Aktiengesetz: Band 12 §§ 256-290 [5. neu bearb. Aufl.] 9783110294248, 9783110293203

A tradition of academic excellence – this major Stock Corporation Act commentary, now in its fifth edition, is a a guara

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German Pages 959 [960] Year 2020

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Verzeichnis der Bearbeiter der 5. Auflage
Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
ERSTES BUCH Aktiengesellschaft
SIEBENTER TEIL Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und des festgestellten Jahresabschlusses. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung
ZWEITER ABSCHNITT Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses
§ 256 Nichtigkeit
§ 257 Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung
DRITTER ABSCHNITT Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung
§ 258 Bestellung der Sonderprüfer
§ 259 Prüfungsbericht. Abschließende Feststellungen
§ 260 Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer
§ 261 Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung
§ 261a Mitteilungen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
ACHTER TEIL Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft
ERSTER ABSCHNITT Auflösung
ERSTER UNTERABSCHNITT Auflösung und Anmeldung
§ 262 Auflösungsgründe
§ 263 Anmeldung und Eintragung der Auflösung
ZWEITER UNTERABSCHNITT anhängen! Abwicklung
§ 264 Notwendigkeit der Abwicklung
§ 265 Abwickler
§ 266 Anmeldung der Abwickler
§ 267 Aufruf der Gläubiger
§ 268 Pflichten der Abwickler
§ 269 Vertretung durch die Abwickler
§ 270 Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss und Lagebericht
§ 271 Verteilung des Vermögens
§ 272 Gläubigerschutz
§ 273 Schluss der Abwicklung
§ 274 Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft
ZWEITER ABSCHNITT Nichtigerklärung der Gesellschaft
§ 275 Klage auf Nichtigerklärung
§ 276 Heilung von Mängeln
§ 277 Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit
ZWEITES BUCH Kommanditgesellschaft auf Aktien
Vorbemerkungen zu den §§ 278 ff AktG
§ 278 Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien
§ 279 Firma
§ 280 Feststellung der Satzung. Gründer
§ 281 Inhalt der Satzung
§ 282 Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter
§ 283 Persönlich haftende Gesellschafter
§ 284 Wettbewerbsverbot
§ 285 Hauptversammlung
§ 286 Jahresabschluß. Lagebericht
Vorbemerkung zu § 287 Mitbestimmung
§ 287 Aufsichtsrat
§ 288 Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung
§ 289 Auflösung
§ 290 Abwicklung
Sachregister
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Aktiengesetz: Band 12 §§ 256-290 [5. neu bearb. Aufl.]
 9783110294248, 9783110293203

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Großkommentare der Praxis

I

II

AktG

Aktiengesetz ||

Großkommentar 5., neu bearbeitete Auflage Herausgegeben von Heribert Hirte, Peter O. Mülbert, Markus Roth Zwölfter Band §§ 256–290 Bearbeiter: Tilman Bezzenberger, Sebastian Mock, Karsten Schmidt, Rolf Sethe

III

Stand der Bearbeitung: August 2020 Zitiervorschlag: zB Mock in Großkomm AktG, § 258 Rdn 12 Großkomm/Mock § 258 Rdn 12 Sachregister: Christian Klie

ISBN 978-3-11-029320-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-029424-8 e-ISBN (E-Pub) 978-3-11-038190-0 Library of Congress Control Number: 2015372176 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Datenkonvertierung und Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

IV

Verzeichnis der Bearbeiter

Verzeichnis der Bearbeiter der 5. Auflage Verzeichnis der Bearbeiter Verzeichnis der Bearbeiter https://doi.org/10.1515/9783110294248-202

Dr. Johannes Adolff, LL.M. (Cambridge), Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, Außerplanmäßiger Professor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Dr. Michael Arnold, Rechtsanwalt in Stuttgart, Honorarprofessor an der Eberhard Karls Universität Tübingen Dr. Gregor Bachmann, LL.M. (Univ. of Michigan), Universitätsprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Alfred Bergmann, Vors. Richter am Bundesgerichtshof i.R., Karlsruhe, Honorarprofessor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Dr. Tilman Bezzenberger, M.A., Universitätsprofessor an der Universität Potsdam Volker Butzke, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main Dr. Christian E. Decher, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, Honorarprofessor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Dr. Ulrich Ehricke, LL.M. (London), M.A., Richter am Oberlandesgericht a.D., Universitätsprofessor an der Universität zu Köln Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer, Dipl.-Kfm., LL.M. (Univ. of Michigan), Universitätsprofessor, Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg Dr. Max Foerster, LL.M.eur., Privatdozent, Akademischer Oberrat a.Z., Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Andreas Gaschler, LL.M. (Cambridge), Richter (Amtsgericht Peine) Dr. Markus Gehrlein, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe, Honorarprofessor an der Universität Mannheim Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M. (Berkeley), Universitätsprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Mathias Habersack, Universitätsprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Kai Hasselbach, Rechtsanwalt in München Dr. Hartwig Henze, Richter am Bundesgerichtshof a.D., Honorarprofessor an der Universität Konstanz Dr. Heribert Hirte, LL.M. (Berkeley), Universitätsprofessor an der Universität Hamburg, MdB Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus J. Hopt, em. Universitätsprofessor, ehem. Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg, vormals Richter am Oberlandesgericht Stuttgart Dr. Peter M. Huber, Richter des Bundesverfassungsgerichts, Universitätsprofessor an der LudwigMaximilians-Universität München Dr. Michael Kort, Universitätsprofessor an der Universität Augsburg Dr. Katja Langenbucher, Universitätsprofessorin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Dr. Patrick C. Leyens, LL.M. (London), Universitätsprofessor an der Universität Bremen und Professor (ehrenamtl.) an der Erasmus Universiteit Rotterdam Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago), Universitätsprofessor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe Dr. Sebastian Mock, LL.M. (NYU), Universitätsprofessor, Wirtschaftsuniversität Wien Dr. Florian Möslein, Dipl.-Kfm., LL.M. (London), Universitätsprofessor an der Philipps-Universität Marburg Dr. Peter O. Mülbert, Universitätsprofessor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Richard L. Notz, LL.M. (Univ. of Chicago), LL.M. I.B.L. (UCP Lisboa), Rechtsanwalt in Stuttgart Dr. Hartmut Oetker, Universitätsprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Richter am Oberlandesgericht Jena Dr. Hans-Joachim Priester, Notar a.D., Honorarprofessor an der Universität Hamburg Dr. Karl Riesenhuber, M.C.J. (Austin/Texas), Universitätsprofessor an der Ruhr-Universität Bochum Dr. h.c. Volker Röhricht, Vors. Richter am Bundesgerichtshof i.R., Karlsruhe Dr. Markus Roth, Universitätsprofessor an der Philipps-Universität Marburg Dr. Alexander Schall, M.Jur. (Oxford), Universitätsprofessor an der Leuphana Universität Lüneburg Dr. Michael Schlitt, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, Honorarprofessor an der Universität zu Köln Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham), Universitätsprofessorin an der Universität Bayreuth

V https://doi.org/10.1515/9783110294248-202

Verzeichnis der Bearbeiter

Dr. Dr. h.c. mult. Karsten Schmidt, em. Universitätsprofessor an der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn und Professor an der Bucerius Law School Hamburg Dr. Klaus Ulrich Schmolke, LL.M. (NYU), Universitätsprofessor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Dr. Claudia Schubert, Universitätsprofessorin an der Universität Hamburg Dr. Rolf Sethe, LL.M. (London), Universitätsprofessor an der Universität Zürich Dr. Felix Steffek, LL.M. (Cambridge), University Lecturer, University of Cambridge Dr. Dirk Verse, M.jur. (Oxford), Universitätsprofessor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Dr. Eberhard Vetter, Rechtsanwalt in Köln Dr. Hartmut Wicke, LL.M., Notar in München Dr. Herbert Wiedemann, em. Universitätsprofessor an der Universität zu Köln, vormals Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf Dr. Christine Windbichler, LL.M. (Berkeley), Universitätsprofessorin a.D. an der Humboldt-Universität zu Berlin

VI

Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht https://doi.org/10.1515/9783110294248-203 Verzeichnis der Bearbeiter der 5. Auflage | V Abkürzungsverzeichnis | IX Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur | XIX

Aktiengesetz ERSTES BUCH Aktiengesellschaft SIEBENTER TEIL Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und des festgestellten Jahresabschlusses. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung ZWEITER ABSCHNITT Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses § 256 Nichtigkeit | 1 § 257 Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung | 165 DRITTER ABSCHNITT Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung § 258 Bestellung der Sonderprüfer | 175 § 259 Prüfungsbericht. Abschließende Feststellungen | 232 § 260 Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer | 248 § 261 Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung | 263 § 261a Mitteilungen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht | 277

ACHTER TEIL Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft ERSTER ABSCHNITT Auflösung ERSTER UNTERABSCHNITT Auflösung und Anmeldung § 262 Auflösungsgründe | 279 § 263 Anmeldung und Eintragung der Auflösung | 302 ZWEITER UNTERABSCHNITT Abwicklung § 264 Notwendigkeit der Abwicklung | 306 § 265 Abwickler | 313 § 266 Anmeldung der Abwickler | 326 § 267 Aufruf der Gläubiger | 330 § 268 Pflichten der Abwickler | 333 VII

Inhaltsübersicht

§ 269 § 270 § 271 § 272 § 273 § 274

Vertretung durch die Abwickler | 337 AktG Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss und Lagebericht | 342 Verteilung des Vermögens | 349 Gläubigerschutz | 353 Schluss der Abwicklung | 359 Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft | 365

ZWEITER ABSCHNITT Nichtigerklärung der Gesellschaft § 275 Klage auf Nichtigerklärung | 372 § 276 Heilung von Mängeln | 388 § 277 Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit | 391

ZWEITES BUCH Kommanditgesellschaft auf Aktien Vorbemerkungen zu den §§ 278 ff AktG | 397 § 278 Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien | 490 § 279 Firma | 582 § 280 Feststellung der Satzung. Gründer | 591 § 281 Inhalt der Satzung | 595 § 282 Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter | 609 § 283 Persönlich haftende Gesellschafter | 612 § 284 Wettbewerbsverbot | 631 § 285 Hauptversammlung | 648 § 286 Jahresabschluß. Lagebericht | 693 Vorbemerkung zu § 287 Mitbestimmung | 714 § 287 Aufsichtsrat | 724 § 288 Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung | 785 § 289 Auflösung | 815 § 290 Abwicklung | 880 Sachregister | 895

VIII

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis https://doi.org/10.1515/9783110294248-204

aA aaO abl ABl ABlEG, ABlEU Abs AcP Action Plan

ADHGB aE AEUV aF AG AG-S AGB AGG AktG AktG 1937 AktR allg allgM Alt aM Amtl Begr AnSVG Anm AR ARUG ArbGG Art Aufl AuR BaFin BAG BAGE BAKred Bank-Betrieb BAV BAWe BayObLG

anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, der Europäischen Union (Nummer, Seite, Datum) Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Band, Jahr, Seite) European Commission, Action Plan: European company law and corporate governance – a modern legal framework for more engaged shareholders and sustainable companies, Brussels 12.12.2012, COM(2012) 740 final Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der seit dem 1.12.2009 geltenden Fassung (ABlEU 2008 Nr C 115/1, ber ABlEU 2009 Nr C 290/1) alte Fassung Amtsgericht; Aktiengesellschaft(en); Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Jahr, Seite) Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, Sonderheft (Jahr, Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) v 14.8.2006 (BGBl I 1897, BGBl III/ FNA 402-40) Aktiengesetz v 6.9.1965 (BGBl I 1089; BGBl III/FNA 4121-1) Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) v 30.1.1937 (RGBl I 107), nunmehr AktG 1965 (AktG) Aktienrecht allgemein allgemeine Meinung Alternative anderer Meinung Amtliche Begründung Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) v 28.10.2004 (BGBl I 2630) Anmerkung Aufsichtsrat Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) idF v 30.7.2009 (BGBl I 2479) Arbeitsgerichtsgesetz idF v 2.7.1979 (BGBl I 853, ber 1036; BGBl III/ FNA 320-1) Artikel Auflage Arbeit und Recht (Jahr, Seite) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, durch FinDAG ab 1.5.2002, zuvor BAKred, BAV und BAWe Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band, Seite) Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, seit 1.5.2002 BaFin Bank-Betrieb, seit 1977 Die Bank (Jahr und Seite) Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, seit 1.5.2002 BaFin Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, seit 1.5.2002 BaFin Bayerisches Oberstes Landesgericht (aufgelöst seit 1.7.2006)

IX https://doi.org/10.1515/9783110294248-204

Abkürzungsverzeichnis

BayObLGZ BB Bd, Bde Begr, begr BegrRegE Beil Bek Beschl BetrVG BFH BFHE BFuP BGB BGBl I, II, III BGH BGHSt BGHVGrS BGHZ BilKoG BilMoG BilReG

BiRiLiG

BKR BörsG BR BRD BR-Drucks BReg BSG BSGE Bsp bspw BStBl BT BT-Drucks BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzgl bzw ca CCZ CEO CII

Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen (Jahr, Seite) Betriebs-Berater (Jahr, Seite) Band, Bände Begründung, begründet Begründung Regierungsentwurf Beilage Bekanntmachung Beschluss Betriebsverfassungsgesetz idF v 25.9.2001 (BGBl I 2518; BGBl III/FNA 801-7) Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Band, Seite) Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Jahr, Seite) Bürgerliches Gesetzbuch v 18.8.1896 (RGBl 195) idF v 2.1.2002 (BGBl I 42, ber 2909 und 2003 I 738; BGBl III/FNA 400-2) Bundesgesetzblatt Teil I, II und III Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Band, Seite) Bundesgerichtshof, Vereinigter Großer Senat Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Band, Seite) Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz – BilKoG) v 15.12.2004 (BGBl I 3408) Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v 25.5.2005 (BGBl I 1102) Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReg) v 4.12.2004 (BGBl I 3166) Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz – BiRiLiG) v 19.12.1985 (BGBl I 2355) Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (Jahr, Seite) Börsengesetz v 16.7.2007 (BGBl 1330, 1351; BGBl III/FNA 4110-10) Bundesrat Bundesrepublik Deutschland Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Beispiel beispielsweise Bundessteuerblatt (Band, Jahr, Seite) Bundestag Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Band, Seite) bezüglich beziehungsweise circa Corporate Compliance Zeitschrift, Zeitschrift zur Haftungsvermeidung im Unternehmen (Jahr und Seite) chief executive officer Council of Institutional Investors (USA)

X

Abkürzungsverzeichnis

c.i.c. Combined Code

Company Law Action Plan 2003 CorpGov DAX DB DBW DCGK ders dG dies Diss DJT DNotZ D&O-Versicherung DrittelbG DStR DVO DWiR, DZWir DZWIR

E ebd EBOR ECLE ECFR ECGI ed(s) éd EG EGAktG EGBGB EGHGB EGKomm EGV EHUG

Einf Einl Emittentenleitfaden end Entsch entspr

XI

culpa in contrahendo The Combined Code on Corporate Governance, July 2003 (Financial Reporting Council, London), Combined Code on Corporate Governance, June 2006, nunmehr UK Corporate Governance Code Commission of the European Union, Modernising Company Law and Enhancing Corporate Governance in the European Union – A Plan to Move Forward, Brussels 21.5.2003, COM(2003) 284 final, siehe auch Action Plan Corporate Governance Deutscher Aktienindex Der Betrieb (Jahr, Seite) Die Betriebswirtschaft (Jahr, Seite) Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe der Gründe (bei Urteilen ohne Randnummern) dieselbe(n) Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift, früher Zeitschrift des Deutschen Notarvereins (Jahr, Seite) directors & officers liability insurance Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz – DrittelbG) v 18.5.2004 (BGBl I 974; BGBl III/FNA 801-14) Deutsches Steuerrecht (Jahr, Seite) Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (1991–1998), ab 1999 DZWIR, (Jahr, Seite) Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Jahr, Seite), vor 1999 DZWir Entwurf ebenda European Business Organization Law Review (Band, Jahr, Seite) European Company Law Experts European Company and Financial Law Review (Jahr, Seite) European Corporate Governance Institute, Brüssel editor(s); edition édition Einführungsgesetz; Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum Aktiengesetz v 6.9.1965 (BGBl I 1185; BGBl III/FNA 4121-2) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch idF v 21.9.1994 (BGBl I 2494, ber 1997 I 1061; BGBl III/FNA 400-1) Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuche v 10.5.1897 (RGBl 437; BGBl III/ FNA 4101-1) Kommission der Europäischen Gemeinschaften Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amsterdamer Fassung), geändert durch den Vertrag von Nizza v 26.2.2002 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v 10.11.2006 (BGBl I 2553, BGBl III/ FNA 4100-1) Einführung Einleitung Emittentenleitfaden der BaFin, November 2013 endgültig Entscheidung entsprechend

Abkürzungsverzeichnis

ErgG ESUG et al etc EU EuGH EuroEG EUV EuZW evtl EWG EWiR EWIV f, ff FamFG

FASB FG FinG FN Fn FNA fragl FS Fußn G GBl GbR GD gem GenG Ges GesR GesRÄG GesRZ GG ggf GmbH GmbHG GmbHR grds GrS GRUR GS GuV

Ergänzungsgesetz Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v 7.12.2011 (BGBl I 2562) et a/ii et cetera Europäische Union; Vertrag über die Europäische Union v 7.2.1992 (BGBl II 1251) (s auch EUV) Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Gesetz zur Einführung des Euro (Euro-Einführungsgesetz – EuroEG) v 9.6.1998 (BGBl I 1242) Vertrag über die Europäische Union v 7.2.1992 (BGBl II 1251) (s auch EU) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung folgende (Singular, Plural) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit idF v 17.12.2008 (BGBl I 2586, 2587; BGBl 2009 I 1102, FNA 315-24) Financial Accounting Standards Board Finanzgericht, Festgabe Finanzgericht (s auch FG) Fachnachrichten, Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (Jahr, Seite) Fußnote Fundstellennachweis A, Bundesrecht ohne völkerrechtliche Verträge (zuvor BGBl III) fraglich Festschrift s Fn Gesetz Gesetzblatt Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gedächtnisschrift (s auch GS) gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) idF v 16.10.2006 (BGBl I 2230; BGBl III/FNA 4125-1) Gesellschaft Gesellschaftsrecht Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz (Österreich) Der Gesellschafter, Zeitschrift für Gesellschaftsrecht, Wien (Jahr, Seite) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v 23.5.1949 (BGBl I 1; BGBl III/ FNA 100-1) gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung v 20.4.1892 (RGBl 477) idF v 20.5.1898 (RGBl I 846; BGBl III/FNA 4123-1) GmbH-Rundschau, vorher Rundschau für die GmbH (Jahr, Seite) grundsätzlich Großer Senat Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr, Seite) Gedächtnisschrift (s auch GD) Gewinn- und Verlustrechnung

XII

Abkürzungsverzeichnis

GVBl GWR

Gesetz- und Verordnungsblatt Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

hA Hb, Hdb HFA HGB High Level Group

herrschende Ansicht Handbuch Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 (RGBl 219; BGBl III/FNA 4100-1) High Level Group of Company Law Experts (Winter, chairman, Christensen, Garrido Garcia, Hopt, Rickford, Rossi, Simon), Report of the High Level Group of Company Law Experts on Issues Related to Takeover Bids (High Level I), European Commission, Brussels, 10 January 2002; Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe (High Level II), European Commission, Brussels, 4 November 2002 herrschende Lehre herrschende Meinung Handelsregister Höchstrichterliche Rechtsprechung (1928–1942, zitiert Jahr, Nummer), bis 1927: Die Rechtsprechung, Beilage zur Zeitschrift Juristische Rundschau Herausgeber, herausgegeben Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters (Handelsregisterverordnung – HRV) v 12.8.1937 (RMBl 515; DJ 1251; BGBl III/ FNA 315-20) Halbsatz Hauptversammlung

hL hM HReg HRR Hrsg, hrsg HRV

Hs HV IAS IASB IASC ibd idF idR IDW IDW FG IDW FN IDW NA

IPRax ISS iÜ iVm

International Accounting Standards (seit 1.4.2001 IFRS) International Accounting Standards Board (vor dem 1.4.2001 IASC) International Accounting Standards Committee (seit 1.4.2001 IASB) ibidem in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Fachgutachten des IDW IDW-Fachnachrichten Stellungnahmen des Sonderausschusses Neues Aktienrecht und des Hauptfachausschusses des IDW zu Fragen des neuen Aktienrechts IDW Prüfungsstandard IDW Rechnungslegungshinweise IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung IDW Standards im Ergebnis International Financial Reporting Standards (vor dem 1.4.2001 IAS) insbesondere Insolvenzordnung (InsO) v 5.10.1994 (BGBl I 2866; BGBl III/FNA 311-13) Investmentgesetz (InvG) v 15.12.2003 (BGBl I 2676; BGBl III/FNA 7612-2), jetzt KAGB Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Jahr, Seite) Institutional Shareholder Service im Übrigen in Verbindung mit

JBl JCLS Jg

Justizblatt, Juristische Blätter, Wien (Jahr, Seite) Journal of Corporate Law Studies (Band, Jahr, Seite) Jahrgang

IDW PS IDW RH IDW RS IDW S iE IFRS insb, insbes InsO InvG

XIII

Abkürzungsverzeichnis

JherJ

jew JR JuS JW JZ KAGB KAGG

Jahrbücher für Dogmatik des römischen und deutschen Privatrechts, begr v Jhering, Gerber, später Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts (Jahr, Seite) jeweils Juristische Rundschau (Jahr, Seite) Juristische Schulung (Jahr, Seite) Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) Juristenzeitung (Jahr, Seite)

krit KSzW KTS KWG

Kapitalanlagesetzbuch v 4.7.2013 (BGBl I 1981; BGBl III/FNA 7612-3) Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) idF v 9.9.1998 (BGBl I 2726; BGBl III/FNA 4120-4), aufgehoben durch InvG Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) idF v 16.8.2005 (BGBl I 2437) Kammer für Handelssachen Kaufmann Kommanditgesellschaft, Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Band, Seite) Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Dokumente) Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v 27.4.1998 (BGBl I 786) Gesetz zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf Euro (KostREuroUG) v 27.4.2001 (BGBl I 751) kritisch Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Insolvenzrecht, Konkurs, Treuhand, Sanierung, (Jahr, Seite) Gesetz über das Kreditwesen idF v 9.9.1998 (BGBl I 2776; BGBl III/FNA 7610-1)

LAG LG li Sp Lit LS

Landesarbeitsgericht Landgericht linke Spalte Literatur Leitsatz

m maW MDR MinG MitbestBeiG

mit mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) Ministergesetz Gesetz zur Beibehaltung der Mitbestimmung beim Austausch von Anteilen und der Einbringung von Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffen (MitbestimmungsBeibehaltungsgesetz – MitbestBeiG) v 23.8.1994 (BGBl I 2228) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie v 7.8.1956 (BGBl I 707; BGBl III/ FNA 801-3) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz – MitbestG) v 4.5.1976 (BGBl I 1153; BGBl III/FNA 801-8) Mitteilungen Marburg Law Review Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v 23.10.2008 (BGBl I 2026)

KapMuG KfH Kfm KG KGaA KGJ KOM Komm KonTraG KostREuroUG

MitbestErgG

MitbestG Mitt MLR MoMiG

XIV

Abkürzungsverzeichnis

Montan-MitbestG

mwN MwSt mWv Nachw NASDAQ NaStraG nF NJ NJW NJW-RR Nr(n) NYSE NZA NZG OECD Österr OGH OFD OGH OGHZ OHG OLG OLGZ

PublG

pVV RabelsZ RAG RBegrG RdA RDG Rdn RdW Recht RefE RegE re Sp RG RGBl I, II RGZ RIW

XV

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie v 21.5.1951 (BGBl I 347) mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer mit Wirkung vom Nachweis National Association of Securities Dealers Automated Quotations (USA) Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG) v 18.1.2001 (BGBl I 123) neue Fassung Neue Justiz (Jahr, Seite) Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Jahr, Seite) Nummer(n) New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht, seit 1992 Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Organisation for Economic Cooperation and Development Österreichischer Oberster Gerichtshof Oberfinanzdirektion (Jahr, Seite) Oberster Gerichtshof für die Britische Zone Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Zivilsachen (1949/50, zitiert Band, Seite) Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (Jahr, Seite) Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz – PublG) v 15.8.1969 (BGBl I 1189, ber 1970 I 1113; BGBl III/FNA 4120-7) positive Vertragsverletzung Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Band, Jahr, Seite) Reichsarbeitsgericht, Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts (Band, Seite) Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) v 12.8.2008 (BGBl I 1666) Recht der Arbeit (Jahr, Seite) Rechtsdienstleistungsgesetz v 12.12.2007 (BGBl I 2841, BGBl III FNA 303-20) Randnummer(n) (s auch Rn) Recht der Wirtschaft, Wien (Jahr, Seite) Das Recht (Jahr, Nummer der Entscheidung; bei Aufsätzen: Jahr, Seite) Referentenentwurf Regierungsentwurf rechte Spalte Reichsgericht (Band, Seite) Reichsgesetzblatt, von 1922–1945 Teil I und Teil II (Jahr, Seite) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band, Seite) Recht der internationalen Wirtschaft (Jahr, Seite)

Abkürzungsverzeichnis

RJA RL Rn ROHG ROHGE Rspr s S SE SEAG

SEBG

SEC SEEG SeuffArch SE-VO Slg sog SprAuG

Spark StGB StPO str st Rspr StückAG SZW/RSDA

TransPuG TUG

u ua überw UG UMAG

Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zusammengestellt vom Reichsjustizamt (Band, Seite) Richtlinie Randnummer(n) (s auch Rdn) Reichsoberhandelsgericht Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts (Band, Seite) Rechtsprechung siehe Seite; Satz Societas Europaea, Europäische (Aktien-)Gesellschaft Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz – SEAG) v 22.12.2004 (BGBl I 3675; BGBl III/ FNA 4121-4) Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz – SEBG) v 22.12.2004 (BGBl I 3686; BGBl III/ FNA 801-15) Securities and Exchange Commission (USA) Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft v 22.12.2004 (BGBl I 3675) Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte (Band, Nummer) Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABlEG L 294/1 v 10.11.2001) Sammlung sogenannte(r) Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung v 20.12.1988 (BGBl I 2312; BGBl III/FNA 801-11) Die Sparkasse, Zeitschrift des deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (Jahr, Seite) Strafgesetzbuch idF v 13.11.1998 (BGBl I 3322; BGBl III/FNA 450-2) Strafprozessordnung strittig, streitig ständige Rechtsprechung Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz – StückAG) v 25.3.1998 (BGBl I 590) Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, Revue suisse de droit des affaires (früher SchweizAG, Jahr, Seite) Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) v 19.7.2002 (BGBl I 2681) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) v 5.1.2007 (BGBl I 10) unten unter anderem; und andere überwiegend Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v 22.9.2005 (BGBl I 2802)

XVI

Abkürzungsverzeichnis

UmwG unstr unzutr Urt USA US-GAAP usw v va VAG

VerfGH Verh VersR VfGH vgl VO(en) Voraufl Vorb, Vorbem VorstAG VorstOG

WiB wistra WM WP WPg WpHG WPK WpÜG WuB zB ZBB ZCG ZEuP ZfA ZfB ZfbF ZfRV ZGR ZHR ZIP

XVII

Umwandlungsgesetz idF v 28.10.1994 (BGBl I 3210, ber 2005 I 428; BGBl III/ FNA 4120-9-2) unstreitig unzutreffend Urteil United States of America United States Generally Accepted Accounting Principles und so weiter von; vom vor allem Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG) idF v 1.4.2015 (BGBl I 434) idF v 30.6.2016 (BGBl I 1514) Verfassungsgerichtshof (s auch VfGH) Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages (DJT) usw Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung (Jahr, Seite) Verfassungsgerichtshof (s auch VerfGH) vergleiche Verordnung(en) Vorauflage Vorbemerkung Gesetz über die Angemessenheit von Vorstandsvergütungen (VorstAG) idF v 31.7.2009 (BGBl I 2509) Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen (VorstandsvergütungsOffenlegungsgesetz – VorstOG) v 3.8.2005 (BGBl I 2267) Wirtschaftsrechtliche Beratung (Jahr, Seite) Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (Jahr, Seite) Wertpapier-Mitteilungen (Jahr, Seite) Das Wertpapier (Jahr, Seite) Die Wirtschaftsprüfung (Jahr, Seite) Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG) idF v 9.9.1998 (BGBl I 2708; BGBl III/FNA 4110-4) Wirtschaftsprüferkammer Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) v 20.12.2001 (BGBl I 3822; BGBl III/FNA 4110-7) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Jahr, Seite) Zeitschrift für Corporate Governance (Jahr, Seite) Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Arbeitsrecht (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Band, Jahr, Seite) Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite)

Abkürzungsverzeichnis

ZRI ZRP zust ZVglRWiss ZZP

Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr, Seite) zustimmend Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift für Zivilprozess (Band, Jahr, Seite)

XVIII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur https://doi.org/10.1515/9783110294248-205

ADS American Law Institute AnwKomm ArbHdbHV ARHdb Armbrüster Assmann/Pötzsch/ Schneider Assmann/Schneider/ Mülbert Assmann/Schütze/ Buck-Heeb BankRHdb BankRKomm Baumbach/Hopt Baumbach/Hueck Baumbach/Hueck GmbHG Baums Baums/Thoma Bayer Bayer/Habersack BeckBil-Komm BeckFormularbuch BeckHdbAG Beckmann/Scholtz/ Vollmer Beuthien Böckli Bonner HdR Boos/Fischer/SchulteMattler Bork/Schäfer Bork/Jacoby/Schwab Brodmann BuB Bumiller/Harders/ Schwamb von Büren/Stoffel/Weber Bürgers/Fett Bürgers/Körber Butzke Cahn/Donald

Adler, Düring, Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Auflage 1995 ff American Law Institute, Principles of Corporate Governance, St. Paul, Minn, 1994 Anwaltkommentar Aktienrecht, hrsg v Heidel, 1. Auflage 2003, jetzt Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Auflage 2019 (s auch Heidel) Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, hrsg v Semler, Volhard, Reichert, 4. Auflage 2018 (s auch Semler/Volhard/Reichert) Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, hrsg v Semler, von Schenck, 4. Auflage 2013 (s auch Semler/Volhard) Fallsammlung zum Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2018 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 3. Auflage 2019 Wertpapierhandelsrecht, Kommentar, 7. Auflage 2019 Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Auflage 2020 Bankrechts-Handbuch, hrsg v Schimansky, Bunte, Lwowski, 5. Auflage 2017 Bankrechts-Kommentar, hrsg von Langenbucher, Bliesener, Spindler, 2. Auflage 2016 Handelsgesetzbuch, 39. Auflage 2020 Aktiengesetz, 13. Auflage 1968 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung: GmbHG, 22. Auflage 2019 Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001 WpÜG, Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Loseblatt, 11. Aktualisierung 2016 Aktienrecht in Zahlen, 2010 Aktienrecht im Wandel, 2007 Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020 Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, hrsg von Hoffmann-Becking, Gebele, 13. Auflage 2019 Beck’sches Handbuch der AG, hrsg v Drinhausen, Eckstein, 3. Auflage 2018, bis zur 2. Auflage hrsg v Müller/Rödder Investment, Handbuch für das gesamte Investmentwesen, Loseblatt, 4. Aktualisierung 2020 Genossenschaftsgesetz, 16. Auflage 2018 Schweizer Aktienrecht, 4. Auflage, Zürich 2009 Bonner Handbuch der Rechnungslegung, hrsg v Hofbauer, Kupsch, Loseblatt, 102. Aktualisierung 2020, jetzt: Rechnungslegung KWG, CRR-VO, Kommentar, 5. Auflage 2016 GmbHG, Kommentar, 4. Auflage 2019 FamFG, Kommentar, 3. Auflage 2018 Aktienrecht, Kommentar, 1928 Bankrecht und Bankpraxis, begr. v. Hellner, Steuer, 144. Aktualisierung 2020 FamFG, Kommentar, 12. Auflage 2019 Grundriss des Aktienrechts, 3. Auflage, Zürich 2011 Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Handbuch, 2. Auflage 2015 Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2017 Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 5. Auflage 2011 Comparative Company Law, Germany, the UK and the US, 2nd ed Cambridge 2018

XIX https://doi.org/10.1515/9783110294248-205

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Consbruch/Fischer Cozian/Viandier/ Deboissy Davies/Hopt/ van Solinge/Nowak Dörner/Menold/Pfitzer/ Oser Doralt/Nowotny/Kalss Drygala/Staake/Szalai Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn ErfK Ehricke/Ekkenga/ Oechsler Emmerich/Habersack Emmerich/Habersack KonzernR Erman Fahr Feddersen/Hommelhoff/ Schneider Fitting Fitting/Wlotzke/ Wißmann Fleischer Forstmoser/MeierHayoz/Nobel Frankfurter Kommentar WpÜG Frodermann/Jannott Fuchs Fuchs/Köstler/Pütz Geibel/Süßmann Geßler GKHGB Goette (v) Godin/Wilhelmi Gower Grigoleit GroßKoAktG oder Großkomm Großkomm HGB Grundmann Grunewald Haarmann/Riehmer/ Schüppen

Kreditwesengesetz, Loseblatt, 120. Aktualisierung 2020 Droit des sociétés, 32e éd Paris 2019 Corporate Boards in Law and Practice, Oxford 2013 Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und der Prüfung, 2. Auflage 2003 Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage Wien 2012 Kapitalgesellschaftsrecht, 2012 Handelsgesetzbuch, 4. Auflage 2020 Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, begr v Dieterich, Hanau, Schaub, hrsg v Müller-Glöge, Preis, Schmidt (Ingrid), 20. Auflage 2020 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Kommentar, 2003 Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Kommentar, 9. Auflage 2019 Konzernrecht, 11. Auflage 2020 Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 15. Auflage 2017 s. Kaulbach/Bähr/Pohlmann Corporate Governance, 1996 Betriebsverfassungsgesetz, hrsg v Fitting, Engels, Schmidt, Trebinger, Linsenmaier, 30. Auflage 2020 MitbestimmungsG, 2. Auflage 1978, 5. Auflage siehe Wißmann/Kleinsorge/ Schubert Handbuch des Vorstandsrechts, 2006 Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996 Frankfurter Kommentar zum WpÜG, hrsg. v. Haarmann, Schüppen, 3. Auflage 2008 Handbuch des Aktienrechts, 9. Auflage 2017; bis zur 8. Auflage Henn/Frodermann/Jannott, Wertpapierhandelsgesetz, 2. Auflage 2016 Handbuch zur Aufsichtsratswahl, 6. Auflage 2016 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Kommentar, hrsg v Angerer, Geibel, Süßmann, 3. Auflage 2017 Aktiengesetz, Kommentar, hrsg v Geßler (Ernst), Hefermehl, Eckardt, Kropff, 1973 ff, 4./5. Auflage s MünchKomm Gemeinschaftskommentar zum HGB, hrsg v Ensthaler, 8. Auflage 2015 Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008 Aktiengesetz, Kommentar, begr v Freiherr von Godin, H. Wilhelmi, 4. Auflage 1971 Gower: Principles of Modern Company Law, hrsg. v. Davies, Worthington, 10th ed. London 2016 Aktiengesetz, Kommentar, 1. Auflage 2013 Aktiengesetz, Großkommentar, hrsg v Hirte, Mülbert, Roth, 5. Auflage 2015 ff, begr v Gadow, Heinichen; 1. Auflage 1939, 2. Auflage 1961/65, 3. Auflage 1970 ff, 4. Auflage hrsg v Hopt, Wiedemann, 1992 ff siehe Staub Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 2011, European Company Law, 2nd ed. 2012 Gesellschaftsrecht, 10. Auflage 2017 Öffentliche Übernahmeangebote, Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, 3. Auflage s Frankfurter Kommentar WpÜG XX

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Habersack Die Mitgliedschaft, 1996 Habersack/Casper/Löbbe GmbHG, Großkommentar, 3. Auflage 2019 f; 2. Auflage 2016 hrsg v Ulmer /Habersack/Löbbe Habersack/Drinhausen SE-Recht, 2. Auflage 2016 Habersack/Mülbert/ Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013 Schlitt Habersack/Mülbert/ Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Auflage 2019 Schlitt Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Auflage 2019 Hachenburg GmbH-Gesetz, Großkommentar, hrsg v Ulmer, 8. Auflage 1992–1997 Hallstein Die Aktienrechte der Gegenwart, 1931 Happ Aktienrecht, Handbuch, Mustertexte, Kommentar, 5. Auflage 2019 Haußleiter FamFG, 2. Auflage 2017 HdbAG Handbuch der Aktiengesellschaft, hrsg v Ziemons, Binnewies, 84. Aktualisierung 2020 Hdb börsennot AG Handbuch börsennotierte AG, hrsg v Marsch-Barner, Schäfer, 4. Auflage 2017 HdR Handbuch der Rechnungslegung, hrsg v Küting, Weber, 28. Aktualisierung 2019 Heidel Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, Kommentar, 5. Auflage 2019 (s auch AnwKomm) Heidel/Schall Handelsgesetzbuch, Handkommentar, 3. Auflage 2019 HeidelbergKomm Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Bürgers, Körber, 4. Auflage 2017 (s auch Bürgers/Körber) von Hein Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, 2008 Henn/Frodermann/ siehe Frodermann/Jannott Jannott Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, Kommentar, 4. Auflage 2019 Heymann Handelsgesetzbuch, Kommentar, 3. Auflage hrsg v Horn, 1995 ff Hirte KapitalgesellKapitalgesellschaftsrecht, 8. Auflage 2016 schaftsrecht Hoffmann/Lehmann/ Mitbestimmungsgesetz, Kommentar, 1978 Weinmann Hoffmann/Preu Der Aufsichtsrat, 5. Auflage 2003 Hölters Aktiengesetz, Kommentar, 3. Auflage 2017 Hommelhoff/Hopt/ Handbuch Corporate Governance, 2. Auflage 2010 von Werder Hommelhoff/Lutter/ Corporate Governance. Gemeinschaftssymposium der Zeitschriften Schmidt/Schön/ ZGR/ZHR, ZHR-Beiheft 71, 2002 Ulmer Hopt Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 4. Auflage 2013 Hopt KapitalanlegerDer Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, Gesellschafts-, bank- und schutz börsenrechtliche Anforderungen an das Beratungs- und Verwaltungsverhalten der Kreditinstitute, 1975 Hopt/Fleckner Comparative Corporate Governance, Cambridge 2013 Hopt/Kanda/Roe/ Comparative Corporate Governance, The State of the Art and Emerging ReWymeersch/Prigge search, Oxford 1998 Hopt/Voigt Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005 Hopt/Wymeersch Comparative Corporate Governance, Berlin 1997 Hopt/Wymeersch Capital Markets and Company Law, Oxford 2003 Hopt/Wymeersch/ Corporate Governance in Context, Oxford 2005 Kanda/Baum Hucke/Ammann Der Deutsche Corporate Governance Kodex, 2003 Hüffer/Koch Aktiengesetz, Kommentar, 14. Auflage 2020 Jabornegg/Strasser Kommentar zum Aktiengesetz, begr v Schiemer, 5. Auflage, Wien 2011 Kallmeyer Umwandlungsgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2020 XXI

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Kalss Kalss/Klampfl Kaulbach/Bähr/ Pohlmann Keidel KK KK WpHG KK WpÜG Klausing

Koch Köstler/Müller/Sick Koller/Kindler/Roth/ Drüen Kraakman et al Kremer/Bachmann/ Lutter/von Werder Kropff AktG Kübler/Assmann GesR Kümpel/Hammen/ Ekkenga Kümpel/Mülbert /Früh/ Seyfried Lang/Weidmüller Langenbucher Lettl Lutter/Bayer/Schmidt Lutter Lutter/Hommelhoff GmbHG Lutter/Hommelhoff/ Teichmann SE Lutter Information Lutter/Krieger/Verse Manz/Mayer/Schröder Marsch-Barner/Schäfer Maties/Wank Merkt Merkt US-GesR Merkt/Probst/Fink Mestmäcker Michalski/Heidinger/ Leible/Schmidt Mülbert Aktiengesellschaft Mülbert/Kiem/Wittig Müller/Rödder

Anlegerinteressen, Wien 2001 Europäisches Gesellschaftsrecht, 2015 Versicherungsaufsichtsgesetz, 6. Auflage 2019, hrsg v Kaulbach, Bähr, Pohlmann, mitbegr v Fahr FamFG, Kommentar, hrsg v Engelhardt, Sternat, 20. Auflage 2020 Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Zöllner, Noack, 3. Auflage 2004 ff Kölner Kommentar zum Wertpapierhandelsgesetz, hrsg v Hirte, Möllers, 2. Auflage 2014 Kölner Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, hrsg v Hirte, von Bülow, 2. Auflage 2010 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“ (AktG 1937) Gesellschaftsrecht, 11. Auflage 2019 Aufsichtsratspraxis, Handbuch für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, 10. Auflage 2013 Handelsgesetzbuch, Kommentar, 9. Auflage 2019, Ingo Koller, Peter Kindler, Wulf-Henning Roth, Klau-Dieter Drüen The Anatomy of Corporate Law, 2nd ed Oxford 2009, Kraakman/Armour/Davies/Enriques/Hansmann/Hertig/Hopt/Kanda/Rock Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 7. Auflage 2018, bis 5. Auflage Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder Aktiengesetz vom 6.9.1965 und Einführungsgesetz zum Aktiengesetz mit Begründung des Regierungsentwurfs, 1965 Gesellschaftsrecht, 6. Auflage 2006 Kapitalmarktrecht, Loseblatt, 4. Aktualisierung 2019 Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Auflage 2019 Genossenschaftsgesetz, Kommentar, 39. Auflage 2018 Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2018 Fälle zum Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2020 Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Auflage 2017 Umwandlungsgesetz, Kommentar, hrsg v Bayer, Vetter, 6. Auflage 2019 GmbH-Gesetz, Kommentar, 20. Auflage 2020 SE-Kommentar, 2. Auflage 2015 Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Auflage 2006 Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Auflage 2020 Europäische Aktiengesellschaft SE, Kommentar, 3. Auflage 2019 Handbuch börsennotierte AG, 4. Auflage 2017 Handels- und Gesellschaftsrecht, 5. Auflage 2020 Unternehmenspublizität, 2001 US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2013 Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017 Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, 1958 GmbH-Gesetz, Kommentar, 3. Auflage 2017 Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt. Die Aktionärsgruppe bei Bildung und Umbildung einer Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Anlegerschutzrecht, 2. Auflage 1996 10 Jahre WpÜG, 2011 siehe BeckHdbAG

XXII

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

MünchAnwHdb Aktienrecht MünchHdbAG MünchKomm MünchKomm-BGB MünchKomm-FamFG MünchKomm-HGB MünchKomm-GmbHG MünchKomm-InsO

MünchKomm-ZPO MünchVertragsHdb Musielak Oetker Palandt Peltzer Pfitzer/Oser/Orth Pöhlmann/Fandrich/ Bloehs Potthoff/Trescher Prölss Prütting/Helms Raiser/Veil Kapitalgesellschaften Reischauer/Kleinhans Raiser/Veil/Jacobs Ritter Röhricht/Graf von Westphalen/Haas Rowedder/SchmidtLeithoff Roth Altersvorsorge Roth Ermessen Roth/Altmeppen Roth/Kindler Saenger Schaaf Schäfer Schäfer/Hamann Schlegelberger/ Quassowski K Schmidt GesR K Schmidt InsO XXIII

Münchener Anwaltshandbuch Aktienrecht, hrsg v Schüppen, Schaub, 3. Auflage 2018 Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 4: Aktiengesellschaft, hrsg v Hoffmann-Becking, 4. Auflage 2015 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Goette, Habersack, 4. Auflage 2014 ff, 5. Auflage 2019 ff, 1. Auflage s Geßler Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg v Rixecker, Säcker, Oetker, Limperg, 7. Auflage 2015 ff, 8. Auflage 2018 ff Münchener Kommentar zum FamFG, hrsg v Rauscher, 3. Auflage 2019 Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, hrsg v K. Schmidt, 3. Auflage 2012 ff, 4. Auflage 2016 ff Münchener Kommentar zum GmbH-Gesetz, hrsg v Fleischer, Goette, 3. Auflage 2018 f Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Kirchof, Stürner, Eidenmüller, 3. Auflage 2013 f, 4. Auflage 2019 f hrsg v Stürner, Eidenmüller, Schoppmeyer Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, hrsg v Krüger, Rauscher, 5. Auflage 2015 f, 6. Auflage 2020 Münchener Vertragshandbuch, Band 1: Gesellschaftsrecht, hrsg v Böhm, Burmeister, 8. Auflage 2018 Zivilprozessordnung, Kommentar, hrsg v Musielak, Voit, 17. Auflage 2020 Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 6. Auflage 2019 Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 79. Auflage 2020 Deutsche Corporate Governance, 2. Auflage 2004 Deutscher Corporate Governance Kodex, 2. Auflage 2005 Genossenschaftsgesetz, 4. Auflage 2012 Das Aufsichtsratsmitglied, 6. Auflage 2003 Versicherungsaufsichtsgesetz, Kommentar, begr v Prölss, hrsg v Dreher, 13. Auflage 2018 FamFG, Kommentar, 4. Auflage 2018 Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Auflage 2015 Kreditwesengesetz, Kommentar, Loseblatt, 9. Aktualisierung 2019 Mitbestimmungsgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2020 Aktiengesetz, 2. Auflage 1939 Handelsgesetzbuch, Kommentar, 5. Auflage 2019 GmbHG, Kommentar, 6. Auflage 2017 Private Altersvorsorge: Betriebsrentenrecht und individuelle Vorsorge, Eine rechtsvergleichende Gesamtschau, 2009 Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, Handlungsspielräume und Haftungsrisiken insbesondere in der unternehmerischen Krise, 2001 GmbHG, Kommentar, 9. Auflage 2019, Günter H. Roth, Holger Altmeppen The Spirit of Corporate Law, Core Principles of Corporate Law in Continental Europe, Munich 2013, Günter H. Roth, Peter Kindler Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2018 Die Praxis der Hauptversammlung, 4. Auflage 2018 Gesellschaftsrecht, 5. Auflage 2018 Kapitalmarktgesetze, Kommentar, Loseblatt, 7. Aktualisierung 2013 Aktiengesetz, Kommentar, 3. Auflage 1939 Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2002 Insolvenzordnung, 19. Auflage 2016

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Schmidt/Lutter Scholz Schubert/Hommelhoff Hundert Jahre Schubert/Hommelhoff Weimarer Republik Schwark/Zimmer Schwennicke/Auerbach Semler Seibert/Kiem/Schüppen Siems Soergel Spindler/Stilz Staub

Aktiengesetz, Kommentar, 3. Auflage 2015 GmbH-Gesetz, Kommentar, 12. Auflage 2018 ff Hundert Jahre modernes Aktienrecht, Texte und Quellen zur Aktienrechtsreform 1884 mit Einführungen, 1985 Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987

Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020 Kreditwesengesetz, Kommentar, 3. Auflage 2016 Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Auflage 1996 Handbuch der kleinen AG, 5. Auflage 2008 Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005 Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Auflage 1999 ff Aktiengesetz, Kommentar, 4. Auflage 2019 Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 4. Auflage 1983 ff, Bände 1, 2, 3, 5, 6, 7/1, 7/2, 9 und 12/2 in 5. Auflage 2008 ff hrsg v Canaris, Habersack, Schäfer, Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 1999 ff Stein/Jonas Zivilprozessordnung, Kommentar, 22. Auflage 2002 ff, 23. Auflage 2014 ff Steinmeyer WpÜG, Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 4. Auflage 2019 Teichmann/Koehler Aktiengesetz, Kommentar, 3. Auflage 1950 Theisen Grundsätze einer ordnungsmäßigen Information des Aufsichtsrats, 3. Auflage 2002, Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats, 4. Auflage 2008 Thomas/Putzo Zivilprozessordnung, Kommentar, 41. Auflage 2020 Uhlenbruck Insolvenzordnung, Kommentar, 15. Aufl. 2019 f Habersack/ Mitbestimmungsrecht, Kommentierung des MitbestG, des DrittelbG, Henssler des SEBG und des MgVG, 4. Auflage 2018, 1. Auflage Hanau/Ulmer Ulmer/Habersack/Winter siehe Habersack/Casper/Löbbe Verse Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006 VGR Gesellschaftsrechtliche Vereinigung, Schriftenreihe der VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, Jahrestagung(en), Jahr, Seite Voigt Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004 Vorwerk/Wolf Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2020 Wachter Praxis des Handels- und Gesellschaftsrechts, 4. Auflage 2018 Wachter AktG Aktiengesetz, Kommentar, 3. Auflage 2018 Weller/Prütting Handels- und Gesellschaftsrecht, 9. Auflage 2016, begr v Günter H. Roth Westermann/ Handbuch Personengesellschaften, Loseblatt, 76. Aktualisierung 2020 Wertenbruch Wicke GmbHG, Kommentar, 4. Auflage 2020 Wiedemann GesellGesellschaftsrecht, Band I, Grundlagen, 1980, Band II, Recht der Personenschaftsrecht gesellschaften, 2004 Wiedemann/Frey Gesellschaftsrecht, 9. Auflage 2016 Widmann/Mayer Umwandlungsrecht, Kommentar, Loseblatt, 183. Aktualisierung 2020 Wieczorek/Schütze Zivilprozessordnung, Großkommentar, 4. Auflage 2013 ff Wiethölter Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft, 1961 Wilhelm Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Auflage 2018 Wilsing Deutscher Corporate Governance Kodex, Kommentar, 2012 Windbichler Gesellschaftsrecht, 24. Auflage 2017 Wirth/Arnold/MorsCorporate Law in Germany, 3rd ed 2017 häuser/Greene/Carl Wißmann/Kleinsorge/ Mitbestimmungsrecht, Kommentar, 5. Auflage 2017 Schubert Zahn Wirtschaftsführertum und Vertragsethik im neuen Aktienrecht, 1934 Zöller Zivilprozessordnung, Kommentar, 33. Auflage 2020

XXIV

Nichtigkeit | § 256

ERSTES BUCH Aktiengesellschaft SIEBENTER TEIL Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und des festgestellten Jahresabschlusses. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung ZWEITER ABSCHNITT Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses Nichtigkeit § 256 Bezzenberger https://doi.org/10.1515/9783110294248-001

§ 256 Nichtigkeit (1) Ein festgestellter Jahresabschluß ist außer in den Fällen des § 173 Abs 3, § 234 Abs 3 und § 235 Abs 2 nichtig, wenn 1. er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft gegeben sind, 2. er im Falle einer gesetzlichen Prüfungspflicht nicht nach § 316 Abs 1 und 3 des Handelsgesetzbuchs geprüft worden ist; 3. er im Falle einer gesetzlichen Prüfungspflicht von Personen geprüft worden ist, die nach § 319 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs oder nach Artikel 25 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch nicht Abschlussprüfer sind oder aus anderen Gründen als den folgenden nicht zum Abschlussprüfer bestellt sind: a) Verstoß gegen § 319 Absatz 2, 3 oder 4 des Handelsgesetzbuchs, b) Verstoß gegen § 319a Absatz 1 oder 3 des Handelsgesetzbuchs, c) Verstoß gegen § 319b Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs, d) Verstoß gegen die Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 77, L 170 vom 11.6.2014, S. 66), 4. bei seiner Feststellung die Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über die Einstellung von Beträgen in Kapital- oder Gewinnrücklagen oder über die Entnahme von Beträgen aus Kapital- oder Gewinnrücklagen verletzt worden sind. (2) Ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluß ist außer nach Absatz 1 nur nichtig, wenn der Vorstand oder der Aufsichtsrat bei seiner Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt hat. (3) Ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluß ist außer nach Absatz 1 nur nichtig, wenn die Feststellung 1. in einer Hauptversammlung beschlossen worden ist, die unter Verstoß gegen § 121 Abs 2 und 3 Satz 1 oder Abs 4 einberufen war, 2. nicht nach § 130 Abs 1 und 2 Satz 1 und Abs 4 beurkundet ist, 3. auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist. (4) Wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses sowie wegen der Nichtbeachtung von Formblättern, nach denen der Jahresabschluß zu gliedern ist, ist der Jahresabschluß nur nichtig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt sind. (5) 1 Wegen Verstoßes gegen die Bewertungsvorschriften ist der Jahresabschluß nur nichtig, wenn 1 https://doi.org/10.1515/9783110294248-001

Bezzenberger

§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

1. 2.

Posten überbewertet oder Posten unterbewertet sind und dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. 2 Überbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit einem höheren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 bis 256a des Handelsgesetzbuchs zulässig ist. 3 Unterbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem höheren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 bis 256a des Handelsgesetzbuchs zulässig ist. 4 Bei Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten sowie bei Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinn des § 17 des Kapitalanlagegesetzbuchs liegt ein Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften nicht vor, soweit die Abweichung nach den für sie geltenden Vorschriften, insbesondere den §§ 340e bis 340g des Handelsgesetzbuchs, zulässig ist; dies gilt entsprechend für Versicherungsunternehmen nach Maßgabe der für sie geltenden Vorschriften, insbesondere der §§ 341b bis 341h des Handelsgesetzbuchs. (6) 1 Die Nichtigkeit nach Absatz 1 Nr. 1, 3 und 4, Absatz 2, Absatz 3 Nr. 1 und 2, Absatz 4 und 5 kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Bekanntmachung nach § 325 Abs 2 des Handelsgesetzbuchs in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4, des Absatzes 2 und des Absatzes 3 Nr. 1 und 2 sechs Monate, in den anderen Fällen drei Jahre verstrichen sind. 2 Ist bei Ablauf der Frist eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses rechtshängig, so verlängert sich die Frist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat. (7) 1 Für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit gegen die Gesellschaft gilt § 249 sinngemäß. 2 Ist für die Gesellschaft als Emittentin von zugelassenen Wertpapieren im Sinne des § 2 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes mit Ausnahme von Anteilen und Aktien an offenen Investmentvermögen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat (§ 2 Absatz 13 des Wertpapierhandelsgesetzes), so hat das Gericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Eingang einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit sowie jede rechtskräftige Entscheidung über diese Klage mitzuteilen. Schrifttum Helmut Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999; Hubertus Bange Die Rückforderung von Gewinnausschüttungen durch den Insolvenzverwalter bei nichtigen Jahresabschlüssen, ZInsO 2006, 519–522; Carl Hans Barz Die Feststellung der Bilanz, in: Hengeler (Hrsg), Beiträge zur Aktienrechtsreform, 1959, S 61–85; ders Abänderung festgestellter Jahresabschlüsse einer Aktiengesellschaft, in: Festschrift Schilling, 1973, S 127–144; Tilman Bezzenberger Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§ 265 AktG) – Wie der Gesetzgeber sich in ein schlimmes Regelwerk verstrickt hat und wie man sich pragmatisch herausretten kann, WM 2000, 2093–2101; Michael Bormann Zusammenspiel von Abschlussprüfung und Prüfung durch den Aufsichtsrat, DStR 2011, 368–370; Raik Brete/Michael Thomsen Nichtigkeit und Heilung von Jahresabschlüssen der GmbH, GmbHR 2008, 176–183; Matthias Casper Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Carsten P Claussen Soll das Feststellungsrecht des Jahresabschlusses bei der GmbH reduziert werden? in: Festschrift Semler, 1993, S 97–114; Tim Drygala/Christian Gehling Die nichtige Aufsichtsratswahl – Überlegungen zur rechtspolitischen Korrektur, ZIP 2014, 1253– 1258; Walther Düring/Kurt Schmaltz Funktionen der Organe der Aktiengesellschaft bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses, WPg 1949, 7–10; Werner Ebke Die Besorgnis der Befangenheit des Abschlussprüfers und ihre Auswirkungen auf die Abschlussprüfung und den testierten Jahresabschluss, in: Festschrift Röhricht, 2005, S 833–859; Karl-Heinz Forster Zur Bestellung und Abberufung des Abschlussprüfers, in: Festschrift Semler, 1993, S 819–834; ders Zur Teilnahme des Abschlussprüfers an der Bezzenberger

2

Nichtigkeit | § 256

Bilanzsitzung des Aufsichtsrats und zur Berichterstattung in der Sitzung, FS Sieben, 1998, S 375–386; Reinhard Geist Die Pflicht zur Berichtigung nichtiger Jahresabschlüsse bei Kapitalgesellschaften, DStR 1996, 306–309; Ernst Geßler Der Bedeutungswandel der Rechnungslegung im Aktienrecht, in: Festschrift 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft, 1965, S 129–166; ders Nichtigkeit und Anfechtung des GmbHJahresabschlusses nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, in: Festschrift Goerdeler, 1987, S 127–148; Ulrich Greiffenhagen Gefahrenlagen für Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsräte, insbesondere aus dem Risikofeld Abhängigkeitsbericht: Nichtigkeit eines Jahresabschlusses in Verbindung mit Aufsichtsratspflichten anhand des BGH-Urteils vom 15.11.1993 – II ZR 235/92, in: Festschrift Ludewig, 1996, S 303–332; Wilhelm Haase Zur Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses im Konkurs der Aktiengesellschaft, DB 1977, 241–245; Mathias Habersack Die Auswirkungen der Nichtigkeit des Beschlusses über die Bestellung des Abschlussprüfers auf den festgestellten Jahresabschluss, NZG 2003, 659–667; Joachim Hennrichs Fehlerhafte Bilanzen, Enforcement und Aktienrecht, ZHR 168 (2004), 383–413; ders Zum Fehlerbegriff im Bilanzrecht, NZG 2013, 681–687; ders Nichtigkeit des Jahresabschlusses und Auswirkungen auf Folgeabschlüsse und Gewinnverwendung, in: Festschrift A Bergmann, 2018, S 303–319; Burkhard Hense Rechtsfolgen nichtiger Jahresabschlüsse und Konsequenzen für Folgeabschlüsse, WPg 1993, 716–722; Peter Hommelhoff/Daniela Mattheus BB-Gesetzgebungsreport: Verlässliche Rechnungslegung – Enforcement nach dem geplanten Bilanzkontrollgesetz, BB 2004, 93–100; Ulrich Huber Entstehung und aktuelle Auslegungsprobleme des § 241 Nr. 3 AktG, in: Festschrift Coing, 1982, Bd II, S 167–192; Rainer Hüttemann Stichtagsprinzip und Wertaufhellung, Festschrift Priester, 2007, S 301–335; Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW), Stellungnahme zur Rechnungslegung: Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen (IDW RS HFA 6), Stand 4.12.2007, WPg Supplement 2/2007, 77–83; Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW), Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFA 42), WPg Supplement 4/2012, 91–103; Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW), [Berichterstattung über die] 232. Sitzung des HFA [=Hauptfachausschusses], in: IDW Fachnachrichten 2013, 356–362; Tom Jungius/André Schmidt Nichtigkeit des Jahresabschlusses aufgrund von Bewertungsfehlern, DB 2012, 1697–1703 (Teil 1) und 1761–1767 (Teil 2); Thomas Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000; André Kowalski Der nichtige Jahresabschluß – was nun? AG 1993, 502–508; Heinrich Kronstein/Carsten Peter Claussen/Kurt-Hans Biedenkopf Zur Frage der Rechtsbehelfe bei Verletzung der Bewertungsvorschriften des Aktiengesetzes, AG 1964, 268–270; Bruno Kropff Die Beschlüsse des Aufsichtsrats zum Jahresabschluß und zum Abhängigkeitsbericht, ZGR 1994, 628–643; ders Auswirkungen der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses auf die Folgeabschlüsse, Festschrift Budde, 1995, S 341–360; ders Rechtsfragen in der Abschlußprüfung, in: Festschrift Havermann, 1995, S 321–342; ders Sind neue Erkenntnisse (Wertaufhellungen) auch noch bei der Feststellung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen?, in: Festschrift Ludewig, 1996, S 521–547; Karl-Heinz Küting/Thomas Kaiser Aufstellung oder Feststellung: Wann endet der Wertaufhellungszeitraum? Implikationen für die Anwendung des Wertaufhellungsprinzips bei Berichtigung, Änderung und Nichtigkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, WPg 2000, 577–596; Karl-Heinz Küting/Daniel Ranker Die buchhalterische Änderung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, WPg 2005, 1–11; Georg Lanfermann/Silja Maul Gründe für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 AktG im Lichte der EU-Abschlussprüferreform, BB 2015, 1003–1007; Jan Lieder Die Rechtsstellung von Aufsichtsratsmitgliedern bei fehlerhafter Wahl – Plädoyer für eine Lehre vom fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglied, ZHR 178 (2014), 282–325; Norbert Lüdenbach Berichtigung fehlerhafter Bilanzen in Abhängigkeit von deren Nichtigkeit, StuB 2009, 886–887; Marcus Lutter Der doppelte Abschlussprüfer, in: Festschrift Semler, 1993, S 835–851; ders Der Streit um die Gültigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft, in: Festschrift Helmrich, 1994, S 685–707; Daniela Mattheus/Martin Schwab Fehlerkorrektur nach dem Rechnungslegungs-Enforcement, private Initiative vor staatlicher Intervention, BB 2004, 1099–1106; Sebastian Mock Bindung einer Aktiengesellschaft an einen im Enforcement-Verfahren festgestellten Fehler in nachfolgenden aktienrechtlichen Verfahren? DB 2005, 987–990; Hans-Peter Müller Bilanzrecht und Organverantwortung, in: Festschrift Quack, 1991, S 345–357; ders Bilanzrecht und materieller Konzernschutz, AG 1994, 410–411; ders Rechtsfolgen unzulässiger Änderungen von festgestellten Jahresabschlüssen, in: Festschrift Budde, 1995, S 431–443; Welf Müller Die Änderung von Jahresabschlüssen, Möglichkeiten und Grenzen, in: Festschrift Quack, 1991, S 359–372; ders Prüfverfahren und Jahresabschlussnichtigkeit nach dem Bilanzkontrollgesetz, ZHR 168 (2004), 414–427; ders Bilanzentscheidungen und Business Judgment Rule, Liber amicorum Wilhelm Happ, 2006, S 179–199; Falk Mylich Rückgewähransprüche einer AG nach Ausschüttung oder Abführung von Scheingewinnen, AG 2011, 765–774; Boris Paal Rechtsfolgen und 3

Bezzenberger

§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Rechtsbehelfe bei Inhabilität des Abschlussprüfers, DStR 2007, 1210–1216; Moritz Pöschke Wahlrechte und „Ermessensspielräume“ im Bilanzrecht und die Business Judgment Rule, ZGR 2018, 647–687; HansJoachim Priester Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses bei unterbesetztem Vorstand, in: Festschrift Kropff, 1997, S 591–604; ders Feststellung des Jahresabschlusses bei der Personenhandelsgesellschaft – Gesellschaftervereinbarung oder Organbeschluss, in: Festschrift Hadding, 2004, S 607–619; Oliver Rieckers Die nichtige Aufsichtsratswahl, in: VGR (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 2014, S 125–150; Hans Schedlbauer Die Gefährdung der Bestandskraft von Jahresabschlüssen durch Bewertungsfehler, DB 1992, 2097–2103; Wolfgang Schön Anmerkung zu BGH, Urteil vom 15.11.1993 – II ZR 235/92, JZ 1994, 684–686; ders Bestandskraft fehlerhafter Bilanzen – Information, Gewinnverteilung, Kapitalerhaltung, in: Festschrift 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, S 153–179; Joachim Schulze-Osterloh Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer AG wegen Überbewertung – Zugleich Besprechung OLG Frankfurt/M. v 18.3.2008 – Deutsche Bank, ZIP 2008, 2241–2245; ders Das Ende des subjektiven Fehlerbegriffs bei der Anwendung von Bilanzrecht – Besprechung des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 31.1.2013 – GrS 1/10, BB 2013, 1131–1134; ders Objektiver oder subjektiver Fehlerbegriff im Handelsbilanzrecht, ZHR 179 (2015), 9–43; Jan Schürnbrand Rechtsfolgen von Verstößen gegen die EU-Verordnung zur Abschlussprüfung, AG 2016, 70– 78; Thomas Seiffert Die Wirksamkeit des aktienrechtlichen Jahresabschlusses bei eingeschränktem oder versagtem Bestätigungsvermerk, Diss. Hamburg 1974; Eckhart Sünner Folgen der Verletzung von Rechnungslegungs- und Berichtspflichten durch eine Aktiengesellschaft – Auswirkungen des BilanzrichtlinieGesetzentwurfs, AG 1984, 16–20; Sandra Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung – Ein Beitrag zur aktuellen Enforcement-Diskussion, 2001; Frauke Timm Anmerkung zum Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.3.1977 – U (Kart) 5/76, AG 1977, 1997; Jan-Henning Weilep Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses – Eine umfassende Analyse: Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen sowie strafund zivilrechtliche Konsequenzen für Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, 2011; Volker Weilep/ Jan-Henning Weilep Nichtigkeit von Jahresabschlüssen – Tatbestandsvoraussetzungen sowie Konsequenzen für die Unternehmensleitung, BB 2006, 147–153; Arthur Weilinger Die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses im Handels- und Gesellschaftsrecht, 1997 (vor allem zum österreichischen Recht); Harm Peter Westermann Ein Aktienrechtsprozess mit Haken und Ösen, AG 1981, 85–92; Gerd Wichmann Die Gefährdung der Bestandskraft von Jahresabschlüssen nur durch wesentliche Überbewertung? DB 1993, 340– 342; ders Die Frage nach der Nichtigkeit von Jahresabschlüssen von Nicht-Kapitalgesellschaften, SteuerJournal 2005, 29–34; Tobias Widmann Das Fehlen des Finanzexperten nach dem BilMoG – Worst-CaseSzenario für den Aufsichtsrat? BB 2009, 2602–2606; Thomas C. Wolf Bilanzmanipulationen: Wann ist die Übersicht erschwert? StuB 2009, 909–914; Wolfgang Zöllner Folgen der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses für den nächsten Jahresabschluss und für Gewinnverwendungsbeschlüsse, in: Festschrift Scherrer, 2004, S 355–380.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

Systematische Übersicht Grundlagen | 1 1. Der Normgehalt im Überblick | 1 a) Die Feststellung des Jahresabschlusses als Rechtsgeschäft und als Bezugspunkt der Nichtigkeit | 1 b) Nichtigkeitsgründe | 2 c) Maßgebender Zeitpunkt | 3 d) Die Nichtigkeit als Fehlerfolge | 4 e) Geltendmachung und Überwindung der Nichtigkeit | 5 2. Geschichte | 6 a) Vor- und Frühgeschichte | 6 b) Das Aktiengesetz von 1937 | 7

Bezzenberger

3.

c) Das Aktiengesetz von 1965 | 10 d) Änderungen seit 1965 | 14 Sinn und Unsinn der Norm | 16 a) Die überlieferte Auffassung vom Schutzzweck der Norm und deren Fragwürdigkeit | 16 b) Die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses und der Gläubigerschutz | 19 c) Die Gewinnteilhabe der Aktionäre | 20 d) Die Informationsfunktion des Jahresabschlusses | 21 e) Prüfungsmängel und Fehler des Feststellungsverfahrens | 23

4

Nichtigkeit | § 256

f)

II.

5

Das Klagerecht der Aktionäre als Fremdkörper im Gesetz | 24 g) Fazit und Folgerungen | 25 4. Anwendungsbereich der Norm | 30 a) Der Jahresabschluss als Gegenstand der Nichtigkeit | 30 b) Weitere erfasste Abschlüsse und Bilanzen | 32 c) Nicht erfasste Abschlüsse und Bilanzen | 35 5. Gang der Kommentierung | 41 Nichtigkeitsgründe | 42 1. Inhaltsmängel | 42 a) Der subjektive Fehlerbegriff und die Rechtsnatur des Bilanzrechts | 41a aa) Zur Rechtsnatur des Bilanzrechts | 41a bb) Subjektiver Fehlerbegriff und Wertaufhellungszeitraum | 42 cc) Seitenblick auf das Steuerbilanzrecht | 42a dd) Subjektiver Fehlerbegriff und Abschlussnichtigkeit – tatsächliche Verhältnisse | 43 ee) Subjektiver Fehlerbegriff und Abschlussnichtigkeit – Auslegung von Rechtsnormen | 44a ff) Zum maßgebenden Zeitpunkt | 45 gg) Allgemeine bilanzrechtliche Gestaltungsspielräume | 46 b) Verletzung gläubigerschützender Vorschriften (Abs 1 Nr 1) | 47 aa) Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung | 47 bb) Zum Begriff der Vorschriften | 48 cc) Überwiegen des Gläubigerschutz-Zwecks | 49 dd) Inhaltlicher Verstoß | 51 ee) Hinreichendes Gewicht des Abschlussmangels | 52 ff) Systematischer Standort der Vorschrift im Gesetz | 53 c) Wesentliche Gliederungsmängel (Abs 4) | 54 aa) Gesetzessystematik und Schutzzweck | 54 bb) Einschlägige Gliederungsvorschriften | 56

cc)

d)

Verstöße gegen die Grobgliederung des Jahresabschlusses | 62 dd) Verstöße gegen die Feingliederung des Jahresabschlusses | 63 ee) Abgrenzung von Verstößen gegen Bewertungs- und Rücklageregeln | 64 ff) Beispiele für Gliederungsverstöße | 66 gg) Wesentlichkeit des Gliederungsmangels | 68 hh) Sonderregeln und Formblätter für bestimmte Geschäftszweige | 70 Verstöße gegen Bewertungsvorschriften (Abs 5) | 71 aa) Grundlagen und Eckpunkte | 71 (1) Gesetzessystematik und Schutzzwecke | 71 (2) Der Bilanzposten als Bezugsbasis und der Bewertungsausgleich| 73 (3) Bewertungsregeln und Ansatzregeln | 76 (4) Inhaltlicher Verstoß | 80 bb) Überbewertung (Abs 5 Nr 1) | 82 (1) Begriff der Überbewertung und Schutzzweck des Gesetzes | 82 (2) Unschädlichkeit geringfügiger Mängel – Normstruktur und Meinungsstand | 85 (3) Unschädlichkeit geringfügiger Mängel – Rechtsprechung | 87 (4) Unschädlichkeit geringfügiger Mängel – Der Ausschüttungsspielraum als Bezugsgröße | 88 (5) Störung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses durch wesentliche Überbewertungen | 88a

Bezzenberger

§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

(6)

e)

f)

Bezzenberger

Bedeutungsverlust der Überbewertung bei nachträglicher Korrektur in laufender Rechnung | 89 (7) Einzelne Fallgestaltungen | 90 cc) Unterbewertung (Abs 5 Nr 2) | 92 (1) Begriff der Unterbewertung und Schutzzweck des Gesetzes | 92 (2) Informationelle Wesentlichkeit der Unterbewertung | 94 (3) Vorsatz | 97 (4) Einzelne Fallgestaltungen | 99 dd) Schwebende Fusionen | 103 (1) Kartellrecht | 103 (2) Verschmelzungsrecht | 106 ee) Branchenbezogene Sonderregeln | 109 Fehlerhafte Bildung oder Auflösung von Rücklagen (Abs 1 Nr 4) | 110 aa) Begriffe, Gesetzessystematik und Schutzzwecke | 110 bb) Kapitalrücklage | 118 cc) Gesetzliche Gewinnrücklage | 121 dd) Ausschüttungsoffene Gewinnrücklagen | 122 ee) Rücklage für Anteile an einer Obergesellschaft | 124 Fristablauf bei der bilanziellen Vorwegnahme von Kapitalmaßnahmen (Eingangsworte | 126 aa) Bilanziell vorweggenommene Kapitalherabsetzung (§ 234 Abs 3) | 126 bb) Bilanziell vorweggenommene Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung (§ 235 Abs 2) | 128 cc) Schwebende Unwirksamkeit der Abschlussfeststellung | 129 dd) Heilung und rechtsgeschäftliche Ausweichmöglichkeiten | 130

2.

Prüfungsmängel | 132 a) Grundsätze und Hauptfälle | 132 b) Fehlende Prüfung (Abs 1 Nr 2 Fall 1 und § 316 Abs 1 HGB) | 133 aa) Überblick und Grundgedanken | 133 bb) Mindestanforderungen an die Prüfungshandlungen | 135 cc) Mindestanforderungen an den Prüfungsbericht | 136 dd) Mindestanforderungen an den Bestätigungs- oder Versagungsvermerk | 139 c) Fehlende Prüferbefähigung (Abs 1 Nr 3 Fall 1) | 140 aa) Wirtschaftsprüfer-Status (§ 319 Abs 1 Satz 1 HGB) | 141 bb) Eintragung der Abschlussprüfertätigkeit im Berufsregister (§ 319 Abs 1 Satz 3 HGB) | 143 cc) Besonderheiten bei gerichtlicher Bestellung des Abschlussprüfers | 143e dd) Sonderregeln für Genossenschaften und gemeinnützige Wohnungsunternehmen | 144 d) Fehlerhafte Prüferbestellung (Abs 1 Nr 3 Fall 2) | 145 aa) Überblick | 145 bb) Abschlussnichtigkeit bei Unwirksamkeit der Prüferbestellung | 146 (1) Maßgebender Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Prüferbestellung | 146 (2) Bestellung des Abschlussprüfers durch die Hauptversammlung | 147 (3) Bestellung des Abschlussprüfers durch das Gericht | 152 cc) Keine Abschlussnichtigkeit wegen Befangenheit des Prüfers | 153 (1) Erfasste Fälle | 153 (2) Geschichtlicher Rückblick | 154

6

Nichtigkeit | § 256

3.

7

Vorrang des Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahrens | 156a (4) AbschlussprüferErsetzungsverfahren und Bestandsfestigkeit des Jahresabschlusses | 157 e) Fehlende Nachtragsprüfung (Abs 1 Nr 2 Fall 2 und § 316 Abs 3 HGB) | 164 aa) Voraussetzungen der Nichtigkeit | 164 bb) Reichweite der Nichtigkeit | 166 f) Fehlen eines rechtzeitigen Nachtragstestats (Eingangsworte und § 173 Abs 3) | 167 aa) Zum Tatbestand des Abschlussmangels | 167 bb) Rechtsfolgen des Abschlussmangels | 170 Verfahrensfehler bei der Feststellung des Jahresabschlusses (Abs 2–3) | 171 a) Überblick | 171 b) Nicht ordnungsgemäße Mitwirkung des Vorstands (Abs 2 Fall 1) | 172 aa) Der Beitrag des Vorstands zur Feststellung des Jahresabschlusses | 172 bb) Einbeziehung aller Vorstandsmitglieder | 173 cc) Entscheidung durch Beschluss; Verfahrensfehler bei der Beschlussfassung | 175 dd) Unterbesetzter Vorstand | 176 ee) Mitwirkung fehlerhaft bestellter Vorstandsmitglieder | 178 ff) Unterschrift, Aufstellungsfrist, Bilanzeid | 179 c) Nicht ordnungsgemäße Mitwirkung des Aufsichtsrats (Abs 2 Fall 2) | 180 aa) Eckpunkte und Grundlinien | 180 (1) Die Billigung des Jahresabschlusses als Bezugspunkt | 180

(2)

(3)

d)

e)

Zuständigkeit des Gesamt-Aufsichtsrats | 184 (3) Entscheidung durch Beschluss | 185 (4) Verfahrensfehler und ihre Geltendmachung im Allgemeinen | 187 bb) Einzelne Verfahrensfehler | 188 (1) Einberufungsmängel | 188 (2) Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats | 189 (3) Mitwirkung fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder | 189a (4) Informationsmängel, auch im Hinblick auf andere Elemente der Rechenschaftslegung | 190 (5) Unschädlichkeit des Fehlens eines Bilanzexperten oder der Sektorenkompetenz im Aufsichtsrat | 192 (6) Unzulängliche Mitwirkung eines Prüfungsausschusses | 193 (7) Keine Teilnahme des Abschlussprüfers an der Bilanzsitzung | 194 Verfahrensfehler auf Seiten der Hauptversammlung (Abs 3) | 196 aa) Zur Gesetzessystematik | 196 bb) Überblick über die einzelnen Nichtigkeitsgründe nach Abs 3 | 198 cc) Heilung | 200 Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und gänzlich fehlender Feststellung des Jahresabschlusses | 201 aa) Grundgedanken und Beurteilungsmaßstab | 201 bb) Wirkliche und vermeintliche Fälle gänzlich fehlender Abschlussfeststellung | 203

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

III.

Mitwirkung eines unzuständigen Organs insbesondere | 205 Folgen, Geltendmachung und Überwindung der Nichtigkeit | 207 1. Bezugspunkte und Hauptfolgen der Nichtigkeit | 207 a) Begriff und rechtsgeschäftliche Bezugspunkte der Nichtigkeit | 207 b) Das Verbot von Ausschüttungen und die Pflicht zu deren Rückgewähr als Hauptfolge der Abschlussnichtigkeit | 209 c) Gewinnabführung und Verlustausgleich im Vertragskonzern | 212 d) Abschlussnichtigkeit und schuldrechtliche Gewinnteilhabe von Nichtaktionären | 213 e) Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen | 214 f) Privat- und strafrechtliche Haftung der Abschlussverantwortlichen | 215 g) Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses in der Abschlussprüfung | 217 h) Nichtigkeit und Offenlegung des Jahresabschlusses | 219 2. Geltendmachung der Nichtigkeit | 220 a) Die aktienrechtliche Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses (Abs 7) | 220 aa) Gesetzesgrundlagen und Wesen der JahresabschlussNichtigkeitsklage | 220 bb) Rechtskraftwirkung | 223 cc) Streitgegenstand | 225 dd) Klageantrag und Urteilsformel | 226 ee) Am Verfahren beteiligte Personen | 227 ff) Darlegungs- und Beweislast | 231 gg) Zeitliche Grenzen und Verhältnis zur Heilung | 234 hh Ausübungsschranken des Klagerechts | 235 ii) Verhältnis zur Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung | 238

jj)

cc)

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3.

Meldepflichten (Abs 7 Satz 2) und Verhältnis zur Enforcement-Prüfung | 239 b) Allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) | 243 aa) Statthaftigkeit | 243 bb) Feststellungsinteresse und Klagebefugnis | 244 cc) Wirkungen der Klage und des Urteils | 245 c) Geltendmachung der Nichtigkeit auf sonstige Weisen | 246 Überwindung der Nichtigkeit | 247 a) Pflichtenlage und Ermessensspielräume | 247 b) Erneute Feststellung des Jahresabschlusses | 250 aa) Meinungsstand und Grundgedanke | 250 (1) Neuvornahme des gesamten Jahresabschlusses | 250 (2) Punktuelle Fehlerkorrektur | 251 (3) Differenzierung nach der Art des Nichtigkeitsgrundes | 253 bb) Überwindung der verschiedenen Nichtigkeitsgründe | 254 (1) Überwindung von Inhaltsmängeln | 254 (2) Überwindung von Prüfungsmängeln | 257 (3) Überwindung von Verfahrensfehlern und Organzuständigkeiten für die Neuerstellung des Jahresabschlusses | 258 cc) Handlungsoptionen bei Ungewissheit über die Gültigkeit des Jahresabschlusses | 259a dd) Reparaturprobleme bei zwischenzeitlichen Gewinnausschüttungen | 260 ee) Berichtigung und Änderung des Jahresabschlusses unterhalb der Nichtigkeitsschwelle | 263 (1) Allgemeine Zulässigkeitsgrenzen | 263 (2) Rechtslage bei Gesetzesverstößen | 264

8

Nichtigkeit | § 256

c)

4.

Heilung der Nichtigkeit durch Zeitablauf | 265 aa) Begriff, Zweck und Wirkung der Heilung | 265 bb) Fälle der Heilung und Überblick über die Fristen | 268 cc) Heilungsfragen bei fehlender oder unwirksamer Feststellung des Jahresabschlusses | 271 dd) Berechnung der Heilungsfristen im Einzelnen | 272 Bedeutung der Nichtigkeit für die Folgeabschlüsse | 275

a) b) c)

d)

e)

Problemstellung | 275 Meinungsstand | 276 Keine Nichtigkeit oder schwebende Unwirksamkeit des Folgeabschlusses | 282 Bereinigung früherer Inhaltsmängel im Folgeabschluss | 286 aa) Fallgestaltungen und Lösungsalternativen | 286 bb) Korrektur in laufender Rechnung | 288 cc) Abweichende Eröffnungsbuchung | 289 Ergebnisse | 291

I. Grundlagen* 1. Der Normgehalt im Überblick a) Die Feststellung des Jahresabschlusses als Rechtsgeschäft und als Bezugs- 1 punkt der Nichtigkeit. § 256 handelt nach dem Gesetzeswortlaut von der „Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses“ in der Aktiengesellschaft. Dabei geht es genau genommen um die „Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses“, wie es an anderer Stelle im Gesetz heißt (§ 253 Abs 1). Nichtig können nur Rechtsgeschäfte und andere Rechtsakte sein, nicht der Jahresabschluss als Zahlen- und Wortbericht. Die Bestimmung des § 256 beruht darauf, dass es im deutschen Gesellschaftsrecht eine rechtsgeschäftliche Feststellung des Jahresabschlusses gibt, die durch Beschlüsse der Gesellschafter oder Gesellschaftsorgane erfolgt. Diese innergesellschaftlichen Rechtsgeschäfte über die Feststellung des Jahresabschlusses sind die unmittelbaren Bezugspunkte der Nichtigkeit.1 Durch die Feststellung wird der Jahresabschluss für verbindlich erklärt; das heißt er ist jetzt der maßgebende Abschluss für das betreffende Geschäftsjahr und entfaltet für die Gesellschaft sowie ihre Mitglieder und Organe eine rechtliche Bindungswirkung, insbesondere für die weitere Gewinnverwendung 2 (näher Rdn 209, auch Rdn 4, 17) sowie für die Rechnungslegung des Folgejahrs (§ 252 Abs 1 Nr 1 HGB und hierzu unten Rdn 275 ff). Die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt in der Aktiengesellschaft für gewöhnlich durch Vorstand und Aufsichtsrat: Der Vorstand stellt den Jahresabschluss auf und legt ihn dem Aufsichtsrat vor (§ 170 Abs 1 Satz 1), und wenn dieser den Jahresabschluss billigt (§ 171 Abs 2–3), ist der Abschluss festgestellt (§ 172

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* Für redaktionelle Hilfe danke ich meinen gegenwärtigen und früheren Mitarbeitern Herrn Jens Gebke, Frau Juliane Groß, Herrn Maximilian Nickel, Herrn Dr. Robert Oppenheim und Herrn Christoph Rollberg. 1 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983 li Sp; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 202 ff; MünchKomm/J Koch4 Rdn 6; KK/A Arnold3 Rdn 6; Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 602; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 387; MünchKomm/ Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 10, 13; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147 li Sp; J-H Weilep Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, 2011, S 39 ff. 2 Für AG siehe statt vieler BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 116 ff; OLG Frankfurt 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 73 ff; Weilinger Die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses im Handels- und Gesellschaftsrecht, 1997, Rdn 613 ff, S 273 ff. Ebenso für KG BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283, 289 ff (Rdn 13 ff); auch BGH 29.3.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263, 266; Ulmer in: FS Hefermehl, 1976, S 207, 208, 210 f; für GmbH BGH 2.3.2009 – II ZR 264/07, WM 2009, 986, 988; allgemein für Personenhandelsgesellschaften Priester in: FS Hadding, 2004, S 607 ff.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Satz 1). Dieses zusammengesetzte korporationsrechtliche Rechtsgeschäft über die Feststellung des Jahresabschlusses ist nichtig, wenn einer der in § 256 aufgeführten Mängel vorliegt (näher Rdn 207). Beschließt demgegenüber ausnahmsweise die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses (Rdn 196), ist der Feststellungsbeschluss der Hauptversammlung nichtig. Man kann allerdings in all diesen Fällen vereinfachend auch von der Nichtigkeit des Jahresabschlusses sprechen, weil sich die Bindungswirkung der Rechtsgeschäfte über die Feststellung des Jahresabschlusses auf den Abschluss und seinen Inhalt bezieht. 2

b) Nichtigkeitsgründe. § 256 führt in Abs 1–5 die Gründe auf, aus denen die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig sein kann. Diese Nichtigkeitsgründe sind auf bestimmte, besonders schwerwiegende Mängel beschränkt und abschließend im Gesetz aufgezählt; aus anderen Umständen kann eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses nicht hergeleitet werden.3 Die Nichtigkeitsgründe lassen sich wie folgt einteilen:

– – – – –

(1) Inhaltsmängel: Verletzung gläubigerschützender Vorschriften (§ 256 Abs 1 Nr 1), fehlerhafte Bildung oder Auflösung von Rücklagen (§ 256 Abs 1 Nr 4), wesentliche Gliederungsmängel (§ 256 Abs 4), Verstöße gegen Bewertungsvorschriften (§ 256 Abs 5), Fristablauf bei der rückwirkenden Bilanzierung von Kapitalmaßnahmen (§ 256 Abs 1 und §§ 234, 235);

– – –

(2) Prüfungsmängel: fehlende Prüfung überhaupt (§ 256 Abs 1 Nr 2), Prüfung durch unberufene Personen (§ 256 Abs 1 Nr 3), Fehlen eines gebotenen Nachtragstestats (§ 256 Abs 1 und § 173 Abs 3);

– –

(3) Verfahrensmängel: bei Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung (§ 256 Abs 2), bei Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung (§ 256 Abs 3).

Bei den Inhalts- und Prüfungsmängeln kommt es im Rahmen des § 256 nicht darauf an, welche Gesellschaftsorgane den Jahresabschluss feststellen wollten. Die Gründe für die Nichtigkeit von Jahresabschlüssen sind insoweit organübergreifend vereinheitlicht. Bei den Verfahrensmängeln unterscheidet dagegen das Gesetz danach, ob der Jahresabschluss von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt werden sollte (Abs 2) oder von der Hauptversammlung (Abs 3). 3

c) Maßgebender Zeitpunkt. Für die Beurteilung, ob der Jahresabschluss nichtig ist, kommt es den auf Zeitpunkt an, in dem das auf die Feststellung des Abschlusses

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3 Allgemeine Meinung: BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 116 f; OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983 li Sp; OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B II 1 der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2005 re Sp; auch OLG Hamburg 11.1.2002 – 11 U 145/01, AG 2002, 460, 461 re Sp; aus der Literatur statt vieler KK/A Arnold3 Rdn 7 und 9 aE sowie auch schon KK/Zöllner1 Rdn 5; Adler/Düring/ Schmaltz 6 Rdn 1; MünchKomm/J Koch4 Rdn 3; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 1; Bürgers/Körber/Schulz Rdn 1; Hüffer/Koch14 Rdn 1; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 206; Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 386 f, auch 392 f, 394 f, 411; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147 li Sp.

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Nichtigkeit | § 256

gerichtete Rechtsgeschäft vorgenommen wurde.4 Das entspricht den allgemeinen Regeln des Privatrechts, wonach es dafür, ob ein Rechtsgeschäft wegen Gesetzes- oder Sittenverstoßes nichtig ist, auf die Umstände im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ankommt.5 Ganz ohne Bedeutung ist allerdings auch die nachfolgende Zeit nicht, denn Abschlussmängel verlieren über die Zeit an Gewicht, und das kann sich auch auf die Möglichkeiten für die Geltendmachung der Abschlussnichtigkeit auswirken (Rdn 89, 237). d) Die Nichtigkeit als Fehlerfolge. Die Feststellung des Jahresabschlusses ist 4 grundsätzlich entweder gültig, oder sie ist nach § 256 nichtig, wenn einer der dort aufgeführten Mängel vorliegt. Den Zwischenraum der Anfechtbarkeit gibt es nur, wenn ausnahmsweise die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses beschließt (§ 257). Diese Anfechtung kann allerdings nicht auf inhaltliche Abschlussmängel gestützt werden (§ 257 Abs 1 Satz 2) und ebenso wenig auf Prüfungsmängel, weil beides sich abschließend nach § 256 beurteilt. Anfechtungsgründe können vielmehr im Wesentlichen nur Verfahrensfehler sein, und auch das nur, wenn der Fehler nicht schon nach § 256 Abs 3 zur Nichtigkeit führt (§ 257 Rdn 2 ff und unten Rdn 197). Nichtigkeit bedeutet, dass wegen eines Normverstoßes die erstrebte Feststellungs- 4a wirkung von Anfang an nicht eintritt. Der Jahresabschluss wird für die Gesellschaft sowie ihre Aktionäre und Organe nicht verbindlich. Das bedeutet zum einen, dass die Gesellschaft und deren Organe ihre Pflichten, einen festgestellten und damit verbindlichen Jahresabschluss ins Werk zu setzen, nicht erfüllt haben und deshalb diese Pflichten nach wie vor erfüllen müssen (näher Rdn 247). Zum anderen und praktisch vor allem bedeutet die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, dass auch ein auf dem Jahresabschluss aufbauender Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung nichtig ist; das spricht das Gesetz an anderer Stelle ganz deutlich aus: „Der Beschluss [der Hauptversammlung] über die Verwendung des Bilanzgewinns ist … nichtig, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses, auf dem er beruht, nichtig ist“ (§ 253 Abs 1 Satz 1). Die Feststellungswirkung bezieht sich beim Jahresabschluss ja gerade auch auf die Festlegung eines Bilanzgewinns, über dessen Verwendung dann die Hauptversammlung beschließen soll (Rdn 209, auch Rdn 2, 17), und wenn die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig ist, gibt es im Rechtssinne keinen Bilanzgewinn, und die Hauptversammlung hat nichts zur Verfügung, worüber sie beschließen könnte. Da der Jahresabschluss zudem Ausgangspunkt für die Buchführung des folgenden Geschäftsjahrs ist, kann seine Nichtigkeit nach verbreiteter Auffassung auch die Rechnungslegung und Gewinnverwendung der Folgejahre ins Wanken bringen (Rdn 275 ff).

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4 OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B II 1 aE der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2006 li Sp; OLG Hamm 11.12.1991 – 8 U 135/91, ZIP 1992, 482, 483 li Sp („Kochs Adler II”); KK/Arnold3 Rdn 25; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 10; auch K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 10; Hüffer/Koch14 Rdn 6; MünchKomm/J Koch4 Rdn 3; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 2 aE. Im Schrifttum wird dieser Punkt oft mit der Frage nach dem Ende des Wertaufhellungszeitraumes (Rdn 42, 45) vermischt. 5 Zu § 134 BGB MünchKomm-BGB/Armbrüster8 § 134 Rdn 20 ff; Palandt/Ellenberger78 § 134 Rdn 12a; beide mwN. Anders Pawlowski Allgemeiner Teil des BGB7, 2003, § 4 II 3c bb, Rdn 499b. Auch bei der Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB wird grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abgestellt; siehe BGH 6.4.2009 – II ZR 255/08, ZIP 2009, 1003, 1006 re Sp; Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd II Das Rechtsgeschäft4, 1992, § 18.6, S 377; Wolf/Neuner Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts11, 2016, § 46, 26 ff; MünchKomm-BGB/Armbrüster8 § 138 Rdn 133 ff; Palandt/Ellenberger78 § 138 Rdn 9 f.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

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e) Die Bestimmung des § 256 enthält des Weiteren Regeln über die Geltendmachung und Überwindung der Nichtigkeit. § 256 Abs 7 gewährt eine besondere aktienrechtliche „Klage auf Feststellung der Nichtigkeit [des Jahresabschlusses] gegen die Gesellschaft“ und verweist hierfür auf die Regeln über die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 249), die wiederum auf die BeschlussAnfechtungsklage Bezug nehmen (§§ 246 ff). Klagebefugt ist jeder einzelne Aktionär und jedes Organmitglied (§ 249 Abs 1), und ein stattgebendes Urteil wirkt für und gegen alle (§ 248). Diese Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage ist auch dann eröffnet, wenn Vorstand und Aufsichtsrat über die Feststellung des Jahresabschlusses beschlossen haben. Man kann daher von einer „organübergreifenden Beschlussmängelklage“ sprechen.6 Nach § 256 Abs 6 wird allerdings die Nichtigkeit des Jahresabschlusses in den meisten Fällen durch Zeitablauf geheilt, das heißt sie entfällt und kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn bestimmte Zeiten verstrichen sind, oft schon sechs Monate, ansonsten drei Jahre. 2. Geschichte

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a) Vor- und Frühgeschichte. Die Bestimmung des § 256 über die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses ist aus den Regeln über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen hervorgegangen. Jahresabschlüsse von Aktiengesellschaften wurden nämlich nach dem alten Aktienrecht des HGB von der Aktionärsversammlung („Generalversammlung“) festgestellt.7 Und Generalversammlungsbeschlüsse, die gegen Gesetz oder Satzung verstießen, konnten schon damals im Klagewege angefochten werden.8 Wenn sie an besonders schweren Mängeln litten, wurden sie sogar als nichtig angesehen,9 wobei die Nichtigkeit anders als die Anfechtung damals noch nicht gesetzlich geregelt war. Als Gründe für die Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen galten vor allem Verstöße gegen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse gegeben waren, wozu insbesondere der Gläubigerschutz zählte.10 Auch die Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Aktiengesellschaft oder inhaltliche Sittenverstöße sah man als Gründe für die Beschlussnichtigkeit an. All das galt grundsätzlich auch für Beschlüsse über die „Bilanzgenehmigung“, also über die Feststellung des Jahresabschlusses. Das Reichsgericht hat solche Beschlüsse mehrfach für nichtig erklärt, wenn die Jahresabschlüsse unrichtig waren, insbesondere wenn das Gesellschaftsvermögen überbewertet und damit das Ausschüttungspotenzial der Gesellschaft überhöht dargestellt war, weil hierdurch gegen den Gläubigerschutz und das öffentliche Interesse verstoßen wurde.11 Dagegen sah man im Falle der Unterbewertung den Beschluss lediglich als anfechtbar an,12 und das Anfechtungsrecht war im Gesetz für den Fall, dass Ab-

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6 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 1. 7 § 260 HGB aF. Hierzu und zur Vorgeschichte Claussen in: FS Semler, 1993, S. 97, 98. 8 §§ 271 ff HGB aF und zuvor schon Art 190a, 190b sowie 222 ADHGB idF von 1884. 9 A Hueck Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, 1924, S 24 ff, 233. 10 Huber in: FS Coing, Bd II, 1982, S 167 ff, 172 ff. 11 RG 9.1.1931 – II 158/30, RGZ 131, 141, 143 (für GmbH); RG 12.6.1928 – II 534/27, RGZ 120, 363, 366 ff; RG 7.11.1906 – I 44/06, RGZ 64, 258; vgl auch RG 20.1.1928 – II 281/27, RGZ 120, 28, 32 ff; A Hueck Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, 1924, S 109 f; Huber in: FS Coing, Bd II, 1982, S 167, 172. 12 RG 9.1.1931 – II 158/30, RGZ 131, 141, 143, 145 f (für GmbH); RG 12.6.1928 – II 534/27, RGZ 120, 363, 367; RG 20.1.1928 – II 281/27, RGZ 120, 28, 32; A Hueck Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, 1924, S 110 f.

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Nichtigkeit | § 256

schreibungen oder Rücklagen über das erlaubte Maß hinaus beschlossen wurden, auch nicht als Individualrecht jedes Aktionärs ausgestaltet, sondern setzte einen Aktienbesitz von mindestens 5 % voraus.13 b) Das Aktiengesetz von 1937 hat die Befugnis zur Feststellung des Jahresab- 7 schlusses grundsätzlich dem Vorstand und dem Aufsichtsrat übertragen.14 Außerdem wurden die Gründe für die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und bei dieser Gelegenheit auch die Gründe für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses im Gesetz festgeschrieben. Letzteres geschah mit folgenden Worten: „§ 202 [AktG 1937] Nichtigkeit des vom Vorstand festgestellten Jahresabschlusses. (1) Ein vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats festgestellter Jahresabschluß ist außer im Fall des § 135 Abs 1 [dh bei Verstößen gegen die Prüfungspflicht] nur dann nichtig, wenn 1. der Vorstand oder der Aufsichtsrat bei seiner Feststellung nicht ordnungsmäßig mitgewirkt haben, 2. er mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, 3. er durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt. (2) Ist ein Jahresabschluß nach Abs 1 Nr. 1 nichtig, so kann die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Bekanntmachung des Jahresabschlusses zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingereicht ist und seitdem sechs Monate verstrichen sind. (3) Für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses gegen die Gesellschaft gilt § 201 [betr. die Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse] sinngemäß.“

Die Norm ist hinsichtlich der inhaltlichen Nichtigkeitsgründe viel allgemeiner 8 gefasst als der heutige § 256. Es zeichnen sich aber auch schon Strukturelemente dieser späteren Norm ab. Man erkennt die Einteilung der Nichtigkeitsgründe in Prüfungsmängel (Abs 1 Eingangsworte), Verfahrensmängel (Abs 1 Nr 1) und inhaltliche Mängel des Jahresabschlusses (Abs 1 Nr 2–3). Die inhaltlichen Nichtigkeitsgründe entsprachen damals wörtlich den ebenfalls neu kodifizierten Gründen für die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen.15 Man erkennt des Weiteren die Heilung der Nichtigkeit durch Zeitablauf. Sie war unter dem früheren Aktienrecht des HGB noch verneint worden16 und ist jetzt immerhin bei Verfahrensmängeln möglich (Abs 2). Und man erkennt vor allem den Willen des Gesetzgebers, die Gründe für die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses eingrenzend und abschließend festzuschreiben („nur dann nichtig, wenn ...“). Die Gesetzesbegründung hebt das ganz stark hervor und führt aus, „daß im Falle der Feststellung des Jahresabschlusses durch den Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats diese Entscheidung der Verwaltungsträger grundsätzlich endgültig ist und nicht mehr umgestoßen werden kann. Nur bei ganz schwerwiegenden Verstößen, die … § 202 erschöpfend aufzählt, tritt eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses ein.“17 Doch wurde das Klagerecht der Aktionäre, das zuvor gegen den Feststellungsbeschluss der Generalversammlung gerichtet werden konnte, aufrechterhalten und nunmehr gegen die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat eröffnet.

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13 § 271 Abs 3 Satz 2 HGB aF. 14 § 125 AktG 1937. 15 § 195 Nr 3–4 AktG 1937. 16 RG 12.6.1928 – II 534/27, RGZ 120, 363, 369 ff. 17 Amtl Begründung zu § 202 AktG 1937, bei Klausing (Hrsg), AktG, 1937, S 180. Dass die Norm die Nichtigkeitsgründe abschließend aufzählte, war auch die Auffassung der Literatur; siehe statt vieler Schilling in der 2. Auflage dieses Kommentars, 1965, § 202 AktG 1937 Anm 2.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Das war ein bemerkenswerter Schritt, denn dass Aktionäre gegen die Gesellschaft auf Feststellung der Nichtigkeit von Rechtshandlungen der Verwaltungsorgane klagen können, ist keineswegs selbstverständlich (Rdn 24) und war es damals noch weniger als heute. Die vorstehend skizzierte Bestimmung des § 202 AktG 1937 betraf nur den von Vor9 stand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschluss. Wenn dagegen ausnahmsweise weiterhin die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses entschied, kamen damals die allgemeinen Regeln über die Anfechtung und Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen zum Tragen. Die Beschlüsse waren hiernach bei besonders schweren Inhalts- oder Verfahrensmängeln nichtig (§ 195 AktG 1937), wobei sich die inhaltlichen Nichtigkeitsgründe mit denen deckten, die auch für die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung galten.18 Ansonsten waren fehlerhafte Hauptversammlungsbeschlüsse anfechtbar (§§ 197 ff AktG 1937). Das galt auch für Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses, allerdings mit der gesetzlichen Einschränkung, dass unwesentliche Gliederungsgmängel nicht zur Anfechtung genügten.19 10

c) Das Aktiengesetz von 1965 hat die Gründe und namentlich die inhaltlichen Gründe für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses viel weiter ausdifferenziert und der ganzen Regelung in § 256 bis heute ihr Gepräge gegeben. Die Bestimmung lautete ursprünglich: „(1) Ein festgestellter Jahresabschluß ist außer in den Fällen des § 173 Abs 3, § 234 Abs 3 und § 235 Abs 2 nichtig, wenn 1. er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, 2. er nicht nach § 162 Abs 1 und 3 [den Vorgängernormen von § 316 Abs 1 und 3 HGB] geprüft worden ist, 3. er von Personen geprüft worden ist, die nicht zum Abschlußprüfer bestellt sind oder nach § 164 [in groben Umrissen die Vorgängernorm von § 319 HGB] nicht Abschlußprüfer sein können, 4. bei seiner Feststellung die Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über die Einstellung von Beträgen in offene Rücklagen oder über die Entnahme von Beträgen aus offenen Rücklagen verletzt worden sind. (2) Ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluß ist außer nach Absatz 1 nur nichtig, wenn der Vorstand oder der Aufsichtsrat bei seiner Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt hat. (3) Ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluß ist außer nach Absatz 1 nur nichtig, wenn die Feststellung 1. in einer Hauptversammlung beschlossen worden ist, die nicht nach § 121 Abs 2 und 3 einberufen war, es sei denn, daß alle Aktionäre erschienen oder vertreten waren, 2. nicht nach § 130 Abs 1, 2 und 4 beurkundet ist, 3. auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist. (4) Wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses [deren wichtigste im Folgenden aufgezählt wurden] sowie wegen der Nichtbeachtung von Formblättern, nach denen der Jahresabschluß zu gliedern ist, ist der Jahresabschluß nur nichtig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt sind. Eine wesentliche Beeinträchtigung liegt namentlich vor, wenn [gegen bestimmte, besonders genannte Regeln verstoßen wird]. (5) Wegen Verstoßes gegen die Bewertungsvorschriften ist der Jahresabschluß nur nichtig, wenn 1. Posten überbewertet oder 2. Posten unterbewertet sind und dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird.

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§ 195 Nr 3–4 AktG 1937 = § 202 Abs 1 Nr 2–3 AktG 1937. § 197 AktG 1937.

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Nichtigkeit | § 256

Überbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit einem höheren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Betrag angesetzt sind, als nach [den Ansatz- und Bewertungsregeln der damaligen] §§ 153 bis 156 zulässig ist. Unterbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem höheren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 153 bis 156 zulässig ist. (6) Die Nichtigkeit nach Absatz 1 Nr. 1, 3 und 4, Absatz 2, Absatz 3 Nr. 1 und 2, Absatz 4 und 5 kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4, des Absatzes 2 und des Absatzes 3 Nr. 1 und 2 sechs Monate, in den anderen Fällen drei Jahre verstrichen sind. Ist bei Ablauf der Frist eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses rechtshängig, so verlängert sich die Frist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat. (7) Für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit gegen die Gesellschaft gilt § 249 sinngemäß.“

Der veränderte Aufbau der Vorschrift rührt zum Teil daher, dass § 256 anders als 11 der frühere § 202 AktG 1937 nicht mehr nur für den vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschluss gilt, sondern auch für die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung. Die Inhalts- und Prüfungsmängel, die zur Nichtigkeit führen, sind deshalb jetzt für beide Arten der Feststellung einheitlich und organübergreifend geregelt (§ 256 Abs 1, 4 und 5). Nur bei Verfahrensfehlern wird noch unterschieden, welche Gesellschaftsorgane den Jahresabschluss feststellen wollten (§ 256 Abs 2 und 3). Der Regierungsentwurf für das AktG von 1965 hatte außer der Nichtigkeit auch noch eine Anfechtung des festgestellten Jahresabschlusses vorgesehen, die ebenso wie bei Hauptversammlungsbeschlüssen ganz allgemein „wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ greifen sollte, und zwar auch dann, wenn die Verwaltung über die Feststellung des Jahresabschlusses entschied.20 Doch das haben die Bundestagsausschüsse für Recht und Wirtschaft verhindert.21 Ein von den Verwaltungsorganen festgestellter Jahresabschluss ist entweder gültig, oder er ist nach § 256 nichtig; eine dazwischen liegende Anfechtbarkeit gibt es nicht 22 (vgl schon Rdn 4). Nur wenn ausnahmsweise die Hauptversammlung den Jahresabschluss feststellt, kann der Feststellungsbeschluss nach wie vor angefochten werden, allerdings nicht mehr wegen Inhaltsmängeln (§ 257 Abs 1 Satz 2) oder wegen Prüfungsmängeln, denn hierfür gilt ausschließlich § 256, sondern im Wesentlichen nur wegen Verfahrensfehlern (§ 257 und dort Rdn 2–4). Darüber hinaus hat das AktG 1965 die inhaltlichen Nichtigkeitsgründe neu ausge- 12 prägt. Die generalklauselartig weiten Tatbestände des § 202 AktG 1937 (Verstoß gegen das Wesen der Aktiengesellschaft, den Gläubigerschutz, das öffentliche Interesse und die guten Sitten), mit denen der Gesetzgeber damals die überlieferten allgemeinen beschlussmängelrechtlichen Grundsätze berufen hatte, sind ausgedünnt. Die einleitende Klausel des neuen § 256 Abs 1 Nr 1 erfasst jetzt nur noch die Verletzung von Vorschriften, die ganz oder überwiegend dem Gläubigerschutz oder sonst dem öffentlichen Interesse dienen. Nicht mehr genannt sind dagegen Verstöße gegen das Wesen der Aktiengesellschaft oder die guten Sitten. Diese Nichtigkeitsgründe hatten nach Auffassung des Gesetzgebers neben dem Gläubigerschutz und dem öffentlichen Interesse „keine praktische Bedeutung“,23

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20 RegE AktG, BT-Drucks IV/171 v 3.2.1962, Anlage 1, § 248, S 58 f. 21 Bericht des BT-Rechtsausschusses zum RegE AktG, BT-Drucks IV/3296 v 12.4.1965, S 139 und hierzu Bericht des Abgeordneten Dr Wilhelmi, zu BT-Drucks IV/3296 v 28.4.1965, zu §§ 247 bis 250b RegE, S 42 f = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, Vorbem zu §§ 256 bis 261, S 343 f; kritisch im Vorfeld auch Kronstein/Claussen/ Biedenkopf AG 1964, 268 ff. 22 Bericht des Abgeordneten Dr. Wilhelmi zum RegE AktG, zu BT-Drucks IV/3296 v 28.4.1965, zu §§ 247 bis 250b RegE, S 43 li Sp = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, S 343; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 3. 23 Bericht des Abgeordneten Dr Wilhelmi zum RegE AktG, zu BT-Drucks IV/3296 v 28.4.1965, zu § 247 RegE, S 43 re Sp = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, § 256, S 346.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

und Verstöße gegen das Wesen der Aktiengesellschaft würden zudem durch die anderen inhaltlichen Nichtigkeitsgründe „bereits hinreichend erfaßt“.24 Außerdem und vor allem sind die wichtigsten inhaltlichen Nichtigkeitsgründe 13 jetzt zu viel stärker begriffstechnisch abgegrenzten Einzeltatbeständen ausdifferenziert, die auf das neue bilanzrechtliche Regelwerk des AktG 1965 bezogen sind. Das betrifft die Verletzung von Bestimmungen über die Bildung und Auflösung von Rücklagen (§ 256 Abs 1 Nr 4) sowie Verstöße gegen Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses (§ 256 Abs 4) und vor allem gegen Bewertungsregeln (§ 256 Abs 5). Die beiden letzteren Bestimmungen waren beim Erlass des AktG 1965 nicht als eigenständige Nichtigkeitsgründe gedacht, sondern als einschränkende Zusätze zur Generalklausel des § 256 Abs 1 Nr 1 mit ihrer Bezugnahme auf den Gläubigerschutz und das öffentliche Interesse. Die ganze Rechnungslegung, so dachte man zu Recht, steht auch im öffentlichen Interesse (vgl Rdn 41a). Der Gesetzgeber des AktG von 1965 befürchtete daher, dass grundsätzlich jeder Gliederungs- oder Bewertungsverstoß wegen Verletzung des öffentlichen Interesses zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen könnte.25 Um das zu verhindern und um die Nichtigkeitsgründe einzuschränken,26 wurden die Voraussetzungen, unter denen der Jahresabschluss wegen Gliederungs- oder Bewertungsverstößen nichtig ist, in § 256 Abs 4 und 5 „eingehender geregelt“, wie es in der Gesetzesbegründung heißt.27 Nur die Überbewertung führt schon als solche zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses (Abs 5 Nr 1), wohingegen Unterbewertungen und Gliederungsverstöße den Abschluss nur in besonders schweren Fällen nichtig machen,28 nämlich wenn ein Gliederungsverstoß die Klarheit und Übersichtlichkeit des Abschlusses wesentlich beeinträchtigt (§ 256 Abs 4), oder wenn durch eine Unterbewertung die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird (§ 256 Abs 5 Nr 2). Mit dieser Einzelvertatbestandlichung der Nichtigkeitsgründe hat der Gesetzgeber große Probleme geschaffen, wie sich noch zeigen wird (Rdn 16 ff, 25). Immerhin können seit dem AktG von 1965 auch inhaltliche Mängel durch Zeitablauf heilen, wenn auch meistens erst nach drei Jahren (Abs 6). 14

d) Änderungen seit 1965. Von den Änderungen, die § 256 seit 1965 erfahren hat, kam die wichtigste durch das Bankbilanzrichtlinie-Gesetz (BankBiRiLiG) von 1990.29 Dieses Gesetz hat die Generalklausel des § 256 Abs 1 Nr 1 noch weiter ausgedünnt. Während bislang ein festgestellter Jahresabschluss nichtig war, „wenn er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt[e], die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben“ waren (Rdn 10), wurden nunmehr die Worte „oder sonst im öffentlichen Interesse“ gestrichen, so dass in § 256

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24 Stellungnahme des Bundesrats zum RegE AktG, BT-Drucks IV/171 v 3.2.1962, Anlage 2, Nr 22, zu § 247 RegE, S 328 li Sp = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, § 256, S 345 f. 25 Bericht des Abgeordneten Dr. Wilhelmi zum RegE AktG, zu BT-Drucks IV/3296 v 28.4.1965, zu § 247 RegE, S 44 li Sp = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, § 256, S 346 f. 26 Wie Fn 25. 27 Bericht des Abgeordneten Dr. Wilhelmi zum RegE AktG, zu BT-Drucks IV/3296 v 28.4.1965, zu §§ 247 bis 250b RegE, S 43 li Sp = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, Vorbem zu §§ 256 bis 261, S 347. 28 Bericht des Abgeordneten Dr. Wilhelmi zum RegE AktG, zu BT-Drucks IV/3296 v 28.4.1965, zu § 247 RegE, S 44 li Sp, auch zu §§ 247 bis 250b RegE, S 43 re Sp = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, Vorbem zu §§ 256 bis 261, S 344, auch § 256, S 346 f. 29 Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten (Bankbilanzrichtlinie-Gesetz), vom 30.11.1990, BGBl I, S 2570, hier Art 2 Nr 55, betr Änderung des § 256 AktG.

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Nichtigkeit | § 256

Abs 1 Nr 1 nur noch der Verstoß gegen Gläubigerschutzregeln als Nichtigkeitsgrund übrig bleibt. Die Gesetzesbegründung zum BankBiRiLiG verweist in diesem Zusammenhang auf den umfangreichen Ordnungswidrigkeitenkatalog des § 334 HGB, der Verstöße gegen eine Vielzahl von Bilanzregeln mit Bußgeld bedroht, und äußert die Befürchtung, dass sämtliche dort in Bezug genommenen Regeln als Ausdruck des öffentlichen Interesses in dem Sinne verstanden werden könnten, dass ein Verstoß zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führe, was die Bestandsfestigkeit von Jahresabschlüssen gefährlich untergraben würde.30 Deshalb wurde in § 256 Abs 1 Nr 1 die Bezugnahme auf das öffentliche Interesse getilgt. Das hat die Struktur und Systematik des § 256 wesentlich verschoben, ohne dass sich der Gesetzgeber der Tragweite seines Tuns bewusst gewesen zu sein scheint, denn der Begriff des öffentlichen Interesses war ein wichtiges Bindeglied zwischen der Generalklausel des § 256 Abs 1 Nr 1 und den speziellen Nichtigkeitsregeln in Abs 4 und 5, betreffend die Gliederungs- und Bewertungsmängel (vgl. oben Rdn 13 sowie näher unten Rdn 54 f, 72 f). Die sonstigen Gesetzesänderungen seit 1965 dienten vor allem dazu, die Bestim- 15 mung des § 256 redaktionell an die immer wieder geänderten Regeln des Bilanz- und Bilanzprüfungsrechts anzupassen. Zu nennen ist hier zunächst das BilanzrichtlinienGesetz (BiRiLiG) von 1985.31 Dieses hat das zuvor im Wesentlichen nur für die Aktiengesellschaft und im Aktiengesetz kodifizierte Bilanzrecht rechtsformübergreifend für alle Kaufleute und Handelsgesellschaften in das HGB überführt und der Materie ihr heutiges Regelungsformat gegeben. Hierfür wurden in § 256 AktG die Verweisungen auf die bilanzrechtlichen Regeln angepasst und bei dieser Gelegenheit stärker auf Grundsätzliches reduziert. Mit gleicher Zielrichtung, doch viel weniger weitgreifend, hat 2009 das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) 32 die Verweisungen in § 256 Abs 5 (Bewertungsmängel) an die neu geordneten Bewertungsregeln des Bilanzrechts angepasst. Die dort vorgenommenen Änderungen waren allerdings erheblich; sie haben das deutsche Bilanzrecht ein gutes Stück weit den internationalen Standards angeglichen und zugleich das überlieferte Vorsichtsprinzip im Kern erhalten. Ein weiterer Strang von Änderungsgesetzen betrifft die Bestimmung des § 256 Abs 1 15a Nr 3, wonach bei prüfungspflichtigen Gesellschaften die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig ist, wenn der Abschluss von Personen geprüft wurde, die nicht Abschlussprüfer sind beziehungsweise, wie es in der ursprünglichen Gesetzesfassung von 1965 hieß, nicht Abschlussprüfer sein können, oder die aus bestimmten Gründen nicht zum Abschlussprüfer bestellt sind. Das Anliegen des § 256, dass Jahresabschlüsse möglichst bestandsfest und nur unter engen Voraussetzungen nichtig sein sollen, kollidiert hier mit den immer mehr verschärften Anforderungen des Bilanzprüfungsrechts an die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Abschlussprüfers. Wer diese Anforderungen nicht erfüllt, ist als Abschlussprüfer ausgeschlossen, und wenn so jemand gleichwohl zum Abschlussprüfer berufen wird, ist die Berufung fehlerhaft. Das soll aber möglichst nicht auf die Wirksamkeit des Jahresabschlusses durchschlagen. An dieser regelungstechnisch nicht einfachen Aufgabe hat sich schon das BiRiLiG von 1985 (Rdn 15) versucht und später noch einmal das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) von

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30 RegE BankBiRiLiG, BT-Drucks 11/6275 v 19.1.1990, Anlage 1, Begründung zu Art 2 Nr 3 (betr § 256 AktG), S 27 li Sp. 31 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz), vom 19.12.1985, BGBl I, S 2355. 32 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), vom 25.5.2009, BGBl I, S 1102, hier Art 5 Nr 513, betr Änderung des § 256 AktG.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

2004, dem § 256 Abs 1 Nr 3 seine gedankliche Grundstruktur verdankt.33 In neuerer Zeit haben die EU-Abschlussprüfungsverordnung von 210434 sowie im selben Jahr die Änderung der EG-Abschlussprüfungsrichtlinie35 aufs neue Bewegung in die Materie gebracht, und im Gefolge dieser Normen hat das deutsche Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) von 2016 dem § 256 Abs 1 Nr 3 seine gegenwärtige Form gegeben36 (näher zum Ganzen unten Rdn 153 ff). 15b Weitere und kleinere Änderungen brachten das Bilanzkontrollgesetz (BilKoG) von 2004, wonach Jahresabschluss-Nichtigkeitsprozesse vom Gericht an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemeldet werden müssen (§ 256 Abs 7 Satz 2),37 das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) von 2006, das in § 256 Abs 6 Satz 1 den Beginn des Laufs der Heilungsfrist an die geänderten Regeln über die Bekanntmachung von Jahresabschlüssen angepasst hat,38 sowie das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) von 2009, das die Anforderungen an die Einberufung (§ 121) und Protokollierung (§ 130) von Hauptversammlungen erweitert hat, aber im Falle der Abschlussfeststellung durch die Hauptversammlung die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 3 Nr 1 und 2 noch mehr als zuvor auf Verstöße gegen die Kerngehalte jener Anforderungen beschränkt,39 um die Nichtigkeitsgründe einzudämmen.40 3. Sinn und Unsinn der Norm 16

a) Die überlieferte Auffassung vom Schutzzweck der Norm und deren Fragwürdigkeit. Das Regelungsanliegen des § 256 wird meist darin gesehen, die Nichtigkeit des Jahresabschlusses auf einzelne besonders schwerwiegende Fälle zu begrenzen, um Jahresabschlüssen Bestandsfestigkeit zu verleihen und Rechtssicherheit zu stiften.41

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33 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG), vom 4.12.2004, BGBl I, S 3166, hier Art 4 Nr 9, betr § 256 AktG. 34 Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909 der Kommission, ABl EU L 158 vom 27.5.2014, S 77 mit Berichtigung in ABl EU L 170 vom 27.5.2014, S 66. 35 Richtlinie 2014/56/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, ABl EU L 158 vom 27.5.2014, S 196. 36 Gesetz zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG), vom 10.5.2016, BGBl I, S 1142, hier Art 5 Nr 4, betr § 256 Abs 1 Nr 3 AktG. 37 Eingefügt durch das Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz – BilKoG), vom 15.12.2004, BGBl I, S 3408, hier Art 5 Nr 3 und geringfügig geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechtsrichtlinie (ARUG II), vom 12.12.2019, BGBl I, S 2637, hier Art 1 Nr 26. 38 Vom 10.11.2006, BGBl I, S 2553, hier Art 9 Nr 12. 39 Vom 30.7.2009, BGBl I, S 2479, hier Art 1 Nr 9 (betr § 121 AktG), Nr 19 (betr § 130 AktG) und Nr 41 (betr § 256 AktG). 40 RegE ARUG, BT-Drucks 16/11642 v 21.1.2009, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 35 (betr § 241 AktG), S 39 f, und hierauf verweisend Begründung zu Art 1 Nr 41 (betr § 256 AktG), S 42 re Sp. 41 OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 995 re Sp; OLG Frankfurt 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 73 li Sp; MünchKomm/Koch4 Rdn 2 und Hüffer/Koch14 Rdn 1; KK/A Arnold3 Rdn 9; MünchKomm/ Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 32 f; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 1; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 1; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 1; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 386 f, auch 392 f, 411; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 186 f; W Müller ZHR 168 (2004), 414, 422;

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Nichtigkeit | § 256

Auch die Gesetzesbegründungen heben diesen Gesichtspunkt immer wieder hervor (Rdn 8, 13, 15). Manche Deutungsversuche gehen sogar noch weiter und meinen, die Möglichkeit der Abschlussnichtigkeit werde nicht erst durch § 256 eröffnet, sondern folge schon aus allgemeinen beschlussrechtlichen Grundsätzen; die Hauptbedeutung des § 256 liege deshalb nicht in der Begründung der Nichtigkeit, sondern in der Einschränkung der Nichtigkeitsfälle.42 Inwieweit das zutrifft, hängt damit zusammen, ob die allgemeinen beschlussrechtli- 17 chen Grundsätze mehr oder weniger nichtige Jahresabschlüsse hervorbringen würden als die Einzelregeln des § 256, und läuft auf die Frage hinaus, was mehr Gerechtigkeit schaffen würde. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann nämlich für die Gesellschaft desaströse Folgen haben.43 Das liegt vor allem daran, dass auch ein auf dem nichtigen Jahresabschluss beruhender Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung nichtig ist (§ 253 Abs 1 Satz 1). Haben dann schon Ausschüttungen stattgefunden, müssen diese grundsätzlich rückabgewickelt werden, wenn die Aktionäre gewusst oder fahrlässig verkannt haben, dass sie zum Dividendenempfang nicht berechtigt waren (§ 62). Das ist vor allem für Großaktionäre sowie institutionelle Anleger und Kapitalmarktintermediäre gefährlich, denn sie sollen ja gerade nicht gutgläubig sein, sondern sich informieren und nachdenken. Und auch für andere Aktionäre können Ungewissheiten und Risiken entstehen. Das alles wieder ins Lot zu bringen, kann für die Gesellschaft sehr schwierig und teuer werden (vgl schon oben Rdn 4 und näher Rdn 248, 254 ff, 260 ff). Der Jahresabschluss für ein Geschäftsjahr hat zudem wegen des Gebots der Bilanzverknüpfung (§ 252 Abs 1 Nr 1 HGB) Auswirkungen auf die Rechnungslegung für die Folgejahre, so dass die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach verbreiteter Auffassung auch künftige Jahresabschlüsse und Ausschüttungen ins Wanken bringen kann (Rdn 275 ff). Da fragt es sich schon, ob der Sinn und Zweck der Regeln, an deren Verletzung 18 die heutigen gesetzlichen Nichtigkeitstatbestände anknüpfen, wirklich die Nichtigkeit des Jahresabschlusses als Folge von Verstößen gebietet, oder ob nicht die allgemeinen beschlussrechtlichen Grundsätze, wie sie noch im Aktiengesetz von 1937 in Erscheinung getreten waren, flexibler, treffgenauer und aufs Ganze gesehen besser sind.44 Dabei muss man zwischen den beiden Hauptfunktionen des Jahresabschlusses unterscheiden, nämlich der Ausschüttungsbemessungsfunktion und der Informationsfunktion, wobei die Ausschüttungsbemessungsfunktion wiederum zwei Seiten hat, denn sie dient zum einen dem Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung und zum anderen dem Gewinnteilhaberecht der Aktionäre. b) Die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses und der 19 Gläubigerschutz. Soweit es um die Ausschüttungsschranken der Kapitalerhaltung zum

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Zöllner in: FS Scherrer, 2004, 355, 359, 362 f; Schedlbauer DB 1992, 2097, 2098 li Sp; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147 li Sp. 42 MünchKomm/J Koch4 Rdn 2 und Hüffer/Koch14 Rdn 1; auch KK/Arnold3 Rdn 9. Ebenso der Sache nach MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 32 f; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 1. 43 Auch das wird oft und zu Recht betont, siehe etwa den Bericht des Abgeordneten Dr. Wilhelmi zum RegE AktG, zu BT-Drucks IV/3296 v 28.4.1965, zu §§ 247 bis 250b RegE, S 42 f = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, Vorbem zu §§ 256 bis 261, S 343; auch schon RegE AktG, BT-Drucks IV/171 v 3.2.1962, Anlage 1, Begründung zu § 247 RegE [= § 256 AktG], S 205 = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, § 256, S 347; aus der Literatur Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 687 ff; ders in: FS Semler, 1993, 835, 842 f; Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 357; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 386; Spindler/Stilz/Rölike4 89; Hommelhoff/Mattheus BB 2004, 93, 100 li Sp; Kowalski AG 1994, 502, 505. 44 Ausführlich hierzu und zum Folgenden T Bezzenberger WM 2020, 2093 ff.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Schutz der Gesellschaftsgläubiger geht, ist die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zum großen Teil gerechtfertigt. Das betrifft vor allem die Überbewertung von Bilanzposten (§ 256 Abs 5 Nr 1) und den regelwidrigen Abbau oder Nichtaufbau ausschüttungssperrender Rücklagen (also einen Teilbereich des § 256 Abs 1 Nr 4, vgl Rdn 112 ff). Die Gesellschaft darf sich keinen Ausschüttungsspielraum zuschreiben, den sie nicht hat, und sie darf solche Ausschüttungen vor allem nicht vornehmen. Das ist die zentrale Funktion des § 256 (vgl Rdn 47, 71, 73, 82). Selbst beim Gläubigerschutz ist jedoch die Nichtigkeitssanktion nach § 256 in Teilen überzogen, weil sie Gewinnausschüttungen auch insoweit die Geltungsgrundlage entzieht, als sie bei richtiger Rechnungslegung erlaubt wären.45 20

c) Die Gewinnteilhabe der Aktionäre. Der Jahresabschluss kann des Weiteren wegen Unterbewertung von Bilanzposten nichtig sein (§ 256 Abs 5 Nr 2) oder wegen überhöhter Bildung von Rücklagen und speziell ausschüttungssperrender Rücklagen (§ 256 Abs 1 Nr 4, vgl Rdn 112 ff). Hier geht es zum einen um die Informationsfunktion des Jahresabschlusses (dazu näher Rdn 21) und zum anderen um das Gewinnteilhaberecht der Aktionäre und die Befugnisse der Hauptversammlung bei der Gewinnverwendung.46 Für den Schutz dieser Aktionärsrechte ist jedoch die Abschlussnichtigkeit und die damit einhergehende Gesamtvernichtung von Gewinnausschüttungen offenkundig unnütz und überwiegend sogar schädlich, so dass man hierin keinen Schutzzweck des § 256 sehen kann.47

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d) Die Informationsfunktion des Jahresabschlusses. Ebenfalls unsinnig ist die Nichtigkeit bei Störungen der Informationsfunktion des Jahresabschlusses.48 Das betrifft vor allem die Verletzung bilanzieller Gliederungsvorschriften (§ 256 Abs 4 und hierzu Rdn 55) aber auch die Unterbewertung von Bilanzposten (§ 256 Abs 5 Satz 1 Nr. 2, vgl Rdn 72, 93 und 20) sowie Verstöße gegen Rücklageregeln (§ 256 Abs 1 Nr. 4), die nicht den Ausschüttungsspielraum der Gesellschaft betreffen (Rdn 113 ff). Der rechtsgeschäftliche Geltungsgehalt des Jahresabschlusses, den die Nichtigkeit zerstört (Rdn 1, 207 f), bezieht sich auf die Ausschüttungsbemessung und nicht auf Information. Gerade auch in zeitlicher Hinsicht passt hierfür die Nichtigkeit nicht. Diese wirkt ab dem Zeitpunkt der Vornahme des Feststellungsgeschäfts (Rdn 3), der bald in die Vergangenheit rückt und informationell immer weniger relevant wird. Unzulängliche Informationen kann man nicht mehr rückgängig machen, sondern nur für die Zukunft richtigstellen.49 Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses steht nach alledem bei Informationsmängeln nicht in einem positiven Funktionszusammenhang mit den berührten Informationsinteressen und macht die Informationsprobleme nicht kleiner, sondern größer. 22 Der gesetzespolitisch angemessene Schutzbehelf bei Störungen der Informationsfunktion des Jahresabschlusses wäre nicht die Nichtigkeit, sondern ein innergesellschaftliches Bilanzprüfungsverfahren auf Betreiben von Aktionären nach Art einer Sonderprüfung, wie sie das Gesetz auch in anderen Zusammenhängen kennt (§§ 142 ff, 258 ff, 315).

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45 T Bezzenberger WM 2020, 2093, 2096. Vgl auch zum GmbH-Recht Claussen in: FS Semler, 1993, S 97, 101 ff. 46 Zu letzterem Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 143, 147. 47 Kronstein/Claussen/Biedenkopf AG 1964, 268 ff; T Bezzenberger WM 2020, 2093, 2096 f, 2098 re Sp. Anders Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 62; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 22; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 200 f;. 48 T Bezzenberger WM 2020, 2093, 2097. 49 So in anderem Zusammenhang, nämlich im Hinblick auf fehlerhafte Konzernabschlüsse, auch MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 111 aE.

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e) Prüfungsmängel und Fehler des Feststellungsverfahrens. Hier ergibt die Ab- 23 schlussnichtigkeit als Folge von Regelverstößen wieder einen gewissen Sinn, weil einem bilanziell abgebildeten Ausschüttungspotenzial ohne die gebotene Abschlussprüfung nicht zu trauen ist, und weil die Rechnungslegung und Gewinnverwendung in der Aktiengesellschaft zuständigkeits- und verfahrensrechtlich durchreglementiert sein müssen, sonst funktioniert das in Gesellschaften mit vielen Beteiligten nicht. Doch auch hier übertreibt das Gesetz, indem es Gewinnausschüttungen auch dort die Geltungsgrundlage entzieht, wo diese im Ergebnis rechtens sind. f) Das Klagerecht der Aktionäre als Fremdkörper im Gesetz. Auch das Klage- 24 recht der Aktionäre gegen die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 256 Abs 7) ergibt gesetzespolitisch keinen Sinn. Von Hause aus können Aktionäre nicht gegen Entscheidungen der Verwaltungsorgane klagen.50 Solche Klagerechte sind vielmehr die Ausnahme und setzen voraus, dass in besonderer Weise eigene Rechte der Aktionäre betroffen sind, wie bei der Aktienausgabe aus genehmigtem Kapital mit Bezugsrechtsausschluss oder bei Übergriffen der Verwaltungsorgane in Kompetenzen der Hauptversammlung.51 Daran fehlt es im vorliegenden Zusammenhang, denn die Feststellung des Jahresabschlusses berührt die Mitgliedschaftsrechte nicht in vergleichbarer Weise.52 Das Klagerecht der Aktionäre ist ein Relikt vergangener Zeiten und erklärt sich daraus, dass Jahresabschlüsse von Aktiengesellschaften früher von der Generalversammlung der Aktionäre festgestellt wurden und folglich auch Gegenstand von Beschlussmängelklagen sein konnten (Rdn 6). Die Feststellungsbefugnis wurde 1937 auf den Aufsichtsrat übertragen, aber das Klagerecht der Aktionäre ist geblieben (Rdn 7 f), obwohl es nicht mehr ins System passt. g) Fazit und Folgerungen. Alles in allem hat sich der Gesetzgeber mit den vielen 25 Einzeltatbeständen des § 256 für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses in ein schlimmes Regelwerk verstrickt. Er hätte es lieber mit den allgemeinen beschlussrechtlichen Grundsätzen bewenden lassen sollen, denn diese lassen dem Rechtsgedanken Geltungsraum, dass ein Regelverstoß den Jahresabschlusses und eine hierauf beruhende Gewinnausschüttung nur dann nichtig machen darf, wenn der Sinn und Zweck der verletzten Regel die Nichtigkeit als Folge von Verstößen gebietet. Das ist nur bei wenigen Nichtigkeitstatbeständen der Fall, wie sich gezeigt hat. Immerhin beschränkt das Gesetz die Nichtigkeit bei Gliederungsverstößen und bei 26 der Unterbewertung auf Fälle, in denen das Bild von der Lage der Gesellschaft wesentlich verdunkelt oder verfälscht wird (§ 256 Abs 4 und Abs 5 Satz 1 Nr 2, näher unten

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50 BGH 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 252 f (“Commerzbank/Mangusta II”); OLG Frankfurt 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 74 re Sp; MünchKomm/Habersack5 § 108 Rdn 85 mwN; M Schwab Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, insbesondere S 572 f; Adolff ZHR 169 (2005), 310, 319 ff. Vgl auch unten Rdn 38 zur Billigung des Konzernabschlusses. 51 Zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital BGH 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 252 f (“Commerzbank/Mangusta II”); bekräftigt von BGH 10.7.2018 – II ZR 120/16, Rdn 16–19, BGHZ 219, 215, 220, wo auch noch einmal betont wird, dass der Bezugsrechtsausschluss ein „Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht“ sei (Rdn 43, S 228. Zum kompetenzüberschreitenden Verwaltungshandeln BGH 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 82, 122, 133 ff („Holzmüller“) sowie präzisierend und einschränkend BGH 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 36 ff („Gelatine“); Paefgen Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S 280 ff. Kritisch und weitergehend Bartels ZGR 2008, 723, 735 ff, 751 ff. 52 In gleichem Sinne OLG Frankfurt 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 74 f, betr die Billigung des Konzernabschlusses.

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Rdn 68 und Rdn 95). Dahinter lässt sich der allgemeine Rechtsgedanke erkennen, dass ein Jahresabschlusses wegen informationeller Mängel nur dann nichtig ist, wenn diese Mängel besonders schwer wiegen.53 Das ist ein wichtiger Auslegungsgrundsatz im Bereich des § 256, der im weiteren Gang der Kommentierung immer wieder zutage treten wird (Rdn 30, 53, 68, 88a, 94 ff, 116 und auch schon Rdn 21). Inhaltliche Mängel des Jahresabschlusses können zudem auf zwei verschiedene 27 Weisen behoben werden. Die Gesellschaft kann für das betroffene Geschäftsjahr einen neuen, fehlerfreien Abschluss aufstellen und feststellen und auf diese Weise den Mangel rückwärts gerichtet an der Fehlerquelle beseitigen, oder sie kann inhaltliche Unrichtigkeiten, soweit sie noch fortwirken, nachträglich in laufender Rechnung korrigieren, also im letzten noch nicht festgestellten Jahresabschluss (näher hierzu und zum Folgenden Rdn 247 ff). Die Rückwärtsberichtigung an der Fehlerquelle ist die ehrlichere und gründlichere Methode, aber sie ist meist aufwendiger, und eine Reparatur zwischenzeitlicher Gewinnausschüttungen ist nicht auf rechtssichere Weise möglich (Rdn 260 ff). 28 Vor allem informationelle Mängel des Jahresabschlusses können daher durch eine Korrektur in laufender Rechnung sehr oft besser überwunden werden,54 wenn darauf hingewiesen wird, dass und wo die Fehlerquelle in der Vergangenheit lag.55 Der Informations-Mehrwert einer rückwärts gerichteten Berichtigung an der Fehlerquelle wird demgegenüber mit der Zeit immer geringer, weil man Fehlinformationen nicht mehr rückgängig machen, sondern nur nachträglich für die Zukunft richtigstellen kann (Rdn 21). Wenn das Bild von der Lage der Gesellschaft durch eine Korrektur in laufender Rechnung hinreichend wieder geradegerückt worden ist, kann entgegen herrschender Meinung die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen informationeller Mängel nicht mehr geltend gemacht werden (näher unten Rdn 69a, 89, 237). Die nachträgliche Korrektur inhaltlicher Abschlussfehler in laufender Rechnung 29 kann sogar auch dann eine Alternative zur Neuvornahme des Jahresabschlusses sein, wenn es um die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses und um Verstöße gegen den Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung geht. Wenn sich eine Gesellschaft durch die Überbewertung von Bilanzposten oder unter Verstoß gegen Rücklageregeln einen ungerechtfertigt großen Ausschüttungsspielraum beigemessen hat, aber noch keine regelwidrigen Ausschüttungen vorgenommen worden sind, und die Gesellschaft dann diesen Spielraum in einem nachfolgenden Abschluss wieder auf das richtige Maß reduziert, hat sich die Gefahr für die Gläubiger nicht verwirklicht und ist für die Zukunft gebannt. Auch das kann für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses und deren Geltendmachung bedeutsam sein (näher unten Rdn 89 zur Überbewertung, auch Rdn 237 zum Klagerecht der Aktionäre).

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53 Mit ähnlichem Ansatz, doch weitergehend, Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 1 aE, 24, 59, auch 64, wonach die in § 256 „Abs 4 explizit genannte Begrenzung der Nichtigkeit auf Fälle einer wesentlichen Beeinträchtigung in eingeschränktem Maße auf alle inhaltlichen Mängel zur Anwendung zu bringen“ sei (Rdn 1 aE). 54 Ebenso IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Abschnitt 2.3., Rdn 15 ff; Reiß/Schaaf Bilanzen im Mittelstand 2013, 51, 52. 55 Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 383; in gleichem Sinne IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 15, 25. So auch geschehen im Fall OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 996 re Sp. Diesen Aspekt betont des Weiteren das OLG Frankfurt 14.6.2007 – WpÜG 1/07, ZIP 2007, 1804, 1807 li Sp, betr die Veröffentlichung eines im Rechnungslegungs-Enforcementverfahren festgestellten Fehlers.

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4. Anwendungsbereich der Norm a) Der Jahresabschluss als Gegenstand der Nichtigkeit. Mit dem Jahresabschluss, 30 auf dessen Feststellung sich die Nichtigkeit bezieht, meint § 256 den Jahresabschluss der einzelnen Gesellschaft, den Einzelabschluss nach den Regeln des HGB-Bilanzrechts. Dieser Jahresabschluss besteht aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang (§§ 242, 264 Abs 1 Satz 1 HGB). Bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften (§ 264d HGB) müssen noch eine Kapitalflussrechnung und ein Eigenkapitalspiegel hinzukommen, dies allerdings nur, wenn die Gesellschaft nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist (§ 264 Abs 1 Satz 2 HS 1 HGB), der diese Elemente auf Konzernebene schon enthält (§ 297 Abs 1 HGB). Außerdem kann der Jahresabschluss einer kapitalmarktorientierten Gesellschaft um eine Segmentberichterstattung erweitert werden (§ 264 Abs 1 Satz 2 HS 2 HGB). Nur Mängel, die sich auf diese Elemente des Jahresabschlusses beziehen, können zu dessen Nichtigkeit führen. Das gilt auch für den Anhang sowie für die Kapitalflussrechnung, den Eigenkapitalspiegel56 und eine Segmentberichterstattung, denn auch sie sind von der Feststellung des Jahresabschlusses umfasst. Bedeutung und Gewicht haben allerdings vor allem Mängel, die sich auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung beziehen, denn diese Kernstücke des Jahresabschlusses betreffen dessen Ausschüttungsbemessungsfunktion und den Gläubigerschutz, der bei § 256 im Vordergrund steht (vgl Rdn 47, 71, 82, 19). Dagegen geht es beim Anhang sowie gegebenenfalls bei einer Kapitalflussrechnung, einem Eigenkapitalspiegel und einer freiwilligen Segmentberichterstattung als weiteren Teilen des Jahresabschlusses nur um dessen Informationsfunktion; hier führen Verstöße viel weniger leicht zur Nichtigkeit des Abschlusses (vgl Rdn 26). Der Lagebericht ist kein Bestandteil des Jahresabschlusses, sondern tritt als selb- 31 ständiges Element der Rechenschaftslegung zu diesem hinzu (§§ 264 Abs 1, 289 HGB). Er ist deshalb auch nicht Gegenstand der Feststellung des Jahresabschlusses. Wenn also der Lagebericht fehlt oder fehlerhaft ist, führt dies nicht zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses 57 (vgl hierzu und zum Folgenden aber auch Rdn 190 sowie § 257 Rdn 9). Ebenso wenig macht in abhängigen Gesellschaften ein fehlender oder fehlerhafter oder fehlerhaft zustande gekommener Abhängigkeitsbericht (§ 312) für sich genommen den Jahresabschluss nichtig. 58 Die Schlusserklärung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft im Abhängigkeitsbericht, ob die Konzernbeziehung rechtlich in Ordnung war, muss zwar in den Lagebericht aufgenommen werden (§ 312 Abs 3 Satz 3), und der Aufsichtsrat muss den Abhängigkeitsbericht prüfen und in seinem Bericht an die Hauptversammlung über das Ergebnis der Prüfung berichten (§ 314 Abs 2). Aber das alles macht den Lagebericht und vollends den Abhängigkeitsbericht nicht zum Teil des Jahresabschlusses und zum Gegenstand seiner Feststellung.

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56 MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 6, 10. 57 OLG Köln 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110, 112 f; OLG Braunschweig 27.2.1996 – 2 W 166/95, ZIP 1996, 875, 876 re Sp; OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.4.5. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2170 re Sp (betr GmbH & Co KG); Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 13; MünchKomm/J Koch4 Rdn 5, 17; Hüffer/Koch14 Rdn 8; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 24; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 8; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 13; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 6; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 141. Anders KK/Zöllner1 Rdn 19; Timm ZIP 1993, 114, 116 li Sp. Kritisch de lege ferenda Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 388 f. 58 OLG Köln 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110, 112 f; OLG Braunschweig 27.2.1996 – 2 W 166/95, ZIP 1996, 875, 876 re Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 5; KK/A Arnold3 Rdn 10; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 13; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 6; Hüffer/Koch14 § 312 Rdn 37; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 13. Anders Timm ZIP 1993, 114, 116 li Sp.

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b) Weitere erfasste Abschlüsse und Bilanzen. Die Bestimmung des § 256 gilt auch im Stadium der Abwicklung. Hier müssen die Abwickler für den Beginn der Abwicklung eine Eröffnungsbilanz aufstellen (§ 270 Abs 1), die von der Hauptversammlung festgestellt wird (§ 270 Abs 2 Satz 1). Auf diese Eröffnungsbilanz sind die Vorschriften über den Jahresabschluss entsprechend anzuwenden (§ 270 Abs 2 Satz 2), also auch die Regeln über die Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§ 256).59 Und die anschließenden jährlichen Abschlüsse während des Abwicklungsstadiums (§ 270 Abs 1 und Abs 2 Satz 1) sind Jahresabschlüsse, für die § 256 ganz normal gilt.60 Einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, durch die Rücklagen in Grund33 kapital umgewandelt werden (§§ 207–220), kann unter bestimmten Voraussetzungen die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt werden, und zwar, wie das Gesetz betont, „die festgestellte Jahresbilanz“ (§ 209 Abs 1). Für die Wirksamkeit dieser Feststellung gilt § 256. Ist der Jahresabschluss und damit auch die Bilanz nicht wirksam festgestellt, kann die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln hierauf nicht gestützt werden, und der Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung ist nach § 241 Nr 3 nichtig.61 Die Gesellschaft kann der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln anstelle der letzten Jahresbilanz aber auch eine besondere Erhöhungsbilanz zu Grunde legen (§ 209 Abs 2–6). Diese Bilanz wird nicht gesondert festgestellt,62 sondern implizit durch den Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung für verbindlich erklärt,63 aber sie hat ansonsten bei der Kapitalerhöhung dieselbe Funktion wie eine reguläre Jahresbilanz. Man muss daher die Bestimmung des § 256 auf die Erhöhungsbilanz entsprechend anwenden. Eine solche Bilanz kann beim Vorliegen von Nichtigkeitsgründen nicht Grundlage der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sein, so dass auch in diesem Fall der Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung nichtig ist (§ 241 Nr 3). Der Beschluss kann allerdings nach § 242 heilen, wenn er im Handelsregister eingetragen wird und dann drei Jahre vergehen. Auch bei der Verschmelzung spielen Abschlüsse eine Rolle. Dabei muss man un34 terscheiden: Die regulären Jahresabschlüsse, deren letzte drei den Aktionären aller beteiligten Gesellschaften vor den Verschmelzungsbeschlüssen zugänglich gemacht werden müssen (§ 63 Abs 1 Nr 2 UmwG), fallen ganz klar unter § 256. Ihre Nichtigkeit führt indessen nicht zur Nichtigkeit des Verschmelzungsbeschlusses, sondern kann gegen diesen allenfalls im Wege der Anfechtung ins Feld geführt werden (§§ 243 Abs 1 und 4),64 denn die Abschlüsse sind nur eine Informationsquelle für die Aktionäre und für die Verschmelzung nicht konstitutiv. Wenn bei einer Verschmelzung der letzte reguläre Abschlussstichtag mehr als sechs Monate zurückliegt, muss außerdem grundsätzlich für jede beteiligte Gesellschaft eine aktuelle Zwischenbilanz vorgelegt werden (§ 63 Abs 1 Nr 3 UmwG). Solche Zwischenbilanzen dienen ebenfalls nur der Information, und sie werden vor allem nicht wie Jahresabschlüsse festgestellt, so dass sie auch nicht nichtig sein können.65 Anders verhält es sich mit der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft (§ 17 Abs 2 UmwG); hierfür gelten die Vorschriften über die Jahresbilanz entsprechend (§ 17 Abs 2 Satz 2 UmwG), so dass auch die Nichtigkeitsregeln des § 256 anwendbar sind.66 Ist die Schlussbilanz nichtig, so darf die Verschmelzung hierauf nicht gestützt

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59 60 61 62 63 64 65 66

KK/A Arnold3 Rdn 11; MünchKomm/J Koch4 Rdn 8. KK/A Arnold3 Rdn 11; MünchKomm/J Koch4 Rdn 8. Großkomm/Hirte4§ 209 Rdn 50–52; K Schmidt/Lutter/Veil4 § 209 Rdn 15; Hüffer/Koch14 § 209 Rdn 14. Großkomm/Hirte4 § 209 Rdn 37; K Schmidt/Lutter/Veil4 § 209 Rdn 12; Hüffer/Koch14 § 209 Rdn 11. Vgl Großkomm/Hirte4 § 209 Rdn 37; Hüffer/Koch14 § 209 Rdn 11. Vgl Lutter/Grunewald6 § 63 Rdn 14. KK/A Arnold3 Rdn 11; MünchKomm/J Koch4 Rdn 11. MünchKomm/J Koch4 Rdn 11.

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werden und das Registergericht die Verschmelzung nicht eintragen. Wird gleichwohl eingetragen, ist allerdings die Verschmelzung bestandsfest (§ 20 UmwG). c) Nicht erfasste Abschlüsse und Bilanzen. Nicht unter § 256 fällt der Konzernab- 35 schluss oder konsolidierte Abschluss nach §§ 290 ff HGB.67 Der Konzernabschluss wird zwar ebenso wie der Jahresabschluss der Muttergesellschaft vom Vorstand dieser Gesellschaft aufgestellt (§ 290 Abs 1 HGB), ihrem Aufsichtsrat vorgelegt (§ 170) und von diesem geprüft (§ 171 Abs 1 Satz 1), und dann muss der Aufsichtsrat ebenso wie beim Jahresabschluss beschließen, ob er den Konzernabschluss billigt (§ 171 Abs 2 Satz 3–5, auch Abs 3). Aber von der Feststellung, die mit der Billigung eintritt, spricht das Gesetz nur im Hinblick auf den Jahresabschluss (§ 172 Satz 1). Der Konzernabschluss wird dagegen nicht festgestellt,68 das heißt nicht in gleichem Sinne wie der Jahresabschluss in Geltung gesetzt. Damit scheidet eine Anwendung des § 256 aus. Auch eine Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs 7 Satz 1 und § 249, wie sie gegen den 36 Jahresabschluss gegeben ist, wäre beim Konzernabschluss nicht angemessen und ist daher gegen dessen Billigung nicht statthaft.69 Dieses ungewöhnliche und sehr weitgehende Klagerecht der Aktionäre lässt sich am ehesten mit der gesellschaftsrechtlichen Bindungswirkung des Jahresabschlusses für die Gewinnverwendung erklären (vgl Rdn 1, 4 aber auch Rdn 20, 24). Eine vergleichbare Bindungswirkung entfaltet der Konzernabschluss nicht (Rdn 35). Das heißt natürlich nicht, dass die Gesellschaft mit dem Konzernabschluss anstellen 37 kann, was sie will. Bei schwerwiegenden Mängeln sind die Rechtsgeschäfte über die Billigung dieses Abschlusses und namentlich der hierauf bezogene Beschluss des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft nichtig,70 so wie auch sonst grob fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse nichtig sind (Rdn 187). Auf der anderen Seite brauchen gebilligte Konzernabschlüsse, vor allem wenn sie öffentlich bekannt gemacht sind, einen gewissen Bestandsschutz.71 Hinsichtlich der Wertungs- und Abwägungsmaßstäbe kann man sich aber beim Konzernabschluss nur sehr eingeschränkt an § 256 orientieren, nämlich am ehesten bei Verfahrens- und Prüfungsfehlern, weil das Billigungsverfahren und die Prüfungsanforderungen beim Konzernabschluss zum Teil ähnlich sind wie beim Jahresabschluss. Für inhaltliche Mängel des Konzernabschlusses passen dagegen die Nichtig-

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67 BGH 14.1.2008 – II ZR 282/06, AG 2008, 325; OLG Frankfurt/M 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 73; OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 995 re Sp; LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 539; IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 37; Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 291 ff; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 111; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 1; MünchKomm/J Koch4 Rdn 7 und Rdn 77; KK/A Arnold3 Rdn 12; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 206; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 4; Hüffer/Koch14 Rdn 3. Anders K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 3; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 7 Abs 1; dem zuneigend früher auch MünchKomm/Kropff2 § 172 Rdn 86 f. De lege ferenda für eine Ausdehnung des § 256 auch auf Konzernabschlüsse Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 396 ff; Busse v Colbe BB 2002, 1583, 1586 f. 68 OLG Frankfurt 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 73; RegE BilReG, BT-Drucks 15/3419 v 24.6.2004, Anlage 1, Begründung zu Art 4 Nr 3 (§ 171 AktG), S 54 li Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 7 und Rdn 77; Hüffer/Koch14 Rdn 3. Ebenso der Sache nach RegE Transparenz- und Publizitätsgesetz, BT-Drucks 14/8769 v 11.4.2002, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 19 (betr § 173 Abs 1 Satz 2 AktG), S 22 re Sp. In die gleiche Richtung weisen § 316 Abs 1 HGB (ohne Prüfung „kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden“) und § 316 Abs 2 HGB (ohne Prüfung „kann der Konzernabschluss nicht gebilligt werden“). 69 OLG Frankfurt/M 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 73; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 118. 70 MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 113 ff. 71 MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 115 f, auch Rdn 108 f; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 395–398.

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keitsgründe des § 256 überwiegend nicht. 72 Diese Norm betrifft vor allem die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses (Rdn 19, 47, 71, 73, 82). Der Konzernabschluss bildet dagegen nicht die Grundlage für die Gewinnausschüttung und Kapitalerhaltung, sondern dient allein der Information; er soll „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns vermitteln“ (§ 297 Abs 2 Satz 2 HGB). Hier lässt sich der Rechtsgedanke des § 256 lediglich in der Weise fruchtbar machen, dass informationelle Mängel nur in besonders schwerwiegenden Fällen zu einer Nichtigkeit der Billigung des Konzernabschlusses und in diesem Sinne zur Nichtigkeit des Abschlusses führen (vgl Rdn 26, 28). Das angemessene Korrekturinstrument für fehlerhafte Konzernabschlüsse ist vielmehr bei börsennotierten Gesellschaften die Enforcement-Prüfung durch die Prüfstelle für Rechnungslegung und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach § 342b Abs 2 HGB und § 107 Abs 1 WpHG.73 Eine Nichtigkeit der Billigung des Konzernabschlusses kann mit der allgemeinen 38 Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend gemacht werden. Klagebefugt sind die Mitglieder des Aufsichtsrats74 sowie der Vorstand und dessen Mitglieder, weil das Werk dieser Akteure in Rede steht. Aktionäre können dagegen eine solche Klage nicht erheben.75 Der Beschluss des Aufsichtsrats über die Billigung des Konzernabschlusses ist zwar ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Den Aktionären fehlt jedoch ein hinreichendes rechtliches Interesse an einer gerichtlichen Feststellung, ob der Beschluss gültig oder nichtig ist76 (vgl oben Rdn 24). 39 Der Jahresabschluss einer Muttergesellschaft ist auch nicht deshalb nichtig, weil eine gebotene Konzernrechnungslegung nicht stattgefunden hat77 oder fehlerhaft ist78 (vgl aber auch unten Rdn 190 sowie § 257 Rdn 9, betreffend Informationsmängel im Zusammenhang mit dem Verfahren der Jahresabschluss-Feststellung). Ebenso wenig kann die Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Tochtergesellschaft daraus hergeleitet werden, dass entgegen § 285 Nr 14 oder 14a HGB im Anhang nicht das Mutterunternehmen angegeben wurde, in dessen Konzernabschluss die Gesellschaft einbezogen ist,79 denn ein solcher Abschlussmangel erfüllt keinen der in § 256 abschließend aufgezählten Nichtigkeitsgründe. 40 § 256 gilt ebenfalls nicht für freiwillige Einzelabschlüsse nach den International Financial Reporting Standards / International Accounting Standards (IFRS/IAS).80 Solche IFRS-Einzelabschlüsse können nach § 325 Abs 2a und 2b HGB anstelle des regulären HGB-Jahresabschlusses offengelegt werden. Sie müssen dann ebenso wie der reguläre

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72 Ähnlich MünchKomm/Kropff2 § 172 AktG Rdn 87. 73 So zutreffend MünchKomm/J Koch4 Rdn 77. 74 OLG Frankfurt/M 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 74 re Sp; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 119. 75 OLG Frankfurt/M 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 73 ff, und zwar betreffend die dort begehrten Feststellungen, (a) dass der Konzernabschluss nichtig sei, (b) dass er kein richtiges Bild von der Lage des Konzerns vermittele, und (c) dass der Billigungsbeschluss des Aufsichtsrats nichtig sei (Revision nicht zugelassen durch BGH 14.1.2008 – II ZR 282/06, AG 2008, 325); zustimmend Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 32. Anders MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 118; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 7 Abs 2. 76 OLG Frankfurt/M 21.11.2006 – 5 U 115/05, ZIP 2007, 72, 74 f; offenbar auch BGH 14.1.2008 – II ZR 282/06, AG 2008, 325. Anders vom Ansatz her MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 118, die aber ebenfalls betonen, dass ein solches Interesse nur selten bestehen wird. 77 OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 434 re Sp; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 1; MünchKomm/J Koch4 Rdn 7; KK/A Arnold3 Rdn 12; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 8. 78 Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 1. 79 OLG Köln 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110, 113 li Sp. 80 KK/A Arnold3 Rdn 12; MünchKomm/J Koch4 Rdn 8; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 2, 20.

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Jahresabschluss und ein Konzernabschluss vom Vorstand aufgestellt, dem Aufsichtsrat vorgelegt und von diesem gebilligt werden (§§ 170 Abs 1 Satz 2, 171 Abs 4). Aber sie werden nicht förmlich festgestellt,81 und sie bilden vor allem nicht die Ausschüttungsbemessungsgrundlage für die Gesellschaft, sondern dienen nur der Information, so dass man sie im vorliegenden Zusammenhang ähnlich beurteilen muss wie den Konzernabschluss (Rdn 35 ff). Auch Zwischenabschlüsse, wie sie in bestimmten Kapitalmarktsegmenten geboten sind, fallen nicht unter § 256.82 Auch für Konzernabschlüsse und IFRS-Einzelabschlüsse gilt allerdings der Straftat- 40a bestand der Bilanzfälschung (§ 331 und hierzu unten Rdn 216). Bei unzulänglicher Rechnungslegung sind außerdem Entlastungsbeschlüsse anfechtbar (Rdn 214); das gilt ebenfalls nicht nur für den HGB-Einzelabschluss, sondern auch für einen Konzernabschluss und einen IFRS-Einzelabschluss. 5. Gang der Kommentierung. Im Folgenden werden zunächst die Gründe für die 41 Nichtigkeit des Jahresabschlusses erläutert (Teil II, Rdn 42 ff) und dann die Nichtigkeitsfolgen (Teil III, Rdn 207 ff). Die Darstellung der Nichtigkeitsgründe folgt nicht dem Aufbau des Gesetzes, wo alles durcheinandergeworfen ist,83 sondern unterscheidet entsprechend der sachlichen Systematik zwischen Inhaltsmängeln (Rdn 42 ff), Prüfungsmängeln (Rdn 132 ff) und Mängeln des Feststellungsverfahrens (Rdn 171 ff). Bei den Inhaltsmängeln wird zunächst der Verstoß gegen gläubigerschützende Vorschriften angesprochen, den auch das Gesetz an den Anfang stellt (Rdn 47 ff). Anschließend geht es um Verstöße gegen die Regeln über die Gliederung des Jahresabschlusses (Rdn 54 ff), die Verletzung von Bewertungsregeln (Rdn 71 ff) und die fehlerhafte Bildung oder Auflösung von Rücklagen (Rdn 110 ff). Auch diese Reihenfolge ergibt sich aus der Sachlogik. Erst wenn die vielen einzelnen Gehalte des Jahresabschlusses in Abschlussposten gegliedert und zusammengefasst sind, kann man über die Wertansätze für diese Posten sprechen und die Werte dann auf der Passivseite der Bilanz mit den Rücklagen in Beziehung setzen. II. Nichtigkeitsgründe 1. Inhaltsmängel a) Der subjektive Fehlerbegriff und die Rechtsnatur des Bilanzrechts aa) Zur Rechtsnatur des Bilanzrechts. Die Pflicht zur Rechnungslegung (§§ 238 ff, 41a 242 ff; 264 ff HGB) entspringt nach überlieferter Auffassung dem öffentlichen Recht84

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81 RegE BilReG, BT-Drucks 15/3419 v 24.6.2004, Anlage 1, Begründung zu Art 4 Nr 3 (betr § 171 AktG), S 54 li Sp. 82 KK/Zöllner1 Rdn 8; IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 44. 83 Vgl KK/Zöllner1 Rdn 10: „außerordentlich unsystematisch“. 84 Ausführlich hierzu und zum Folgenden Icking Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts – Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht, 2000, S 166 ff, 443 f; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 23 ff; W Müller in: FS Moxter, 1994, S 75, 78 ff; des Weiteren Adler/Düring/Schmaltz 6 § 242 HGB Rdn 1, 29; Staub/Pöschke5 § 242 HGB Rdn 2; Kropff in: FS Peltzer, 2001, S 219, 227; Weilinger Die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses im Handelsund Gesellschaftsrecht, 1997, Rdn 59–62, S 39 f. Anders, nämlich für eine rein privatrechtliche Natur der Rechnungslegungsregeln, Claussen in: FS Ulmer, 2003, S 801, 809 ff; Fleischer WM 2006, 2021 f; Merkt ZGR 2017, 460, 463 ff mwN.

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und soll das Funktionieren der Märkte als gesamtgesellschaftliche Einrichtungen gewährleisten.85 Für eine solche öffentlich-rechtliche Dimension spricht in der Tat, dass auch der Einzelkaufmann Rechnung legen muss, und dass die Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wie von einer Bilanz-Polizei kontrolliert werden kann (§§ 106 ff WpHG und hierzu unten Rdn 239 ff). Die Rechnungslegung hat aber nicht zuletzt auch eine privatrechtliche, gesellschaftsrechtliche Funktion.86 Das ist hinsichtlich der Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses offenkundig, gilt aber auch für die Informationsfunktion. Die Rechnungslegung ist insoweit ähnlich wie das Auskunftsrecht87 eine Ausprägung des Rechts der Anteilsinhaber, Rechenschaft über die Verwendung ihres im Unternehmen investierten Kapitals zu verlangen; das gehört zum Kern jeder Geschäftsbesorgung für andere (§ 666 BGB), gerade auch im Gesellschaftsrecht.88 Wenn man daneben der Rechnungslegung auch noch einen öffentlich-rechtlichen Charakter zuspricht, liegt die Besonderheit der privatrechtlichen Rechnungslegungspflicht in Kapitalgesellschaften darin, dass sich das Gesellschaftsrecht die Inhalte der öffentlich-rechtlichen Rechnungslegungsregeln zu Eigen macht und damit die öffentlichrechtliche Rechnungslegungspflicht zu einer privatrechtlichen Pflicht transformiert.89 42

bb) Subjektiver Fehlerbegriff und Wertaufhellungszeitraum. Handelsbilanzrechtlich ist ein Jahresabschluss nach überlieferter Auffassung nicht schon fehlerhaft, wenn sein Inhalt objektiv unrichtig ist, sondern nur dann, wenn der Bilanzierungspflichtige die Unrichtigkeit bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erkennen konnte, und zwar im Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses90 und, wie es bei Handelsgesellschaften überwiegend angenommen wird, auch noch im Zeitpunkt seiner Feststellung.91 Die Frage nach dem genauen Zeitpunkt ist umstritten

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85 Hopt ZHR 141 (1977), 389, 400 ff, insbes 403 f, 414 f; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 23 ff; Kleindiek ZGR 1998, 466, 471; zur Geschichte Geßler in: FS 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft, 1965, S 129, 131 ff. 86 Das bestreiten auch jene nicht, die sie primär dem öffentlichen Recht zuordnen; siehe statt vieler und ausführlich Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 29 ff; W Müller in: FS Moxter, 1994, S 75, 87 ff, 92 ff. 87 Vgl insoweit BGH 29.11.1982 – II ZR 88/81, BGHZ 86, 1, 19. 88 Kleindiek ZGR 1998, 466 ff; Weilinger Die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses im Handels- und Gesellschaftsrecht, 1997, Rdn 55 f, S 37; Claussen FS Ulmer, 2003, S 801, 814 f; Kronstein/Claussen/Biedenkopf AG 1964, 268. 89 Ausführlich Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 29 ff; mit gleichem Ansatz W Müller in: FS Moxter, 1994, S 75, 89, 94 f, 99. Zur Personengesellschaft Schön in: FS 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, 153, 170 ff, 175 f. 90 Umfassend Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, insbesondere S 66 ff; 71 ff, 237 f mwN; Küting/Kaiser WPg 2000, 577, 590 ff; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 129 ff. Speziell im Hinblick auf § 256 Rölike in Spindler/Stilz4 Rdn 66 (betr Bewertungsfehler); auch Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 49 und § 252 HGB Rdn 78 (in andere Richtung weisend allerdings § 256 Rdn 3); H-P Müller in: FS Budde, 1995, S 431, 432, 434; ders in: FS Quack, 1991, S 344, 354 ff. Grundsätzlich ablehnend gegenüber dem subjektiven Fehlerbegriff, und zwar gerade auch im Rahmen des § 256 dagegen Flume DB 1981, 2505 ff; KK/Zöllner1 Rdn 46, auch Rdn 16; BeckBil-Komm/Störk/Schellhorn12 § 264 HGB Rdn 40, 42; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 16; tendenziell auch Schulze-Osterloh (siehe Fn 91 aE). Differenzierend hinsichtlich der Enforcement-Prüfung von IAS/IFRS-Konzernabschlüssen durch die BaFin OLG Frankfurt 4.2.2019 – WpÜG 3/16, WpÜG 4/16, juris Rdn 211 = AG 2019, 687, 693 f (für Sachfragen dem subjektiven Fehlerbegriff zuneigend) und juris Rdn 103 ff = AG 2019, 687, 690 (objektiver Fehlerbegriff bei Auslegung von Rechtsnormen); mit gleicher Grundrichtung Schulze-Osterloh (wie Fn 91 aE). 91 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 14; IDW [Bericht über die] 232. Sitzung des HFA zu TOP 4 in: IDW Fachnachrichten 2013, 356, 358 f, 359, vgl

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und überschneidet sich mit der allgemeineren Frage, bis wann wertaufhellende Erkenntnisse in die Gestaltung des Jahresabschlusses einfließen müssen oder dürfen, also Erkenntnisse, die nach dem Abschlussstichtag eintreten und ein neues Licht auf die am Stichtag gegebenen Verhältnisse werfen. Manche wollen diesen Wertaufhellungszeitraum bei Einzelkaufleuten und auch bei Gesellschaften schon mit der Aufstellung des Jahresabschlusses enden lassen.92 Die meisten stellen dagegen bei Gesellschaften auf den späteren Zeitpunkt der Feststellung ab.93 Wieder andere gehen einen Mittelweg und halten in der Zeit zwischen der Aufstellung und der Feststellung des Jahresabschlusses die Geschäftsleiter zwar gesellschaftsrechtlich für verpflichtet, den Jahresabschluss im Lichte neuer Erkenntnisse zu ändern, aber wenn dies unterbleibt, soll der Abschluss deshalb bilanzrechtlich nicht fehlerhaft sein.94 Doch das kann hier einstweilen dahinstehen (vgl Rdn 45). Wichtig ist vielmehr der Ausgangsgedanke, nämlich der subjektive oder normativ-subjektive Fehlerbegriff. cc) Seitenblick auf das Steuerbilanzrecht. Der subjektive Fehlerbegriff stammt ur- 42a sprünglich aus dem Steuerbilanzrecht.95 Dort wurde er zunächst auf die Ermittlung von Sachverhalten angewendet (zB ob ein Vermögensgegenstand schadhaft und deshalb minderwertig ist), dann auch auf rechtliche Verhältnisse (zB ob ein Vertrag besteht, der Forderungen und Verbindlichkeiten hervorbringt) und schließlich sogar auf den Inhalt und die Auslegung des Rechts (zB ob eine Ausgabe ergebnismindernder Aufwand für die abgelaufene Rechnungsperiode ist oder vorgezogener Aufwand für die folgende Rechnungsperiode, der nach § 250 Abs 1 HGB durch einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten ausgeglichen werden muss).96 Im Jahre 2013 hat dann aber der Große Senat des BFH den subjektiven Fehlerbegriff im Steuerbilanzrecht verworfen, soweit es um die

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hierzu unten Fn 102; Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 281; Schön in: FG 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, S 153, 155 ff, 162; Hennrichs NZG 2013, 681 ff; Hüttemann in:FS Priester, 2007, 301, 331–334; Pöschke ZGR 2018, 647, 676 ff; W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 366 f, auch S 361, 362; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 34, 76–79; auch BGH 5.6.1989 – II ZR 172/88, DB 1989, 1863, 1864 re Sp (allerdings nur sehr beiläufig). Speziell im Hinblick auf § 256 MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 34; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 10 und 20 (betr Bewertungsfehler); Kropff in: FS Ludewig, 1996, 521, 527, 531; in der Sache und wiederum betr Bewertungsfehler auch MünchKomm/J Koch 4 Rdn 56 aE (der aber nicht von einem subjektiven Fehlerbegriff sprechen will). Dem subjektiven Fehlerbegriff zugetan sind des Weiteren V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 148; Schedlbauer DB 1992, 2097, 2098 f; ders DB 1993, 342 re Sp; Werner AG 1967, 122, 124 li Sp. Einschränkend (nur hinsichtlich des Sachverhalts, nicht für die Auslegung von Rechtsnormen) Schulze-Osterloh ZHR 179 (2015), 9, 12, 31 ff, 41 ff; SchulzeOsterloh BB 2013, 1131, 1332 f. 92 So die oben in Fn 90 und unten in Fn 95 Genannten sowie OLG Hamm 17.4.1991 – 8 U 173/90, AG 1992, 233, 234 li Sp; Küting/Kaiser WPg 2000, 577, 579 ff; H-P Müller in: FS Quack, 1991, S 344, 354; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 20. Ebenso die Formulierung in LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 61 re Sp (wertaufhellende Tatsachen müssen „bis zum Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses berücksichtigt werden“); so auch OLG Frankfurt 24.6.2009 – 23 U 90/07, AG 2009, 542, 547 li Sp („Kirch/Deutsche Bank“). Offener BGH 18.9.1996 – VIII ZR 238/95, NJW-RR 1997, 27, 28 (Wertaufhellungszeitraum endet mit „Erstellung der Bilanz“). 93 So die oben in Fn 91 Genannten sowie OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177, 2179 re Sp; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 21; Kropff in: FS Ludewig, 1996, S 521 ff, 529 ff; ders WPg 2000, 1137 ff; beiläufig auch BGH 5.6.1989 – II ZR 172/88, DB 1989, 1863, 1864 re Sp. 94 Adler/Düring/Schmaltz6 § 252 HGB Rdn 78; H-P Müller in: FS Quack, 1991, S 344, 355 f. 95 Grundlegend BFH 11.10.1960 – I 56/60 U, BFHE 72, 8, 10 f = BStBl III 1961, 3; ausführlich zum Ganzen Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 77 ff mwN. 96 Zur Entwicklung der Rechtsprechung siehe jeweils mit ausführlicher Dokumentation BFH 7.4.2010 – I R 77/08, Rdn 21, 26 ff, BStBl II 2010, 739, 741 ff = BFHE 228, 533 (Vorlagebeschluss) sowie die hieraufhin ergangene Entscheidung des Großen Senats BFH 31.1.2013 – GrS 1/10, Rdn 36 ff, BStBl II 2013, 317, 319 f = BFHE 240, 162.

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Auslegung von Rechtsnormen geht.97 Der BFH begründet dies steuerrechtlich und steuerverfassungsrechtlich98 mit dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG), der eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verlangt, und mit dem Rechtsstaatsgebot (Art 20 Abs 3 und Art 28 Abs 1 Satz 1 GG). Hiernach müssen Finanzverwaltung und Gerichte ihren Entscheidungen die objektiv richtige Rechtslage zugrunde legen und kann die Rechtsauffassung des Steuerpflichtigen nicht bindend sein, selbst wenn sie im Zeitpunkt der Bilanzierung vertretbar oder sogar herrschende Meinung war.99 Was es indessen mit der Ermittlung von Sachverhalten und mit den Fällen auf sich hat, in denen der Steuerpflichtige von unzutreffenden Tatsachen ausgeht, lässt das Gericht offen,100 und es sagt vor allem auch ausdrücklich nichts dazu, wie es sich im Handelsbilanzrecht verhält.101 dd) Subjektiver Fehlerbegriff und Abschlussnichtigkeit – tatsächliche Verhältnisse. Im Handelsbilanzrecht halten die meisten am subjektiven Fehlerbegriff fest.102 Das gilt auch für die gesellschaftsrechtliche Dimension der Rechnungslegung103 (Rdn 41a) und für die Beurteilung, ob ein Jahresabschluss nach § 256 wegen inhaltlicher Mängel nichtig ist.104 Dem kann man nur zustimmen, jedenfalls soweit es um die Ermittlung des Sachverhalts geht, über den Rechnung gelegt wird. Der subjektive Fehlerbegriff kann sich hier auf die Gesetzesregel des § 252 Abs 1 Nr 4 HGB stützen.105 Danach sind „alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind“. Das heißt im Umkehrschluss, dass solche Umstände nicht mehr zu berücksichtigen sind, wenn sie erst nach der Aufstellung (oder Feststellung, vgl Rdn 42, 45) bekannt werden. Für positive Umstände, die zu einem besseren Bild führen, muss insoweit dasselbe gelten; auch sie können und müssen nur berücksichtigt werden, wenn sie erkennbar sind.106 Das gilt auch für die Frage, ob ein Abschluss nach § 256 wegen inhaltlicher Mängel 44 nichtig ist. Der Jahresabschluss ist nicht nur vergangenheitsbezogen, sondern beruht in vielen seiner Gehalte auf einer Zukunftsprognose, denn die zum Stichtag abzubildenden Gegebenheiten und Geschäftsvorgänge lassen sich oft nur im Hinblick auf die voraus43

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97 BFH 31.1.2013 – GrS 1/10, Rdn 55 ff, BStBl II 2013, 317, 321 ff; das entsprach dem Vorlagebeschluss BFH 7.4.2010 – I R 77/08, Rdn 41 ff, BStBl 2010, 739, 744 ff. 98 Das betonen auch Hennrichs NZG 2013, 681, 683 f, 686 li Sp sowie Schulze-Osterloh ZHR 179 (2015), 9, 23. 99 BFH 31.1.2013 – GrS 1/10, Rdn 61 ff, BStBl II 2013, 317, 322. 100 BFH 31.1.2013 – GrS 1/10, Rdn 78, BStBl II 2013, 317, 324 li Sp. Der Vorlagebeschluss BFH 7.4.2010 – I R 77/08, Rdn 44, BStBl II 2010, 739, 744 re Sp spricht sich insoweit sogar ausdrücklich für den subjektiven Fehlerbegriff aus. 101 BFH 31.1.2013 – GrS 1/10, Rdn 60, 67 und 75, BStBl II 2013, 317, 322 li Sp und 323. 102 Siehe die oben in Fn 90 f Genannten und namentlich IDW [Bericht über die] 232. Sitzung des (HFA) in: IDW Fachnachrichten 2013, 356, 358 f, auf der zu TOP 4 vor dem Hintergrund der oben in Fn 97 genannten BFH-Entscheidung am subjektiven Fehlerbegriff festgehalten wird. 103 Grundlegend Schön in: FS 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, 153, 159 ff. 104 Schön in: FS 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, 153, 162, 165, 175 f; W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 367 Fn 14; Küting/Kaiser WPg 2000, 577, 595 re Sp. Ebenso die in Fn 90 Satz 2 und Fn 91 Satz 2 Genannten. Anders Flume DB 1981, 2505 re Sp, auch 2507 li Sp; KK/Zöllner1 Rdn 46, auch Rdn 16; BeckBil-Komm/ Störk/Schellhorn12 § 264 HGB Rdn 40, 42; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 16; hierauf hinauslaufend auch die in Fn 90 Satz 3 genannten Grundsatzkritiker des subjektiven Fehlerbegriffs. 105 Das betont auch Schulze-Osterloh ZHR 179 (2015), 9, 12, 41 ff, sowie Schulze-Osterloh BB 2013, 1131, 1332 f, der im Übrigen den subjektiven Fehlerbegriff im Handelsbilanzrecht ablehnt. 106 Adler/Düring/Schmaltz 6 § 252 HGB Rdn 42; Kropff in: FS Ludewig, 1996, S 521, 532 f; Störk in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel F Rdn 94; auch Schulze-Osterloh ZHR 179 (2015), 9, 12, 42.

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sichtliche weitere Entwicklung beurteilen. Würde man die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Abschlusses daran messen, ob sich die Prognosen später bewahrheiten, wäre eine zeitnahe Rechnungslegung gar nicht möglich. Der Jahresabschluss ist wie eine Momentaufnahme. Deren Richtigkeit lässt sich nur danach beurteilen, ob sie so beschaffen ist, wie sie im Moment der Aufnahme beschaffen sein soll und sinnvollerweise beschaffen sein kann.107 Gerade auch für die Bestandsfestigkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses kommt es daher auf die Erkenntnismöglichkeiten in demjenigen Zeitpunkt an, in dem der Abschluss ins Werk gesetzt wird. Wenn der Abschluss den damals pflichtgemäß gebotenen Kenntnisstand widerspiegelt, entspricht er den Anforderungen des Rechts und ist daher bilanzrechtlich nicht fehlerhaft, selbst wenn sich später herausstellt, dass die Verhältnisse am Bilanzstichtag in Wahrheit anders waren. Ein Jahresabschluss ist vielmehr nur dann wegen inhaltlicher Mängel nichtig, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter den Mangel erkennen konnte. ee) Subjektiver Fehlerbegriff und Abschlussnichtigkeit – Auslegung von 44a Rechtsnormen. Für die Beurteilung von Rechtsfragen durch die Bilanzierungspflichtigen und speziell für die Auslegung von Gesetzen ist die Antwort weniger leicht.108 Es geht hier vor allem darum, ob eine Änderung der Rechtsprechung oder der vorwaltenden Rechtsauffassung auf die Gültigkeit vergangener Jahresabschlüsse durchschlägt. Normalerweise sind Privatrechtssubjekte nicht dagegen geschützt, dass sich die rechtliche Bewertung ihres Tuns später ändert.109 Insbesondere wirkt eine Änderung der Rechtsprechung grundsätzlich auf die Beurteilung vorher entstandener Rechtsverhältnisse und früherer Rechtshandlungen zurück. Eine solche Rückwirkung findet jedoch ausnahmsweise nicht statt, wenn die Akteure auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen durften und die Anwendung der geänderten Rechtsprechung für sie auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Gegenpartei eine unzumutbare Härte bedeuten würde.110 Nicht zuletzt für die Beurteilung, ob ein Rechtsgeschäft nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig ist, kann der Vertrauensschutz eine Einschränkung der Nichtigkeit gebieten, wenn die Rechtsprechung eine Verbotsnorm auf bisher nicht erfasste Geschäfte ausdehnt.111 Auch für die Rechnungslegung kann ein solcher Vertrauens- und Bestandsschutz 44b geboten sein112 und speziell für die Geltung eines festgestellten Jahresabschlusses, weil die Rechtssicherheit und der Verkehrsschutz hier besonders wichtig sind. Wenn zum Beispiel morgen der Bundesgerichtshof entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung entscheiden würde, dass Dividendenansprüche gegen Tochtergesellschaften erst im Jahr der Ausschüttung aktiviert werden dürfen und nicht wie nach bisheriger Rechtspre-

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107 Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 66 ff, 71 ff; Küting/Ranker WPg 2005, 1 ff. 108 Gerade auch insoweit am subjektiven Fehlerbegriff festhaltend MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 76; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 66; Hennrichs NZG 2013, 681, 686; Pöschke WPg 2019, 872, 874 ff; B Schneider ZIP 2020, 400, 403 ff; IDW [Bericht über die] 232. Sitzung des HFA in: IDW Fachnachrichten 2013, 356, 359; ebenso früher schon Schön in: FS 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, 153, 156. Anders SchulzeOsterloh ZHR 179 (2015), 9, 31 ff und Schulze-Osterloh BB 2013, 1131, 1331 f sowie im Hinblick auf die Enforcement-Prüfung von IAS/IFRS-Konzernabschlüssen durch die BaFin OLG Frankfurt 4.2.2019 – WpÜG 3/16, WpÜG 4/16, juris Rdn 108 ff = AG 2019, 687, 690 f. 109 Schulze-Osterloh ZHR 179 (2015), 9, 14 f. 110 So mwN die treffende Formulierung von Palandt/Grüneberg78 Einl v § 241 BGB Rdn 15, vgl auch § 306 BGB Rdn 10. Ausführlich zum Ganzen Klappstein Die Rechtsprechungsänderung mit Wirkung für die Zukunft, 2009. 111 Das ist im Wesentlichen abgeschrieben von Palandt/Ellenberger78 § 134 Rdn 12a. 112 Schulze-Osterloh ZHR 179 (2015), 9, 15 ff.

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chung schon zum Endes des Jahres, für das die Ausschüttung erfolgt (vgl Rdn 102), wäre es kaum vorstellbar, dass deshalb all die tausenden von Jahresabschlüssen, die der früheren Rechtsprechung gefolgt sind, wegen Überbewertung von Bilanzposten nichtig sein sollten. Auf der anderen Seite geht es aber auch nicht an, einem Jahresabschluss schon deshalb Fehlerfreiheit und Bestandsfestigkeit zuzusprechen, weil seine Ersteller sich von einer irgendwie vertretbaren Rechtsauffassung haben leiten lassen,113 sonst könnten sich die Bilanzierungspflichtigen von ihren Rechtsberatern und Wirtschaftsprüfern jeweils ihr ganz persönliches Bilanzrecht schreiben lassen. Wo der richtige Mittelweg verläuft ist weitgehend einzelfallabhängig und kann vorliegend nicht untersucht werden. Die Frage ist im Handelsbilanzrecht auch nicht so wichtig wie im Bilanzsteuerrecht, weil es hier viel weniger Rechtsprechungs- und Meinungsumschwünge gibt. 45

ff) Zum maßgebenden Zeitpunkt. Ob es bei alledem auf den Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses oder auf die anschließende Feststellung ankommt, oder ob vielleicht beide Zeitpunkte bedeutsam sind, ist nicht abschließend geklärt (Rdn 42) und muss hier ebenfalls nicht näher untersucht werden. Denn das Streitfeld ist nicht breit, und diesseits und jenseits davon gibt es festen Boden. Wertaufhellungen zwischen dem Abschlussstichtag und der Aufstellung des Jahresabschlusses müssen berücksichtigt werden, sonst ist der Abschluss fehlerhaft, und wenn der Fehler einen Nichtigkeitstatbestand des § 256 erfüllt, kann der Abschluss nicht wirksam festgestellt werden und ist nichtig, falls die Feststellung gleichwohl beschlossen wird. Auf der anderen Seite können jedenfalls Wertaufhellungen nach der Feststellung des Jahresabschlusses nicht mehr zur Nichtigkeit des Abschlusses führen.

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gg) Allgemeine bilanzrechtliche Gestaltungsspielräume. Im Rechnungswesen gibt es darüber hinaus Wahlrechte sowie Beurteilungsspielräume und Möglichkeiten der bilanzpolitischen Sachverhaltsgestaltung, die den Unternehmensleitern einen Handlungsfreiraum nach Maßgabe der Business Judgment Rule eröffnen. Soweit die Grenzen dieses Freiraums eingehalten sind, handeln die Unternehmensleiter nicht pflichtwidrig (§ 93 Abs 1 Satz 2).114 Auch das Ergebnis ihres Tuns, nämlich der Jahresabschluss, ist dann normgemäß115 und kann daher nicht wegen Normverstößen nichtig sein (vgl auch unten Rdn 80 zu den Bewertungsregeln). b) Verletzung gläubigerschützender Vorschriften

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aa) Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung. Ein festgestellter Jahresabschluss ist nach § 256 Abs 1 Nr 1 vor allem dann nichtig, „wenn er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft gegeben sind.“ Das ist das Kernstück und der geschichtliche Ursprung des § 256 (Rdn 6) und immer noch Hauptzweck der Norm.116 (Rdn 71, 82, auch Rdn 19). Der Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht ist ein Gegengewicht zur Haftungsbeschränkung der Gesellschafter und Aktionäre117 und wird insbesondere durch die Ausschüttungs-

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113 Dass dies nicht genügt, betont auch Pöschke WPg 2019, 872, 874 re Sp, 877 re Sp. 114 Pöschke ZGR 2018, 647 ff; W Müller Liber amicorum Happ, 2006, 179 ff. 115 Pöschke ZGR 2018, 647, 675 ff. 116 Ebenso Icking Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts – Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht, 2000, S 233 f; KK/A Arnold3 Rdn 8. 117 T Bezzenberger Das Kapital der Aktiengesellschaft – Kapitalerhaltung, Vermögensbindung, Konzernrecht, 2005, S 72 ff [jetzt auch als Online-Ressource frei im Internet verfügbar].

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schranken der Kapitalerhaltung gewährleistet. Auf der Passivseite der Bilanz sind bestimmte Eigenkapitalposten anzusetzen, in deren Höhe auf der Aktivseite verzeichnetes Gesellschaftsvermögen gegen eine Ausschüttung an die Aktionäre gesperrt ist. Zu diesen Posten gebundenen Eigenkapitals gehören zum einen das Grundkapital als gezeichnetes Kapital und zum anderen die gebundenen Rücklagen, zu denen namentlich die Kapitalrücklage in ihren wesentlichen Bestandteilen zählt (§ 150 AktG, § 272 Abs 2 HGB; näher unten Rdn 112, 118, 121, 124). Nur wenn und soweit das bilanzielle Eigenkapital der Gesellschaft insgesamt größer ist als diese Posten gebundenen Eigenkapitals, darf Gesellschaftsvermögen als Bilanzgewinn ausgewiesen und in Form von Dividenden an die Aktionäre verteilt werden (§§ 57 f AktG).118 Das ist der Grundriss des Gläubigerschutzes durch Kapitalerhaltung im Aktienrecht, auf den sich § 256 bezieht. bb) Zum Begriff der Vorschriften. „Vorschriften“, deren Verletzung den Jahresab- 48 schluss nach § 256 Abs 1 Nr 1 nichtig machen kann, können Gesetze, Rechtsverordnungen119 und (im vorliegenden Zusammenhang eher theoretisch) autonome Satzungen öffentlicher Körperschaften und Anstalten sein,120 nicht hingegen Satzungsregeln der einzelnen Gesellschaft.121 Das zeigt ein vergleichender Blick auf § 256 Abs 1 Nr 4 (betreffend Gliederungsverstöße), wo Satzungsbestimmungen mit angesprochen sind. Es muss sich nicht um geschriebenes Recht handeln; auch ein Verstoß gegen übergeordnete Rechtsgrundsätze oder Gewohnheitsrecht kann die Nichtigkeit begründen122 oder ein Verstoß gegen Gehalte richterlicher Rechtsfortbildung. Normative Bedeutung und im Rahmen des § 256 Gesetzesrang haben auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB).123 Die meisten von ihnen sind heute ohnehin gesetzlich kodifiziert, und im Übrigen werden die GoB von den bilanzgesetzlichen Generalklauseln der §§ 238 Abs 1 Satz 1, 243 Abs 1 und 264 Abs 2 Satz 1 HGB ausdrücklich in Bezug genommen und so mit Gesetzeskraft aufgeladen. Manche Gesetzesbestimmungen aus neuerer Zeit sprechen daher von „den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ (§ 342b Abs 2 Satz 1 HGB und § 106 WpHG). cc) Überwiegen des Gläubigerschutz-Zwecks. Die betroffenen Vorschriften müs- 49 sen nach § 256 Abs 1 Nr 1 „ausschließlich oder überwiegend“ zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft gegeben sein. Hierfür soll es nach überlieferter Auffassung genügen, dass die Vorschrift wesentliche Bedeutung für den Gläubigerschutz hat.124 Es soll dabei nicht auf das Gewichts- und Bedeutungsverhältnis der Gläubigerinteressen zu den ande-

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118 T Bezzenberger Das Kapital der Aktiengesellschaft – Kapitalerhaltung, Vermögensbindung, Konzernrecht, 2005, S 16 ff [auch als Online-Ressource frei im Internet verfügbar]. 119 MünchKomm/J Koch4 Rdn 15; KK/A Arnold3 Rdn 21. 120 KK/Zöllner1 § 241 Rdn 102. 121 Spindler/Stilz/Rölike 4 Rdn 21; MünchKomm/J Koch4 Rdn 12; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 6; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 9; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 24; KK/A Arnold3 Rdn 21. Anders KK/Zöllner1 Rdn 24. 122 KK/Zöllner1 § 241 Rdn 102. 123 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 117; MünchKomm/J Koch4 Rdn 12; KK/A Arnold3 Rdn 21; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 12; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 24; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 6; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 7; H-P Müller in: FS Budde, 1995, S 431, 443, auch 439. 124 Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, 1963, S 378; KK/Zöllner1 § 241 Rdn 104, auch § 256 Rdn 18; KK/A Arnold3 Rdn 22; MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 241 Rdn 55; MünchKomm/J Koch4 Rdn 4 aE, 11; Hüffer/Koch14 § 241 Rdn 18, auch § 256 Rdn 7; J Koch ZHR 182 (2018), 378, 391; Spindler/Stilz/Rölike4 22. Im gleichen Sinne Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 343; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 5.

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ren geschützten Interessen ankommen,125 sondern auf die absolute Bedeutung des mit der jeweiligen Gesetzesregel bezweckten Gläubigerschutzes.126 Das ist jedoch mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren und würde den Nichtigkeitsgrund des § 256 Abs 1 Nr 1 uferlos ausweiten. In dieser Bestimmung geht es vielmehr um die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses und um den Gläubigerschutz im spezifisch aktienrechtlichen Sinn, nämlich den Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung (vgl Rdn 19, 47, 82). Dieser gibt den Gläubigerinteressen Vorrang vor den Ausschüttungsinteressen der Aktionäre. Im selben Sinne sind auch die Worte vom ausschließlichen oder überwiegenden Schutz der Gesellschaftsgläubiger in § 256 Abs 1 Nr 1 gemeint. Es muss sich um einen Verstoß gegen Normen handeln, die den geschützten Gläubigerinteressen größere Bedeutung beimessen als gegenläufigen Interessen, so dass nach dem Normzweck die Gläubigerinteressen Vorrang haben und die anderen Interessen dahinter zurückstehen müssen. Nur solche Gesetzesbestimmungen dienen „überwiegend“ dem Gläubigerschutz. Keine gläubigerschützenden Vorschriften im Sinne des § 256 sind daher die vielen 50 bilanzrechtlichen Bestimmungen, die in erster Linie die Informationsfunktion des Jahresabschlusses betreffen. Denn diese Funktion dient nicht spezifisch und überwiegend den Gesellschaftsgläubigern, sondern allen Abschlussadressaten und sogar in erster Linie den Interessen der gegenwärtigen und künftigen Aktionäre. Diese haben nämlich als Eigenkapitalgeber im Unterschied zu den Gesellschaftsgläubigern keine betragsmäßig festgesetzten Ansprüche gegen die Gesellschaft, sondern bekommen dasjenige, was übrig bleibt, und nehmen damit ein besonderes Risiko auf sich. Sie haben deshalb Mitentscheidungsrechte in der Gesellschaft und sind hierfür auf Information besonders angewiesen. Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Verstoßes gegen den Gläubigerschutz lässt sich deshalb entgegen verbreiteter Ansicht namentlich nicht damit begründen, dass der Abschluss entgegen § 264 Abs 2 HGB kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Lage der Gesellschaft vermittelt.127 51

dd) Inhaltlicher Verstoß. Der Jahresabschluss muss die gläubigerschützenden Vorschriften „durch seinen Inhalt“ verletzen. Es kommt also auf den Abschluss für sich genommen an, so wie er als Zahlen- und Wortbericht vorliegt, und nicht auf die Art und Weise seines Zustandekommens oder auf die Motive und Zwecke, von denen sich die Gesellschaftsorgane bei der Feststellung haben leiten lassen128 (näher unten Rdn 80 im Zusammenhang mit Bewertungsverstößen).

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ee) Hinreichendes Gewicht des Abschlussmangels. Unbedeutende Abschlussmängel bleiben im Rahmen des § 256 Abs 1 Nr 1 außer Betracht und führen nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.129 Einzelheiten sind unten im Zusammenhang mit

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125 MünchKomm/J Koch4 Rdn 11 („ ... dass der Gläubigerschutz den Aktionärsschutz nicht überwiegen muss ...“); KK/A Arnold3 Rdn 22. 126 KK/Zöllner1 § 241 Rdn 104, auch § 256 Rdn 18; ders Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, 1963, S 378. Zustimmend hierauf verweisend MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 241 Rdn 55. Im selben Sinne MünchKomm/J Koch4 Rdn 11, auch Rdn 4 aE. 127 So aber Staub/Hüttemann/Meyer5 § 264 Rdn 59; BeckBil-Komm/ Störk/Schellhorn12 § 264 HGB Rdn 58 (allerdings nicht ganz im Einklang mit § 264 Rdn 56 a Anf); im Ergebnis auch MünchKomm-HGB/Reiner3 § 264 Rdn 88 f. Eher wie hier dagegen Adler/Düring/Schmaltz 6 § 264 HGB Rdn 137 f. 128 KK/Zöllner1 Rdn 15 f, § 241 Rdn 100. 129 KK/A Arnold3 Rdn 24 und auch schon KK/Zöllner1 Rdn 25; Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 364 f; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 24. Weitergehend Hüffer/Koch14 Rdn 7 und MünchKomm/J Koch4 Rdn 15 (Abschlussnichtigkeit nach § 256 Abs 1 Nr 1 nur bei Verstößen, welche die Darstellung der Lage der

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der Überbewertung von Bilanzposten (§ 256 Abs 5 Nr 1) dargestellt (Rdn 85 ff) und auch bei den Rücklagemängeln angesprochen (Rdn 113). ff) Systematischer Standort der Vorschrift im Gesetz. Wenn Jahresabschlüsse in- 53 haltlich gegen Gläubigerschutzregeln verstoßen, so fällt das meistens unter die besonderen Nichtigkeitstatbestände des § 256 Abs 5 Nr 1 (Überbewertung)130 oder des § 256 Abs 1 Nr 4 (fehlerhafte Bildung und Auflösung von Rücklagen). Dies sind für die dort geregelten Materien Spezialvorschriften im Verhältnis zum Gläubigerschutz nach § 256 Abs 1 Nr 1 (streitig, siehe unten Rdn 72 zur Überbewertung und Rdn 113 zu den Rücklageregeln). Der Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs 1 Nr 1 ist insoweit nur eine Auffangregel.131 Darüber hinaus ist dieser Tatbestand aber auch eine Art Präambel und Programmsatz zu den nachfolgenden Einzelbestimmungen und in dieser Funktion für die Auslegung des § 256 insgesamt wichtig.132 Der Gläubigerschutz ist der Hauptzweck des § 256 (Rdn 47, 71, 82, auch Rdn 6, 19), und die speziellen Nichtigkeitsgründe des § 256 sind daher namentlich im Lichte des Gläubigerschutzes auszulegen. Je mehr eine verletzte Norm die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses betrifft und dem Schutz der Gläubiger dient, umso eher führt der Verstoß zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses (vgl Rdn 112 ff zu den Rücklagen). Wo dagegen nicht spezifisch der Gläubigerschutz in Rede steht, sondern die allgemeine Informationsfunktion des Jahresabschlusses muss man mit der Nichtigkeitssanktion große Zurückhaltung üben (vgl Rdn 21, 26, 68, 88a, 94 ff, 116). c) Wesentliche Gliederungsmängel (Abs 4) aa) Gesetzessystematik und Schutzzweck. Ein Jahresabschluss ist nach § 256 54 Abs 4 nichtig, wenn er gegen die Vorschriften über die Gliederung des Abschlusses verstößt und dadurch seine Klarheit und Übersichtlichkeit wesentlich beeinträchtigt sind. Der gesetzessystematische Standort dieser Bestimmung und namentlich ihr Verhältnis zur Gläubigerschutz-Regel des § 256 Abs 1 Nr 1 wird meistens nicht richtig gesehen. Nach der letzteren Regel, die ursprünglich aus dem Aktiengesetz von 1937 stammt (Rdn 7), ist ein Jahresabschluss nichtig, „wenn er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft“ oder, wie das Gesetz bis 1990 hinzugefügt hatte, „sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind“ (Rdn 10, 14). Da mehr oder weniger die ganze Rechnungslegung einen Bezug zum öffentlichen Interesse hat (vgl Rdn 41a), hätte dieser Nichtigkeitstatbestand in seiner ursprünglichen weiten Fassung ausufern können. Dem wollte der Gesetzgeber des AktG 1965 entgegenwirken und hat deshalb die besonders wichtigen Bereiche der Gliederungs- und Bewertungsverstöße in § 256 Abs 4 und 5 gesondert und abschließend geregelt. Damals waren diese neu hinzugefügten Bestimmungen nicht als eigenständige Gründe für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses gemeint, sondern als Einschränkungen der Regel des § 256 Abs 1 Nr 1 über den Schutz der Gläubiger und der öffentlichen Interessen (Rdn 13). Rechtsprechung und Literatur sind dem bis heute gefolgt. Die Absätze 4

_____ Gesellschaft wesentlich beeinträchtigen). Anders Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 12 (bei Verstoß gegen Gläubigerschutz immer Nichtigkeit). 130 V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147 Fn 4. 131 Anders K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 5, wonach ein zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führender Verstoß gegen den Gläubigerschutz überhaupt nur in den Fällen des § 256 Abs 4 (Gliederungsverstoß) und Abs 5 (Bewertungsverstoß) vorliegen könne. 132 Ebenso KK/Zöllner1 Rdn 27.

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und 5, so heißt es, seien Interpretationsnormen mit Begrenzungsfunktion im Hinblick auf Abs 1 Nr 1.133 In diese Richtung weist in der Tat der Wortlaut der § 256 Abs 2 und 3, wonach „ein … festgestellter Jahresabschluss … außer nach Absatz 1 nur nichtig“ ist, wenn die Feststellung verfahrensfehlerhaft war. Diese Worte des Gesetzes sind von der Vorstellung getragen, dass sämtliche Inhaltsmängel als Nichtigkeitsgründe in § 256 Abs 1 verankert sind.134 55 Dieses überlieferte Verständnis ist jedoch nicht mehr haltbar, seit das Bankbilanzrichtlinie-Gesetz von 1990 die Worte von den im öffentlichen Interesse gegebenen Vorschriften aus dem Nichtigkeitstatbestand des § 265 Abs 1 Nr 1 gestrichen hat (vgl Rdn 14), so dass dort nur noch von einer Verletzung von Vorschriften die Rede ist, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft gegeben sind. Damit hat sich das Verhältnis zwischen der Nichtigkeitssanktion bei Gliederungsmängeln nach § 256 Abs 4 und der Gläubigerschutzbestimmung in § 256 Abs 1 Nr 1 verschoben. Die bilanzrechtlichen Regeln über die Gliederung des Jahresabschlusses, auf die sich § 256 Abs 4 bezieht, waren und sind zwar im öffentlichen Interesse gegeben, aber sie dienen nicht spezifisch und überwiegend (vgl Rdn 49) dem Gläubigerschutz.135 In § 256 Abs 4 und den dort in Bezug genommenen Gliederungsregeln geht es vielmehr in erster Line um die Informationsfunktion des Jahresabschlusses,136 was sich schon daran zeigt, dass „seine Klarheit und Übersichtlichkeit … beeinträchtigt“ sein müssen, um die Nichtigkeit herbeizuführen (näher Rdn 68 f). Die Informationsfunktion des Jahresabschlusses dient nicht überwiegend dem Gläubigerschutz, sondern allen Abschlussadressaten und vor allem den Aktionären (Rdn 50). Man muss daher die Gesetzesregel über die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bei Gliederungsverstößen (§ 256 Abs 4) heute als einen eigenständigen, von Abs 1 Nr 1 abgekoppelten Nichtigkeitsgrund verstehen, der aus sich heraus gilt. Auch hierfür bietet der Gesetzeswortlaut eine Grundlage, nämlich in § 256 Abs 6 Satz 1, wo es heißt, „die Nichtigkeit nach Absatz 1 Nr 1, 3 und 4 …, Absatz 4 und 5“ kann nach Ablauf bestimmter Heilungsfristen nicht mehr geltend gemacht werden. Das Gesetz spricht hier die Absätze 4 und 5 als eigenständige Nichtigkeitsgründe gesondert neben Absatz 1 Nr 1 an. 56

bb) Einschlägige Gliederungsvorschriften. Zu den Gliederungsvorschriften, deren Verletzung den Jahresabschluss nach § 256 Abs 4 nichtig machen kann, gehören zu-

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133 Aus früherer Zeit BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 117 f (betr einen Abschluss für das Jahr 1989); KK/Zöllner1 Rdn 13 f, auch Rdn 39; Geßler/Hefermehl/Hüffer1 Rdn 4, 78; Geßler in: FS Goerdeler, 1987, S. 127, 135 f, 137, 140, 147; Sünner AG 1984, 16, 18 re Sp; vgl auch BGH 3.11.1975 – II ZR 67/73, BGHZ 65, 230 (wo § 256 Abs 1 Nr 1 in einem Fall möglicher Überbewertung als Prüfungsmaßstab herangezogen wird); BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 380, 384 (betr GmbH) sowie BGH 21.7.1994 – II ZR 82/93, ZIP 1994, 1259 und BGH 23.9.1991 – II ZR 189/90, AG 1992, 58, 59 re Sp (wo eine mögliche Unterbewertung an § 256 Abs 1 Nr 1 gemessen wird); LG Mainz 16.10.1990 – 10 HO 57/89, DB 1990, 2361 (wo als Prüfungsmaßstab für einen möglichen Gliederungsverstoß „§ 256 Abs 1 Nr 1 und Abs 4“ herangezogen werden). Aus neuerer Zeit Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 23, 62, auch Rdn 7, 56; MünchKomm/J Koch4 Rdn 4, 50, 55; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 5; Habersack NZG 2003, 659, 661 li Sp; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 344; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 24; ders ZIP 2008, 2241, 2242 li Sp; Hüffer/Koch14 Rdn 6; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147 li Sp; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 218 (betr § 256 Abs 5); J-H Weilep Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, 2011, S 73 f. Der Sache nach ebenso Geist DStR 1996, 306 li Sp. Teilweise anders Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 299 sowie Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 36 (Abs 4 und 5 als Spezialnorm zu Abs 1 Nr 1). Offen lassend KK/A Arnold3 Rdn 60, 65. 134 Ebenso KK/Zöllner1 Rdn 13. 135 Anders KK/Zöllner1 Rdn 33; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 56; mit der gleichen traditionellen Grundausrichtung MünchKomm/J Koch4 Rdn 4 aE, der aber einräumt, dass es hier Probleme gibt. 136 Ebenso S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 143.

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nächst die Regeln über die Grobgliederung des Jahresabschlusses, also seine Einteilung in die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 HGB), den Anhang (§ 264 Abs 1 Satz 1 HGB) sowie gegebenenfalls noch eine Kapitalflussrechnung, einen Eigenkapitalspiegel und eine freiwillige Segmentberichterstattung (vgl Rdn 30, 62). Gliederungsverstöße nach § 256 Abs 4 können sich aber auch und vor allem auf die Regeln über die Feingliederung des Jahresabschlusses beziehen, die Gliederung seiner einzelnen Bestandteile. Diese Regeln sind sehr zahlreich und ergeben ein Raster für den Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs 4, weshalb sie hier noch einmal aufgelistet sind: Der Allgemeine Teil des Bilanzrechts enthält eine Reihe von Grundsätzen und An- 57 satzvorschriften, die zugleich Gliederungsfunktion haben, und deren Verletzung deshalb den Jahresabschluss nach § 256 Abs 4 nichtig machen kann. Dazu gehören vor allem:137 – Das allgemeine und grundsätzliche Gebot der Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses (§ 243 Abs 2 HGB), – das Verrechnungsverbot (§ 246 Abs 2 Satz 1 HGB) und die Ausnahmen hiervon, – die Vorgaben zu den Hauptposten der Bilanz (§ 247 HGB), – die Bestimmungen über Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz (§ 250 HGB). Speziell für Kapitalgesellschaften enthält das Bilanzrecht in den §§ 264 ff HGB 58 weitere und eingehendere Gliederungsvorschriften, deren Verletzung ebenfalls nach § 256 Abs 4 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen kann. Hierzu gehören vor allem:138 – Die allgemeinen Grundsätze für die Gliederung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 265 HGB), – das gesetzliche Gliederungsraster für die Bilanz (§ 266 HGB), – die Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz und über Bilanzvermerke (§ 268 Abs 1–7 HGB), – die Regeln über den Ausweis der verschiedenen Posten des Eigenkapitals (§ 272 HGB), – die Regeln über den Ausweis passiver und aktiver latenter Steuern (§ 274 HGB), – das gesetzliche Gliederungsraster für die Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 HGB) sowie – die Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 277 HGB). Der allgemeine Grundsatz, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Ver- 59 hältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln muss (§ 264 Abs 2 Satz 1 HGB), ist zwar keine Gliederungsregel, bildet aber einen wichtigen Orientierungspunkt für die Auslegung der Gliederungsregeln und des § 256 Abs 4 AktG, weil die Informationsfunktion des Jahresabschlusses, um die es in diesen Bestimmungen geht (Rdn 21, 26, 55, 68), ihre Ausrichtung wesentlich durch den Grundsatz des § 264 Abs 2 Satz 1 HGB erhält. Auch im AktG finden sich Bestimmungen über die Gliederung des Jahresabschlus- 60 ses, die im Hinblick auf § 256 bedeutsam sind. Diese betreffen vor allem:139 – Den gesonderten Ausweis einer gesetzlichen Gewinnrücklage (§ 150 Abs 1), – den Ausweis des Grundkapitals als gezeichnetes Kapital in der Bilanz und gegebenenfalls dessen Zuordnung zu verschiedenen Arten von Aktien sowie Angaben zu einem bedingten Kapital (§ 152 Abs 1),

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137 Aufzählung in Anlehnung an Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 35; ähnlich MünchKomm/J Koch4 Rdn 51. 138 Wiederum in Anlehnung an Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 35 und MünchKomm/J Koch4 Rdn 51. 139 Auch dies in Anlehnung an Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 35 und MünchKomm/J Koch4 Rdn 52; erstere allerdings ohne Hinweis auf § 150 Abs 1.

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die Verpflichtung zu Angaben in der Bilanz oder im Anhang über Einstellungen in Kapital- und Gewinnrücklagen sowie über Entnahmen aus solchen Rücklagen (§ 152 Abs 2–3), die aktienrechtliche Zusatzrechnung zur Gewinn- und Verlustrechnung (§ 158), den Ausweis von Beträgen, die aus einer Kapitalherabsetzung gewonnen werden (§ 240), den Ausweis des Ertrags auf Grund höherer Bewertung nach einer Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung (§ 261 Abs 1) sowie die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter in der KGaA (§ 286 Abs 2– 3).

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Für kleine und zum Teil auch für mittelgroße Aktiengesellschaften gelten eine Reihe von Erleichterungen, vor allem was die Gliederungstiefe der Bilanz und der Gewinnund Verlustrechnung sowie die Erläuterungen im Anhang betrifft (§§ 266 Abs 1 Satz 3, 274a, 276, 288 HGB). Außerdem werden nicht börsennotierte140 Tochter-Aktiengesellschaften, die in den Konzernabschluss ihres Mutterunternehmens einbezogen sind, unter bestimmten Voraussetzungen von den bilanzrechtlichen Sonderregeln für Kapitalgesellschaften ganz freigestellt (§ 264 Abs 3 HGB), so dass es für sie mit dem allgemeinen Teil des Bilanzrechts bewendet (§§ 238–263 HGB). Auch hier entfalten aber die gesetzlichen Gliederungsraster für die Bilanz (§ 266 HGB) und für die Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 HGB) eine Ausstrahlungswirkung, weil sie zum Teil allgemeine Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung widerspiegeln. Das kann auch im Rahmen des § 256 Abs 4 ins Gewicht fallen.141

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cc) Verstöße gegen die Grobgliederung des Jahresabschlusses. Um einen Gliederungsverstoß, der den Jahresabschluss nach § 256 Abs 4 nichtig machen kann, handelt es sich allemal, wenn der Abschluss gegen die gesetzlich gebotene Grobgliederung verstößt, die immer eingehalten werden muss, also die Unterteilung in die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, den Anhang und in bestimmten Fällen noch weitere Elemente (vgl Rdn 30, 56). Gerade solche Verstöße können die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigen. Der Abschluss ist daher in aller Regel nichtig, wenn die Bilanz oder die Gewinn- und Verlustrechnung gänzlich fehlen.142 Auch das Fehlen des Anhangs führt grundsätzlich zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Das ist im Ergebnis unbestritten, wird allerdings üblicherweise aus § 256 Abs 1 Nr 1 (Gläubigerschutz) hergeleitet.143 Der Anhang dient jedoch nicht überwiegend den Gläubigern, sondern allen Abschlussadressaten und als reiner Informationsträger in erster Linie den Aktionären (vgl Rdn 50). Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses folgt daher in diesen Fällen nicht aus der allgemeinen Gläubigerschutznorm des § 256 Abs 1 Nr 1, sondern ergibt sich aus § 256 Abs 4. Ein Gliederungsverstoß kann ferner darin liegen, dass im Anhang der Anlagespiegel fehlt, also die Darstellung der Entwicklung der einzelnen Posten des Anlagevermögens (§ 284 Abs 3 HGB).144 Ein Fehlen des Lageberichts

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140 MünchKomm-HGB/Reiner3 § 264 Rdn 120. 141 Ähnlich MünchKomm/J Koch4 Rdn 51. 142 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 24. 143 BGH 11.10.1999 – II ZR 120/98, BGHZ 142, 382, 384; OLG Stuttgart 11.2.2004 – 14 U 23/03, GmbHR 2004, 662, 663; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 13; MünchKomm/J Koch4 Rdn 14; KK/A Arnold3 Rdn 23; Spindler/Stilz/Rölike4 25; Hüffer/Koch14 Rdn 8; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 24; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 8. 144 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 30.

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macht dagegen den Jahresabschluss nicht nichtig, denn der Lagebericht ist nicht Bestandteil des Jahresabschlusses (Rdn 31). dd) Verstöße gegen die Feingliederung des Jahresabschlusses. Ein Gliederungs- 63 verstoß im Sinne des § 256 Abs 4 liegt des Weiteren vor, wenn innerhalb der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung ganze Abschlussposten an falscher Stelle erscheinen.145 Ebenso verhält es sich, wenn Vermögensgegenstände, Schulden oder Kapitalbestandteile, die in der Bilanz erfasst sind, dort unter den falschen Posten berücksichtigt werden, oder wenn in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasste Erträge und Aufwendungen in unrichtige Posten eingegangen sind146 (näher Rdn 66 f). Auch wenn wichtige Angaben, die eigentlich in die Bilanz oder die Gewinn- und Verlustrechnung gehören, nur im Anhang zu finden sind, kann dies als Gliederungsverstoß den Jahresabschluss nichtig sein lassen, wenn der Verstoß wesentlich ist. Auf der anderen Seite kann aber ein unklarer oder rechtlich angreifbarer Ausweis in der Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung durch Angaben im Anhang transparent und verständlich gemacht werden; dann liegt kein Gliederungsverstoß vor147 oder jedenfalls keine wesentliche Beeinträchtigung der Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses148 (vgl Rdn 69). Ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses ist ferner gegeben, wenn die Bilanz oder die Gewinn- und Verlustrechnung nicht hinreichend tief aufgegliedert sind.149 Gleiches gilt, wenn im Anhang wichtige Pflichtangaben fehlen150 oder Angaben unter falschen Überschriften oder in falschen Zusammenhängen versteckt sind. Ein Gliederungsverstoß kann sich schließlich auch aus der Missachtung des Verrechnungsverbots ergeben (§ 246 Abs 2 Satz 1 HGB),151 das für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute allerdings erheblich eingeschränkt ist.152 Zur bilanziellen Abbildung unrechtmäßiger Geschäfte vgl Rdn 81. gg) Abgrenzung von Verstößen gegen Bewertungs- und Rücklageregeln. Nicht 64 um einen Gliederungsverstoß, sondern um einen Ansatz- oder Bewertungsfehler nach § 256 Abs 5 (vgl Rdn 77) handelt es sich, wenn Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten, Erträge, Aufwendungen und andere Gehalte nicht im Jahresabschluss berücksichtigt

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145 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 57; Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 336. 146 LG Mainz 16.10.1990 – 10 HO 57/89, DB 1990, 2361 re Sp; LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 60 re Sp; Hüffer/Koch14 Rdn 23; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 11; KK/Zöllner1 Rdn 36; MünchKomm/J Koch4 Rdn 52; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 35 aE, 37; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 30; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 26. 147 OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196 f (betr Aufklärung im Lagebericht); LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 60 (wo „die Veräußerung der Tochtergesellschaften ... im Jahresabschluss und im Lagebericht erläutert“ worden war). 148 Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 37; MünchKomm/J Koch4 Rdn 52; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 59; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 27. 149 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 11; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 35 aE; MünchKomm/J Koch4 Rdn 52; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 30; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 26. 150 Ebenso i Erg Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 25 und KK/A Arnold3 Rdn 23, die allerdings auf § 256 Abs 1 Nr 1 (Gläubigerschutz) abstellen. Zurückhaltend OLG Köln 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110, 113 li Sp. 151 OLG Karlsruhe 7.2.1985 – 12 U 132/82, ZIP 1985, 409, 411 li Sp, 415 li Sp; LG Stuttgart 11.4.1994 – 6 KfH O 169/93, AG 1994, 473, 474 li Sp; Staub/Kleindiek5 § 246 Rdn 114; MünchKomm/J Koch4 Rdn 52; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 12; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 30; Hüffer/Koch13 Rdn 23. 152 Zu den Einschränkungen des Verrechnungsverbots für diese Unternehmen siehe §§ 340a Abs 2 Satz 3, 340 f HGB sowie die unten in Rdn 70 genannten Regelungen; vgl auch BGH 29.11.1982 – II ZR 88/81, BGHZ 86, 1, 7 ff (zur Rechtsgültigkeit ähnlicher Bestimmungen in der früheren VO über Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses von Kreditinstituten von 1967).

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werden, obwohl dies geboten ist, oder wenn sie im Abschluss berücksichtigt sind, obwohl das verboten ist.153 Ein Gliederungsmangel kann allerdings einen Bewertungsmangel nach sich ziehen, zum Beispiel wenn Vermögensgegenstände oder ganze Unterposten des Umlaufvermögens fälschlich im Anlagevermögen berücksichtigt sind und daher bei der Bewertung nicht dem strengen Niederstwertprinzip unterworfen werden, das für das Umlaufvermögen gilt (§ 253 Abs 4 HGB).154 Dann liegt sowohl ein Gliederungsmangel als auch ein Bewertungsmangel vor. Werden auf der Passivseite der Bilanz Rücklagen falsch gebildet oder aufgelöst 65 oder zu Unrecht nicht gebildet oder unrichtig bezeichnet, so kann das zwar ebenfalls die Gliederung des Jahresabschlusses betreffen. Ein solcher Abschlussmangel wird jedoch von § 256 Abs 1 Nr 4 (Verstöße gegen die Rücklagenregeln) speziell erfasst und fällt daher nicht unter § 256 Abs 4 (Gliederungsmängel).155 Für die Heilung gilt deshalb nicht die lange dreijährige Frist wie bei Gliederungsverstößen, sondern die kurze SechsMonats-Frist wegen des Rücklagenverstoßes (§ 256 Abs 6 Satz 1). Sonst würde die kurze Heilungsfrist allzu leicht leerlaufen. Liegt allerdings in dem Rücklagenverstoß zugleich eine Verletzung des Gläubigerschutzes nach § 256 Abs 1 Nr 1, so kommt diese letztere Bestimmung zum Tragen, und die Heilungsfrist beträgt drei Jahre156 (näher Rdn 117). 66

ff) Beispiele für Gliederungsverstöße. Auf der Aktivseite der Bilanz liegt hiernach ein Gliederungsverstoß vor, wenn ganze Bilanzposten falsch bezeichnet sind, oder wenn wichtige Vermögensgegenstände in Bilanzposten berücksichtigt sind, die ihnen nicht entsprechen (vgl schon Rdn 63). So verhält es sich insbesondere, wenn Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens in Posten des Anlagevermögens einbezogen sind,157 oder wenn eine Aktiengesellschaft Anteile an ihrem Mutterunternehmen hält, diese aber unter den Finanzanlagen nicht als Anteile an verbundenen Unternehmen ausweist, wie es sich gehört (§ 266 Abs 2 A III 1 HGB), sondern ganz farblos als Beteiligungen (§ 266 Abs 2 A III 3 HGB).158 In einem ähnlichen Sinne kann sich ein Gliederungsverstoß daraus ergeben, dass unter den Finanzanlagen eine Beteiligung an einer Grundstücks-GbR aufgeführt ist, obwohl das Grundstück im Bruchteilseigentum der bilanzierenden Gesellschaft steht, so dass diese anteilig das Grundstück als solches und nicht einen Gesellschaftsanteil an der GbR hätte ausweisen müssen.159 Auch auf der Passivseite der Bilanz kann ein Gliederungsverstoß darin liegen, dass Posten falsch bezeichnet sind, insbesondere wenn die Zuordnung der Posten zum Eigenkapital oder zum Fremdkapital unrichtig oder unklar ist.160 Ebenso liegt es, wenn bilanzielle Gehalte wie Verbindlichkeiten oder Rückstellungen in einen Bilanzposten eingegangen sind, in den sie nicht hingehören (vgl Rdn 63). Ein Gliederungsverstoß liegt ferner vor, wenn bei Vermögensgegenständen

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153 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 11; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 25; KK/A Arnold3 Rdn 61 und auch schon KK/Zöllner1 Rdn 36; MünchKomm/J Koch4 Rdn 52; ebenso der Sache nach LG Stuttgart 11.4.1994 – 6 KfH O 169/93, AG 1994, 473 f. Nicht eindeutig LG Mainz 16.10.1990 – 10 HO 57/89, DB 1990, 2361, 2363 f. Anders OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196. 154 Eine solche Konstellation wurde vom Nichtigkeitskläger vorgetragen, aber vom Gericht verneint in OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B II 3 der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2007 f. 155 MünchKomm/J Koch4 Rdn 51. Anders LG Mainz 16.10.1990 – 10 HO 57/89, DB 1990, 2361, 2362 ff, wo eine gebotene Rücklage für Anteile eines herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmens (§ 272 Abs 4 HGB) nicht gebildet worden war. 156 Aus diesem Grund war die Entscheidung des LG Mainz (Fn 155) im Ergebnis richtig. 157 KK/Zöllner1 Rdn 38. 158 LG Mainz 16.10.1990 – 10 HO 57/89, DB 1990, 2361 f; zustimmend Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 61. 159 Hierhin tendierend, aber letztlich offenlassend OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.2.2.2. a Anf und 1.2.4.4. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2169 li Sp und 2170 re Sp (betr GmbH & Co KG). 160 Vgl BGH 26.5.2003 – II ZR 169/02, WM 2003, 1472, 1474.

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oder Schulden, die unter mehrere Bilanzposten fallen, die Mitzugehörigkeit zu anderen Posten entgegen § 265 Abs 3 HGB nicht bei dem Posten, unter dem der Ausweis erfolgt, angegeben wird, obwohl dies für die Klarheit und Übersichtlichkeit des Abschlusses erforderlich ist.161 Um einen wesentlichen Verstoß (vgl Rdn 68), der nach § 256 Abs 1 Nr 4 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt, handelt es sich in solchen Fällen allerdings nach den zutreffenden Worten des LG München I nur, wenn der Abschluss ohne den Fehler „ein deutlich klareres Bild von der aktuellen wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft zum Bilanzstichtag … vermittel[n]“ würde.162 Das wird nicht oft der Fall sein,163 vor allem dann nicht, wenn der Mitzugehörigkeitsvermerk nur in Einzelfällen fehlt.164 Gliederungsverstöße in der Gewinn- und Verlustrechnung können vor allem 67 darin bestehen, dass nicht richtig zwischen verschiedenen Arten von Erträgen und sonstigem Vermögensaufwuchs unterschieden wird, insbesondere im Verhältnis zu bedeutenden Aktionären und verbundenen Unternehmen. Als Umsatzerlös darf etwas nur in die Gewinn- und Verlustrechnung eingehen, wenn ein Leistungsaustausch zugrunde liegt, der auch mit gesellschaftsrechtlich unverbundenen Akteuren hätte zustande kommen können. Eine Umverteilung in der Unternehmens- oder Beteiligungsgruppe führt dagegen grundsätzlich nicht zu Umsatzerlösen, sondern allenfalls zu sonstigen betrieblichen Erträgen, und oft wird es sich überhaupt nicht um Erträge handeln, sondern um Einlagen165 und Entnahmen. Ein anschaulicher Fall eines solchen Gliederungsmangels liegt einem Urteil des LG 67a Stuttgart von 1994 zu Grunde. Dort hatte eine GmbH außerordentliche Erträge aus einem Grundstücksverkauf erzielt und an eine nicht sehr erfolgreiche Aktiengesellschaft weitergeleitet, die an der GmbH zu einem Drittel beteiligt war. Hierzu erteilte die GmbH der Aktiengesellschaft eine „Warengutschrift“ über mehr als 34 Millionen DM, das heißt die Aktiengesellschaft konnte bis zur Höhe dieses Betrags von der GmbH Waren beziehen, ohne dafür zu bezahlen, und zum großen Teil hat die GmbH den gutgeschriebenen Betrag sogar in Geld ausgezahlt. Die Aktiengesellschaft hatte in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung den gutgeschriebenen Betrag vom Anschaffungsaufwand für bezogene Waren abgezogen und so in das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit einfließen lassen, das nach damaligem Recht noch separat als solches in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden musste. Das hätte die Aktiengesellschaft nicht tun dürfen; der Ertrag aus der Warengutschrift hätte vielmehr, wenn überhaupt (vgl Rdn 67 aE, 81, 84, 91, 101), nach den zu jener Zeit geltenden Regeln als außerordentlicher Ertrag in das außerordentliche Ergebnis einfließen und im Anhang erläutert werden müssen, weil er mit der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit nichts zu tun hatte. Das Gericht hat deshalb den Jahresabschluss zu Recht für nichtig erklärt.166 So müsste man auch heute entschei-

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161 Hiervon ausgehend auch LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 61 li Sp; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 13. 162 LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 61 li Sp. 163 So auch nicht im Fall LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59. 164 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 13. 165 Unter anderem hierum ging es in OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B II 4 e) der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2011 f. Vgl zu den hier berührten bilanzrechtlichen Regeln auch BeckBil-Komm/Schmidt/ Kliem12 § 275 HGB Rdn 48 ff. 166 LG Stuttgart 11.4.1994 – 6 KfH O 169/93, AG 1994, 473 f; zustimmend MünchKomm/J Koch4 Rdn 52; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 35; Hüffer/Koch14 Rdn 23; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 13; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 60 f. Vgl aber auch LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 60, wo es unter dem Gesichtspunkt des § 256 nicht beanstandet wird, dass Erträge aus der Veräußerung von Beteiligungen als ordentliche Erträge ausgewiesen wurden, weil die Gesellschaft „jedenfalls auch Holdingcharakter“ hatte und es um „die Umstrukturierung von Tochtergesellschaften innerhalb des Konzerns“ ging.

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den. Das gesetzliche Gliederungsmuster der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275) unterscheidet zwar jetzt nicht mehr förmlich zwischen dem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und dem außerordentlichen Ergebnis.167 Aber zu den Anschaffungskosten für bezogene Waren gehört der Vorgang auch heute nicht, und auch nicht zu den sonstigen betrieblichen Erträgen, sondern zu den Erträgen aus Beteiligungen. Die Unterscheidung ist für die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wichtig, denn nur die betrieblichen Erträge sagen etwas über die eigene Ertragskraft der Gesellschaft aus (vgl auch Rdn 69 zur Wesentlichkeit des Verstoßes). Außerdem hätte nach heutigem Recht im Anhang vermerkt werden müssen, dass es sich um Erträge von außergewöhnlicher Bedeutung handelt (§ 285 Nr 31 HGB); auch das Unterlassen dieser Angabe kann als Gliederungsverstoß zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, wenn es um einen bedeutenden Geschäftsvorfall geht (vgl Rdn 63). 68

gg) Wesentlichkeit des Gliederungsmangels. Gliederungsverstöße führen nach § 256 Abs 4 nur dann zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt sind. Das bezieht sich nicht mehr nur auf den einzelnen betroffenen Abschlussposten, sondern auf den Jahresabschluss als Ganzes. Die Begriffe der Klarheit und Übersichtlichkeit verweisen auf den Aufstellungsgrundsatz des § 243 Abs 2 HGB, wonach der Jahresabschluss klar und übersichtlich sein muss,168 und sie verweisen bei Kapitalgesellschaften auch auf das Gebot, dass der Jahresabschluss unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln muss (§ 264 Abs 2 HGB).169 Die so verstandene Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses als Ganzen muss wesentlich beeinträchtigt sein. Es sind nicht nur ausnahmsweise geringfügige Verstöße unschädlich170 wie nach § 256 Abs 1 Nr 1 beim Gläubigerschutz (Rdn 52) und nach § 256 Abs 5 Nr 1 bei der Überbewertung (Rdn 85 ff), sondern es muss sich im Rahmen des § 256 Abs 4 positiv um Verstöße von besonderer Tragweite handeln. Ein Jahresabschluss ist nach dieser Bestimmung nur dann nichtig, wenn der Leser des Abschlusses aufgrund des Gliederungsverstoßes zu einem wesentlich anderen Bild der Vermögens-, Finanzund Ertragslage der Gesellschaft kommt, als es bei richtiger Abschlussgliederung der Fall sein würde.171 Dabei kommt es sowohl auf die Bedeutung der verletzten Gliederungsvorschrift als auch auf die zahlenmäßige Größe der betroffenen Abschlussposten im Gesamtgefüge des Jahresabschlusses an.172

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167 Diese Unterscheidung wurde aufgegeben und durch eine Pflichtangabe im Anhang (§ 285 Nr 31 HGB) ersetzt durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v 17.7.2015, BGBl I, S 1245, hier Art 1 Nr 16, Nr 18 und Nr 21 Buchst m. 168 KG 11.2.2005 – 14 U 193/03, AG 2005, 583, 584 re Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 54; Hüffer/Koch14 Rdn 24. 169 Ebenso LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 61 li Sp. 170 In diesem Sinne aber KK/A Arnold3 Rdn 63 sowie auch schon KK/Zöllner1 Rdn 37 f; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 37 und früher noch andere. 171 So schon Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 13 aE; ebenso heute OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.4.4. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2170 (betr GmbH & Co KG); MünchKomm/ J Koch4 Rdn 54; Gelhausen/Heinz in: WP-Handbuch13, Bd I, 2006, Rdn U 218; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 59; im selben Sinne LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 61 li Sp (vgl Rdn 66 aE). 172 MünchKomm/J Koch4 Rdn 54; Hüffer/Koch14 Rdn 24; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 37; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 15; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 60; KK/Zöllner1 Rdn 38; mit Differenzierungen auch Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 27; die betragsmäßige Bedeutung betonend OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.4.4. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2170 (betr GmbH & Co KG).

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Wann hiernach ein Gliederungsmangel wesentlich ist, hängt weitgehend von den 69 Besonderheiten des Einzelfalls ab.173 Als Anschauungs-Beispiel mag noch einmal der schon erwähnte Fall des LG Stuttgart mit der Aktiengesellschaft dienen, die von einem Beteiligungsunternehmen hohe Zuwendung erhalten und diese nicht wie geboten als Zuzahlung in das Eigenkapital oder Beteiligungsertrag ausgewiesen, sondern in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung, vom betrieblichen Aufwand abgezogen hatte (vgl Rdn 67a). Das Gericht hat hier eine wesentliche Beeinträchtigung zu Recht bejaht. Zwar war das Jahresergebnis nach beiden Vorgehensweisen gleich. Aber so wie die Gesellschaft verfahren war, konnte sie ein positives Betriebsergebnis ausweisen, wohingegen beim gebotenen Ausweis der Zuwendung als Einlage oder Beteiligungsertrag ersichtlich geworden wäre, dass das Betriebsergebnis in Wirklichkeit negativ und die Gesellschaft hinsichtlich ihrer eigenen Geschäftstätigkeit nicht profitabel war.174 Am anderen Ende der Skala hat das OLG München einen (von der Nichtigkeitsklägerin behaupteten) Fehlausweis von Bruchteilseigentum an einem Grundstück als Anteil an einer GrundstücksGbR (vgl Rdn 66) zu Recht als Bagatellverstoß abgetan, weil die streitige Bilanzposition weniger als 2‰ des Anlagevermögens ausmachte.175 Ein Gliederungsverstoß in der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung oder in 69a anderen schematischen Teilen des Jahresabschlusses kann außerdem dadurch unter die Wesentlichkeitsschwelle sinken, dass im Anhang oder im Lagebericht Angaben gemacht werden, die das Bild von der Lage der Gesellschaft wieder geraderücken (vgl Rdn 63). Selbst ein wesentlicher Gliederungsverstoß kann nachträglich an Gewicht verlieren, wenn der Abschlussmangel im Wege der Korrektur in laufender Rechnung in einem späteren Jahresabschluss für die Zukunft überwunden wird, denn dann ist die gebotene Information erteilt, und eine Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage wäre unzulässig (streitig, vgl Rdn 237, auch Rdn 27 f). hh) Sonderregeln und Formblätter für bestimmte Geschäftszweige. Die allge- 70 meinen Regeln des HGB über die Gliederung des Jahresabschlusses von Kaufleuten, Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften sind für Unternehmen bestimmter Geschäftszweige abgewandelt. So enthält das HGB Sonderregeln über die Rechnungslegung von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten (§§ 340–340o HGB) sowie für Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds (§§ 341–341p HGB) und bestimmte Unternehmen des Rohstoffsektors (§§ 341q-341y HGB). Darüber hinaus ermächtigt § 330 HGB die Exekutive, für die Jahresabschlüsse von Unternehmen besonderer Geschäftszweige im Wege der Rechtsverordnung Formblätter vorzuschreiben oder andere Vorschriften für die Gliederung von Abschlüssen oder den Inhalt des Anhangs zu erlassen. Solche Rechtsverordnungen 176 bestehen namentlich wiederum für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute 177 sowie für Zahlungsinstitute,178 außerdem für Versi-

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173 Hüffer/Koch14 Rdn 24; KK/Zöllner1 Rdn 38. 174 LG Stuttgart 11.4.1994 – 6 KfH O 169/93, AG 1994, 473 f. 175 OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.4.4.2. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2170 re Sp (betr GmbH & Co KG). 176 Laufend aktualisierte Übersicht hierzu im Beck’schen Bilanzkomm zu § 330 HGB, derzeit Störk/Lawall12 Rdn 20. 177 VO über die Rechnungslegung der Kreditinstitute (RechKredV) vom 10.2.1992, BGBl I 1992, S 203; Neufassung vom 11.12.1998, BGBl I 1998, S 3658 unter der Bezeichnung VO über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV) mit drei Formblättern; zuletzt geändert durch Art 8 Abs 13 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRIG) vom 17.7.2015, BGBl I 2015, S 1245; aktuelle Fassung im Internet unter http://www.bundesrecht.juris.de/rechkredv. 178 VO über die Rechnungslegung der Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute (ZahlungsinstitutsRechnungslegungsverordnung – RechZahlV) vom 2.11.2009, BGBl I 2009, S 3680; zuletzt geändert durch

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cherungsunternehmen179 und Pensionsfonds,180 Verkehrsunternehmen,181 Wohnungsunternehmen182 sowie Krankenhäuser,183 Pflegeheime und Pflegedienste.184 Wird gegen die dort enthaltenen Gliederungsregeln einschließlich der Formblatt-Vorgaben verstoßen, so führt auch dies zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses, wenn dessen Klarheit und Übersichtlichkeit wesentlich beeinträchtigt sind, denn § 256 Abs 4 stellt die Nichtbeachtung von Formblättern, nach denen der Jahresabschluss zu gliedern ist, einem Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses gleich. d) Verstöße gegen Bewertungsvorschriften (Abs 5) aa) Grundlagen und Eckpunkte 71

(1) Gesetzessystematik und Schutzzwecke. Ein Jahresabschluss kann vor allem auch dann nichtig sein, wenn er „gegen die Bewertungsvorschriften“ verstößt, indem er Bilanzposten überbewertet oder unterbewertet (§ 256 Abs 5). Die Überbewertung führt grundsätzlich schon als solche zur Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 256 Abs 5 Satz 1 Nr 1), die Unterbewertung hingegen nur, wenn dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird (§ 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2). Hieran zeigt sich wieder der Primat des Gläubigerschutzes im Rahmen des § 256, denn durch eine Überbewertung von Bilanzposten werden die Ausschüttungsschranken der Kapitalerhaltung ausgehebelt und die Gesellschaftsgläubiger gefährdet (vgl Rdn 47, 82, 19). Nach überlieferter Ansicht ist § 256 Abs 5 kein eigenständiger Nichtigkeitstatbe72 stand, sondern nur eine Interpretationsnorm mit Begrenzungsfunktion zur Gläubigerschutzregel des § 256 Abs 1 Nr 1. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses soll sich also bei Bewertungsfehlern dem Grunde nach aus einem Verstoß gegen den Gläubigerschutz

_____ Art 1 ÄndVO vom 17.12.2018 (BGBl. I 2018, S 2619); aktuelle Fassung im Internet unter http://www.bundes recht.juris.de/rechzahlv. 179 VO über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) vom 8.11.1994, BGBl I 1994, S 3378; zuletzt geändert durch Art 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtline (EU) 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.12.2016 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) (Neufassung) vom 19.12.2018, BGBl I 2018, S 2672; aktuelle Fassung im Internet unter http://www.bundesrecht.juris.de/rechversv, mit mehreren Formblättern. 180 Verordnung über die Rechnungslegung von Pensionsfonds (PensionsfondsRechnungslegungsverordnung – RechPensV) vom 25.2.2003, BGBl I 2003, S 246; zuletzt geändert durch Art 8 Abs 15 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) vom 17.7.2015 (BGBl I 2015, S 1245); aktuelle Fassung im Internet unter http://www.bundesrecht.juris.de/rechpensv. 181 VO über die Gliederung des Jahresabschlusses von Verkehrsunternehmen vom 27.2.1968, BGBl I 1968, S 193; zuletzt geändert durch Art 8 Abs 11 Bilanzrichtlinie-UmsetzungsG (BilRUG) vom 17.7.2015, BGBl I 2015, S 1245; aktuelle Fassung im Internet unter http://www.bundesrecht.juris.de/jabschlvuv. 182 VO über Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses von Wohnungsunternehmen vom 22.9.1970, BGBl I 1970, S 1334; zuletzt geändert durch Art 8 Abs 12 Bilanzrichtlinie-UmsetzungsG (BilRUG) vom 17.7.2015, BGBl I 2015, S 1245; aktuelle Fassung im Internet unter http://www.bundesrecht.juris.de/jabschlwuv. 183 VO über die Rechnungs- und Buchführungspflichten von Krankenhäusern (KrankenhausBuchführungsVO – KHBV), in der Fassung vom 24.3.1987, BGBl I 1987, S 1046; zuletzt geändert durch Art 2 der Zweiten VO zur Änderung von Rechnungslegungsverordnungen vom 21.12.2016, BGBl I 2016, S 3076; aktuelle Fassung im Internet unter http://www.bundesrecht.juris.de/khbv. 184 VO über die Rechnungs- und Buchführungspflichten der Pflegeeinrichtungen (PflegebuchführungsVO – PBV), vom 22.11.1995, BGBl I 1995, S 1528; zuletzt geändert durch Art 1 der Zweiten VO zur Änderung von Rechnungslegungsverordnungen vom 21.12.2016, BGBl I 2016, S 3076; aktuelle Fassung im Internet unter http://www.bundesrecht.juris.de/pbv.

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ergeben (§ 256 Abs 1 Nr 1), und § 256 Abs 5 begrenzt angeblich diese Nichtigkeit durch zusätzliche Tatbestandsmerkmale (siehe schon oben Rdn 54, 13). Das ist jedoch nur teilweise richtig (vgl Rdn 55). Dass die Überbewertung von Bilanzposten zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt (§ 256 Abs 5 Satz 1 Nr 1), ist in der Tat eine Ausprägung des Gläubigerschutzes nach § 256 Abs 1 Nr 1. Es geht hier vor allem um die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses und die Kapitalerhaltung (vgl Rdn 47, 71, 82, 19). Wenn das Gesellschaftsvermögen bilanziell überbewertet ist, erscheint der Ausschüttungsspielraum der Gesellschaft zu groß; das soll zum Schutz der Gläubiger verhindert werden. Die Bestimmung des § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 1 (Nichtigkeit des Jahresabschlusses bei Überbewertung) ist insoweit eine Spezialregel zu § 256 Abs 1 Nr 1 (Abschlussnichtigkeit wegen Verletzung gläubigerschützender Vorschriften). Dagegen schützt die Bestimmung des § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 (Nichtigkeit des Jahresabschlusses bei vorsätzlich irreführender Unterbewertung) nicht in erster Linie die Gesellschaftsgläubiger. Im Gegenteil, die Unterbewertung ist für sich genommen den Gläubigern eher günstig, denn sie lässt das Eigenkapital der Gesellschaft kleiner erscheinen, als es bei richtigen Wertansätzen ist, und verringert damit den Ausschüttungsspielraum der Gesellschaft. Die Abschlussnichtigkeit wegen Unterbewertung folgt vielmehr aus einer Störung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses185 (Rdn 21, 26, 93), die nicht spezifisch die Gesellschaftsgläubiger schützt (Rdn 50). Man muss daher die Bestimmung des § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 über die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen qualifizierter Unterbewertung als einen eigenständigen Nichtigkeitstatbestand mit eigenem Regelungsgehalt begreifen, der die Nichtigkeitsfolge selbst und aus sich heraus begründet. Auch der Nichtigkeitstatbestand der Überbewertung hat neben der zentralen Gläubigerschutzfunktion einen Bezug zum Jahresabschluss als Informationsträger und insoweit einen Regelungsgehalt, der über den Gläubigerschutz-Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs 1 Nr 1 hinausgeht (Rdn 88a). (2) Der Bilanzposten als Bezugsbasis und der Bewertungsausgleich. Vorausset- 73 zung für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 5 ist zunächst ein „Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften“. Diese Vorschriften beziehen sich gemäß dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs 1 Nr 3 HGB) auf die einzelnen Vermögensgegenstände, Schulden, Rückstellungen und so weiter, die in die Bilanz eingehen. Ein Verstoß gegen diese Bewertungsregeln kann aber nur dann zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, wenn in seiner Folge „Posten“, nämlich „Aktivposten“ oder „Passivposten“, mit einem falschen Wert oder Betrag angesetzt sind. Damit sind die Posten der Bilanz im Sinne des gesetzlichen Gliederungsschemas nach § 266 HGB gemeint.186 Diese Posten fassen die Wertansätze der einzelnen Vermögensgegenstände, Schulden und sonstigen Bilanzgehalte gruppenweise geordnet unter einem Oberbegriff zusammen. Es kommt also nicht unmittelbar darauf an, ob ein einzelner Vermögensgegenstand richtig bewertet ist (zum Beispiel eine bestimmte Forderung gegen einen Kunden), sondern es kommt auf den betroffenen Bilanzposten als Ganzes an (hier den UmlaufvermögensPosten „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“).187 Diese Bilanzposten und nicht

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185 Ebenso Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 62. 186 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 41; MünchKomm/J Koch4 Rdn 57 und fast allg M. Anders Wichmann Steuer-Journal 2005, 29, 32 f (auch GuV-Posten) sowie die unten in Fn 187 Satz 2 Genannten (nach denen es auf die einzelnen Vermögensgegenstände ankommt). 187 OLG Celle 7.9.1983 – 9 U 34/83, AG 1984, 266, 269 re Sp; LG Stuttgart 29.12.2000 – 5 KfH O 148/00, DB 2001, 1025 re Sp; ausführlich Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 41 ff; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 69 f, 207–212; des Weiteren MünchKomm/J Koch4 Rdn 57; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 66a, 68; KK/Zöllner1 Rdn 42; Kowalski AG 1993, 502, 503 li Sp;

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die einzelnen Vermögensgegenstände bilden die Bewertungseinheiten, um die es in § 256 Abs 5 geht. Der unter dem Bilanzposten ausgewiesene Gesamtbetrag darf, gemessen an den einschlägigen Bewertungsregeln, nicht zu hoch oder zu niedrig sein.188 Bei kleinen Aktiengesellschaften, die nach § 266 Abs 1 Satz 1 HGB nur eine verkürzte Bilanz mit verringerter Gliederungstiefe aufzustellen brauchen, kommt es auf die Richtigkeit dieser höher aggregierten Bilanzposten an.189 74 Innerhalb eines Bilanzpostens kann die Unterbewertung eines seiner Bestandteile (zB eines einzelnen Vermögensgegenstands) die Überbewertung eines anderen ausgleichen.190 Dabei dürfen allerdings nach vorwaltender Ansicht nur die fehlerhaft bewerteten Vermögensgegenstände oder Schulden oder sonstigen Bestandteile des Bilanzpostens berücksichtigt und die Bewertungsfehler saldiert werden. Die Gesellschaft, so heißt es, kann also nicht die Überbewertung eines Vermögensgegenstands damit rechtfertigen, dass sie einen anderen, zulässig bewerteten Gegenstand auf Grund von Wahlrechten oder Beurteilungsspielräumen auch mit einem höheren Wert hätte ansetzen dürfen.191 Das ist jedoch nicht richtig, denn das Gesetz stellt nicht auf die einzelnen Vermögensgegenstände innerhalb eines Bilanzpostens ab, sondern auf den Wertansatz des Bilanzpostens als Ganzen, das heißt darauf, ob dieser Ansatz nach den einschlägigen Bewertungsregeln zulässig ist, also rechtmäßig gebildet werden kann. Man muss deshalb auch eine Saldierung von unzulässigen Überbewertungen mit zulässig gebildeten stillen Reserven erlauben, welche die Gesellschaft in zulässiger Weise auflösen könnte.192 Entsprechendes gilt für unzulässige Unterbewertungen. Nur so wird man den Schutzzwecken der Nichtigkeitssanktion gerecht, nämlich im Falle der Überbewertung vor allem dem Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung (vgl Rdn 19, 47, 71 f, 82). Wenn die Gesellschaft einen Vermögensgegenstand unzulässig überbewertet, aber im Hinblick auf einem anderen Vermögensgegenstand stille Reserven gelegt hat, die sie auch hätte ans Licht bringen können, schreibt sich die Gesellschaft keinen unzulässig überhöhten Ausschüttungsspielraum zu. Auch die Informationsfunktion des Jahresabschlusses ist gewahrt, denn dieser führt ja nicht die einzelnen Vermögensgegenstände, Schulden und sonstigen Elemente des Rechnungswesens auf, sondern nur die aggregierten Bilanzposten. 74a Ein solcher Bewertungsausgleich kann allerdings für die Gesellschaft auch gefährlich werden. Wenn in der Bilanz ein Vermögensgegenstand überbewertet und ein anderer unterbewertet ist, so dass sich das ausgleicht und aufs Ganze gesehen unschädlich ist, aber dann im nächsten Jahr der unterbewertete Vermögensgegenstand veräußert

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V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 148 li Sp; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 31. Anders, nämlich auf die Wertansätze der einzelnen Vermögensgegenstände abstellend, Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 32–33. 188 Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 41; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 209. 189 Anders Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 210. 190 OLG Celle 7.9.1983 – 9 U 34/83, AG 1984, 266, 269 re Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 42 ff; KK/Zöllner1 Rdn 42; KK/A Arnold3 Rdn 67; Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 345; MünchKomm/J Koch4 Rdn 57; Hüffer/Koch14 Rdn 25; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 18; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 66a; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 211; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 148 li Sp; Baumbach/Hueck/ Schulze-Osterloh18 § 42a Rdn 31. Zu Unrecht zweifelnd Jungius/A. Schmidt DB 2012, 1697 f. 191 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 43 ff; MünchKomm/J Koch4 Rdn 57; Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 345; KK/A Arnold3 Rdn 67. 192 Ebenso Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 66a; Wichmann Steuer-Journal 2005, 29, 32 li Sp.

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wird oder sonst aus der Bilanz verschwindet, kann der Abschluss dieses Jahres wegen Überbewertung nichtig sein.193 Einen Bewertungsausgleich ganzer Bilanzposten untereinander gibt es dagegen 75 nach herrschender Auffassung nicht.194 Vielmehr könne hinsichtlich des einen Postens eine Überbewertung vorliegen und hinsichtlich des anderen eine Unterbewertung.195 Das trifft jedoch in dieser Allgemeinheit nicht zu. Soweit es um die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses geht, kann vielmehr die Unterbewertung eines Bilanzpostens die Überbewertung eines anderen ausgleichen und unschädlich machen, denn das Eigenkapital der Gesellschaft und ihr Ausschüttungspotenzial sind insoweit zutreffend abgebildet. Im Hinblick auf die Informationsfunktion des Abschlusses ist demgegenüber die herrschende Auffassung vom Ansatz her richtig, denn ein Abschluss, in dem die einen Posten zu hoch und die anderen zu niedrig angesetzt sind, vermittelt ein falsches Bild von der Vermögens- oder Kapitalstruktur und damit von der Lage der Gesellschaft. Zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Bewertungsverstoßes führt das aber nur bei besonders groben Verstößen (Rdn 88a). (3) Bewertungsregeln und Ansatzregeln. Mit den „Bewertungsvorschriften“, de- 76 ren Verletzung nach § 256 Abs 5 Satz 1 zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses führen kann, sind diejenigen Regeln gemeint, die bestimmen, mit welchem Geldbetrag ein Vermögensgegenstand oder eine Verbindlichkeit oder Rückstellung oder andere Gehalte in der Bilanz berücksichtigt werden müssen. § 256 Abs 5 Satz 2 und 3 verweisen hier auf „§§ 253 bis 256a des Handelsgesetzbuchs“, wo die wichtigsten Teile der Materie unter der Überschrift „Bewertungsvorschriften“ geregelt sind. Ein Verstoß gegen Bewertungsvorschriften im Sinne von § 256 Abs 5 Satz 1 kann aber auch vorliegen, wenn gegen die allgemeinen Bewertungsgrundsätze des § 252 HGB verstoßen wird196 und sich dies auf den Wertansatz von Bilanzposten auswirkt, oder bei einem Verstoß gegen andere Bewertungsregeln des Bilanzrechts oder gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (vgl Rdn 48), die sich auf die Bewertung von Bilanzpositionen beziehen.197 Einem Verstoß gegen Bewertungsvorschriften steht es im Rahmen des § 256 Abs 5 77 gleich, wenn gegen bilanzrechtliche Ansatzregeln verstoßen wird 198 (näher unten Rdn 84 zur Überbewertung und Rdn 92 zur Unterbewertung). Die Ansatzregeln bestimmen, was überhaupt mit einem Geldbetrag in der Bilanz berücksichtigt werden muss oder darf, und was nicht berücksichtigt werden darf. Sie enthalten Bilanzierungsgebote oder -verbote und mitunter auch Wahlrechte. Verstöße gegen Ansatzregeln und Bewertungsregeln haben gleichartige Folgen; es erscheinen Beträge in der Bilanz, die dort

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193 Jungius/A. Schmidt DB 2012, 1697, 1698 halten das für ein paradoxes Ergebnis und begründen damit ihre Kritik am Bewertungsausgleich (vgl Fn 190). Das Ergebnis ist aber folgerichtig. 194 LG Stuttgart 29.12.2000 – 5 KfH O 148/00, DB 2001, 1025 f; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 45; MünchKomm/J Koch4 Rdn 57; Hüffer/Koch14 Rdn 25; KK/A Arnold3 Rdn 67 und auch schon KK/Zöllner1 Rdn 43; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 23; K Schmidt/Lutter/Schwab4 18; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 211; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 148 li Sp; Kowalski AG 1993, 502, 503 li Sp. Anders Lüdenbach StuB 2009, 886, 887 für den Fall, dass zwischen der Überbewertung und der Unterbewertung ein sachlicher Zusammenhang besteht. 195 MünchKomm/J Koch4 Rdn 57. 196 Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 39; KK/A Arnold3 Rdn 69 und auch schon KK/Zöllner1 Rdn 40. Anders Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 340; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 29. 197 MünchKomm/J Koch4 Rdn 56; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 39. 198 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 117; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 9, 39; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 6; KK/A Arnold3 Rdn 68; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 148 li Sp; H-P Müller FS Quack, 1991, 345, 349 f; i Erg ebenso Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 31; ders ZIP 2008, 2241, 2242 li Sp.

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nicht erscheinen dürfen, oder es werden Beträge ausgeblendet, die erscheinen müssten. Deshalb werden Verstöße gegen Ansatzregeln im Rahmen des § 256 grundsätzlich ebenso beurteilt wie Verstöße gegen Bewertungsvorschriften. 78 Zu den Ansatzregeln, deren Verletzung nach § 256 Abs 5 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen kann, gehören insbesondere folgende Rechtsgehalte:199 – Das Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs 1 Satz 1 HGB): Der Jahresabschluss hat in der Bilanz sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten zu enthalten, – wobei auch ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert als Vermögensgegenstand gilt (§ 246 Abs 1 Satz 4 HGB); – die Pflicht zur Aktivierung eines positiven Unterschiedsbetrags aus der Verrechnung von Betriebsrenten-Verpflichtungen und hierfür zweckgebundenen Vermögensgegenständen (§ 246 Abs 2 Satz 3 HGB); – die Aktivierungsverbote des § 248 Abs 1 HGB, betreffend Aufwendungen für die Gründung eines Unternehmens, die Beschaffung des Eigenkapitals und den Abschluss von Versicherungsverträgen; – die Regeln über selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs 2 HGB); – die Bestimmung des § 249 HGB über die Bildung und Auflösung von Rückstellungen; – das Gebot, periodenfremde Aufwendungen und Erträge durch die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten zu neutralisieren (§ 250 HGB); – das Verbot, zurückerworbene eigene Aktien der Gesellschaft zu aktivieren (arg § 272 Abs 1a und 1b). 79

In den Zusammenhang der Ansatzregeln gehört nicht zuletzt auch die Begriffsbestimmung dessen, was überhaupt als „Vermögensgegenstand“ in die Aktivseite der Bilanz eingeht. Hierfür kommt es wesentlich auf die Schuldendeckungsfähigkeit und die Abgrenzung vom selbstgeschaffenen Geschäfts- oder Firmenwert an, der nicht ansatzfähig ist. Nach überliefertem Verständnis kommt es weiter auf die selbständige Verkehrsfähigkeit an.200 In dieser Tradition steht auch die Gesetzesbegründung zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz von 2009, die darauf abstellt, ob das „Gut nach der Verkehrsauffassung einzeln verwertbar ist“.201

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(4) Inhaltlicher Verstoß. Ähnlich wie nach der Gläubigerschutznorm des § 256 Abs 1 Nr 1 (vgl Rdn 51) muss der Jahresabschluss die Bewertungs- oder Ansatzregeln durch seinen Inhalt verletzen. Es kommt also auch im Rahmen des § 256 Abs 5 auf den Abschluss für sich genommen an, so wie er als Zahlen- und Wortbericht vorliegt, und nicht auf die Art und Weise seines Zustandekommens oder auf die Motive und Zwecke, von denen sich die Gesellschaftsorgane bei der Aufstellung und Feststellung haben leiten lassen.202 Auch Mängel der Buchführung machen für sich alleine den Jahresabschluss nicht nichtig, sondern führen nur dann zur Nichtigkeit, wenn sie sich auf den

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199 Aufzählung in Anlehnung an Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 39. 200 So mit Unterschieden im Einzelnen Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 73 ff; Adler/Düring/Schmaltz 6 § 246 Rdn 9 ff sowie aus neuerer Zeit Staub/Kleindiek5 § 246 Rdn 8 f und BeckBil-Komm/Schubert/Waubke12 § 247 HGB Rdn 10 ff; alle mwN. 201 RegE BilMoG, BT-Drucks 16/10067 v 30.7.2008, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 6 (§ 248 HGB), S 50 li Sp. 202 KK/Zöllner1 Rdn 15 f.

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Inhalt des Abschlusses auswirken203 (vgl aber auch unten Rdn 233 zur Beweislast). Außerdem gibt es im Rahmen der Ansatz- und Bewertungsregeln manchmal Wahlrechte und sehr oft Beurteilungsspielräume. Erst wenn die Grenzen dieser Spielräume überschritten sind, liegt ein Verstoß gegen die Rechnungslegungsvorschriften vor, und kann deshalb der Jahresabschluss wegen inhaltlicher Mängel nichtig sein204 (vgl schon oben Rdn 46). Ein Bewertungsmangel liegt überdies nur dann vor, wenn er für einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter erkennbar war, als der Abschluss ins Werk gesetzt wurde (subjektiver Fehlerbegriff, Rdn 42 ff). Ein Jahresabschluss ist auch nicht allein deshalb nichtig, weil er verbotene Ge- 81 schäfte der Gesellschaft widerspiegelt, etwa Vermögenszuwendungen an Aktionäre (§ 57) durch unausgewogene Austauschgeschäfte. Der BGH hat hierzu im Zusammenhang mit der Gläubigerschutznorm des § 256 Abs 1 Nr 1 zutreffend ausgeführt: „Ein … Inhaltsverstoß liegt nicht vor, wenn ein gesetzwidriges Rechtsgeschäft in die Bücher der Gesellschaft eingeht und damit seinen Niederschlag im Jahresabschluss findet …, sondern ist nur dann gegeben, wenn die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 Abs 3 HGB) oder der Anhang (§§ 284 ff HGB) selbst Gläubigerschutzbestimmungen verletzen.“ 205 Das Geschäft als solches ist für den Bestand des Jahresabschlusses unschädlich. Das gilt auch im Zusammenhang mit der Bewertung von Bilanzposten im Rahmen des § 256 Abs 5. Gesetzwidrige Geschäfte der Gesellschaft führen allerdings oft zu Rückgewähr- oder Schadensersatzansprüchen (zB §§ 62, 93 117, 317). Wenn die Gesellschaft Schuldnerin solcher Ansprüche ist, etwa weil sie als Muttergesellschaft ihren Töchtern unrechtmäßig Vermögen entzogen hat, und der Jahresabschluss die hieraus entspringenden Rückgewähr- oder Schadensersatzverpflichtungen gegenüber den Töchtern außer Betracht lässt, kann der Abschluss nach § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 1 wegen Überbewertung nichtig sein (siehe Rdn 84, 91, 101). Umgekehrt kann es nach § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Unterbewertung führen, wenn die Gesellschaft Gläubigerin solcher Ansprüche ist und diese im Abschluss vorsätzlicher irreführend verschweigt (Rdn 100). bb) Überbewertung (Abs 5 Nr 1). (1) Begriff der Überbewertung und Schutzzweck des Gesetzes. Nach der Legalde- 82 finition des § 256 Abs 5 Satz 1 liegt eine Überbewertung vor, wenn Aktivposten der Bilanz mit einem höheren Wert angesetzt sind, als nach den einschlägigen Regeln des Bilanzrechts zulässig ist, oder wenn Passivposten (außer dem Eigenkapital, Rdn 83) mit einem unzulässig niedrigen Betrag angesetzt sind. Die Grenze, die nicht überschritten werden darf, wird bei Aktivposten durch den höchsten Wert und bei Passivposten durch den

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203 KK/Zöllner1 Rdn 15. 204 LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 61 f (betr den Abzinsungssatz bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen); Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 3, 40; KK/Zöllner1 Rdn 41; MünchKomm/J Koch4 Rdn 56; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 66; Haase DB 1977, 241 re Sp; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 148 li Sp; Kowalski AG 1994, 502, 503 re Sp. Vgl auch Pöschke ZGR 2018, 647, 654 ff, der eingehend darlegt, dass die Organmitglieder nach dem Grundgedanken der Business Judgment Rule (§ 93 Abs 1 Satz 2) rechtmäßig handeln, wenn sie sich innerhalb dieser Spielräume bewegen. 205 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 117 (Zitat), auch 118 f; zustimmend Schön JZ 1994, 684; der Sache nach ebenso Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 8 f; KK/Zöllner1 Rdn 15; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 4; auch LG Düsseldorf 28.3.2014 – 33 O 119/13, Beck RS 2015, 12018, Ziff 1 der Entscheidungsgründe, wobei allerdings nicht mitgeteilt wird, wie der möglicherweise gesetzwidrige Vorgang (Erwerb eigener Aktien) genau aussah und wie er bilanziert wurde, so dass der veröffentlichte Entscheidungstext aus sich heraus schwer verständlich ist.

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niedrigsten Betrag markiert, der gesetzlich und unter Beachtung der von der Gesellschaft angewendeten Bewertungsmethoden zulässig ist.206 Ob Aktivposten zu hoch oder Passivposten zu niedrig angesetzt sind, bedeutet unter dem maßgebenden Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes und der Kapitalerhaltung (vgl Rdn 47, 71 f, 19) keinen Unterschied. Im ersteren Fall erscheint bei gegebenen Passiva das Vermögen der Gesellschaft zu groß, so dass diese sich ein zu hohes Eigenkapital und damit ein zu großes Ausschüttungspotenzial zuschreibt. Und wenn bei gegebenem Vermögen Passivposten zu niedrig angesetzt sind, werden ebenfalls das Eigenkapital und der Ausschüttungsspielraum der Gesellschaft überhöht ausgewiesen. Das ist das Wesen der Überbewertung und der wesentliche Geltungsgrund für die hieran anknüpfende Nichtigkeitssanktion. Mit den „Passivposten“, deren unzulässig niedriger Ansatz nach § 256 Abs 5 zur 83 Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Überbewertung führt, sind alle Passivposten außer dem Eigenkapital und seinen einzelnen Unterposten gemeint, also vor allem Verbindlichkeiten und Rückstellungen, aber auch passive latente Steuern, die einer Rückstellung ähnlich sind, sowie passive Rechnungsabgrenzungsposten. Ein zu niedriger bilanzieller Eigenkapitalausweis ist dagegen keine Überbewertung, sondern das Ergebnis einer Unterbewertung (siehe unten Rdn 92). Und wenn die Untergliederung des Eigenkapitals in das gezeichnete Kapital und die verschiedenen Arten von Rücklagen falsch ist, liegt kein Bewertungsverstoß im Sinne des § 256 Abs 5 vor, sondern ein Gliederungsmangel, der unter § 256 Abs 4 fällt oder ein Verstoß gegen die Regeln über die Bildung und Auflösung von Rücklagen, der nach § 256 Abs 1 Nr 4 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen kann (vgl Rdn 65, 110 ff. Der Überbewertung steht die unzulässige Aktivierung gleich207 (vgl schon Rdn 77 ff). 84 In beiden Fällen hätte der fragliche Gehalt nicht in die Bilanzsumme der Gesellschaft einbezogen werden dürfen. Ebenso steht es der Überbewertung gleich, wenn eine gebotene Passivierung unterblieben ist,208 etwa weil Verbindlichkeiten unberücksichtigt geblieben sind209 oder eine Rückstellung zu Unrecht nicht gebildet wurde.210 Eine Überbewertung liegt ja nach der Definition des § 256 Abs 5 Satz 2 auch vor, wenn ein Passivposten mit einem unzulässig niedrigen Betrag angesetzt ist. Ist dann der Jahresabschluss nichtig, muss Gleiches auch und erst recht gelten, wenn der Passivposten überhaupt nicht angesetzt ist. 85

(2) Unschädlichkeit geringfügiger Mängel – Normstruktur und Meinungsstand. Während Gliederungsmängel und Unterbewertungen nach dem Gesetz nur in besonders

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206 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 38. 207 LG Stuttgart 29.12.2000 – 5 KfH O 148/00, DB 2001, 1025 f; Hüffer/Koch14 Rdn 25; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 189 ff. Hiervon ausgehend auch BGH 3.11.1975 – II ZR 67/73, BGHZ 65, 230, 233 ff; OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177, 2178 f; LG Düsseldorf 26.2.1988 – 40 O 255/80, AG 1989, 140, 141 f. 208 OLG Frankfurt 7.11.2006 – 5 U 109/05, AG 2007, 401, 402 li Sp; OLG Hamm 17.4.1991 – 8 U 173/90, AG 1992, 233, 234 li Sp; OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177, 2178 re Sp; LG Stuttgart 11.4.1994 – 6 KfH O 169/93, AG 1994, 473, 474 re Sp; Hüffer/Koch14 Rdn 25. 209 RG 12.6.1928 – II 534/27, RGZ 120, 363, 366 ff; OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177, 2178. 210 BGH 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341, 347 ff; OLG Frankfurt 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 f; OLG Frankfurt 7.11.2006 – 5 U 109/05, AG 2007, 401, 402 li Sp; OLG Hamm 17.4.1991 – 8 U 173/90, AG 1992, 233, 234 li Sp; LG Stuttgart 11.4.1994 – 6 KfH O 169/93, AG 1994, 473, 474 re Sp; auch OLG Frankfurt 24.6.2009 – 23 U 90/07, AG 2009, 542, 546 ff („Kirch/Deutsche Bank“); hiervon ausgehend des Weiteren OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.4.6. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2171 li Sp (betr GmbH & Co KG); aus der Literatur Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 48; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 6.

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schweren Fällen zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, erklärt der Wortlaut des § 256 im Falle der Verletzung gläubigerschützender Vorschriften und namentlich bei Überbewertungen den Jahresabschluss ohne weitere Voraussetzungen für nichtig. Wie man das verstehen soll, ist nicht ganz geklärt. Einzelne Stimmen wollen ausnahmslos jede Überbewertung zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen lassen. 211 Davon spricht auch die Gesetzesbegründung; hiernach „machen zu hohe Wertansätze (Überbewertungen) den Jahresabschluss stets nichtig; bei zu niedrigen Wertansätzen (Unterbewertungen) sowie bei Gliederungsverstößen kommt es auf die Schwere des Verstoßes an“.212 Das war eine Abkehr von der früher vorwaltenden Auffassung, dass nur erhebliche oder willkürliche Überbewertungen den Jahresabschluss nichtig machen.213 Doch besteht heute weitgehend Übereinstimmung, dass eine Überbewertung nicht immer und ausnahmslos zur Nichtigkeit führt.214 Nach den Worten des BGH muss vielmehr „eine Überbewertung dahin vorlieg[en], dass sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung widerspricht und ihrem Umfang nach nicht bedeutungslos ist“.215 Manche verstehen das dahingehend, dass Überbewertungen nur dann zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, wenn sie schwerwiegend sind und die Bilanzdarstellung wesentlich beeinträchtigen.216 Andere formulieren zurückhaltender und wollen die Nichtigkeitssanktion nur ausnahmsweise nicht eintreten lassen, wenn der Bewertungsfehler unwesentlich ist.217 Das trifft die Sache besser, soweit es um den Gläubigerschutz als

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211 Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 35 Abs 2 ff; früher auch Baumbach/Hueck/Hueck13 Rdn 18; mit gleicher Tendenz Kowalski AG 1993, 502, 503. 212 Bericht des Abgeordneten Dr. Wilhelmi zum RegE AktG, zu BT-Drucks IV/3296 v 28.4.1965, zu §§ 247 bis 250b RegE, S 43 re Sp = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, S 344; im gleichen Sinne S 44 li Sp/S 347, wonach die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Bewertungsmängeln „uneingeschränkt nur bei der – unter Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes besonders bedenklichen – Überbewertung“ eintritt. 213 RG 20.1.1928 – II 281/27, RGZ 120, 28, 32; RG 12.6.1928 – II 534/27, RGZ 120, 363, 366; RG 9.1.1931 – II 158/30, RGZ 131, 141, 143; Schlegelberger/Quassowski AktG [1937]3, § 202, 9; näherer Überblick bei Schulze-Osterloh ZIP 2008, 2241, 2243 li Sp. 214 So mit Unterschieden im Einzelnen namentlich BGH 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341, 347; OLG Frankfurt/Main 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 f; OLG Hamm 17.4.1991 – 8 U 173/90, AG 1992, 233, 234 li Sp (für GmbH); LG Frankfurt/Main 3.5.2001 – 3/6 O 135/00, AG 2002, 297; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 64; KK/Zöllner1 Rdn 45, auch Rdn 25 (zu § 256 Abs 1 Nr 1); Gelhausen/Heinz in: WP-Handbuch13, Bd 1, 2006, Rdn U 227; MünchKomm/J Koch4 Rdn 55; Hüffer/Koch14 Rdn 25; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 31 auch Rdn 24; ders ZIP 2008, 2241, 2242 ff; Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 340; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 212 ff, 219 ff; Geßler in: FS Goerdeler, 1987, S 127, 141; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 146; Wichmann DB 1993, 340. 215 BGH 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341, 347; fast wörtlich ebenso BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 385 (betr GmbH); zustimmend wiederholt auch von OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.4.6.1. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2171 li Sp (betr GmbH & Co KG). 216 OLG Frankfurt/Main 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 f; OLG Hamm 17.4.1991 – 8 U 173/90, AG 1992, 233, 234 li Sp (für GmbH); LG Frankfurt 18.12.2012 – 3–05 O 93/12, AG 2013, 178, 179 (Rdn 36); LG Stuttgart 29.12.2000 – 5 KfH O 148/00, DB 2001, 1025 re Sp; LG München I 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, Der Konzern 2008, 59, 61 re Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 59; Hüffer/Koch14 Rdn 25; KK/Zöllner1 Rdn 45; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 388; Winnefeld BilanzHandB5, Abschnitt I Rdn 73; Priester FS Hadding, 2004, 607, 618; Jungius/A. Schmidt DB 2012, 1697, 1700 ff; Schedlbauer DB 1992, 2097, 2099 li Sp; Erle Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers, 1990, S 126, 148; auch OLG Hamburg 9.8.2005 – 11 U 203/04, Ziff II.C.4. der Entscheidungsgründe, ZIP 2006, 895, 900 re Sp, betr GmbH & Co. KG („Otto“). 217 Eingehend Wichmann Steuer-Journal 2005, 29, 31; ders DB 1993, 340; des Weiteren Kropff FS Havermann, 1995, S 321, 340 (Nichtigkeit „nur bei nicht unwesentlichem Verstoß“); Kowalski AG 1994, 502, 503; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 146. Im selben Sinne die oben in Fn 215 genannte Rspr sowie LG Frankfurt 19.6.2008 – 3–05 O 158/07, NZG 2009, 149, 150 re Sp; KK/Zöllner1 Rdn 45, auch Rdn 25 zu § 256 Abs 1 Nr 1; Schulze-Osterloh ZIP 2008, 2241, 2242 ff; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 212 ff, 219 ff; V Weilep/

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Kerngehalt der Nichtigkeitssanktion geht. Der Abschluss ist unter diesem Gesichtspunkt (zu bloßen Informationsmängeln vgl Rdn 88a) bei Überbewertung grundsätzlich nichtig und entgeht dieser Folge nur ausnahmsweise, wenn die Überbewertung bedeutungslos ist. Die Bedeutsamkeit oder Wesentlichkeit des Mangels ist kein besonderes gesetzliches Tatbestandsmerkmal, das positiv erfüllt sein muss, wie bei der Unterbewertung und den Gliederungsfehlern, sondern die Unwesentlichkeit oder Bedeutungslosigkeit ist eine ungeschriebene Einschränkung des Gesetzes, die sich aus dem allgemeinen Rechtsgebot der Verhältnismäßigkeit ergibt.218 Die bei Überbewertungen grundsätzlich verhängte Nichtigkeit des Jahresabschlusses darf im Einzelfall keine unverhältnismäßig harte Sanktion sein. Hierfür muss positiv die Ausnahmevoraussetzung erfüllt sein, dass die Überbewertung unwesentlich ist. In diesem Sinne bleiben bedeutungslose Überbewertungen unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes außer Betracht. 86 Die Formulierung des BGH, dass die Überbewertung nur dann zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt, wenn sie „den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung widerspricht und ihrem Umfang nach nicht bedeutungslos ist“ (Rdn 85), verweist auf zwei Beurteilungsmaßstäbe, nämlich einen qualitativen („Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung“) und einen quantitativen (dem „Umfang nach nicht bedeutungslos“). Ersteres bezieht sich auf die Bedeutung der verletzten Rechtsvorschrift und macht deutlich, dass es nicht nur um Zahlenvergleiche geht, sondern um eine rechtliche „Wertung zur Frage der Nichtigkeit des Jahresabschlusses“, wie es das LG Düsseldorf zutreffend formuliert hat.219 Bei dem quantitativen Element kommt es nach den Worten des BGH darauf an, ob die fragliche „Position unter [den] Umständen [des konkreten Falls] ihrem Umfang nach auf den Inhalt des Jahresabschlusses nennenswerte Auswirkungen hat.“220 Hierfür setzen Rechtsprechung und Literatur die Betragshöhe der Überbewertung ins Verhältnis zu anderen maßgebenden Abschlussgrößen, vor allem zur Bilanzsumme, dem Jahresergebnis und dem Bilanzgewinn sowie dem betroffenen Bilanzposten.221 Zum

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J-H Weilep BB 2006, 147, 148 f; Wolf StuB 2009, 909, 912; hierhin tendierend auch Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 64. 218 Schulze-Osterloh ZIP 2008, 2241, 2242 f; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 219; auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abstellend auch Winnefeld BilanzHandB5, Abschnitt I Rdn 73; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse S 196. Allgemein zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Bilanzrecht Schulze-Osterloh ZHR 166 (2000), 503, 506 f; Claussen FS Semler, 1993, 97, 107 ff; auch K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 15. 219 LG Düsseldorf 26.2.1988 – 40 O 255/80, AG 1989, 140, 141 re Sp. 220 BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 385 (betr GmbH). 221 OLG Frankfurt/Main 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 f („Kirch/Deutsche Bank“, betr den Jahresabschluss 2004), sehr an der Bilanzsumme orientiert, gegen Maßgeblichkeit des Bilanzgewinns; kritisch hiergegen OLG Frankfurt/Main 24.6.2009 – 23 U 90/07, AG 2009, 542, 548 li Sp (noch einmal „Kirch/Deutsche Bank“, diesmal betr den in gleicher Weise problembehafteten Jahresabschluss 2003), wonach bei einer Bank vor allem auf die Relation zwischen der Bewertungsabweichung und dem Jahresgewinn abzustellen sei; LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 538 f (Relation der Bewertungsabweichung sowohl zum Jahresüberschuss als auch zur Bilanzsumme sowie zum bilanziellen Eigenkapital), im Ergebnis gebilligt von OLG München 7.1.2008 – 7 U 3773/07, WM 2008, 876, 877 f als Berufungsinstanz; LG Frankfurt/Main 3.5.2001 – 3/6 O 135/00, AG 2002, 297, 298 li Sp; SchulzeOsterloh ZIP 2008, 2241, 2245 (vor allem auf den Bilanzgewinn abstellend); K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 16 (Bilanzgewinn, ausschüttbarer Gewinn als wichtigste Bezugsgrößen); Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 17 (vor allem Bilanzsumme); Jungius/A. Schmidt DB 2012, 1697, 1701 ff (vor allem Jahresergebnis, außerdem Eigenkapital und Bilanzsumme sowie Gewicht des Bewertungsfehlers innerhalb des Bilanzpostens); des Weiteren V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 148 f; KK/Zöllner1 Rdn 25 zu § 256 Abs 1 Nr 1; auch Haase DB 1977, 241 re Sp (der stets den Jahresüberschuss als Vergleichsgröße heranziehen will). Vgl auch OLG Hamburg 9.8.2005 – 11 U 203/04, Ziff II.C.4. der Entscheidungsgründe, ZIP 2006, 895, 900 re Sp, betr GmbH & Co. KG („Otto“) und vor allem auf die Bilanzsumme als Bezugsgröße abstellend.

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Nichtigkeit | § 256

Teil werden sogar quantitative Richtwerte vorgeschlagen, wonach ein Bewertungsfehler die Bestandsfestigkeit des Jahresabschlusses ernsthaft in Frage stellt, wenn wichtige Abschlussgrößen oder -relationen um mehr als 5 % verändert werden, und ab 10% könne man eigentlich kaum noch von einem unwesentlichen Fehler sprechen.222 Eine Abweichung in Höhe von weniger als 1 % der Bilanzsumme soll dagegen grundsätzlich unwesentlich sein.223 Manche halten außerdem eine Überbewertung immer für wesentlich, wenn sie verschleiert, dass die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt oder die Gesellschaft sogar bilanziell überschuldet ist.224 Aber das ist alles ziemlich richtungslos, weil so viele verschiedene Abschlussgrößen einmal so und dann wieder anders miteinander in Beziehung gesetzt werden. (3) Unschädlichkeit geringfügiger Mängel – Rechtsprechung. Die Gerichtspraxis 87 ist mit der Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Überbewertung nicht leicht bei der Hand. Das OLG Hamm hat einmal einen Jahresabschluss für nichtig erachtet, der bei einer Bilanzsumme von 646 . 000 DM eine gebotene Rückstellung für noch ungeklärte Gewährleistungspflichten von 50 . 000 DM vermissen ließ, wobei dieser Fehler weit mehr als die Hälfte des ausgekehrten Gewinns ausmachte und die Gesellschaft bald darauf in Konkurs gefallen ist.225 Und das OLG Dresden hat die Nichtigkeit des Jahresabschlusses in einem Fall festgestellt, in dem eine Verbindlichkeit von 12,8 Mio DM übergangen und eine Forderung von 48 Mio DM zu Unrecht berücksichtigt worden waren, und das bei einem ausgewiesenen Bilanzgewinn von 5,8 Mio DM und einer Ausschüttungssumme von 3,2 Mio DM.226 Das sieht in der Tat nicht nach unwesentlichen Überbewertungen aus. Auf der anderen Seite hat das LG Frankfurt am Main einen möglicherweise falschen Aktivposten für unwesentlich erachtet, der sich zwar auf rund 22 % des ausgewiesenen Bilanzgewinns belief, aber nach der Berechnung des Gerichts weniger als 1 % der Bilanzsumme ausgemacht habe.227 Das ist bedenklich, denn 22% des Bilanzgewinns sind nicht ganz wenig (vgl Rdn 88). Zu Recht unumstritten ist demgegenüber eine Entscheidung des LG München I, wonach eine unwesentliche Überbewertung vorliegt, wenn eine große Gesellschaft mit Jahresüberschüssen von über 1 Mrd €, einer Bilanzsumme von um die 64 Mrd € und einem bilanziellen Eigenkapital von etwa 15 Mrd € gebotene Steuerrückstellungen unterlässt und hierdurch ihr Eigenkapital um 7,4 Mio € oder vielleicht auch 17,6 Mio € zu hoch abbildet.228 Die Frankfurter Gerichte und speziell das OLG Frankfurt hatten es immer wieder mit 87a einem Fall zu tun, in dem die Deutsche Bank AG für eine – von dritter Seite mit zum Teil beachtlichen Argumenten behauptete – Schadensersatzverpflichtung keine Rückstellung in ihren Jahresabschlüssen gebildet hatte. Das Gericht hat es ursprünglich dahinstehen lassen, ob eine Schadensersatzpflicht der Gesellschaft bestand, denn selbst wenn das so

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222 BeckBil-Komm/Störk/Schellhorn12 § 264 HGB Rdn 57; ausführlich Jungius/A. Schmidt DB 2012, 1697, 1701 ff; ansatzweise auch Hüffer/Koch14 Rdn 25 aE (5% oder mehr idR wesentlich); Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 226 f; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 148 re Sp. Vgl auch Ossadnik WPg 1993, 617, 618 ff. 223 Hüffer/Koch14 Rdn 25. 224 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 16 aE in Anknüpfung an Wolf StuB 2009, 909, 913. 225 OLG Hamm 17.4.1991 – 8 U 173/90, AG 1992, 233, 234. 226 OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177. 227 LG Frankfurt/Main 3.5.2001 – 3/6 O 135/00, AG 2002, 297 f (es waren aber, wenn die in dem abgedruckten Urteil angegebenen Zahlen stimmen, in Wirklichkeit über 9%). Kritisch zu dieser Entscheidung K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 16. 228 LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 539 li Sp; zustimmend K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 16.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

sei, bewegten sich nach den Worten des Gerichts „die Beträge … – trotz ihrer beträchtlichen Höhe – … angesichts der Bilanzsumme von 840 Mrd. € im Geschäftsjahr 2004 in einem verschwindend geringen Verhältnis, nämlich deutlich unter 1/2 Prozentpunkt liegend.“229 Dem haben Kritiker entgegengehalten, der behauptete Rückstellungsbedarf habe immerhin 2 Mrd € betragen, und das bei einem Jahresüberschuss von 880 Mio €, einem Bilanzgewinn von 925 Mio € und einer Ausschüttungssumme von 869 Mio €.230 Ein anderer Senat des OLG Frankfurt hat dann später in derselben Angelegenheit statt der Bilanzsumme den „Jahresgewinn“ als Bezugsgröße herangezogen und hierzu ausgeführt, „dass selbst dann, wenn mit einer Schadensersatzverpflichtung von nur 100 Millionen Euro gerechnet werden musste, der Gewinn deutlich geschmälert und infolge dessen auch die Höhe der Dividendenzahlung beeinflusst worden wäre“; deshalb sei die Überbewertung dem Umfang nach nicht unbedeutend.231 Aber das hat den Bilanzsummen-Senat nicht beeindruckt, als die Sache Jahre später wieder vor ihn kam. Die Bilanzsumme der Gesellschaft war jetzt auf 1.869 Mrd € angewachsen, davon knapp 34 Mrd € Eigenkapital und 852 Mio € Bilanzgewinn, und der vom Kläger behauptete Rückstellungsbedarf belief sich auf 6 Mrd € (von denen allerdings mindestens 4 Mrd € ziemlich weit hergeholt schienen). Das war nach Ansicht des Senats immer noch unwesentlich.232 88

(4) Unschädlichkeit geringfügiger Mängel – Der Ausschüttungsspielraum als Bezugsgröße. Die Vielzahl der Vergleichsmaßstäbe ist verwirrend. Richtig ist Folgendes: Bei der rechtlichen Beurteilung, ob eine Überbewertung so unwesentlich ist, dass sie ausnahmsweise der Gültigkeit des Jahresabschlusses nichts anhaben kann, muss man sich auf den Hauptzweck der Nichtigkeitssanktion nach § 256 Abs 5 Nr 1 besinnen, nämlich den Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung. Es geht um den Jahresabschluss als Ausschüttungsbemessungsgrundlage (Rdn 19, 47, 71 f, 82). Je mehr die Überbewertung den Ausschüttungsspielraum der Gesellschaft übertreibt, desto eher ist der Jahresabschluss nichtig. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt233 und nicht so sehr, ob die Überbewertung informationell das Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft verfälscht234 (vgl Rdn 21, 26, 28 aber auch Rdn 88a). Der Ausschüttungsspielraum entspricht dem Bilanzergebnis zuzüglich der Rücklagen, welche die Gesellschaft in Bilanzgewinn verwandeln und ausschütten kann (vgl Rdn 112, 122), und abzüglich eines

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229 OLG Frankfurt/Main 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 re Sp („Kirch/Deutsche Bank“, betr den Jahresabschluss 2004) ; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen von BGH 11.10.2010 – II ZR 93/08, juris und BeckRS 2010, 28287, weil der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung habe und „für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht zwingend Rückstellungen gebildet werden“ müssten, Rdn 5. Ebenso LG Frankfurt 19.6.2008 – 3-05 O 158/07, NZG 2009, 149, 150 re Sp (wieder „Kirch/Deutsche Bank“, diesmal betr den in gleicher Weise problembehafteten Jahresabschluss 2006). 230 Schulze-Osterloh ZIP 2008, 2241, 2245; ebenfalls kritisch K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 16; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 65; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 35 Abs 4. 231 OLG Frankfurt/Main 24.6.2009 – 23 U 90/07, AG 2009, 542, 548 li Sp („Kirch/Deutsche Bank“ betr den Jahresabschluss 2003), wo dann aber eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Überbewertung aus anderen Gründen verneint wird. 232 OLG Frankfurt 12.11.2013 – 5 U 14/13, ZIP 2013, 2403, 2405 („Kirch/Deutsche Bank“ betr den Jahresabschluss 2011) ; ebenso als Vorinstanz LG Frankfurt 18.12.2012 – 3-05 O 93/12, AG 2013, 178, 179 (Rdn 36). Kritisch Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 35 Abs 4. 233 Ebenso Schulze-Osterloh ZIP 2008, 2241, 2243, 2245; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 20; im selben Sinne KK/A Arnold3 Rdn 73; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 16. Nicht eindeutig Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 65. 234 So aber OLG Frankfurt/Main 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 f; LG Frankfurt 19.6.2008 – 3-05 O 158/07, NZG 2009, 149, 150 re Sp; Jungius/A. Schmidt DB 2012, 1697, 1700 ff; Wichmann SteuerJournal 2005, 29, 33 li Sp; Wolf StuB 2009, 909, 913. Kritisch gegen diese Sichtweise zu Recht SchulzeOsterloh ZIP 2008, 2241, 2244 f.

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Nichtigkeit | § 256

Verlustvortrags. Das Verhältnis zwischen (a) dem Betrag der Überbewertung und (b) dem Ausschüttungsspielraum ist daher die wichtigste Relation. Entsprechend verhält es sich mit einem negativen Ausschüttungsspielraum, also wenn durch die Überbewertung eine Unterbilanz untertrieben dargestellt wird (vgl Rdn 86 aE); hier kommt es auf das Verhältnis zwischen der bilanziell abgebildeten und der richtigerweise abzubildenden Unterbilanz an. Nach demselben Muster ist die Lage zu beurteilen, wenn ein Verlust oder Verlustvortrag, der ausschüttungssperrende Rücklagen aushöhlt, zu gering abgebildet ist. (5) Störung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses durch wesentli- 88a che Überbewertungen. Der Informationsgehalt des Jahresabschlusses spielt dagegen im vorliegenden Zusammenhang keine so wichtige Rolle. Eine Störung der Informationsfunktion muss schon besonders schwer wiegen und das Gesamtbild von der Lage der Gesellschaft erheblich beeinträchtigen, um nichtigkeitsbegründend ins Gewicht zu fallen (Rdn 26, 68, 95). Das gilt auf der informationellen Ebene auch für die Überbewertung. Meistens kommt es hierauf nicht an, weil Überbewertungen in aller Regel das Ausschüttungspotenzial der Gesellschaft zu groß abbilden und sich damit an der Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses und am Gläubigerschutz vergreifen, so dass schon vergleichsweise geringfügige Verstöße den Abschluss nichtig machen können (Rdn 85, 88). Anders liegt es ausnahmsweise bei einer bilanzpostenübergreifenden Kompensation von Bewertungsfehlern, das heißt wenn ein Bilanzposten überbewertet und ein anderer entsprechend unterbewertet ist (vgl Rdn 75). Das ist unter dem Gesichtspunkt der Ausschüttungsbemessung und des Gläubigerschutzes entgegen herrschender Meinung unschädlich (vgl Rdn 75) und stört allein die Informationsfunktion des Jahresabschlusses, so dass dieser nur dann nichtig ist, wenn die Bewertungsfehler wesentlich sind. (6) Bedeutungsverlust der Überbewertung bei nachträglicher Korrektur in lau- 89 fender Rechnung. Eine Überbewertung verliert an Gewicht, wenn die Gesellschaft den Bewertungsmangel in laufender Rechnung korrigiert, also in einem späteren Jahresabschluss für die Zukunft überwindet, und wenn bis dahin auf der Grundlage des früheren, unrichtigen Jahresabschlusses noch keine Gewinne ausgeschüttet worden sind, die bei richtiger Rechnungslegung nicht hätten ausgeschüttet werden dürfen (vgl Rdn 27 ff). Die Gesellschaft nimmt etwa eine Abschreibung, die schon im Vorjahr geboten war, im Folgejahr vor. Man kommt nicht umhin, solche nachträglichen Veränderungen auch im Hinblick auf die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zu berücksichtigen.235 Das ergibt sich aus dem Rechtsgebot der Verhältnismäßigkeit (vgl Rdn 87 aE). Da es für die Gültigkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses auf die Umstände im Zeitpunkt seiner Feststellung ankommt (Rdn 4), ist und bleibt der Abschluss zwar nach § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 1 nichtig. Aber das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit entfällt.236 Die Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage setzt zwar ebenso wie die Anfech-

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235 Ebenso OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 996 (wo allerdings ein Kläger mit besonders übelem Leumund am Werke war); IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 19; Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16 2019, Kapitel B Rdn 383; grundsätzlich auch Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 368 f. Anders Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 390 und MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 61; skeptisch auch Kropff in: FS Budde, 1995, 341, 358. 236 OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 996 (vgl aber Fn 235); IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 19; Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16 2019, Kapitel B Rdn 383. Anders Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 390 und

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tungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse, der sie entlehnt ist, kein besonderes individuelles Rechtsschutzinteresse des klagenden Aktionärs oder Organmitglieds voraus, sondern die Klagebefugnis ist als objektives Kontrollrecht allgemein an die Aktionärs- oder Organstellung geknüpft (unten Rdn 222). Auch das erfordert jedoch ein allgemeines, objektiviertes Rechtsschutzbedürfnis.237 Dieses allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für eine Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage entfällt, wenn die in der Überbewertung liegende Gefahr regelwidriger Ausschüttungen sich in der Vergangenheit nicht realisiert hat und für die Zukunft gebannt ist. Gleiches gilt, wenn der Bewertungsmangel auf andere Weise durch Zeitablauf überholt wird, zum Beispiel wenn ein zu Unrecht nicht abgeschriebener Vermögensgegenstand später veräußert oder verbraucht ist, seine Überbewertung nicht mehr bilanziell fortwirkt, und noch keine Scheingewinne ausgeschüttet worden sind (vgl auch unten Rdn 237 zum Missbrauch des Klagerechts sowie Rdn 249 zum Abwarten der Heilung). (7) Einzelne Fallgestaltungen. Bei der Bewertung geht es nicht selten um Schätzungen und Prognosefragen, etwa ob im Hinblick auf mögliche künftige Entwicklungen eine Abschreibung vorgenommen238 oder eine Rückstellung gebildet werden muss (vgl schon oben Rdn 84). Ein Bewertungsfehler, der zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen kann, liegt hier nach Maßgabe des subjektiven Fehlerbegriffs nur vor, wenn die Schätzung oder Prognose nach den Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der Abschlusserstellung fehlerhaft war (Rdn 42 ff). Mitunter geht es bei Fragen nach der Abschlussnichtigkeit wegen Bewertungsfeh90a lern auch um Verstöße gegen das Realisationsprinzip (§ 252 Abs 1 Nr 4 Halbs 2 HGB). Eine Überbewertung und damit ein Grund für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann darin liegen, dass Entgeltforderungen aus Sachverkäufen aktiviert werden, obwohl die Lieferungen erst im Folgejahr stattfinden,239 denn nach dem Realisationsprinzip darf eine Kaufpreisforderung erst angesetzt werden, wenn der Kaufvertrag abgeschlossen und die Sache an den Käufer abgeliefert ist, so dass die Gefahr des zufälligen Untergangs (Preisgefahr) nach § 446 BGB auf den Käufer übergeht. Erst dann hat sich der Verkäufer die Kaufpreisforderung bestandsfest verdient. Ähnliche Fragen stellen sich, wenn eine vereinbarte Vergütung in Raten an die Gesellschaft zu leisten ist. Hier kommt es darauf an, ob von Anfang an eine Gesamtvergütungsforderung entstanden ist und die Ratentermine nur die Fälligkeiten betreffen, oder ob erst nach und nach in Höhe der jeweiligen Raten einzelne Forderungen entstehen. Im ersten Fall muss in Höhe der ganzen Vergütung eine Forderung aktiviert werden (wenn auch gegebenenfalls abgezinst bezüglich 90

_____ MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 61; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 40; kritisch hinsichtlich des Begründungsansatzes auch Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 368. 237 Auch OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff I.2.b) aE der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2005 spricht von „einem generell billigenswertem Rechtsverfolgungsinteresse“. Der Gedanke kling auch an in BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 30 ff, ZIP 2020, 1118, 1120 (betr Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage in KGaA). Vgl aber in gegenläufiger Richtung BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 10 ff, BGHZ 196, 195, 199 f, betr die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung, wonach das Rechtsschutzinteresse erst entfällt, wenn „eine Nichtigerklärung keinen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft, der Aktionäre sowie der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats mehr haben kann“. 238 BGH 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341, 348 f; OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B II 3 b) und 4 d) der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2008 f und 2011; RG 6.2.1920 – II 298/19, RGZ 98, 112; RG 15.10.1909 – II 717/08, RGZ 72, 33. Allgemein hierzu W Müller Liber amicorum Happ, 2006, 179, 181 ff. 239 LG Düsseldorf 26.2.1988 – 40 O 255/80, AG 1989, 140, 141 f.

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der künftigen Fälligkeiten), wohingegen im zweiten Fall nur die schon entstandenen Teilforderungen angesetzt werden dürfen.240 In diesen Zusammenhang gehört auch ein Fall, den vor vielen Jahren das LG Düs- 90b seldorf zu beurteilen hatte, und in dem es um eine langfristige Bau-Auftragsfertigung ging. Die Gesellschaft hatte schon viele Teile des Bauwerks fertiggestellt, durfte aber diese Eigenleistungen in ihrer Bilanz nach damaligem Recht nicht aktivieren. Um gleichwohl zu einer Aktivierung zu kommen, wurde durch Scheingeschäfte so getan, als seien die fertigen Gebäudeteile von Subunternehmen entgeltlich für die Gesellschaft hergestellt worden. Das Gericht hat den hierauf gestützten Jahresabschluss zu Recht für nichtig erklärt, denn ein Scheingeschäft bringt keine Rechtsfolgen hervor, und dann darf man die angeblichen Folgen auch nicht im Jahresabschluss berücksichtigen,241 sonst ist der Abschluss wegen Verletzung von Ansatzregeln und Überbewertung fehlerhaft. Ebenso handelt es sich um eine Überbewertung, wenn angebliche Steuererstattungsansprüche der Gesellschaft aktiviert werden, die von der Finanzverwaltung bestritten sind und dem geltenden steuerrechtlichen Verständnis klar widersprechen242 (zur Bilanzierung bestrittener Forderungen auch unten Rdn 100). Eine Überbewertung liegt des Weiteren vor, wenn in der Unternehmensgruppe un- 91 rechtmäßig Vermögen verschoben wird und eine Gesellschaft Vermögensgegenstände aktiviert, die gar nicht ihr gehören, sondern einem anderen Gruppenunternehmen, oder wenn die Gesellschaft Gegenstände zurückgewähren muss, aber hierfür keine Verbindlichkeit oder Rückstellung ansetzt 243 (vgl Rdn 81, 101). Ebenso handelt es sich um eine Überbewertung, wenn nicht bestehende Dividendenansprüche gegen ein anderes Unternehmen aktiviert werden, an dem die Gesellschaft beteiligt ist 244 (vgl Rdn 102). Oder die Gesellschaft verlagert verlustbringende Tätigkeiten auf ein Tochterunternehmen, unterlässt aber eine gebotene Abschreibung auf den Buchwert der Anteile an der Tochter.245 Auch sonst kann eine anhaltend schlechte Ertragslage von Tochterunternehmen Grund für eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung sein und der Muttergesellschaft eine außerplanmäßige Abschreibung gebieten (§ 253 Abs 3 Satz 5 HGB), deren Unterlassen zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Überbewertung führen kann.246 Im Vertragskonzern kann eine Überbewertung auf Seiten der Muttergesellschaft schließlich auch darin liegen, dass Verlustausgleichs-Verpflichtungen gegenüber einer Tochtergesellschaft (§ 302) zu gering angesetzt sind.247 Die Höhe einer solchen Verpflichtung entspricht dem Jahresfehlbetrag der Tochter. Hierfür kommt es nach vorwaltender Ansicht auf den Jahresabschluss dieser Gesellschaft an, wie er bei zutreffender Bilanzierung aussieht oder aussehen würde, und nicht auf einen fehlerhaften Abschluss (siehe unten Rdn 212). So können im Vertragskonzern Überbewertungen bei der Tochter auf die Mut-

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240 Unter anderem hierum ging es im Fall OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B II 4 der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2009 ff. 241 LG Düsseldorf 26.2.1988 – 40 O 255/80, AG 1989, 140, 141. 242 LG Stuttgart 29.12.2000 – 5 KfH O 148/00, DB 2001, 1025 f. 243 LG Stuttgart 11.4.1994 – 6 KfH O 169/93, AG 1994, 473, 474 li Sp. 244 LG Mainz 16.10.1990 – 10 HO 57/89, DB 1990, 2361, 2364 re Sp; auch BGH 3.11.1975 – II ZR 67/73, BGHZ 65, 230, 234 ff, wo allerdings nicht § 256 Abs 5 Nr 1 als Beurteilungsmaßstab herangezogen wird, sondern Abs 1 Nr 1 (Gläubigerschutz). 245 Schedlbauer DB 1992, 2097, 2102 re Sp. 246 So vom Jahresabschluss-Nichtigkeitskläger behauptet, aber nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen im Fall LG München I 22.12.2012 – 5 HK O 12398/08, Ziff I. 2. b) (2) (a) der Entscheidungsgründe, AG 2012, 386, 837 f. 247 OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177.

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ter durchschlagen. (Vgl auch unten Rdn 101 f zur Unterbewertung in der Unternehmensgruppe und im Konzern.) cc) Unterbewertung (Abs 5 Nr 2) (1) Begriff der Unterbewertung und Schutzzweck des Gesetzes. Eine Unterbewertung liegt nach der Legaldefinition des § 256 Abs 5 Satz 3 vor, wenn Aktivposten der Bilanz mit einem niedrigeren Wert angesetzt sind, als nach den Regeln des Bilanzrechts zulässig ist, oder wenn Passivposten (außer dem Eigenkapital, Rdn 83) mit einem höheren Betrag als zulässig angesetzt sind. Maßgebend ist auch hier der jeweils höchste oder niedrigste Wert, der gesetzlich und unter Beachtung der von der Gesellschaft angewendeten Bewertungsmethoden zulässig ist.248 Werden Aktivposten zu niedrig angesetzt, erscheint das Vermögen der Gesellschaft zu gering, so dass diese bei gegebenem Fremdkapital ein zu niedriges Eigenkapital ausweist. Und wenn auf der Passivseite der Bilanz Fremdkapitalposten zu hoch angesetzt sind, erscheint bei gegebenem Vermögen das Eigenkapital ebenfalls zu gering. Es wird Gesellschaftsvermögen, dessen Wert den Aktionären als Eigenkapitalgebern zugeordnet ist, bilanziell ausgeblendet, und die Ausschüttungsschranken der Kapitalerhaltung werden zu hoch angesetzt. Außerdem führen Unterbewertungen, die erstmals für das Berichtsjahr vorkommen, zu einem untertriebenen Ergebnisausweis. Einem Verstoß gegen Bewertungsregeln steht der Verstoß gegen Ansatzregeln gleich; das gilt bei der Unterbewertung 249 ebenso wie bei der Überbewertung (Rdn 84, auch 77 ff). Der Jahresabschluss kann also nach dem Sinn und Zweck des § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 auch dann wegen Unterbewertung nichtig sein, wenn eine gebotene Aktivierung ganz unterblieben ist,250 oder wenn auf der Passivseite der Bilanz nicht existierende Verbindlichkeiten oder ähnliche Positionen erscheinen, zum Beispiel grundlose Rückstellungen.251 Die Bestimmung des § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 über die Nichtigkeit des Jahresabschlus93 ses wegen Unterbewertung schützt nicht spezifisch die Gesellschaftsgläubiger (Rdn 72, auch 49). Sie schützt auch nicht die Ausschüttungsinteressen der Aktionäre (Rdn 20); hierfür ist vielmehr die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung nach §§ 258–261a der angemessene Schutzbehelf.252 Es geht bei der Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Unterbewertung nicht um die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses, wie bei der Überbewertung, sondern um die Informationsfunktion (vgl Rdn 20, 26, 72). Das zeigt sich besonders deutlich daran, dass nach § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 die Unterbewertung nur dann zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt, wenn „dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird“. Der Nichtigkeitstatbestand umfasst hier zusätzlich zur 92

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248 Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 38. 249 Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 50; KK/Zöllner1 Rdn 47; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 68. 250 BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 384 f (betr phasengleiche Gewinnansprüche einer GmbH gegen ihre Tochtergesellschaft); BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 119 (betr Schadensersatzanspruch gegen herrschendes Unternehmen); BGH 30.9.1996 – II ZR 51/95, NJW 1997, 196 re Sp (betr Software-Lizenzen einer GmbH); Kropff ZGR 1994, 628, 636. Hiervon ausgehend auch BGH 21.7.1994 – II ZR 82/93, ZIP 1994, 1259, 1260. 251 BGH 23.9.1991 – II ZR 189/90, AG 1992, 58, 59 re Sp (für GmbH); hiervon ausgehend auch OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.3.4. ff der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2169 f (betr GmbH & Co KG). 252 T Bezzenberger WM 2020, 2093, 2096 f, 2098 re Sp.

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Unterbewertung noch zwei weitere Elemente, und zwar ein objektives (Wesentlichkeit) und ein subjektives (Vorsatz).253 (2) Informationelle Wesentlichkeit der Unterbewertung. Um die Nichtigkeit des 94 Jahresabschlusses zu begründen, darf die Fehlinformation, die von der Unterbewertung ausgeht, nicht auf den einzelnen Bilanzposten beschränkt bleiben; sie muss vielmehr auf das Gesamtbild der Lage der Gesellschaft ausstrahlen. Mit dem Begriff der „Vermögens- und Ertragslage“ der Gesellschaft, deren Abbildung durch die Unterbewertung beeinträchtigt sein muss, war beim Erlass des AktG 1965 dasjenige gemeint, was heute Vermögens-, Finanz- und Ertragslage heißt (§ 264 Abs 2 Satz 1 HGB); man muss daher die Finanzlage in den Tatbestand des § 256 Abs 5 Nr 2 mit einbeziehen.254 Es genügt, wenn sich die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung nur entweder auf die Vermögenslage oder auf die Ertragslage bezieht255 oder auch auf die Finanzlage, weil ein informationell tauglicher Jahresabschluss die Lage der Gesellschaft in allen diesen Hinsichten richtig abbilden muss. Die Begriffe der unrichtigen Wiedergabe und der Verschleierung überschneiden sich und gehen ineinander über. Eine unrichtige Wiedergabe liegt namentlich vor, wenn Tatsachen oder Bezüge vorgespiegelt sind, die es nicht gibt, und damit positiv falsche Informationen erteilt werden. Eine Verschleierung liegt demgegenüber im Verschweigen vorhandener Tatsachen oder Bezüge, die dargestellt werden müssten, oder auch darin, dass diese Gehalte für einen normalen Abschlussadressaten missverständlich oder unverständlich dargeboten werden.256 Nicht selten heißt es, dass eine Unterbewertung den Jahresabschluss schon dann 95 nichtig mache, wenn sie ihrem Umfang nach nicht bedeutungslos ist,257 ähnlich wie bei der Überbewertung (oben Rdn 85). Das ist jedoch zumindest missverständlich formuliert. Es muss sich vielmehr bei der Unterbewertung ähnlich wie bei den Gliederungsmängeln (Rdn 68) positiv um Verstöße von besonderer Tragweite handeln, so dass die Lage der Gesellschaft in wesentlichen Hinsichten anders als bei richtiger Bilanzierung erscheint und der Jahresabschluss insgesamt wegen der Unterbewertung kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild mehr vermittelt258 (Vgl schon Rdn 26). Maßgebend hierfür ist das Verhältnis der Unterbewertung zu den Schlüsselgrößen des Jahresabschlusses, wie namentlich der Bilanzsumme, dem Eigenkapital und dem Ergebnis. Feste Zahlenrelationen lassen sich nicht nennen; es kommt auf den Einzelfall an. Eine Unterbewertung, die mangels hinreichender Bedeutung keine Nichtigkeit des 96 Jahresabschlusses nach sich zieht, hat der BGH in einem Fall angenommen, in dem die Abweichung nur 4,4 % des Bilanzgewinns ausmachte.259 Und die Münchener Gerichte haben Jahresabschlüsse durchgehen lassen, in denen die vom Kläger behauptete Unterbewertung im Verhältnis zum Jahresüberschuss weniger als 6 % betrug, im Verhältnis

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253 Ähnlich Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 69. 254 Schulze-Osterloh ZIP 2008, 2241, 2244. 255 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 51; Zöllner in Kölner Komm AktG1 Rdn 49; Schwab in K Schmidt/Lutter4 Rdn 19; Rölike in Spindler/Stilz4 Rdn 70; Großkomm/Schilling3 Anm 17. 256 Ähnlich Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 70; KK/Zöllner1 Rdn 50. 257 BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 385 (betr GmbH); Schedlbauer DB 1992, 2097, 2099 f; Wichmann Steuer-Journal 2005, 29, 33. Hierhin tendierend auch OLG München 7.1.2008 – 7 U 3773/07, WM 2008, 876, 877 ff; LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 538 re Sp als Vorinstanz (vgl aber auch Fn 258); Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 68. 258 Kropff ZGR 1994, 628, 636, 638; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 148 li Sp. Vgl auch LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 539 li Sp („wesentliche[] Überbewertung von Passivposten“ erforderlich). 259 BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 385 (betr GmbH); zustimmend K Schmidt/Lutter/ Schwab4 Rdn 17.

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zur Bilanzsumme knapp 0,1 % und in Relation zum bilanziellen Eigenkapital ungefähr 0,4 %260 Hier wäre die Nichtigkeitssanktion in der Tat unangemessen. Außerdem verliert eine Unterbewertung ähnlich wie andere Inhaltsmängel des Jahresabschlusses an Gewicht, wenn der Abschlussmangel später in laufender Rechnung, also in einem nachfolgenden Jahresabschluss, für die Zukunft überwunden und hierbei klargestellt wird, dass der frühere Abschluss fehlerhaft war (Rdn 29). Das kann einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses das Rechtsschutzbedürfnis nehmen (vgl Rdn 237, auch Rdn 89). 97

(3) Der Vorsatz, von dem § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Unterbewertung des Weiteren abhängig macht, muss sich sowohl auf die Unterbewertung des konkreten Bilanzpostens beziehen261 als auch auf die insgesamt unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Lage der Gesellschaft.262 Die Lage der Gesellschaft muss nämlich nach dem objektiven Tatbestand § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 durch die Unterbewertung unrichtig wiedergegeben oder verschleiert werden, und der Vorsatz muss sich nach allgemeinen Regeln auf alle objektiven Tatbestandselemente beziehen, hier also auf die Unterbewertung, die Verfälschung des Bildes von der Lage der Gesellschaft und den dazwischen bestehenden Zusammenhang. Der Vorsatz erfordert nach den Worten des OLG Düsseldorf, „daß die objektiv etwa vorhandene Unterbewertung nicht etwa auf eine falsche Bewertung der wirtschaftlichen Lage oder ein Mißverstehen der Bilanzierungsvorschriften zurück[geht], sondern daß die zuständigen Organe der [Gesellschaft] sich der objektiven Unrichtigkeit der Bewertung bewußt waren und sie gleichwohl so vorgenommen haben.“263 Da die Unrichtigkeit der Bewertung und die Verfälschung des Bildes von der Lage der Gesellschaft normative Gehalte sind, gehört zum Vorsatz auch das Bewusstsein normwidrigen Handelns.264 Bedingter Vorsatz genügt.265 Diejenigen, die den falschen Jahresabschluss ins Werk setzen, brauchen also dessen Mängel und die verletzten Regeln nicht im Einzelnen zu kennen, sondern es reicht aus, wenn sie die wesentlichen Zusammenhänge verstehen oder ahnen und sowohl eine Unterbewertung als auch ein deswegen falsches Gesamtbild für möglich halten und in Kauf nehmen. Dagegen fehlt es am Vorsatz, wenn die Organmitglieder bei der falschen Bilanzierung auf eine frühere Rechtsprechung vertraut haben266 oder auf fachkundigen externen Rat267 oder aus sonstigen Gründen der Meinung waren, ihre Bilanzierung sei richtig.

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260 LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 538 f; im Ergebnis gebilligt von OLG München 7.1.2008 – 7 U 3773/07, WM 2008, 876, 877 f als Berufungsinstanz. 261 OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196 re Sp; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 52. 262 OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.3.4.2. und 1.2.4. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2170 li Sp, betr GmbH & Co KG (die „Falschbilanzierung als tatbestandsmäßiger Erfolg der Unterbewertung“ muss vom Vorsatz abgedeckt sein). Allein auf die Verschleierung der Lage der Gesellschaft abstellend K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 20; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 71; Bürgers/ Körber/Schulz4 Rdn 18. 263 OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196 re Sp; zustimmend Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 52. 264 In diesem Sinne BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 384 f (betr GmbH). Anders KK/Zöllner1 Rdn 49. 265 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 120; BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 385; OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.3.4.2. und 1.2.4. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2170 li Sp (betr GmbH & Co KG); OLG Celle 7.9.1983 – 9 U 34/83, AG 1984, 266, 270 re Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 52; MünchKomm/J Koch4 Rdn 62; Kropff ZGR 1994, 628, 639. 266 BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 384 ff; MünchKomm/J Koch4 Rdn 62; K Schmidt/Lutter/ Schwab4 Rdn 20. 267 OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.4.1. … 1.2.4.3. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2170 (betr GmbH & Co KG); LG Düsseldorf 20.4.2010 – 25 O 127/07, juris, Rdn. 68. Vgl auch BGH

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Bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung kann der Vorsatz 98 auf Seiten des Vorstands oder des Aufsichtsrats vorliegen.268 Eines von beiden genügt. Müssen innerhalb der Organe die Beschlüsse zum Jahresabschluss einstimmig fallen, so schadet es bereits, wenn nur ein Mitglied vorsätzlich handelt.269 Bei Mehrheitsentscheidungen genügt es, wenn Vorsatz bei den maßgeblich beteiligten Personen vorliegt, etwa dem Finanzvorstand oder dem Vorsitzenden eines Bilanzausschusses des Aufsichtsrats,270 oder bei einem für das Zustandekommen der Mehrheit erforderlichen Teil der Abstimmenden. Letzteres gilt ebenfalls, wenn der Jahresabschluss durch die Hauptversammlung festgestellt wird; oder es muss in diesem Fall schon die Vorlage des Vorstands vorsätzlich falsch sein.271 Die Beweislast für den Vorsatz liegt im Prozess bei demjenigen, der sich auf die Nichtigkeit des Jahresabschlusses beruft.272 Die Gesellschaft und ihre Organe tragen aber eine sekundäre Behauptungslast, weil sie den Tatsachen näher stehen,273 und müssen daher den vom Prozessgegner behaupteten Vorsatz substantiiert bestreiten, sonst ist ihr Gegenvortrag unbeachtlich (vgl unten Rdn 233). (4) Einzelne Fallgestaltungen. Zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Un- 99 terbewertung kommt es praktisch nur bei schwerwiegenden Vermögens- oder Gewinnmanipulationen nach unten.274 Das ist auf verschiedene Weisen möglich. Der Jahresabschluss kann zum Beispiel nichtig sein, wenn in den Worten des BGH „Rückstellungen … ausgewiesen sind, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig waren“.275 Eine Unterbewertung liegt weiter vor, wenn übertrieben abgeschrieben wird, oder wenn aktivierungspflichtige Vermögensgegenstände nicht aktiviert werden, so dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu Unrecht das bilanzielle Vermögen und das Ergebnis mindern, oder wenn Vermögensgegenstände und namentlich Gegenstände des Umlaufvermögens mengenmäßig nicht voll erfasst sind oder die Anschaffungs- und Herstellungskosten durch Weglassen von Kostenbestandteilen unzulässig verkürzt ausgewiesen werden.276 Eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Unterbewertung kann sich auch dar- 100 aus ergeben, dass Forderungen der Gesellschaft gegen andere Personen oder Unternehmen im Jahresabschluss nicht berücksichtigt sind. Das betrifft namentlich die Beziehungen der Gesellschaft zu ihren Organmitgliedern und Aktionären sowie vor allem in der Unternehmensgruppe. Zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann es etwa führen, wenn die Gesellschaft offene Einlageforderungen gegen Aktionäre hat oder Rückgewähransprüche wegen unrechtmäßiger Entnahmen (§ 62) oder Schadensersatzforderungen gegen Aktionäre, Organmitglieder oder ein herrschendes Unternehmen, aber diese Ansprüche in der Bilanz der Gesellschaft nicht erscheinen.277 Doch hier ist in Sa-

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20.9.2011 – II ZR 234/09, Rdn 16 ff, AG 2011, 876, 877 f („ISION“) sowie Großkomm/Hopt/Roth5 § 93 Rdn 109 f, 139 ff zur Enthaftung von Organmitgliedern bei Vertrauen auf Rechtsrat. 268 KK/Zöllner1 Rdn 48; MünchKomm/J Koch4 Rdn 62; im selben Sinne KK/A Arnold3 Rdn 77. 269 KK/Zöllner1 Rdn 48. 270 MünchKomm/J Koch4 Rdn 62; KK/Zöllner1 Rdn 48. 271 KK/Zöllner1 Rdn 89; auch OLG Celle 7.9.1983 – 9 U 34/83, AG 1984, 266, 270 re Sp; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 31. 272 Siehe die Nachw in Fn 711. 273 MünchKomm/J Koch4 Rdn 62. 274 Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 52. 275 BGH 23.9.1991 – II ZR 189/90, AG 1992, 58, 59 re Sp (für GmbH); in gleichem Sinne OLG Celle 7.9.1983 – 9 U 34/83, AG 1984, 266, 268 ff. 276 Schedlbauer DB 1992, 2097, 2100. 277 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 119; BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 385 (betr GmbH); OLG München 7.1.2008 – 7 U 3773/07, WM 2008, 876, 877 f sowie LG München I 12.4.2007 –

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chen Abschlussnichtigkeit Vorsicht geboten.278 Oft sind solche Ansprüche unsicher und die Sachverhalte schwer aufzuklären. Der bilanzrechtliche Grundsatz der Vorsicht gebietet es, Ansprüche auf Schadensersatz oder Rückgewähr nur dann zu aktivieren, „wenn sie für den Kaufmann hinreichend sicher und konkretisiert sind“.279 Bestrittene Forderungen dürfen sogar nach herrschender Ansicht in der Regel erst nach Rechtskraft eines Urteils oder nach Einigung mit dem Schuldner im Jahresabschluss berücksichtigt werden.280 Die Ansprüche der Gesellschaft müssen außerdem wesentliche Bedeutung für die Gesamtlage der Gesellschaft haben, wenn ihre Nichtberücksichtigung abschlussnichtigkeitsrelevant sein soll. Nach diesen Maßstäben wird in den hier angesprochenen Fällen eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Unterbewertung sehr oft zu verneinen sein.281 Eher schon können solche Vorgänge den Jahresabschluss eines beteiligten oder 101 herrschenden Unternehmens gefährden, das gegenüber der Gesellschaft in der Schuld ist. Sind hier die Einlage-, Rückgewähr- oder Schadensersatzpflichten gegenüber der benachteiligten Gesellschaft nicht passiviert und auch keine Rückstellungen hierfür gebildet, obwohl mit der Geltendmachung solcher Ansprüche zu rechnen und die Sache ernst zu nehmen ist, oder sind gar „gestohlene“ Vermögensgegenstände angesetzt, die dem herrschenden Unternehmen gar nicht gehören, so ist dies eine Überbewertung, die nach § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 1 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen kann,282 und zwar viel leichter als eine Unterbewertung (vgl oben Rdn 81, 91). Eine Unterbewertung kann schließlich auch darin liegen, dass Gewinnausschüt102 tungsansprüche einer Muttergesellschaft gegen ihre Tochtergesellschaft im Jahresabschluss der Mutter zu Unrecht nicht berücksichtigt sind. Zumindest im Falle einer 100 %igen Beteiligung muss nämlich die Muttergesellschaft den bei der Tochtergesellschaft erzielten und zur Ausschüttung vorgesehenen Gewinn noch für dasselbe Geschäftsjahr im Jahresabschluss ausweisen, wenn die Geschäftsjahre beider Unternehmen deckungsgleich sind und in der Tochtergesellschaft die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnausschüttung beschlossen wurden, bevor bei der Muttergesellschaft die Prüfung des Jahresabschlusses abgeschlossen ist.283 Wenn Gewinnausschüttungsan-

_____ 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 538 li Sp als Vorinstanz; OLG Köln 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110, 112 f; hiervon ausgehend auch OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.1.1. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2167 (betr GmbH & Co KG); LG Düsseldorf 20.4.2010 – 25 O 127/07 (juris) Rdn 63 ff; aus dem Schrifttum Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 9 ff; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 24 aE, 31 aE; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 6; ferner Greifenhagen FS Ludewig, 1996, S 303, 317 ff. Im Ansatz ebenso Kropff ZGR 1994, 628, 636 ff; H-P Müller AG 1994, 410 f. 278 OLG München 7.1.2008 – 7 U 3773/07, WM 2008, 876, 877 f sowie LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 538 li Sp als Vorinstanz; Kropff ZGR 1994, 628, 636 ff; Schön JZ 1994, 684; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 50; H-P Müller AG 1994, 410 f; auch BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, Rdn 31, BGHZ 170, 283, 297 f, betr KG. 279 OLG München 7.1.2008 – 7 U 3773/07, WM 2008, 876, 878 li Sp, auch 877; LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 538 li Sp als Vorinstanz; beide in Anknüpfung an Baumbach/Hopt/Merkt34 § 252 HGB Rdn 20 (dort ebenso jetzt in der 39. Aufl). 280 BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, Rdn 31, BGHZ 170, 283, 297 f, betr KG: streitige Erstattungsansprüche „erst nach ihrer Titulierung“ aktivierungsfähig; im selben Sinne BGH 16.2.2009 – II ZR 185/07, Rdn 48, BGHZ 180, 9, 34 f („Kirch/Deutsche Bank“); BFH 26.4.1989 – I R 147/84, BFHE 157, 121, 123 f; LG Stuttgart 29.12.2000 – 5 KfH O 148/00, DB 2001, 1025, 1026; Baumbach/Hopt/Merkt39 § 252 HGB Rdn 10. 281 Kropff ZGR 1994, 628, 636 ff; Schön JZ 1994, 684; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 50. 282 LG Stuttgart 11.4.1994 – 6 KfH O 169/93, AG 1994, 473, 474 li Sp. 283 BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 379 ff („Tomberger“), betr GmbH; gebilligt von EuGH, 27.6.1996 – Rs C-234/94, Slg 1996 I, S 3133; BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283, 294 f, Tz 26, betr KG. Anders BFH 7.8.2000 – GrS 2/99, BFHE 192, 339, 344 ff = BStBl II 2000, 632 (grundsätzlich keine

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sprüche der Muttergesellschaft entgegen diesem Gebot der phasengleichen Gewinnaktivierung nicht im Jahresabschluss berücksichtigt werden, kann dies den Abschluss wegen Unterbewertung nichtig machen.284 Und wenn umgekehrt die Muttergesellschaft in ihrem Abschluss Gewinnansprüche ansetzt, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen, ist der Abschluss wegen Überbewertung nichtig (Rdn 91). Dagegen liegt auf der Ebene der Muttergesellschaft grundsätzlich keine Unterbewertung vor, wenn in Tochtergesellschaften Vermögen und Gewinne unrechtmäßig thesauriert werden, denn was die Tochter nicht ausschüttet, kann die Mutter in ihrem Jahresabschluss nicht ausweisen.285 dd) Schwebende Fusionen (1) Kartellrecht. Besondere Fragen können sich stellen, wenn die Gesellschaft ein 103 anderes Unternehmen oder eine Beteiligung erwirbt und dies einer kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle nach der Europäischen Fusionskontrollverordnung (EGFKVO)286 oder nach den §§ 35 ff des deutschen GWB unterliegt. Ein solcher Zusammenschluss darf nicht vollzogen werden, solange er nicht von der Kartellbehörde freigegeben ist, oder bevor die Fristen abgelaufen sind, innerhalb derer die Behörde den Zusammenschluss untersagen kann (Art 7 Abs 1 EG-FKVO, § 41 Abs 1 Satz 1 GWB). Gleichwohl vorgenommene Vollzugsgeschäfte sind nach § 41 Abs 1 Satz 1 GWB grundsätzlich unwirksam, das heißt schwebend unwirksam,287 und werden von Anfang an wirksam, wenn die Kartellbehörde den Zusammenschluss freigibt oder die Untersagungsfristen untätig verstreichen lässt.288 In gleichem Sinne bestimmt Art 7 Abs 4 EG-FKVO, dass die Wirksamkeit eines voreiligen und deshalb verbotenen Vollzugsgeschäfts von einer Freigabeentscheidung der Kartellbehörde oder vom ergebnislosen Fristablauf abhängt. Auch hier ist also das Geschäft zunächst schwebend unwirksam, und die Freigabe des Zusammenschlusses wirkt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück.289 Wenn während eines solchen Vorgangs ein Jahresabschluss dazwischenkommt, 103a darf die Gesellschaft einen Unternehmens- oder Beteiligungserwerb, der noch nicht wirksam vollzogen ist, grundsätzlich nicht in ihrem Jahresabschluss abbilden. Tut sie es dennoch, und setzt sie hierbei zu Unrecht Vermögensgegenstände an, die ihr nicht gehören, so verstößt dies gegen die bilanzrechtlichen Ansatzregeln und ist eine Überbewer-

_____ phasengleiche Aktivierung von Gewinnansprüchen im Konzern; Aktivierung bei der Mutter vielmehr erst im späteren Jahr der Ausschüttung). 284 BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 379 ff (betr GmbH); K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 6. 285 BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283, 294 ff, Tz 25 ff, betr KG. 286 Verordnung (EG) Nr 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, vom 20.1.2004, ABl EG Nr L 24, S 1. 287 Immenga/Mestmäcker/Thomas Wettbewerbsrecht5, Bd 2 GWB/Teil 1, 2014, § 41 GWB Rdn 53 ff; Loewenheim u.a./Riesenkampff/Steinbarth Kartellrecht3 § 41 GWB Rdn 5; Langen/Bunte/Kallfass Kartellrecht Kommentar, Bd 1 Deutsches Kartellrecht13, 2018, § 41 GWB Rdn 2. Ebenso zu § 24a GWB aF BGH 31.10.1978 – KZR 5/77, BB 1979, 387, 388 li Sp sowie als Vorinstanzen OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196 li Sp und LG Düsseldorf 8.4.1976 – 38 O 149/75, AG 1976, 162, 163. 288 Immenga/Mestmäcker/Thomas5 § 41 GWB Rdn 53, 55, 59; OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196 li Sp zu § 24a GWB aF mit zustimmender Anmerkung von Timm, aaO S 197 f. Anders LG Düsseldorf 8.4.1976 – 38 O 149/75, AG 1976, 162, 163 re Sp. Offen BGH 31.10.1978 – KZR 5/77, BB 1979, 387, 388 li Sp. 289 Immenga/Mestmäcker/Körber Wettbewerbsrecht5, Bd 1. EU/Teil 2, 2012, Art 7 FKVO, 47; Loewenheim u.a./Ablasser-Neuhuber3 FKVO Art 7, 20.

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tung, die den Jahresabschluss nichtig macht.290 Gleiches gilt, wenn eine veräußernde Gesellschaft einen Veräußerungsgewinn vorzeitig als realisiert behandelt.291 Umgekehrt kann eine Unterbewertung vorliegen, wenn die erwerbende Gesellschaft übernommene Verbindlichkeiten voreilig in ihrer Bilanz ansetzt. Das muss aber nicht immer so sein. Hat die erwerbende Gesellschaft einen Zusam104 menschluss vollzogen, für den die kartellrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen am Abschlussstichtag noch nicht vorlagen, so darf und muss sie den Zusammenschluss in ihrem Jahresabschluss als geschehen und wirksam behandeln, wenn die Wirksamkeitsvoraussetzungen in dem anschließenden Zeitraum zwischen dem Abschlussstichtag und der Aufstellung oder Feststellung des Jahresabschlusses eintreten,292 also wenn die Kartellbehörde bis dahin den Zusammenschluss freigibt oder die Untersagungsfrist ergebnislos abläuft. Denn diese Umstände wirken auf den Zeitpunkt der Vornahme des Vollzugsgeschäfts zurück (Rdn 103) und müssen daher im Jahresabschluss berücksichtigt werden. Es steht ja nunmehr bei der Erstellung des Jahresabschlusses fest, dass der Zusammenschluss am Abschlussstichtag wirksam war. 105 Selbst wenn der Zusammenschluss im Zeitpunkt, in dem der Jahresabschluss ins Werk gesetzt wird, noch nicht wirksam geworden ist, kann die Gesellschaft ausnahmsweise den Zusammenschluss nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung (§ 246 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2)293 im Jahresabschluss als geschehen und gegeben behandeln, wenn das Unternehmen oder die Unternehmensteile oder Anteile, auf die sich der Erwerb bezieht, tatsächlich in das Unternehmen der erwerbenden Gesellschaft eingefügt wurden und hierdurch Fakten geschaffen sind, an denen der Jahresabschluss sinnvollerweise nicht mehr vorbeigehen kann. So liegt es insbesondere, wenn die Gesellschaft an dem Zusammenschluss festhalten will,294 und die begründete Aussicht besteht, dass er letzten Endes Bestand haben wird.295 In solchen Fällen darf die erwerbende Gesellschaft den Erwerb im Jahresabschluss ausweisen,296 und die veräußernde Gesellschaft darf einen Veräußerungsgewinn als realisiert behandeln.297 106

(2) Verschmelzungsrecht. Auch eine zivilrechtlich hängende Verschmelzung kann die übernehmende Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen in ihrem Jahresabschluss als geschehen behandeln. Bei der Verschmelzung (§§ 2 ff UmwG) geht das Aktiv- und Passivvermögen des übertragenden Rechtsträgers zivilrechtlich erst dann auf den übernehmenden Rechtsträger über, wenn die Verschmelzung in das Register des übernehmenden Rechtsträgers eingetragen ist (§ 20 Abs 1 UmwG). Die Registereintra-

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290 Ebenso BGH 31.10.1978 – KZR 5/77, BB 1979, 387, 388, wo allerdings nicht speziell auf § 256 Abs 5 abgestellt wird; OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196 sowie LG Düsseldorf 8.4.1976 – 38 O 149/75, AG 1976, 162, 164, wo auf § 256 Abs 4 (Gliederungsverstoß) abgestellt wird (vgl hierzu aber oben Rdn 64); MünchKomm/J Koch4 Rdn 52. 291 LG Frankfurt/Main 3.5.2001 – 3/6 O 135/00, AG 2002, 297. 292 Der genaue Zeitpunkt ist umstritten, vgl oben Rdn 42, 45. 293 Vgl allgemein zur wirtschaftlichen Zurechnung im Jahresabschluss Staub/Kleindiek5 § 246 HGB Rdn 40 ff; aus früherer Zeit auch Adler/Düring/Schmaltz 6 § 246 HGB Rdn 262 ff; Knobbe-Keuk Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9 S 68 ff. 294 In gleichem Sinne BGH 31.10.1978 – KZR 5/77, BB 1979, 387, 388 für einen besonders gelagerten Fall; ebenso mit Nachdruck OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196 re Sp als Vorinstanz. Sehr zurückhaltend dagegen LG Düsseldorf 8.4.1976 – 38 O 149/75, AG 1976, 162, 164 als Eingangsinstanz. 295 Auch hierauf abstellend BGH 31.10.1978 – KZR 5/77, BB 1979, 387, 388. 296 BGH 31.10.1978 – KZR 5/77, BB 1979, 387, 388; OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196. Anders LG Düsseldorf 8.4.1976 – 38 O 149/75, AG 1976, 162, 164 re Sp (allenfalls Umlaufvermögen) mit kritischer Anmerkung von Forster aaO S 164 f. 297 Ausweichend und offen lassend LG Frankfurt/Main 3.5.2001 – 3/6 O 135/00, AG 2002, 297.

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gung wirkt nicht zurück, sondern entfaltet nur Wirkungen für die Zukunft. Im Verschmelzungsvertrag muss jedoch ein Verschmelzungsstichtag bestimmt werden, das heißt ein Zeitpunkt, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten (§ 5 Abs 1 Nr 6 UmwG), und zwar, wie die Europäische Gesellschaftsrechtsrichtlinie bestimmt, speziell „unter dem Gesichtspunkt der Rechnungslegung“ (Art 91 Abs 2 Buchstabe e).298 Liegt dieser Verschmelzungsstichtag vor dem Abschlussstichtag, oder fallen beide 107 Stichtage zusammen, und wird die Verschmelzung vor der Aufstellung oder Feststellung 299 des Jahresabschlusses in das Handelsregister eingetragen, so ist die Verschmelzung im Jahresabschluss der übernehmenden Gesellschaft bereits als geschehen zu berücksichtigen300 (vgl oben Rdn 104 zum Kartellrecht). Denn mit der Eintragung steht fest, dass die Verschmelzung Bestand hat und damit auch der Verschmelzungsstichtag. Jahresabschlüsse, die schon vor der Eintragung festgestellt worden sind, müssen und dürfen dagegen nicht umgeschrieben werden.301 Selbst wenn die Verschmelzung im Zeitpunkt, in dem der Jahresabschluss ins Werk 108 gesetzt wird, noch nicht im Handelsregister eingetragen ist, kann sie ausnahmsweise nach den Grundsätzen über die wirtschaftliche Vermögenszurechnung (§ 246 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 HGB) bereits im Jahresabschluss berücksichtigt werden, wenn die sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Verschmelzung schon vor dem Abschlussstichtag vorlagen, also damals schon der Verschmelzungsvertrag geschlossen war, die Verschmelzungsbeschlüsse der Anteilseignerversammlungen gefasst worden waren und die möglicherweise erforderlichen Zustimmungen einzelner Anteilseigner erteilt waren; außerdem muss die Eintragung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Aussicht stehen, und es muss sichergestellt sein, dass der übertragende Rechtsträger nur im Rahmen eines ordnungsmäßigen Geschäftsgangs oder mit Zustimmung der übernehmenden Gesellschaft über die Vermögensgegenstände verfügen kann.302 Berücksichtigt dagegen die übernehmende Gesellschaft die Verschmelzungsfolgen 108a in ihrem Jahresabschluss, bevor die Verschmelzung eingetragen ist und ohne dass die soeben angesprochenen Voraussetzungen gegeben sind, so verstößt sie damit gegen die bilanzrechtlichen Ansatzregeln,303 und der Jahresabschluss kann nach § 256 Abs 5 Nr 1 oder Nr 2 wegen fehlerhafter Wertansätze nichtig sein. ee) Branchenbezogene Sonderregeln. Nach § 256 Abs 5 Satz 4 liegt bei Aktienge- 109 sellschaften bestimmter Geschäftszweige „ein Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften nicht vor, soweit die Abweichung nach den für sie geltenden Vorschriften … zulässig

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298 Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (Kodifizierter Text), ABl EU Nr L 169, S 46; die zitierte Bestimmung stammt ursprünglich aus der Europäischen Verschmelzungsrichtlinie vom 9.10.1978 (78/855/EWG, ABl EG Nr L 295, v 20.10.1978, S 36), dort Art 5 Abs 2 Buchstabe e. 299 Der genaue Zeitpunkt ist umstritten, siehe oben Rdn 42, 45. 300 OLG Hamm 11.12.1991 – 8 U 135/91, ZIP 1992, 482, 483 („Kochs Adler II”); IDW RS HFA 42: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss, Abschnitt 3, Rdn 28 ff, WPg Supplement 4/2012, 91, 94 ff. 301 OLG Hamm 11.12.1991 – 8 U 135/91, ZIP 1992, 482, 483 („Kochs Adler II”); IDW RS HFA 42: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss, Abschnitt 3, Rdn 28 ff, WPg Supplement 4/2012, 91, 94 ff. 302 IDW RS HFA 42: Auswirkungen einer Verschmelzung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss, Abschnitt 3, Rdn 28 ff, WPg Supplement 4/2012, 91, 94 ff; Adler/Düring/Schmaltz6 § 246 HGB Rdn 303 f. 303 In diesem Sinne auch OLG Hamm 11.12.1991 – 8 U 135/91, ZIP 1992, 482, 483 („Kochs Adler II”), wonach bei angefochtenem Verschmelzungsbeschluss der Jahresabschluss ohne Berücksichtigung der Verschmelzung aufgestellt und festgestellt werden muss.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

ist“. Das betrifft Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute,304 Versicherungsunternehmen305 sowie Kapitalverwaltungsgesellschaften, die Investmentvermögen verwalten,306 und ist eigentlich selbstverständlich, denn wenn die Sonderregeln zur Bilanzierung, die für die genannten Unternehmen gelten, eingehalten sind, kann der Abschluss nicht wegen Normverstoßes nichtig sein. Dies gilt sowohl für die Bewertungsregeln als auch entsprechend für Ansatzvorschriften (vgl Rdn 77, 84, 92). e) Fehlerhafte Bildung oder Auflösung von Rücklagen (Abs 1 Nr 4) 110

aa) Begriffe, Gesetzessystematik und Schutzzwecke. Ein festgestellter Jahresabschluss ist wegen inhaltlicher Mängel auch dann nichtig, wenn „bei seiner Feststellung die Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über die Einstellung von Beträgen in Kapital- oder Gewinnrücklagen oder über die Entnahme von Beträgen aus Kapital- oder Gewinnrücklagen verletzt worden sind“ (§ 256 Abs 1 Nr 4). Die Rücklagen umfassen auf der Passivseite der Bilanz denjenigen Teil des Eigenkapitals der Gesellschaft, der über das gezeichnete Kapital (Grundkapital) hinausgeht, und unterteilen sich in die Gewinnrücklagen (§ 266 Abs 3 A III) und die Kapitalrücklage (§ 266 Abs 3 A II). Die ersteren bestehen aus einbehaltenen Gewinnen (§ 272 Abs 3 HGB). Zur Kapitalrücklage gehören demgegenüber die Einlagen der Aktionäre, soweit diese den anteiligen Grundkapitalbetrag der übernommenen Aktien übersteigen, sowie sonstige mitgliedschaftsbezogene Eigenkapitalbeiträge (§ 272 Abs 2 HGB). 110a Zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses gemäß § 256 Abs 1 Nr 4 können nach dem Gesetzeswortlaut „die Einstellung“ von Beträgen in Rücklagen und „die Entnahme“ von Beträgen aus Rücklagen führen. Darunter versteht die herrschende Auffassung „nur Verstöße gegen Vorschriften, die entweder die Einstellung in oder die Entnahme aus Rücklagen materiell regeln, nicht auch Normen, die nur den Ausweis in der Bilanz oder in der GuV betreffen.“ 307 Das ist nicht sehr klar und darf jedenfalls nicht so verstanden werden, als müssten die betreffenden Beträge immer und unbedingt in dem Geschäftsjahr, für das der Jahresabschluss festgestellt ist, regelwidrig in Rücklagen eingestellt oder aus ihnen entnommen oder regelwidrig nicht eingestellt oder nicht entnommen worden sein. Vielmehr fällt auch dasjenige unter § 256 Abs 1 Nr 4, was aus früheren Geschäftsjahren in der falschen Art von Rücklagen erfasst und in diesem Sinne nicht mehr frisch ist. Wenn die Gesellschaft zum Beispiel Einlageaufgelder aus einer Kapitalerhöhung, die in die Kapitalrücklage gehören (§ 272 Abs 2 Nr 1 HGB) und eine Ausschüttungssperre bewirken (§ 150 Abs 3–4 AktG), regelwidrig in die Gewinnrücklagen einstellt, die grundsätzlich ausschüttungsoffen sind (arg § 150 Abs 3–4 AktG), so ist nicht nur der Abschluss des Geschäftsjahrs fehlerhaft, in dem dies geschehen ist, sondern auch die Abschlüsse der

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304 Eingefügt durch das Bankbilanzrichtlinie-Gesetz von 1990, vgl oben Rdn 14. 305 Eingefügt durch das Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen (Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz – VersRiLiG), vom 24.6.1994, BGBl I, S 1377, Art 2 Nr 2. 306 Das liegt daran, dass externe Kapitalverwaltungsgesellschaften (§ 17 Abs 2 Nr 1 KAGB) zwar keine Kreditinstitute sind, aber nach § 18 KAGB den Bankbilanzregeln unterliegen, und es für interne Kapitalverwaltungsgesellschaften, die selbst Investmentgesellschaften sind (§ 17 Abs 2 Nr 2 KAGB), nach diesem Gesetz jede Menge Sonderregeln zur Rechnungslegung gibt. 307 So die Formulierung von MünchKomm/J Koch4 Rdn 31; ebenso mit anderen Worten KK/A Arnold3 Rdn 38 aE. Im selben Sinne WP-Hdb/Gelhausen/Hennrichs16 Kapitel B Rdn 320 (nicht erfasst sind Verstöße gegen „Bestimmungen, die lediglich den formalen Ausweis in der Bilanz, in der GuV oder im Anh. betreffen, wie z.B. § 158 Abs 1 AktG. Verstöße gegen diese Gliederungsvorschriften beurteilen sich nach § 256 Abs 4 AktG.“ Demselben Grundgedanken folgt KK/Zöllner1 Rdn 29.

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Folgejahre, wenn und weil sie ebenfalls die Kapitalrücklage zu niedrig und die Gewinnrücklagen zu hoch ausweisen. Die entsprechenden Beträge, die nun einmal aus Einlagen und nicht aus Gewinnen stammen, könnten ja sonst in den Folgejahren einfach deshalb ausgeschüttet werden, weil sie zuvor falsch bilanziert worden sind; das kann nicht Sinn und Zweck der aktienrechtlichen Kapitalerhaltung sein. Werden indessen Rücklagen unrechtmäßig zur Gewinnausschüttung oder zum Verlustausgleich aufgelöst, ist nur der Abschluss des Tatjahres fehlerhaft und nicht auch ein Folgeabschluss, denn die entsprechenden Mittel sind dann nicht mehr vorhanden und können nicht mehr den Rücklagen zugeordnet werden. Die unzulässige Bildung stiller Reserven, die das Eigenkapital der Gesellschaft kleiner erscheinen lassen, fällt dagegen nicht unter § 256 Abs 1 Nr 4, sondern unter Abs 5 Nr 2 (Unterbewertung).308 Gesetzliche Regeln über die Einstellung oder Entnahme von Beträgen in oder aus 111 Rücklagen enthalten – § 272 Abs 1a Satz 2 (teilweise Verrechnung der Anschaffungskosten zurückerworbener eigener Aktien mit ausschüttungsfähigen Gewinnrücklagen), – § 272 Abs 1b Satz 3 (Einstellung eines buchmäßigen Gewinns aus der Veräußerung eigener Aktien in die Kapitalrücklage), – § 272 Abs 2 HGB (Einstellung in die Kapitalrücklagen), – § 272 Abs 4 HGB (Rücklage für Anteile an einem herrschenden Unternehmen), – § 58 AktG (Einstellung in andere Gewinnrücklagen), – § 150 Abs 1 und 2 AktG (Einstellung in die gesetzliche Rücklage), – § 150 Abs 3 und 4 AktG (Entnahmen aus der gesetzlichen Rücklage und den Kapitalrücklagen), – § 173 Abs 2 Satz 2 AktG (Einstellung in Gewinnrücklagen durch die Hauptversammlung), – § 230 AktG (Verwendung der infolge einer vereinfachten Kapitalherabsetzung aufgelösten Gewinn- und Kapitalrücklagen), – § 231 AktG (beschränkte Einstellung in die Kapitalrücklage und in die gesetzliche Rücklage), – § 232 AktG (Einstellung von Beträgen in die Kapitalrücklage bei zu hoch angenommenen Verlusten), – § 237 Abs 5 AktG (Einstellung in die Kapitalrücklage bei einer Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien), – § 300 AktG (gesetzliche Rücklage bei verbundenen Unternehmen), – § 301 Satz 2 AktG (Entnahme aus anderen Gewinnrücklagen zur Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags).309 Anders als im Rahmen der übrigen inhaltsbezogenen Nichtigkeitstatbestände des 111a § 256 kann bei der Verletzung von Rücklageregeln nach § 256 Abs 1 Nr 4 nicht nur ein Gesetzesverstoß zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, sondern auch die Verletzung von Satzungsregeln. Das liegt daran, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Bildung und Auflösung von Rücklagen teilweise durch die Satzung abgewandelt werden können (§§ 58 Abs 1–2, 150 Abs 2–4, 173 Abs 2), wohingegen die Gesetzesregeln über den Gläubigerschutz, die Gliederung des Jahresabschlusses und die Bewertung zwingend sind. Der Jahresabschluss kann also auch dann nach § 256 Abs 1 Nr 4 nichtig

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308 Ebenso MünchKomm/J Koch4 Rdn 31; Hüffer/Koch14 Rdn 15; KK/A Arnold3 Rdn 38; K Schmidt/ Lutter/Schwab4 Rdn 22. 309 Die Liste ist bis auf die beiden ersten Posten abgeschrieben von WP-Hdb/Gelhausen/Hennrichs16 Kapitel B Rdn 316.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

sein, wenn statutarisch vorgesehene Rücklagen nicht gebildet 310 oder der Satzung zuwider aufgelöst werden. Die Bestimmung des § 256 Abs 1 Nr 4 über die Nichtigkeit des Jahresabschlusses we112 gen Verstoßes gegen die Regeln über Einstellungen in Rücklagen und Entnahmen aus Rücklagen wird gesetzessystematisch oft als eine Spezialregelung zur Gläubigerschutznorm des § 256 Abs 1 Nr 1 angesehen.311 Das ist jedoch in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Es kommt auf den Schutzzweck der verletzten Rücklageregel und die Art der Rücklagen an. Hierbei muss man zwischen den ausschüttungssperrenden, gebundenen Rücklagen und den ausschüttungsoffenen, freien Rücklagen unterscheiden.312 In Höhe der gebundenen Rücklagen ist das Gesellschaftsvermögen gegen eine Verteilung an die Aktionäre gesperrt (§ 150 Abs 3–4); das ist ein wichtiges Element des aktienrechtlichen Gläubigerschutzes durch Kapitalerhaltung (vgl oben Rdn 47). In Höhe der freien Rücklagen darf dagegen das Vermögen der Aktiengesellschaft an die Aktionäre verteilt werden, denn die Gesellschaft kann bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses im Rahmen der aktienrechtlichen Zusatzrechnung zur Gewinn- und Verlustrechnung (§ 158) Beträge aus freien Rücklagen entnehmen, sie als Bilanzgewinn ausweisen (arg § 150) und der Hauptversammlung zur Ausschüttung überantworten (§ 57 Abs 3, § 174). 113 Werden Beträge entgegen dem Gesetz aus gebundenen Rücklagen entnommen oder nicht in gebundene Rücklagen eingestellt, obwohl sie dorthin gehören, so verstößt das sowohl gegen die Rücklageregeln als auch gegen den Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung. Die Gesellschaft vergeht sich an der Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses und schreibt sich einen Ausschüttungsspielraum zu, der ihr nicht zukommt. Die Bestimmungen des § 256 Abs 1 Nr 4 (Rücklagen) und des § 256 Abs 1 Nr 1 (Gläubigerschutz) überschneiden sich insoweit. Auch das LG Mainz spricht in einem Fall, in dem die Gesellschaft eine gebotene ausschüttungssperrende Rücklage für Anteile an ihrem herrschenden Unternehmen nicht gebildet hatte, von einer „Nichtigkeit des Jahresabschlusses gem § 256 Abs 1 Nr 1 und 4“.313 Verstöße gegen Rücklageregeln, die zugleich den Gläubigerschutz untergraben, führen grundsätzlich immer zur Nichtigkeit des Abschlusses; lediglich unbedeutende Fehler bleiben im Wege einer ungeschriebenen Gesetzesausnahme von der Nichtigkeitssanktion ausgenommen (vgl Rdn 85 ff, 119, 121, 125). Wenn demgegenüber die Gesellschaft Beträge, die sie eigentlich als Bilanzgewinn 114 ausweisen müsste, regelwidrig in Rücklagen einstellt, so verstößt dies zwar gegen die Rücklageregeln, aber nicht gegen den Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung. Ebenso liegt es, wenn Beträge in gebundene, ausschüttungssperrende Rücklage eingestellt werden, die richtigerweise in die ausschüttungsoffenen, freien Rücklagen gehören, oder wenn gebundene Rücklagen regelwidrig nicht aufgelöst werden. Die Lage der Gläubiger verbessert sich hier sogar, weil mehr Vermögen in der Gesellschaft einbehalten wird und die Ausschüttungsschranken der Kapitalerhaltung zu hoch angesetzt werden. Die Bestimmung des § 256 Abs 1 Nr 4 ist daher in diesen Fällen keine Spezialregelung zum

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310 Ebenso K Schmidt/Lutter/Kleindiek4 § 150 Rdn 17. 311 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 22; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 34; KK/Zöllner1 Rdn 12; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 24; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 19; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 41; WP-Hdb/Gelhausen/Hennrichs16 Kapitel B Rdn 321; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 9. 312 Vgl hierzu und zum Folgenden T Bezzenberger Das Kapital der Aktiengesellschaft – Kapitalerhaltung, Vermögensbindung, Konzernrecht, 2005, S 16 ff, auch als Online-Ressource frei im Internet zugänglich. 313 LG Mainz 16.10.1990 – 10 HO 57/89, DB 1990, 2361, 2364 re Sp.

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Gläubigerschutztatbestand des § 256 Abs 1 Nr 1, sondern ein eigenständiger Nichtigkeitsgrund mit eigenem Regelungsgehalt. Soweit § 256 Abs 1 Nr 4 auch bei einer Überdotierung von Rücklagen und namentlich 115 von gebundenen Rücklagen die Nichtigkeit des Jahresabschlusses anordnet, betrifft die Bestimmung neben dem Ausschüttungsinteresse der Aktionäre, das aber kein Schutzgehalt der Abschlussnichtigkeit nach § 256 ist (Rdn 20, 93), allein die Informationsfunktion des Jahresabschlusses. Außerdem kann der Abschluss nach § 256 Abs 1 Nr 4 nichtig sein, wenn bei der Bildung von Rücklagen innerhalb der verschiedenen Arten von ausschüttungsoffenen oder gebundenen Rücklagen Beträge falsch eingeordnet werden; das betrifft ebenfalls ausschließlich die Informationsfunktion des Jahresabschlusses. Beides zeigt noch einmal, dass dem § 256 Abs 1 Nr 4 ein eigener Regelungsgehalt innewohnt, der über den Gläubigerschutz nach § 256 Abs 1 Nr 1 hinausgeht. Ebenso wie andere informationelle Mängel des Jahresabschlusses führen die zuletzt 116 genannten Bilanzierungsfehler (Rdn 114–115) nur dann zur Nichtigkeit der Abschlussfeststellung, wenn der Verstoß besonders schwer wiegt und das Bild von der Finanzund Ertragslage der Gesellschaft wesentlich beeinträchtigt. Das ergibt sich im Wege der Analogie aus den Bestimmungen des § 256 Abs 4 über die Gliederungsmängel (vgl Rdn 68) und des § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2, betreffend die Unterbewertung von Bilanzposten (vgl Rdn 94 f, auch Rdn 26, 88a). Wenn ein Verstoß gegen Rücklageregeln (§ 256 Abs 1 Nr 4) zugleich den Gläubiger- 117 schutz (§ 256 Abs 1 Nr 1) beeinträchtigt (Rdn 113), stellt sich das Problem, dass die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen eines Verstoßes gegen die Rücklageregeln bereits nach sechs Monaten heilt, wohingegen bei Verstößen gegen den Gläubigerschutz die Heilungsfrist drei Jahre beträgt (Abs 6 Satz 1). Entgegen vorwaltender Ansicht gilt hier die längere Heilungsfrist von drei Jahren.314 Denn für den Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung bedeutet es keinen Unterschied, ob die Gesellschaft ihren Ausschüttungsspielraum durch eine Überbewertung von Bilanzposten übertreibt oder dadurch, dass sie regelwidrig eine gebundene Rücklage nicht bildet oder auflöst. Sinn und Zweck der Nichtigkeitssanktion nach § 256 Abs 1 Nr 4 ist es nicht, bei Verstößen gegen den Gläubigerschutz die Heilung deshalb zu erleichtern, weil zugleich gegen Rücklageregeln verstoßen wird. bb) Kapitalrücklage. Zu den gebundenen, ausschüttungssperrenden Rücklagen 118 gehört vor allem die Kapitalrücklage in den meisten und wichtigsten ihrer Bestandteile (§ 272 Abs 2 Nr 1–3 HGB, § 150 Abs 3–4 AktG). In die Kapitalrücklage werden insbesondere Einlageaufgelder der Aktionäre eingestellt, also der Betrag, den die Gesellschaft bei der Ausgabe von Aktien über den Nennbetrag oder den anteiligen Grundkapitalbetrag der Aktien hinaus erlöst (§ 272 Abs 2 Nr 1 HGB). Als Kapitalrücklage sind daneben die Beträge auszuweisen, welche die Gesellschaft bei der Ausgabe von Options- oder Wandelanleihen für die Options- oder Wandelrechte erhält (§ 272 Abs 2 Nr 2 HGB), des weiteren Zuzahlungen von Aktionären gegen Gewährung von Vorzugsrechten für ihre Aktien (§ 272 Abs 2 Nr 3 HGB), und außerdem können oder müssen bei Kapitalherabsetzungen bestimmte Beträge in die Kapitalrücklage eingestellt werden, um die Verminderung des Grundkapitals auszugleichen (§ 229, §§ 230–233, § 237 Abs 5). Alle diese Bestandteile der Kapitalrücklage sind gebunden, sperren also in entsprechender Höhe

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314 Ebenso MünchKomm/J Koch4 Rdn 31; im Ergebnis auch K Schmidt/Lutter/Kleindiek4 § 150 Rdn 17 (der ausschließlich einen Verstoß gegen den Gläubigerschutz nach § 256 Abs 1 Nr 1 annimmt). Anders, nämlich für Geltung der kurzen Heilungsfrist von sechs Monaten in allen Fällen des § 256 Abs 1 Nr 4, Adler/Düring/ Schmaltz 6 Rdn 34; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 41; KK/A Arnold3 Rdn 39.

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das Gesellschaftsvermögen gegen eine Ausschüttung an die Aktionäre (§ 150 Abs 3–4). Ferner sind als Kapitalrücklage „andere Zuzahlungen“ von Aktionären in das Eigenkapital der Gesellschaft auszuweisen (§ 272 Abs 2 Nr 4 HGB); für diesen Teil der Kapitalrücklage gilt die Ausschüttungssperre nicht (§ 150 Abs 3–4).315 Werden Beträge, die eigentlich in die gebundenen Kapitalrücklagen nach § 272 Abs 2 119 Nr 1–3 gehören, regelwidrig als ausschüttungsfähige Kapitalrücklage nach § 272 Abs 2 Nr 4 ausgewiesen,316 so verstößt dies sowohl gegen die Rücklageregeln als auch gegen den Gläubigerschutz und macht den Jahresabschluss grundsätzlich nichtig (vgl oben Rdn 113 sowie zur langen dreijährigen Heilungsfrist Rdn 117). Werden dagegen innerhalb der gebundenen Kapitalrücklagen Beträge falsch zugeordnet, so berührt dies nicht den Gläubigerschutz, sondern lediglich die Informationsfunktion des Jahresabschlusses und führt nur bei wesentlicher Verfälschung zu dessen Nichtigkeit (oben Rdn 116). 120 Wenn Aktionäre Zuzahlungen in das Eigenkapital leisten, meist weil es der Gesellschaft schlecht geht, so kann diese die Zuzahlungen nach herrschender Meinung entweder erfolgsneutral in die Kapitalrücklage einstellen (§ 272 Abs 2 Nr 4) oder erfolgswirksam als Ertrag ausweisen. Es kommt angeblich auf die Zweckbestimmung der Zuwendung an317 oder darauf, was die Gesellschaft mit dem zuzahlenden Aktionär vereinbart, ob dieser also zum Verlustausgleich zahlt, oder ob sein Beitrag wie eine Kapitaleinlage gemeint ist.318 Das ist jedoch nicht richtig; vielmehr müssen solche Beträge auf der Passivseite der Bilanz immer als Kapitalrücklage nach § 272 Abs 2 Nr 4 HGB ausgewiesen werden,319 weil es sich bei den Leistungen um Finanzierungsbeiträge handelt, die ebenso wie andere Einlagen dem Gesellschaftsverhältnis entstammen, und nicht um Erträge aus der Geschäftstätigkeit nach außen. Stellt also die Gesellschaft den Betrag nicht in die Kapitalrücklage ein, so verstößt das im Sinne von § 256 Abs 1 Nr 4 gegen die Rücklagenregeln. Der Verstoße macht den Jahresabschluss indessen nur nichtig, wenn er das Bild wesentlich verfälscht, denn die Kapitalrücklage nach § 272 Abs 2 Nr 4 ist ausschüttungsoffen und dient nicht dem Gläubigerschutz, sondern der Abschlussmangel betrifft allein die Informationsfunktion des Jahresabschlusses (vgl Rdn 116, 118 aE). Wenn man demgegenüber im Ansatz der herrschenden Meinung folgt und auf die 120a Zweckvereinbarung mit dem zuzahlenden Aktionär oder auf dessen einseitige Zweckbestimmung abstellt, können Verstöße hiergegen ebenfalls zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 1 Nr 4 führen.320 Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Verletzung einer bloßen rechtsgeschäftlichen Verwendungsbindung keine Abschlussnichtigkeit rechtfertige.321 Die Vereinbarung bestimmt nach der hier zugrunde gelegten herrschenden Auffassung das Wesen der Zuwendung als Finanzierungsbeitrag oder Ertrag. Wenn sie „in das Eigenkapital“ geleistet wird, muss sie nach § 272 Abs 2 Nr 4 HGB als Kapitalrücklage erfasst werden, und wenn sie ergebniswirksam gemeint war, ist sie

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315 AllgM, auch RegE BilMoG, BT-Drucks 16/10067 v 30.7.2008, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 23 (§ 272 HGB), S 66 li Sp. 316 Vgl zu den hier berührten Fragen BayObLG 27.2.2002 – 3Z BR 35/02, NJW-RR 2002, 1036 f. 317 Staub/Hüttemann/Meyer5 § 272 Rdn 46; BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB Rdn 196; WPHdb/Gelhausen/Hennrichs16 Kapitel B Rdn 318; in gleichem Sinne IDW HFA-Stellungnahme 2/1996 idF 2013: Zur Bilanzierung privater Zuschüsse, Tz 22, WPg 1996, 709, 712 re Sp [mit hier nicht einschlägigen Ergänzungen in IDW-Fachnachrichten 2010 S 410 und WPg Supplement 2/2013, 38]. 318 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 33; H-P Müller in: FS Heinsius, 1991, S 591, 595, 606. 319 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42 GmbHG Rdn 207 mit ausf Nw zum Meinungsstand. 320 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 33; KK/A Arnold3 Rdn 40; H-P Müller in: FS Heinsius, 1991, S 591, 595 f. Anders MünchKomm/J Koch4 Rdn 33; WP-Hdb/Gelhausen/Hennrichs16 Kapitel B Rdn 318. 321 So aber MünchKomm/J Koch4 Rdn 33.

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Ertrag und muss als solcher abgebildet werden.322 Eine hiervon abweichende Bilanzierung setzt sich nicht nur über die Verwendungsbindung hinweg, sondern auch und vor allem über die Natur der Zuwendung und verstößt daher gegen die gesetzliche Rücklageregel des § 272 Abs 2 Nr 4 HGB. Das führt allerdings nur bei schweren Verstößen zur Abschlussnichtigkeit (Rdn 120). cc) Gesetzliche Gewinnrücklage. Bei den Gewinnrücklagen (zum Begriff Rdn 100) 121 muss man zwischen den gebundenen und den freien, ausschüttungsoffenen Gewinnrücklagen unterscheiden. Zu den gebundenen Gewinnrücklagen gehört vor allem die gesetzliche Rücklage oder besser gesetzliche Gewinnrücklage (§ 150 Abs 1–2). In diese müssen jährlich 5% des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses eingestellt werden, bis die gesetzliche Gewinnrücklage und die gebundenen Bestandteile der Kapitalrücklage (§ 272 Abs 2 Nr 1–3 HGB) zusammen 10 % oder einen in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreichen (§ 150 Abs 2). Werden Jahresüberschuss-Beträge regelwidrig nicht in die gesetzliche Gewinnrücklage eingestellt, so verstößt dies sowohl gegen die Rücklageregeln als auch gegen den Gläubigerschutz und führt daher grundsätzlich zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses (Rdn 113) mit langer dreijähriger Heilungsfrist (Rdn 117). Ebenso verhält es sich bei regelwidrigen Entnahmen aus der gesetzlichen Gewinnrücklage. Wird dagegen diese Rücklage überdotiert, ist allein die Informationsfunktion des Jahresabschlusses beeinträchtigt (vgl Rdn 115). Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 1 Nr 4 tritt dann nur ein, wenn das Bild von der Lage der Gesellschaft wesentlich verfälscht wird (vgl Rdn 26, 115 f), und die Heilungsfrist beträgt sechs Monate, so wie es bei Verstößen gegen Rücklageregeln grundsätzlich vorgegeben ist (§ 256 Abs 6 Satz 1 und unten Rdn 268). dd) Ausschüttungsoffene Gewinnrücklagen. Diese Rücklagen werden vom Gesetz 122 als „andere Gewinnrücklagen“ bezeichnet (§ 266 Abs 3 A III 4 HGB, §§ 58, 150, 158 AktG), um sie von der gebundenen gesetzlichen Gewinnrücklage zu unterscheiden. Die Verwaltungsorgane können bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses im Rahmen der aktienrechtlichen Zusatzrechnung zur Gewinn- und Verlustrechnung (§ 158) Teile eines Jahresüberschusses in solche anderen Gewinnrücklagen einstellen und so in der Gesellschaft einbehalten (§ 58 Abs 2). Ein restlicher Jahresüberschuss wird als Bilanzgewinn ausgewiesen und der Hauptversammlung zur Verwendung unterbreitet. Die Verwaltungsorgane können auch umgekehrt Beträge aus freien Gewinnrücklagen entnehmen und in Bilanzgewinn verwandeln (§§ 150 Abs 4 Satz 2 und 158). Außerdem kann die Hauptversammlung im Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns ihrerseits Beträge in die freien Gewinnrücklagen einstellen (§§ 58 Abs 3 Satz 1, 174 Abs 2 Nr 3), soweit dadurch das Anrecht der Aktionäre auf Dividenden (§ 58 Abs 4) nicht übermäßig verkürzt wird (§ 254). Stellen Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses Beträ- 123 ge aus dem Jahresüberschuss in die freien Gewinnrücklagen ein, obwohl die Beträge nach Gesetz oder Satzung in den Bilanzgewinn hätten einfließen müssen (§ 58 Abs 2), so kann dies nach § 256 Abs 1 Nr 4 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, und zwar auch bei Verstößen gegen die Satzung.323 Die Nichtigkeitssanktion tritt allerdings nur

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322 So vom Standpunkt der hM folgerichtig BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB Rdn 196. 323 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1982 f; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 33; hiervon ausgehend auch OLG Stuttgart 16.11.2005 – 20 U 2/05, WM 2006, 292, 295. Die Gesellschaft kann den Abschlussmangel nicht mit dem Argument beheben, dass die Hauptversammlung in ihrem

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ein, wenn das Bild von der Lage der Gesellschaft wesentlich verfälscht wird (vgl Rdn 115, 121). Stellt dagegen später die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluss zu hohe Beträge aus dem Bilanzgewinn in andere Gewinnrücklagen ein, so wird hierdurch der Jahresabschluss für das abgelaufene Geschäftsjahr nicht berührt, denn die neu gebildeten Gewinnrücklagen schlagen erst im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr des Gewinnverwendungsbeschlusses zu Buche. Dieser Abschluss ist ebenfalls nicht nach § 256 Abs 1 Nr 4 fehlerhaft,324 weil die Rücklagenregeln nicht bei der Feststellung des Jahresabschlusses verletzt wurden, sondern durch den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung. Wenn dieser nicht erfolgreich angefochten wird (§§ 243, 254), ist er gültig und für die Rechnungslegung maßgebend. ee) Rücklage für Anteile an einer Obergesellschaft. Eine besondere gebundene Rücklage, die zu den Gewinnrücklagen gehört, ist die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen (§ 272 Abs 4 HGB) oder vereinfacht Mutterunternehmen. Sie entspricht dem Betrag, mit dem die Gesellschaft die Anteile an dem Mutterunternehmen auf der Aktivseite ihrer Bilanz ansetzt (§ 272 Abs 4 Satz 2 HGB). Die Rücklage muss zu Lasten ausschüttungsfähiger Gewinne oder frei verfügbarer anderer Rücklagen gebildet werden und bleibt bestehen, bis die Anteile wieder veräußert oder aus einem anderen Grund nicht mehr aktiviert sind (§ 272 Abs 4 Satz 3–4 HGB). So lange sperrt die Rücklage das auf die Anteile an der Muttergesellschaft entfallende Vermögen der Tochtergesellschaft gegen Ausschüttungen an deren Aktionäre. Das Gesetz misstraut dem Wertansatz von Anteilen an dem Mutterunternehmen in den Händen der Tochtergesellschaft, denn soweit das Vermögen der Mutter aus Anteilen an der Tochter besteht, sind die Anteile an der Mutter für die Tochter nur eine wertlose Beteiligung an sich selbst.325 Die Regeln über die Bildung und Erhaltung von Rücklagen für Anteile an einem 125 herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen (§ 272 Abs 4 HGB) dienen dem Gläubigerschutz. Wird eine solche Rücklage nicht gebildet, obwohl sie gebildet werden müsste, so macht dies den Jahresabschluss nichtig,326 wenn es sich nicht um unbedeutende Rechtsverstöße handelt, die ausnahmsweise außer Betracht bleiben dürfen (Rdn 113, 117). Ebenso verhält es sich, wenn die Rücklage aufgelöst wird, bevor sie aufgelöst werden darf. Wird demgegenüber eine Rücklage für Anteile an einer Obergesellschaft ohne Grund oder überhöht gebildet, so beeinträchtigt das nicht den Gläubigerschutz, sondern allein den Informationsgehalt des Jahresabschlusses, und dieser ist nur dann nach § 256 Abs 1 Nr 4 nichtig, wenn der Verstoß besonders schwer wiegt (vgl Rdn 115, 121, 123).

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f) Fristablauf bei der bilanziellen Vorwegnahme von Kapitalmaßnahmen (Eingangsworte) 126

aa) Bilanziell vorweggenommene Kapitalherabsetzung (§ 234 Abs 3). § 256 verweist in seinen Eingangsworten auf zwei miteinander verwandte Bestimmungen des Ak-

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Gewinnverwendungsbeschluss die fraglichen Beträge in die Rücklagen hätte einstellen können, OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983 li Sp. 324 KK/Zöllner1 Rdn 31. 325 Näher zu den hier berührten Fragen Spindler/Stilz/Cahn4 § 71d Rdn 2, 5, 43 ff; K Schmidt/Lutter/ T Bezzenberger4 § 71d Rdn 21 ff; ausführlich und grundlegend Cahn Kapitalerhaltung im Konzern, 1998, S 151–234 mit Zusammenfassung S 232–234. 326 Für Nichtigkeit des Jahresabschlusses in einem solchen Fall auch LG Mainz 16.10.1990 – 10 HO 57/89, DB 1990, 2361, 2363 ff.

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tiengesetzes, die eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses im Zusammenhang mit der bilanziellen Vorwegnahme von Kapitalmaßnahmen anordnen. Dabei geht es zunächst um die vereinfachte Kapitalherabsetzung zum Ausgleich von Verlusten (§§ 229 ff). Eine Kapitalherabsetzung wird erst mit Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses im Handelsregister wirksam (§§ 224, 229 Abs 3)327 und wirkt gesellschaftsrechtlich nicht zurück. Die Kapitalherabsetzung kann aber bilanziell zurückbezogen, das heißt schon im vorangegangenen Jahresabschluss berücksichtigt werden. Hierzu bestimmt das Gesetz: „§ 234 Rückwirkung der Kapitalherabsetzung. (1) Im Jahresabschluss für das letzte vor der Beschlussfassung über die Kapitalherabsetzung abgelaufene Geschäftsjahr können das gezeichnete Kapital sowie die Kapital- und Gewinnrücklagen in der Höhe ausgewiesen werden, in der sie nach der Kapitalherabsetzung bestehen sollen. 1 (2) In diesem Fall beschließt die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses. 2 Der Beschluss soll zugleich mit dem Beschluss über die Kapitalherabsetzung gefasst werden. 1 (3) Die Beschlüsse sind nichtig, wenn der Beschluss über die Kapitalherabsetzung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen worden ist. ...“

Auf diese in § 234 Abs 3 Satz 1 angeordnete Beschlussnichtigkeit weist dann das Ge- 127 setz in anderen Zusammenhängen noch einmal wiederholend hin, nämlich am Anfang von § 241 für den Kapitalherabsetzungsbeschluss und in den Eingangsworten des § 256 Abs 1 für die Feststellung des Jahresabschlusses. bb) Bilanziell vorweggenommene Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung 128 (§ 235 Abs 2). Eine weitere und verwandte Sonderbestimmung über die Nichtigkeit des Jahresabschlusses ist § 235 Abs 2. Dort geht es um den Fall, dass zugleich mit der Kapitalherabsetzung eine Wiedererhöhung des Grundkapitals beschlossen wird. Beides kann nach § 235 Abs 1 bilanziell vorweggenommen (zurückbezogen) werden. Nach § 235 Abs 2 Satz 1 sind jedoch „[s]ämtliche Beschlüsse“, also die Hauptversammlungsbeschlüsse über die Kapitalherabsetzung, die Kapitalerhöhung und über die Feststellung des Jahresabschlusses, „nichtig, wenn die Beschlüsse über die Kapitalherabsetzung und die Kapitalerhöhung und die Durchführung der Erhöhung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen worden sind“. Auch das wird dann in den Eingangsworten des § 256 für den Jahresabschluss noch einmal wiederholend in Bezug genommen und in § 241 für die Beschlüsse über die Kapitalmaßnahmen. cc) Schwebende Unwirksamkeit der Abschlussfeststellung. In den Fällen des 129 § 234 Abs 3 und § 235 Abs 2 geht es streng genommen nicht um eine Nichtigkeit, sondern um eine schwebende Unwirksamkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse über die Kapitalveränderungen und über die Feststellung des Jahresabschlusses.328 Die Beschlüsse verstoßen nicht gegen Rechtsnormen, sondern ihr Wirksamwerden hängt vom Hinzutreten weiterer Voraussetzungen ab, nämlich von der fristgemäßen Eintragung der Kapitalveränderungen im Handelsregister. Die schwebend unwirksamen Beschlüsse über die Kapitalmaßnahmen und über die Feststellung des Jahresabschlusses werden wirksam, wenn das Registergericht die Kapitalmaßnahmen innerhalb von drei Monaten einträgt, und sie werden endgültig unwirksam, wenn innerhalb der Frist keine Eintragung er-

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327 Anders ist es zT bei der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Atien (§ 238), aber hier kommt eine Rückwirkung nach §§ 234 f nicht in Betracht (Hüffer/Koch14 § 238 Rdn 5. 328 KK/Zöllner1 Rdn 92; KK/Lutter2 § 234 Rdn 19; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 17, 19; der Sache nach auch MünchKomm/J Koch4 Rdn 10 und Hüffer/Koch14 Rdn 5.

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folgt.329 So wird der Zeitraum der Ungewissheit über die Wirksamkeit der Kapitalmaßnahme und ihren bilanziellen Rückbezug zeitlich begrenzt.330 Die Unwirksamkeit kann mit der Abschlussnichtigkeitsklage nach § 256 Abs 7 Satz 1 und den dort in Bezug genommenen Regeln geltend gemacht werden (Rdn 170). dd) Heilung und rechtsgeschäftliche Ausweichmöglichkeiten. Werden die Kapitalveränderungen nicht binnen dreier Monate im Handelsregister eingetragen, so dass sie nach § 234 Abs 3 oder § 235 Abs 2 unwirksam sind, heilt diese Unwirksamkeit und die Kapitalmaßnahmen werden wirksam, wenn sie nach Ablauf der drei Monate doch noch in das Handelsregister eingetragen werden und dann noch einmal drei Jahre vergehen (§ 242 Abs 2 und 3). Dann heilt auch der Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses und damit der Abschluss als solcher.331 Das ist zwar im Gesetz nicht eigens ausgesprochen (§ 256 Abs 6), aber wenn die Kapitalveränderungen jetzt so behandelt werden, als wäre von Anfang an alles richtig verlaufen, muss das folgerichtig auch für den Jahresabschluss gelten, der die Kapitalmaßnahmen abbildet. 131 Die Hauptversammlung kann die Kapitalveränderungen auch mit der Maßgabe beschließen, dass sie unabhängig von einem rückwirkenden Einbezug in die letzte Bilanz gelten sollen,332 und dass sie auch unabhängig davon gelten sollen, ob sie in drei Monaten eingetragen werden. Wenn dann die Kapitalmaßnahmen als solche in Ordnung sind, haben sie Bestand. Der Beschluss der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses ist dagegen schwebend unwirksam und wird endgültig unwirksam, wenn die Kapitalmaßnahmen nicht binnen dreier Monate eingetragen werden.333 Eine Heilung der Abschluss-Unwirksamkeit ist auch in diesem Fall im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Sie tritt aber analog § 256 Abs 6 drei Jahre nach Offenlegung des Jahresabschlusses ein. Es handelt sich um einen Inhaltsmangel des Jahresabschlusses,334 denn dieser bildet eine Kapitalstruktur ab, die er nicht abbilden darf. Das wiegt nicht schwerer als die inhaltlichen Abschlussmängel, bei denen § 256 Abs 6 Satz 1 die Heilung der Nichtigkeit nach Ablauf dreier Jahre anordnet (vgl Rdn 269).

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2. Prüfungsmängel 132

a) Grundsätze und Hauptfälle. Außer wegen inhaltlicher Mängel kann ein festgestellter Jahresabschluss auch wegen Prüfungsmängeln nichtig sein. Das ist aber bei weitem nicht schon der Fall, wenn in irgendeiner Weise gegen die vielen und immer höher gespannten rechtlichen Anforderungen an die Abschlussprüfung verstoßen wird. Es kommt auch nicht auf das Ergebnis der Prüfung an. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Prüfungsmängeln setzt vielmehr ganz besonders schwere und tatbestandlich abgegrenzte Verstöße voraus, die in § 256 abschließend aufgezählt sind. Dazu gehören vor allem die Fälle, dass beim Bestehen einer gesetzlichen Prüfungspflicht (1) der Jahresabschluss überhaupt nicht von einem Abschlussprüfer geprüft worden ist

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329 Hüffer/Koch14 Rdn 5; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 4; ähnlich KK/Lutter2 § 234 Rdn 19. 330 MünchKomm/J Koch4 Rdn 7; KK/Lutter2 § 234 Rdn 17; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 17. 331 KK/Lutter2 § 234 Rdn 20; KK/Zöllner1 Rdn 94; MünchKomm/J Koch4 Rdn 10; Caspar Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S 323 f; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 4; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 19 aE, 73; Hüffer/Koch14 § 256 Rdn 5, § 234 Rdn 10, § 235 Rdn 11; MünchHdbAG/Scholz5 § 62 Rdn 41. Skeptisch Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 85. 332 KK/Lutter2 § 234, 17; MünchHdbAG/Scholz5 § 62 Rdn 41. 333 MünchHdbAG/Scholz5 § 62 Rdn 41. 334 J-H Weilep Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, 2011, S 59. Anders Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 203 (Verfahrensfehler).

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(§ 256 Abs 1 Nr 2 und hierzu Rdn 133 ff), oder dass der Jahresabschluss von unberufenen Personen geprüft worden ist (§ 256 Abs 1 Nr 3), wobei im letzteren Fall noch einmal zwischen (2) der fehlenden Prüferbefähigung (Rdn 140 ff) und (3) der fehlenden Prüferbestellung (Rdn 145 ff) unterschieden wird. Die Abgrenzung zwischen der fehlenden Prüfung überhaupt (Nr 2) und der Prüfung durch unberufene Personen (Nr 3) ist wichtig, denn bei einer Prüfung durch unberufene Personen wird die Nichtigkeit durch Zeitablauf geheilt, und zwar schon nach sechs Monaten, wohingegen es bei Nichtigkeit wegen gänzlich fehlender Prüfung keine Heilungsmöglichkeit gibt (§ 256 Abs 6 Satz 1). Ist der Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs 1 Nr 3 erfüllt, so kommt Nr 2 nicht zur Geltung, weil Nr 3 die speziellere Norm ist.335 b) Fehlende Prüfung (Abs 1 Nr 2 Fall 1 und § 316 Abs 1 HGB) aa) Überblick und Grundgedanken. Der Jahresabschluss ist nach § 256 Abs 1 Nr 2 133 Fall 1 nichtig, und zwar ohne die Möglichkeit einer Heilung (§ 256 Abs 6 Satz 1), wenn er im Falle einer gesetzlichen (und nicht nur satzungsmäßigen)336 Prüfungspflicht nicht nach § 316 Abs 1 HGB geprüft worden ist. Die hier in Bezug genommene Bestimmung lautet: 1

„§ 316 [HGB] Pflicht zur Prüfung. (1) Der Jahresabschluss und der Lagebericht von Kapitalgesell2 schaften, die nicht kleine im Sinne des § 267 Abs 1 sind, sind durch einen Abschlussprüfer zu prüfen. Hat keine Prüfung stattgefunden, so kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden.“

Den zweiten Satz dieser Norm spitzt § 256 Abs 1 Nr 2 dahin zu, dass eine ohne vor- 134 hergehende Prüfung beschlossene Feststellung des Jahresabschlusses nichtig ist. Dabei kommt es im vorliegenden Zusammenhang allein auf die Prüfung des Jahresabschlusses und nicht auch des Lageberichts an.337 Zwar muss nach § 316 Abs 1 Satz 1 auch der Lagebericht geprüft werden, und man kann die „Prüfung“, die gemäß dem anschließenden § 316 Abs 1 Satz 2 HGB der Feststellung des Jahresabschlusses vorgeschaltet sein muss, nach dem Wortlaut dieser Norm auch auf die Prüfung des Lageberichts beziehen. Nach § 256 Abs 1 Nr 2 ist aber die Feststellung des Jahresabschlusses nur nichtig, wenn „er“, also der Jahresabschluss selbst, nicht geprüft worden ist. Das ist allemal der Fall, wenn eine Prüfung des Jahresabschlusses schlichtweg unterblieben ist, etwa weil die Gesellschaft sie nicht für erforderlich gehalten hat.338 Darüber hinaus ist der Jahresabschluss aber auch dann nach § 256 Abs 1 Nr 2 oder jedenfalls in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung nichtig, wenn das Gebaren des Abschlussprüfers ganz und gar unzulänglich war, so dass es die Bezeichnung als „Prüfung“ nicht verdient, denn auch dann hat bei rechtlich wertender Betrachtung keine Prüfung stattgefunden.339 Hier-

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335 Ebke in: FS Röhricht, 2005, 833, 839–842; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 14, 19; MünchKomm/J Koch4 Rdn 16; KK/Zöllner1 Rdn 54 und ebenso jetzt KK/A Arnold3 Rdn 26; Spindler/Stilz/Rölike4 26; Großkomm/ Schilling3 § 256 Anm 5. 336 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 27 und allg M. 337 Ebenso KK/A Arnold3 Rdn 26. Anders Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 15 aE. 338 Dies würde aber wohl dem Betreiber des Bundesanzeigers bei der Prüfung der Abschlussunterlagen (§ 329 Abs 1–2 HGB) auffallen. Dann müsste das Bundesamt für Justiz eingeschaltet werden (§ 329 Abs 4 HGB), das von der Gesellschaft die Offenlegung eines Bestätigungs- oder Versagungsvermerks erwirken kann (§§ 325, 335 HGB); siehe MünchKomm/J Koch4 Rdn 17; Staub/Kersting5 § 329 HGB Rdn 3. 339 In diesem Grundsatz übereinstimmend RG 16.6.1944 – Z II 142/43, WPg 1970, 421 = Bankwirtschaft 1945, 26; OLG Stuttgart, 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1524 ff; OLG Hamburg 11.1.2002 – 11 U 145/01, AG 2002, 460, 461 re Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 18 ff; Hüffer/Koch14 Rdn 10 ff; KK/Zöllner1 Rdn 55 ff; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 29 ff; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 23; Habersack NZG 2003, 659, 660 f, 663 li

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für kommt es auf die Mindestanforderungen an eine Abschlussprüfung an, und zwar betreffend die Prüfungshandlungen, den Prüfungsbericht und den Bestätigungs- oder Versagungsvermerk.340 135

bb) Mindestanforderungen an die Prüfungshandlungen. Eine Feststellung des Jahresabschlusses ist nach § 265 Abs 1 Nr 2 Fall 1 nichtig, wenn die Verrichtungen des Abschlussprüfers dermaßen unzulänglich waren, dass man sie rechtlich nicht als Prüfungshandlungen im Hinblick auf den Jahresabschluss bezeichnen kann. Eine bezüglich einzelner Vermögensgegenstände oder Abschlussposten lückenhafte Prüfung oder eine im allgemeinen Sinne zu oberflächliche oder mangelhafte Abschlussprüfung reichen hierfür nicht aus.341 Auch wenn der Abschlussprüfer zu schlimmen Dingen, die er sieht, nichts einwendet und am Ende etwas testiert, das man nicht testieren darf, ist das noch kein Fall des § 256. Die Prüfung war zwar schlecht, aber sie hat stattgefunden, und die Nichtigkeit des Jahresabschlusses ergibt sich nicht schon aus einer Verletzung der Regeln über den Gegenstand und den Umfang der Prüfung (§ 317 HGB), auf die § 256 nicht verweist, sondern erst daraus, dass eine Prüfung im Rechtssinne überhaupt nicht stattgefunden hat. Von einer solchen Nicht-Prüfung kann man erst sprechen, wenn der Abschlussprüfer nicht einmal einzelne, ausgewählte und wichtige Abschlussposten mit der Buchführung abgleicht oder, wie es oft heißt, wenn der Abschlussprüfer ganze Bilanzposten oder Gruppen von Bilanzposten wie Anlagevermögen oder Umlaufvermögen oder Verbindlichkeiten aus seiner Tätigkeit ausklammert,342 sofern diese Posten wichtig sind,343 oder wenn jede Prüfung des Anhangs unterlassen wird.344 Nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt dagegen die unterlassene Prüfung des Lageberichts, des Abhängigkeitsberichts oder des Frühwarnsystems (vgl §§ 91 Abs 2 und 313 AktG sowie § 317 Abs 4 HGB), weil sie alle nicht zum festgestellten Jahresabschluss gehören, auf dessen Prüfung § 256 Abs 1 Nr 2 abstellt345 (Rdn 31, 134).

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cc) Mindestanforderungen an den Prüfungsbericht. Ein Fehlen des Prüfungsberichts im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses macht diesen ebenfalls nach § 256 Abs 1 Nr 2 nichtig, und gleiches gilt, wenn der Bericht so unzulänglich ist, dass er den Namen Prüfungsbericht nicht verdient.346 Um die Nichtigkeitsfolge zu vermeiden, muss der Prüfungsbericht schriftlich abgefasst347 und vom Prüfer unterzeichnet

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Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 16; Ebke in: FS Röhricht, 2005, 833, 839; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 14 f. Hiervon ausgehend auch OLG Celle 7.1.1961 – 9 U 17/60, AG 1961, 105 f. 340 MünchKomm/J Koch4 Rdn 18 ff; KK/Zöllner1 Rdn 55 ff; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 29 ff; Hüffer/Koch14 Rdn 10 ff; Habersack NZG 2003, 659, 661 f. 341 MünchKomm/J Koch4 Rdn 20; Hüffer/Koch14 Rdn 11; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 16. Anders Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 14. 342 MünchKomm/J Koch4 Rdn 20; Hüffer/Koch14 Rdn 11; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 23; Spindler/ Stilz/Rölike4 Rdn 30; KK/A Arnold3 Rdn 29 und auch schon KK/Zöllner1 Rdn 55; dem zuneigend auch OLG Hamburg 11.1.2002 – 11 U 145/01, AG 2002, 460, 461 re Sp. 343 OLG Hamburg 11.1.2002 – 11 U 145/01, AG 2002, 460, 461 re Sp; KK/Zöllner1 Rdn 55; Spindler/Stilz/ Rölike4 Rdn 30; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 5. 344 MünchKomm/J Koch4 Rdn 22; KK/A Arnold3 Rdn 29. 345 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 17; MünchKomm/J Koch4 Rdn 20; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 27. 346 RG 16.6.1944 – Z II 142/43, WPg 1970, 421, 423 ff; MünchKomm/J Koch4 Rdn 21; Hüffer/Koch14 Rdn 11; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 17; KK/Zöllner1 Rdn 56 ff; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 5. Hiervon ausgehend auch OLG Celle 7.1.1961 – 9 U 17/60, AG 1961, 105 f. 347 RG 16.6.1944 – Z II 142/43, WPg 1970, 421, 423 re Sp; OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1525 li Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 21; Hüffer/Koch14 Rdn 11; KK/A Arnold3 Rdn 30; Spindler/Stilz/ Rölike4 Rdn 31; wohl auch OLG Celle 7.1.1961 – 9 U 17/60, AG 1961, 105 f.

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sein348 (vgl § 321 Abs 1 Satz 2 und Abs 5 Satz 1 HGB). Eine fehlende Siegelung (§ 48 WPO) ist dagegen unschädlich.349 Aus dem Prüfungsbericht muss hervorgehen, dass der Abschlussprüfer den Jahresabschluss geprüft hat,350 und dass er die Prüfung als abgeschlossen betrachtet,351 so dass jetzt der Aufsichtsrat am Zug ist. Außerdem muss etwas zum Prüfungsergebnis gesagt werden; gerade auch das gehört zum Wesen einer Prüfung (vgl § 321 Abs 1 Satz 1 HGB). Der Abschlussprüfer muss zum Ausdruck bringen, ob der Jahresabschluss den gesetzlichen Vorschriften entspricht (vgl § 321 Abs 2 Satz 1 HGB) und insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage der Gesellschaft vermittelt (vgl § 321 Abs 2 Satz 3 HGB).352 Ein positives Ergebnis der Prüfung verlangt § 256 dagegen nicht (vgl. Rdn 139a). Nicht zu den unverzichtbaren Voraussetzungen für eine wirksame Feststellung des 137 Jahresabschlusses gehören dagegen die für den Prüfungsbericht gebotene Stellungnahme des Abschlussprüfers zur Lagebeurteilung des Vorstands (vgl § 321 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 HGB),353 die Redepflicht des Abschlussprüfers im Hinblick auf Regelverstöße der Unternehmensleiter (vgl schon Rdn 135) oder bedrohliche Zukunftsaussichten (vgl § 321 Abs 1 Satz 3 HGB)354 sowie die Angaben über einzelne Gehalte des Jahresabschlusses (vgl § 321 Abs 2 Satz 4–5 HGB)355 und über Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung und die angewandten Grundsätze (vgl § 321 Abs 3 HGB).356 Der Abschlussprüfer muss seinen Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat vorlegen und 138 gleichzeitig dem Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats, wenn die Gesellschaft einen solchen Ausschuss hat (§ 321 Abs 5 Satz 2 HGB). Letzteres gehört aber nicht mehr zum unverzichtbaren Wesensgehalt der Abschlussprüfung im Sinne von § 256 Abs 1 Nr 2. Es genügt im Rahmen dieser Norm vielmehr, wenn der Bericht dem Aufsichtsratsvorsitzenden zugeht, bevor über die Feststellung des Jahresabschlusses Beschluss gefasst wird.357 Legt der Abschlussprüfer den Bericht stattdessen dem Vorstand vor (der ja nach § 321 Abs 5 Satz 3 HGB ohnehin Gelegenheit zur Stellungnahme haben muss), und leitet der Vorstand den Prüfungsbericht sodann dem Aufsichtsrat zu, so ist dies ebenfalls kein Prüfungsmangel nach § 256 Abs 1 Nr 2358 und auch kein relevanter Mangel des Feststellungsverfahrens nach § 256 Abs 2.359 Auch ob der Bericht den einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern zur Kenntnis gebracht wird (§ 170 Abs 3), berührt die Gültigkeit des Jahresabschlusses unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Prüfung (§ 256 Abs 1 Nr 2) nicht,360 doch können Fehler in diesen Bereichen zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Verfahrensmängeln bei der Feststellung führen361 (§ 256 Abs 2 und hierzu Rdn 190, 195).

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348 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1525 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 21; Hüffer/Koch14 Rdn 11; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 31; wohl auch RG 16.6.1944 – Z II 142/43, WPg 1970, 421, 425 re Sp; OLG Celle 7.1.1961 – 9 U 17/60, AG 1961, 105 f. 349 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1525; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 23. 350 RG 16.6.1944 – Z II 142/43, WPg 1970, 421, 424, 425 re Sp; OLG Celle 7.1.1961 – 9 U 17/60, AG 1961, 105 f. 351 RG 16.6.1944 – Z II 142/43, WPg 1970, 421, 424 li Sp, 425 re Sp. 352 Vgl OLG Celle 7.1.1961 – 9 U 17/60, AG 1961, 105 f; KK/A Arnold3 Rdn 31; MünchKomm/J Koch4 Rdn 21. 353 MünchKomm/J Koch4 Rdn 21. 354 KK/Zöllner1 Rdn 61; MünchKomm/J Koch4 Rdn 21. 355 Anders KK/Zöllner1 Rdn 59; Hüffer/Koch14 Rdn 11; auch MünchKomm/J Koch4 Rdn 21. 356 MünchKomm/J Koch4 Rdn 21. 357 MünchKomm/J Koch4 Rdn 21; im gleichen Sinne KK/Zöllner1 Rdn 62. 358 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1524 f; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 23; Bormann DStR 2011, 368, 370. 359 In diesem Sine auch Bormann DStR 2011, 368, 370. 360 MünchKomm/J Koch4 Rdn 21; im gleichen Sinne KK/Zöllner1 Rdn 62. 361 Ebenso Bormann DStR 2011, 368 f.

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138a

Legt der Abschlussprüfer zunächst nur einen Entwurf für den Prüfungsbericht vor, so genügt es den Mindestanforderungen an den Prüfungsbericht, wenn der Abschlussprüfer den Entwurf unverändert unterschreibt und gegenüber dem Aufsichtsrat für endgültig erklärt, bevor über die Feststellung des Jahresabschlusses Beschluss gefasst wird.362 Auch wenn dem Aufsichtsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses noch kein ausführlicher Prüfungsbericht vorliegt, sondern nur ein Kurzbericht, ist der Jahresabschluss nicht nach § 256 Abs 1 Nr 2 wegen fehlender Prüfung nichtig.363 In solchen Fällen kann allerdings ein Informationsmangel und damit ein Verfahrensfehler auf Seiten des Aufsichtsrats vorliegen, der die Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 2 gefährdet (vgl Rdn 190, 195).

dd) Mindestanforderungen an den Bestätigungs- oder Versagungsvermerk. Dieser Vermerk des Abschlussprüfers, das Testat, fasst das Ergebnis der Prüfung zusammen (§ 322 Abs 1 Satz 1 HGB) und richtet sich auch an die Öffentlichkeit, denn er wird mit dem Jahresabschluss offengelegt (§ 325 HGB). Auch der Vermerk gehört zu den unverzichtbaren Mindestelementen der Abschlussprüfung.364 Er muss schriftlich und vom Prüfer unterschrieben365 vorliegen, bevor über die Feststellung des Jahresabschlusses ein wirksamer Beschluss gefasst werden kann.366 Der Vermerk muss in diesem Zeitpunkt noch nicht notwendig die Form eines gesondert unterzeichneten Dokuments haben; es genügt vielmehr, wenn er im Prüfungsbericht wiedergegeben und dieser unterzeichnet ist.367 139a Inhaltlich muss der Vermerk ergeben, dass eine Abschlussprüfung stattgefunden und der Prüfer sich ein Urteil über den Jahresabschluss gebildet hat, denn die Beurteilung gehört zum Wesen einer Prüfung. Dabei genügt ein formalisiertes Gesamturteil,368 ob der Abschluss in Ordnung ist oder nicht oder eine Mischung von beidem. Die genaue abschlussprüfungsrechtliche Unterscheidung, ob ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk oder ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird, oder ob der Bestätigungsvermerk versagt wird (§ 322 Abs 2 Satz 1 HGB), sowie die vielen weiteren Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Vermerk, die diesen fast schon zu einem kleinen Prüfungsbericht für die Öffentlichkeit machen, gehören demgegenüber nicht zu den Gültigkeitsvoraussetzungen für die Feststellung des Jahresabschlusses im Sinne von § 256 Abs 1 Nr 2. Auch führt ein Vermerk, mit dem die Bestätigung versagt wird, nicht etwa zur Nichtigkeit der anschließenden Feststellung des Jahresabschlusses, denn auch bei einem solchen Vermerk hat die Abschlussprüfung stattgefunden.369 Ebenso wenig macht ein Widerruf des Testats den bereits festgestellten Jahresabschluss nichtig.370 Ein Wider139

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362 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1525 li Sp; KK/A Arnold3 Rdn 30; Bormann DStR 2011, 368; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 23. 363 RG 16.6.1944 – Z II 142/43, WPg 1970, 421; OLG Celle 7.1.1961 – 9 U 17/60, AG 1961, 105 f; KK/Zöllner1 Rdn 60; Hüffer/Koch14 Rdn 11. 364 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1525 re Sp sowie die nachfolgend Genannten. 365 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1525 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 23. 366 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1525 f; KK/Zöllner1 Rdn 63 ff; MünchKomm/J Koch4 Rdn 23; Hüffer/Koch14 Rdn 12; KK/A Arnold3 Rdn 30. 367 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1525 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 23 aE; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 23; trotz Bedenken auch Bormann DStR 2011, 368. 368 So der treffende Begriff von MünchKomm/J Koch4 Rdn 23. 369 KK/A Arnold3 Rdn 31; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 24; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 32; MünchKomm/J Koch4 Rdn 23; Hüffer/Koch14 Rdn 12; Adler/Düring/Schmaltz6 § 322 HGB Rdn 34, 328; Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 690. 370 Adler/Düring/Schmaltz5 § 322 HGB Rdn 373; Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 690; BeckBil-Komm/ Schmidt/Küster/Bernhardt12 § 322 HGB Rdn 261.

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ruf vor der Abschlussfeststellung führt dagegen dazu, dass keine vollständige Abschlussprüfung stattgefunden hat; der Jahresabschluss kann daher erst dann wirksam festgestellt werden, wenn ein neues Testat erteilt ist. c) Fehlende Prüferbefähigung (Abs 1 Nr 3 Fall 1). Gemäß § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 1 ist 140 ein festgestellter Jahresabschluss nichtig, wenn er im Falle einer gesetzlichen Prüfungspflicht von Personen geprüft worden ist, die nach § 319 Abs 1 HGB oder nach Art 25 EGHGB nicht Abschlussprüfer sind. Es geht hier um den berufsrechtlichen Status des Prüfers. Die erste und bei Weitem wichtigere der beiden Regeln lautet: 1

„§ 319 [HGB] Auswahl der Abschlussprüfer […] (1) Abschlussprüfer können Wirtschaftsprüfer und 2 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. Abschlussprüfer von Jahresabschlüssen und Lageberichten mittelgroßer Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 267 Abs 2) oder von mittelgroßen Personenhandelsgesellschaften im Sinne des § 264a Abs 1 können auch vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesell3 schaften sein. Die Abschlussprüfer nach den Sätzen 1 und 2 müssen über einen Auszug aus dem Berufsregister verfügen, aus dem sich ergibt, dass die Eintragung nach § 38 Nummer 1 Buchstabe h oder Nummer 2 Buchstabe f der Wirtschaftsprüferordnung vorgenommen worden ist; Abschlussprüfer, die erstmalig eine gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfung nach § 316 des Handelsgesetzbuchs durchführen, müssen spätestens sechs Wochen nach Annahme eines Prüfungsauftrags über den Auszug aus 4 dem Berufsregister verfügen. Die Abschlussprüfer sind während einer laufenden Abschlussprüfung verpflichtet, eine Löschung der Eintragung unverzüglich gegenüber der Gesellschaft anzuzeigen.“

aa) Wirtschaftsprüfer-Status (§ 319 Abs 1 Satz 1 HGB). Abschlussprüfer von Akti- 141 engesellschaften müssen immer Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein (§ 319 Abs 1 Satz 1 HGB). Wirtschaftsprüfer sind Personen, die als solche öffentlich bestellt sind (§ 1 Abs 1 Satz 1 WPO),371 und zwar von der Wirtschaftsprüferkammer durch Aushändigung einer Urkunde (§ 15 WPO). Entsprechend bedürfen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Anerkennung (§ 1 Abs 3 Satz 1 WPO) durch die Wirtschaftsprüferkammer (§ 29 WPO). Eine so anerkannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist als solche zur Abschlussprüfung befähigt; die natürlichen Personen, welche die Prüfung durchführen, müssen nicht Wirtschaftsprüfer sein. 372 Der Bestätigungsvermerk muss allerdings namens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von natürlichen Personen unterzeichnet sein, die selbst Wirtschaftsprüfer sind (§ 32 WPO), und Entsprechendes gilt für den Prüfungsbericht.373 Ein Verstoß hiergegen macht die Feststellung des Jahresabschlusses aber nicht nach § 256 Abs 1 Nr 3 nichtig.374 Der Status als Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die hierin 142 begründete Befähigung zum Abschlussprüfer müssen in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Prüfung durch die Vorlage des Prüfungsberichts und die Erteilung des Bestätigungs- oder Versagungsvermerks abgeschlossen wird; sonst ist die anschließende Feststellung des Abschlusses nach § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 1 nichtig375 (anders nur bei gerichtlicher Bestellung des Abschlussprüfers, siehe Rdn 143e). Hat ein von der Hauptver-

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371 Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung – WPO), ursprünglich von 1961, seither oft geändert, in neuerer Zeit insbesondere durch das Gesetz zur Umsetzung der aufsichts- und berufsrechtlichen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz APAReG) vom 31.3.2016, BGBl I, S 518. 372 Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 309; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 7. 373 BeckBil-Komm/Schmidt/Deike12 § 321 HGB Rdn 243. 374 Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 309. 375 KK/Zöllner1 Rdn 77; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 17.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

sammlung gewählter Prüfer im Zeitpunkt des Wahlbeschlusses keine Prüferbefähigung, kann der Jahresabschluss auf der Grundlage einer Prüfung durch diese Person ebenfalls nicht wirksam festgestellt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn der Gewählte die Prüferbefähigung vor Abschluss der Prüfung erwirbt. Das folgt zwar nicht aus § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 1,376 weil der Prüfer beim Abschluss der Prüfung die Befähigung hatte und sich auf dieser Grundlage seine vorangegangenen Prüfungshandlungen zu eigen machen kann (vgl Rdn 146). Aber der vorhergehende Prüferwahlbeschluss der Hauptversammlung ist nichtig (§ 241 Nr 3) und der Gewählte deshalb im Sinne von § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 nicht zum Abschlussprüfer bestellt.377 Für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses würde jedoch in solchen Fällen regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl Rdn 235 ff). bb) Eintragung der Abschlussprüfertätigkeit im Berufsregister (§ 319 Abs 1 Satz 3 HGB). Die Bestimmung des § 319 Abs 1 HGB über den Wirtschaftsprüferstatus als Grundlage der Abschlussprüfer-Befähigung hat noch einen Zusatz, wonach der Abschlussprüfer über einen Auszug aus dem bei der Wirtschaftsprüferkammer geführten Berufsregister verfügen muss, aus dem sich ergibt, dass er dort seine Tätigkeit als gesetzlicher Abschlussprüfer hat eintragen lassen (§ 319 Abs 1 Satz 3, im Wortlaut oben Rdn 140). Der zugrunde liegende Rechtsgedanke geht ursprünglich auf das Bilanzrechtsre143a formgesetz (BilReG) von 2004 zurück und war damals dahin gefasst, dass der Abschlussprüfer eine Bescheinigung über die Teilnahme an der Qualitätskontrolle durch die Wirtschaftsprüferkammer haben musste.378 Dies hatte das Gesetz damals zur Wirksamkeitsvoraussetzung für die anschließende Feststellung des Jahresabschlusses erhoben.379 Denn § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 1 nimmt den ganzen § 319 Abs 1 HGB in Bezug, auch dessen Satz 3 mit seiner damaligen Qualitätskontrollbescheinigung, und der Gesetzgeber des Bilanzrechtsreformgesetzes hatte den Zusammenhang zwischen § 319 HGB und § 256 AktG gesehen.380 Das Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) von 2016 hat das in der Wirt143b schaftsprüferordnung geregelte System der Qualitätskontrolle aufrechterhalten und entsprechend den Vorgaben des EU-Rechts noch intensiviert. Aber die Qualitätskontrollteilnahmebescheinigung wurde durch eine Anzeige der Tätigkeit als Abschlussprüfer an die Wirtschaftsprüferkammer und eine Eintragung im Berufsregister ersetzt. Damit hat es folgende Bewandtnis: Wenn Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für gesetzlich gebotene Abschlussprüfungen zur Verfügung stehen wollen, müssen sie das der Wirtschaftsprüferkammer anzeigen (§ 57a Abs 1 Satz 2 WPO). Diese trägt die Anzeige der Tätigkeit als gesetzlicher Abschlussprüfer im Berufsregister ein (§ 38 Nr 1 143

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376 So aber KK/Zöllner1 Rdn 77; im selben Sinne MünchKomm/J Koch4 Rdn 26 aE; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 17. 377 MünchHdbAG/Hoffmann-Becking5 § 45 Rdn 2. 378 § 319 Abs 1 Satz 3 HGB idF von Art 1 Nr 23 BilReG (genaue Gesetzesdaten oben bei Rdn 15a). Dieses sogenannte Peer-Review-Erfordernis war zuvor nur von § 319 Abs 2 HGB im Zusammenhang mit den Ausschlussgründen und Tätigkeitsverboten in Bezug genommen und von der Verweisung des § 256 Abs 1 Nr 3 nicht erfasst, weil sich diese nur auf § 319 Abs 1 HGB erstreckt. 379 So damals BGH 2.7.2013 – II ZR 293/11, Rdn 10 und 13, WM 2013, 1560, 1561 li (betr GmbH) und wohl allg M; statt vieler Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 26; Gelhausen/Heinz in: WPHandbuch13, Bd 1, 2006, Rdn U 139. 380 RegE BilReG, BT-Drucks 15/3419 v 24.6.2004, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 23 (betr § 319 HGB), hier zu Abs 1, S 38 li Sp, auch S 36 re Sp.

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Buchst h WPO für Wirtschaftsprüfer und § 38 Nr 2 Buchst f WPO für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) und stellt den Betroffenen einen Registerauszug über die Eintragung aus (§ 40 Abs 3 WPO). Aufgrund der Eintragung unterliegen die Betroffenen dann der Qualitätskontrolle durch die Wirtschaftsprüferkammer (§ 57a Abs 1 Satz 1 WPO). Die Eintragung wird in § 319 Abs 1 Satz 3 HGB zur Voraussetzung für die Abschlussprüferbefähigung gemacht. Man muss diese Anforderung ebenso wie die Vorgängerregelung (Rdn 143a) als Voraussetzung für eine wirksame Feststellung des Jahresabschlusses prüfungspflichtiger Gesellschaften verstehen.381 Hierauf wollte der Gesetzgeber auch hinaus. Durch die „Änderung des § 319 Absatz 1 Satz 3 HGB wird sichergestellt,“ so heißt es in der Begründung zum Regierungsentwurf des APAReG, „dass ohne diese Anzeige und Eintragung keine gesetzlichen Abschlussprüfungen durchgeführt werden dürfen und die Nichtigkeitsfolge erhalten bleibt.“382 Auch der Bericht des zuständigen Bundestagsausschusses zum Regierungsentwurf spricht in diesem Zusammenhang von der „Nichtigkeitsfolge des § 256 Abs 1 Nummer 3 AktG“.383 Besonders klar ist die gesetzliche Neuregelung allerdings nicht geraten. § 319 Abs 1 143c Satz 3 HGB, auf den § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 1 AktG verweist, verlangt nämlich seinem Wortlaut nach nicht die Eintragung im Berufsregister und die damit einhergehende Unterwerfung unter die Qualitätskontrolle, sondern dass der Prüfer über einen hierhingehenden Registerauszug verfügt. Als formalisierte Voraussetzung für die Bestellung durch die Gesellschaft ist das in der Regel praktisch sinnvoll. Ein geprüfter Jahresabschluss kann aber vernünftigerweise nicht schon deshalb nichtig sein, weil der Prüfer keinen Registerauszug in Händen hält,384 vielleicht weil dieser von der Wirtschaftsprüferkammer nicht angefordert worden oder abhandengekommen ist. Voraussetzung für eine wirksame Feststellung des Jahresabschlusses kann es vielmehr sinnvollerweise nur sein, dass der Prüfer im Berufsregister eingetragen ist und damit auf gesicherte Weise der Qualitätskontrolle unterliegt.385 Dem entspricht es auch, dass der Abschlussprüfer nach § 319 Abs 1 Satz 4 HGB der Gesellschaft eine Löschung der Eintragung anzeigen muss (siehe den Gesetzeswortlaut oben in Rdn 140) und nicht etwa ein Abhandenkommen des Registerauszugs.386 Damit der Jahresabschluss wirksam festgestellt werden kann, muss der Abschlussprüfer in demjenigen Zeitpunkt im Berufsregister eingetragen sein, in dem die Prüfung durch den Prüfungsbericht und den Bestätigungs- oder Versagungsvermerk abgeschlossen wird.387 Eine Löschung der Registereintragung nach der Bestellung des Abschlussprüfers führt deshalb dazu, dass der Jahresabschluss auf der Grundlage einer Prüfung durch diese Person nicht mehr wirksam festgestellt werden kann.388 Darüber hinaus muss die Registereintragung auch schon bei der Wahl des Abschlussprüfers durch die Hauptversammlung bestehen,389 weil diese sonst nach § 241 Nr 3 nichtig ist (vgl Rdn 142 aE).

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381 Ebenso KK/A Arnold3 Rdn 34; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 34; Hüffer/Koch14 Rdn 14; BeckBilKomm/Schmidt/Nagel12 § 319 HGB Rdn 15 aE und 93. 382 RegE APAReG, BT-Drucks 18/6282 v 8.10.2015, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 42 (betr § 57a WPO), S 81. 383 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zum RegE APAReG, BT-Drucks 18/6907 v 2.12.2015, S 111 (betr § 57a WPO). 384 So aber KK/A Arnold3 Rdn 34; ebenso klingt es an bei Hüffer/Koch14 Rdn 14. 385 Ebenso BeckBil-Komm/Schmidt/Nagel12 § 319 HGB Rdn 1, 15. 386 Das betonen zutreffend auch BeckBil-Komm/Schmidt/Nagel12 § 319 HGB Rdn 15. 387 BeckBil-Komm/Schmidt/Nagel12 § 319 HGB Rdn 93. 388 Nicht eindeutig in diesem Punkt Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 34. 389 Hüffer/Koch14 Rdn 14.

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Übernimmt der Prüfer eine Abschlussprüfung, obwohl er nicht als Abschlussprüfer im Berufsregister eingetragen ist, so ist das ein Fall der anfänglichen Leistungsunmöglichkeit, und der Prüfer schuldet der Gesellschaft Schadensersatz (§ 311a Abs 2 BGB).390 Der zu ersetzende Schaden umfasst auch die Kosten, die der Gesellschaft dadurch entstehen, dass sie trotz einer zwischenzeitlichen Heilung des nichtigen Jahresabschlusses (sechs Monate nach § 256 Abs 6 Satz 1) dessen Bilanzposten und die zugrundeliegenden Salden der Buchführung noch einmal durch einen korrekt ausgewiesenen Wirtschaftsprüfer überprüfen lässt, um eine sichere Grundlage für die Eröffnungsbuchungen des Folgejahrs zu haben. Man darf es der Gesellschaft nicht verübeln, wenn sie der Abschlussprüfung durch den ersten und nicht hinreichend ausgewiesenen Wirtschaftsprüfer misstraut.391 Die Gesellschaft kann sogar den Jahresabschluß insgesamt neu prüfen lassen und die Kosten hierfür im Wege des Schadensersatzes dem Erstprüfer auferlegen.

143e

cc) Besonderheiten bei gerichtlicher Bestellung des Abschlussprüfers. Wenn anstelle der Hauptversammlung das Gericht den Abschlussprüfer bestellt hat (vgl Rdn 152, 156 ff), können Verstöße gegen das Wirtschaftsprüfer-Erfordernis einer wirksamen Feststellung des Jahresabschlusses nichts anhaben392 und ebenso wenig eine fehlende Eintragung im Berufsregister mit Qualitätskontrollunterwerfung. Das folgt aus der Geltungs- und Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen und aus dem Grundsatz, dass fehlerhafte Gerichtsentscheidungen nur mit Rechtsmitteln umgestoßen werden können.

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dd) Sonderregeln für Genossenschaften und gemeinnützige Wohnungsunternehmen. Eine Sonderregelung im Verhältnis zu § 319 HGB trifft Art 25 EGHGB für Aktiengesellschaften, die am 31.12.1989 als gemeinnützige Wohnungsunternehmen anerkannt waren, und für Aktiengesellschaften, bei denen die Mehrheit der Anteile und der Stimmen Genossenschaften oder genossenschaftlichen Prüfungsverbänden zusteht. Auf derartige Gesellschaften ist § 319 Abs 1 HGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass sie ihre Jahresabschlüsse unter bestimmten Voraussetzungen auch von dem Prüfungsverband prüfen lassen dürfen, dem sie als Mitglied angehören. Der Jahresabschluss solcher Gesellschaften ist nach § 256 Abs 1 Nr 3 nichtig, wenn er weder von Wirtschaftsprüfern noch vom zuständigen Prüfungsverband geprüft ist, oder wenn er vom Prüfungsverband geprüft ist, obwohl die Gesellschaft nicht zu den alten gemeinnützigen Wohnungsunternehmen oder zum Genossenschaftsbereich gehört, oder wenn der Prüfungsverband die Anforderungen des Art 25 EGHGB nicht erfüllt. d) Fehlerhafte Prüferbestellung (Abs 1 Nr 3 Fall 2)

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aa) Überblick. Die Feststellung des Jahresabschlusses ist nach § 265 Abs 1 Nr 3 Fall 2 schließlich auch dann wegen eines Prüfungsmangels nichtig, „wenn er im Falle einer gesetzlichen Prüfungspflicht von Personen geprüft worden ist, die … aus anderen Gründen als“ einem Verstoß gegen bestimmte und im Gesetz genau aufgeführte Regeln „nicht zum Abschlussprüfer bestellt sind“. Der Abschluss ist also grundsätzlich nichtig, wenn

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390 Ebenso zur alten Rechtslage nach dem BilReG (vgl oben Rdn 143a) im Ergebnis BGH 2.7.2013 – II ZR 293/11, Leitsatz 2 sowie Rdn 6 und 10, WM 2013, 1560 f (betr GmbH), wo auf eine Verletzung von Pflichten aus dem Prüfungsvertrag abgestellt wird. 391 BGH 2.7.2013 – II ZR 293/11, Leitsatz 2 und Rdn 11 ff, WM 2013, 1560, 1561 f (betr GmbH). 392 Anders Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 31 aE.

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er von Personen geprüft worden ist, die nicht wirksam zum Abschlussprüfer bestellt sind (hierzu Rdn 146 ff). Diese Nichtigkeitssanktion kommt allerdings nicht zur Geltung, wenn die Prüferbestellung gegen das allgemeine Gebot der Unbefangenheit des Abschlussprüfers (§ 319 Abs 2 HGB) verstößt oder gegen spezielle gesetzliche Ausschlussgründe, die dieses Gebot konkretisieren (§§ 319 Abs 3–4, 319a Abs 1 und 3, 319b Abs 1 HGB), oder gegen die gleichgerichteten Regeln der EU-AbschlussprüfungsVO (hierzu Rdn 153 ff). bb) Abschlussnichtigkeit bei Unwirksamkeit der Prüferbestellung (1) Maßgebender Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Prüferbestellung. Soweit es 146 für die Wirksamkeit der Feststellung des Jahresabschlusses auf die wirksame Bestellung des Abschlussprüfers ankommt, muss die Bestellung spätestens in dem Zeitpunkt wirksam vorgenommen sein, in dem die Prüfung abgeschlossen ist, also wenn der Abschlussvermerk erteilt und der Prüfungsbericht vorgelegt wird. Bis dahin kann die Bestellung nachgeholt werden, später nicht mehr.393 Manche Stimmen fordern dagegen eine wirksame Prüferbestellung schon von Anbeginn der Prüfung an, wenn die Abschlussnichtigkeit vermieden werden soll.394 Das geht jedoch zu weit. Denn mit dem Prüfungsbericht und Testat kann sich der Prüfer seine vorangegangenen Prüfungshandlungen zu Eigen machen,395 so wie er auch auf eine Tätigkeit von Mitarbeitern zurückgreifen kann, die nicht selbst Abschlussprüfer sind (vgl Rdn 141 f). Wenn eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Abschlussprüfer bestellt ist, die dann auf eine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verschmolzen wird, ist zur Abschlussprüfung jetzt die übernehmende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin berufen, und der Jahresabschluss kann auf dieser Grundlage wirksam festgestellt werden.396 (2) Bestellung des Abschlussprüfers durch die Hauptversammlung. Im Übrigen 147 kommt es für die Wirksamkeit der Prüferbestellung darauf an, ob die Hauptversammlung oder ausnahmsweise das Gericht die Bestellung vornimmt. Die Bestellung des Abschlussprüfers erfolgt in Aktiengesellschaften normalerweise durch Wahlbeschluss der Hauptversammlung (§ 119 Abs 1 Nr 4 AktG, § 318 Abs 1 Satz 1 HGB).397 „Nicht zum Abschlussprüfer bestellt“ sind dann im Sinne von § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 Personen, die nicht durch einen wirksamen Beschluss der Hauptversammlung gewählt worden sind, sei es weil ein solcher Wahlbeschluss überhaupt nicht gefasst wurde,398 oder sei es, weil er von Anfang an nichtig war oder auf Anfechtungsklage vom Gericht für nichtig erklärt worden ist (Rdn 148). Nicht zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Prüferbestellung und folglich auch nicht zu den Voraussetzungen für eine wirksame Feststellung des Jahresabschlusses gehören dagegen der Prüfungsauftrag, den der Aufsichtsrat dem Abschlussprüfer erteilt (§ 111 Abs 2 Satz 3 AktG, § 318 Abs 1 Satz 4 HGB), sowie der Prüfungsvertrag als Geschäfts-

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393 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 20; MünchKomm/J Koch4 Rdn 27; Hüffer/Koch14 Rdn 13; Spindler/ Stilz/Rölike4 Rdn 36; KK/Zöllner1 Rdn 72; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 6; Forster in: FS Semler, 1993, 819, 820 f. 394 Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 17 Abs 2. 395 So auch MünchKomm/J Koch4 Rdn 27; Hüffer/Koch14 Rdn 13; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 36; KK/ A Arnold3 Rdn 35. 396 LG München I 22.12.2012 – 5 HK O 12398/08, Ziff I.2.a) der Entscheidungsgründe, AG 2012, 386, 837; zustimmend Spindler/Stilz/Rölike4 38; KK/A Arnold3 Rdn 35. 397 In Versicherungsgesellschaften wird dagegen der Abschlussprüfer vom Aufsichtsrat bestimmt (§ 341k Abs 2 Satz 1 HGB). 398 Hüffer/Koch14 Rdn 13; KK/A Arnold3 Rdn 35.

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besorgungsvertrag zwischen der Gesellschaft und dem Abschlussprüfer, der mit Annahme des Prüfungsauftrags durch den Abschlussprüfer zustande kommt.399 Ein Hauptversammlungsbeschluss über die Wahl des Abschlussprüfers kann nach 148 § 241 aus den dort genannten Gründen nichtig sein. Dann ist der Prüfer nicht zum Abschlussprüfer bestellt, und nach § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 ist dann grundsätzlich auch die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig, wenn sie auf der Grundlage einer Abschlussprüfung durch den nichtig gewählten Prüfer beschlossen wurde400 (vgl aber auch unten Rdn 153 ff). Ein Beschluss der Hauptversammlung über die Wahl des Abschlussprüfers kann außerdem im Wege der Anfechtungsklage angegriffen werden (§ 243). Hat die Klage Erfolg, so wird der Wahlbeschluss durch Urteil für nichtig erklärt (§§ 241 Nr 5, 248 Abs 1 Satz 1). Das stattgebende rechtskräftige Anfechtungsurteil wirkt auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung zurück, so dass die Beschlusswirkungen rückwirkend entfallen.401 Der Prüfer ist also auch in diesem Fall nicht zum Abschlussprüfer bestellt, und der Jahresabschluss kann auf der Grundlage einer Prüfung durch diese Person nicht wirksam festgestellt werden.402 Das gilt auch dann, wenn die Entscheidung im Anfechtungsprozess erst nach Abschluss der Prüfung ergeht.403 Die Hauptversammlung kann allerdings den anfechtbaren Wahlbeschluss vor Erlass eines Urteils durch einen neuen, fehlerfreien Beschluss bestätigen und so die Prüferbestellung bestandsfest machen (§ 244).404 Die Möglichkeit, einen Hauptversammlungsbeschluss über die Wahl des Ab149 schlussprüfers anzufechten, ist allerdings stark eingeschränkt. Die Anfechtung kann nämlich „nicht auf Gründe [gestützt werden], die ein Verfahren nach § 318 Abs 3 HGB rechtfertigen“ (§ 243 Abs 3 Nr 3), das heißt ein gerichtliches Verfahren zur Ersetzung des von der Hauptversammlung gewählten Abschlussprüfers, wie es insbesondere bei Besorgnis der Befangenheit und entsprechenden speziellen Ausschlussgründen eröffnet ist (näher Rdn 153, 156). Als Fälle, in denen der Wahlbeschluss der Hauptversammlung anfechtbar ist, bleiben daher im Wesentlichen nur Verfahrensfehler bei der Einberufung und Durchführung der Versammlung.405 Selbst wenn hiernach der Hauptversammlungsbeschluss über die Wahl des Ab150 schlussprüfers nichtig oder erfolgreich angefochten ist, und dies nach § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses wegen fehlender Prüferbestel-

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399 KK/A Arnold3 Rdn 35; Spindler/Stilz/Rölike4 37; MünchKomm/J Koch4 Rdn 27 und Hüffer/Koch14 Rdn 13 und § 111 Rdn 28 aE; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 17 Abs 3; KK/Zöllner1 Rdn 72; Lutter in: FS Semler, 1993, 835, 844. 400 KK/Zöllner1 Rdn 72; MünchKomm/J Koch4 Rdn 28; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 29; Habersack NZG 2003, 659, 663 re Sp; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 17 Abs 2; hiervon ausgehend auch OLG Frankfurt 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 re Sp. 401 So zum Beschluss der Hauptversammlung über die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 13, BGHZ 196, 195, 200 und zum allgemeinen Beschlussmängelrecht statt vieler Hüffer/Koch14 § 248 Rdn 6 f. 402 Habersack NZG 2003, 659, 660 re Sp, 663 re Sp; KK/A Arnold3 Rdn 35; KK/Zöllner1 Rdn 72; MünchKomm/J Koch4 Rdn 28; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 28 f; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 38; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 17 Abs 2; Forster in: FS Semler, 1993, 819, 828; hiervon ausgehend auch OLG Frankfurt 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 re Sp. 403 KK/Zöllner1 Rdn 72; Lutter in: FS Semler, 1993, 835, 841 f; Forster in: FS Semler, 1993, 819, 828. 404 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 27. 405 Vgl BGH 25.11.2002 – II ZR 49/01, BGHZ 153, 32, 35 ff („HypoVereinsbank“), betr die Wahl eines Sonderprüfers. Zur Wahl des Abschlussprüfers ebenso Schürnbrand AG 2016, 70, 77 f, der aber de lege ferenda auch insoweit für einen Vorrang des Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahrens plädiert.

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lung führt, heilt der Jahresabschluss nach sechs Monaten406 ab der Bekanntmachung (§ 256 Abs 6 Satz 1). Wenn also ein rechtskräftiges Anfechtungsurteil hinsichtlich der Prüferbestellung erst nach Ablauf der Heilungsfrist ergeht, kann dieses Urteil der Gültigkeit des Jahresabschlusses nichts mehr anhaben. Anders nur, wenn innerhalb der sechs Monate zugleich Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses erhoben wird, denn dann verlängert sich im Hinblick auf den Jahresabschluss die Heilungsfrist, bis der Jahresabschluss-Nichtigkeitsprozess beendet ist (§ 256 Abs 6 Satz 2).407 Die Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen die Wahl des Abschlussprüfers ist hier vorgreiflich gegenüber der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses, so dass dieser Prozess nach § 148 ZPO ausgesetzt werden kann.408 Ist eine Anfechtungs- und/oder Nichtigkeitsklage gegen den Hauptversammlungs- 151 beschluss über die Prüferbestellung anhängig, so kann es ratsam sein, vorsorglich einen zweiten Abschlussprüfer durch Beschluss der Hauptversammlung zu bestellen oder in analoger Anwendung von § 318 Abs 4 Satz 2 HGB gerichtlich bestellen zu lassen (Rdn 152), damit trotz eines möglichen Erfolgs der Klage gegen die Bestellung des ersten Prüfers eine ordnungsgemäße Abschlussprüfung ohne Verzögerung gewährleistet ist.409 Der zweite Prüfer führt die Abschlussprüfung gleichzeitig mit dem ersten Prüfer und unabhängig von diesem durch, und seine Prüfung hat Bestand, wenn der erste Prüfer wegfällt.410 Da die Auswahl eines gerichtlich zu bestellenden Prüfers dem Gericht obliegt, kann das Gericht sogar den von der HV gewählten Abschlussprüfer ergänzend bestellen; dann sind die Wirksamkeit dieser Bestellung und die Wirksamkeit des Jahresabschlusses ohne weiteres auch bei erfolgreicher Anfechtungsklage gesichert.411 (3) Bestellung des Abschlussprüfers durch das Gericht. Statt durch die Gesell- 152 schaft kann ein Abschlussprüfer unter besonderen Voraussetzungen auch durch das Gericht bestellt werden. So namentlich, wenn dies aus einem in der Person des zuvor von der Gesellschaft gewählten Prüfers liegenden Grund geboten erscheint, insbesondere wenn eine allgemeine Besorgnis der Befangenheit besteht oder ein spezieller Ausschlussgrund vorliegt (§ 318 Abs 3 HGB, näher Rdn 156 ff). Daneben kommt eine gerichtliche Abschlussprüferbestellung in Betracht, wenn die Gesellschaft bis zum Ende des Geschäftsjahrs keinen Abschlussprüfer gewählt hat (§ 318 Abs 4 Satz 1 HGB) oder der gewählte Abschlussprüfer nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht (§ 318 Abs 4 Satz 2 HGB). Soll ein vom Gericht ernannter Prüfer den Jahresabschluss prüfen, muss er durch eine wirksame gerichtliche Entscheidung zum Abschlussprüfer bestellt sein, und zwar bevor er seinen Prüfungsbericht vorlegt und den Abschlussvermerk erteilt. Die gerichtli-

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406 KK/Zöllner1 Rdn 71; MünchKomm/J Koch4 Rdn 28; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking5 § 45 Rdn 2; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 28, 30; Lutter in: FS Semler, 1993, 835, 842; Ebke in: FS Röhricht, 2005, 833, 841 f, 844. 407 KK/Zöllner1 Rdn 71; MünchKomm/J Koch4 Rdn 28; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 28, 30; Lutter in: FS Semler, 1993, S 835, 842; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 38. 408 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 38 aE; hiervon ausgehend auch OLG Frankfurt 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 li Sp. 409 So die treffende Formulierung von MünchHdbAG/Hoffmann-Becking5 § 45 Rdn 4. 410 AG Wolfsburg 19.12.1989 – 2 HRB 215, AG 1992, 205 f (betreffend die gerichtliche Bestellung des zweiten Prüfers analog § 318 Abs 4 HGB); ausführlich Lutter in: FS Semler, 1993, S 835, 846 ff, 849 ff; des Weiteren MünchHdbAG/Hoffmann-Becking5 § 45 Rdn 4; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 9; Forster in: FS Semler, 1993, 819, 829 f; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 28 aE, im Erg auch § 318 HGB, 100. Ablehnend Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 17Abs 2. Offenlassend OLG Karlsruhe 27.10.2015 11 Wx 87/15, AG 2016, 42, 46. 411 OLG Karlsruhe 27.10.2015 11 Wx 87/15, AG 2016, 42, 43 ff; zustimmend Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 9; Schockenhoff/Culmann AG 2016, 23 ff.; Schürnbrand AG 2016, 70, 77 li Sp. Kritisch Müller-Michaels BB 2015, 3027.

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che Entscheidung über die Bestellung des Abschlussprüfers muss also vor diesem Zeitpunkt ergangen und in diesem Zeitpunkt noch wirksam sein412 (näher unten Rdn 157 ff). cc) Keine Abschlussnichtigkeit wegen Befangenheit des Prüfers 153

(1) Erfasste Fälle. Die Regel, dass der Jahresabschluss nichtig ist, wenn die prüfende Person nicht zum Abschlussprüfer bestellt ist, wird in § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 ganz erheblich eingeschränkt, nämlich dahingehend, dass der Jahresabschluss nur dann nichtig ist, wenn die prüfenden Personen „aus anderen Gründen als den folgenden nicht zum Abschlussprüfer bestellt sind“, wie es im Gesetz heißt, und zwar aus anderen Gründen als einem Verstoß gegen die folgenden Bestimmungen des Bilanzprüfungsrechts: (a) § 319 Abs 2, 3 oder 4 HGB, (b) § 319a Abs 1 oder 3 HGB, (c) § 319b Abs 1 HGB oder (d) die EU-AbschlussprüfungsVO (537/2014, vgl oben Rdn 15a).

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Nach der ersten der hier in Bezug genommenen Normen (a) ist „ein Wirtschaftsprüfer … als Abschlussprüfer ausgeschlossen, wenn ... Gründe, insbesondere Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art, vorliegen, nach denen die Besorgnis der Befangenheit besteht“ (§ 319 Abs 2 HGB).413 Dieser allgemeine Ausschlussgrund der Besorgnis der Befangenheit wird dann im Gesetz durch eine Vielzahl besonderer Ausschlussgründe konkretisiert, welche die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Prüfers gewährleisten sollen. Hierzu zählen vor allem Organverflechtungen mit der zu prüfenden Gesellschaft, Kapitalbeteiligungen an ihr sowie bestimmte Dienstleistungsverhältnisse (§ 319 Abs 3 HGB). Das wird dann auch auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erstreckt (§ 319 Abs 4 HGB). Außerdem gibt es (b) weitere spezielle Ausschlussgründe für „Unternehmen von öffentlichem Interesse“, das heißt für kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften, Aktienbanken und Versicherungs-Aktiengesellschaften (§ 319a Abs 1 und 3 HGB). All diese Befangenheits- und Ausschlussgründe strahlen (c) auch auf die Mitglieder eines Netzwerks von Berufsangehörigen aus (§ 319b HGB). Und schließlich enthält (d) die 2014 erlassene EU-AbschlussprüfungsVO (537/2014) für Unternehmen von öffentlichem Unteresse noch einmal besondere Anforderungen an die Bestellung des Abschlussprüfers. Dazu gehören ein langer Katalog nicht statthafter Dienstleistungen jenseits der Abschlussprüfung (Art 5 und auch Art 4 Abs 2 EU-AbschlussprüfungsVO), ein durchreglementiertes Auswahl- und Bestellungsverfahren unter Beteiligung des Prüfungsausschusses der zu prüfenden Gesellschaft (Art 16 EU-AbschlussprüfungsVO) sowie eine externe Rotation, das heißt eine zeitliche Begrenzung der Möglichkeit, denselben Prüfer jedes Jahr aufs Neue zu bestellen (Art 17 EU-AbschlussprüfungsVO). All diese Regeln sollen im Falle ihrer Verletzung nach § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen. Das lässt sich allerding nicht leicht mit dem Normwortlaut in eins setzen, wonach die betroffenen Personen „nicht zum Abschlussprüfer bestellt sind“, und ist auch sonst nicht sehr verständlich formuliert.

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(2) Geschichtlicher Rückblick. Um zu verstehen, was mit der Bestimmung des § 256 Abs 1 Nr 3 gemeint ist, lohnt ein Blick auf die Gesetzesgeschichte.414 Diese Norm

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412 OLG Düsseldorf 26.2.1996 – 2 Wx 279/95, WM 1996, 1777, 1778 f; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 22–24; KK/Zöllner1 Rdn 74; MünchKomm/J Koch4 Rdn 29; Hüffer/Koch14 Rdn 13. 413 Zur Auslegung dieser Begriffe BGH 3.6.2004 – X ZR 104/03, BGHZ 159, 234, 242. 414 Hierzu und zum Folgenden ausführlich Habersack NZG 2003, 659 ff.

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hatte in der ursprünglichen Fassung des AktG von 1965 bestimmt, dass ein Jahresabschluss nichtig ist, wenn „er von Personen geprüft worden ist, die nicht zum Abschlussprüfer bestellt sind oder nach § 164 nicht Abschlussprüfer sein können“ (vgl Rdn 10). Die hier in Bezug genommene Regel des § 164 AktG aF hatte angeordnet, dass der Abschlussprüfer ein Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sein muss (§ 164 Abs 1 AktG aF), und dass diese nicht Abschlussprüfer sein können, wenn sie mit dem zu prüfenden Unternehmen in allzu enger Verbindung stehen (§ 164 Abs 2–3 AktG aF), denn dann besteht die Besorgnis der Befangenheit. Auch ein Verstoß gegen diese befangenheitsbasierten Ausschlussgründe führte also nach damaligem Recht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.415 Das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) von 1985 (Rdn 15) hat das Wirtschaftsprüfer-Erfordernis im neuen Bilanzrecht des HGB fortgeschrieben (§ 319 Abs 1 HGB), und es hat auch die Ausschlussgründe übernommen und erweitert (§ 319 Abs 2 ff HGB). Aber ein Verstoß gegen diese Ausschlussgründe sollte nicht länger zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen. § 256 Abs 1 Nr 3 AktG wurde deshalb dahingehend umformuliert, dass ein gesetzlich prüfungspflichtiger Jahresabschluss nur dann nichtig war, wenn er „von Personen geprüft worden ist, die nicht zum Abschlussprüfer bestellt sind oder nach § 319 Abs 1 [HGB] … nicht Abschlussprüfer sind.“ Nur noch die gänzlich fehlende Bestellung zum Abschlussprüfer oder ein Verstoß gegen das Wirtschaftsprüfer-Erfordernis sollten also fortan den Abschluss nichtig machen, nicht dagegen ein Verstoß gegen die Ausschlussgründe.416 Die Neuregelung durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz von 1985 hatte allerdings immer 155 noch ihre Tücken. Wenn nämlich in der Person des Prüfers ein spezieller gesetzlicher Ausschlussgrund vorlag, war der Hauptversammlungsbeschluss über die Wahl des Abschlussprüfers nach damaliger Auffassung nichtig (§ 241 Nr 3)417 oder zumindest wegen Gesetzesverstoßes anfechtbar (§ 243 aF).418 Auch in der allgemeinen Besorgnis der Befangenheit des Abschlussprüfers sah man einen Gesetzesverstoß, der zur Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses führte,419 und gleiches galt, wenn der Abschlussprüfer aus anderen Gründen ungeeignet war.420 Da ein stattgebendes Urteil im Anfechtungsprozess

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415 Baumbach/Hueck/Hueck AktG13 Rdn 10. 416 RegE BiRiLiG, BT-Drucks 10/317 v 26.8.1983, Anlage 1, Begründung zu Art 2 Nr 43 (betr § 256 AktG), S 106 re Sp, auch Begründung zu § 277 HGB-E [≈ § 319 HGB], S 96 re Sp sowie Begründung zu § 289 HGB-E [in ungefähr der Vorform von § 334 HGB], S 101 re Sp = Biener/Berneke (Hrsg) Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, § 256 AktG, S 521, auch § 319 HGB, S 422, sowie § 334 HGB, S 478; Bericht des BT-Rechtsausschusses zum RegE BiRiLiG, BT-Drucks 10/4268 v 18.11.1985, zu Art 1 Nr 55 (§ 256 AktG), S 127 re Sp = Biener/Berneke (Hrsg) Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, S 520. 417 OLG Karlsruhe 23.11.1995 – 9 U 24/95, ZIP 1996, 229; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking2 § 45, 3; KK/Claussen/Korth2 § 319 HGB, 65; Lutter in: FS Semler, 1993, S 835, 837 f; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 31; hiervon ausgehend auch BGH 25.11.2002 – II ZR 49/01, BGHZ 153, 32, 37 f; vgl des Weiteren BGH 30.4.1992 – III ZR 151/91, BGHZ 118, 142, 143 ff (betr GmbH) zur Nichtigkeit des Prüfungsauftrags in solchen Fällen. Unentschieden zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit aber zwischenzeitlich BGH 21.4.1997 – II ZR 317/95, BGHZ 135, 260, 261 f. 418 Hierhin tendierend BGH 21.4.1997 – II ZR 317/95, BGHZ 135, 260, 261 f, wo allerdings die Frage, ob der Wahlbeschluss nichtig oder nur anfechtbar ist, letztlich offen gelassen wird. Eher für Nichtigkeit später BGH 25.11.2002 – II ZR 49/01, BGHZ 153, 32, 37 f. 419 BGH 25.11.2002 – II ZR 49/01, BGHZ 153, 32, 34, 37, 40 ff (wobei das Gericht die Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses auch darin begründet sah, dass die Abstimmungsmehrheit unter Verletzung ihrer Treuepflicht wissentlich einen ausgeschlossenen oder befangenen oder sonstwie ungeeigneten Prüfer gewählt hatte); OLG Düsseldorf 14.12.2006 – 6 U 241/05, NZG 2007, 235, 237; Lutter in: FS Semler, 1993, S 835, 839 f; Habersack NZG 2003, 659, 665 re Sp. Die Besorgnis der Befangenheit war damals noch nicht in § 319 HGB bei den Ausschlussgründen angesprochen, sondern nur im Zusammenhang mit der gerichtlichen Ersetzung des Abschlussprüfers (§ 318 Abs 3 Satz 1 HGB), die es damals schon gab, allerdings noch nicht mit verdrängendem Vorrang vor der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage. 420 OLG Hamburg 11.1.2002 – 11 U 145/01, AG 2002, 460, 462 f.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

den Hauptversammlungsbeschluss über die Wahl des Abschlussprüfers rückwirkend auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung vernichtet, war begrifflich gesehen der Prüfer auch in diesem Fall „nicht zum Abschlussprüfer bestellt“ (vgl Rdn 148). Das hätte nach dem damaligen Wortlaut des § 256 Abs 1 Nr 3 zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses wegen fehlender Prüferbestellung geführt. Auf der anderen Seite hatte aber das Bilanzrichtlinien-Gesetz den § 256 Abs 1 Nr 3 so formuliert, dass die gesetzlichen Befangenheits- und Ausschlussgründe in der Person des Abschlussprüfers kein unmittelbarer Grund für die Nichtigkeit des später festgestellten Jahresabschlusses sein sollten421 (Rdn 154). Deshalb wurde schon damals in der Literatur mit guten Gründen die Ansicht vertreten, dass diese Ausschlussgründe auch nicht mittelbar und in der Weise auf die Wirksamkeit des Jahresabschlusses durchschlagen dürften, dass man den Abschlussprüfer im Sinne des § 256 Abs 1 Nr 3 als „nicht bestellt“ ansah.422 Aus den gleichen Gründen sollte auch die erfolgreiche Anfechtung der Prüferwahl wegen Besorgnis der Befangenheit nicht auf die Gültigkeit des festgestellten Jahresabschlusses durchschlagen.423 Aber gesichert war das alles damals nicht. 156 Das Anliegen, Befangenheits- und Ausschlussgründe in der Person des Prüfers nicht auf die Wirksamkeit der Feststellung des Jahresabschlusses durchschlagen zu lassen, hat sich der Gesetzgeber mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) von 2004 (Rdn 15a) zu eigen gemacht und der Bestimmung des § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 ihre bis heute fortwirkende Grundstruktur gegeben. Der Jahresabschluss war jetzt nach dieser Norm nur noch nichtig, wenn der Prüfer „aus anderen Gründen als einem Verstoß gegen § 319 Abs 2, 3 oder Abs 4 oder § 319a Abs 1 des Handelsgesetzbuchs nicht zum Abschlussprüfer bestellt“ war (§ 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 idF von 2004). Dieser Katalog von Regeln, deren Verletzung keine Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach sich zieht, wurde durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) von 2009 (Rdn 15) um § 319b HGB (Netzwerk) erweitert und erhielt 2016 durch das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG, Rdn 15a) eine neue Form. Dieses Gesetz hat das deutsche Bilanzprüfungsrecht noch einmal mächtig europäisch aufgepumpt und dem Ausnahmekatalog des § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 den Verweis auf die Bestimmungen des § 319a Abs 3 HGB sowie vor allem auf die EU-AbschlussprüfungsVO (537/2014, vgl oben Rdn 15a, 153a) hinzugefügt. Auch deren Verletzung führt nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses, soweit es um die Unbefangenheit des Abschlussprüfers und die hierauf aufbauenden besonderen Ausschlussgründe sowie um Einzelheiten des Auswahlverfahrens geht. Das bezieht sich auf die Beschränkung prüfungsfremder Dienstleistungen nach Art 5 der VO,424 das Verfahren der Auswahl und Bestellung des Abschlussprüfers nach deren Art 16425 sowie auf die externe Rotation nach Art 17426 und zeigt

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421 Das betonen auch BGH 30.4.1992 – III ZR 151/91, BGHZ 118, 142, 149 f sowie die in Fn 422 f genannte Literatur. 422 Habersack NZG 2003, 659, 663 f mit Plädoyer für eine Gesetzesänderung S 666 f; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking2 § 44 Rdn 3; Lutter in: FS Semler, 1993, S 835, 837 f; KK/Claussen/Korth2 § 319 HGB Rdn 65; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 31; ebenso im Ergebnis BGH 30.4.1992 – III ZR 151/91, BGHZ 118, 142, 149. Anders BeckBil-Komm/Hense/Veltins5 § 319 HGB Rdn 61. 423 Lutter in: FS Semler, 1993, S 835, 844 f; Habersack NZG 2003, 659, 664 ff; MünchHdbAG/HoffmannBecking2 § 44 Rdn 3 aE; Hüffer6 Rdn 13; dem zuneigend auch Ebke in: FS Röhricht, 2005, 833, 842 f. 424 Hüffer/Koch14 Rdn 14; KK/A Arnold3 Rdn 37; ausführlich Schürnbrand AG 2016, 70, 75 f, der zu Recht auch Art 4 Abs 2 der EU-VO mit einbezieht. 425 RegE AReG, BT-Drucks 18/7219 v 11.1.2016, Anlage 1, Begründung zu Art 5 Nr 5 (betr § 256 AktG), S 57; Hüffer/Koch14 Rdn 14; KK/A Arnold3 Rdn 37; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 40 aE; ausführlich Schürnbrand AG 2016, 70, 77. 426 RegE AReG, BT-Drucks 18/7219 v 11.1.2016, Anlage 1, Begründung zu Art 5 Nr 5 (betr § 256 AktG), S 57; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 40 aE: Hüffer/Koch14 Rdn 14; KK/A Arnold3 Rdn 37; ausführlich Schürnbrand AG 2016, 70, 73.

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Nichtigkeit | § 256

sich auch daran, dass all diese Gegebenheiten zugleich mit der Änderung des § 256 durch das Abschlussprüfungsreformgesetz auch in § 318 Abs 3 Satz 1 HGB als Gründe für ein Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren ausgestaltet wurden,427 das nach § 243 Abs 3 Nr 3 der Beschlussmängelklage gegen den Wahlbeschluss der Hauptversammlung vorgeht. (3) Vorrang des Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahrens. Die Befangenheits- 156a und Ausschlussgründe in der Person des Abschlussprüfers, die nach § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 einer wirksamen Feststellung des Jahresabschlusses nicht entgegenstehen, sind seit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) von 2004 ausschließlich in einem besonderen gerichtlichen Verfahren zur Auswechslung des Abschlussprüfers geltend zu machen, dem Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren (§ 318 Abs 3 HGB). Das Verfahren ist uralt,428 aber die Ausschließlichkeit gegenüber der Wahlbeschlussmängelklage und der Abschlussnichtigkeit ist neu. Auf Gründe, die ein solches Verfahren rechtfertigen, kann seit dem Bilanzrechtsreformgesetz eine Anfechtungsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss über die Wahl des Abschlussprüfers nicht mehr gestützt werden (§ 243 Abs 3 Nr 3).429 Auch eine Nichtigkeitsklage gegen den Wahlbeschluss scheidet insoweit aus,430 weil sie denselben Streitgegenstand wie die Anfechtungsklage hat,431 und weil nur so der Regelungsplan des Gesetzes erfüllt wird, die Rechtskontrolle der Abschlussprüfer-Wahl im Hinblick auf die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Prüfers ausschließlich dem Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren zu unterstellen und aus dem Anwendungsbereich der Beschlussmängelklage herauszunehmen,432 um die Feststellung des Jahresabschlusses abzusichern. Aus diesem Grunde kann eine Nichtigkeit des Wahlbeschlusses auch nicht nach § 249 Abs 1 Satz 2 auf sonstige Weise geltend gemacht werden.433 Man sollte den Anfechtungsausschluss sogar auch auf Verletzungen des Auskunftsrechts in der Hauptversammlung erstrecken, die den Prüfer gewählt hat, wenn sich die begehrte Auskunft auf Umstände bezieht, die ein Prüferersetzungs-Verfahren

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427 Die genannten Bestimmungen der § 318 HGB und § 256 AktG sind geändert worden durch Art 1 Nr 2 und Art 5 Nr 4 AReG (vgl oben Rdn 15a). 428 Es stammt im Kern aus der [Not]VO des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19.9.1931, RGBl I S 493, und wurde im hierdurch neu geschaffenen § 262b HGB aF verankert. 429 Eingefügt durch Art 4 Nr 7 BilReG (vgl oben Rdn 15a, 156). 430 K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 243 Rdn 19 sowie § 249 Rdn 5 und § 256 Rdn 25; MünchKomm/J Koch4 Rdn 30; Hüffer/Koch14 § 249 Rdn 12a; MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 249 Rdn 18; KK/A Arnold3 Rdn 37; BeckBil-Komm/S Schmidt/Heinz12 § 318 HGB Rdn 72; ausführlich Fiebelkorn Die Reform der aktienrechtlichen Beschlussmängelklagen, 2012, S 84 f. Anders Heidel/Heidel5 § 249 Rdn 4. Die Gesetzgebung ist hier technisch nicht eindeutig. Durch Art 4 Nr 8 BilReG war § 249 Abs 1 Satz 1 dahingehend geändert worden, dass für die Beschluss-Nichtigkeitsklage die Einschränkung des § 243 Abs 3 Nr 2 [= heute Nr 3] sinngemäß galt. Diese Verweisung ist aber bald darauf aus dem § 249 Abs 1 Satz 1 wieder herausgenommen worden, nämlich durch Art 1 Nr 25 des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl I 2005, Nr 60, S 2802, hier Art 1 Nr 25. Offenbar handelt es sich hierbei um ein Redaktionsversehen; Paal DStR 2007, 2010, 2012 ff, 2015; MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 249 Rdn 18; Hüffer/Koch14 § 249 Rdn 12a. 431 MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 249 Rdn 18; Hüffer/Koch14 § 249 Rdn 12a. Vgl zum Streitgegenstand auch unten Rdn 225 f sowie § 257 Rdn 19. 432 Paal DStR 2007, 2010, 2015 f; K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 243 Rdn 19; MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 249 Rdn 18; Hüffer/Koch14 § 249 Rdn 12a; Bürgers/Körber/Göz4 § 249 Rdn 9 aE. 433 Anders Hüffer/Koch14 § 249 Rdn 12a aE sowie MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 249 Rdn 18, wonach eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO möglich bleibt.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

eröffnen.434 Die Einzelheiten lassen sich noch weiter auffächern, aber der Grundgedanke des Gesetzes ist klar. § 256 Abs 1 Nr 3 will sicherstellen, dass die vorstehend genannten Befangenheits- oder Ausschlussgründe in der Person des Abschlussprüfers nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen. Damit sind die praktisch wichtigsten Fehlerquellen bei der Bestellung des Abschlussprüfers ausdrücklich als Nichtigkeitsgrund für den Jahresabschluss ausgeschlossen. (4) Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren und Bestandsfestigkeit des Jahresabschlusses. Einfach geworden ist die Bestimmung des § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 über die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen fehlender Prüferbestellung damit nicht, denn das Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren nach § 318 Abs 3 HGB kann kompliziert werden. Für die Gültigkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses kommt es im Zusammenhang mit der Bestellung des Abschlussprüfers im Rahmen des § 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2 darauf an, dass die prüfende Person beim Abschluss der Prüfung, also wenn der Abschlussvermerk erteilt und der Prüfungsbericht erstattet werden, wirksam zum Abschlussprüfer bestellt ist (s schon Rdn 146), sei es durch Wahlbeschluss der Hauptversammlung oder durch Entscheidung des Gerichts. Dabei hat das Gericht Vorrang vor der Hauptversammlung, denn in der gerichtlichen Bestellung eines anderen Abschlussprüfers nach § 318 Abs 3 HGB liegt zugleich die Abberufung des alten, von der Gesellschaft gewählten Abschlussprüfers.435 Der alte verliert sein Amt, und der neue bekommt es. Wenn sonach trotz eines wirksamen gerichtlichen Abschlussprüfer-Ersetzungsbe158 schlusses der von der Gesellschaft gewählte alte Abschlussprüfer, der jetzt nicht mehr im Amt ist, den Jahresabschluss prüft, so kann der Abschluss auf dieser Grundlage nicht wirksam festgestellt werden, denn er wurde von einer Person geprüft, die nicht – nämlich nicht mehr – zum Abschlussprüfer bestellt ist (§ 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2).436 Man kann hiergegen nicht einwenden, der gewählte Prüfer sei wegen Besorgnis der Befangenheit oder spezieller Ausschlussgründen nicht mehr zum Abschlussprüfer bestellt, und das dürfe auf die Feststellung des Jahresabschlusses keinen Einfluss haben. Der gewählte Prüfer ist vielmehr deswegen nicht mehr zum Abschlussprüfer bestellt, weil ihn das Gericht abberufen hat. Deshalb kann jetzt nur noch der neue, gerichtlich bestellte Abschlussprüfer die Prüfung durchführen, und nur auf dieser Grundlage kann die Gesellschaft den Abschluss wirksam feststellen. Alles andere würde der Bedeutung der gerichtlichen Entscheidung nicht gerecht. 159 Es kommt bei alledem darauf an, wann die Entscheidung des Gerichts im Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren in Geltung tritt. Diese Entscheidung erfolgt durch Beschluss (§§ 38 und 402 FamFG). Ein Gerichtsbeschluss im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird grundsätzlich „wirksam mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmt ist“ (§ 40 Abs 1 FamFG), im vorliegenden Zusammenhang also mit der Bekanntgabe an die Gesellschaft, und nicht erst mit der Rechtskraft. Rechtsmittel (Beschwerde nach § 318 Abs 3 Satz 8 HGB sowie § 402 Abs 1 FamFG und anschließend unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG) haben also keine Suspensivwirkung (vgl aber auch Rdn 163). Außerdem wirkt der gerichtliche Beschluss über die Ersetzung des Abschlussprüfers nur für die 157

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434 Schürnbrand AG 2016, 70, 76 f. Im gleichen Sinne OLG München 24.9.2008 – 7 U 4230/07, AG 2009, 121, 124 li Sp, betr die Beantwortung von Fragen nach einer möglichen Befangenheit des AbschlussprüferKandidaten. 435 Adler/Düring/Schmaltz6 § 318 HGB, 378; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 40; Baumbach/Hopt/Merkt38 § 318 Rdn 9. 436 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 40.

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Zukunft;437 das unterscheidet ihn vom Anfechtungsurteil und dessen Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses. Für die Bestellung des Abschlussprüfers und die Feststellung des Jahresabschlusses 160 bedeutet dies: Solange über einen Antrag auf gerichtliche Ersetzung des von der Hauptversammlung gewählten Abschlussprüfers noch nicht entschieden ist, oder wenn das Gericht den Antrag zurückweist, bleibt der alte, gewählte Abschlussprüfer im Amt. Er kann die Abschlussprüfung durchführen, und die Gesellschaft kann den Abschluss auf dieser Grundlage wirksam feststellen.438 Hat der gewählte alte Abschlussprüfer seine Prüfung bereits abgeschlossen und den Bestätigungsvermerk erteilt, kann ein Antrag auf Ersetzung des Prüfers nicht mehr gestellt werden (§ 318 Abs 3 Satz 7 HGB), und wenn ein solcher Antrag schon gestellt wurde, ist das Verfahren in der Hauptsache erledigt, denn auch in diesem Fall kann das Gericht den Prüfer nicht mehr auswechseln.439 Beschließt dagegen das Gericht im Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren vor der Beendigung der Prüfung, dass ein anderer Abschlussprüfer bestellt und damit der alte abberufen wird, so kann von jetzt an nur noch der neue Abschlussprüfer den Abschluss prüfen und damit die Grundlage für dessen Feststellung schaffen. Das Gericht kann außerdem bei einer noch nicht beendeten Abschlussprüfung dem gewählten Prüfer in dringenden Fällen durch eine einstweilige Anordnung vorläufig eine weitere Tätigkeit untersagen (§§ 49 ff FamFG). Auch wenn eine gerichtliche Entscheidung über die Auswechselung (oder Nichtauswechselung) des Abschlussprüfers sachlich unrichtig sein sollte, ist sie wirksam440 und hat die geschilderten Konsequenzen. Kompliziert kann es werden, wenn im Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren Rechts- 161 mittel eingelegt werden. Wenn das Ursprungsgericht den von der Hauptversammlung gewählten Abschlussprüfer auswechselt und der gerichtlich bestellte neue Abschlussprüfer daraufhin die Prüfung aufnimmt, aber die Entscheidung des Gerichts mit der Beschwerde angegriffen wird, kommt es für die Entscheidung des Beschwerdegerichts darauf an, ob der gerichtlich bestellte neue Abschlussprüfer seine Prüfung bereits abgeschlossen hat. Wenn nein, so kann das Beschwerdegericht die Entscheidung des Ursprungsgerichts aufheben und den Antrag auf Auswechselung des Abschlussprüfers zurückweisen. Der von der Hauptversammlung gewählte alte Abschlussprüfer rückt dann wieder in sein Amt ein und muss die Prüfung durchführen, bevor der Abschluss wirksam festgestellt werden kann. Hat dagegen der vom Ursprungsgericht bestellte neue Abschlussprüfer die Prüfung vor dem Erlass der Beschwerdeentscheidung bereits abgeschlossen, so hat sich das Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren in der Hauptsache erledigt, und das Beschwerdegericht muss die Beschwerde gegen die gerichtliche Bestellung des neuen Prüfers als unzulässig verwerfen,441 wenn der Beschwerdeführer die Hauptsache nicht für erledigt erklärt. Dass es in diesem Fall mit der Prüfung des Jahresabschlusses durch den vom Ursprungsgericht bestellten neuen Abschlussprüfers bewendet, ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 47 FamFG, wonach die Aufhebung eines ungerechtfertigten, aber wirksamen Gerichtsbeschlusses, durch den jemand die Befugnis zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts erlangt hat, grundsätzlich keinen Einfluss auf

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437 Baumbach/Hopt/Merkt38 § 318 Rdn 15; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 17 Abs 2; auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 23. 438 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 40. 439 Vgl die Nachweise unten in Fn 441, 443 und 445 zum Beschwerdeverfahren. 440 OLG Düsseldorf 26.2.1996 – 2 Wx 279/95, WM 1996, 1777, 1778 re Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 29; KK/Zöllner1 Rdn 74. 441 OLG Düsseldorf 26.2.1996 – 2 Wx 279/95, WM 1996, 1777, 1778 f; Staub/Habersack/Schürnbrand5 § 318 HGB Rdn 66. In anderem Sinne das BayObLG, vgl unten Fn 445.

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die Wirksamkeit des zwischenzeitlich vorgenommenen Rechtsgeschäfts hat. Der Prüfungsbericht und das Testat des Abschlussprüfers sind einem solchen Rechtsgeschäft ähnlich, weil sie die Grundlage für die rechtsgeschäftliche Feststellung des Jahresabschlusses legen. 442 Der Jahresabschluss, der von dem erstgerichtlich bestellten Abschlussprüfer geprüft ist, kann daher wirksam festgestellt werden.443 Das Beschwerdegericht kann allerdings durch einstweilige Anordnung bestimmen, dass die Vollziehung des angefochtenen Gerichtsbeschlusses auszusetzen ist (§ 64 Abs 3 FamFG). Dann darf der vom Ursprungsgericht bestellte neue Abschlussprüfer den Jahresabschluss nicht prüfen und testieren, solange die einstweilige Anordnung in Kraft ist.444 162 Dem gleichen Grundmuster folgt der umgekehrte Fall, dass das Ursprungsgericht den Antrag auf Auswechselung des gewählten Abschlussprüfers zurückweist, dieser daraufhin den Jahresabschluss prüft, aber gegen die ablehnende Entscheidung des Gerichts Beschwerde eingelegt wird. Hat der gewählte Abschlussprüfer im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung die Prüfung noch nicht abgeschlossen, kann das Beschwerdegericht den gewählten Prüfer auswechseln, so dass die Prüfung nunmehr durch den vom Beschwerdegericht bestellten neuen Abschlussprüfer erfolgen muss und der Abschluss nur dann wirksam festgestellt werden kann. Hat dagegen der gewählte Abschlussprüfer sein Werk schon vollendet, so ist das gerichtliche Verfahren in der Hauptsache erledigt, die Beschwerde wird unzulässig,445 und die Gesellschaft kann den Abschluss auf Grund einer Prüfung durch den gewählten Prüfer wirksam feststellen. Dass ein gerichtlicher Beschluss im Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren schon mit 163 seiner Bekanntgabe wirksam wird und Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung haben (Rdn 159), ist allerdings nicht über alle Zweifel erhaben. Manche Gerichtsbeschlüsse im FG-Verfahren werden nämlich erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam. So insbesondere „[e]in Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat“ (§ 40 Abs 2 FamFG) sowie „[e]in Beschluss, durch den auf Antrag die Ermächtigung oder die Zustimmung eines anderen zu einem Rechtsgeschäft ersetzt oder die Beschränkung oder Ausschließung der Berechtigung des Ehegatten …, Geschäfte mit Wirkung für den anderen Ehegatten … zu besorgen (§ 1357 Abs 2 Satz 1 [BGB] …), aufgehoben wird“ (§ 40 Abs 3 FamFG). Hier haben Rechtsmittel aufschiebende Wirkung. Soll man das auf die gerichtliche Bestellung von Abschlussprüfern entsprechend anwenden? Dafür spricht, dass der Abschlussvermerk und der Prüfungsbericht des Prüfers einen rechtsgeschäftlichen Bezug zur Feststellung des Jahresabschlusses haben (Rdn 161 aE), und dass das Prüfungsmandat insoweit mit einer Befugnis zur Besorgung von Geschäften für einen anderen vergleichbar ist. Auf der anderen Seite besteht aber bei gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Person des Abschlussprüfers typischerweise ein starkes Bedürfnis nach schneller Rechtsklarheit und einem schnellen Wirksamwerden der gerichtlichen Entscheidung, weil der Abschluss zeitnah geprüft und festgestellt werden soll. Hätten Rechtsmittel hier aufschiebende Wirkung, so könnte die Gesellschaft eine wirksame gerichtliche Auswechselung des gewählten Abschlussprüfers so lange mit Rechtsmitteln verzögern, bis der gewählte Prüfer die Prüfung abgeschlossen hat und der Antrag auf

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442 OLG Düsseldorf 26.2.1996 – 2 Wx 279/95, WM 1996, 1777, 1778 f; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 24. 443 OLG Düsseldorf 26.2.1996 – 2 Wx 279/95, WM 1996, 1777, 1778 f; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 24; J Koch in MünchKomm AktG4 Rdn 29; KK/A Arnold3 Rdn 36; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 39. 444 So andeutungsweise OLG Düsseldorf 26.2.1996 – 2 Wx 279/95, WM 1996, 1777, 1778 re Sp. 445 Anders BayObLG 17.9.1987 – BReg. 3 Z 76/87, WM 1987, 1361, 1363 li Sp = BayObLGZ 1987, 297, 300, wo über eine weitere Beschwerde (heute Rechtsbeschwerde) zu entscheiden war, die dann allerdings aus anderen Gründen zurückgewiesen wurde, nämlich weil das Gericht den gewählten Abschlussprüfer nicht als befangen erachtete.

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eine gerichtliche Ersetzung des Prüfers ins Leere geht (vgl Rdn 160). Dies würde das Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren weitgehend sinnlos machen. Man muss daher die gerichtliche Entscheidung über die Auswechselung des Abschlussprüfers schon mit ihrer Bekanntgabe wirksam werden lassen (§ 40 Abs 1 FamFG und hierzu Rdn 159) und darf Rechtsmitteln keine aufschiebende Wirkung zusprechen.446 e) Fehlende Nachtragsprüfung (Abs 1 Nr 2 und § 316 Abs 3 HGB) aa) Voraussetzungen der Nichtigkeit. Ein Jahresabschluss ist ferner nach § 256 164 Abs 1 Nr 2 Fall 2 nichtig, wenn er nicht nach § 316 Abs 3 HGB geprüft worden ist. Dort heißt es: 1

„§ 316 [HGB] Pflicht zur Prüfung. … (3) Werden der Jahresabschluss, der Konzernabschluss, der Lagebericht oder der Konzernlagebericht nach Vorlage des Prüfungsberichts geändert, so hat der Ab2 schlussprüfer diese Unterlagen erneut zu prüfen, soweit es die Änderung erfordert. Über das Ergebnis der Prüfung ist zu berichten; der Bestätigungsvermerk ist entsprechend zu ergänzen.“

Diese Regel bekräftigt und ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 316 Abs 1 HGB, 165 wonach in großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften der Jahresabschluss zu prüfen ist und ohne Prüfung nicht festgestellt werden kann (vgl Rdn 132 ff). Dem Aufsichtsrat muss ein vollständig durchgeprüfter Jahresabschluss zur Feststellung vorgelegt werden.447 Der Wortlaut des § 316 Abs 3 HGB erklärt eine Nachtragsprüfung für erforderlich, wenn und soweit der Jahresabschluss „nach Vorlage des Prüfungsberichts“ geändert wird, also nachdem der Abschlussprüfer den Bericht dem Aufsichtsrat vorgelegt hat. Darüber hinaus ist aber in entsprechender Anwendung der Bestimmung eine Nachtragsprüfung immer schon dann erforderlich, wenn der Vorstand den aufgestellten Jahresabschluss verändert, und die geänderten Inhalte nicht mehr in die Prüfung einbezogen worden sind.448 Zuständig für die Nachtragsprüfung ist der für die Erstprüfung bestellte Abschlussprüfer,449 denn die Nachtragsprüfung ist Bestandteil der Abschlussprüfung für das jeweilige Geschäftsjahr.450 Ebenso wie bei der Erstprüfung (oben Rdn 134 ff) steht auch hier eine ganz unzulängliche Prüfung bei wertender Betrachtung einer fehlenden Prüfung gleich.451 bb) Reichweite der Nichtigkeit. Wenn die Gesellschaft den geänderten Jahresab- 166 schluss ohne die gebotene Nachtragsprüfung feststellt, so ist grundsätzlich der ganze Jahresabschluss nichtig und nicht nur die Änderung. Der Jahresabschluss tritt also nicht etwa in seiner ursprünglichen Fassung ohne die Änderung in Geltung. Denn eine solche Fassung hat den Gesellschaftsorganen nicht zur Feststellung vorgelegen. Ebenso wie bei gänzlich fehlender Erstprüfung ist bei einer fehlenden Nachtragsprüfung die

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446 Ebenso Heidel/Heidel5 § 256, 17 Abs 2 aE; MünchKomm/J Koch4 Rdn 29; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 39. 447 MünchKomm/J Koch4 Rdn 24; KK/Zöllner1 Rdn 70. 448 KK/Zöllner1 Rdn 69; MünchKomm/J Koch4 Rdn 24; Hüffer/Koch14 Rdn 9; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 7. 449 BGH 23.9.1991 – II ZR 189/90, AG 1992, 58, 59 li Sp; Adler/Düring/Schmaltz 6 § 318 HGB Rdn 60; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 312 f; W Müller in: FS Quack, 1991, 359, 371. 450 Adler/Düring/Schmaltz6 § 318 HGB Rdn 60; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 307, 312. 451 MünchKomm/J Koch4 Rdn 25.

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Nichtigkeit nicht heilbar.452 Bezieht sich indessen die Veränderung auf einen schon festgestellten Jahresabschluss, liegt in der Neufeststellung des Abschlusses mit seinen veränderten Inhalten zugleich die Aufhebung der Feststellung der entsprechenden früheren Jahresabschlussinhalte (vgl Rdn 263 f). Falls Letzteres (die Aufhebung) nicht beschlossen sein würde, wenn die Beschließenden erkannt hätten, dass Ersteres (die Feststellung mit Änderungen) den Jahresabschluss wegen fehlender Nachtragsprüfung nichtig macht, gilt in Anlehnung an die allgemeinen Regeln über zusammengesetzte Rechtsgeschäfte (§ 139 BGB) der ursprüngliche Jahresabschluss fort. f) Fehlen eines rechtzeitigen Nachtragstestats (Abs 1 und § 173 Abs 3) 167

aa) Zum Tatbestand des Abschlussmangels. Nach den Eingangsworten des § 256 Abs 1 ist ein festgestellter Jahresabschluss auch im Fall des § 173 Abs 3 nichtig. Dabei geht es um Folgendes: „§ 173 Feststellung [des Jahresabschlusses] durch die Hauptversammlung. … 1 (3) Ändert die Hauptversammlung einen von einem Abschlussprüfer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung geprüften Jahresabschluss, so werden vor der erneuten Prüfung nach § 316 Abs 3 des Handelsgesetzbuchs von der Hauptversammlung gefasste Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung erst wirksam, wenn auf Grund der erneuten Prüfung ein hinsichtlich der Än2 derungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt worden ist. Sie werden nichtig, wenn nicht binnen zwei Wochen seit der Beschlussfassung ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird.“

Auch hier handelt es sich um einen Prüfungsmangel.453 Voraussetzung ist zunächst, dass die Gesellschaft gesetzlich prüfungspflichtig ist, ausnahmsweise die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses entscheidet, und dass diese den vom Vorstand aufgestellten Abschluss ändert. Dazu ist die Hauptversammlung anders als der Aufsichtsrat befugt.454 Nach allgemeinen Regeln müssten dann aber die von der Hauptversammlung beschlossenen Änderungen des Jahresabschlusses zunächst eine Nachtragsprüfung durchlaufen (§ 316 Abs 3 HGB), und erst dann könnte eine erneute Hauptversammlung den Abschluss feststellen (§ 256 Abs 1 Nr 2 Fall 2). Diesen gewundenen Weg will § 173 Abs 3 der Gesellschaft ersparen 455 und erlaubt es deshalb ausnahmsweise, erst über die Feststellung des Jahresabschlusses zu beschließen und ihn dann zu prüfen. Die Anforderungen an die Nachtragsprüfung (§ 316 Abs 3 HGB) sind in diesem Fall 169 durch § 173 Abs 3 verschärft.456 Die Nachtragsprüfung muss in zwei Wochen abgeschlossen sein, und vor allem muss sie hinsichtlich der Änderungen mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk enden. Für die Wirksamkeit des Jahresabschlusses ist somit nicht nur die Nachtragsprüfung erforderlich, sondern ein positives Ergebnis der Prüfung. Der Vermerk, mit dem der Abschlussprüfer das Ergebnis seiner Prüfung zusammenfasst (§ 322 HGB), muss ergeben, dass die Prüfung zu keinen Einwendungen geführt hat, die eine Versagung oder auch nur eine Einschränkung des Bestätigungsvermerks rechtfertigen würden (§ 322 Abs 2 Nr 1, Abs 3 Satz 1 HGB). Gesonderte Hinweise auf Unternehmensrisiken (§ 322 Abs 2 Satz 3 HGB) und auf sonstige widrige Umstände (§ 322

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KK/Zöllner1 Rdn 69. KK/Zöllner1 Rdn 90; J-H Weilep Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, 2011, S 58. Großkommentar/E Vetter5 § 173, 43 ff mwN. MünchKomm/J Koch4 Rdn 9; Hüffer/Koch14 § 173 Rdn 7. Ebenso KK/Zöllner1 Rdn 90; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 71.

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Abs 3 Satz 2 HGB) schaden dagegen nicht, wenn es beim uneingeschränkten Testat verbleibt.457 Alles in allem macht das Gesetz auf diese Weise die abändernde Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung schwer, denn es misstraut dem Sachverstand und dem finanziellen Verantwortungsbewusstsein der Versammlung. bb) Rechtsfolgen des Abschlussmangels. In § 173 Abs 3 geht es genau genommen 170 nicht um eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses, denn der Feststellungsbeschluss der Hauptversammlung verstößt nicht gegen das Recht (vgl Rdn 4, 207). Der Feststellung fehlt vielmehr noch ein Wirksamkeitselement, nämlich das rechtzeitige uneingeschränkte Nachtragstestat. Sie ist deshalb zunächst schwebend unwirksam, und wird erst wirksam, wenn das Testat innerhalb der Zwei-Wochen-Frist erteilt wird, ansonsten wird die Feststellung endgültig unwirksam.458 Dann gilt das gleiche wie bei Nichtigkeit. Insbesondere kann die Unwirksamkeit des Jahresabschlusses mit der Abschlussnichtigkeitsklage nach § 256 Abs 7 Satz 1 und den dort in Bezug genommenen Regeln geltend gemacht werden. 459 Die Unwirksamkeit des Jahresabschlusses wegen Fehlens eines rechtzeitigen Nachtragstestats kann aber nicht nach § 256 Abs 6 durch Zeitablauf geheilt werden,460 denn der Fall wird dort bei den Heilungsmöglichkeiten nicht genannt (vgl Rdn 271). 3. Verfahrensfehler bei der Feststellung des Jahresabschlusses (Abs 2–3) a) Überblick. Nach § 256 Abs 2 ist ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter 171 Jahresabschluss außer wegen Inhaltsmängeln und Prüfungsmängeln nichtig, wenn der Vorstand oder der Aufsichtsrat bei seiner Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt hat. Die Mitwirkung dieser Organe erfolgt durch Beschlüsse. Eine nicht ordnungsgemäße Mitwirkung, die nach § 256 Abs 2 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt, liegt sonach vor, wenn der auf die Feststellung des Jahresabschlusses bezogene Beschluss des betreffenden Organs nichtig ist.461 Da die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Inhalts- und Prüfungsmängeln bereits in § 256 Abs 1, 4 und 5 abschließend geregelt ist, kommen als Nichtigkeitsgründe im Rahmen des § 256 Abs 2 nur Verfahrensfehler bei der Beschlussfassung in Betracht.462 Das können sowohl Verstöße gegen das Gesetz als auch gegen die Satzung sein.463 Es muss sich um gravierende Fehler handeln, denn nur solche Verfahrensfehler rechtfertigen die einschneidende Folge der Nichtigkeit 464 (näher unten Rdn 173, 175, 187). Darüber hinaus ist nach § 256 Abs 3 ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluss nichtig, wenn bestimmte, ganz besonders schwere Verfahrensfehler vorliegen, die auch sonst zur Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen führen (vgl § 241). Verfahrensfehler unterhalb der Nichtigkeitsschwel-

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457 Vgl Hüffer/Koch14 Rdn 5. 458 KK/Ekkenga3 § 173 Rdn 16; MünchKomm/J Koch4 § 256 Rdn 9 und § 253 Rdn 4; KK/A Arnold3 Rdn 17; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 86. Der Sache nach auch RegE AktG, BT-Drucks IV/171 v 3.2.1962, Anlage 1, Begründung zu § 161 RegE, S 187 re Sp = Kropff (Hrsg) AktG, 1965, § 173, S 281. 459 KK/A Arnold3 Rdn 17 (betr endgültige Unwirksamkeit). 460 KK/A Arnold3 Rdn 17 und auch schon KK/Zöllner1 Rdn 91, 124; MünchKomm/J Koch4 Rdn 9; Hüffer/Koch14 Rdn 5, auch § 173, 8 aE; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 76; Adler/Düring/Schmaltz6 § 173 Rdn 37; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 39; Caspar Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S 321 f. 461 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 43, 50; MünchKomm/J Koch4 Rdn 40 (betr Aufsichtsrat). 462 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 56. 463 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 43; KK/A Arnold3 Rdn 41. 464 Baumbach/Hueck/Hueck AktG13 Rdn 12; Stein Das faktische Organ, 1984, S 88 f.

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le machen den Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses anfechtbar (§ 257). Die auf die Abschlussfeststellung gerichteten Beschlüsse der Verwaltungsorgane können dagegen nicht angefochten werden, sondern sind entweder gültig oder nach § 256 nichtig (vgl Rdn 4). b) Nicht ordnungsgemäße Mitwirkung des Vorstands (Abs 2 Fall 1) 172

aa) Der Beitrag des Vorstands zur Feststellung des Jahresabschlusses liegt in der Aufstellung des Abschlusses (§ 264 Abs 1 HGB), also in der Zusammenstellung des Zahlen- und Erläuterungswerks nach Maßgabe der Schlusssalden der Buchführung, sowie in der Vorlage der Endfassung an den Aufsichtsrat (§ 170 Abs 1 Satz 1) zum Zwecke der Feststellung. Mit der Vorlage gibt der Vorstand den Willen kund, dass dies sein abschließender Beitrag zur Gestaltung des Jahresabschlusses sein soll.465 Der Vorstand muss, wie es in einem Urteil des OLG Karlsruhe zutreffend heißt, „in eigener Verantwortung einen Vorschlag für die Rechnungslegung der Gesellschaft … unterbreiten und hierbei seinen bilanzpolitischen Vorstellungen Ausdruck … geben“.466 Das gilt auch in der abhängigen Gesellschaft ohne Beherrschungsvertrag.467 Hier berührt es die Wirksamkeit des Jahresabschlusses nicht, wenn sich der Vorstand den Vorstellungen des herrschenden Unternehmens anpasst, solange nur der Vorstand, wie das OLG Karlsruhe fortfährt, „das ihm angetragene Geschäft in eigener Verantwortung … prüf[t] (§§ 76, 93 AktG …) und die Verantwortung für die schließlich getroffene Maßnahme … über[nimmt]“.468 Das ist für eine wirksame Feststellung des Jahresabschlusses unverzichtbar.

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bb) Einbeziehung aller Vorstandsmitglieder. Die Verfahrensregeln für die Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses durch den Vorstand wollen vor allem gewährleisten, dass das geschäftliche Wissen und die Zielvorstellungen aller Vorstandsmitglieder in die Rechnungslegung einfließen oder zumindest einfließen können. Nur Verfahrensverstöße, die dieses Anliegen hintertreiben oder gefährden, rechtfertigen eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 2.469 174 Die Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses obliegt zwingend dem Vorstand in seiner Gesamtheit und als Kollegialorgan.470 Grundsätzlich müssen sämtliche Vorstandsmitglieder einschließlich der stellvertretenden Mitglieder einstimmig zusammenwirken, denn sie sind nach dem Gesetz nur gemeinschaftlich entscheidungsbefugt (§ 77 Abs 1 Satz 1). Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstands können allerdings Abweichendes bestimmen und namentlich Mehrheitsentscheidungen vorsehen (§ 77 Abs 1 Satz 2). Das gilt auch für die Aufstellung des Jahresabschlusses.471 Hierfür genügt

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465 Ebenso Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 600 f sowie der Sache nach MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 25 f. 466 OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 534 re Sp. 467 OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 534 re Sp; im selben Sinne MünchKomm/ J Koch4 Rdn 36. 468 OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 534 re Sp; zustimmend Bürgers/Körber/Schulz4 11 aE und im Grundsatz auch MünchKomm/J Koch4 Rdn 36 sowie Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 21 Abs 2. 469 Stein Das faktische Organ, 1984, S 88 f. 470 Ausführlich Fleischer WM 2006, 2021, 2023 ff; des Weiteren MünchKomm/J Koch4 Rdn 35; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 28; Hüffer/Koch14 Rdn 18; Priester in: FS Kropff, 1997, 591, 596; KK/Zöllner1 Rdn 79; Düring/Schmaltz WPg 1949, 7 re Sp. 471 OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 536 li Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 35; auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 62; KK/Zöllner1 Rdn 79.

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eine allgemeine Mehrheitsklausel.472 Stets müssen jedoch alle Vorstandsmitglieder die Möglichkeit haben, an der Aufstellung informiert mitzuwirken und hierüber mitzuentscheiden; kein Mitglied darf von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden.473 Stellen also nur einzelne Vorstandsmitglieder wie etwa der Vorsitzende und der Finanzvorstand den Abschluss auf, so kann dieser nicht wirksam festgestellt werden474 (vgl auch Rdn 175 und 204). Auch ein Handeln von Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl genügt nicht,475 weil es nicht um die Vertretung der Gesellschaft nach außen geht. Es geht auch nicht um normale Geschäftsführung,476 sondern um eine besondere Aufgabe mit Gesamtverantwortung. Einzelne Vorstandsmitglieder, wie etwa ein Finanzvorstand, können zwar in eigener Regie den Abschluss zusammenstellen, und sie können hierzu sogar nach Maßgabe der vorstandsinternen Aufgabenverteilung verpflichtet sein.477 Aber an der abschließenden Entscheidung, ob dies der endgültige und maßgebende Jahresabschluss sein soll, der dem Aufsichtsrat vorgelegt wird, müssen alle Vorstandsmitglieder teilhaben können. Auf die Mitwirkung einzelner Vorstandsmitglieder kann nur verzichtet werden, wenn diese durch längere Krankheit oder in ähnlich unabwendbarer Weise verhindert sind.478 Sind diese grundlegenden Verfahrensanforderungen nicht eingehalten, so führt dies nach § 256 Abs 2 zur Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses wegen fehlerhafter Mitwirkung des Vorstands. cc) Entscheidung durch Beschluss; Verfahrensfehler bei der Beschlussfassung. 175 Die Entscheidung über die Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses erfordert beim mehrgliedrigen Vorstand einen Beschluss.479 Wenn es bei der Beschlussfassung zu Verfahrensfehlern kommt, die nach allgemeinen Regeln hinreichend gewichtig sind, um eine Nichtigkeit von Vorstandsbeschlüssen zu begründen, führt dies zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 2.480 Die formalen Anforderungen an eine Beschlussfassung des Vorstands sind allerdings nicht hoch. Namentlich können Vorstandsbeschlüsse auch konkludent gefasst werden,481 weil der Vorstand schnell und beweglich handeln können muss. Ein Verfahrensmangel bei der Beschlussfassung, der lediglich die Mitwirkungsrechte einzelner Vorstandsmitglieder verletzt, kann zudem nur von diesen Vorstandsmitgliedern geltend gemacht werden, und zwar unverzüglich, andernfalls ist

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472 Vgl BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283, 285 ff, betr die Feststellung des Jahresabschlusses einer KG durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter. 473 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 47; MünchKomm/J Koch4 Rdn 35; KK/A Arnold3 Rdn 43. Im selben Sinne KG 29.10.2010 – 14 U 96/09, Ziff III. 1. der Entscheidungsgründe, NZG 2011, 146, 147 re Sp (Nichtigkeit nach § 256 Abs 2, „wenn nicht alle Vorstandsmitglieder beteiligt waren“); OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 536 li Sp; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 62; Weilinger Die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses im Handels- und Gesellschaftsrecht, 1997, Rdn 259 ff, 284 ff, 395 ff, S 135 ff, 146 ff, 193 ff. 474 Priester in: FS Kropff, 1997, 591, 603; Hüffer/Koch14 Rdn 18. 475 Priester in: FS Kropff, 1997, 591, 603; MünchKomm/J Koch4 Rdn 35. 476 Vgl BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283, 288 f (Rdn 12 ff) zur Bedeutung der Feststellung des Jahresabschlusses in der KG. 477 BGH 12.1.2009 – II ZR 27/08, DB 2009, 557, 558 (betr GmbH); Weilinger Die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses im Handels- und Gesellschaftsrecht, 1997, Rdn 259 ff, 284 ff, 395 ff, S 135 ff, 146 ff, 193 ff. 478 KK/Zöllner1 Rdn 79; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 47; MünchKomm/J Koch4 Rdn 35; Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 62; Priester in: FS Kropff, 1997, 591, 603. 479 MünchKomm/J Koch4 Rdn 35; Hüffer/Koch14Rdn 18; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 46; Priester in: FS Kropff, 1997, 591, 601. Dagegen ist nach Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 62 eine Beschlussfassung nicht unbedingt erforderlich. 480 Im selben Sinne Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 44; Stein Das faktische Organ, 1984, S 88. 481 OLG Frankfurt 15.4.1986 – 3 U 191/84, AG 1986, 233 re Sp; Hüffer/Koch14 § 77 Rdn 6 mwN.

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die Berufung auf den Verfahrensmangel verwirkt.482 Das gilt auch bei der Feststellung des Jahresabschlusses. Die Abschluss-Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs 7 Satz 1 kann in solchen Fällen nur von dem betroffenen Vorstandsmitglied erhoben werden, nicht hingegen von anderen Vorstandsmitgliedern oder vom Aufsichtsrat und namentlich nicht von Aktionären. 176

dd) Unterbesetzter Vorstand. Umstritten ist, ob es zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt, wenn der Vorstand bei der Aufstellung des Abschlusses und dessen Vorlage an den Aufsichtsrat unterbesetzt war, also weniger Mitglieder hatte, als er nach Gesetz oder Satzung haben muss. Von Gesetzes wegen müssen Vorstände von Gesellschaften mit mehr als drei Millionen Euro Grundkapital aus mindestens zwei Personen bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt etwas anderes (§ 76 Abs 2 Satz 2). Bleibt die tatsächliche Zahl der Vorstandsmitglieder hinter den normativen Vorgaben zurück, ist der Vorstand unterbesetzt und nach vorwaltender Ansicht handlungsunfähig, soweit es um Aufgaben des Gesamtvorstands als Kollegialorgan geht.483 Da zu diesen Aufgaben auch die Aufstellung des Jahresabschlusses gehört (Rdn 174), folgert man, dass die Feststellung des Abschlusses mangels ordnungsgemäßer Mitwirkung des Vorstands nichtig sei.484 Andere halten dagegen bei kollegialen Aufgaben des Gesamtvorstands auch den unterbesetzten Vorstand für handlungsfähig,485 so dass nach dieser Betrachtung der festgestellte Jahresabschluss gültig ist.486 Wieder andere gehen einen Mittelweg und bejahen die Handlungsfähigkeit des unterbesetzten Vorstands bei Taten ohne rechtsgeschäftliche Bedeutung, verneinen sie aber bei Rechtsgeschäften und namentlich bei Beschlüssen,487 und da hierzu auch die Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses gehört (Rdn 175), gelangt man so wiederum zur Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses.488 Das soll sogar auch für einen nur satzungswidrig und nicht gesetzwidrig unterbesetzten Vorstand gelten.489 Wenn der Vorstand bei der Aufstellung des Jahresabschlusses und seiner Vorlage an 177 den Aufsichtsrat gesetz- oder satzungswidrig unterbesetzt war, sollte man den festgestellten Jahresabschluss entgegen der herrschenden Ansicht für gültig erachten.490 Die Regeln über die Mindestgröße des Vorstands sollen zwar die Qualität des Vorstandshandelns und auch der Rechnungslegung gewährleisten, weil mehrere Vorstandsmitglieder

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482 Großkomm/Kort5 § 77 Rdn 18; KK/Mertens/Cahn3 § 77 Rdn 47 und hM. 483 BGH 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158, 161; BGH 17.12.2001 – II ZR 288/99, ZIP 2002, 216, 217 li Sp; OLG Dresden 31.8.1999 – 13 U 1215/99, ZIP 1999, 1632, 1634 re Sp; LG Dresden 30.9.1998 – 41 O 1133/96, AG 1999, 46 f; ausführlich LG Heilbronn 19.11.1999 – 3 KfH O 227/99, AG 2000, 373, 374; alle betr die Einberufung der Hauptversammlung und die Unterbreitung von Beschlussvorschlägen; Möhring NJW 1966, 1, 5 f. 484 Hierfür KG 29.10.2010 – 14 U 96/09, Ziff III. 1. der Entscheidungsgründe, NZG 2011, 146, 147 f; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 28; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 48; KK/A Arnold3 Rdn 43; Möhring NJW 1966, 1, 5 f; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 9. 485 Großkomm/Kort5 § 76 Rdn 242; KK/Mertens/Cahn3 § 76 Rdn 111; grundsätzlich ebenso Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 597 f. 486 Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 603 f; KK/Mertens/Cahn3 § 76 Rdn 111 aE. 487 Hüffer/Koch14 § 76 Rdn 56 mwN zu weiteren gleichlaufenden Ansichten in der neueren Kommentarliteratur. Im Ergebnis ähnlich Schäfer ZGR 2003, 147, 153 f, wonach es darauf ankomme, ob der Vorstand eine materielle Entscheidung mit Beurteilungsspielräumen treffe. 488 Hüffer/Koch14 Rdn 18; MünchKomm/J Koch4 Rdn 37; hierauf hinauslaufend auch Schäfer ZGR 2003, 147, 153 f. 489 MünchKomm/J Koch4 Rdn 37 aE. 490 So auch Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 603 f. Anders die oben in Fn 484 und 488 Genannten.

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mehr sehen und sich untereinander kontrollieren.491 Damit will das Gesetz jedoch in erster Linie den Interessen der Aktionäre dienen,492 was sich auch daran zeigt, dass die Regeln zur Disposition der Satzung stehen (§ 76 Abs 2 Satz 1 und 2). Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses und einer auf dem Abschluss aufbauenden Gewinnausschüttung liegt aber im Allgemeinen nicht im wohlverstandenen Interesse der Aktionäre (Rdn 20). Die normwidrige Unterbesetzung des Vorstands kann deshalb sinnvollerweise keine Abschlussnichtigkeit auslösen, sondern nur zur Folge haben, dass der Aufsichtsrat den Vorstand ergänzen muss (§ 84) oder in dringenden Fällen das Gericht auf Antrag eines Beteiligten das fehlende Vorstandsmitglied bestellt (§ 85).493 ee) Mitwirkung fehlerhaft bestellter Vorstandsmitglieder. Wenn an der Ent- 178 scheidung des Vorstands über die Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses Personen mitgewirkt haben, die nicht wirksam oder nicht mehr zu Vorstandsmitgliedern bestellt sind, so ist grundsätzlich die Mitwirkung des Vorstands nicht ordnungsgemäß und der Jahresabschluss deshalb nach § 256 Abs 2 nichtig, wenn die Vorstandsentscheidung auf den Stimmen dieser Personen beruht.494 Nach allgemeinen Regeln werden indessen fehlerhafte, aber tatsächlich in Vollzug gesetzte Vorstands-Organverhältnisse für die Zeit ihres tatsächlichen Bestehens als wirksam behandelt, wenn die betroffene Person mit Wissen und Willen des Aufsichtsrats wie ein Vorstandsmitglied gewaltet oder weitergewaltet hat; das fehlerhafte Organverhältnis kann dann nur für die Zukunft durch Abberufung oder Amtsniederlegung beendet werden, und zwar jederzeit von beiden Seiten.495 Das gilt auch hinsichtlich der Aufstellung des Jahresabschlusses. Dieser kann auch dann gültig festgestellt werden, wenn er unter Mitwirkung fehlerhaft bestellter Vorstandsmitglieder aufgestellt worden ist, aber das fehlerhafte Organverhältnis bei der Aufstellung des Abschlusses in dem soeben genannten Sinne tatsächlich im Vollzug war.496 Anders verhält es sich, wenn gar kein Bestellungsakt des Aufsichtsrats vorliegt oder eine amtsunfähige Person berufen worden ist, oder wenn ein Vorstandsmitglied sein erloschenes Amt ohne Billigung des Aufsichtsrats fortführt. Wenn dann die Entscheidung des Vorstands über die Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses auf dem Mitwirken dieser Person beruht, so hat der Vorstand im Sinne von § 256 Abs 2 bei der Feststellung des Jahresabschlusses nicht ordnungsgemäß mitgewirkt, und die Feststellung ist nichtig.497

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491 LG Heilbronn 19.11.1999 – 3 KfH O 227/99, AG 2000, 373, 374; Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 604; MünchKomm/J Koch4 Rdn 37. 492 Vgl Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 595. 493 So in der Sache auch Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 603 f. 494 Insoweit übereinstimmend KK/Zöllner1 Rdn 82; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 28; MünchKomm/Spindler3 § 84 Rdn 232; K Schmidt/Lutter/Seibt4 § 84 Rdn 25; auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 69 für den Fall, dass der Vorstand ohne die fehlerhaft bestellten Mitglieder unterbesetzt ist. 495 BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 24, BGHZ 196, 195, 204 (betr Vergütung und Geschäftsführungsmacht); BGH 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 288, auch 291 sowie BGH 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 343 (beide betr das Anstellungsverhältnis von Vorstandsmitgliedern); aus der Kommentarliteratur jeweils mwN Großkomm/Kort5 § 84 Rdn 82 ff, 93 ff; KK/Mertens/Cahn3 § 84 Rdn 30 ff; Hüffer/Koch14 § 84 Rdn 12 f. 496 Stein Das faktische Organ, 1984, S 88 ff, 129; Großkomm/Kort5 § 84 Rdn 94; MünchKomm/J Koch4 Rdn 38, auch schon 37; KK/A Arnold3 Rdn 44; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 48; Hüffer/Koch14 Rdn 18 aE; wohl auch K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 28. Anders MünchKomm/Spindler3 § 84 Rdn 232; K Schmidt/Lutter/Seibt4 § 84 Rdn 25. 497 MünchKomm/J Koch4 Rdn 38 aE; KK/A Arnold3 Rdn 44.

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ff) Unterschrift, Aufstellungsfrist, Bilanzeid. Die fehlende Unterzeichnung durch den Vorstand macht den Jahresabschluss nicht nichtig.498 Nach § 245 HGB unterzeichnet werden muss nämlich in Handelsgesellschaften nach vorwaltender Ansicht erst der festgestellte Jahresabschluss.499 Dann kann die Unterzeichnung nicht Bestandteil der Feststellung sein. Aber auch wenn man die Pflicht zur Unterzeichnung schon auf den aufgestellten Jahresabschluss bezieht (wofür gute Gründe sprechen),500 ist die Unterzeichnung keine Voraussetzung der Aufstellung. Diese ist vielmehr mit der Entscheidung des Vorstands abgeschlossen, den Jahresabschluss dem Aufsichtsrat vorzulegen; 501 die Unterzeichnung dokumentiert dies nur zu Beweiszwecken.502 Eine Überschreitung der in § 264 Abs 1 Satz 3–4 vorgegebenen Aufstellungsfristen begründet ebenfalls keine Nichtigkeit des Jahresabschlusses, sonst käme die Gesellschaft aus der Säumnis nie heraus. Auch das Fehlen oder die Unrichtigkeit des nach § 264 Abs 2 Satz 3 HGB bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften gebotenen „Bilanzeids“, also der schriftlichen Versicherung der Vorstandsmitglieder, dass nach ihrem besten Wissen der Jahresabschluss regelkonform ist, führt nicht zur Nichtigkeit,503 weil der Bilanzeid nicht Teil des Verfahren zur Feststellung des Jahresabschlusses ist, sondern eine eigenständige Zusicherung, deren Unrichtigkeit strafrechtliche (§ 331 Nr 3a HGB) und haftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.504 c) Nicht ordnungsgemäße Mitwirkung des Aufsichtsrats (Abs 2 Fall 2) aa) Eckpunkte und Grundlinien

(1) Die Billigung des Jahresabschlusses als Bezugspunkt. Während die Aufstellung des Jahresabschlusses nach allgemeinem Gesellschaftsrecht den Geschäftsführungsorganen obliegt, weil sie zur Rechenschaftslegung über die Geschäftsführung gehört, ist die anschließende Feststellung, das heißt Verbindlicherklärung des Jahresabschlusses (Rdn 1), normalerweise Sache der Gesellschafter.505 In der Aktiengesellschaft ist diese Angelegenheit jedoch dem Aufsichtsrat zugewiesen. Wenn der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten und vorgelegten Jahresabschluss billigt (§ 171 Abs 2 Satz 4), ist der Abschluss festgestellt (§ 172 Satz 1) Das ist der rechtsgeschäftliche Beitrag des Aufsichtsrats zur Feststellung des Jahresabschlusses. Die Billigung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat ist in ein weiterrei181 chendes Prüfungs-, Berichts- und Beschlussverfahren eingebunden. Der Aufsichtsrat muss zunächst den vom Vorstand aufgestellten und vorgelegten Jahresabschluss prüfen (§ 171 Abs 1 Satz 1). Das geschieht im Anschluss an die Prüfung des Jahresabschlusses

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498 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1522 re Sp; OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 536 li Sp; U Weiß WM 2010, 1010, 1016; MünchKomm/J Koch4 Rdn 39; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 63; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 49; KK/A Arnold3 Rdn 45; Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 603. 499 BGH 28.1.1985 – II ZR 79/84, BB 1985, 567 re Sp (betr GmbH); OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1522 re Sp; Staub/Pöschke5 § 245 Rdn 5 f. 500 U Weiß WM 2010, 1010, 1011 ff m Nw zu weiteren, gleichlautenden Stimmen. 501 U Weiß WM 2010, 1010, 1015 li Sp. 502 U Weiß WM 2010, 1010, 1013 ff. 503 MünchKomm/J Koch4 Rdn 39; aE; KK/A Arnold3 Rdn 45. 504 Näher hierzu Fleischer ZIP 2007, 97, 102 ff; MünchKomm/Reiner3 § 264 Rdn 98, 111 ff. 505 Siehe zur GmbH § 46 Nr 1 GmbHG und im Übrigen statt vieler BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, Rdn 13–14, BGHZ 170, 283, 289 f, betr KG; Ulmer in: FS Hefermehl, 1976, S 207 ff; K Schmidt Gesellschaftsrecht4, 2002, § 47 IV 1 /S 1386 f und § 53 III 2 c / S 1539 f; M Dettke Gewinnthesaurierung und Minderheitenschutz in der Personenhandelsgesllschaft als Konzernobergesellschaft, 2017; S 146 ff, 160 ff.

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durch den Abschlussprüfer, wenn eine solche Prüfung geboten ist. Der Aufsichtsrat muss sodann einen schriftlichen Bericht an die Hauptversammlung über das Ergebnis seiner Prüfung erstellen (§ 171 Abs 2 Satz 1), dabei auch seine allgemeine Überwachungstätigkeit darstellen (§ 171 Abs 2 Satz 2) und zu dem Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch den Abschlussprüfer Stellung nehmen (§ 171 Abs 2 Satz 3). Am Ende dieses Berichts an die Hauptversammlung muss der Aufsichtsrat erklären, ob er gegen die Vorlagen des Vorstands Einwendungen erhebt, und ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss billigt (§ 171 Abs 2 Satz 4). Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung mit der abschließenden Billigungserklärung ist sodann dem Vorstand zuzuleiten, und zwar innerhalb eines Monats (§ 171 Abs 3 Satz 1) oder binnen einer Nachfrist von höchstens noch einmal einem Monat (§ 171 Abs 3 Satz 2); sonst gilt der Jahresabschluss als vom Aufsichtsrat nicht gebilligt, wie es in § 171 Abs 3 Satz 3 etwas ungenau heißt (vgl Rdn 182). Billigt hingegen der Aufsichtsrat den Jahresabschluss, ist dieser damit festgestellt (§ 172 Satz 1). Der in § 256 Abs 2 festgelegte Grund für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, näm- 182 lich dass „der Aufsichtsrat bei seiner Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt hat“, bezieht sich ausschließlich auf die rechtsgeschäftliche und beschlussförmige (Rdn 185) Entscheidung des Aufsichtsrats über die Billigung des Jahresabschlusses. Die zuvor gebotene Prüfung des Abschlusses durch den Aufsichtsrat ist nicht Bestandteil der rechtsgeschäftlich gestaltenden Billigung, so dass eine unterlassene oder mangelhafte Prüfung der Wirksamkeit des Billigungsbeschlusses und des Jahresabschlusses nicht entgegensteht.506 Auch inhaltliche oder formale Mängel und sogar ein vollständiges Fehlen des Aufsichtsratsberichts an die Hauptversammlung begründen keine Nichtigkeit des Abschlusses nach § 256 Abs 2.507 Die Zuleitung dieses Berichts an den Vorstand gehört ebenfalls nicht mehr in dem Sinne zum Tatbestand der Feststellung des Jahresabschlusses, dass Fehler zur Nichtigkeit führen. Der BGH bezeichnet die Feststellung zwar im Kern zutreffend als „korporationsrechtliche[s] Rechtsgeschäft“, bestehend aus der „Vorlage des Jahresabschlusses durch den Vorstand, durch die das rechtlich bedeutsame Begehren nach Billigung zum Ausdruck gebracht wird, und de[m] darauf bezogene[n] Billigungsbeschluss des Aufsichtsrats nebst entsprechender Erklärung nach § 171 Abs 2 Satz 4, Abs 3 AktG“508 (näher Rdn 207). Die hier als letzte angeführte Bestimmung des § 171 Abs. 3 betrifft die Zuleitung des Aufsichtsratsberichts an den Vorstand. Dies ist jedoch nicht mehr Wirksamkeitsvoraussetzung der Feststellung des Jahresabschlusses, weil der Vorstand schon mit der Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses seinen abschließenden Beitrag dazu geleistet hat, den Jahresabschuss in Geltung zu setzen, und damit aus dem weiteren Feststellungsverfahren heraus ist. Wenn dann anschließend die Erklärung des Aufsichtsrats über die Billigung des Jahresabschlusses beschlussförmig und auch im Übrigen verfahrensrichtig zu Stande kommt, ist hierdurch der Jahresabschluss von Seiten des Aufsichtsrats wirksam festgestellt (vgl auch unten Rdn 190 f). In diese Richtung deutet auch ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2010. In dem zugrunde 183 liegenden Fall fand laut dem Urteilstatbestand „eine Sitzung des Aufsichtsrats … statt, in der der Jahresabschluss … gebilligt wurde.“ 509 Ein Bericht an die Hauptversammlung wurde aber weder damals noch in der Folgezeit durch Beschluss des Aufsichtsrats verabschiedet und auch nicht, wie es geboten ist, zumindest vom Aufsichtsratsvorsitzenden

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506 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1524 li Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 41; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 14. Anders Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 21 Abs 2 aE. 507 Ebenso MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 171 Rdn 228; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 15 aE. 508 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 116. 509 BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, Rdn 2, WM 2010, 1502 re Sp.

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unterschrieben, sondern einfach nur irgendwie der Versammlung vorgelegt.510 Der BGH hat die Beschlüsse der anschließenden Hauptversammlung über die Entlastung der Organmitglieder und über die Wiederwahl eines Aufsichtsratsmitglieds auf die Anfechtungsklage eines Aktionärs hin für nichtig erklärt, weil ein Bericht im Sinne des § 172 Abs 2 nicht vorlag und die verantwortlichen Organmitglieder hierdurch ihre Pflichten verletzt hatten.511 Aber die Wirksamkeit der Abschlussfeststellung wird vom Gericht nicht in Zweifel gezogen (sie war allerdings auch nicht Gegenstand des Rechtsstreits), sondern das Urteil führt beiläufig aus, der Aufsichtsrat habe „den vorgelegten Jahresabschluss … einstimmig mit förmlichem Beschluss gebilligt“.512 Der Jahresabschluss war also offenbar nach Ansicht des Gerichts wirksam festgestellt, sonst hätte das Urteil wohl die Nichtigkeit des Abschlusses als weiteren und gewichtigen Grund für die Pflichtverletzung der Organmitglieder und die hieraus folgende Anfechtbarkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse über die Entlastung und Wiederwahl ins Feld geführt (vgl unten Rdn 214). 184

(2) Zuständigkeit des Gesamt-Aufsichtsrats. Zuständig für die Feststellung des Jahresabschlusses ist der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit, das Plenum. Die Entscheidung kann also nicht einem Aufsichtsratsausschuss überwiesen werden (§ 107 Abs 3 Satz 7), auch nicht dem Prüfungsausschuss (hierzu auch Rdn 193), und erst recht nicht einzelnen Mitgliedern. Bei Verstößen hiergegen ist die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig 513 (vgl auch Rdn 204).

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(3) Entscheidung durch Beschluss. Das Entscheidungsverfahren des Aufsichtsrats ist stärker formalisiert als dasjenige des Vorstands (§§ 108 ff). Die Entscheidung über die Feststellung des Jahresabschlusses muss wie andere Entscheidungen des Aufsichtsrats in Gestalt eines Beschlusses ergehen (§ 108 Abs 1).514 Zur Beschlussförmigkeit von Aufsichtsratsentscheidungen heißt es in einem BGH-Urteil von 1964: „Nur der in einem Beschluß zum Ausdruck gekommene einheitliche Wille der abstimmenden Aufsichtsratsmitglieder stellt den Willen des Aufsichtsrats dar; was nicht in einem Beschluß seinen Niederschlag gefunden hat, kann nicht als eine Stellungnahme des Aufsichtsrats angesehen werden. … [Das bedeutet], daß Aufsichtsratsbeschlüsse nicht stillschweigend gefaßt werden können, weil es bei stillschweigender Beschlußfassung unmöglich wäre, die für eine Abstimmung unerläßlichen Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit Beschlußfähigkeit, Zustimmung und Ablehnung gegeben und Stimmenthaltungen vorgekommen sind. Hieran muss aus Gründen der Rechtssicherheit und wegen der Verantwortung des Aufsichtsrats festgehalten werden.“515 Das muss es in der Tat, gerade auch bei der Feststellung des Jahresabschlusses. Dies schließt allerdings eine Auslegung von

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510 BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, WM 2010, 1502 f (Rdn 2) zum Sachverhalt, 1503 f (Rdn 12–14) zur fehlenden Beschlussförmigkeit, 1504 (Rdn 15–18) zur fehlenden Unterzeichnung (hierzu auch unten Rdn 186). 511 BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, WM 2010, 1502, 1503 re Sp (Rdn 12), 1504 ff (Rdn 19 ff). 512 BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, WM 2010, 1502, 1506 re Sp (Rdn 35), im selben Sinne 1505 li Sp (Rdn 25). 513 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 60; KK/Zöllner1 Rdn 80; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 45; Großkomm/ Schilling3 § 256 Anm 10. 514 Großkomm/Hopt/Roth5 § 108 Rdn 1, 19 ff; Priester in: FS Kropff, 1997, S 591, 600 und allg Ansicht. Hiervon ausgehend auch BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, WM 2010, 1502 re Sp (Tz 2), 1505 li Sp (Tz 25) und 1506 re Sp (Tz 35). 515 BGH 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 286 (betr Anstellung eines Vorstandsmitglieds); auch schon BGH 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 194; bestätigend BGH 17.12.2001 – II ZR 288/99, ZIP 2002, 217, 217 re Sp; BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, WM 2010, 1502, 1503 f (Rdn 14); des Weiteren OLG Dresden 31.8.1999 – 13 U 1215/99, ZIP 1999, 1632, 1634 li Sp; Großkomm/Hopt/Roth5 § 108 Rdn 27 f.

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Aufsichtsratsbeschlüssen nicht aus, und dabei können auch Umstände jenseits des Beschlusswortlauts berücksichtigt werden.516 Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, in dem der Jahresab- 186 schluss gebilligt wird, muss zumindest vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterschrieben sein.517 Ein Verstoß hiergegen führt aber nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 2518 (vgl Rdn 182 f), denn das Unterzeichnungs-Gebot betrifft nicht die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlich gestaltenden Abschlussfeststellung, sondern soll dokumentieren, dass der Aufsichtsrat seine Überwachungsaufgaben erfüllt hat und die Gewähr für den Bericht über sein Tun übernimmt, damit die Hauptversammlung eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für die hiermit zusammenhängenden Beschlussfassungen und namentlich für die Entlastung hat519 und auch der Vorstand auf dem laufenden ist (vgl wiederum Rdn 182 f). Auch eine fehlende oder fehlerhafte Protokollierung macht den Beschluss des Aufsichtsrats über die Billigung und Feststellung des Jahresabschlusses nicht unwirksam (§ 107 Abs 2 Satz 3).520 (4) Verfahrensfehler und ihre Geltendmachung im Allgemeinen. Verstößt ein 187 Aufsichtsratsbeschluss in gravierender Weise gegen zwingende gesetzliche oder satzungsmäßige Verfahrensregeln, so ist er nichtig, das heißt er entfaltet von vornherein keine Rechtswirkung.521 Das gilt auch für die Feststellung des Jahresabschlusses. Diese ist nach § 256 Abs 2 nichtig, wenn der Beschluss des Aufsichtsrats über die Billigung des Abschlusses nichtig ist,522 denn dann ist das aus dem Vorstandsbeschluss und dem Aufsichtsratsbeschluss zusammengesetzte korporationsrechtliche Rechtsgeschäft über die Feststellung des Jahresabschlusses (Rdn 207) nicht wirksam zustande gekommen. Ein Verfahrensfehler ist dabei umso gravierender und führt umso eher zur Nichtigkeit des Beschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses, je mehr er das Grundanliegen des Gesetzes beeinträchtigt, eine Entscheidung des Gesamtaufsichtsrats über die Rechnungslegung zu Wege zu bringen, an der jedes Aufsichtsratsmitglied informiert mitwirken kann. Verletzt die Beschlussfassung lediglich Verfahrensregeln, auf deren Einhaltung die Aufsichtsratsmitglieder verzichten können (zB die Frist für die Einberufung von Sitzungen, Rdn 188), so besteht ein Rechtsschutzbedürfnis nur bei den Mitgliedern des Aufsichtsrats.523 Nur sie sind dann befugt, eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des

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516 BGH 17.12.2001 – II ZR 288/99, ZIP 2002, 217, 217 re Sp (betr die Festlegung der Zahl von Vorstandsmitgliedern); Großkomm/Hopt/Roth5 § 108 Rdn 29; allgemein zur Auslegungsfähigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen MünchHdbAG/Hoffmann-Becking5 § 31 Rdn 65 mwN; andeutungsweise auch BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, WM 2010, 1502, 1504 li Sp (Rdn 14 aE) zur Verabschiedung des Berichts an die Hauptversammlung nach § 171 Abs 2. 517 BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, WM 2010, 1502, 1504 (Rdn 15–18) m Nw zur gleichlautenden hM in der Literatur. 518 Hiervon ausgehend auch BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, WM 2010, 1502, 1505 li Sp (Rdn 25) und 1506 re Sp (Tz 35). 519 Diesen letzteren Gesichtspunkt betont BGH 21.6.2010 – II ZR 24/09, WM 2010, 1502, 1504 f (Rdn 17 ff). Allgemein zur Bedeutung des Aufsichtsratsberichts für die Entlastungsentscheidung der Hauptversammlung OLG Düsseldorf 28.2.2008 – I-6 U 197/06, juris, Rdn 55 ff. 520 Ebenso Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 50. 521 BGH 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 346 ff, 351 ff, 354 ff; auch BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 115, 125; BGH 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 247; BGH 29.1.2013 – II ZB 1/11, Rdn 13, AG 2013, 257, 258 reSp. Aus dem Schrifttum statt vieler Großkomm/Hopt/Roth5 § 108, 152 ff, 155 ff; Hüffer/Koch14 § 108 Rdn 25 ff; beide mNw auch zu einer vor allem früher vertretenen Gegenmeinung, wonach minderschwere Beschlussmängel analog § 243 lediglich zur Anfechtbarkeit führen sollen. 522 Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 12; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 50; MünchKomm/J Koch4 Rdn 40. 523 Vgl allgemein zu fehlerhaften Aufsichtsratsbeschlüssen MünchKomm/Habersack5 § 108 Rdn 82.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Jahresabschlusses nach § 256 Abs 7 Satz 1 zu erheben, nicht hingegen die Aktionäre und auch nicht der Vorstand oder dessen Mitglieder. Gleiches gilt bei Verfahrensverstößen gegen eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats, denn der Aufsichtsrat kann im Einzelfall von der Geschäftsordnung abweichen. Bei Verfahrensmängeln, die lediglich einzelne Aufsichtsratsmitglieder in verzichtbaren Mitwirkungsrechten betreffen, können sogar nur die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder klagen (vgl Rdn 188, 190a, 193 sowie oben Rdn 175 zum Vorstand). Ebenso wie eine Nichtigkeits-Feststellungsklage gegen sonstige Aufsichtsratsbeschlüsse (§ 256 ZPO) 524 muss die Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage in angemessener Frist erhoben werden, sonst ist das Recht verwirkt, die Nichtigkeit des Jahresabschlusses geltend zu machen. bb) Einzelne Verfahrensfehler 188

(1) Einberufungsmängel. Als Verfahrensmängel, die zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen können, kommen etwa Fehler bei der Einberufung von Aufsichtsratssitzungen in Betracht. Jedes Aufsichtsratsmitglied muss auf zumutbare Weise Zugang zur Sitzung und zur Beschlussfassung haben (Rdn 187). Bei gewichtigen Verstößen hiergegen sind Aufsichtsratsbeschlüsse nichtig,525 auch Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses.526 Die Form- und Fristanforderungen an die Einberufung von Aufsichtsratssitzungen brauchen allerdings nicht eingehalten zu werden, wenn alle Aufsichtsratsmitglieder zu der Sitzung erscheinen und keines der Beschlussfassung widerspricht 527 (arg § 121 Abs 6). Das gilt auch für die Feststellung des Jahresabschlusses.528 Selbst wenn ein Aufsichtsratsmitglied zu Unrecht nicht eingeladen wurde, kann es den Beschluss nachträglich genehmigen; dann wird dieser bestandsfest.529 Da die Regeln über die Einberufung von Aufsichtsratssitzungen verzichtbar sind, gelten zudem die in Rdn 187 genannten Einschränkungen: Nur die konkret betroffenen oder widersprechenden Aufsichtsratsmitglieder können die Nichtigkeit des Jahresabschlusses geltend machen und auf deren Feststellung klagen, und sie müssen das in angemessener Frist tun, sonst sind diese Rechte verwirkt.

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(2) Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats. Dies begründet ebenfalls einen Verfahrensfehler, der zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses führt.530 Nach § 108 Abs 2 ist der Aufsichtsrat beschlussfähig, wenn mindestens drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen und grundsätzlich die Hälfte der Mitglieder, aus denen er zu bestehen hat. Die Teilnahme unbefugter Personen an Sitzungen des Aufsichtsrats (vgl

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524 Hierzu Großkomm/Hopt/Roth5 § 108 Rdn 179; MünchKomm/Habersack5 § 108 Rdn 78, 82. 525 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1523; Großkomm/Hopt/Roth5 § 110 Rdn 31 f; Hüffer/Koch14 § 110 Rdn 5; hiervon ausgehend auch OLG München 12.1.2017 – 23 U 3582/16, Ziff. II.3.2. der Entscheidungsgründe, WM 2017, 1415, 1417 re Sp. 526 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1523; KK/A Arnold3 Rdn 46; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 57; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 50; MünchKomm/J Koch4 Rdn 41 und Hüffer/Koch14 Rdn 19. 527 OLG München 12.1.2017 – 23 U 3582/16, Ziff. II.3.2. der Entscheidungsgründe, WM 2017, 1415, 1417 re Sp; Großkomm/Hopt/Roth5 § 110 Rdn 31; Hüffer/Koch14 § 110 Rdn 5. 528 KK/A Arnold3 Rdn 46; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 58; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 10; Hüffer/Koch14 Rdn 19. 529 Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 12. 530 LG Karlsruhe 5.5.1993 – O 177/92 KfH III, DB 1993, 1352 li Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 60; KK/Zöllner1 Rdn 80; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 10.

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§ 109 Abs 1 und 3) ist unschädlich, wenn sie nicht ergebniswirksam an der Abstimmung teilnehmen.531 (3) Mitwirkung fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder. Auch dies kann 189a nach heute (wieder) herrschender Ansicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen. Ist hiernach ein Beschluss der Hauptversammlung über die Wahl einer Person in den Aufsichtsrat nichtig oder erfolgreich angefochten, so ist die Person von Anfang an nicht Mitglied des Aufsichtsrats, und zwar nach allgemeinem Rechtsverständnis auch im Fall der erfolgreichen Anfechtung nicht, weil das Anfechtungsurteil auf den Zeitpunkt der Wahl zurückwirke (arg § 250 Abs 1 iVm § 241 Nr 5).532 Der Lehre vom fehlerhaft bestellten Organmitglied, wonach ein nicht wirksam begründetes, aber in Vollzug gesetztes Organverhältnis für die Vergangenheit als wirksam behandelt und nur mit Wirkung für die Zukunft beendet wird (s oben Rdn 178 zum Vorstand), ist der Bundesgerichtshof für den Aufsichtsrat in einem Grundsatzurteil von 2013 entgegengetreten. Sofern im Aufsichtsrat die Stimmen von Personen, deren Wahl nichtig ist oder später auf Anfechtungsklage für nichtig erklärt wird, „für die Beschlussfassung oder die Ablehnung eines Beschlussantrags ursächlich geworden sind, ist ein entsprechender Beschluss nicht gefasst oder kommt sogar eine Umkehrung des Beschlussergebnisses in Frage“, wie es in dem Urteil heißt.533 Ebenso fehle es an einer wirksamen Beschlussfassung, wenn der Aufsichtsrat ohne die betroffene Person nicht beschlussfähig ist.534 Bezogen auf den Jahresabschluss würde das bedeuten und wird das Urteil auch allgemein so verstanden, dass dessen Feststellung wegen nicht ordnungsgemäßer Mitwirkung des Aufsichtsrats nach § 256 Abs 2 nichtig ist, wenn sie auf den Stimmen von Personen beruht, deren Wahl zum Aufsichtsrat nichtig ist oder später vom Gericht auf Anfechtungsklage für nichtig erklärt wird535 (vgl auch Rdn 189c), so wie es schon früher tradierter Auffassung entsprach.536 Im Einzelnen ist das BGH-Urteil von 2013 allerdings nicht ganz eindeutig. Es ging in 189b dem Fall nicht konkret um die Feststellung des Jahresabschlusses, sondern allgemein um die Rückwirkung der erfolgreichen Anfechtung eines Wahlbeschlusses der Haupt-

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531 So speziell im Hinblick auf die Feststellung des Jahresabschlusses KK/Zöllner1 Rdn 81; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 59; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 12 aE. Ebenso für Aufsichtsratsbeschlüsse im Allgemeinen BGH 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 345 ff; OLG München 12.1.2017 – 23 U 3582/16, Ziff. II.3.3. der Entscheidungsgründe, WM 2017, 1415, 1417 re Sp; Großkomm/Hopt/Roth5 § 108 Rdn 177; hiervon ausgehend auch BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 17, BGHZ 196, 195, 201. 532 So nachdrücklich BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 13 aE und 20, BGHZ 196, 195, 200, 203. 533 BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 21, BGHZ 196, 195, 203, in der Sache auch Rdn 16 f / S 201 und zur Ablehnung eines Beschlussantrags noch einmal andeutungsweise Rdn 24 / S 204. Ebenso im Grundsatz früher schon BGH 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 346; BGH 16.12.1953 – II ZR 167/52, BGHZ 11, 231, 246 (betr GmbH). Anders der überwiegende Teil des Schrifttums, siehe die unten in Fn 541 und 535 Satz 1 Genannten. 534 BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Leitsatz b) und Rdn 16 f, BGHZ 196, 195, 201. Das entspricht ebenfalls der früheren Rspr; vgl OLG Hamburg 11.1.2002 – 11 U 145/01, AG 2002, 460, 461 f; auch BGH 16.12.1953 – II ZR 167/52, BGHZ 11, 231, 246 (betr GmbH), wo die Wahl aller Aufsichtsratsmitglieder nichtig war. 535 Das meinen gerade auch diejenigen, die der Lehre vom fehlerhaft bestellten Organmitglied anhängen und deshalb das Urteil kritisieren; so namentlich MünchKomm/J Koch4 Rdn 43 und Hüffer/Koch14 Rdn 19 aE; Höpfner ZGR 2016, 505, 525; Lieder ZHR 178 (2014), 282, 308 ff. Ebenso wird das Urteil erst recht von denjenigen verstanden, die es gutheißen, wie Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 51. Zweifelnd dagegen aus den unten in Rdn 189c aE genannten Gründen Rieckers in VGR (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 2014, S 125 ff Abschnitt III.5.; KK/A Arnold3 Rdn 48 aE; Drygala/Gehling ZIP 2014, 1253, 1258 (mit rechtspolitischem Änderungsvorschlag in Richtung Bestandsfestigkeit des Jahresabschlusses). 536 OLG Hamburg 11.1.2002 – 11 U 145/01, AG 2002, 460, 461 f; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 64 ff; KK/Zöllner1 Rdn 83; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 10. Siehe aber auch die in Fn 542 und 535 Satz 3 genannten Gegenstimmen.

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versammlung zum Aufsichtsrat. Diese Rückwirkung wird in dem Urteil grundsätzlich bejaht (siehe Rdn 189a), aber das Gericht bedenkt auch den Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes und nähert sich damit doch wieder punktuell der Lehre vom fehlerhaft bestellten Organmitglied an. So sollen für die Pflichten, die Haftung und die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder die Grundsätze der fehlerhaften Bestellung gelten.537 Auf die Beschlussfassung des Aufsichtsrats lässt das Gericht dagegen die Nichtigkeit oder Nichtigerklärung der Wahl grundsätzlich voll durchschlagen (siehe wieder Rdn 189a).538 Für die vom Aufsichtsrat zu unterbreitenden Vorschläge zur Beschlussfassung der Hauptversammlung (§ 124 Abs 3 Satz 1), die ja ebenfalls durch Beschluss des Aufsichtsrats festgelegt werden (§ 108) soll das aber irgendwie doch nicht gelten, damit die Hauptversammlung verfahrensfehlerfrei Beschlüsse fassen kann.539 Und dann heißt es in dem Urteil zum Jahresabschluss: 189c „Für die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bei einer fehlerhaften Mitwirkung des Aufsichtsrats bei der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 256 Abs 2 AktG) enthält § 256 Abs 6 Satz 1 AktG [betreffend die Heilung der Nichtigkeit nach sechs Monaten] eigene Regeln zum Schutz der Gesellschaft, die nicht einfach übergangen werden dürfen (E. Vetter ZIP 2012, 701, 710), sofern die Mitwirkung eines lediglich anfechtbar gewählten Mitglieds, dessen Wahl bis zur Nichtigerklärung als wirksam zu behandeln ist, überhaupt als fehlerhafte Mitwirkung des Aufsichtsrats anzusehen ist (verneinend Rölike in Spindler/Stilz, 2. Aufl. § 256 Rn. 51; MünchKommAktG/Hüffer, 3. Aufl. § 256 Rn. 44).“540

Den letzten Halbsatz („sofern die Mitwirkung …“) kann man für sich alleine genommen vielleicht auch dahin verstehen, dass die gerichtliche Nichtigerklärung des Wahlbeschlusses einer schon erfolgten Feststellung des Jahresabschlusses nichts mehr anhaben kann. Die angeführten Kommentarstellen von Rölike und Hüffer geben das aber nicht her, sondern besagen nur, dass die bloße Anfechtbarkeit der Aufsichtsratswahl für die Wirksamkeit der Feststellung des Jahresabschlusses unschädlich ist, was ohnehin niemand bestreitet, weil anfechtbare Hauptversammlungsbeschlüsse wirksam sind, solange das Gericht sie nicht für nichtig erklärt hat. Für diesen letzteren Fall aber halten beide Autoren die Feststellung des Jahresabschlusses für nichtig, wenn sie auf der Stimme des anfechtbar gewählten Aufsichtsratsmitglieds beruhte. Ebenso muss man den ersten zitierten Satzteil aus dem Urteil über den Vorrang der Heilung verstehen, denn eine solche ist nur möglich, wenn der Jahresabschluss vorher nichtig war. Hiervon geht auch der im Urteil genannte Aufsatz von Eberhard Vetter aus. Am Ende kommt man damit wieder zurück zum Ausgangspunkt, dass die Feststellung des Jahresabschlusses in den hier angesprochenen Fällen nach der Rechtsprechung des BGH gemäß § 256 Abs 2 nichtig ist (s schon Rdn 189a aE). Das überwiegende Schrifttum will demgegenüber seit langem die Lehre vom feh189d lerhaft bestellten Organmitglied auch auf den Aufsichtsrat anwenden und hat dem Grundsatzurteil des BGH von 2013 widersprochen.541 Das gilt auch im Hinblick auf den Jahresabschluss; dieser könne gültig festgestellt werden, solange das fehlerhafte

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537 BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 19, BGHZ 196, 195, 202 in Anknüpfung an BGH 3.7.2006 – II ZR 151/05, Rdn 14, BGHZ 168, 188, 196 f. 538 BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 20–24, BGHZ 196, 195, 202–204. 539 BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 25, BGHZ 196, 195, 204 f. 540 BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 26, BGHZ 196, 195, 205. 541 Siehe zum Meinungsstand vor dem Urteil die Übersicht in BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 18, BGHZ 196, 195, 201 f; Schürnbrand Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S 286 ff. Zum Diskussionsstand nach dem Urteil ausführlich Großkomm/Hopt/Roth5 § 101 Rdn 248, 250 ff; Überblick bei Hüffer/Koch14 § 101 Rdn 20 ff; beide kritisch gegenüber dem BGH und mit Unterschieden im Einzelnen für die Lehre vom fehlerhaft bestellten Organmitglied.

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Organverhältnis tatsächlich in Vollzug ist.542 Wer hier Recht hat, kann im vorliegenden Zusammenhang nicht erörtert werden, denn es geht um viel mehr als um die Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Die Praxis wird sich mit der BGH-Rechtsprechung und dem Gedanken abfinden 189e müssen, dass ein Jahresabschluss nach § 256 Abs 2 wegen nicht ordnungsgemäßer Mitwirkung des Aufsichtsrats nichtig ist, wenn seine Feststellung von Personen abhing, deren Wahl zum Aufsichtsrat nichtig oder erfolgreich angefochten ist (Rdn 189a, 189c). Man kann die damit aufgeworfenen Probleme vermindern, indem man den Jahresabschluss schnell im Bundesanzeiger bekanntmacht, um eine mögliche Heilung zu beschleunigen (§ 256 Abs 6).543 Dies ist allerdings praktisch nicht einfach, denn wenn der Jahresabschluss im Frühling oder sogar schon im Vorfrühling festgestellt und zum Bundesanzeiger eingereicht wird, läuft die sechsmonatige Heilungsfrist (Rdn 268) frühestens im Spätsommer ab, so dass die Hauptversammlung erst dann auf gesicherter Grundlage über eine Gewinnverwendung beschließen kann. Das geht zwar rechtlich gerade noch an (§ 175 Abs 1 Satz 2), ist aber schon reichlich spät für eine Hauptversammlung. Wenn Wahlbeschlüsse fehlerhaft zustande gekommen sind oder sein könnten, sollten außerdem enge Abstimmungen im Aufsichtsrat möglichst vermieden und Beschlüsse so genau protokolliert werden, dass man später nachweisen kann, wer wofür gestimmt hat.544 Die Mitwirkung unberufener Personen schadet ja nicht, solange ihre Stimmen das Beschlussergebnis nicht beeinflussen (Rdn 189). Falls es wirklich ernst wird und rechtliche Auseinandersetzungen über die Wirksamkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern stattfinden oder drohen, kann man darüber hinaus den Jahresabschluss vorsorglich durch die Hauptversammlung feststellen lassen,545 und zwar auch zusätzlich zur Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat. War diese letztere Feststellung wirksam, ist zwar der Hauptversammlungsbeschluss gegenstandslos und nichtig, aber das schadet im Ergebnis nicht. War dagegen die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltungsorgane wegen fehlerhafter Mitwirkung des Aufsichtsrats nichtig, hat man zumindest den Hauptversammlungsbeschluss. (4) Informationsmängel, auch im Hinblick auf andere Elemente der Rechen- 190 schaftslegung. Zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann es des Weiteren führen, wenn bei seiner Feststellung in schwerwiegender Weise Informationsrechte von Aufsichtsratsmitgliedern verletzt werden, insbesondere das Recht jedes Aufsichtsratsmitglieds, von den Vorlagen des Vorstands und den Prüfungsberichten des Abschlussprüfers Kenntnis zu nehmen (§ 170 Abs 3).546 In diesem Zusammenhang können auch der Lagebericht, ein Abhängigkeitsbericht sowie die Konzernrechnungslegung oder ein freiwilliger IFRS/IAS-Einzelabschluss und die hierauf bezogenen Prüfungsberichte eine Rol-

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542 So im Grundgedanken übereinstimmend KK/A Arnold3 Rdn 48; MünchKomm/J Koch4 Rdn 43; ebenso der Sache nach Rieckers in: VGR (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 2014, S 125 ff Abschnitt IV; Höpfner ZGR 2016, 505, 525, 539; Lieder ZHR 178 (2014), 282, 308 ff. Auf Linie des BGH dagegen Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 51; E Vetter ZIP 2012, 701, 710 f. 543 Tielmann/Struck BB 2013, 1548, 1550; zustimmend MünchKomm/J Koch4 Rdn 43 aE und Hüffer/Koch14 § 101 Rdn 23. 544 Rieckers in: VGR (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 2014, S 125 ff Abschnitt V.2.; Tielmann/Struck BB 2013, 1548, 1550; zustimmend MünchKomm/J Koch4 § 250 Rdn 31 und Hüffer/Koch14 § 101 Rdn 23. 545 Rieckers in VGR (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 2014, S 125 ff Abschnitt V.3. aE; Tielmann/Struck BB 2013, 1548, 1550; zustimmend Großkomm/Hopt/Roth5 § 101 Rdn 281; Hüffer/Koch14 § 101 Rdn 23. 546 LG Düsseldorf 19.7.1994 – 10 O 526/93, AG 1995, 333 f (betr mitbestimmte GmbH); Bormann DStR 2011, 368 f (betr den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers).

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le spielen. Sie alle sind zwar nicht Bestandteil des Jahresabschlusses und deshalb auch nicht Gegenstand seiner Feststellung oder Nichtigkeit (oben Rdn 31, 35 ff). Aber die Unterlagen müssen dem Aufsichtsrat vom Vorstand vorgelegt werden, sind vom Informationsrecht der Aufsichtsratsmitglieder mit umfasst und werden vom Aufsichtsrat geprüft und zum Teil förmlich gebilligt (§§ 170 f, 314). Das geschieht meistens im selben Zuge wie die Feststellung des Jahresabschlusses, und die Unterlagen können für das Verständnis des Abschlusses und eine informierte Entscheidung über seine Feststellung wichtig sein. Fehlen daher die Unterlagen, oder sind sie mangelhaft, oder werden sie nicht allen Aufsichtsratsmitgliedern zugänglich gemacht, so kann dies auch auf das Beschlussverfahren über die Feststellung des Jahresabschlusses durchschlagen und nach § 256 Abs 2 zur Nichtigkeit des Abschlusses wegen Verfahrensfehlern auf Seiten des Aufsichtsrats führen, wenn die in den Unterlagen enthaltenen Informationen für ein regelkonformes Feststellungsverfahren unverzichtbar sind und pflichtwidrig nicht erteilt werden.547 Die hier angesprochenen Informationsgebote sind allerdings sehr einzelfallabhän190a gig, und sie sind vor allem weitgehend verzichtbar. Die Aufsichtsratsmitglieder können selbst entscheiden, mit welchen Informationen sie sich zufriedengeben. Wenn ihnen die Vorlagen und Erläuterungen nicht genügen, müssen sie vom Vorstand oder vom Abschlussprüfer oder vom Aufsichtsratsvorsitzenden mehr oder Besseres anfordern. Kommt dann jedoch nichts, und beschließt der Aufsichtsrat gleichwohl die Feststellung des Jahresabschlusses, kann diese fehlerhaft sein. Eine Nichtigkeit der Abschlussfeststellung können allerdings nur diejenigen Aufsichtsratsmitglieder geltend machen, die vergeblich nachgefragt haben, und sie müssen das in angemessener Frist tun (vgl Rdn 187). Wer dagegen nicht nachfragt, bringt damit zum Ausdruck, dass aus seiner Sicht kein weiterer Informationsbedarf besteht, und kann dann später nicht wegen Informationsmängeln klagen.548 Der BGH hat einmal in einem Fall, in dem die Feststellung des Jahresabschlusses 191 aus anderen Gründen nichtig war, nämlich weil Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihr herrschendes Unternehmen nicht berücksichtigt worden waren (Unterbewertung im Sinne des § 256 Abs 5 Nr 2, vgl oben Rdn 100), diese Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach den Regeln über zusammengesetzte Rechtsgeschäfte (§ 139 BGB) auch auf den Beschluss des Aufsichtsrats über die Billigung des Abhängigkeitsberichts erstreckt.549 Das darf aber nicht in umgekehrter Richtung dahin verstanden werden, als könne die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses über die Billigung des Abhängigkeitsberichts oder des Konzernabschlusses oder anderer Elemente der Rechenschaftslegung auch den Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig machen.550 Denn die Gründe für eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses sind in § 256 abschließend genannt (Rdn 2), und im vorliegenden Zusammenhang kommt es nach § 256 Abs 2 für die Gültigkeit oder

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547 In diesem Sinne für den Prüfungsbericht und die Konzernrechnungslegung LG Düsseldorf 19.7.1994 – 10 O 526/93, AG 1995, 333 f (betr mitbestimmte GmbH). Vgl auch BGH 26.11.2007 – II ZR 227/06, AG 2008, 83, 85, betr Anfechtung eines Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung wegen Fehlens des Lageberichts als Informationsquelle. 548 So zutreffend OLG München 12.1.2017 – 23 U 3582/16, Ziff. II.3.5.3.-4. der Entscheidungsgründe, WM 2017, 1415, 1418, betr die Klage eines solchen Aufsichtsratsmitglieds auf Feststellung der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses über die Bestellung eines Vorstandsmitglieds. 549 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 120 ff; zustimmend Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 6 aE und 43; dem zuneigend auch MünchKomm/J Koch4 Rdn 80. Kritisch Kropff ZGR 1994, 628, 640 f, 643; Schön JZ 1994, 684, 685; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 43; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 34; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 75; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 87; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 207; H-P Müller AG 1994, 410, 411 re Sp. 550 Ebenso Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 87 und MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 44 sowie speziell im Hinblick auf den Abhängigkeitsbericht Kropff ZGR 1994, 628, 641.

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Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses allein darauf an, ob der Aufsichtsrat bei „seiner“ Feststellung ordnungsgemäß mitgewirkt hat. Der Beschluss über die Billigung des Abhängigkeitsberichts oder eines anderen Rechenschaftswerks ist nicht rechtsgeschäftlicher Bestandteil der Feststellung des Jahresabschlusses. Das darf nicht unter Berufung auf § 139 BGB unterlaufen werden. Es kommt vielmehr immer nur auf das Verfahren der Feststellung des Jahresabschlusses als solchen an. (5) Unschädlichkeit des Fehlens eines Bilanzexperten oder der Sektorenkom- 192 petenz im Aufsichtsrat. Das Fehlen eines Bilanzexperten im Aufsichtsrat führt nicht zur Nichtigkeit der Abschlussfeststellung.551 Nach § 100 Abs 5 muss zwar in kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften sowie in bestimmten Aktienbanken und Versicherungs-Aktiengesellschaften „mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen.“ Dieser Bilanzexperte (oder Finanzexperte) soll in besonderem Maße zu richtigen Entscheidungen des Aufsichtsrats in den angesprochenen Angelegenheiten beitragen. Aber er spielt verfahrensrechtlich keine Sonderrolle und hat namentlich im Beschlussverfahren des Aufsichtsrats über die Feststellung des Jahresabschlusses keine Sonderrechte.552 Die Sachkunde ist keine Verfahrensanforderung an Beschlussfassungen, sondern persönliches Merkmal eines Aufsichtsratsmitglieds und eine qualitative Anforderung an den Gesamtaufsichtsrat.553 Hierum geht es bei der Nichtigkeitssanktion nach § 256 Abs 2 nicht, sondern nur um das Verfahren der Beschlussfassung. Das Fehlen eines Bilanzexperten nimmt dem Aufsichtsrat auch nicht etwa die Beschlussfähigkeit, denn diese ist in § 108 Abs 2 (vgl Rdn 189) und in den Mitbestimmungsgesetzen abschließend geregelt.554 Ein Mangel an Sachkunde kann allenfalls zur Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses über die Wahl des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds führen (§ 251),555 aber das schlägt für sich genommen nicht auf die Wirksamkeit der Aufsichtsratsbeschlüsse durch (Rdn 189b). Auch wenn die Aufsichtsratsmitglieder einer Gesellschaft der eingangs genannten Art in ihrer Gesamtheit entgegen § 100 Abs 5 Halbsatz 2 nicht hinreichend mit dem Sektor vertraut sind, in dem die Gesellschaft tätig ist, ist das kein Bestellungshindernis und steht der Wirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen nicht entgegen,556 auch nicht bei der Feststellung des Jahresabschlusses, sondern hier gilt das Gleiche wie beim Fehlen des Bilanzexperten. (6) Unzulängliche Mitwirkung eines Prüfungsausschusses. Hat der Aufsichtsrat 193 nach § 107 Abs 3 aus seiner Mitte einen Prüfungsausschuss bestellt (wozu er nicht verpflichtet ist),557 so führen Regelwidrigkeiten innerhalb dieses Ausschusses ebenfalls nicht nach § 256 Abs 2 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.558 Der Prüfungsausschuss ist zwar Bestandteil des Aufsichtsrats. Aber zur Feststellung des Jahresabschlusses ist nicht der Prüfungsausschuss berufen, sondern einzig der Gesamtaufsichtsrat (vgl § 107

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551 KK/A Arnold3 Rdn 46; MünchKomm/J Koch4 Rdn 41; Widmann BB 2009, 2602, 2604 li Sp. Anders Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 21. 552 Vgl Kropff in: FS K Schmidt, 2009, S 1023, 1037. 553 So treffend Widmann BB 2009, 2602, 2604 li Sp. 554 Widmann BB 2009, 2602, 2603 re Sp; Kropff in: FS K Schmidt, 2009, S 1023, 1035. 555 Dies ist umstritten. Bejahend Habersack AG 2008, 98, 106 re Sp; hiervon ausgehend auch LG München I 5.11.2009 – 5 HK O 15312/09, ZIP 2010, 627 sowie als Berufungsinstanz OLG München 12.5.2010 – 31 Wx 19/10, ZIP 2010, 1082. Verneinend Hüffer/Koch14 § 100 Rdn 32 mwN und heute hM. 556 Hüffer/Koch14 § 100 Rdn 31 f mwN. 557 Näher hierzu Habersack AG 2008, 98 ff; E Vetter ZGR 2010, 751, 757 ff. 558 KK/A Arnold3 Rdn 47.

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Abs 3 Satz 4 und oben Rdn 184). Nur auf dessen Beschlussverfahren kommt es daher im Rahmen des § 256 Abs 2 an. Mängel bei der Einberufung und Durchführung von Sitzungen des Prüfungsausschusses sind hierfür als solche ohne Belang. Auch das Fehlen eines unabhängigen Bilanzexperten, der in kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften sowie bestimmten Aktienbanken und Versicherungs-Aktiengesellschaften einem Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats angehören muss (§ 107 Abs 4), ist im vorliegenden Zusammenhang unschädlich (vgl Rdn 192). Der Prüfungsausschuss wirkt allerdings in das Beschlussverfahren des Gesamtaufsichtsrats hinein. Der Ausschuss muss dem Plenum über seine Arbeit berichten (§ 107 Abs 3 Satz 5) und ebenso natürlich über die hierbei gewonnenen Erkenntnisse, gerade auch im Vorfeld der Plenarentscheidung über die Feststellung des Jahresabschlusses, um diese Entscheidung vorzubereiten. Ist der Ausschussbericht ganz unzulänglich, so kann hierin im Einzelfall auf der Ebene des Gesamtaufsichtsrats ein Informationsmangel liegen, der die Beschlussfassung des Plenums verfahrensfehlerhaft macht (vgl Rdn 190). Die Informationsrechte der Aufsichtsratsmitglieder sind allerdings weitgehend verzichtbar, so dass die Aufsichtsratsmitglieder bei Bedarf selbst nachfragen müssen und dann noch eintretende informationelle Beschlussmängel nur von den betroffenen Aufsichtsratsmitgliedern und nur in angemessener Zeit geltend gemacht werden können (Rdn 187, 190a, 192). 194

(7) Keine Teilnahme des Abschlussprüfers an der Bilanzsitzung. Ein Verfahrensfehler auf Seiten des Aufsichtsrats, der zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 2 führt, liegt auch vor, wenn der Abschlussprüfer nicht zur Bilanzsitzung des Aufsichtsrats hinzugezogen wird. In gesetzlich prüfungspflichtigen Gesellschaften hat nämlich nach § 171 Abs 1 Satz 2 der Abschlussprüfer „an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses über [den Jahresabschluss] teilzunehmen und über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung … zu berichten.“ Wurde also der Abschlussprüfer nicht schon im Prüfungsausschuss gehört, oder hat die Gesellschaft keinen solchen Ausschuss, so muss der Prüfer an den Verhandlungen des Aufsichtsratsplenums über die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses teilnehmen. Das ist ein gesetzlich zwingendes und wichtiges Verfahrensgebot bei der Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Feststellung des Jahresabschlusses. Der Aufsichtsrat muss den Prüfer hinzuziehen,559 denn dieser ist eine unersetzbare Informationsquelle für die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat.560 Ohne die Gegenwart des Abschlussprüfers hat daher der Aufsichtsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses „nicht ordnungsgemäß mitgewirkt“, und dies führt entgegen vorwaltender Ansicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 2.561 Es verhält sich im Grundsatz nicht anders als wenn die Hauptversammlung des Abschluss feststellt und der Prüfer in der Versammlung fehlt. Das macht den Feststellungsbeschluss der Hauptversammlung anfechtbar, was kaum jemand bestreitet (§ 257 Rdn 13).

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559 Forster in: FS Sieben, 1998, 375, 376 f; Hüffer/Koch14 § 171 Rdn 13 f und hM. Nicht eindeutig allerdings RegE für das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BT-Drucks 13/9712 vom 28.1.1998, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 23a) bb), S 22 re Sp. 560 Neuling AG 2002, 610, 611 ff. 561 Ebenso KK/A Arnold3 Rdn 46; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 21. Anders MünchKomm/J Koch4 Rdn 41; Hüffer/Koch14 § 256 Rdn 19 und § 171 Rdn 14 aE; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 171 AktG Rdn 179; Bischof/Oser WPg 1998, 539, 542 f; Forster in: FS Sieben, 1998, 375, 380 f; Velte AG 2009, 102, 108. Ein Prüfungsmangel im Sinne von § 256 Abs 1 Nr 2 und 3 liegt dagegen nicht vor, denn die Teilnahme des Prüfers an der Bilanzsitzung gehört nicht mehr zur Abschlussprüfung; insofern zutreffend Hennrichs/Pöschke aaO.

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Das Gebot der Teilnahme des Abschlussprüfers wirkt sich auch auf die Art und Wei- 195 se der Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Feststellung des Jahresabschlusses aus. Beschlüsse des Aufsichtsrats können nach allgemeinen Regeln auch ohne Sitzung gefasst werden, also etwa schriftlich, telefonisch oder unter Verwendung anderer Fernkommunikationsmittel, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht (§ 108 Abs 4). Das kommt für die Feststellung des Jahresabschlusses nur eingeschränkt in Betracht, wenn der Abschlussprüfer an den Verhandlungen des Aufsichtsrats zum Jahresabschluss teilnehmen muss (vgl Rdn 194). Eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren oder auf vergleichbare Weise ist dann nicht mehr zulässig, sondern es muss eine regelrechte „Bilanzsitzung“ stattfinden,562 bei der die Aufsichtsratsmitglieder und der Abschlussprüfer mündlich und spontan miteinander kommunizieren können. Hierfür genügt auch eine Telefon- oder Videokonferenz563 oder ein vergleichbares Verfahren. Andernfalls ist die Feststellung des Jahresabschlusses wegen unzulänglicher Mitwirkung des Aufsichtsrats nach § 256 Abs 2 nichtig.564 d) Verfahrensfehler auf Seiten der Hauptversammlung (Abs 3) aa) Zur Gesetzessystematik. Hat der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten 196 und vorgelegten Jahresabschluss nicht gebilligt, oder haben Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, so wird der Jahresabschluss durch Beschluss der Hauptversammlung festgestellt (§ 173 Abs 1). Gleiches gilt im Stadium der Abwicklung (§ 270 Abs 2 Satz 1) und in der KGaA (§ 286 Abs 1) sowie bei der bilanziellen Vorwegnahme von Kapitalmaßnahmen (§§ 234 f und hierzu oben Rdn 126 ff). Bei Beschlüssen der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlus- 197 ses sind die allgemeinen Regeln über die Nichtigkeit (§ 241) und Anfechtbarkeit (§ 243) von Hauptversammlungsbeschlüssen durch die Sonderregeln der §§ 256 und 257 überlagert und stark abgewandelt. Der Feststellungsbeschluss der Hauptversammlung ist nach § 256 nichtig, und nicht nur anfechtbar, wenn der Jahresabschluss an den in § 256 Abs 1, 4 und 5 abschließend aufgezählten Inhalts- und Prüfungsmängeln leidet, nicht anders als bei Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltungsorgane (vgl Rdn 2, 4). Sonstige Inhalts- und Prüfungsmängel des Jahresabschlusses lassen die Wirksamkeit des feststellenden Hauptversammlungsbeschlusses unberührt. Sie führen insbesondere auch nicht zu dessen Anfechtbarkeit, weil nach § 257 die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen über die Feststellung des Jahresabschlusses nicht auf Inhalts- und Prüfungsmängel gestützt werden kann (§ 257 Rdn 2–3). Jedoch ist nach § 256 Abs 3 ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluss nichtig, wenn er an bestimmten und ebenfalls abschließend aufgezählten Verfahrensfehlern bei der Beschlussfassung leidet. Diese Nichtigkeitstatbestände des § 256 Abs 3 umfassen schwerwiegende Fehler bei der Einberufung der Versammlung (§ 256 Abs 3 Nr 1), Beurkundungsmängel (Abs 3 Nr 2) sowie die gerichtliche Nichtigerklärung auf Grund erfolgreicher Anfechtungsklage (Abs 3 Nr 3) und entsprechen wörtlich den formalen Nichtigkeitsgründen für Hauptversammlungsbeschlüsse im Allgemeinen (§ 241 Nr 1, 2 und

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562 Großkomm/Hopt/Roth5 § 110 Rdn 76; KK/A Arnold3 Rdn 47; Neuling AG 2002, 610, 611 f; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 50. Anders MünchKomm/J Koch4 Rdn 41. 563 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 50; KK/A Arnold3 Rdn 47; hiervon ausgehend auch der Bericht des BTRechtsausschusses zum RegE für das TransPuG, BT-Drucks 14/90779 v 15.5.2002, zu Art 1 Nr 8 (§ 110 Abs 3 AktG), S 17 f. Anders Großkomm/Hopt/Roth5 § 110 Rdn 76; Neuling AG 2002, 610, 612 f. 564 Neuling AG 2002, 610, 612 li Sp, 613 re Sp. Anders MünchKomm/J Koch4 Rdn 41.

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5).565 Hier wie dort führen nur Verstöße gegen bestimmte ausgewählte Kerngehalte der Regeln über die Einberufung von Hauptversammlungen und die Beurkundung ihrer Beschlüsse zur Nichtigkeit. Wegen minder schwerer Verfahrensfehler, die nicht unter § 256 Abs 3 fallen, kann der Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses nach §§ 257 und 243 ebenso wie andere Hauptversammlungsbeschlüsse mit der allgemeinen Beschlussanfechtungsklage angegriffen werden (näher § 257 Rdn 4 ff). bb) Überblick über die einzelnen Nichtigkeitsgründe nach Abs 3. Nichtig wegen fehlerhafter Einberufung der Hauptversammlung ist der Jahresabschluss im Falle einer Einberufung durch unbefugte Personen (§ 256 Abs 3 Nr 1 iVm § 121 Abs 2), bei fehlender Angabe von Firma und Sitz der Gesellschaft sowie Zeit und Ort der Hauptversammlung in der Einberufung (§ 256 Abs 3 Nr 1 iVm § 121 Abs 3 Satz 1) und bei fehlender öffentlicher Bekanntmachung oder unterlassener brieflicher Zusendung der Einberufung an alle Aktionäre (§ 256 Abs 3 Nr 1 iVm § 121 Abs 4). Nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit des Feststellungsbeschlusses, führen dagegen Verstöße gegen die vielen weiteren Bestimmungen über die Einberufung der Hauptversammlung und die damit zusammenhängenden Mitteilungspflichten. Selbst die Kernregeln über die Einberufung, deren Verletzung grundsätzlich die Beschlussnichtigkeit nach sich zieht, brauchen nicht eingehalten zu werden, wenn auf der Hauptversammlung alle Aktionäre erschienen oder vertreten sind (Vollversammlung) und kein Aktionär der Beschlussfassung widerspricht (§ 121 Abs 6); dann kann auch der Jahresabschluss gültig festgestellt werden. Wegen Beurkundungsmängeln ist die Feststellung des Jahresabschlusses durch 199 die Hauptversammlung nichtig, wenn in börsennotierten Gesellschaft keine notarielle Niederschrift über den Beschluss aufgenommen wird (§ 256 Abs 3 Nr 2 iVm § 130 Abs 1), oder wenn in der Niederschrift die unverzichtbaren Mindestangaben fehlen oder falsch sind (§ 256 Abs 3 Nr 2 iVm § 130 Abs 2 Satz 1) oder die Niederschrift nicht vom Notar unterzeichnet ist (§ 256 Abs 3 Nr 2 iVm § 130 Abs 4). Obwohl § 256 Abs 3 Nr 2 (ebenso wie § 241 Nr 2) nur davon spricht, ob und wie der Hauptversammlungsbeschluss „beurkundet ist“, kommen die hier normierten Nichtigkeitsgründe auch für das privatschriftliche Protokoll zum Tragen, das nach § 130 Abs 1 Satz 3 in nicht börsennotierten Gesellschaften für viele Beschlussfassungen an Stelle der notariellen Beurkundung genügt. Der Hauptversammlungsbeschluss ist hier nichtig, wenn ein solches Protokoll nicht aufgenommen wurde oder die Mindestangaben nicht oder nicht richtig enthält oder nicht vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats bzw vom Versammlungsleiter unterzeichnet ist.566 Das gilt auch bei der Feststellung des Jahresabschlusses. Außerdem ist diese nach § 256 Abs 3 Nr 3 nichtig, wenn der Feststellungsbeschluss auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist; das versteht sich eigentlich von selbst. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zu den Jahresabschluss-Nichtigkeitsgründen des § 256 Abs 3 kann auf die Kommentierung zu § 241 verwiesen werden.

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cc) Heilung. Die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses wegen Einberufungs- und Beurkundungsfehlern auf Seiten der Hauptversammlung wird durch Zeitablauf geheilt, und zwar schon nach sechs Monaten (§ 256 Abs 6 Satz 1). Wenn die Nichtig-

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565 Die inhaltlichen Nichtigkeitsgründe des § 241 (Nr 3–4: Wesen der AG, Gläubigerschutz, öffentliches Interesse, gute Sitten) werden dagegen bei Beschlüssen über die Feststellung des Jahresabschlusses von § 256 verdrängt. 566 Siehe für Hauptversammlungsbeschlüsse im Allgemeinen MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 241 Rdn 40 ff; G Bezzenberger in: FS Schippel, 1996, 361, 364 f.

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keit des Feststellungsbeschlusses daher rührt, dass einzelne Aktionäre nicht oder nicht richtig durch Einschreibebrief zur Hauptversammlung eingeladen wurden (§ 256 Abs 3 Nr 1 iVm § 121 Abs 4 Satz 2), kann die Nichtigkeit auch dadurch geheilt werden, dass die nicht eingeladenen Aktionäre den Beschluss genehmigen (§ 242 Abs 2 Satz 4 mit Anknüpfung an § 241 Nr 1, der dem § 256 Abs 3 Nr 1 gleicht).567 Bei der erfolgreichen Beschlussanfechtung ist dagegen eine Heilung ausgeschlossen ist (§ 256 Abs 6), weil sie der Rechtskraft des Urteils widersprechen würde.568 e) Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und gänzlich fehlender Feststellung des Jahresabschlusses aa) Grundgedanken und Beurteilungsmaßstab. In § 256 Abs 2 und Abs 3 geht es 201 um Fälle, in denen die Feststellung des Jahresabschlusses wegen eines Verfahrensfehlers nichtig ist und deshalb keine Wirkungen entfaltet. Es gibt aber noch eine weitere, tiefer liegende Fehlerebene, nämlich wenn eine Feststellung des Jahresabschlusses schlechthin fehlt. Die Folgen dieser Unterscheidung reichen weit. Während nämlich die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 2 und Abs 3 Nr 1–2 in sechs Monaten heilt (§ 256 Abs 6), besteht keine Möglichkeit einer Heilung, wenn es ganz an einer Feststellung des Jahresabschlusses fehlt,569 denn ein gar nicht vorhandenes Rechtsgeschäft kann nicht durch Zeitablauf in Wirksamkeit erwachsen. Für die Abgrenzung zwischen der nichtigen und der gänzlich fehlenden Feststel- 202 lung des Jahresabschlusses kommt es auf den Sinn und Zweck der Regeln über die Aufstellung, Feststellung und Nichtigkeit von Jahresabschlüssen an. Das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat und auch die Rolle der Hauptversammlung bei der Feststellung des Jahresabschlusses zielen auf innergesellschaftliche Zusammenarbeit und Kontrolle. Der Vorstand stellt den Jahresabschluss auf, weil er die Geschäftsvorfälle am besten kennt und der Abschluss auch ein Rechenschaftsbericht über die Geschäftsführung ist, aber die verbindliche Feststellung des Abschlusses liegt in den Händen eines anderen Gesellschaftsorgans, nämlich des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung, die nicht wie der Vorstand in die Geschäfte verwickelt sind. Von einer gänzlich fehlenden Feststellung des Jahresabschlusses ohne Heilungsmöglichkeit kann man daher nur sprechen, wenn diese innergesellschaftliche Arbeitsteilung und Kontrolle schon vom Ansatz her nicht stattfindet, so dass der gesetzliche Grundgedanke überhaupt nicht in Erscheinung tritt, nämlich der Gedanke des Zusammenwirkens zwischen dem Vorstand und einem anderen Gesellschaftsorgan zur Feststellung des Jahresabschlusses. bb) Wirkliche und vermeintliche Fälle gänzlich fehlender Abschlussfeststel- 203 lung. Eine Feststellung des Jahresabschlusses fehlt gänzlich und ohne Heilungsmöglichkeit, wenn Vorstand und Aufsichtsrat zur Feststellung berufen sind, aber das eine oder das andere Organ überhaupt nicht mitgewirkt hat.570 Manche wollen es sogar

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567 Ebenso im Hinblick auf die Feststellung des Jahresabschlusses Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 73; KK/ A Arnold3 Rdn 80. 568 MünchKomm/J Koch4 Rdn 67; KK/Zöllner1 Rdn 99, 129. 569 So für die Feststellung des Jahresabschlusses im Grundsatz übereinstimmend MünchKomm/J Koch4 Rdn 34, 44 f und Hüffer/Koch14 Rdn 16 f, 20; KK/A Arnold3 Rdn 49; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 29; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 44 f, 52; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 204 f. Grundsätzlich ablehnend Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 20, 23. 570 KK/A Arnold3 Rdn 49 ff; Hüffer/Koch14 Rdn 16 und MünchKomm/ J Koch4 Rdn 34, 44; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 44 f, 52; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 10. Anders OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U

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genügen lassen, dass die Mitwirkung eines der beiden Organe nicht gültig war.571 Das ist jedoch in dieser Allgemeinheit zumindest missverständlich. Denn eine nicht gültige Mitwirkung ist in den meisten Fällen nichts anderes als die nicht ordnungsgemäße Mitwirkung (vgl Rdn 175, 187), die nach § 256 Abs 2 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt und heilbar ist (§ 256 Abs 6). Die Fälle, in denen es schon begrifflich an einer Feststellung des Jahresabschlusses 204 fehlt und deshalb eine Heilung nicht in Betracht kommt, werden nach alledem sehr selten sein. In aller Regel bewendet es mit einfacher Nichtigkeit (§ 256 Abs 2 und 3) und der Möglichkeit einer Heilung (Abs 6). So zum Beispiel, wenn auf Seiten des Vorstands nicht alle Mitglieder befasst waren572 (vgl Rdn 174), oder wenn an Stelle des Gesamtaufsichtsrats nur ein Bilanzausschuss den Jahresabschluss billigt 573 (vgl Rdn 184). Es liegt hier nicht grundsätzlich anders, als wenn Mitglieder des Aufsichtsrats zu Unrecht von der Beschlussfassung ausgeschlossen werden; das macht den Abschluss nichtig (§ 256 Abs 2 und hierzu Rdn 188), ist aber heilbar (Abs 6). Eine Heilung kommt des Weiteren in Betracht, wenn der Aufsichtsrat über die Feststellung des Jahresabschlusses keinen ausdrücklichen und förmlichen Beschluss gefasst hat 574 (vgl Rdn 185), sofern nur der Aufsichtsrat mit dem Abschluss befasst war und ein Wille zum Ausdruck gekommen ist, dass dieser Bestand haben soll. 205

cc) Mitwirkung eines unzuständigen Organs insbesondere. Für eine gänzlich fehlende Feststellung des Jahresabschlusses und einen Ausschluss der Heilung sprechen sich manche auch im Falle der Mitwirkung eines unzuständigen Organs aus. So etwa, wenn der Aufsichtsrat den Jahresabschluss billigt, obwohl ausnahmsweise die Hauptversammlung zur Feststellung berufen ist.575 Das trifft jedoch nicht zu. Zuständigkeitsverstöße führen im Allgemeinen zur Nichtigkeit des vom unzuständigen Organ gefassten Beschlusses.576 Es gibt keinen Grund, hiervon bei der Feststellung des Jahresabschlusses abzuweichen. Zum Teil wird zwar eingewendet, dass ein nichtiger Aufsichtsratsbeschluss das korporationsrechtliche Rechtsgeschäft der Abschlussfeststellung (Rdn 1, 207) nicht zu Wege bringen kann.577 Das ist zwar für sich genommen richtig, aber ebenso verhält es sich auch bei anderen Beschlussmängeln auf Seiten des Aufsichtsrats, die zur Nichtigkeit des Feststellungsbeschlusses führen, und dennoch ist die Nichtigkeit des Jahresabschlusses

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78/84, WM 1987, 533, 534 re Sp (Nichtigkeit nach § 256); Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 56 (Nichtigkeit nach § 256 Abs 2). 571 MünchKomm/J Koch4 Rdn 34, 44. 572 Hüffer/Koch14 18. Anders KK/A Arnold3 Rdn 50 sowie Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 15 und K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 30 (für vollständig fehlende Feststellung des Jahresabschlusses ohne Heilungsmöglichkeit, wenn nur einzelne Vorstandsmitglieder befasst waren). 573 Ebenso KK/Zöllner1 Rdn 80. Anders MünchKomm/J Koch4 Rdn 44 und Hüffer/Koch14 Rdn 16, 19; KK/A Arnold3 Rdn 51; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 40; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 15; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 31; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 10; hiernach soll es schon begrifflich an einer Feststellung fehlen und die Heilung ausgeschlossen sein. Differenzierend Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 45. 574 Anders MünchKomm/J Koch4 Rdn 40, 44 (fehlende Feststellung ohne Heilungsmöglichkeit). 575 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 32; MünchKomm/J Koch4 Rdn 45; WP-Hdb/Gelhausen/Hennrichs16 Kapitel B Rdn 328; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 56; Hüffer/Koch14 17; Großkomm/Schilling3 Anm 11; mit Einschränkung auch Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 52, nämlich für den Fall, dass der Vorstand von einer Feststellungs-Zuständigkeit der Hauptversammlung ausgegangen ist (vgl unten Fn 579). Anders zu Recht die unten in Fn 579 Genannten. 576 J Koch ZHR 182 (2018), 378, 389 f. Speziell für Hauptversammlungsbeschlüsse KK/Noack/Zetzsche3 § 241 Rdn 109 ff und auch schon KK/Zöllner1 § 241 Rdn 117; MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 241 Rdn 62 mwN. Für Aufsichtsratsbeschlüsse MünchKomm/Habersack5 § 108 Rdn 76 mwN; KK/Zöllner1 Rdn 85. 577 Hüffer/Koch14 Rdn 17; auch MünchKomm/J Koch4 Rdn 45.

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in diesen Fällen heilbar.578 Der Aufsichtsrat ist grundsätzlich zur Feststellung des Jahresabschlusses befähigt, und die unerlässliche innergesellschaftliche Aufgabenteilung und Kontrolle (Rdn 202) hat in der hier angesprochenen Konstellation stattgefunden. Die Feststellung des Jahresabschlusses ist daher nichtig, aber die Nichtigkeit ist heilbar.579 Manche wollen diese Abschlussnichtigkeit aus § 256 Abs 1 Nr 1 (Gläubigerschutz) herleiten und kommen so nach § 256 Abs 6 auf eine Heilungsfrist von drei Jahren.580 Auch das ist jedoch nicht richtig, weil die aktienrechtliche Kompetenzordnung für die Feststellung des Jahresabschlusses nicht spezifisch und überwiegend dem Gläubigerschutz dient (vgl Rdn 49). Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses ergibt sich vielmehr aus § 256 Abs 2 (nicht ordnungsgemäße, weil kompetenzwidrige Mitwirkung des Aufsichtsrats), so dass nach § 256 Abs 6 die kurze Heilungsfrist von sechs Monaten greift.581 Hat umgekehrt die Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses be- 206 schlossen, obwohl sie hierfür nicht zuständig war, ist dem Wortlaut nach keiner der Nichtigkeitstatbestände des § 256 erfüllt,582 insbesondere und entgegen verbreiteter Ansicht 583 auch nicht § 256 Abs 1 Nr 1 (Gläubigerschutz), denn die Feststellungskompetenz hat mit dem Gläubigerschutz und dem Inhalt des Abschlusses nichts zu tun (vgl Rdn 49, 205). Dann käme nur eine Anfechtung des Beschlusses nach § 257 in Betracht. Das widerspricht jedoch dem Grundsatz, dass kompetenzwidrige Beschlüsse von Gesellschaftsorganen von Anfang an nichtig sind (Rdn 205). Man muss daher auch den Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses in diesen Fällen als nichtig ansehen.584 Hinsichtlich der Heilungsmöglichkeit und der Heilungsfrist sind die Wertungen des § 256 Abs 6 maßgebend. Die Unzuständigkeit der Hauptversammlung ist als Feststellungsmangel nicht so schwerwiegend wie die gänzlich fehlende Abschlussprüfung (§ 256 Abs 1 Nr 2) und die gerichtliche Nichtigerklärung des Feststellungsbeschlusses der Hauptversammlung (§ 256 Abs 3 Nr 3), bei denen eine Heilung ausgeschlossen ist. Die meisten sprechen sich daher für eine Heilungsfrist von drei Jahren in Anlehnung an § 256 Abs 1 Nr 1 (Gläubigerschutz) aus.585 Aber auch hiermit und mit den weiteren Inhaltsmängeln, an die sich die lange dreijährige Heilungsfrist knüpft (Verstößen gegen die Gliederungs- oder Bewertungsregeln nach § 256 Abs 4–5), ist eine Feststellung des Jahresabschlusses durch die unzuständige Hauptversammlung nicht vergleichbar. Am ehesten lässt sich der Fall mit der Prüfung des Jahresabschlusses durch unberufene – und in diesem Sinne ebenfalls unzuständige – Personen (§ 256 Abs 1 Nr 3) und vor allem mit den Verfahrensfehlern bei der Feststellung (§ 256 Abs 2 und Abs 3

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578 Ebenso Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 52. 579 KK/Zöllner1 Rdn 84 ff; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 23; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 17; mit Einschränkung auch Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 52 und KK/A Arnold3 Rdn 53 f, nämlich für den Fall, dass Vorstand und Aufsichtsrat übereinstimmend, wenn auch zu Unrecht, von einer FeststellungsZuständigkeit des Aufsichtsrats ausgegangen sind (vgl oben Fn 575). 580 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 55 aE und im Ergebnis ebenso KK/A Arnold3 Rdn 54, 80 (für analoge Normanwendung). Mit gleichem Ansatz, wenngleich einschränkend, KK/Zöllner1 Rdn 85, der nur bei Verstoß gegen § 270 Abs 2 Satz 1 oder § 286 Abs 1 Satz 1 eine Heilungsfrist von drei Jahren in Anlehnung an § 256 Abs 1 Nr 1 annimmt. 581 Für eine grundsätzlich sechsmonatige Heilungsfrist auch KK/Zöllner1 Rdn 85 f. 582 Ebenso MünchKomm/J Koch4 Rdn 49; KK/A Arnold3 Rdn 59. 583 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 55; Hüffer/Koch14 Rdn 20; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 23. Anders zu Recht J-H Weilep Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, 2011, S 72 f. 584 MünchKomm/J Koch4 Rdn 49; KK/A Arnold3 Rdn 59; Hüffer/Koch14 Rdn 20; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 55; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 23. Anders K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 33 (für vollständig fehlende Feststellung ohne Heilungsmöglichkeit). 585 MünchKomm/J Koch4 Rdn 49; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 55; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 13, 19; auch KK/A Arnold3 Rdn 59, 80 (analoge Normanwendung).

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Nr 1–2) vergleichen. Hier beträgt die Heilungsfrist sechs Monate. So sollte man es auch bei Unzuständigkeit der Hauptversammlung halten. III. Folgen, Geltendmachung und Überwindung der Nichtigkeit 1. Bezugspunkte und Hauptfolgen der Nichtigkeit a) Begriff und rechtsgeschäftliche Bezugspunkte der Nichtigkeit. Nichtigkeit bedeutet, dass ein Rechtsgeschäft die gewollten Wirkungen wegen eines Normverstoßes bei seiner Vornahme nicht entfaltet. Bei der Feststellung des Jahresabschlusses hängen der rechtsgeschäftliche Bezugspunkt der Nichtigkeit davon ab, welche Gesellschaftsorgane den Jahresabschluss feststellen wollten (vgl schon Rdn 1). Erfolgt die Feststellung wie im Regelfall durch Vorstand und Aufsichtsrat, so können für sich betrachtet der Beschluss des Vorstands über die Aufstellung des Jahresabschlusses und dessen Vorlage an den Aufsichtsrat (§ 170 Abs 1 Satz 1, vgl oben Rdn 175) nichtig sein oder der Beschluss des Aufsichtsrats, mit dem dieser den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss billigt (§§ 171 Abs 2–3, 172, vgl Rdn 187), oder beide Beschlüsse.586 Die beiden Beschlüsse stehen indessen nicht jeder für sich allein, sondern sie sind aufeinander bezogen. Der Vorstand erklärt, wie der Abschluss aussehen soll und ersucht den Aufsichtsrat um Billigung, und der Aufsichtsrat kommt dem nach. Die Feststellung des Jahresabschlusses ist so gesehen ein zusammengesetztes Rechtsgeschäft, das im Zusammenwirken der beiden Organe vorgenommen wird (vgl Rdn 1, 182). Die Nichtigkeitsfolge umfasst nach den im Wesentlichen zutreffenden Worten des BGH „das gesamte, zur Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat nach § 172 AktG führende korporationsrechtliche Rechtsgeschäft, das als Rechtsgeschäft eigener Art anzusehen ist: Dazu gehören die Vorlage des Jahresabschlusses durch den Vorstand, durch die das rechtlich bedeutsame Begehren nach Billigung zum Ausdruck gebracht wird, und der darauf bezogene Billigungsbeschluss des Aufsichtsrats nebst entsprechender Erklärung nach § 171 Abs 2 Satz 4, Abs 3 AktG“, dass der Aufsichtsrat den Jahresabschluss billigt.587 Die zuletzt genannte „Erklärung nach § 171 ... Abs. 3“, mit welcher der Aufsichtsrat die Billigung dem Vorstand zuleitet, gehört allerdings nicht mehr zu den unverzichtbaren Wirksamkeitsvoraussetzungen des Feststellungsgeschäfts, deren Fehlen oder Fehlerhaftigkeit die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig machen (Rdn 182 f). Die Nichtigkeit erfasst das Feststellungsgeschäft als Ganzes und damit den Jahresabschluss insgesamt, auch wenn bei inhaltlichen Fehlern des Jahresabschlusses nur einzelne Abschlussposten mangelhaft sind588 (vgl auch unten Rdn 225 zum Streitgegenstand der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage sowie Rdn 250 ff zur Neuvornahme des Jahresabschlusses). Beschließt ausnahmsweise die Hauptversammlung über die Abschlussfeststellung 208 (Rdn 196), so bezieht sich die Nichtigkeit nach § 256 auf den Beschluss der Hauptver207

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586 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 116 (Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses); Kropff ZGR 1994, 628, 634; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 203 f; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 2. 587 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 116; zustimmend MünchKomm/J Koch4 Rdn 6; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 74; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 2; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 15; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 6, 41 Abs 2, 43 a Anf; Hüffer/Koch14 Rdn 3; Kropff ZGR 1994, 628, 633 f; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 203 f. 588 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 74; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 406; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 87; Weilinger Die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses, 1997, Rdn 1034 (zum österreichischen Recht).

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sammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses.589 Er steht stärker für sich als ein Billigungs- und Feststellungsbeschluss des Aufsichtsrats, denn die Hauptversammlung kann anders als der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten und vorgelegten Jahresabschluss ändern und ihn mit eigenem, selbst gesetztem Inhalt feststellen (§ 173 und oben Rdn 168). Außer dem Feststellungsbeschluss der Hauptversammlung kann auch der Beschluss des Vorstands über die Aufstellung des Jahresabschlusses nichtig sein, wenn der Abschluss schon damals einen inhaltlichen Nichtigkeitsgrund in sich trug, oder wenn der Vorstandsbeschluss für sich genommen verfahrensfehlerhaft war. b) Das Verbot von Ausschüttungen und die Pflicht zu deren Rückgewähr als 209 Hauptfolge der Abschlussnichtigkeit. Die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses bedeutet, dass die angestrebten rechtsgeschäftlichen Wirkungen der Feststellung wegen des Normverstoßes nicht eintreten. Die gewollte Feststellungswirkung, nämlich dass der Abschluss für die Gesellschaft sowie ihre Aktionäre und Organe verbindlich wird (Rdn 1), bezieht sich nicht zuletzt auf den ausgewiesenen Bilanzgewinn (§ 158 Abs 1 Nr 5, vgl schon Rdn 4, 17), der durch die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zur Verwendung überantwortet wird (§ 174).590 Auf diesen Bilanzgewinn konzentriert sich mit der Abschlussfeststellung das mitgliedschaftliche Gewinnteilhaberecht der Aktionäre (§ 58 Abs 4).591 Soweit die Hauptversammlung den Bilanzgewinn an die Aktionäre auszuschütten beschließt (§ 174 Abs 2 Nr 2), entsteht aus diesem Gewinnteilhaberecht ein Anspruch des Aktionärs gegen die Gesellschaft auf Auszahlung des ihm gebührenden Teils der Ausschüttungssumme,592 der üblicherweise als Gläubigerrecht verstanden wird.593 Da aber im Falle der Nichtigkeit des Jahresabschlusses keine Feststellungswirkung eintritt, gibt es im gesellschaftsrechtlichen Sinne keinen Bilanzgewinn, über dessen Verwendung die Hauptversammlung entscheiden könnte. Das Gesetz knüpft hieran die weitere Folge, dass ein Beschluss der Hauptversammlung über die Verwendung des (vermeintlichen) Bilanzgewinns ebenfalls nichtig ist, wenn der Beschluss auf dem nichtigen Jahresabschluss beruht (§ 253 Abs 1 Satz 1), weil ihm dann die Grundlage fehlt. Die Gesellschaft kann also aufgrund eines nichtigen Jahresabschlusses keinen wirksamen Gewinnverwendungsbeschluss fassen. Und wenn ein Gewinnverwendungsbeschluss nicht oder nicht wirksam gefasst ist, haben die Aktionäre keinen Ausschüttungsanspruch, und die Gesellschaft darf ihnen nichts auszahlen.594 In

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589 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983 li Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 6; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 2; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 203; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 387; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 16. 590 BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 122 ff; BGH 28.10.1993 – IX ZR 21/93, BGHZ 124, 27, 31 f; OLG Stuttgart 16.11.2005 – 20 U 2/05, WM 2006, 292, 295 re Sp. 591 BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 381 (betr GmbH); BGH 28.10.1993 – IX ZR 21/93, BGHZ 124, 27, 31; BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 122 f; BGH 3.11.1975 – II ZR 67/73, BGHZ 65, 230, 235 f; BGH 21.7.1994 – II ZR 82/93, ZIP 1994, 1259, 1260 re Sp; auch BGH 24.1.1957 – II ZR 208/55, BGHZ 23, 150, 154 ff zum AktG 1937. 592 BGH 24.1.1957 – II ZR 208/55, BGHZ 23, 150, 154; BGH 8.10.1952 – II ZR 313/51, BGHZ 7, 263, 264; BGH 3.11.1975 – II ZR 67/73, BGHZ 65, 230, 235; BGH 28.10.1993 – IX ZR 21/93, BGHZ 124, 27, 31 f; aus dem Schrifttum statt vieler KK/Drygala3 § 58 Rdn 132; Wang Vorzugsaktie ohne Stimmrecht, 2016, S 80 f. 593 So die in Fn 592 Genannten, wobei allerdings in BGH 28.10.1993 – IX ZR 21/93, BGHZ 124, 27, 31 f der Anspruch nicht mehr explizit als Gläubigerrecht bezeichnet wird. Bestritten wird der schuldrechtliche Charakter des Anspruchs von Spindler/Stilz/Cahn/von Spannenberg4 § 58 Rdn 97. 594 Näher zum Ganzen Großkomm/E Vetter5 § 174 Rdn 165 ff.

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dieser Ausschüttungssperre liegt die praktische Hauptbedeutung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Zahlt die Gesellschaft den Aktionären Dividenden, obwohl der Jahresabschluss und 210 der Gewinnverwendungsbeschluss nichtig sind, so kommt die Bestimmung des § 62 Abs 1 Satz 1 zur Geltung595 wo es heißt: „Die Aktionäre haben der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes [des AktG] von ihr empfangen haben, zurückzugewähren.“ Diese Rückgewährpflicht besteht allerdings nach § 62 Abs 1 Satz 2 bei Dividendenzahlungen nur, wenn die Aktionäre „wussten oder infolge von Fahrlässigkeit nicht wussten, dass sie zum Bezuge nicht berechtigt waren.“ Das muss im Prozess die Gesellschaft beweisen.596 Im vorliegenden Zusammenhang müssen also die Aktionäre beim Empfang der Dividende gewusst oder fahrlässig verkannt haben, dass der Jahresabschluss und der hierauf beruhende Gewinnverwendungsbeschluss keinen rechtlichen Bestand haben und ihnen die Dividende deshalb nicht gebührt. Inwieweit Aktionäre eine Obliegenheit haben, sich über die Richtigkeit und Gültig210a keit des Jahresabschlusses und des Gewinnverwendungsbeschlusses Gedanken zu machen und zu informieren, hängt von dem konkreten Abschlussmangel597 und namentlich vom Aktionär ab. An einen privaten Kapitalanleger, der seine Aktien von einer Depotbank verwalten lässt, sind geringere Anforderungen zu stellen als an einen geschäftserfahrenen Großaktionär oder einen Fondsmanager598 oder an einen Alleinaktionär599 (vgl auch Rdn 19). Weiß der Aktionär, dass eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses erhoben wurde, so ist er nach vorwaltender Ansicht nicht gutgläubig.600 Das geht jedoch zu weit, denn viele und in Publikumsgesellschaften sogar sehr viele Klagen von Aktionären sind frivol oder sollen die Gesellschaften einfach nur unter Druck setzen, so dass eine Klageerhebung wenig über die Haltbarkeit der angegriffenen Rechtsakte besagt. Nach anderer und richtiger Meinung fehlt es daher an der Gutgläubigkeit erst dann, wenn der Aktionär unter Berücksichtigung der bei ihm vorauszusetzenden Kenntnismöglichkeiten nicht nur von der Klage, sondern auch von der Berechtigung der Gründe, auf die sie gestützt ist, wusste oder hätte wissen müssen.601 Das wird nicht oft der Fall sein, denn die meisten Aktionäre haben in den Prozess und das Rechnungswesen der Gesellschaft keinen Einblick.602 Hat ein Abschlussprüfer für den Jahresabschluss einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt (§ 322 Abs 3 HGB), können die Aktionäre in der Regel davon ausgehen, dass der Abschluss gesetzeskonform

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595 BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 34, ZIP 2020, 1118, 1120 re Sp (betr KGaA); Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 89; KK/Drygala3 § 58 Rdn 133; Großkomm/E Vetter5 § 174 Rdn 165; MünchKomm/Bayer5 § 62 Rdn 40, 66; Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, 303, 309 ff; Mylich AG 2011, 765, 766 re Sp. 596 BGH 5.4.2016 – II ZR 268/14, Rdn 30, NZG 2016, 1182, 1185 li Sp und wohl allg M. Das ist durch Art 57 der EU-Gesellschaftsrechtsrichtlinie (Fn 298) so vorgegeben (vormals Art 16 Kapitalrichtlinie [77/91/EWG]), allerdings nur für den Fall, dass die Ausschüttung zulasten der Grundkapitaldeckung oder der gebundenen Rücklagen geht. 597 Hense WPg 1993, 716, 720 re Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 78. 598 BGH 5.4.2016 – II ZR 268/14, Rdn 30, NZG 2016, 1182, 1184 f; MünchKomm/Bayer5 § 62 Rdn 74; Großkomm/Henze4 § 62 Rdn 79 mwN; Hense WPg 1993, 716, 720 re Sp. 599 OLG Stuttgart 10.1.2015 – 20 U 8/13, Ziff. B.I.2. der Entscheidungsgründe, AG 2015, 283, 285. 600 So für den verwandten Fall, dass eine Anfechtungsklage gegen den Gewinnverwendungsbeschluss erhoben ist, Großkomm/Henze4 § 62 Rdn 79 aE; MünchKomm/Bayer5 § 62 Rdn 74 aE; K Schmidt/Lutter/Fleischer4 § 62 Rdn 24; Hüffer/Koch14 § 62 Rdn 13, auch noch Großkomm/T Bezzenberger4 § 256 Rdn 210 aE. 601 So Spindler/Stilz/Cahn4 § 62 Rdn 27, ebenfalls betreffend den Fall, dass eine Anfechtungsklage gegen den Gewinnverwendungsbeschluss erhoben ist; im Ansatz zustimmend Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, 303, 310 f. 602 Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, 303, 310 f.

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ist und seine Feststellung sowie die Gewinnausschüttung Bestand haben. 603 Zur Frage der Heilung unrechtmäßiger Gewinnausschüttungen siehe Rdn 260 ff, 267. Ausschüttungen aufgrund eines nichtigen Jahresabschlusses können für die Aktio- 211 näre besonders gefährlich werden, wenn die Gesellschaft später in die Insolvenz gerät. Oft werden Unternehmenskrisen bilanziell verspätet nachvollzogen, und nicht ganz selten nehmen Gesellschaften noch kurz vor der Insolvenz Gewinnausschüttungen vor. Der Insolvenzverwalter wird dann die Jahresabschlüsse der jüngeren Vergangenheit nach Mängeln und vor allem nach Überbewertungen von Bilanzposten durchsuchen und bei Nichtigkeit des Jahresabschlusseses die Aktionäre nach § 62 auf Rückzahlung der Dividenden in Anspruch nehmen604 (vgl auch Rdn 227a zur Klagebefugnis des Insolvenzverwalters). In diesem Zusammenhang wird nicht selten die Bestimmung des § 134 InsO ins 211a Spiel gebracht, wonach unentgeltliche Leistungen eines Insolvenzschuldners in den letzten vier Jahren vor dem Insolvenzantrag der Anfechtung und Rückforderung durch den Verwalter ausgesetzt sind. Einer unentgeltlichen Leistung in diesem Sinn, so heißt es, stehen unrechtmäßige Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft gleich,605 wenn diese bei korrekter Bilanzierung nicht hätten stattfinden dürfen.606 Falls das stimmen sollte – was hier nicht untersucht werden kann – hilft dem Aktionär der aktienrechtliche Gutglaubensschutz beim Leistungsempfang nach § 62 Abs 1 Satz 2 AktG nicht mehr. Er muss vielmehr die empfangenen Ausschüttungen zur Insolvenzmasse zurückgewähren (§ 143 Abs 1 Satz 1 InsO), soweit er noch bereichert ist (§ 143 Abs 1 Satz 1 InsO), und dieser Entreicherungseinwand wird ihm genommen wird, „sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt“ (§ 143 Abs 1 Satz 2 InsO). Hier schaden also anders als im Rahmen des § 62 AktG auch Kenntnisse und Kenntnismöglichkeiten nach dem Leistungsempfang. Diese müssen sich dann allerdings auch auf die Nichtigkeit des Jahresabschlusses und des Gewinnverwendungsbeschlusses erstrecken.607 Vgl auch unten Rdn 215 zur Haftung weiterer Akteure. c) Gewinnabführung und Verlustausgleich im Vertragskonzern. Für die Ver- 212 pflichtung des Mutterunternehmens gegenüber der Tochtergesellschaft zum Verlustausgleich im Vertragskonzern (§ 302) ist die Gültigkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Tochtergesellschaft nach herrschender Auffassung ohne Bedeutung. Der Umfang der Verlustausgleichspflicht soll sich vielmehr nach der wirklichen Ertragslage der Tochtergesellschaft bestimmen, so wie sie sich bei ordnungsmäßiger Rechnungslegung darstellt oder darstellen würde.608 Ist der Abschluss der Tochtergesellschaft wegen Prüfungsmängeln oder wegen eines Verfahrensfehlers der Feststellung nichtig, aber in-

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603 So vom Grundgedanken her zutreffend Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, 303, 311, der in diesem Fall aber stets Gutgläubigkeit annimmt. Kritisch Hüffer/Koch14 § 62 Rdn 13. 604 Näher hierzu Bange ZInsO 2006, 519 ff. 605 Ausführlich für die AG Mylich AG 2011, 765, 767 ff mwN und in Fortführung insbesondere von Grigoleit Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S 153 ff, der die Frage für diese Rechtsform vertieft untersucht. Hiervon ausgehend auch LG Arnsberg 22.1.2019 – 4 O 169/18, ZIP 2019, 878, 879 ff. Aktueller Überblick zum Ganzen bei Uhlenbruck/Borries/Hirte15 § 134 InsO Rdn 119 ff. 606 Mit dieser Einschränkung Mylich AG 2011, 765, 767 ff, insbesondere 769, und zwar zu Recht, wenn man eine Anfechtbarkeit nach § 134 InsO vom Ansatz her bejaht. 607 Hierfür Mylich AG 2011, 765, 769. 608 BGH 11.10.1999 – II ZR 120/98, BGHZ 142, 382, 385 f; BGH 14.2.2005 – II ZR 361/02, NZG 2005, 481, 482 li Sp; OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177, 2178 re Sp, 2180 li Sp; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 97; Emmerich/Habersack/Emmerich9 § 302 AktG Rdn 29 ff; K Schmidt/Lutter/Stephan4 § 302 Rdn 22 f; Spindler/Klöhn NZG 2005, 484 ff. Anders, nämlich für Maßgeblichkeit des festgestellten Jahresabschlusses, mit beachtlichen Gründen Krieger NZG 2005, 787 ff; ebenso MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 49.

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haltlich fehlerfrei, so ist nach dieser Sicht gleichwohl der Inhalt des Abschlusses maßgeblich. Auf der anderen Seite ist hiernach ein festgestellter Jahresabschluss unmaßgeblich, wenn er an einem inhaltlichen und ergebnisrelevanten Fehler krankt, und zwar selbst bei Fehlern unterhalb der Nichtigkeitsschwelle. Ob Gleiches auch in umgekehrter Richtung für den Gewinn gilt, den die Tochtergesellschaft im Rahmen von § 301 aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags an das Mutterunternehmen abzuführen hat, ist bislang nicht geklärt.609 213

d) Abschlussnichtigkeit und schuldrechtliche Gewinnteilhabe von Nichtaktionären. Nicht selten schulden Aktiengesellschaften aufgrund schuldrechtlicher Verträge ihren Vertragspartnern Leistungen, die sich nach dem finanziellen Ergebnis der Gesellschaft bemessen.610 Das betrifft etwa Gewinnansprüche stiller Gesellschafter, partiarische Darlehen und Genussrechte sowie Tantiemenansprüche von Organmitgliedern und Mitarbeitern. Wie hierbei das Ergebnis zu ermitteln ist, bestimmt sich in erster Linie nach dem jeweiligen Vertrag.611 In der Regel gebieten die Verträge auf diese oder jene Weise eine Ergebnisermittlung nach Maßgabe des Jahresabschlusses,612 und selbst wenn das nicht ausdrücklich so festgeschrieben ist, wird die Vertragsauslegung für gewöhnlich hierhin führen.613 Dann muss man den Vertrag in der Regel auch so verstehen, dass als Bemessungsgrundlage für die Ergebnisteilhabe der partiarisch Berechtigten nur ein inhaltlich korrekter, nach den Regeln ordnungsmäßiger Buchführung aufgestellter und, vorauf es im vorliegenden Zusammenhang ankommt, gültig festgestellter Jahresabschluss maßgebend ist,614 weil man sich auf einen nichtigen Abschluss nicht verlassen kann. Ist der festgestellte Jahresabschluss nach § 256 nichtig, so entstehen nach Maßgabe dieses Abschlusses keine Ansprüche der partiarisch Berechtigten.615 Der Vertrag kann es jedoch der Gesellschaft nach Treu und Glauben und ergänzender Auslegung gebieten, den Berechtigten im Wege einer Abschlagszahlung denjenigen Betrag auszukehren oder zu belassen, der sich auch ohne den Abschlussfehler mit hinreichender Sicherheit ergeben würde.616 Überzahlte Beträge sind dagegen ohne rechtlichen Grund geleistet

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609 Bejahend K Schmidt/Lutter/Stephan4 § 301 Rdn 22. Verneinend MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 49; Wolf NZG 2007, 641, 643. 610 Ausführlich zum Folgenden Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 31 f, 281–302 und speziell zu den von Aktienbanken ausgegebenen Genussrechten Fest WM 2019, 1093 ff. 611 BGH 9.5.1994 – II ZR 128/93, BB 1994, 2096, 2097 (betr GmbH & Co KG); Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 282 f, 292 f; Schwab Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S 430 f. 612 Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 282 f; Frantzen Genußscheine, 1993, S 100 ff. Hiervon ausgehend auch BGH 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341, 347; BGH 29.4.2014 – II ZR 395/12, Rdn 24 ff, NZG 2014, 661, 663 ff; BGH 14.6.2016 – II ZR 121/15, Rdn 17, NZG 2016, 983, 985 und aus der Kommentarliteratur statt vieler Scholz/Verse12 § 29 Rdn 137 ff; Baumbach/Hueck/Fastrich22 § 29 GmbHG Rdn 82. 613 Im gleichen Sinne LG Arnsberg 22.1.2019 – 4 O 169/18, ZIP 2019, 878, 879 ff. 614 Fest WM 2019, 1093, 1099 li Sp; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 11, 50 (vgl auch Rdn 74 und 87 zu den Folgen einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses). Hiervon ausgehend auch BGH 14.6.2016 – II ZR 121/15, Rdn 17, NZG 2016, 983, 985 (... hat der Genussscheininhaber „grundsätzlich jedenfalls einen nicht nach § 256 AktG nichtigen, festgestellten Jahresabschluss ... hinzunehmen“); BGH 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341, 347 ff; Adler Wpg 1949, 109, 115. Mit gleichem Ansatz Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 288 f. Anders LG Arnsberg 22.1.2019 – 4 O 169/18, ZIP 2019, 878, 879 ff mit abl Anm Wilke/Knauth. 615 Anders LG Arnsberg 22.1.2019 – 4 O 169/18, ZIP 2019, 878, 879 ff mit abl Anm Wilke/Knauth. 616 Im gleichen Sinne BGH 11.1.1960 – II ZR 69/59, WM 1960, 187, 189 f zur Personengesellschaft (KG & Still).

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und müssen deshalb an die Gesellschaft zurückgezahlt werden (§ 812 Abs 1 Satz 1 Fall 1 BGB).617 Anders als bei den Aktionären (Rdn 210) entfällt diese Verpflichtung der partiarisch Berechtigten nicht, wenn sie beim Leistungsempfang gutgläubig waren, weil die bürgerlichrechtlichen Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung einen so weitgehenden Gutglaubensschutz nicht vorsehen,618 sondern dem gutgläubigen Leistungsempfänger nur das Recht geben, sich auf einen späteren Wegfall der Bereicherung zu berufen (§ 818 Abs 3 BGB), wenn der Vertrag nichts anderes vorsieht. e) Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen. Beschlüsse der Hauptversamm- 214 lung über die Entlastung von Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 120) sind nach überlieferter Auffassung anfechtbar (§ 243 Abs 1), wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten ist, das eindeutig einen schweren Gesetzes- oder Satzungsverstoß beinhaltet.619 Ein solches Fehlverhalten kann auch darin liegen, dass der Vorstand oder der Aufsichtsrat oder beide zusammen einen nichtigen Jahresabschluss zu verantworten haben620 oder der Hauptversammlung einen Jahresabschluss zur Feststellung vorlegen, der wegen seiner Mängel nicht wirksam festgestellt werden kann.621 Auch wenn der Jahresabschluss ohne Nichtigkeitsfolge oder die sonstige Rechnungslegung informationell fehlerhaft sind, kann das einer Entlastung entgegenstehen.622 f) Privat- und strafrechtliche Haftung der Abschlussverantwortlichen. Wenn 215 Organmitglieder einen nichtigen Jahresabschluss ins Werk setzen, verletzen sie ihre Rechnungslegungspflichten gegenüber der Gesellschaft (vgl Rdn 247) und haften dieser bei Verschulden auf Schadensersatz. Das gilt vor allem für die Mitglieder des Vorstands (§ 93 Abs 2 und Abs 3 Nr 2),623 kann aber auch Aufsichtsratsmitglieder treffen (§ 116).624 Bei inhaltlichen Mängeln des Jahresabschlusses kann es allerdings an einer Sorgfaltspflichtverletzung oder zumindest an einem Verschulden fehlen, wenn die Gestaltung von unternehmensinternen oder externen Spezialisten für richtig erachtet und vom Abschlussprüfer gebilligt wurde625 (vgl auch Rdn 44b). Der zu ersetzende Schaden der Gesellschaft umfasst insbesondere die Kosten für eine erneute Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses (vgl oben Rdn 143d). Er kann darüber hinaus auch eine Ausschüttung umfassen, die auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses und des ebenfalls

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617 BGH 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341, 347, betr eine Gesellschaft, die später in Konkurs gefallen ist; Adler Wpg 1949, 109, 115 f. 618 KK/Drygala3 § 62 Rdn 80; Großkomm/Henze4 § 62 Rdn 67, vgl auch Rdn 82 ff; Adler Wpg 1949, 109, 115 f. Ebenso für GmbH Ulmer/Habersack/Löbbe/Habersack2 § 32 Rdn 5; Baumbach/Hueck/Fastrich22 § 32 GmbHG Rdn 3. Anders Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 295, vgl auch S 297 f. 619 BGH 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 50 ff und Leitsatz 1 („Macrotron“); st Rspr und hM; näher zum Ganzen mwN und Kritik an der hM Großkomm/Mülbert5 § 120 Rdn 149 ff auch Rdn 91 ff. 620 LG Mainz 16.10.1990 – 10 HO 57/89, DB 1990, 2361 re Sp und 2364 re Sp. 621 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983–1985, betr KGaA. 622 Zu Letzterem LG München I 22.12.2012 – 5 HK O 12398/08, Ziff II. 3. b) der Entscheidungsgründe, AG 2012, 386, 838, betr lückenhafte Konzernkapitalflussrechnung. 623 Ausführlich zum Ganzen J-H Weilep Die Nichtigkeit dess Jahresabschlusses, 2011, S 301–360; des Weiteren V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 152 li Sp, auch 151 li Sp; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 391; Kropff in: FS Budde, 1995, 341, 355; auch Fleischer WM 2006, 2021, 2025 f; Bange ZInsO 2006, 519, 522; Brete/Thomsen GmbHR 2008, 176, 182. 624 Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 391; Bange ZInsO 2006, 519, 522; Kropff in: FS Budde, 1995, 341, 355; Grotheer WM 2005, 2070, 2073 li Sp; des Weiteren J-H Weilep Die Nichtigkeit dess Jahresabschlusses, 2011, S 301–360. 625 Vgl zu den hier berührten Fragen des Vertrauens auf fachlichen Rat Großkomm/Hopt/Roth5 § 93 Rdn 109 f, 139 f mwNw.

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nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses gesetzwidrig stattgefunden hat und von den empfangenden Aktionären nicht zurückgewährt worden ist626 (vgl Rdn 209 ff). Dieser Schaden entfällt aber, wenn der Jahresabschluss und der hierauf beruhende Gewinnverwendungsbeschluss später durch Zeitablauf heilen, denn dann ist die Ausschüttung nicht mehr unrechtmäßig (Rdn 267). Wenn in einer abhängigen Aktiengesellschaft der Jahresabschluss deshalb nichtig ist, weil das herrschende Unternehmen auf dessen fehlerhafte Gestaltung oder Feststellung Einfluss genommen hat, haften auch dieses und seine gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft nach § 317 auf Schadensersatz.627 Außerdem haftet der Abschlussprüfer gegenüber der Gesellschaft und verbundenen Unternehmen (§ 323 HGB), wenn er schuldhaft Überbewertungen und Scheingewinne testiert, die anschließend ausgeschüttet werden.628 Die Organmitglieder machen sich darüber hinaus nach § 331 Nr 1 HGB strafbar, 216 wenn sie vorsätzlich (§ 15 StGB) die Verhältnisse der Gesellschaft im Jahresabschluss unrichtig wiedergeben oder verschleiern.629 Und wer vorsätzlich mit einem falschen Abschluss täuschungsbedingte Vermögensverfügungen anderer Personen herbeiführt oder um Kredit nachsucht, begeht einen Betrug (§ 263 StGB) oder Kreditbetrug (§ 265b StGB). Im Vorfeld der Insolvenz ist die strafrechtliche Verantwortung verschärft (§§ 283 ff StGB). Außerdem hat der BGH die Buchführungspflicht der Unternehmensleiter als Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des strafrechtlichen Untreuetatbestands (§ 266 StGB) angesehen.630 Ein Jahresabschluss, dessen Herstellung oder Verwendung eine Straftat ist, wird in aller Regel nach § 256 nichtig sein. Aber Voraussetzung für die Strafbestimmungen ist das nicht. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses begründet auch für sich alleine keine Strafbarkeit. Die genannten Straftatbestände sind allerdings zivilrechtlich Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs 2 BGB, so dass deren Verletzung eine privatrechtliche Schadensersatzpflicht der Verantwortlichen gegenüber Aktienanlegern und Gläubigern der Gesellschaft nach sich zieht.631 Dagegen sind die materiellen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten nach überlieferter Auffassung keine Schutzgesetze, doch hier ist vieles im Fluss.632 217

g) Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses in der Abschlussprüfung. Die Gültigkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses gehört auch zum Gegenstand der Abschlussprüfung.633 Diese hat sich nach § 317 Abs 1 Satz 2 HGB vor allem „darauf zu erstrecken, ob die gesetzlichen Vorschriften … beachtet worden sind“. Auch der Prüfungsbericht und der Abschlussvermerk müssen hierzu Stellung nehmen (§§ 321 Abs 2 Satz 1, 322 Abs 3 Satz 1 HGB). Die Prüfung des Jahresabschlusses ist also immer auch

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626 MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 64; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 391; Kropff in: FS Budde, 1995, 341, 355; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 152 li Sp, auch 151 li Sp. 627 Mylich AG 2011, 765, 769 ff. 628 BGH 28.10.1993 – IX ZR 21/93, BGHZ 124, 27, betr eine Gesellschaft, die später in Konkurs gefallen ist; Bange ZInsO 2006, 519, 521 f; ausführlich J-H Weilep Die Nichtigkeit dess Jahresabschlusses, 2011, S 360–383. 629 Hierzu und zum Folgenden Fleischer WM 2006, 2021, 2025 ff; Wolf StuB 2009, 909, 910 ff; V Weilep/ J-H Weilep BB 2006, 147, 152; J-H Weilep Die Nichtigkeit dess Jahresabschlusses, 2011, S 307–311. 630 BGH 27.8.2010 – 2 StR 111/09, Rdn 32, NJW 2010, 3458. 631 Zu § 331 HGB Fleischer WM 2006, 2021, 2026 li Sp mwN. Zu §§ 283 Abs 1 Nr 5–7, 283b StGB Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 41 GmbHG Rdn 3 mwN; Grigoleit Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S 141 ff. 632 Näher Fleischer WM 2006, 2021, 2026 ff. 633 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 336 ff; Hüffer/Koch14 Rdn 32; MünchKomm/J Koch4 Rdn 81; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 88 aE. Skeptisch bis verneinend aber Adler/Düring/Schmaltz6 § 322 HGB Rdn 328 ff, insbesondere Rdn 332 f.

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eine Rechtsprüfung.634 Dazu gehört nicht zuletzt die Frage, ob der Abschluss als solcher überhaupt wirksam festgestellt werden und gesellschaftsrechtlich Bestand haben kann.635 Der Prüfer hat zwar angesichts des Gebots der Wesentlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Abschlussprüfung grundsätzlich einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum, ob er wirtschaftliche Sachverhalte und rechtliche Fragen aufgreift, und mit welcher Intensität er sie prüft.636 Die Rechtsfrage nach der Gültigkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses als Ganzem hat jedoch so große Bedeutung, dass der Prüfer kaum umhinkommen wird, die Frage aufzugreifen, wenn es Anhaltspunkte für das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen gibt.637 Bei der anschließenden Entscheidung, mit welcher Intensität der Prüfer dem im Einzelnen nachgeht, besteht dann aber ein Ermessensspielraum.638 Hierbei ist zu bedenken, dass der Abschlussprüfer Wirtschaftsprüfer und nicht in erster Linie Rechtsgutachter ist, und angesichts der vielen unbestimmten Rechtsbegriffe des § 256 lässt sich die Frage nach der Gültigkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses sehr oft auch nicht eindeutig beantworten.639 Kommt der Abschlussprüfer zu dem Urteil, dass der Jahresabschluss wegen inhaltli- 218 cher Mängel nicht wirksam festgestellt werden kann und eine gleichwohl beschlossene Feststellung nichtig sein würde, so muss er das im Prüfungsbericht offen aussprechen640 und den Bestätigungsvermerk versagen,641 und zwar unter Hinweis auf den Abschlussmangel und die daraus folgende Nichtigkeit.642 Eine bloße Einschränkung des Bestätigungsvermerks643 wäre verfehlt, denn dies setzt voraus, dass zu den wesentlichen Teilen des Abschlusses noch ein Positivurteil möglich ist644 oder sogar zum Abschluss als Ganzem.645 Daran fehlt es, wenn der Jahresabschluss insgesamt nicht wirksam festge-

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634 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 325; ebenso der Sache nach OLG Karlsruhe 7.2.1985 – 12 U 132/82, ZIP 1985, 409, 411, 413 re Sp. Das wird bei Adler/Düring/Schmaltz6 § 322 HGB Rdn 328 ff und bei vielen anderen Autoren aus dem Wirtschaftsprüfungsumfeld nicht hinreichend deutlich. 635 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 337 f. Anders WP-Hdb/Plendl/Kling16 Kapitel M Rdn 1120 ff. 636 Allgemein zum Ermessensspielraum des Prüfers IDW PS 200, Ziele und allgemeine Grundsätze der Durchführung von Abschlussprüfungen, Tz 18 ff, WPg 2000, 706, 708 f mit hier nicht einschlägiger Ergänzung in Wpg Supplement 3/2015; speziell im Hinblick auf Rechtsfragen Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 327 ff. 637 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 339 f. 638 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 340. 639 Insoweit zutreffend Adler/Düring/Schmaltz6 § 322 HGB Rdn 332; auch Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 325 f, 330 f, 340 räumt das ein. 640 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 340 f; Hüffer/Koch14 Rdn 32; für eindeutige Fälle auch WP-Hdb/Plendl/Kling16 Kapitel M Rdn 1122 aE (Hinweis im Bestätigungs- bzw Versagungsvermerk). Anders WP-Hdb/Gelhausen/Hennrichs16 Kapitel B Rdn 357 aE (keine Pflicht zum Hinweis im Bestätigungs- bzw Versagungsvermerk); Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 23. 641 OLG Karlsruhe 7.2.1985 – 12 U 132/82, ZIP 1985, 409, 411 li Sp; Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 342; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 41 GmbHG Rdn 155; KK/A Arnold3 Rdn 91; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 88 aE; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 46; MünchKomm/J Koch4 Rdn 81; Hüffer/Koch14 Rdn 32; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 43. Anders die in Fn 643 Genannten. 642 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 341. Einschränkend BeckBil-Komm/S Schmidt/Küster/ Bernhardt 12 § 322 HGB Rdn 180 („Hinweis … möglich“). 643 Für diese Möglichkeit aber IDW Prüfungsstandard: Modifizierungen des Prüfungsurteils im Bestätigungsvermerk (IDW PS 405), v 30.10.2017, Anhang „Anwendungshinweise und sonstige Erläuterungen“ Rdn A8; WP-Hdb/Gelhausen/Hennrichs16 Kapitel B Rdn 357; WP-Hdb/Plendl/Kling16 Kapitel M Rdn 1121; KK Rechnungslegungsrecht/W Müller § 322 HGB Rdn 46 aE; BeckBilKomm/S Schmidt/Küster/Bernhardt12 § 322 HGB Rdn 179; auch Adler/Düring/Schmaltz6 § 322 HGB Rdn 328 ff. 644 BeckBil-Komm/S Schmidt/Küster/Bernhardt12 § 322 HGB Rdn 173 ff; Adler/Düring/Schmaltz6 § 322 HGB Rdn 227. 645 KK Rechnungslegungsrecht/W Müller § 322 HGB Rdn 45 ff.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

stellt werden kann. Hält der Abschlussprüfer eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses lediglich für möglich, so muss er auch das im Prüfungsbericht aussprechen.646 Er kann ruhig sagen, dass er sich kein abschließendes Urteil zutraut, und muss lediglich zum Ausdruck bringen, dass er die Frage aufgegriffen hat und inwieweit er ihr nachgegangen ist; dabei muss er die Gesichtspunkte benennen, die für und gegen eine Nichtigkeit sprechen oder sprechen könnten. Ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk kommt in solchen Fällen nur in Betracht, wenn die Möglichkeit einer Nichtigkeit sehr fern liegt und die festgestellten Mängel nicht einmal förmliche Einwendungen gegen den Abschluss rechtfertigen. Sind hingegen Einwendungen zu erheben, deren Gründe möglicherweise zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, hat der Prüfer einen Ermessensspielraum, ob er den Bestätigungsvermerk versagt oder lediglich einschränkt,647 wobei im Vermerk ein Hinweis auf die Möglichkeit der Abschlussnichtigkeit geboten ist.648 219

h) Nichtigkeit und Offenlegung des Jahresabschlusses. Hat der Vorstand den Jahresabschluss beim Bundesanzeiger zur Bekanntmachung eingereicht (§ 325 HGB), und ist die Feststellung des Abschlusses nach § 256 nichtig, so kann der Betreiber des Bundesanzeigers den Abschluss nicht zurückweisen, und das Bundesamt für Justiz kann nicht nach § 335 HGB durch Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeld die Offenlegung eines neuen, gültig festgestellten Jahresabschlusses erwirken.649 Denn die Überprüfung, ob der Jahresabschluss wirksam festgestellt ist, obliegt nicht dem Betreiber des Bundesanzeigers (arg § 329 HGB) und dem Bundesamt für Justiz. Ist jedoch die Nichtigkeit des Jahresabschlusses durch rechtskräftiges Urteil festgestellt, so steht fest, dass der Abschluss keinen Bestand hat, und dann steht dem Bundesamt der Ordnungsweg nach § 335 HGB offen.650 Wird ein neuer und geänderter Jahresabschluss für das betreffende Geschäftsjahr aufgestellt und festgestellt, ist nach § 325 Abs 1b Satz 1 HGB „auch die Änderung ... offenzulegen“. Das erstreckt sich nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auf den geänderten Jahresabschluss insgesamt651 und gebietet darüber hinaus einen Hinweis, was geändert wurde, und dass der alte Abschluss nichtig ist.

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646 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 340 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 81 und Hüffer/Koch14 Rdn 32. Anders WP-Hdb/Plendl/Kling16 Kapitel M Rdn 1122. 647 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 342, auch S 334, 336; BeckBilKomm/S Schmidt/Küster/Bernhardt12 § 322 HGB Rdn 179; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 43aE; ähnlich Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 41 GmbHG Rdn 155; KK/A Arnold3 Rdn 91; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 46; Hüffer/Koch14 Rdn 32 aE. 648 Kropff in: FS Havermann, 1995, S 321, 342; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 41 GmbHG Rdn 155. Sehr zurückhaltend dagegen Adler/Düring/Schmaltz6 § 322 HGB Rdn 332 f. 649 MünchKomm/J Koch4 Rdn 78 aE; Hüffer/Koch14 Rdn 33a. Grundsätzlich auch MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 60. Ebenso zur früheren Handelsregisterpublizität von Jahresabschlüssen und der hierauf bezogenen Bestimmung des § 335a Nr 1 HGB aF RegE BiRiLiG, BTDrucks 10/317 v 26.8.1983, Anlage 1, Begründung zu § 284 RegE HGB, S 99 re Sp; BayObLG 26.5.2000 – 3Z BR 111/00, BayObLGZ 2000, 150, 151 f; Mattheus/Schwab BB 2004, 1099, 1103 f. Anders damals Geist DStR, 1996, 306, 309 li Sp; zum Recht vor dem BiRiLiG auch Zöllner in Kölner Komm AktG1 113 f, 120; Barella NJW 1952, 91 f sowie ein Großteil der dort genannten älteren Kommentarliteratur. 650 MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 60. Nicht abgeneigt Hüffer/Koch14 Rdn 33a. Wie hier zur früheren Handelsregisterpublizität von Jahresabschlüssen LG Stuttgart 11.12.1995 – 4 KfH T 16/95, DB 1996, 204. Offen gelassen in BayObLG 26.5.2000 – 3Z BR 111/00, BayObLGZ 2000, 150, 152. 651 BeckBil-Komm/Grottel12 § 325 HGB Rdn 48; Adler/Düring/Schmaltz6 § 325 HGB Rdn 85 ff.

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Nichtigkeit | § 256

2. Geltendmachung der Nichtigkeit a) Die aktienrechtliche Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses (Abs 7) aa) Gesetzesgrundlagen und Wesen der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage. Zur 220 Geltendmachung der Abschlussnichtigkeit stellt das Aktiengesetz eine besondere Klage zur Verfügung, die „Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses“ wie es in § 256 Abs 6 Satz 2 heißt. Für diese Klage, so bestimmt § 256 Abs 7 Satz 1 weiter, „gilt § 249 sinngemäß.“ Dort ist bestimmt: 1

„§ 249 Nichtigkeitsklage. (1) Erhebt ein Aktionär, der Vorstand oder ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses gegen die Gesellschaft, so finden § 246 Abs 2, Abs 3 Satz 1 bis 5, Abs 4, §§ 246a, 247, 248 und 248a entsprechende 2 Anwendung. Es ist nicht ausgeschlossen, die Nichtigkeit auf andere Weise als durch Erhebung der Klage 3 geltend zu machen. […] 1 (2) Mehrere Nichtigkeitsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbin2 den. Nichtigkeits- und Anfechtungsprozesse können verbunden werden.“

Dieser Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses 221 ist die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses nachgebildet. Indem § 256 Abs 7 Satz 1 hinsichtlich der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage auf die Bestimmung des § 249 über die Beschluss-Nichtigkeitsklage verweist, wird zugleich mittelbar auf die dort in Bezug genommenen weiteren Regeln verwiesen (§ 246 Abs 2, Abs 3 Satz 1–5, Abs 4, §§ 246a, 247, 248 und 248a). Diese Bestimmungen gelten in erster Linie für die Anfechtungsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse, sind aber kraft Verweisung in § 249 Abs 1 Satz 1 auf die Beschluss-Nichtigkeitsklage entsprechend anwendbar und gelten aufgrund der weiteren Verweisung in § 256 Abs 7 Satz 1 entsprechend auch für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses.652 Nicht anwendbar auf die Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage ist allerdings § 246a (Freigabeverfahren), weil die Abschlussfeststellung nicht im Handelsregister eingetragen wird. Und die Bestimmung des § 246 Abs 3 Satz 4, wonach die mündliche Verhandlung vor Gericht nicht vor Ablauf der einmonatigen Beschluss-Anfechtungsfrist stattfindet, kann man bei der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage nur dann entsprechend anwenden, wenn die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses beschlossen hat. Die auf die Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage anzuwendenden Regeln gelten zumindest entsprechend auch dann, wenn im rechtsbegrifflich genauen Sinn nicht die Nichtigkeit des Jahresabschlusses geltend gemacht wird, sondern seine Unwirksamkeit (vgl Rdn 129, 170). Die aktienrechtliche Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses 222 nach § 256 Abs 7 und § 249 ist ebenso wie die Beschluss-Nichtigkeitsklage eine besondere, gesellschaftsrechtlich erleichterte und verstärkte Feststellungsklage,653 die gegen-

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652 MünchKomm/J Koch4 Rdn 71 und Hüffer/Koch14 Rdn 31; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80. 653 OLG Celle 7.9.1983 – 9 U 34/83, AG 1984, 266, 267 li Sp; OLG Schleswig 28.1.1993 – 5 U 210/91, AG 1993, 431, 432 re Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 71. Ebenso zur Beschlussnichtigkeitsklage BGH 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 253 („Commerzbank/Mangusta II“), wo von einer Nichtigkeitsfeststellungsklage die Rede ist; M Schwab Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S 272 ff; Bartels ZGR 2008, 723, 732 ff. Anders zur Beschlussnichtigkeitsklage Großkomm/K Schmidt4 § 249, 3 ff, 31, der den kassatorischen Aspekt des Urteils und die hierin begründete Nähe zur Beschluss-Anfechtungsklage betont und die Nichtigkeitsklage deshalb als Gestaltungsklage einordnet. Die Gestaltungswirkung ist hier allerdings anders als bei der Anfechtungsklage keine

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

über einer gewöhnlichen Feststellungsklage (§ 256 ZPO und hierzu unten Rdn 243 ff) zwei Besonderheiten aufweist. Zum einen setzt die Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage ebenso wie die Beschlussmängelklage und im Unterschied zur gewöhnlichen Feststellungsklage kein individuelles Rechtsschutzinteresse voraus, sondern klagebefugt ist jeder Aktionär allein schon auf Grund seiner Mitgliedschaft.654 Die Klage dient nach den Worten des BGH „nicht in erster Linie der Durchsetzung persönlicher Vorteile, sondern der Rechtskontrolle der Rechnungslegung im übergreifenden Interesse an einem zutreffenden Jahresabschluss“, und „[e]in besonderes Rechtsschutzinteresse oder Feststellungsinteresse ist für die Erhebung ... nicht erforderlich. Bei einem Vorstandsmitglied oder Aktionär ergibt sich ein ausreichendes Nichtigkeitsfeststellungsinteresse schon aus der korporationsrechtlichen Beziehung bzw. Mitgliedschaft“.655 Das entspricht der Auffassung des BGH von der Beschlussmängelklage, von der es in einem früheren Urteil heißt, sie sei „als Instrument zur Kontrolle der Gesetz- und Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so dass sich das Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage bereits daraus ergibt, dass ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden Rechtszustandes dient“656 (vgl aber auch Rdn 235 ff). 223

bb) Rechtskraftwirkung. Eine weitere Besonderheit der aktienrechtlichen Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage liegt in der erweiterten Rechtskraftwirkung eines Urteils, das der Klage stattgibt. Hierzu heißt es im Gesetz: 1

„§ 248 Urteilswirkung. (1) Soweit der [Hauptversammlungs-]Beschluss durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt ist, wirkt das Urteil für und gegen alle Aktionäre sowie die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, auch wenn sie nicht Partei sind.“

224

Das bezieht sich vor allem auf die Beschlussanfechtungsklage, gilt aber aufgrund der Verweisung in § 249 Abs 1 Satz 1 auch für die Beschluss-Nichtigkeitsklage und infolge der weiteren Verweisung in § 256 Abs 7 Satz 1 ebenfalls für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Ein stattgebendes Urteil wirkt nach § 248 für und gegen alle Aktionäre und Organmitglieder. Und es wirkt darüber hinaus auch für und gegen dritte Personen, ist also für jedermann verbindlich.657 Ein klageabweisendes Urteil

_____ materiellrechtliche (der Beschluss ist ja ohnehin nichtig), sondern nur eine prozessuale (erweiterte Rechtskraftwirkung); Bartels ZGR 2008, 723, 733 f. 654 Zur Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 24 und 33, ZIP 2020, 1064, 1065 re Sp und 1066 re Sp sowie fast wortgleich BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 19 und 27 ff, ZIP 2020, 1118, 1119 li Sp und 1119 li Sp für KGaA; BGH 3.11.1975 – II ZR 67/73, NJW 1976, 241 re Sp (insoweit nicht in BGHZ 65, 230); OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B I 2 b) der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2005 li Sp; OLG Celle 7.9.1983 – 9 U 34/83, AG 1984, 266, 267 f; LG Düsseldorf 8.4.1976 – 38 O 149/75, AG 1976, 162 li Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 72; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 95; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 40; Mattheus/Schwab BB 2004, 1099, 1100 re Sp. Ebenso zur Beschluss-Nichtigkeitsklage OLG Düsseldorf 5.4.2001 – 6 U 91/00, AG 2003, 45 re Sp sowie zur Beschluss-Anfechtungsklage BGH 22.5.1989 – II ZR 206/88, BGHZ 107, 296, 308; BGH 25.2.1965 – II ZR 287/63, BGHZ 43, 261, 265 f; ausführlich Schwab Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S 287 ff. 655 BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 24 und 33, ZIP 2020, 1064, 1065 re Sp und 1066 re Sp sowie im Wesentlichen wortgleich BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 19 und 27 f, ZIP 2020, 1118, 1119 li Sp und 1119 li Sp für KGaA. 656 BGH 22.5.1989 – II ZR 206/88, BGHZ 107, 296, 308 zur Beschluss-Anfechtungsklage. 657 Zur Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 26 (Wirkung „gegen alle Aktionäre und Verwaltungsmitglieder ... und weitergehend gegen jedermann“) und Rdn 31 („die gegen jedermann verbindlich festzustellende Nichtigkeit des Jahresabschlusses“), ZIP 2020, 1064, 1066; im Wesentlichen wortgleich BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 21 und 26 f, ZIP 2020, 1118, 1119 f für KGaA; der

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wirkt hingegen nur zwischen den Prozessparteien.658 Der Jahresabschluss kann also bis zum Ablauf der Heilungsfrist von immer neuen Klägern angegriffen werden, und es genügt, wenn nur einer von ihnen Erfolg hat. cc) Streitgegenstand der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage und damit maßgebend 225 für den objektiven Umfang der Rechtskraft eines Urteils und auch eines klageabweisenden Urteils (vgl Rdn 224) sind nicht die einzelnen geltend gemachten Abschlussmängel, wie manche meinen,659 sondern das Begehren des Klägers, die Nichtigkeit des Jahresabschlusses festgestellt zu sehen, und damit der Bestand des Abschlusses insgesamt. Das umfasst den Inhalt des Abschlusses und alle seinem Zustandekommen zugrunde liegenden Umstände660 und ergibt sich aus der Funktion der Nichtigkeitsklage als Instrument der Gültigkeitskontrolle. Ist die Nichtigkeitsklage einmal erhoben, können daher im Verlauf des Prozesses weitere Nichtigkeitsgründe nachgeschoben werden,661 solange dies nicht nach allgemeinen prozessrechtlichen Regeln verspätet geschieht (vgl §§ 296 f ZPO). Die Fristen für die Heilung des Jahresabschlusses stehen dem nicht entgegen, weil sie sich bis zum Ende des Prozesses verlängern (§ 256 Abs 6 Satz 2).662 Werden im Prozess nur bestimmte Abschlussmängel geltend gemacht, und wird die Klage daraufhin rechtskräftig abgewiesen, so kann derselbe Kläger nicht noch einmal und gestützt auf einen anderen behaupteten Abschlussmangel auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses klagen.663 Wohl aber können andere Aktionäre eine neue Klage erheben (Rdn 224). Die Klage und das Urteil erfassen nur den konkret angegriffenen Jahresabschluss für ein bestimmtes Geschäftsjahr (oder auch mehrere angegriffene Jahresabschlüsse für mehrere Geschäftsjahre), nicht aber Abschlüsse nachfolgender Geschäftsjahre, die an demselben Fehler leiden664 (vgl Rdn 275, 284). dd) Klageantrag und Urteilsformel. Der Klageantrag einer Jahresabschluss- 226 Nichtigkeitsklage kann lauten, das Gericht möge feststellen, dass der Jahresabschluss für ein bestimmtes Geschäftsjahr nichtig ist,665 und muss nach überlieferter Auffassung

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Sache nach auch schon OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B I 1 der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2004 li Sp („eine inter omnes wirkende Nichtigkeitsfeststellung nach § 256 Abs 7 … AktG, d. h. … eine allgemeinverbindliche Ungültigerklärung“), auch ansonsten spricht das Urteil mehrfach von der Interomnes-Wirkung; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 41, 42 Abs 3; Hüffer/Koch14 Rdn 31. Zur Beschlussmängelklage BGH 17.2.1997 – II ZR 41/96, BGHZ 134, 364, 366 (GmbH); BGH 13.10.2008 – II ZR 112/07, WM 2009, 141, 142 (GmbH, auch betr Nichtigkeitsklage); Großkomm/K. Schmidt4 § 248 Rdn 4 und § 249 Rdn 31 mwN; vgl auch BGH 16.2.2009 – II ZR 185/07 Rdn 35 BGHZ 180, 9, 27 („Kirch/Deutsche Bank“), wo die „inter-omnes-Wirkung“ nach § 248 Abs 1 mit derjenigen nach § 99 Abs 5 gleichgesetzt wird, der von einer Wirkung „für und gegen alle“ spricht. Kritisch K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 248 Rdn 5 und § 249 Rdn 1 (Wirkung nur für Aktionäre und Organmitglieder). 658 Ebenso zur Beschlussmängelklage Großkomm/K Schmidt4 § 248 Rdn 17 und § 249 Rdn 32 aE; K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 248 Rdn 2; MünchHdbAG/Austmann5 § 42 Rdn 126; A Hueck Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, 1924, S 243 f und h M. 659 So zur Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 40 aE; Mattheus/Schwab BB 2004, 1099, 1105; ebenso zur Beschlussmängelklage Großkomm/K Schmidt4 § 246 Rdn 61; Schwab aaO § 246 Rdn 1 ff mwN und § 249 Rdn 2. 660 Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 406. Ebenso zur Beschlussnichtigkeits- und Anfechtungsklage BGH 22.7.2002 – II ZR 286/01, BGHZ 152, 1, 4 f; LG Frankfurt/M 9.3.2004 – 3/5 O 107/03, NZG 2004, 672, 673 re Sp; KK/Zöllner1 § 246 Rdn 20, 47; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack22 Anh § 47 GmbHG Rdn 166 f; Arens Streitgegenstand und Rechtskraft im aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren, 1960, S 50. 661 OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177, 2189 li Sp; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 20. 662 OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177, 2189 li Sp; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 20. 663 Ebenso zur Beschluss-Nichtigkeitsklage BGH 22.7.2002 – II ZR 286/01, BGHZ 152, 1, 6. 664 Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 41 Abs 2 aE. 665 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 40.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

auch so lauten.666 Besser wäre allerdings ein Klageantrag auf gerichtliche Feststellung, dass die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig ist667 (vgl Rdn 1, 207). Beides umschreibt denselben Streitgegenstand.668 Die oft vorgeschlagene Formulierung, es solle festgestellt werden, dass der festgestellte Jahresabschluss nichtig sei,669 wird zwar in der Praxis ebenfalls angehen, ist aber nicht gut, denn ein nichtiger Jahresabschluss ist nicht festgestellt. Entsprechendes gilt für die Fassung eines Urteils, das der Klage stattgibt.670 Sowohl der Klageantrag als auch das Urteil müssen zu erkennen geben, dass es sich um eine aktienrechtliche Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage handelt, denn für diese gelten besondere Bekanntmachungs- und Meldepflichten (§ 256 Abs 7 sowie §§ 246 Abs 4, 248 Abs 1 Satz 2, 248a), und nur eine solche Klage sperrt die Heilung des Abschlussmangels (§ 256 Abs 6 Satz 2). Das Gericht muss daher nach § 139 ZPO auf eine sachgerechte Antragstellung hinwirken671 und kann notfalls den Klageantrag umdeuten672 und sein Urteil entsprechend fassen. Wenn gegen einen Beschluss der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses Anfechtungsklage erhoben wird, aber ein Nichtigkeitsgrund nach § 256 vorliegt, muss das Urteil ebenfalls aussprechen, dass die Nichtigkeit des Jahresabschlusses festgestellt wird673 oder die Nichtigkeit seiner Feststellung, denn Anfechtungsklage und Nichtigkeitsklage haben denselben Streitgegenstand.674 227

ee) Am Verfahren beteiligte Personen. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann nach § 256 Abs 7 Satz 1 in Verbindung mit § 249 Abs 1 Satz 1 von einem Aktionär, dem Vorstand oder von einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats erhoben werden. Sie ist gegen die Gesellschaft zu richten (§ 246 Abs 2 Satz 1), die bei Klagen von Aktionären durch den Vorstand und den Aufsichtsrat gemeinsam vertreten wird (§ 246 Abs 2 Satz 2). Die Zustellung der Klageschriften ist dann nicht allgemein an die Gesellschaft, sondern an die beiden vertretungsberechtigten Organe gesondert zu richten,675 wobei nach § 170 Abs 3 ZPO die Zustellung an jeweils ein Organ-

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666 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983 li Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80; Bürgers/Körber/ Schulz4 Rdn 13, 20; Kropff ZGR 1994, 628, 634 f. Hiervon ausgehend auch OLG Köln 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110, 111 li Sp, 112 li Sp. 667 Im selben Sinne K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 40; so wohl auch geschehen und nicht beanstandet in BGH 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 114. Andere halten dagegen einen solchen Klageantrag für nicht richtig formuliert; so OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983 li Sp; MünchKomm/ J Koch4 Rdn 71; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; ebenso auch noch hier die 4. Aufl dieses Kommentars. 668 OLG München 19.7.2018 – 23 U 2737/17, Ziff 1.2.2.2.2.2. der Entscheidungsgründe, DB 2018, 2166, 2169 re Sp (betr GmbH & Co KG). 669 LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 71; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80; KK/A Arnold3 Rdn 86 aE; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 41 Abs 2; auch Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 20. 670 Teilweise anders OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983 li Sp (nur die Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses sei der richtige Tenor). 671 MünchKomm/J Koch4 Rdn 71; Kropff ZGR 1994, 628, 634 f. Vgl allgemein zu dieser gerichtlichen Pflicht, auf sachdienliche Klageanträge hinzuwirken, BGH 23.4.2009 – IX ZR 95/06, WM 2009, 1155, 1156. 672 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983 li Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80; im gleichen Sinne Kropff ZGR 1994, 628, 634 f. Skeptisch und für Vorrang des § 139 ZPO MünchKomm/J Koch4 Rdn 71. 673 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983. Ebenso die hM zum allgemeinen Beschlussmängelklagerecht, siehe unten § 257, 19. 674 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983. 675 BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 45 ff, ZIP 2020, 1064, 1067 ff; OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B II 2 b) bb) der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2006 re Sp.

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Nichtigkeit | § 256

mitglied genügt676 (s auch unten Rdn 234 zur zeitlichen Dimension). Bei Führungslosigkeit vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft alleine (§ 78 Abs 1 Satz 2).677 Die Aktionärseigenschaft eines Klägers muss nicht schon im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses bestanden haben, sondern nur beim Schluss der mündlichen Verhandlung vor Gericht bestehen.678 Da auch der Vorstand klagebefugt ist, kann dieser, wenn er den Jahresabschluss für nichtig hält oder ihm nicht traut, mit einer Klage für alle Beteiligten Klarheit schaffen.679 Gleiches gilt für einzelne Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder. Die Gesellschaft wird dann im Prozess nur durch das jeweils andere Verwaltungsorgan vertreten (§ 246 Abs 2 Satz 2 iVm §§ 249 Abs 1 Satz 1 und 256 Abs 7 Satz 1). In der Kommanditgesellschaft auf Aktien liegt die Klagebefugnis bei den Kommanditaktionären, den einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern und beim persönlich haftenden Gesellschafter (arg § 283 Nr 13, wonach für diesen die auf den AG-Vorstand bezogenen Regeln über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen gelten).680 In der Insolvenz der Gesellschaft ist anstelle des Vorstands (bzw in der KGaA des 227a persönlich haftenden Gesellschafters) der Insolvenzverwalter klagebefugt, sofern die Klage einen Bezug zur Insolvenzmasse hat.681 Das folgt im Wege der Rechtsanalogie aus den Regeln, wonach in der Insolvenz die Befugnis zur Verwaltung des zur Insolvenzmasse gewordenen Gesellschaftsvermögens und zur Verfügung hierüber auf den Insolvenzverwalter übergeht (§§ 80, 81 InsO) und dieser auch zur Buchführung und Rechnungslegung bezüglich der Insolvenzmasse verpflichtet ist (§ 155 InsO).682 Einen Bezug zur Insolvenzmasse, der die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters begründet, hat die Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage, wenn der Wegfall des angegriffenen Jahresabschlusses für die Masse günstig ist, etwa weil Verbindlichkeiten aus Gewinnausschüttungen wegfallen.683 Die beklagte Gesellschaft wird hier ebenso wie sonst (Rdn 227) durch den Vorstand (bzw im Fall der KGaA den persönlich haftenden Gesellschafter) und den Aufsichtsrat vertreten.684 Die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters besteht auch im

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676 BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 43, ZIP 2020, 1064, 1067 re Sp; BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 45, ZIP 2020, 1118, 1121 re Sp für KGaA. 677 BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 51 ff, ZIP 2020, 1118, 1122 f für KGaA. 678 OLG Celle 7.9.1983 – 9 U 34/83, AG 1984, 266, 267 f (betr Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung); zustimmend Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 20. Ebenso zur BeschlussNichtigkeitsklage OLG Stuttgart 10.1.2001 – 20 U 91/99, AG 2001, 315, 316 li Sp (dort auch zum Missbrauch des Klagerechts); Großkomm/K Schmidt4 § 249, 13; Haase DB 1977, 241, 243 re Sp. 679 Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 687, 695 ff. 680 BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 18, ZIP 2020, 1118. 681 Eingehend BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 22 ff, ZIP 2020, 1064, 1065 ff für AG sowie im Wesentlichen wortgleich BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 18 ff, ZIP 2020, 1118 f für KGaA; OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B I 2 der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2004 f; auch schon OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177, 2178 li Sp; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80; Haase DB 1977, 241, 243 f. Ebenso zur Beschlussmängelklage Hüffer/Koch14 § 245 Rdn 37 und hM. Nach teilweise aA ist der Insolvenzverwalter neben dem Vorstand klagebefugt, so Großkomm/K Schmidt4 § 245 Rdn 37; K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 245 Rdn 31 und § 256 Rdn 40, der überdies die Klagebefugnis des Verwalters nicht von einem Massebezug abhängig machen will. 682 Eingehend wiederum OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B I 2 a) der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2004; auch BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 24 ff, ZIP 2020, 1064, 1065 ff für AG sowie im Wesentlichen gleichlautend BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 19 ff, ZIP 2020, 1118, 1119 für KGaA. 683 BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 29, ZIP 2020, 1064, 1066 für AG und im Wesentlichen wortgleich BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 24, ZIP 2020, 1118, 1119 re Sp für KGaA; zum Ganzen auch Haase DB 1977, 241, 243 f. 684 BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 44 ff, ZIP 2020, 1064, 1067 ff; BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 47 ff, ZIP 2020, 1118, 1121 li Sp für KGaA; OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B I 3 der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2005; OLG Dresden 9.11.2017 – 8 U 772/17, Ziff B.IV.2.a) der Entscheidungsgründe, ZIP 2018, 201069, 1071 f; Haase DB 1977, 241, 244 re Sp.

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Hinblick auf Jahresabschlüsse für die Zeit vor der Insolvenz.685 Erhebt ein Aktionär in der Insolvenz Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage, muss er diese (1) gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes richten, wenn die Klage im Erfolgsfall nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse hat. Wird dagegen (2) die Masse durch die Klage nicht betroffen oder (3) im Erfolgsfall vorteilhaft betroffen, muss die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand und den Aufsichtsrat, verklagt werden, weil im Fall (2) der Insolvenzverwalter mit der Sache nichts zu tun hat und man es ihm im Fall (3) nicht zumuten kann, einen für die Masse nachteiligen Jahresabschluss zu verteidigen.686 Aus denselben Gründen wird eine schon rechtshängige Aktionärsklage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nur dann nach § 240 ZPO unterbrochen, wenn ein der Klage stattgebendes Urteil zu einer Verringerung der Insolvenzmasse führt;687 dann kann der Insolvenzverwalter den Prozess aufnehmen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des klagenden Aktionärs führt ebenfalls zur Unterbrechung des Rechtsstreits688 mit Wiederaufnahmebefugnis des Insolvenzverwalters 228 Mehrere Kläger sind Streitgenossen (§§ 59 ff ZPO), und zwar notwendige Streitgenossen aus prozessualem Grund (§ 62 Fall 1 ZPO),689 weil ein der Klage stattgebendes Urteil Rechtskraftwirkung für und gegen alle hat690 (Rdn 224). Die Klagen sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden (§ 249 Abs 2 Satz 1). Jeder Kläger bleibt zwar Herr seines eigenen Nichtigkeitsprozesses, aber das Prozessverhalten eines Streitgenossen wirkt zum Teil auch für die anderen.691 Wenn einer von mehreren Streitgenossen mit seinem Vorbringen durchdringt, kommt der Erfolg der Nichtigkeitsklage entsprechend § 248 Abs 1 auch den übrigen Streitgenossen zu Gute; dann bedarf es keiner Prüfung der von ihnen (zusätzlich) gegen denselben Jahresabschluss vorgebrachten Nichtigkeitsgründe.692 Will ein Aktionär den Bestand des Jahresabschlusses verteidigen, so kann er der be229 klagten Gesellschaft im Prozess nach § 66 Abs 1 ZPO als Nebenintervenient beitreten.693

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685 OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B i 2 a) der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2004; Hüffer/Koch13 Rdn 31. 686 BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 38 f, ZIP 2020, 1064, 1067; auch BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 39 f, ZIP 2020, 1118, 1121 li Sp für KGaA. Ebenso zur Beschlussmängelklage mwN Hüffer/Koch14 § 246 Rdn 29 und 31. 687 Im selben Sinne zur Beschlussmängelklage BGH 19.7.2011 – II ZR 246/09, Rdn 9, BGHZ 190, 291, 293 = ZIP 2011, 1862, 1863 mwN zur gleichlautenden st Rspr und hM. 688 BGH 24.10.2017 – II ZR 16/16, Rdn 14 ff, NZG 2018, 32, 33 (betr Beschlussmängelklage gegen GmbH). 689 OLG Frankfurt 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986 re Sp; OLG Stuttgart 23.1.2002 – 20 U 54/01, AG 2003, 165, 166 re Sp. Ebenso zum Beschlussmängelprozess BGH 16.2.2009 – II ZR 185/07, Rdn 55, BGHZ 180, 9, 38 („Kirch/Deutsche Bank“); Großkomm/K Schmidt4 § 246 Rdn 29 und § 249 Rdn 26; hM. 690 BGH 16.2.2009 – II ZR 185/07, Rdn 55, BGHZ 180, 9, 38 („Kirch/Deutsche Bank“); OLG Stuttgart 23.1.2002 – 20 U 54/01, AG 2003, 165, 166 Re Sp; Großkomm/K Schmidt4 § 246 Rdn 29 und § 249 Rdn 26. 691 Zu den Wirkungen der notwendigen Streitgenossenschaft siehe die Kommentare zu § 62 ZPO. Speziell zur Rechtsmitteleinlegung BGH 11.10.2010 – II ZR 93/08, Beck RS 2010, 28287 (betr Jahresabschluss-Nichtigkeitsprozess) sowie BGH 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 34 (betr Beschlussanfechtungsprozess). 692 So BGH 16.2.2009 – II ZR 185/07, Rdn 55, BGHZ 180, 9, 38 („Kirch/Deutsche Bank“) zur BeschlussAnfechtungsklage. 693 OLG Schleswig 28.1.1993 – 5 U 210/91, AG 1993, 431, 432 f; OLG Frankfurt/Main 18.10.2001 – 5 W 16/01, AG 2002, 88, 89 li Sp; OLG Stuttgart 7.5.1992 – 13 U 140/91, AG 1992, 459, 460; Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 696 f; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; MünchKomm/J Koch4 Rdn 72 und Hüffer/Koch14 Rdn 31; vgl hierzu und zum Folgenden auch Großkomm/K Schmidt4 § 246 Rdn 42–47 und § 249 Rdn 26 zur Nebenintervention im Beschlussanfechtungs- und -Nichtigkeitsprozess.

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Auch auf Seiten eines Nichtigkeitsklägers kommt eine Nebenintervention in Betracht,694 dies allerdings nur innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung der Klage in den Gesellschaftsblättern (§ 246 Abs 4 Satz 2 und hierauf verweisend § 249 Abs 1 Satz 1 sowie § 256 Abs 7 Satz 1).695 Das für eine Nebenintervention erforderliche rechtliche Interesse am Obsiegen der unterstützten Hauptpartei (§ 66 Abs 1 ZPO) ergibt sich beim Aktionär schon daraus, dass ein stattgebendes Urteil ihm gegenüber Rechtskraft entfaltet (§ 248 Abs 1 Satz 1),696 und folgt damit letzlich schon aus der Aktionärsstellung.697 Wegen der Rechtskrafterstreckung ist der intervenierende Aktionär nach §§ 69 und 61 ZPO streitgenössischer Nebenintervenient der unterstützten Hauptpartei.698 Als streitgenössischer Nebenintervenient kann sich der Aktionär mit seinen Prozesshandlungen auch in Widerspruch zur Hauptpartei setzen, selbständig Rechtsmittel einlegen und im Falle der Nebenintervention auf Seiten der beklagten Gesellschaft einem Anerkenntnis der Gesellschaft widersprechen. 699 Dritte Personen können ebenfalls der einen oder anderen Prozesspartei als Nebenintervenienten beitreten, wenn sie ein rechtliches Interesse an deren Obsiegen haben,700 und sie können sogar streitgenössische Nebenintervenienten sein, wenn sie durch die Rechtskraft des Urteils in eigenen Rechten betroffen sind,701 wie zum Beispiel partiarisch Berechtigte (vgl Rdn 213). Wenn ein klagender Aktionär während des Prozesses seine Aktien veräußert 230 oder durch einen Ausschluss aus der Gesellschaft (squeeze out) oder dadurch verliert, dass er im Zuge von Strukturveränderungen ein Abfindungsangebot der Gesellschaft annimmt, kommt die Bestimmung des § 265 Abs 2 Satz 1 ZPO ins Spiel. Hiernach hat „[d]ie Veräußerung [der streitbefangenen Sache] oder [die] Abtretung [des geltend gemachten Anspruchs] auf den Prozess keinen Einfluss“, das heißt der bisherige Kläger führt den Prozess ungeachtet der Veräußerung oder Abtretung fort, obwohl er jetzt nicht mehr Rechtsinhaber ist. Entsprechend dieser Regel bleibt im Prozess über die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses nach herrschender Meinung der veräußern-

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694 LG Frankfurt 19.6.2008 – 3-05 O 158/07, NZG 2009, 149, 150 li Sp. Vgl zur Nebenintervention im Beschlussmängelprozess BGH 23.4.2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136; BGH 15.6.2009 – II ZB 8/08, WM 2009, 1572 f (auch zu den Prozesskosten); Großkomm/K Schmidt4 § 246 Rdn 46 und § 249 Rdn 26. 695 Für die Nebenintervention auf Seiten der beklagten Gesellschaft gilt diese Frist nicht entsprechend, BGH 15.6.2009 – II ZB 8/08, WM 2009, 1572 f. 696 Zur Beschluss-Anfechtungsklage BGH 23.4.2007 – II ZB 29/05, Rdn 10 und 17, BGHZ 172, 136, 140 und 142; BGH 26.5.2008 – II ZB 23/07, AG 2008, 630, 631 f; beide betr Nebenintervention auf Seiten des Anfechtungsklägers; OLG Nürnberg 17.7.2009 – 12 W 1050/09, ZIP 2009, 2470, 2471, betr Nebenintervention auf Seiten der beklagten Gesellschaft. 697 Zur Beschluss-Anfechtungsklage BGH 23.4.2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136, 142, Rdn 17; BGH 26.5.2008 – II ZB 23/07, AG 2008, 630, 632. 698 Zum Jahresabschluss-Nichtigkeitsprozess ausführlich OLG Schleswig 28.1.1993 – 5 U 210/91, AG 1993, 431, 432 f (betr Nebenintervention auf Seiten der beklagten Gesellschaft); Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 696 f; des Weiteren LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 539 re Sp (betr Nebenintervention auf Seiten des Nichtigkeitsklägers); MünchKomm/J Koch4 Rdn 72; Hüffer/Koch14 Rdn 31; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; auch OLG Frankfurt/Main 18.10.2001 – 5 W 16/01, AG 2002, 88, 89 li Sp. Ebenso zum Beschlussanfechtungsprozess BGH 23.4.2007 – II ZB 29/05, Rdn 9 f, BGHZ 172, 136, 139 f; BGH 15.6.2009 – II ZB 8/08, WM 2009, 1572, 1573 li Sp (betr Nebenintervention auf Seiten der beklagten Gesellschaft); Großkomm/K Schmidt4 § 246 Rdn 44 und § 249 Rdn 26. 699 Zur allgemeinen prozessrechtlichen Stellung des streitgenössischen Nebenintervenienten siehe die Kommentare zu § 69 ZPO. Speziell zur Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage siehe OLG Schleswig 28.1.1993 – 5 U 210/91, AG 1993, 431, 432; Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 696 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 72; vgl auch OLG Dresden 16.2.2006 – 2 U 290/05, WM 2006, 2177, wo das Berufungsverfahren gar nicht mehr von der Gesellschaft, sondern nur noch von deren Streithelfern geführt wurde. 700 Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 697 ff (für Nebenintervention auf Seiten der Gesellschaft); vgl auch Großkomm/K Schmidt4 § 246 Rdn 43 und § 249 Rdn 26. 701 Vgl Großkomm/K Schmidt4 § 246 Rdn 44 aE und § 249 Rdn 26.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

de beziehungsweise abgefundene oder ausgeschlossene Aktionär klagebefugt, wenn er ein rechtliches Interesse an der Fortführung des Rechtsstreits hat.702 Andere lassen schon ein wirtschaftliches Interesse genügen703 oder verlangen gar kein besonderes Prozessfortführungsinteresse.704 Ebenso wie mit der Anfechtungsklage wollen die meisten mit der Beschlussnichtigkeitsklage verfahren.705 Nach anderer Auffassung kann dagegen der Kläger und ehemalige Aktionär seine Klage jetzt nur noch als gewöhnliche Feststellungsklage nach § 256 ZPO weiterführen,706 also mit Urteilswirkung nicht mehr für alle, sondern nur zwischen den Parteien, und nur mit besonderem, individuellen Feststellungsinteresse (vgl Rdn 244 f). Der letzteren Ansicht hat sich das OLG München auch für die Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage angeschlossen.707 Es ist hier nicht der Ort, das alles zu klären. Wenn man ein besonderes Interesse des Klägers an der Fortführung des Rechtsstreits verlangt, wird dem ausgeschiedenen Aktionär ein solches Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses in der Regel fehlen. Es ergibt sich beim squeeze out auch nicht ohne Weiteres aus dem Anliegen, im anschließenden Spruchverfahren eine höhere Abfindung zu erwirken, denn hierfür ist das Spruchverfahren der speziellere und daher grundsätzlich vorrangige Rechtsschutzbehelf. Anders nur, wenn die Gültigkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses einen besonderen und konkret darzulegenden Einfluss auf die Höhe der Abfindung hat.708 231

ff) Darlegungs- und Beweislast. Auch für die Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage gilt der Grundsatz, dass jede Partei im Prozess die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm trägt. Wer also die Nichtigkeit des Jahresabschlusses gerichtlich geltend macht, muss die Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich diese ergibt.709 Werden etwa Bewertungsmängel ins Feld geführt, so muss der Kläger die einzelnen Vermögensgegenstände, Schulden oder Rückstellungen oder sonstigen Bilanzpositionen benennen, auf die sich der angebliche Be-

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702 BGH 9.10.2006 – II ZR 46/05, BGHZ 169, 221, 225 ff (betr aktienrechtlichen Squeeze Out); ebenso Henze/Born/Drescher Aktienrecht – Höchstrichterliche Rechtsprechung6 Rdn 1656 ff; mit gleichem Ansatz auch schon BGH 25.2.1965 – II ZR 287/63, BGHZ 43, 261, 266 ff (für den Fall der Veräußerung eines GmbHGeschäftsanteils). Ähnlich, doch weitergehend Großkomm/K Schmidt4 § 245 Rdn 17 (wonach – negativ gewendet – die Klagebefugnis nur dann wegfällt, wenn die Übertragung der Aktien das Anfechtungsinteresse entfallen lässt). Nach älterer Auffassung sollte dagegen mit der Veräußerung oder dem Verlust der Aktien die Anfechtungsbefugnis wegfallen; A Hueck Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, 1924, S 138 f; Baumbach/Hueck/Hueck13 § 245 Rdn 2; Arens Streitgegenstand und Rechtskraft im aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren, 1960, S 93. 703 So MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 245 Rdn 27 a E; KK/Noack/Zetzsche3 § 245 Rdn 55 aE. 704 KK/Zöllner1 § 245 Rdn 32; K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 245 Rdn 26 f. 705 KK/Noack/Zetzsche3 § 249 Rdn 20 f (rechtliches Interesse an der Fortführung des Prozesses nicht erforderlich); Großkomm/K Schmidt4 § 249 Rdn 15; K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 249 Rdn 4. 706 Für die Beschluss-Nichtigkeitsklage MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 249 Rdn 13; wohl auch BGH 31.10.1998 – LwZR 1/98, AG 1999, 180, 181 (betr LPG). 707 OLG München 8.7.2009 – 7 U 1777/08, ZIP 2009, 2314 f. 708 OLG München 8.7.2009 – 7 U 1777/08, ZIP 2009, 2314 f (Klage abgewiesen). Vgl aber auch BGH 9.10.2006 – II ZR 46/05, BGHZ 169, 221, 228 ff, betr eine Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über die Zustimmung zur Veräußerung großer Unternehmensteile unter Wert; hier hat der BGH das Prozessfortführungsinteresse des klagenden Aktionärs nach einem squeeze-out bejaht. 709 So besonders nachdrücklich OLG Frankfurt 7.11.2006 – 5 U 109/05, AG 2007, 401, 402 li Sp; OLG Frankfurt 12.11.2013 – 5 U 14/13, ZIP 2013, 2403, 2405 („Kirch/Deutsche Bank“); OLG München 7.1.2008 – 7 U 3773/07, WM 2008, 876, 878 f sowie als Vorinstanz LG München I 12.4.2007 – 5 HK O 23424/06, Der Konzern 2007, 537, 538 li Sp; OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 536 li Sp; auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80 aE; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 156, auch S 80; wohl unstreitig.

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wertungsmangel bezieht, und er muss die Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass diese Positionen mit einem anderen Wert hätten angesetzt werden müssen.710 Entsprechendes gilt für das Vorsatzerfordernis bei der Unterbewertung nach § 256 Abs 5 Nr 2711 (vgl aber auch Rdn 233). Die Beweislastumkehr zulasten der Organmitglieder, die das Gesetz an anderer Stelle bei der Schadensersatzklage gegen Vorstandsmitglieder anordnet (§ 93 Abs 2 Satz 2), kommt bei der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage nicht entsprechend zulasten der Gesellschaft zur Geltung.712 Bei denjenigen Abschlussmängeln, die grundsätzlich als solche zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen und nur ausnahmsweise unbeachtlich bleiben, wenn sie unwesentlich sind, wie die Überbewertung und andere Verstößen gegen den Gläubigerschutz (Rdn 52, 85 ff, 113), ist allerdings die Unwesentlichkeit des Abschlussmangels eine Einwendung und prozessual gesehen eine Einrede, deren Tatsachengrundlage die beklagte Gesellschaft darlegen und beweisen muss.713 Das sind für klagende Aktionäre hohe Hürden, denn sie kennen in aller Regel die Hin- 232 tergründe des Abschlusses viel weniger als die Organmitglieder der Gesellschaft714 und haben vor allem keinen Einblick in die Buchführung. Man kann daher über prozessuale Beweiserleichterungen zugunsten des Nichtigkeitsklägers nachdenken. Wenn die darlegungs- und beweisbelastete Partei dem umstrittenen Geschehen wesentlich ferner steht als die Gegenpartei, sinken im Zivilprozess oftmals die Substanziierungsanforderungen an die belastete Partei, während umgekehrt die Anforderungen an ein Bestreiten durch den Gegner steigen,715 und wenn der Gegenvortrag hiernach nicht genügend substanziiert ist, bleibt er unbeachtlich und wirkt wie ein Zugeständnis (§ 138 Abs 3 ZPO).716 Diese allgemeinen zivilprozessrechtlichen Grundsätze müssen jedoch bei der JahresabschlussNichtigkeitsklage hinter den speziellen aktienrechtlichen Schutzbehelfen zurückstehen. Klagewillige Aktionäre können und müssen in Fällen, in denen die Tatsachen nicht offen zu Tage liegen, zunächst ihr Auskunftsrecht in der Hauptversammlung nach § 131 geltend machen717 und/oder eine Sonderprüfung nach § 142 oder § 258 durchsetzen.718 Eine

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710 OLG München 7.1.2008 – 7 U 3773/07, WM 2008, 876, 877, 878 re Sp. 711 BGH 31.10.1978 – KZR 5/77, BB 1979, 387, 389; OLG München 7.1.2008 – 7 U 3773/07, WM 2008, 876, 879 li Sp; OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196 f; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 52; MünchKomm/J Koch4 Rdn 62 und Hüffer/Koch14 Rdn 27; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 20 aE; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 71. 712 BGH 31.10.1978 – KZR 5/77, BB 1979, 387, 389; OLG Düsseldorf 22.3.1977 – U (Kart.) 5/76, AG 1977, 195, 196 f als Vorinstanz. 713 Ebenso Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80 aE. 714 S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 156. 715 So zum allgemeinen Beweisrecht BGH 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, BGHZ 109, 139, 149; BGH 20.4.2004 – X ZR 250/02, BGHZ 159, 1, 13; BGH 5.10.2004 – XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 320; Kern in Stein/Jonas, ZPO23, 2016, § 138, 30 ff; Jauernig/Hess Zivilprozessrecht30 § 50 Rdn 3 (S 202), auch § 43 Rdn 7 (S 175). Im gleichen Sinne speziell zum Gesellschaftsrecht BGH 19.2.2013 – II ZR 56/12, Rdn 16 und 27–30, BGHZ 196, 195, 201 und 205–207 (betr Vorgänge im Aufsichtsrat bei Wahlanfechtungsklage eines Aktionärs); BGH 17.12.2001 – II ZR 348/99, WM 2002, 289, 291 = NZG 2002, 176, 178 li Sp (betr Rechtsstreit um die Abfindung eines ausgeschlossenen GmbH-Gesellschafters); mit gleichem Ansatz, doch zurückhaltend LG Bonn 27.4.2005 – 16 O 13/04, Der Konzern 2005, 455, 458 f (betr Konzern-Haftungsklage nach §§ 317 Abs 4, 309 Abs 4); sehr weitgehend BGH 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 48 f („Kali + Salz“) zur Anfechtung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses mit Bezugsrechtsausschluss (aber dort ist die Klagefrist – und damit auch die Zeit für die Sachaufklärung – viel kürzer). 716 BGH 10.3.1986 – II ZR 107/85, NJW 1986, 3193, 3194; Stein/Jonas/Kern23 § 138 Rdn 34. 717 OLG Frankfurt 12.11.2013 – 5 U 14/13, ZIP 2013, 2403, 2405 („Kirch/Deutsche Bank“); OLG Karlsruhe 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 536 li Sp; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80 aE. 718 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 80 aE. Ebenso zur Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses wegen angeblich fehlerhafter Konzernrechnungslegung OLG Düsseldorf 14.12.2006 – 6 U 241/05, NZG 2007, 235, 236 re Sp. Vgl im selben Sinne zum Klagezulassungsverfahren im Vorfeld der derivativen Haftungsklage

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allgemeine Sonderprüfung nach § 142 kann zwar nicht den Jahresabschluss als Ganzen zum Gegenstand haben, wohl aber einzelne Abschlussposten.719 In besonderen Fällen kann es allerdings auch bei der Jahresabschluss-Nichtigkeits233 klage Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugunsten des Klägers geben. So beim Vorsatznachweis im Falle der Unterbewertung (siehe schon Rdn 98), denn er ist dem Auskunfts- und Sonderprüfungsverfahren kaum zugänglich. Und wenn die Gesetzmäßigkeit eines Jahresabschlusspostens aus der Buchführung nicht hervorgeht, weil diese unvollständig oder fehlerhaft ist, so trägt die Gesellschaft insoweit die Darlegungs- und Beweislast für die Gesetzmäßigkeit des Abschlusses.720 Für die Unrichtigkeit der Buchführung bleibt allerdings der Nichtigkeitskläger darlegungs- und beweisbelastet. Eine Beweislastverlagerung auf die Gesellschaft wird des Weiteren vorgeschlagen, wenn der Abschlussprüfer den Bestätigungsvermerk auf Grund von Einwendungen, die unter die Nichtigkeitstatbestände des § 256 fallen, einschränkt oder versagt721 (vgl Rdn 217, auch Rdn 210a). Daran ist richtig, dass eine solche Versagung oder Einschränkung ein starkes Argument dafür ist, dass entsprechende Abschlussmängel wirklich vorliegen, und soweit es um Tatsachen geht, die dem Abschlussprüfer zugänglich waren, kann es sich um ein Indiz für das Vorliegen dieser Tatsachen handeln. Die beklagte Gesellschaft muss sich dann schon etwas einfallen lassen, auch gegenbeweislich. 234

gg) Zeitliche Grenzen und Verhältnis zur Heilung. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses ist nicht fristgebunden. Doch zieht die Möglichkeit der Heilung des nichtigen Jahresabschlusses der Nichtigkeitsklage zeitliche Grenzen. Die Nichtigkeit kann nämlich gemäß § 256 Abs 6 nach Ablauf der Heilungsfrist nicht mehr geltend gemacht werden, das heißt sie fällt materiellrechtlich weg (Rdn 265). Eine dann noch erhobene Nichtigkeitsklage wäre unbegründet. Wird dagegen die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses vor Eintritt der Heilung rechtshängig, so verlängert sich die Heilungsfrist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat (§ 256 Abs 6 Satz 2 und hierzu auch unten Rdn 274). Gleiches gilt, wenn die Klage bei Ablauf der Heilungsfrist lediglich bei Gericht anhängig war und demnächst dem Gegner zugestellt wird (§ 167 ZPO).722 Eine nur gegen den Gewinnverwendungsbeschluss gerichtete Beschlussmängelklage verlängert dagegen nicht die Heilungsfrist nach § 256 Abs 6 Satz 2.723 Gibt das Gericht einer Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage statt, so steht die Nichtigkeit des Jahresabschlusses fest, und der Abschluss kann nicht mehr heilen, denn das würde dem Wesen der Rechtskraft widersprechen (Rdn 200, 270, 274). Wird hingegen die Klage abgewiesen, tritt Heilung ein, wenn sowohl das Urteil rechtskräftig geworden als auch die Heilungsfrist verstri-

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von Aktionären KK/Rieckers/Vetter3 § 148 Rdn 336; Gaschler Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 AktG, 2017, S 167 ff; Langenbucher DStR 2005, 2083, 2090 re Sp. 719 KK/Rieckers/Vetter3 § 142 Rdn 72, 123; eingehend Habersack in: FS Wiedemann, 2002, 889, 900 ff. 720 KK/Zöllner1 Rdn 15. 721 Erle Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers, 1990, S 63 f; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 80. 722 BGH 21.4.2020 – II ZR 412/17, Rdn 77, ZIP 2020, 1064, 1071 li Sp; ausführlich OLG Dresden 9.2.2017 – 8 U 576/16, Ziff B II 2 der Entscheidungsgründe, ZIP 2017, 2003, 2006 f (eher streng); des Weiteren LG Düsseldorf 20.4.2010 – 25 O 127/07, juris, Rdn 54 (eher großzügig); LG Düsseldorf 26.2.1988 – 40 O 255/80, AG 1989, 140 f zu § 270 Abs 3 ZPO aF, der Vorgängernorm des § 167 ZPO; auch OLG Düsseldorf 5.4.2001 – 6 U 91/00, AG 2003, 45, 46 re Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 79; Hüffer/Koch14 Rdn 30. 723 OLG Stuttgart 16.11.2005 – 20 U 2/05, WM 2006, 292, 295 li Sp; Großkomm/K Schmidt4 § 253 Rdn 9 und hM.

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chen ist.724 Entsprechendes gilt, wenn die Klage zurückgenommen oder die Erledigung der Hauptsache erklärt wird.725 Man darf es den Parteien nicht verwehren, die Zeitgrenze für die Klageerhebung 234a durch Vereinbarung in die Zukunft zu verschieben. Das kann sich vor allem im Hinblick auf die kurze sechsmonatige Heilungsfrist empfehlen, wenn Streit oder Ungewissheit über die Wirksamkeit des Jahresabschlusses und/oder über die Problemlösung besteht, die Heilungsfrist kurz vor dem Ablauf steht und eine Klage einstweilen vermieden werden soll. Dann kann die Gesellschaft mit einem Kläger-Kandidaten vereinbaren, dass dieser auch noch nach Ablauf der Heilungsfrist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis klagen kann, etwa wenn nicht bis dann und dann ein unparteiisches Fachgutachten vorliegt, dass der Abschluss in Ordnung ist, oder ein neuer Abschluss mit dem und dem Inhalt aufgestellt und festgestellt wird. Wenn es dazu nicht kommt und dann Klage erhoben wird, kann die Gesellschaft sich nicht auf den Eintritt der Heilung berufen, weil sie sich damit selbstwidersprüchlich verhalten würde, sondern sie muss sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als sei der Abschluss nicht geheilt. hh) Ausübungsschranken des Klagerechts. Die Klage auf Feststellung der Nich- 235 tigkeit des Jahresabschlusses setzt ebenso wenig wie die Beschlussmängelklage ein besonderes individuelles Rechtsschutzinteresse des Klägers voraus (Rdn 222). Ebenso wie eine Beschlussmängelklage kann aber auch die Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein (§ 242 BGB). So vor allem, wenn der Kläger mit seiner Klage das Ziel verfolgt, die beklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann.726 In besonders schweren Fällen haftet der klagende Aktionär der Gesellschaft sogar nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Schadensersatz.727 Außerdem kann das Klagerecht wie jedes Recht verwirkt werden (§ 242 BGB), wenn es längere Zeit nicht ausgeübt wird und die Gesellschaft darauf vertraut hat und aus besonderen Gründen darauf vertrauen durfte, dass es nicht mehr ausgeübt werde. Das setzt ein persönliches vertrauensstiftendes Verhalten des klageberechtigten Aktionärs oder Organmitglieds voraus. Manche sprechen darüber hinaus bei der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage auch 236 dann von Rechtsmissbrauch, wenn der geltend gemachte Abschlussmangel in keinem Verhältnis zu den Nachteilen steht, die eine gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit für die Gesellschaft mit sich bringen würde.728 Und zum GmbH-Recht hat der BGH entschieden, dass die Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft eine Klage gegen die Feststellung des Jahresabschlusses ausschließt, „wenn die Änderung des Jahresabschlusses zu Kosten und Belastungen der Gesellschaft und damit mittelbar auch der Gesellschafter führt, die außer Verhältnis zu dem den Gesellschaftern daraus er-

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724 MünchKomm/J Koch4 Rdn 67; KK/Zöllner1 Rdn 129; Hüffer/Koch14 Rdn 30 aE. 725 KK/Zöllner1 Rdn 129. 726 Zur Jahrsabschluss-Nichtigkeitsklage KG 29.10.2010 – 14 U 96/09, Ziff I. 2. a) der Entscheidungsgründe, NZG 2011, 146, 147 li Sp.; LG München I 22.12.2012 – 5 HK O 12398/08, Ziff I. 1. der Entscheidungsgründe, AG 2012, 386 li Sp. Zur Beschluss-Anfechtungsklage BGH 22.5.1989 – II ZR 206/88, BGHZ 107, 296, 311 und Leitsatz 3 („Kochs Adler“); OLG Frankfurt 13.1.2009 – 5 U 183/07, WM 2009, 309, 311 re Sp; Großkomm/K Schmidt4 § 245 Rdn 47 ff; Hüffer/Koch14 § 245 Rdn 22 ff mwN. 727 Vgl wiederum zur Beschluss-Anfechtungsklage OLG Frankfurt 13.1.2009 – 5 U 183/07, WM 2009, 309 sowie als Vorinstanz LG Frankfurt/M 2.10.2007 – 3-5 O 177/07, NZG 2007, 949; LG Hamburg 15.6.2009 – 321 O 430/07, WM 2009, 1330. 728 OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 996 li Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 95.

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wachsenden wirtschaftlichen Vorteil stehen“.729 Doch hier ist im Aktienrecht Zurückhaltung geboten. Die Aktiengesellschaft ist gegenüber ihren Mitgliedern stärker verselbständigt, und die Treuepflicht der Anteilseigner gegenüber der Gesellschaft ist daher schwächer ausgeprägt als in der GmbH, vor allem in Gesellschaften mit vielen Aktionären. Und was das Gewicht des geltend gemachten Abschlussmangels und sein Verhältnis zu den Folgen der Abschlussnichtigkeit für die Gesellschaft und ihre Aktionäre betrifft, so muss man bedenken, dass inhaltliche Mängel des Jahresabschlusses nach § 256 ohnehin nur dann auf die Wirksamkeit der Feststellung des Jahresabschlusses durchschlagen, wenn die Mängel hinreichendes Gewicht haben (Rdn 20, 68, 85 ff, 94 f, 113). Das gehört bereits zum Nichtigkeitstatbestand und nicht erst zu den Ausübungsschranken der Klagebefugnis. Besonderheiten gelten indessen, wenn ein ursprünglich gewichtiger und daher 237 nichtigkeitsbegründender Abschlussmangel nachträglich an Gewicht verliert, insbesondere wenn die Gesellschaft den Mangel in laufender Rechnung korrigiert, also in einem späteren Abschluss für die Zukunft überwindet 730 (vgl schon Rdn 27 ff). Dann ist der Jahresabschluss zwar nichtig, weil es hierfür auf den Zeitpunkt der Feststellung ankommt (Rdn 4, 89). Aber das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für eine Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage entfällt. Eine klageweise Geltendmachung der Nichtigkeit wäre jetzt unverhältnismäßig und würde im Widerspruch zum institutionellen Kontrollzweck der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage stehen (streitig, siehe Rdn 89), so dass eine Erhebung oder Weiterverfolgung der Klage in diesen Fällen missbräuchlich ist oder wird. Der institutionelle Missbrauch des Klagerechts macht die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses unzulässig (und nicht unbegründet), weil das Recht zur Erhebung der Nichtigkeitsklage kein materielles Gestaltungsrecht ist, sondern eine prozessuale Befugnis, die materiellrechtliche Nichtigkeit feststellen zu lassen.731 Bei missbräuchlichen Klagen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis als allgemeine Prozessvoraussetzung.732 Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage entfällt 237a dagegen nicht, wenn die Gesellschaft für das betreffende Geschäftsjahr einen neuen Jahresabschluss aufgestellt hat.733 Vielmehr besteht gerade dann ein schutzwürdiges Interesse an einer für alle verbindlichen Gerichtsentscheidung, ob der alte Abschluss gültig oder nichtig ist. Nur im letzteren Fall hat nämlich die Gesellschaft freie Bahn für eine vollständige inhaltliche Neugestaltung des Abschlusses (Rdn 250), wohingegen sie im ersteren Fall grundsätzlich auf eine punktuelle Korrektur der fehlerhaften Abschlussinhalte beschränkt ist (Rdn 263).

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729 BGH 21.7.2008 – II ZR 39/07, ZIP 2008, 1818, 1820 li Sp; fast wörtlich ebenso schon BGH 12.1.1998 – II ZR 82/93, ZIP 1998, 467, 471 re Sp („Tomberger“), in BGHZ 137, 378 nicht mit abgedruckt; beide betr Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der GmbH-Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses. 730 So lag es im Fall OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994. 731 OLG Stutttgart 23.1.2002 – 20 U 54/01, AG 2003, 165 f; LG München I 22.12.2012 – 5 HK O 12398/08, Ziff I. 1. der Entscheidungsgründe, AG 2012, 386 li Sp. Ebenso zur Beschluss-Nichtigkeitsklage nach § 249 OLG Frankfurt 19.2.1991 – 5 U 5/86, AG 1991, 208 re Sp; OLG Stutttgart 10.1.2001 – 20 U 91/99, AG 2001, 315, 316 re Sp; K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 249 Rdn 5 und hM. Dagegen ist eine missbräuchliche BeschlussAnfechtungsklage nach hM unbegründet, weil das Anfechtungsrecht ein materielles Gestaltungsrecht sei; BGH 15.6.1992 – II ZR 173/91, AG 1992, 448, 449; KK/Zöllner1 § 245 Rdn 89; Hüffer/Koch14 § 245 Rdn 30 mwN; anders mit guten Gründen Großkomm/K Schmidt4 § 245 Rdn 75; K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 245 Rdn 51 und einige andere. 732 OLG Frankfurt 19.2.1991 – 5 U 5/86, AG 1991, 208 re Sp. 733 BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 30 ff, ZIP 2020, 1118, 1120 f (betr KGaA).

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ii) Verhältnis zur Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung. Die Kla- 238 ge auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§§ 256 Abs 7 Satz 1, 249 Abs 1) überschneidet sich in ihren Voraussetzungen mit der Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung (§§ 258 ff), soweit es um die Unterbewertung von Bilanzposten im Jahresabschluss geht. Die Nichtigkeitsklage führt allerdings nur bei vorsätzlich irreführender Unterbewertung zum Erfolg (§ 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2), wohingegen für die Sonderprüfung eine nicht unwesentliche Unterbewertung genügt (§ 258 Abs 1 Nr 1). Auch die Rechtsschutzziele sind anders. Die Sonderprüfung lässt den festgestellten Jahresabschluss bestehen, und die Unterbewertung wird erst in einem späteren Abschluss behoben (§ 261). Eine Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung kann daher nur beantragt, angeordnet und durchgeführt werden, solange die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nicht durch rechtskräftiges Urteil festgestellt worden ist.734 Ansonsten schließen die beiden Verfahren einander nicht aus.735 Einer Klage auf Feststellung der Abschlussnichtigkeit steht es nicht entgegen, dass schon eine Sonderprüfung läuft oder stattgefunden hat. Haben allerdings die Aktionäre durch die Sonderprüfung nachträglich erhalten, was ihnen gebührt, macht das eine Unterbewertung, die zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses geführt hat, im Nachhinein unwesentlich, so dass das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtigkeitsklage entfällt (vgl Rdn 237, auch Rdn 89). Umgekehrt steht es der Sonderprüfung nicht zwingend entgegen, dass bereits eine Abschlussnichtigkeitsklage erhoben ist. Wird allerdings die Nichtigkeit des Jahresabschlusses durch Urteil rechtskräftig festgestellt, so verliert die Sonderprüfung ihre Grundlage und wird gegenstandslos. Das mit der Sonderprüfung befasste Gericht kann daher nach § 21 FamFG das Verfahren bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage aussetzen.736 jj) Meldepflichten (Abs 7 Satz 2) und Verhältnis zur Enforcement-Prüfung. Die 239 aktienrechtliche Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage hat Vorrang vor einer Enforcement-Prüfung, das heißt vor der Prüfung des Jahresabschlusses und des zugehörigen Lageberichts börsennotierter Gesellschaften durch die Prüfstelle für Rechnungslegung oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Nach § 342b Abs 3 Satz 1 HGB und § 107 Abs 3 Satz 1 WpHG findet nämlich eine solche Enforcement-Prüfung nicht statt, „solange eine Klage auf Nichtigkeit gemäß § 256 Abs 7 des Aktiengesetzes anhängig ist.“737 Diesen Gedanken greift § 256 Abs 7 Satz 2 auf und gebietet es bei börsennotierten Gesellschaften dem Prozessgericht, „der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Eingang einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit [des Jahresabschlusses] sowie jede rechtskräftige Entscheidung über diese Klage mitzuteilen“. Die EnforcementStellen bleiben dann während der Dauer des Nichtigkeitsprozesses ruhig. So wird der Vorrang der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage vor der Enforcement-Prüfung gewährleistet.738 Hinsichtlich der betroffenen Gesellschaften spricht § 256 Abs 7 Satz 2 von Aktien- 239a gesellschaften, die als Emittenten von zugelassenen Wertpapieren im Sinne von § 2 Abs 1

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734 MünchKomm/J Koch4 Rdn 73 aE, auch § 258 Rdn 65; Hüffer/Koch14 Rdn 31 aE; KK/Zöllner1 Rdn 116; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 22. 735 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 84; KK/Zöllner1 Rdn 116; Hüffer/Koch14 Rdn 31 aE. 736 Ebenso zum alten FG-Recht KK/Zöllner1 Rdn 116; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 22. 737 Diese Bestimmungen und auch § 256 Abs 7 Satz 2 sind 2004 durch das Bilanzkontrollgesetz (BilKoG) eingefügt worden (Rdn 15). Der jetzige § 107 Abs 3 Satz 1 WpHG war damals § 37o Abs 2 Satz 1 WpHG. 738 RegE BilKoG, BT-Drucks 15/3421 v 24.6.2004, Anlage 1, Begründung zu Art 5 Nr 2 (§ 142 AktG) und Nr 3 (§ 256 AktG), S 21 re Sp.

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WpHG die Bundesrepublik Deutschland nach § 2 Abs 13 WpHG als Herkunftsstaat haben. Die Gesetzesformulierung739 lehnt sich an die Bestimmungen der § 342b Abs 2 Satz 2 HGB und § 106 WpHG über den Anwendungsbereich der Enforcement-Prüfung an, um den Gleichlauf hiermit zu gewährleisten.740 Gemeint sind in § 256 Abs 7 Satz 2 Aktiengesellschaften, die (a) ihren Satzungssitz741 in Deutschland haben, denn nur sie fallen unter das AktG mit seinem § 256, und die (b) Aktien, Anleihen, Derivate oder andere Wertpapiere ausgegeben haben, welche an einem organisierten sowie staatlich genehmigten und überwachten Markt in Deutschland oder in einem anderen Land der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums zum Handel zugelassen sind. Ausgenommen sind Anteile und Aktien an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Abs 4 KAGB, weil diese Gebilde nicht der Enforcement-Prüfung durch die Prüfstelle für Rechnungslegung unterliegen (§ 342b Abs 2 Satz 2 HGB).742 Im vorliegenden Zusammenhang bezieht sich diese Ausnahme auf Investmentaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital nach §§ 108 ff KAGB. Wegen der Einzelheiten sei auf die Literatur zum HGB und vor allem zum WpHG verwiesen. 240 Die Mitteilung nach § 256 Abs 7 Satz 2 an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht obliegt dem Gericht erster Instanz, und zwar auch hinsichtlich der Verfahrensbeendigung in einer höheren Instanz, weil das Eingangsgericht hiervon Kenntnis erlangt.743 Wenn die Rechtsmittel ausgeschöpft sind, gehen nämlich die Prozessakten an die Eingangsinstanz zurück. Die Bundesanstalt reicht die vom Prozessgericht empfangenen Mitteilungen an die Prüfstelle für Rechnungslegung weiter, wenn diese eine Prüfung des betroffenen Unternehmens beabsichtigt oder eingeleitet hat (§ 108 Abs 3 WpHG). Um den Vorrang der Nichtigkeitsklage zu sichern, muss das Gericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht außer einer rechtskräftigen Entscheidung auch andere Ereignisse melden, die den Nichtigkeitsprozess beenden, wie etwa eine Klagerücknahme744 oder ein Vergleich. Das alles gilt aber nur für aktienrechtliche Jahresabschluss-Nichtigkeitsklagen nach § 256 Abs 7, nicht für allgemeine Feststellungsklagen nach § 256 ZPO oder für sonstige Klagen,745 weil diese gegenüber dem EnforcementVerfahren nicht vorrangig sind. Der Vorrang der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage vor der Enforcement-Prüfung 241 soll die Gefahr divergierender Entscheidungen abwenden746 und den Enforcement-Stellen sinnlose Arbeit ersparen. Eine Enforcement-Prüfung der Rechnungslegung börsennotierter Unternehmen ist zwar nicht auf Nichtigkeitsgründe beschränkt, sondern bezieht sich allgemein darauf, ob Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen.747 Eine erfolgreiche Nichtigkeitsklage wird allerdings meistens dazu führen, dass die Gesellschaft den nichtigen Jahresabschluss durch einen neuen und inhaltlich anderen Ab-

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739 Sie stammt aus dem Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechtsrichtlinie (ARUG II), vom 12.12.2019, BGBl I, S 2637, hier Art 1 Nr 26. 740 RegE ARUG II, BT-Drucks 19/9739 v 29.4.2019, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 20 (betr § 142 Abs 7 AktG), S 108 und hierauf verweisend Begründung zu Art 1 Nr 28 (betr § 256 Abs 7 AktG), S 115. 741 Auf diesen und nicht auf den Verwaltungssitz kommt es nach § 2 Abs 13 WpHG an, siehe Assmann in Assmann/Uwe H Schneider/Mülbert (Hrsg), Wertpapierhandelsrecht7 2019, § 2 WpHG Rdn 224. 742 Auch das betont der RegE ARUG II, wie Fn 740. 743 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 82; MünchKomm/J Koch4 Rdn 76. Anders KK/A Arnold3 Rdn 88. 744 Ebenso Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 82; KK/A Arnold3 Rdn 88. Anders Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 42; MünchKomm/J Koch4 Rdn 76. 745 MünchKomm/J Koch4 Rdn 76; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 22. 746 RegE BilKoG, BT-Drucks 15/3421 v 24.6.2004, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 2 (§ 342b HGB), S 14 re Sp; IDW-Stellungnahme zum RefE für das BilKoG, WPg 2004, 138, 140 li Sp; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 404 ff; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 85. 747 Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 403 f.

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schluss ersetzt (vgl Rdn 254 ff). Dann wäre es nicht sinnvoll, den alten Abschluss im Enforcement-Verfahren zu überprüfen. Die Nichtigkeitsklage sperrt daher die Enforcement-Prüfung nicht nur hinsichtlich der klageweise bemängelten Posten, sondern insgesamt.748 Ein schon eingeleitetes Enforcement-Verfahren muss ausgesetzt oder eingestellt werden, wenn eine Abschluss-Nichtigkeitsklage erhoben wird,749 und ebenso ein gerichtliches Beschwerdeverfahren, das nach § 113 WpHG auf dem EnforcementVerfahren aufbaut.750 Nach dem erfolglosen Ende des Nichtigkeitsprozesses kann ein ausgesetztes Enforcement- oder Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden; man muss also nicht von neuem beginnen.751 Ein rechtskräftiges Urteil, das die Nichtigkeit des Jahresabschlusses feststellt, bin- 242 det durch seine erweiterte Rechtskraftwirkung (Rdn 223 f) auch die Enforcement-Stellen. Das gilt zwar nur für die Nichtigkeits-Feststellung als solche, nicht für die Urteilsgründe,752 aber wenn der Abschluss als Ganzes nicht gilt, ergibt eine Enforcement-Prüfung keinen Sinn (Rdn 241). An ein klageabweisendes Urteil im Nichtigkeitsprozess sind die Enforcement-Stellen dagegen nicht gebunden.753 Auch wenn Nichtigkeitsgründe durch Zeitablauf geheilt sind, können sie im Enforcement-Verfahren durch die Prüfstelle für Rechnungslegung oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht weiterhin geltend gemacht werden.754 Der Abschlussmangel bleibt ja bestehen, und nur die gesellschaftsrechtliche Nichtigkeitssanktion entfällt (Rdn 265), aber um die geht es im Enforcement-Verfahren nicht. Umgekehrt ist eine Nichtigkeitsklage theoretisch auch noch möglich, wenn bereits eine Enforcement-Prüfung läuft oder stattgefunden hat, ja selbst dann noch, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Abschluss nicht fehlerhaft ist.755 Das Gericht, das über die Nichtigkeitsklage entscheidet, ist an die Ergebnisse der Enforcement-Prüfung nicht gebunden,756 weil die Aktionäre, die im Nichtigkeitsprozess ihre Stimme erheben können, sich am Enforcement-Verfahren nicht beteiligen konnten.757 Die Enforcement-Prüfung verhindert auch nicht den Ablauf der Frist für eine Heilung des Jahresabschlusses.758

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748 Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 42 Abs 2; MünchKomm/J Koch4 Rdn 76; KK/A Arnold3 Rdn 14; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 406; Mock DB 2005, 987, 990 li Sp. Anders Mattheus/Schwab BB 2004, 1099, 1104 ff. 749 MünchKomm/J Koch4 Rdn 76; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 85; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 42 Abs 2 f; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 406; Mattheus/Schwab BB 2004, 1099, 1104 re Sp, 1106 re Sp. 750 Mattheus/Schwab BB 2004, 1099, 1104 re Sp (zum wortgleichen damaligen § 37u WpHG); Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 85. 751 Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 21; W Müller ZHR 168 (2004), 414, 416. 752 Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 406; Mattheus/Schwab BB 2004, 1099, 1104 re Sp, 1106 re Sp; Hüffer/Koch14 Rdn 31a; Gelhausen/Hönsch AG 2005, 511, 517 li Sp. 753 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 85; BeckBil-Komm/Grottel12 § 342b HGB Rdn 73. Zu sehr einschränkend Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 406 sowie Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 21 (Enforcement-Verfahren nur noch betr Fehler unterhalb der Nichtigkeitsschwelle). 754 MünchKomm/J Koch4 Rdn 68 aE; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 85 aE; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 19; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 408; Mock DB 2005, 987, 990 re. Sp. 755 Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 407. 756 KK-WpHG/Hirte/Mock § 37q Rdn 29 ff; KK/A Arnold3 Rdn 14; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 407; Mock DB 2005, 987, 988 ff; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 85; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 42 Abs 3; Assmann/Schneider/Mülbert/Hönsch7 § 109 WpHG Rdn 5. Anders Mattheus/Schwab BB 2004, 1099, 1106 für den Fall, dass im Enforcement-Verfahren ein Fehler des Jahresabschlusses festgestellt wird. 757 KK-WpHG/Hirte/Mock § 37q Rdn 29; Mock DB 2005, 987, 988. 758 Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 42 Abs 4.

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b) Allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) 243

aa) Statthaftigkeit. Im Zusammenhang mit der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen bestimmt § 249 Abs 1 Satz 2: „Es ist nicht ausgeschlossen, die Nichtigkeit auf andere Weise als durch Erhebung der Klage geltend zu machen“, also auf andere Weise als durch Erhebung der aktienrechtlichen Beschlussnichtigkeitsklage nach § 249 Abs 1 Satz 1. Entsprechend verhält es sich hinsichtlich der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses, weil § 256 Abs 7 Satz 1 auf § 249 insgesamt verweist.759 Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann namentlich zum Gegenstand einer gewöhnlichen Feststellungsklage nach § 256 ZPO gemacht werden.760 Gemäß dieser Bestimmung kann „auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses … Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis … durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.“

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bb) Feststellungsinteresse und Klagebefugnis. Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO besteht nur dann, wenn das Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht durch weitergehende oder speziellere Rechtsbehelfe verwirklicht werden kann.761 Eine allgemeine Feststellungsklage, mit der die Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft festgestellt werden soll, kann daher nur von denjenigen Personen erhoben werden, denen die besondere aktienrechtliche Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage nach §§ 256 Abs 7 Satz 1 und 249 Abs 1 Satz 1 verschlossen ist,762 also nicht von den Aktionären, dem Vorstand sowie den Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats. Insoweit geht die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage der allgemeinen Feststellungsklage vor. Feststellungs-Kläger nach § 256 ZPO können daher nur Personen außerhalb der Gesellschaft sein. Sie sind zwar nicht Partei des innergesellschaftlichen Rechtsgeschäfts über die Feststellung des Jahresabschlusses (vgl Rdn 1, 207 f). Aber das streitige Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 ZPO muss nicht notwendig zwischen den Prozessparteien bestehen, sondern es genügt, dass es für die Rechtsbeziehungen der Parteien von Bedeutung ist und der Kläger ein rechtliches Interesse an einer richterlichen Klärung hat.763 Als Feststellungskläger hinsichtlich der Nichtigkeit des Jahresabschlusses kommen hiernach etwa stille Gesellschafter in Betracht,764 oder der Treugeber, für den ein Aktionär treuhänderisch Aktien hält.765 Auch Gläubiger der Gesellschaft können ein schützenswertes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses haben, wenn der behauptete Fehler des Abschlusses oder seiner Feststellung sich auf den Bestand, die Höhe oder die Durchsetzbarkeit oder auf die Werthaltigkeit ihrer Forderungen auswirkt oder auswirken kann, wie vor allem bei den Gläubigern ergebnisabhängi-

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759 Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 688 f, 703. Im Ergebnis auch KK/Zöllner1 Rdn 112. 760 MünchKomm/J Koch4 Rdn 73 und Hüffer/Koch14 Rdn 31; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 81; KK/Zöllner1 Rdn 111; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94. 761 Stein/Jonas/Roth23 § 256 Rdn 59 mwN. 762 Vgl MünchKomm/J Koch4 Rdn 73 und Hüffer/Koch14 Rdn 31; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; KK/Zöllner1 Rdn 111. Wie im Text auch BGH 13.10.2008 – II ZR 112/07, WM 2009, 141, 142 (GmbH) zum Verhältnis zwischen gesellschaftsrechtlicher Beschlussmängelklage und der auf den Beschluss bezogenen Nichtigkeits-Feststellungsklage eines Dritten nach § 256 ZPO. 763 BGH 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 255; BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 196; Stein/Jonas/Roth23 § 256 Rdn 33 mwN; Bartels ZGR 2008, 723, 738 ff, 768 f. 764 KK/Zöllner1 Rdn 111; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 32. 765 Vgl BGH 13.10.2008 – II ZR 112/07, WM 2009, 141, 142 (GmbH), betr Klage nach § 256 ZPO auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung.

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ger Ansprüche766 (vgl Rdn 213). Ein Feststellungsinteresse fehlt diesen Personen allerdings in der Regel, soweit sie ihre Ansprüche im Wege einer Leistungsklage gegen die Gesellschaft verfolgen können.767 Die Gültigkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann und muss dann gegebenenfalls als Vorfrage im Leistungsprozess untersucht werden. Zur Erhebung einer Feststellungsklage gegen den Jahresabschluss einer Tochter-AG können auch Minderheitsgesellschafter der Konzernmutter befugt sein, wenn sie vorbringen, dass in der Tochter Konzerngewinne unrechtmäßig thesauriert oder verschleiert oder ausgewiesen werden.768 Jahresabschluss-Nichtigkeitsklagen von Aktionären und allgemeine Nichtigkeits-Feststellungsklagen anderer Personen können verbunden werden; die Kläger sind dann einfache Streitgenossen.769 cc) Wirkungen der Klage und des Urteils. Ein rechtskräftiges Urteil, das auf die 245 Feststellungsklage nach § 256 ZPO ergeht, wirkt nur zwischen den Parteien. Das gilt auch dann, wenn auf diesem Wege auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses geklagt wird.770 Eine solche Klage verhindert nicht nach § 256 Abs 6 Satz 2 AktG den Ablauf der Frist für die Heilung des Jahresabschlusses;771 diese Wirkung ist vielmehr der besonderen, gesellschaftsrechtlich verstärkten Nichtigkeitsklage nach §§ 249 und 256 Abs 7 Satz 1 vorbehalten. Ist allerdings die Abschlussnichtigkeit aufgrund einer allgemeinen Feststellungsklage vor Eintritt der Heilung durch rechtskräftiges Urteil zwischen den Parteien festgestellt, so kann die Gesellschaft dem Kläger die spätere Heilung nicht mehr entgegenhalten, denn das würde dem Wesen der Rechtskraft widersprechen. c) Geltendmachung der Nichtigkeit auf sonstige Weisen. Die Nichtigkeit des Jah- 246 resabschlusses kann auch noch auf weitere Weisen gerichtlich oder außergerichtlich geltend gemacht werden (§§ 256 Abs 7 Satz 1, 249 Abs 1 Satz 2, vgl schon Rdn 243). So können sich Aktionäre im Rahmen einer Beschlussmängelklage gegen den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung auf die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Jahresabschluss berufen,772 solange der Beschluss und der Abschluss noch nicht geheilt sind.773 Auch im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über die Entlastung von Organmitgliedern, kann die Nichtigkeit des Jahresabschlusses eine Rolle spielen, denn wer einen nichtigen Jahresabschluss zu verantworten hat, verdient sehr oft keine Entlastung (vgl Rdn 214). Umgekehrt kann die Gesellschaft die Nichtigkeit des Jahresabschlusses und des Gewinnverwendungsbeschlusses als Einwendung gegen Gewinnauszahlungsansprüche von Aktionären ins

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766 Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 32; Frantzen Genussscheine, 1993, S 223. Weitergehend KK/Zöllner1 Rdn 111 (Gläubiger grundsätzlich nach § 256 ZPO klagebefugt). 767 Allgemein zur weitgehenden Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage Stein/Jonas/Roth23 § 256 Rdn 59, 64 ff mwN. 768 Hierhin neigend auch BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, Rdn 29, BGHZ 170, 283, 297, betr KG. 769 Ebenso BGH 13.10.2008 – II ZR 112/07, WM 2009, 141, 142 li Sp (GmbH) zum Verhältnis zwischen gesellschaftsrechtlicher Beschlussmängelklage und allgemeiner Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung. 770 MünchKomm/J Koch4 Rdn 73 und Hüffer/Koch14 Rdn 31; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 94; Spindler/ Stilz/Rölike4 Rdn 81; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 41; Kowalski AG 1993, 502, 504 li Sp. Anders KK/Zöllner1 Rdn 111 aE. 771 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 88; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 81; Kowalski AG 1994, 502, 504 li Sp. 772 OLG Frankfurt 18.3.2008 – 5 U 171/06, WM 2008, 986, 987 f; OLG Frankfurt 7.11.2006 – 5 U 109/05, AG 2007, 401 f; vgl auch OLG Stuttgart 16.11.2005 – 20 U 2/05, WM 2006, 292, 295. 773 OLG Stuttgart 16.11.2005 – 20 U 2/05, WM 2006, 292, 295 re Sp.

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Feld führen.774 Eine solche Geltendmachung der Nichtigkeit verhindert allerdings nicht den Ablauf der Frist für die Heilung des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 6.775 3. Überwindung der Nichtigkeit a) Pflichtenlage und Ermessensspielräume. Die Aktiengesellschaft ist ihren Aktionären gegenüber gesellschaftsrechtlich verpflichtet, einen bestandsfesten und verbindlichen Jahresabschluss ins Werk zu setzen.776 Und die Mitglieder der Verwaltungsorgane sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, hierauf hinzuwirken777 (arg § 91 Abs 1 AktG und § 42a GmbHG). Ist die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig, so sind diese gesellschaftsrechtlichen Pflichten nicht erfüllt und müssen nach wie vor erfüllt werden.778 Ein bestandsfester Abschluss kann dann auf zwei Weisen zustande kommen: Man kann (1) für das betroffene Geschäftsjahr aufs Neue einen Jahresabschluss feststellen und hierbei den früheren Nichtigkeitsgrund vermeiden. So werden inhaltliche Abschlussmängel rückwärts gerichtet an der Fehlerquelle beseitigt (näher Rdn 250 ff). Oder man kann (2) die Heilung des nichtigen Jahresabschlusses nach § 256 Abs 6 abwarten und gegebenenfalls inhaltliche Mängel des Abschlusses, soweit sie noch fortwirken, in laufender Rechnung nachträglich korrigieren, also im letzten noch nicht festgestellten Jahresabschluss (vgl hierzu schon oben Rdn 27 ff sowie unten Rdn 249a, 265 ff und 288 f). Die Neuvornahme des Jahresabschlusses, das heißt seine erneute Feststellung, 248 die oftmals mit einer Neuaufstellung einhergehen wird (vgl Rdn 254 ff), ist der geradlinigste Weg zur Überwindung der Nichtigkeit. Die Neuvornahme beseitigt nicht nur die Nichtigkeitsfolge, sondern auch den zugrunde liegenden Fehler, und zwar an seiner Entstehungsquelle. Sie hat deshalb grundsätzlich Vorrang vor einem Abwarten der Heilung.779 Das folgt aus der Legalitätspflicht der Organmitglieder.780 Diese sind bei nichtigen Jahresabschlüssen zur erneuten Feststellung auch dann berechtigt und regelmäßig verpflichtet, wenn niemand Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses erhebt 781 oder die Nichtigkeit anderweitig geltend macht. Aber auch die Heilung des Jahresabschlusses schafft einen gesetzeskonformen Zustand. Das rechtfertigt es zwar nicht ohne weiteres, Regelverstöße bis zum Eintritt der Heilung hinzunehmen.782 Es kann je247

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774 KK/Zöllner1 Rdn 112; MünchKomm/J Koch4 § 256 Rdn 73 und § 253 Rdn 13; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 95; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 41 Abs 2. 775 BGH 3.11.1975 – II ZR 67/73, NJW 1976, 241 re Sp (insoweit nicht in BGHZ 65, 230); OLG Stuttgart 16.11.2005 – 20 U 2/05, WM 2006, 292, 295 re Sp (betr isolierte Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses); KK/Zöllner1 Rdn 112, 130. 776 Vgl KK/Zöllner1 Rdn 117. 777 Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 689, 694; Kropff WPg 2000, 1137, 1141; Caspar Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S 319; W Müller Liber amicorum Happ, 2006, 179, 187; Düring/Schmaltz WPg 1949, 7; ähnlich Barz in: FS Schilling, 1973, S 127, 132; W Müller FS Quack, 1991, S 359, 368. 778 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 15; Geist DStR, 306, 307. Speziell zur Pflicht der Verwaltung Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 24; Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 689, 694; auch W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 362, 368; Mock DB 2005, 987, 989; BGH 11.1.1960 – II ZR 69/59, WM 1960, 187, 189 re Sp zur Personengesellschaft. Zur Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber den Aktionären KK/Zöllner1 Rdn 117, auch 100; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 43; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 390. 779 Dies war vielleicht in der 4. Aufl dieses Kommentars nicht hinreichend klar zum Ausdruck gekommen. 780 MünchKomm/J Koch4 Rdn 82 und Hüffer/Koch14 Rdn 33; KK/A Arnold3 Rdn 94. Zur Legalitätspflicht im Allgemeinen Spindler/Stilz/Fleischer4 § 93 Rdn 14 ff. 781 Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 688 f. 782 MünchKomm/J Koch4 Rdn 82.

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doch besondere Situationen geben, in denen die Gesellschaftsorgane auch dann pflichtgemäß und rechtmäßig handeln, wenn sie einen Mangel des Jahresabschlusses oder seiner Prüfung oder Feststellung für eine Übergangszeit auf sich beruhen lassen und die Heilung abwarten. Insoweit haben die Gesellschaftsorgane einen Ermessensspielraum, den sie im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft und der Abschlussadressaten ausfüllen müssen. Das ist heute im Prinzip weitgehend anerkannt.783 Umstritten sind allerdings der Umfang dieses Spielraums sowie die Umstände, unter denen die Heilung abgewartet werden darf, und die Gehalte, die gegeneinander abzuwägen sind. Nach vielen und in neuerer Zeit zunehmenden Stimmen dürfen die Organmitglie- 248a der nur dann von einer Neuvornahme des Jahresabschlusses absehen und die Heilung abwarten, wenn diese gemäß § 256 Abs 6 Satz 1 schon nach sechs Monaten eintritt,784 also bei Verfahrensfehlern und manchen Prüfungsmängeln sowie beim Verstoß gegen Rücklageregeln. Zum Teil heißt es auch, die Heilung müsse zum Zeitpunkt, in dem die Handlungsorgane der Gesellschaft die Abschlussnichtigkeit erkennen, so kurz bevorstehen, dass eine erneute Feststellung des Abschlusses länger dauern oder jedenfalls nicht viel schneller vonstatten gehen würde als die Heilung,785 was wiederum vor allem bei den kurzen sechsmonatigen Heilungsfristen in Betracht kommt.786 In der Tat sind die kurzen Heilungsfristen geradezu eine Einladung des Gesetzes, die Heilung abzuwarten, und eine Neuvornahme des Jahresabschlusses wäre sinnlos, wenn die Heilung schon vorher eintritt und von dem Mangel kein weiteres Unheil droht. Der Ermessensspielraum der Gesellschaftsorgane zwischen der Neuvornahme des 249 Jahresabschlusses und dem Abwarten der Heilung geht jedoch weiter.787 Das fängt schon damit an, dass man oft nicht mit Sicherheit beurteilen kann, ob ein Gericht im Streitfall den Jahresabschluss für nichtig erachten wird (vgl hierzu auch Rdn 259a). Je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, desto mehr spricht dafür, die Heilung abzuwarten. Eine Neuvornahme des Jahresabschlusses ist außerdem für die Gesellschaft oft ein sehr aufwendiges Unterfangen,788 namentlich wenn mehrere aufeinander folgende Abschlüsse betroffen sind (näher Rdn 275 ff), und ganz besonders dann, wenn zwischenzeitlich aufgrund eines ebenfalls nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses (§ 253 Abs 1 Satz 1)

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783 Siehe die vielen nachfolgend Genannten. Anders und grundsätzlich gegen ein Abwarten der Heilung aber Geist DStR 1996, 306, 307 ff; Barz in: FS Schilling, 1973, 127, 132; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 45, auch Rdn 39 aE. Mit gleicher Tendenz S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 155; auch K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 37 (vgl Fn 784). 784 Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 389 f und MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 37, 58 f; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 242 ff; grundsätzlich ebenso Caspar Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S 319 f; mit erheblichen Einschränkungen auch K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 37, der ein Zuwarten allenfalls bei fehlerhafter Bestellung des Abschlussprüfers (§ 256 Abs 1 Nr 3 Fall 2) und bei formellen Fehlern der organinternen Willensbildung (§ 256 Abs 2 und Abs 3 Nr 1–2) tolerieren will. 785 So mit Unterschieden im Einzelnen MünchKomm/J Koch4 Rdn 82; Hüffer/Koch14 Rdn 33; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 90; KK/A Arnold3 Rdn 94; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 24; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 219 ff; mit gleichem Grundgedanken Schön in: FS 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, S 153, 163. 786 MünchKomm/J Koch4 Rdn 82; Hüffer/Koch14 Rdn 33; KK/A Arnold3 Rdn 94. 787 Mit gleichem Grundverständnis BayObLG 26.5.2000 – 3Z BR 111/00, BayObLGZ 2000, 150, 152; IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 8, 16; KK/Zöllner1 Rdn 118; Adler/Düring/Schmaltz6 § 256 Rdn 90 und § 172 Rdn 44 ff; Kowalski AG 1993, 502, 504 f; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 356 f, 359; Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 691; Jungius/A. Schmidt DB 2012, 1761 ff. 788 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 93 aE; Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 690; Kowalski AG 1993, 502, 505. Auch MünchKomm/J Koch4 Rdn 82 räumt das ein.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

schon Ausschüttungen vorgenommen worden sind. Eine Rückabwicklung nichtiger Gewinnausschüttungen kann überaus schwer zu bewerkstelligen sein. Sie ist oft auch fruchtlos, weil gutgläubige Aktionäre ihre Dividenden behalten dürfen (§ 62 Abs 1 Satz 2 und hierzu Rdn 210). Und sie ist letzten Endes sinnlos, wenn die Gesellschaft die Ausschüttung auch bei richtiger Rechnungslegung hätte vornehmen dürfen. Gerade auch das kann dafür sprechen, die Heilung des nichtigen Jahresabschlusses abzuwarten. Nur diese führt nämlich rechtssicher dazu, dass der Gewinnverwendungsbeschluss ebenfalls geheilt und gültig wird (§ 253 Abs 1 Satz 2), und das ist das einzig sinnvolle Ergebnis, wenn die Ausschüttung auch bei materiell richtiger Bilanzierung möglich gewesen wäre. Im Zuge einer Neuvornahme des Jahresabschlusses lässt sich dies auch nicht annähernd so sicher und bestandsfest erreichen (vgl Rdn 260 ff). Auch bei inhaltlichen Mängeln des Jahresabschlusses, die erst in drei Jahren hei249a len, kann ein Abwarten der Heilung im Einzelfall besser sein789 (s schon Rdn 28 f). Abschlussmängel verlieren nämlich im Lauf der Zeit immer mehr an Gewicht.790 Viele Mängel erledigen sich sogar mit Zeitablauf. Angenommen, es wird eine Rückstellung für einen drohenden Verlust nicht gebildet, und der Jahresabschluss ist deshalb nach § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 1 wegen Überbewertung nichtig (Rdn 84). Wenn dann in einem folgenden Geschäftsjahr der Verlust eintritt und im Jahresabschluss für dieses Geschäftsjahr zutreffend abgebildet wird, oder wenn umgekehrt der Verlust definitiv nicht eintritt, ist die Rechnungslegung für die Zukunft wieder im Lot. Ebenso liegt es, wenn die Gesellschaft die Rückstellung in einem späteren Jahresabschluss bildet. Auch eine solche Korrektur früherer Abschlussmängel in laufender Rechnung kann als Grund dafür ins Gewicht fallen, den früheren und nichtigen Abschluss bis zur Heilung auf sich beruhen zu lassen,791 solange auf dessen Grundlage noch keine Ausschüttungen stattgefunden haben, die bei richtiger Bilanzierung nicht hätten geschehen dürfen (vgl Rdn 27 ff, 89). Das Abwarten der Heilung wird nach alledem gar nicht so selten ein gesetzes- und pflichtkonformer Lösungsweg sein.792 Die Wahl des richtigen Wegs hängt vor allem davon ab, ob der Aufwand und die sonstigen Nachteile einer erneuten Abschlussfeststellung in Anbetracht des zu behebenden Fehlers und seiner voraussichtlichen Folgen gerechtfertigt sind. 249b Ist allerdings die Nichtigkeit des Jahresabschlusses durch rechtskräftiges Gerichtsurteil festgestellt, so kommt eine Heilung nicht mehr in Betracht, und dann bleibt nur der Weg einer Neuvornahme des Abschlusses.793

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789 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 16 ff; Adler/Düring/Schmaltz6 § 172 Rdn 38 ff; Jungius/A. Schmidt DB 2012, 1761 ff. Ablehnend Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 242 ff; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 389 f und MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 59; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 37. 790 Kowalski AG 1994, 502, 505 li Sp. Anders Geist DStR 1996, 306 308 li Sp. 791 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 8, 16 ff; Adler/Düring/Schmaltz6 § 172 Rdn 40. Ablehnend Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 390. 792 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 15 ff, auch Rdn 8; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 356 f; Adler/Düring/Schmaltz6 § 256 Rdn 90 und § 172 Rdn 38 ff; Mock DB 2005, 987, 989; im gleichen Sinne BayObLG 26.5.2000 – 3Z BR 111/00, BayObLGZ 2000, 150, 152. 793 Kowalski AG 1994, 502, 504 li Sp; Mattheus/Schwab BB 2004, 1099, 1102 li Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 § 172 Rdn 38. Anders KK/Zöllner1 Rdn 119.

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b) Erneute Feststellung des Jahresabschlusses aa) Meinungsstand und Grundgedanke (1) Neuvornahme des gesamten Jahresabschlusses. Ein nichtiger Jahresabschluss 250 ist nach herrschender Ansicht im Rechtssinne gar nicht vorhanden; er ist kein Jahresabschluss im Sinne der §§ 242 ff HGB,794 sondern ein Nicht-Abschluss.795 Wenn also die Gesellschaft doch noch für das betreffende Geschäftsjahr einen Jahresabschluss wirksam ins Werk setzen will, ist das aus dieser Sicht keine Berichtigung des vorliegenden nichtigen Abschlusses, sondern es wird erstmals ein Jahresabschluss für das Geschäftsjahr aufgestellt und anschließend festgestellt.796 Dabei können natürlich fehlerfreie Inhalte des nichtigen Jahresabschlusses übernommen werden. Die Neuaufstellung muss sich aber nicht auf die punktuelle Berichtigung der Fehler beschränken, die zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses geführt haben.797 Vielmehr stehen sämtliche Abschlusspositionen erneut zur Disposition,798 das heißt es können alle Ansatz- und Bewertungswahlrechte und sonstigen bilanzpolitischen Entscheidungsspielräume neu ausgeschöpft werden.799 Hierbei sind auch neue, wertaufhellende Erkenntnisse (vgl Rdn 42) zu berücksichtigen.800 Auch hinsichtlich der Dotierung und Auflösung von Rücklagen sind die Gesellschaftsorgane an die erste, nichtige Abschlussfeststellung nicht gebunden.801 All das ist wichtig, denn auf diese Weise kann man je nach Lage der Gesellschaft im neuen Jahresabschluss einen Bilanzgewinn so kalibrieren, dass er eine in der Vergangenheit aufgrund des nichtigen Abschlusses vorgenommene Ausschüttung im Ergebnis weiterhin trägt (näher Rdn 260 ff). In dem neuen Jahresabschluss muss ein Bilanzgewinn als unverwendet ausgewiesen werden, selbst wenn in der Zwischenzeit aufgrund des alten und nichtigen Abschlusses schon eine Ausschüttung stattgefunden hat.802 Die Ausschüttung erfolgt ja erst nach dem Schluss des Geschäftsjahrs, für das der Jahresabschluss erstellt wird. Dementsprechend dürfen die Folgen einer solchen Ausschüttung, nämlich der Abfluss von Gesellschaftsvermögen und dass die Gesellschaft möglicherweise Rückgewährforderungen gegen Aktionäre sowie Schadensersatzansprüche gegen Organmitglieder

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794 BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 32, ZIP 2020, 1118, 1120 re Sp für KGaA; W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 362, 369; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 410. 795 W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 362; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 56. 796 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 8; Adler/Düring/Schmaltz6 § 256Rdn 84, 90 und § 172, 36 f; W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 363, 368 f; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 222 f; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 56; BeckBil-Komm/Schubert12 § 253 HGB Rdn 806; H-P Müller in: FS Budde, 1995, S 431, 432; Prinz in: FS W Müller, 2001, S 687, 691; Barz in: FS Schilling, 1973, S 127, 132; Geist DStR 1996, 306, 307 li Sp. 797 So auch BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 32, ZIP 2020, 1118, 1120 re Sp für KGaA. 798 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 347 f; Adler/Düring/Schmaltz6 § 172 Rdn 37; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42, 567; Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, 303, 304, 312; Scholz/K Schmidt12 § 46 Rdn 22. 799 MünchKomm/J Koch4 Rdn 83; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 347 f; Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, 303, 304; im Grundsatz auch Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 91 f. Einschränkend Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 138 f, 224, wonach die erneute Ausübung von Wahlrechten nicht zur Erhöhung des ausschüttbaren Gewinns führen darf. 800 MünchKomm/J Koch4 Rdn 83; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 92; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 62; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 222 ff; Weirich WPg 1976, 625, 626; auch KK/A Arnold3 Rdn 93. Einschränkend aber die unten zu Rdn 255a Genannten. 801 Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, 303, 304. 802 MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 62.

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hat, erst im Abschluss für das Folgejahr ausgewiesen werden, in dem die Ausschüttung stattgefunden hat.803 (2) Punktuelle Fehlerkorrektur. Dieser herrschenden Ansicht wird zum Teil entgegengehalten, sie unterscheide nicht hinreichend zwischen der öffentlich-rechtlichen Kaufmannspflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und der gesellschaftsrechtlichen Feststellung des Abschlusses (vgl Rdn 41a). Die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nach § 256 betreffe nur die privatrechtliche, gesellschaftsrechtliche Seite. Selbst wenn der Abschluss privatrechtlich nichtig sei, habe die öffentlich-rechtlich gebotene Aufstellung des Jahresabschlusses stattgefunden. Sei der Abschluss inhaltlich fehlerhaft, so folge daraus auf der öffentlich-rechtlichen Ebene lediglich, dass punktuell der einzelne Fehler berichtigt werden müsse.804 Und was den Zeitpunkt betreffe, bis zu dem neue, wertaufhellende Umstände bei der Fehlerkorrektur berücksichtigt werden dürfen, so ende dieser Wertaufhellungszeitraum mit dem Tag der erstmaligen Aufstellung des Jahresabschlusses. Der Vorstand müsse sich also gedanklich in jene frühere Zeit zurückversetzen und dürfe nachfolgende Erkenntnisse nicht mehr verwerten.805 Diese Lehre von der punktuellen Fehlerkorrektur ist von dem verständlichen Anlie252 gen geleitet, den Korrekturaufwand einzugrenzen. Sie will zudem die Jahresabschlüsse untereinander dadurch vergleichbar machen, dass diese aus möglichst gleichem Zeitabstand zum Abschlussstichtag erstellt werden. Aber die zugrunde liegende Idee, dass der Wertaufhellungszeitraum schon mit der Aufstellung des Jahresabschlusses ende, hat sich nicht durchgesetzt; die meisten wollen diesen Zeitraum bis zur anschließenden Feststellung erstrecken (Rdn 42), und diese findet wirksam erst jetzt statt. Außerdem und vor allem ist ein Jahresabschluss kein Nebeneinander von Einzelpunkten, sondern ein zusammengefügtes Ganzes, dessen einzelne Gehalte aufeinander bezogen sind (Rdn 254). Deshalb und gerade wenn man den Regeln über den Inhalt des Jahresabschlusses eine öffentlich-rechtliche Dimension zuspricht (vgl Rdn 41a), kann man bei schwerwiegenden inhaltlichen Abschlussmängeln nicht sagen, dass trotz der gesellschaftsrechtlichen Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses die öffentlich-rechtliche Kaufmannspflicht zur Rechnungslegung und Rechenschaftslegung im Großen und Ganzen erfüllt sei.806 251

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(3) Differenzierung nach der Art des Nichtigkeitsgrundes. Die Lehre von der lediglich punktuellen Fehlerkorrektur nichtiger Jahresabschlüsse ist nach alledem in ihren weitgreifenden und starren Folgerungen nicht richtig. Aber auch die vorwaltende und im Kern richtige Ansicht (Rdn 250) darf nicht dahin verstanden werden, dass die Reparatur einer nichtigen Feststellung des Jahresabschlusses immer auf eine inhaltliche Neugestaltung des ganzen Abschlusses hinauslaufe. Man muss vielmehr bei der erneuten Feststellung des Jahresabschlusses danach unterscheiden, ob die vorangegangene Feststellung wegen Inhaltsmängeln oder Prüfungsmängeln oder wegen Verfahrensfehlern nichtig ist.807

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803 Siehe wiederum MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 62. 804 Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 230 ff, 322 ff; Küting/Kaiser WPg 2000, 577, 593 ff. Kritisch hiergegen MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 56. 805 Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 235 ff, 323 f; Küting/Kaiser WPg 2000, 577, 594 f, 596 re Sp. Mit Einschränkungen auch Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 91 (nur bei Verfahrensnichtigkeit nach § 256 Abs 2 oder 3). 806 MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 56 gegen Th Kaiser und Küting/Kaiser je aaO (Fn 804). 807 Ebenso im Ansatz Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 91; MünchKomm/J Koch4 Rdn 83.

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bb) Überwindung der verschiedenen Nichtigkeitsgründe (1) Überwindung von Inhaltsmängeln. Ist der Jahresabschluss wegen inhaltlicher 254 Mängel nichtig, so erweist sich das überlieferte Gebot einer Gesamt-Neuvornahme des Abschlusses (Rdn 250) im Grundsatz als richtig. Man kann den Korrekturbereich nicht von vornherein auf eine nur punktuelle Berichtigung der einzelnen Fehler beschränken, die den Abschluss nichtig gemacht haben. Um eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach sich zu ziehen, müssen Inhaltsmängel schon schwer wiegen. Und ein sinnvoller Jahresabschluss ist kein bloßes Nebeneinander von Einzelposten, sondern ein abgestimmtes Gesamtgefüge, dessen Posten aufeinander bezogen sind. Es soll ein zutreffendes Gesamtbild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt werden (§ 264 Abs 2 Satz 1 HGB), eine übergreifende Idee zum Ausdruck kommen. Wenn wichtige Inhalte des Abschlusses wegbrechen, muss man daher meistens auch deren Beziehungsumfeld und oft das Gesamtwerk neu durchdenken und, wenn erforderlich, neu gestalten. Außerdem müssen bei dieser Gelegenheit andere inhaltliche Fehler des Abschlusses, die nicht zu dessen Nichtigkeit geführt haben, ebenfalls berichtigt werden; man kann sie ja nicht sehenden Auges wiederholen. Das alles hindert die bilanzierungspflichtigen Personen natürlich nicht daran, fehlerfreie Inhalte des nichtigen Abschlusses in das neue Gesamtbild zu übernehmen. Und wenn diese Inhalte überwiegen, kann man sich je nach Lage des einzelnen Falls im Ergebnis auch mit punktuellen Korrekturen begnügen. Aber man muss in der Regel den Jahresabschluss als Ganzes auf den Prüfstand stellen. Die Gesellschaftsorgane müssen somit bei Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen 255 Inhaltsmängeln in der Tat erstmals einen Jahresabschluss für das betreffende Geschäftsjahr aufstellen (§§ 242, 264 Abs 1 HGB), und zwar einen inhaltlich ordnungsmäßigen Abschluss, und diesen Jahresabschluss anschließend wirksam feststellen. Die befassten Gesellschaftsorgane erstellen damit im Rechtssinne einen neuen Abschluss. Die einschränkenden Regeln über die Änderung wirksam festgestellter Jahresabschlüsse („Bilanzänderung“, siehe unten Rdn 263 f) gelten hierfür nicht. Alle Ansatz- und Bewertungswahlrechte und andere Entscheidungsspielräume können neu ausgeschöpft werden (Rdn 250 aE), denn der Vorstand muss die Möglichkeit haben, die Grundgedanken neu zu formulieren und hierbei die vielen Teilinhalte des Jahresabschlusses neu aufeinander zu beziehen. Auch der Wertaufhellungszeitraum ist noch offen (Rdn 250 aE). Ob neue wertauf- 255a hellende Erkenntnisse nur bis zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses durch den Vorstand zu berücksichtigen sind oder auch noch bis zur späteren Feststellung, ist zwar umstritten (Rdn 42), spielt aber in diesem Zusammenhang meistens keine große Rolle (Rdn 45). Wichtig ist vielmehr, dass der Jahresabschluss insgesamt neu ins Werk gesetzt wird, und hierfür auch ein neuer Erkenntnis-Zeitraum maßgebend ist. Nach manchen Stimmen sollen allerdings die Gesellschaftsorgane zur Berücksichtigung neuer wertaufhellender Erkenntnisse nur dann verpflichtet sein, wenn (a) die Berichtigung des Fehlers, der den Jahresabschluss nichtig gemacht hat, zu einem höheren Gewinn führen würde und (b) die anderweitige Wertaufhellung nach unten geht, also die Gewinnerhöhung kompensiert.808 Das hat jedoch im Gesetz keine Stütze und ist auch in der Sache

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808 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 29; Jungius/A. Schmidt DB 2012, 1761, 1765. Der Gedanke kommt auch auf bei BeckBil-Komm/Schubert12 § 253 HGB Rdn 807 und W Müller FS Quack, 1991, S 359, 369 f sowie HP Müller FS Budde, 1995, S 431, 437 f, denen es aber nicht um nichtige Jahresabschlüsse geht, sondern um die Änderung und Berichtigung

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nicht richtig. Wenn der Jahresabschluss nichtig ist, hat er keine Wirkung für das, was kommt, und wenn deshalb ein im gesellschaftsrechtlichen Sinn neuer Abschluss erstellt werden muss, bei dem mehr an Gewinn herauskommt, dann ist das eben so. 256 Wird der Jahresabschluss mit verändertem Inhalt neu aufgestellt, genügt nach verbreiteter Ansicht eine Nachtragsprüfung, die sich auf die Änderungen beschränkt (§ 316 Abs 3 HGB).809 Nach anderer Ansicht muss dagegen grundsätzlich der Jahresabschluss insgesamt neu geprüft werden.810 Das ist vom Ansatz her richtig. Die Nachtragsprüfung greift Platz, wenn „der Jahresabschluss … geändert“ wird (§ 316 Abs 3 HGB). Beim inhaltlich nichtigen Jahresabschluss wird dagegen nicht dieser Abschluss geändert, sondern erstmals ein Jahresabschluss für das betreffende Geschäftsjahr aufgestellt (Rdn 250, 255). Die hieran anknüpfende Prüfung ist eine Fortsetzung der ursprünglich gebotenen Abschlussprüfung.811 Der Abschlussprüfer muss für den Jahresabschluss als Ganzen einen Prüfungsbericht erstellen sowie ein neues Testat erteilen und hierfür den Abschluss als Ganzen noch einmal in den Blick nehmen.812 Soweit allerdings die Abschlussinhalte gleichgeblieben und nach wie vor richtig sind, kann der Prüfer einen früheren Bericht wiederholen oder in Bezug nehmen; dann müssen nur noch die neu gestalteten Positionen vertieft geprüft und im Bericht ergänzend erörtert werden. Insofern verhält es sich praktisch wie bei einer Nachtragsprüfung, und die hierfür entwickelten Grundsätze gelten entsprechend.813 Zuständig für die Prüfung ist der Abschlussprüfer, der für das betreffende Geschäftsjahr bestellt worden ist und auch den ursprünglichen, nichtigen Jahresabschluss zu prüfen hatte,814 denn die Aufgabe des Prüfers bezieht sich auf die Rechnungslegung für ein bestimmtes Geschäftsjahr (§ 318 Abs 1 Satz 3 HGB). Eine Neuwahl des Abschlussprüfers ist daher nicht erforderlich.815 Allerdings kann der Umstand, dass der Abschlussprüfer Mängel des früheren Jahresabschlusses nicht erkannt hat, je nach den Umständen des Einzelfalls ein gerichtliches Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren nach § 318 Abs 3 HGB rechtfertigen.816 257

(2) Überwindung von Prüfungsmängeln. Ist der Jahresabschluss wegen Prüfungsmängeln nichtig, so wird hierdurch sein Inhalt nicht notwendig erschüttert. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses hat vielmehr für sich genommen nur zur Folge, dass die fehlenden oder fehlerhaften Prüfungsmaßnahmen nachgeholt werden müssen, bevor der Abschluss noch einmal und wirksam festgestellt werden kann.817 Eine solche Prüfung kann allerdings zu der Erkenntnis führen, dass der Abschluss auch inhaltlich

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wirksam festgestellter Abschlüsse. Kritisch in Bezug auf nichtige Jahresabschlüsse zu Recht Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999, S 222 f. 809 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 8, auch Rdn 31; MünchKomm/J Koch4 Rdn 83 und Hüffer/Koch14 Rdn 33a; KK/A Arnold3 Rdn 93; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 152. Einschränkend H P Müller in: FS Budde, 1995, 431, 441. 810 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 92; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 63. 811 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 92. 812 Zu den Einzelheiten Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 92. 813 Im gleichen Sinne Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 92; auch H P Müller in: FS Budde, 1995, 431, 441. 814 MünchKomm/J Koch4 Rdn 83; Hüffer/Koch14 Rdn 33a; Adler/Düring/Schmaltz6 § 318 Rdn 61, auch § 256 AktG Rdn 92; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 63; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 93; KK/ A Arnold3 Rdn 93; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 152. Anders Kowalski AG 1994, 502, 506 f. Offengelassen von OLG Dresden 30.9.2009 – 13 W 281/09, NZG 2010, 396 re Sp. 815 Anders Kowalski aaO. 816 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 93; insoweit zutreffend auch Kowalski AG 1994, 502, 506 re Sp. 817 MünchKomm/J Koch4 Rdn 83; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 91; KK/Zöllner1 Rdn 135; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 151.

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fehlerhaft ist und daher berichtigt werden muss, oder es können neue, wertaufhellende Erkenntnisse eine Änderung gebieten (Rdn 255a). Auch wenn das nicht der Fall ist, kann der Vorstand den Jahresabschluss aus freien Stücken ändern und Wahlrechte oder Ermessensspielräume neu ausschöpfen (Rdn 255), denn solange der Abschluss nicht wirksam festgestellt ist, kann er noch geändert werden (Rdn 263). Aber all dies sind nur mögliche Begleiterscheinungen der Abschlussnichtigkeit wegen Prüfungsmängeln; von alleine hat diese nicht zur Folge, dass der Jahresabschluss verändert werden muss. Der Vorstand kann vielmehr an dem Inhalt des Jahresabschlusses festhalten, wenn dieser richtig ist. Ist allerdings seit dem ursprünglichen Beschluss über die Aufstellung des Jahresabschlusses und dessen Vorlage an den Aufsichtsrat längere Zeit vergangen, muss der Vorstand hierüber erneut beschließen, weil er an seinen früheren Beschluss mit dem Scheitern des damit verfolgten Feststellungsziels nicht mehr gebunden ist (Rdn 259). (3) Überwindung von Verfahrensfehlern und Organzuständigkeiten für die 258 Neuerstellung des Abschlusses. Wenn der Jahresabschluss wegen Verfahrensfehlern bei der Feststellung nichtig ist, müssen die Gesellschaftsorgane dafür sorgen, dass die Feststellung nunmehr ordnungsgemäß zu Stande kommt.818 Für die erneute Feststellung des Jahresabschlusses sind nach den allgemeinen Regeln der §§ 170–172 grundsätzlich Vorstand und Aufsichtsrat zuständig. Auch wenn die ursprüngliche Feststellung des Jahresabschlusses wegen eines Verfahrensfehlers auf Seiten des Aufsichtsrats nichtig ist, fällt die Feststellungszuständigkeit jetzt nicht etwa an die Hauptversammlung. Diese stellt zwar den Jahresabschluss fest, wenn der Aufsichtsrat den Abschluss nicht gebilligt hat (§ 173 Abs 1 Satz 1), und das hat er im hier angesprochenen Fall nicht wirksam getan. Aber eine unwirksame Billigung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat ist ihrer Willens- und Zielrichtung nach keine Missbilligung.819 Außerdem könnten sich schlimme verfahrensmäßige Verwickelungen ergeben, wenn man die Feststellungskompetenz in solchen Fällen der Hauptversammlung zufallen lassen würde.820 Vorstand und Aufsichtsrat sind sogar auch dann für die erneute Feststellung des Jahresabschlusses zuständig, wenn zu dessen Feststellung ursprünglich nach § 173 Abs 1 Satz 1 die Hauptversammlung berufen war,821 denn die Entscheidungen der Verwaltungsorgane, durch welche die Feststellungskompetenz der Versammlung begründet wurde, bezogen sich nur auf das damals konkret anstehende Feststellungsgeschäft. Auch die gesetzliche Bindung der Verwaltungsorgane an ihre Erklärungen zum Jahresabschluss, die mit Einberufung der Hauptversammlung eintritt (§ 175 0Abs 4), bestand nur für die konkret einberufene Versammlung.822 Soll die Hauptversammlung über die erneute Feststellung des Jahresabschlusses entscheiden, muss deren Zuständigkeit jetzt eigenständig nach § 173 Abs 1 Satz 1 begründet werden.823 Ist die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat schon 259 an Verfahrensfehlern bei der Aufstellung des Abschlusses durch den Vorstand gescheitert, so muss der Vorstand noch einmal und in einem korrekten Verfahren den Jahresabschluss aufstellen und dem Aufsichtsrat zur Prüfung und billigenden Feststellung vorle-

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818 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 91; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 91; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 151. 819 KK/Zöllner1 Rdn 103. 820 Vgl den Fall BGH 24.1.1957 – II ZR 208/55, BGHZ 23, 150. 821 MünchKomm/J Koch4 Rdn 83 und Hüffer/Koch14 Rdn 33a; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 63; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 92. 822 MünchKomm/J Koch4 Rdn 83 und Hüffer/Koch14 Rdn 33a. 823 KK/Zöllner1 Rdn 134; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 63.

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gen. Hierbei kann der Abschluss inhaltlich geändert werden, aber notwendige Folge der Verfahrensnichtigkeit ist das nicht. Auch wenn die ursprünglich versuchte Feststellung des Jahresabschlusses allein an Verfahrensfehlern des Aufsichtsrats gescheitert ist, muss nach überwiegender Meinung der Vorstand an der erneuten Feststellung des Jahresabschlusses mitwirken.824 Es müsse das gesamte zusammengesetzte korporationsrechtliche Rechtsgeschäft der Feststellung (§§ 170–172 und oben Rdn 207) neu und wirksam vorgenommen werden.825 Zur Begründung wird angeführt, der Vorstand sei an die ursprüngliche Aufstellung nach dem Scheitern des Feststellungsverfahrens nicht mehr gebunden, weil das damit verfolgte Feststellungsziel nicht mehr erreicht werden könne.826 Dieser Gedanke ist richtig, aber er muss nicht immer Platz greifen, sondern dringt nur durch, wenn seit dem ursprünglichen Feststellungsversuch längere Zeit vergangen ist (vgl schon Rdn 257). Hat der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss gestern durch einen nichtigen Beschluss festzustellen versucht, und wird heute ein neuer, wirksamer Feststellungsbeschluss des Aufsichtsrats gefasst, so gibt es keinen Grund, auch den Vorstand noch einmal in die Sache hineinzuziehen. Die Zeitgrenze, bis zu welcher der Aufsichtsrat seine Beschlussfassung ohne erneute Mitwirkung des Vorstands nachholen kann, ergibt sich aus § 171 Abs 3. Hiernach muss der Aufsichtsrat seinen Bericht, in dem er sich über die Billigung des Jahresabschlusses erklärt, normalerweise innerhalb eines Monats dem Vorstand zuleiten, und spätestens muss das innerhalb einer weiteren Frist von noch einmal einem Monat geschehen. Innerhalb dieser Fristen kann der Aufsichtsrat auch einen unwirksamen Feststellungsbeschluss ohne Mitwirkung des Vorstands neu fassen. 259a

cc) Handlungsoptionen bei Ungewissheit über die Gültigkeit des Jahresabschlusses. Im Schrifttum heißt es mitunter, dass die Gesellschaftsorgane auch dann zur Neuvornahme des Jahresabschlusses berechtigt seien, wenn dessen Nichtigkeit zweifelhaft ist.827 Das ist jedoch zu vereinfacht und letzten Endes auch nicht richtig. Es bedeutet schon einen Unterschied, ob der Abschluss gültig oder nichtig ist. Im letzteren Fall kann für das betreffende Geschäftsjahr ein inhaltlich ganz neuer Abschluss aufgestellt und festgestellt werden (Rdn 250 ff), wohingegen im ersteren Fall nur eine punktuelle Fehlerkorrektur oder Änderung in Betracht kommt (Rdn 263). Wenn die Gesellschaft hier Klarheit haben will, kann der Vorstand oder ein einzelnes Organmitglied auf Feststellung der Nichtigkeit des ursprünglichen Jahresabschlusses klagen (vgl Rdn 237a). Oder man stellt die Zweifel zurück und wartet für den Fall, dass der Abschluss tatsächlich nichtig sein sollte, die Heilung ab, woran sich noch einmal zeigt, dass dies nicht ganz selten eine sinnvolle Problemlösung ist (s schon Rdn 247 ff).

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dd) Reparaturprobleme bei zwischenzeitlichen Gewinnausschüttungen. Die Nichtigkeit und Neuvornahme des Jahresabschlusses können große Probleme bereiten, wenn in der Zwischenzeit schon Dividenden ausgeschüttet worden sind. Durch einen Gewinnausschüttungsbeschlusses der Hauptversammlung entsteht aus dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre auf Gewinnteilhabe ein Zahlungsanspruch auf

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824 MünchKomm/J Koch4 Rdn 83 und Hüffer/Koch14 Rdn 33a; KK/Zöllner1 Rdn 134. Anders Adler/Düring/ Schmaltz6 § 172 Rdn 91. 825 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 91; KK/A Arnold3 Rdn 93. 826 So früher MünchKomm/Hüffer3 Rdn 84, aber von MünchKomm/J Koch4 Rdn 83 in dieser Eindeutigkeit nicht übernommen. 827 MünchKomm/Hüffer3 Rdn 82 a Anf; KK/A Arnold3 Rdn 94 a Anf. Offen gelassen in BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 37, ZIP 2020, 1118, 1120 f (betr KGaA).

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die Dividende (Rdn 209). Ein Gewinnverwendungsbeschluss, der auf einem nichtigen Jahresabschluss beruht, ist jedoch ebenfalls nichtig (§ 253 Abs 1 Satz 1 und hierzu oben Rdn 4, 209) und kann daher solche Ansprüche nicht hervorbringen. Die Aktionäre haben deshalb ihre Dividenden gesetzwidrig empfangen (§§ 57 Abs 3, 174) und müssen sie der Gesellschaft zurückgewähren (§ 62 Abs 1 Satz 1), wenn sie gewusst oder fahrlässig verkannt haben, dass sie zum Bezug nicht berechtigt waren (§ 62 Abs 1 Satz 2, vgl oben Rdn 210). Heilt die Nichtigkeit des Jahresabschlusses durch Zeitablauf, so wirkt die Heilung auf den Zeitpunkt des früheren Feststellungsgeschäfts zurück und erfasst zugleich den Gewinnverwendungsbeschluss (§ 253 Abs 1 Satz 2), so dass die Aktionäre jetzt ihre Dividenden behalten dürfen (Rdn 267) und alles wieder ruhig ist. Dagegen wirkt die erneute Feststellung des Abschlusses nach allgemeinen Regeln nur für die Zukunft.828 Nach überlieferter Auffassung bleibt deshalb in diesem Fall der Gewinnverwendungsbeschluss nichtig829 und muss neu gefasst werden,830 nachdem der Jahresabschluss neu und wirksam festgestellt ist. Das ist jedoch leichter gesagt als getan und lässt sich noch am ehesten bewerkstelli- 261 gen, wenn seit dem ersten und nichtigen Gewinnverwendungsbeschluss erst wenig Zeit vergangen ist, noch keine Aktien übertragen worden sind, und wenn der neue und wirksame Jahresabschluss dieselbe Ausschüttungssumme hergibt wie der frühere nichtige Abschluss. So kann es vor allem liegen, wenn der Jahresabschluss wegen Prüfungs- oder Verfahrensfehlern nichtig war und mit demselben Inhalt neu und wirksam festgestellt wird, oder wenn der Abschluss zwar mit inhaltlichen Veränderungen neu festgestellt wird, aber immer noch einen Bilanzgewinn ausweist, der die vormalige Gewinnausschüttung abdeckt. Wenn in solchen Fällen Aktionäre aufgrund des früheren nichtigen Gewinnausschüttungsbeschlusses schon Dividenden erhalten haben, die sie wegen Bösgläubigkeit zurückzahlen müssen (§ 62 Abs 1), kann die Gesellschaft ihre hierhingehenden Rückzahlungsansprüche gegen die Dividendenansprüche aufrechnen, welche die Aktionäre jetzt durch den neuen und gültigen Gewinnausschüttungsbeschluss gegen die Gesellschaft erlangen. Und hinsichtlich der gutgläubigen Aktionäre, die ihre vormals empfangenen Dividenden behalten dürfen, kann die Gesellschaft jene Dividenden als Vorauszahlung auf den Dividendenanspruch behandeln, der jetzt durch den neuen Beschluss entsteht, denn auch diese Aktionäre bekommen ihre Dividenden für das betreffende Geschäftsjahr natürlich nur einmal. Viel schwieriger wird es dagegen, wenn seit dem früheren und nichtigen Gewinn- 261a ausschüttungsbeschluss schon längere Zeit verstrichen ist und Aktien übertragen worden sind. Es ist schon nicht ausgemacht, ob ein Bilanzgewinn, der nachträglich für ein lange vergangenes Geschäftsjahr festgestellt wird, immer noch und ohne Rücksicht darauf ausgeschüttet werden kann, ob das gegenwärtige Gesellschaftsvermögen den Bilanzgewinn weiterhin hergeben würde.831 Außerdem entstehen die durch einen Gewinnausschüttungsbeschluss der Hauptversammlung begründeten Dividendenansprüche

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828 MünchKomm/J Koch4 Rdn 82, 84; auch BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 37, ZIP 2020, 1118, 1120 f für KGaA, allerdings nur sehr kursorisch und nicht ganz eindeutig. 829 MünchKomm/J Koch4 Rdn 84; Großkomm/E Vetter5 § 174 Rdn 173. Anders die unten in Fn 838, 835 Genannten. 830 MünchKomm/J Koch4 Rdn 84; Großkomm/E Vetter5 § 174 Rdn 173; Kowalski AG 1994, 502, 507 re Sp. 831 Nach ganz hM stehen Verluste nach dem Bilanzstichtag, die das bilanzielle Eigenkapital der Gesellschaft so weit mindern, dass es durch das Grundkapital und andere ausschüttungssperrende Kapitalposten absorbiert wird, der Ausschüttung eines zum Bilanzstichtag ausgewiesenen Bilanzgewinns entgegen; siehe statt vieler Spindler/Stilz/Cahn/v Spangenberg4 § 58 Rdn 90; Strothotte Die Gewinnverwendung in Aktiengesellschaften, 2014, S 377 ff.

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in den Händen der Personen, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung Aktionäre sind.832 Das sind jetzt nicht mehr notwendig dieselben Personen wie diejenigen, die beim früheren nichtigen Gewinnverwendungsbeschluss dabei waren. Hier versagt der Verrechnungs- und Vorauszahlungsgedanke (Rdn 261) als Reparaturinstrument und überhaupt die Vorstellung, dass ein neuer Gewinnverwendungsbeschluss gefasst werden müsse833 (Rdn 260). 261b Vielmehr wird deutlich, dass es der Sache nach gar nicht um die originäre Verwendung eines neu ausgewiesenen Bilanzgewinns geht, sondern um eine nachträgliche Bekräftigung oder Heilung des vormaligen nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses. Nach gesundem Menschenverstand müssen auf einem nichtigen Jahresabschluss beruhende vergangene Gewinnausschüttungen bestandsfest sein, wenn und soweit sie nach Maßgabe eines neu und wirksam festgestellten Jahresabschlusses gesetzmäßig sind, weil dessen Bilanzgewinnausweis die Ausschüttung abdeckt.834 Aber wie will man das gesetzeskonform begründen? Manche meinen, wenn die Ge261c sellschaftsorgane den Jahresabschluss mit dem gleichen Ergebnis neu feststellen, könne der Neuvornahme des Abschlusses „in Anwendung des Grundgedankens von § 244 AktG über die Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse Rückwirkung auf den Zeitpunkt der ersten Beschlussfassung beigelegt werden, sodass der Abschluss von Anfang an wirksam ist“,835 und Gleiches müsste dann auch für einen hierauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschluss gelten. Aber das sieht die im Gesetz angelegte Begriffstechnik nicht vor. Man kann nicht heute mit gegenständlicher Wirkung verfügen, dass jemand gestern etwas bekommen hat (arg § 141 BGB). Dementsprechend sieht die angesprochene Bestimmung des § 244 eine Bestätigung nur bei anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlüssen vor und nicht auch bei nichtigen Beschlüssen,836 jedenfalls nicht in dem Sinne, dass diese mit verfügender Kraft rückwirkend doch noch in Geltung gesetzt werden könnten.837 Man kann jedoch die Bestandsfestigkeit zwischenzeitlicher Gewinnausschüttungen 262 in den hier angesprochenen Fällen mit einem Erst-Recht-Schluss aus den Regeln über die gesetzliche Heilung nichtiger Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse begründen. Nach Ablauf der Heilungsfrist kann die Nichtigkeit des Jahresabschlusses und des hierauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses nicht mehr geltend gemacht werden (§ 256 Abs 6, § 253 Abs 1 Satz 2), und dann dürfen die Aktionäre ihre Dividenden behalten (Rdn 267). Wenn hiernach die passive Heilung des nichtigen Jahresabschlusses durch bloßen Zeitverlauf dem darauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschluss im Nachhinein Wirksamkeit verleiht, muss in entsprechender Anwendung dieser Regeln Gleiches auch und erst recht für die aktive und tugendhaftere Neuvornahme des Jahresabschlusses gelten, wenn und soweit auch der neue Abschluss einen Bilanzgewinn ausweist, der die Ausschüttung hergibt. Hierdurch entstehen keine neuen Dividenden-

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832 Vgl Großkomm/G Bezzenberger/T Bezzenberger5 § 139 Rdn 76. Deutlich hiervon ausgehend auch BGH 29.4.2014 II ZR 262/13, WM 2014, 1542 f; Hüffer/Koch14 § 174 Rdn 7. 833 Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 313 ff zeigt das näher und mwN auf. 834 Ebenso Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 314. 835 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 356 für den Fall, dass die Feststellung des Jahresabschlusses wegen Verfahrensfehlern auf Seiten des Vorstands oder des Aufsichtsrats nichtig war und von diesen Organen verfahrensfehlerfrei wiederholt wird. In die gleiche Grundrichtung gehen die Überlegungen von Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 317 f. Anders Kowalski AG 1994, 502, 507 re Sp. 836 St Rspr und hM; statt vieler Hüffer/Koch14 § 244 Rdn 2; näher MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 244 Rdn 6 mwNw. Speziell zum Gewinnverwendungsbeschluss Großkomm/E Vetter5 § 174 Rdn 172. 837 Auch Habersack/Schürnbrand in: FS Hadding, 2004, S 391, 407 f sowie 397, müssen das letztlich einräumen.

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auszahlungsansprüche, sondern die bereits geschehene Ausschüttung erhält rückwirkend einen Rechtsgrund und hat Bestand.838 Für die Rechtspraxis gesichert ist dieser Weg bislang allerdings nicht. Hier ist viel- 262a mehr alles schwankender Boden. Nicht selten wird es daher am besten sein, wenn die Gesellschaft die Angelegenheit auf sich beruhen lässt und die Heilung des Jahresabschlusses abwartet, die dann immer und rechtssicher auch die Gewinnverwendung mit erfasst (vgl oben Rdn 247 ff). ee) Berichtigung und Änderung des Jahresabschlusses unterhalb der Nichtigkeitsschwelle (1) Allgemeine Zulässigkeitsgrenzen. Auch wenn keine Nichtigkeitsgründe vorlie- 263 gen, oder wenn sie geheilt sind, können Jahresabschlüsse verändert werden. Solange der Abschluss noch nicht festgestellt ist, hat der Vorstand hierbei freie Hand,839 sofern das Prüfungs- und Feststellungsverfahren nicht unverhältnismäßig in die Länge gezogen oder verteuert wird. Selbst wenn der Jahresabschluss schon festgestellt ist, können Vorstand und Aufsichtsrat innerhalb gewisser Grenzen einen fehlerhaften Jahresabschluss berichtigen oder sogar einen fehlerfreien Abschluss ändern. Hinsichtlich der zu berichtigenden oder zu ändernden Ansätze wird dann die Feststellung des Jahresabschlusses punktuell aufgehoben und anschließend mit den berichtigten oder geänderten Ansätzen neu verfügt. Wo die Zulässigkeitsgrenzen im Einzelnen verlaufen, ist nicht eindeutig geklärt. Vereinfachend kann man sagen, dass Veränderungen des festgestellten Jahresabschlusses einen sachlichen Grund erfordern, der bei einem inhaltlichen Mangel des Abschlusses grundsätzlich gegeben ist und bei mangelfreien Abschlüssen einem gewichtigen wirtschaftlichen Anliegen entspringen muss, und zwar umso mehr, je weiter der Jahresabschluss über den engen Kreis von Vorstand und Aufsichtsrat in den Rechtsund Geschäftsverkehr hinauswirkt.840 Anders als die Neuerstellung des ganzen Jahresabschlusses im Falle der Nichtigkeit (Rdn 250 ff) muss sich die Berichtigung eines falschen, aber gültig festgestellten Abschlusses grundsätzlich auf die fehlerhaften Inhalte und bestimmte ausnahmsweise zulässige Folgeänderungen beschränken.841 Die nachträgliche Berichtigung oder Änderung eines festgestellten Jahresabschlusses kann außerdem nicht in bereits entstandene Dividendenauszahlungsansprüche der Aktionäre eingreifen.842 (2) Rechtslage bei Gesetzesverstößen. Wenn die Gesellschaftsorgane die Zulässig- 264 keitsgrenzen für die Berichtigung und Änderung von Jahresabschlüssen (Rdn 263) über-

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838 Zustimmend Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 317 f; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 64 und § 174 Rdn 59; Gelhausen/Hennrichs in: WP-Handbuch16, 2019, Kapitel B Rdn 154. 839 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1522 f; IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 3 f; Adler/Düring/Schmaltz6 § 172 Rdn 32 f mwN. 840 Näherer Überblick mwNw bei Großkomm/E Vetter5 § 174 Rdn 99 ff. Ausführlich zu den hier berührten Fragen IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77 ff; Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000; Küting/Kaiser WPg 2000, 577; Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, 1999; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 393 ff, auch 410, 411, 413; Küting/Ranker WPg 2005, 1, 4 ff; aus der Rspr BGH 24.1.1957 – II ZR 208/55, BGHZ 23, 150 (zum AktG 1937, sehr restriktiv). 841 Näher mwN MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 90 ff. 842 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 10; Adler/Düring/Schmaltz6 § 172 Rdn 63 mwN; Schön in: FS 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, 153, 164 f; Barz in: FS Schilling, 1973, S 127, 130 f, 136, 139; ebenso wohl BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 33, ZIP 2020, 1118, 1120 re Sp (betr KGaA). Vgl auch BGH 24.1.1957 – II ZR 208/55, BGHZ 23, 150, 152 ff zum AktG 1937.

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schreiten und sich durch die Feststellung eines veränderten neuen Jahresabschlusses zu Unrecht über die Bindungswirkung eines zuvor wirksam festgestellten Abschlusses hinwegsetzen, so ist damit gleichwohl der alte Abschlussinhalt aufgehoben und der neue wirksam festgestellt, solange letzterem nicht anderweitige Mängel im Wege stehen. Die Neufeststellung ist zwar fehlerhaft,843 aber es liegt keiner der in § 256 abschließend aufgezählten Nichtigkeitsgründe vor. Es handelt sich nicht um einen Verfahrensfehler auf Seiten der Verwaltungsorgane (§ 256 Abs 2)844 oder der Hauptversammlung (§§ 257 Abs 1 Satz 1, 243),845 sondern der Art nach um einen Inhaltsmangel.846 Der neue Jahresabschluss setzt sich zu Unrecht über den Inhalt des alten hinweg und weist insoweit einen Inhalt aus, den er nicht haben dürfte. Der Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs 1 Nr 1 (Gläubigerschutz), an den man in diesem Zusammenhang als einzigen denken könnte, ist hierdurch jedoch nicht erfüllt,847 denn die Zulässigkeitsschranken für die Berichtigung und Änderung von festgestellten Jahresabschlüssen schützen nicht spezifisch die Gesellschaftsgläubiger, sondern sichern die Bestandsfestigkeit der Rechnungslegung im Interesse aller Abschlussadressaten (vgl oben Rdn 49 f). Bei einer unzulässigen Änderung des festgestellten Jahresabschlusses hat deshalb der geändert festgestellte Jahresabschluss Bestand. Falls ausnahmsweise die Hauptversammlung den Jahresabschluss neu feststellt, kann deren Beschluss auch nicht angefochten werden,848 weil eine Anfechtung wegen Inhaltsmängeln ausgeschlossen ist (§ 257 Abs 1 Satz 2 und dort Rdn 2). Anders verhält es sich natürlich, wenn die Feststellung des neuen Jahresabschlusses wegen eines anderweitigen Mangels nichtig ist. Dann gilt der alte Abschluss fort (vgl Rdn 166). c) Heilung der Nichtigkeit durch Zeitablauf 265

aa) Begriff, Zweck und Wirkung der Heilung. Die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses kann nach § 256 Abs 6 Satz 1 in den meisten Fällen nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Offenlegung des Abschlusses bestimmte Fristen verstrichen sind. Das soll nach den Worten der Gesetzesbegründung „die nachteiligen Auswirkungen verhindern, die sich für die Gesellschaft ergeben können, wenn nach Jahr und Tag die Nichtigkeit des Jahresabschlusses festgestellt wird … [weil] … eine zeitlich unbeschränkte Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe bei Bilanzfeststellungsbeschlüssen im Interesse der Rechtssicherheit schwer erträglich ist.“849 Ebenso wie die Nichtigkeit umfasst die Heilung das gesamte zur Feststellung des Jahresabschlusses führende zusammengesetzte korporationsrechtliche Rechtsgeschäft von Vorstand und Aufsichtsrat (vgl oben Rdn 207) oder den Feststellungsbeschluss der Hauptversammlung850 (vgl

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843 Insoweit zutr H-P Müller in: FS Budde, 1995, S 431, 439 ff. 844 So auch Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 701; mit gleicher Tendenz W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 372. 845 Ebenso Lutter in: FS Helmrich, 1994, S 685, 701; ähnlich H-P Müller in: FS Budde, 1995, S 431, 440 ff. Anders MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 101; W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 372. 846 Mit gleichem Ansatz H-P Müller in: FS Budde, 1995, S 431, 440 ff. Anders MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 101. 847 Anders H-P Müller in: FS Budde, 1995, S 431, 443; dem zuneigend auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 12. 848 Anders MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 101. 849 RegE AktG, BT-Drucks IV/171 v 3.2.1962, Anlage 1, Begründung zu § 243 RegE (betr die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung), S 205 li Sp (Zitat), hierauf verweisend die Begründung zu § 247 RegE (betr die Nichtigkeit des von den Verwaltungsorganen festgestellten Jahresabschlusses), S 206 re Sp = Kropff (Hrsg) AktG, 1965, § 256, S 347. Den Aspekt der Rechtssicherheit betont auch BGH 2.7.2013 – II ZR 293/11, Rdn 14, WM 2013, 1560, 1561 re Sp (betr GmbH). 850 Kropff ZGR 1994, 628, 635; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 75.

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Rdn 208). Im ersteren Fall wird insbesondere der Aufsichtsratsbeschluss über die Billigung des Abschlusses geheilt.851 Die Heilung bewirkt nicht einfach nur, dass sich niemand mehr auf die Nichtigkeit 265a des Jahresabschlusses berufen kann, sondern besteht im nachträglichen materiellrechtlichen Wegfall der Nichtigkeit.852 Es wird nicht nur so getan, als sei der Jahresabschluss gültig, sondern der Abschluss ist gültig. Die rechtlichen Folgen der Nichtigkeit greifen nicht mehr, sondern der Jahresabschluss ist nunmehr für die Gesellschaft und ihre Aktionäre und Organe verbindlich,853 nicht anders als ein wirksam festgestellter Jahresabschluss. Der Mangel des Abschlusses oder seiner Feststellung, der zur Nichtigkeit geführt hat, bleibt zwar bestehen,854 aber er wird jetzt durch das Aktienrecht hingenommen, und zwar auch dann, wenn es sich um eine inhaltliche Unrichtigkeit handelt. 855 Eine Enforcement-Prüfung (Rdn 239 ff) wird dagegen durch die Heilung der Nichtigkeit nicht ausgeschlossen (Rdn 242). Mit der Heilung ist auch die aktienrechtliche Pflicht der Organmitglieder und der 266 Gesellschaft erfüllt, einen bestandsfesten Jahresabschluss zu Wege zu bringen856 (vgl Rdn 247). Der Jahresabschluss kann zwar auch noch nach Eintritt der Heilung nach allgemeinen Regeln wegen inhaltlicher Fehler geändert werden.857 Das ist dann aber grundsätzlich nur noch hinsichtlich der einzelnen fehlerhaften Inhalte möglich, und die Änderung kann eine Gewinnausschüttung nicht mehr hinfällig machen (vgl Rdn 263 f). Auch sind die Gesellschaft und ihre Organe jetzt nicht mehr zur Änderung verpflichtet,858 sondern können Inhaltsmängel, falls diese noch fortwirken, auch in laufender Rechnung korrigieren859 (vgl Rdn 27 ff). Die Heilung erfolgt nicht nur mit Wirkung für die Zeit nach dem Ablauf der Hei- 267 lungsfrist,860 sondern auch rückwirkend für die Vergangenheit861 ab dem Zeitpunkt der Vornahme des ursprünglichen und gescheiterten Rechtsgeschäfts über die Feststellung des Jahresabschlusses. Auch für diese zurückliegende Zeit ist also der Jahresabschluss jetzt wirksam. Die Nichtigkeit eines Gewinnverwendungsbeschlusses (Rdn 4, 209 f) kann deshalb jetzt ebenfalls nicht mehr geltend gemacht werden, soweit sie auf

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851 Kropff aaO. 852 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 38; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 74; MünchKomm/J Koch4 Rdn 64, 68 und Hüffer/Koch14 Rdn 28; KK/A Arnold3 Rdn 84; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 39; KK/Zöllner1 Rdn 131; Caspar Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S 314; Ebke in: FS Röhricht, 2005, 883, 845; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 149 f. Abschwächend W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 369. Offengelassen in BGH 2.7.2013 – II ZR 293/11, Rdn 8 und 14, WM 2013, 1560, 1561 (betr GmbH). 853 KK/Zöllner1 Rdn 131; KK/A Arnold3 Rdn 84; Hüffer/Koch14 Rdn 28; MünchKomm/J Koch4 Rdn 64, 68; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 389; Jungius/A Schmidt DB 2012, 1697, 1698 re Sp. 854 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 349; Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 389. 855 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 15; zustimmend Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 389 und MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 36. 856 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 74; Caspar Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S 314; Brete/Thomsen GmbHR 2008, 176, 180 re Sp. 857 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 89; W Müller in: FS Quack, 1991, S 359, 369; H-P Müller in: FS Budde, 1995, S 431, 432 f;Hüffer/Koch13 § 172 Rdn 10. 858 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 8, 15; V Weilep/J-H Weilep BB 2006, 147, 149 f; BeckBil-Komm/Schubert12 § 253 HGB Rdn 806; Küting/Ranker WPg 2005, 1, 10 re Sp; Weirich WPg 1976, 625, 626 re Sp. 859 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 8, 15; BeckBil-Komm/Schubert12 § 253 HGB Rdn 806. 860 So aber KK/Zöllner1 Rdn 131 (ex nunc). 861 MünchKomm/J Koch4 Rdn 64, 68; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 38; Ebke in: FS Röhricht, 2005, 883, 845; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 74; Caspar Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S 314.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

der Nichtigkeit des Jahresabschlusses beruht (§ 253 Abs 1 Satz 2). Auch der nichtige Gewinnverwendungsbeschluss wird so im Ergebnis nach § 256 Abs 6 durch Zeitablauf geheilt und materiell wirksam. Damit erlöschen Dividenden-Rückgewähransprüche der Gesellschaft nach § 62 Abs 1 gegen Aktionäre, die bösgläubig Dividenden empfangen haben862 (vgl Rdn 210), weil die Ausschüttung jetzt nicht mehr im Widerspruch zum Gesetz steht, sondern rückwirkend einen Rechtsgrund hat. Auch die Organwalter können jetzt nicht mehr haftbar gemacht werden863 (vgl oben Rdn 215). 268

bb) Fälle der Heilung und Überblick über die Fristen. Nicht alle Nichtigkeitsgründe können geheilt werden, und bei den heilbaren sind die Fristen unterschiedlich. Bei Verfahrensfehlern sowie manchen Prüfungs- und Inhaltsfehlern beträgt die Heilungsfrist sechs Monate. So bei den folgenden Nichtigkeitstatbeständen: – § 256 Abs 1 Nr 3 Prüfung durch unberufene Personen, die nicht Abschlussprüfer sind oder nicht zum Abschlussprüfer bestellt sind (vgl Rdn 132, 150); – § 256 Abs 1 Nr 4 fehlerhafte Bildung oder Auflösung von Rücklagen (vgl Rdn 65, 117); – § 256 Abs 2 nicht ordnungsgemäße Mitwirkung von Vorstand oder Aufsichtsrat (vgl Rdn 175, 187); – § 256 Abs 3 Nr 1 fehlerhafte Einberufung der Hauptversammlung, die den Jahresabschluss feststellen sollte (vgl auch Rdn 200); – § 256 Abs 3 Nr 2 fehlende Beurkundung des Feststellungsbeschlusses der Hauptversammlung.

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Drei Jahre beträgt die Heilungsfrist bei den meisten Inhaltsmängeln des Jahresabschlusses. Hierzu gehören: – § 256 Abs 1 Nr 1 Verletzung gläubigerschützender Vorschriften (vgl Rdn 117); – § 256 Abs 4 wesentliche Gliederungsmängel (vgl Rdn 65, 117); – § 256 Abs 5 Verstöße gegen Bewertungsvorschriften.

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Nicht heilbar sind von den gesetzlich genannten Nichtigkeitsgründen: § 256 Abs 1 Nr 2 fehlende Prüfung überhaupt; § 256 Abs 3 Nr 3 rechtskräftige Nichtigerklärung des Beschlusses der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses (vgl Rdn 200).

cc) Heilungsfragen bei fehlender oder unwirksamer Feststellung des Jahresabschlusses. Wie sich gezeigt hat, kann es Fälle geben, in denen eine Feststellung des Jahresabschlusses vollständig fehlt (Rdn 201 ff). Dann gibt es keine Heilungsmöglichkeit nach § 256 Abs 6, denn ein nicht vorhandenes Rechtsgeschäft kann anders als ein fehlerhaftes Rechtsgeschäft nicht durch Zeitablauf in Wirksamkeit erwachsen. Außerdem kann es vorkommen, dass die Feststellung des Jahresabschlusses nicht wegen eines Normverstoßes nichtig ist, sondern zunächst schwebend unwirksam war, weil noch ein Wirksamkeitselement fehlte, und dieses fehlende Element auch später nicht hinzukommt, so dass der Jahresabschluss endgültig unwirksam wird. Zu diesen Unwirksamkeitsfällen gehört das Fehlen eines rechtzeitigen Nachtragstestats im Falle der abändernden Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung (§ 256 Abs 1

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862 MünchKomm/Bayer5 § 62 Rdn 40 aE; KK/Drygala3 § 62 Rdn 47; Hüffer/Koch14 § 62 Rdn 7; Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 311 f und MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 64; Mylich AG 2011, 765, 766 re Sp, 768 li Sp, 769 re Sp. 863 MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 Rdn 64.

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Eingangsworte und § 173 Abs 3). Der Fall wird von § 256 Abs 6 Satz 1 bei der Aufzählung heilbarer Nichtigkeitsgründe nicht genannt und ist in der Tat nicht heilbar (Rdn 170). Zwei weitere Fälle, in denen der Jahresabschluss zunächst schwebend unwirksam ist und später endgültig unwirksam werden kann, sind die bilanziell zurückbezogenen Kapitalveränderungen, (§ 256 Abs 1 Eingangsworte iVm §§ 234 Abs 3 und 235 Abs 2). Auch hier ist eine Heilung in § 256 Abs 6 nicht vorgesehen und deshalb nach dieser Bestimmung nicht möglich.864 Doch können die fehlerhaften Kapitalveränderungsbeschlüsse durch Eintragung im Handelsregister und Ablauf dreier Jahre heilen (§ 242 Abs 2–3), und dann heilt auch der Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses und damit der Abschluss als solcher (Rdn 130 f, dort auch zur Heilung in den Fällen, in denen lediglich die Feststellung des Jahresabschlusses unwirksam ist). Bei Feststellung des Jahresabschlusses durch ein unzuständiges Gesellschaftsorgan ist die Nichtigkeit ebenfalls heilbar, wobei die Heilungsfrist sechs Monate beträgt (Rdn 205 f, streitig). dd) Berechnung der Heilungsfristen im Einzelnen. Nach § 256 Abs 6 Satz 1 heilt 272 ein nichtiger Jahresabschluss, „wenn seit der Bekanntmachung nach § 325 Abs 2 des Handelsgesetzbuchs … sechs Monate … [oder] drei Jahre verstrichen sind.“ Das verweist auf die Bestimmungen, wonach Kapitalgesellschaften den Jahresabschluss (1) beim Betreiber des Bundesanzeigers einreichen (§ 325 Abs 1 HGB) und (2) im Bundesanzeiger „bekannt machen ... lassen“ müssen (§ 325 Abs 2 HGB). Die letztere Formulierung umfasst (a) die Aufforderung der Gesellschaft an den Betreiber des Bundesanzeigers zur Bekanntmachung, die regelmäßig schon in der Einreichung liegt, und (b) die Bekanntmachung als solche, das heißt die Einstellung auf der Internetseite des Bundesanzeigers. Dies ist das Entscheidende. Der Jahresabschluss ist bekannt gemacht, wenn er im Bundesanzeiger, der seit 2012 ein ausschließlich elektronisches Medium ist,865 über das Internet eingesehen werden kann und in diesem Sinne veröffentlicht ist. Daneben sind nach § 325 HGB noch weitere Unterlagen in gleicher Weise offenzulegen, doch hierauf kommt es für die Heilungsfrist nicht an, weil sich die Heilung ebenso wie die Feststellung (vgl Rdn 30 ff) allein auf den Jahresabschluss bezieht. Auch zusätzliche Bekanntmachungen des Jahresabschlusses in satzungsmäßig bestimmten weiteren Gesellschaftsblättern sind für den Beginn der Heilungsfrist unerheblich,866 ebenso die Verlinkung der Bundesanzeiger-Information zum Unternehmensregister nach § 8b HGB. Legt eine Gesellschaft ihren Jahresabschluss nach der Befreiungsregel des § 264 Abs 3 HGB nicht offen, weil sie in den Konzernabschluss ihres Mutterunternehmens einbezogen und dieser Abschluss offengelegt ist, kann die Heilungsfrist nicht anlaufen und deshalb keine Heilung nach § 256 Abs 6 eintreten.867 Ebenso verhält es sich, wenn die Gesellschaft nach § 325a Abs 2a HGB anstelle ihres HGB-Jahresabschlusses einen IAS/IFRSEinzelabschluss offenlegt.868

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864 Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 5 und 28. 865 Gesetz v 22.12.2011, BGBl 2011 I, 3044. 866 KK/A Arnold3 Rdn 82. Ebenso unter der Geltung des vormaligen § 25 Abs 2 HGB Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 86 und wohl allg M. Nach jener Norm konnte die Satzung neben dem Bundesanzeiger noch andere Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Die Norm ist 2016 aufgehoben worden, aber hierhingehende Satzungsbestimmungen bleiben weiterhin wirksam (Art 26h Abs 3 EGAktG); so geregelt durch das Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2016), vom 22.12.2015, BGBl I 2015, 2565, hier Art 1 Nr 3 (betr Aufhebung des vormaligen § 25 Satz 2 AktG) und Art 2 (betr Einfügung von § 26h Abs 3 EGAktG). 867 KK/A Arnold3 Rdn 81; MünchKomm/J Koch4 Rdn 65. 868 KK/A Arnold3 Rdn 81 aE.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

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Der Lauf der Heilungsfrist beginnt nach § 187 Abs 1 BGB mit dem Tag, der auf die Bekanntmachung im Bundesanzeiger folgt.869 Das Veröffentlichungsdatum und damit das Datum der Bekanntmachung im Sinne von § 256 Abs 6 (Rdn 272) ist im Bundesanzeiger bei den einzelnen Informationen vermerkt. Die Heilungsfrist endet nach § 188 Abs 2 Fall 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Jahresabschluss bekannt gemacht worden ist.870 Ist zum Beispiel die Bekanntmachung am 10.6.2020 erfolgt, so endet die sechsmonatige Heilungsfrist am 10.12.2020, und die Dreijahresfrist endet am 10.6.2023,871 jeweils um 24 Uhr. Umstritten ist, ob für den Ablauf der Heilungsfrist die Bestimmung des § 193 BGB entsprechend gilt,872 wo es heißt: „Ist ... innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken, und fällt ... der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen ... Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag.“ Es geht zwar im Rahmen des § 256 nicht unmittelbar um die Frist zur Klageerhebung, sondern um die materiell-rechtliche Heilung des Jahresabschlusses.873 Doch mittelbar und im Ergebnis ist damit zugleich eine Frist zur Klageerhebung gesetzt, und diese kann man mit einer Willenserklärung vergleichen. Außerdem und vor allem ist der Normzweck einschlägig, nämlich die Wahrung der Wochenend- und Feiertagsruhe.874 § 193 BGB ist deshalb entsprechend anwendbar. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff ZPO kommt demgegenüber nicht in Betracht, weil die Heilung ein materieller Rechtsvorgang ist (Rdn 265) und es sich daher bei der Heilungsfrist nicht um eine prozessuale, sondern um eine materiellrechtliche Frist handelt.875 Wird vor Ablauf der Heilungsfrist eine Klage gegen die Gesellschaft auf Feststellung 274 der Nichtigkeit des Jahresabschlusses rechtshängig, so verlängert sich nach § 256 Abs 6 Satz 2 die Heilungsfrist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat (vgl schon Rdn 234). Eine bloße Anhängigkeit der Klage bei Gericht genügt, wenn die Zustellung an die Gesellschaft demnächst erfolgt (§ 167 ZPO, Rdn 234). Zur Fristverlängerung führt nur die aktienrechtliche Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs 7 Satz 1 und § 249; eine Geltendmachung der Abschlussnichtigkeit auf andere Weisen und namentlich durch eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO hält die Heilung nicht auf (Rdn 245, auch Rdn 234, 242 aE, 246). Der Prozess über die Nichtigkeit des Jahresabschlusses hemmt nicht den Lauf der Heilungsfrist, sondern verhindert nur den Fristablauf.876 Beginnt also die dreijährige Heilungsfrist am 10.6.2020, und kommt 2022 eine Klage dazwischen, die noch im selben Jahr rechtskräftig abgewiesen wird, so endet die Heilungsfrist ganz normal mit Ablauf des 10.6.2023 und verlängert sich nicht um die Dauer des Prozesses, wie es bei einer

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869 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 78; MünchKomm/J Koch4 Rdn 66. Im gleichen Sinne zur früheren Handelsregister-Publizität von Jahresabschlüssen KK/Zöllner1 Rdn 128; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 84; Brete/Thomsen GmbHR 2008, 176, 181 re Sp. 870 Hüffer/Koch14 Rdn 30; MünchKomm/J Koch4 Rdn 66; Brete/Thomsen GmbHR 2008, 176, 181 re Sp. 871 Vgl BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, Rdn 43, ZIP 2020, 1118, 1121(betr KGaA). 872 Dafür K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 256 Rdn 36 und § 242 Rdn 6; Heidel/Heidel5 § 256 Rdn 40; MünchKomm/J Koch4 § 256 Rdn 66; Hüffer/Koch14 § 256 Rdn 30 und § 242 Rdn 3; Casper Die Heilung nichtiger Beschlüsse, 1998, S 312 und 120 f; ebenso zu § 242 MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 242 Rdn 7; Großkomm/K Schmidt4 § 242 Rdn 11. Dagegen Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 78; KK/A Arnold3 Rdn 82; Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 19; ebenso auch noch hier in der 4. Aufl dieses Kommentars; ebenso zu § 242 OLG Düsseldorf 5.4.2001 – 6 U 91/00, AG 2003, 45 f; KK/Zöllner1 § 242 Rdn 33. 873 OLG Düsseldorf 5.4.2001 – 6 U 91/00, AG 2003, 45, 46. 874 Casper Die Heilung nichtiger Beschlüsse, 1998, S 121. 875 MünchKomm/J Koch4 Rdn 66. 876 So die treffende Formulierung von Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 79. Ebenso in der Sache KK/A Arnold3 Rdn 83.

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Hemmung der Fall sein würde. Wenn dagegen im Beispielsfall die Klage am 10.6.2023 noch rechtshängig ist, tritt die Heilung erst mit rechtskräftiger Klageabweisung oder sonstiger Erledigung des Rechtsstreits ein. Zu § 193 BGB (Samstag, Sonntag, Feiertag) siehe Rdn 273. 4. Bedeutung der Nichtigkeit für die Folgeabschlüsse a) Problemstellung. Ob und wie sich die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses auf 275 die Jahresabschlüsse der folgenden Geschäftsjahre auswirkt, gehört zu den schwierigsten Fragen im Rahmen des § 256. Es kommt als Erstes darauf an, ob der Fehler, der zur Nichtigkeit des früheren Abschlusses geführt hat, in dem späteren Abschluss wiederholt wird. Wenn ja, so ist auch der spätere Jahresabschluss nichtig, und zwar aus sich heraus, ohne dass es hierfür auf den früheren Abschluss ankommt.877 Als Beispiel stelle man sich vor, dass ein wichtiger Vermögensgegenstand bislang zutreffend mit 100 zu Buche stand, und der beizulegende Wert im Geschäftsjahr 2021 auf 60 sinkt. Dann muss der Vermögensgegenstand entsprechend abgeschrieben werden und darf in der Bilanz zum 31.12.2021 nur noch mit 60 angesetzt werden (§ 253 Abs 3 oder 4 HGB). Wird er stattdessen weiter mit 100 angesetzt, so ist das eine Überbewertung, die den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2021 nichtig macht (§ 256 Abs 5 Satz 1 Nr 1). Wenn nun der Jahresabschluss für das folgende Geschäftsjahr 2022 den Vermögensgegenstand mit dem gleichen überhöhten Wert von 100 ausweist, so ist auch dieser Abschluss wegen Überbewertung nichtig. Wie aber verhält es sich, wenn der frühere Nichtigkeitsmangel in dem späteren Abschluss nicht wiederholt wird, also im Beispielsfall der Vermögensgegenstand in der Bilanz zum 31.12.2022 mit dem zutreffenden Wert von 60 erscheint oder auch gar nicht mehr, weil er verbraucht ist oder veräußert wurde, und der Jahresabschluss 2022 auch sonst im Ergebnis richtig ist? b) Meinungsstand. Zu den hier berührten Fragen hat der Bundesgerichtshof in ei- 276 nem Urteil von 1996 Stellung genommen. In jenem Fall hatte das Berufungsgericht den Jahresabschluss einer GmbH wegen Unterbewertung für nichtig erachtet (§ 256 Abs 5 Nr 2), weil Software-Lizenzen nicht aktiviert worden waren. Das Berufungsgericht hatte aber anscheinend den konkreten Jahresabschluss, um den es ging, und die damals zugrunde liegenden Tatsachen gar nicht genau gewürdigt, sondern zur Begründung seines Urteils auf frühere Abschlüsse verwiesen, in denen die Lizenzen nicht erfasst worden waren, und zwar angeblich zu Unrecht. Dem ist der BGH entgegengetreten und hat ausgeführt, die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses habe „keine Auswirkungen“ auf die Abschlüsse späterer Jahre. Sie „beträfe allein die Jahre, in denen die … GmbH … Softwarelizenzen erworben hat, erstreckte sich aber mit Rücksicht auf den abschließenden Charakter der Nichtigkeitsvorschrift nicht auf die nachfolgenden Abschlüsse“.878 Dass die Nichtigkeit eines früheren Jahresabschlusses sich nicht in dem Sinne auf 277 nachfolgende Abschlüsse „erstreckt“, dass sie als solche zur Nichtigkeit der Folgeabschlüsse führen würde, ist heute weithin anerkannt.879 Aber der weitergehende Satz des

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877 OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 996 li Sp; KK/Zöllner1 Rdn 107; ders FS Scherrer, 2004, S 355, 360; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 81 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 85 f; Hüffer/Koch14 Rdn 34; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 44; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341 f; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 33; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 3; S Tielmann Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001, S 141. 878 BGH 30.9.1996 – II ZR 51/95, NJW 1997, 196 f. 879 OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 996 li Sp; OLG München 8.7.2009 – 7 U 1777/08, ZIP 2009, 2314, 2315 re Sp; MünchKomm/J Koch4 Rdn 85 und Hüffer/Koch14 Rdn 34; KK/Zöllner1 Rdn 106;

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BGH, dass die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses überhaupt „keine Auswirkungen“ auf die Abschlüsse späterer Jahre habe, stößt in der Literatur überwiegend auf Skepsis. Die Vorbehalte speisen sich aus der Bestimmung des § 252 Abs 1 Nr 1 HGB, wo es heißt, „[d]ie Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahrs müssen mit denen der Schlussbilanz des vorhergegangenen Geschäftsjahrs übereinstimmen.“ Gemeint ist damit, dass die Wertansätze in der Schlussbilanz des abgelaufenen Geschäftsjahrs im folgenden Geschäftsjahr eins zu eins als Saldenvorträge auf den Bestandskonten der Buchführung wiederkehren müssen.880 Das ist der Grundsatz der Bilanzverknüpfung, die oft auch als Bilanzidentität bezeichnet wird881 oder als formelle Bilanzkontinuität882 und im Steuerrecht als Bilanzzusammenhang.883 Dieses Gebot der Bilanzverknüpfung wird oft dahin verstanden, dass jeder Jahresab278 schluss auf einen bestandsfesten, also wirksam festgestellten Vorjahresabschluss aufbauen müsse.884 Wenn es hieran fehlt, weil der frühere Jahresabschluss nichtig ist, sei deshalb allein der spätere Abschluss zwar nicht ebenfalls nichtig.885 Aber er könne auch nicht rechtswirksam festgestellt werden, denn er baue nicht auf einem gültigen Vorabschluss auf und habe insofern keine feste Grundlage. Der Folgeabschluss sei daher wegen Durchbrechung der Bilanzverknüpfung schwebend unwirksam und werde erst wirksam, wenn für das Vorjahr ein wirksamer Jahresabschluss zustande komme,886 und zwar unter Wahrung der zahlenmäßigen Bilanzverknüpfung.887 Das könne durch Neuvornahme des früheren Abschlusses geschehen oder durch dessen Heilung. Kommt es hierzu, werde auch der Folgeabschluss wirksam, wenn aber nicht, sei dieser endgültig unwirksam.888 Die schwebende und dann möglicherweise endgültige Unwirksamkeit des Folgeab279 schlusses soll selbst dann eintreten, wenn der frühere Jahresabschluss nicht wegen inhaltlicher Mängel nichtig ist, sondern nur wegen Prüfungsmängeln oder Verfahrensfehlern, denn auch hier fehle bis zur Heilung oder gültigen Neuvornahme des früheren Abschlusses ein bestandsfester, wirksam festgestellter Vorjahresabschluss als Grundla-

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Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 76 f; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 44; Spindler/Stilz/Rölicke4 Rdn 94; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 3; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 342; Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 305; Hense Wpg 1993, 716, 717; Kowalski AG 1994, 502, 507 re Sp; Haase DB 1977, 241, 242 re Sp. Anders früher Baumbach/Hueck/Hueck AktG13 § 248 Rdn 4. Nicht eindeutig RG 7.11.1906 – I 44/06, RGZ 64, 258, 259 f; RG 6.2.1920 – II 298/19, RGZ 98, 112, 114; RG 20.1.1928 – II 281/27, RGZ 120, 28, 31, 35; vgl hierzu Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 357 f. 880 Adler/Düring/Schmaltz6 § 252 HGB Rdn 11 mwN; Staub/Kleindiek 5 § 252 HGB Rdn 9; Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 362 und wohl allg M. 881 Adler/Düring/Schmaltz6 § 252 HGB Rdn 9 ff sowie § 256 AktG Rdn 76; MünchKomm-HGB/Ballwieser3 § 252 Rdn 5 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 86; Hense Wpg 1993, 716, 717 ff. 882 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341 ff; Staub/Kleindiek5 § 252 HGB Rdn 8; BeckBil-Komm/ Störk/Büssow12 § 252 HGB Rdn 3. 883 Looschelder in L Schmidt EStG38 § 4 Rdn 296 ff. 884 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 342 ff; KK/Zöllner1 Rdn 109; auch ders in: FS Scherrer, 2004, S 355, 360 ff; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 44; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 95. 885 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 348 f; KK/Zöllner1 Rdn 109; ders in: FS Scherrer, 2004, S 355, 360 ff; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 95; MünchKomm/J Koch4 Rdn 86. Vgl aber auch oben Fn 879 aE. 886 LG Wuppertal v 10.8.2011 – 8 S 2/11, juris, Rdn 18 (die Revisionsentscheidung BGH v. 2.7.2013 – II ZR 293/11, WM 2013, 1560 f geht allerdings auf diesen Aspekt nicht ein); Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 365 f; KK/ Zöllner1 Rdn 109; Kropff in: FS Budde, 1995, S 348 ff; MünchKomm/J Koch4 Rdn 86; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh18 § 42a GmbHG Rdn 33; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 44; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 95; Geist DStR 1996, 306, 309 li Sp; auch KK/A Arnold3 Rdn 96. 887 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 95. Vgl auch unten Rdn 280. 888 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 348 ff; KK/Zöllner1 Rdn 109; MünchKomm/J Koch4 Rdn 86; für den Fall der Heilung auch Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 95.

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ge.889 In gleicher Weise wie der erste auf den nichtigen Jahresabschluss folgende Abschluss sollen auch alle später nachfolgenden Abschlüsse schwebend unwirksam sein.890 Und ebenso wie die Jahresabschlüsse seien auch die hierauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschlüsse von der schwebenden Unwirksamkeit erfasst,891 das heißt die Aktionäre könnten auf der Grundlage dieser Beschlüsse keine Auszahlung verlangen,892 und die Gesellschaft dürfe ihnen nichts zahlen,893 wobei zum Teil Ausnahmen für den Fall befürwortet werden, dass der ausgeschüttete Betrag auch im Falle einer Berichtigung des Jahresabschlusses mit hinreichender Sicherheit ausschüttungsfähig wäre.894 Der Folgeabschluss soll außerdem durch eine gültige Neuvornahme oder Heilung 280 des Vorjahresabschlusses nur dann wirksam werden, wenn hierbei die Bilanzverknüpfung des Folgeabschlusses mit dem Vorjahresabschluss zahlenmäßig gewahrt wird (Rdn 280). Ist das nicht der Fall, etwa weil der Vorjahresabschluss mit inhaltlichen Änderungen neu festgestellt wird, die von der Eröffnungsbuchung des Folgejahres abweichen, so soll dieser Verstoß gegen die Bilanzverknüpfung zur Nichtigkeit oder endgültigen Unwirksamkeit des Folgeabschlusses führen,895 und gleiches soll dann auch für den hierauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschluss gelten.896 Nach anderer und vordringender Auffassung sollen demgegenüber die Nichtigkeit 281 des Vorjahresabschlusses und auch Verstöße gegen das Gebot der Bilanzverknüpfung weder zur Nichtigkeit noch zu einer schwebenden Unwirksamkeit der Folgeabschlüsse führen.897 Dass der Jahresabschluss für eine frühere Rechnungsperiode nichtig ist, hindere die Gesellschaft nicht, einen hierauf folgenden Abschluss wirksam festzustellen und auf dessen Grundlage einen Gewinnverwendungsbeschluss zu fassen. Dafür genüge es, wenn die Gesellschaft fortwirkende Fehler der Vergangenheit im aktuellen Jahresabschluss vermeidet, das heißt in laufender Rechnung korrigiert, und sie müsse auch die Folgen, die sich aus der Nichtigkeit des früheren Jahresabschlusses ergeben, im letzten noch offenen Jahresabschluss ergebniswirksam berücksichtigen, wie zum Beispiel steuerliche Mehrbelastungen oder Entlastungen oder auch Ansprüche auf Rückgewähr unrechtmäßig ausgezahlter Dividenden.898 c) Keine Nichtigkeit oder schwebende Unwirksamkeit des Folgeabschlusses. 282 Das zuletzt skizzierte Modell löst die Probleme besser als die herrschende Auffassung, der zufolge die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses regelmäßig auch den Folgeabschluss in Mitleidenschaft ziehen soll. Wenn der Vorjahresabschluss nichtig ist, so führt dies für sich alleine nicht zur Nichtigkeit des Folgeabschlusses. Insoweit besteht heute zu Recht nahezu Einigkeit (Rdn 277). Die Gründe, aus denen ein Jahresabschluss nichtig

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889 Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 366; KK/Zöllner1 Rdn 109; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 347 f. 890 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 350. 891 Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 369 ff.; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 353. 892 Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 370; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 353. 893 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 354 f. 894 Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 371 ff. Anders Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 354 f. 895 Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 365 f, auch 360 f; KK/Zöllner1 Rdn 108 f, 26; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 76 aE, 80; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 3; Hense Wpg 1993, 716, 718 re Sp, auch 719 li Sp, 722 re Sp; Haase DB 1977, 241, 242 re Sp; wohl auch Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 344 ff, insbesondere 349 f, 352, 355. 896 Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 369 f, 371. 897 W Müller ZHR 168 (2004), 414, 423 ff; Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 307 ff; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 64a. 898 W Müller ZHR 168 (2004), 414, 424 ff; Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 307 ff. Für den Fall unwesentlicher Differenzen zustimmend MünchKomm/J Koch4 Rdn 86.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

sein kann, sind in § 256 Abs 1–5 abschließend aufgezählt, und die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses ist dort nicht genannt.899 Es würde auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Heilungsmöglichkeiten widersprechen, die Nichtigkeit des Vorabschlusses auf den Folgeabschluss zu erstrecken. Denn die Heilungsfrist für den Folgeabschluss würde dann später beginnen und enden als die Heilungsfrist für den Vorjahresabschluss, und so könnte die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses auf dem Umweg über die Folgeabschlüsse länger geltend gemacht werden, als die sechs Monate oder drei Jahre, die das Gesetz festschreibt.900 Die Gesellschaft käme aus dem Dilemma nicht mehr heraus. 283 Auch aus dem Grundsatz der Bilanzverknüpfung (§ 252 Abs 1 Nr 1 HGB und hierzu schon Rdn 277) lässt sich keine Nichtigkeit des Folgeabschlusses herleiten. Eine Abweichung von der Bilanzverknüpfung liegt nur vor, wenn Eröffnungsbuchungen für das Folgejahr zahlenmäßig und inhaltlich von den Bilanzposten des Jahresabschlusses für das abgelaufene Geschäftsjahr abweichen. Der Umstand allein, dass dieser vorangegangene Abschluss nicht wirksam festgestellt ist, begründet entgegen verbreiteter Auffassung (s Rdn 278 f) keinen Verstoß gegen die Bilanzverknüpfung.901 Selbst inhaltliche Abweichungen der Eröffnungsbuchung für das Folgejahr von der Vorjahresbilanz stehen einer wirksamen Feststellung des Jahresabschlusses für das Folgejahr nicht entgegen, denn ein Fehlen der Bilanzverknüpfung fällt nicht unter den enumerativen Katalog der Nichtigkeitsgründe nach § 256902 und darf vor allem auch nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes die Wirksamkeit der Abschlussfeststellung nicht untergraben. Die Bilanzverknüpfung gehört nach der Gesetzesüberschrift vor § 252 HGB zu den „Bewertungsvorschriften“, und wegen Verstoßes gegen Bewertungsvorschriften ist ein Jahresabschluss nach § 256 Abs 5 AktG nur dann nichtig, wenn Bilanzposten überbewertet oder vorsätzlich irreführend unterbewertet sind, was hier nicht der Fall ist. Die Bilanzverknüpfung schützt auch nicht nach § 256 Abs 1 Nr 1 spezifisch die Gesellschaftsgläubiger,903 sondern dient ganz allgemein der zutreffenden Ermittlung und Abbildung des Ergebnisses. Sie macht den Jahresabschluss zweischneidig in dem Sinne, dass sich die Vorteile und Nachteile einer höheren oder niedrigeren Bewertung im folgenden Geschäftsjahr auf entgegengesetzte Weise auswirken,904 und will „sicherstellen, dass Erträge und Aufwendungen und die damit verbundenen Gewinne nicht erfolgsneutral in Eröffnungsbuchungen untergehen und den Aktionären vorenthalten oder umgekehrt doppelt gutgebracht werden.“905 Vielmehr soll der Erfolg der Gesellschaft zumindest über einen längeren Zeit-

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899 Das betonen auch BGH 30.9.1996 – II ZR 51/95, NJW 1997, 196 f; OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 996 li Sp; KK/Zöllner1 Rdn 106; MünchKomm/J Koch4 Rdn 85; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 64a; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 76; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 342; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 94; Großkomm/Schilling3 § 256 Anm 3. 900 Vgl Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 348 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 86; auch Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 363. 901 So zutreffend Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 306. 902 Das betonen auch Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 307 sowie MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 64a. 903 W Müller ZHR 168 (2004), 414, 424; dem zuneigend auch Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 307. Anders Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 343 ff; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 76; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 7; KK/A Arnold3 Rdn 96; KK/Zöllner1 Rdn 26 (zweifelnd aber ders in: FS Scherrer, 2004, 355, 360 f); Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 95; hiervon ausgehend auch Hense Wpg 1993, 716, 718 re Sp. 904 BFH 31.1.2013 – GrS 1/10, Rdn 68, BStBl II 2013, 317, 323 li Sp; RFH 23.10.1929 – VI A 1622/29, RStBl 1930, 344 re Sp; Großfeld/Luttermann Bilanzrecht4, 2005, Rdn 428 ff. 905 W Müller ZHR 168 (2004), 414, 425. Im selben Sinne Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 343 f.

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Nichtigkeit | § 256

raum hinweg zutreffend abgebildet werden,906 auch wenn es mit der periodengenauen Zuordnung dieses Gesamterfolgs vielleicht nicht zum Besten steht.907 Einem nichtigen Vorjahresabschluss ist zwar inhaltlich oft nicht zu trauen, und Feh- 284 ler dieses Abschlusses können in die Folgeabschlüssen hinüberwirken. Das sind dann aber Angelegenheiten, die allein im Hinblick auf den Folgeabschluss beurteilt werden müssen. Wenn zum Beispiel aufgrund des nichtigen Jahresabschlusses im Folgejahr Gewinn ausgeschüttet wird, ist der Gewinnverwendungsbeschluss nichtig (§ 253 Abs 1 Satz 1), und bösgläubige Aktionäre müssen ihre Dividenden zurückzahlen (§ 62 Abs 1). Stellt die Gesellschaft diese Rückgewähransprüche nicht in die Bilanz des Folgejahrs ein, obwohl ihre Geltendmachung geboten ist und Erfolg verspricht, so ist das Gesellschaftsvermögen unterbewertet (vgl Rdn 100), und dies kann nach § 256 Abs 5 Nr 2 zur Nichtigkeit des Folgeabschlusses führen (Rdn 94 ff). Das hängt aber nicht unmittelbar mit der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses zusammen und auch nicht mit der Bilanzverknüpfung. Die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses führt entgegen vorwaltender Ansicht (vgl 285 Rdn 278 ff) auch nicht zu einer schwebenden Unwirksamkeit nachfolgender Abschlüsse.908 Zwar ließen sich so die Heilungsprobleme (Rdn 282) in den Griff bekommen, denn wenn der nichtige Vorjahresabschluss heilt, kann nach dieser Betrachtungsweise auch der Folgeabschluss wirksam werden.909 Aber man darf nicht unter dem Deckbegriff der schwebenden Unwirksamkeit zusätzliche Wirksamkeitshindernisse für den Jahresabschluss konstruieren, die in § 256 nicht vorgesehen sind.910 d) Bereinigung früherer Inhaltsmängel im Folgeabschluss aa) Fallgestaltungen und Lösungsalternativen. Das alles entbindet die Gesell- 286 schaft natürlich nicht davon, inhaltliche Fehler, die zur Nichtigkeit eines früheren Jahresabschlusses geführt haben, wieder zu beheben. Hierzu noch einmal das Beispiel von der Gesellschaft mit dem Vermögensgegenstand, dessen Wert im Geschäftsjahr 2021 von 100 auf 60 gesunken ist, aber in der Bilanz zum 31.12.2021 noch mit 100 ausgewiesen wurde, so dass der Jahresabschluss 2021 wegen Überbewertung nichtig ist (Rdn 275). Will die Gesellschaft einen gültigen Jahresabschluss 2022 zu Wege bringen, darf sie den Vermögensgegenstand in der Bilanz zum 31.12.2022 nur mit 60 ansetzen; so viel steht fest. Wie aber kommt sie hierbei von dem früheren, überhöhten Wertansatz wieder herunter? Der gradlinigste Weg geht dahin, an Stelle des nichtigen Jahresabschlusses 2021 287 einen neuen und fehlerfreien Jahresabschluss für dieses Geschäftsjahr festzustellen, in dessen Bilanz der Wert des Vermögensgegenstands zutreffend mit 60 angesetzt ist, und diesen Wertansatz in die Eröffnungsbuchung für das anschließende Geschäftsjahr 2022 zu übernehmen.911 Dann ist gegen keinen der beiden Jahresabschlüsse etwas ein-

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906 BFH 31.1.2013 – GrS 1/10, Rdn 68, BStBl II 2013, 317, 323 li Sp; Großfeld/Luttermann Bilanzrecht4, 2005, Rdn 428 ff; Adler/Düring/Schmaltz6 § 242 Rdn 9. 907 Großfeld/Luttermann Bilanzrecht4, 2005, Rdn 430. 908 W Müller ZHR 168 (2004), 414, 424 ff; Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 307 ff; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 64a. 909 LG Wuppertal v 10.8.2011 – 8 S 2/11, juris, Rdn 18; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 349; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 95; MünchKomm/J Koch4 Rdn 86; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 44; im gleichen Sinne die übrigen der oben in Fn 886 Genannten. 910 So auch Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 307 sowie MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 64a. 911 Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 355; Zöllner in: FS Scherrer, 2004, S 355, 367.

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§ 256 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

zuwenden, und auch das Gebot der Bilanzverknüpfung ist gewahrt. Die Gesellschaft muss aber diesen Weg nicht unbedingt gehen, sondern kann je nach Sachlage den nichtigen Jahresabschlusses 2021 stehen lassen und dessen Heilung abwarten (vgl Rdn 247 ff). Das ist wichtig, weil nur so eine Gewinnausschüttung für 2021 auf gesicherte Weise bestandsfest werden kann, und es ist unbedenklich, wenn die Gewinnausschüttung auch bei korrekter Rechnungslegung zulässig gewesen wäre (Rdn 249 f, 260 ff, vgl auch Rdn 29, 89). Will die Gesellschaft so verfahren, gibt es zwei Wege, um den unzulässig überhöhten Wertansatz im Folgeabschluss 2022 zu bereinigen. Die Gesellschaft kann den Fehler in laufender Rechnung korrigieren, oder sie kann in Ausnahmefällen eine originäre, von der Vorjahresbilanz abgekoppelte Eröffnungsbuchung vornehmen. 288

bb) Korrektur in laufender Rechnung. Eine Korrektur von Vorjahresfehlern in laufender Rechnung des Folgejahrs würde im Beispielsfall bedeuten, dass die Gesellschaft den überhöhten Vorjahreswertansatz von 100 in die Eröffnungsbuchung für das folgende Geschäftsjahr übernimmt, und dann den Wertansatz des Vermögensgegenstands in diesem Geschäftsjahr ergebnismindernd auf den zutreffenden Betrag von 60 abschreibt.912 Die Gesellschaft nimmt also die eigentlich schon im Vorjahr gebotene Abschreibung erst im Folgejahr vor. Das Gesamtergebnis der beiden Geschäftsjahre ist dann zutreffend abgebildet und die Bilanzverknüpfung gewahrt. Das Ergebnis ist allerdings unzutreffend auf die einzelnen Geschäftsjahre verteilt; für das Vorjahr sind 40 zu viel als Ergebnis ausgewiesen und für das Folgejahr 40 zu wenig. Das widerspricht dem Gebot des periodengerechten Gewinnausweises (§ 252 Abs 1 Nr 5), erfüllt aber im Hinblick auf den Folgeabschluss keinen Nichtigkeitstatbestand nach § 256.913 Die Periodenabgrenzung dient nicht im Sinne des § 256 Abs 1 Nr 1 ausschließlich oder überwiegend dem Gläubigerschutz (vgl Rdn 49 f, 283). Auch ein Bewertungsfehler nach § 256 Abs 5 liegt nicht vor. Der Wertansatz für das Folgejahr ist zwar falsch hergeleitet, aber im Ergebnis richtig, und nur darauf kommt es im Rahmen des § 256 Abs 5 an. Die Gesellschaft muss allerdings den Abschreibungsaufwand als periodenfremd kenntlich machen.914

289 cc) Abweichende Eröffnungsbuchung. Eine andere Möglichkeit, wie inhaltliche Mängel und namentlich Bewertungsmängel des Vorjahresabschlusses im Folgeabschluss bereinigt werden können, besteht darin, dass die Gesellschaft im Folgejahr im Hinblick auf den Vermögensgegenstand eine originäre, vom Vorjahresabschluss abweichende Eröffnungsbuchung vornimmt. Im Beispielsfall erscheint dann der Vermögensgegenstand in der Bilanz zum 31.12.2021 mit 100 (was zu viel war), aber in der Eröffnungsbuchung und in der Bilanz 2022 nur mit 60 (was richtig ist). Parallel hierzu müssen dann in der Eröffnungsbuchung für 2022 auch Rücklage- oder Ergebnisvortragskonten herabgesetzt werden. Das weicht vom Grundsatz der Bilanzverknüpfung ab und ist daher nach

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912 So offenbar geschehen und gerichtlich nicht beanstandet im Fall OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 996 li Sp. Auch in BGH 2.7.2013 – II ZR 293/11, Rdn 15, WM 2013, 1560, 1562 li Sp (betr GmbH) wird das Anliegen gebilligt, „etwaige Bewertungsfehler bei den unverändert übernommenen Eröffnungsbilanzwerten in dem Jahresabschluss [für das Folgejahr], z. B. durch Abschreibungen, korrigieren zu können“, nachdem der nichtige Abschluss für das Vorjahr durch Zeitablauf geheilt war. 913 OLG Köln 17.2.1998 – 22 U 163/97, ZIP 1998, 994, 996 li Sp; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 80, auch 93; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 358. 914 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 93. Ebenso für die Korrektur von Abschlussfehlern unterhalb der Nichtigkeitsschwelle Th Kaiser Berichtigung und Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, 2000, S 322.

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Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung | § 257

herrschender Auffassung handelsrechtlich unzulässig,915 fällt aber selbst nach dieser Sichtweise nicht unter den enumerativen Katalog der Nichtigkeitsgründe nach § 256 (siehe Rdn 823). Außerdem sind in begründeten Ausnahmefällen Abweichungen von den allge- 290 meinen Bewertungsgrundsätzen und auch vom Grundsatz der Bilanzverknüpfung erlaubt (§ 252 Abs 2 HGB). Wenn die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse hat, den Weg über eine abweichende Eröffnungsbuchung zu gehen, darf das Recht ihr diesen Weg nicht verbauen.916 Eine originäre Anfangsbuchung darf allerdings nicht ergebnisneutral erfolgen,917 denn sonst würde das Gesamtergebnis der beiden betroffenen Geschäftsjahre falsch abgebildet. Im Beispielsfall würde der Abschreibungsaufwand in keinem der beiden Jahre ausgewiesen. Originäre Anfangsbuchungen müssen aber nicht notwendig ergebnisneutral sein. Die Gesellschaft kann und muss vielmehr den Unterschiedsbetrag zwischen dem überhöhten Bilanzausweis im Vorjahr und der zahlenmäßig richtigen originären Eröffnungsbuchung im Folgejahr in der Gewinn- und Verlustrechnung für das Folgejahr ergebnismindernd erfassen und dies als periodenfremd kenntlich machen. Sehr häufig werden allerdings die Fälle nicht sein, in denen so etwas einen Sinn ergibt und daher ausnahmsweise zulässig ist. e) Ergebnisse. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses hat nach den zutreffenden Wor- 291 ten des BGH „keine Auswirkungen“ auf die Abschlüsse späterer Jahre (Rdn 276), das heißt keine unmittelbaren Auswirkungen auf deren Gültigkeit. Der Folgeabschluss ist nicht nichtig, und er ist entgegen noch herrschender Auffassung auch nicht schwebend unwirksam. Wird der nichtige Vorjahresabschluss nicht neu ins Werk gesetzt, so sind Fehler des Vorjahresabschlusses im Folgeabschluss zu bereinigen. Dies muss grundsätzlich durch eine Korrektur in laufender Rechnung geschehen und berührt die Wirksamkeit dieses Abschlusses nicht. In seltenen Ausnahmefällen sollte man auch eine originäre Eröffnungsbuchung im Folgejahr gelten lassen, die dann aber ergebniswirksam sein muss. So kommt die Gesellschaft von den Fehlern der Vergangenheit wieder los. Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

§ 257 Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung § 257 Bezzenberger https://doi.org/10.1515/9783110294248-002

(1) 1 Die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung kann nach § 243 angefochten werden. 2 Die Anfechtung kann jedoch nicht darauf gestützt werden, dass der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. (2) 1 Für die Anfechtung gelten die §§ 244 bis 246, 247 bis 248a. 2 Die Anfechtungsfrist beginnt auch dann mit der Beschlussfassung, wenn der Jahresabschluss nach § 316 Abs 3 des Handelsgesetzbuchs erneut zu prüfen ist.

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915 IDW RS HFA 6, Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen, WPg Supplement 2/2007, 77, Rdn 27; Adler/Düring/Schmaltz6 § 252 HGB Rdn 12, 20; Staub/Kleindiek5 § 252 HGB Rdn 10; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 345 f, 358. Anders Hense Wpg 1993, 716, 718 f, allerdings nur für den Fall, dass dann der Vorjahresabschluss entsprechend neu ins Werk gesetzt wird. 916 Hennrichs in: FS A Bergmann, 2018, S 303, 307 f; auch MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 172 AktG Rdn 64a. Im gleichen Sinne Bürgers/Körber/Schulz4 Rdn 24; Schedlbauer DB 1992, 2097, 2103 re Sp; ähnlich, doch im Ergebnis stark einschränkend Hense Wpg 1993, 716, 718 re Sp (vgl oben Fn 770 aE). Anders Adler/Düring/Schmaltz6 § 252 HGB Rdn 20; Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 345 f. 917 Insoweit zutreffend Kropff in: FS Budde, 1995, S 341, 346.

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§ 257 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Schrifttum Siehe bei § 256.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub zu § 256)

I.

II.

Systematische Übersicht Grundlagen | 1 1. Inhalt, Systematik und Zweck der Regelung | 1 2. Ausschluss der Anfechtung wegen Inhaltsmängeln (Abs 1 Satz 2) | 2 3. Ausschluss der Anfechtung wegen Prüfungsmängeln | 3 Anfechtungsgründe (Abs 1) | 4 1. Allgemeine Verfahrensfehler | 4 a) Fehler bei der Vorbereitung und beim Beschlussverfahren der Hauptversammlung | 4 b) Informationsmängel insbesondere | 6 c) Relevanz des Verfahrensfehlers | 7 d) Kompetenzwidrige Hauptversammlungsbeschlüsse (Hinweis) | 7a

2.

III.

Besondere Verfahrensfehler mit Bezug zur Feststellung des Jahresabschlusses | 8 a) Ab Einberufung der Hauptversammlung | 8 b) In der Hauptversammlung | 10 3. Rechtswidrige Beschlusszwecke | 14 Anfechtungsklage (Abs 2) | 15 1. Begriff und Wirkung | 15 2. Geltung der allgemeinen Regeln | 16 3. Anfechtungsklage und EnforcementPrüfung | 17 4. Anfechtungsfrist bei Nachtragsprüfung (Abs 2 Satz 2) | 18 a) Fristbeginn mit Beschlussfassung, nicht erst mit Nachtragstestat | 18 b) Bedeutung für die Klageerhebung | 19

I. Grundlagen 1

1. Inhalt, Systematik und Zweck der Regelung. § 257 betrifft die Ausnahmefälle, in denen der Jahresabschluss nicht vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wird, sondern durch die Hauptversammlung. Das geschieht, wenn Vorstand und Aufsichtsrat es so beschließen, oder wenn der Aufsichtsrat den Jahresabschluss nicht billigt (§ 173), sowie beim bilanziellen Rückbezug von Kapitalveränderungen (§§ 234 Abs 2, 235), im Abwicklungsstadium (§ 270 Abs 2) und in der Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 286 Abs 1). Hauptversammlungsbeschlüsse können im Allgemeinen „wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage angefochten werden“ (§ 243 Abs 1). Das gilt grundsätzlich auch für Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses, wie § 257 Abs 1 Satz 1 klarstellt. Doch kommen hier Besonderheiten und vor allem Einschränkungen zum Tragen. Insbesondere kann ein Beschluss der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses nicht wegen inhaltlicher Abschlussmängel angefochten werden (§ 257 Abs 1 Satz 2), sondern die Anfechtung kann im Wesentlichen nur auf Verfahrensfehler gestützt werden.1 Das ist der Kerngehalt des § 257. Bei besonders schwerwiegenden Form- und Verfahrensfehlern ist der Feststellungsbeschuss der

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1 KK/A Arnold3 Rdn 6; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 1; im selben Sinne der Bericht des Abgeordneten Dr. Wilhelmi zum RegE AktG, zu BT-Drucks IV/3296 v 28.4.1965, zu §§ 247 bis 250b RegE, S 43 li Sp = Kropff (Hrsg), AktG, 1965, S 343 („… kann aber mit der Anfechtung … nur ein Mangel der Beschlussfassung geltend gemacht werden“); ebenso der Sache nach Spindler/Stilz/Rölike 4 Rdn 9 ff, 14; MünchKomm/J Koch4 Rdn 4 ff; Hüffer/Koch14 Rdn 3 f; Geßler in: FS Goerdeler, 1987, S 127, 144.

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Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung | § 257

Hauptversammlung nach § 256 Abs 3 nichtig (hierzu § 256 Rdn 197 ff), wobei die dort genannten Nichtigkeitsgründe zu denjenigen gehören, die auch sonst zur Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen führen (vgl § 241 Nr. 1, 2 und 5). 2. Ausschluss der Anfechtung wegen Inhaltsmängeln (Abs 1 Satz 2). Hätte das 2 Gesetz es bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung mit den allgemeinen Regeln über die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen bewenden lassen, so würde nach dem landläufigen Verständnis des Beschlussmängelrechts grundsätzlich jede Gesetzesverletzung und namentlich jeder inhaltliche Mangel des Jahresabschlusses zur Anfechtbarkeit des Feststellungsbeschlusses führen (§ 243 Abs 1), denn wenn der Jahresabschluss gesetzwidrig ist, verstößt auch ein Beschluss über dessen Feststellung gegen das Gesetz. Einer so weitgehenden Anfechtung schiebt jedoch § 257 Abs 1 Satz 2 einen Riegel vor und schließt bei Hauptversammlungsbeschlüssen über die Feststellung des Jahresabschlusses inhaltliche Mängel des Abschlusses als Anfechtungsgrund ausdrücklich aus. Die Folgen inhaltlicher Abschlussmängel werden vielmehr ausschließlich nach § 256 beurteilt, und zwar unabhängig davon, welche Gesellschaftsorgane über die Abschlussfeststellung beschließen. Liegt einer der in § 256 abschließend aufgezählten Mängel vor, so ist die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig und die Nichtigkeitsklage gegeben. Ansonsten lassen Inhaltsmängel die Feststellung unberührt. Es gibt also auf der Inhaltsebene nur gültige oder nichtige Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses und keine dazwischen liegende Anfechtbarkeit (siehe auch § 256 Rdn 4, 197). Auf diese Weise schützt das Gesetz den Bestand festgestellter Jahresabschlüsse und stiftet Rechtsklarheit und -sicherheit.2 Ein gewisser Ersatz für die Anfechtung ist bei unzulässiger Unterbewertung die Sonderprüfung nach §§ 258 ff.3 3. Ausschluss der Anfechtung wegen Prüfungsmängeln. Als Anfechtungsgründe 3 ausgeschlossen sind bei Hauptversammlungsbeschlüssen über die Feststellung des Jahresabschlusses in entsprechender Anwendung des § 257 Abs 1 Satz 2 auch Prüfungsmängel. Man könnte sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass ein Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung eines prüfungspflichtigen, aber nicht oder unzulänglich geprüften Jahresabschluss gegen das Gesetz verstößt und folglich nach allgemeinen Regeln anfechtbar sei (§§ 257 Abs 1 Satz 1, 243 Abs 1). Eine so weitgehende Anfechtbarkeit stünde jedoch im Wertungswiderspruch zu § 256 Abs 1 Nr 2–3, wo die Prüfungsmängel, die der Gültigkeit des Jahresabschlusses entgegenstehen, abschließend aufgezählt sind. Man muss daher auch die Folgen von Prüfungsmängeln für die Wirksamkeit des Jahresabschlusses abschließend nach § 256 beurteilen und solche Mängel ebenso wie Inhaltsmängel (Rdn 2) als Anfechtungsgrund ausschließen. II. Anfechtungsgründe (Abs 1) 1. Allgemeine Verfahrensfehler a) Fehler bei der Vorbereitung und beim Beschlussverfahren der Hauptver- 4 sammlung. Ein Beschluss der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses kann nach § 243 Abs 1 und § 257 Abs 1 Satz 1 wegen Verfahrensfehlern ange-

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Spindler/Stilz/Rölike 4 Rdn 1 f; Heidel/Heidel5 § 257 Rdn 1; Hüffer/Koch14 Rdn 2. MünchKomm/J Koch4 Rdn 1 aE und 2 aE.

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§ 257 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

fochten werden. Prüfungsmaßstab sind die allgemeinen Verfahrensregeln über die Einberufung und Durchführung von Hauptversammlungen4 (Rdn 5 ff) und daneben einige besondere Verfahrensregeln für die Feststellung des Jahresabschlusses (Rdn 8 ff). Als Verfahrensfehler, die den Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung 5 des Jahresabschlusses anfechtbar machen, kommen Fehler bei der Einberufung der Hauptversammlung in Betracht,5 wie zum Beispiel die Nichteinhaltung der Einberufungsfrist (§ 123 Abs 1) oder ein fehlender oder unzulänglicher oder nicht oder unzulänglich bekanntgemachter Vorschlag der Verwaltungsorgane zur Beschlussfassung (§ 124 Abs 3–4). Anfechtungsgründe können des Weiteren eine Verletzung des Teilnahmerechts sein6 oder andere Verfahrensverstöße bei der Versammlungsleitung, Aussprache und Abstimmung. So etwa, wenn Aktionäre vom Stimmrecht ausgeschlossen sind, aber ihre Stimmen trotzdem mitgezählt werden.7 Besonders schwerwiegende Einberufungsmängel und Formverstöße führen schon zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§ 256 Abs 3 Nr 1–2 und dort Rdn 197 ff). 6

b) Informationsmängel insbesondere. Ein Grund für die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen im Allgemeinen und auch von Beschlüssen über die Feststellung des Jahresabschlusses ist des Weiteren die Nichterfüllung eines berechtigten Auskunftsverlangens (§ 131).8 Das Auskunftsrecht der Aktionäre in der Hauptversammlung ist bei Beschlüssen über die Feststellung des Jahresabschlusses sogar erheblich erweitert (§ 131 Abs 3); die Aktionäre können hier auch Auskunft über stille Reserven verlangen (§ 131 Abs 3 Nr 3) oder über die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, selbst wenn sie im Anhang zum Jahresabschluss angegeben sind (§ 131 Abs 3 Nr 4). Wenn also der Jahresabschluss inhaltlich fehlerhaft ist, und der Vorstand auf Nachfrage leugnet oder verschleiert, riskiert er die Anfechtung. So können inhaltliche Mängel des Jahresabschlusses, die als solche kein Anfechtungsgrund sind (Rdn 1 und 2), verfahrensmäßig über Eck doch wieder auf die Wirksamkeit der Abschlussfeststellung durchschlagen.9 Die Einleitung eines Auskunftserzwingungsverfahrens nach § 132 ist für die Anfechtung wegen Informationsmängeln nicht Voraussetzung,10 schließt die Anfechtung aber auch nicht aus,11 und die Entscheidung im Auskunftserzwingungsverfahren ist für den Anfechtungsprozess nicht bindend.12 Denn in jenem Verfahren geht es nur um den individuellen Auskunftsanspruch des antragstellenden Aktionärs, im Anfechtungspro-

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4 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 2; MünchKomm/J Koch4 Rdn 5; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 4; Hüffer/Koch14 Rdn 3; KK/A Arnold3 Rdn 6 f. Ausführlich zum Ganzen Großkomm/K Schmidt4 § 243 Rdn 21 ff. 5 KK/A Arnold3 Rdn 8; MünchKomm/J Koch4 Rdn 5; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 3; Spindler/Stilz/Rölike 4 Rdn 9; Heidel/Heidel5 § 257 Rdn 6 (mit Auflistung); Hüffer/Koch14 Rdn 3. 6 KK/A Arnold3 Rdn 10; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 4. 7 OLG Stuttgart 7.5.1992 – 13 U 140/91, AG 1992, 459, 460 li Sp. 8 So zu § 257 auch MünchKomm/J Koch4 Rdn 6; Spindler/Stilz/Rölike 4 Rdn 9; Hüffer/Koch14 Rdn 3; KK/ A Arnold3 Rdn 9; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 4; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 2. 9 Ebenso KK/A Arnold3 Rdn 9; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 5. 10 MünchKomm/J Koch4 Rdn 6; Hüffer/Koch14 Rdn 3; KK/A Arnold3 Rdn 9. Ebenso zu § 243 BGH 29.11.1982 – II ZR 88/81, BGHZ 86, 1, 3 ff = NJW 1983, 878 (betr Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen und einer Prüferwahl); Großkomm/K Schmidt4§ 243 Rdn 34; MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 243 Rdn 119 mit Nachweisen auch zur teilweise vertretenen Gegenansicht. 11 In diesem Sinne auch MünchKomm/Hüffer/Schäfer 4 § 243 Rdn 119. 12 BGH 21.9.2009 – II ZR 174/08, WM 2009, 2085, 2089 li Sp (Rdn 22); LG Frankenthal 4.8.1988 – 2 (HK) O 178/87, AG 1989, 253, 255 re Sp; KK/A Arnold3 Rdn 9;MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 243 Rdn 119; Hüffer/Koch14 § 132 Rdn 2. Anders OLG Stuttgart 7.5.1992 – 13 U 140/91, AG 1992, 459 li Sp (zu § 257); Großkomm/K Schmidt4§ 243 Rdn 34.

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Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung | § 257

zess dagegen um die objektive Rechtskontrolle mit Wirkung für und gegen alle.13 Der Anfechtungsprozess kann allerdings nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung im Auskunftserzwingungsverfahren ausgesetzt werden.14 c) Relevanz des Verfahrensfehlers. Voraussetzung für die Anfechtbarkeit eines 7 Hauptversammlungsbeschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses wegen eines Verfahrensfehlers ist ebenso wie bei anderen Hauptversammlungsbeschlüssen die Relevanz dieses Fehlers.15 Sie liegt insbesondere vor, wenn der Verfahrensfehler für das Ergebnis der Beschlussfassung ursächlich (kausal) geworden ist, wie zum Beispiel bei falscher Stimmenauszählung. Darüber hinaus erklärt das Gesetz die Beeinträchtigung von Informationsrechten der Aktionäre nur dann für anfechtungsrelevant, „wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte“ (§ 243 Abs 4 Satz 1). Dieser Relevanzmaßstab lässt sich dem Grundgedanken nach auch auf andere Verfahrensfehler übertragen. Ein Verstoß gegen Verfahrensregeln begründet die Anfechtbarkeit, wenn er mitgliedschaftliche Teilhaberechte von Aktionären verletzt und die Einhaltung der verletzten Verfahrensregeln aus Sicht eines vernünftigen Aktionärs für die Beschlussfassung wichtig ist, so dass die Verletzung dieser Regel nach deren Schutzzweck die Anfechtbarkeit rechtfertigt.16 Das alles gilt auch für die Feststellung des Jahresabschlusses.17 d) Kompetenzwidrige Hauptversammlungsbeschlüsse (Hinweis). Wenn die 7a Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses beschließt, ohne hierzu berufen zu sein, ist ein solcher kompetenzwidriger Hauptversammlungsbeschluss nach allgemeinen Regeln nichtig und ebenso der Jahresabschluss (§ 256 Rdn 206). 2. Besondere Verfahrensfehler mit Bezug zur Feststellung des Jahresabschlusses a) Ab Einberufung der Hauptversammlung. Für Beschlüsse der Hauptversamm- 8 lung über die Feststellung des Jahresabschlusses sind außerdem einige spezielle Verfahrensanforderungen wichtig, die einen besonderen Bezug zum Jahresabschluss und seiner Feststellung haben. Ab der Einberufung einer ordentlichen Hauptversammlung müssen der Jahresabschluss, der Lagebericht und weitere Unterlagen im Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht für die Aktionäre ausliegen, und auf Verlangen ist jedem Aktionär eine Abschrift zu erteilen (§ 175 Abs 2 Satz 1–3), wenn diese Dokumente nicht für denselben Zeitraum über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind (§ 175 Abs 2 Satz 4), was bei börsennotierten Gesellschaften Pflicht ist (§ 124a Satz 1 Nr 3). Das

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13 So die treffende Formulierung von K Schmidt/Lutter/Schwab4 § 243 Rdn 11. 14 Großkomm/K Schmidt4 § 243 Rdn 34; MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 243 Rdn 119; Hüffer/Koch14 § 132 Rdn 2. Eher in anderem Sinne LG Frankenthal 4.8.1988 – 2 (HK) O 178/87, AG 1989, 253, 255 re Sp (jedenfalls keine Pflicht zur Aussetzung). 15 KK/A Arnold3 Rdn 7; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 10; MünchKomm/J Koch4 Rdn 5; Hüffer/Koch14 Rdn 3. Insoweit veraltet Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 2. 16 Vgl zu § 243 Abs 1 BGH 10.10.2017 – II ZR 375/15, Rz 74 f, BGHZ 216, 110, 134; BGH 18.10.2004 – II ZR 250/02, BGHZ 160, 385, 392; BGH 25.11.2002 – II ZR 49/01, BGHZ 153, 32, 36 f; BGH 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158, 164 f; grundlegend KK/Zöllner1 § 243 Rdn 81 ff; Überblick aus neuerer Zeit bei MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 243 Rdn 31 f; Hüffer/Koch14 § 243 Rdn 12 ff. 17 KK/A Arnold3 Rdn 7, 9, 11.

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§ 257 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

gilt gerade auch für eine Hauptversammlung, die den Jahresabschluss feststellen soll (§ 175 Abs 3 Satz 1). Ein Verstoß gegen diese Regeln führt grundsätzlich nach §§ 243 Abs 1 und 257 Abs 1 9 Satz 1 zur Anfechtbarkeit des Feststellungsbeschlusses,18 wenn der Verfahrensfehler relevant ist19 (vgl Rdn 7). Das betrifft allerdings nicht den Bericht des Aufsichtsrats (näher Rdn 12). Und soweit es um die Erteilung von Abschriften geht, hat die Gesellschaft ihre Pflicht mit der Absendung erfüllt; das Risiko des Zugangs trägt der Aktionär.20 Ein Verstoß gegen den in § 175 Abs 1 vorgegebenen Zeitrahmen für die Einberufung der Hauptversammlung begründet ebenfalls keine Anfechtbarkeit.21 In diesem Zusammenhang sowie bei der nachfolgenden Beschlussfassung in der 9a Hauptversammlung (Rdn 10) kann auch der Lagebericht eine Rolle spielen. Er ist zwar nicht Bestandteil des festzustellenden Jahresabschlusses (§ 264 Abs 1 Satz 1 HGB), kann aber eine wichtige Informationsquelle für dessen Beurteilung und für die Entscheidung über seine Feststellung sein. Wenn daher der Lagebericht fehlt oder den Aktionären nicht zugänglich gemacht wird oder fehlerhaft ist und deshalb wesentliche Informationen verfälscht oder den Aktionären vorenthalten werden, macht dies den Feststellungsbeschluss anfechtbar.22 Entsprechendes gilt für einen fehlenden oder fehlerhaften Konzernabschluss23 sowie für andere Elemente der Rechenschaftslegung wie den Bericht des Vorstands einer abhängigen Gesellschaft über deren Beziehungen zu verbundenen Unternehmen nach § 312,24 wenn diese Elemente für die Beurteilung und Feststellung des Jahresabschlusses wesentlich sind (vgl Rdn 6 und § 256 Rdn 190). 10

b) In der Hauptversammlung. Der Vorstand muss die genannten Unterlagen, also insbesondere wiederum den Jahresabschluss und den Lagebericht, der Versammlung zugänglich machen (§ 176 Abs 1 Satz 1). Die Dokumente müssen auf der Versammlung in Papierform ausgelegt werden oder für die Versammlungsteilnehmer elektronisch (z B über bereitgestellte Monitore) abrufbar sein.25 Auch ein Verstoß hiergegen führt zur Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses,26 wenn er relevant ist27 (§ 243 Abs 4 Satz 1).

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18 KK/A Arnold3 Rdn 11 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 7; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 2 f; Spindler/ Stilz/Rölike4 Rdn 12; Hüffer/Koch14 Rdn 4; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 8; Großkomm/Schilling3Anm 3; auch schon A Hueck Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften, 1924, S 109. 19 MünchKomm/J Koch4 Rdn 7; Hüffer/Koch14 Rdn 4 aE; auch Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 12. 20 MünchKomm/J Koch4 Rdn 7; KK/A Arnold3 Rdn 14. 21 MünchKomm /J Koch4 Rdn 5; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 13; KK/A Arnold3 Rdn 11. 22 KK/Zöllner1 Rdn 12 f; MünchKomm/J Koch4 Rdn 11; Hüffer/Koch14 Rdn 6; Heidel/Heidel5 § 257 Rdn 4; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 3; i Erg auch KK/A Arnold3 Rdn 18. Vgl in diesem Sinne auch BGH 26.11.2007 – II ZR 227/06, AG 2008, 83, 85, betr Anfechtbarkeit eines Gewinnverwendungsbeschlusses wegen Fehlens des Lageberichts als Informationsquelle. Anders Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 14. 23 Heidel/Heidel5 § 257 Rdn 6; einschränkend Adler/Düring/Schmaltz6 § 257 Rdn 5, vgl auch § 256 Rdn 1 aE. 24 Emmerich/Habersack/Habersack9 § 312 AktG Rdn 20; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 3. 25 RegE ARUG, BT-Drucks 16/11642 v 21.1.2009, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 5a bb (betr § 52 Abs 2 Satz 4), S 25 li Sp, sowie hierauf Bezug nehmend Begründung zu Art 1 Nr 23 (betr § 176), S 35 re Sp. 26 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1527; KK/A Arnold3 Rdn 15; MünchKomm/J Koch4 Rdn 8; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 2 f; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 12; Hüffer/Koch14 § 256 Rdn 4 sowie § 176 Rdn 6; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 8 und § 176 Rdn 24; Großkomm/Schilling3Anm 3. Dem zuneigend auch BGH 15.12.2003 – II ZR 194/01, BGHZ 157, 206, 212 f. 27 OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1527; MünchKomm/J Koch4 Rdn 7; Hüffer/Koch14 Rdn 4 aE; auch Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 12.

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Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung | § 257

Zu Beginn der Verhandlung „soll“ der Vorstand außerdem in der Hauptversamm- 11 lung seine Vorlagen erläutern (§ 176 Abs 1 Satz 2) und hierbei auch zu einem Jahresfehlbetrag oder einem Verlust Stellung nehmen, der das Jahresergebnis wesentlich beeinträchtigt hat (§ 176 Abs 1 Satz 3), wenn die Gesellschaft kein Kreditinstitut ist (§ 176 Abs 1 Satz 4). Darüber hinaus „soll“ der Vorsitzende des Aufsichtsrats den Bericht des Aufsichtsrats gegenüber der Versammlung erläutern (§ 176 Abs 1 Satz 2). Eine Verletzung dieser Erläuterungspflichten führt nach überwiegender Ansicht nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses.28 Zur Begründung heißt es mitunter, dass die Pflicht im Gesetz nur als Sollvorschrift formuliert ist.29 Dem wird entgegengehalten, dass auch Sollvorschriften verbindliche Rechtsregeln sind, von denen nur aus besonderen Gründen abgewichen werden darf.30 Das ist zwar richtig. Den Aktionären ist es jedoch möglich und grundsätzlich zumutbar, die Erläuterung in der Versammlung anzumahnen, bevor über die Feststellung des Jahresabschlusses Beschluss gefasst wird. Tun sie das nicht, so besteht kein Rechtsschutzinteresse daran, den Beschluss anschließend wegen fehlender Erläuterung anzufechten, und eine Anfechtungsklage wäre daher abzuweisen.31 Die herrschende Auffassung trifft daher im Ergebnis zu. Eine Anfechtung des Beschlusses der Hauptversammlung über die Feststellung des 12 Jahresabschlusses kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der nach § 171 Abs 2 gebotene Bericht des Aufsichtsrats fehlt und deshalb entgegen § 175 Abs 2 und § 176 Abs 1 nicht vor und während der Versammlung für die Aktionäre zugänglich ist. Das folgt aus der Bestimmung des § 171 Abs 3. Hiernach kann und muss der Vorstand dem Aufsichtsrat beim Ausbleiben des Berichts eine Nachfrist setzen (§ 171 Abs 3 Satz 2) und gilt nach deren erfolglosem Ablauf der Jahresabschluss als vom Aufsichtsrat nicht gebilligt (§ 171 Abs 3 Satz 3), so dass jetzt die Feststellungskompetenz an die Hauptversammlung fällt (§ 173 Abs 1). Diese muss also notfalls ohne den Bericht entscheiden, sonst könnte der Jahresabschluss in solchen Fällen überhaupt nicht sicher festgestellt werden, und das will das Gesetz vermeiden.32 Gleiches muss gelten, wenn ein Bericht des Aufsichtsrats zwar vorliegt, aber unzulänglich ist33 oder nicht vor der Hauptversammlung für die Aktionäre ausgelegt wird34 oder den Aktionären auf der Versammlung nicht zugänglich ist, denn für die Aktionäre und deren Mitwirkungsrechte ist das nicht gravierender als ein gänzlich fehlender Bericht.35 Stellt die Hauptversammlung einen Jahresabschluss fest, der von einem Abschluss- 13 prüfer zu prüfen ist, muss der Abschlussprüfer an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses teilnehmen (§ 176 Abs 2). Ein Verstoß hiergegen führt zur Anfechtbarkeit des Feststellungsbeschlusses.36 Das gilt insbesondere, wenn eine

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28 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 8 und § 176 Rdn 25; MünchKomm/J Koch4 Rdn 8; KK/A Arnold3 Rdn 16; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 13; Hüffer/Koch14 § 256 Rdn 4 sowie § 176 Rdn 6. Anders KK/Zöllner1 Rdn 10; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 3; Heidel/Heidel5 § 257 Rdn 6; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 2. 29 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 8; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 13. 30 K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 3. 31 Im gleichen Sinne MünchKomm/J Koch4 Rdn 8; auch Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 13. 32 OLG Düsseldorf 28.2.2008 – I-6 U 197/06, juris, Rdn 81; MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 171 Rdn 228; KK/A Arnold3 Rdn 12. 33 OLG Düsseldorf 28.2.2008 – I-6 U 197/06, juris, Rdn 81. 34 Anders KK/A Arnold3 Rdn 12 aE. Eher wie hier dagegen MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 171 Rdn 228. 35 Mit gleichem Begründungsansatz OLG Düsseldorf 28.2.2008 – I-6 U 197/06, juris, Rdn 81. 36 MünchKomm/J Koch4 Rdn 9; Hüffer/Koch14 § 256 Rdn 4 und § 176 Rdn 10; KK/A Arnold3 Rdn 15; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 2 f; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 12; Henssler/Strohn/E Vetter4 Rdn 2 aE. Nur

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§ 257 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Stellungnahme des Abschlussprüfers gewünscht wird, oder wenn Aktionäre Vorschläge zur Änderung des Jahresabschlusses machen, die eine nachträgliche Prüfung gebieten würden.37 Aber auch sonst ist ein Verstoß gegen das Teilnahmegebot als Verfahrensmangel grundsätzlich relevant (vgl Rdn 7) und der Feststellungsbeschluss deshalb anfechtbar,38 denn die Abwesenheit des Prüfers ist geeignet, die Äußerung solcher möglicherweise berechtigten Wünsche von vornherein zu unterdrücken.39 14

3. Rechtswidrige Beschlusszwecke. Ein Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses kann schließlich auch wegen seiner Zielsetzung oder der Motivation der Beschlussfassenden anfechtbar sein, also insbesondere bei Verletzung mitgliedschaftlicher Treuepflichten oder wegen eines Missbrauchs von Stimmrechtmacht (§ 243 Abs 1) oder bei der Verfolgung unzulässiger Sondervorteile (§ 243 Abs 2).40 Die Anfechtung ist hier nicht nach § 257 Abs 1 Satz 2 ausgeschlossen, weil der Normverstoß nicht im Inhalt des Jahresabschlusses liegt, sondern in dem Anliegen, das mit seiner Feststellung verfolgt wird.41 So etwa wenn ein Mehrheitsaktionär unter Ausnutzung von Ansatz- und Bewertungsspielräumen stets die unterste Grenze der Bewertung wählt,42 und dies aus besonderen Gründen des Einzelfalls missbräuchlich oder treuwidrig ist. III. Anfechtungsklage (Abs 2)

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1. Begriff und Wirkung. Anfechtbarkeit und Anfechtung bedeuten bei Beschlüssen der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses dasselbe wie bei anderen Hauptversammlungsbeschlüssen. Der normwidrige Beschluss ist gültig, kann aber innerhalb einer Frist von einem Monat durch Gestaltungsklage angegriffen und dann vom Gericht durch Gestaltungsurteil mit Wirkung für und gegen alle für nichtig erklärt werden.43 Das Urteil führt mit seiner Rechtskraft zur Nichtigkeit des Feststellungsbeschlusses der Hauptversammlung (§§ 241 Nr 5, 248) und damit zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nach § 256 Abs 3 Nr 3. Die Folgen der Nichtigkeit ergeben sich dann aus § 256 (siehe dort Rdn 207 ff). Eine Heilung kommt nicht in Betracht, denn sie würde dem Wesen der Rechtskraft widersprechen (§ 256 Abs 6 Satz 1 und dort Rdn 200). Wird eine Anfechtungsklage nicht fristgerecht erhoben oder abgewiesen, bleiben der Feststellungsbeschluss und der Jahresabschluss wirksam.

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mit Einschränkungen hingegen KK/Zöllner1 Rdn 11 und wohl auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 9. Vgl auch oben § 256 Rdn 194 f zur Teilnahme des Abschlussprüfers an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats. 37 Hierauf abstellend KK/Zöllner1 Rdn 11; ihm folgend Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 9. 38 MünchKomm/J Koch4 Rdn 9; KK/A Arnold3 Rdn 15. Anders KK/Zöllner1 Rdn 11. 39 MünchKomm/J Koch4 Rdn 9; KK/A Arnold3 Rdn 15. 40 KK/A Arnold3 Rdn 17; MünchKomm/J Koch4 Rdn 10 und Rdn 4 aE; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 4; Hüffer/Koch14 Rdn 5; Großkomm/Schilling3Anm 2; auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 7. Nicht abgeneigt OLG Stuttgart 7.5.1992 – 13 U 140/91, AG 1992, 459 f. Anders Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 14. Vgl zur Anfechtung treuwidriger Hauptversammlungsbeschlüsse im Allgemeinen Großkomm/K Schmidt§ 243 Rdn 45 ff. 41 KK/A Arnold3 Rdn 17; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 7 aE. Vgl auch K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 4 („Umstände [d]es Zustandekommens“). 42 KK/Zöllner1 Rdn 6; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 7; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 4. 43 Heidel/Heidel5 § 257 Rdn 1; Hüffer/Koch14 Rdn 1; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 18; auch K Schmidt/ Lutter/Schwab4 Rdn 5 („gewöhnliche Anfechtungsklage“).

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Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung | § 257

2. Geltung der allgemeinen Regeln. Nach § 257 Abs 2 Satz 1 gelten für die klage- 16 weise Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses die allgemeinen Regeln der §§ 244–246, 247–248a über die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen. Das hat klarstellende Bedeutung.44 Die in Bezug genommenen Normen betreffen die Möglichkeit einer Bestätigung anfechtbarer Beschlüsse (§ 244), die Anfechtungsbefugnis (§ 245), die Anfechtungsfrist von einem Monat ab der Beschlussfassung (§ 246 Abs 1 und hierzu auch unten Rdn 18 f), die Gesellschaft als Beklagte und deren grundsätzliche Vertretung durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 246 Abs 2, vgl auch § 256 Rdn 227), die gerichtliche Zuständigkeit und das gerichtliche Verfahren (§ 246 Abs 3), die Pflicht des Vorstands zur Bekanntmachung der Klageerhebung (§ 246 Abs 4 Satz 1), die zeitlich eingeschränkte Möglichkeit einer Nebenintervention von Aktionären auf Seiten des Anfechtungsklägers (§ 246 Abs 4 Satz 2, vgl auch § 256 Rdn 229), den Streitwert (§ 247), die erweiterte Rechtskraftwirkung des stattgebenden Urteils (§ 248) und bei börsennotierten Gesellschaften auch die Bekanntmachung der Prozessbeendigung (§ 248a).45 Mehrere Anfechtungsklagen sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden (§ 246 Abs 3 Satz 6); Anfechtungsprozesse und Jahresabschluss-Nichtigkeitsprozesse können verbunden werden (§ 249 Abs 2 Satz 2 iVm § 256 Abs 7 Satz 1)46 und sollen es auch.47 Auf § 246a (Freigabeverfahren) verweist § 257 Abs 2 Satz 1 nicht, weil dieses Verfahren nur Beschlüsse über Maßnahmen betrifft, die im Handelsregister eingetragen werden. 3. Anfechtungsklage und Enforcement-Prüfung. Entgegen herrschender Meinung 17 sperrt die Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses bei börsennotierten Gesellschaften die Möglichkeit einer Prüfung des Jahresabschlusses durch die Prüfstelle für Rechnungslegung und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Enforcement-Prüfung). Eine solche Prüfung findet nach § 342b Abs 3 Satz 1 HGB und § 107 Abs 3 Satz 1 WpHG nicht statt, solange eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses anhängig ist. Die Abschluss-Nichtigkeitsklage hat Vorrang vor der Enforcement-Prüfung (näher § 256 Rdn 239 ff). Gleiches muss auch für die Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses gelten.48 Beide Klagen haben denselben Streitgegenstand (unten Rdn 19 sowie § 256 Rdn 225 f) und, wenn sie zum Erfolg führen, praktisch dieselbe Wirkung, nämlich dass der Jahresabschluss jetzt ersichtlich und mit Wirkung für alle nichtig ist. Die Sperrwirkung der Anfechtungsklage gegenüber der Enforcement-Prüfung entspricht auch dem Sinnzusammenhang des Gesetzes. Warum sollen die Enforcement-Stellen sich mit dem Inhalt eines Abschlusses auseinandersetzen, der vielleicht bald nichts mehr gilt, falls die Klage Erfolg hat? Ebenso wie nach § 256 Abs 7 Satz 2 bei der Jahresabschluss-Nichtigkeitsklage muss daher das Prozessgericht auch im Falle der Anfechtungsklage der Bundesanstalt den Eingang der Klage sowie die Beendigung des Prozesses melden (vgl § 256 Rdn 239 ff).

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44 MünchKomm/J Koch4 Rdn 12; KK/A Arnold3 Rdn 19; K Schmidt/Lutter/Schwab4 Rdn 5. 45 Ausführlich zum Ganzen Großkomm/K Schmidt4 zu §§ 244 ff; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 15. 46 MünchKomm/J Koch4 Rdn 12; Hüffer/Koch14 Rdn 1; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 15; KK/A Arnold3 Rdn 20. 47 MünchKomm/J Koch4 Rdn 12; Hüffer/Koch14 Rdn 1; vgl auch KK/Zöllner1 Rdn 6 (muss). 48 Anders MünchKomm/J Koch4 Rdn 15; KK/A Arnold3 Rdn 6; Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 18; Heidel/Heidel5 § 257 Rdn 10.

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§ 257 | Zweiter Abschnitt – Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

4. Anfechtungsfrist bei Nachtragsprüfung (Abs 2 Satz 2) 18

a) Fristbeginn mit Beschlussfassung, nicht erst mit Nachtragstestat. Nach allgemeinen Regeln muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden (§ 246 Abs 1 iVm § 257 Abs 2 Satz 1), und die Anfechtungsfrist beginnt mit dem auf die Beschlussfassung folgenden Tag (§ 187 Abs 1 BGB). Wenn also zum Beispiel die Hauptversammlung am 21.5. stattfindet, beginnt die Anfechtungsfrist am 22.5. (§ 187 Abs 1 BGB) und endet mit Ablauf des 21.6. (§ 188 Abs 2 BGB). Das gilt nach § 257 Abs 2 Satz 2 auch dann, wenn der Abschluss nach § 316 Abs 3 HGB erneut zu prüfen ist. Damit hat es folgende Bewandtnis: Wenn die Hauptversammlung einer gesetzlich prüfungspflichtigen Gesellschaft den vom Vorstand aufgestellten und vom Abschlussprüfer geprüften Jahresabschluss im Zuge seiner Feststellung ändert, muss die Änderung eine Nachtragsprüfung durchlaufen (§ 316 Abs 3 HGB). Der Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses wird in diesem Fall erst wirksam, wenn ein hinsichtlich der Änderung uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird (§ 173 Abs 3 Satz 1). Geschieht das nicht binnen zweier Wochen seit der Beschlussfassung, ist der Feststellungsbeschluss und damit auch der Jahresabschluss nichtig (§ 173 Abs 3 Satz 2 und hierauf verweisend die Eingangsworte von § 256 Abs 1). Genau genommen ist die Feststellung des Jahresabschlusses in diesem Fall zunächst schwebend und dann endgültig unwirksam (siehe zum Ganzen § 256 Rdn 167 ff). Man könnte deshalb daran denken, die Anfechtungsfrist erst später beginnen zu lassen,49 etwa mit dem Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses oder jedenfalls nicht vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist für das Nachtragstestat, denn jemand, der eine Klage erwägt, weiß bis dahin nicht, woran er ist50 (Rdn 19). Aber das Gesetz will es anders und lässt die Anfechtungsfrist auch in diesen Fällen ohne Rücksicht auf die Nachtragsprüfung mit der Beschlussfassung beginnen (§ 257 Abs 2 Satz 2) oder, wie es rechtstechnisch präzise heißen müsste, mit dem ersten Tag, der auf die Hauptversammlung folgt (§ 246 Abs 1 AktG, § 187 Abs 1 BGB).51 Gleiches gilt im Hinblick auf einen Gewinnverwendungsbeschluss, der auf dem Jahresabschluss beruht (§§ 253 Abs 1 Satz 1 und 254 Abs 2 Satz 2).

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b) Bedeutung für die Klageerhebung. Die gesetzliche Regelung hat den Vorteil der Rechtsklarheit, denn der Zeitpunkt der Beschlussfassung steht als Fristbeginn von vornherein eindeutig fest. Doch wer gegen den Beschluss der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses gerichtlich vorgehen will, weiß in der Zeit bis zum Nachtragstestat oder bis zum Ende der Zwei-Wochen-Frist nicht, ob der Beschluss nur mit einer Anfechtungsklage aus dem Weg geräumt werden kann, oder ob er schon aus sich heraus unwirksam ist, so dass man eine Klage vielleicht gar nicht braucht. Eine Anfechtungsklage ergibt als solche erst einen Sinn, wenn binnen zwei Wochen das Nachtragstestat erteilt ist.52 Der Aktionär kann allerdings auch schon vorher sowohl Anfechtungsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss als auch Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit (oder Nichtigkeit) des Jahresabschlusses erheben. Beide Klageanträge verfolgen dasselbe materielle Ziel und haben denselben Streitgegenstand, nämlich

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49 Der Gedanke klingt an in RegE AktG, BT-Drucks IV/171 vom 3.2.1962, Anlage 1, Begründung zu § 244 Abs 3 RegE [≈ § 257 Abs 2 AktG], S. 205 re Sp, auch bei Kropff (Hrsg), Aktiengesetz, 1965, § 257, S 348. 50 Vgl KK/A Arnold3 Rdn 21. 51 Spindler/Stilz/Rölike4 Rdn 16; Hüffer/Koch14 Rdn 8. 52 Vgl in diesem Sinne KK/A Arnold3 Rdn 21; MünchKomm/J Koch4 Rdn 14; Großkomm/Schilling3 Anm 4.

Bezzenberger

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Bestellung der Sonderprüfer | § 258

dass der von der Hauptversammlung festgestellte Jahresabschluss nicht gelten soll (vgl § 256 Rdn 225 f). Sie stehen daher zueinander nicht in einem Eventualverhältnis.53 Prozesskostennachteile sind mit dem Nebeneinander der Klageanträge ebenfalls nicht verbunden.54 Praktisch gesehen deckt sogar die eine Klage die andere mit ab. Wenn der Klageantrag von Anfechtung spricht, aber ein Nichtigkeitsgrund oder Unwirksamkeitsgrund vorliegt, muss das Gericht im Urteil die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Jahresabschlusses feststellen.55 Umgekehrt muss das Gericht einen Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses wie bei einer Anfechtungsklage durch Gestaltungsurteil für nichtig erklären, wenn der Klageantrag auf Feststellung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit lautet, aber nur ein Anfechtungsgrund vorliegt und die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen gegeben sind, insbesondere die Klagefrist eingehalten ist.

DRITTER ABSCHNITT Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung Bestellung der Sonderprüfer § 258 Mock https://doi.org/10.1515/9783110294248-003

§ 258 Bestellung der Sonderprüfer (1) 1 Besteht Anlass für die Annahme, dass 1. in einem festgestellten Jahresabschluss bestimmte Posten nicht unwesentlich unterbewertet sind (§ 256 Abs 5 Satz 3) oder 2. der Anhang die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig enthält und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht hat und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist, so hat das Gericht auf Antrag Sonderprüfer zu bestellen. 2 Die Sonderprüfer haben die bemängelten Posten darauf zu prüfen, ob sie nicht unwesentlich unterbewertet sind. 3 Sie haben den Anhang darauf zu prüfen, ob die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig gemacht worden sind und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht hat und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist. (1a) Bei Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten sowie bei Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinn des § 17 des Kapitalanlagegesetzbuchs kann ein Sonderprüfer nach Absatz 1 nicht bestellt werden, soweit die Unterbewertung oder die fehlenden Angaben im Anhang auf der Anwendung des § 340f des Handelsgesetzbuchs beruhen.

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53 Siehe speziell zur Jahresabschlussfeststellung OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1983 li Sp. Ebenso allgemein zum Verhältnis von Beschluss-Anfechtungsklage und BeschlussNichtigkeitsklage RegE für das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drucks 15/5092 v 14.3.2005, Anlage 1, Begründung zu Art 1 Nr 25 (betr § 249), S 30 li Sp; BGH 20.9.2004 – II ZR 288/02, BGHZ 160, 253, 256; BGH 17.2.1997 – II ZR 41/96, BGHZ 134, 364, 366 und hM. 54 Siehe zur allgemeinen Hauptversammlungsbeschlussmängelklage MünchKomm/Hüffer/Schäfer4 § 249 Rdn 23; zustimmend KK/Noack/Zetzsche3 § 249 Rdn 43. 55 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, 2003, 1981, 1983. Ebenso zum Verhältnis von BeschlussAnfechtungsklage und Beschluss-Nichtigkeitsklage RegE für das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drucks 15/5092, Anlage 1, Begr zu Art 1 Nr 25, S 30 li Sp (betr § 249 AktG) und hM, statt vieler Hüffer/Koch14 § 246 Rdn 12 mwN.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

(2) 1 Der Antrag muss innerhalb eines Monats nach der Hauptversammlung über den Jahresabschluss gestellt werden. 2 Dies gilt auch, wenn der Jahresabschluss nach § 316 Abs 3 des Handelsgesetzbuchs erneut zu prüfen ist. 3 Er kann nur von Aktionären gestellt werden, deren Anteile zusammen den Schwellenwert des § 142 Abs 2 erreichen. 4 Die Antragsteller haben die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag zu hinterlegen oder eine Versicherung des depotführenden Instituts vorzulegen, dass die Aktien solange nicht veräußert werden, und glaubhaft zu machen, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. 5 Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar. (3) 1 Vor der Bestellung hat das Gericht den Vorstand, den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer zu hören. 2 Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. 3 Über den Antrag gemäß Absatz 1 entscheidet das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. (4) 1 Sonderprüfer nach Absatz 1 können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. 2 Für die Auswahl gelten § 319 Abs 2 bis 4, § 319a Abs 1 und § 319b Abs 1 des Handelsgesetzbuchs sinngemäß. 3 Der Abschlussprüfer der Gesellschaft und Personen, die in den letzten drei Jahren vor der Bestellung Abschlussprüfer der Gesellschaft waren, können nicht Sonderprüfer nach Absatz 1 sein. (5) 1 § 142 Abs 6 über den Ersatz angemessener barer Auslagen und die Vergütung gerichtlich bestellter Sonderprüfer, § 145 Abs 1 bis 3 über die Rechte der Sonderprüfer, § 146 über die Kosten der Sonderprüfung und § 323 des Handelsgesetzbuchs über die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers gelten sinngemäß. 2 Die Sonderprüfer nach Absatz 1 haben die Rechte nach § 145 Abs 2 auch gegenüber dem Abschlussprüfer der Gesellschaft. Schrifttum Claussen Sinngehalt und Ausformung der Sonderprüfung wegen Unterbewertung, FS Barz, 1974, S 317–333; Frey Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung nach §§ 258 ff AktG, WPg 1966, 633–641; Gessler Das neue Aktienrecht, BB 1965, 677–683; Hennrichs Fehlerhafte Bilanzen, Enforcement und Aktienrecht, ZHR 168 (2004), 383–413; Jänig Aktienrechtliche Sonderprüfung und UMAG, BB 2005, 949 bis 954; ders Bilanzrechtliche Sonderprüfung (§ 258 AktG), NZG 2008, 257–260; Krag/Hullermann Quantitative Voraussetzungen für eine Antragstellung auf eine Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung nach § 258 Abs 1 Nr 1 AktG, DB 1980, 457–459; Kronstein/Claussen/Biedenkopf Zur Frage der Rechtsbehelfe der Bewertungsvorschriften des Aktiengesetzentwurfs, AG 1964, 268–270; Kropff Stille Rücklagen und Substanzerhaltung beim Übergang auf das Bewertungssystem des Aktiengesetzes 1965, FS Forster, 1992, S 289–305; Kupsch Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung (§ 258 Abs 1 Nr 1 AktG) und der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit, WPg 1989, 517–525; Mock Die Bilanz(sonder)prüfung – zur Pflicht und zum Recht auf eine nachträgliche Prüfung von Unternehmensabschlüssen, FS Vetter, 2019, S 461–478; Obermüller/Werner/Winden Sonderprüfungen nach dem Aktiengesetz 1965, DB 1967, 1119–1124; Schimmelbusch Kritische Bemerkungen zum Institut der Sonderprüfung nach §§ 258 ff AktG, WPg 1972, 141–145; Voß Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung gemäß §§ 258 ff AktG, FS Münstermann, 1969, S 443–473; Wilsing/Neumann Die Neuregelung der aktienrechtlichen Sonderprüfungen nach dem Inkrafttreten des UMAG, DB 2006, 31–35.

Monographien Jänig Die aktienrechtliche Sonderprüfung, 2005; Kirchhoff Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung nach §§ 258 ff AktG, 1971; Kirschner Die Sonderprüfung der Geschäftsführung in der Pra-

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Bestellung der Sonderprüfer | § 258

xis, 2008; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972; Schedlbauer Sonderprüfungen, 1984; Schwanke Das grundsätzliche Verbot stiller Reserven im neuen Aktienrecht, 1967.

Rechtsprechung (nur hier richtig – andere Autoren evtl korrigieren) OLG München Beschl v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628 = AG 2006, 801 (Antragstellung vor Fristbeginn, Versicherung des depotführenden Instituts, Ausreichen eines Anfangsverdachts) OLG München Beschl v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141 = AG 2009, 672 (Glaubhaftmachung der Mindestbesitzzeit durch eidesstattliche Versicherung vor einem Notar) OLG Düsseldorf Urt v 24.3.2011 – I-6 U 18/10, BeckRS 2012, 8418 (Antragsbefugnis) LG Frankfurt/Main Beschl v 23.2.2016 – 3–16 O 2/15, NJW-RR 2016, 1008 = AG 2016, 511 = EWiR 2016, 335 (Mock) (Vorrang der bilanziellen Sonderprüfung) LG München I Urt v 30.12.2010 – 5 HK O 21707/09, AG 2011, 760 (keine Sperrwirkung der bilanziellen Sonderprüfung bei Überbewertungen)

I.

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Systematische Übersicht Grundlagen | 1 1. Inhalt der Regelung | 1 2. Zweck der Regelung | 2 a) Generelles Konzept der bilanziellen Sonderprüfung | 3 aa) Schutz des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs | 4 bb) Schutz der Interessen der stakeholder | 8 cc) Durchsetzung der Bewertungsvorschriften | 9 dd) Schutz des Informationsinteresses des Kapitalmarkts | 10 ee) Schutz der Aktiengesellschaft? | 11 ff) Stärkung des Abschlussprüfers? | 12 gg) Kompensation der fehlenden Anfechtungsmöglichkeit der Feststellung des Jahresabschlusses | 13 b) Beschränkung bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten sowie bestimmten Kapitalverwaltungs-gesellschaften | 15 3. Gesetzesgeschichte | 16 a) Entwicklungen bis zum AktG 1965 | 17 b) Aktiengesetz 1965 | 18 c) Spätere Änderungen | 20 4. Wirtschaftliche Bedeutung | 27 5. Europäisches Recht | 30 6. Ausländisches Recht | 33 7. Rechtspolitische Würdigung | 34

8. 9.

II. III.

Reform | 39 Verhältnis zu anderen Prüfungen und Verfahren | 40 a) Prüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat | 40 b) Abschlussprüfung | 41 c) Allgemeine Sonderprüfung nach § 142 AktG | 42 d) Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, § 106 ff WpHG) | 43 e) Aufsichtsrechtliche Prüfungen bei Unternehmen bestimmter Geschäftszweige | 44 f) Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG | 45 g) Anfechtungsklage (§ 243 AktG) | 46 h) Nichtigkeitsklage (§ 256 Abs 7 AktG) | 47 10. Alt- und Übergangsfälle | 49 Anwendungsbereich | 50 Voraussetzungen der bilanziellen Sonderprüfung (Abs 1) | 53 1. Gerichtliche Anordnung der Prüfung | 54 2. Anlass für die Annahme einer fehlerhaften Bilanzierung | 55 3. Prüfungsgegenstände und -gründe | 57 a) Unzulässige Unterbewertung (Abs 1 Satz 1 Nr 1) | 58 aa) Festgestellter Jahresabschluss | 59 bb) Posten | 61 cc) Nicht unwesentliche Unterbewertung | 65 (1) Anwendungsbereich | 66

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

(2)

IV.

V.

Vorliegen einer Unterbewertung | 68 (3) Fehlende Unwesentlichkeit | 75 b) Unvollständige Berichterstattung (Abs 1 Satz 1 Nr 2) | 81 aa) Berichterstattung im Anhang | 82 bb) Fehlerhaftigkeit der Berichterstattung | 87 cc) Keine Korrektur der Berichterstattung in der Hauptversammlung durch den Vorstand | 94 4. Prüfungsumfang bei Unterbewertungen (Abs 1 Satz 2) | 98 5. Prüfungsumfang bei fehlerhaften Anhangsangaben (Abs 1 Satz 3) | 100 Sonderprüfungen bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Kapitalverwaltungsgesellschaften (Abs 1a) | 101 1. Anwendungsbereich | 102 2. Ausschlusstatbestände bei Sonderprüfungen wegen Unterbewertung | 104 3. Ausschlusstatbestände bei Sonderprüfungen wegen unvollständiger Berichterstattung | 106 Gerichtliches Verfahren zur Anordnung einer bilanziellen Sonderprüfung und der Bestellung von Sonderprüfern (Abs 2) | 107 1. Grundlagen des Verfahrens | 108 a) Verfahrensart | 108 b) Verfahrensgrundsätze | 109 c) Verfahrensbeteiligte | 113 d) Zwingender Dualismus des Verfahrensgegenstands | 114 2. Antragsvoraussetzungen | 115 a) Form | 115 b) Antragsfrist (Abs 2 Satz 1) | 116 c) Antragsfrist bei Änderung des Jahresabschlusses (Abs 2 Satz 2) | 121 d) Antragsberechtigung (Abs 2 Satz 3) | 122 e) Hinterlegung oder Vorlage einer Versicherung des depotführenden Instituts (Abs 2 Satz 4) | 129 f) Glaubhaftmachung der Aktienbesitzzeit eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar (Abs 2 Satz 5) | 131

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g)

Kein Erfordernis einer vorherigen Befassung in der Hauptversammlung | 132 h) Inhalt und Begründung | 133 i) Kein Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses | 137 j) Missbräuchliche Antragstellung und (fehlende) Berücksichtigung des Gesellschaftswohls | 138 k) Wegfall der Voraussetzungen nach Antragstellung | 140 3. Gerichtliches Verfahren | 141 a) Antragsprüfung | 142 b) Hinweise des Gerichts | 143 c) Gerichtliche Ermittlungen und Beweiserhebung | 145 d) Verfahrensgestaltende Erklärungen der Beteiligten | 149 e) Entscheidung des Gerichts | 152 4. Vorzeitige Beendigung der bilanziellen Sonderprüfung und Abberufung des Sonderprüfers | 161 VI. Anhörung, Rechtsmittel und Zuständigkeit (Abs 3) | 165 1. Anhörungen (Abs 3 Satz 1) | 165 2. Rechtsmittel (Abs 3 Satz 2) | 170 3. Zuständiges Gericht (Abs 3 Satz 3) | 172 VII. Anforderungen an die Sonderprüfer (Abs 4) | 173 1. Allgemeine Qualifikationsanforderungen (Abs 4 Satz 1) | 173 2. Allgemeine Befangenheit (Abs 4 Satz 2) | 174 3. Erweiterte Befangenheit (Abs 4 Satz 3) | 175 4. (Nachträglicher) Wegfall der Bestellungsvoraussetzungen | 176 VIII. Rechte und Pflichten sowie Verantwortlichkeit der Sonderprüfer (Abs 5) | 177 1. Vergütung der Sonderprüfer (Abs 5 Satz 1) | 177 2. Rechte der Sonderprüfer (Abs 5 Satz 1) | 179 3. Kosten (Abs 5 Satz 1) | 182 4. Verantwortlichkeit (Abs 5 Satz 1) | 186 IX. Folgen der Bestellung eines Sonderprüfers und Durchführung der Sonderprüfung | 188 1. Rechtsstellung des Sonderprüfers | 189

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Bestellung der Sonderprüfer | § 258

2. 3. 4.

Auswirkungen auf die Aktiengesellschaft und ihre Organe | 191 Publizitätspflichten | 192 Durchführung der Sonderprüfung | 193 a) Vorbereitung | 194

X.

b) Durchführung | 195 c) Nachbereitung | 198 5. Rolle des Sonderprüfers auf der Hauptversammlung | 199 Freiwillige oder informelle Sonderprüfung | 201

I. Grundlagen 1. Inhalt der Regelung. Die Sonderprüfung nach § 258 ist eine sachverständige 1 Überprüfung der Bewertung bestimmter Posten in einem festgestellten Jahresabschluss und der Vollständigkeit der Berichterstattung im Anhang (Abs 1 – Rdn 53 ff) bei Aktiengesellschaften, die keine Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute oder Kapitalverwaltungsgesellschaften sind (Abs 1a – Rdn 101 ff). Die Prüfung hat das Gericht anzuordnen, wenn Anlass für die Annahme einer nicht unwesentlichen Unterbewertung oder einer unvollständigen Berichterstattung besteht. Liegen diese materiellen Voraussetzungen vor, so bestellt das Gericht auf Antrag von Aktionären mit einem bestimmten Anteilsbesitz (Abs 2 – Rdn 107 ff) und nach der Anhörung von Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer (Abs 3 – Rdn 165 ff) einen Sonderprüfer. Dieser muss Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfergesellschaft sein (Abs 4 – Rdn 173 ff). Die Sonderprüfer prüfen, ob die in der Entscheidung des Gerichts bezeichneten Posten des Jahresabschlusses nicht unwesentlich unterbewertet sind und ob der Anhang vorgeschriebene Angaben nicht oder nicht vollständig enthält, und hierzu in der Hauptversammlung Erörterungen stattgefunden haben (Abs 1 Satz 2 und 3 – Rdn 98 ff und Rdn 100). Für die Sonderprüfer gelten nach Abs 5 im Wesentlichen die für die (allgemeinen) Sonderprüfer nach §§ 142 ff geltenden Vorschriften (Rdn 177 ff). 2. Zweck der Regelung. Die Bestimmung des Zwecks der Sonderprüfung nach den 2 §§ 258 ff fällt nicht leicht, da vor allem die Gesetzgebungsmaterialien Zweck und Funktion kaum voneinander trennen. a) Generelles Konzept der bilanziellen Sonderprüfung. Ausweislich dieser be- 3 zweckt die Bestellung von Sonderprüfern nicht die allgemeine Prüfung eines Jahresabschlusses. Vielmehr sollen stille Reserven, die durch eine unzulässige Unterbewertung gelegt worden sind, in einem späteren Jahresabschluss aufgelöst werden und eine unvollständige Berichterstattung des Vorstands im Anhang soll durch den Bericht der Sonderprüfer ergänzt werden.1 Ausgehend von dieser Funktion der Sonderprüfung lassen sich im Wesentlichen die folgenden Zwecke ableiten. aa) Schutz des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs. Zunächst dienen die 4 §§ 258 ff – jedenfalls im Zusammenhang mit dem Prüfungsanlass der Unterbewertung (Abs 1 Satz 1 Nr 1 – Rdn 58 ff) dem Schutz des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs.2

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1 Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 208; zustimmend Claussen FS Barz, 1974, S 317, 320; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 2; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 3. 2 In diesem Sinne auch Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 207, ohne diese freilich direkt anzusprechen; ebenfalls von diesem Schutzzweck ausgehend KK/Arnold3 Rdn 8; Claussen FS Barz, 1974, S 317, 320 f; Grigoleit/Ehmann Rdn 1; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 2; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 3; MünchKomm/Koch4 Rdn 3; Hüffer/Koch14 Rdn 1; Wilsing/Neumann DB 2006, 31; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 446.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

Diese können Unterbewertungen von Bilanzposten sowie Fehler im Anhang nur sehr begrenzt im Rahmen der Nichtigkeitsklage (§ 256 Abs 4 und Abs 5 Satz 1 Nr 2 – § 256 Rdn 54 ff und 71 ff) und überhaupt nicht im Wege der Anfechtungsklage (§ 257 Abs 1 Satz 2 – § 257 Rdn 4 ff) geltend machen. Daher besteht für den Vorstand und den Aufsichtsrat bei einer Deckung durch den Hauptaktionär die Möglichkeit, einen Gewinnausweis im Rahmen der Auf- und Feststellung des Jahresabschlusses zu verhindern. Mit der Sonderprüfung können daher die Aktionäre sicherstellen, dass jedenfalls das geltende Bilanzrecht beachtet wurde und der Gewinn rechtlich zutreffend ausgewiesen wurde. 5 Hinsichtlich des Prüfungsanlasses der fehlerhaften Berichterstattung im Anhang (Abs 1 Satz 1 Nr 2 – Rdn 81 ff) besteht kein Zusammenhang mit dem mitgliedschaftlichen Gewinnanspruch, da der Anhang auf diesen keinen unmittelbaren Einfluss hat. Da der Anhang – jedenfalls in der Konzeption und im Umfang des Aktiengesetzes 1965 – vor allem der Erläuterung der Bilanz und dabei vor allem der Erläuterung der Bilanzierungsund Bewertungsmethoden dient, ist dahingehend jedoch ein mittelbarer Zusammenhang anzunehmen.3 Dabei handelt es sich aber nur sehr eingeschränkt um ein Instrument des Minder6 heitenschutzes4, was auch an der Gesetzesbegründung5 deutlich wird, bei der im Kontext der Vorschriften zur bilanziellen Sonderprüfung dieser Begriff der Minderheit bereits nicht verwendet wird. Zwar kann bereits eine qualifizierte Aktionärsminderheit (Rdn 122 ff) einen Antrag auf Anordnung einer bilanziellen Sonderprüfung und Bestellung eines Sonderprüfers stellen. Allerdings entscheidet am Ende die Hauptversammlung, wie mit dem aufgrund der durch die Sonderprüfung festgestellten höheren Bewertung entstehenden Gewinn umzugehen ist (§ 261 Abs 3 Satz 2 – § 261 Rdn 49 ff). Die bilanzielle Sonderprüfung soll somit die mitgliedschaftlichen Aktionärsrechte auf Rechnungslegung unter Einhaltung der Bewertungsvorschriften und auf Gewinnteilhabe schützen6, nicht jedoch die Durchsetzung von Ansprüchen auf Ausschüttung bestimmter, sich aus der Sonderprüfung ergebender Erträge ermöglichen. Insofern beschränkt sich der Minderheitenschutz darauf, dass eine Unterbewertung festgestellt werden kann. Daher ist die Sonderprüfung der §§ 258 ff auch nur als eine Art aktienrechtliche (Teil)Antwort auf das Problem des sogenannten Aushungerns der Aktionäre zu betrachten, das vor allem im GmbH-Recht auftritt.7 Zur den im Rahmen der Sonderprüfung feststellbaren Fehler Rdn 57 ff. An dem Erfordernis eines solchen Schutzes bestehen allerdings erhebliche Zweifel. 7 Im Rahmen der Sonderprüfung wird nur eine Recht- und keine Zweckmäßigkeitsprüfung der Aufstellung des Jahresabschlusses vorgenommen (Rdn 57 ff), so dass sich die Aktionäre nur gegen bestimmte rechtswidrige Handlungen von Vorstand und Aufsichtsrat wehren können. Bedenkt man zudem, dass ein solches Verhalten nicht nur haftungsrelevant (§§ 93, 116) und Grundlage für eine Abberufung aus wichtigem Grund (§ 84 Abs 3) sein kann, sondern zur Verhinderung dieses Verhaltens neben der Sonderprüfung auch noch die Abschlussprüfung (§§ 316 ff HGB) sowie – jedenfalls bei kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften – das Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff WpHG)

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3 In diese Richtung auch Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 3. 4 Wohl auch Hüffer/Koch14 Rdn 1, der jedenfalls ein Schutz des Individualinteresses ablehnt; ebenso KK/Arnold3 Rdn 8; von einem Minderheitenschutz aber ausgehend Claussen FS Barz, 1974, S 317, 320 (gehören in den Katalog der Minderheitsrechte); Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 2; Frey WPg 1966, 633; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 3. 5 Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 207 f. 6 Hennrichs ZHR 168 (2004), 383, 392 f. 7 Zu dieser Problematik im GmbH-Recht 51.

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Bestellung der Sonderprüfer | § 258

tritt, muss das Erfordernis eines weiteren Schutzmechanismus angezweifelt werden. Dies wird nicht zuletzt durch den fehlenden Anreiz der Aktionäre zur Einleitung einer Sonderprüfung (Rdn 29) deutlich, was die nahezu verschwindend geringe Anzahl von Fällen belegt, in denen von der Sonderprüfung nach den §§ 258 ff Gebrauch gemacht wurde (Rdn 27). Dieser Befund dürfte auch der Grund für die fehlende Verbreitung dieses Rechtsinstituts in anderen Rechtsordnungen sein (Rdn 33). bb) Schutz der Interessen der stakeholder. Darüber hinaus dient die Sonderprü- 8 fung aber auch mittelbar den Interessen der übrigen stakeholder und insbesondere der Gläubiger der Aktiengesellschaft. Zwar können diese selbst keine Sonderprüfung einleiten (Rdn 126). Allerdings profitieren diese mittelbar von der Möglichkeit der Beantragung durch eine Aktionärsminderheit, da der Vorstand und der Aufsichtsrat damit angehalten sind, das geltende Rechnungslegungsrecht bei der Auf- und Feststellung des Jahresabschlusses zu beachten. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Sonderprüfung auf eine Feststellung von Unterbewertungen und die Richtigkeit der Anhangsangaben beschränkt ist (Rdn 81 ff), da die stakeholder auch ein Interesse an diesen Informationen etwa im Rahmen der Beendigung von Vertragsverhältnissen mit der Aktiengesellschaft haben. Insofern wird die Publizität des Jahresabschlusses und das Vertrauen des Rechtsverkehrs in dessen Richtigkeit – wenn auch nur in sehr eingeschränktem Maße – gestärkt. cc) Durchsetzung der Bewertungsvorschriften. Teilweise wird im Schrifttum auch 9 die Durchsetzung der Bewertungsvorschriften als Regelungszweck der §§ 258 ff gesehen.8 Diese Zwecksetzung erscheint in ihrer Abstraktheit zweifelhaft, da es letztlich Ziel der gesamten Rechtsordnung ist, eine Durchsetzung des geltenden Rechts zu gewährleisten. Hinter dem Regelungszweck der Durchsetzung der Bewertungsvorschriften dürfte sich tatsächlich nicht mehr als der Schutz des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs (Rdn 6), der Schutz der Interessen der stakeholder (Rdn 8) und bei der börsennotierten Aktiengesellschaft der Schutz des Informationsinteresses des Kapitalmarkts (Rdn 10) verbergen. dd) Schutz des Informationsinteresses des Kapitalmarkts. Weiterhin dient die 10 Sonderprüfung auch dem Informationsinteresse des Kapitalmarkts.9 Ausgehend von der Effizienzmarkthypothese ist die Vermittlung möglichst umfassender und richtiger Informationen über einen Emittenten erforderlich, um eine Preisbildung auf den Kapitalmärkten zu ermöglichen. Mit der Möglichkeit der Einleitung einer Sonderprüfung wegen Unterbewertungen oder unrichtiger Anhangsangaben besteht für den Vorstand und den Aufsichtsrat ein mittelbarer Anreiz, die Berichterstattung über den Jahresabschluss dahingehend korrekt vorzunehmen. Da mit dem Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff WpHG) allerdings ein spezifischer Mechanismus zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen besteht, dürfte der Sonderprüfung in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle zukommen. ee) Schutz der Aktiengesellschaft?. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die 11 Sonderprüfung zudem auch den Interessen der Aktiengesellschaft dienen.10 Diese Zweck-

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8 So vor allem K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 3; Hüffer/Koch14 Rdn 1; MünchKomm/Koch4 Rdn 2; ähnlich KK/Arnold3 Rdn 7. 9 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 3; KK/Arnold3 Rdn 9. 10 Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 44 (Einleitung der Sonderprüfung im Interesse aller Aktionäre und der Gesellschaft selbst).

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

richtung bleibt allerdings nebulös und kann nicht überzeugen. So ist nicht klar, worin dieser Schutz genau bestehen soll, da für die Aktiengesellschaft selbst kein Interesse an der Verhinderung der Bildung stiller Reserven erkennbar ist. Insbesondere lassen sich aus der Betriebswirtschaftslehre keine Rückschlüsse auf eine höhere Effektivität oder Widerstandskraft des Unternehmens ableiten, wenn auf die Bildung stiller Reserven verzichtet wird. 12

ff) Stärkung des Abschlussprüfers? Zudem wird teilweise vertreten, dass die bilanzielle Sonderprüfung auch der Stärkung des Abschlussprüfers diene, da dieser Vorstand und Aufsichtsrat bei Meinungsverschiedenheiten über die Zulässigkeit von Bilanzierungsfragen auf die Gefahr einer späteren bilanziellen Sonderprüfung hinweisen kann.11 Diese Sichtweise ist allerdings nicht überzeugend. Zum einen basiert sie auf einer sehr schwachen Position des Abschlussprüfers gegenüber der Aktiengesellschaft und zum anderen überschätzt sie die tatsächlich bestehende Gefahr12 der Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung. Schließlich zeigt auch das Fehlen einer vergleichbaren Regelung in anderen Rechtsordnungen13, dass für eine derartige Stärkung des Abschlussprüfers schon kein Bedarf besteht.

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gg) Kompensation der fehlenden Anfechtungsmöglichkeit der Feststellung des Jahresabschlusses. Schließlich muss der Zweck der bilanziellen Sonderprüfung auch in einem Kontext mit § 257 Abs 1 Satz 2 (§ 257 Rdn 4 ff) gesehen werden, wonach eine Anfechtung der Feststellung des Jahresabschluss nicht darauf gestützt werden kann, dass der Inhalt des Jahresabschlusses gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt. Damit sind die Aktionäre einem fehlerhaften, aber nicht die Schwelle der Nichtigkeit (§ 256) erreichenden Jahresabschluss schutzlos ausgeliefert, da sie gegen diesen nicht vorgehen können. Mit der bilanziellen Sonderprüfung wird ihnen aber eine Möglichkeit der Überprüfung an die Hand gegeben, womit die Folgen von § 257 Abs 1 Satz 2 abgefedert werden.14 Dieser Zusammenhang wird vor allem in den Gesetzgebungsmaterialien deutlich, da die Regierungsentwürfe von 1960 und 1962 (Rdn 18) noch von einem Regelungskonzept ausgingen, das als Rechtsbehelf gegen eine unzulässige Bildung stiller Reserven als Alterative zur Anfechtung des Feststellungsbeschlusses gedacht war. Ob diese Einschätzung in der heutigen Zeit noch trägt, muss aber bezweifelt werden. 14 So existiert – jedenfalls bei der börsennotierten AG – mit dem Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff WpHG) ein Kontrollmechanismus für die Rechnungslegung, der in seinem Anwendungsbereich hinsichtlich der erfasste Prüfungsgegenstände15 auch über die bilanzielle Sonderprüfung deutlich hinausgeht. Zudem stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage nach der Erforderlichkeit einer gesonderten bilanziellen Sonderprüfung neben der regulären Sonderprüfung nach §§ 142 ff. Ausführlich zum Regelungszweck von § 257 (§ 257 Rdn 1). 15

b) Beschränkung bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten sowie bestimmten Kapitalverwaltungsgesellschaften. Abs 1a schließt die Bestellung von Sonderprüfern nach Abs 1 bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten sowie

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11 So vor allem Claussen FS Barz, 1974, S 317, 321; dem folgend KK/Arnold3 Rdn 9; K Schmidt/Lutter/ Kleindiek3 Rdn 3. 12 Zur geringen praktischen Bedeutung der bilanziellen Sonderprüfung Rdn 27 ff. 13 Zum Rechtsvergleich Rdn 33. 14 Diesen Zusammenhang ausdrücklich herstellend Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 207. 15 Zum umfassenderen Anwendungsbereich etwa KK-WpHG/Mock2 § 37n Rdn 96 ff.

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bestimmten Kapitalverwaltungsgesellschaften (§ 17 KAGB) aus, soweit die Unterbewertung oder die fehlenden Angaben im Anhang auf der Anwendung einer in § 340f HGB zugelassene Vorsorgemaßnahme für allgemeine Bankrisiken beruhen. Anlass für diese Sonderregelung waren Bedenken, die aus der Kreditwirtschaft bei den Verhandlungen über die Aktienrechtsreform 1965 geäußert wurden, als offensichtlich wurde, dass die Bildung stiller Rücklagen im Jahresabschluss von Aktiengesellschaften grundsätzlich nicht gestattet sein würde. Es wurde darauf hingewiesen, dass unerwartet auftretende Verluste einer Bank zwar auch durch die Auflösung offener Rücklagen ausgeglichen werden könnten, dass dann jedoch die Gefahr bestehe, dass eine solche Offenlegung der Verluste auch zu einem Vertrauensverlust der Kundschaft und dieser zu einem Abzug von Einlagen und, dann hieraus folgend, zu einer eventuellen Zahlungseinstellung und zu notwendigen Sanierungsmaßnahmen führen könnte. Kreditinstituten müsse deshalb die Möglichkeit eingeräumt werden, stille Reserven, insbesondere bei den Forderungen und Wertpapieren des Umlaufvermögens, zu bilden, die sodann zum Ausgleich von Verlusten auch still aufgelöst werden könnten; die staatliche Bankenaufsicht würde einen Missbrauch dieser Möglichkeit ausschließen.16 Der Gesetzgeber hat diesen Bedenken ursprünglich mit den Vorschriften zur Vorsorge für allgemeine Bankrisiken in §§ 26a und 26b KWG aF Rechnung getragen (Rdn 101 ff). Er hat auch später die Notwendigkeit einer gläubigerschützenden Sonderregelung für auf dem Finanzmarkt tätige Unternehmen trotz der damit verbundenen Einschränkung der Transparenz ihrer Jahresabschlüsse anerkannt, als § 26a KWG durch § 340f HGB und § 26b KWG durch Abs 1a ersetzt wurden. 3. Gesetzesgeschichte. Die Sonderprüfung der §§ 258 ff ist ein gesetzgeberisches 16 Produkt des Aktiengesetzes 1965 (Rdn 18). Allerdings finden sich auch schon im vorherigen Recht Ansätze für eine Sonderprüfung wegen Unterbewertungen oder unrichtiger Anhangsangaben (Rdn 17). Eine Fortentwicklung hat die Sonderprüfung nach den §§ 258 ff nach dem Aktiengesetz 1965 nicht mehr genommen. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber auf kleinere Folgeänderungen im Zusammenhang mit anderen Reformen beschränkt (Rdn 20 ff). a) Entwicklungen bis zum AktG 1965. Die (allgemeine) Sonderprüfung, die heute 17 in den §§ 142 ff geregelt ist, wurde im deutschen Aktienrecht durch die Zweite Aktienrechtsnovelle 188417 eingeführt18, nahm als solche aber keinen direkten Bezug zu Fragen der Unterbewertung und der Richtigkeit von Anhangsangaben. So wird in der Gesetzesbegründung auf spezifisch bilanzrechtliche Unregelmäßigkeiten kein Bezug genommen, die Möglichkeit diese im Rahmen einer Sonderprüfung untersuchen zu lassen aber auch nicht ausgeschlossen. Dennoch wurde vor allem im Schrifttum angenommen, dass auch diese Frage Gegenstand einer Sonderprüfung sein kann. Diese Auffassung wurde durch die Rechtsprechung aber nie bestätigt. Auch im Rahmen späterer Reformen wurde dieser Aspekt nicht ausdrücklich thematisiert. Dies gilt insbesondere für das Aktiengesetz 193719.

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16 Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 62. 17 Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften v 31.7.1884 RGBl 123. 18 Für einen historischen Überblick zur Sonderprüfung vgl. nur Spindler/Stilz/Mock4 § 142 Rdn 10. 19 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) v 30.1.1937, RGBl I 107.

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b) Aktiengesetz 1965. Das Recht einer Aktionärsminderheit, eine spezifisch bilanzrechtliche Sonderprüfung zu beantragen, wurde durch das AktG 196520 eingeführt. Dabei enthielt der Gesetzesentwurf von 196021 mit §§ 249 f aber noch ein Regelungskonzept, wonach das Gericht und nicht ein Sonderprüfer die unzulässige Bildung stiller Reserven feststellen sollte. Somit sollte in Fortschreibung des alten Rechts (§ 133 Nr 1 AktG 1937) grundsätzlich die Bildung stiller Rücklagen im Jahresabschluss gestattet sein. Stellte die Hauptversammlung den Jahresabschluss fest, so sollte diese Feststellung anfechtbar sein, jedoch sollte die Anfechtung nicht darauf gestützt werden können, dass in dem Jahresabschluss stille Rücklagen über das nach Gesetz oder Satzung zulässige Maß hinaus gebildet worden seien (RegE AktG § 244). Anders als dies zuvor die §§ 197 Abs 3, 202 Abs 1 AktG 1937 zugelassen hatten, sollte auch ein vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluss anfechtbar sein, jedoch wiederum nicht wegen der Bildung unzulässiger stiller Rücklagen (RegE AktG § 248). Als Begründung hierfür wurde angeführt, dass die Anfechtung des Jahresabschlusses die AG in einen unerwünschten Zustand der Ungewissheit versetzen würde, weil eine erfolgreiche Anfechtung den gesamten Jahresabschluss rückwirkend unwirksam macht.22 Würde das Gericht eine unzulässige Rücklagenbildung feststellen, so sollte diese im nächsten Jahresabschluss aufgelöst und ein sich hieraus ergebender zusätzlicher Gewinn ausgeschüttet werden (RegE AktG § 249 Abs 6).23 Dieses Konzept lag auch noch dem Regierungsentwurf von 196224 zugrunde. Im Gesetzgebungsverfahren wurden gegen den Regierungsentwurf insbesondere gegen den Ausschüttungszwang für Gewinne aus einer Höherbewertung Einwendungen erhoben.25 Die Ausschussberatungen führten zu grundlegenden Änderungen des gesamten 19 Regelungskonzepts. So wurde insbesondere die Prüfung des Jahresabschlusses durch einen Sonderprüfer vorgesehen und die Prüfung durch das Gericht aufgegeben. Zudem wurde eine erhebliche tatbestandliche Schärfung vorgenommen, indem die Sonderprüfung auf die beiden Prüfungsanlässe in Abs 1 Satz 1 (Rdn 53 ff) beschränkt wurde. Auch das gesamte Antragsverfahren wurde neu strukturiert, womit sich das Regelungskonzept als bilanzielle Sonderprüfung und nicht mehr – wie in den ursprünglichen Entwürfen – als Rechtsbehelf gegen fehlerhafte Jahresabschlüsse darstellte (Rdn 18). Schließlich wurde die Ausnahmevorschrift in § 36 EGAktG (heute Abs 1a [Rdn 101 ff)] geschaffen, dass bei bestimmten, im Finanzmarkt tätigen Unternehmen Sonderprüfer nach Abs 1 nicht bestellt werden können, soweit die Unterbewertung oder die fehlenden Angaben im Anhang auf der Anwendung des § 340f HGB (Vorsorge für allgemeine Bankrisiken) beruhen. § 36 EGAktG hatte hierzu besondere Vorschriften für Kreditinstitute in der Rechtsform einer AG oder KGaA in das KWG eingefügt. § 26a Abs 1 KWG gestattete es Kreditinstituten in dieser Rechtsform, Forderungen und Wertpapiere des Umlaufvermögens mit einem niedrigeren als dem nach allgemeinem Bilanzrecht vorgeschriebenen oder zugelassenen Wert anzusetzen, soweit dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zur Sicherung gegen die besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute notwendig war; § 26a Abs 2 KWG befreite sie von der Verpflichtung, bei der Erläuterung des Jahresabschlusses in ihrem Geschäftsbericht die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden so vollständig anzugeben, wie es zur Vermittlung eines mög-

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Aktiengesetz vom 6.9.1965, BGBl I S 1089. Entwurf eines Aktiengesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz, BT-Drucks III/1915. Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 206. Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 207. Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171. Richtungsweisend Kronstein/Claussen/Biedenkopf AG 1964, 268 ff.

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lichst sicheren Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage der Aktiengesellschaft erforderlich war. Und § 26b Abs 2 KWG schloss die Bestellung von Sonderprüfern aus, wenn Kreditinstitute entsprechend § 26a KWG besondere Reserven gebildet oder Angaben im Geschäftsbericht unterlassen hatten. c) Spätere Änderungen. Mit dem Beurkundungsgesetz26 wurde 1969 die Zuständigkeit für die Aufnahme eidesstattlicher Versicherungen zur Glaubhaftmachung der für einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern erforderlichen Aktienbesitzzeit der Antragsteller neu geregelt; neben dem für den Antrag zuständigen Gericht sind nur noch Notare und nicht mehr, wie zunächst in Abs 2 Satz 5 bestimmt, auch Gerichte allgemein hierfür zuständig. 1985 wurden die §§ 258–261 den neuen bilanzrechtlichen Vorschriften im BiRiLiG27 angepasst. Das Bankbilanzrichtlinie-Gesetz28 ergänzte 1990 die Befugnis von Kreditinstituten zur Vorsorge für allgemeine Bankrisiken in ihren Jahresabschlüssen (§ 340f HGB) durch besondere Bewertungsvorschriften für Vermögensgegenstände (§ 340e HGB) und durch die Ermächtigung zur Bildung eines Sonderpostens für allgemeine Bankrisiken (§ 340g HGB).29 Zudem wurde Absatz 1a (Rdn 101 ff) eingefügt, wonach bei Kreditinstituten ein Sonderprüfer nach Absatz 1 nicht bestellt werden kann, soweit die Unterbewertung oder die fehlenden Angaben im Anhang auf der Anwendung des § 340f HGB beruhen. Die Sonderregelung in Abs 1a (Rdn 101 ff) wurde 1991 durch das Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften30 angepasst und auf Finanzdienstleistungsinstitute erstreckt. Die Zulassung von Stückaktien durch das Stückaktiengesetz31 und das Euroeinführungsgesetz32 führten 1998 ohne sachliche Änderung zu einer Neufassung des Abs 2 Satz 3, der für einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern einen bestimmten Aktienbesitz der Antragsteller erfordert. Das Bilanzrechtsreformgesetz33 änderte 2004 in § 319 und § 319a HGB die Vorschriften über die Auswahl von Abschlussprüfern und die hierbei zu beachtenden Ausschlussgründe und verwies in Abs 4 Satz 2 (Rdn 174) hierauf. Mit der Einführung der Enforcement-Prüfung durch das Bilanzkontrollgesetz34 (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff WpHG) wurden 2004 neben der bilanzrechtlichen Sonderprüfung weitergehende Prüfungen der Rechnungslegung von kapitalmarktorientierten Unternehmen durch eine unabhängige Prüfstelle sowie durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vorgesehen und hierzu mit dem neu eingefügten § 261a Mitteilungspflichten über Verfahren nach

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26 Beurkundungsgesetz v 28.8.1969, BGBl I S 1513. 27 Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12.1985, BGBl I S 2355. 28 Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluss und dem konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (Bankbilanzrichtlinie-Gesetz) vom 30.11.1990, BGBl I S 2570. 29 Begr RegE BankBiRiLiG, BT-Drucks 11/6275, S 23. 30 Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften v 22.10.1997, BGBl I S 2567. 31 Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz – StückAG) vom 25.3.1998, BGBl I S 590. 32 Gesetz zur Einführung des Euro (Euro-Einführungsgesetz – EuroEG) vom 9.6.1998, BGBl I S 1242. 33 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlußprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 4.12.2004, BGBl I S 3166. 34 Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz – BilKoG) vom 15.12.2004, BGBl I S 3408.

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§ 258 vorgeschrieben, um gleichzeitig stattfindende Prüfungen gleicher Sachverhalte durch eine Sonderprüfung und im Enforcement-Verfahren auszuschließen. Eine Erleichterung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Antrag auf Bestel24 lung von Sonderprüfern erfolgte 2005 durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts35, das den hierfür vorgeschriebenen Anteilsbesitz wesentlich herabsetzte. Anträge von Aktionären sind danach zulässig, wenn ihre Anteile zusammen den hundertsten Teil des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 €, anstatt wie zuvor den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 € erreichen. Der Vorschlag, Anträge auf Bestellung von Sonderprüfern nach § 142 Abs 2 und § 258 auch zuzulassen, wenn die Anteile der Antragsteller den Börsenwert von 100.000,00 € erreichen,36 fand im Gesetzgebungsverfahren keine Zustimmung.37 Seitdem gelten dieselben Schwellenwerte für Anträge auf Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung der Geschäftsführung (§ 142 Abs 2), zur Prüfung des Jahresabschlusses wegen unzulässiger Unterbewertung oder unvollständiger Anhangs-Berichterstattung (Abs 2 – Rdn 107 ff) sowie für konzernrechtliche Sonderprüfungen nach § 315 Satz 2 und für Anträge auf Zulassung von Aktionärsklagen nach § 148 Abs 1. Seit der Neufassung des Abs 2 Satz 4 (Rdn 129 ff) durch das UMAG ist für einen solchen Antrag anstelle der Hinterlegung der Aktien der Antragsteller auch die Vorlage einer Versicherung des depotführenden Instituts ausreichend, dass die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag nicht veräußert werden. Das UMAG änderte zudem bei allgemeinen Sonderprüfungen nach § 142 die Vorschriften über den Inhalt des Prüfungsberichts (§ 145) und über die Kostentragungspflichten (§ 146), die bei einer bilanzrechtlichen Sonderprüfung gemäß § 259 Abs 1 Satz 3 (§ 259 Rdn 40 ff) bzw Abs 5 Satz 1 (Rdn 177 f) sinngemäß anzuwenden sind. Mit dem FGG-Reformgesetz38 von 2008 wurde die Verfahrensordnung für die Be25 stellung von Sonderprüfern neu geregelt. Das Verfahren ist seitdem auch nicht mehr vor den Amtsgerichten, sondern ausschließlich vor dem Landgericht zu führen (Abs 3 – Rdn 165 ff). Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz39 wurde 2009 auch Abs 4 Satz 2 26 (Rdn 174) dahingehend ergänzt, dass bei der Auswahl von Sonderprüfern die Ausschlussgründe in § 319b Abs 1 HGB sinngemäß gelten. Zudem kam es zu einer Anpassung bei Abs 1a (Rdn 101 ff), der zudem durch das AIFM-Umsetzungsgesetz40 von 2013 erneut angepasst wurde. Die Norm ist seitdem unverändert. 27

4. Wirtschaftliche Bedeutung. Die Bedeutung der bilanziellen Sonderprüfung ist extrem gering.41 So lassen sich für den Zeitraum der letzten Jahrzehnte gerade einmal

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35 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl I S 2802. 36 Begr RegE UMAG, BT-Drucks 50/5092, S 18. 37 Ausschussbericht UMAG, BT-Drucks 15/5693, S 17. 38 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 17.12.2008, BGBl I S 2586. 39 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz-BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl I S 1102. 40 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Umsetzungsgesetz – AIFM-UmsG), BGBl I S 1981. 41 Ebenso mit dieser Einschätzung KK/Arnold3 Rdn 10; Grigoleit/Ehmann Rdn 1; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 4; MünchKomm/Koch4 Rdn 9; Hüffer/Koch14 Rdn 1; darauf bereits hinweisend Schimmelbusch WPg 1972, 141.

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drei42 veröffentlichte Entscheidungen ermitteln, bei denen ein Antrag auf Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung gestellt wurde. Ob dem Regelungsinstrument darüber hinaus eine präventive Wirkung zukommt43, 28 muss ebenfalls stark angezweifelt werden. So zeigt sich insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften im Rahmen des Enforcement-Verfahrens (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff WpHG) eine verhältnismäßig hohe Zahl von ergebniswirksamen Bilanzierungsfehlern44, was mit einer angeblich präventiven Wirkung der bilanziellen Sonderprüfung nicht vereinbar ist. An dieser Einschätzung hat sich auch nichts durch die Herabsenkung der Quorumsanforderungen durch das UMAG (Rdn 24) geändert.45 Der Grund für die geringe wirtschaftliche Bedeutung dürfte vor allem in der fehlen- 29 den Anreizstruktur für die antragsberechtigten Aktionäre zu suchen sein (Rdn 35). Diese tragen beim gerichtlichen Antragsverfahren das Risiko der Kostenlast, wenn der Antrag zurückgewiesen wird. Aber selbst bei einer erfolgreichen Antragstellung und Durchführung einer Sonderprüfung ergibt sich für die Aktionäre kein unmittelbarer Vorteil. Insbesondere ist damit aufgrund von § 261 nicht zwingend eine höhere Ausschüttung verbunden (§ 261 Rdn 1 ff). Zudem können Aktionäre bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit des Jahresabschlusses auch bei der Prüfstelle für Rechnungslegung bzw der BaFin die Einleitung eines Enforcement-Verfahrens anregen46 und somit eine Überprüfung erreichen. 5. Europäisches Recht. Die Sonderprüfung wird durch das europäische Gesell- 30 schaftsrecht nicht beeinflusst. So sah lediglich die nicht verabschiedete Konzernrechtsrichtlinie47 eine Regelung vor, wonach auf Antrag eines Aktionärs, eines nicht befriedigten Gläubigers oder der Vertreter der Arbeitnehmer ein Sonderprüfer bestellt werden konnte, der zu ermitteln hatte, ob die Aktiengesellschaft durch Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen geschädigt worden und ob anzunehmen war, dass dies auf einer Einwirkung des Unternehmens oder einer seiner Tochtergesellschaften beruhte. Eine allgemeine Sonderprüfung war hingegen nicht vorgesehen.48 Der European Model Companies Act (EMCA) sieht in Chapter 11 Section 32 eine 31 mit der bilanziellen Sonderprüfung vergleichbare Regelung vor, differenziert aber in gleichem Umfang wie das deutsche Aktienrecht zwischen der allgemeinen Sonderprüfung (§§ 142 ff) und der bilanziellen Sonderprüfung (§§ 258 ff). Für die Europäische Aktiengesellschaft (SE) gibt es für die bilanzielle Sonderprü- 32 fung keine Entsprechung in der SE-VO. Für eine Europäische Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland finden die §§ 258 ff daher uneingeschränkt Anwendung (Art 9 Abs 1 lit c) ii) SE-VO).49

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42 OLG München v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628; OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141; OLG München v 8.6.2011 – 31 Wx 81/10, AG 2011, 720. 43 So etwa Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 7; Grigoleit/Ehmann Rdn 1; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 4; MünchKomm/Koch4 Rdn 9; Heidel/Wilsing/von der Linden Aktienrecht5 Rdn 1. 44 Für einen statistischen Überblick etwa KK-WpHG/Mock2 § 37n Rdn 39. 45 Eine zunehmende Bedeutung der bilanziellen Sonderprüfung dadurch allerdings prognostizierend Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 4. 46 Zum fehlenden Antragsrecht der Aktionäre im Enforcement-Verfahren KK-WpHG/Mock2 § 37o Rdn 42. 47 Entwurfes einer Neunten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie von 1984, DOK III/1639/84, abgedruckt in ZGR 1985, 444 ff. 48 Eine solche aber fordernd Forum Europaeum Konzernrecht ZGR 1998, 672, 722. 49 KK/Arnold3 Rdn 11.

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6. Ausländisches Recht. Auch das Aktienrecht in Österreich und in der Schweiz kennen kein vergleichbares Rechtsinstitut. Allerdings kann in Österreich im Rahmen der allgemeinen Sonderprüfung nach § 130 AktG auch die Richtigkeit der Unternehmensabschlüsse untersucht werden.50

7. Rechtspolitische Würdigung. Die rechtspolitische Bedeutung der bilanziellen Sonderprüfung wurde in der Zeit nach dem Inkrafttreten der Aktiengesetz 1965 als sehr hoch eingeschätzt.51 Da die bilanzielle Sonderprüfung in der Praxis aber nie eine große wirtschaftliche Bedeutung erlangen konnte, muss diese als rechtspolitisch verunglückt betrachtet werden.52 So besteht für die einzelnen Aktionäre schon kein Anreiz, von dem Verfahren tat35 sächlich Gebrauch zu machen.53 Für die Kleinaktionäre stehen dessen Kosten und die Länge einer Einleitung klar entgegen. Aber auch für größere Aktionäre, bei denen eine Korrektur der Dividende durchaus Größenordnungen erreichen könnte, die den erforderlichen Kostenaufwand abdecken oder sogar deutlich übertreffen, besteht kein Anreiz zur Einleitung einer Sonderprüfung, da dieser Art von Aktionären meist eine direkte Einflussnahme in der Hauptversammlung oder aber auf den Aufsichtsrat und damit mittelbar auf den Vorstand möglich ist. Somit sind diese nicht auf die Sonderprüfung angewiesen. Zudem steht es Aktionären börsennotierter Aktiengesellschaft offen, die Prüfstelle für Rechnungslegung e.V. und/oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf mögliche Bilanzierungsfehler hinzuweisen und somit jedenfalls mittelbar eine Prüfung im Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff WpHG) auszulösen.54 Zudem ist die Regelung zur Sonderprüfung wegen Unterbewertung auch in sich 36 nicht schlüssig. In deren Rahmen können auf den ersten Blick nur Unterbewertungen von Aktiva (Rdn 65 ff), nicht aber Überbewertungen bei Passiva untersucht werden (Rdn 66), obwohl letztere den gleichen negativen Effekt auf die Dividende haben. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich nur durch den Verweis in Abs 1 Satz 1 Nr 1 auf die paradoxe Regelung des § 256 Abs 5 Satz 3 auf. Zudem scheint der Wortlaut von Abs 1 Satz 1 Nr 1 nahezulegen, dass auch die Unterbewertung von Passivposten Gegenstand einer Sonderprüfung sein kann (Rdn 66), was aufgrund des dann eintretenden negativen Effekts auf das Jahresergebnis bzw den Bilanzgewinn/-verlust mit dem Sinn und Zweck der bilanziellen Sonderprüfung (Rdn 30 ff) nicht vereinbar sein kann. In dieses Bild fügt sich zudem die Regelung des § 259 Abs 1 Satz 2 nur schwer ein, wonach auch über Überbewertungen und Verstöße gegen Gliederungsvorschriften und Formblätter berichtet werden muss, wenn diese bei der bilanziellen Sonderprüfung als Zufallsfunde festgestellt werden (§ 259 Rdn 34 ff). Somit besteht für die antragstellenden Aktionäre sogar die Gefahr, dass ihr Gewinnanspruch nicht nur nicht erhöht, sondern sogar geringer ausfällt, wobei die Rückforderung bereits erfolgter Ausschüttungen den Einschränkungen des § 62 unterliegt. Zudem erscheint die noch immer uneingeschränkt bestehende Erfassung der Berichterstattung im Anhang (Abs 1 Satz 1 Nr 2) zweifelhaft, da diese zu Zeiten des Aktiengesetzes 1965 im Umfang deutlich geringer ausfiel.55

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50 OGH v 18.7.2011 – 6 Ob 31/11v, ecolex 2011, 1023; OGH 8.5.2008 – 6 Ob 28/08y, GesRZ 2008, 304. 51 So vor allem Claussen FS Barz, 1974, S 318, 320 ff; kritisch schon damals Schimmelbusch WPg 1972, 141. 52 Ausführlich Mock FS Vetter, 2019, S 461, 469 ff. 53 Ebenso MünchKomm/Koch4 Rdn 9; Mock FS Vetter, 2019, S 461, 471. 54 Zum fehlenden Antragsrecht im Enforcement-Verfahren vgl. nur KK-WpHG/Mock2 § 37o Rdn 42 f mit weiteren Nachweisen. 55 Dazu Mock FS Vetter, 2019, S 461, 470.

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Bestellung der Sonderprüfer | § 258

Schließlich ist auch nicht einleuchtend, warum die bilanzielle Sonderprüfung nicht 37 auch durch einen Beschluss der Hauptversammlung eingeleitet werden kann, wie dies bei der regulären Sonderprüfung möglich ist (§ 142 Abs 1). Dies erscheint vor allem vor dem Hintergrund fragwürdig, dass die Hauptversammlung lediglich im Fall von § 173 Abs 1 die Feststellung des Jahresabschlusses vornimmt und damit einen direkten Einfluss auf diesen hat. Erfolgt die Feststellung hingegen durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 172), hat die Hauptversammlung keinen Einfluss. Gerade in diesem Fall wäre es angezeigt, der Hauptversammlung einen entsprechenden Einfluss durch eine Beschlussfassung über die Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung zu gewähren. Schließlich ist auch das Nebeneinander von regulärer Sonderprüfung (§§ 142 ff) 38 und bilanzieller Sonderprüfung nicht überzeugend, zumal die Abgrenzungsvorschrift des § 142 Abs 3 praktisch kaum zu bewältigen ist. Auch das Nebeneinander von bilanzieller Sonderprüfung und dem Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff WpHG) ist nicht nachvollziehbar, wobei letzteres aber gegenüber der bilanziellen Sonderprüfung subsidiär ist (Rdn 43). Zu Reformvorschlägen Rdn 39. 8. Reform. Im Rahmen der Reformdiskussionen der vergangenen Jahrzehnte spielte 39 die bilanzielle Sonderprüfung keine Rolle, was letztlich auf deren geringe wirtschaftliche Bedeutung (Rdn 27 ff) zurückzuführen ist. Im Rahmen künftiger Reformen sollte die bilanzielle Sonderprüfung der §§ 258 ff sowie § 142 Abs 3 ersatzlos gestrichen56 und vielmehr im Rahmen von § 142 Abs 1 klargestellt werden, dass auch bestimmte Posten in allen57 Unternehmensabschlüssen Gegenstände von Sonderprüfungen sein können.58 Alternativ wäre eine Öffnung des Enforcement-Verfahrens für alle und nicht nur für börsennotierte Aktiengesellschaften denkbar, womit die Idee einer externen und anlassbezogenen Prüfung der Unternehmensabschlüsse ebenfalls verwirklicht wäre.59 9. Verhältnis zu anderen Prüfungen und Verfahren a) Prüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat. Die bilanzielle Sonderprüfung steht 40 neben der Prüfung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat, ist gleichwohl aber auch die rechtspolitische Antwort auf die fehlende Prüfung durch diese. Beim Aufsichtsrat ergibt sich die Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses aus § 171. Für den Vorstand, der den Jahresabschluss nach §§ 238, 264 Abs 1 HGB aufzustellen hat, besteht aber ebenso trotz fehlender gesetzlicher Regelung eine entsprechende Pflicht zur nachträglichen Prüfung des Jahresabschlusses, wenn sich für ihn Zweifel an dessen Richtigkeit ergeben.60 Eine – wie auch immer geartete – Prüfung des Jahresabschlusses durch Vorstand und/oder Aufsichtsrat nach dessen Feststellung hat auf die bilanzielle Sonderprüfung keinen Einfluss. Zum Problem der sogenannten freiwilligen Prüfungen Rdn 201 ff. b) Abschlussprüfung. Kein besonderes Verhältnis besteht zwischen der bilanziel- 41 len Sonderprüfung und der Abschlussprüfung (§§ 316 ff HGB). Beide Verfahren bestehen

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56 Mock FS Vetter, 2019, S 461, 471; aA MünchKomm/Koch4 Rdn 9 mit dem Hinweis, dass trotz fehlender praktischer Bedeutung keine rechtspolitischen Forderungen erhoben werden sollten. 57 Für eine Erweiterung der bilanziellen Sonderprüfung auf andere Unternehmensabschlüsse Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 3 (Konzernabschluss). 58 Zum Streitstand der Erfassung von bilanziellen Fragen im Rahmen der allgemeinen Sonderprüfung ausführlich Spindler/Stilz/Mock4 § 142 Rdn 62 ff. 59 KK-WpHG/Mock2 § 37n Rdn 36 mit weiteren Nachweisen aus der Reformdebatte. 60 Dazu ausführlich Mock FS Vetter, 2019, S 461, 465 ff.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

unabhängig voneinander, so dass die Ergebnisse oder Feststellungen des einen Verfahrens für das andere ohne Bindungswirkung sind.61 Ein mittelbarer Sachzusammenhang besteht dahingehend nur darin, dass eine Sonderprüfung ohne eine vorherige Abschlussprüfung aufgrund des Erfordernisses der vorherigen Feststellung des Jahresabschlusses grundsätzlich nicht möglich ist (Rdn 59 f). 42

c) Allgemeine Sonderprüfung nach § 142 AktG. Neben der bilanziellen Sonderprüfung steht die allgemeine Sonderprüfung (§§ 142 ff). Eine solche Sonderprüfung kann für Vorgänge bei der Gründung oder Geschäftsführung der Aktiengesellschaft von der Hauptversammlung beschlossen oder vom Gericht auf Antrag von Minderheitsaktionären angeordnet werden (§ 142 Abs 1 und 2). Allerdings ordnet § 142 Abs 3 eine Subsidiarität der allgemeinen Sonderprüfung gegenüber der bilanziellen Sonderprüfung an, die sowohl in ihrem Umfang als auch rechtspolitisch zweifelhaft ist.62 Zudem ist die genaue Reichweite dieser Subsidiaritätsklausel bzw deren tatsächliche Sperrwirkung unklar, da letztlich hinter jedem Posten der Bilanz bzw einer Angabe im Anhang immer auch ein Vorgang der Geschäftsführung steht, der als Prüfungsgegenstand für die reguläre Sonderprüfung jenseits der Subsidiaritätsklausel in Betracht kommt.63

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d) Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, § 106 ff WpHG). Um die Verlässlichkeit der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen und damit den Finanzmarkt und den Anlegerschutz zu stärken, wurde das sogenannte EnforcementVerfahren eingerichtet, in dem eine besondere Prüfung von Abschlüssen und Berichten solcher Unternehmen stattfinden kann.64 Im Rahmen dieses Verfahrens kann geprüft werden, ob der zuletzt festgestellte Jahresabschluss und der dazugehörige Lagebericht oder der zuletzt gebilligte Konzernabschluss und der dazugehörige Konzernlagebericht von Unternehmen, deren Wertpapiere an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder den sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards entsprechen. Im Verhältnis zum Enforcement-Verfahren haben die allgemeine und die bilanzrechtliche Sonderprüfung aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§ 342b Abs 3 Satz 2 HGB, § 107 Abs 3 Satz 2 WpHG) Vorrang. Wenn nach § 142 Abs 1 oder 2 oder § 258 Abs 1 Sonderprüfer bestellt sind, findet, soweit der Gegenstand dieser Sonderprüfung reicht, eine Prüfung im Enforcement-Verfahren nicht statt (§ 342b Abs 3 Satz 2 HGB, § 107 Abs 3 Satz 2 WpHG).65 Um dieser Subsidiarität zu entsprechen, verpflichtet § 261a das für die Bestellung von Sonderprüfern zuständige Gericht, die BaFin über den Eingang eines Antrages auf Bestellung von Sonderprüfern und rechtskräftige Entscheidungen hierüber sowie über das Ergebnis der Sonderprüfung zu berichten, wenn die Sonderprüfung bei kapitalmarktorientierten Unternehmen stattfindet (ausführlich § 261a Rdn 5 ff).

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e) Aufsichtsrechtliche Prüfungen bei Unternehmen bestimmter Geschäftszweige. Neben den aktienrechtlichen Sonderprüfungen können besondere Prüfungen der Rechnungslegung bei Unternehmen bestimmter Geschäftszweige (§§ 340 ff HGB), die einer öffentlichen Aufsicht unterliegen, durchgeführt werden. So kann die BaFin bei

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KK/Arnold3 Rdn 18. Dazu ausführlich Spindler/Stilz/Mock4 § 142 Rdn 62 ff. mit weiteren Nachweisen. Ausführlich dazu Spindler/Stilz/Mock4 § 142 Rdn 201 ff. Ausführlich dazu Wöhe/Mock Die Handels- und Steuerbilanz7 § 46. Zu den Einzelheiten dieser Subsidiarität KK-WpHG/Mock2 § 37o Rdn 98 mit weiteren Nachweisen.

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Bestellung der Sonderprüfer | § 258

Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten auch ohne besonderen Anlass Prüfungen durchführen oder durchführen lassen, um ihrer Verpflichtung zur Beaufsichtigung dieser Institute nachzukommen (§§ 6 Abs 1, 44 Abs 1 Satz 2 KWG). In gleicher Weise können die Aufsichtsbehörden der dem VAG unterliegenden Unternehmen, die den Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand haben (§ 1 Abs 1, 35 ff VAG), eine Sonderprüfung veranlassen. f) Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG. Ein Verfahren zur Bestel- 45 lung von Sonderprüfern wegen unvollständiger Berichterstattung im Anhang kann sich auch mit einem Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 überschneiden. Wird der Vorstand in der Hauptversammlung nach fehlenden Angaben im Anhang gefragt und werden die Angaben daraufhin nicht gemacht, so können die Aktionäre entweder die Auskunft in einem gerichtlichen Verfahren nach § 132 erzwingen oder die Bestellung von Sonderprüfern nach Abs 1 Satz 1 Nr 2 (Rdn 81 ff) beantragen oder beide Verfahren gleichzeitig betreiben.66 Die Verfahren dienen unterschiedlichen Zwecken. Das Auskunftserzwingungsverfahren hat das Ziel, den mitgliedschaftlichen Auskunftsanspruch der Aktionäre durchzusetzen, wohingegen mit einer Sonderprüfung auch die Ergänzung oder Berichtigung des Anhangs herbeigeführt werden soll (§ 259 Abs 4 – § 259 Rdn 62 ff). g) Anfechtungsklage (§ 243 AktG). Ein Beschluss der Hauptversammlung, mit dem 46 ein Jahresabschluss festgestellt wird, kann nach § 243 angefochten werden (§ 257 Abs 1 Satz 1 – § 257 Rdn 4 ff). Die Anfechtung kann jedoch im Wesentlichen nur auf Verfahrensfehler gestützt werden, beispielsweise eine unberechtigte Auskunftsverweigerung zu Angelegenheiten, die für das Abstimmungsverhalten der Aktionäre relevant waren. Inhaltliche Mängel des Jahresabschlusses, wie eine pflichtwidrige Unterlassung vorgeschriebener Angaben im Anhang oder ein Verstoß gegen Bewertungsvorschriften, sind als Anfechtungsgrund ausgeschlossen (§ 257 Abs 1 Satz 2 – § 257 Rdn 2). Beide Verfahren können nebeneinander durchgeführt werden.67 Die Bestellung von Sonderprüfern dient dem Zweck, die Beseitigung von Fehlern des wirksamen Jahresabschlusses in einem späteren Jahresabschluss herbeizuführen; die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses wegen Verletzung von Informationsrechten bezweckt, den gefassten Beschluss mit Wirkung für und gegen jedermann für nichtig erklären zu lassen (§ 248). Hat allerdings die Anfechtungsklage Erfolg, so verliert die Sonderprüfung ihre Grundlage (Rdn 47). h) Nichtigkeitsklage (§ 256 Abs 7 AktG). Auch die Klage nach § 256 Abs 7 (§ 257 47 Rdn 220 ff) ist darauf gerichtet, die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses festzustellen. Schon wegen der unterschiedlichen materiell-rechtlichen Voraussetzungen und Folgen des Antrags auf Bestellung von Sonderprüfern und einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses besteht zwischen beiden Verfahren weder ein Ausschlussverhältnis noch eine Rangfolge. Haben Aktionäre eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses wegen einer wesentlichen Unterbewertung iSv § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 (§ 256 Rdn 220 ff) oder auch aus anderen Gründen erhoben, so wird dadurch die Bestellung von Sonderprüfern nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 (Rdn 58 ff) nicht ausgeschlossen.68 Solange die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses nicht gerichtlich festge-

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66 KK/Arnold3 Rdn 15; MünchKomm/Koch4 Rdn 25. 67 KK/Arnold3 Rdn 14; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 4; MünchKomm/Koch4 Rdn 65. 68 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 2; KK/Arnold3 Rdn 13; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 6; Hüffer/Koch14 Rdn 2; MünchKomm/Koch4 Rdn 16, 40, 65; im Ergebnis auch Voss FS Münstermann, 1969, S 443, 456.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

stellt oder der Feststellungsbeschluss der Hauptversammlung nicht aufgrund einer Anfechtungsklage für nichtig erklärt ist, kann eine Sonderprüfung aufgrund eines Antrages nach Abs 1 (Rdn 53 ff) angeordnet oder durchgeführt werden. Dies ist schon aus praktischen Erwägungen geboten, da die Nichtigkeit in der Regel nicht vor Ablauf der Antragsfrist für die Bestellung von Sonderprüfern (Abs 2 Satz 1 – Rdn 107 ff) und auch nicht innerhalb der Zeit feststehen wird, in der über einen Antrag auf Sonderprüfung eine gerichtliche Entscheidung ergehen wird. Würde das nach § 258 angerufene Gericht annehmen, dass der Jahresabschluss nichtig ist, und deshalb einen Antrag auf Sonderprüfung nicht zulassen, so würde, wenn diese Annahme sich im Nichtigkeitsprozess nicht bestätigt, die Nichtigkeitsklage abgewiesen und den Aktionären der vielleicht erfolgreiche Rechtsbehelf nach § 258 genommen werden. Allerdings kann das Verfahren nach § 258 bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gemäß § 21 FamFG ausgesetzt werden.69 Ist die Nichtigkeit des Jahresabschlusses dagegen festgestellt oder der Feststel48 lungsbeschluss der Hauptversammlung für nichtig erklärt worden, so kann eine Sonderprüfung nicht mehr eingeleitet oder fortgeführt werden, da ein wirksamer Jahresabschluss als tatbestandliche Voraussetzung für den Antrag (Rdn 59 f) nicht (mehr) vorliegt.70 49

10. Alt- und Übergangsfälle. Das Problem der Alt- und Übergangsfälle stellt sich bei § 258 nicht mehr, da die letzte Änderung aus 2013 datiert und aufgrund der Fristenregelung in Abs 2 (Rdn 107 ff) keine Rolle mehr spielen kann. II. Anwendungsbereich

Die bilanzielle Sonderprüfung ist nur bei der Aktiengesellschaft möglich und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine werbende Aktiengesellschaft handelt oder sich diese in Liquidation befindet. Zur Europäischen Aktiengesellschaft (SE) Rdn 32. Bei anderen Gesellschaftsformen finden die §§ 258 ff keine Anwendung. Dies gilt 51 auch für die GmbH71 und kapitalistische Personengesellschaften, bei denen allerdings bilanzielle Fragen auch im Rahmen der allgemeinen Sonderprüfung untersucht werden können. Gleiches gilt für die gesetzestypischen Personengesellschaften. Auf ausländische Aktiengesellschaften finden die §§ 258 ff als gesellschaftsformspezifische Regelungen keine Anwendung, auch wenn sich das Problem der übermäßigen Bildung stiller Reserven und der fehlerhaften Berichterstattung im Anhang auch bei diesen stellen kann. 52 Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft kann die bilanzielle Sonderprüfung noch beantragt werden.72 Allerdings kann nur ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgestellter Jahresabschluss Prüfungsgegenstand sein. Die Rechnungslegung des Insolvenzverwalters ist nicht Gegenstand der bilanziellen Sonderprüfung.

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69 KK/Arnold3 Rdn 13. 70 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 6. 71 OLG Brandenburg v 30.4.1997 – 7 U 174/96, GmbHR 1997, 796; Adler/Düring/Schmaltz6 § 257 AktG Rdn 11; KK/Arnold3 Rdn 11; MünchKomm/Koch4 Rdn 67. 72 Gottwald/Haas/Mock6 § 91 Rdn 49.

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III. Voraussetzungen der bilanziellen Sonderprüfung (Abs 1) Eine Sonderprüfung wegen Unterbewertung wird nach Abs 1 gerichtlich (Rdn 54) 53 angeordnet, wenn ein Anlass für die Annahme einer fehlerhaften Bilanzierung (Prüfungsanlass – Rdn 55 f) besteht. Die möglichen Prüfungsgründe sind in Abs 1 Satz 1 Nr 1 (Rdn 58 ff) und Nr 2 (Rdn 81 ff) für die zugelassenen Prüfungsgegenstände abschließend geregelt. Zudem wird durch Abs 1 Satz 2 und Satz 3 der Prüfungsumfang für die Bilanzposten (Satz 2 – Rdn 98 f) bzw den Anhang (Satz 3 – Rdn 100) geregelt. 1. Gerichtliche Anordnung der Prüfung. Die Sonderprüfung wegen Unterbewertung 54 kann ausweislich Abs 1 Satz 1 nur gerichtlich angeordnet werden, womit sich die Sonderprüfung wegen Unterbewertung als ausschließliches Antragsverfahren darstellt. Die Zuständigkeit und das gerichtliche Verfahren richten sind nach Abs 3 (Rdn 165 ff). Daher ist eine Beantragung einer Sonderprüfung wegen Unterbewertung auf der Hauptversammlung – im Gegensatz zur Sonderprüfung nach §§ 142 ff – nicht möglich (zur dahingehenden Kritik Rdn 39). Auch kann eine solche Möglichkeit wegen § 23 Abs 5 nicht in der Satzung vorgesehen werden. Davon unberührt bleibt aber die Möglichkeit für den Vorstand und den Aufsichtsrat, freiwillige Prüfungen mit dem gleichen Prüfungsziel durchzuführen (Rdn 201 ff). 2. Anlass für die Annahme einer fehlerhaften Bilanzierung. Zentrale Vorausset- 55 zung für die Anordnung einer Sonderprüfung ist nach Abs 1 Satz 1 das Bestehen eines Prüfungsanlasses. Daher kann das zuständige Gericht eine Prüfung nicht nach freiem Ermessen anordnen, sondern ist insofern auf das Vorliegen eines Prüfungsanlasses angewiesen. Da es sich bei der Sonderprüfung wegen Unterbewertung um ein Antragsverfahren (Rdn 108 ff) handelt, wird damit den Antragstellern letztlich der Nachweis des Vorliegens eines solchen Prüfungsanlasses aufgebürdet. Das Erfordernis eines konkreten Anlasses beruht auf den Erwägungen, dass sich die Antragsteller wegen der beschränkten Nutzbarkeit des Auskunftsrecht auf der Hauptversammlung in der Regel nur auf Vermutungen stützen können und dass die Rechtsprechung keine zu weitgehenden Anforderungen an die Spezifizierung des Antrags stellen werde.73 Weitgehende Überlegungen, das Antragsrecht nicht an entsprechende Voraussetzungen zu binden und eine anlasslose Prüfung von stillen Reserven zu gestatten, konnten sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen74 und würden zudem ein enormes Missbrauchs- oder Störpotential begründen. Erforderlich ist das Bestehen eines Anfangsverdachts für eine nicht unwesentliche 56 Unterbewertung.75 Daher muss der Antragsteller einzelne konkrete Sachverhaltselemente vortragen, die für einen verständigen und objektiven Beurteilenden den Schluss auf eine nicht unwesentliche Unterbewertung nahe legen.76 Ein hinreichender Tatverdacht, wie er für die Bestellung von Sonderprüfern nach § 142 Abs 2 Satz 1 und § 315 Satz 2

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73 Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 44. 74 Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 208; zustimmend Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 18; Frey WPg 1966, 633, 634. 75 OLG München v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628, 630; OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/ 08, FGPrax 2009, 141, 142; KK/Arnold3 Rdn 35; Grigoleit/Ehmann Rdn 2; MünchKomm/Koch4 Rdn 11, 50; Hüffer/Koch14 Rdn 3. 76 OLG München v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628, 630; OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/ 08, FGPrax 2009, 141, 142; KK/Arnold3 Rdn 35; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 6.

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vorliegen muss77, braucht nicht zu bestehen.78 Ausreichend ist eine Darlegung von Widersprüchen zwischen den Zahlen des Jahresabschlusses und Angaben in anderen Berichten, insbesondere im Anhang oder im Lagebericht, oder zu Wertansätzen im vorangegangenen Jahresabschluss. Gleiches gilt bei widersprüchlich Antworten des Vorstands auf Fragen zum Jahresabschluss in der Hauptversammlung oder die fehlende Erläuterung von Abweichungen von einer früheren Bilanzierung.79 Ebenso reicht eine Abschreibung von Schadenersatzforderungen trotz umfassender Leistungsfähigkeit des Schuldners etwa bei Ausgleichs- und Schadenersatzansprüchen nach §§ 311 Abs 2 Satz 2, 317 Abs 1 Satz 180 oder die Bildung in ihrer Höhe nicht nachvollziehbarer Rückstellungen81 aus. Auch ein abgelehnter oder eingeschränkter Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers ist ausreichend.82 Ebenso ist vom Bestehen eines Anlasses auszugehen, wenn die Aktiengesellschaft eine Fehlerveröffentlichung im Rahmen des Enforcement-Verfahrens vorgenommen hat. 57

3. Anlass für die Annahme einer fehlerhaften Bilanzierung. Die bilanzielle Sonderprüfung erstreckt sich lediglich auf die in Abs 1 Satz 1 genannten Prüfungsgegenstände der unzulässigen Unterbewertung (Rdn 58 ff) und der fehlerhaften Anhangsangaben (Rdn 81 ff). Diese Aufzählung ist abschließend, so dass andere Prüfungsgegenstände nicht zulässig sind, auch wenn damit eine erhebliche Einschränkung der wirtschaftlichen Bedeutung der bilanziellen Sonderprüfung verbunden ist (Rdn 27 ff).

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a) Unzulässige Unterbewertung (Abs 1 Satz 1 Nr 1). Zunächst kann eine unzulässige Unterbewertung Prüfungsgegenstand der bilanziellen Sonderprüfung sein, soweit es sich um eine nicht unwesentliche Unterbewertung (Rdn 65 ff) eines bestimmten Postens (Rdn 61 ff) in einem festgestellten Jahresabschluss (Rdn 59 ff) handelt. Der Prüfungsumfang ist in Abs 1 Satz 2 geregelt (Rdn 98 f).

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aa) Festgestellter Jahresabschluss. Die bilanzielle Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung kann sich nur auf Posten in einem handelsrechtlichen Jahresabschluss erstrecken. Posten in anderen Bilanzen können nicht Prüfungsgegenstand sein. Dies gilt insbesondere für die Bilanz im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 209 Abs 2), die Liquidationseröffnungsbilanz (§ 270 Abs 1), die Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers bei einer Verschmelzung (§ 17 Abs 2 UmwG) oder den Konzernabschluss83, da diese nicht wie der Jahresabschluss der Ausschüttungsbemessung dienen. Aus dem gleichen Grund ist auch die Durchführung einer bilanziellen Sonderprüfung der unterjährigen Finanzberichte (§§ 114 ff WpHG) nicht möglich.84

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77 So etwa OLG München v 8.6.2011 – 31 Wx 81/10, AG 2011, 720; OLG Stuttgart v 30.8.2010 – 31 Wx 24/10, AG 2010, 840, 841; OLG Frankfurt/M v 15.6.2011 – 21 W 18/11, AG 2011, 755; OLG Stuttgart v 15.6.2010 – 8 W 391/08, NZG 2010, 864; OLG Düsseldorf v 9.12.2009 – I-6 W 45/09, NZG 2010, 306. 78 OLG München v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628, 630; OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142. 79 OLG München v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628, 630; OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 18; KK/Arnold3 Rdn 37. 80 KK/Arnold3 Rdn 37; MünchKomm/Koch4 Rdn 12. 81 OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142; KK/Arnold3 Rdn 37. 82 KK/Arnold3 Rdn 37; Frey WPg 1966, 633, 634. 83 KK/Arnold3 Rdn 17; MünchKomm/Koch4 Rdn 4; kritisch dahingehend Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 3. 84 KK-WpHG/Mock2 § 37w Rdn 137.

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Prüfungsgegenstand können ferner nur Posten eines festgestellten Jahresabschlus- 60 ses sein. Erst die Feststellung eines Jahresabschlusses bewirkt als korporationsrechtliches Rechtsgeschäft die endgültige Erklärung der Organe der Aktiengesellschaft, dass dieser Jahresabschluss verbindlich und für die Rechtsbeziehungen der Aktiengesellschaft maßgeblich ist. Da eine Feststellung ohne Abschlussprüfung85 nicht stattfinden kann (§ 316 Abs 1 Satz 2 HGB), muss diese für die Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung vorher zwingend durchgeführt werden.86 Eine Ausnahme besteht nur für kleine Aktiengesellschaften und Kleinstkapitalgesellschaften (§§ 267 Abs 1, 267a Abs 1, 316 Abs 1 Satz 1 HGB). Unerheblich ist aber, mit welchem Inhalt der Abschlussprüfer einen Bestätigungsvermerk erteilt oder ob er dessen Erteilung versagt87 hat.88 Ebenso wenig ist es relevant, ob die Feststellung des vom Vorstand aufgestellten und vorgelegten Jahresabschlusses durch Billigung des Aufsichtsrats (§ 172 Satz 1) oder durch die Hauptversammlung (§ 173 Abs 1) erfolgt ist.89 Auch wenn die Feststellung des Jahresabschlusses an Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründen leidet, kann der Abschluss Gegenstand einer Sonderprüfung sein, solange die Nichtigkeit nicht durch gerichtliches Urteil festgestellt ist (Rdn 47 f). Schließlich muss es sich bei dem Jahresabschluss auch nicht um den zuletzt festgestellten Jahresabschluss handeln, da Abs 1 Satz 1 Nr 1 – etwa im Gegensatz zu § 342b Abs 2 Satz 1 HGB, § 107 Abs 1 Satz 4 WpHG – nur auf den festgestellten Jahresabschluss Bezug nimmt. Dieser Unterschied hat aufgrund der Monatsfrist des Abs 2 Satz 1 aber kaum Bedeutung. bb) Posten. Weitere Voraussetzung ist zudem, dass bestimmte Posten nicht unwe- 61 sentlich unterbewertet sind. Dabei handelt es sich um die Werte oder Beträge, die in der Bilanz mit der in § 266 HGB vorgeschriebenen Bezeichnung und entsprechend der dort angegebenen Reihenfolge unter Angabe von Buchstaben sowie römischen und gegebenenfalls arabischen Zahlen auszuweisen sind.90 Die Prüfung eines Bilanzpostens muss sämtliche in ihm zusammengefassten Gegenstände umfassen. Zu den entsprechenden Anforderungen an die Antragstellung Rdn 107 ff. Ein bestimmter Posten im Sinne von Abs 1 Satz 1 Nr 1 ist auch eine gemäß § 265 Abs 7 62 HGB erfolgte zulässige Zusammenfassung von mit arabischen Zahlen versehenen Posten der Bilanz, beispielsweise der auf der Aktivseite der in § 266 Abs 2 HGB mit „B I Nr 1 bis 4“ bezeichneten Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens in dem zusammengefassten Posten B I mit der Bezeichnung „Vorräte“. Wenn allerdings eine Sonderprüfung sich auf mehrere Posten des Jahresabschlusses erstrecken soll, die nicht zusammengefasst aufgenommen werden dürfen, so können diese nur gesondert und mit den einzeln anzugebenden Bezeichnungen Prüfungsgegenstand sein.91 Als Gegenstand einer Sonderprüfung kommen nicht einzelne der in einem Bi- 63 lanzposten zusammengefassten Vermögensgegenstände oder Schulden in Betracht

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85 Zum Verhältnis der Sonder- zur Abschlussprüfung Rdn 41. 86 KK/Arnold3 Rdn 18; Hüffer/Koch14 Rdn 4; MünchKomm/Koch4 Rdn 16. 87 Zur Bedeutung der Versagung oder Einschränkung eines Bestätigungsvermerks für die Antragstellung Rdn 56. 88 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 10; Hüffer/Koch14 Rdn 4; MünchKomm/Koch4 Rdn 16. 89 Hüffer/Koch14 Rdn 4; MünchKomm/Koch4 Rdn 16. 90 Adler/Düring/Schmaltz6 § 256 AktG Rdn 41; KK/Arnold3 Rdn 20; Grigoleit/Ehmann Rdn 3; Spindler/ Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 13; MünchKomm/Koch4 Rdn 13; Hüffer/Koch14 Rdn 5; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 7. 91 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 19; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 13.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

(zB Forderungen aus Lieferung und Leistungen gegen einen bestimmten Schuldner).92 Da nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur Posten des Jahresabschlusses – das heißt genau genommen der Bilanz – Gegenstand einer solchen Sonderprüfung sein können, kann die Unterbewertung eines Vermögensgegenstandes nur zu einer Prüfung des ihn umfassenden Postens führen, vorausgesetzt, die Unterbewertung dieses Vermögensgegenstandes bietet einen Anlass für die Annahme, dass der dazugehörige Bilanzposten insgesamt nicht unwesentlich unterbewertet ist. Keine Bedeutung hat, wann der Posten Eingang in die Bilanz gefunden hat. Daher 64 besteht insbesondere keine Beschränkung dahingehend, dass nur im letzten Jahresabschluss gebildete Unterbewertungen geprüft werden können.93 65

cc) Nicht unwesentliche Unterbewertung. Weitere Voraussetzung ist, dass der Posten nicht unwesentlich unterbewertet ist. Abs 1 Satz 1 Nr 1 verweist für den Begriff der Unterbewertung auf § 256 Abs 5 Satz 3, wonach eine solche vorliegt, wenn Aktivposten mit einem niedrigeren Wert oder Passivposten mit einem höheren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253–256a HGB zulässig ist.

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(1) Anwendungsbereich. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob Abs 1 Satz 1 Nr 1 überhaupt auf alle Posten im Jahresabschluss anwendbar ist. Zwar legt der Wortlaut von Abs 1 Satz 1 Nr 1 dies nahe, allerdings bestehen erhebliche Zweifel bei einer Anwendung auf Posten der Passivseite, die sich nur unter Bezugnahme auf den Verweis auf § 256 Abs 5 Satz 3 auflösen lassen. Da dieser nur auf die §§ 253–256a HGB verweist, sind die Posten des Eigenkapitals von der bilanziellen Sonderprüfung ausgenommen, was bei näherer Betrachtung auch folgerichtig ist, da bei diesen schon keine Bewertung erfolgt. Das gezeichnete Kapital ist mit dem Nennbetrag anzusetzen (§ 272 Abs 1 Satz 1 HGB), so dass – auch bei einem Erwerb oder der Veräußerung eigener Aktien (§ 272 Abs 1a und 1b HGB) – keine Bewertung erfolgt. Für die Rücklagen macht § 272 Abs 2 bis 5 HGB bzw entsprechende Satzungsregelungen klare Vorgaben für die Dotierung ohne das Erfordernis einer Bewertung. Der Jahresüberschuss/-fehlbetrag (§ 266 Abs 3 A.V. HGB) bzw der Bilanzgewinn/-verlust (§ 268 Abs 1 HGB) ergibt sich im Wege der Subtraktion, so dass auch bei diesem keine Bewertung erforderlich ist. Für die sonstigen Posten der Passivseite erscheint dies schwieriger. Soweit Rückstellungen oder Verbindlichkeiten, bei denen sich das Problem der Falschbewertung durchaus stellen kann, mit einem zu geringen Betrag angesetzt wurden, beeinträchtigt dies den Jahresüberschuss/-fehlbetrag bzw den Bilanzgewinn/-verlust positiv, so dass die Durchführung einer bilanziellen Sonderprüfung mit dem Ziel der Beseitigung der Unterbewertung zu einem geringeren Jahresüberschuss/Bilanzgewinn bzw einem höheren Jahresfehlbetrag/Bilanzverlust führen würde. Dies ist mit der Zielsetzung der bilanziellen Sonderprüfung in Form der Sicherung des Dividendeninteresses der Aktionäre (Rdn 4 ff) aber nicht vereinbar, da es gegenläufig ist. Dieses Problem wird durch den Verweis auf § 256 Abs 5 Satz 3 gelöst, der Unterbewertungen auf der Passivseite annimmt, wenn diese mit einem zu hohen Betrag angesetzt werden. Dies stellt zwar einen Widerspruch dar, der sich aber auflösen lässt, wenn man den Begriff der Unterbewertung nicht auf den einzelnen Posten bezieht, sondern ihn weiter in einem ergebnisorientierten gesamtbilanziellen Zusammenhang versteht. Dies ergibt sich auch aus § 261 Abs 1 Satz 5, der im Rahmen der Ergebniskorrektur

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92 KK/Arnold3 Rdn 20; wohl auch Hüffer/Koch14 Rdn 5; MünchKomm/Koch4 Rdn 13; aA Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 19, 69 (anders dagegen in § 256 AktG Rdn 41). 93 Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 208 (Untersuchung aller vorhandenen stillen Rücklagen).

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nach der erfolgreichen bilanziellen Sonderprüfung den Ausweis des korrigierten Bilanzpostens mit einem niedrigeren Betrag anordnet (§ 261 Rdn 40 ff). Für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Kapitalverwaltungsgesell- 67 schaften enthält Abs 1a eine Sonderregelung (Rdn 101 ff). (2) Vorliegen einer Unterbewertung. Eine Unterbewertung ist nach § 256 Abs 5 Satz 3 anzunehmen, wenn der tatsächlich angesetzte Wert oder Betrag von dem gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Wert abweicht. Das ist der Fall, wenn der ausgewiesene Betrag bei Aktivposten zu hoch oder bei Passivposten (Rdn 61 ff) zu niedrig angesetzt wurde. Insofern geht es um ergebniswirksame94 Fehlbewertungen. Voraussetzung ist dafür aber, dass die Unterbewertung rechtlich unzulässig ist. Soweit der Vorstand bei der Aufstellung des Jahresabschlusses in dem Bewertungsspektrum95 den geringsten aller rechtlich zulässigen Beträge angesetzt hat, liegt keine Unterbewertung vor. Das gleiche gilt bei Überbewertungen von Passivposten. Aufgrund der Bezugnahme in Abs 1 Satz 1 Nr 1 auf § 256 Abs 5 Satz 3 und die wiederrum dort in Bezug genommenen §§ 253–256a HGB sind allein diese für das Vorliegen einer Unterbewertung maßgeblich. Andere Bilanzierungsregelungen oder -standards wie die IAS/IFRS oder die gesetzlichen Vorgaben für die Überschuldungsbilanz (§ 19 InsO) sind irrelevant. Eine Unterbewertung liegt aber auch vor, wenn es zu einer fehlenden Berücksichtigung von Vermögensgegenständen oder aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz entgegen den hierfür maßgeblichen Ansatzvorschriften (§§ 246 Abs 1, 249 Abs 2, 250 HGB) gekommen ist.96 Das gleiche gilt bei Verstößen gegen ein Ansatzverbot, wenn Rückstellungen, vermeintliche Verbindlichkeiten oder passive Rechnungsabgrenzungsposten unter Verstoß gegen §§ 249 Abs 2, 250 HGB aufgenommen werden.97 Dies ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut von Abs 1 Satz 1 Nr 1 oder § 256 Abs 5 Satz 3, kann aber aus einem Erst-Recht-Schluss im Hinblick auf diese Vorschriften entwickelt werden. Da es im Rahmen der bilanziellen Sonderprüfung aber nur um die Sicherung des Dividendeninteresses der Aktionäre geht (Rdn 4 ff), fallen Verstöße gegen Ansatzverbote auf der Aktivseite und die fehlende Berücksichtigung von Posten auf der Passivseite nicht unter Abs 1 Satz 1 Nr 1. Bei Wahlrechten 98 kommt eine Unterbewertung nur in Betracht, wenn diese rechtswidrig ausgeübt und dadurch eine Unterbewertung bei Posten auf der Aktivseite und eine Überbewertung bei Posten auf der Passivseite erfolgt ist. Das gleiche gilt bei Ermessensentscheidungen, da dem Vorstand dahingehend die accounting judgment rule zugute kommt.99 Ein Verstoß gegen formelle Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, wie gegen den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs 1 Nr 6 HGB), führt nicht zu einer unzulässigen Unterbewertung im Sinne von Abs 1 Satz 1 Nr 2, da § 256 Abs 5 Satz 3 nicht

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94 Zum Problem einer gleichzeitigen Über- und Unterbewertung Rdn 73. 95 Dazu ausführlich Mock, in: Wiener Bilanzrechtstage 2019, 2020, S 71, 75 f. 96 OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142; LG Stuttgart v 29.12.2000 – 5 KfH 148/00, DB 2001, 1025; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 14; KK/Arnold3 Rdn 23; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 11; Hüffer/Koch14 Rdn 6; MünchKomm/Koch4 Rdn 17; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 8; ebenso im Kontext von § 256 Abs 5 Satz 3 BGH v 12.1.1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 384 = NJW 1998, 1559; BGH v 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 119 = NJW 1994, 520. 97 Siehe Nachweise in Fn 72. 98 Wöhe/Mock Die Handels- und Steuerbilanz7 § 16 Rdn 18. 99 Ausführlich Mock, in: Wiener Bilanzrechtstage 2019, 2020, S 71 ff mit umfangreichen weiteren Nachweisen.

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auf § 252 verweist.100 Ebenso wenig können allgemeine unternehmerische Fehlentscheidungen des Vorstands Unterbewertungen begründen.101 Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese allgemeinen unternehmerischen Fehlentscheidungen (durchsetzbare) Ersatzansprüche der AG gegen die Organmitglieder begründen, da deren (vollständig) fehlende Aktivierung dann eine Unterbewertung begründen würde. Zudem liegt eine Unterbewertung im Sinne von Abs 1 Satz 1 Nr 1 auch dann vor, 73 wenn gleichzeitig ein anderer Posten überbewertet wurde, so dass es im Ergebnis zu keiner Ergebnisveränderung kommt. Daher kommt ein Ausgleich einer Unterbewertung mit einer Überbewertung nicht in Betracht.102 Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn die gleichzeitige Über- und Unterbewertung innerhalb eines Bilanzpostens auftritt, da der Bilanzposten in seiner Gesamtheit bewertet werden muss.103 Problematisch ist schließlich die fehlende Abstimmung des Verweises in Abs 1 Satz 1 74 Nr 1 auf § 256 Abs 5 Satz 3 mit der durch das Bankbilanzrichtlinie-Gesetz104 eingeführten Regelung des § 256 Abs 5 Satz 4, wonach eine Unterbewertung bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Kapitalverwaltungsgesellschaften bzw Versicherungsunternehmen nicht vorliegt, wenn eine solche Bilanzierung nach den §§ 340e– 340g HGB bzw §§ 341b–341h HGB zulässig ist. Da Abs 1a für diese Unternehmen lediglich im Hinblick auf § 340f HGB eine Ausnahmeregelung enthält (Rdn 101 ff), müsste bei diesen Unternehmen eine Unterbewertung anzunehmen sein, auch wenn eine solche nach den §§ 340e–340g, 341b–341h HGB (mit Ausnahme des in Abs 1a genannten § 340f HGB) zulässig ist. Dies erscheint im Hinblick auf § 256 Abs 5 Satz 4 aber zweifelhaft, zumal Abs 1 Satz 1 Nr 1 in Verbindung mit Abs 1a für die Unterbewertung kein eigenständiges Regelungsregime bereitstellt, sondern dafür nur auf § 256 Abs 5 Satz 3 verweist. Daher muss der fehlende Verweis in Abs 1 Satz 1 Nr 1 auf § 256 Abs 5 Satz 4 als ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers gesehen werden, so dass Abs 1 Satz 1 Nr 1 dahingehend so zu lesen ist, dass auch auf § 256 Abs 5 Satz 4 verwiesen wird.105 75

(3) Fehlende Unwesentlichkeit. Schließlich ist es erforderlich, dass eine nicht unwesentliche Unterbewertung vorliegt. Rein formal und logisch müssten sich diese im Gesetzestext bezeichneten beiden negativen Umstände, nicht und unwesentlich, gegenseitig aufheben und eine positive Eigenschaft in der Form von wesentlich ausdrücken. Nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers soll diese doppelte Negation aber kombinierte Bedeutung haben und zum Ausdruck bringen, dass eine nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 zu prüfende Unterbewertung zwar das Maß des Unwesentlichen übersteigen muss, aber nicht positiv die Ebene des Wesentlichen zu erreichen braucht.106 Somit steht die

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100 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 66; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 12; MünchKomm/Koch4 Rdn 31; aA KK/Arnold3 Rdn 25; Kupsch WPg 1989, 517, 520. 101 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 19; MünchKomm/Koch4 Rdn 31; Müller FS Quack, 1991, S 345, 346 f. 102 LG Stuttgart v 29.12.2000 – 5 KfH 148/00, DB 2001, 1025; KK/Arnold3 Rdn 21; Spindler/Stilz/Euler/ Sabel4 Rdn 40; MünchKomm/Koch4 Rdn 14; aA Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 70. 103 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 70; KK/Arnold3 Rdn 21; Grigoleit/Ehmann Rdn 3; K Schmidt/Lutter/ Kleindiek3 Rdn 8; MünchKomm/Koch4 Rdn 14. 104 Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (Bankbilanzrichtlinie-Gesetz) v 30.11.1990, BGBl I, S 2570. 105 KK/Arnold3 Rdn 26; aA und die umgekehrte Schlussfolgerung daraus ziehend MünchKomm/Koch4 Rdn 18. 106 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 14; MünchKomm/Koch4 Rdn 19; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 62; Weilep/Weilep BB 2006, 147, 148; aA, allerdings ohne nähere Begründung Krag/Hullermann DB 1980, 457, 458, für die eine nicht unwesentliche Unterbewertung immer eine „wesentliche“ ist.

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nicht unwesentliche Unterbewertung zwischen der Unwesentlichkeit und der Wesentlichkeit und begründet insofern eine Art Mittelstufe des Nichtunwesentlichen. Diese Art der Formulierung ist einzigartig und hat in anderen bilanzrechtlichen Fragestellungen keine Entsprechung gefunden. Die Bedeutung des Begriffs der nicht unwesentlichen Unterbewertung ist nicht ab- 76 schließend geklärt.107 Zur Ausfüllung dieses Begriffs bedarf es einer Differenzierung von zwei Aspekten. Zum einen geht es um die Frage, auf welche Bezugsgröße für die Unterbewertung abgestellt wird (Rdn 78 f) und zum anderen bedarf der Begriff der Erheblichkeit einer Bestimmung (Rdn 80). Eine solche Unterscheidung ist freilich nicht erforderlich, sofern man in diesem Zu- 77 sammenhang eine Parallele zur Kursrelevanz im Rahmen der Definition der Insiderinformation (Art 7 MAR) abstellt. Dies scheint aber fernliegend. Zum einen würde eine solche Bezugnahme ohnehin nur bei börsennotierten Aktiengesellschaften funktionieren und zum anderen würde diese voraussetzen, dass das Interesse der Aktionäre mit dem der Kapitalanleger gleichzusetzen wäre. Daran bestehen aber nicht unerhebliche Zweifel, was vor allem daran deutlich wird, dass das Ziel der bilanziellen Sonderprüfung gerade die Sicherung des Ausschüttungsinteresses der Aktionäre ist (Rdn 4 ff). (a) Bezugsgröße für die Bestimmung der Unterbewertung. Bei der Bezugsgröße 78 könnte zunächst auf die Gesamtverhältnisse der Aktiengesellschaft als Vergleichsgröße zu dem Umfang der Unterbewertung abgestellt werden.108 Dies bedarf allerdings einer Präzisierung, da man dahingehend auf die Bilanzsumme, das Grundkapital109 oder das Jahresergebnis110 abstellen kann. Insbesondere für eine Relevanz des Grundkapitals wurde im früheren Schrifttum111 auf § 160 Abs 2 Satz 5 AktG 1965112 abgestellt, wonach in dem jährlichen Geschäftsbericht derjenige Unterschiedsbetrag anzugeben war, der sich infolge von Änderungen der Bewertungsmethoden im Verhältnis zu den Beträgen ergibt, die ohne diese Änderung im Jahresabschluss auszuweisen wären, vorausgesetzt, das Jahresergebnis sei dadurch um mehr als zehn vom Hundert und das Grundkapital um mehr als einhalb vom Hundert beeinflusst worden. Eine Bezugnahme auf § 160 Abs 2 Satz 5 aF ist jedoch nicht mehr möglich, da diese Bestimmung durch das BiRiLiG aufgehoben wurde und die Nachfolgebestimmung (§ 284 Abs 2 Nr 3 HGB) solche Zahlenrelationen nicht mehr hergibt bzw selbst recht unbestimmt auf einen erheblichen Unterschiedsbetrag abstellt.113 Teilweise wurde auch auf das Verhältnis der gerügten Unterbewertung zum Gesamtwert oder Betrag der betroffenen Posten des Jahresab-

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107 OLG München v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628, 631 bezieht sich auf diese Unklarheit, ohne jedoch hierzu eine eigene Stellungnahme abgeben zu müssen. 108 So Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 86; Frey WPg 1966, 633, 634; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 63 ff; Voß FS Münstermann, 1969, S 433, 460. 109 So Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 63, 67 der als Bezugsgröße das Eigenkapital vorschlägt. 110 So Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 63, 67 der als Bezugsgröße das Eigenkapital vorschlägt. 111 So Frey WPg 1966, 633, 634 und ihm zustimmend Claussen FS Barz, 1974, 317, 332 sowie Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 460. 112 § 160 Abs 2 Satz 5 AktG 1965 lautete: „Wird infolge von Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden einschließlich der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen ein Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag ausgewiesen, der um mehr als zehn vom Hundert unter oder über dem Betrag liegt, der ohne die Änderung auszuweisen wäre, so ist der Unterschiedsbetrag anzugeben, wenn er einhalb vom Hundert des Grundkapitals übersteigt.“ 113 Ebenfalls ablehnend Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 15.

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schlusses als Bezugsgröße verwiesen.114 Vergleichsgröße für die Feststellung einer nicht unwesentlichen Unterbewertung soll danach der zulässige Wert oder Betrag des betroffenen Bilanzpostens sein. Die uneingeschränkte Anwendung dieses Maßstabes kann jedoch zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Ist der Bilanzposten für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Aktiengesellschaft unbedeutend, so kann selbst eine prozentual sehr erhebliche Unterbewertung dieses Postens das Gesamtbild nur unwesentlich beeinflussen, so dass es nicht einleuchtet, hierfür eine Sonderprüfung anzuordnen. Für die Bestimmung der relevanten Bezugsgröße muss der Zweck der bilanziellen 79 Sonderprüfung in den Blick genommen werden, der gerade darin besteht, deren Ausschüttungsinteresse zu schützen (Rdn 4 ff). Daher kommt als Bezugsgröße nur die (theoretische) Dividende in Betracht, die bei einer ordnungsgemäßen Bilanzierung hätte ausgeschüttet werden können.115 Dabei muss freilich von einer direkten Auswirkung der Neubewertung auf die Dividendenhöhe ausgegangen werden, so dass etwaige Ergebnisverwendungskompetenzen des Vorstands und der Hauptversammlung außer Betracht bleiben müssen. Somit ist auch Ansätzen, nach denen im Einzelfall zu entscheiden ist116, eine entschiedene Absage zu erteilen, da diese letztlich nur zu einer Beliebigkeit führt. 80

(b) Erheblichkeit. Zudem bedarf es der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der Erheblichkeit. Auch in diesem Zusammenhang wurde teilweise auf § 160 Abs 2 Satz 5 Aktiengesetz 1965117 abgestellt. Weiterhin wurde vertreten118, bei einem um 20% bis 30% zu niedrigeren Wert oder Betrag eines Bilanzpostens eine nicht unwesentliche Unterbewertung anzunehmen.119 Andere Vorschläge stellten auf eine Wertabweichung von 30%, oder bei einem unverhältnismäßigen Verhältnis der Kosten einer Sonderprüfung zu dem Wert der Unterbewertung oder wenn sie einen bestimmten Betrag überschreitet, ab.120 Für die Erheblichkeit ist in der Tat am Ende des Tages auf einen bestimmten Schwellenwert abzustellen, da dieses Tatbestandsmerkmal anderenfalls nicht handhabbar ist.121 Als Richtwert muss dabei eine 10%-Schwelle dienen, die allerdings nicht absolut zu verstehen ist.122 Vielmehr muss bei einem Überschreiten der 10%-Schwelle klar von einer Erheblichkeit ausgegangen werden. Ebenso muss bei einem klaren Unterschreiten der 10%-Schwelle eine Erheblichkeit abgelehnt werden. Je näher man sich der 10%-Schwelle von beiden Seiten nähert, desto stärker ist die Darlegungslast des Antragstellers für das Vorliegen einer Erheblichkeit. Wesentliche Kriterien sind dabei das Ausschüttungsverhalten in den vorangegangenen Geschäftsjahren oder Verlautbarungen der Aktiengesellschaft im Vorfeld der Auf- und Feststellung des Jahresabschlusses wie zum Beispiel Gewinnprognosen. Bei der Beurteilung der Erheblichkeit muss zudem beachtet werden,

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114 KK/Arnold3 Rdn 28; Grigoleit/Ehmann Rdn 3; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 14; Kirchhof Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung nach §§ 258 ff AktG, 1971, S 267; Hüffer/Koch14 Rdn 7; Krag/Hullermann DB 1980, 457, 459; Scherpf Die aktienrechtliche Rechnungslegung und Prüfung, 1967, Rdn 791. 115 In diese Richtung auch MünchKomm/Koch4 Rdn 21; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, S 62 ff; ähnlich auch Henssler/Strohn/Drescher4 Rdn 4; aA und diesen Ansatz ablehnend KK/Arnold3 Rdn 28. 116 So vor allem KK/Arnold3 Rdn 28; Grigoleit/Ehmann Rdn 3; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 9 am Ende. 117 Siehe Fn 67. 118 Für einen Überblick zum Meinungsspektrum Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 85. 119 So Krag/Hullermann DB 1980, 457, 459; Kirchhoff Die Sonderprüfung der Geschäftsführung in der Praxis, 2008, S 267. 120 Krag/Hullermann DB 1980, 457, 459. 121 Im Ergebnis auch MünchKomm/Koch4 Rdn 22. 122 Ähnlich MünchKomm/Koch4 Rdn 22, der auf eine zu erwartende Schwankungsbreite abstellt.

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dass dieses Tatbestandsmerkmal im Rahmen des Antrags auf Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung relevant ist, so dass übermäßige Anforderungen an dieses nicht gestellt werden können, da anderenfalls eine Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung und damit der Schutz des Ausschüttungsinteresses der Aktionäre meist aussichtslos wäre. b) Unvollständige Berichterstattung (Abs 1 Satz 1 Nr 2). Gegenstand einer bilan- 81 ziellen Sonderprüfung ist nach Abs 1 Satz 1 Nr 2 zudem die Berichterstattung im Anhang (Rdn 82 ff). Insofern stellt Abs 1 Satz 1 Nr 2 einen ergebnisunabhängigen Prüfungsgrund dar und ist somit konzeptionell weiter als der Prüfungsgrund nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 (Rdn 58 ff). Voraussetzung für eine bilanzielle Sonderprüfung nach Abs 1 Satz 1 Nr 2 ist eine Berichterstattung im Anhang (Rdn 82 ff), die fehlerhaft sein muss (Rdn 87 ff) und die in der Hauptversammlung trotz durch eine Niederschrift dokumentierte Nachfrage nicht korrigiert wurde (Rdn 94 ff). Der Prüfungsumfang ist in Abs 1 Satz 3 geregelt (Rdn 100). aa) Berichterstattung im Anhang. Der Anhang, der einen Teil des Jahresabschlus- 82 ses einer Aktiengesellschaft bildet (§ 264 Abs 1 Satz 1 HGB), muss die Informationen enthalten, die zusammen mit dem Inhalt der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Aktiengesellschaft vermitteln (§ 264 Abs 2 Satz 1 HGB). Für den Inhalt des Anhangs sehen die §§ 284 ff HGB folgende Angaben vor123: – Pflichtangaben zu einzelnen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie bei der Ausübung von Wahlrechten zugunsten des Anhangs (§ 284 Abs 1 HGB) – Pflichtangaben zu den angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden oder Abweichungen (§ 284 Abs 2 HGB) – Pflichtangaben zu einzelnen Posten des Anlagevermögens (§ 284 Abs 3 HGB) – sogenannte sonstige Pflichtangaben (§ 285 HGB), die allerdings schon allein aufgrund ihrer Anzahl in der heutigen Zeit den Kern der Anhangsangaben ausmachen. – (gesellschaftsspezifische) Angaben zu Vorratsaktien (§ 160 Abs Nr 1), eigenen Aktien (§ 160 Abs Nr 2), zu der Aufteilung des Aktienkapitals nach Aktiengattungen (§ 160 Abs Nr 3), zum genehmigten Kapital (§ 160 Abs Nr 4), zu bestehenden Bezugs- und Genussrechten und ähnlichen Rechten (§ 160 Abs Nr 5) sowie zum Bestehen wechselseitiger und mitgeteilter Beteiligungen (§ 160 Abs Nr 6 und 7) – sonstige, gesondert angeordnete Angaben (§ 58 Abs 2a [Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens], § 152 Abs 2 und 3 [Angaben zu Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen], § 158 Abs 1 [Angaben zur Gewinn- und Verlustrechnung], § 240 Satz 3 [Angaben bei Kapitalherabsetzungen] sowie § 261 Abs 1 Satz 3, 4 [Angaben zur bilanziellen Sonderprüfung]) Reichen diese Angaben wegen des Vorliegens besonderer Umstände nicht dazu aus, 83 dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt, so sind im Anhang zusätzliche Angaben zu machen (§ 264 Abs 2 Satz 2 HGB). Zudem sind die Schutzklauseln (§ 160 Abs 2 AktG, § 286 Abs 1 HGB) zu beachten (zur Frage der fehlerhaften Inanspruchnahme der Schutzklauseln Rdn 91).

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Für einen Überblick zum Anhang etwa Wöhe/Mock Die Handels- und Steuerbilanz7 § 19.

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Für kleine und mittelgroße Aktiengesellschaften (§ 267 Abs 1 und 2 HGB) sind die in § 288 Abs 1 bzw 2 HGB bezeichneten Angaben nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zu machen, so dass eine bilanzielle Sonderprüfung auch nicht auf das Fehlen dieser Angaben gestützt werden kann.124 Angaben in einem Konzernanhang (§§ 297 Abs 1, 313, 314 HGB) können nicht Ge85 genstand einer Sonderprüfung sein. Als das BiRiLiG in Umsetzung der Konzernbilanzrichtlinie125 in § 264 Abs 1 Satz 1 HGB die Aufstellung eines Anhangs als Teil des handelsrechtlichen Jahresabschlusses vorschrieb, wurde der Wortlaut der §§ 258, 259 und 261 entsprechend angepasst und als Gegenstand der Sonderprüfung wegen unvollständiger Berichterstattung nicht mehr die Angaben nach § 160 Abs 2 oder 3 im Geschäftsbericht, sondern im Anhang genannt. Seitdem kann sich eine Sonderprüfung nach Abs 1 Satz 1 Nr 2 nur auf den Anhang des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und nicht auch auf einen Konzernanhang beziehen. Macht jedoch der Vorstand einer Aktiengesellschaft, die Mutterunternehmen in einem Konzern ist (§ 290 Abs 1 Satz 1 HGB), von der ihm in § 298 Abs 2 HGB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, den Anhang des handelsrechtlichen Jahresabschlusses des Mutterunternehmens mit dem Konzernanhang zusammenzufassen, so können in diesem zusammengefassten Anhang die Angaben, die für den Anhang der Jahresbilanz des Mutterunternehmens vorgesehen sind, im Rahmen einer Sonderprüfung nach Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Satz 3 geprüft werden. Auch die in einem Lagebericht (§§ 289 ff HGB) aufzunehmenden Angaben können 86 nicht Gegenstand einer Sonderprüfung wegen unvollständiger Berichterstattung sein. Dies gilt auch für die Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f) sowie für den Vergütungsbericht (§ 162). 87

bb) Fehlerhaftigkeit der Berichterstattung. Weitere Voraussetzung ist das Bestehen eines Anlasses für die Annahme, dass in einem festgestellten Jahresabschluss der Anhang die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig enthält. 88 Die Frage, ob ein Anhang die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig enthält, kann sich nur stellen, wenn überhaupt ein Anhang vorliegt. Als Jahresabschluss bilden die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 Abs 3 HGB) mit dem Anhang nach § 264 Abs 1 Satz 1 HGB nicht nur formal, sondern inhaltlich eine Einheit. Deshalb führt das Fehlen eines Anhangs zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§ 256 Abs 4). Eine Sonderprüfung kann dann aber dennoch durchgeführt werden.126 89 Unvollständig sind Angaben im Anhang, wenn diese nicht in vollem Umfang den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Wenn das Gesetz es zulässt, dass Angaben entweder im Anhang oder in der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung gemacht werden müssen, so liegt eine Unvollständigkeit des Anhanges nur vor, wenn sich diese Angaben weder im Anhang noch in den anderen Teilen des Jahresabschlusses befinden.127 Auch unrichtige Angaben machen einen Anhang unvollständig, da eine unrichtige Angabe immer zugleich eine fehlende richtige Angabe ist.128 Wenn Angelegenheiten oder Vorgänge, für die das Gesetz Angaben im Anhang vor90 schreibt, nicht vorliegen und deshalb nichts zu berichten ist, braucht hierzu keine Fehl-

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124 MünchKomm/Koch4 Rdn 23. 125 Vierte Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25.7.1978 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (78/660/EWG) ABl EG Nr L 222, S 11. 126 Zum Verhältnis von Sonderprüfung zur Nichtigkeit Rdn 47 f. 127 KK/Arnold3 Rdn 31 am Ende; Hüffer/Koch14 Rdn 9; MünchKomm/Koch4 Rdn 26. 128 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 22; KK/Arnold3 Rdn 31; Grigoleit/Ehmann Rdn 4; Hüffer/Koch14 Rdn 9; MünchKomm/Koch4 Rdn 27; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 10; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, S 52 mit Fn 60; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 16.

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anzeige im Anhang gemacht zu werden, obwohl dies zum besseren Verständnis der gesamten Berichterstattung zweckmäßig sein kann.129 Enthält ein Anhang zu einzelnen vorgeschriebenen Angaben eine Fehlanzeige, obwohl eine Berichterstattung erforderlich war, so ist er sowohl unvollständig wie unrichtig.130 Eine Unrichtigkeit kann sich auch bei der Inanspruchnahme von Schutzklauseln 91 ergeben. Dies gilt zunächst zweifelsfrei für § 286 Abs 3 Satz 4 HGB, da der Anhang danach ausdrücklich die Angaben der Nutzung der Schutzklausel des § 286 Abs 3 Satz 1 Nr 1 HGB enthalten muss.131 Aber auch für die übrigen Schutzklauseln kommt eine Überprüfung von deren Anwendbarkeit im Rahmen der bilanziellen Sonderprüfung in Betracht. Dabei droht der Aktiengesellschaft auch keine Beeinträchtigung ihrer Schutzinteressen. Wenn die Schutzklausel fälschlicherweise in Anspruch genommen wurde, besteht schon kein Schutzinteresse. Stellt der Sonderprüfer hingegen fest, dass die Schutzklausel zu Recht in Anspruch genommen wurde, wird dies im Sonderprüfungsbericht so vermerkt. Auch in diesem Fall ist eine Geheimhaltung gesichert, da der Sonderprüfer selbst der Verschwiegenheit unterliegt (Abs 5 Satz 1 in Verbindung mit § 323 Abs 1 Satz 1 und 2 HGB – Rdn 177 ff). Diese Wertung wird zudem durch § 145 Abs 6 Satz 2 bestätigt, wonach bei einer regulären Sonderprüfung auch Tatsachen in den Bericht des Sonderprüfers aufgenommen werden müssen, deren Bekanntwerden geeignet ist, der Aktiengesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, wenn ihre Kenntnis zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs durch die Hauptversammlung erforderlich ist.132 Bei freiwilligen Zusatzangaben im Anhang kommt eine bilanzielle Sonderprüfung 92 nicht in Betracht, auch wenn damit die Gefahr der Irreführung der Adressaten des Jahresabschlusses besteht. Dies ergibt sich aus dem insofern eindeutigen Wortlaut von Abs 1 Satz 1 Nr 2, da dieser nur auf die vorgeschriebenen Angaben Bezug nimmt. Zudem streitet auch die historische Auslegung für diese Sichtweise, da die Berichterstattung im Anhang im Zeitpunkt der Einführung der bilanziellen Sonderprüfung durch das Aktiengesetz 1965 deutlich reduzierter war und schwerpunktmäßig der Erläuterung der Bilanz diente. Die inzwischen zahlreich existierenden Zusatzangaben sind erst ein Produkt jüngerer gesetzgeberischer Initiativen.133 Anders als die bilanzielle Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung nach 93 Abs 1 Satz 1 Nr 1 (Rdn 58 ff) ist die bilanzielle Sonderprüfung wegen unvollständiger Berichterstattung nach Abs 1 Satz 1 Nr 2 nicht davon abhängig, ob dieser Mangel der Berichterstattung eine wesentliche oder wenigstens nicht unwesentliche Bedeutung hat.134 Eine bilanzielle Sonderprüfung wegen fehlerhafter Berichterstattung ist bei jeder Unvollständigkeit des Anhangs gerechtfertigt. cc) Keine Korrektur der Berichterstattung in der Hauptversammlung durch 94 den Vorstand. Weitere Voraussetzung für eine bilanzielle Sonderprüfung nach Abs 1 Satz 1 Nr 2 ist, dass der Vorstand die fehlenden Angaben in der Hauptversammlung nicht gemacht (Rdn 95) hat, obwohl nach ihnen gefragt worden ist (Rdn 96), und daraufhin die Aufnahme der Fragen in die Niederschrift über die Hauptversammlung verlangt wurde (Rdn 97).

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129 KK/Arnold3 Rdn 31; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 15; MünchKomm/Koch4 Rdn 27. 130 MünchKomm/Koch4 Rdn 27. 131 Ebenso KK/Arnold3 Rdn 30; MünchKomm/Koch4 Rdn 24. 132 Im Ergebnis ebenso KK/Arnold3 Rdn 30; MünchKomm/Koch4 Rdn 24. 133 Zur Kritik an der ausufernden Berichterstattung im Anhang Wöhe/Mock Die Handels- und Steuerbilanz7 Rdn § 19 Rdn 339. 134 Ebenso KK/Arnold3 Rdn 31.

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Voraussetzung ist zunächst, dass der Vorstand die Angaben in der Hauptversammlung nicht gemacht hat. Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass der Vorstand die Angaben nicht gemacht hat. Wurden diese durch andere Personen (etwa durch den Aufsichtsratsvorsitzenden als typischen Versammlungsleiter oder durch den besonderen Vertreter [§ 147 Abs 2]) gegeben, ist dies nicht ausreichend, da im Ergebnis nur der Vorstand als Verpflichteter zur Aufstellung des Jahresabschlusses verlässliche Informationen liefern kann. Informationen anderer Personen haben daher nicht den gleichen Grad an Verlässlichkeit und sind daher für Abs 1 Satz 1 Nr 2 irrelevant. Ebenso wenig ist es ausreichend, wenn der Vorstand die Informationen außerhalb der Hauptversammlung an bestimmte oder alle Aktionäre weiterleitet. Keine Bedeutung hat aber, ob der Vorstand die entsprechenden Informationen aufgrund einer eigenen Initiative oder aufgrund einer Nachfrage durch einen Aktionär erteilt hat.135 Weiterhin muss nach diesen Informationen gefragt worden sein. Die Fragen müssen 96 so bestimmt sein, dass der Vorstand erkennen kann, welche vorgeschriebenen Angaben der Fragesteller im Anhang für unvollständig oder unrichtig hält.136 Dabei muss die Fragestellung nicht durch den späteren Antragsteller erfolgt sein.137 Schließlich muss das Verlangen, bei Verweigerung der Auskunft, die gestellte Frage 97 in die Niederschrift über die Hauptversammlung aufzunehmen (§ 131 Abs 5), nicht von dem fragenden, sondern kann auch von anderen, in der Hauptversammlung anwesenden Aktionären vorgebracht worden sein.138 Wesentlich ist nur, dass ein Verlangen zur Protokollierung der Frage geäußert wurde; ob und wie diesem Verlangen entsprochen wurde, ist ohne Bedeutung.139 4. Prüfungsumfang bei Unterbewertungen (Abs 1 Satz 2). Durch Abs 1 Satz 2 wird der Prüfungsumfang für den Prüfungsgrund nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 bestimmt, ohne dass dieser Regelung eine nähere Bedeutung zukommt. Diese wiederholt im Wesentlichen nur Abs 1 Satz 1 Nr 1, indem sie anordnet, dass der Sonderprüfer die bilanzielle Sonderprüfung darauf zu erstrecken hat, ob die bemängelten Posten nicht unwesentlich unterbewertet sind. Dieser Prüfungsumfang wird auch nicht durch die Pflicht zur Erstellung der abschließenden Feststellung nach § 259 Abs 2 (§ 259 Rdn 52 ff) berührt.140 Zur Durchführung der Sonderprüfung Rdn 195 ff. Bei Unklarheiten hinsichtlich des Prüfungsumfangs hat der Sonderprüfer eine ei99 genständige Auslegung der gerichtlichen Anordnung vorzunehmen und muss gegebenenfalls das Gericht um eine Klärung des Prüfungsumfangs ersuchen.141 Eine Ergänzung oder Klarstellung des Prüfungsumfangs durch die AG oder eines ihrer Organe ist nicht möglich.142 Zur Behandlung von Zufallsfunden ausführlich § 259 Rdn 34 ff.

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135 KK/Arnold3 Rdn 32; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 11; MünchKomm/Koch4 Rdn 28. 136 KK/Arnold3 Rdn 32; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 17; Hüffer/Koch14 Rdn 10; K Schmidt/Lutter/ Kleindiek3 Rdn 11; MünchKomm/Koch4 Rdn 29; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 93 f. 137 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 26; KK/Arnold3 Rdn 32; MünchKomm/Koch4 Rdn 29. 138 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 25; KK/Arnold3 Rdn 33; Hüffer/Koch14 Rdn 10; MünchKomm/Koch4 Rdn 29; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 11; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 53 f; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 17. 139 KK/Arnold3 Rdn 33; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 17; Hüffer/Koch14 Rdn 10; MünchKomm/Koch4 Rdn 29; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 11. 140 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 62; KK/Arnold3 Rdn 39; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 35; MünchKomm/Koch4 Rdn 30. 141 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 58; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 35; MünchKomm/Koch4 Rdn 30. 142 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 59; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 35.

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5. Prüfungsumfang bei fehlerhaften Anhangsangaben (Abs 1 Satz 3). Schließlich 100 umschreibt Abs 1 Satz 3 den Prüfungsumfang bei fehlerhaften Anhangsangaben. Auch dieser Regelung kommt – ebenso wie bei Abs 1 Satz 2 (Rdn 98 f) – keine eigenständige Bedeutung zu, da lediglich der Regelungsinhalt von Abs 1 Satz 1 Nr 2 wiederholt wird. Bei Unklarheiten hinsichtlich des genauen Prüfungsumfangs gelten die in Rdn 99 dargestellten Grundsätze. Zur Durchführung der Sonderprüfung Rdn 195 ff. Zur Behandlung von Zufallsfunden ausführlich § 259 Rdn 34 ff. IV. Sonderprüfungen bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Kapitalverwaltungsgesellschaften (Abs 1a) Für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Kapitalverwaltungsgesell- 101 schaften enthält Abs 1a eine Sonderregelung im Zusammenhang mit § 340f HGB, der aus Gründen der Vorsorge für allgemeine Bankrisiken eine Unterbewertung zulässt. Zum Zweck der Regelung Rdn 2 ff. 1. Anwendungsbereich. Die Ausnahmeregelung in Abs 1a gilt für Kreditinstitute 102 und für Finanzdienstleistungsinstitute iSd §§ 1 und 1a KWG, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht jeweils nach § 2 KWG ausgeschlossen ist. Darüber hinaus findet sie auch auf Kapitalverwaltungsgesellschaften iSd § 17 KAGB, also Unternehmen, deren Geschäftsbetrieb darauf gerichtet ist, inländisches Investmentvermögen, EU-Investmentvermögen oder ausländische AIF zu verwalten, Anwendung. Für Versicherungsunternehmen gilt Abs 1a nicht, auch nicht entsprechend.143 Al- 103 lerdings bestehen für solche Unternehmen gleichfalls ergänzende Rechnungslegungsvorschriften (§§ 341 bis 341p HGB) mit besonderen Bewertungsregeln (§§ 341b bis 341h HGB), deren Anwendung gemäß § 256 Abs 5 Satz 4 Hs. 2 nicht als Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften gilt. Die Bestellung von Sonderprüfern ist in diesen Fällen zwar nicht ausgeschlossen; jedoch sind für die Anordnung und Durchführung einer Sonderprüfung die in §§ 341b bis 341h HGB zugelassenen besonderen Bewertungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.144 2. Ausschlusstatbestände bei Sonderprüfungen wegen Unterbewertung. Ein – 104 oder mehrere145 – Sonderprüfer nach Abs 1 Nr 1 können nach Abs 1a bei den dort genannten Aktiengesellschaften nicht bestellt werden, soweit die Unterbewertung auf der Anwendung des § 340f HGB beruht. Nach dieser besonderen Bewertungsvorschrift können Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute Forderungen an Kreditinstitute und Kunden, Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere sowie Aktien und andere nicht festverzinsliche Wertpapiere, die weder wie Anlagevermögen behandelt werden noch Teil des Handelsbestands sind, in beschränktem Umfange mit einem niedrigeren als dem nach § 253 Abs 1 Satz 1, Abs 4 HGB vorgeschriebenen oder zugelassenen Wert im Jahresabschluss ansetzen, soweit dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zur Sicherung gegen die besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute notwendig ist (§ 340f Abs 1 Satz 1 HGB). Sind jedoch die Voraussetzungen für die Bildung derartiger Vorsorgereserven nicht eingehalten worden, beispielsweise weil die Unterbewertung bei anderen als den hierfür in § 340f Abs 1 Satz 1 HGB vorge-

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KK/Arnold3 Rdn 46; wohl auch MünchKomm/Koch4 Rdn 38. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 100. Abs 1a erwähnt, dass nur ein Sonderprüfer nicht bestellt werden kann.

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sehenen Vermögensgegenständen vorgenommen wurde, oder überschreitet der Betrag der durch die Unterbewertung gebildeten Vorsorgereserven den in § 340f Abs 1 Satz 2 HGB vorgeschriebenen Höchstbetrag, so ist die Bestellung von Sonderprüfern zulässig und wird auch nicht durch Abs 1a ausgeschlossen.146 Eine analoge Anwendung des Abs 1a auf eine Unterbewertung, die auf der Anwen105 dung der §§ 340e HGB (Bewertung von Vermögensgegenständen) und § 340g HGB (Sonderposten für allgemeine Bankrisiken) beruht, kommt in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht in Betracht, jedoch liegt in diesen Fällen gemäß § 256 Abs 5 Satz 4147 eine unzulässige Unterbewertung nicht vor, so dass auch kein Anlass für eine bilanzielle Sonderprüfung besteht.148 Etwas anderes gilt hingegen für Reserven, die nach § 26a Abs 1 KWG gebildet und nach Art 31 Abs 2 Satz 2 Bankbilanzrichtlinie-Gesetz fortgeführt werden dürfen.149 106

3. Ausschlusstatbestände bei Sonderprüfungen wegen unvollständiger Berichterstattung. Gemäß § 340f Abs 4 HGB brauchen Angaben über die Bildung und Auflösung von Vorsorgereserven nach § 340f Abs 1 HGB im Jahresabschluss nicht gemacht zu werden, also auch nicht im Anhang. Es sind auch keine Angaben über die Anwendung dieser Vorschrift gemäß § 284 Abs 2 Nr 1 HGB erforderlich. Dementsprechend schließt Abs 1a auch eine bilanzielle Sonderprüfung wegen einer unterbliebenen Berichterstattung aus, die auf der Anwendung des § 340f HGB beruht. V. Gerichtliches Verfahren zur Anordnung einer bilanziellen Sonderprüfung und der Bestellung von Sonderprüfern (Abs 2)

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Sonderprüfer zur Prüfung eines Jahresabschlusses nach Abs 1 Satz 1 bestellt das Gericht nur auf Antrag. Dieser Antrag muss nach Abs 2 Satz 1 innerhalb eines Monats nach der Hauptversammlung über den Jahresabschluss gestellt werden (Rdn 116 ff). Dies gilt nach Abs 2 Satz 2 auch bei einer Änderung des Jahresabschlusses und dessen erneuter Prüfung (Rdn 121). Antragsberechtigt ist nach Abs 2 Satz 3 eine qualifizierte Aktionärsminderheit (Rdn 122 ff), wobei die Aktionäre nach Abs 2 Satz 4 einen Vorbesitz glaubhaft machen müssen und die Aktien hinterlegen bzw nicht veräußern dürfen (Rdn 129 f). Für die Glaubhaftmachung reicht nach Abs 2 Satz 5 eine eidesstattliche Versicherung (Rdn 131). Weitere Anforderungen an das Antragsverfahren werden durch Abs 2 nicht gemacht, ergeben sich aber teilweise aus Abs 3 bis 5 bzw aus Verfahrensgrundsätzen des FamFG, deren Anwendung sich aus allgemeinen Grundsätzen ergibt. 1. Grundlagen des Verfahrens

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a) Verfahrensart. Das Verfahren zur Anordnung einer bilanziellen Sonderprüfung und zur Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 ist eine Angelegenheit der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, auf die die Vorschriften des FamFG anzuwenden sind, soweit im AktG nichts anderes bestimmt ist.150 Dies ergibt sich zwar nicht, wie es gemäß § 1 FamFG eigentlich geboten wäre und für das Verfahren zur Anordnung einer bilanziellen Son-

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146 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 96; MünchKomm/Koch4 Rdn 36. 147 Zur Anwendung von § 256 Abs 5 Satz 4 im Rahmen der bilanziellen Sonderprüfung Rdn 66. 148 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 97, 99; KK/Arnold3 Rdn 48; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 51. 149 Ebenso für eine analoge Anwendung Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 92; MünchKomm/Koch4 Rdn 36. 150 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 10; KK/Arnold3 Rdn 54, 59; Grigoleit/Ehmann Rdn 7; Spindler/Stilz/ Euler/Sabel4 Rdn 20; Hüffer/Koch14 Rdn 13; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 16.

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derprüfung und zur Bestellung von Sonderprüfern nach §§ 142 und 315 auch in § 142 Abs 8 und § 315 Satz 4 erfolgt ist, aus einem ausdrücklichen Verweis in § 258. Die Einbeziehung der bilanziellen Sonderprüfung in die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entspricht jedoch von Anfang an der Vorstellung des Gesetzgebers.151 Unter der Geltung des FGG war die Bestellung von Sonderprüfern nach Abs 1 als eine Handelssache im Sinne der Freiwilligen Gerichtsbarkeit in § 145 Abs 1 FGG aF aufgeführt. Dementsprechend sollte sie auch zu den unternehmensrechtlichen Verfahren iSd § 375 FamFG gehören und wurde dort in § 375 Nr 3 RegE FamFG genannt. Nachdem der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren angeregt hatte, entsprechend § 142 Abs 5 Satz 3 für die allgemeine Sonderprüfung auch die Zuständigkeit für die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 den Landgerichten zu übertragen, wurde Abs 2 der Satz 3 eingefügt, wonach über den Antrag zur Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung und zur Bestellung von Sonderprüfern das Landgericht entscheidet. Hierbei unterblieb aber versehentlich die Klarstellung, dass auf das gerichtliche Verfahren die Vorschriften des FamFG anzuwenden sind. Dass für das Verfahren zur Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung und zur Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 die Verfahrensordnung des FamFG gilt, ist im Schrifttum umfassend anerkannt.152 b) Verfahrensgrundsätze. Da das gerichtliche Verfahren zur Einleitung einer bi- 109 lanziellen Sonderprüfung und zur Bestellung von Sonderprüfern nach Abs 1 nur aufgrund eines Antrages durchgeführt werden kann, steht das Verfügungsrecht über das Verfahren im Ganzen den Antragstellern zu. Die Antragsteller entscheiden mit der Antragstellung über die Einleitung des Verfahrens und bestimmen den Verfahrensgegenstand. Sie können das Verfahren auch durch Antragsrücknahme beenden (§ 22 Abs 1 FamFG) und, gemeinsam mit sämtlichen anderen Verfahrensbeteiligten, den Antrag für erledigt erklären (§ 22 Abs 3 FamFG) sowie einen Vergleich schließen, soweit sie über den Verfahrensgegenstand verfügen können (§ 36 Abs 1 Satz 1 FamFG). Anders als im Zivilprozess haben in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht 110 die Parteien den für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt vorzutragen, sondern es obliegt dem Gericht, aufgrund des für diese Verfahren maßgeblichen Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.153 Dieser Grundsatz gilt nur, soweit keine aktienrechtlichen Sonderbestimmungen bestehen (§ 142 Abs 8 analog). Im Verfahren nach § 258 wird er weitgehend durch die Verpflichtung der Antragsteller eingeschränkt, konkrete Sachverhaltselemente vorzutragen, die den Schluss auf eine nicht unwesentliche Unterbewertung oder eine unvollständige Berichterstattung nahelegen (Rdn 134 ff). Die Beteiligten des Verfahrens sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwir- 111 ken (§ 27 Abs 1 FamFG). Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben (§ 27 Abs 2 FamFG). Eine weitergehende Erklärungspflicht, wie sie § 138 Abs 2 und 3 ZPO enthalten, ist zwar nur in Ehe- und Familienstreitsachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 113 Abs 1 und 4 Nr 1 FamFG) ausdrücklich bestimmt. Bis zur Änderung des FGG aF entsprach es aber allgemeiner Rechtsansicht, dass ein Gericht in echten Streitsachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, also in Verfahren, in denen sich die Beteiligten wie in einem Zivilprozess als Gegner mit wi-

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So ausdrücklich Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 207. Vgl hierzu und zum folgenden Jänig/Leißring ZIP 2010, 110, 112. KK/Arnold3 Rdn 60; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 6, 19; MünchKomm/Koch4 Rdn 11, 43, 49.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

derstreitenden Vermögensinteressen gegenüberstehen,154 ohne Verletzung seiner Amtsaufklärungspflicht davon ausgehen konnte, dass jede Partei die ihr günstigen Umstände von sich aus vorbringt. Unterließ ein Verfahrensbeteiligter einen solchen Vortrag, so musste er in Kauf nehmen, dass das Gericht auf der Grundlage der vorgetragenen Tatsachen entschied.155 Das Verfahren zur Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 ist eine solche Streitsache, in der das Gericht über ein sich aus der Mitgliedschaft der antragstellenden Aktionäre ergebendes subjektives privates Recht auf Rechtmäßigkeitskontrolle der Geschäftsführung bei der Aufstellung und Feststellung des für die Gewinnverteilung maßgeblichen Jahresabschlusses entscheidet. In entsprechender Anwendung des § 138 Abs 2 und 3 ZPO besteht deshalb auch in den Verfahren zur Bestellung von Sonderprüfern, wie bisher in echten Streitsachen anerkannt, eine Erklärungspflicht der Beteiligten.156 Nach § 28 FamFG obliegt die Verfahrensleitung dem Gericht. Es hat darauf hinzu112 wirken, dass die Beteiligten sich rechtzeitig über alle erheblichen Tatsachen erklären und ungenügende tatsächliche Angaben ergänzen (§ 28 Abs 1 Satz 1 FamFG), sowie im Antragsverfahren Formfehler beseitigen und sachdienliche Anträge stellen (§ 28 Abs 2 FamFG). Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten hat das Gericht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen, den es anders als die Beteiligten beurteilt, und auf den es seine Entscheidung stützen will (§ 28 Abs 1 Satz 2 FamFG). Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein schriftliches Verfahren durchgeführt wird oder eine mündliche Verhandlung in einem anzuberaumenden Termin erfolgen soll (§ 32 Abs 1 Satz 1 FamFG). Soll mündlich verhandelt werden, so ist diese Verhandlung nicht öffentlich (§ 170 Abs 1 S 1 GVG). Das Gericht kann die Öffentlichkeit zulassen, jedoch nicht gegen den Willen eines Beteiligten (§ 170 Abs 1 Satz 2 GVG). Der Amtsermittlungsgrundsatz ermächtigt das Gericht auch, nach pflichtgemäßem Ermessen Beweise zu erheben, ohne hierbei an das Vorbringen der Parteien gebunden zu sein (§ 29 Abs 1 FamFG), sowie die Art der Beweisaufnahme zu bestimmen, also entweder im Wege eines Freibeweises durch Ermittlungen des Gerichts, oder eines Strengbeweises durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der ZPO (§ 30 Abs 1 FamFG). 113

c) Verfahrensbeteiligte. Im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller gemäß § 7 Abs 1 FamFG Beteiligte des Verfahrens, ebenso gemäß § 7 Abs 2 Nr 1 FamFG die Aktiengesellschaft als diejenige, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird.157 Nichtbeteiligt ist der Abschlussprüfer, der aber gemäß Abs 3 Satz 1 vor der Bestellung von Sonderprüfern zu hören ist (Rdn 169). Aktionäre, die nicht über den erforderlichen Aktienbesitz für einen Antrag nach Abs 2 Satz 3 verfügen (Rdn 122 ff), können nicht Beteiligte des Verfahrens sein, da sie nicht unmittelbar betroffen sind.158 Sind Aktionäre entweder alleine oder aufgrund eines Zusammenschlusses mit anderen Aktionären antragsberechtigt, wollen einen solchen Antrag aber nicht stellen, so sind sie vom Gericht als Beteiligte hinzuziehen, wenn sie dies innerhalb der Monatsfrist nach Abs 2 Satz 2 beantragen (§ 7 Abs 3 FamFG).159

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154 Zum Begriff der „echten Streitsache“ nach altem Verfahrensrecht vgl Bosch AcP, 149 (1944), 32, 40; Habscheidt JZ 1954, 689 ff; Münzel ZZP 66 (1953), 334, 335 ff. 155 BGH v 21.12.2000 – V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 249 f. = NJW 2001, 1212; BGH v 23.3.1988 – IVb ZB 51/87, NJW 1988, 1839, 1840. 156 In diesem Sinne Jänig/Leißring ZIP 2010, 110, 114. 157 Jänig/Leißring ZIP 2010, 110, 113. 158 Zum Begriff und zu den Voraussetzungen einer Beteiligung im materiellen Sinne gemäß § 7 Abs 2 Nr 1 FamFG Begr RegE FGG-RG BT-Drucks 16/6308, S 178. 159 Zur „unmittelbaren Betroffenheit“ dieser Aktionäre Jänig/Leißring ZIP 2010, 110, 113.

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d) Zwingender Dualismus des Verfahrensgegenstands. Obwohl § 258 nur die Be- 114 stellung von Sonderprüfern regelt, setzt sich der Verfahrensgegenstand tatsächlich aus zwei Aspekten zusammen. So muss das Gericht einerseits die Einleitung einer Sonderprüfung und andererseits die Bestellung von Sonderprüfern anordnen. Diese beiden Aspekte können nicht voneinander getrennt werden, so dass sich das Gericht in seiner Entscheidung nicht auf einen der beiden Punkte beschränken kann. Ebenso wenig können die Antragsteller nur einen der beiden Aspekte verfolgen. Dass diese Trennung der beiden Aspekte relevant ist, zeigt sich vor allem bei dem Austausch eines Sonderprüfers während einer laufenden Sonderprüfung (Rdn 176), da es dann nur zur Bestellung von Sonderprüfern kommt, ohne dass sich an dem Inhalt und dem Umfang der bereits angeordneten Sonderprüfung etwas verändert. 2. Antragsvoraussetzungen a) Form. Der Antrag kann schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle 115 gestellt werden (§ 25 Abs 1 FamFG). Eine anwaltliche Vertretung ist zwar gestattet, aber nicht geboten (§ 10 Abs 1 FamFG). Zur Wahrung der Schriftform genügt eine Erklärung per Telefax. Auch die Zusendung als elektronisches Dokument (E-Mail) ist zulässig, wenn diese Möglichkeit für das betreffende Gericht durch Rechtsverordnung zugelassen ist; § 130a Abs 1 und 3 ZPO gilt entsprechend (§ 14 Abs 2 und 4 FamFG). Gemäß § 23 Abs 1 Satz 5 FamFG soll der Antrag von dem Antragsteller oder seinem Prozessbevollmächtigten unterschrieben werden. In der Gesetzesbegründung ging der Gesetzgeber weitergehend davon aus, dass eine Unterschrift notwendig ist.160 Aus dem Schriftstück muss ersichtlich sein, dass es sich um einen verfahrensleitenden Antrag bestimmter Antragsteller handelt. Auch eine mündliche Erklärung des Antrages zur Niederschrift der Geschäftsstelle des zuständigen Landgerichts oder eines jeden Amtsgerichts ist zulässig (§ 25 Abs 1 und 2). Eine solche Niederschrift liegt vor, wenn sie von dem Urkundsbeamten abgefasst und von ihm nach Genehmigung durch den Antragsteller unterschrieben ist. b) Antragsfrist (Abs 2 Satz 1). Der Antrag muss innerhalb einer Frist von einem Mo- 116 nat nach der Hauptversammlung über den Jahresabschluss gestellt werden (Abs 2 Satz 1). Das ist die Hauptversammlung, die mit dem Jahresabschluss befasst war, sei es zum Zwecke der Feststellung (§ 173), oder sei es zur Entgegennahme des von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschlusses (§ 175).161 Wie bei der Fristenregelung für eine allgemeine Anfechtungsklage (§ 246 Abs 1) und bei der Anfechtung des Beschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung (§ 257 Abs 2) macht die Vorschrift des Abs 2 Satz 1 deutlich, dass die Frist keine Verfahrensvoraussetzung, sondern eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist ist, mit deren Ablauf das Antragsrecht der Aktionäre endgültig entfällt.162 Die Fristsetzung dient der Rechtssicherheit; der Inhalt des Jahresabschlusses soll nicht länger als notwendig ungeklärt bleiben und die Dauer des Verfahrens nicht über Gebühr zur Disposition der Parteien stehen. Dementsprechend kann die Frist weder in der Satzung verkürzt oder verlängert (§ 23 Abs 5) oder durch eine Vereinbarung der Aktionäre mit der Aktiengesellschaft abweichend festgelegt werden, noch kann das Gericht die Frist verlängern

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160 RegE FGG-RG BT-Drucks 16/6308, S 186. 161 Grigoleit/Ehmann Rdn 7; Jänig NZG 2008, 257, 258; MünchKomm/Koch4 Rdn 41. 162 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 28; KK/Arnold3 Rdn 55; Grigoleit/Ehmann Rdn 7; Jänig NZG 2008, 257, 258; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 18; Hüffer/Koch14 Rdn 14; MünchKomm/Koch4 Rdn 40.

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oder wegen einer Fristversäumung nach § 17 Abs 1 FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren.163 Wird die Frist versäumt, so ist der Antrag nicht als unzulässig, sondern wegen des endgültigen Rechtsverlustes als unbegründet abzuweisen.164 Für den Lauf und Ablauf der Frist gelten ihrer rechtlichen Bedeutung entsprechend nicht, wie in § 16 Abs 2 FamFG für gerichtliche Verfahren vorgeschrieben, die Vorschriften der ZPO, sondern die Auslegungsvorschriften der §§ 186–193 BGB.165 Eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage hat keinen Einfluss auf die Frist.166 Fristbeginn gemäß § 187 Abs 1 BGB ist der Zeitpunkt der Hauptversammlung, die den vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschluss entgegengenommen (§ 175 Abs 1) oder selbst festgestellt (§ 175 Abs 3) hat.167 Ein Beschluss über die Gewinnverwendung muss auf der Hauptversammlung nicht gefasst worden sein.168 Bei der Fristberechnung wird der Tag der Hauptversammlung nicht mitgerechnet (§ 187 Abs 1 BGB).169 Ob zu einem der Hauptversammlung vorgelegten Jahresabschluss gemäß § 176 Abs 1 Satz 2 und 3 eine Erläuterung durch den Vorstand erfolgt ist und eine Erörterung mit den Aktionären stattgefunden hat, und ob ein Beschluss über die Gewinnverwendung (§ 174 Abs 1) gefasst wurde, ist ohne Bedeutung. Wird eine Verhandlung der Hauptversammlung über den vorgelegten Jahresabschluss nicht zu Ende geführt, sondern vertagt oder abgebrochen, um sie in einer späteren Hauptversammlung fortzuführen, so ist für den Fristbeginn nicht der Tag der ersten, sondern der Tag der Hauptversammlung maßgeblich, an dem die Verhandlung zu Ende geführt wurde170. Ein in diesem Falle zur vermeintlichen Fristwahrung auf den Tag der ersten Hauptversammlung bezogener Antrag auf Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung und Bestellung von Sonderprüfern ist wirksam, wenn er nach dem maßgeblichen Tag der zweiten Hauptversammlung innerhalb der damit beginnenden Antragsfrist weiterverfolgt wird.171 In einer mehrtägigen Hauptversammlung können Fragen zum Tagesordnungspunkt Vorlage des Jahresabschlusses auch im Zusammenhang mit nachfolgenden anderen Tagesordnungspunkten, wie über die Gewinnverwendung oder die Entlastung der Verwaltungsorgane, erörtert werden. Auch können Aktionäre, denen Fragen zur Vollständigkeit und Richtigkeit des Anhangs in der Hauptversammlung nicht beantwortet wurden, die Aufnahme ihrer Fragen und der Auskunftsverweigerung in die Niederschrift über die Verhandlung noch bis zum Ende der Hauptversammlung beantragen. Bei mehrtägigen Hauptversammlungen beginnt deshalb die Antragsfrist erst mit dem letzten Tage der Hauptversammlung.172 Die Frist endet mit Ablauf desjenigen Tages des der Hauptversammlung folgenden Monats, welcher durch seine Zahl dem Tage der Hauptversammlung entspricht (§ 188 Abs 2 BGB).173 Fällt dieser Tag auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen Feiertag, so

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163 KK/Arnold3 Rdn 55; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 22; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 18; Hüffer/Koch14 Rdn 14; MünchKomm/Koch4 Rdn 40. 164 Grigoleit/Ehmann Rdn 7; Jänig NZG 2008, 257, 258; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 18 Hüffer/Koch14 Rdn 14; MünchKomm/Koch4 Rdn 40. 165 MünchKomm/Koch4 Rdn 40. 166 K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 17 am Ende. 167 KK/Arnold3 Rdn 56; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 22; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 17; Hüffer/Koch14 Rdn 15. 168 KK/Arnold3 Rdn 56; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 17. 169 Ebenso MünchKomm/Koch4 Rdn 41. 170 OLG München v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628, 629. 171 OLG München v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628, 629; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 22 am Ende; Hüffer/Koch14 Rdn 15; MünchKomm/Koch4 Rdn 41; im Grundsatz auch Jänig NZG 2008, 257, 258 f. 172 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 22; MünchKomm/Koch4 Rdn 41. 173 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 22.

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tritt an seine Stelle der nächste Werktag (§ 193 BGB). Fehlt bei dem der Hauptversammlung nachfolgenden Monat wegen einer kurzen Monatsdauer der für den Ablauf der Frist maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats (§ 188 Abs 3 BGB). Ist das angerufene Gericht nicht zuständig, so hat es sich, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, durch Beschluss für unzuständig zu erklären und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen (§ 3 Abs 1 Satz 1 FamFG). Die Antragsfrist ist bereits eingehalten, wenn der Antrag fristgemäß bei dem unzuständigen Gericht eingegangen ist (§ 281 ZPO analog).174 c) Antragsfrist bei Änderung des Jahresabschlusses (Abs 2 Satz 2). Ändert die 121 Hauptversammlung bei der Feststellung einen ihr vom Vorstand vorgelegten und von einem Abschlussprüfer aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geprüften Jahresabschluss (§ 173 Abs 3 Satz 1), so dass gemäß § 316 Abs 3 HGB eine Nachtragsprüfung erforderlich ist, beginnt die Antragsfrist bereits am Tage der Hauptversammlung, in der die zunächst noch nicht wirksame Feststellung des Jahresabschlusses beschlossen wurde (Abs 2 Satz 2). d) Antragsberechtigung (Abs 2 Satz 3). Nach Abs 2 Satz 3 kann der Antrag nur von 122 Aktionären gestellt werden, deren Anteile bei Antragstellung zusammen den Schwellenwert des § 142 Abs 2, also den hundertsten Teil des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 € erreichen. Entgegen dem Gesetzeswortlaut, der von Aktionären spricht, ist auch ein einzelner Aktionär berechtigt, einen Antrag zu stellen, wenn er über den erforderlichen Aktienbesitz verfügt.175 Erreichen nur die Anteile mehrerer Aktionäre zusammen das erforderliche Quorum, so sind sie nur gemeinsam antragsbefugt;176 im Verfahren sind sie notwendige Verfahrensgenossen. Das für den Antrag erforderliche Beteiligungsquorum muss nicht nur bei der Antragstellung, sondern bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts bestehen,177 nicht dagegen auch während der gesamten Dauer der Sonderprüfung. Berechnungsgrundlage für das Quorum ist das am Tage der Hauptversammlung 123 im Handelsregister eingetragene Grundkapital der Aktiengesellschaft, gegebenenfalls unter Hinzurechnung von bis dahin ausgegebenen Bezugsaktien aus einer bedingten Kapitalerhöhung (§ 200), deren Ausgabe noch nicht im Handelsregister eingetragen worden ist.178 Eigene Aktien der Aktiengesellschaft sind mitzuzählen, da sie einen Teil des Grundkapitals bilden und § 71b nur die Mitgliedschaftsrechte für diese Aktien ausschließt.179 Gleiches gilt für Aktien, für die das Stimmrecht nach § 134 Abs 1 oder 2 nicht ausgeübt werden darf oder noch nicht begonnen hat, und für Aktien, die als stimm-

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174 KK/Arnold3 Rdn 57; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 18; Hüffer/Koch14 Rdn 15; MünchKomm/Koch4 Rdn 42; aA Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 22; vgl auch BGH v 13.3.2006 – II ZB 26/04, BGHZ 166, 329 Tz 12 = NZG 2006, 426 (zur Anwendung des § 281 ZPO im Spruchverfahren). 175 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 33; KK/Arnold3 Rdn 49; MünchKomm/Koch4 Rdn 45; Krag/Hullermann DB 1980, 457, Fn 9; aA Kirchhoff Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung nach §§ 258 ff AktG, 1971, S 183. 176 Zu den Möglichkeiten der Bildung von Aktionärskonsortien zur Wahrnehmung von Minderheitsrechten KK/Arnold3 Rdn 51; Bezzenberger/Bezzenberger FS K Schmidt, 2009, S 105 ff; Hüffer/Koch14 Rdn 16; MünchKomm/Koch4 Rdn 45. 177 BayObLG v 15.9.2004 – 3Z BR 145/04, FGPrax 2004, 301; OLG Hamm v 29.6.2000 – 15 W 69/00, NZG 2000, 1235; KK/Arnold3 Rdn 51. 178 KK/Arnold3 Rdn 49; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 18; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 14; Hüffer/Koch14 Rdn 16; MünchKomm/Koch4 Rdn 44. 179 KK/Arnold3 Rdn 50; Grigoleit/Ehmann Rdn 8; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 18; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 14; Hüffer/Koch14 Rdn 16; MünchKomm/Koch4 Rdn 44.

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rechtslose Vorzugsaktien gemäß §§ 139, 140 kein Stimmrecht gewähren, oder für die wegen der Verletzung aktienrechtlicher oder kapitalmarktrechtlicher Mitteilungspflichten Mitgliedschaftsrechte nicht bestehen (§§ 20 Abs 7, 21 Abs 4 AktG, § 44 WpHG).180 All diese Aktien bilden trotz ihrer Einschränkungen Teilsummen des Grundkapitals. Der Anteil am Grundkapital, den die Aktien der antragstellenden Aktionäre erreichen müssen, ist bei Nennbetragsaktien nach dem Verhältnis ihres Nennbetrages zum Grundkapital, bei Stückaktien nach der Zahl ihrer Aktien im Verhältnis zur Gesamtzahl aller ausgegebenen Aktien zu bestimmen (§ 8 Abs 4). Der Antrag kann grundsätzlich nur von Aktionären gestellt werden, die Mitglied124 schaftsrechte ausüben können. Inhaber von stimmrechtslosen Vorzugsaktien oder von Aktien, aus denen nur das Stimmrecht allgemein nach § 134 oder wegen eines besonderen Stimmrechtsausschusses nach § 136 nicht ausgeübt werden kann, können an einem Antrag mitwirken, da ihre Mitgliedschaftsrechte im Übrigen nicht eingeschränkt sind.181 Von einer Mitwirkung ausgeschlossen sind dagegen Inhaber von Aktien, deren Mitgliedschaftsrechte wegen einer Verletzung von Mitteilungspflichten nach § 20 Abs 7, § 21 Abs 4 AktG oder § 44 WpHG nicht bestehen.182 Obwohl Abs 2 Satz 3 nur auf die Aktionäre selbst Bezug nimmt, kommt ein Antragsrecht zudem auch Genussrechtsinhabern zu, wenn diese Inhaber sogenannter eigenkapitalähnlicher Genussrechte sind.183 Dies gilt ebenso für Inhaber von Wandelschuldverschreibungen und Optionen. Denn auch wenn diese noch keine Aktionäre sind, sind sie auf den durch die bilanzielle Sonderprüfung vermittelten Schutz ebenso angewiesen, zumal ihnen zum einen in der Regel keinerlei weitere (mitgliedschaftliche) Rechte zukommen und sie zum anderen vor allem im Fall einer Nachrangabrede hinter den Rechten der allgemeinen Gläubiger zurückbleiben. Für die Berechnung des Quorums ist dabei darauf abzustellen, ob die Summe der Nennbeträge der genannten Instrumente der antragstellenden Inhaber den Schwellenwert erreicht. Antragsberechtigte Aktionäre können zudem nur die Aktionäre der Aktiengesell125 schaft selbst sein. Die Aktionäre des herrschenden Unternehmens sind nicht antragsberechtigt, auch wenn bei diesen durch die fehlerhafte Bilanzierung bei der abhängigen Aktiengesellschaft mittelbar das mitgliedschaftliche Gewinnrecht beeinträchtigt wird. Eine konzernweite bilanzielle Sonderprüfung ist im Rahmen der §§ 258 ff – im Gegensatz zur regulären Sonderprüfung (§§ 142 ff) – nicht möglich. Inhaber einfacher Schuldverschreibungen oder von (massenhaft begebenen) 126 Nachrangdarlehen kommt allerdings kein Antragsrecht zu. Ebenso wenig kommt einem stillen Gesellschafter mit seiner stillen Beteiligung (§§ 230 ff HGB) an der Aktiengesellschaft ein Antragsrecht zu. Der Umstand, dass es sich dabei zugleich um einen Teilgewinnabführungsvertrag handelt184, lässt dies unberührt. Zwar hat der stille Gesellschafter ein Interesse an einer ordnungsgemäßen Berechnung des ihm zustehenden Gewinns. Allerdings ist die bilanzielle Sonderprüfung dafür nicht das anwendbare Schutzinstrument, zumal dem stillen Gesellschafter – im Gegensatz zum Aktionär – bei einer fehlerhaften Gewinnermittlung ein Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs 1 BGB in

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180 KK/Arnold3 Rdn 50; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 14; Hüffer/Koch14 Rdn 16; MünchKomm/Koch4 Rdn 44. 181 MünchKomm/Koch4 Rdn 44. 182 Ebenso MünchKomm/Koch4 Rdn 44. 183 Luttermann Unternehmen, Kapital und Genußrechte, 1998, S 524 f; Vollmer ZGR 1983, 445, 469 (Beeinträchtigung des Gewinnanspruchs bei der GmbH); Vollmer/Lorch ZBB 1992, 44, 46; aA Sethe AG 1993, 351, 357. 184 Dazu ausführlich Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock5 § 230 Rdn 40 ff mit weiteren Nachweisen.

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Verbindung mit dem stillen Beteiligungsvertrag zukommt, den er direkt durchsetzen kann.185 Bei Treuhandverhältnissen ist in der Regel der Treuhänder und nicht der Treuge- 127 ber antragsbefugt. Ob eine Legitimationsübertragung von Aktien auch die Befugnis einschließt, Anträge nach § 258 zu stellen, hängt vom Inhalt der getroffenen Vereinbarungen ab. Ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch an Aktien vermittelt in der Regel keine Antragsbefugnis.186 Zweifel am Bestehen eines Antragsrechts können dadurch vermieden werden, dass bei der Legitimationsübertragung oder der Bestellung eines Nießbrauchs oder eines Pfandrechts vereinbart wird, wer zur Wahrnehmung des Stimmrechts und der hier in Rede stehenden Antragsrechte befugt ist.187 Fehlt es hieran und besteht Unklarheit, so kann derjenige, der nach dem übereinstimmenden Willen beider Beteiligten den Antrag stellen soll, hierzu vorsorglich von dem anderen Beteiligten ermächtigt werden. Oder die Beteiligten können den Antrag gemeinsam stellen. Dann muss das Gericht herausfinden, wer berechtigt ist, und gegenüber dem Nichtberechtigten den Antrag zurückweisen. Die antragstellenden Aktionäre haben nachzuweisen, dass sie Inhaber der für das 128 Quorum benötigten Aktien sind. Bei Inhaberaktien kann dieser Nachweis durch Vorlage eines zeitnahen Depotauszuges oder einer Bescheinigung der depotführenden Bank, also eines Kreditinstituts oder Finanzdienstleistungsinstituts (§ 1 Abs 1 und Abs 1a KWG),188 erbracht werden. Inhaber von Namensaktien müssen im Aktienregister eingetragen sein, da im Verhältnis zur Aktiengesellschaft als Aktionär nur gilt, wer als solcher in diesem Register eingetragen ist (§ 67 Abs 2 Satz 1).189 Die Aktionäre können von der Aktiengesellschaft gemäß § 67 Abs 6 Satz 1 eine Auskunft über ihre Eintragung im Aktienregister verlangen. e) Hinterlegung oder Vorlage einer Versicherung des depotführenden Instituts 129 (Abs 2 Satz 4). Außerdem haben die Antragsteller ihre Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag zu hinterlegen oder eine Versicherung des depotführenden Instituts vorzulegen, dass die Aktien so lange nicht veräußert werden (Abs 2 Satz 4). Aus der Hinterlegungsbescheinigung oder der Versicherung des depotführenden Instituts kann sich bereits der Nachweis des Aktienbesitzes ergeben. Da die Hinterlegung nur zu Beweiszwecken erfolgt, nicht dagegen, wie bei einer amtlichen Hinterlegungsstelle, zur Erfüllung einer Verbindlichkeit (§§ 372 ff BGB) oder einer Sicherheitsleistung nach den Vorschriften der ZPO, können die Aktien auch bei einem anderen Verwahrer als einer amtlichen Hinterlegungsstelle hinterlegt werden. Es ist auch eine Hinterlegung bei der Aktiengesellschaft selbst zulässig.190 Die Möglichkeit, anstelle einer Hinterlegung der Aktien eine Versicherung des depotführenden Instituts vorzulegen, wurde mit dem UMAG eingeführt, als der Ausschluss oder eine Einschränkung des Anspruchs von Aktionären auf Verbriefung ihrer Anteile in § 10 Abs 5 zugelassen wurde.191 Die Hinterle-

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185 Zu diesem Anspruch ausführlich Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock5 § 230 Rdn 97 f. 186 KK/Arnold3 Rdn 50. 187 Zum Nießbrauch K Schmidt ZGR 1999, 601, 610 f; allgemein hierzu Kirschner Die Sonderprüfung der Geschäftsführung in der Praxis, 2008, S 68 ff. 188 Begr RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092, S 13. 189 OLG München v 21.11.2005 – 31 Wx 71/05, AG 2006, 167, 168; vgl auch Begr RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092, S 13. 190 OLG Hamm v 29.6.2000 – 15 W 69/00, NZG 2000, 1235; KK/Arnold3 Rdn 52; Spindler/Stilz/Euler/ Sabel4 Rdn 19; Jänig Die aktienrechtliche Sonderprüfung, 2005, S 289 ff; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 15. 191 Begr RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092, S 30 f.

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gung der Aktien oder die Vorlage einer Versicherung des depotführenden Instituts, dass die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag nicht veräußert werden, soll sicherstellen, dass das Gericht während der Dauer des Verfahrens beurteilen kann, ob der Aktienbesitz und damit die Antragsberechtigung der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Antrag fortbesteht. Hierfür ist es aber nicht erforderlich, dass die Antragsteller auf ihr Recht, die Aktien während der Dauer des Verfahrens zu veräußern,192 verzichten. Notwendig ist es lediglich, sicherzustellen, dass das Gericht von einer wahrscheinlich bevorstehenden Veräußerung bei einer Entnahme aus der Hinterlegung oder der Verwahrung des depotführenden Instituts unterrichtet wird. Hiermit müssen sich die antragstellenden Aktionäre einverstanden erklären und dafür Sorge tragen, dass die Hinterlegungsbescheinigung oder die Versicherung der depotführenden Bank die Verpflichtung enthält, das Gericht über die Herausgabe der Aktien an die Antragsteller oder eine Übertragung an Dritte zu unterrichten; eine Versicherung allein gegenüber dem Kunden ist daher nicht ausreichend.193 Weitere Voraussetzung für die Antragsberechtigung ist die Glaubhaftmachung einer 130 Vorbesitzzeit von mindestens drei Monaten gerechnet von dem Tag der Hauptversammlung über den Jahresabschluss (Abs 2 Satz 4 Hs. 2). Damit soll verhindert werden, dass Aktien kurzfristig erworben werden, um aufgrund dieses Aktienbesitzes die Bestellung von Sonderprüfern in der Erwartung zu beantragen, die Aktiengesellschaft werde sich sodann hierüber mit dem Antragsteller verständigen194. Bei der Berechnung der Mindestbesitzzeit sind der in § 70 Satz 1 genannte Zeitraum und die in § 70 Satz 2 bezeichneten Vorbesitzzeiten eines Rechtsvorgängers hinzuzurechnen195. Bei einer Antragstellung durch mehrere Aktionäre muss bei jedem die Vorbesitzzeit vorliegen.196 131

f) Glaubhaftmachung der Aktienbesitzzeit durch eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar (Abs 2 Satz 5). Für die Glaubhaftmachung der Aktienbesitzzeit genügt nach Abs 2 Satz 5 eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar. Damit („genügt“) wird deutlich, dass auch andere Mittel der Glaubhaftmachung möglich sind.197 Daher kann gemäß § 31 Abs 1 FamFG die Versicherung an Eides statt gegenüber dem Gericht, die Vorlage von Depotauszügen oder Depotbescheinigungen des depotführenden Instituts, oder, bei Namensaktien, die Vorlage einer Bestätigung der Aktiengesellschaft über entsprechende Eintragungen im Aktienregister erfolgen. 198

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g) Kein Erfordernis einer vorherigen Befassung in der Hauptversammlung. Im Gegensatz zur gerichtlichen Anordnung einer regulären Sonderprüfung nach § 142 Abs 2 bedarf es für die Antragstellung im Rahmen der bilanziellen Sonderprüfung keiner vorherigen Befassung der Hauptversammlung in Form eines ablehnenden Hauptver-

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192 BayObLG v 15.9.2004 – 3Z BR 145/04, FGPrax 2004, 301; KK/Arnold3 Rdn 52; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 15; Hüffer/Koch14 Rdn 17. 193 OLG München v 21.11.2005 – 31 Wx 71/05, AG 2006, 167, 168; OLG München v 16.7.2007 – 31 Wx 29/07, FGPrax 2007, 247; BayObLG v 15.9.2004 – 3Z BR 145/04, FGPrax 2004, 301; KK/Arnold3 Rdn 52; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 19; Jänig NZG 2008, 257, 259; ders Die aktienrechtliche Sonderprüfung, 2005, S 289 ff; Hüffer/Koch14 Rdn 17; MünchKomm/Koch4 Rdn 46. 194 OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142; Hüffer/Koch14 Rdn 17; kritisch zu Sinn und Zweck der Mindestbesitzzeit Jänig Die aktienrechtliche Sonderprüfung, 2005, S 292 ff. 195 Jänig Die aktienrechtliche Sonderprüfung S 291; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 15. 196 K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 15. 197 KK/Arnold3 Rdn 53; Grigoleit/Ehmann Rdn 8; Hüffer/Koch14 Rdn 17; MünchKomm/Koch4 Rdn 46. 198 OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142; Jänig Die aktienrechtliche Sonderprüfung, 2005, S 291 f.

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sammlungsbeschlusses. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die bilanzielle Sonderprüfung im Gegensatz zur regulären Sonderprüfung nicht auf Initiative der Hauptversammlung eingeleitet werden kann, sondern insofern nur eine gerichtliche Anordnung möglich ist (Rdn 108). h) Inhalt und Begründung. In dem verfahrenseinleitenden Antrag, der zugleich Sachantrag ist, müssen die Antragsteller sich selbst und die Aktiengesellschaft als Beteiligte benennen (§ 23 Satz 1 FamFG). Sie haben entsprechend ihrer Dispositionsbefugnis (Rdn 116) den Verfahrensgegenstand zu bestimmen, also ihr Begehren, eine bilanzielle Sonderprüfung einzuleiten und Sonderprüfer zu bestellen. Dabei können sich die Antragsteller nicht auf einen der beiden Aspekte beschränken, da diese beiden zwingend miteinander verbunden sind (Rdn 114). Im Zweifel ist der Antrag aber so auszulegen, dass die Antragsteller sowohl eine Sonderprüfung einleiten als auch einen Sonderprüfer bestellt haben wollen. Soll eine Prüfung wegen unzulässiger Unterbewertung nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 (Rdn 58 ff) erfolgen, so muss sich der Prüfungsgegenstand aus dem Antrag oder seiner Begründung ergeben. Da sich eine Sonderprüfung darauf erstrecken muss, ob bestimmte Posten des Jahresabschlusses nicht unwesentlich unterbewertet sind, müssen die Antragsteller in ihrem Antrag wenigstens konkrete Anhaltspunkte für die Bestimmung des zu prüfenden Postens des Jahresabschlusses angeben199, so dass insbesondere die pauschale Behauptung einer Unterbewertung unzulässig ist200. Dies geschieht durch die Angabe der Bezeichnung oder des Buchstabens und der römischen und gegebenenfalls arabischen Zahl, unter der er in der Bilanz aufgeführt ist, so dass einzelne Vermögensgegenstände oder Verbindlichkeiten im Antrag nicht genannt werden müssen.201 Auch die Angabe angeblich unterbewerteter Vermögensgegenstände oder Schulden kann ausreichend sein, wenn sich hieraus ergibt, welcher Posten des Jahresabschlusses geprüft werden soll; die Antragsteller sind aber nicht verpflichtet, derartige Angaben zu machen.202 Ergibt sich aus einer solchen Angabe der maßgebliche Posten des Jahresabschlusses, so muss dieser und nicht einer seiner Bestandteile (Vermögensgegenstände oder Schulden) Gegenstand der Sonderprüfung sein (Rdn 61 ff). Soll sich die Prüfung auf mehrere Posten erstrecken, so sind diese jeweils einzeln zu bezeichnen. Die bloße Angabe des Buchstabens oder der römischen Zahl unter deren Bezeichnung in der Bilanz gleichartige Posten zusammengefasst sind, ist nicht ausreichend.203 Fehlt es an einer solchen Angabe des Prüfungsgegenstandes, so ist der Antrag nicht hinreichend bestimmt und deshalb unzulässig. Schließlich müssen die Antragsteller nicht die Höhe der Unterbewertung angeben.204 Ist zu prüfen, ob die Berichterstattung des Vorstands im Anhang eines Jahresabschlusses unvollständig ist, so ist dieser Anhang mit den von den Antragstellern zu bezeichnenden vorgeschriebenen, aber fehlenden oder unvollständigen oder unrichtigen Angaben der Prüfungsgegenstand des Verfahrens. Der Antrag muss begründet werden. Diese über § 23 Abs 1 FamFG hinausgehende Begründungspflicht der Antragsteller ergibt sich als eine Substantiierungslast aus

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199 Adler/Düring/Schmaltz6 § 258 AktG 18 Rdn 19; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 13. 200 KK/Arnold3 Rdn 20; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 13; Frey WPg 1966, 633, 634; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 446; MünchKomm/Koch4 Rdn 12. 201 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 13. 202 Adler/Düring/Schmaltz6 § 258 AktG 18 Rdn 19. 203 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 13. 204 Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 208; zustimmend Adler/Düring/Schmaltz6 § 258 AktG 18 Rdn 20; KK/Arnold3 Rdn 20; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 13.

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Abs 1 Satz 1 (Rdn 58 ff). Die Antragsteller müssen zur Begründung eines Antrages auf Bestellung eines Sonderprüfers wegen unzulässiger Unterbewertung darlegen, dass ein Anlass für die Annahme einer relevanten Unterbewertung besteht. Hierzu sind mindestens konkrete Sachverhaltselemente vorzutragen, die für einen verständigen und objektiv Beurteilenden den Schluss hierauf nahelegen.205 Die Antragsteller brauchen die von ihnen behaupteten Indiztatsachen bei der Antragstellung weder zu beweisen noch glaubhaft zu machen.206 Auch bei einem Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern wegen unvollständiger Berichterstattung (Rdn 81 ff) müssen die Antragsteller konkrete Sachverhaltselemente für das Bestehen eines Anlasses für die Annahme, dass ein solcher Berichtsmangel vorliegt, vortragen. Da in diesem Falle nach Abs 1 Satz 1 Nr 2 weitere Voraussetzung für die Bestellung von Sonderprüfern eine Erörterung der Unvollständigkeit des Anhangs in der Hauptversammlung ist (Rdn 81 ff), müssen die Antragsteller in ihrer Antragsbegründung auch darlegen, dass der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht hat und die Aufnahme der Fragen in die Niederschrift verlangt worden ist. 137

i) Kein Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses. Die Zulässigkeit der Antragstellung ist auch nicht vom Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses abhängig. Ebenso wie bei der regulären Sonderprüfung handelt es sich auch bei der bilanziellen Sonderprüfung um ein objektives Kontrollinstrument.207 Selbst wenn man ein solches Rechtsschutzbedürfnis annehmen wollte, würde diesem schon durch die Antragsvoraussetzungen nach Abs 1 Satz 1 Rechnung getragen, da sich aus diesen Voraussetzungen zwingend Auswirkungen auf das (individuelle) Gewinnrecht des Aktionärs ergeben, so dass stets ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist.

j) Missbräuchliche Antragstellung und (fehlende) Berücksichtigung des Gesellschaftswohls. Der Antrag auf Einleitung einer Sonderprüfung und Bestellung von Sonderprüfern darf im Grundsatz nicht missbräuchlich erfolgen. Dies ist dann der Fall, wenn der Antrag einer illoyalen, grob eigennützigen Rechtsausübung dient.208 Die Anforderungen daran sind allerdings hoch anzusetzen, da der Zweck der bilanziellen Sonderprüfung gerade der Sicherung des Rechts auf Gewinnausschüttung (Rdn 4 ff) und damit der individuellen Rechtsdurchsetzung des antragstellenden Aktionärs dient. Ein Ausschluss des Antragsrechts aus Gründen des Wohls der AG – wie dies bei 139 der regulären Sonderprüfung angenommen wird209 – ist bei der bilanziellen Sonderprü-

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205 OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142; OLG München v 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, NZG 2006, 628, 630; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 9; Hüffer/Koch14 Rdn 3; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 6; vgl auch Jänig NZG 2008, 257, 260; ders Die aktienrechtliche Sonderprüfung 2005, S 285 ff zur Darlegungslast nach § 142 Abs 2 Satz 1. 206 OLG Stuttgart v 15.6.2010 – 8 W 391/08, NZG 2010, 864 (zu § 142); OLG Düsseldorf v 9.12.2009 – I-6 W 45/09, NZG 2010, 306 (zu § 142); im Ergebnis auch Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 9; Hüffer/Koch14 Rdn 3; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 6. 207 Zur Rechtslage bei der regulären Sonderprüfung Bachmann ZIP 2018, 101, 104; NK-AktR/Wilsing/von der Linden5 § 142 Rdn 37; im Ergebnis auch KG v 5.1.2012 – 2 W 95/11, AG 2012, 412, 413; aA LG München I v 9.6.2016 – 17 HK O 6754/15, NZG 2016, 1342, 1345. 208 OLG München v 16.7.2007 – 31 Wx 29/07, FGPrax 2007, 247, 248 (zu § 142). 209 Begr RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, 18; zust. auch Bork, in: Hommelhoff/Hopt/v Werder, Corporate Governance-HdB2, S 743, 754; Hüffer ZHR 174 (2010) 642, 660; Koch ZGR 2006, 769, 780; Mimberg, in: Marsch-Barner/Schäfer, Börsennotierte AG-HdB4, § 40 Rdn 12; Spindler/Stilz/Mock4 § 142 Rdn 155; Spindler NZG 2010, 281, 282; Trölitzsch/Gunßer AG 2008, 833, 837 f; Wilsing/Ogorek GWR 2009, 75, 76 f; krit zur Anwendung der Verhältnismäßigkeitsprüfung Jänig BB 2005, 949, 951; Spindler NZG 2005, 865, 870; K Schmidt/Lutter/Spindler § 142 Rdn 52; ebenso Fleischer NJW 2005, 3525, 3527 mit dem Hinweis auf eine

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fung nicht möglich. Zum einen hat der Gesetzgeber dies weder – etwa im Gegensatz zur Rechtslage beim Klagezulassungsverfahren (§ 148 Abs 1 S 2 Nr 4) – angeordnet noch in den Gesetzesmaterialien einen entsprechenden Hinweis gegeben und zum anderen entspräche eine solche Einschränkung auch dem individual-rechtlichen Charakter der bilanziellen Sonderprüfung (Rdn 4 ff). Zudem wird etwaigen Interessen der AG an einer fehlenden Aufdeckung der fehlerhaften Bilanzierung durch § 259 Abs 1 Satz 3 in Verbindung mit § 145 Abs 4 (§ 259 Rdn 40 ff) Rechnung getragen. Ebenso wenig ergeben sich aus den Grundrechtspositionen der AG Einschränkungen für das Antragsrecht.210 k) Wegfall der Voraussetzungen nach Antragstellung. § 258 verhält sich nicht zu 140 der Frage, welche Auswirkungen der Wegfall einzelner Antragsvoraussetzungen nach Antragstellung hat. Dies gilt insbesondere für die Quorumsanforderungen des Abs 2 Satz 3 (Rdn 122 ff). Da Abs 2 Satz 3 und Satz 4 nur auf den Moment der Antragstellung abstellen, ist eine Veräußerung von Aktien durch die den Antrag stellenden Aktionäre unschädlich.211 Voraussetzung ist aber, dass die antragstellenden Aktionäre ihre Aktionärsstellung nicht vollständig aufgeben, da es sich bei der bilanziellen Sonderprüfung um ein Individualrecht zur Sicherung des mitgliedschaftlichen Gewinnrechts handelt (Rdn 4 ff). Bei einer vollständigen Aufgabe der Aktionärsstellung könnte diesem nicht mehr entsprochen werden. 3. Gerichtliches Verfahren. Das gerichtliche Verfahren der Prüfung des Antrags, 141 der Einleitung der bilanziellen Sonderprüfung und der Bestellung von Sonderprüfern ist in § 258 äußerst kursorisch geregelt und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Anordnung der Anhörung nach Abs 3 Satz 1 (Rdn 165 ff). Auch in diesem Zusammenhang ergeben sich die maßgeblichen Vorgaben aus den allgemeinen Regeln und Grundsätzen des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit. a) Antragsprüfung. Nach Eingang des Antrages hat das Gericht zu prüfen, ob die 142 Verfahrensvoraussetzungen eingehalten sind, also ob der Antrag formgerecht eingereicht, das angerufene Gericht zuständig und die Antragsberechtigung der Antragsteller gemäß Abs 2 Satz 3 und 4 dargelegt und nachgewiesen bzw glaubhaft gemacht worden ist. Materiell-rechtlich hat das Gericht den Antrag daraufhin zu prüfen, ob die Antragsfrist gewahrt ist, zur Begründung des Antrages Umstände vorgetragen sind, aus denen sich Anhaltspunkte für die Annahme einer nicht unwesentlichen Unterbewertung oder eine nicht den Vorschriften entsprechenden Berichterstattung im Anhang ergeben, und hierzu vorgetragen ist, dass der Vorstand die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht und die Aufnahme der Fragen in die Niederschrift verlangt worden ist. Zur Entscheidung des Gerichts Rdn 152 ff. b) Hinweise des Gerichts. Sind die Verfahrensvoraussetzungen nicht ausreichend 143 dargelegt, weil der Vortrag oder die Beweisführung der Antragsteller für ihre Antragsberechtigung unvollständig oder unklar sind, so hat das Gericht hierauf hinzuweisen (§ 28 Abs 1 Satz 1 FamFG). Das Gericht wird auch prüfen, ob der in dem Verfahren gestellte Sachantrag und die Angabe des Prüfungsgegenstandes hinreichend bestimmt sind

_____ Lösungsmöglichkeit dieser Fallkonstellationen über die allgemeinen Regeln des Missbrauchs des Antragsrechts. 210 BVerfG v 20.12.2017 – 1 BvR 2754/17, NZG 2018, 104 Tz 12 ff zur Parallelproblematik bei der regulären Sonderprüfung. 211 OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

(Rdn 136) und gegebenenfalls hierzu Hinweise erteilen (§ 28 Abs 2 FamFG). Beurteilt das Gericht rechtliche Gesichtspunkte anders als die Antragsteller, so ist auch hierauf hinzuweisen (§ 28 Abs 1 Satz 2 FamFG). Ein Nachschieben von Gründen für die Bestellung von Sonderprüfern nach Ablauf der Antragsfrist wäre jedoch verspätet.212 Zulässig ist nur die Konkretisierung und Ergänzung eines in seinem wesentlichen Kern rechtzeitig vorgetragenen Sachverhalts, aus dem sich ein Anlass für die Annahme einer unzulässigen Unterbewertung oder einer unvollständigen Berichterstattung ergeben soll. Tragen die Antragsteller dagegen nach Ablauf der Antragsfrist mit einem neuen Lebenssachverhalt zur Begründung ihres Antrages neue Tatsachen für das Bestehen eines Anlasses für die Annahme von Sonderprüfungsgründen vor, so ist die Antragsfrist nicht eingehalten. Kommt eine sofortige Abweisung des Antrags nicht in Betracht, so wird das Gericht 144 sich zunächst über die rechtlichen Verhältnisse der Aktiengesellschaft unterrichten und sich den betroffenen Jahresabschluss der Aktiengesellschaft, gegebenenfalls auch die vorangegangenen Jahresabschlüsse, sowie die sonstigen Vorlagen für die Hauptversammlung und die Niederschrift über die Hauptversammlung beschaffen. c) Gerichtliche Ermittlungen und Beweiserhebung. Kommt das Gericht aufgrund des Vortrags der Antragsteller unter Berücksichtigung der Anhörungen zu der Überzeugung, dass ein Anfangsverdacht (Rdn 146) iSd Abs 1 Satz 1 vorliegt – und dass bei einer beantragten Sonderprüfung wegen unvollständiger Berichterstattung hierzu Erörterungen in der Hauptversammlung stattgefunden haben –, so braucht das Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen zur Feststellung entscheidungserheblicher Tatsachen durchzuführen; dem Antrag ist stattzugeben. Weitere Ermittlungen sind auch dann nicht anzustellen, wenn der Vortrag der Antragsteller aufgrund der Anhörungen zur Überzeugung des Gerichts widerlegt wird; der Antrag ist zurückzuweisen.213 Wird jedoch das Vorbringen bestritten oder in Zweifel gezogen, so hat das Gericht 146 von Amts wegen Ermittlungen durchführen, soweit dies für die Entscheidung über das Bestehen eines Anfangsverdachts erforderlich ist (§ 26 FamFG).214 Die Ermittlungen des Gerichts dürfen aber nicht ins Blaue angestellt werden, sondern müssen sich auf die noch nicht geklärten, für die Entscheidung des Gerichts erheblichen Tatsachen beschränken. Ob tatsächlich eine Unterbewertung oder eine unvollständige Berichterstattung erfolgt ist, hat das Gericht nicht zu prüfen und auch hierzu Ermittlungen vor einer Entscheidung über den Antrag nicht anzustellen; das Ergebnis einer noch durchzuführenden Sonderprüfung darf nicht vorweggenommen werden.215 Das Gericht kann die Beteiligten anhören sowie Unterlagen anfordern, beispiels147 weise Auszüge aus den Handelsbüchern und aus der Stichtagsinventur zu den von bemängelten Posten des Jahresabschlusses umfassten Vermögensgegenständen und deren Bewertung.216 Angefordert werden können auch Auszüge aus dem Prüfungsbericht des Abschlussprüfers, soweit diese sich auf die von den Antragstellern vorgetragenen Mängel beziehen. Eine Vorlage des vollständigen Prüfungsberichts darf das Gericht nicht verlangen, weil damit den Antragstellern die Möglichkeit gegeben würde, sich durch 145

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212 KK/Arnold3 Rdn 58; Grigoleit/Ehmann Rdn 7; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 18; MünchKomm/Koch4 Rdn 43. 213 OLG München v 30.8.2010 – 31 Wx 24/10, AG 2010, 840, 841 (zu § 142). 214 OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142; MünchKomm/Koch4 Rdn 43. 215 OLG München v 30.8.2010 – 31 Wx 24/10, AG 2010, 840, 841 (zu § 142); OLG Düsseldorf v 9.12.2009 – I-6 W 45/09, AG 2010, 126, 127 (zu § 142); OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 24. 216 Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, S 105.

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Einsicht in die Gerichtsakten (§ 13 Abs 1 FamFG) Kenntnis von nicht zum Gegenstand des Antrags gehörenden und der Vertraulichkeit unterliegenden Angelegenheiten der Aktiengesellschaft zu verschaffen. Dies kann nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass das Gericht zwar den vollständigen Bericht anfordert und durchsieht, dann aber nur die für seine Entscheidung einschlägigen Teile des Prüfungsberichts zu den Akten nimmt und den Bericht im Übrigen der Aktiengesellschaft oder dem Abschlussprüfer zurückgibt;217 ein solches Vorgehen wäre nicht statthaft, weil es dem rechtsstaatlichen Grundsatz widersprechen würde, dass die Erkenntnisse und Entscheidungsgrundlagen des Gerichts in den Akten vollständig und nachprüfbar zu dokumentieren sind. Kommt die Aktiengesellschaft den Aufforderungen des Gerichts nicht nach, so kann das Gericht dieses Verhalten frei würdigen, also hieraus auch den Schluss ziehen, dass die von den Antragstellern behaupteten Tatsachen sich aus dem Bericht ergeben würden. Das Gericht kann auch eine Beweisaufnahme durchführen, ohne hierbei an Be- 148 weisanträge der Beteiligten gebunden zu sein (§ 29 Abs 1 FamFG). Hierbei wird die Vernehmung von Zeugen im Verfahren wegen einer unzulässigen Unterbewertung in der Regel nicht in Betracht kommen, da die hierfür wesentlichen Tatsachen sich aus schriftlichen Unterlagen ergeben werden; dagegen kann in einem Verfahren wegen unvollständiger Berichterstattung eine Zeugenvernehmung erforderlich werden, so wenn bewiesen werden muss, dass eine Erörterung der fehlenden Angaben gemäß Abs 1 Satz 1 Nr 2 in der Hauptversammlung stattgefunden hat (Rdn 81 ff). Auch die Hinzuziehung von Sachverständigen ist zulässig, wird aber nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen.218 Der Sachverständige könnte etwa zu der Sachfrage Stellung nehmen, ob feststehende Tatsachen einen Anfangsverdacht für das Vorliegen einer nicht unwesentlichen Unterbewertung begründen. Aber alleine schon aus einer solchen Fragestellung kann sich ergeben, dass ein Anlass für die Annahme einer Unterbewertung vorliegt, so dass das Gericht ohne Anhörung eines Sachverständigen dem Antrag stattgeben müsste.219 d) Verfahrensgestaltende Erklärungen der Beteiligten. Dem Recht der Antrag- 149 steller, ein Verfahren nach § 258 mit einem hierauf gerichteten Antrag einzuleiten und den Verfahrensgegenstand zu bestimmen, entspricht ihre Befugnis, das Verfahren durch eine Antragsrücknahme zu beenden (§ 22 Abs 1 Satz 1 FamFG). Einer Zustimmung der übrigen Verfahrensbeteiligten hierzu bedarf es nicht (§ 22 Abs 1 FamFG).220 Sind mehrere Verfahrensgegenstände anhängig, beantragen die Antragsteller also die Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung einer nicht unwesentlichen Unterbewertung mehrerer Posten des Jahresabschlusses oder zur Prüfung der Unvollständigkeit mehrerer vorgeschriebenen Angaben in einem Anhang oder werden Anträge nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 (Rdn 58 ff) und Nr 2 (Rdn 81 ff) gestellt, so ist auch eine Teilrücknahme zulässig. Eine Entscheidung über den Antrag kann auch nicht ergehen, wenn sämtliche Beteiligte dem Gericht erklären, dass sie das Verfahren beenden wollen (§ 22 Abs 3 FamFG). Diese Erklärung kann ausdrücklich oder konkludent abgegeben werden, beispielsweise in Form einer übereinstimmenden Erledigungserklärung. Andererseits können die Antragsteller ihren Antrag innerhalb der Antragsfrist auch durch die Angabe weiterer Prüfungsgegenstände erweitern oder den zunächst angegebenen Prüfungsgegenstand ändern.

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217 Dies regt Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 36 an. 218 KK/Arnold3 Rdn 60; Hüffer/Koch14 Rdn 19; MünchKomm/Koch4 Rdn 49; großzügiger Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 24; aA Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 37. 219 Claussen FS Barz, 1974, S 317, 331 f. 220 Jänig/Leißring ZIP 2010, 110, 115 f.

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Verfahrensentscheidungen des Gerichts, wie einen Anerkennungsbeschluss bei einem Anerkenntnis der Aktiengesellschaft oder einen Versäumnisbeschluss bei einem Nichterscheinen oder Nichtverhandeln der Aktiengesellschaft in einer mündlichen Verhandlung kennt das FamFG im Verfahren nach § 258 nicht. Der Inquisitionsmaxime entsprechend beseitigt ein Anerkenntnis oder ein Geständnis nicht schlechthin die Beweisbedürftigkeit einer Tatsache. Es bleibt dem Gericht überlassen, hierzu Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen oder derartige Erklärungen den jeweiligen Umständen entsprechend bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen (§ 37 Abs 1 FamFG). Die Beteiligten können das Verfahren auch nicht durch einen Vergleich beenden, 151 der eine schuldrechtliche Vereinbarung über den Verfahrensgegenstand enthält. § 36 Abs 1 FamFG lässt einen Vergleich nur zu, wenn und soweit die Beteiligten über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. Die Sonderprüfer sollen nicht nur prüfen, ob bestimmte Posten eines Jahresabschlusses nicht unwesentlich unterbewertet sind, oder ob vorgeschriebene Angaben im Anhang nicht oder nicht vollständig oder unrichtig gemacht worden sind. Die Feststellungen der Sonderprüfer verpflichten bei einer Unterbewertung die Verwaltungsorgane zur Richtigstellung im nachfolgenden Jahresabschluss (§ 261 Abs 1 – § 261 Rdn 25 ff) und führen bei einem fehlerhaften Anhang unmittelbar zur Ergänzung oder Änderung des Anhangs (§ 259 Abs 4 – § 259 Rdn 62 ff). Über die Verpflichtung zur Auflösung der unzulässig gebildeten stillen Reserven können sich die Aktionäre mit der Aktiengesellschaft einigen, nicht dagegen über eine unmittelbar wirkende Änderung bzw Ergänzung des Anhangs.

e) Entscheidung des Gerichts. Das Gericht entscheidet über den Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern durch Beschluss, mit dem der Verfahrensgegenstand erledigt wird (§ 38 Abs 1 FamFG). Dieser Beschluss ist, wie ein Urteil im Zivilprozess, der Rechtskraft fähig. Der Beschluss muss neben der Bezeichnung der Beteiligten und des Gerichts (§ 38 Abs 2 Nr 1 und 2 FamFG) die Beschlussformel enthalten, aus der sich die Rechtsfolgen der Entscheidung ergeben (§ 38 Abs 2 Nr 3 FamFG). Ist das Gericht zu der Überzeugung gekommen, dass ein Prüfungsanlass gegeben ist (Rdn 145 ff), so bestellt es die in der Entscheidung zu benennenden Wirtschaftsprüfer als Sonderprüfer zur Prüfung der in der Entscheidung gleichfalls zu bezeichnenden Posten des Jahresabschlusses. Wird ein Wirtschaftsprüfer bestellt, ist dieser namentlich zu nennen; bei der Bestellung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist die Nennung der Firma erforderlich. 221 Zudem muss – wegen der zwingenden Verbindung der beiden Aspekte (Rdn 114) – bei der Anordnung einer Sonderprüfung stets auch ein Sonderprüfer namentlich bestellt werden.222 Insgesamt zur Auswahl der Sonderprüfer Rdn 173 ff. Bei der Entscheidung handelt es sich um eine Rechtsfrage, so dass dem Richter hin153 sichtlich des ob der Anordnung einer Sonderprüfung und Bestellung eines Sonderprüfers kein Ermessen zukommt.223 Soweit die Tatbestandsmerkmale des Abs 1 Satz 1 erfüllt sind, muss die Sonderprüfung angeordnet und ein Sonderprüfer bestellt werden. Auch wenn die Antragsteller eine Unterbewertung bestimmter Vermögensgegen154 stände oder Schulden (Abs 1 Satz 1 Nr 1 – Rdn 58 ff) als Teil eines Postens des Jahresabschlusses gerügt haben, ist das Gericht in seiner Entscheidung nicht darauf beschränkt; vielmehr hat es den gesamten Jahresabschluss auf das Bestehen eines Verdachts des Vorliegens von Unterbewertungen zu untersuchen. Daher kann es im Rahmen dieses Beschlusses auch eine Prüfung wegen Unterbewertung anordnen, wenn die von den 152

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Zum Erfordernis der Nennung MünchKomm/Koch4 Rdn 55. MünchKomm/Koch4 Rdn 55. KK/Arnold3 Rdn 65; MünchKomm/Koch4 Rdn 54; aA Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 40 am Ende.

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Antragstellern gerügten Prüfungsgegenstände eine solche nicht vorweisen, diese aber bei anderen besteht. Die einzelnen, im Rahmen der bilanziellen Sonderprüfung zu untersuchenden Posten müssen aber einzeln genannt werden.224 Eine Anordnung der Untersuchung bestimmter Posten ist auch dann vorzunehmen, wenn die Antragsteller die Unterbewertung einzelner Vermögensgegenstände oder Schulden gerügt haben.225 Bei der Bestellung von Sonderprüfern wegen unzureichender Berichterstattung im Anhang (Abs 1 Satz 1 Nr 2 – Rdn 81 ff) hat das Gericht gleichfalls den Prüfungsgegenstand in seiner Entscheidung zu bezeichnen, also den Anhang im Hinblick auf bestimmte vorgeschriebene Angaben, deren Fehlen, Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit zu prüfen ist, sowie die Prüfung, ob zu diesen vorgeschriebenen Angaben Erörterungen gemäß Abs 1 Satz 3 stattgefunden haben.226 Stellt das Gericht fest, dass der Antrag keine Erfolgsaussichten hat, weil er beispielsweise wegen seiner Unbestimmtheit oder der fehlenden Antragsbefugnis des Antragstellers unzulässig ist, oder weil er wegen einer Versäumung der Antragsfrist oder wegen des Fehlens der materiellen Voraussetzungen für die Bestellung von Sonderprüfern unbegründet ist, so muss das Gericht ihn zurückweisen. Fehlt jede Antragsbegründung, oder ist der Vortrag der Antragsteller unsubstantiiert, so ist das Gericht nicht gehalten, die Antragsteller darauf hinzuweisen und ihnen Gelegenheit zu geben, diesen Mangel durch einen neuen Vortrag zu beseitigen, oder von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.227 Weder ist in einem solchen Falle eine Übersendung des Antrages an die Aktiengesellschaft als Beteiligte, noch die Anhörung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie des Abschlussprüfers gemäß Abs 3 Satz 1 (Rdn 165 ff) notwendig, da eine solche Anhörung nur in Betracht kommt, wenn die Bestellung von Sonderprüfern in Betracht kommt und dann vor der Bestellung zu erfolgen hat.228 Das Gericht kann einem Antrag, der mehrere Prüfungsgegenstände umfasst, auch nur zum Teil stattgeben, und ihn im Übrigen zurückweisen. Die Entscheidung des Gerichts ist zu begründen (§ 38 Abs 3 FamFG). Der Beschluss ist den Sonderprüfern und den Beteiligten (Rdn 113) bekanntzugeben. Mit der Bekanntgabe an die Sonderprüfer und deren Erklärung, dass sie die Bestellung annehmen, wird der Beschluss wirksam (§ 40 Abs 1 FamFG). Die Bekanntmachung an die Beteiligten erfolgt schriftlich, dabei an Beteiligte, deren Anträgen nicht entsprochen wurde, durch Zustellung (§ 41 Abs 1 FamFG). Die schriftliche Bekanntgabe setzt die Beschwerdefrist in Gang (§ 63 Abs 3 Satz 1 FamFG). Die Sonderprüfer werden durch das Gericht ausgewählt, das dabei an die Vorgaben in Abs 4 (Rdn 173 ff) gebunden ist. Die Beteiligten können Vorschläge unterbreiten, an die das Gericht aber nicht gebunden ist.229 Erfordert die Prüfung eine besondere Sachkunde, beispielsweise für die Bewertung technischer Schutzrechte, so wird das Gericht Sonderprüfer mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen bestellen wollen. Zur Klärung dieser Fragen kann das Gericht die Wirtschaftsprüferkammer anhören, was aber nicht zwingend erfolgen muss.230 Eine Anhörung der Industrie- und Handelskammer

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224 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 27; Hüffer/Koch14 Rdn 22. 225 Ebenso KK/Arnold3 Rdn 65; MünchKomm/Koch4 Rdn 55; zum Problem der Nennung einzelner Vermögensgegenstände und Schulden bei der Antragstellung Rdn 61 ff. 226 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 27; Hüffer/Koch14 Rdn 22; MünchKomm/Koch4 Rdn 55. 227 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 37; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 28; Hüffer/Koch14 Rdn 3. 228 Begr RegE FGG-RG BT-Drucks 16/6308, S 186. 229 KK/Arnold3 Rdn 71; MünchKomm/Koch4 Rdn 59. 230 Darauf bereits hinweisend Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 44; ebenso Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 52; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 29; MünchKomm/Koch4 Rdn 59.

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nach § 380 FamFG kommt nicht in Betracht, da das Gericht nicht als Registergericht tätig wird.231 Das Gericht wird sich auch mit den für die Bestellung als Sonderprüfer in Betracht 159 kommenden Wirtschaftsprüfern oder der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Verbindung setzen, um zu klären, ob diese bereit und in der Lage sind, die anstehende Sonderprüfung innerhalb einer angemessenen Frist durchzuführen. Besteht die Bereitschaft hierzu, so wird das Gericht vorsorglich um die Erklärung bitten, dass die zu bestellenden Sonderprüfer für den Fall einer entsprechenden Entscheidung des Gerichts die Bestellung annehmen. Das Gericht wird ferner die in Betracht kommenden Sonderprüfer auffordern, eine Unabhängigkeitserklärung beizubringen.232 In dieser Erklärung legt der vorgeschlagene Prüfer seine geschäftlichen, finanziellen, persönlichen und sonstigen Beziehungen zu der Aktiengesellschaft und deren Organe dar, also die Umstände, aus denen sich ein Ausschluss der Bestellung als Abschlussprüfer und damit auch als Sonderprüfer ergeben kann. Das Gericht kann mehrere Sonderprüfer bestellen, und zwar entweder jeweils ei160 nen von ihnen für einzelne in der Entscheidung zu bezeichnenden Prüfungsgegenstände oder mehrere gemeinschaftlich zu allen oder mehreren Prüfungsgegenständen.233 Bei einer gemeinschaftlichen Prüfung (joint audit) können sich Schwierigkeiten ergeben, wenn mehrere Sonderprüfer für die abschließenden Feststellungen nach § 259 Abs 2 zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen (§ 259 Rdn 52 ff). 4. Vorzeitige Beendigung der bilanziellen Sonderprüfung und Abberufung des Sonderprüfers. Die vorzeitige Beendigung der bilanziellen Sonderprüfung und die Abberufung des Sonderprüfers bzw die Beendigung seiner Tätigkeit insgesamt wird in den §§ 258 ff nicht adressiert, so dass insofern auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden muss. Da die Anordnung der bilanziellen Sonderprüfung und die Bestellung des Sonder162 prüfers im Rahmen der bilanziellen Sonderprüfung gerichtlich erfolgt, kommt eine Abberufung durch einen Beschluss der Hauptversammlung nicht in Betracht. Vielmehr ist die vorzeitige Beendigung der bilanziellen Sonderprüfung und die Abberufung des Sonderprüfers ausschließlich durch eine Entscheidung des Gerichts möglich, die aber nur im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens gegen die Anordnung der bilanziellen Sonderprüfung und der Bestellung des Sonderprüfers (Rdn 170 f) erfolgen kann. Somit ist eine Abberufung nach Ablauf der Frist (§ 63 FamFG) nicht mehr möglich. Eine spätere vorzeitige Beendigung der bilanziellen Sonderprüfung und eine Abberufung des Sonderprüfers von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Auch der abberufene Sonderprüfer hat einen Anspruch auf Vergütung und Ausla163 genersatz nach den allgemeinen Vorschriften (Rdn 182 ff), der allerdings entsprechend der kürzeren Tätigkeit zu kürzen ist. Der Sonderprüfer muss schließlich sein Amt niederlegen, wenn er zu dessen Aus164 übung nicht mehr in der Lage ist. Setzt er seine Tätigkeit dennoch fort, macht er sich gegenüber der AG schadenersatzpflichtig. Allerdings wird es meist an einem kausalen Schaden fehlen, zumal die Vergütung und der Auslagenersatz bei einem pflichtwidrig handelnden Sonderprüfer ohnehin zu kürzen sind. Darüber hinaus kann der Vorstand, der Aufsichtsrat und jeder Aktionär eine gerichtliche Ersatzbestellung (§ 318 Abs 4 161

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231 MünchKomm/Koch4 Rdn 59. 232 KK/Arnold3 Rdn 76; MünchKomm/Koch4 Rdn 60. 233 KK/Arnold3 Rdn 71; Frey WPg 1966, 633, 636; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 21; MünchKomm/ Koch4 Rdn 55.

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Satz 2 HGB analog) beantragen, wenn bei dem bestellten Sonderprüfer die Bestellungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen (Rdn 173 ff). VI. Anhörung, Rechtsmittel und Zuständigkeit (Abs 3) 1. Anhörungen (Abs 3 Satz 1). Das Gericht hat nach Abs 3 Satz 1 die Anhörung des Vorstands, des Aufsichtsrats und, wenn der bemängelte Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer geprüft wurde,234 auch des Abschlussprüfers zu veranlassen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Gericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Antrag zulässig ist. Anderenfalls hat es von der Anhörung Abstand zu nehmen.235 Dem Vorstand (Rdn 168) wird mit der Anhörung als gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft das rechtliche Gehör zu dem Antrag der Antragsteller gewährt, und ihm wird Gelegenheit gegeben, sachlich und rechtlich hierzu Stellung zu nehmen (Art 103 Abs 1 GG). Der Aufsichtsrat und der Abschlussprüfer (Rdn 169) werden nicht als Vertreter der Aktiengesellschaft angehört, sondern als diejenigen, die den Jahresabschluss vor seiner Feststellung geprüft haben und deshalb zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen haben. Da die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats nicht persönlich, sondern als Organe der Aktiengesellschaft angehört werden, muss ihren Stellungnahmen gemäß § 77 ein Vorstandsbeschluss bzw gemäß § 108 ein Aufsichtsratsbeschluss zugrunde liegen.236 Die Form des Anhörungsverfahrens bestimmt das Gericht (§ 29 Abs 1 FamFG), das nach pflichtgemäßen Ermessen ein schriftliches Verfahren oder eine mündliche Verhandlung anordnen kann, in der Regel aber die Anhörung im schriftlichen Verfahren stattfinden lassen wird.237 Der Vorstand ist verpflichtet, durch eingehende Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 27 FamFG). Ein Auskunftsverweigerungsrecht analog zu § 131 Abs 3 hat er nicht.238 Verweigert der Vorstand die Stellungnahme, muss er in Kauf nehmen, dass das Gericht aus einem solchen Verhalten den Schluss zieht, dass die Aktiengesellschaft den Vortrag der Antragsteller nicht entkräften kann. Der Vorstand braucht jedoch nicht von sich aus Tatsachen in das Verfahren einzuführen, die die Rechtstellung der Aktiengesellschaft beeinträchtigen würden. Der anzuhörende Abschlussprüfer ist der Wirtschaftsprüfer oder die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die den bemängelten festgestellten Jahresabschluss geprüft hat. Erfolgt die Prüfung durch mehrere Abschlussprüfer, so ist jeder von ihnen anzuhören; sie können ihre Stellungnahme alleine oder gemeinschaftlich abgeben.239 Für den Abschlussprüfer besteht eine Auskunftspflicht (Abs 5 Satz 2 iVm § 145 Abs 2). Er hat über alle für den Sonderprüfungsantrag wesentlichen und ihm bekannten Tatsachen zu berichten. Aus der gesetzlichen Auskunftspflicht folgt, dass auch für den Abschlussprüfer keine Verschwiegenheitspflicht besteht, er also Tatsachen und Umstände, die ihm bei seiner Berufstätigkeit anvertraut oder bekannt geworden sind, offenbaren kann und muss.240

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234 OLG München v 3.2.2009 – 31 Wx 98/08, FGPrax 2009, 141, 142. 235 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 25. 236 KK/Arnold3 Rdn 63; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 25; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 20; Hüffer/Koch14 Rdn 20. 237 K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 20; Hüffer/Koch14 Rdn 20. 238 KK/Arnold3 Rdn 63; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 20; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 461. 239 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 44; KK/Arnold3 Rdn 64; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 20; Hüffer/Koch14 Rdn 20; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 105. 240 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 44; KK/Arnold3 Rdn 64; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 25; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 20; Hüffer/Koch14 Rdn 21.

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Die Berichtspflicht des Abschlussprüfers besteht aber nur zu dem Sachvortrag der Antragsteller. Die Rechtsfrage, ob eine Unterbewertung oder eine unvollständige Berichterstattung iSv Abs 1 vorliegt, hat der Abschlussprüfer nicht zu beurteilen. 2. Rechtsmittel (Abs 3 Satz 2). Gegen den Beschluss des Landgerichts ist die Beschwerde zulässig (Abs 3 Satz 2). Beschwerdeberechtigt sind die antragstellenden Aktionäre, wenn ihre Anträge zurückgewiesen wurden (§ 59 Abs 2 FamFG)241 oder die Aktiengesellschaft, soweit dem Antrag der Antragsteller stattgegeben wurde (§ 59 Abs 1 FamFG). Aktionäre müssen als Beschwerdeführer weiterhin über den nach Abs 2 Satz 3 erforderlichen Aktienbesitz verfügen.242 Die Beschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird (§§ 63 Abs 1, 64 Abs 1 und 2 FamFG).243 Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, jedoch kann das Beschwerdegericht anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist (§ 64 Abs 3 FamFG). Die Beschwerde soll begründet werden; sie kann auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden (§ 65 Abs 1 und 3 FamFG). Eine Anschlussbeschwerde ist zulässig (§ 66 FamFG). Hält das Landgericht die Beschwerde für begründet, so hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen (§ 68 Abs 1 Satz 1 FamFG). Beschwerdegericht ist das Oberlandesgericht (§ 119 Abs 1 Nr 2 GVG). 171 Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts kann Rechtsbeschwerde eingelegt werden, wenn das Oberlandesgericht sie zugelassen hat (§ 70 FamFG). Über die Rechtsbeschwerde entscheidet der BGH (§ 133 GVG).

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3. Zuständiges Gericht (Abs 3 Satz 3). Über den Antrag entscheidet das Landgericht, in dessen Bezirk die Aktiengesellschaft ihren Sitz hat (Abs 3 Satz 3). Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so tritt diese an die Stelle der Zivilkammer (§§ 94, 95 Abs 2 Nr 2 GVG). Die jeweiligen Landesregierungen sind ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Entscheidungen einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zu übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient; sie können diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen (§ 71 Abs 4 GVG).244 Hat eine Aktiengesellschaft einen Doppelsitz, so ist das Landgericht zuständig, das zuerst mit der Angelegenheit befasst ist (§ 2 Abs 1 FamFG). Geht der Antrag bei einem Gericht ein, das örtlich oder sachlich unzuständig ist, so hat sich dieses, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, durch Beschluss für unzuständig zu erklären und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen (§ 3 Abs 1 Satz 1 FamFG). Die Verweisung erfolgt, auch im Antragsverfahren, von Amts wegen (zur Fristwahrung von Anträgen gegenüber dem unzuständigen Gericht Rdn 120).

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241 Zur dahingehenden Beschränkung der Beschwerdeberechtigung Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 33. 242 K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 23. 243 Ebenso Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 33. 244 Von der Möglichkeit der Verfahrenskonzentration haben bisher die Bundesländer Baden-Württemberg (LG Mannheim bzw dem LG Stuttgart [§ 13 Abs 2 Nr 5 ZuVOJu]); Bayern (LG München I bzw dem LG Nürnberg-Fürth [§ 19 GZVJu]); Hessen (LG Frankfurt/Main [§ 38 Nr 1e) JuZuV]); Niedersachsen (LG Hannover [§ 2 Nr 4 ZustVO-Justiz]); Nordrhein-Westfalen (LG Düsseldorf, LG Dortmund bzw LG Köln [§ 1 Nr 9 KonzentrationsVO Gesellschaftsrecht)]) und Sachsen (LG Leipzig [§ 10 Nr 11 SächsJOrgVO]) Gebrauch gemacht.

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VII. Anforderungen an die Sonderprüfer (Abs 4) 1. Allgemeine Qualifikationsanforderungen (Abs 4 Satz 1). Die vom Gericht aus- 173 zuwählenden und zu bestellenden Sonderprüfer müssen sachkundig sein. Um dies sicherzustellen, schreibt Abs 4 Satz 1 vor, dass Sonderprüfer nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein können, da bei diesen die für eine Sonderprüfung erforderliche fachliche Eignung zur Prüfung der Rechnungslegung aufgrund ihrer öffentlichen Bestellung vorausgesetzt werden kann (§ 1 Abs 1 und 3, § 28 Abs 1 WPO). Vereidigte Buchprüfer erfüllen diese Anforderungen nicht.245 Diese berufliche Qualifikation muss zum Zeitpunkt der Bestellung und während der gesamten Tätigkeit als Sonderprüfer, also bis zur Unterzeichnung des Prüfungsberichts, bestehen.246 Anders als dies für die Abschlussprüferbefähigung nach § 319 Abs 1 Satz 3 HGB erforderlich ist, braucht für die Tätigkeit als Sonderprüfer ein Nachweis über die Teilnahme an der Qualitätskontrolle nach § 57a WPO nicht erbracht zu werden. 2. Allgemeine Befangenheit (Abs 4 Satz 2). Sind Wirtschaftsprüfer nach § 319 174 Abs 2 HGB als Abschlussprüfer ausgeschlossen, weil Gründe vorliegen, nach denen die Besorgnis der Befangenheit besteht, so können sie nicht Sonderprüfer sein (Abs 4 Satz 2). Gleiches gilt beim Vorliegen einer der in § 319 Abs 3 HGB aufgeführten Gründe, aus denen die Besorgnis der Befangenheit unwiderleglich gesetzlich vermutet wird. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kann nicht Sonderprüfer sein, wenn sie gemäß § 319 Abs 4 HGB von einer Abschlussprüfung ausgeschlossen ist. Sollen mit einer Sonderprüfung der Jahresabschluss eines Unternehmens von öffentlichem Interesse iSd § 319a Abs 1 HGB untersucht werden, so kann zum Sonderprüfer nicht bestellt werden, wer nach dieser Vorschrift von einer Abschlussprüfung ausgeschlossen wäre. Gleiches gilt für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die gemäß § 319b Abs 1 HGB wegen einer Netzwerkabhängigkeit als befangen gelten. Zur Ermittlung des Vorliegens dieser Ausschlussgründe kann sich das Gericht eines Sachverständigen bedienen.247 3. Erweiterte Befangenheit (Abs 4 Satz 3). Sonderprüfer können auch nicht Ab- 175 schlussprüfer der Aktiengesellschaft sowie Personen sein, die in den letzten drei Jahren vor der Bestellung von Sonderprüfern Abschlussprüfer der Aktiengesellschaft waren (Abs 4 Satz 3). Für das Bestehen dieses Ausschlussgrundes reicht schon die Wahl zum Abschlussprüfer der Aktiengesellschaft durch ihre Hauptversammlung für den laufenden Jahresabschluss aus.248 Ob der Gewählte die Prüfung tatsächlich durchgeführt hat oder ob andere, vom Gericht gemäß § 318 Abs 3 oder 4 Satz 2 HGB bestellte Abschlussprüfer die Prüfung durchgeführt haben, ist ohne Bedeutung. Bereits die Wahl durch die Hauptversammlung, die in der Regel auf Vorschlag des Aufsichtsrates erfolgt, spricht dafür, dass zwischen der Aktiengesellschaft und dem Abschlussprüfer ein Vertrauensverhältnis bestanden hat, das die Besorgnis der Befangenheit begründen kann.249 Die im Gesetz genannte Dreijahresfrist bezieht sich nicht auf Geschäftsjahre der Aktiengesellschaft, sondern auf Kalenderjahre, also auf einen Zeitraum von 36 Monaten, zurückge-

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Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 30. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 46; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 30; MünchKomm/Koch4 Rdn 60. Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 31. Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 32; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 25; Hüffer/Koch14 Rdn 26. AA Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 57.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

rechnet ab dem Tage der Bestellung von Sonderprüfern durch das Gericht.250 Der Abschlussprüfer des bemängelten Jahresabschlusses kann auch dann nicht zum Sonderprüfer bestellt werden, wenn seine Wahl – wegen einer ungewöhnlich langen Dauer des gerichtlichen Verfahrens – vor Beginn der in Abs 4 Satz 3 genannten Frist erfolgt ist.251 176

4. (Nachträglicher) Wegfall der Bestellungsvoraussetzungen. In den §§ 258 ff ist keine Regelung zu der Frage enthalten, wie mit einem Sonderprüfer umzugehen ist, bei dem die Bestellungsanforderungen (Abs 4 Satz 1 bis 3) nach seiner Bestellung wegfallen, obwohl anerkannt ist, dass diese Voraussetzungen bis zur Beendigung der bilanziellen Sonderprüfung vorliegen müssen.252 Insofern kommt aber – ebenso wie bei der allgemeinen Sonderprüfung – eine analoge Anwendung von § 318 Abs 4 Satz 2 HGB in Betracht. VIII. Rechte und Pflichten sowie Verantwortlichkeit der Sonderprüfer (Abs 5)

1. Vergütung der Sonderprüfer (Abs 5 Satz 1). Die bestellten Sonderprüfer haben Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen und Zahlung einer Vergütung für ihre Tätigkeit (Abs 5 Satz 1, § 142 Abs 6 Satz 1). Hierbei handelt es sich um die Kosten der Sonderprüfung, die von der Aktiengesellschaft zu tragen (Abs 5 Satz 1, § 146 Satz 1) und vom Gericht festzusetzen sind (Abs 5 Satz 1, § 142 Abs 6 Satz 2). Das Gericht hat die übliche Vergütung festzusetzen, also eine Vergütung, die dem Umfang und der Schwierigkeit der Prüfung und der Qualifikation des Prüfers entspricht. Die Festsetzung erfolgt unabhängig davon, mit welchem Ergebnis die Sonderprüfung abgeschlossen wurde.253 Das Gericht ist auch alleine zuständig, Vorschüsse festzusetzen, die die Sonderprüfer gemäß § 675 iVm § 669 BGB beanspruchen können. Auch die Auslagen der Sonderprüfer oder genauer gesagt deren Ersatzfähigkeit wird vom Gericht festgesetzt. Gegen eine Kostenentscheidung des Gerichts ist die Beschwerde zulässig, die Rechtsbeschwerde hingegen ausgeschlossen (§ 142 Abs 6 Satz 3). Aus dem Festsetzungsbeschluss, der ein Vollstreckungstitel iSv § 794 Abs 1 Nr 3 ZPO ist, kann die Zwangsvollstreckung gegen die Aktiengesellschaft betrieben werden (§ 142 Abs 6 Satz 4). Eine Vereinbarung zwischen der Aktiengesellschaft und den Sonderprüfern über 178 die Höhe der Vergütung kann nicht zugelassen werden, weil durch eine solche Vereinbarung die Gefahr oder wenigstens die Möglichkeit entstehen könnte, dass die Sonderprüfer dadurch in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt werden.254 177

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2. Rechte der Sonderprüfer (Abs 5 Satz 1). Die Sonderprüfer haben zu entscheiden, welche Prüfungshandlungen sie zur Erfüllung ihres Prüfungsauftrags selbst vornehmen oder veranlassen wollen. Der Vorstand hat diese Prüfungstätigkeit zu gestatten, das heißt nicht nur zu dulden, sondern zu ermöglichen. Er hat den Sonderprüfern geeignete Büroräume und gegebenenfalls Hilfskräfte für das Heraussuchen von Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen, ihnen den Zugang zu bei Dritten verwahrten Unterlagen und

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250 KK/Arnold3 Rdn 75; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 32; Frey WPg 1966, 633, 636; K Schmidt/Lutter/ Kleindiek3 Rdn 25; Hüffer/Koch14 Rdn 26; MünchKomm/Koch4 Rdn 61; aA Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 50. 251 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 49. 252 KK/Arnold3 Rdn 71; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 24. 253 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 91; KK/Arnold3 Rdn 81; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 45; Hüffer/ Koch14 Rdn 23. 254 KK/Arnold3 Rdn 80.

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Bestellung der Sonderprüfer | § 258

Daten zu verschaffen sowie Geräte und sonstige Einrichtungen bereitzuhalten, um elektronische Daten abzurufen. Die Sonderprüfer sind berechtigt, die Bücher und Schriften der Aktiengesellschaft 180 einzusehen und zu prüfen (Abs 5 Satz 1, § 145 Abs 1). Das Einsichts- und Prüfungsrecht, das gegenüber der Aktiengesellschaft besteht und vom Vorstand zu gewähren ist, ist grundsätzlich unbeschränkt und findet seine Grenzen nur, wenn die Prüfungshandlungen offensichtlich unsachgemäß und ohne jeden zweckentsprechenden Zusammenhang mit dem Prüfungsgegenstand, also rechtsmissbräuchlich sind. Die Sonderprüfer können von den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche für die Durchführung des Prüfungsauftrags notwendig sind (Abs 5 Satz 1, § 145 Abs 2). Die Aufklärungs- und Nachweisrechte – nicht dagegen das Einsichts- und Prüfungsrecht – stehen den Sonderprüfern auch gegenüber Konzernunternehmen sowie abhängigen und herrschenden Unternehmen zu (§ 145 Abs 3) und auch gegenüber dem Abschlussprüfer der Aktiengesellschaft (Abs 5 Satz 2). Der Vorstand und der Aufsichtsrat haben gegenüber den Sonderprüfern generell kein Auskunftsverweigerungsrecht; ein solches ergibt sich auch nicht aus § 131 Abs 3.255 Auch der Abschlussprüfer der Aktiengesellschaft kann sich nicht auf eine Verschwiegenheitspflicht nach § 323 Abs 1 Satz 1 HGB berufen.256 Die Rechte des Sonderprüfers nach Abs 5 Satz 1 in Verbindung mit § 145 Abs 1 bis 3 181 sind für diesen einklagbar. Daher ist der Sonderprüfer insbesondere nicht darauf beschränkt, beim Registergericht die Verhängung einer Ordnungsstrafe nach § 407 Abs 1 gegen nicht kooperationswillige Vorstandsmitglieder zu verhängen.257 Dies ergibt sich daraus, dass diese nur gegen Vorstandsmitglieder festgesetzt werden kann, in der Höhe auf 5.000 € beschränkt ist und vom Sonderprüfer schließlich auch nur beim Registergericht angeregt werden kann, ohne dass ein entsprechendes Antragsrecht besteht. Der Sonderprüfer kann auch auf den einstweiligen Rechtsschutz zurückgreifen. Ein Schiedsverfahren scheitert in der Regel an dem Fehlen einer Schiedsklausel.258 3. Kosten (Abs 5 Satz 1). Werden Sonderprüfer bestellt, so hat gemäß Abs 5 Satz 1 182 iVm § 146 die Aktiengesellschaft die Gerichtskosten zu tragen, das sind die Gebühren und Auslagen des Verfahrens (§ 80 Satz 1 FamFG). Für das Verfahren wird das Doppelte einer vollen Gebühr erhoben (§ 121 KostO); die Gebühr errechnet sich nach dem vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Geschäftswert (§§ 30, 31 KostO). Die Bestimmung des Streitwertes erfolgt nicht nach billigem Ermessen (§ 247 Abs 1); auch eine Streitwertspaltung (§ 247 Abs 2) ist nicht zulässig. § 81 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 FamFG, die es dem Gericht gestatten, die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen oder aufgrund besonderer Umstände ganz oder teilweise einem Beteiligten aufzuerlegen, findet keine Anwendung (§ 81 Abs 5 FamFG). Zu den Kosten des Verfahrens gehören auch die zur Durchführung des Verfahrens 183 notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (§ 80 Satz 1 FamFG). Da § 80 Satz 2 FamFG hierzu nur auf § 91 Abs 1 Satz 2 ZPO, nicht dagegen auf § 91 Abs 2 ZPO verweist, sind Rechtsanwaltskosten der Antragsteller nur zu erstatten, wenn die Hinzuziehung eines

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255 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 46; MünchKomm/Koch4 Rdn 63. 256 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 90; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 46; MünchKomm/Koch4 Rdn 63. 257 Ausführlich – für den regulären Sonderprüfer – Harnos FS Seibert, 2019, S 309 ff; ders AG 2019, 824 ff; Mock NZG 2019, 1161 ff; aA OLG München v 4.11.2019 – 7 W 1118/19, NZG 2020, 186 mit Bestätigung der Vorinstanz LG München I v 10.9.2019 – 5 HK O 11537/19, NJW-RR 2020, 27; Slavik WM 2017, 1684, 1692 f. 258 Dazu ausführlich – für den regulären Sonderprüfer – Mock FS Meilicke, 2010, 489, 498.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

Rechtsanwalts notwendig, also im Hinblick auf eine gewisse Schwierigkeit der Sache geboten war, ein Umstand, der bei einem Verfahren nach § 258 in der Regel gegeben sein dürfte. Haben mehrere Aktionäre den Antrag als Streitgenossen gestellt, so kann zwar jeder von ihnen einen eigenen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beauftragen; dessen Kosten sind aber nur beim Vorliegen besonderer sachlicher Gründe für eine solche Mehrfachvertretung erstattungsfähig (§ 91 Abs 1 ZPO, § 148 Abs 6 Satz 6 analog). 184 Die prozessrechtliche Kostentragungspflicht der Aktiengesellschaft im Falle der Bestellung von Sonderprüfern besteht unabhängig davon, ob sich nach dem Ergebnis der Prüfung letztlich ein Mangel des Jahresabschlusses herausstellt.259 Um die Aktiengesellschaft vor einer missbräuchlichen Ausnutzung des Antragsrechts zu bewahren, schrieb § 146 idF des AktG 1965 vor, dass die Aktiengesellschaft unbeschadet eines ihr nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zustehenden Ersatzanspruchs die Gerichtskosten und die Kosten der Prüfung trägt. In der gegenwärtigen, durch das UMAG eingeführten Fassung dieser Vorschrift, werden die Voraussetzungen dieses materiellrechtlichen Schadensersatzanspruches, ohne ihn inhaltlich zu erweitern oder zu verschärfen, konkretisiert: Der Antragsteller hat der Aktiengesellschaft die Kosten zu erstatten, wenn er die Bestellung durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen Vortrag erwirkt hat (§ 146 Satz 2); die Aktiengesellschaft kann ggf auch Schadensersatzansprüche gegen die Antragsteller wegen schuldhafter Verletzung ihrer Treuepflichten oder aus unerlaubter Handlung (insbesondere § 826 BGB) geltend machen, die nicht nur die Kosten des Verfahrens nach § 258, sondern auch die sonstigen Nachteile, die der Aktiengesellschaft durch die Sonderprüfung entstehen, umfassen können.260 Wird der Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern vom Gericht zurückgewiesen, so 185 sind in der Regel die Kosten von den Antragstellern zu tragen, weil sie das Verfahren veranlasst haben (§§ 22 Abs 1 GNotKG).261 Mehrere Antragsteller haften als Gesamtschuldner (§ 32 Abs 1 GNotKG). 186

4. Verantwortlichkeit (Abs 5 Satz 1). Die Verantwortlichkeit der Sonderprüfer entspricht der von Abschlussprüfern; § 323 HGB gilt sinngemäß (Abs 5 Satz 1). Sonderprüfer sowie deren Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung sowie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Es ist ihnen untersagt, unbefugt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu verwerten, die sie bei ihrer Tätigkeit erfahren haben. Verletzt ein Sonderprüfer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten, so ist er der Aktiengesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet. Die Ersatzpflicht kann durch Vertrag weder ausgeschlossen, noch beschränkt werden. 187 Besondere Bedeutung hat die Verschwiegenheitspflicht des Sonderprüfers, die sich aus dem Verweis in Abs 5 Satz 1 auf § 323 Abs 1 HGB ergibt. Deren Verletzung begründet eine Schadenersatzpflicht des Sonderprüfers und ist zudem nach § 404 Abs 1 Nr 2 strafbar.

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259 So auch schon im Ergebnis Begr RegE AktG, BT-Drucks IV/171, S 208 („Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sind, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Gesellschaft, sonst dem Antragssteller aufzuerlegen.“); Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 34; MünchKomm/Koch4 Rdn 58. 260 MünchKomm/Koch4 Rdn 58; ausführlich Jänig BB 2005, 949, 954 jeweils mit unterschiedlichen Ansichten zum Verschuldungsmaßstab für die schadensbegründenden Handlungen der Antragsteller. 261 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 34; Hüffer/Koch14 Rdn 23.

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Bestellung der Sonderprüfer | § 258

IX. Folgen der Bestellung eines Sonderprüfers und Durchführung der Sonderprüfung Die Folgen der Bestellung eines Sonderprüfers und Durchführung der Sonderprü- 188 fung sind in den §§ 258 ff kaum geregelt und müssen daher weitestgehend aus allgemeinen Grundsätzen abgeleitet werden. Zu den Folgen einer erfolgreichen bilanziellen Sonderprüfung § 261 Rdn 13 ff. 1. Rechtsstellung des Sonderprüfers. Die Bestellung des Sonderprüfers wird mit 189 der Bekanntgabe der Entscheidung des Gerichts an die ausgewählten Sonderprüfer wirksam (§ 40 Abs 1 FamFG). Kraft ihrer privatrechtlichen Gestaltungswirkung enthält die Entscheidung das Angebot der Aktiengesellschaft, diese gesetzlich vertreten durch das Gericht, an die ausgewählten Sonderprüfer zum Abschluss eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB); dieses Angebot bedarf der Annahme durch die Sonderprüfer.262 Auf diesen Vertrag finden gemäß § 675 Abs 1 BGB die Vorschriften der §§ 663, 666 bis 670, 672 bis 674 BGB entsprechende Anwendung; gesondert geregelt sind die Berichtspflichten der Sonderprüfer (§ 259) und ihr Anspruch auf Zahlung einer Vergütung und Ersatz ihrer Auslagen (Abs 5 Satz 1). Der Sonderprüfer ist – ebenso wie der reguläre Sonderprüfer263 – kein Organ der 190 Aktiengesellschaft264, auch wenn er hinsichtlich seiner Prüfungsaufgabe durchaus mit einem Aufsichtsratsmitglied vergleichbar ist. Die fehlende Organstellung entspricht auch der Rechtslage beim Sonderprüfer im Rahmen der allgemeinen Sonderprüfung (§§ 142 ff). 2. Auswirkungen auf die Aktiengesellschaft und ihre Organe. Unmittelbare 191 Rechtsfolgen werden – mit Ausnahme der in zwingender Verwendung der korrigierten Posten und Angaben (§ 261) – durch die Durchführung einer bilanziellen Sonderprüfung nicht ausgelöst. Der Aktiengesellschaft, den (übrigen) Verwaltungsmitgliedern oder den Aktionären steht es vor allem frei, Ersatzansprüche gegen die für die fehlerhafte Berichterstattung verantwortlichen Organmitglieder geltend zu machen. Zudem steht es der Hauptversammlung bzw dem Aufsichtsrat frei, aufgrund der Erkenntnisse der bilanziellen Sonderprüfung personelle Konsequenzen zu ziehen. Diese Möglichkeit besteht für Aktionäre allerdings nicht bzw nur im Rahmen ihrer Rechte auf der Hauptversammlung. 3. Publizitätspflichten. Die erfolgreiche Durchführung einer bilanziellen Sonder- 192 prüfung wird durch die zwingende Berücksichtigung der korrigierten Posten bzw Angaben nach § 261 öffentlich bekannt. Ein weiterer Publizitätsakt – wie etwa im Enforcement-Verfahren in Form der Fehlerveröffentlichung (§ 109 WpHG) – ist nicht vorgesehen. 4. Durchführung der Sonderprüfung. Die eigentliche Durchführung der bilanziel- 193 len Sonderprüfung ist in den §§ 258 ff selbst kaum geregelt. So bestimmt lediglich Abs 5 Satz 1, welche Rechte der Sonderprüfer hat (Rdn 177 ff).

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262 KK/Arnold3 Rdn 78; Grigoleit/Ehmann Rdn 11; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 26; Hüffer/Koch14 Rdn 27; MünchKomm/Koch4 Rdn 62; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 107 f. 263 Grigoleit/Herrler § 142 Rdn 17; Hüffer ZHR 174 (2010), 642, 677; Spindler/Stilz/Mock4 § 142 Rdn 44; KK-AktG/Rieckers/Vetter3 § 142 Rdn 201; K Schmidt/Lutter/Spindler3 § 142 Rdn 37. 264 AA KK/Arnold3 Rdn 77; Grigoleit/Ehmann Rdn 11; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 26; Hüffer/Koch14 Rdn 27; MünchKomm/Koch4 Rdn 62.

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§ 258 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

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a) Vorbereitung. Die von der Sonderprüfung betroffene Aktiengesellschaft sollte vorbereitende Maßnahmen durchführen, damit der Sonderprüfer seine Tätigkeit direkt nach seiner Bestellung aufnehmen kann. Eine Pflicht dazu besteht für die Aktiengesellschaft und ihre Organe allerdings nicht bzw lässt sich nur aus den allgemeinen Organpflichten (§§ 93, 116) ableiten.

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b) Durchführung. Die eigentliche Durchführung der bilanziellen Sonderprüfung wird weder durch die §§ 258 ff noch durch berufsständische Standards geregelt. Aufgrund der Regelungsnähe kommen insofern aber die Standards der Abschlussprüfung (§§ 316 ff HGB) zur Anwendung.265 Allerdings sind ergänzend die Vorgaben der §§ 258 ff und dabei vor allem Abs 1 Satz 2 (Rdn 98 f) und Abs 1 Satz 3 (Rdn 100) zu beachten.266 Ist eine Sonderprüfung wegen einer unzulässigen Unterbewertung (Rdn 58 ff) 196 durchzuführen, so muss sich der Prüfungsgegenstand aus der Entscheidung des Gerichts ergeben, die den zu prüfenden Posten des Jahresabschlusses bezeichnet (Rdn 61 ff). Das Prüfungsziel ergibt sich aus Abs 1 Satz 2 (Rdn 98 f). Dieses Prüfungsziel bestimmt auch Art und Umfang der Sonderprüfung. Festzustellen ist zunächst, ob ein bemängelter Posten des Jahresabschlusses entsprechend den maßgeblichen Ansatzvorschriften (§§ 246 ff HGB) alle vorgeschriebenen Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten enthält. Sodann ist zu prüfen, ob bei der Bewertung dieser Gegenstände unter Zugrundelegung der Verhältnisse am Stichtag des betroffenen Jahresabschlusses (§ 259 Abs 2 Satz 2 – § 259 Rdn 57 f) die hierfür maßgeblichen Bewertungs- und Abschreibungsmethoden angewandt wurden, und ob die einzelnen Gegenstände des betroffenen Postens nach diesen Methoden richtig bewertet wurden. Dabei ist der Sonderprüfer an die für die Aufstellung des Jahresabschlusses verwendeten Bewertungsregeln gebunden, da insofern der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs 1 Nr 6 HGB) entsprechende Anwendung findet.267 Ist dies aus rechtlichen Gründen nicht möglich, ist auf die dem am nächsten kommende Methode zurückzugreifen.268 Ergibt sich hierbei für einzelne Gegenstände des Postens eine Unterbewertung iSv § 256 Abs 5 Satz 3 (§ 256 Rdn 92), so ist deren Gesamtbetrag zu ermitteln und hiervon der Betrag einer bei dem Posten festgestellten Überwertung iSv § 256 Abs 5 Satz 2 (§ 256 Rdn 92) abzuziehen. Eine darüber hinausgehende Saldierung mit der Überbewertung bei anderen Posten ist nicht möglich (Rdn 73). Sodann ist zu entscheiden, ob es sich um eine nicht unwesentliche und deshalb nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 aufzudeckende oder eine unwesentliche und deshalb hinzunehmende Unterbewertung handelt (Rdn 75 ff). Liegt nach Ansicht der Sonderprüfer eine nicht unwesentliche Unterbewertung des Postens vor, so haben die Sonderprüfer außerdem zu ermitteln und festzustellen, mit welchem Wert bzw Betrag der bemängelte Aktiv- oder Passivposten im Jahresabschluss mindestens bzw höchstens anzusetzen war und um welchen Betrag der Jahresüberschuss sich beim Ansatz dieses Wertes oder Betrags erhöht oder der Jahresfehlbetrag sich ermäßigt hätte (§ 259 Abs 2 Satz 1 – § 259 Rdn 54 ff). 197 Ist eine Sonderprüfung wegen Unvollständigkeit der Berichterstattung durchzuführen (Abs 1 Satz 1 Nr 2 – Rdn 81 ff), so ist Prüfungsgegenstand der Anhang mit den in der Entscheidung des Gerichts zu bezeichnenden vorgeschriebenen Angaben. Das eigentliche Prüfungsziel ist die Feststellung, ob die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig oder unrichtig gemacht worden sind (Abs 1 Satz 3 – Rdn 100), und wie

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265 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 36; MünchKomm/Koch4 Rdn 31. 266 Im Ergebnis auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 64; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 36. 267 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 79; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 39. 268 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 80; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 39; aA Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, S 118.

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Bestellung der Sonderprüfer | § 258

diese Angaben richtig zu machen waren (§ 259 Abs 4 Satz 1 – § 259 Rdn 63 f). Die Sonderprüfer haben aber außerdem zu prüfen, ob der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht hat und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist (Abs 1 Satz 3 – Rdn 100). Diese Prüfung haben die Sonderprüfer vorrangig durchführen, da sich dann gegebenenfalls eine Prüfung der eigentlichen Berichterstattung im Anhang schon erledigt.269 Sie werden hierbei auf die Feststellung des Gerichts, das diese Frage gleichfalls zu prüfen hatte, zurückgreifen können. Stellen die Sonderprüfer fest, dass die Erörterung in der Hauptversammlung in der genannten Weise stattgefunden hat, so haben sie zu prüfen, ob die in der Entscheidung des Gerichts bezeichneten vorgeschriebenen Angaben im Anhang fehlen oder unvollständig oder unrichtig sind. Kommen die Sonderprüfer zu einer solchen Feststellung, so sind die fehlenden Angaben in ihrem Prüfungsbericht zu machen oder die unrichtigen Angaben zu berichtigen (§ 259 Abs 4 Satz 1). Ist im Anhang die nach § 284 Abs 2 Nr 3 und 4 vorgeschriebene Angabe über die Auswirkungen einer Abweichung von Bewertungs- oder Abschreibungsmethoden auf den Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag unterlassen worden, so müssen die Sonderprüfer die entsprechenden Angaben nachholen (§ 259 Abs 4 Satz 2 – § 259 Rdn 65 f). c) Nachbereitung. Die Sonderprüfung wird durch die Erstellung und Veröffentli- 198 chung des Sonderprüfungsberichts (§ 259) beendet. Zudem ordnet § 261 an, dass die höheren Bewertungen grundsätzlich im Folgeabschluss zu berücksichtigen sind und dass die Hauptversammlung über die Verwendung des (Mehr-)Ertrags beschließen kann. Ausführlich zu den Folgen der Sonderprüfung § 261 Rdn 13 ff. 5. Rolle des Sonderprüfers auf der Hauptversammlung. Dem Sonderprüfer wird 199 auf der Hauptversammlung durch die §§ 258 ff keine spezifische Rolle zugewiesen. Daher hat er auch generell kein Teilnahmerecht an der Hauptversammlung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Tagesordnung sich zu Aspekten verhält, die den Sonderprüfer betreffen. Zudem kann der Versammlungsleiter den Sonderprüfer als Gast zur Hauptversammlung zulassen. Soweit der Sonderprüfer an der Hauptversammlung teilnehmen darf, steht ihm auf 200 dieser kein Rederecht zu. Auch können die Aktionäre ihn nicht im Rahmen des Auskunftsrechts nach § 131 AktG befragen. Allerdings kann der Versammlungsleiter dem Sonderprüfer ein Rederecht einräumen. Ebenso ist es zulässig, dem Sonderprüfer eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu seinem Bericht zu gewähren. Eine generelle Erläuterungspflicht des Sonderprüfungsberichts besteht hingegen nicht, da § 259 die Art und Weise der Berichterstattung abschließend regelt. X. Freiwillige oder informelle Sonderprüfung Allgemein lassen sich Prüfungen oder Ermittlungen in interne und externe Prü- 201 fungen einteilen.270 Während bei den externen Ermittlungen die staatsanwaltlichen Ermittlungen oder die Ermittlungen von Behörden im Vordergrund stehen, geht es bei internen Ermittlungen um eine gesellschaftsinterne Aufarbeitung bestimmter Vorgänge,

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269 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 31; KK/Arnold3 Rdn 43; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 43; Hüffer/Koch14 Rdn 12; MünchKomm/Koch4 Rdn 33; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 13; aA Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, S 111. 270 Mit einer solchen Einteilung etwa Bachmann ZIP 2018, 101 (102).

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§ 259 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

bei der nur gesellschaftszugehörige Personen involviert sind. Die bilanzielle Sonderprüfung nach §§ 258 ff stellt nur eine von mehreren internen Prüfungen dar. Zu diesen zählt auch die freiwillige oder informelle Sonderprüfung. Diese dienen ebenso wie die (reguläre) Sonderprüfung der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten der Geschäftsleitung und der Unterrichtung der Aktionäre. Allerdings werden diese meist zur Vermeidung einer regulären Sonderprüfung (§§ 142 ff) durchgeführt.271 Inwiefern dieses Phänomen sich auch auf die bilanzielle Sonderprüfung übertragen lässt, kann aufgrund der ohnehin geringen Bedeutung der bilanziellen Sonderprüfung (Rdn 27 ff) kaum abschließend beantwortet werden. 202 Die Regelung der bilanziellen Sonderprüfung in den §§ 258 ff steht der Durchführung anderer Prüfungen durch den Vorstand und/oder den Aufsichtsrat nicht entgegen. Auf diese freiwilligen oder informellen Prüfungen finden die §§ 258 ff grundsätzlich keine Anwendung.272 Auch wenn informelle Prüfungen jederzeit durch den Vorstand veranlasst werden 203 können, hat dies keine Auswirkungen auf die bilanzielle Sonderprüfung nach §§ 258 ff. Die Durchführung oder Planung freiwilliger oder informeller Prüfungen berührt insbesondere nicht das Antragsrecht der qualifizierten Aktionärsminderheit nach Abs 2 Satz 3 (Rdn 122 ff). Auch kann ein bereits bestellter Sonderprüfer nicht mit der Begründung abberufen werden, dass inzwischen eine freiwillige oder informelle Prüfung durchgeführt wird. Dies gilt auch dann, wenn bei der freiwilligen Sonderprüfung alle in den §§ 258 ff normierten Anforderungen beachtet werden, da diese nicht disponibel sind.

§ 259 Prüfungsbericht. Abschließende Feststellungen Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung Prüfungsbericht. Abschliedende Feststellungen § 259 Mock https://doi.org/10.1515/9783110294248-004

(1) 1 Die Sonderprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. 2 Stellen die Sonderprüfer bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben fest, dass Posten überbewertet sind (§ 256 Abs 5 Satz 2), oder dass gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses verstoßen ist oder Formblätter nicht beachtet sind, so haben sie auch darüber zu berichten. 3 Für den Bericht gilt § 145 Abs 4 bis 6 sinngemäß. (2) 1 Sind nach dem Ergebnis der Prüfung die bemängelten Posten nicht unwesentlich unterbewertet (§ 256 Abs 5 Satz 3), so haben die Sonderprüfer am Schluss ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung zu erklären, 1. zu welchem Wert die einzelnen Aktivposten mindestens und mit welchem Betrag die einzelnen Passivposten höchstens anzusetzen waren; 2. um welchen Betrag der Jahresüberschuss sich beim Ansatz dieser Werte oder Beträge erhöht oder der Jahresfehlbetrag sich ermäßigt hätte. 2 Die Sonderprüfer haben ihrer Beurteilung die Verhältnisse am Stichtag des Jahresabschlusses zugrunde zu legen. 3 Sie haben für den Ansatz der Werte und Beträge nach Nummer 1 diejenige Bewertungs- und Abschreibungsmethode zugrunde zu legen, nach der die Gesellschaft die zu bewertenden Gegenstände oder vergleichbare Gegenstände zuletzt in zulässiger Weise bewertet hat.

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271 Zur Motivlage ausführlich Wilsing/von der Linden AG 2017, 568 (569 f). 272 Ebenso für die §§ 142 ff LG Nürnberg-Fürth v 18.10.2007 – 1 HK O 6564/07, BeckRS 2008, 01960 Tz 57; Bachmann ZIP 2018, 101, 102; Marsch-Barner FS Baums, 2017, 775, 781 f; Wilsing/von der Linden AG 2017, 568, 569.

Mock https://doi.org/10.1515/9783110294248-004

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Prüfungsbericht. Abschliedende Feststellungen | § 259

(3) Sind nach dem Ergebnis der Prüfung die bemängelten Posten nicht oder nur unwesentlich unterbewertet (§ 256 Abs 5 Satz 3), so haben die Sonderprüfer am Schluss ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung zu erklären, dass nach ihrer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung die bemängelten Posten nicht unzulässig unterbewertet sind. (4) 1 Hat nach dem Ergebnis der Prüfung der Anhang die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig enthalten und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht und ist die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden, so haben die Sonderprüfer am Schluss ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung die fehlenden Angaben zu machen. 2 Ist die Angabe von Abweichungen von Bewertungs- oder Abschreibungsmethoden unterlassen worden, so ist in der abschließenden Feststellung auch der Betrag anzugeben, um den der Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag ohne die Abweichung, deren Angabe unterlassen wurde, höher oder niedriger gewesen wäre. 3 Sind nach dem Ergebnis der Prüfung keine Angaben nach Satz 1 unterlassen worden, so haben die Sonderprüfer in einer abschließenden Feststellung zu erklären, dass nach ihrer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung im Anhang keine der vorgeschriebenen Angaben unterlassen worden ist. (5) Der Vorstand hat die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach den Absätzen 2 bis 4 unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Schrifttum Adler/Forster Zur Frage des Inhalts und Umfangs des Berichts über die aktienrechtliche Sonderprüfung (§ 121 AktG), WPg 1957, 357–362; Klinger Problematik der Berichterstattung über die Sonderprüfung nach § 118 AktG, WPg 1957, 155–160; König Der Umfang der Berichterstattung über die aktienrechtliche Sonderprüfung, 1970.

I.

II.

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Systematische Übersicht Grundlagen | 1 1. Inhalt der Regelung | 1 2. Zweck der Regelung | 2 3. Gesetzesgeschichte | 6 4. Wirtschaftliche Bedeutung | 10 5. Europäisches Recht | 11 6. Ausländisches Recht | 14 Rechtspolitische Würdigung | 15 7. 8. Reform | 18 9. Verhältnis zu anderen Veröffentlichungspflichten | 19 Bericht über das Ergebnis der Prüfung (Abs 1) | 22 1. Pflicht zur schriftlichen Berichterstattung (Abs 1 Satz 1) | 23 2. Feststellung einer Überbewertung oder Verstoß gegen die Gliederungsvorgaben oder die Formblätter (Abs 1 Satz 2) | 30 a) Inhalt der besonderen Prüfpflicht | 31

b)

3.

Keine Erweiterung des Prüfungsauftrags und Behandlung von Zufallsfunden | 34 c) Berichterstattung über die besondere Prüfpflicht | 37 Entsprechende Anwendung von § 145 Abs 4 bis 6 (Abs 1 Satz 3) | 40 a) Einschränkung der Berichterstattung aufgrund gerichtlicher Entscheidung (§ 145 Abs 4 und 5) | 41 b) Pflicht zur schriftlichen Berichterstattung (§ 145 Abs 6 Satz 1) | 47 c) Pflicht zur Aufnahme nachteiliger Tatsachen (§ 145 Abs 6 Satz 2) | 48 d) Einreichung beim Handelsregister (§ 145 Abs 6 Satz 3) | 49 e) Anspruch auf Abschrift (§ 145 Abs 6 Satz 4) | 50

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§ 259 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

f)

III.

IV.

V.

Vorlage an den Aufsichtsrat und Bekanntmachung als Tagesordnungspunkt bei der nächsten Hauptversammlung (§ 145 Abs 6 Satz 5) | 51 Feststellung einer nicht unwesentlichen Unterbewertung (Abs 2) | 52 1. Feststellung einer nicht unwesentlichen Unterbewertung (Satz 1) | 54 Stichtagsprinzip (Abs 2 Satz 2) | 57 2. 3. Maßgeblichkeit der Bewertungsoder Abschreibungsmethoden (Abs 2 Satz 3) | 59 Feststellung keiner oder nur einer unwesentlichen Unterbewertung (Abs 3) | 60 Abschließende Feststellungen bei Sonderprüfungen wegen unvollständiger Berichterstattung im Anhang (Abs 4) | 62

Vervollständigung der Angaben im Anhang (Abs 4 Satz 1) | 63 2. Angaben von Abweichungen von den angewandten Ansatzund Bewertungsmethoden (Abs 4 Satz 2) | 65 Abgabe einer Negativerklärung 3. bei vollständiger Berichterstattung (Abs 4 Satz 3) | 67 4. Vervollständigung der Berichterstattung in der Hauptversammlung | 68 VI. Bekanntmachungen der abschließenden Feststellungen (Abs 5) | 69 VII. Freiwillige oder informelle Sonderprüfung | 71 1.

I. Grundlagen 1

1. Inhalt der Regelung. Die Sonderprüfer haben über das Ergebnis ihrer Prüfung einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Abs 1 – Rdn 22 ff). Stellen die Sonderprüfer eine nicht unwesentliche Unterbewertung oder eine unvollständige Berichterstattung im Anhang fest, so haben sie dies in ihrem Bericht zu erläutern (Abs 2 – Rdn 52 ff). Haben sie hingegen keine oder nur eine unwesentliche Unterbewertung festgestellt, ist dies im Prüfungsbericht auszuführen (Abs 3 – Rdn 60 f). Das gleiche gilt im Fall einer fehlerhaften Berichterstattung im Anhang (Abs 4 – Rdn 62 ff). Schließlich muss der Vorstand die abschließenden Feststellungen in den Gesellschaftsblättern bekanntmachen (Abs 5 Rdn 69 ff).

2. Zweck der Regelung. Der Prüfungsbericht dient zunächst der Unterrichtung der Aktionäre.1 Dabei erfolgt nicht nur eine allgemeine Information über den Umstand der Fehlerhaftigkeit der Berichterstattung im Jahresabschluss. Vielmehr erstreckt sich die Berichterstattung auch auf die Informationen, die richtigerweise hätten gegeben werden müssen. Somit vervollständigt der Sonderprüfungsbericht die Berichterstattung durch den Jahresabschluss. Allerdings beschränkt sich die Information der Aktionäre auf die abschließenden Feststellungen (Abs 2 – Rdn 52 ff), so dass der eigentliche Sonderprüfungsbericht den Aktionären nicht zugänglich gemacht wird. 3 Auch wenn die Unterrichtung durch den Sonderprüfungsbericht vor allem an die Aktionäre gerichtet ist, erfolgt diese faktisch stets auch gegenüber der Öffentlichkeit, da eine Geheimhaltung im Aktionärskreis aufgrund der Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern (Abs 5 – Rdn 69 ff) praktisch unmöglich ist. Hinsichtlich der Verwendung der Informationen, die durch den Sonderprüfungs4 bericht erstattetet werden, macht § 259 keine Vorgaben. Somit steht es den Aktionären und den sonstigen Adressaten grundsätzlich frei, diese Informationen zu nutzen. Für die Aktionäre kommt neben der Einlegung von Rechtsmitteln nach § 260 vor allem auch die 2

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Ebenso KK/Arnold3 Rdn 2; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 1.

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Durchführung personeller Konsequenzen auf der nächsten Hauptversammlung in Betracht. Zudem kann der Sonderprüfungsbericht als Grundlage für eine Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Vorstand und den Aufsichtsrat im Rahmen des Klagezulassungsverfahrens (§ 148) dienen. Schließlich sind die Feststellung des Sonderprüfers in Form des Vorliegens einer 5 nicht unwesentlichen Unterbewertung Grundlage für die Berücksichtigung im nachfolgenden Jahresabschluss (§ 261 Abs 1 – Rdn 25 ff), so dass der Sonderprüfungsbericht bzw die darin enthaltenen Feststellungen Bindungswirkung haben.2 Die im Folgeabschluss aufzunehmenden Werte müssen allerdings nicht zwangsläufig mit denjenigen der abschließenden Feststellungen übereinstimmen, da nach § 261 Abs 1 Satz 2 Veränderungen zu berücksichtigen sein können (§ 261 Rdn 28 ff). 3. Gesetzesgeschichte. Eine Berichterstattung über eine bilanzielle Sonderprüfung hat es vor dem Aktiengesetz 1965 nicht gegeben. Allerdings war eine solche bereits für die reguläre Sonderprüfung (§§ 142 ff) vorgesehen (§ 258 Rdn 17). Die Vorschrift über die Berichtspflicht der Sonderprüfer wurde im Rahmen der Aktienrechtsreform 19653 geschaffen und beruht auf den Vorschlägen, die der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss des Bundestags im Gesetzgebungsverfahren zur Neuordnung der Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Vorschriften über den Jahresabschluss gemacht haben (§ 258 Rdn 19). Das AktG 1965 hatte in § 145 Abs 4 Satz 2 die Einschränkung der Berichterstattung im Unternehmensinteresse aufgehoben und bestimmt, dass die Sonderprüfer auch über Tatsachen zu berichten haben, deren Bekanntwerden geeignet ist, der AG oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, wenn ihre Kenntnis zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs durch die Hauptversammlung erforderlich ist. Nach Ansicht des damaligen Gesetzgebers würde die Sonderprüfung entwertet werden, wenn der Bericht über solche Tatsachen durch eine allgemeine Schutzklausel eingeschränkt würde.4 Die Sonderprüfer hatten von sich aus zu prüfen, ob sensible Angaben in der Darstellung des Prüfungsergebnisses erforderlich waren; war dies nicht notwendig, so hatten sie derartige Angaben zu unterlassen. Spätere Änderungen erfolgten 1985 durch das Bilanzrichtliniengesetz5 mit einer sprachlichen Anpassung an die neuen Rechnungslegungsvorschriften und an die Neufassung des § 258. Außerdem wurde klargestellt, dass gemäß Abs 2 Satz 1 Nr 2 (Rdn 54 ff) bei einer festgestellten Unterbewertung nicht nur eine sich hieraus ergebende Erhöhung des Jahresüberschusses, sondern auch eine Ermäßigung des Jahresfehlbetrages anzugeben ist. Eine wesentliche Änderung erfolgte 2005 durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts6. Dadurch wurde es ermöglicht, die Berichterstattung der Sonderprüfer in ihrem Prüfungsbericht zu beschränken (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 4 bis 6 – Rdn 40 ff). Die Norm ist seitdem unverändert.

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2 Ebenso KK/Arnold3 Rdn 3 f; MünchKomm/Koch4 Rdn 2; Hüffer/Koch14 Rdn 1. 3 Aktiengesetz vom 6.9.1965, BGBl I, S 1089. 4 So die Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 163; zum Für und Wider einer eingeschränkten Berichtsoffenheit vgl Jänig Die aktienrechtliche Sonderprüfung, 2005, S 401 ff. 5 Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19.12.1985, BGBl I S 2355. 6 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl I S 2802.

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4. Wirtschaftliche Bedeutung. Aufgrund der geringen Bedeutung der bilanziellen Sonderprüfung ist auch die Berichterstattung darüber zu vernachlässigen.

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5. Europäisches Recht. Die in der letztlich nicht verabschiedeten Konzernrechtsrichtlinie 7 vorgesehene Regelung einer Sonderprüfung enthielt keine spezifischen Vorgaben für die Berichterstattung über diese. Der European Model Companies Act (EMCA) sieht in Chapter 11 Section 32 Abs 4 12 eine Berichtspflicht des Sonderprüfers vor, ohne diese aber genau zu spezifizieren. Zur Sonderprüfung im EMCA § 258 Rdn 31. Bei der Europäischen Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland findet § 259 un13 eingeschränkt Anwendung (Art 9 Abs 1 lit c) ii) SE-VO). 14

6. Ausländisches Recht. Da eine (besondere) bilanzielle Sonderprüfung in den meisten Rechtsordnungen nicht existiert (§ 258 Rdn 33), fehlt es dort auch an einer entsprechenden Berichterstattung.

7. Rechtspolitische Würdigung. Für die Berichterstattung über die Ergebnisse der bilanziellen Sonderprüfung gelten im Grundsatz die gleichen Kritikpunkte wie für die bilanzielle Sonderprüfung insgesamt (ausführlich § 258 Rdn 34 ff). Zudem ergeben sich aber auch im Rahmen von § 259 weitere Unstimmigkeiten. Dies gilt insbesondere für die Berichterstattung des Sonderprüfers bei Anhangsangaben (Abs 4 – Rdn 62 ff). Wenn der Sonderprüfer zu dem Ergebnis kommt, dass der Anhang unvollständig oder die Berichterstattung in diesem fehlerhaft ist, wird dies nach Abs 4 Satz 1 nur dann in den Sonderprüfungsbericht aufgenommen, wenn keine Nachholung der entsprechenden Informationserteilung auf der Hauptversammlung erfolgt ist. Dies ist insofern wenig nachvollziehbar, da der fehlerhafte Anhang somit unverändert bleibt und für einen externen Leser dessen Fehlerhaftigkeit nicht ersichtlich ist. Für einen umfassenden Informationszugang muss der Adressat daher neben dem Anhang auch das Protokoll der Hauptversammlung einsehen, was wenig konsequent ist. Hinzu kommt allerdings, dass es der Gesetzgeber versäumt hat, modernere Re16 gelungsinstrumente auch auf die bilanzielle Sonderprüfung zu übertragen. So zeichnet sich etwa das Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff WpHG) durch eine Sanktionierung einer fehlerhaften Bilanzierung in Form einer negativen Publizität aus, indem das betroffene Unternehmen den im Enforcement-Verfahren festgestellten Fehler öffentlich bekannt machen muss (§ 109 Abs 2 WpHG). Auch wenn dieses Instrument nur für börsennotierte Aktiengesellschaften gilt, wäre es erwägenswert gewesen, dieses insgesamt auch für die bilanzielle Sonderprüfung einzuführen oder aber jedenfalls die Berichterstattung über die bilanzielle Sonderprüfung und die Fehlerveröffentlichung im Enforcement-Verfahren miteinander zu koordinieren. Wenig konsistent ist zudem das Regelungsregime hinsichtlich der Veröffentli17 chung der Ergebnisse der bilanziellen Sonderprüfung. Abs 5 scheint insofern nahezulegen, dass den Aktionären nur die abschließenden Feststellungen zugänglich gemacht werden (Rdn 69), die in Abs 2 (Rdn 54 ff) näher definiert werden. Aufgrund des Verweises in Abs 1 Satz 3 auf § 145 Abs 6 Satz 3 ist der vollständige Sonderprüfungsbericht aber auch im Handelsregister hinterlegt, wo er von jedem Aktionär eingesehen werden kann (Rdn 49). Zudem muss der Vorstand nach Abs 1 Satz 3 auf § 145 Abs 6 Satz 4 15

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7 Entwurfes einer Neunten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie von 1984, DOK III/1639/84, abgedruckt in ZGR 1985, 444 ff.

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jedem Aktionär auf dessen Verlangen eine Abschrift des Prüfungsberichts erteilen (Rdn 40 ff). Bei dieser erweiterten Öffentlichkeit des Berichts aufgrund des Verweises in Abs 1 Satz 3 handelt es sich anscheinend auch nicht um ein im späteren Gesetzgebungsverfahren übersehenes Problem, da dieser Verweis schon im Aktiengesetz 1965 enthalten war. Unterstellt man dem Gesetzgeber somit eine dahingehende Absicht, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der gesonderten Veröffentlichung der abschließenden Feststellungen nach Abs 5. 8. Reform. Eine eigenständige Reformdebatte zur Berichterstattung über die bilan- 18 zielle Sonderprüfung hat in den vergangenen Jahren nicht stattgefunden, was vor allem auf die geringe praktische Bedeutung (Rdn 10) zurückzuführen sein dürfte. 9. Verhältnis zu anderen Veröffentlichungspflichten. Die nach § 259 bestehen- 19 den Veröffentlichungspflichten haben keine Regelung dahingehend erfahren, in welchem Verhältnis diese zu anderen Veröffentlichungspflichten steht. Daher ist im Grundsatz von einem unabhängigen Nebeneinander auszugehen. Für das Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff WpHG) kann es zunächst 20 nicht zu einem Konflikt mit der Berichterstattung über die bilanzielle Sonderprüfung kommen, da das Enforcement-Verfahren bei Einleitung einer bilanziellen Sonderprüfung auszusetzen ist (§ 342b Abs 3 Satz 2 HGB, § 107 Abs 3 Satz 2 WpHG). Weitgehend ungeklärt ist hingegen das Verhältnis der Berichterstattung über die bi- 21 lanzielle Sonderprüfung zur Ad-hoc-Publizität (Art 17 MAR). Da es sich bei Art 17 MAR um europäisches Verordnungsrecht handelt, für das ein Anwendungsvorrang besteht, kann § 259 die Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen nach Art 17 MAR nicht suspendieren oder relativieren. Somit ist dieser Pflicht aus Art 17 MAR stets nachzukommen. Da das Vorliegen einer fehlerhaften Bilanzberichterstattung typischerweise große mediale Aufmerksamkeit erfährt, kann aufgrund der sich daraus ergebenden Kursrelevanz im Grundsatz stets von dem Vorliegen einer Insiderinformation (Art 7 MAR) ausgegangen werden. II. Bericht über das Ergebnis der Prüfung (Abs 1) Durch Abs 1 Satz 1 wird eine allgemeine Pflicht zur Berichterstattung über die bi- 22 lanzielle Sonderprüfung statuiert (Rdn 23 ff). Dabei konkretisiert Abs 1 Satz 2 den Inhalt der Berichterstattung für die verschiedenen Prüfungsanlässe (Rdn 30 ff). Schließlich ermöglicht Abs 1 Satz 3 durch den Verweis auf die entsprechenden Vorschriften für die reguläre Sonderprüfung eine Einschränkung der Berichterstattung (Rdn 40 ff). 1. Pflicht zur schriftlichen Berichterstattung (Abs 1 Satz 1). Nach Abs 1 Satz 1 23 muss der Sonderprüfer über das Ergebnis der Prüfung schriftlich berichten. Weitere Vorgaben werden dahingehend nicht gemacht. Es existieren auch keine berufsspezifischen Standards, so dass sich die Frage nach deren Verbindlichkeit in diesem Zusammenhang schon nicht stellt. Ob die für die Abschlussprüfung geltenden und teilweise berufsrechtlich entwickelten Grundsätze auf die Berichterstattung über die bilanzielle Sonderprüfung entsprechend angewendet werden sollten8, ist kaum praktisch relevant, da es sich bei den auf die Berichterstattung über die bilanzielle Sonderprüfung übertragbaren Grundsätzen mehr oder weniger um Allgemeinsätze handelt.

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8 So etwa KK/Arnold3 Rdn 5; MünchKomm/Koch4 Rdn 3; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 129.

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Die Sonderprüfer haben über das Ergebnis ihrer Prüfung schriftlich zu berichten (Abs 1 Satz 1), schon um eine zuverlässige Dokumentation für sich daraus ergebende Verfahren (§ 260) oder Maßnahmen (§ 261) vorzulegen. Der Prüfungsbericht ist, versehen mit der Angabe von Ort und Datum, von den Sonderprüfern zu unterzeichnen, die damit zum Ausdruck bringen, dass sie die Verantwortung für das vorgelegte Prüfungsergebnis übernehmen.9 Eine zusätzliche mündliche Erörterung des Prüfungsberichts gegenüber der AG oder ihren Organen ist nicht zulässig.10 Die Sonderprüfer würden ihre Unparteilichkeit in Frage stellen, wenn sie einer der am Verfahren nach § 258 beteiligten Parteien besondere Erläuterungen zu ihrem Bericht gäben und diesen damit vielleicht näher begründen oder einschränken würden, solange die abschließenden Erklärungen nicht endgültig bestandsfest und gegebenenfalls durch das Gericht bestätigt sind. Aus den gleichen Erwägungen dürfen die Sonderprüfer dem Vorstand der AG oder den Aktionären, die ihre Bestellung beantragt haben, den Entwurf des Prüfungsberichts nicht vorweg zur Stellungnahme vorlegen.11 Zur Rolle des Sonderprüfers in der Hauptversammlung § 258 Rdn 199 f. 25 Sind mehrere Sonderprüfer bestellt (§ 258 Rdn 104), so können diese einen gemeinschaftlichen oder getrennte Berichte vorlegen, letzteres insbesondere dann, wenn sie zwar im Ergebnis ihrer Prüfung übereinstimmen, zu dessen Begründung aber verschiedener Ansicht sind.12 Kommen mehrere Sonderprüfer jedoch nicht zu einer übereinstimmenden abschließenden Feststellung nach Abs 2 bis 4, so ist die Sonderprüfung ergebnislos verlaufen, da die abschließenden Feststellungen wegen ihrer Bedeutung und Wirkung nicht unterschiedlich getroffen werden können. In einem solchen Falle müsste das Gericht neue Sonderprüfer bestellen, die die Sonderprüfung wiederholt durchführen müssen.13 26 Haben Sonderprüfer nach der Entscheidung des Gerichts sowohl bemängelte Posten eines Jahresabschlusses auf Unterbewertung als auch den Anhang darauf zu prüfen, ob die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig gemacht worden sind, so kann das Prüfungsergebnis mit den abschließenden Feststellungen hierzu in einem Bericht zusammengefasst werden.14 Der Bericht darf sich nicht auf die Darstellung des Prüfungsergebnisses beschrän27 ken, sondern muss alle Angaben enthalten, deren Kenntnis zur Beurteilung des Prüfungsergebnisses erforderlich sind, auch wenn deren Bekanntwerden geeignet ist, der AG oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 6 Satz 2 – Rdn 48). Da die an dem gerichtlichen Verfahren nach § 258 nicht beteiligten Aktionäre und die sonstigen Adressaten des Berichts über den Anlass der Bestellung von Sonderprüfern und den damit verbundenen Auftrag zu einer Sonderprüfung in der Regel nicht informiert sein werden, haben die Sonderprüfer zunächst hierüber, also über den Antrag von Aktionären zur Bestellung von Sonderprüfern und die Entscheidung des Gerichts, zu berichten. Sodann sind Art und Umfang der Prüfung des vom Gericht bestimmten Prüfungsgegenstandes zu erläutern und die hierbei von den Sonderprüfern angewandten Rechnungslegungsvorschriften und Beurteilungsmaßstäbe anzugeben (§ 321 Abs 3 Satz 2 HGB analog).

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9 K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 2; Hüffer/Koch14 Rdn 2. 10 AA Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 4; KK/Arnold3 Rdn 8. 11 Adler/Düring/Schmaltz6 §§ 142 bis 146 AktG Rdn 45. 12 K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 2 am Ende; MünchKomm/Koch4 Rdn 4. 13 Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 133. 14 KK/Arnold3 Rdn 7; MünchKomm/Koch4 Rdn 18.

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Der Prüfungsbericht muss ohne Heranziehung anderer Unterlagen und für jeder- 28 mann verständlich sein.15 Bei der Abfassung müssen die Sonderprüfer berücksichtigen, dass der Prüfungsbericht sich nicht, wie der Bericht über eine Abschlussprüfung, an sachkundige Adressaten richtet, sondern auch der Information von Personen dienen soll, denen der wirtschaftliche Hintergrund und der rechtliche Anlass der Prüfung nicht bekannt sind, und denen die in dem Bericht zu erläuternden Grundlagen der Rechnungslegung vielleicht nicht ohne weiteres geläufig sind.16 Schließlich entfällt die Berichtspflicht nicht, wenn der Vorstand einen neuen Jah- 29 resabschluss aufgestellt hat. Ebenso wenig berührt die Korrektur des fehlerhaften Jahresabschlusses die Berichtspflicht. Insofern tritt insbesondere keine Erledigung ein, da die Aktionäre in jedem Fall über das Ergebnis der Sonderprüfung informiert werden müssen. 2. Feststellung einer Überbewertung oder Verstoß gegen die Gliederungsvor- 30 gaben oder die Formblätter (Abs 1 Satz 2). Eine über die Darlegung des Verlaufs und des Ergebnisses einer Sonderprüfung hinausgehende besondere Berichtspflicht besteht nach Abs 1 Satz 2, wenn die Sonderprüfer bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben feststellen, dass Posten des der Prüfung zugrunde liegenden Jahresabschlusses überbewertet sind, bei der Aufstellung dieses Jahresabschlusses gegen Gliederungsvorschriften verstoßen oder Formblattverordnungen nicht beachtet wurden. Damit wird eine besondere und über den vom Gericht nach § 258 festgesetzten Prüfungsgegenstand hinausgehende Prüfung angeordnet (Rdn 31 ff). Dabei stellt sich insbesondere das Problem von Zufallsfunden (Rdn 34 f). Über die entsprechenden Feststellungen ist gesondert zu berichten (Rdn 37 ff). a) Inhalt der besonderen Prüfpflicht. Eine Überbewertung von Posten des Jah- 31 resabschlusses liegt aufgrund des Verweises in Abs 1 Satz 2 auf § 256 Abs 5 Satz 2 vor, wenn Aktivposten mit einem höheren Wert oder Passivposten mit einem niedrigeren Betrag angesetzt sind, als dies nach §§ 253 bis 256 HGB zulässig ist. Allgemeine Gliederungsvorschriften enthalten §§ 265 bis 278 HGB sowie §§ 152, 158 32 und 240 AktG. Formblätter für eine Gliederung des Jahresabschlusses werden gemäß § 330 Abs 1 33 HGB durch Rechtsverordnung vorgeschrieben. Dazu zählen: – Verordnung über die Gliederung des Jahresabschlusses von Verkehrsunternehmen17 – Verordnung über Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses von Wohnungsunternehmen18 – Pensionsfonds-Rechnungslegungsverordnung (RechPensV)19

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15 KK/Arnold3 Rdn 5; Grigoleit/Ehmann Rdn 2; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 4; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 4 am Ende; MünchKomm/Koch4 Rdn 3; Hüffer/Koch14 Rdn 2. 16 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 5; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 457. 17 Verordnung über die Gliederung des Jahresabschlusses von Verkehrsunternehmen vom 27.2.1968 (BGBl I, S 193), zuletzt geändert durch Art 8 Abs 11 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 17.7.2015 (BGBl I, S 1245). 18 Verordnung über Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses von Wohnungsunternehmen vom 22.9.1970 (BGBl I, S 1334), zuletzt geändert durch Art 8 Abs 12 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 17.7.2015 (BGBl I, S 1245). 19 Verordnung über die Rechnungslegung von Pensionsfonds vom 25.2.2003 (BGBl I, S 246), zuletzt geändert durch Art 8 Abs 15 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 17.7.2015 (BGBl I, S 1245).

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Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung (RechVersV)20 Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung (RechKredV)21

b) Keine Erweiterung des Prüfungsauftrags und Behandlung von Zufallsfunden. Der Wortlaut des Abs 1 Satz 2 macht deutlich, dass den Sonderprüfern damit kein erweiterter Prüfungsauftrag erteilt ist, auch Verstöße gegen die genannten Vorschriften zu untersuchen. Sie haben lediglich über entsprechende Feststellungen zu berichten, wenn sie bei Gelegenheit der Sonderprüfung getroffen werden, so dass gerade keine Pflicht besteht, aktiv nach diesen zu suchen.22 Ergibt sich für die Sonderprüfer, dass in Abs 1 Satz 2 bezeichnete Mängel des Jahresabschlusses vorliegen, so ist dies festzustellen. Eine besondere Problematik stellt die Aufdeckung von Fehlern durch den Sonder35 prüfer dar, die von dem vom Gericht festgelegten Prüfungsauftrag (§ 258 Rdn 179) abweichen (sogenannte Zufallsfunde23). Dabei muss danach unterschieden werden, worauf sich diese Zufallsfunde beziehen. Soweit diese die in Abs 1 Satz 2 genannten Fehler betreffen, müssen diese vom Sonderprüfer festgestellt und in den Sonderprüfungsbericht aufgenommen werden. Andere Fehler jenseits von Abs 1 Satz 2 sind vom Sonderprüfer hingegen nicht fest36 zustellen und in den Sonderprüfungsbericht aufzunehmen.24 Die bilanzielle Sonderprüfung dient nicht einer allumfassenden Prüfung des Jahresabschlusses, sondern beschränkt sich auf den vom Gericht festgelegten Prüfungsgegenstand sowie die in Abs 1 Satz 2 gesondert aufgeführten Fehler.

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c) Berichterstattung über die besondere Prüfpflicht. Der Sonderprüfer hat die in Abs 1 Satz 2 genannten Fehler in den Sonderprüfungsbericht unabhängig davon aufzunehmen, ob diese wesentlich sind oder nicht.25 Dies ergibt sich daraus, dass Abs 1 Satz 2 – im Gegensatz zu § 258 Abs 1 Satz 1 (§ 258 Rdn 53 ff) – tatbestandlich gerade nicht auf eine Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit Bezug nimmt. Die nach Abs 1 Satz 2 festgestellten und aufgedeckten Verstöße dürfen nicht in die 38 abschließenden Feststellungen aufgenommen werden.26 Dies ergibt sich daraus, dass der Inhalt der abschließenden Feststellung in Abs 2 ausdrücklich normiert wird und dieser keinen Bezug auf Abs 1 Satz 2 nimmt. Von diesem Grundsatz soll eine Ausnahme bei der Feststellung bestehen, dass nicht zum Prüfungsgegenstand gehörende Posten über37

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20 Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen vom 8.11.1994 (BGBl I, S 3378), zuletzt geändert durch Art 3 G zur Umsetzung der RL (EU) 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.12.2016 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.2018 (BGBl I, S 2672). 21 Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.12.1998 (BGBl I, S 3658), zuletzt geändert durch Art 8 Abs 13 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 17.7.2015 (BGBl I, S 1245). 22 Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 44; Adler/Düring/Schmaltz6 § 258 AktG Rdn 62 und § 259 AktG Rdn 6; KK/Arnold3 Rdn 9; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 5; K Schmidt/Lutter/ Kleindiek3 Rdn 6; MünchKomm/Koch4 Rdn 5; Hüffer/Koch14 Rdn 3; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 129, 131. 23 Allgemein zu Zufallsfunden und einer eventuellen Berichts- oder Redepflicht bei Sonderprüfungen Jänig Die aktienrechtliche Sonderprüfung, 2005, S 393 f. 24 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 7; KK/Arnold3 Rdn 9; MünchKomm/Koch4 Rdn 5; vgl auch Spindler/Stilz/ Mock4 § 145 Rdn 51 zum Parallelproblem bei der allgemeinen Sonderprüfung. 25 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 5; Hüffer/Koch14 Rdn 3. 26 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 12; Schedlbauer Sonderprüfungen, 1984, S 173; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 457.

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bewertet sind.27 Derartige Überbewertungen sollen in der abschließenden Feststellung nach Abs 2 aufgeführt werden, um die Aktionäre auf die Möglichkeit einer sich hieraus ergebenden Nichtigkeit des Jahresabschlusses hinzuweisen, und sie vor der Ausschüttung eines Ertrages aus höherer Bewertung nach § 261 Abs 3 (§ 261 Rdn 47 ff) zu bewahren, da ein solcher Ertrag möglicherweise durch festgestellte Überbewertungen verbraucht sein kann. Da die abschließenden Feststellungen gemäß Abs 5 (Rdn 69 ff) bekannt gemacht werden, würde ein solcher Hinweis weitergehender auf die möglichen Folgen festgestellter Überbewertungen aufmerksam machen, als der Prüfungsbericht, der beim Handelsregister eingesehen werden kann und von dem Abschriften angefordert werden können.28 Bei diesen Erwägungen wird jedoch nicht berücksichtigt, dass über die bei Gelegenheit einer Sonderprüfung nach § 258 festgestellten Überbewertungen weder hinsichtlich ihres Umfangs noch im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Wirksamkeit des Jahresabschlusses zu berichten ist. Die bloße Erwähnung von festgestellten Überbewertungen in der abschließenden Erklärung der Sonderprüfer könnte leicht zu Missverständnissen führen. Es ist deshalb ausreichend, wenn die Sonderprüfer hierauf im Prüfungsbericht hinweisen und damit die Verwaltungsorgane veranlassen, aufgezeigte Mängel zu korrigieren.29 Der Sonderprüfer hat über die in Abs 1 Satz 2 genannten Fehler zu berichten. Dabei 39 hat er diese nicht als Nichtigkeitsgründe nach § 256 zu qualifizieren.30 Zwar besteht insofern eine Deckungsgleichheit zwischen Abs 1 Satz 2 und § 256 Abs 4 und Abs 5 Satz 1 Nr 1. Allerdings dient die bilanzielle Sonderprüfung nicht der Feststellung der Nichtigkeit, sondern lediglich der Feststellung der Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses. Dies mag vom historischen Gesetzgeber ursprünglich anders konzipiert worden sein. Durch den im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Aktiengesetzes 1965 erfolgten Wandel von einer Durchführung der bilanziellen Sonderprüfung durch das Gericht hin zu einer Durchführung durch einen (externen) Sonderprüfer (§ 258 Rdn 18 ff) war aber auch zwingend verbunden, dass diese Feststellung nicht mehr durch den Sonderprüfer durchgeführt werden kann. Aus diesen Gründen hat der Sonderprüfer auch keine Stellungnahme dahingehend abzugeben, ob ein nichtiger Jahresabschluss inzwischen nach § 256 Abs 6 geheilt wurde oder nicht.31 3. Entsprechende Anwendung von § 145 Abs 4 bis 6 (Abs 1 Satz 3). Schließlich 40 verweist Abs 1 Satz 3 auf die für die reguläre Sonderprüfung geltenden Regelungen des § 145 Abs 4 bis 6. a) Einschränkung der Berichterstattung aufgrund gerichtlicher Entscheidung 41 (§ 145 Abs 4 und 5). Die grundsätzlich unbeschränkte Pflicht der Sonderprüfer zur Berichterstattung kann auf Antrag des Vorstands durch eine gerichtliche Entscheidung eingeschränkt werden (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 4 und 5). Eine solche Entscheidung kann ergehen, wenn überwiegende Belange der AG es gebieten, dass bestimmte Tatsa-

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27 So etwa Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 13; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 8; MünchKomm/Koch4 Rdn 7. 28 So Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 12 und 13. 29 KK/Arnold3 Rdn 10 am Ende; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 457. 30 KK/Arnold3 Rdn 10; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 5; MünchKomm/Koch4 Rdn 6; Hüffer/Koch14 Rdn 3; Frey WPg 1966, 663, 640; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 456 f; wohl anders Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 5; WP-Hdb/Plendl16 Rdn Q.1183. 31 Insofern widersprüchlich Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 44 (zweckmäßig, auf die Heilung aufmerksam zu machen); dem folgend KK/Arnold3 Rdn 10; Spindler/Stilz/ Euler/Sabel4 Rdn 5; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 5; MünchKomm/Koch4 Rdn 6; Hüffer/Koch14 Rdn 3.

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chen nicht in den Bericht aufgenommen werden, wenn diese Tatsachen zur Darlegung der Prüfung und des Prüfungsergebnisses nicht unerlässlich sind. § 145 Abs 4 spricht von überwiegenden Belangen der AG, ist aber nach seinem Zweck auch anzuwenden, wenn die Nachteilszufügung einem der AG verbundenen Unternehmen droht. Insoweit entsprechen die Voraussetzungen für eine Einschränkung der Berichterstattung denen, die eine Auskunftsverweigerung nach § 131 Abs 3 Nr 1 rechtfertigen. Aus demselben Grundgedanken gestatten es auch § 286 Abs 2 und Abs 3 Satz 1 Nr 2 HGB, bestimmte Angaben im Anhang zu unterlassen. Der Vorstand hat die drohenden Nachteile einer Berichterstattung für die AG oder ein Verbundunternehmen gegen die Notwendigkeit einer vollständigen Berichterstattung abzuwägen und beim Überwiegen der Nachteile auf eine Einschränkung der Berichterstattung hinzuwirken. Beispielsweise soll die nicht erforderliche Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen abgewendet werden.32 Die Einschränkung der Berichterstattung kann nur erfolgen, wenn dadurch der Zweck der Berichterstattung, bestimmte Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften offenzulegen und zu berichtigen oder dies zu veranlassen, nicht beeinträchtigt wird. Um dem Vorstand überhaupt die Möglichkeit zu geben, den Antrag nach Abs 4 und 5 stellen zu können, muss der Sonderprüfer den Entwurf des Sonderprüfungsberichts rechtzeitig an den Vorstand übermitteln.33 Eine vorherige – sozusagen präventive – Antragstellung durch den Vorstand ist unzulässig.34 Die unterlassene oder verspätete Zuleitung an den Vorstand stellt eine Pflichtverletzung des Sonderprüfers dar, die dessen Haftung nach § 258 Abs 5 Satz 1 alt. 3 (§ 258 Rdn 186 f) begründen kann. Die Sonderprüfer haben Angaben von Tatsachen, deren Kenntnis zur Beurteilung des Prüfungsergebnisses erforderlich ist, in ihrem Prüfungsbericht nur dann zu unterlassen, wenn das Gericht dies angeordnet hat. Hierfür ist das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk die AG ihren Sitz hat; besteht bei diesem Landgericht eine Kammer für Handelssachen, so entscheidet diese (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 5; §§ 94, 95 Abs 2 Nr 2 und § 71 Abs 2 Nr 4b GVG). Auf das gerichtliche Verfahren sind die Vorschriften des FamFG anzuwenden (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 5 Satz 2 und § 142 Abs 8). Beteiligte des Verfahrens sind die AG als Antragsteller (§ 7 Abs 1 FamFG) sowie die antragstellenden Aktionäre, deren Recht auf eine vollständige Berichterstattung eingeschränkt wird, und die Sonderprüfer, in deren Berichts- und Beurteilungspflichten und -rechte eingegriffen wird. Da die Beteiligten sich in diesem Verfahren nicht wie in einem Zivilprozess mit widerstreitenden vermögensrechtlichen Interessen gegenüberstehen, das Gericht vielmehr fürsorglich das Erfordernis einer verständlichen und vollständigen Berichterstattung einerseits und die Interessen der AG an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen andererseits abzuwägen hat, gilt für das Verfahren ohne Einschränkung der Amtsermittlungsgrundsatz, so dass das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen hat (§ 26 FamFG). Der Antrag des Vorstands ist zu begründen (§ 23 Abs 1 FamFG). Der Vorstand braucht hierbei aber nicht alle Umstände darzulegen, aus denen sich nach seiner An-

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32 Begr RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092 S 19. 33 Dazu – im Kontext der allgemeinen Sonderprüfung – BVerfG v 20.12.2017 – 1 BvR 2754/17, NZG 2018, 104 Tz 25; OLG Düsseldorf v 26.11.2015 – I-3 Wx 134/14, FGPrax 2016, 119, 120 f; Bachmann ZIP 2018, 101, 108; Marsch-Barner FS Baums, 2017, 775, 784; Wilsing Der Schutz vor gesellschaftsschädlichen Sonderprüfungen, 2014, 138 f; Wilsing/von der Linden/Ogorek NZG 2010, 729, 732; aA Kamm Die aktienrechtliche Sonderprüfung gemäß §§ 142 ff AktG, 2015, S 326 f; Kirschner Die Sonderprüfung der Geschäftsführung in der Praxis, 2007, S 319. 34 Ebenso KK/Arnold3 Rdn 13.

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Prüfungsbericht. Abschliedende Feststellungen | § 259

sicht ergibt, dass bestimmte Tatsachen nicht in den Prüfungsbericht aufzunehmen sind. Würde er hierzu verpflichtet sein, so würden diese Tatsachen offenkundig und das Verfahren zur Einschränkung der Berichterstattung damit gegenstands- und sinnlos werden. Der Vorstand muss aber konkrete Tatsachen vortragen, aus denen sich ergibt, dass überwiegende Belange der AG es gebieten, die Berichterstattung der Sonderprüfer einzuschränken. Würde eine solche Einschränkung dazu führen, dass die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach Abs 2 bis 4 nicht mehr verständlich wären, oder würden die abschließenden Feststellungen nach Abs 2 bis 4 von dieser Einschränkung betroffen sein, so ist dies von den Sonderprüfern darzulegen. Kann das Gericht sich aus den vorliegenden Unterlagen und den Ausführungen der Beteiligten eine abschließende Meinung bilden, so braucht es eine weitere Aufklärung nicht zu veranlassen. Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 38 FamFG), gegen den das Rechtsmittel 46 der Beschwerde zulässig ist (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 5 Satz 2 und § 142 Abs 5 Satz 2, § 58 FamFG) über die das Oberlandesgericht entscheidet (§ 119 Abs 1 Nr 2 GVG). Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung; das Beschwerdegericht kann jedoch anordnen, dass die Vollziehung ausgesetzt wird (§§ 40 Abs 1, 64 Abs 3 FamFG). Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht zugelassen hat (§ 70 FamFG). b) Pflicht zur schriftlichen Berichterstattung (§ 145 Abs 6 Satz 1). Da Abs 1 Satz 3 47 auch auf § 145 Abs 6 Satz 1 verweist, gilt für den Sonderprüfer die Pflicht zur schriftlichen Berichterstattung, die sich allerdings auch schon aus Abs 1 Satz 1 (Rdn 23 ff) ergibt. Da Abs 1 Satz 1 spezieller ist, geht der Verweis auf § 145 Abs 6 Satz 1 faktisch ins Leere und hat keine Bedeutung. c) Pflicht zur Aufnahme nachteiliger Tatsachen (§ 145 Abs 6 Satz 2). Aufgrund 48 des Verweises von Abs 1 Satz 3 auf § 145 Abs 6 Satz 2 muss der Sonderprüfer auch Tatsachen in seinen Bericht aufnehmen, deren Bekanntwerden geeignet ist, der AG oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Voraussetzung dafür ist aber, dass ihre Kenntnis zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs durch die Hauptversammlung erforderlich ist. Somit fehlt es für die Berichterstattung über die bilanzielle Sonderprüfung über eine Schutzklausel wie sie etwa bei der Anhangsberichterstattung im Übrigen (§ 160 Abs 2, § 286 Abs 1 HGB) vorgesehen ist. d) Einreichung beim Handelsregister (§ 145 Abs 6 Satz 3). Der Prüfungsbericht ist 49 von den Sonderprüfern zu unterzeichnen und von ihnen dem Vorstand und zum Handelsregister einzureichen (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 6 Satz 3). Hat die AG einen Doppelsitz, so ist die Vorlage an beide Registergerichte erforderlich. Der Bericht steht jedermann zu Informationszwecken zur Einsicht zur Verfügung; auch die Erteilung eines Ausdruckes oder einer Abschrift kann gefordert werden (§ 9 Abs 4 HGB). e) Anspruch auf Abschrift (§ 145 Abs 6 Satz 4). Die AG ist zudem verpflichtet, je- 50 dem Aktionär eine Abschrift des Prüfungsberichts zu erteilen, ohne hierfür Kosten zu berechnen (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 6 Satz 4). f) Vorlage an den Aufsichtsrat und Bekanntmachung als Tagesordnungspunkt 51 bei der nächsten Hauptversammlung (§ 145 Abs 6 Satz 5). Der Vorstand hat den Bericht dem Aufsichtsrat vorzulegen und bei Einberufung der nächsten Hauptversammlung als Gegenstand der Tagesordnung bekanntzumachen (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 6 Satz 5). Die Erörterung in der Hauptversammlung setzt voraus, dass ihr der Prüfungsbe243

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§ 259 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

richt vorgelegt wird, der Bericht also zur Einsichtnahme im Versammlungsraum zur Verfügung steht. Enthält der Prüfungsbericht eine abschließende Feststellung über eine nicht unwesentliche Unterbewertung (Abs 2 – Rdn 52 ff), so wird die Hauptversammlung mit der Vorlage des Berichts (Abs 1 Satz 3 iVm § 145 Abs 6) hierüber unterrichtet und in die Lage versetzt, einen Beschluss über die Verwendung eines Ertrags aufgrund höherer Bewertung gemäß § 261 Abs 3 Satz 2 zu fassen, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind (§ 261 Rdn 49 ff). Zur Rolle des Sonderprüfers auf der Hauptversammlung (§ 258 Rdn 199 f). III. Feststellung einer nicht unwesentlichen Unterbewertung (Abs 2) Durch Abs 2 wird der Inhalt der abschließenden Feststellungen geregelt, bei denen es sich um das zentrale Informationsinstrument des Sonderprüfers gegenüber den Aktionären handelt. Eine tatsächlich herausragende Bedeutung dürfte dieser Regelung aber nicht zukommen, da die Aktionäre jederzeit den im Handelsregister hinterlegten (kompletten) Sonderprüfungsbericht einsehen können (Rdn 38). Gegen die abschließenden Feststellungen nach Abs 2 und 3 können die AG oder Ak53 tionäre einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und damit eine Überprüfung der abschließenden Feststellung veranlassen (§ 260 Abs 1 Satz 1 – § 260 Rdn 19 ff). Wird keine gerichtliche Entscheidung beantragt, so sind die betroffenen Posten mit den von den Sonderprüfern in ihrer abschließenden Feststellung genannten Beträgen bzw Werten in dem ersten nach Ablauf der Antragsfrist aufzustellenden Jahresabschluss anzusetzen, um damit die Rechnungslegung der AG richtig zu stellen (§ 261 Abs 1 Satz 1 – § 261 Rdn 25 ff). 52

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1. Feststellung einer nicht unwesentlichen Unterbewertung (Satz 1). Kommen die Sonderprüfer zu dem Ergebnis, dass bestimmte Posten des Jahresabschlusses nicht unwesentlich unterbewertet sind, so müssen sie am Schluss ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung erklären, zu welchem Wert die einzelnen Aktivposten mindestens und mit welchem Betrag die einzelnen Passivposten höchstens anzusetzen waren (Angabe der Bewertungsdifferenz). Die genaue Bedeutung dieser Vorgaben für die Berichterstattung ist weitgehend unklar. Da Abs 2 Satz 1 Nr 1 im Hinblick auf die Aktivposten auf eine Mindestbewertung (mindestens) und im Hinblick auf die Passivposten auf eine Höchstbewertung (höchstens) abstellt, müssen diese Vorgaben dahingehend verstanden werden, dass der Sonderprüfer in der abschließenden Feststellung keine Bandbreite zulässiger Bewertungen angibt, sondern jeweils einen konkreten Wert, bei dem es sich um den jeweils gerade noch zulässigen Wert handelt.35 Die für Aktiva und Passiva gegenteilige Bezugnahme auf den Mindest- bzw Höchstwert erklärt sich aus dem Regelungszweck der bilanziellen Sonderprüfung, da diese nicht der objektiven Feststellung der Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses, sondern dem Schutz des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs der Aktionäre dient (§ 258 Rdn 4 ff). Außerdem schreibt Abs 2 Satz 1 Nr 2 vor, dass in der abschließenden Erklärung auch 55 anzugeben ist, um welchen Betrag sich der Jahresüberschuss beim Ansatz der richtigen Werte oder Beträge erhöht oder der Jahresfehlbetrag sich ermäßigt hätte. Anzugeben ist die Summe aller nach Maßgabe von §§ 258, 259 unzulässigen Unterbewertungen der von der Sonderprüfung erfassten Posten in dem Jahresabschluss. Die Folgen anderer

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35 Wohl auch im Ergebnis aber unklar Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 6 (Korrektur im Rahmen des Unvermeidlichen); mit der gleichen Formulierung MünchKomm/Koch4 Rdn 12; Hüffer/Koch14 Rdn 5.

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Prüfungsbericht. Abschliedende Feststellungen | § 259

festgestellter Bilanzierungsfehler, wie Überbewertungen oder auch Unterbewertungen, die nach der Entscheidung des Gerichts nicht Gegenstand der Sonderprüfung waren, bleiben unberücksichtigt.36 Dagegen sind die Aufwendungen zu berücksichtigen, die der AG aufgrund einer richtigen, also höheren Bewertung entstanden wären, beispielsweise zusätzliche Ertragssteuern auf einen zusätzlich entstehenden Gewinn, darauf zu zahlende Tantiemen oder ähnliches.37 Dies ergibt sich daraus, dass den Aktionären durch die Feststellung nach Abs 2 Satz 1 Nr 2 mitgeteilt werden soll, in welcher Höhe sie eine (Mehr-)Dividende erwarten können (Rdn 2 ff). Der Ausweis eines Bruttobetrages würde insofern falsche Erwartungen wecken und wäre mit diesem Regelungsziel nicht vereinbar. Weitere Angaben sind in den abschließenden Feststellungen nicht zu machen. Dies 56 gilt insbesondere für Überbewertungen in anderen Bilanzpositionen. Auf diese ist mangels Prüfungsauftrag und vor dem Hintergrund des Zwecks der bilanziellen Sonderprüfung in Form des Schutzes des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs der Aktionäre (§ 258 Rdn 4 ff) auch nicht hinzuweisen.38 Damit wird auch keine falsche Erwartungshaltung der Aktionäre begründet, da diese aufgrund der nach § 261 Abs 1 Satz 2 ohnehin zu berücksichtigenden Änderung von Verhältnissen keine entsprechende (uneingetrübte) Erwartungshaltung begründen können.39 2. Stichtagsprinzip (Abs 2 Satz 2). Das nach den allgemeinen Bewertungsgrundsät- 57 zen geltende Stichtagsprinzip (§ 252 Abs 1 Nr 4 HGB) kommt nach Abs 2 Satz 2 auch im Rahmen der bilanziellen Sonderprüfung zur Anwendung. Es bestimmt nicht nur, auf welchen Zeitpunkt der Jahresabschluss aufzustellen ist, sondern schreibt vor, dass er die Verhältnisse des Vermögens und der Schulden sowie der Aufwendungen und Erträge des Kaufmanns so darzustellen hat, wie sie am letzten Tage des Geschäftsjahres bestanden haben.40 Nachfolgend eingetretene Umstände sind nach den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses nur zu berücksichtigen, soweit sie sich wertaufhellend auf bereits am Bilanzstichtag vorliegende Tatsachen beziehen. Nach dem Abschlussstichtag des bemängelten Jahresabschluss eingetretene wertbeeinflussende Tatsachen bleiben hingegen unberücksichtigt.41 Somit muss der Sonderprüfer bei der Untersuchung des Vorliegens einer fehlerhaf- 58 ten Rechnungslegung die Umstände berücksichtigen, die zum Abschlussstichtag bereits vorlagen.42 Bei Prognosen und Wahlrechten ist er an deren Ausübung durch den Vorstand gebunden, auch wenn ihm eine abweichende Vorgehensweise zweckmäßiger erscheint.43 An Prognosen ist der Sonderprüfer auch dann gebunden, wenn sich diese in der Zwischenzeit als falsch herausgestellt haben sollten.44 3. Maßgeblichkeit der Bewertungs- oder Abschreibungsmethoden (Abs 2 Satz 3). 59 Die Angaben in den abschließenden Feststellungen müssen den Wert oder Betrag ange-

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36 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 6; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 5; Hüffer/Koch14 Rdn 3. 37 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 23; Hüffer/Koch14 Rdn 5; aA Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 6; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1973, S 134 ff und teilweise auch Schedlbauer Sonderprüfungen, 1984, S 171. 38 AA Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 13; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 8; Hüffer/Koch14 Rdn 3, 5. 39 Dies aber in diesem Zusammenhang annehmend Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 8. 40 Dazu Wöhe/Mock Die Handels- und Steuerbilanz7 § 9 Rdn 8. 41 Frey WPg 1966, 633, 638. 42 Ähnlich MünchKomm/Koch4 Rdn 10; Hüffer/Koch14 Rdn 4. 43 KK/Arnold3 Rdn 17; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 7; Hüffer/Koch14 Rdn 4. 44 K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 7; MünchKomm/Koch4 Rdn 11.

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§ 259 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

ben, mit dem jeder beanstandete Posten des Jahresabschlusses unter Zugrundelegung der bei der AG zulässig angewandten oder anzuwendenden Ansatz- und Bewertungsmethoden mindestens bzw höchstens bewertet werden durfte (Abs 2 Satz 3). Die Formulierung mindestens und höchstens besagen, dass die Sonderprüfer die zulässige Ausnutzung von Ansatz- und Bewertungsspielräumen durch die Gesellschaftsorgane respektieren müssen und nur insoweit korrigierend eingreifen dürfen, als solche Spielräume nicht bestehen oder überschritten sind. IV. Feststellung keiner oder nur einer unwesentlichen Unterbewertung (Abs 3) 60

Kommen die Sonderprüfer nach ihrer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung zu dem Ergebnis, dass keiner der bemängelten Posten unzulässig unterbewertet ist, so haben sie dies in ihrer abschließenden Feststellung zu erklären (Abs 3). Diese Negativerklärung ist auch abzugeben, wenn bei der Prüfung zwar eine, aber eine unwesentliche Unterbewertung festgestellt wurde.45 Da die abschließende Feststellung der Sonderprüfer ohne die erklärenden Erläuterungen im Prüfungsbericht zu veröffentlichen ist (Abs 5 – Rdn 69 f), muss diese Feststellung zum besseren Verständnis einen Hinweis enthalten, auf welche der bemängelten Posten sie sich bezieht.46

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Dies kann etwa in Form des folgenden Formulierungsbeispiels47 erfolgen „Nach meiner/unserer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung sind die bemängelten Posten im Jahresabschluss zum … nicht unzulässig unterbewertet.“

V. Abschließende Feststellungen bei Sonderprüfungen wegen unvollständiger Berichterstattung im Anhang (Abs 4) 62

Enthält der Anhang die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig oder unrichtig, so muss eine Berichtigung aufgrund einer Sonderprüfung dadurch herbeigeführt werden, dass in einer abschließenden Feststellung die Angaben nachgeholt werden (Abs 4 Satz 1 und 2). Anders als die positiven oder negativen abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer zu einer bemängelten unzulässigen Unterbewertung (Rdn 60 f) können die entsprechenden Feststellungen zu einer behaupteten unvollständigen Berichterstattung nicht in einem gerichtlichen Verfahren nach § 260 Abs 1 (§ 260 Rdn 14 ff) zur Überprüfung gestellt werden.

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1. Vervollständigung der Angaben im Anhang (Abs 4 Satz 1). Kommen die Sonderprüfer zu der Feststellung, dass das Fragerecht zu der bemängelten unvollständigen Berichterstattung in der Hauptversammlung erfolglos (iSv § 258 Abs 1 Satz 1 Nr 2 – § 258 Rdn 58 ff) ausgeübt wurde, und ergibt die weitere Prüfung, dass der Anhang die im Beschluss des Gerichts bezeichneten vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig oder unrichtig enthält, so haben die Sonderprüfer am Schluss ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung die fehlenden oder zu berichtigenden Angaben nachzuho-

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45 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 24; KK/Arnold3 Rdn 21; Grigoleit/Ehmann Rdn 3; Spindler/Stilz/Euler/ Sabel4 Rdn 9; MünchKomm/Koch4 Rdn 14. 46 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 9; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 10; Hüffer/Koch14 Rdn 6; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1973, S 132 mit Fn 72. 47 Mit diesem Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 24; dies ebenfalls empfehlend Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 9; Hüffer/Koch14 Rdn 6.

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Prüfungsbericht. Abschliedende Feststellungen | § 259

len (Abs 4 Satz 1), und zwar so, wie sie nach den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben48 vorgeschrieben sind.49 Hat der Sonderprüfer hingegen festgestellt, dass die im Anhang fehlenden Angaben 64 auf der Hauptversammlung erteilt und somit nachgeholt wurden, entfällt die Pflicht zur Berichterstattung durch den Sonderprüfer. Zum Einfluss auf das Negativtestat Rdn 67. 2. Angaben von Abweichungen von den angewandten Ansatz- und Bewer- 65 tungsmethoden (Abs 4 Satz 2). Eine zusätzliche Erklärung der Sonderprüfer in ihrer abschließenden Feststellung ist abzugeben, wenn sie aufgrund ihrer Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass im Anhang des bemängelten Jahresabschlusses die nach § 284 Abs 2 Nr 3 HGB vorgeschriebene Angabe einer Abweichung von im Vorjahresabschluss angewandten Ansatz- und Bewertungsmethoden unterlassen worden ist. Die Sonderprüfer haben nicht nur diese fehlende Angabe nachzuholen (Abs 4 Satz 1 66 – Rdn 63 f), sondern sie müssen in ihrer abschließenden Feststellung auch den Betrag angeben, um den der Jahresüberschuss oder der Jahresfehlbetrag ohne die Abweichung, deren Angabe unterlassen wurde, höher oder niedrigerer gewesen wäre (Abs 4 Satz 2). Hierfür ist in einer Vergleichsrechnung zu ermitteln, um welchen Betrag sich das in dem bemängelten Jahresabschluss ausgewiesene Jahresergebnis erhöht oder verringert hätte, wenn die von der Methodenabweichung betroffenen Posten nach den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des Vorjahresabschlusses ausgewiesen worden wären.50 Da diese Vergleichsrechnung nach § 284 Abs 2 Nr 3 HGB ohnehin vorzunehmen ist, kommt Abs 4 Satz 2 insofern nur eine klarstellende Funktion zu.51 3. Abgabe einer Negativerklärung bei vollständiger Berichterstattung (Abs 4 67 Satz 3). Hat die Sonderprüfung ergeben, dass die im Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern gerügte Berichterstattung im Anhang ordnungsgemäß ist, also die vorgeschriebenen Angaben vollständig und richtig gemacht worden sind, so haben die Sonderprüfer in einer abschließenden Feststellung zu erklären, dass nach ihrer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung im Anhang keine der vorgeschriebenen Angaben unterlassen worden sind (Abs 4 Satz 3). Obwohl das Gesetz dies nicht vorsieht, sollte bei dieser Negativerklärung angegeben werden, auf welche bemängelten Angaben im Anhang sich die Prüfung erstreckt hat, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, der Anhang sei auf Vollständigkeit und Richtigkeit aller vorgeschriebenen Angaben hin geprüft worden.52 4. Vervollständigung der Berichterstattung in der Hauptversammlung. Vor ei- 68 ner Prüfung der vollständigen Berichterstattung im Anhang, haben die Sonderprüfer zunächst zu prüfen, ob der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht hat und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist (§ 258 Rdn 97). In dem unwahrscheinlichen Fall, dass die Sonderprüfer aufgrund ihrer Prüfung entgegen den vorangegangenen Ermitt-

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48 Dazu im Überblick § 258 Rdn 81 ff. 49 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 27; KK/Arnold3 Rdn 22; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 10; MünchKomm/ Koch4 Rdn 15. 50 Formulierungsbeispiel bei Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 28. 51 Ebenso Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 11. 52 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 30 mit Formulierungsvorschlag; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 13; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 13; MünchKomm/Koch4 Rdn 17; Hüffer/Koch14 Rdn 9; Voß FS Münstermann 1969, S 443, 467.

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§ 260 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

lungen des Gerichts im Verfahren nach § 258 feststellen, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ist über ein Prüfungsergebnis nicht zu berichten und eine abschließende Feststellung iSv Abs 4 Satz 1 nicht zu treffen.53 Die Sonderprüfer können deshalb in ihrem Bericht lediglich darstellen, dass ihre Prüfung ergeben hat, dass die fehlenden Angaben in der Hauptversammlung gemacht wurden, oder dass sie zwar trotz gestellter Fragen nicht gemacht wurden, aber die Aufnahme der Fragen in die Niederschrift nicht verlangt worden ist und deshalb nicht zu prüfen war, ob der Anhang die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig enthält. Ein Antrag an das Gericht, im Hinblick auf dieses unbefriedigende Ergebnis den Beschluss über die Bestellung von Sonderprüfern aufzuheben,54 würde wegen der Rechtskraft des Beschlusses nicht erfolgreich sein (§ 258 Rdn 152). Er würde überdies zu dem gleichen Ergebnis führen, dass eine Sonderprüfung nicht durchzuführen ist. Auch dem Vorschlag, in derartigen Fällen in einer abschließenden Feststellung zu erklären, dass der Anhang zwar mangelhaft ist, jedoch die vorgeschriebene Erörterung in der Hauptversammlung nicht stattgefunden hat, kann nicht gefolgt werden, weil es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt. VI. Bekanntmachungen der abschließenden Feststellungen (Abs 5) 69

Der Vorstand hat die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen (Abs 5), also im Bundesanzeiger und gegebenenfalls noch in weiteren statutarisch bestimmten Medien (§ 25). Dabei muss hinreichend deutlich werden, dass die Feststellungen das Ergebnis einer Sonderprüfung sind.55 Die fehlende Bekanntmachung durch den Vorstand kann im Rahmen des Zwangs70 geldverfahrens durch das Registergericht durchgesetzt werden (§ 407). Ein Ordnungswidrigkeits- oder Straftatbestand ist nicht vorgesehen. VII. Freiwillige oder informelle Sonderprüfung 71

Die in § 259 vorgesehenen Regelungen zur Berichterstattung gelten nicht im Rahmen von freiwilligen oder informellen Sonderprüfungen (§ 258 Rdn 201 ff). Soweit aber einzelnen Aktionären das Ergebnis einer solchen Prüfung mitgeteilt wird, muss dies aufgrund von § 53a allen Aktionären zugänglich gemacht werden. Zudem können die Aktionäre auf der Hauptversammlung Auskunft über den Bericht nach § 131 verlangen.

§ 260 Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen § 260 Mock https://doi.org/10.1515/9783110294248-005

(1) 1 Gegen abschließende Feststellungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs 2 und 3 können die Gesellschaft oder Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen, innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger den Antrag auf Entscheidung durch das nach § 132 Abs 1 zuständige Gericht stellen.

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53 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 72; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 12. 54 So der Gedanke von Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 72. 55 KK/Arnold3 Rdn 26; Grigoleit/Ehmann Rdn 5; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 14; MünchKomm/Koch4 Rdn 19; Hüffer/Koch14 Rdn 10.

Mock https://doi.org/10.1515/9783110294248-005

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Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen | § 260

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§ 258 Abs 2 Satz 4 und 5 gilt sinngemäß. 3 Der Antrag muss auf Feststellung des Betrages gerichtet sein, mit dem die im Antrag zu bezeichnenden Aktivposten mindestens oder die im Antrag zu bezeichnenden Passivposten höchstens anzusetzen waren. 4 Der Antrag der Gesellschaft kann auch auf Feststellung gerichtet sein, dass der Jahresabschluss die in der abschließenden Feststellung der Sonderprüfer festgestellten Unterbewertungen nicht enthielt. (2) 1 Über den Antrag entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. 2 § 259 Abs 2 Satz 2 und 3 ist anzuwenden. 3 Soweit die volle Aufklärung aller maßgebenden Umstände mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, hat das Gericht die anzusetzenden Werte oder Beträge zu schätzen. (3) 1 § 99 Abs 1, Abs 2 Satz 1, Abs 3 und 5 gilt sinngemäß. 2 Das Gericht hat seine Entscheidung der Gesellschaft und, wenn Aktionäre den Antrag nach Absatz 1 gestellt haben, auch diesen zuzustellen. 3 Es hat sie ferner ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. 4 Die Beschwerde steht der Gesellschaft und Aktionären zu, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen. 5 § 258 Abs 2 Satz 4 und 5 gilt sinngemäß. 6 Die Beschwerdefrist beginnt mit der Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger, jedoch für die Gesellschaft und, wenn Aktionäre den Antrag nach Absatz 1 gestellt haben, auch für diese nicht vor der Zustellung der Entscheidung. (4) 1 Die Kosten sind, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Gesellschaft, sonst dem Antragsteller aufzuerlegen. 2 § 247 gilt sinngemäß. Schrifttum Siehe die Nachweise bei § 258.

I.

II.

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Systematische Übersicht Grundlagen | 1 1. Inhalt der Regelung | 1 2. Zweck der Regelung | 2 3. Gesetzesgeschichte | 4 4. Wirtschaftliche Bedeutung | 8 Europäisches Recht | 9 5. 6. Ausländisches Recht | 11 7. Rechtspolitische Würdigung | 12 8. Reform | 13 Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Abs 1) | 14 1. Anwendungsbereich | 14 Verfahrensgrundsätze | 17 2. 3. Antragstellung (Abs 1 Satz 1) | 19 a) Zuständiges Gericht | 20 b) Form | 21 c) Frist | 22 d) Antragsberechtigung | 23 e) Antragsinhalt | 26 4. Erfordernis der Hinterlegung der Aktien und Vorbesitz (Abs 1 Satz 2) | 27 5. Bestimmtheit des Antrags (Abs 1 Satz 3) | 29

6.

III.

Antrag der Aktiengesellschaft (Abs 1 Satz 4) | 31 7. Beschränkung des Antragsrechts auf Dividendenerhöhung bzw -reduzierung | 32 Entscheidung des Gerichts (Abs 2) | 33 1. Ablauf des gerichtlichen Verfahrens | 33 a) Bekanntmachung des Antrags | 33 b) Anhörungen und Hinweise | 35 c) Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen | 37 d) Erhebung von Beweisen | 38 2. Entscheidung des Gerichts (Abs 2 Satz 1) | 39 3. Entsprechende Anwendung von § 259 Abs 2 Satz 2 und 3 (Abs 2 Satz 2) | 41 4. Schätzung der anzusetzenden Werte oder Beträge (Abs 2 Satz 3) | 42

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§ 260 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

IV.

Art und Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidung (Abs 3) | 43 1. Art und Inhalt der Entscheidung (Abs 3 Satz 1) | 43 2. Bekanntgabe und Bekanntmachung (Abs 3 Satz 2) | 47

Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (Abs 3 Satz 3) | 48 4. Rechtsmittel (Abs 3 Satz 4 bis 6) | 49 Verfahrenskosten (Abs 4) | 54 3.

V.

I. Grundlagen 1

1. Inhalt der Regelung. Erstreckt sich eine Sonderprüfung auf eine unzulässige Unterbewertung, so lässt § 260 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs 2 und 3 zu. § 260 regelt die Voraussetzungen und den Inhalt eines solchen Antrags, die Zuständigkeit des Gerichts und die Grundsätze des gerichtlichen Verfahrens sowie die Bekanntmachung der Entscheidung, die Rechtsmittel und die Kostenverteilung.

2. Zweck der Regelung. Mit der Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 Abs 1 Satz 1 Nr 1 (§ 258 Rdn 58 ff) hatte das Gericht nur zu entscheiden, ob ein Anlass für die Annahme besteht, dass in einem festgestellten Jahresabschluss bestimmte Posten nicht unwesentlich unterbewertet sind. Ob und in welchem Umfang diese Annahme zutrifft und damit die normative Ordnung innerhalb der Aktiengesellschaft gestört worden ist, hatte das Gericht nicht festzustellen, sondern dies sachkundigen Wirtschaftsprüfern zu überlassen, die nach einer anlassbezogenen Sonderprüfung deren Ergebnis mit ihren abschließenden Feststellungen nach § 259 Abs 2 und 3 (§ 259 Rdn 52 ff und 60 ff) vorzulegen hatten. § 260 enthält die Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung dieser Feststellung der Sonderprüfer und ist damit Teil der Gesamtkonzeption der §§ 258 ff. Eine gerichtliche Überprüfung ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen erforderlich, da die von den Sonderprüfern getroffenen Feststellungen nicht ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle zu einer Änderung der Rechnungslegung führen sollen.1 3 Einen gleichen Rechtsbehelf gibt es bei einer Sonderprüfung wegen unvollständiger Berichterstattung im Anhang (§ 258 Abs 1 Satz 1 Nr 2 – § 258 Rdn 81 ff) nicht. Anders als eine unzulässige Unterbewertung, die in einem vom Vorstand aufzustellenden späteren Jahresabschluss aufzulösen ist (§ 261), muss eine festgestellte Unvollständigkeit der Berichterstattung des Vorstands mit der abschließenden Erklärung der Sonderprüfer nachgeholt werden (§ 259 Abs 4 – § 259 Rdn 62 ff). Ist diese Feststellung der Sonderprüfer unrichtig, so ergeben sich hieraus keine finanziellen Folgen. Der Gesetzgeber hat deshalb und um das Sonderprüfungsverfahren nicht zu verlängern, davon Abstand genommen, das gerichtliche Verfahren auch gegen die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer zur Anhangs-Berichterstattung zuzulassen. Er ist hierbei auch von der Erwartung ausgegangen, dass ein Verfahren nach § 260 nur in Ausnahmefällen stattfinden wird, weil die Ergebnisse der Sonderprüfung vielfach von allen Beteiligten anerkannt werden.2 Außerdem verliert die Berichterstattung im Anhang im Lauf der Zeit viel schneller an Bedeutung als die harten Zahlen der Bilanz. 2

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3. Gesetzesgeschichte. § 260 ist ein wesentlicher Bestandteil des auf Vorschlag des Rechts- und des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages mit dem Aktienge-

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1 Ebenso KK/Arnold3 Rdn 3; MünchKomm/Koch4 Rdn 2. 2 Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 43; dem folgend Hüffer/Koch14 Rdn 1.

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Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen | § 260

setz 19653 eingeführten Rechtsbehelfs der Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung nach §§ 258 ff (§ 258 Rdn 18 ff). Das AktG 1965 hatte für einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 und für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 260 einen gleichen Anteilsbesitz in Höhe des zwanzigsten Teils des Grundkapitals oder mit einem anteiligen Grundkapitalbetrag von einer Million DM (nach Umstellung entsprechend 500.000 Euro) vorgeschrieben und damit teilweise das früher nach § 198 Abs 2 AktG 1937 erforderliche Quorum für die Anfechtung eines von der Hauptversammlung festgestellten Jahresabschlusses wegen der Bildung unzulässiger stiller Rücklagen übernommen. Durch das Stückaktiengesetz4 und das Euroeinführungsgesetz5 ergaben sich 1998 5 kleinere Änderungen ohne sachliche Folgen. Weitere kleinere Änderungen erfolgen 2004 durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat6 und 2001 durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung7. Überraschend hat 2005 die mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Mo- 6 dernisierung des Anfechtungsrechts8 erfolgte Herabsetzung der Beteiligungsquoren, die Voraussetzung für einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern nach §§ 142 Abs 2, 258 und 315 Satz 2 waren,9 nicht zu einer entsprechenden Anpassung auch des Aktienbesitzes geführt, über den eine Aktionärsminderheit für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Abs 1 Satz 1 (Rdn 19 ff) oder für eine Beschwerde nach Abs 3 Satz 4 (Rdn 49 ff) verfügen muss. Obwohl der für einen Antrag nach § 258 erforderlichen Aktienbesitz um vier Fünftel auf den hundertsten Teil des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 € herabgesetzt wurde, erfolgte eine entsprechende Anpassung des § 260 nicht. Ein vernünftiger Grund für diese unterschiedliche Regelung in zwei aufeinander abgestimmten und dem gleichen Zweck dienenden Abschnitten eines Sonderprüfungsverfahrens ist nicht erkennbar; offensichtlich wurde die Notwendigkeit einer Anpassung des § 260 übersehen.10 Schließlich erfolgten 2008 kleinere Änderungen durch das FGG-Reformgesetz11 und 7 2013 durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts12, die vor allem zu Änderungen in Abs 4 (Rdn 54 ff) führten. Die Norm ist seitdem unverändert.

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3 Aktiengesetz vom 6.9.1965, BGBl I, S 1089. 4 Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz – StückAG) vom 25.3.1998, BGBl I S 590. 5 Gesetz zur Einführung des Euro (Euro-Einführungsgesetz – EuroEG) vom 9.6.1998, BGBl I S 1242. 6 Zweite Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat v 18.5.2004, BGBl I S 974. 7 Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung v 22.12.2011, BGBl I S 3044. 8 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl I S 2802. 9 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl I S 2802. 10 Auf diese Unstimmigkeit weisen auch Wilsing/Neumann DB 2006, 31, 32 hin. 11 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 17.12.2008, BGBl I S 2586. 12 Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG, BGBl I S 2586.

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§ 260 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

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4. Wirtschaftliche Bedeutung. Die wirtschaftliche Bedeutung des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens der Feststellungen des Sonderprüfers ist ebenso wie die bilanzielle Sonderprüfung als solche (§ 258 Rdn 27 ff) als gering einzuschätzen.

5. Europäisches Recht. Die in der letztlich nicht verabschiedeten Konzernrechtsrichtlinie13 vorgesehene Regelung einer Sonderprüfung enthielt keine spezifischen Vorgaben für das gerichtliche Überprüfungsverfahren der Feststellungen des Sonderprüfers. Ebenso wenig sieht Chapter 11 Section 32 Abs 4 European Model Companies Act (EMCA) eine solche vor. Zur Sonderprüfung im EMCA § 258 Rdn 3. 10 Bei der Europäischen Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland findet die § 260 uneingeschränkt Anwendung (Art 9 Abs 1 lit c) ii) SE-VO). 9

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6. Ausländisches Recht. Da eine (besondere) bilanzielle Sonderprüfung in den meisten Rechtsordnungen nicht existiert (§ 258 Rdn 33), fehlt es dort auch an einer § 260 entsprechenden Regelung.

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7. Rechtspolitische Würdigung. Die Möglichkeit eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens der Feststellungen des Sonderprüfers ist konsequent und vor allem im Hinblick auf die weiteren Folgen der bilanziellen Sonderprüfung in § 261 erforderlich. Allerdings sind Zweifel an der Höhe des für die Antragstellung durch die Aktionäre erforderlichen Quorums (Rdn 23) angebracht, zumal dieses für die reguläre Sonderprüfung (§ 142 Abs 2) und für das Klagezulassungsverfahren (§ 148 Abs 1 Satz 1) mit jeweils 100.000 Euro deutlich geringer ausfällt. Zu den insofern rechtshistorischen Gründen des fehlenden Gleichlaufs der Quoren Rdn 6.

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8. Reform. Eine eigenständige Reformdebatte zur Berichterstattung über die bilanzielle Sonderprüfung hat in den vergangenen Jahren nicht stattgefunden, was vor allem auf die geringe praktische Bedeutung (Rdn 8) zurückzuführen sein dürfte. II. Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Abs 1)

1. Anwendungsbereich. Im Verfahren nach § 260 kann eine gerichtliche Entscheidung nur über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs 2 und Abs 3 (§ 259 Rdn 52 ff und 60 f) ergehen, also darüber, ob und mit welchem Betrag die in der Entscheidung des Gerichts über die Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 Abs 1 Satz 1 Nr 1 (§ 258 Rdn 58 ff) bezeichneten Posten des Jahresabschlusses (die „bemängelten Posten“ iSv § 259 Abs 2 Satz 1 und Abs 3) abweichend von den abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer anzusetzen sind. Die abschließenden Feststellungen nach § 259 Abs 2 Satz 1 Nr 2 (§ 259 Rdn 55) über 15 die Auswirkungen der Unterbewertung auf das Jahresergebnis werden von Abs 1 nicht erfasst, so dass eine Entscheidung des Gerichts hierzu nicht ergehen kann.14 Auch die abschließende Feststellung der Sonderprüfer nach § 259 Abs 4 (§ 259 Rdn 62 ff) zur Vollständigkeit der Berichterstattung im Anhang und zu den hierzu in der Hauptversammlung geführten Erörterung (§ 258 Abs 1 Satz 3 – § 258 Rdn 100) sind in einem Verfahren nach § 260 nicht zu prüfen.

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13 Entwurfes einer Neunten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie von 1984, DOK III/1639/84, abgedruckt in ZGR 1985, 444 ff. 14 KK/Arnold3 Rdn 21.

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Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen | § 260

Auch die von den Sonderprüfern anlässlich ihrer Prüfung festgestellten Überbewer- 16 tungen, Verstöße gegen Gliederungsvorschriften, die Nichtbeachtung von Formblättern (§ 259 Abs 1 Satz 2 – § 259 Rdn 30 ff) und andere Mängel des Jahresabschlusses können nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 260 sein. Diese, bei Gelegenheit des Sonderprüfung festgestellten Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften können jedoch für die Wirksamkeit des betroffenen Jahresabschlusses von Bedeutung sein. Aus einer Überbewertung kann sich gemäß § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 1 (§ 256 Rdn 71 ff) die Nichtigkeit des Jahresabschlusses ergeben, ebenso aus § 256 Abs 4 (§ 256 Rdn 54 ff) bei einem Verstoß gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses sowie wegen der Nichtbeachtung von Formblättern. Den Aktionären ist es überlassen, die Feststellung derartiger Verstöße anlässlich der Sonderprüfung nach § 258 zum Anlass einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses zu nehmen (§ 256 Abs 7).15 Ob auch gegen die abschließende Feststellung der Sonderprüfer nach § 259 Abs 4 über die Berichterstattung des Vorstands im Anhang eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhoben werden kann, ist zu verneinen.16 Eine unvollständige Berichterstattung iSv § 258 Abs 1 Satz 1 Nr 2 (§ 258 Rdn 81 ff) kann abschließend nur von den Sonderprüfern gemäß § 259 Abs 4 festgestellt werden. Weitere rechtliche Schutzbehelfe will das AktG nicht gelten lassen, und deshalb kann hierüber auch nicht aufgrund einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO entschieden werden, zumal für eine solche Klage das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte.17 2. Verfahrensgrundsätze. Auf das gerichtliche Verfahren nach § 260 sind die Vor- 17 schriften des FamFG anzuwenden, soweit im AktG nichts anderes bestimmt ist. Bereits für das in §§ 249, 250 RegE AktG 1965 vorgeschlagene Verfahren, mit dem einer Minderheit das Recht eingeräumt werden sollte, gegen die Bildung unzulässiger stiller Rücklagen in einem von der Hauptversammlung festgestellten Jahresabschluss eine gerichtliche Entscheidung zu beantragen (§ 258 Rdn 19), war vorgesehen, dass dieses Verfahren sich weitgehend nach den Vorschriften richten sollte, die für die gerichtliche Prüfung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, der Auskunftsverweigerung sowie des Ausgleichs und der Abfindung für Unternehmensverträge vorgesehen waren.18 Im selben Sinne verweist auch heute noch Abs 3 Satz 1 (Rdn 43 ff) auf wesentliche Teile des § 99, betreffend das Statusverfahren über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Dieses Verfahren richtet sich heute grundsätzlich nach dem FamFG (§ 99 Abs 1), allerdings mit Abwandlungen und Ergänzungen (§ 99 Abs 2 bis 5), die auch für das Verfahren nach § 260 gelten, soweit sie hierfür passen. Darauf aufbauend ordnet Abs 2 bis 4 weitere Abwandlungen und Ergänzungen für das Sonderprüfungs-Kontrollverfahren an. Für das Verfahren nach § 260 gilt die Dispositionsmaxime. Die Aktiengesellschaft 18 oder die antragstellenden Aktionäre entscheiden als Verfahrensbeteiligte, ob und über welchen Gegenstand ein Verfahren nach § 260 durchgeführt werden soll. Dem Recht der Antragsteller, ein Verfahren einzuleiten, entspricht ihre Befugnis, das Verfahren durch eine Antragsrücklage ganz oder teilweise zu beenden (§ 22 FamFG). Das Gericht hat nach dem für das Verfahren maßgeblichen Amtsermittlungsgrundsatz von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen

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15 Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 468. 16 KK/Arnold3 Rdn 5; MünchKomm/Koch4 Rdn 3 am Ende; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 468; aA Frey WPg 1966, 633, 640 und Scherpf Die aktienrechtliche Rechnungslegung und Prüfung, 1967, Rdn 809. 17 Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 468, im Ergebnis auch aA Frey WPg 1966, 633, 640 und Scherpf Die aktienrechtliche Rechnungslegung und Prüfung, 1967, Rdn 809. 18 Begr RegE AktG, BT-Drucks IV/171 S 207.

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§ 260 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

durchzuführen (§ 26 FamFG).19 Die Verfahrensleitung obliegt dem Gericht (§ 28 FamFG). Als Beteiligte des Verfahrens sind die Aktiengesellschaft und die antragstellenden Aktionäre gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 27 Abs 1 FamFG); sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und wahrheitsgemäß abzugeben (§ 27 Abs 2 FamFG). Da die Verfahrensbeteiligten sich in Verfahren nach § 258 und § 260 ähnlich wie in einem Zivilprozess mit widerstreitenden vermögensrechtlichen Interessen gegenüberstehen, kann das Gericht davon ausgehen, dass jede Partei die ihr günstigen Umstände von sich aus vorbringt (§ 258 Rdn 109 ff). 19

3. Antragstellung (Abs 1 Satz 1). Das gerichtliche Verfahren über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer findet nur aufgrund eines Antrages statt, der innerhalb einer bestimmten Frist von der Aktiengesellschaft oder hierzu berechtigten Aktionären gestellt werden muss (Abs 1).

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a) Zuständiges Gericht. Zuständiges Gericht ist gemäß Abs 1 Satz 1 iVm § 132 Abs 1 das Landgericht, in dessen Bezirk die Aktiengesellschaft ihren Sitz hat. Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so entscheidet diese anstelle der Zivilkammer (§§ 94, 95 Abs 2 Nr 2 iVm § 71 Abs 2 Nr 4b GVG). Die Landesregierung kann die Entscheidung durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte einem Landgericht übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient (§ 71 Abs 4 GVG). Hat die Aktiengesellschaft einen Doppelsitz, so ist jedes der in Betracht kommenden Landgerichte zuständig; es entscheidet das Gericht, das zuerst in der Sache tätig geworden ist (§ 2 Abs 1 FamFG). Geht der Antrag bei einem Gericht ein, das örtlich oder sachlich unzuständig ist, so hat sich dieses, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, durch Beschluss für unzuständig zu erklären und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen (§ 3 Abs 1 Satz 1 FamFG).

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b) Form. Eine besondere Form ist für den Antrag nicht vorgeschrieben; er kann schriftlich oder per Telefax oder E-Mail oder in ähnlicher Weise übermittelt oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts erklärt werden. Anwaltliche Vertretung ist zulässig, aber nicht vorgeschrieben (§ 258 Rdn 115).

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c) Frist. Der Antrag muss innerhalb eines Monats gestellt werden nachdem die in § 259 Abs 2 und 3 (§ 259 Rdn 52 ff) bezeichneten Feststellungen der Sonderprüfer gemäß § 259 Abs 5 (§ 259 Rdn 69 f) und § 25 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden sind (Abs 1 Satz 1); die Veröffentlichung in anderen Gesellschaftsblättern ist ohne Bedeutung. Wie bei einem Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 Abs 2 Satz 1 (§ 258 Rdn 107 ff) ist diese Frist keine Verfahrensvoraussetzung, sondern eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, mit deren Ablauf das Antragsrecht der Antragsberechtigten endgültig entfällt. Die Antragsfrist ist auch bei einer Entgegennahme des Antrags durch das unzuständige Gericht gewahrt (§ 281 ZPO analog). Für den Beginn der Frist und ihren Ablauf gelten die Auslegungsvorschriften der §§ 186 bis 193 BGB (zur Antragsfrist § 258 Rdn 116 ff).20

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d) Antragsberechtigung. Der Antrag kann nur von der Aktiengesellschaft oder von Aktionären mit einem bestimmten Beteiligungsquorum gestellt werden (Abs 1

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Ebenso KK/Arnold3 Rdn 18. Hüffer/Koch14 Rdn 4.

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Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen | § 260

Satz 1). Andere Personen sind nicht antragsberechtigt. Dies gilt für den Aufsichtsrat als Organ, ebenso für einzelne seiner Mitglieder oder Mitglieder des Vorstands, aber auch für den Abschlussprüfer, der den bemängelten Jahresabschluss geprüft hat. Letzterer mag zwar in seinem beruflichen Ansehen durch Feststellungen der Sonderprüfer, die seinen bei der Abschlussprüfung erteilten Bestätigungsvermerk in Frage stellen, beeinträchtigt worden sein.21 Jedoch geht es im Verfahren nach § 260 nicht um die Klärung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Sachverständigen, sondern um die Feststellung des finanziellen Gehalts mitgliedschaftlicher Rechte zwischen der Aktiengesellschaft und ihren Aktionären.22 Stellt die Aktiengesellschaft den Antrag, so wird sie hierbei von ihrem Vorstand 24 vertreten (§ 78 Abs 1). Eine Zustimmung des Aufsichtsrats für einen solchen Antrag ist nicht schon deshalb erforderlich, weil der Jahresabschluss von ihm geprüft und gegebenenfalls auch festgestellt wurde (§§ 171, 172).23 Nur, wenn die Satzung oder eine vom Aufsichtsrat erlassene Geschäftsordnung bestimmt, dass der Vorstand dieser Zustimmung bedarf, oder wenn hierzu ein Einzelbeschluss des Aufsichtsrats gefasst wird (§ 111 Abs 4 Satz 2), ist seine Zustimmung erforderlich.24 Allerdings ist auch ein ohne diese Zustimmung gestellter Antrag des Vorstands wirksam. Der Antrag kann auch von einem Aktionär alleine oder von mehreren Aktionären 25 gemeinsam gestellt werden, vorausgesetzt, der oder die Antragsteller verfügen über den nach Abs 1 Satz 1 erforderlichen Anteilsbesitz. Die antragstellenden Aktionäre können, aber müssen nicht mit denen identisch sein, die den Antrag nach § 258 Abs 1 Satz 1 Nr 1 (§ 258 Rdn 58 ff) auf Bestellung von Sonderprüfern gestellt haben.25 Es können auch mehrere antragsberechtigte Aktionäre oder Aktionärsgruppen Anträge mit unterschiedlichem Inhalt stellen, beispielsweise die Feststellung unterschiedlicher Mindestwerte oder Höchstbeträge bemängelter Posten begehren. Die antragstellenden Aktionäre müssen über Anteile im Umfang von 5% des Grundkapitals oder mit einem anteiligen Grundkapitalbetrag (Nominalbetrag) von 500.000 € verfügen (Abs 1 Satz 1). Es genügt, wenn eine dieser beiden Schwellen erreicht ist. Stellen mehrere Aktionäre oder Aktionärsgruppen gesonderte Anträge, muss jeder Antrag von einem solchen Anteilsbesitz getragen sein. Das Beteiligungsquorum muss im Zeitpunkt der Antragsstellung bestehen, und maßgebend sind die Kapitalverhältnisse der Aktiengesellschaft in diesem Zeitpunkt (zur Berechnung des Beteiligungsquorums § 258 Rdn 123). e) Antragsinhalt. Der erforderliche Inhalt des Antrags ist in Abs 1 Satz 2 und 4 ge- 26 regelt (Rdn 27 ff und 54 ff). 4. Erfordernis der Hinterlegung der Aktien und Vorbesitz (Abs 1 Satz 2). Dar- 27 über hinaus gelten nach Abs 1 Satz 2 die Bestimmungen der § 258 Abs 2 Satz 4 und 5 (§ 258 Rdn 129 ff) sinngemäß. Die antragstellenden Aktionäre müssen also entsprechend

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21 Unter Hinweis hierauf regen Frey WPg 1966, 633, 637 und Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 450 an, den Abschlussprüfern ein Antragsrecht im Verfahren nach § 260 zu geben. Dies richtigerweise ablehnend KK/Arnold3 Rdn 10; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 2; MünchKomm/Koch4 Rdn 6; Hüffer/Koch14 Rdn 2. 22 In diesem Sinne auch Claussen FS Barz, 1974, S 317, 323; zustimmend Hüffer/Koch14 Rdn 2. 23 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 3; Hüffer/Koch14 Rdn 2. 24 KK/Arnold3 Rdn 8; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 3; MünchKomm/Koch4 Rdn 4; Hüffer/Koch14 Rdn 2; zweifelnd Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 2 (Fn 4). 25 Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 44 f; ebenso Spindler/Stilz/ Euler/Sabel4 Rdn 10; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 3; MünchKomm/Koch4 Rdn 5; Hüffer/Koch14 Rdn 2.

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§ 260 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

§ 258 Abs 2 Satz 4 Halbsatz 1 (§ 258 Rdn 129 f) ihre Aktien hinterlegen oder eine Versicherung des depotführenden Instituts vorlegen, dass die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag nicht veräußert werden. Dies soll sicherstellen, dass das Gericht von einer Veräußerungsabsicht der antragstellenden Aktionäre und damit von einem Wegfall ihrer Antragsberechtigung Kenntnis erlangt. Die Antragsteller brauchen ihre Aktien nach dieser Bestimmung nur bis zur Entscheidung des Gerichts im erstinstanzlichen Verfahren zu hinterlegen und eine Versicherung des depotführenden Instituts nur für diese Zeit beizubringen.26 Allerdings schreibt Abs 3 Satz 5 eine gleiche Verpflichtung für Aktionäre vor, die nachfolgend gegen eine Entscheidung des Landgerichts Beschwerde einlegen (Rdn 52). Des Weiteren müssen die Antragsteller nach Abs 1 Satz 2 und entsprechend § 258 28 Abs 2 Satz 4 Halbsatz 2 und Satz 5 (§ 258 Rdn 129 ff) glaubhaft machen, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind, wobei zur Glaubhaftmachung die eidesstattliche Versicherung vor einem Notar genügt. Gemeint ist die Hauptversammlung, welcher der Jahresabschluss vorgelegt worden ist, oder die den Abschluss festgestellt hat (§ 258 Rdn 60). Vom Tag dieser Hauptversammlung an ist die Dreimonatsfrist für den Aktienvorbesitz der Antragsteller rückwärts zu rechnen und nicht etwa, wie vereinzelt angenommen, vom Tag der Veröffentlichung der abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer im Bundesanzeiger. Zwar ließe sich auch letzteres mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang bringen, weil die Bestimmung des § 258 Abs 2 Satz 4 Halbsatz 2 (§ 258 Rdn 129 f), die auf den Tag der Hauptversammlung abstellt, nach Abs 1 Satz 2 (Rdn 27) nur sinngemäß gilt. Der Hauptversammlungs-Tag als Anknüpfungspunkt für die Vorbesitzzeit entspricht jedoch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Das gerichtliche Entscheidungsverfahren nach § 260 ist lediglich der zweite Teilakt eines zusammenhängenden rechtlichen Behelfs gegen unzulässig gebildete stille Rücklagen, dessen erster Teilakt der Antrag auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern war, so dass die einschränkenden Anforderungen an die Antragsbefugnis, die das Gesetz dort angeordnet hat, auch hier noch einen Sinn ergeben. Antragsberechtigt sind somit nur Aktionäre, die schon drei Monate vor dem Tag der Hauptversammlung über den Jahresabschluss mit dem nach Abs 1 Satz 1 erforderlichen Anteilsbesitz an der Aktiengesellschaft beteiligt waren und es auch jetzt noch sind. 5. Bestimmtheit des Antrags (Abs 1 Satz 3). Der Antrag muss nach Abs 1 Satz 3 bestimmt sein. Hierzu gehört es, dass die Antragsteller als Grund des geltend gemachten Anspruchs den Lebenssachverhalt vortragen, auf den der Antrag gestützt werden soll, also die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer bezeichnen, gegen den sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung richtet und den Anlass hierfür angeben. 30 Der im Verfahren zu stellende Antrag, also die vom Gericht begehrte Feststellung einer bestehenden oder nicht bestehenden Unterbewertung, muss gemäß Abs 1 Satz 3 auf die Feststellung des Betrages gerichtet sein, mit dem die in dem Antrag zu bezeichnenden Aktivposten mindestens oder die im Antrag zu bezeichnenden Passivposten höchstens anzusetzen waren. In dem Antrag ist also der bezifferte Wert der bemängelten Aktivposten oder Betrag der Passivposten anzugeben, mit dem diese Posten nach Auffassung der Antragsteller abweichend von den abschließenden Erklärungen der Sonderprüfer mindestens oder höchstens anzusetzen waren.27 Die Ansicht, dass die Feststellung der 29

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26 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 7. 27 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 11; KK/Arnold3 Rdn 12; Grigoleit/Ehmann Rdn 2; Spindler/Stilz/Euler/ Sabel4 Rdn 4; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 8; MünchKomm/Koch4 Rdn 10; Hüffer/Koch14 Rdn 6.

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Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen | § 260

Mindest- und Höchstbeträge für die bemängelten Posten dem Gericht zu überlassen sei,28 widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes und der verfahrensrechtlichen Art und Bedeutung des Antrages, der im Rahmen eines streitigen Verfahrens eine bestimmte Feststellung des Gerichts zu den widerstreitenden Ansichten der Parteien und nicht eine gestaltende Entscheidung des Gerichts herbeiführen soll. Nachdem die Sonderprüfer nach Prüfung der bemängelten Posten in ihrem Prüfungsbericht dargelegt haben, auf welchen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen ihre abschließenden Feststellungen zum Vorliegen und zum Umfang einer nicht unwesentlichen Unterbewertung beruhen (§ 259 Abs 2 – § 259 Rdn 52 ff), muss es den antragstellenden Aktionären, gegebenenfalls nach entsprechender Beratung, möglich sein, den Umfang der von ihnen behaupteten Unterbewertung beziffert darzulegen. 6. Antrag der Aktiengesellschaft (Abs 1 Satz 4). Begehrt die Aktiengesellschaft 31 eine Feststellung des Gerichts, dass der Jahresabschluss keine der in den abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer festgestellten nicht unwesentlichen Unterbewertungen enthielt, so kann sie einen hierauf gerichteten Antrag stellen; da bestimmte Posten nicht zu anzugeben sind, entfällt auch ihre Bezifferung (Abs 1 Satz 4). 7. Beschränkung des Antragsrechts auf Dividendenerhöhung bzw -reduzie- 32 rung. Keine eindeutige Regelung enthält § 260 zu der Frage, ob die Aktiengesellschaft berechtigt ist, die Feststellung einer im Verhältnis zu den abschließenden Erklärungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs 2 und 3 höheren Unterbewertung zu beantragen und ob die Aktionäre die Feststellung einer niedrigeren Unterbewertung beantragen können. Eine solche Verfahrensweise, die im Gegensatz zu dem prozessualen Verhalten der Aktiengesellschaft und der Aktionäre in dem Verfahren zur Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 stehen würde (§ 258 Rdn 107 ff), kann aufgrund einer Veränderung der Interessenlage der an den Verfahren Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung Beteiligten wünschenswert sein. Beispielsweise können die Aktionäre aufgrund neuer steuerlicher Verhältnisse nicht an einer höheren Gewinnausschüttung, sondern an der Bildung stiller Reserven interessiert sein. Die Aktiengesellschaft kann, beispielsweise aufgrund einer Änderung in der Aktionärsstruktur, umgekehrt nicht mehr die Bildung stiller Reserven, sondern eine höhere Gewinnausschüttung anstreben. Auch können Aktionäre, die zum Zeitpunkt der Hauptversammlung an der Aktiengesellschaft beteiligt waren, aber einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 nicht gestellt haben, andere Interessen als diejenigen Aktionäre verfolgen, die den Antrag gestellt haben. Der Gesetzeswortlaut schließt eine solche Erweiterung des Verfahrensgegenstandes auch nicht aus. Daher ist von einer entsprechenden Zulässigkeit auszugehen29, auch wenn diese Frage – aufgrund der generell fehlenden wirtschaftlichen Bedeutung der bilanziellen Sonderprüfung (§ 258 Rdn 27 ff) – kaum praktische Bedeutung hat.

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28 So v Falkenhausen AG 1967, 309, 317 und Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1973, S 143 f. 29 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 13; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 8; MünchKomm/Koch4 Rdn 9; Hüffer/Koch14 Rdn 5, aA KK/Arnold3 Rdn 11; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 3; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1973, S 143.

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§ 260 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

III. Entscheidung des Gerichts (Abs 2) 1. Ablauf des gerichtlichen Verfahrens a) Bekanntmachung des Antrags. Das Gericht hat den Antrag gemäß Abs 3 Satz 1 iVm § 99 Abs 2 Satz 1 in den Gesellschaftsblättern (§ 25) bekanntzumachen. Nachdem die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer bereits gemäß § 259 Abs 5 bekannt gemacht worden sind und damit die Frist für einen Antrag nach § 260 in Gang gesetzt wurde, werden durch die Bekanntmachung des Antrags die Aktionäre von der Einleitung eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens unterrichtet. Außerdem soll das Gericht den Antrag an die übrigen Beteiligten übermittelten 34 (§ 23 Abs 2 FamFG). Die Beteiligten haben ein Äußerungsrecht; das Gericht darf eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen dieser Beteiligte sich äußern konnte (§ 37 Abs 2 FamFG). Beteiligte des Verfahrens nach § 260 sind gemäß § 7 Abs 1 FamFG die Antragsteller sowie nach § 7 Abs 2 Nr 1 FamFG, wenn sie nicht als Antragsteller Beteiligte sind, diejenigen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird, also die Aktiengesellschaft und diejenigen Aktionäre, die den Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 gestellt hatten. Darüber hinaus können Aktionäre, die nach Abs 1 Satz 1 antragsberechtigt waren, diesen Antrag aber nicht gestellt haben, innerhalb der Antragsfrist beim Gericht ihre Zulassung als Beteiligte gemäß § 7 Abs 2 Nr 1 FamFG beantragen.30 Der Abschlussprüfer des bemängelten Jahresabschlusses und die Sonderprüfer sind nicht Beteiligte, da ihre Rechte durch das Verfahren nicht unmittelbar betroffen werden und das Gericht sie auch nicht gemäß § 7 Abs 3 FamFG als Beteiligte hinzuziehen kann, weil dies im Gesetz nicht vorgesehen ist (§ 258 Rdn 113). 33

b) Anhörungen und Hinweise. Nach Eingang des Antrages wird das Gericht die Akten vorangegangener gerichtlicher Verfahren nach § 258 mit den dort vorliegenden Unterlagen beiziehen und prüfen, ob die Verfahrensvoraussetzungen eingehalten sind, also ob der Antrag formgerecht eingereicht, das angerufene Gericht zuständig sowie die Antragsberechtigung der Antragsteller gemäß Abs 1 Satz 1 und 2 dargelegt und nachgewiesen bzw glaubhaft gemacht worden ist. Materiell-rechtlich hat das Gericht den Antrag daraufhin zu prüfen, ob die Antragsfrist gewahrt ist. Gegebenenfalls sind den Antragstellern zu Ergänzung und Klärung der Verfahrensvoraussetzungen sowie der gestellten Anträge Hinweise zu erteilen (§ 28 FamFG; § 258 Rdn 143). Das Gericht hat ferner den am Verfahren Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren 36 (Art 103 Abs 1 GG). Zur Aufklärung des Sachverhalts sind die Sonderprüfer, der Abschlussprüfer und vorsorglich auch der Aufsichtsrat zu hören (§ 258 Rdn 156). 35

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c) Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen. Welche Tatsachen für eine Entscheidung des Gerichts festgestellt werden müssen, ergibt sich aus den materiell-rechtlichen Vorschriften, die das Gericht nach den im Verfahren gestellten Anträgen seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. An diese Anträge ist das Gericht gebunden. Zu entscheiden ist, ob die in den Anträgen der Aktiengesellschaft bzw der Aktionäre bezeichneten Aktivposten mindestens oder Passivposten höchstens mit den in den Anträgen angegebenen Werten und Beträgen im Jahresabschluss festzusetzen waren. Über diese Anträge kann das Gericht nicht hinausgehen, also nicht zu Ungunsten der

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Zur „unmittelbaren Betroffenheit“ dieser Aktionäre Jänig/Leißring ZIP 2010, 110, 113.

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Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen | § 260

Aktiengesellschaft in seiner Entscheidung feststellen, dass in dem Jahresabschluss Aktivposten mit einem noch höheren Wert oder Passivposten mit einem noch geringeren Betrag als von den Aktionären beantragt anzusetzen sind.31 Da der Antrag die Sachentscheidung des Gerichts bestimmt, ist auch in einem Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit das Gericht nicht befugt, nach eigenen Vorstellungen weitergehend zu entscheiden. d) Erhebung von Beweisen. Das Gericht kann zur Feststellung von Tatbestands- 38 voraussetzungen auch eine Beweisaufnahme durchführen. Der Amtsermittlungsgrundsatz ermächtigt es, nach pflichtgemäßen Ermessen Beweise zu erheben, ohne hierbei an das Vorbringen der Parteien gebunden zu sein (§ 29 Abs 1 FamFG), sowie die Art der Beweisaufnahme zu bestimmen, also entweder den Weg eines Freibeweises durch Ermittlungen des Gerichts zu gehen, oder einen Strengbeweis durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der ZPO stattfinden zu lassen (§ 30 Abs 1 FamFG). Als sachverständige Zeugen können der Abschlussprüfer oder die Sonderprüfer gehört werden (§ 414 ZPO). Auch die Einholung von Sachverständigengutachten ist zulässig.32 Dies wird jedoch nur in Betracht kommen, wenn für die Bewertung von Aktiv- oder Passivposten aufgrund besonderer Eigenschaften der zu bewertenden Gegenstände keine Anhaltspunkte vorliegen, die eine Schätzung nach Abs 2 Satz 3 zulassen, oder ungewöhnliche Sachkenntnisse erforderlich sind, über die Wirtschaftsprüfer nicht allgemein, sondern nur aufgrund von Kenntnissen und Erfahrungen auf speziellen Sachgebieten verfügen. In diesen Fällen muss das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen, auch wenn dies die Entscheidung nicht unerheblich verzögern würde. 2. Entscheidung des Gerichts (Abs 2 Satz 1). Das Gericht entscheidet unter Wür- 39 digung aller Umstände (Abs 2 Satz 1). Im Wesentlichen werden sich diese Umstände aus den beigezogenen Akten des Verfahrens nach § 258, den Prüfungsberichten der Sonderprüfer, dem Antrag der Antragsteller, den Stellungnahmen der Beteiligten zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung sowie aus den Anhörungen des Aufsichtsrats, der Sonderprüfer und des Abschlussprüfers ergeben. Wenn das Gericht aufgrund seiner Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass nicht alle der für eine Entscheidung erheblichen Tatsachen feststehen, so muss es prüfen, ob, inwieweit und in welcher Weise eine weitere Aufklärung zu erfolgen hat (§ 26 FamFG). Nach Abs 2 Satz 1 hat das Gericht nach freier Überzeugung zu entscheiden. Die Vor- 40 schrift wiederholt damit die in § 286 Abs 1 Satz 1 ZPO statuierte Freiheit der Beweiswürdigung, wie sie für zivilprozessrechtliche Verfahren und gemäß § 37 Abs 1 FamFG auch für Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt.33 Aus Abs 2 Satz 1 ergibt sich deshalb keine Freistellung des Gerichts von formellen Beweisregeln bei der Durchführung seiner Amtsermittlungen.34 3. Entsprechende Anwendung von § 259 Abs 2 Satz 2 und 3 (Abs 2 Satz 2). Wie 41 die Sonderprüfer hat das Gericht seiner Beurteilung, ob eine nicht unwesentliche Unter-

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31 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 20; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 9; MünchKomm/Koch4 Rdn 13; aA v Falkenhausen AG 1967, 309, 317. 32 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 17; KK/Arnold3 Rdn 18; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 9; MünchKomm/Koch4 Rdn 12; Hüffer/Koch14 Rdn 7. 33 Ebenso Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 6; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 9; MünchKomm/Koch4 Rdn 13. 34 AA v Falkenhausen AG 1967, 309, 312 f.

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§ 260 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

bewertung im Jahresabschluss vorliegt und mit welchen Werten bzw Beträgen die bemängelten Posten im Jahresabschluss anzusetzen waren, gemäß Abs 2 Satz 2 iVm § 259 Abs 2 Satz 2 und 3 (§ 259 Rdn 57 ff) die Verhältnisse am Stichtag des Jahresabschlusses zugrunde zu legen und beim Ansatz der Werte und Beträge der bemängelten Posten die allgemeinen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften anzuwenden, insbesondere die Grundsätze der Ansatz- und Bewertungsstetigkeit (§ 246 Abs 3 und § 252 Abs 1 Nr 6 HGB). Das Gericht kann bei der Bewertung der bemängelten Bilanzposten nicht Umstände berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses noch nicht bekannt waren oder nachfolgend eingetreten sind (§ 259 Abs 2 Satz 2 – § 259 Rdn 57 f). Es muss bei seiner Bewertung die Ansatz- und Bewertungsmethoden zugrunde liegen, die die Aktiengesellschaft in zulässiger Weise zuletzt angewandt hat, sowie die bei der Aufstellung des Jahresabschlusses wahrgenommenen Abschreibungswahlrechte berücksichtigen (§ 259 Abs 2 Satz 3 – § 259 Rdn 59). 42

4. Schätzung der anzusetzenden Werte oder Beträge (Abs 2 Satz 3). Grundsätzlich hat das Gericht bei der Feststellung des Wertes bzw Betrages einer nicht unwesentlichen Unterbewertung der bemängelten Posten keinen Ermessensspielraum.35 Es gilt weiterhin die allgemeine Beweisregel, wonach es nach freier Überzeugung zu entscheiden hat, hierbei aber im Rahmen der nach Abs 2 Satz 2 (Rdn 41) anzuwendenden Bewertungsgrundsätze von jeder Möglichkeit Gebrauch machen muss, entscheidungserhebliche Tatsachen festzustellen.36 Als Ausnahme von dieser Grundregel räumt Abs 2 Satz 3 als lex specialis in Anlehnung an § 287 ZPO37 dem Gericht lediglich die Möglichkeit ein, die aufzustellenden Werte und Beträge zu schätzen, soweit die volle Aufklärung aller maßgebenden Umstände mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Eine Schätzung ist also zulässig, wenn zum einen die vollständige Ermittlung zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen das Verfahren nach § 260 übermäßig verlängern würde, und zum anderen nach der Überzeugung des Gerichts ausreichende Anknüpfungstatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände eine Schätzung zulassen. In derartigen Fällen soll im Interesse einer alsbaldigen Entscheidung eine volle Sachaufklärung und Beweiserhebung unterbleiben.38 IV. Art und Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidung (Abs 3)

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1. Art und Inhalt der Entscheidung (Abs 3 Satz 1). Die Entscheidung des Gerichts erfolgt durch einen mit Gründen zu versehenden Beschluss (Abs 3 Satz 1 iVm 99 Abs 3 Satz 1, § 38 FamFG). Gibt das Gericht einem Antrag nach Abs 1 Satz 3 (Rdn 29 f) ganz oder teilweise statt, so muss die Entscheidung abweichend von der abschließenden Erklärung der Sonderprüfer nach § 259 Abs 2 Satz 1 Nr 1 (§ 259 Rdn 54) feststellen, mit welchem bestimmten Wert die einzelnen Aktivposten mindestens und mit welchem Betrag die einzelnen Passivposten höchstens im festgestellten Jahresabschluss anzusetzen waren.39 Kommt das Gericht zu der Feststellung, dass entgegen der abschließenden Feststellung der Abschlussprüfer eine Unterbewertung bestimmter Posten des Jahresabschlusses

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35 KK/Arnold3 Rdn 19; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 6; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 9; Hüffer/Koch14 Rdn 7; aA Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 17; Claussen FS Barz, 1974, S 317, 324; v Falkenhausen AktG 1967, 309, 317; Schwanke Das grundsätzliche Verbot stiller Reserven im neuen Aktienrecht, S 139. 36 Hüffer/Koch14 Rdn 7. 37 Hierauf bereits hinweisend Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 208; dem folgend KK/Arnold3 Rdn 20; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 6; MünchKomm/Koch4 Rdn 15; Hüffer/Koch14 Rdn 7 am Ende. 38 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 19; Grigoleit/Ehmann Rdn 3; v Falkenhausen AG 1967, 309, 312. 39 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 7; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 10; Hüffer/Koch14 Rdn 8.

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Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen | § 260

nicht vorliegt oder diese Unterbewertung unwesentlich ist, so muss es auf einen entsprechenden Antrag der Aktiengesellschaft feststellen, dass der Jahresabschluss die von den Sonderprüfern festgestellten Unterbewertungen nicht enthielt (Abs 1 Satz 4 – Rdn 31). Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs 2 und 3 (§ 259 Rdn 52 ff) zutreffend waren, so sind die Anträge der Antragsteller zurückzuweisen.40 Andere Feststellungen hat das Gericht nicht zu treffen, insbesondere nicht, ob eine 44 festgestellte Unterbewertung nach § 256 Abs 5 Satz 1 Nr 2 (§ 256 Rdn 71 ff) zu einer Nichtigkeit des Jahresabschlusses geführt hat, oder ob die Sonderprüfer ihrer Pflicht zur erweiterten Berichterstattung nach § 259 Abs 1 Satz 2 (§ 259 Rdn 30 ff) nachgekommen sind und diese Berichterstattung zutreffend ist, oder ob die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs 2 Satz 1 Nr 2 (§ 259 Rdn 54) über die Auswirkungen einer unzulässigen Unterbewertung auf den Jahresüberschuss bzw den Jahresfehlbetrag in dem bemängelten Jahresabschluss richtig sind.41 Enthält der Beschluss des Gerichts Feststellungen oder Äußerungen hierzu, so handelt es sich um ein obiter dictum, das nicht Gegenstand der Entscheidung ist.42 Die Entscheidung des Landgerichts wird nicht schon mit ihrer Bekanntgabe an die 45 Beteiligten, sondern erst mit ihrer Rechtskraft wirksam (Abs 3 Satz 1 iVm § 99 Abs 5 Satz 1). Sie wirkt dann für und gegenüber jedermann (Abs 3 Satz 1 iVm § 99 Abs 5 Satz 2). Nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung sind die bemängelten Posten mit den von den Sonderprüfern festgestellten und vom Gericht bestätigten oder mit den vom Gericht im Verfahren nach § 260 festgestellten Werten oder Beträgen in dem nächsten aufzustellenden Jahresabschluss anzusetzen (§ 261 Abs 1 Satz 1 bzw Abs 2 Satz 1). Eine rechtskräftige Entscheidung ist vom Vorstand unverzüglich zum Handelsre- 46 gister einzureichen (Abs 3 Satz 1, § 99 Abs 5 Satz 3) und kann dort von jedermann zu Informationszwecken eingesehen werden (§ 9 Abs 1 HGB). 2. Bekanntgabe und Bekanntmachung (Abs 3 Satz 2). Der mit Gründen versehene 47 Beschluss ist den Beteiligten des Verfahrens bekanntzugeben (§ 41 FamFG). Die Bekanntgabe an die Aktiengesellschaft und an Aktionäre, die einen Antrag nach Abs 1 gestellt haben, hat durch Zustellung (§ 15 Abs 2 FamFG) zu erfolgen (Abs 3 Satz 2). 3. Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (Abs 3 Satz 3). Das Gericht hat 48 seine Entscheidung ferner, jedoch ohne Gründe, in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen (Abs 3 Satz 3). Mit dieser Veröffentlichung werden auch Aktionäre, die an dem gerichtlichen Verfahren bisher nicht beteiligt waren, denen aber nach Abs 3 Satz 4 die Beschwerde zusteht, unterrichtet. 4. Rechtsmittel (Abs 3 Satz 4 bis 6). Gegen die Entscheidung des Landgerichts fin- 49 det das Rechtsmittel der Beschwerde statt (Abs 3 Satz 1 iVm § 99 Abs 3 Satz 2). Beschwerdeberechtigt sind die Aktiengesellschaft und Aktionäre, deren Anteil zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen, wenn sie durch den Beschluss in ihren Rechten beeinträchtigt sind (Abs 3 Satz 4, § 59 Abs 1 FamFG). Die beschwerdeführenden Aktionäre brauchen nicht identisch mit denen zu sein, die den Antrag nach Abs 1 Satz 1 gestellt haben.43

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Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 21. KK/Arnold3 Rdn 21; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 7; MünchKomm/Koch4 Rdn 17. MünchKomm/Koch4 Rdn 17. KK/Arnold3 Rdn 25; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 11.

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§ 260 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

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Ebenso wie bei einem Antrag nach Abs 1 (Rdn 14 ff) müssen im Falle der Beschwerde die beschwerdeführenden Aktionäre ihre Aktien hinterlegen oder eine Sperrbescheinigung für diese Aktien vorlegen und glaubhaft machen, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber dieser Aktien sind (Abs 3 Satz 5 iVm § 258 Abs 2 Satz 4 und 5 – § 258 Rdn 129 f). Die Bezugnahme auf eine zuvor im Zusammenhang mit einem Antrag nach Abs 1 erfolgte Hinterlegung oder Sperrbescheinigung wäre unzureichend, wenn sowohl die Hinterlegung wie die Versicherung nur für die Zeit bis zur Entscheidung über den Antrag nach Abs 1 galt und die Veräußerungssperre damit beendet wurde. Die neue Hinterlegung oder Sperrbescheinigung muss bis zur gerichtlichen Entscheidung über die Beschwerde gelten. Hinsichtlich der Aktien-Vorbesitzzeit und deren Glaubhaftmachung kann dagegen auf die Unterlagen Bezug genommen werden, die beim ursprünglichen Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder sogar schon beim Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern bei Gericht eingereicht worden sind, wenn und soweit die damals tätigen Aktionäre jetzt zu den Beschwerdeführern gehören. 51 Die Beschwerde kann nur durch die Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift innerhalb einer Frist von einem Monat bei dem Gericht eingelegt werden, dessen Beschluss angefochten wird (§§ 63 Abs 1, 64 Abs 1 FamFG und Abs 3 Satz 1 iVm § 99 Abs 1 und 3 Satz 4). Nach der besonderen Regelung in Abs 3 Satz 6 beginnt die Beschwerdefrist zwar grundsätzlich mit der Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger, jedoch für die Aktiengesellschaft und, wenn Aktionäre den Antrag nach Abs 1 gestellt haben, für diese nicht vor der Zustellung der Entscheidung. Für die Beschwerde gelten weitgehend die Vorschriften für eine Rechtsbeschwerde 52 iSv § 70 ff FamFG. Sie kann nicht, wie eine Beschwerde nach § 58, auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden (vgl § 65 Abs 3 FamFG), sondern nur auf eine Verletzung des Rechts (Abs 3 Satz 1 iVm § 99 Abs 3 Satz 3). § 72 Abs 1 Satz 2 und § 74 Abs 2 und 3 FamFG sowie § 547 ZPO gelten sinngemäß (Abs 3 Satz 1 iVm § 99 Abs 3 Satz 3, 2 Halbs). Beschwerdegericht ist das Oberlandesgericht (§ 119 Abs 1 Nr 2 GVG). Das Oberlandesgericht kann in seiner Entscheidung gemäß § 70 eine Rechtsbe53 schwerde zum BGH zulassen (Abs 3 Satz 1 iVm § 99 Abs 1). V. Verfahrenskosten (Abs 4)

54

Wird dem in dem Verfahren nach § 260 gestellten Antrag stattgegeben, so hat die Aktiengesellschaft die Kosten zu tragen, sonst sind sie dem Antragsteller aufzuerlegen (Abs 4 Satz 1). Diese Kostenregelung, die die Aktiengesellschaft auch dann belastet, wenn sie einen Antrag erfolgreich gestellt hat, schien dem Gesetzgeber sachgerecht, weil weder die Sonderprüfer, gegen deren Feststellungen sich der Antrag richtet, noch die Minderheitsaktionäre, die die Bestellung von Sonderprüfern veranlasst haben, mit den Kosten belastet werden sollen.44 Die Aktiengesellschaft hat die Kosten im vollen Umfange auch zu tragen, wenn Aktionäre mit ihrem Antrag nur teilweise durchgedrungen sind.45 Abs 4 Satz 1 schließt als besondere Regelung der Kostenpflicht im Verfahren nach § 260 die Anwendung des §§ 81 Abs 1 und 2 FamFG aus, der eine Kostenentscheidung nach Billigkeit zulässt (§ 81 Abs 5 FamFG).

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44 Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 44; dem folgend Spindler/Stilz/ Euler/Sabel4 Rdn 12. 45 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 27; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 12.

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Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung | § 261

Zu den Kosten des Verfahrens gehören die Gerichtskosten (Gebühren und Ausla- 55 gen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (§ 80 Satz 1 FamFG). Da § 80 Satz 2 FamFG hierzu nur auf § 91 Abs 1 ZPO, nicht dagegen auf § 91 Abs 2 ZPO verweist, sind Rechtsanwaltskosten zu erstatten, wenn die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig, also im Hinblick auf eine gewisse Schwierigkeit der Sache geboten war, ein Umstand, der bei einem Verfahren nach § 260 idR gegeben sein dürfte. Anders als für ein Verfahren nach § 258 (§ 258 Rdn 182) gilt nach Abs 4 Satz 2 § 247 56 sinngemäß, so dass der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (§ 247 Abs 1) und eine Streitwertspaltung zulässig ist (§ 247 Abs 2).

§ 261 Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung § 261 Mock https://doi.org/10.1515/9783110294248-006

(1) 1 Haben die Sonderprüfer in ihrer abschließenden Feststellung erklärt, daß Posten unterbewertet sind, und ist gegen diese Feststellung nicht innerhalb der in § 260 Abs 1 bestimmten Frist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt worden, so sind die Posten in dem ersten Jahresabschluß, der nach Ablauf dieser Frist aufgestellt wird, mit den von den Sonderprüfern festgestellten Werten oder Beträgen anzusetzen. 2 Dies gilt nicht, soweit auf Grund veränderter Verhältnisse, namentlich bei Gegenständen, die der Abnutzung unterliegen, auf Grund der Abnutzung, nach §§ 253 bis 256a des Handelsgesetzbuchs oder nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung für Aktivposten ein niedrigerer Wert oder für Passivposten ein höherer Betrag anzusetzen ist. 3 In diesem Fall sind im Anhang die Gründe anzugeben und in einer Sonderrechnung die Entwicklung des von den Sonderprüfern festgestellten Wertes oder Betrags auf den nach Satz 2 angesetzten Wert oder Betrag darzustellen. 4 Sind die Gegenstände nicht mehr vorhanden, so ist darüber und über die Verwendung des Ertrags aus dem Abgang der Gegenstände im Anhang zu berichten. 5 Bei den einzelnen Posten der Jahresbilanz sind die Unterschiedsbeträge zu vermerken, um die auf Grund von Satz 1 und 2 Aktivposten zu einem höheren Wert oder Passivposten mit einem niedrigeren Betrag angesetzt worden sind. 6 Die Summe der Unterschiedsbeträge ist auf der Passivseite der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung als „Ertrag auf Grund höherer Bewertung gemäß dem Ergebnis der Sonderprüfung“ gesondert auszuweisen. 7 Ist die Gesellschaft eine kleine Kapitalgesellschaft (§ 267 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs), hat sie die Sätze 3 und 4 nur anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des § 264 Absatz 2 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs unter Berücksichtigung der nach diesem Abschnitt durchgeführten Sonderprüfung vorliegen. (2) 1 Hat das gemäß § 260 angerufene Gericht festgestellt, dass Posten unterbewertet sind, so gilt für den Ansatz der Posten in dem ersten Jahresabschluss, der nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung aufgestellt wird, Absatz 1 sinngemäß. 2 Die Summe der Unterschiedsbeträge ist als „Ertrag aufgrund höherer Bewertung gemäß gerichtlicher Entscheidung“ gesondert auszuweisen. (3) 1 Der Ertrag aus höherer Bewertung nach Absätzen 1 und 2 rechnet für die Anwendung des § 58 nicht zum Jahresüberschuss. 2 Über die Verwendung des Ertrags abzüglich der auf ihn zu entrichtenden Steuern entscheidet die Hauptversammlung, soweit nicht in dem Jahresabschluss ein Bilanzverlust ausgewiesen wird, der nicht durch Kapital- oder Gewinnrücklagen gedeckt ist. 263 https://doi.org/10.1515/9783110294248-006

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§ 261 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

Schrifttum Breker/Kuhn Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen – Eine Darstellung der Neuerungen aus der Überarbeitung von IDW RS HFA 6, WPg 2007, 770 bis 777; Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) Stellungnahme zur Rechnungslegung: Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen (IDW RS HFA 6), Stand 12.4.2007, WPg Supplement 2/2007, S 77.

I.

II.

Systematische Übersicht Grundlagen | 1 Inhalt der Regelung | 1 1. 2. Zweck der Regelung | 2 Gesetzesgeschichte | 3 3. 4. Wirtschaftliche Bedeutung | 6 5. Europäisches Recht | 7 6. Ausländisches Recht | 9 7. Rechtspolitische Würdigung | 10 8. Reform | 12 Rechtsfolgen einer abgeschlossenen Sonderprüfung | 13 1. Feststellung von Unterbewertungen oder einer fehlerhaften Berichterstattung im Anhang | 14 a) Keine Korrektur des geprüften Jahresabschlusses | 15 b) Keine Pflicht zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung | 18 c) Keine (automatische) Auslösung zivil- und strafrechtlicher Sanktionen | 20 d) (Keine) Maßgeblichkeit der Feststellung des Sonderprüfers für vertragliche Bezugnahmen auf den im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn/Verlust | 22 2. Fehlende Feststellung von Unterbewertungen oder einer fehlerhaften Berichterstattung im Anhang | 24

III.

IV.

V.

Berücksichtigung der Feststellungen des Sonderprüfers im Folgejahresabschluss (Abs 1) | 25 Grundsatz der zwingenden 1. Berücksichtigung (Abs 1 Satz 1) | 25 Berücksichtigung veränderter 2. Verhältnisse (Abs 1 Satz 2) | 28 Besonderer Vermerke im Anhang 3. (Abs 1 Satz 3) | 36 4. Abgang von Gegenständen (Abs 1 Satz 4) | 38 5. Vermerk des Unterschiedsbetrags (Abs 1 Satz 5) | 40 6. Gesonderter Ausweis als Ertrag (Abs 1 Satz 6) | 44 7. Ausnahme für kleine Kapitalgesellschaften (Abs 1 Satz 7) | 45 Berücksichtigung der Feststellungen des Gerichts (Abs 2) | 46 Verwendung des Ertrags aufgrund höherer Bewertung (Abs 3) | 47 1. Keine Verwendung im Rahmen von § 58 (Abs 3 Satz 1) | 47 2. Entscheidung der Hauptversammlung (Abs 3 Satz 2) | 49

I. Grundlagen 1

1. Inhalt der Regelung. Die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs 2 oder die Entscheidung des Gerichts nach § 260 lassen den festgestellten Jahresabschluss, in dem bemängelte Posten nicht unwesentlich unterbewertet enthalten sind, unberührt. Er wird dadurch weder nichtig, noch wird er rückwirkend aufgehoben. Der Entscheid der Sonderprüfer oder des Gerichts beinhaltet jedoch eine verbindliche Feststellung, dass bestimmte Posten des betroffenen Jahresabschlusses nicht unwesentlich unterbewertet sind, und mit welchem Wert die bemängelten Aktivposten oder welchem Betrag die Passivposten im Jahresabschluss anzusetzen waren. Hieraus ergibt sich zugleich, in welchem Umfang in dem Jahresabschluss insgesamt unzulässig stille Reserven gebildet wurden. Die Feststellungen führen nicht dazu, dass der fehlerhafte Jahresabschluss geändert werden muss. Stattdessen schreibt § 261 die Auflösung der unzuMock

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Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung | § 261

lässig gebildeten stillen Reserven in dem nächsten, den endgültigen Feststellungen der Sonderprüfer oder des Gerichts folgenden Jahresabschluss vor (Abs 1 – Rdn 25 ff). Die Summe dieser Unterschiedsbeträge ist in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung als „Ertrag aufgrund höherer Bewertung“ gesondert auszuweisen (Abs 2 – Rdn 46). Über die Verwendung dieses Ertrags hat die Hauptversammlung zu entscheiden (Abs 3 – Rdn 47 ff). 2. Zweck der Regelung. Durch die durch § 261 angeordnete verbindliche Berück- 2 sichtigung der höheren Bewertungen wird das Regelungskonzept der bilanziellen Sonderprüfung vervollständigt, indem die Feststellungen der Sonderprüfung im nächsten Jahresabschluss zwingend berücksichtigt werden müssen.1 Damit wird zugleich ein Anreiz für die Aktionäre gesetzt, die bilanzielle Sonderprüfung überhaupt einzuleiten, da sie bei deren positiven Verlauf mit höheren Ausschüttungen rechnen bzw jedenfalls darüber entscheiden können. Zur beschränkten Wirkung dieses Anreizes Rdn 10. 3. Gesetzesgeschichte. Auch § 261 ist Teil der Regelung des mit dem Aktiengesetz 3 19652 (§ 258 Rdn 18 ff) eingeführten Rechtsbehelfs wegen unzulässiger Unterbewertung in einem Jahresabschluss. Die Regierungsentwürfe von 19603 und 19624 sahen in § 249 vor, dass die in einem Jahresabschluss aufgrund einer Unterbewertung gebildeten stillen Rücklagen in einem nachfolgenden Jahresabschluss aufgelöst und der Gesamtbetrag dieser aufgelösten stillen Rücklagen im Jahresabschluss als zusätzlicher Gewinn gesondert ausgewiesen werden musste. Nach § 249 Abs 6 AktG-E sollten die Aktionäre Anspruch auf den als zusätzlichen Gewinn ausgewiesenen Betrag abzüglich der auf ihn zu entrichtenden Steuern haben. Dieser vorgeschlagene Ausschüttungszwang fand im Gesetzgebungsverfahren keine Zustimmung, da wirtschaftspolitisch die Befürchtung geäußert wurde, dass dadurch die Liquidität an sich gesunder Unternehmen gefährdet werden könnte.5 Der Gesetzgeber hat diese Bedenken berücksichtigt und die Entscheidung über die Verwendung des Ertrags aus höherer Bewertung der Hauptversammlung überlassen. Durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG)6 wurde 1985 der Bezug auf die Bewertungsvorschriften angepasst. Abs 3 Satz 1 schrieb in seiner ursprünglichen Fassung ferner vor, dass der Ertrag aus 4 höherer Bewertung nach Absätzen 1 und 2 für die Anwendung der §§ 58 und 86 Abs 2 nicht zum Jahresüberschuss rechnet. § 86, der die Gewinnbeteiligung von Vorstandsmitgliedern regelte und hierbei in Abs 2 bestimmte, dass sich die Vorstandsmitgliedern gewährte Beteiligung am Jahresgewinn der AG nach dem Jahresüberschuss errechnet, wurde durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) von 20027 aufgehoben. Nachdem zunächst die Anpassung des Wortlauts in Abs 3 Satz 1 nicht erfolgte, wur-

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1 Ebenso KK/Arnold3 Rdn 2; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 2; MünchKomm/Koch4 Rdn 2; Hüffer/Koch14 Rdn 1. 2 Aktiengesetz vom 6.9.1965, BGBl I, S 1089. 3 Entwurf eines Aktiengesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz, BT-Drucks III/1915. 4 Entwurf eines Aktiengesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz, BT-Drucks IV/171. 5 Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 42; zu den während des Gesetzgebungsverfahrens geführten Erörterungen Kronstein/Claussen/Biedenkopf AG 1964, 268, 270; Claussen FS Barz, 1974, S 317, 319 f; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 23 ff. 6 Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19.12.1985, BGBl I S 2355. 7 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zur Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19.7.2002, BGBl I, S 2681.

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§ 261 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

de dies mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)8 von 2009 nachgeholt und in Abs 3 Satz 1 die Bezugnahme auf § 86 Abs 2 gestrichen. Schließlich erfolgten durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) 9 5 kleine Anpassungen und eine Bereichsausnahme für kleine Kapitalgesellschaften. Die Norm ist seitdem unverändert. 6

4. Wirtschaftliche Bedeutung. Die wirtschaftliche Bedeutung der zwingenden bilanziellen Berücksichtigung der Feststellungen des Sonderprüfers ist ebenso wie die bilanzielle Sonderprüfung als solche (§ 258 Rdn 27 ff) als gering einzuschätzen.

5. Europäisches Recht. Die in der letztlich nicht verabschiedeten Konzernrechtsrichtlinie10 vorgesehene Regelung einer Sonderprüfung enthielt keine spezifischen Vorgaben für die zwingende bilanzielle Berücksichtigung der Feststellungen des Sonderprüfers. Ebenso wenig sieht Chapter 11 Section 32 Abs 4 European Model Companies Act (EMCA) eine solche vor. Zur Sonderprüfung im EMCA § 258 Rdn 31. 8 Bei der Europäischen Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland findet § 261 uneingeschränkt Anwendung (Art 9 Abs 1 lit c) ii) SE-VO). 7

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6. Ausländisches Recht. Da eine (besondere) bilanzielle Sonderprüfung in den meisten Rechtsordnungen nicht existiert (§ 258 Rdn 33), fehlt es dort auch an einer § 261 entsprechenden Regelung.

7. Rechtspolitische Würdigung. Die in § 261 geregelte zwingende bilanzielle Berücksichtigung der Feststellungen des Sonderprüfers ist rechtspolitisch als verfehlt zu betrachten.11 Zwar wird durch diese sichergestellt, dass der Vorstand und der Aufsichtsrat die Feststellungen des Sonderprüfers nicht ignorieren. Allerdings führt insbesondere die Entscheidungshoheit der Hauptversammlung über die Verwendung des (Mehr)Gewinns (Abs 3 Satz 2) in der Regel dazu, dass für Minderheitsaktionäre kein Interesse an der Beantragung einer Sonderprüfung besteht. Allgemein zur Kritik an der bilanziellen Sonderprüfung § 258 Rdn 34 ff. Hinzu kommt, dass mit dem Enforcement-Verfahren (§§ 342b ff HGB, §§ 106 ff 11 WpHG) jedenfalls bei der börsennotierten AG ein weiteres Instrument zur Feststellung der Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung zur Verfügung steht. Bei diesem besteht zwar kein Antragsrecht der Aktionäre. Allerdings tragen sie bei dem Enforcement-Verfahren auch keinerlei Kosten.

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8. Reform. Eine eigenständige Reformdebatte zur Berichterstattung über die bilanzielle Sonderprüfung hat in den vergangenen Jahren nicht stattgefunden, was vor allem auf die geringe praktische Bedeutung (Rdn 6) zurückzuführen sein dürfte.

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8 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz-BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl I S 1102. 9 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates v 17.7.2015, BGBl I 2015, 1245. 10 Entwurf einer Neunten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie von 1984, DOK III/1639/84, abgedruckt in ZGR 1985, 444 ff. 11 AA KK/Arnold3 Rdn 3 allerdings im Vergleich zur Schaffung eines Ausschüttungszwangs.

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Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung | § 261

II. Rechtsfolgen einer abgeschlossenen Sonderprüfung Die Folgen einer abgeschlossenen Sonderprüfung werden im Gesamtsystem der 13 §§ 258 ff nur bedingt geregelt. Insofern muss zwischen einer Feststellung von Unterbewertungen oder einer fehlerhaften Berichterstattung im Anhang (Rdn 14 ff) und dem Fall des Fehlens der entsprechenden Feststellungen unterschieden werden (Rdn 24). 1. Feststellung von Unterbewertungen oder einer fehlerhaften Berichterstat- 14 tung im Anhang. Für den Fall einer tatsächlichen Feststellung von Unterbewertungen oder einer fehlerhaften Berichterstattung im Anhang sieht § 261 im Wesentlichen die zwingende Berücksichtigung der Feststellungen des Sonderprüfers im Folgejahresabschluss (Rdn 25 ff) und die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung über den (Mehr-)Gewinn vor (Rdn 47 ff). Darüber hinaus ergeben sich aber noch weitere, in den §§ 258 ff insgesamt nicht adressierte Rechtsfolgen. Diese ergeben sich hinsichtlich der Korrektur des geprüften Jahresabschlusses (Rdn 15 ff), zivil- und strafrechtlichen Sanktionen (Rdn 20 f) und vertraglichen Bezugnahmen auf den Jahresabschluss (Rdn 22 f). a) Keine Korrektur des geprüften Jahresabschlusses. Eine wesentliche und in 15 den §§ 258 ff nicht direkt angeordnete Folge ist die auch im Fall einer erfolgreichen Sonderprüfung grundsätzlich bestehende Bestandskraft des Jahresabschlusses. Dieser bleibt grundsätzlich festgestellt.12 Eine davon abzugrenzende Frage ist der Umgang mit der Fehlerhaftigkeit als solcher, die für die verschiedenen Kategorien der Fehlerhaftigkeit unterschiedlich beantwortet werden muss. Wenn der Jahresabschluss an einem Fehler im Sinne von § 256 leidet, ist dieser nich- 16 tig, so dass es der Neuaufstellung des Jahresabschlusses bedarf. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass der Sonderprüfer keine Kompetenz zur Feststellung eines Nichtigkeitsgrundes hat. Insofern bleibt für die AG die Unsicherheit, ob die vom Sonderprüfer festgestellte Unterbewertung oder fehlerhafte Berichterstattung im Anhang zugleich die Anforderungen an die Nichtigkeit (§ 256) erfüllen oder nicht. Für den Vorstand besteht aber die Pflicht zur Neuaufstellung bei Nichtigkeit, soweit diese nicht noch geheilt (§ 256 Abs 6) werden kann.13 Soweit der Sonderprüfer eine Unterbewertung oder fehlerhafte Berichterstattung 17 festgestellt hat, die unterhalb der Nichtigkeitsschwelle des § 256 angesiedelt ist, besteht für den Vorstand grundsätzlich eine Pflicht zur Korrektur des Jahresabschlusses14, da dieser nach §§ 238, 264 Abs 1 HGB in Verbindung mit der aus § 93 Abs 1 abzuleitenden Legalitätspflicht zur Aufstellung eines fehlerfreien Jahresabschlusses verpflichtet ist.15 Allerdings besteht für den Vorstand auch ein Ermessen dahingehend, die Korrektur des Jahresabschlusses in Form einer Berücksichtigung bei der Aufstellung des nächsten Jahresabschlusses vorzunehmen. Auf eine derartige freiwillige Berücksichtigung und Korrektur einer Unterbewertung findet Abs 1 Satz 6 (Rdn 44), Abs 3 Satz 2 (Rdn 49 ff) keine Anwendung, so dass der entsprechende Ertrag im Jahresabschluss nicht gesondert aus-

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12 So ausdrücklich Begr RegE AktG, BT-Drucks IV/171, S 208. 13 Zum Vorstandsermessen bei einer demnächst eintretenden Heilung nach § 256 Abs 6 ausführlich Mock Die Heilung fehlerhafter Rechtsgeschäfte, 2013, S 604. 14 Zur Korrektur von Jahresabschlüssen ausführlich Wöhe/Mock Die Handels- und Steuerbilanz7 § 47; Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen/Mock2 § 172 AktG Rdn 17 ff. 15 Ausführlich Mock FS Vetter, 2019, 461, 465 ff.

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§ 261 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

zuweisen ist und seine Verwendung auch nicht notwendig der Hauptversammlung zugewiesen ist.16 b) Keine Pflicht zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung. Eine erfolgreiche Sonderprüfung löst keine Pflicht zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung aus. Über den (Mehr-)Ertrag hat vielmehr die nächste reguläre Hauptversammlung zu entscheiden (Rdn 49 ff). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Tatbestand von § 92 Abs 1 erfüllt ist. Allerdings können die Prüfungsergebnisse dazu führen, dass sich einzelne Pflichten 19 der Organmitglieder aufgrund der unabhängigen Aufklärung verdichten und ein bestehendes Ermessen erheblich einschränken. Dies gilt insbesondere für die Pflicht zur Einberufung einer Hauptversammlung nach § 121 Abs 1 oder der Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Keinerlei rechtliche Auswirkungen hat der Sonderprüfungsbericht aber für die Hauptversammlung. Diese kann Maßnahmen beschließen, die sie für erforderlich hält, ohne dabei an die Vorgaben oder Ergebnisse des Sonderprüfungsberichts gebunden zu sein.

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c) Keine (automatische) Auslösung zivil- und strafrechtlicher Sanktionen. Eine erfolgreiche Sonderprüfung führt auch nicht automatisch zu zivil- und strafrechtlichen Sanktionen. So kann eine fehlerhafte Berichterstattung im Jahresabschluss fehlerhaft sein, ohne dass daraus sogleich folgt, dass Vorstand und Aufsichtsrat pflichtwidrig gehandelt haben, zumal diese weitgehend durch die business judgment rule (§ 93 Abs 1 Satz 2) geschützt werden.17 Aber selbst wenn diese nicht eingreift, kann eine zivil- oder strafrechtliche Haftung an einem fehlenden Verschulden der Organmitglieder scheitern. Allerdings wird durch eine erfolgreiche Sonderprüfung das Tatbestandsmerkmal des 21 § 148 Abs 1 Satz 2 Nr 3 im Rahmen des Klagezulassungsverfahrens erfüllt, da dann jedenfalls der Verdacht einer Pflichtwidrigkeit gegeben ist. Ebenso führt eine erfolgreiche Sonderprüfung zu einer erhöhten Nachprüfungspflicht des Aufsichtsrats, ob der Vorstand bei der Aufstellung des Jahresabschlusses pflichtwidrig gehandelt hat.

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d) (Keine) Maßgeblichkeit der Feststellung des Sonderprüfers für vertragliche Bezugnahmen auf den im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn/Verlust. Keine Auswirkungen hat eine erfolgreiche Sonderprüfung schließlich im Grundsatz auf Verträge der AG mit Dritten, auch wenn diese auf den im Jahresabschluss der AG ausgewiesenen Gewinn/Verlust Bezug nehmen, wie dies etwa bei stillen Beteiligungen, Genussrechten, (Teil-)Gewinnabführungsverträgen oder auch Anstellungsverträgen von Vorstandsmitgliedern der Fall ist.18 Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn die Auslegung dieser Verträge ergibt, dass auf den tatsächlichen (objektiv feststellbaren) Gewinn und nicht nur auf den im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn Bezug genommen werden soll. Ersteres ist aber in der Regel die Ausnahme. Für Aufsichtsratsmitglieder ist die Sonderregelung in § 113 Abs 3 zu beachten. 23 Für den besonderen Fall des Bestehens von Ansprüchen des Vorstands auf Gewinnbeteiligung hatte Abs 3 Satz 1 (Rdn 47) in seiner ursprünglichen Fassung vorge22

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16 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 9. 17 Zur Anwendung von § 93 Abs 1 Satz 2 im Rahmen der Rechnungslegung ausführlich Mock FS Vetter, 2019, S 461, 467. 18 Grundsätzlich ebenso KK/Arnold3 Rdn 23; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 17; MünchKomm/Koch4 Rdn 17; Hüffer/Koch14 Rdn 9; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 11.

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Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung | § 261

schrieben, dass der Ertrag aus höherer Bewertung nach Abs 1 und 2 auch für die Anwendung des § 86 Abs 2 nicht zum Jahresüberschuss rechnet; diese Vorschrift ist durch das TransPuG 2002 aufgehoben worden (Rdn 4). Ob und in welchem Umfang die Bemessungsgrundlage für eine Gewinnbeteiligung der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats auch einen Ertrag aufgrund höherer Bewertung einschließt, muss nach der Satzung der AG, den hierzu abgeschlossenen Verträgen und den hierfür maßgeblichen Rechtsvorschriften beurteilt werden. Der Ansicht, dass eine Gewinnbeteiligung des Vorstands an einem Ertrag aus höherer Bewertung entsprechend der früheren Regelung in Abs 3 Satz 1 aufgrund eines fortwirkenden allgemeinen Rechtsgedankens ausgeschlossen ist, weil es nicht angängig sei, Mitgliedern der Verwaltungsorgane aus einer gegen ihren Willen vorgenommenen Aufwertung von Bilanzpositionen zu einer Mehrtantieme zu verhelfen, kann nicht gefolgt werden. Diese Ansicht verkennt, dass der Zahlung einer Tantieme auf den Ertrag aus höherer Bewertung eine vorangegangene entsprechende Kürzung dieser Tantieme aufgrund der Unterbewertung gegenübersteht, so dass von einer Mehrtantieme in der Regel nicht gesprochen werden kann. 2. Fehlende Feststellung von Unterbewertungen oder einer fehlerhaften Be- 24 richterstattung im Anhang. Bei einer fehlenden Feststellung von Unterbewertungen oder einer fehlerhaften Berichterstattung im Anhang ergeben sich im Wesentlichen die gleichen, wenn auch teilweise umgekehrte Rechtsfolgen. Zunächst kann die fehlende Feststellung des Sonderprüfers keine Korrekturpflicht im Hinblick auf den letzten oder zukünftige Jahresabschlüsse auslösen. Umgekehrt folgt daraus aber nicht, dass der geprüfte Jahresabschluss zwingend richtig bzw fehlerfrei ist. Nachfolgende Gerichte – etwa im Rahmen von Organhaftungsklagen – sind an die Feststellung des Sonderprüfers nicht gebunden und können dahingehend eigene Untersuchungen vornehmen und Feststellungen treffen. Gleiches gilt für den Fall, dass Verträge der AG mit Dritten auf den im Jahresabschluss der AG ausgewiesenen Gewinn/Verlust Bezug nehmen. III. Berücksichtigung der Feststellungen des Sonderprüfers im Folgejahresabschluss (Abs 1) 1. Grundsatz der zwingenden Berücksichtigung (Abs 1 Satz 1). Voraussetzung für 25 die Auflösung unzulässiger stiller Reserven in einem nachfolgenden Jahresabschluss ist die endgültige Feststellung der Werte oder der Beträge, mit denen die bemängelten Posten als Aktivposten mindestens oder als Passivposten höchstens in der Bilanz anzusetzen waren. Wurde gegen abschließende Feststellungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs 2 innerhalb der in § 260 Abs 1 Satz 1 genannten Frist kein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, so muss die Auflösung der stillen Reserven nach Ablauf dieser Frist erfolgen (Abs 1 Satz 1). Insofern sind die Feststellungen bindend wie eine gerichtliche Entscheidung19, was letztlich auf die im Gesetzgebungsverfahren ursprünglich vorgesehene gerichtliche Durchführung der Sonderprüfung zurückzuführen sein dürfte (§ 258 Rdn 18 f). Wurde dagegen ein Verfahren nach § 260 durchgeführt, so ist Voraussetzung für ihre Auflösung eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über das Vorliegen einer bestimmten Unterbewertung (Abs 2 Satz 1 – Rdn 46). Die Auflösung der durch eine unzulässige Unterbewertung entstandenen stillen Re- 26 serven erfolgt nicht durch eine Änderung des Jahresabschlusses, in dem sie gebildet wurden, sondern in dem nächsten auf die endgültige Feststellung der Unterbewertung

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§ 261 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

folgenden Jahresabschluss (Rdn 27). In der Eröffnungsbuchung für dieses Geschäftsjahr müssen die Wertansätze der bemängelten Posten mit denen in der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres übereinstimmen (§ 252 Abs 1 Nr 1 HGB). Die Auflösung der unzulässig gebildeten stillen Reserven erfolgt sodann in laufender Rechnung,20 so dass in der Schlussbilanz des neuen Jahresabschlusses die Unterbewertung dadurch beseitigt wird, dass die bemängelten Posten grundsätzlich mit den von den Sonderprüfern festgestellten Werten oder Beträgen angesetzt werden (Abs 1 Satz 1). Der Grundsatz der materiellen Bilanzkontinuität (§ 252 Satz 1 Nr 6 HGB) wird durch die Sonderregelung über die Beseitigung von Unterbewertungen außer Kraft gesetzt. 27 Nach Abs 1 Satz 1 sind die von den Sonderprüfern oder dem Gericht endgültig festgestellten Werte oder Beträge in dem ersten Jahresabschluss, der nach dieser Feststellung aufgestellt wird, zu übernehmen. Dabei geht aus Abs 1 Satz 1 nicht eindeutig hervor, welcher (Folge-)Jahresabschluss damit gemeint ist. Insofern könnte angenommen werden, dass die Auflösung der stillen Reserven in einem Jahresabschluss nur so lange zulässig ist, bis der Vorstand diesen Jahresabschluss aufgestellt hat, also bis zur Fertigstellung eines beschlussfähigen Entwurfs, der dem Abschlussprüfer gemäß § 320 Abs 1 HGB oder, wenn eine Abschlussprüfung nicht zu erfolgen hat, dem Aufsichtsrat gemäß § 170 Abs 1 vorgelegt werden kann.21 Allerdings soll dem Vorstand ein gewisser Spielraum gewährt sein, der es ihm gestattet, die Unterbewertung auch in einem bereits aufgestellten Jahresabschluss rückgängig zu machen, wenn dadurch keine nennenswerte Verzögerung in der Feststellung des Jahresabschlusses verursacht wird.22 Ob die gesetzliche Frist für die Aufstellung des Jahresabschlusses (§ 264 Abs 1 Satz 3 HGB) abgelaufen ist, ist ohne Bedeutung. Tatsächlich ist die Übernahme der endgültig nach §§ 259, 260 festgestellten Werte oder Beträge der bemängelten Posten auch in einem Jahresabschluss zulässig und geboten, der zwar bereits vom Vorstand aufgestellt und dem Abschlussprüfer oder dem Aufsichtsrat vorgelegt, aber noch nicht festgestellt worden ist.23 Dem steht der Wortlaut des Abs 1 Satz 1 nicht entgegen, da ein vom Vorstand zunächst fertiggestellter Entwurf eines Jahresabschlusses aufgrund besserer Erkenntnisse und selbst nach Vorlage an den Aufsichtsrat oder Prüfung durch den Abschlussprüfer noch geändert werden kann24; auch eine solche Änderung ist Teil des Aufstellungsvorgangs, also der Zusammenstellung des Jahresabschlusses durch den Vorstand. Das Verfahren nach §§ 258 bis 260 ist darauf ausgerichtet, beim Vorliegen eines Anlasses für die Annahme einer Unterbewertung oder einer unvollständigen Berichterstattung verbindliche Entscheidungen hierüber so schnell wie möglich herbeizuführen. Es dient dem Ziel, eine festgestellte unzulässige Unterbewertung baldmöglichst aufzulösen und den Aktionären die Möglichkeit zu geben, über die Verwendung des ihnen vorenthaltenen Ertrags zu verfügen. Der gegen diese Ansicht vorgetragene Einwand, dass die Änderung eines bereits aufgestellten Jahresabschlusses mit einer Neubewertung der bemängelten Posten zu einer Verzögerung des Jahresabschlusses führen würde, ist nicht durchgreifend.

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20 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 2; zur Korrektur fehlerhafter Jahresabschlüsse in laufender Rechnung als Alternative zur Neuvornahme des fehlerhaften Jahresabschlusses IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen (IDW RS HFA 6) Tz 21, WPg Supplement 2/2007, S 77 ff. 21 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 3 und 30. 22 So Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 3; KK/Arnold3 Rdn 8; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 4; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 3; MünchKomm/Koch4 Rdn 5. 23 Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 149 ff. 24 Adler/Düring/Schmaltz6 § 171 AktG Rdn 43 und § 172 AktG Rdn 33; Hachmeister/Kahle/Mock/ Schüppen/Mock2 § 172 AktG Rdn 17 ff; Wöhe/Mock Die Handels- und Steuerbilanz7 § 47 Rdn 89.

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Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung | § 261

Wurden Sonderprüfer nach § 258 bestellt und liegen vielleicht auch schon ihre Prüfungsberichte mit den abschließenden Feststellungen nach § 259 Abs 2 und 3 (§ 259 Rdn 52 ff) vor, oder wurde ein Verfahren nach § 260 eingeleitet, so muss der Vorstand bei der Aufstellung des folgenden Jahresabschlusses darauf vorbereitet sein, die bemängelten Posten nach Abs 1 neu zu bewerten. Treten die Voraussetzungen hierfür erst ein, nachdem der Jahresabschluss bereits aufgestellt ist, so kann eine entsprechende Änderung bei pflichtgemäßer Vorbereitung des Vorstands in kurzer Frist durchgeführt werden. Diese Änderung ist nicht nur zulässig sondern auch geboten, solange der neue Jahresabschluss noch nicht festgestellt und damit verbindlich geworden ist. 25 Es liegt allerdings nahe, auch die Änderung eines bereits von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschlusses zuzulassen, selbst nach Einberufung der Hauptversammlung und der hiermit erfolgten Bindung der Verwaltung an die Erklärungen über den Jahresabschluss (§ 175 Abs 4). So insbesondere, wenn die aufzulösenden stillen Reserven und der daraus entstehende Ertrag aufgrund höherer Bewertung sehr hoch sind, und wenn es unangemessen ist, die Entscheidung der Hauptversammlung über die Verwendung dieses Ertrags noch weiter hinauszuschieben. 2. Berücksichtigung veränderter Verhältnisse (Abs 1 Satz 2). Abs 1 Satz 2 nennt 28 einige Beispiele für nach dem Stichtag des fehlerhaften Jahresabschlusses mögliche Veränderungen der Verhältnisse von unterbewerteten Gegenständen, die einer unveränderten Übernahme der von den Sonderprüfern oder dem Gericht endgültig festgestellten Werte und Beträge in den nächsten folgenden Jahresabschluss entgegenstehen. Danach hat eine neue Bewertung von Vermögensgegenständen die der Abnutzung unterliegen zu erfolgen, wenn Wertminderungen aufgrund der Abnutzung eingetreten sind. Und allgemein ist eine abweichende Bewertung in den Fällen geboten, in denen die Bewertungsvorschriften der §§ 253 bis 256 HGB oder die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung eine Minderung des Wertansatzes für die in bemängelten Bilanzposten enthaltenen Gegenstände vorschreiben. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass die Berechnung des Ertrags aufgrund höherer Bewertung schwierige Fragen aufwerfen kann, so dass es als Richtschnur entscheidend sein muss, dass der Ertragsausweis so richtiggestellt werden soll, als ob der Bewertungsverstoß nicht vorgekommen wäre.26 Bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich be- 29 grenzt ist, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um planmäßige Abschreibungen, verteilt auf die Geschäftsjahre ihrer voraussichtlichen Nutzungsdauer, zu vermindern (§ 253 Abs 3 Satz 1 und 2 HGB). Waren derartige Vermögensgegenstände unterbewertet, so sind die sie umfassenden Posten in dem auf die endgültigen Feststellungen der Sonderprüfer oder des Gerichts folgenden Jahresabschluss mit den festgestellten Werten, jedoch nach Abzug der hiervon vorzunehmenden planmäßigen Abschreibungen anzusetzen.27 Bemessungsgrundlage für die Abschreibung ist in diesen Fällen nicht der in

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25 In den Vorbemerkungen des Ausschussberichts zum Zweiten und Dritten Abschnitt des RegE 1962 wird nicht von einer Aufstellung eines späteren Jahresabschlusses gesprochen, sondern von der Verpflichtung, eine unzulässige Unterbewertung im nächsten folgenden Jahresabschluss rückgängig zu machen (Begr RegE AktG 1965, BT-Drucks IV/171, S 200); im Ergebnis zustimmend Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 4; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 3. 26 Ausschussbericht Rechtsausschuss AktG 1965, BT-Drucks IV/3296, S 44; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 156 ff. 27 KK/Arnold3 Rdn 10; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 8; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 5; MünchKomm/Koch4 Rdn 8; Hüffer/Koch14 Rdn 4.

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§ 261 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

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dem fehlerhaften Jahresabschluss ausgewiesene, sondern der von den Sonderprüfern oder dem Gericht festgestellte Wert. Wertveränderungen können auch bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich nicht beschränkt ist, sowie bei Finanzanlagen eintreten, wenn nach der Bewertung in dem fehlerhaften Jahresabschluss außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen waren (§ 253 Abs 3 Satz 3 und 4 HGB). Gleiches gilt für Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, bei denen Abschreibungen erforderlich waren, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsenoder Marktpreis am Abschlussstichtag ergab (§ 253 Abs 4 HGB). In gleicher Weise kann wegen eines inzwischen aufgetretenen weiteren Risikos eine bisher auf der Passivseite der Bilanz gebildete Rückstellung entsprechend den neuen Verhältnissen zu erhöhen sein (§ 253 Abs 1 Satz 2 iVm § 249 Abs 1 HGB).28 Auch bei Rückstellungen, die nach dem beizulegenden Zeitwert zu bilden waren, beispielsweise für Altersversorgungsverpflichtungen (§ 253 Abs 1 Satz 3 HGB), kann sich eine Wertveränderung nach der Bilanzierung in dem fehlerhaften Jahresabschluss durch eine Veränderung des Zeitwertes (§ 255 Abs 4 HGB) ergeben, so dass die endgültig von den Sonderprüfern oder dem Gericht festgestellten Werte nicht ohne Weiteres übernommen werden können.29 Veränderte Verhältnisse können sich außerdem aus einer Änderung von Bewertungsvorschriften ergeben. Neue Vorschriften müssen bei der neuen Bewertung der bemängelten Posten angewendet werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Aufstellung des nächsten folgenden Jahresabschlusses iSv Abs 1 Satz 1 in Kraft getreten sind. Nach Abs 1 Satz 2 soll eine neue Bewertung auch erfolgen, wenn dies nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) geboten ist. Diese Bezugnahme ist im Wesentlichen gegenstandslos geworden, nachdem die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung weitgehend in den Rechnungsvorschriften des HGB enthalten sind. Wenn sich aus der Anwendung der GoB eine Veränderung der bisherigen Verhältnisse ergibt, ist allerdings entsprechend zu verfahren.30 Streitig ist, ob bei der Aufstellung des neuen Jahresabschlusses gemäß Abs 1 Satz 1 die bemängelten Posten immer nach den Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften anzusetzen sind, die von den Sonderprüfern gemäß § 259 Abs 2 bei der Prüfung der Unterbewertung zugrunde gelegt wurden, oder ob die AG berechtigt ist, die Ansatz- und Bewertungsmethoden im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu ändern. Die Meinung, dass ein Wechsel der Bewertungsmethoden schlechthin unzulässig sei,31 findet im Gesetz keine Bestätigung. Die Gegenansicht,32 die einen Wechsel der Bewertungsmethoden vorbehaltslos für zulässig erachtet, eröffnet dagegen der AG zu weitgehende Möglichkeiten, eine unzulässige Unterbewertung mit einer neuen Begründung zu rechtfertigen. Zuzustimmen ist der vermittelnden Meinung, wonach grundsätzlich die Ausübung gesetzlich vorgesehener Bewertungswahlrechte bei der neuen Bewertung zulässig ist, vorausgesetzt dies geschieht aus erkennbar sachlichen Erwägungen und nicht zu dem Zweck, eine unzulässige Unterbewertung nachträglich zu rechtfertigen.33

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28 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 6; KK/Arnold3 Rdn 12. 29 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 6; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 158, 159. 30 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 7. 31 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 10; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 160. 32 Voß FS Münstermann, S 443, 470. 33 KK/Arnold3 Rdn 13; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 6; MünchKomm/Koch4 Rdn 10; wohl auch K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 8.

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Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung | § 261

Unzulässige, in dem fehlerhaften Jahresabschluss gebildete stille Reserven können 35 durch eine neue Bewertung in einem späteren Jahresabschluss nur aufgelöst werden, wenn sie noch bestehen. Zur vor Beendigung einer Sonderprüfung erfolgenden Beseitigung der fehlerhaften Rechnungslegung Rdn 27. 3. Besondere Vermerke im Anhang (Abs 1 Satz 3). Dem Gebot der Bilanzklarheit 36 dient Abs 1 Satz 3, wonach für bemängelte Bilanzposten, deren Ansatz aufgrund veränderter Verhältnisse neu zu berechnen ist, die Gründe hierfür anzugeben sind sowie in einer Sonderrechnung die Entwicklung des von den Sonderprüfern oder dem Gericht festgestellten Wertes oder Betrages auf den in dem neuen Jahresabschluss angesetzten Wert darzustellen ist. Im Anhang sind die Gründe darzulegen, die einer Übernahme der von den Sonderprüfern oder dem Gericht festgestellten Werte oder Beträge gemäß Abs 1 Satz 1 (Rdn 25 ff) wegen veränderter Verhältnisse nach Abs 1 Satz 2 (Rdn 28 ff) entgegenstehen. In der Sonderrechnung ist im Einzelnen darzustellen, wie sich die von den Sonder- 37 prüfern bzw dem Gericht festgestellten endgültigen Werte oder Beträge aufgrund der veränderten Umstände zu den im neuen Jahresabschluss angesetzten Werten oder Beträgen entwickelt haben.34 Diese Sonderrechnung ist für jeden bemängelten Posten vorzulegen, bei dem nicht die von den Sonderprüfern bzw dem Gericht festgestellten Werte oder Beträge nach Abs 1 Satz 1 übernommen werden können.35 4. Abgang von Gegenständen (Abs 1 Satz 4). Wurden Gegenstände, die in bemän- 38 gelten Posten enthalten waren, nach dem Stichtag der fehlerhaften Bilanz veräußert oder verbraucht, wurden sie zerstört, oder sind sie aus anderen Gründen nicht mehr Teil des Vermögens der AG, so sind sie nicht mehr in deren Bilanzen zu erfassen (§ 246 Abs 1 HGB). Eine Übernahme der von den Sonderprüfern oder dem Gericht für die Vergangenheit endgültig festgestellten Werte oder Beträge und die damit verbundene Auflösung der damals durch ihre Unterbewertung gebildeten stillen Reserven kann deshalb nicht erfolgen.36 In solchen Fällen ist in dem nächsten, den endgültigen Feststellungen folgenden Jahresabschluss im Anhang zu berichten, dass diese Gegenstände nicht mehr vorhanden sind, und es ist die Verwendung des Ertrags aus dem Abgang dieser Gegenstände darzulegen (Abs 1 Satz 4). Anzugeben ist, ob und wie dieser Ertrag, also der angefallene Buchgewinn, in der Gewinn- und Verlustrechnung als Teil des Jahresüberschusses oder Minderung des Jahresfehlbetrages ausgewiesen wurde (§ 275 HGB Abs 2 Nr 17, Abs 3 Nr 16).37 Entsprechend sind Verluste (negative Erträge) aus dem Abgang der Gegenstände als Aufwendungen darzustellen. Unterbewertete Gegenstände sind auch dann nicht mehr vorhanden, wenn sie bei- 39 spielsweise als Roh- oder Hilfsstoffe oder unfertige Erzeugnisse dadurch verbraucht wurden, dass sie durch Verbindung oder Vermischung wesentliche Bestandteile einer anderen Sache geworden sind (§§ 947, 948 BGB), oder dass durch die Verarbeitung eine neue Sache hergestellt wurde (§ 950 BGB). Ist dies erfolgt, so ist zu ermitteln und zu berichten, ob sich bei der Bewertung der neu hergestellten Sache die bisherige unzulässige

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34 KK/Arnold3 Rdn 16; MünchKomm/Koch4 Rdn 11. 35 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 12; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 9; MünchKomm/Koch4 Rdn 11; Hüffer/Koch14 Rdn 4; Kruse Die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, 1972, S 162 mit Beispiel einer Sonderrechnung. 36 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 8. 37 KK/Arnold3 Rdn 17; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 6; MünchKomm/Koch4 Rdn 12; Hüffer/Koch14 Rdn 5.

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§ 261 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

Unterbewertung fortgesetzt hat oder bereits als Ertrag bzw Verlust realisiert wurde, was in der Regel bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens anzunehmen ist. 40

5. Vermerk des Unterschiedsbetrags (Abs 1 Satz 5). Gemäß Abs 1 Satz 5 sind außerdem bei jedem betroffenen Posten der Jahresbilanz die Unterschiedsbeträge zu vermerken, um die aufgrund von Abs 1 Satz 1 und 2 Aktivposten zu einem höheren Wert oder Passivposten mit einem niedrigeren Betrag angesetzt worden sind. Diese Angaben sind in der Bilanz bei den betreffenden Bilanzposten in Form eines Vermerks oder einer Fußnote zu machen; eine Angabe im Anhang reicht nicht aus.38 Unterschiedsbeträge iSv Abs 1 Satz 5 sind die sich aus der Sonderprüfung gemäß den endgültigen Feststellungen der Sonderprüfer oder des Gerichts ergebenden Werterhöhungen von Aktivposten bzw Betragsermäßigungen von Passivposten unter Berücksichtigung der aufgrund veränderter Verhältnisse gemäß Abs 1 Satz 2 in dem neu aufgestellten Jahresabschluss vorzunehmenden Anpassungen.39 Unterbewertungen, die schon in einem früheren Jahresabschluss vor dem Abschluss der Sonderprüfung aufgelöst wurden, haben bereits zu einer Neubewertung geführt, so dass hierüber nicht erneut zu berichten ist. Auch bei Vermögensgegenständen, die am Stichtag des nach Abschluss der Sonderprüfung aufzustellenden Jahresabschlusses nicht mehr vorhanden sind, können Unterschiedsbeträge iSv Abs 1 Satz 5 nicht angegeben werden.40 Die Summe der nach Abs 1 Satz 5 für jeden einzelnen Posten zu vermerkenden Un41 terschiedsbeträge ist in dem neuen Jahresabschluss auf der Passivseite der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung als Ertrag aufgrund höherer Bewertung gesondert auszuweisen. Beruht dieser Ertrag auf den abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer, so ist er als „Ertrag aufgrund höherer Bewertung gemäß dem Ergebnis der Sonderprüfung“ zu bezeichnen, beruht er auf einer Entscheidung des Gerichts, so lautet die Bezeichnung „Ertrag aufgrund höherer Bewertung gemäß gerichtlicher Entscheidung“ (Abs 1 Satz 6 und Abs 2 Satz 2). Der Ausweis dieses Ertrags hat gesondert zu erfolgen, da über seine Verwendung nach Abs 3 die Hauptversammlung zu entscheiden hat; deshalb ist es nicht gestattet, diesen Ertrag mit anderen Posten des Jahresabschlusses, insbesondere mit dem Posten Bilanzgewinn zusammenzufassen oder sonst zu verrechnen.41 Von dem Ertrag aufgrund höherer Bewertung können auch nicht die besonde42 ren Aufwendungen abgezogen werden, die erst durch ihn verursacht werden, wie die Zahlung von Jahresprämien für die Belegschaft aufgrund einer Betriebsvereinbarung, vertraglich vereinbarte Gewinnbeteiligungen von Mitarbeitern und Dritten, mit dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat vereinbarte Tantiemen, sowie die Zuwendung eines Gewinns aus einer stillen AG. Diese Aufwendungen müssen in den jeweils hierfür vorgesehenen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung enthalten sein. Der Ertrag aufgrund höherer Bewertung umfasst jedoch die auf ihn zu entrichtenden Steuern, so dass der Ertrag als Bruttoertrag ohne Abzug der Steuern auszuweisen ist (Rdn 49).42 Der Ertrag aufgrund höherer Bewertung ist in einer nach § 266 HGB in Kontoform 43 aufgestellten Bilanz als Posten des Eigenkapitals nach dem Posten Jahresüberschuss/

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38 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 16 mit Beispiel; Frey WPg 1966, 633, 639; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 471. 39 Adler/Düring/Schmaltz6 AktG Rdn 14; KK/Arnold3 Rdn 18. 40 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 15. 41 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 18; aA Voß FS Münstermann, 1969, 443, 471, der eine Aufteilung des Postens Bilanzgewinn/Bilanzverlust in einen Teilbetrag in Höhe des Ertrags aufgrund höherer Bewertung und in einen weiteren Teilbetrag in Höhe des verbleibenden, berichtigten Bilanzgewinnes oder Bilanzverlustes vorschlägt. 42 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 19.

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Entscheidung über den Ertrag aufgrund höherer Bewertung | § 261

Jahresfehlbetrag (§ 266 Abs 3 A.V. HGB) bzw in einer nach § 268 HGB unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellten Bilanz nach dem Posten Bilanzgewinn/Bilanzverlust (§ 268 Abs 1 Satz 2 HGB) auszuweisen. Der Ausweis in der nach §§ 275 Abs 2 oder 3 HGB iVm § 158 Abs 1 Satz 1 aufzustellenden Gewinn- und Verlustrechnung erfolgt ebenfalls nach dem Bilanzgewinn/Bilanzverlust (§ 158 Abs 1 Satz 1 Nr 5) und, wenn von der Möglichkeit nach § 158 Abs 1 Satz 2 Gebrauch gemacht wird, an gleicher Stelle im Anhang.43 6. Gesonderter Ausweis als Ertrag (Abs 1 Satz 6). Da diese Änderung der Wertan- 44 sätze zu einer Auflösung der unzulässig gebildeten stillen Reserven führt, ergibt sich hieraus ein auf der Passivseite der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert auszuweisender Ertrag aufgrund höherer Bewertung (Abs 1 Satz 6). In Höhe dieses (Brutto44-)Ertrages werden die unzulässig gebildeten stillen Reserven aufgelöst. Eine Zusammenfassung mit anderen Posten ist unzulässig.45 7. Ausnahme für kleine Kapitalgesellschaften (Abs 1 Satz 7). Für kleine Kapital- 45 gesellschaften (§ 267 Abs 1 HGB) stehen Abs 1 Satz 3 und 4 unter dem Anwendungsvorbehalt, dass die Voraussetzungen von § 264 Abs 2 Satz 2 HGB (Verstoß gegen das Trueand-fair-view-Prinzip) unter Berücksichtigung der nach diesem Abschnitt durchgeführten Sonderprüfung vorliegen. IV. Berücksichtigung der Feststellungen des Gerichts (Abs 2) Für den Fall, dass es zu einer gerichtlichen Feststellung nach § 260 gekommen ist, 46 ordnet Abs 2 Satz 1 eine entsprechende Anwendung von Abs 1 Satz 1 an, so dass die dort dargestellten Grundsätze entsprechend gelten (Rdn 25 ff). Der auf diese Weise zustande gekommene Unterschiedsbetrag ist nach Abs 2 Satz 2 als Ertrag auf Grund höherer Bewertung gemäß gerichtlicher Entscheidung auszuweisen. V. Verwendung des Ertrags aufgrund höherer Bewertung (Abs 3) 1. Keine Verwendung im Rahmen von § 58 (Abs 3 Satz 1). Um auszuschließen, 47 dass die Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung nach Abs 3 Satz 2 (Rdn 49 ff) dadurch eingeschränkt wird, dass bereits bei Feststellung des Jahresabschlusses eine teilweise Verwendung dieses Ertrags aufgrund höherer Bewertung durch Einstellungen in Rücklagen erfolgt, bestimmt Abs 3 Satz 1, dass der Ertrag für die Anwendung des § 58 nicht zum Jahresüberschuss gehört. Aus dem Ertrag können also weder aufgrund einer Satzungsbestimmung nach § 58 Abs 1, noch einer Entscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 58 Abs 2 Beträge in andere Gewinnrücklagen eingestellt werden. Nicht anzuwenden ist auch § 58 Abs 2a, der es Vorstand und Aufsichtsrat gestattet, bei Feststellung des Jahresabschlusses den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei bestimmten Vermögensgegenständen in Gewinnrücklagen einzustellen. Ob ein Teil des Ertrags aus höherer Bewertung bereits bei Aufstellung der Bilanz 48 gemäß § 150 Abs 1 und 2 der gesetzlichen Rücklage zuzuweisen ist, um diese auf den vorgeschriebenen Bestand aufzufüllen, ist im Gesetz nicht geregelt. Dafür spricht, dass

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43 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 18. 44 KK/Arnold3 Rdn 19; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 14; MünchKomm/Koch4 Rdn 14; Hüffer/Koch14 Rdn 7. 45 Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 13; Hüffer/Koch14 Rdn 7; Voß FS Münstermann, 1969, S 443, 471.

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§ 261 | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

die Bildung und Erhaltung dieser Rücklagen aus einem Jahresüberschuss vorgeschriebenen ist, weil dies der Kapitalerhaltung und somit vor allem dem Gläubigerschutz dient. Das besondere Gewicht dieses Schutzgedankens legt es nahe, dass die gesetzliche Rücklage auch aus einem Ertrag aus höherer Bewertung zu bilden ist, zumal Abs 3 Satz 1 eine Ausnahme nur für die Bildung anderer Gewinnrücklagen nach § 58 Abs 1, 2 und 2a vorschreibt.46 2. Entscheidung der Hauptversammlung (Abs 3 Satz 2). Die Hauptversammlung kann über die Verwendung des Ertrags auf Grund höherer Bewertung, wie er im Jahresabschluss als Bruttobetrag unter Einbeziehung der hierfür anfallenden Steuern ausgewiesen ist, nur abzüglich der auf ihn zu entrichtenden Steuern entscheiden. Diese Steuern sind entsprechend den hierfür maßgeblichen Verhältnissen der AG vom Vorstand zu berechnen und in dem Vorschlag aufzuführen, den Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 124 Abs 3 Satz 1 der Hauptversammlung zur Beschlussfassung über die Verwendung des Ertrags machen.47 50 Ist in dem Jahresabschluss ein Bilanzverlust ausgewiesen, so ist die freie Verwendung des Ertrags aus höherer Bewertung nach Abzug der hierauf entfallenden Steuern durch einen Beschluss der Hauptversammlung insoweit ausgeschlossen, als der Bilanzverlust nicht durch Kapitalrücklagen (§ 272 Abs 2 HGB) oder durch Gewinnrücklagen (§ 272 Abs 3 HGB) gedeckt ist (Abs 3 Satz 2).48 Ob es sich bei diesen Rücklagen um solche handelt, die kraft Gesetzes oder aufgrund der Satzung oder freiwillig gebildet wurden, ist ohne Bedeutung.49 Erfasst sind aber nur Rücklagen, die zum Verlustausgleich zur Verfügung stehen. Ist der Bilanzverlust nicht im vollen Umfange durch derart verfügbare Rücklagen gedeckt, so ist in Höhe der Deckungslücke der Ertrag auf Grund höherer Bewertung zum Ausgleich des Bilanzverlusts zu verwenden. Nur über den dann noch verbleibenden Höherbewertungs-Ertrag kann die Hauptversammlung entscheiden.50 Ob es der Hauptversammlung gestattet ist, über den Nettoertrag aus höherer Bewertung bei Ausweis eines Bilanzverlustes auch dann zu verfügen, wenn aus dem Ertrag ein Teilbetrag in Höhe des Bilanzverlustes den Rücklagen zugewiesen wird, um diese zu decken, ist fraglich. In diesem Falle müsste der Bilanzverlust auf neue Rechnung vorgetragen werden. Nach dem sich aus § 150 Abs 2 ergebenden Grundsatz, dass der Ausgleich eines Bilanzverlustes Vorrang vor der Bildung der gesetzlichen Rücklage hat, kann einem solchen Vorgehen nicht zugestimmt werden.51 51 Die Hauptversammlung ist an den Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat über die Verwendung des Ertrags aus höherer Bewertung nicht gebunden. Soweit eine freie Entscheidung über die Verwendung des Ertrags nicht wegen des Ausweises eines Bilanzverlustes im Jahresabschluss ausgeschlossen ist, kann die Hauptversammlung beschließen, den verbleibenden Betrag auszuschütten oder ihn ganz oder teilweise als Gewinn vorzutragen oder in die Gewinnrücklagen einzustellen. Folgt die Hauptversammlung dem Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat nicht und ergeben sich aus

49

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46 In diesem Sinne auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 23; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 18; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 11; MünchKomm/Koch4 Rdn 16 am Ende; aA KK/Arnold3 Rdn 22. 47 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 19; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 19; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 12; MünchKomm/Koch4 Rdn 19. 48 KK/Arnold3 Rdn 25; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 20; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 12; MünchKomm/Koch4 Rdn 20; Hüffer/Koch14 Rdn 10. 49 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 25. 50 Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 27; K Schmidt/Lutter/Kleindiek3 Rdn 12; MünchKomm/Koch4 Rdn 21. 51 Diese Zweifel teilen auch Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 27.

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Mitteilungen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht | § 261a

dem Verwendungsbeschluss höhere Steuern, als vom Vorstand berechnet, so kann auch über diesen Mehrbetrag nicht verfügt werden; der aufgrund dieses Beschlusses zur Entrichtung der Steuern erforderliche Betrag ist als zusätzlicher Aufwand entsprechend § 174 Abs 2 Nr 5 darzulegen. Die Hauptversammlung kann auch eine andere Verwendung beschließen, wenn die Satzung sie hierzu ermächtigt (§ 58 Abs 3 Satz 2).52 Besteht eine solche Ermächtigung für die Verwendung des Jahresüberschusses, so gilt sie entsprechend auch für die Verwendung des Ertrags aus höherer Bewertung.53 Für die Beschlussfassung ist die einfache Stimmenmehrheit erforderlich und ausreichend, soweit die Satzung nicht eine größere Mehrheit oder weitere Erfordernisse bestimmt (§ 133 Abs 1).

§ 261a Mitteilungen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung Mitteilungen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht § 261a Mock https://doi.org/10.1515/9783110294248-007

Das Gericht hat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Eingang eines Antrags auf Bestellung eines Sonderprüfers, jede rechtskräftige Entscheidung über die Bestellung von Sonderprüfern, den Prüfungsbericht sowie eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über abschließende Feststellungen der Sonderprüfer nach § 260 mitzuteilen, wenn für die Gesellschaft als Emittentin von zugelassenen Wertpapieren im Sinne des § 2 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes mit Ausnahme von Anteilen und Aktien an offenen Investmentvermögen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat (§ 2 Absatz 13 des Wertpapierhandelsgesetzes) ist. Schrifttum Siehe die Nachweise bei § 258.

I.

Systematische Übersicht Grundlagen | 1 1. Inhalt der Regelung | 1 2. Zweck der Regelung | 2 3. Gesetzesgeschichte | 4

II. III.

Mitteilungspflicht des Gericht | 5 Folgen der Verletzung der Mitteilungspflicht | 9

I. Grundlagen 1. Inhalt der Regelung. Durch § 261a wird eine Mitteilungspflicht des Gerichts ge- 1 genüber der BaFin für die verschiedenen Verfahrensschritte begründet. 2. Zweck der Regelung. Mit dieser Mitteilungspflicht wird die in § 342b Abs 3 Satz 2 2 HGB, § 107 Abs 3 Satz 2 WpHG angeordnete Subsidiarität des Enforcement-Verfahrens gegenüber der bilanziellen Sonderprüfung sichergestellt. Die Mitteilungspflicht nach § 261a entspricht denen, die bei einer (regulären) Son- 3 derprüfung nach § 142 Abs 7 und bei der Erhebung einer Klage auf Feststellung der

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52 KK/Arnold3 Rdn 23; Spindler/Stilz/Euler/Sabel4 Rdn 16; MünchKomm/Koch4 Rdn 23; Hüffer/Koch14 Rdn 10. 53 AA Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 26.

277 https://doi.org/10.1515/9783110294248-007

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§ 261a | Dritter Abschnitt – Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs 7 Satz 2 (§ 256 Rdn 220 ff) bestehen. 4

3. Gesetzesgeschichte. § 261a wurde durch das Bilanzkontrollgesetz (BilKoG)1 von 2004 in die aktienrechtlichen Vorschriften über die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung eingefügt. Durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FUG)2 von 2007, die Aktienrechtsnovelle 20163 und durch das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)4 kam es zu zahlreichen Anpassungen hinsichtlich des Anwendungsbereichs, die aber die Mitteilungspflicht als solche nicht berührt haben. II. Mitteilungspflicht des Gerichts

Eine Mitteilungspflicht nach § 261a besteht nur für die Einleitung und Durchführung der bilanziellen Sonderprüfung nach § 258 bei einer AG, die Emittentin von zugelassenen Wertpapieren (§ 2 Abs 1 WpHG) mit Deutschland als Herkunftsstaat (§ 2 Abs 13 WpHG) ist. Ausgenommen sind Emittenten von Anteilen und Aktien an offenen Investmentvermögen (§ 1 Abs 4 KAGB). 6 Mitteilungspflichtig ist das Landgericht, bei dem ein Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 eingegangen ist, das eine rechtskräftige Entscheidung über die Bestellung von Sonderprüfern, den Prüfungsbericht oder über abschließende Feststellungen der Sonderprüfer nach § 260 getroffen hat. Ergeht eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren, so kann die Mitteilung auch 7 durch das Oberlandesgericht erfolgen; gesetzlich zuständig bleibt aber das Landgericht, das hiervon Kenntnis erlangt. Mitzuteilen ist auch der Prüfungsbericht der Sonderprüfer. Da der Prüfungsbericht 8 dem Gericht nur vorliegen wird, wenn er Gegenstand eines Verfahrens nach § 260 ist, muss das Landgericht vorsorglich bei der Bestellung von Sonderprüfern sicherstellen, dass deren Prüfungsbericht dem Gericht zugesandt wird. 5

III. Folgen der Verletzung der Mitteilungspflicht 9

Konkrete Folgen sind für die Verletzung der Mitteilungspflicht nicht vorgesehen. Soweit die Prüfstelle für Rechnungslegung oder die BaFin von der bilanziellen Sonderprüfung keine Kenntnis haben, setzen diese das Enforcement-Verfahren fort. Die Wahrscheinlichkeit der fehlenden Unterrichtung der Prüfstelle für Rechnungslegung oder der BaFin von der bilanziellen Sonderprüfung ist allerdings äußerst gering.

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1 Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz-BilKoG) v 15.12.2004, BGBl I S 3408. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v 16.7.2007, BGBl I, S 1330. 3 Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2016) vom 22.12.2015, BGBl I, S 2565. 4 Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vom 12.12.2019, BGBl I, S 2637.

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Auflösungsgründe | § 262

ACHTER TEIL Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft ERSTER ABSCHNITT Auflösung ERSTER UNTERABSCHNITT Auflösung und Anmeldung Erster Abschnitt – Auflösung Auflösungsgründe § 262 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-008

§ 262 Auflösungsgründe (1) Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst durch Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit; durch Beschluss der Hauptversammlung; dieser bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst; die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen; 3. durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft; 4. mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird; 5. mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel der Satzung festgestellt worden ist; 6. durch Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. (2) Dieser Abschnitt gilt auch, wenn die Aktiengesellschaft aus anderen Gründen aufgelöst wird. 1. 2.

Schrifttum Bachmann Vorgesellschaft und Nachgesellschaft – Ein Beitrag zur juristischen Personifikation, in: Trierer FS Lindacher, 2017, 23; Bitter Sanierung in der Insolvenz, ZGR 2010, 147; Bredol Die Rechtsstellung der Abwickler einer Aktiengesellschaft, 2010; Ehricke/Rotstegge Die Aktiengesellschaft in Liquidation und Insolvenz, in: Bayer/Habersack (Hrsg), Aktienrecht im Wandel, Band II, 2007, S 1096; Franz Die Beendigung von Gesellschaften im angloamerikanischen Recht, 2006; Galla Nachtragsliquidation bei Kapitalgesellschaften, 2005; Henze Auflösung einer Aktiengesellschaft und Erwerb ihres Vermögens durch den Mehrheitsgesellschafter, ZIP 1995, 1473; Hirte, Auflösung der Kapitalgesellschaft, ZInsO 2000, 127; Hirte/Knof/Mock Das neue Insolvenzrecht nach dem ESUG, 2012; Hönn Die konstitutive Wirkung der Löschung von Kapitalgesellschaften, ZHR 138 (1974), 50; Hüffer Das Ende der Rechtspersönlichkeit von Kapitalgesellschaften, in: GS Schultz, 1987, S 99; H.-Fr. Müller Der Verband in der Insolvenz, 1999; Lindacher Die Nachgesellschaft – Prozessuale Fragen bei gelöschten Kapitalgesellschaften, in: FS Henckel, 1995, S 509; Lutter/Drygala Liquidation der Aktiengesellschaft oder Liquidation des Minderheitenschutzes, in: FS Kropff, 1997, S 190; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus Insolvenzrecht, 2. Aufl 2010; Paura Liquidation und Liquidationspflichten. Pflichten von Organen und Mitgliedern nach Auflösung der Gesellschaft, Diss Hamburg 1996; Riek Das Liquidationsstadium bei der AG – Unter besonderer Berücksichtigung der Stellung und der Pflichten des Liquidators sowie der Fortführung der Gesellschaft, Zürich 2003; Roitzsch Auflösung, Liquidation und Insolvenz der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) mit Sitz in Deutschland, in:

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§ 262 | Erster Abschnitt – Auflösung

Roth, Die übertragende Auflösung nach der Einführung des Squeeze-out, NZG 2003, 998; Karsten Schmidt Zur Ablösung des Löschungsgesetzes, GmbHR 1994, 829; ders Die stille Liquidation: Stiefkind des Insolvenzrechts – Eine Problemskizze am Beispiel der GmbH und der GmbH & Co. KG, ZIP 1982, 9; ders Liquidationszweck und Vertretungsmacht der Liquidatoren, AcP 174 (1974), 55; ders Zur Gläubigersicherung im Liquidationsrecht der Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Vereine, ZIP 1981, 1; ders Insolvenzordnung und Gesellschaftsrecht, ZGR 1998, 633; ders Aktienrecht und Insolvenzrecht, AG 2006, 597; Sethe Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer AG, ZIP 1998, 770; Steffek Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, 2011; Wimpfheimer Die Gesellschaften des Handelsrechts und des bürgerlichen Rechts im Stadium der Liquidation, 1908.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

Systematische Übersicht Grundlagen | 1 1. Regelungsgegenstand der §§ 262 ff | 1 2. Auflösungsreife, Auflösung, Liquidation und Beendigung der AG | 2 3. Anwendungsbereich | 6 4. Verhältnis unter den Auflösungsgründen | 8 5. Verhältnis zu Sonderbestimmungen | 12 6. Keine Auflösungstatbestände | 14 Die gesetzlichen Auflösungstatbestände des Abs 1 | 16

1. 2.

III.

Zeitablauf (Abs 1 Nr 1) | 16 Beschluss der Hauptversammlung (Abs 1 Nr 2) | 21 3. Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abs 1 Nr 3) | 27 4. Insolvenzablehnung mangels Masse (Abs 1 Nr 4) | 44 5. Feststellung eines Mangels der Satzung (Abs 1 Nr 5) | 51 6. Löschung wegen Vermögenslosigkeit (Abs 1 Nr 6) | 63 Andere Auflösungsgründe (Abs 2) | 68

I. Grundlagen 1

1. Regelungsgegenstand der §§ 262 ff. Die §§ 262 ff regeln das Recht der Auflösung, Abwicklung und Vollbeendigung der Aktiengesellschaft. Auflösungsreife, Auflösung, Abwicklung und Beendigung der Gesellschaft sind zu unterscheiden (vgl Rdn 2 ff).1 Vorgängerregeln waren die Art 242 ff ADHGB, §§ 293 ff HGB 1897, §§ 203 ff AktG 1937. 2. Auflösungsreife, Auflösung, Liquidation und Beendigung der AG

2

a) Um eine auflösungsreife AG handelt es sich, wenn zwar bereits ein materieller Auflösungsgrund eingetreten ist, noch nicht aber die Auflösung selbst. Die Gesellschaft unterliegt noch nicht den §§ 263–274. Aber im Innenverhältnis können sich aus der Auflösungsreife bereits Rechtsfolgen ergeben.2 Die Rechtspflichten der Gesellschafter können in diesem Stadium entweder in Richtung auf die Herbeiführung der Auflösung (Abs 1 Nr 2) oder auf deren Verhinderung durch einen Fortsetzungsbeschluss gehen. Auch eine zahlungsunfähige oder überschuldete Gesellschaft ist auflösungsreif, aber

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1 Ausführlich Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 2 ff; krit zum Unterschied zwischen Auflösungsreife und Auflösung MK/Koch4 13. 2 Vgl Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 3.

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Auflösungsgründe | § 262

noch nicht nach Abs 1 Nr 3 aufgelöst, solange nicht das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. b) Von einer aufgelösten AG ist zu sprechen, wenn einer der gesetzlichen Auflö- 3 sungstatbestände eingetreten ist. Es gelten die §§ 263 ff, soweit nicht Spezialbestimmungen, insbesondere diejenigen der Insolvenzordnung Platz greifen (dazu Rdn 32). Die aufgelöste Gesellschaft bleibt existent und ist im Grundsatz noch fortsetzungsfähig (§ 274 Rdn 3). c) Die Auflösung als Übergang in das gesellschaftsrechtliche Abwicklungsver- 4 fahren ist von dem die Auflösung bewirkenden Auflösungsereignis zu trennen. d) Beendigung der AG bedeutet Erlöschen der Aktiengesellschaft als Körperschaft 5 und als Rechtsträger. Dazu § 264 Rdn 15 ff sowie § 273 Rdn 2 f. 3. Anwendungsbereich a) Eingetragene AG. Nach Abs 1 ist „die Aktiengesellschaft“ in den gesetzlich be- 6 zeichneten Fällen aufgelöst. Gemeint ist die im Handelsregister eingetragene und deshalb „als solche“ (§ 41 Abs 1 Satz 1) bestehende Aktiengesellschaft (zur Vorgesellschaft sogleich Rdn 7).3 Wegen der Bedeutung für die SE vgl Art 63 SE-VO.4 Für die Kommanditgesellschaft auf Aktien gelten die §§ 289 f. b) Vor-AG, Vorgründungsgesellschaft und aufgelöste AG? Zur Streitfrage, in- 7 wieweit § 262 und die nachfolgenden Bestimmungen auf die Vor-AG anzuwenden sind, vgl § 41 Rdn 123. Entgegen der dort vertretenen Auffassung (automatische Auflösung erst bei endgültigem Scheitern der Vor-AG, sonst lediglich Anwendung des § 262) hat sich BGHZ 169, 270 = NJW 2007, 589 für eine auflösende Kündbarkeit der Vor-AG entsprechend § 723 Abs 1 Satz 2 und Abs 3 Nr 1 BGB ausgesprochen.5 Dagegen steht das Urteil auf der Rechtsfolgenseite (Abwicklung der aufgelösten Vor-AG nicht nach §§ 730 ff BGB, sondern entsprechend § 265 durch die Vorstandsmitglieder als Abwickler) im Einklang mit § 41 Rdn 124. Auf einen nur als Innengesellschaft bestehenden Gründungsvorvertrag sind die Bestimmungen nicht anwendbar (§ 41 Rdn 25 ff). Soweit im Vorgründungsstadium durch mitunternehmerische Tätigkeit der Gründer eine oHG entstanden ist (§ 41 Rdn 20, 28), gelten die §§ 131, 145 ff HGB. Die scheinbar absurde Frage nach der Anwendung der §§ 262 ff auf eine bereits aufgelöste AG zielt auf die Konkurrenz von Auflösungsgründen: Mehrere Auflösungsgründe können – auch sukzessiv – nebeneinander treten (vgl Rdn 9). 4. Verhältnis unter den Auflösungsgründen a) Numerus clausus. Die Auflösungsgründe bilden einen numerus clausus. Das be- 8 deutet indes nicht, dass es andere als die in Abs 1 genannten Auflösungsgründe nicht gäbe. Vielmehr verweist Abs 2 gerade auf andere gesetzliche Auflösungsgründe (vgl zu ihnen Rdn 11 ff). Dagegen kann die Satzung andere als die im Gesetz genannten Auf-

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3 Heidel/Wermekes4 3; MK/Koch4 12. 4 Dazu K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 1; Spindler/Stilz/Bachmann4 20. 5 Dem zust Bürgers/Körber/Füller3 3; Hüffer/Koch14 5; K Schmidt/Lutter/Drygala4 § 41, 23; Spindler/Stilz/ Bachmann4 5; wie hier aber Grigoleit/Vedder § 41, 25.

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§ 262 | Erster Abschnitt – Auflösung

lösungsgründe nicht schaffen (§ 23 Abs 5).6 Zum Streit, ob die Satzung auf der Grundlage von Abs 1 Nr 1 Kündigungsklauseln einführen kann, vgl 18. 9

b) Konkurrenz von Auflösungsgründen. Auflösungsgründe können nebeneinander, aber auch sukzessiv konkurrierend eingreifen. Die Frage ist praktisch nicht unbedeutend, wenn zB die Auflösungsfolgen unterschiedlich sind (Beispiel Insolvenz) oder wenn zwar ein bestimmter Auflösungsgrund, nicht aber ein anderer nach § 274 durch Fortsetzung behoben wird. Beispielsweise kann über das Vermögen einer bereits aufgelösten Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet werden, oder es kann, wenn die automatische Auflösung nach Abs 1 Nr 1 zweifelhaft ist, ein Auflösungsbeschluss nach Abs 1 Nr 2 gefasst werden. Die Auflösung einer bereits aufgelösten Gesellschaft ist nur scheinbar ein Widerspruch, weil die Gesellschaft aus mehrfachem Grund aufgelöst sein kann (Fall der sog Doppelwirkungen im Recht).

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c) Satzungsmäßige Auflösungsgründe sind nur im Rahmen von Abs 1 Nr 1 zulässig (vgl § 23 Abs 5 und dazu § 23 Rdn 173 ff). Das gilt insbesondere für Kündigungsregeln.7

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d) Andere Auflösungsgründe (Abs 2) sind nur gesetzliche, dh im objektiven Recht verankerte Auflösungsgründe (vgl Rdn 68). 5. Verhältnis zu Sonderbestimmungen

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a) Umwandlung und Vermögensübertragung. Von den Anwendungsfällen des § 262 zu unterscheiden sind die Fälle des Formwechsels, der Verschmelzung und der Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz. Beim Formwechsel vermeidet das Gesetz die Auflösung, indem es die Gesellschaft in neuer Rechtsform fortbestehen lässt (§ 202 Abs 1 Nr 1 UmwG). Im Fall der Verschmelzung (§ 20 Abs 1 Nr 1, 2 UmwG) und der Aufspaltung (§ 131 Abs 1 Nr 1, 2 UmwG) geht das Gesellschaftsvermögen auf den oder die Zielrechtsträger über, und die Gesellschaft erlischt ohne Auseinandersetzung ihres Vermögens. Die Vermögensübertragung (§ 179a) ist als solche kein Auflösungsfall nach § 262.8 Ihre Durchführung kann aber idR einen Auflösungsbeschluss mit sich bringen und dann zur Anwendung des Abs 1 Nr 2 führen.9

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b) Insolvenz, Masselosigkeit und Löschung wegen Vermögenslosigkeit. Diese Tatbestände sind in Abs 1 Nr 3, 4 und 6 als Auflösungsfälle erfasst. Nur der Fall der Masselosigkeit (Rdn 44 ff) passt allerdings als echter Auflösungstatbestand in den § 262 hinein. Der Fall der Insolvenzverfahrenseröffnung (Rdn 27 ff) hat zwar Auflösungsfolgen, aber nicht die der §§ 264 ff. Der Fall der Vermögenslosigkeit (Abs 1 Nr 6) schließlich zielt überhaupt nicht auf ein Abwicklungsverfahren (näher Rdn 63 ff). 6. Keine Auflösungstatbestände

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a) Bloße Auflösungsanlässe. Keine gesetzlichen Auflösungsgründe sind beispielsweise die Einstellung des Betriebs, dessen Untersagung (mit Ausnahme der bei 11 ge-

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6 Grigoleit/Servatius 15; Hüffer/Koch13 7; MK/Koch4 21; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 3; Spindler/Stilz/ Bachmann4 71. 7 Anders noch 3. Aufl (Wiedemann) 39. 8 Heidel/Wermeckes5 7; Hüffer/Koch14 6; KK/Winnen3 30; MK/Koch4 22. 9 Heidel/Wermeckes5 7, Hüffer/Koch14 5; MK/Koch4 22.

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nannten Bestimmungen) oder Enteignung, die Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens oder dessen Einbringung in eine Tochtergesellschaft (vgl auch § 179a Abs 3). Dasselbe gilt im Fall einer AG & Co KG für die Auflösung der Kommanditgesellschaft (während umgekehrt die Auflösung der Komplementär-AG als Auflösungstatbestand auch bezüglich der KG erwogen wird). Alle diese Sachverhalte können Anlass für einen Auflösungsbeschluss nach Abs 1 Nr 2 sein und ggf auch die Gesellschafter kraft Treupflicht zur Beteiligung an einem Auflösungsbeschluss anhalten (Rdn 25). Sie machen die Gesellschaft in diesen Fällen auflösungsreif (Rdn 2), führen aber nicht selbst die Auflösung herbei. Kein Auflösungsgrund ist die Vereinigung aller Aktien in einer Hand (vgl zur Einpersonengesellschaft auch § 2). Anders verhält es sich, wenn die Gesellschaft selbst alle Aktien erwirbt (Rdn 68). b) Fusionskontrolle. Nach Art 8 Abs 4 FKVO kann die Kommission anordnen, dass 15 ein vollzogener Zusammenschluss „insbesondere durch Auflösung der Fusion“ rückgängig gemacht wird. Nach § 41 Abs 3 S 1 GWB ist ein vollzogener Zusammenschluss, der die Untersagungsvoraussetzungen nach § 36 Abs 1 GWB erfüllt, „aufzulösen“. Dazu ordnet das Bundeskartellamt „die zur Auflösung des Zusammenschlusses erforderlichen Maßnahmen“ an. Es handelt sich bei diesen „Auflösungs“-Pflichten idR nicht um die Auflösung einer Gesellschaft, sondern um die vollständige oder teilweise Beseitigung eines Zusammenschlusstatbestands iS von Art 3 FKVO bzw § 37 GWB. So wenig wie der Zusammenschluss eine Verschmelzung iSv §§ 2 ff UmwG sein muss, wird seine Entflechtung idR als Auflösung oder Spaltung eines Rechtsträgers vollzogen. Die Befolgung einer Entflechtungsanordnung kann im Einzelfall zur Auflösung führen, insbes nach Abs 1 Nr 2. Die Regel ist dies nicht. II. Die gesetzlichen Auflösungstatbestände des Abs 1 1. Zeitablauf (Abs 1 Nr 1) a) Abs 1 Nr 1 ist in der Praxis wenig bedeutend. Der Tatbestand stellt auf den Ab- 16 lauf der satzungsmäßig bestimmten Zeit ab. Der Zeitablauf muss sich aus der Satzung selbst ergeben. Dazu genügt zweifelsfrei ein kalendarisch bestimmter Auflösungszeitpunkt.10 Ebenso genügt eine durch eine Frist objektiv berechenbare Dauer (zB fünf Jahre ab Errichtung, ab Eintragung etc). Ausreichend ist aber auch die Bezugnahme auf ein objektiv feststellbares Ereignis, zB Gründung der Gesellschaft für die Dauer eines Patents.11 Eine Verlängerungsklausel schadet nicht. Zur Frage, ob auch eine Kündigungsklausel von Abs 1 Nr 1 gedeckt ist, vgl Rdn 20. b) Durch die Satzung muss die Dauer der Gesellschaft bestimmt werden, und zwar 17 durch eine korporative Satzungsklausel (dazu § 23 Rdn 15 ff). Eine satzungsbegleitende Nebenabrede (dazu § 23 Rdn 296) genügt nicht. Durch sie können sich die Aktionäre zur Fassung eines Auflösungsbeschlusses (Abs 1 Nr 2) verpflichten, nicht aber eine automatisch wirkende Auflösung nach Abs 1 Nr 1 herbeiführen. Die Satzungsklausel ist nach § 39 Abs 2 in das Handelsregister einzutragen. Fehlt diese Eintragung, ist aber die Satzungsklausel bei der Errichtung der Gesellschaft wirksam in die Satzung aufgenommen,

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10 21. 11

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Heidel/Wermeckes5 10; Hüffer/Koch14 8; KK/Winnen3 20; MK/Koch4 26; Spindler/Stilz/Bachmann4 MK/Koch4 26; Spindler/Stilz/Bachmann2 22; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4.

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hindert die fehlende Eintragung nicht den Eintritt der Auflösung (vgl demgegenüber zur Einführung einer Klausel durch Satzungsänderung Rdn 19). 18

c) Durch Satzungsänderung kann eine Satzungsklausel iSv Abs 1 Nr 1 eingeführt, geändert oder beseitigt werden.12 Die erforderliche Mehrheit ergibt sich aus § 179,13 nicht aus Abs 1 Nr 2 (der die direkte Auflösung durch Beschluss regelt) und auch nicht aus § 274 (der erst nach eingetretener Auflösung zum Zuge kommt).14 Das kann von Bedeutung sein, wenn die Satzung nach § 179 Abs 2 für Satzungsänderungen eine geringere als die gesetzlich angeordnete Mehrheit ausreichen lässt.14a Gegen eine mit satzungsändernder Mehrheit beschlossene Verkürzung der Frist ist die Minderheit vorbehaltlich der Treupflicht (4. Aufl vor § 53a Rdn 48) oder satzungsbegleitender Nebenabreden (§ 23 Rdn 296) nicht geschützt.15 Zustimmungserfordernisse können sich bei einer Aufschiebung oder Beseitigung des Auflösungszeitpunkts ergeben, wenn die Satzung einzelnen Aktionären ein Sonderrecht auf Abwicklung nach Eintritt des satzungsmäßigen Auflösungszeitpunkts zuerkennt, zB in Gestalt der Übernahme des Unternehmens oder der Zuteilung bestimmter Gegenstände.16 Auch kann die zeitliche Begrenzung einer Nebenleistungs-AG (§ 55) nach dem in § 180 Abs 1 zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken nur mit Zustimmung der zu Nebenleistungen verpflichteten Aktionäre aufgehoben oder verschoben werden.17 Zustimmungspflichten können sich dann aber evtl aus der Treupflicht ergeben.18 Im Fall einer Satzungsänderung ist für deren Wirksamkeit die Eintragung ins Handelsregister erforderlich, und zwar nicht wegen § 39 Abs 2, sondern wegen § 181 Abs 3. Ist der satzungsmäßige Auflösungszeitpunkt bereits vor dieser Eintragung eingetreten, so kann der Beschluss in einen Fortsetzungsbeschluss umgedeutet werden, da die Voraussetzungen des § 274 erfüllt sind.19

19

d) Fehlerhafte Satzungsänderungsbeschlüsse können ausnahmsweise nichtig (§ 241), sonst anfechtbar sein (§ 243). Ist der Beschluss nichtig oder durch rechtskräftiges Anfechtungsurteil aufgehoben (§ 248), so ist der Rechtszustand grundsätzlich der, wie er ohne die Satzungsänderung bestanden hätte. Allerdings können die Grundsätze über fehlerhafte Satzungsänderungen zum Zuge kommen (dazu 4. Aufl § 179 Rdn 181). Nach der zum GmbH-Gesetz ergangenen Entscheidung RGZ 81, 68, 71 können Gesellschafter, ohne deren Zustimmung ein Verlängerungsbeschluss unwirksam ist, verlangen, dass sie so gestellt werden, als wäre die Gesellschaft ordnungsgemäß nach Fristablauf abgewickelt worden.20 Schadensersatzansprüche sind hierdurch nicht ausgeschlossen.21

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e) Satzungsmäßige Kündigungsklauseln? Auflösende Kündigungen spielen im Aktienrecht gleichfalls keine praktisch bedeutsame Rolle. Eine Kündigungsklausel gibt den Aktionären (bestimmten Aktionären) ein Recht, die Gesellschaft mit Auflösungsfolge

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12 13 14 14a 15 16 17 18 9. 19 20 21

Bayer/Habersack/Ehricke/Rotstegge 25, 16. Nach aM aus § 262 Abs 1 Nr 2; vgl Hüffer/Koch14 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 22. Heidel/Wermeckes5 12; Hüffer/Koch14 9; KK/Winnen3 22; MK/Koch4 30; Henn7 1451. AM Hüffer/Koch13 8; KK/Winnen3 26; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber3 5. Vgl sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 10. Heidel/Wermeckes5 12; Hüffer/Koch13 9; KK/Winnen3 24; MK/Koch4 31. Ebd; vgl auch RGZ 136, 185, 188 (zur GmbH). Vgl sinngemäß Scholz/K Schmidt/Bitter GmbHG12 § 60, 18; s auch Grigoleit/Servatius 7; Hüffer/Koch13 Heidel/Wermeckes5 12; KK/Winnen3 14; Henn7 1451. Vgl sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 19. Ebd.

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zu kündigen. Ob sie zulässig ist, ist umstritten.22 Die hM gibt eine verneinende Antwort.23 Bei RGZ 79, 418, 422 heißt es in Bezug auf § 60 Abs 1 Nr 1 GmbHG, um eine zeitliche Begrenzung handle es sich auch, wenn die Satzung ein Kündigungsrecht einräume. Für die GmbH ist diese Begründung überflüssig (vgl nämlich § 60 Abs 2 GmbHG), für die Aktiengesellschaft keineswegs sicher. Abs 2, der nur gesetzliche Auflösungsgründe meint, hilft nicht.24 Das ist anders als im Recht der GmbH, das statutarische Auflösungsgründe und dann auch die Auflösungskündigung zulässt.25 Deshalb steht § 23 Abs 5 einer die auflösende Kündigung gestattenden Satzungsklausel entgegen, soweit nicht Abs 1 Nr 2 eingreift. Im Gegensatz zu § 61 GmbHG gesteht das Gesetz den Aktionären nicht einmal ein Recht auf gerichtliche Auflösung aus wichtigem Grund zu (vgl aber über Treupflichten beim Auflösungsbeschluss Rdn 25). Auch ist das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit für den Auflösungsbeschluss, anders als nach § 60 Abs 1 Nr 2 GmbHG, zwingend (Rdn 24). Das spricht gegen die Zulassung von Kündigungsrechten der Gesellschafter oder von Kündigungs-Sonderrechten einzelner Gesellschafter. 2. Beschluss der Hauptversammlung (Abs 1 Nr 2) a) Grundsatz. Die Gesellschaft kann jederzeit durch Beschluss der Hauptversamm- 21 lung aufgelöst werden. Voraussetzung ist die Abhaltung einer Hauptversammlung nach §§ 118 ff. Eine Delegation dieser Befugnis auf andere Organe oder auf Dritte ist unzulässig.26 b) Inhalt des Beschlusses muss der Eintritt in das Stadium der Auflösung nach 22 §§ 263 ff sein. Es empfiehlt sich, dies ausdrücklich im Wortlaut des Beschlusses zum Ausdruck zu bringen. Es genügt aber, wenn der Wille der Hauptversammlung, die Auflösung herbeizuführen, mit ausreichender Klarheit zum Ausdruck kommt. Dies kann sich durch Auslegung des Beschlusses ergeben, jedoch nur bei hinreichend deutlichem Auflösungswillen.27 Dazu sollte nach früher hM die Sitzverlegung ins Ausland genügen.28 Im Hinblick auf § 5 (Sitz im Inland) spricht das deutsche Aktienrecht für die Nichtigkeit eines solchen Sitzverlegungsbeschlusses, wenn er den Satzungssitz verlegen soll.28a In Anbetracht der europarechtlichen Implikationen29 kann hieran nicht uneingeschränkt festgehalten werden. Richtig scheint nur: Der Beschluss, den Verwaltungssitz einer in Deutschland als AG im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft, in einen Sitztheoriestaat zu verlegen, hat Auflösungscharakter.30 Nach dem „Cartesio“-Urteil gebieten die

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22 Bejahend: Baumbach/Hueck/Haas GmbHG21 9; von Godin/Wilhelmi4 3; Großkomm/Wiedemann3 39; MünchHdbGesRIV/Hoffmann-Becking § 65, 3, 10. 23 Bürgers/Körber/Füller4 7; Heidel/Wermeckes4 39; Hüffer/Koch14 7; KK/Winnen3 120 ff; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 12; MK/Koch4 19 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 70. 24 Bürgers/Körber/Füller4 7; Hüffer/Koch14 7; MK/Koch4 21. 25 RGZ 79, 418, 421 ff; 93, 326, 327; 95, 39, 40; 113, 147, 149; BayObLG BB 1975, 249; KG JW 1930, 2719; OLG Karlsruhe GmbHR 1960, 24 f; Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 87. 26 Vgl RGZ 169, 65, 80 (GmbH); Hüffer5 12; KK/Winnen3 28; MK/Koch4 40. 27 Grigoleit/Servatius 5; Heidel/Wermeckes4 14; KK/Winnen3 29; MK/Koch4 32; Spindler/Stilz/Bachmann4 27; vgl K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 9. 28 RGZ 107, 94, 97; BGHZ 25, 134, 144; OLG Hamm NJW 2001, 2183; BayObLG AG 1992, 456; Bayer/Habersack/Ehricke/Rotstegge Rdn 25.21; Ebenroth/Auer JZ 1993, 374, 375. 28a Vgl Bürgers/Körber/Körber4 § 45, 12; Grigoleit/Wicke § 5, 11; s auch MK-BGB/Kinder7 IntGesR 831 ff. 29 Vgl Slg. 1999, I-1459 = EuGH NJW 1999, 2027 „Centros“; Slg. 2002, I-9919 = NJW 2002, 3614 „Überseering“; Slg 2003, I-10155 = NJW 2003, 3331 „Inspire Art“; Slg 2008, I-96419704 = NJW 2009, 569 „Cartesio“; Habersach/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht5 § 3 Rn 15 ff. 30 MK-BGB/Kindler7 IntGesR, 825, 836; auch hier aM Spindler/Stilz/Bachmann4 76.

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Artt 49, 54 AEUV (Artt 43, 48 EG) selbst innerhalb der EU nicht zwingend die Zulassung echter Sitzverlegung ins Ausland.31 Viel spricht dafür, eine mit § 5 unvereinbare Verlegung des Satzungssitzes unter Beibehaltung der Rechtsform als deutsche AG ins Ausland grundsätzlich für nichtig zu halten.32 Hiervon zu unterscheiden ist der formwechselnde Wegzug33 sowie die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen AG in ein Gründungstheorieland, zB also innerhalb der EU.34 23

c) Der Beschluss stellt im Regelfall keine Satzungsänderung dar.35 Er unterliegt dann nicht den Anforderungen der §§ 179 ff. Das gilt, da das Aktiengesetz die satzungsmäßige Festlegung einer Mindestdauer nicht gestattet, auch dann, wenn der satzungsändernde Beschluss vor dem Ablauf einer in der Satzung bestimmten Zeit (Abs 1 Nr 1) gefasst wird.36 Deshalb hat insbesondere die Eintragung der gemäß Abs 1 Nr 2 beschlossenen Auflösung in das Handelsregister nur deklaratorische Bedeutung (vgl § 263 Rdn 10), nicht konstitutive Wirkung nach § 181 Abs 3. Umstritten ist dies im Fall eines aufschiebend bedingten oder befristeten Auflösungsbeschlusses. Nach dem zur GmbH ergangenen Urteil RGZ 65, 264, 267 soll der Beschluss über eine nur noch befristete oder bedingte Fortsetzung der Gesellschaft stets Satzungsänderung sein. Das ist zweifellos eine klare Lösung. Sie führt dazu, dass eine zeitliche Begrenzung der Gesellschaft nicht formlos eingeführt werden kann. Das gleichfalls zur GmbH ergangene Urteil RGZ 145, 99, 101 ff lässt aufschiebend bedingte oder befristete Auflösungsbeschlüsse ohne Satzungsänderung zu. Dem ist mit der hM zuzustimmen,37 jedoch ist nach der Funktion der Bedingung oder Befristung zu unterscheiden:38 Soll der Beschluss aus der Gesellschaft eine konstitutionell bis zum Eintritt des im Beschluss bezeichneten Termins oder Ereignisses fortbestehende, gleichsam unter neuem Status lebende AG machen, so liegt eine Satzungsänderung vor. Anders, wenn der Beschluss auf die Auflösung zielt und diese nur aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht sofort eintreten lässt (sondern zB mit Ablauf des Geschäftsjahrs oder am Stichtag des bevorstehenden Endes einer Gewerbeerlaubnis). Bei der Formulierung und Protokollierung des Beschlusses sollte hierauf geachtet werden.

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d) Die Mehrheitserfordernisse ergeben sich aus Abs 1 Nr 2. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit oder weitere Erfordernisse vorschreiben. Nicht zulässig ist die Bindung der Beschlussfassung an die Zustimmung Dritter.39 Gleichfalls nicht zulässig ist eine Erschwerung, die die Beschlussfassung unmöglich macht.40

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31 EuGH Slg. 2008 I-96419704 = NJW 2009, 569 „Cartesio“. 32 In diesem Sinne Hüffer/Koch13 § 5, 12; MK-BGB/Kindler7 IntGesR, 833, 836 mwN; Spindler/Stilz/ Bachmann4 74 f, 80. 33 EuGH, Urt v 12.7.2012, C-378/10 = NJW 2012, 2715; dazu Bayer/Schmidt ZIP 2012, 1481; s auch EuGH Urt. v 25.10.2017 DStR 2017, 2684 m Anm: Wicke = NZG 2017, 1308 m Anm Wachter „Polbud“; MK-BGB/ Kindler7 IntGesR 138a, 138b; Hüffer/Koch13, § 5, 13. 34 Dazu statt vieler MK-BGB/Kindler7 IntGesR, 833 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 76, 79. 35 RGZ 65, 264, 266; 101, 78; BayObLG NJW-RR 1995, 1001; OLG Karlsruhe GmbHR 1982, 276, 277 sämtlich zur GmbH; Heidel/Wermeckes4 14; KK/Winnen3 38; MK/Koch4 42. 36 Vgl demgegenüber zum GmbH-Recht Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 23. 37 Heidel/Wermeckes5 15; KK/Winnen3 39; MK/Koch4 30, 41. 38 Vgl auch KK/Winnen3 38; Spindler/Stilz/Bachmann4 28. 39 RGZ 169, 65, 80 (zur GmbH). 40 Heidel/Wermeckes5 16; KK/Winnen3 35; nach K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 10 ist ein Einstimmigkeitserfordernis unzulässig, wenn es die Auflösung praktisch vereitelt; für die Zulässigkeit eines Einstimmigkeitserfordernisses Hüffer/Koch13 12; MK/Koch4 43.

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e) Materielle Wirksamkeitserfordernisse stellt das Gesetz nicht auf. Ein Auflö- 25 sungsbeschluss bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung und trägt seine Legitimation in sich.41 Allerdings kann die Beschlussfassung treuwidrig und dann anfechtbar sein, zB wenn sie dem Ausschluss eines Minderheitsgesellschafters ohne Wahrung der in §§ 327a ff genannten Voraussetzungen dient, indem das Unternehmen auf eine von der Mehrheit gegründete Gesellschaft übertragen wird.42 Ausnahmsweise kann auch eine treupflichtbedingte Verpflichtung zur Zustimmung zu einem Auflösungsbeschluss bestehen,43 zB wenn er zur Beseitigung eines (kartell-)rechtswidrigen Zustands unerlässlich ist. f) Wirksamwerden. Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens richtet sich nach dem Be- 26 schlussinhalt. Bestimmt die Hauptversammlung nichts anderes, so wird der Beschluss sofort wirksam, führt also die Auflösungswirkung unmittelbar herbei (zur deklaratorischen Registereintragung vgl § 263 Rdn 10).44 Fehlerhafte Auflösungsbeschlüsse können nach § 243 anfechtbar sein.45 Mit der Rechtskraft eines Anfechtungsurteils (§ 248) entfällt der Auflösungsbeschluss ipso iure mit rückwirkendender Kraft.45a 3. Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abs 1 Nr 3) a) Bedeutung des Tatbestands. Die Aktiengesellschaft ist aufgelöst, wenn das In- 27 solvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet ist (vor dem 1.1.1999: Konkursverfahren; zu dieser aF vgl 3. Aufl [Wiedemann] Rdn 21 ff).46 Das gilt auch für eine bereits aufgelöste Gesellschaft (vgl zur Konkurrenz von Auflösungsgründen Rdn 9). b) Das Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag eröffnet (§ 13 Abs 1 Satz 1 InsO). An- 28 tragsberechtigt ist jeder Gläubiger der Gesellschaft sowie die Gesellschaft als Schuldnerin (§ 13 Abs 1 Satz 2 InsO). Zum Schuldnerantrag ist jedes Vorstandsmitglied bzw jeder Abwickler berechtigt (§ 15 Abs 1 InsO). Wird der Antrag nicht von allen Vorstandsmitgliedern oder Abwicklern gestellt, so ist der Eröffnungsgrund glaubhaft zu machen und die übrigen Vorstandsmitglieder bzw Abwickler sind anzuhören (§ 15 Abs 2 InsO). Die Aktionäre und der Aufsichtsrat sind nur im Fall der Führungslosigkeit antragsberechtigt (§ 15 Abs 1 Satz 2 InsO). Zur Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO, vormals § 92 Abs 2 aF AktG) vgl Erl § 92. Handelt es sich um ein Kreditinstitut oder um Versicherungsunternehmen, so kann der Antrag ausschließlich von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bzw von der Aufsichtsbehörde gestellt werden (näher § 46b KWG, § 88 VAG). c) Eröffnungsgründe sind Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit 29 und Überschuldung (§§ 17–19 InsO). Der bloße Eintritt eines Eröffnungsgrundes, also

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41 BGHZ 76, 352 = BGH NJW 1980, 1278; BGHZ = 103, 184, 189 = NJW 1988, 1579; BGHZ = 129, 136, 151 = NJW 1995, 1743 „Girmes“; hM; vgl Grigoleit/Servatius 6. 42 BVerfG NJW 2001, 279; BGHZ 76, 352, 354 f = NJW 1980, 1278; 103, 184, 189 = NJW 1988, 1579; 129, 136, 151 = NJW 1995, 1739; OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515; 1997, 362, 363; ausführlich Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 24; grds Ablehnung der übertragenden Auflösung bei Spindler/Stilz/Bachmann4 36; Bachmann ZIP 2009, 1249, 1255, unter Hinweis auf §§ 327a ff. 43 Ausführlich zu dieser Problematik Spindler/Stilz/Bachmann4 32. 44 Hüffer/Koch13 10; KK/Winnen3 29; MK/Koch4 39. 45 Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 28. 45a Vgl KK/Winnen3 44. 46 Ausführlich Bayer/Habersack/Ehricke/Rotstegge Rdn 25.22, 25.71 ff.

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die materielle Insolvenz, macht die Gesellschaft auflösungsreif (Rdn 3), löst sie aber noch nicht auf. Dies bewirkt erst der Eröffnungsbeschluss. Die Gesellschaft ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs 2 Satz 1 InsO).47 Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Gesellschaft ihre Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs 2 Satz 2 InsO). Zahlungsstockung ist noch nicht Zahlungsunfähigkeit. BGHZ 163, 134 = NZI 2005, 547 hat hierzu die folgenden Regeln aufgestellt: (a) Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. (b) Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10% erreichen wird. (c) Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10% oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Überschuldung liegt nach der seit dem 18.10.2008 geltenden48 Definition des § 19 Abs 2 Satz 1 vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist überwiegend wahrscheinlich. Bis zum 17.10.2008 hatte ein rein bilanzieller Überschuldungsbegriff gegolten, wobei sich nur die Vermögensbewertung nach Fortführungswerten richten sollte, wenn die Fortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich war (§ 19 Abs 2 Satz 2)49. Mit diesem von 1999 bis 2008 geltenden Überschuldungsbegriff wollte der Gesetzgeber die auf den Verfasser50 zurückgehenden „neue zweistufige Methode“ der Überschuldungsmessung zurückdrängen,51 die sich in der Rechtsprechung durchgesetzt hatte.52 Die zunächst nur als Provisorium gedachte Wiedereinführung dieser „neuen zweistufigen Methode“ durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz wurde im Jahr 2012 entfristet.52a Solange es dabei bleibt,52b gibt dies Gelegenheit, zu dieser der Insolvenzordnung vorausgegangenen Praxis zurückzukehren.53 Die Fortführungsprognose wird aufgrund eines Finanzplans erstellt.54 Ein solcher wird in der Unternehmenspraxis häufig nicht benötigt,55 nämlich dann nicht, wenn die Prognose evident positiv oder (zB nach Stellung des Insolvenzantrags) evident negativ ist.56 Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein

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47 Näher die Kommentierungen zu § 17 InsO sowie Bork KTS 2005, 1; Drukarczyk/Schüler, Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung als Insolvenzauslöser, in: Kölner Schrift zur InsO3; Himmelsbach/Thonfeld NZI 2001, 11; Stahlschmidt JR 2002, 89: Weisemann/Smid Handbuch Unternehmensinsolvenz, 1999. 48 Gesetz vom 17.10.2008, BGBl I S 1982; Fortschreibung durch Gesetz vom 24.9.2009, BGBl I S 3151; Entfristung durch Gesetz vom 5.12.2012, BGBl I 2418. 49 Dazu statt vieler Bayer/Habersack/Ehricke/Rotstegge Rdn 25.82. 50 Karsten Schmidt AG 1978, 334. 51 BegrRegEInsO BT-Drucks 12/2443 S 115. 52 BGHZ 119, 201 = NJW 1992, 2891; BGHZ 129, 136, 138 = NJW 1995, 1739, 1740. 52a Gesetz vom 5.12.2012, BGBl I 2418. 52b Zur Diskussion über die Abschaffung des Überschuldungstatbestands vgl MK-InsO/Drukarczyk/ Schüler4 § 19, 108 ff. 53 In diesem Sinne Bitter/Homerich/Reiss ZIP 2012, 1201, 1208 f. 54 Drukarczyk/Schüler in: Kölner Schrift zur InsO3, Kap 2, 119. 55 Bork ZIP 2001, 1709 ff. 56 Ausführlicher Scholz/Bitter GmbHG12 Vor § 64, 31.

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wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs 1 InsO).57 Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist Eröffnungsgrund nur bei einem Eigenantrag der Gesellschaft (§ 18 Abs 1 InsO). Dieser setzt im Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit voraus, dass die Vorstandsmitglieder bzw Abwickler in vertretungsberechtigter Zahl oder allesamt den Antrag im Namen der Gesellschaft stellen (§ 18 Abs 3). Dieser Antrag bedarf keiner Zustimmung der Hauptversammlung57a, wohl allerdings (im Innenverhältnis) des Aufsichtsrats57b. Wegen der komplizierten Details über die Eröffnungsgründe sei auf die Kommentierungen zu §§ 17–19 InsO sowie auf insolvenzrechtliche Spezialliteratur verwiesen. d) Kein Auflösungsgrund ist die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnah- 30 men im Insolvenzeröffnungsverfahren (§ 21 InsO), insbesondere die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 22 InsO) oder vorläufigen Sachwalters (§ 270b InsO). Wird bei der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters der Gesellschaft ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs 2 Nr 1 InsO), so hat aber dieser sog „starke Verwalter“ das Unternehmen fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht der Stilllegung zustimmt (§ 22 Abs 1 Nr 2 InsO). Er kann, wie ein späterer Insolvenzverwalter, Masseschulden begründen.58 Der Tatbestand kommt einer Auflösung nach § 262 immerhin nahe. Für einen „schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter“ bei fehlendem Verfügungsverbot gilt dies nicht. e) Der Eröffnungsbeschluss, nicht schon das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds 31 nach §§ 16 ff InsO, ist nach Abs 1 Nr 3 Auflösungsgrund. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft (§ 3 InsO). Der Eröffnungsbeschluss enthält die Bezeichnung der AG als Schuldnerin, die Ernennung des Insolvenzverwalters und die Stunde der Eröffnung (§ 27 Abs 1 InsO). Fehlt die Stunde der Eröffnung, so gilt als Zeitpunkt der Eröffnung die Mittagsstunde des Eröffnungstags (§ 27 Abs 2 InsO). Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben (§ 34 InsO). Wird der Beschluss im Rechtsmittelwege aufgehoben, so endet die Auflösung der Gesellschaft, ohne dass es eines Fortsetzungsbeschlusses nach § 274 bedarf.59 f) Die Auflösungswirkungen eines Insolvenzverfahrens stimmen nur teilweise 32 mit denen der §§ 263 ff überein (§ 264 Rdn 11 ff). Die AG wird nach den Regeln der InsO abgewickelt oder reorganisiert. Diese umfassen nach dem vom BGH allerdings nicht akzeptierten60 Willen des Gesetzgebers61 die Vollabwicklung oder Reorganisation der Gesellschaft (arg § 199 Satz 2 InsO).62 Demgemäß sollte der Insolvenzverwalter nicht bloß als Amtstreuhänder mit Verfügungsmacht über das Schuldnervermögen angesehen werden (so aber die hM),63 sondern als obligatorischer Drittliquidator der Gesellschaft (an-

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57 Dazu Drukarczyk/Schüler in: Kölner Schrift zur InsO3, Kap 2, 45; Stahlschmidt JR 2002, 89, 90. 57a AM A.N. Rokas Die Insolvenzprophylaxe als Bestandteil der Corporate Governance im deutschen Aktienrecht, 2012, 149 f; Schäfer ZIP 2020, 1950 ff. 57b K Schmidt InsO § 18, 31; Kleindiek Zweite FS Karsten Schmidt I, 2019, 655, 669. 58 MK-InsO/Hefermehl4 § 55, 225 ff. 59 KK/Winnen3 56; Spindler/Stilz/Bachmann4 41. 60 BGH NJW 2001, 2966, 2967; NJW 1996, 2035, 2036. 61 Vgl BegrRegE, BT-Drucks 12/2433, S 83. 62 Eingehend Karsten Schmidt ZGR 1998, 636 f; ZIP 2000, 1913 ff; zust Hans-Fr Müller, Der Verband in der Insolvenz, S 13 ff; Bayer/Habersack/Ehricke/Rotstegge Rdn 25.78. 63 HM seit RGZ 29, 36; BGHZ 24, 396; st Rspr; Überblick bei Hüffer/Koch14 § 264, 9.

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ders hM):64 Er vertritt die Gesellschaft nach außen und muss sie, sofern nicht die Gesellschaft durch Insolvenzplan reorganisiert wird (dazu Rdn 37), bis zur Vollbeendigung abwickeln. Insolvenzmasse ist das gesamte Vermögen der Aktiengesellschaft, unter Einschluss des nach dem Eröffnungsbeschluss hinzuerworbenen Vermögens (§ 35 InsO). Auch einen Schaden der Insolvenzgläubiger, den diese gemeinschaftlich durch Verminderung der Insolvenzmasse vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (sog Gesamtschaden), macht während des Insolvenzverfahrens nur der Verwalter geltend (§ 92 Satz 1 InsO). Hauptbeispiele sind Schadensersatzansprüche gegen einen vorherigen Insolvenzverwalter (§§ 60, 92 Satz 2 InsO) sowie Ansprüche gegen Leitungsorgane wegen Verfahrensverschleppung (§§ 823 Abs 2 BGB, 15a InsO).65 33

g) Stellung der Gesellschaftsorgane. Vorstand und Aufsichtsrat bleiben im Amt.66 Sie nehmen für die Gesellschaft deren Schuldnerbelange im Insolvenzverfahren wahr.67 Auch die Dienstverträge zwischen der Gesellschaft und den Organmitgliedern enden nicht automatisch. Anwendbar ist § 113 InsO, der beiden Seiten das Recht gibt, das Rechtsverhältnis innerhalb einer Frist von drei Monaten zu kündigen.68 Eine Amtsniederlegung bleibt zulässig.69 Es können auch während des Insolvenzverfahrens neue Aufsichtsratsmitglieder gewählt und neue Vorstandsmitglieder bestellt werden. Zum Sonderfall der Eigenverwaltung vgl Rdn 36.

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h) Hinsichtlich der Rechnungslegung ist zu unterscheiden. aa) Die interne Rechenschaft des Insolvenzverwalters gegenüber den Verfahrensbeteiligten ergibt sich aus §§ 151 f, 66 InsO.70 Nach § 151 InsO hat der Verwalter ein Verzeichnis der Massegegenstände anzulegen, nach § 152 InsO ein Gläubigerverzeichnis, nach § 153 InsO eine auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung aufzustellende Vermögensübersicht. Bei Beendigung seines Amtes hat der Verwalter der Gläubigerversammlung nach § 66 Abs 1 InsO Rechnung zu legen. Diese Rechnungslegung ist nach § 197 Abs 1 Nr 1 InsO Gegenstand der Erörterung im Schlusstermin. Die Gläubigerversammlung kann dem Insolvenzverwalter nach § 66 Abs 3 InsO auch aufgeben, Zwischenrechnung zu legen.

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bb) Die handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegungspflichten der Gesellschaft bleiben nach § 155 Abs 1 Satz 1 InsO unberührt.71 Nach § 155 Abs 2 Satz 1 InsO beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein neues Geschäftsjahr. Deshalb ist für die der Insolvenzeröffnung vorausgegangene Periode ein Rechnungsgeschäftsjahr zu bilden.72 Vom Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung an ist jährlich Rechnung zu legen, beginnend mit einer Eröffnungsbilanz, die an die für das Rechnungsgeschäftsjahr gebildete Bilanz anknüpft.73 Endet das Insolvenzverfahren ohne Vollbeendigung der Gesellschaft

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64 Karsten Schmidt KTS 1984, 345 ff; ders NJW 1984, 1341 ff; KTS 1988, 9 f; sympathisierend OLG Hamm BB 2002, 375 = GmbHR 2002, 163. 65 Dazu aber einschränkend BGHZ 138, 211 = NJW 1998, 2667; gegen diese Entscheidung Karsten Schmidt ZGR 1998, 633, 665 ff. 66 Hüffer/Koch14 § 264, 8; KK/Winnen3 44, MK/Koch4 § 264, 43; Bayer/Habersack/Ehricke/Rotstegge Rdn 25.96 ff. 67 Hüffer/Koch14 § 264, 10; KK/Winnen3 § 264, 15; MK/Koch4 § 264, 63 ff. 68 MK/Koch4 § 264, 58; Uhlenbruck/Zobel15 § 113 InsO, 18. 69 Hans-Fr. Müller, Der Verband in der Insolvenz, 2002, S 128 ff mwN. 70 Ausführlicher Scholz/Bitter GmbHG12 Vor § 64, 205; vgl bereits zur Konkursordnung Karsten Schmidt Liquidationsbilanzen und Konkursbilanzen, 1989, S 70 ff. 71 Vgl ebd. 72 MK-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé3, 2008, § 155, 5. 73 MK-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé3, 2008, § 155, 8 ff.

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(also durch Einstellung des Verfahrens oder durch dessen Aufhebung nach Verabschiedung eines Insolvenzplans), so ist wiederum ein Rechnungslegungsgeschäftsjahr zu bilden, und es beginnt ein neues Geschäftsjahr.74 i) Eigenverwaltung.75 Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren einer Aktiengesell- 36 schaft ist zulässig. Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) hat sie mit Wirkung seit 1.3.2012 gestärkt (vgl §§ 270a, 270b InsO). Die Eigenverwaltung wird nach § 270 InsO auf Antrag des Schuldners, also der insolventen Gesellschaft, angeordnet (§ 270 Abs 2 Nr 1 InsO), wenn nach den Umständen zu erwarten ist, dass die Anordnung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen wird (§ 270 Abs 2 Nr 2 InsO). Die Eigenverwaltung setzt nicht voraus, dass die Organbesetzung identisch bleibt. Wegen der materiellen Voraussetzung des § 270 Abs 2 Nr 2 InsO hängt sie uU sogar davon ab, dass die Unternehmensleitung ganz oder teilweise ausgewechselt wird. Wird Eigenverwaltung angeordnet, so wird an Stelle des Insolvenzverwalters ein Sachwalter bestellt (§ 270c InsO), der die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu prüfen und die Geschäftsführung zu überwachen hat (§ 274 Abs 2 Satz 1 InsO). Die Zuständigkeiten der Organe, insbesondere die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse des Vorstands, richten sich grundsätzlich nach dem Aktienrecht. Aber der Einfluss des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung des Vorstands ist keine andere als im Regelinsolvenzverfahren (§ 276a InsO).76 Die Anordnung der Eigenverwaltung wird aufgehoben, wenn dies von der Gläubigerversammlung oder vom Vorstand beantragt wird oder wenn die Voraussetzungen des § 270 Abs 2 Nr 2 (keine Nachteile für die Gläubiger) entfallen sind und ein Gläubiger die Aufhebung beantragt (§ 272 InsO). Dann kann der bisherige Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellt werden (§ 272 Abs 3 InsO). k) Insolvenzplan aa) Nach § 217 InsO kann die Verwertung der Masse, die Gläubigerbefriedigung so- 37 wie die Haftung des Schuldners (also der AG) abweichend von den Vorschriften über die gesetzliche Insolvenzabwicklung durch einen Insolvenzplan geregelt werden.77 Der Plan enthält einen darstellenden und einen gestaltenden Teil (§ 219 Satz 1 InsO), ergänzt durch eine Vermögensübersicht, einen Ergebnis- und Finanzplan sowie ggf durch weitere Anlagen (§§ 219 Satz 2, 229, 230 InsO). Im darstellenden Teil wird beschrieben, welche Maßnahmen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen worden sind, oder noch getroffen werden sollen, um die Grundlagen für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen (§ 220 Abs 1 InsO). Insbesondere sollen sich die Grundlagen und Auswirkungen des Plans aus dem darstellenden Teil ergeben (§ 220 Abs 2 InsO). Im gestaltenden Teil des Plans wird dargelegt, wie die Rechtsstellung der Betei-

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74 Vgl sinngemäß Scholz/Bitter GmbHG12 Vor § 64, 206. 75 Zur Eigenverwaltung vgl Bayer/Habersack/Ehricke/Rotstegge Rdn 25.103; Flöther/Smid/Wehdeking, die Eigenverwaltung in der Insolvenz, 2005; Kruse, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz mit ihren gesellschaftsrechtlichen Bezügen, 2004; Prütting/Huhn, Kollision von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht bei der Eigenverwaltung?, ZIP 2002, 77; Uhlenbruck, Insolvenzgeschäftsführung und Sachwalterschaft in der Eigenverwaltung, FS Görg, 2010, S 515; umfassende Angaben bei Uhlenbruck/Lüer/Streit15 vor § 217 InsO, 28. 76 Hüffer/Koch14 § 264, 11b; krit. Karsten Schmidt BB 2011, 1603, 1606 f. 77 Zum Insolvenzplanverfahren nach dem ESUG vgl umfassend Kübler (Hrsg), Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, 3. Aufl 2019; Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, 2. Aufl 2015; einführend Vallender MDR 2012, 125.

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ligten durch den Plan geändert werden soll (§ 221 InsO). Insbesondere Sanierungsbeiträge absonderungsberechtigter Gläubiger und Teilverzicht bzw Teilstundung von Forderungen sind Bestandteile des gestaltenden Teils. Seit dem Inkrafttreten des ESUG am 1.3.2012 (Rdn 38 f) kann auch jede gesellschaftsrechtlich zulässige Maßnahme im Insolvenzplanverfahren beschlossen werden (§ 225a Abs 3 InsO),77a beispielsweise eine Kapitalerhöhung unter Verrechnung von Gläubigerforderungen, also ein Debt-to-EquitySwap (§ 225a Abs 3 InsO).78 Da diese Kapitalerhöhung mit einer Herabsetzung des Altkapitals auf Null und mit einem Bezugsrechtsausschluss für die Altaktionäre einhergehen kann, ist ein Debt-to-Equity-Swap mit Übernahmeeffekten möglich.78a Absonderungsberechtigte Gläubiger behalten im Zweifel auch im Insolvenzplan ihre Rechte zur Befriedigung aus den Sicherungsgegenständen (§ 223 Abs 1 InsO). Für die Insolvenzforderungen sieht der Plan idR vor, inwieweit sie gekürzt oder gestundet werden (§ 225 InsO). Die Forderungen der nachrangigen Insolvenzgläubiger – das sind vor allem auch die Eigenkapitalersatzgläubiger und die Gläubiger mit Rangrücktritt – gelten als erlassen, soweit nicht der Insolvenzplan etwas anderes vorsieht (§ 225a Abs 1 InsO). Die Gesellschaft als Schuldnerin gilt im Zweifel als von den restlichen Verbindlichkeiten befreit, soweit sie die Gläubiger entsprechend dem Insolvenzplan befriedigt. 38

bb) Verfahren. Der Insolvenzplan wird dem Insolvenzgericht vom Verwalter oder von der Schuldnerin, dh vom Vorstand der AG, vorgelegt (§ 218 InsO) und unterliegt einer Vorprüfung durch das Insolvenzgericht (§ 231 InsO). Er wird, sofern nicht deren Stellungnahme schon beigegeben ist, dem Gläubigerausschuss und, sofern vorhanden, dem Betriebsrat sowie dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten zur Stellungnahme zugeleitet, ebenso, falls noch nötig, dem Insolvenzverwalter oder der Schuldnerin (§ 232 InsO). An die Auslegung zur Einsicht der Beteiligten schließt sich das Abstimmungsverfahren an (§§ 235 ff InsO). Hierfür sind mindestens drei Gläubigergruppen zu bilden: die Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger, die Gruppe der einfachen Insolvenzgläubiger und die Gruppe der nachrangigen Insolvenzgläubiger in den einzelnen Rangklassen (§ 222 Abs 1 Nr 1–3 InsO). Hinzu kommen seit dem ESUG (Rdn 37) die Aktionäre, sofern deren Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte nach Rdn 37 in den Plan einbezogen werden (§ 222 Abs 1 Nr 4 InsO). Die Arbeitnehmer bilden idR eine besondere Gruppe (§ 222 Abs 3 Satz 1 InsO). Innerhalb jeder Gruppe ist für Gleichbehandlung zu sorgen (§ 226 Abs 1 InsO), soweit nicht die Betroffenen zustimmen (§ 226 Abs 2 InsO). Im Abstimmungsverfahren stimmt jede Gruppe (§ 243 InsO) mit Kopf- und Kapitalmehrheit ab (§ 244 InsO; für nachrangige Insolvenzgläubiger vgl die Sonderregelung des § 246 InsO). Gegen missbräuchliche Gegenstimmen richtet sich das Obstruktionsverbot des § 245 InsO. Der Plan bedarf der Bestätigung durch das Insolvenzgericht (§§ 248 ff InsO). Die Wirkungen des bestätigten Plans sind in den §§ 254a ff InsO geregelt.

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cc) Bedingter Insolvenzplan. Nach § 249 InsO kann der Insolvenzplan von bestimmten Leistungen bzw Maßnahmen abhängig gemacht werden. In Betracht kamen bis zum Inkrafttreten des ESUG insbesondere Satzungsänderungen sowie Kapital- und Umwandlungsmaßnahmen. Nach § 249 InsO darf der bedingte Plan nur bestätigt werden, wenn die im Plan vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Durch das ESUG hat

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77a Eingehend Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, 2. Aufl 2015. 78 Dazu Kleindiek, FS Hommelhoff, 2012, S 543 ff; Karsten Schmidt ZIP 2012, 2085 ff; zusammenfassend (für GmbH & Co.) Karsten Schmidt ZGR 2012, 566, 571. 78a Krit Karsten Schmidt ZIP 2012, 2085 ff; vgl aber Altmeppen FS Hommelhoff, 2012, S 1 ff mit umfangreichen Nachweisen.

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der bedingte Insolvenzplan, der sich wenig bewährt hat, an Bedeutung verloren, weil gesellschaftsrechtliche Maßnahmen direkt in den Insolvenzplan beschlossen werden können (§ 225a Abs 3 InsO und dazu Rdn 37). l) Beendigung des Insolvenzverfahrens aa) Sie tritt ein: durch Aufhebung nach Schlussverteilung der Masse unter die 40 Gläubiger (§ 200 InsO), die allerdings erst nach Erfüllung aller verbliebenen Insolvenzverwalterpflichten erfolgen sollte;79 durch rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans (§§ 217 ff, 258 InsO); durch Einstellung des Verfahrens auf Antrag der Schuldnerin bei Wegfall des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) oder mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO). Durch Einstellung beendet wird das Insolvenzverfahren schließlich, wenn sich ergibt, dass eine die Kosten deckende Masse nicht (mehr) vorhanden ist (§ 207 InsO). In diesem Fall wird die Gesellschaft nach den bei Rdn 50 dargestellten Grundsätzen abgewickelt. Die Auflösung der Gesellschaft als solche endet nicht.80 bb) Das Amt des Verwalters endet grundsätzlich erst mit der Vollabwicklung 41 der Gesellschaft (arg: § 199 Satz 2 InsO),81 also mit der Erschöpfung der Masse und Löschung der AG im Handelsregister82. Die Löschung erfolgt nach § 394 Abs 1 Satz 2 FamFG von Amts wegen, wenn keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein verwertbaren Restvermögens vorliegen (Rdn 65). Für die Aufbewahrung der Bücher und Schriften gelten sinngemäß die Grundsätze des § 273 Abs 2.83 cc) Zu einer Nachtragsverteilung kommt es, wenn sich nach der Verfahrensbeen- 42 digung Vermögen herausstellt, das zur Insolvenzmasse gehört hatte (§§ 203 ff InsO). Die Nachtragsverteilung erfolgt nur auf Anordnung des Gerichts und unter den in § 203 InsO niedergelegten Voraussetzungen. dd) Eine Fortsetzung der Gesellschaft ist nach § 274 Abs 2 Nr 1 zulässig, wenn das 43 Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben worden ist (vgl § 274 Rdn 14). 4. Insolvenzablehnung mangels Masse (Abs 1 Nr 4) a) Zweck und Geschichte der Norm. Abs 1 Nr 4 beruht auf Art 47 Nr 9b EG InsO. 44 Vorgängerbestimmung war der weitgehend inhaltsgleiche § 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung der Gesellschaften und Genossenschaften von 1934 (LöschG).84 Normzweck ist der präventive Gläubigerschutz. Es geht darum, Gesellschaften, deren Vermögen nicht einmal mehr die Kosten eines Insolvenzverfahrens deckt, aus dem Rechtsverkehr zu entfernen. Als Remedur gegen die Gläubigergefährdung durch Masselosigkeit ist allerdings die bloße Anordnung der Auflösung nicht ausreichend.85 Rechts-

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79 80 81 82 83 84 85

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Vgl Uhlenbruck ZIP 1993, 245 ff. Spindler/Stilz/Bachmann4 42. Vgl sinngemäß Scholz/Bitter GmbHG12 Vor § 64, 175. Vgl sinngemäß Scholz/K Schmidt GmbHG10 Vor § 64, 175. Vgl MK/Koch4 § 273, 19. Vgl dazu noch 3. Aufl (Wiedemann) 30. Vgl nur Spindler/Stilz/Bachmann4 44 mwN; vgl bereits Karsten Schmidt ZIP 1982, 9 ff und öfter.

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politische Vorschläge, die Masselosigkeit durch Zahlungspflichten der Gesellschafter,86 durch einen staatlichen Insolvenzkostenvorschuss86a oder durch eine Insolvenzkostenpflichtenversicherung87 zu beheben, haben bisher nicht gegriffen. Doch sind die Zahlen masseloser Gesellschaftsinsolvenzen zurückgegangen.87a 45

b) Der Tatbestand setzt die Rechtskraft eines Beschlusses voraus, durch den die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird. Damit nimmt Abs 1 Nr 4 Bezug auf § 26 InsO: (1) Das Insolvenzgericht weist den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Die Abweisung unterbleibt, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a gestundet werden. Der Beschluss ist unverzüglich öffentlich bekannt zu machen. (2) Das Gericht hat die Schuldner, bei denen der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist, in ein Verzeichnis einzutragen (Schuldnerverzeichnis). Die Vorschriften über das Schuldnerverzeichnis nach der Zivilprozessordnung gelten entsprechend; jedoch beträgt die Löschungsfrist fünf Jahre. (3) Wer nach § 26 Absatz 1 Satz 2 InsO einen Vorschuss geleistet hat, kann die Erstattung des vorgeschossenen Betrages von jeder Person verlangen, die entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens pflichtwidrig und schuldhaft nicht gestellt hat. Ist streitig, ob die Person pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt hat, so trifft sie die Beweislast. (4) Zur Leistung eines Vorschusses nach § 26 Absatz 1 Satz 2 InsO ist jede Person verpflichtet, die entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat. Ist streitig, ob die Person pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt hat, so trifft sie die Beweislast. Die Zahlung des Vorschusses kann der vorläufige Insolvenzverwalter sowie jede Person verlangen, die einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat.

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aa) Masselosigkeit setzt voraus, dass das Vermögen der Aktiengesellschaft voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Letzteres ist der Fall, wenn liquide bzw liquidierbare Vermögenswerte, die Teil der Insolvenzmasse wären, in Höhe der Gerichtskosten, der Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 54 InsO) vorhanden sind.88 Die Existenz schwer durchsetzbarer Forderungen genügt nicht.89

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bb) Die Ablehnung des Insolvenzantrags ist eine rechtsgebundene Entscheidung, keine Ermessensentscheidung des Insolvenzgerichts.90 Die Abweisung unterbleibt, da eine Stundung nach § 4a InsO bei einer juristischen Person nicht möglich ist, nur wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird (§ 26 Abs 1 S 2 InsO). Dazu kommt es in

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86 86a 87 87a 88 89 90

Nachweise bei Spindler/Stilz/Bachmann4 46. Wolf Schulz Die masselose Liquidation der GmbH 1986, 94 ff, 160 ff. Dafür Burgard/Gundlach ZIP 2006, 1568 ff. Statistisches Bundesamt, GENESIS-ONLINE Nr. 52411. MK-InsO/Haarmeyer/Schildt4 § 26, 15, 20. Uhlenbruck13 § 26 InsO, 14. MK/Koch4 54; MK-InsO/Haarmeyer/Schildt4 § 26, 1.

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der Praxis überaus selten. Auch die Erstattungsmöglichkeit nach § 26 Abs 3 InsO stellt keinen rechtspolitisch wirksamen Anreiz dar.91 cc) Rechtskraft des Ablehnungsbeschlusses ist erforderlich. Das bedeutet, dass 48 die sofortige Beschwerde und ggf. die Rechtsbeschwerde versäumt oder erfolglos gewesen sein muss. Liegt der rechtskräftige Ablehnungsbeschluss vor, so kommt es für Abs 1 Nr 4 nicht darauf an, ob das Insolvenzgericht die Masselosigkeit zu Recht oder zu Unrecht angenommen hatte. c) Rechtsfolge aa) Rechtsfolge ist die Auflösung der Gesellschaft, also der Eintritt in das in §§ 264 ff 49 beschriebene Liquidationsverfahren. Dies ist von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen (§ 263 Satz 2 und 3). Vollbeendigung tritt erst ein, wenn die Gesellschaft nach §§ 271 ff abgewickelt und nach § 273 Abs 1 Satz 2 im Handelsregister gelöscht ist (§ 273 Rdn 2). Bis dahin bleibt die Gesellschaft rechts- und parteifähig.92 Stellt sich heraus, dass die Gesellschaft nicht nur masselos, sondern vermögenslos nach Abs 1 Nr 6 ist, so findet eine Löschung nach § 394 FamFG statt (Rdn 63 ff).93 bb) Das Abwicklungsverfahren ist ein solches nach §§ 265 ff, folgt also nicht den 50 Regeln der InsO. Nach hM ist diese Abwicklung nicht insolvenzrechtlich inspiriert und setzt insbesondere keine Gleichbehandlung der Gläubiger voraus.94 Dem steht ein von Wolf Schulz ausführlich begründetes Abwicklungsmodell gegenüber, nach dem es sich um ein insolvenzrechtliches Abwicklungsverfahren mit einem – notfalls vom Staat vorzufinanzierenden – Dritt-Notliquidator handelt. 95 Rechtspolitisch zielt dieser Ansatz nicht auf die staatliche Subventionierung von Insolvenzverfahren, sondern auf die Masseauffüllung durch Geltendmachung brach liegender Ansprüche gegen Organe, Muttergesellschaften und Aktionäre. Der Kostenvorschuss wäre aus dieser Liquidität vorrangig zurückzufordern. Dieses Konzept ist auf Ablehnung gestoßen.96 Richtig ist, dass es sich in der von Wolf Schulz vorgeschlagenen Konsequenz nur durch gesetzliche Bestimmungen verwirklichen ließe.97 Richtig ist aber auch, dass die Rechte und Pflichten der Abwickler im Fall der Masselosigkeit insolvenzrechtlich zu denken sind.98 Zwar bleibt, anders als nach § 89 InsO im eröffneten Insolvenzverfahren, die Zwangsvollstreckung einzelner Gläubiger zulässig.99 Insbesondere gilt dies auch für Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organe.100 Auch gibt es kein Zahlungsverbot nach § 92 Abs 3. Aber die Liquidatoren sind gehalten, bei einer Befriedigung der bekannten ungesicherten Gläubi-

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91 Karsten Schmidt NJW 2011, 1255, 1257. 92 Vgl BGH WM 1980, 1431; BGH KTS 1989, 857; BAG GmbHR 1988, 388 = NJW 1988, 2637; BAG GmbHR 1999, 415; KG GmbHR 2001, 35; OLG Frankfurt Rpfleger 1963, 27; OLG Düsseldorf BB 1988, 860 = GmbHR 1988, 265; OLG Nürnberg GmbHR 1988, 399; OLG Koblenz DB 1991, 646 = GmbHR 1991, 315 = NJW-RR 1991, 808; OLG Koblenz GmbHR 1994, 483 = NJW-RR 1994, 500; LAG Hessen GmbHR 1994, 483a. 93 Vgl BayObLG DB 1994, 978. 94 MK/Koch4 56; Vallender NZG 1998, 249, 250; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 14; vgl zur rechtspolitischen Kritik Spindler/Stilz/Bachmann4 44 f. 95 Wolf Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, 1986, S 117 ff, 160 ff, 174 ff, 196 ff, 205 ff. 96 Angaben bei Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 30. 97 Vgl Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 30. 98 Karsten Schmidt GesR § 11 VI 5; Konzen, FS Ulmer, 2003, S 323 ff; Vallender NZG 1998, 249, 250. 99 Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 30. 100 Vgl auch zu § 64 Abs 2 GmbHG aF = § 64 GmbHG nF sinngemäß BGH NJW 2001, 304.

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ger (§ 268 Abs 1 Satz 1) auf Gleichbehandlung zu achten.101 Schadensersatzansprüche übergangener Gläubiger werden allerdings, da sie nur auf Ersatz eines Quotenschadens gehen können, keine praktische Rolle spielen. 5. Feststellung eines Mangels der Satzung (Abs 1 Nr 5) 51

a) Die Rechtskraft einer Verfügung nach § 399 Abs 2 FamFG ist Auflösungsgrund nach Abs 1 Nr 5. Die Bestimmung wurde eingeführt durch Art 2 des Gesetzes zur Durchführung der Ersten Richtlinie zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15.8.1969.102 Im Gegensatz zur Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit (Abs 1 Nr 6 mit Verweisung auf § 394 FamFG) ist Gegenstand der registergerichtlichen Maßnahme nicht die Auflösung der Gesellschaft, sondern die Feststellung des Satzungsmangels (§ 399 Abs 2 FamFG). Die Auflösung tritt hierdurch ex lege nach Abs 1 Nr 5 ein.

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b) § 399 Abs 1–3 FamFG hat folgenden Wortlaut: (1) Enthält die Satzung einer in das Handelsregister eingetragenen Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien eine der nach § 23 Abs 3 Nr 1, 4, 5 oder Nr 6 des Aktiengesetzes wesentlichen Bestimmungen nicht oder ist eine dieser Bestimmungen oder die Bestimmung nach § 23 Abs 3 Nr 3 des Aktiengesetzes nichtig, hat das Registergericht die Gesellschaft von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe aufzufordern, innerhalb einer bestimmten Frist eine Satzungsänderung, die den Mangel der Satzung behebt, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden oder die Unterlassung durch Widerspruch gegen die Aufforderung zu rechtfertigen. Das Gericht hat gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass andernfalls ein nicht behobener Mangel im Sinne des Absatzes 2 festzustellen ist und dass die Gesellschaft dadurch nach § 262 Abs 1 Nr 5 oder § 289 Abs 2 Nr 2 des Aktiengesetzes aufgelöst wird. (2) Wird innerhalb der nach Abs 1 bestimmten Frist weder der Aufforderung genügt noch Widerspruch erhoben oder ist ein Widerspruch zurückgewiesen worden, hat das Gericht den Mangel der Satzung festzustellen. Die Feststellung kann mit der Zurückweisung des Widerspruchs verbunden werden. Mit der Zurückweisung des Widerspruchs sind der Gesellschaft zugleich die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen, soweit dies nicht unbillig ist. (3) Der Beschluss durch den eine Feststellung nach Absatz 2 getroffen, ein Antrag oder ein Widerspruch zurückgewiesen wird, ist mit der Beschwerde anfechtbar.

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c) Verhältnis zur „Nichtigkeit“ nach §§ 275 AktG, 397 FamFG. Die „Nichtigkeit“ einer AG nach § 275 und ihre Löschung nach § 397 FamFG wird erläutert bei § 275 Rdn 42 ff. Auch sie ist richtigerweise nur ein Auflösungsgrund (§ 275 Rdn 44). Deshalb ist das Verhältnis zwischen § 399 FamFG und § 397 FamFG unnötig kompliziert.103 Die beiden Bestimmungen betreffen lediglich unterschiedliche, jeweils zur Auflösung der Gesellschaft führende Mängel der Satzung. Im Einzelnen verteilen sich die Satzungsmängel auf § 399 FamFG und § 397 FamFG nach folgendem Schema:

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101 So bisher auch Scholz/K Schmidt/Bitter GmbHG11 § 60, 30; aM Buchner, Amtslöschung, Nachtragsliquidation und masselose Insolvenz von Kapitalgesellschaften, 1988, S 67 ff; jetzt auch Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 30. 102 BGBl I S 1146. 103 Vgl zum Folgenden sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 41.

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Auflösungsgründe | § 262

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Regelung nach § 23 Abs 3 Nr 1 (Firma und Sitz der Gesellschaft) fehlt oder ist nichtig: Verfahren nach § 399 FamFG. Regelung nach § 23 Abs 3 Nr 2 (Gegenstand des Unternehmens) fehlt oder ist nichtig: Verfahren nach § 397 FamFG (vgl § 275). Regelung nach § 23 Abs 3 Nr 3 (Höhe des Grundkapitals) fehlt: Verfahren nach § 397 FamFG (vgl § 275). Regelung nach § 23 Abs 3 Nr 3 (Höhe des Grundkapitals) ist nichtig: Verfahren nach § 399 FamFG. Regelung nach § 23 Abs 3 Nr 4 (Zerlegung des Grundkapitals in Aktien) fehlt oder ist nichtig: Verfahren nach § 399 FamFG. Regelung nach § 23 Abs 3 Nr 5 (Inhaber- oder Namensaktien) fehlt oder ist nichtig: Verfahren nach § 399 FamFG. Regelung nach § 23 Abs 3 Nr 6 (Zahl der Vorstandsmitglieder) fehlt oder ist nichtig: Verfahren nach § 399 FamFG.

Der abschließende Charakter des Katalogs in § 399 FamFG104 wurde ebenso wie bei dem Katalog des § 275 (vgl § 275 Rdn 4) im Hinblick auf Art 11 der Ersten Richtlinie des Rates von 1968 105 in seiner EG-Konformität bezweifelt. 106 Diese Bedenken sind seit 2017/2018 auf der Grundlage der Richtlinie (EU) 2017/1132 zu diskutieren. Sie werden hier schon für die angeblichen Nichtigkeitstatbestände des § 275 nicht geteilt (§ 275 Rdn 4). Für die Auflösungstatbestände des § 399 FamFG passen sie vollends nicht. bb) Verhältnis zu § 395 FamFG. Die §§ 397, 399 FamFG haben Vorrang vor § 395 54 FamFG. Eine Löschung wegen Satzungsmangels scheidet außerhalb der Fälle der §§ 397, 399 FamFG aus.107 Eine Amtslöschung nach § 395 FamFG kommt deshalb nur wegen verfahrensrechtlicher Mängel und deshalb wohl nur theoretisch in Betracht. cc) Verhältnis zum Firmenmissbrauchsverfahren nach §§ 37 Abs 1 HGB, 392 55 FamFG. Nach diesen Bestimmungen kann das Registergericht gegen die Führung einer unzulässigen Firma einschreiten. Maßgeblich für das Verhältnis zu § 399 FamFG ist deshalb die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Führung einer unzulässigen Firma die betreffende Satzungsregel nichtig macht. Das wird hier entgegen der hM nur angenommen, wenn die satzungsmäßige Firma bereits abstrakt, dh ohne Hinzuziehung außerhalb der Satzung liegender Umstände, unzulässig ist (Rdn 56). Alle Fälle, in denen sich die Unzulässigkeit der Firma aus anderen Tatsachen, zB aus der Verwechslungsgefahr mit einer vorhandenen Firma oder aus einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ergibt, bleiben dem firmenrechtlichen Verfahren nach §§ 37 HGB, 392 FamFG überlassen.108 Die vorherrschende Gegenansicht gelangt zu einer Konkurrenz der Verfahren. Sie muss sich allerdings an das Gebot der Verhältnismäßigkeit halten, womit das Verfahren nach § 399 FamFG gleichfalls idR zurücktritt.109 Dieser Grundsatz wird

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104 Vgl nur MK-ZPO/Krafka3 § 399 FamFG, 3. 105 ABl Nr L 65 S 8 (Abdruck auch bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 1996, S 104; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Textband, 2001, S 3). 106 Baums, Eintragung und Löschung von Gesellschafterbeschlüssen, 1981, S 57; Einmahl AG 1969, 210, 214; Haußleiter/Schemmann FamFG2 § 399, 1. 107 BayObLG GmbHR 1992, 304, 305; Geßler/Hüffer § 241, 69; Hüffer10, 20; MK/Koch4, 71; Keidel/ Heinemann20 § 397 FamFG, 4; MK-ZPO/Krafka3 § 399 FamFG, 3. 108 Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 44. 109 Vgl Jansen2 § 144a FGG, 4; Keidel/Heinemann17 § 399 FamFG, 10; KK/Winnen3 74; MK/Koch4 65; MK-HGB/Krebs4 § 37, 37.

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§ 262 | Erster Abschnitt – Auflösung

auch hier anerkannt. Er kommt zum Tragen, wenn der Tatbestand des § 399 FamFG erfüllt, das Verfahren nach § 392 FamFG aber für die Behebung des Mangels ausreichend ist. 56

d) Die Mängel im Einzelnen. aa) Mängel bezüglich der Firma sind einfach festzustellen im rein theoretischen Fall, dass eine Satzungsangabe fehlt. Nichtigkeit der Firmenregelung in der Satzung liegt nach hM vor, wenn gegen zwingendes Firmenrecht verstoßen wird.110 Zum zwingenden Firmenrecht wird auch das Gebot der Firmenausschließlichkeit nach § 30 HGB gerechnet.111 Auch eine sich durch nachträgliche tatsächliche Veränderungen ergebende Unzulässigkeit soll angeblich ausreichen.112 Dem ist nicht zu folgen; als nichtig iS von § 399 FamFG sollte vielmehr nur eine Satzungsbestimmung angesehen werden, die abstrakt und ohne Hinzuziehung äußerer Umstände des Einzelfalls gegen zwingendes Firmenrecht verstößt.113 Richtig ist zwar, dass der auf die Gesellschaft auszuübende Rechtszwang auch in den nicht von § 399 FamFG erfassten Fällen auf eine Satzungsänderung hinausläuft. Aber die Auflösung der Gesellschaft wegen eines der Satzung nicht selbst innewohnenden Mangels liegt außerhalb des Normzwecks von § 399 FamFG. Die herrschende Gegenmeinung kann einer Überreaktion des Registerrechts nur mit Hilfe des Prinzips der Verhältnismäßigkeit steuern, wonach das Verfahren des § 399 FamFG ultima ratio und das Firmenmissbrauchsverfahren vorrangig ist (vgl auch Rdn 55).114 Dieser Grundsatz wird auch hier anerkannt, nur dass bei Firmenmängeln, die nicht schon dem Text der Satzung entnommen werden können, schon der Tatbestand des § 399 FamFG ausgeschlossen ist.

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bb) Mängel bezüglich des Sitzes der Gesellschaft (§ 23 Rdn 79) spielen in der Praxis nur eine geringe Rolle. Der Streit, ob die Verlegung des tatsächlichen Sitzes an einen anderen als den satzungsmäßigen Sitz, insbesondere die Sitzverlegung ins Ausland, ein solcher Mangel ist (Rdn 22),115 hat sich mit dem Inkrafttreten des MoMiG erledigt (zur Streichung des § 5 Abs 2 aF vgl § 5 Rn 8) .116

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cc) Nichtigkeit der Satzungsbestimmung über das Grundkapital kommt in Betracht, wenn das Grundkapital in einer unzulässigen Währung (§ 6) oder in zu geringer Höhe (§ 7) angegeben ist.117 Praktische Bedeutung hat dies nicht. Für Altgründungen gelten die §§ 1–4 EGAktG.

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dd) Fehlen oder Nichtigkeit der Angaben über die Aktien wird in der Praxis gleichfalls kaum in Betracht kommen (wegen der Umstellung auf Euro vgl wiederum §§ 3, 4 EGAktG).

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110 BayObLGZ 1989, 44, 48 = GmbHR 1989, 291, 292; OLG Köln OLGZ 1980, 309 = BB 1980, 652; OLG Stuttgart BB 1982, 1994 m Anm Wessel; Heidel/Wermeckes4 24; Hüffer/Koch14 16; KK/Kraft2 73; MK/Koch4 61 f. 111 BayObLGZ 1989, 44, 48 = NJW-RR 1989, 867; KG OLGZ 1991, 396, 400 ff = NJW-RR 1991, 860; Geßler/Hefermehl/Hüffer 60; Keidel/Heinemann20 § 399 FamFG, 4; Heidel/Wermeckes4 24; KK/Winnen3 74; MK/Koch4 60. 112 Vgl nur OLG Stuttgart BB 1982, 578 (GmbH); LG München MittBayNotK 1971, 374 f; Hüffer/Koch13 16; MK/Koch4 62; KK/Kraft2 74; aM BayObLG GmbHR 1980, 11; zum GmbHG aM auch Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 41. 113 So auch noch sinngemäß Scholz/K Schmidt/Bitter GmbHG11 § 60, 38. 114 MK/Koch4 65; MK-HGB/Krebs4 § 37, 38; Keidel/Heinemann20 § 399 FamFG, 9. 115 Dafür LG Memmingen NZG 2002, 95, 96. 116 Statt vieler MK-ZPO/Krafka3 § 399 FamFG, 6. 117 Heidel/Wermeckes4 26; Hüffer/Koch14 17; KK/Winnen3 78; MK/Koch4 70.

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Auflösungsgründe | § 262

ee) Fehlen oder Nichtigkeit der Angaben über die Zahl der Vorstandsmitglie- 60 der. Wegen der diesbezüglichen Anforderungen vgl § 23 Rdn 163 ff: Es genügt, dass die Satzung die Mindest- und Höchstzahl bestimmt oder festlegt, dass der Aufsichtsrat bzw die Hauptversammlung die Zahl bestimmt (abwägend § 23 Rdn 166). e) Das Verfahren folgt dem FamFG.118 Das Registergericht am Sitz der Gesellschaft, 61 bei dem diese eingetragen ist, wird von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe tätig. Es ist unter den Voraussetzungen des § 399 FamFG zum Einschreiten nicht nur befugt, sondern verpflichtet.119 Am Verfahren beteiligt ist die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand.120 Das Gericht fordert die Gesellschaft nach § 399 Abs 1 Satz 1 FamFG auf, innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist eine den Mangel behebende Satzungsänderung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden oder die Unterlassung durch Widerspruch gegen die Verfügung zu rechtfertigen. In der Verfügung weist das Gericht auf die möglichen Rechtsfolgen nach Abs 1 Nr 5 hin. Bei der Bestimmung der Frist muss das Gericht die für die Satzungsänderung bei der Aktiengesellschaft erforderliche Zeit in Rechnung stellen.121 Die Frist kann verlängert werden.122 Für den Vorstand löst diese Verfügung idR die Einberufungspflicht nach § 121 Abs 1 aus. Nur wenn der Widerspruch sichere Aussicht auf Erfolg verspricht, wird der Vorstand ohne Einberufung der Hauptversammlung das Widerspruchsverfahren betreiben. Der Widerspruch kann, solange das Gericht noch nicht nach § 399 Abs 2 FamFG entschieden hat, noch nach dem Ablauf der Frist in Verbindung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung eingelegt werden.123 Wird binnen der Frist kein Widerspruch eingelegt und keine den Satzungsmangel behebende Satzungsänderung angemeldet, so muss – nicht kann! – das Gericht nach § 399 Abs 2 FamFG den Satzungsmangel feststellen, ggf verbunden mit der Zurückweisung des Widerspruchs (§ 399 Abs 2 Satz 2 FamFG). Dies setzt allerdings voraus, dass der Mangel noch besteht.124 Die Verfügung des Gerichts ist mit der Beschwerde anfechtbar (§ 399 Abs 3 FamFG). Zur Beschwerde befugt ist die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, daneben nach § 380 Abs 5 FamFG auch die berufsständischen Organe.125 Das Beschwerdegericht beschränkt seine Nachprüfung grundsätzlich auf die Beanstandungen des Registergerichts.126 Der beanstandete Satzungsmangel kann auch noch während des Verfahrens der Beschwerde bzw sofortigen Beschwerde durch Satzungsänderung geheilt werden.127 f) Die Auflösungswirkung tritt mit der Rechtskraft der den Satzungsmangel fest- 62 stellenden Entscheidung ein.128 Die Eintragung der Auflösungswirkung in das Handelsregister (§ 263 Rdn 10) hat nur deklaratorische Wirkung.129 Durch Heilung der in § 399

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118 Überblick bei Ries NZG 2009, 654 ff. 119 KG GmbHR 1991, 319 = Rpfleger 1991, 255; Jansen2 § 144a FGG, 10; Keidel/Heinemann19 § 399 FamFG, 17 f; MK-ZPO/Krafka3 § 399 FamFG, 11. 120 Jansen2 § 144a FGG, 13; Keidel/Heinemann20 § 399 FamFG, 20. 121 Jansen2 § 144a FGG, 12; Keidel/Heinemann20 § 399 FamFG, 22; MK-ZPO/Krafka3 § 399 FamFG, 14. 122 Jansen2 § 144a FGG, 12; Keidel/Heinemann20 § 399 FamFG, 22; MK/Koch4 71. 123 MK-ZPO/Krafka3 § 399 FamFG, 16. 124 MK-ZPO/Krafka3 § 399 FamFG, 17. 125 Jansen2 § 144a FGG, 21. 126 OLG Zweibrücken NJW-RR 1991, 1509. 127 BayObLG GmbHR 2001, 347. 128 MK-ZPO/Krafka3 § 399 FamFG, 19. 129 Ebd.

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§ 262 | Erster Abschnitt – Auflösung

FamFG aufgeführten Satzungsmängel kann die Auflösung abgewendet oder die Fortführung der Gesellschaft herbeigeführt werden (vgl § 274 Rdn 16, § 276 Rdn 1 ff).129a 6. Löschung wegen Vermögenslosigkeit (Abs 1 Nr 6) 63

a) Kein bloßer Auflösungsgrund, sondern ein Erlöschensgrund ist die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG.130 Gemäß § 264 Abs 2 findet eine Abwicklung nach dieser Amtslöschung nur statt, wenn sich nach einer objektiv zu Unrecht erfolgten Löschung noch Gesellschaftsvermögen als vorhanden herausstellt (dazu § 264 Rdn 15 ff). Ist dies nicht der Fall, so ist die Gesellschaft mit der zu Recht erfolgten Löschung erloschen. Ziel des Löschungsverfahrens nach § 394 FamFG ist also die Vollbeendigung, nicht die Auflösung der Gesellschaft. Die Einreihung der Nr 6 unter die Auflösungstatbestände und die Korrektur dieser Einordnung in § 264 Abs 2 ist systematisch unbefriedigend, wenn auch praktisch unschädlich. Sie basiert auf der nachträglichen Integration des vormaligen § 2 LöschG von 1934 in den Achten Teil des AktG.131

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b) Vermögenslosigkeit132 liegt vor, wenn kein für die Gläubigerbefriedigung verwertbares Vermögen vorhanden ist.133 Überschuldung (§ 19 InsO) oder Masselosigkeit (§ 26 InsO) steht dem nicht gleich. Auch fehlende Liquidität begründet nicht den Tatbestand der Vermögenslosigkeit, wenn einbringliche Forderungen vorhanden sind. Verfolgt die Gesellschaft (bereits) ernsthaft eine Forderung, so ist diese schon dann als Vermögen zu berücksichtigen, wenn ihr nicht offensichtlich die Begründetheit oder Werthaltigkeit fehlt. 134 Aktivprozesse vermögensrechtlicher Art stehen damit der Löschung regelmäßig entgegen (vgl sinngemäß § 272 Rdn 3 ff). Über die Vermögenslosigkeit ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung im Löschungsverfahren zu befinden, ggf nach dem Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung.135 Als Vermögensgegenstand der Gesellschaft zählt nur, was bei einer Bewertung nach Zerschlagungswerten ein Aktivum bildet.136 Kein Aktivposten sind eigene Aktien.

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c) § 394 Abs 1 Satz 2 FamFG beschreibt den Fall der nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens eintretenden Vermögenslosigkeit (dazu Rdn 41). Nach § 394 Abs 1 Satz 2 FamFG ist die Gesellschaft von Amts wegen zu löschen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durchgeführt worden ist und keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Vermögens vorliegen (Vermutungswirkung nach § 394 Abs 1 Satz 2 FamFG). Erforderlich ist die Durchführung eines Insolvenzverfahrens. Die Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Abs 1 Nr 4) oder die Verfahrenseinstellung mangels Masse (§ 207 InsO) steht dem nicht gleich.137 Sie kann aber im Rahmen der Amtsermittlung ein Indiz für Vermögenslosigkeit sein.137a

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129a Vgl KK/Winnen3 83. 130 Ausführlich Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 52 ff. 131 Vgl sinngemäß ebd Rdn 44. 132 Vgl zum Folgenden ebd Rdn 49. 133 BAGE 100, 369 = NJW 2003, 80, 81; BayObLG BB 1982, 1590 m Anm Hartung; GmbHR 1987, 468; 1992, 618; 1995, 530, 531; FG Thüringen DStRE 2017, 1110 (rkr). 134 KG GmbHR 2007, 659 = NZG 2007, 474 mwN. 135 Vgl OLG Hamm NJW-RR 1993, 547, 549; OLG Köln GmbHR 1994, 477 = NJW-RR 1994, 726, 727. 136 BAGE 100, 369 = NJW 2003, 80, 81 = ZIP 2002, 1947 = GmbHR 2002, 1199 = MDR 2002, 1451. 137 OLG Frankfurt GmbHR 2005, 1137 = ZIP 2005, 2157; OLG Frankfurt GmbHR 2006, 94 = ZIP 2006, 235. 137a Vgl Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 56.

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Auflösungsgründe | § 262

d) Das Löschungsverfahren ergibt sich aus dem FamFG.138 Zuständig ist das Amts- 66 gericht des Gesellschaftssitzes (§ 14) als Registergericht (§ 23a Abs 2 Nr 3 GVG). Das Verfahren wird von Amts wegen oder auf Antrag der Finanzbehörde oder der berufsständischen Organe betrieben (§ 394 Abs 1 Satz 1 FamFG). Auch im letzteren Fall haben aber die Antragsteller keine Parteiherrschaft über das Verfahren.139 Das Gericht gibt die Löschungsabsicht nach § 394 Abs 2 Satz 1 FamFG bekannt und bestimmt eine Widerspruchsfrist. Diese Löschungsankündigung ist dem Vorstand (den Abwicklern) bzw im Fall der Führungslosigkeit dem Aufsichtsrat bekannt zu machen. Die Löschungsankündigung enthält eine angemessene Fristsetzung für das Widerspruchsverfahren. Widerspruchsberechtigt ist die gesetzlich vertretene Gesellschaft140, aber auch jeder Gläubiger141. Die Einlegung des Widerspruchs führt zu einer neuerlichen Prüfung der Vermögenslosigkeit. Die Prüfung erfolgt von Amts wegen nach den Regeln des § 29 FamFG. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren (über die in § 380 bezeichneten berufsständischen Organe vgl § 394 Abs 2 Satz 3 FamFG). e) Die Entscheidung ergibt sich aus § 393 Abs 3–5 (iVm § 394 Abs 3) FamFG. Die Lö- 67 schung erfolgt, wenn kein Widerspruch erhoben oder wenn der Widerspruch rechtskräftig zurückgewiesen ist (§ 393 Abs 5 FamFG). Wird der Antrag auf Einleitung des Löschungsverfahrens abgelehnt, so entscheidet das Gericht gleichfalls durch Beschluss (§ 393 Abs 3 FamFG). Die Löschung einer unzulässigen Löschung ist nach § 395 FamFG möglich.142 Über die (Nachtrags-)Abwicklung bei Vorhandensein unerkannten Vermögens vgl § 263 Rdn 16 f, § 264 Rdn 15. III. Andere Auflösungsgründe (Abs 2) Nach Rdn 11, kommen nur gesetzliche, wenn auch nicht notwendig positivrechtlich 68 geregelte Auflösungsgründe in Betracht. Zu nennen sind namentlich:143 die gerichtliche Auflösung wegen Gefährdung des Gemeinwohls (§§ 396 ff mit Erl in diesem Kommentar); das Verbot der Gesellschaft durch Verwaltungsakt nach § 3 Abs 1 Satz 1 iVm § 17 VereinsG (dazu §§ 396–398 Rdn 26 f); die Rücknahme der Geschäftserlaubnis nach § 38 Abs 1 KWG (dazu §§ 396–398 Rdn 28 f), nicht ohne weiteres dagegen der Widerruf der Geschäftserlaubnis nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (§ 304 VAG).143a Auch die Nichtigkeitsgründe nach §§ 275 ff sind der Sache nach „andere Auflösungsgründe“ (vgl § 275 Rdn 3 ff). Satzungsmängel nach § 275 führen zur Auflösungsreife der Gesellschaft. Die Rechtskraft des sog Nichtigkeitsurteils bzw die Löschung der Gesellschaft nach § 397 FamFG führt die Auflösung herbei (vgl § 277 Rdn 4). Gesetzliche Auflösungsgründe müssen nicht im Aktiengesetz stehen und können sogar durch bloße Rechtsfortbildung außerhalb des Gesetzestextes entwickelt werden. Ein ungeschriebener Auflösungsgrund ist die Entstehung einer sog Keinmann-AG durch Erwerb aller Aktien in das AG-Vermö-

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138 Ausführlicher Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 58. 139 Ebd Rdn 60. 140 MK-ZPO/Krafka3 § 394 FamFG, 16. 141 Ebd. 142 Vgl KG NJW-RR 2019, 98 = NZG 2018, 1426 = ZIP 2018, 2029 (GmbH); näher MK-ZPO/Krafka3 § 394 FamFG, 22. 143 Vgl auch die Übersicht bei KK/Kraft2 74 ff; MK/Koch4 101 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 60 ff. 143a Nur bei einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit wirkt der Widerruf gemäß § 304 Abs 6 VAG wie ein Auflösungsbeschluss.

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§ 263 | Erster Abschnitt – Auflösung

gen.144 Ob Sitzverlegung ins Ausland ein Auflösungsgrund ist, ist umstritten (näher Rdn 22). Hier ist zu unterscheiden zwischen der Frage, ob ein Beschluss über die Sitzverlegung ein Auflösungsbeschluss ist (dazu Rdn 22) und ob der Vollzug der Sitzverlegung einen Satzungsmangel nach Abs 1 Nr 5 2 begründet (dazu vgl Rdn 57).

§ 263 Anmeldung und Eintragung der Auflösung Erster Abschnitt – Auflösung Anmeldung und Eintragung der Auflösung § 263 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-009

1 Der Vorstand hat die Auflösung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Dies gilt nicht in den Fällen der Eröffnung und der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 262 Abs 1 Nr 3 und 4) sowie im Falle der gerichtlichen Feststellung eines Mangels der Satzung (§ 262 Abs 1 Nr 5). 3 In diesen Fällen hat das Gericht die Auflösung und ihren Grund von Amts wegen einzutragen. 4Im Falle der Löschung der Gesellschaft (§ 262 Abs 1 Nr 6) entfällt die Eintragung der Auflösung.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Normzweck | 1 2. Grundsatz: Anmeldepflicht nach Satz 1 | 2 3. Sonderfälle (Satz 2–4) | 3 Anmeldung, Eintragung und Bekanntmachung im Grundfall des Satzes 1 1. Anmeldepflichtiger | 4 2. Unverzügliche Anmeldung | 5

Sanktionen | 6 Anmeldungs- und Eintragungsverfahren | 8 Die Sonderfälle der Sätze 2–4 1. Eintragung von Amts wegen (Satz 2 und 3) | 11 2. Amtslöschung der Gesellschaft (Satz 4) | 16 3. 4.

III.

I. Grundlagen 1. Normzweck 1

Die Bestimmung befasst sich mit der Registerpublizität der Auflösung. Historische Vorgänger sind Art 243 ADHGB, § 293 HGB 1897, § 204 AktG 1937. § 263 sorgt dafür, dass der Übergang der Gesellschaft vom werbenden Stadium in das Abwicklungsstadium aus dem Handelsregister ersichtlich ist.1 Normzweck ist also die Publizität der Auflösung.2 Die Registerpublizität ersetzt nicht eine nach Art 17 Abs 1 MAR gebotene ad-hoc-Mitteilung.3 Die Publizität der Vertretungsverhältnisse ist nicht in § 263 geregelt, sondern in § 266.

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144 HM vgl nur Heidel/Wermeckes5 38; Hüffer/Koch14 24; KK/Winnen3 83; MK/Koch4 103; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 23; aM Spindler/Stilz/Bachmann2 64; die umstrittene Frage wird fast ausschließlich für die GmbH diskutiert; vgl Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 80 mit Nachweisen zum Streitstand. 1 2 3

Vgl Regierungsbegründung Kropff S 354. Vgl ebenda; MK/Koch4 2; Hüffer/Koch14 1. Vgl Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 87.

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Anmeldung und Eintragung der Auflösung | § 263

2. Grundsatz: Anmeldepflicht nach Satz 1 Aus Satz 1 ist der Grundsatz abzulesen, dass die Auflösung eine eintragungspflichti- 2 ge Tatsache ist. Das gilt, soweit nicht einer der gesetzlichen Sonderfälle nach Rdn 11 ff vorliegt, für jeden Fall der Auflösung. Wegen der in den Sätzen 2–4 enthaltenen Ausnahmen kommen allerdings praktisch nur die Auflösungsfälle des § 262 Abs 1 Nr 1 und 2 in Betracht (zur Frage, ob es weitere, insbesondere satzungsmäßige Auflösungsgründe gibt, vgl § 262 Rdn 10 ff, 68).4 3. Sonderfälle (Satz 2–4) Der Grundsatz des Satzes 1 erfährt Ausnahmen in den Fällen der Sätze 2–4. Das sind 3 die zahlenmäßig wohl häufigsten Fälle einer Auflösung nach § 262. Unterschieden wird hier zwischen den Fällen der Löschung der Gesellschaft (Satz 4 und dazu Rdn 16) und der Eintragung der Auflösung von Amts wegen (Satz 2 und 3 und dazu Rdn 11 ff). II. Anmeldung, Eintragung und Bekanntmachung im Grundfall des Satzes 1 1. Anmeldepflichtiger Anmeldepflichtig ist nach Satz 1 der Vorstand. Im Gegensatz zu § 65 GmbHG, wo für 4 eine Anmeldepflicht der Liquidatoren plädiert wird,5 legt sich damit der Wortlaut des § 263 auf die Person des (der) Anmeldepflichtigen fest (ebenso bereits § 204 AktG 1937 und davor § 293 HGB 1897).6 Dass dies dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entspricht, zeigt auch § 266 Abs 1. Die Anmeldung geschieht im Namen der Gesellschaft. Diese ist Beteiligte in dem durch die Anmeldung eingeleiteten Eintragungsverfahren. Die Anmeldepflicht trifft jedes einzelne Vorstandsmitglied. Jedes einzelne Vorstandsmitglied, auch wenn es nach Rdn 8 die Anmeldung nicht allein bewirken kann, ist zur Mitwirkung verpflichtet. 2. Unverzügliche Anmeldung Unverzüglich muss die Anmeldung nach hM erfolgen, dh ohne schuldhaftes Zö- 5 gern.7 Schuldhaftes Zögern wird verneint, wenn ein Zuwarten der Abwicklung dient.8 3. Sanktionen a) Die Anmeldung kann gemäß § 14 HGB erzwungen werden.9 Das ist keine Selbst- 6 verständlichkeit, denn § 407 Abs 1 nennt § 263 nicht. Erzwingbar ist auch die Anmeldung einer Auflösung durch Hauptversammlungsbeschluss,10 nicht allerdings, soweit der Auflösungsbeschluss nur als Satzungsänderung wirksam ist (§ 262 Rdn 23).11 Dann wird der

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4 MK/Koch4 3; Hüffer/Koch14 2; Bayer/Habersack/Ehricke/Rotstegge Rn 25.34 f. 5 Vgl Baumbach/Hueck/Haas GmbHG21 § 65, 7; Scholz/Scheller GmbHG12 § 65, 6. 6 Vgl nur Bürgers/Körber/Füller4 3; Hüffer/Koch13 2; KK/Winnen3 6; MK/Koch4 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 7 RGZ 145, 99, 103; Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 8; MK/Koch4 8. 8 RGZ 145, 99, 103; Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 8; MK/Koch4 8. 9 Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 8; MK/Koch4 8. 10 Vgl MK/Koch4 8. 11 KK/Kraft2 4; MK/Koch4 8.

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§ 263 | Erster Abschnitt – Auflösung

Beschluss seinerseits erst mit der Eintragung wirksam (§ 181 Abs 3). Der Vorstand kann zu dieser Anmeldung deshalb nur im Innenverhältnis verpflichtet sein (§ 181 Rdn 9 f). 7

b) Da eine eintragungspflichtige Tatsache vorliegt, gilt § 15 HGB.12 Ist die Auflösung eingetragen und bekanntgemacht worden, so muss ein Dritter sie gegen sich gelten lassen, sofern es sich nicht um eine binnen fünfzehn Tagen nach der Bekanntmachung vorgenommene Rechtshandlung handelt und der Dritte beweist, dass er die Auflösung weder kannte noch kennen musste (§ 15 Abs 2 HGB). Solange die Auflösung nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war (§ 15 Abs 1 HGB). Ist die Auflösung unrichtig bekanntgemacht, so kann sich ein Dritter gegenüber der Gesellschaft auf sie berufen, sofern er nicht die Unrichtigkeit der Bekanntmachung kannte (§ 15 Abs 3 HGB). Praktische Anwendungsfälle für diese Rechtsscheinbestimmungen sind allerdings schwerlich vorstellbar, weil die Auflösung als solche kaum relevante Drittwirkungen hat.13 4. Anmeldungs- und Eintragungsverfahren

8

a) Eine wirksame Anmeldung setzt voraus, dass sie von Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl vorgenommen wird.14 Das richtet sich nach § 78. Besteht Gesamtvertretungsmacht und sind nicht mehr alle Vorstandsmandate besetzt, so genügt das Handeln der noch vorhandenen Vorstandsmitglieder, denn eine nachträgliche Ergänzung des Organs scheidet aus.15

9

b) Die registerrechtliche Prüfung ist nicht auf die Formalien beschränkt, sondern sie erstreckt sich auf den angemeldeten Auflösungstatbestand.16 Die Amtsprüfung nach § 26 FamFG greift nicht nur ein, wenn das Registergericht konkreten Anlass zu Zweifeln hat. Deshalb sind mit dem Eintragungsantrag die zur Prüfung des Auflösungstatbestands erforderlichen Unterlagen beizubringen.

10

c) Die Eintragung erfolgt nach § 43 Nr 6 HRV, die Bekanntmachung nach § 10 HGB. Sie hat lediglich deklaratorische Wirkung (zum Sonderfall der Satzungsänderung vgl Rdn 6).17 III. Die Sonderfälle der Sätze 2–4 1. Eintragung von Amts wegen (Satz 2 und 3)

11

Eine Eintragung in das Handelsregister von Amts wegen findet nach Satz 2 und 3 statt in den Auflösungsfällen des § 262 Abs 1 Nr 3, 4 und 5.

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a) Im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 262 Abs 1 Nr 3) übermittelt das Insolvenzgericht dem Registergericht eine Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses

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12 Hüffer/Koch14 3; KK/Winnen3 21; MK/Koch4 11; Spindler/Stilz/Bachmann4 13. 13 Vgl KK/Winnen3 21; MK/Koch4 11. 14 Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen7; MK/Koch4 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 15 KK/Winnen7; MK/Koch4 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 16 Hüffer/Koch14 3; MK/Koch4 9. 17 MK/Koch4 10 betont, dass auch im Fall der Satzungsänderung, genau genommen, nur die Eintragung des Beschlusses, nicht die Eintragung der Auflösung konstitutiv wirkt.

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Anmeldung und Eintragung der Auflösung | § 263

(§ 31 Nr 1 InsO). Das Handelsregistergericht trägt dann die Auflösung der Gesellschaft und deren Grund von Amts wegen in das Handelsregister ein (Satz 3; vgl auch § 32 Abs 1 Satz 1 HGB). Eines Eintragungsantrags bedarf es nicht. Die Eintragung wird nicht bekanntgemacht (§ 32 Abs 2 HGB). Bekanntgemacht wird vielmehr vom Insolvenzgericht der Eröffnungsbeschluss (§ 30 Abs 1 InsO). Die Vorschriften des § 15 HGB sind insoweit nicht anzuwenden.18 b) Die rechtskräftige Insolvenzverfahrensablehnung mangels Masse (§ 262 13 Abs 1 Nr 4, § 26 InsO) wird gleichfalls dem Registergericht mitgeteilt (§ 31 Nr 2 InsO) und sodann nach Satz 2 und 3 von Amts wegen eingetragen.19 Bezüglich der Eintragung erfolgt auch eine Bekanntmachung nach § 10 HGB.20 c) Auch die rechtskräftige Feststellung eines Satzungsmangels nach § 399 14 FamFG, Auflösungsgrund nach § 262 Abs 1 Nr 5 (dazu § 262 Rdn 51), wird nach Satz 2 und 3 von Amts wegen eingetragen. d) Weitere, in § 263 nicht erwähnte Fälle der Eintragung von Amts wegen sind: 15 die gesetzliche Auflösung nach § 396 (vgl § 398); die Nichtigerklärung der Gesellschaft nach § 275 (vgl § 275 Abs 4 Satz 2); die Verbotsverfügung nach § 3 VereinsG (vgl §§ 396– 398 Rdn 26 f) und die Auflösung nach § 38 Abs 1 KWG.21 2. Amtslöschung der Gesellschaft (Satz 4) a) Nach Satz 4 findet keine Eintragung der Auflösung statt im Fall der Löschung 16 nach § 262 Abs 1 Nr 6 iVm § 394 FamFG (dazu § 262 Rdn 49). Diese Klarstellung wurde notwendig, seitdem durch Art 47 Nr 9 EGInsO der alte Löschungstatbestand des § 2 LöschG 1934 im Auflösungstatbestand des § 262 Abs 1 Nr 6 aufgegangen ist (dazu krit § 262 Rdn 63). Die Löschung nach § 394 FamFG führt, wenn die der Löschung zugrunde liegende Annahme der Vermögenslosigkeit zutrifft, zur Vollbeendigung der Gesellschaft (§ 262 Rdn 63) und nur im Ausnahmefall des § 264 Abs 2 zur Abwicklung der Gesellschaft als eines fortbestehenden Rechtsträgers (dazu § 262 Rdn 63, § 264 Rdn 15). Nur in diesem letzten Fall wäre also die Eintragung, dass die Gesellschaft aufgelöst ist, überhaupt richtig, sonst irreführend. Die Eintragung, dass die Gesellschaft aufgelöst ist, ist deshalb im Regelfall nicht nur, wie die Gesetzesverfasser meinten,22 überflüssig, sondern irreführend.23 b) Im Fall des § 264 Abs 2 (Abwicklung einer gelöschten Gesellschaft) ist die nur 17 vermeintlich vermögenslose Gesellschaft von Amts wegen wieder im Handelsregister einzutragen.24 Dies ist zwar bestritten.25 Der Einwand, die juristische Person sei durch die Löschung unumkehrbar erloschen, verfängt aber nicht, weil es an dem hierfür erforderlichen Doppeltatbestand (Löschung plus Vermögenslosigkeit) fehlt (§ 264 Rdn 16).

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18 14. 19 20 21 22 23 24 25

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Hüffer/Koch14 4; KK/Winnen3 9; MK/Koch4 19; vgl dazu über Folgeeintragungen MK-HGB/Krafka4 § 32, Krafka Registerrecht 405. MK-InsO/Bosch4 § 31, 39. Hinweis auf § 87 VAG 1901/1992 noch in der 4. Auflage sowie bei K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4. Regierungsbegründung BT-Drucks 12/3803 S 85 linke Spalte iVm S 82 rechte Spalte. Wie hier Hüffer/Koch14 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 12. Vgl zur GmbH Scholz/Scheller GmbHG12 § 65 Rn 1. Hüffer/Koch14 § 264, 15; MK/Koch4 § 264, 17, 8.

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§ 264 | Erster Abschnitt – Auflösung

ZWEITER UNTERABSCHNITT anhängen! Abwicklung Erster Abschnitt – Auflösung Notwendigkeit der Abwicklung § 264 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-010

§ 264 Notwendigkeit der Abwicklung (1) Nach der Auflösung der Gesellschaft findet die Abwicklung statt, wenn nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. (2) 1Ist die Gesellschaft durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst, so findet eine Abwicklung nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt. 2Die Abwickler sind auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht zu ernennen. (3) Soweit sich aus diesem Unterabschnitt oder aus dem Zweck der Abwicklung nichts anderes ergibt, sind auf die Gesellschaft bis zum Schluss der Abwicklung die Vorschriften weiterhin anzuwenden, die für nicht aufgelöste Gesellschaften gelten. Schrifttum Vgl die Angaben bei § 262.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Überblick über die Regelung | 1 2. Anwendungsbereich | 5 3. Verfassung und Struktur der AG in Liquidation | 6 4. Liquidationspflicht | 8 Sonderfälle

III.

1. Insolvenzverfahren (vgl Abs 1) | 11 2. Löschung nach § 394 FamFG | 15 Anzuwendende Bestimmungen (Abs 3) 1. Grundsatz | 21 2. Bestimmungen des ersten Teils | 22 3. Bestimmungen des zweiten Teils | 29

I. Grundlagen 1. Überblick über die Regelung 1

Die Bestimmung regelt die auf die Auflösung folgende Abwicklung der Aktiengesellschaft (Abs 1) und die auf die aufgelöste Gesellschaft anzuwendenden Vorschriften (Abs 3). Vorgängerbestimmungen zu § 264 waren § 294 HGB 1897 und § 205 AktG 1937.

2

a) Abs 1 besagt ein Dreifaches: Zum einen bringt die Bestimmung die aus heutiger Sicht nur noch klarstellende Einsicht zum Ausdruck, dass die aufgelöste Gesellschaft, den Fall des Abs 2 ausgenommen, auch nach dem Auflösungszeitpunkt als organisierte Rechtsträgerin fortbesteht.1 Sodann ist in Abs 1 die Vorschrift enthalten, dass die Gesell-

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1 Vgl zur Diskussion unter dem ADHGB noch Lastig, FS Dernburg, 1900, S 178; weitere Angaben bei Karsten Schmidt GesR § 1 IV 4.

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Notwendigkeit der Abwicklung | § 264

schaft mit ihrer Auflösung in das Liquidationsstadium überführt wird (dazu auch § 262 Rdn 49). Schließlich enthält Abs 1 eine, allerdings missverständliche, Ausnahme: Im Fall der Auflösung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 262 Abs 1 Nr 3) findet nach Abs 1 „die Abwicklung“ nicht statt. Gemeint ist: Die Abwicklung der Gesellschaft richtet sich in diesem Fall nicht nach den §§ 264 ff, sondern nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung (vgl dazu Rdn 11 ff). b) Abs 2 enthält eine Ausnahme von Abs 1 für den Fall der Auflösung der Gesell- 3 schaft nach § 262 Abs 1 Nr 6 (Löschung nach § 394 FamFG). Diese Ausnahme ist von anderer Qualität als die in Abs 1 zum Ausdruck gebrachte Ausnahme für den Fall der Insolvenzverfahrenseröffnung. Im Fall der Insolvenzverfahrenseröffnung ordnet der Nachsatz des Abs 1 an, dass das Abwicklungsverfahren den Regeln der Insolvenzordnung und nicht der §§ 264 ff folgt (vgl Rdn 2 und im Einzelnen Rdn 11 ff). Im Fall der Löschung nach § 394 FamFG geht es um die Frage, ob ein Abwicklungsverfahren überhaupt stattfinden soll. Dies wird in Abs 2 für den Regelfall verneint, weil mangels Vermögens kein Liquidationsbedarf vorhanden ist; zugleich wird, soweit sich Vermögen herausstellt, ausnahmsweise eine Liquidation vorgeschrieben (Rdn 15 ff). c) Abs 3 stellt klar, dass die Bestimmungen des Aktiengesetzes auch für die aufge- 4 löste Gesellschaft gelten, soweit nicht die §§ 265–274 Sonderbestimmungen enthalten (näher Rdn 21 ff). 2. Anwendungsbereich Die Bestimmung gilt für jede dem Aktiengesetz unterliegende und aufgelöste Akti- 5 engesellschaft. Für das Liquidationsrecht der Vor-AG vgl § 41 Rdn 123 f. Für die aufgelöste KGaA gelten die Regeln des § 290 (vgl Erl ebd). 3. Verfassung und Struktur der AG in Liquidation a) Die körperschaftliche Verfassung der AG bleibt auch nach der Auflösung erhal- 6 ten, ebenso ihre Organisation (vgl zum Kontinuitätsmodell § 265 Rdn 8 f).2 Auch die aufgelöste AG besteht aus den Aktionären und hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital. Ihre Organisation besteht aus drei notwendigen Organen: den Abwicklern (an Stelle des Vorstands), dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung. Allerdings verschiebt sich nach § 265 die Personalkompetenz hinsichtlich des Leitungsorgans. Wegen der Einzelheiten ist auf Rdn 21 ff und auf § 265 Rdn 9 f zu verweisen. Im Fall einer AG & Co KG (§ 262 Rdn 14) ist, wenn beide Gesellschaften aufgelöst sind, zwischen den beiden Abwicklungsverfahren zu unterscheiden. b) Der Gegenstand des Unternehmens (§ 23 Abs 3 Nr 2) bleibt von der Auflösung 7 unberührt. Umstritten ist dies für den Gesellschaftszweck. Nach hM ist mit der Auflösung der Gesellschaft eine Änderung ihres Zwecks verbunden: Aus dem kapitalgesellschaftlichen Zweck der werbend tätigen Aktiengesellschaft wird danach ein bloßer Liquidationszweck.3 Dem ist nicht zu folgen.4 Das zeigt sich, wenn man zwischen dem

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2 KK/Winnen3 Vorb § 262, 11, 13; MK/Koch4 § 262, 12, 14; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 7 ff. 3 Geßler §§ 262, 263; Hüffer/Koch14 § 262, 2; KK/Winnen3 § 262, 11; MK/Koch4 § 262, 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 5. 4 Karsten Schmidt GesR § 11 V 4c.

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§ 264 | Erster Abschnitt – Auflösung

Zweck der Gesellschaft als Rechtsträgerin und Organisation auf der einen und dem Zweck des Abwicklungsverfahrens auf der anderen Seite unterscheidet. Die aufgelöste Gesellschaft unterliegt nach Abs 1 einem Abwicklungsverfahren, dessen Zweck sich zweifellos von demjenigen der Gesellschaft unterscheidet.5 An dem Zweck der Gesellschaft als Rechtsträgerin und Organisation ändert dies nichts. Auch eine Fortsetzung der Gesellschaft setzt nicht eine Änderung ihres Verbandszwecks voraus. Wohl allerdings wird die Verfassung der Gesellschaft und werden die Rechte und Pflichten der Beteiligten durch die Befangenheit der Gesellschaft im Liquidationsverfahren durch dessen Zweck überlagert. 4. Liquidationspflicht? 8

Nach Abs 1 „findet die Abwicklung statt“. Die undeutliche Bestimmung besagt zunächst nur, dass die Gesellschaft in das Liquidationsstadium eintritt (Rdn 2). Eine „stille Liquidation“ durch bloßes Stillhalten kennt das Gesetz nicht.6 Eine Pflicht der Liquidatoren oder der Aktionäre, die Liquidation zu betreiben, kommt im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck. Gleichwohl geht die hM von einer solchen Pflicht aus.7 Doch ist zu differenzieren.8

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a) Die Aktionäre sind nicht liquidationspflichtig. Ihnen obliegt die Abwicklungsaufgabe nicht. Sie können allerdings in der Hauptversammlung darüber entscheiden, ob die Abwicklung durch Fortsetzung der Gesellschaft abgewendet werden soll (§ 274 Rdn 6 ff).

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b) Die Abwickler sind verpflichtet, die Liquidation zu betreiben (§ 268). Diese Verpflichtung besteht in erster Linie im Innenverhältnis (näher § 268 Rdn 6). Schwieriger ist es zu entscheiden, inwieweit den Liquidatoren auch drittschützende Liquidationspflichten auferlegt sind (dazu § 268 Rdn 11). II. Sonderfälle 1. Insolvenzverfahren (vgl Abs 1)

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a) Das Prinzip: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zwar zur Auflösung der Gesellschaft (§ 262 Abs 1 Nr 3 und dazu ausführlich § 262 Rdn 27 ff), aber die Abwicklung der Gesellschaft folgt nicht den Regeln der §§ 264 ff, sondern denen der Insolvenzordnung. Dies ist gemeint, wenn es in Abs 1 heißt, dass in diesem Fall „die Abwicklung“ nicht stattfindet (Rdn 2). Wegen der Einzelheiten wird auf das Spezialschrifttum zur Insolvenzordnung verwiesen.

12

b) Die Verfahrenseröffnung erfolgt durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 27 InsO). Eröffnungsgründe sind die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und die Überschuldung (§ 19 InsO), im Fall eines Eigenantrags auch die drohende Überschuldung (§ 18 InsO). Auf § 262 Rdn 29 wird verwiesen. Zur Verpflichtung der Vorstandsmitglieder

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5 Karsten Schmidt Liquidationsbilanzen und Konkursbilanzen, 1989, S 20 ff, 28 f; eingehend Paura S 19 ff. 6 Zu ihrer Rechtswidrigkeit vgl K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 2a; Spindler/Stilz/Bachmann4 6 f. 7 KK/Winnen3 6 f; MK/Koch4 3 f. 8 Vgl auch Paura S 77 ff.

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Notwendigkeit der Abwicklung | § 264

bzw Liquidatoren (bei Führungslosigkeit auch des Aufsichtsrats), bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit den Insolvenzantrag zu stellen, vgl § 15a InsO (vormals § 92 Abs 2 und dazu § 92 Rdn 35 ff). Die Befugnis der Vorstandsmitglieder zur Stellung des Eigenantrags ergibt sich aus § 15 Abs 1 InsO (dort auch zum Fall der Führungslosigkeit). Antragsberechtigt sind auch die Gläubiger. Im Fall eines Kreditinstituts auch die BaFin (§ 46b Abs 1 Satz 4 KWG). Deckt das als Insolvenzmasse zur Verfügung stehende Gesellschaftsvermögen die Kosten des Verfahrens nicht, so wird das Insolvenzverfahren nur eröffnet, sofern ein Massekostenzuschuss geleistet wird (§ 26 InsO). Wird das Verfahren eröffnet, so bestimmt das Gericht idR gleichzeitig einen Insolvenzverwalter (§ 27 Abs 1 InsO). Während des Eröffnungsverfahrens kann das Gericht Sicherungsmaßnahmen anordnen, insbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmen (§ 21 InsO). Das Gericht kann unter den Voraussetzungen der §§ 270 ff InsO an Stelle der Insolvenzverwaltung auch Eigenverwaltung durch den Vorstand anordnen. c) Verfahrensziel ist entweder die Vollabwicklung der Gesellschaft im Interesse der 13 Gläubiger (arg §§ 1, 199 Satz 2 InsO) oder ihre Reorganisation durch Insolvenzplan (§§ 217 ff InsO). Dieser kann seit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), in Kraft seit 1. März 2012 (§ 262 Rdn 36), auch in Rechte der Anteilsinhaber eingreifen, also Satzungsänderungen zur Folge haben (§ 225a InsO). Die körperschaftliche Struktur der insolventen AG bleibt im Grundsatz unberührt. Vorstand (Abwickler) und Hauptversammlung bleiben bestehen.9 Die Verfassung der Gesellschaft ist allerdings durch die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters und der Gläubigerorgane insolvenzrechtlich überlagert. Das gilt nach § 276a InsO auch im Fall der Eigenverwaltung (§§ 270 ff InsO). d) Gegenstand des Insolvenzverfahrens ist als Insolvenzmasse das gesamte der 14 Gesellschaft zustehende Vermögen einschließlich des nachträglichen Hinzuerwerbs (§ 35 InsO). Die Verfügungsbefugnis bezüglich des Gesellschaftsvermögens geht mit der Verfahrenseröffnung vom Vorstand bzw von den Abwicklern auf den Insolvenzverwalter über (§ 82 InsO). Umstritten ist, ob dieser Vermögensgegenstände aus der Insolvenzmasse in die Befugnis des Vorstands bzw der Liquidatoren freigeben kann.10 Richtigerweise ist diese Befugnis als mit dem aus § 199 InsO ablesbaren Vollabwicklungszweck des Insolvenzverfahrens unvereinbar abzulehnen.11 Zulässig ist dagegen eine sog unechte Freigabe, durch die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechte nicht aus der Masse in massefreies Vermögen überführt, sondern nur dem Schuldner (im Fall der AG also: dem Vorstand) zur Geltendmachung überlassen werden. 2. Löschung nach § 394 FamFG a) Löschung und Erlöschen der Gesellschaft aa) Die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit (§ 394 FamFG) führt 15 zwar nach dem Wortlaut des § 262 Abs 1 Nr 6 zu ihrer Auflösung (systematische Kritik bei § 262 Rdn 63), aber nach Abs 2 Satz 1 findet eine Abwicklung nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist. Was das

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9 Hüffer/Koch14 8; MK/Koch4 43; eingehend Karsten Schmidt AG 2011, 1 ff. 10 BGHZ 163, 32 = NJW 2005, 2015; MK/Koch4 48. 11 Karsten Schmidt ZGR 1998, 633, 637 f; ders NJW 2010, 1489, 1492 f.

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bedeutet, ist umstritten (vgl hierzu § 262 Rdn 63): Nach einer vormals herrschenden Auffassung wirkt die Löschung der Gesellschaft nur deklaratorisch und beseitigt die Gesellschaft nicht.12 Nach der vom Verfasser begründeten Lehre vom Doppeltatbestand wirkt die Löschungseintragung zwar konstitutiv, aber zur Vollbeendigung der Gesellschaft führt die Löschung nur im Verein mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal der Vermögenslosigkeit.13 Das bedeutet: Die Löschung wirkt ausnahmslos konstitutiv. Ob sie die Vollbeendigung der Gesellschaft zur Folge hat (dies ist ihr Ziel) oder nur deren Auflösung nach § 262 Abs 1 Nr 6, hängt davon ab, ob die Gesellschaft, wie bei Vornahme der Löschung angenommen, wirklich vermögenslos ist (Doppeltatbestand mit Vollbeendigungswirkung) oder nicht (dann nur Auflösung). Mit dieser Lehre verwandt ist die Annahme einer teilrechtsfähigen Nachgesellschaft, die im Fall verbliebenen Vermögens die Rechtsträgerschaft der gelöschten AG fortsetzt.14 Nach einer hier nicht geteilten weiteren Auffassung führt die Löschung zwingend zur Vollbeendigung der Gesellschaft.15 Etwa verbliebenes Gesellschaftsvermögen wird aber durch die Vollbeendigung nicht subjektlos, sondern es fällt den Gesellschaftern als Gesamthandsvermögen an. 16

bb) Die Vorzugswürdigkeit der Lehre vom Doppeltatbestand ist vom Verfasser ausführlich begründet worden.16 Diese Lehre ist, soweit dies nach der Löschung einer AG erwartet werden kann, praktikabel, und sie entspricht auch dem Sinn und Zweck des Abs 2. Abs 2 besagt sinngemäß, dass bei Vorhandensein verteilbaren Vermögens die Gesellschaft als abwicklungsbedürftiges und abwicklungsfähiges Rechtssubjekt fortbesteht. Es kommt also weder zur Herrenlosigkeit dieses Restvermögens,17 noch fällt das Restvermögen den Gesellschaftern an.18 Es entsteht auch nicht eine von der aufgelösten AG qualitativ verschiedene „Nachgesellschaft“ sui generis.18a Die Rechtskonstruktion einer solchen von der aufgelösten Körperschaft verschiedenartigen Rechtsperson ist ohne praktischen oder systematischen Wert (vgl auch spiegelbildlich gegen die Vor-AG als Gesamthand § 41 Rdn 42).18b Die nur scheinbar vollbeendete Gesellschaft wird als fortbestehende Rechtsträgerin nach den Regeln der §§ 264 ff abgewickelt, also nach aktienrechtlichen Grundsätzen. Sie kann (wichtig bei der Geltendmachung von Ansprüchen) auch noch Vermögen hinzuerwerben.19 Die Konsequenz, dass jede gelöschte Gesellschaft als potentieller Wiedergänger eine Geisterexistenz haben kann, ist nur in theoretischer Hinsicht unbehaglich. Für die Praxis gilt: So oft wie eine gelöschte Gesellschaft als Rechtsträger noch benötigt wird, wird sie auch als vorhanden anerkannt.

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12 RGZ 149, 293, 296 f; BGHZ 53, 264, 266; BGH WM 1975, 975; OLG Stuttgart NJW 1969, 1493; OLG Hamm NJW-RR 1990, 477, 478. 13 BAG NJW 1988, 2637; OLG Stuttgart AG 1999, 280, 281; Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 66 ff, Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 14 f; Karsten Schmidt GmbHR 1988, 209 ff. 14 So nach Vorarbeiten von Bucher und Lindacher mit Unterschieden im Einzelnen Hüffer/Koch14 § 273, 13; KK/Winnen3 § 273, 20 f; MK/Koch4 § 262, 91 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 92. 15 Hüffer/Koch13 § 262, 23; KK/Winnen3 § 262, 9, 14, 110 ff; MK/Koch4 § 262, 87; Hönn ZHR 138 (1974), 74 ff; Hüffer GS Schultz, 1978, S 103 ff. 16 Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 56 ff, § 74, 13 f; Karsten Schmidt GmbHR 1988, 209 ff. 17 Vgl Hüffer/Koch14 12; Karsten Schmidt GmbHR 1988, 210. 18 So aber noch Hachenburg/Ulmer GmbHG7 § 60, 16 und Anh § 60, 35. 18a So KK/Winnefeld5 115. 18b Ohne praktische Vorteile ist auch die Verteidigung des Konzepts der Nachgesellschaft durch Bachmann FS Lindacher 2017, 23, 34 ff. 19 So im Ergebnis auch Spindler/Stilz/Bachmann4 31.

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Notwendigkeit der Abwicklung | § 264

b) Ausnahme: Abwicklung nach Löschung aa) Der Abwicklungstatbestand des Abs 2 ist gegeben, wenn noch verteilungsfä- 17 higes Vermögen vorhanden ist. Das ist immer dann der Fall, wenn der Tatbestand der Vermögenslosigkeit (§ 262 Rdn 13, 63) objektiv nicht gegeben ist.20 Es kommt nicht darauf an, ob dieses Vermögen bereits im Zeitpunkt der Löschung verwertbar gewesen wäre und lediglich unbekannt blieb oder ob es im Zeitpunkt der Löschung bekannt, jedoch tatsächlich oder aus Rechtsgründen unverwertbar war und nachträglich verwertbar wurde (zB durch neue Technologien bei unzugänglichen Gütern, etwa am Meeresgrund, durch Realisierbarkeit vormals konfiszierter Wirtschaftsgüter).20a Das Kriterium der Verteilbarkeit des Vermögens bedeutet Verwertbarkeit.21 Wichtige Fälle sind diejenigen realisierbarer Forderungen, zB gegen Gesellschaftsorgane.22 Unschädlich ist, dass die Abwicklung auch neue Schulden mit sich bringen kann (zB aus der tatsächlichen oder rechtlichen Verwertung des verteilungsfähigen Vermögens). Selbst wenn die Gesellschaft unter Einrechnung der Verwertungskosten überschuldet ist, kann ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der gelöschten Gesellschaft (§§ 11, 19 InsO) bzw im Fall ihrer Masselosigkeit (§ 26 InsO) ein Liquidationsverfahren nach § 262 Abs 1 Nr 4 stattfinden (dazu Rdn 20 und § 262 Rdn 46 ff). Anders dagegen, wenn die Verwertung des Restvermögens selbst unwirtschaftlich, also mit mehr Kosten als Ertrag verbunden ist. Dann ist der Tatbestand des Abs 2 nicht gegeben.23 bb) Der Tatbestand des Abs 2 wird nicht schon dadurch erfüllt, dass sich neue 18 Verbindlichkeiten herausstellen.24 Er ist entgegen verbreiteter Auffassung auch nicht erfüllt, wenn sich lediglich unerledigte Abwicklungshandlungen als notwendig erweisen (zB Freigabeerklärungen, Löschungsbewilligungen, Arbeitszeugniserteilung, Erfüllung steuerlicher Pflichten, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 899 ff ZPO). Für diesen Fall werden drei Lösungen angeboten: die Anordnung einer Pflegschaft nach § 1913 BGB,25 die Neubestellung von Abwicklern analog § 273 Abs 4,26 schließlich der für das GmbH-Recht vom Verfasser entwickelte Standpunkt, wonach der nach § 74 Abs 2 GmbHG zur Verwahrung der Papiere bestimmte Gesellschafter oder Dritte solche Erklärungen abgeben soll (Vermeidung einer Nachtragsliquidation).27 Der letzte, reinen Praktikabilitätserwägungen folgende Standpunkt lässt sich auf das Aktienrecht nicht übertragen, vielmehr geht es im Aktienrecht darum, die Rechtslage mit § 273 abzugleichen, dessen Abs 4 ausdrücklich auf unerledigte Abwicklungsmaßnahmen abhebt. Zu folgen ist deshalb der entsprechenden Anwendung des § 273 Abs 4 (vgl auch § 273 Rdn 14). Um eine echte Nachtragsliquidation einer als juristische Person fortbestehenden AG handelt es sich indes nicht.

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20 KK/Winnen3 § 264, 35; MK/Koch4 11. 20a Zust KK/Winnen3 35. 21 Vgl MK/Koch4 11. 22 Vgl Spindler/Stilz/Bachmann4 29. 23 Vgl Spindler/Stilz/Bachmann4 29. 24 Hüffer/Koch14 13; KK/Winnen3 34; MK/Koch4 11. 25 Vgl Hachenburg/Ulmer8 Anh § 60 GmbHG, 40. 26 KK/Winnen3 § 262, 67; MK/Koch4 12; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 15; sympathisierend BGHZ 105, 259, 262; s auch Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 71. 27 Krit jetzt Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 70 f.

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§ 264 | Erster Abschnitt – Auflösung

c) Das Abwicklungsverfahren nach Abs 2 19

aa) Die Abwicklung folgt den §§ 264 ff.28 Nach der bei Rdn 15 ff abgelehnten Gegenauffassung, die vom Erlöschen der Gesellschaft auch im Fall des Abs 2 ausgeht, können diese Bestimmungen nur vereinzelt und mit Vorsicht angewendet werden.29 Das ist konsequent, aber nach den bei Rdn 16 dargestellten Überlegungen im Ansatz abzulehnen.

20

bb) Der Gesetzgeber stellt bei Abs 2 nur auf vorhandenes Aktivvermögen ab. Realistischerweise ist aber zugleich mit dem Vorhandensein erheblicher Verbindlichkeiten, wohl sogar mit einer Überschuldung der Gesellschaft und nicht selten mit einer Masselosigkeit iS von § 262 Abs 1 Nr 4 zu rechnen. Damit stellt sich die Frage, ob die Abwickler im Fall des Abs 2 nach § 15a InsO insolvenzantragspflichtig sein können (und dann idR insolvenzantragspflichtig sind). Obwohl sich idR die Ablehnung eines Insolvenzverfahrensantrags mangels Masse (§ 26 InsO) alsbald abzeichnen wird, ist das zu bejahen, denn Masselosigkeit befreit nicht von der Insolvenzantragspflicht. Wird der vom Nachtragsabwickler gestellte Insolvenzantrag mangels Masse abgelehnt, so folgt die Abwicklung den für die masselose Liquidation der Gesellschaft geltenden Regeln (§ 262 Rdn 50). Nur so kann verhindert werden, dass die Abwicklung nach Abs 2 ausschließlich zur Selbstbedienung der Organe oder der Aktionäre verwendet wird. III. Anzuwendende Bestimmungen (Abs 3) 1. Grundsatz

21

Abs 3 stellt klar, dass die abzuwickelnde Aktiengesellschaft den allgemeinen Bestimmungen unterliegt, soweit nicht aus den §§ 265–274 sich ein anderes ergibt. Dies gilt allerdings nur, soweit die Bestimmungen mit dem Zweck des Abwicklungsverfahrens vereinbar sind. 2. Bestimmungen des ersten Buchs erster Teil

22

a) § 1 (Rechtspersönlichkeit, Grundkapital, Haftungsbeschränkung) gilt auch für die aufgelöste Gesellschaft. b) § 2 ist im Auflösungsfall gegenstandslos.

23 24

c) § 3 (Kaufmannseigenschaft, Börsennotierung) gilt im Grundsatz auch für die aufgelöste Gesellschaft (vgl allerdings zum Widerruf der Börsenzulassung § 39 Abs 1 BörsG).

25

d) § 4 (Firma) wird durch § 269 Abs 6 ergänzt (dazu § 269 Rdn 14).

26

e) § 5 (Sitz) bleibt anwendbar. Zur Sitzverlegung in der Liquidation § 262 Rdn 22.

27

f) §§ 6–13 (Grundkapital) sind, soweit auf die Gründung bezogen, gegenstandslos. Anwendbar bleibt § 12 Abs 1, wonach jede Aktie mit Ausnahme der stimmrechtslosen Vorzugsaktien ein Stimmrecht gewährt.

_____ 28 29

Hüffer/Koch14 15. Hüffer/Koch14 15; MK/Koch4 8, 15.

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Abwickler | § 265

g) Die §§ 15–22 (verbundene Unternehmen, Mitteilungspflichten) sind anwendbar. 28 Zum Konzernrecht der aufgelösten Gesellschaft vgl Erl zu § 297. 3. Bestimmungen des ersten Buchs zweiter Teil a) Anwendbar bleiben, soweit nicht tatsächlich erledigt, die Regeln über die Auf- 29 bringung des Grundkapitals (§§ 36, 36a, 50, 52). Die Einforderung von Einlagen bleibt Sache der Liquidatoren (vgl § 63 iVm § 268). Auf § 271 Abs 3 S 3 kann sich ein Aktionär gegenüber der Einforderung nur berufen, wenn die (teilweise) Entbehrlichkeit der geforderten Einlageleistung für die Abwicklung zutage liegt, mindestens aber nachgewiesen werden kann. b) Zur Vorgesellschaft in Liquidation vgl § 41 Rdn 124. Die Grundsätze über „wirt- 30 schaftliche Neugründungen“ (sog Mantelverwendung; vgl § 23 Rdn 344 ff) bleiben nach der Auffassung des BGH im Abwicklungsstadium anwendbar.29a Doch reicht die Auflösung der Gesellschaft für den Tatbestand eines „leeren Gesellschaftsmantels ohne Geschäftsbetrieb“ nicht aus. Es soll vielmehr darauf ankommen, ob die Liquidation (noch) betrieben wird.29b c) § 42 (Anmeldung der Einpersonen-AG) bleibt anwendbar.

31

d) Eine Sitzverlegung (§ 45) bleibt zulässig. Zur Frage der Sitzverlegung ins Aus- 32 land vgl § 262 Rdn 22, 57. e) Die Gründungshaftung nach §§ 46–50 bleibt bezüglich entstandener Ansprüche 33 anwendbar. Die Ausschüttungssperre (§ 57) ist durch § 272 verschärft. f) Organisationsrechtlich treten die Abwickler (§§ 265 ff) an die Stelle des Vorstands. 34 Der Aufsichtsrat besteht fort.30 Die Hauptversammlung bleibt in dem ihr zugedachten Bereich zuständig.31 Auch ein Squeeze-out (§ 327a) bleibt im Stadium der Auflösung möglich.32

§ 265 Abwickler Erster Abschnitt – Auflösung Abwickler § 265 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-011

(1) Die Abwicklung besorgen die Vorstandsmitglieder als Abwickler. (2) 1Die Satzung oder ein Beschluss der Hauptversammlung kann andere Personen als Abwickler bestellen. 2Für die Auswahl der Abwickler gilt § 76 Abs 3 Satz 2 und 3 sinngemäß. 3Auch eine juristische Person kann Abwickler sein. (3) 1Auf Antrag des Aufsichtsrats oder einer Minderheit von Aktionären, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen, hat das Gericht bei Vorliegen eines wichtigen

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29a BGH NJW-RR 2014, 416 = NZG 2014, 264 = ZIP 2014, 418; dazu Keiluweit EWiR 2014, 273; Karsten Schmidt DB 2014, 701. 29b Ebd Rdn 15. 30 Vgl BGHZ 32, 114, 117 = NJW 1960, 1006, 1007 (obiter); Hüffer/Koch14 16; KK/Winnen3 23. 31 Vgl nur KK/Winnen3 16 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 28 f. 32 BGH NZG 2006, 905 = ZIP 2006, 2080; str.

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§ 265 | Erster Abschnitt – Auflösung

Grundes die Abwickler zu bestellen und abzuberufen. 2Die Aktionäre haben glaubhaft zu machen, dass sie seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien sind. 3 Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Gericht oder Notar. 4Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (4) 1Die gerichtlich bestellten Abwickler haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. 2Einigen sich der gerichtlich bestellte Abwickler und die Gesellschaft nicht, so setzt das Gericht die Auslagen und die Vergütung fest. 3Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig; die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. 4Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung statt. (5) 1Abwickler, die nicht vom Gericht bestellt sind, kann die Hauptversammlung jederzeit abberufen. 2Für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag gelten die allgemeinen Vorschriften. (6) Die Absätze 2 bis 5 gelten nicht für den Arbeitsdirektor, soweit sich seine Bestellung und Abberufung nach den Vorschriften des Montanmitbestimmungsgesetzes bestimmen. Schrifttum Bredol Die Rechtsstellung der Abwickler einer Aktiengesellschaft, 2010; Ehricke/Rotstegge in Bayer/ Habersack, Aktienrecht im Wandel II, 2007, 25. Kapitel.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

III.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Gesetzesgeschichte | 1 2. Anwendungsbereich | 3 3. Kontinuität der Leitungsstruktur | 8 Die Vorstandsmitglieder als geborene Abwickler (Abs 1) 1. Organstellung | 11 2. Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder | 13 Bestellung durch Sitzung oder durch Hauptversammlungsbeschluss (Abs 2) 1. Das Prinzip | 17 2. Bestellung durch die Satzung | 18 3. Bestellung durch Hauptversammlungsbeschluss | 23

IV.

V.

VI.

Gerichtliche Bestellung von Abwicklern (Abs 3 und 4) 1. Der Grundsatz | 28 2. Das Verfahren | 30 3. Wirksamkeit der Bestellung | 35 4. Das Rechtsverhältnis der nach Abs 3 bestellten Abwickler | 37 5. Notbestellung nach §§ 264 Abs 2, 85 | 42 Abberufung, Amtsniederlegung (Abs 5) 1. Abberufung von ordentlichen Abwicklern | 44 2. Abberufung durch das Gericht | 46 3. Amtsniederlegung | 48 Der Arbeitsdirektor (Abs 6) | 49

I. Grundlagen 1. Gesetzesgeschichte 1

a) Vorgeschichte. Die Bestimmung geht auf § 206 AktG zurück, dieser auf § 295 HGB 1897 und dieser auf Art 244 ADHGB. Die Bestimmung, dass eine juristische Person Abwickler sein kann (Abs 2 Satz 3) beruht auf § 206 Abs 1 Satz 2 AktG 1937. Neu eingeführt K. Schmidt

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Abwickler | § 265

wurden durch § 265 dessen Absätze 4 und 6.1 Das Minderheitsrecht des Abs 3 wurde gegenüber dem vorausgegangenen § 206 Abs 2 AktG 1937 präzisiert und erweitert.1a b) Änderungen. Abs 6 wurde geändert durch § 35 des MitbestG 1976.2 Abs 2 Satz 2 2 beruht auf Art 3 Nr 6 der GmbH-Novelle von 1980.3 Abs 3 Satz 1 wurde geändert durch Art 1 Nr 16 StückaktienG von 19984 und durch Art 3 § 1 Nr 8 EuroEG von 1998.5 Abs 3 und Abs 4 wurden 2008 durch Art 74 FGG-RG6 modifiziert. 2. Anwendungsbereich a) Aufgelöste AG. § 265 gilt für diejenigen aufgelösten Gesellschaften, die nach 3 § 264 abgewickelt werden. Das bedeutet: Erfasst ist eine nach § 262 Abs 1 Nr 1, 2, 4 oder 5 aufgelöste Gesellschaft. Erfasst ist außerdem die nach § 275 durch rechtskräftiges Urteil für „nichtig“ erklärte oder nach § 397 FamFG als „nichtig“ gelöschte Gesellschaft (§ 277 Abs 1 und dazu § 277 Rdn 3). b) Nicht erfasst ist der Auflösungsgrund der Insolvenzverfahrenseröffnung (§ 262 4 Abs 1 Nr 3 und § 264 Abs 1, dazu § 262 Rdn 27 ff, § 264 Rdn 11). Die Schuldnerrechte im Insolvenzverfahren einer AG werden vom Vorstand wahrgenommen, nicht von Abwicklern. Auch im Verfahren der Eigenverwaltung (§§ 270 ff InsO) handelt der Vorstand. Ist die Gesellschaft nach § 394 FamFG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht, so gilt § 265 nur, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass verteilungsfähiges Vermögen vorliegt (§ 262 Abs 1 Nr 6, § 264 Abs 2; dazu § 262 Rdn 42, § 264 Rdn 15). c) Aufgelöste Vor-AG. Die errichtete, aber noch nicht im Handelsregister eingetra- 5 gene sog Vor-AG wird nach §§ 264 ff abgewickelt,7 nicht, wie früher überwiegend angenommen wurde, nach §§ 730 ff BGB (§ 41 Rdn 124).8 Die Gesellschaft wird als ein rechtsund parteifähiger Rechtsträger abgewickelt8a. Damit ist auch § 265 anwendbar, und zwar (trotz Nichteintragung der Gesellschaft) einschließlich des Abs 3.9 d) Nicht: KGaA. Für die KGaA gelten die Regeln des § 290. Abwickler sind die per- 6 sönlich haftenden Gesellschafter (dazu § 290 Rdn 10 ff). Bei einer AG & Co KG ist umstritten, ob im Fall der Auflösung beider Gesellschaften die Abwickler der AG auch die Liquidation der Kommanditgesellschaft betreiben (dazu vgl Kommentierung zu § 146 HGB). e) Sonderregeln bei Finanzdienstleistungen. Für Kreditinstitute und Versiche- 7 rungsunternehmen sind § 38 Abs 2 KWG und § 81 Abs 2 VAG zu beachten:

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1 Dazu Kropff S 356. 1a Näher Kropff S 356. 2 BGBl I S 1153. 3 BGBl I S 836. 4 BGBl I S 590. 5 BGBl I S 1242. 6 BGBl I S 2586. 7 Vgl nur BGHZ 169, 270, 281 = NJW 2007, 589; BGH LM § 50 ZPO Nr 49 m Anm. Langenfeld = NJW 1998, 1079, 1080 (GmbH); Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 6; MK/Koch4 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 1. 8 So aber noch BayObLG NJW 1965, 2234; zur GmbH BGHZ 51, 30, 34 = NJW 1969, 509; BGHZ 86, 122, 127 = NJW 1983, 876; OLG Frankfurt AG 1996, 88. 8a Vgl zur Vor-GmbH BGH GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441. 9 Bürgers/Körber/Füller4 2; Grigoleit/Servatius 2; Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 8; ausführlich MK/Koch4 4.

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§ 265 | Erster Abschnitt – Auflösung

„§ 38 Abs 2 KWG: „Die Bundesanstalt kann für die Abwicklung eines Instituts allgemeine Weisungen erlassen. Das Gericht hat auf Antrag der Bundesanstalt Abwickler zu bestellen, wenn die sonst zur Abwicklung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen berufenen Personen keine Gewähr für die ordnungsmäßige Abwicklung bieten. Besteht eine Zuständigkeit des Gerichts nicht, bestellt die Bundesanstalt den Abwickler.“ § 298 Abs 1 VAG: „1Gegenüber Erstversicherungsunternehmen, den Mitgliedern ihres Vorstands sowie sonstigen Geschäftsleitern und den die Erstversicherungsunternehmen kontrollierenden Personen kann die Aufsichtsbehörde alle Maßnahmen ergreifen, die geeignet und erforderlich sind, um Missstände zu vermeiden oder zu beseitigen. 2Ein Missstand ist jedes Verhalten eines Versicherungsunternehmens, das den Aufsichtszielen des § 294 Absatz 2 widerspricht. 3Missstände sind auch Schwächen und Mängel, die die Aufsichtsbehörde im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungsverfahrens festgestellt hat.“

3. Kontinuität der Leitungsstruktur 8

a) Das Problem. Das Grundverständnis des § 265 wurde in der Vergangenheit wenig diskutiert.10 Die Frage ist, ob Abs 1 dem Vorstand die Abwicklungsaufgabe zuteilt oder ob „die Abwickler“ ein mit der Auflösung neu entstehendes, nur mit dem Vorstand identisch besetztes Organ darstellen. Der Wortlaut des § 265 klärt diese Frage nicht.

9

b) Die hM. Nach hM besteht keine Organisationskontinuität. Insbesondere spricht Abs 1 nach hM nur von einer Kontinuität der Organpersonen, nicht von einer Kontinuität des Organs.11 Die Abwicklung wird nicht vom Vorstand besorgt – und zwar auch nicht im Fall des Abs 1 –, weil es keinen Vorstand mehr gibt.12 Die Andersartigkeit des Leitungsorgans kommt nach hM vor allem in der Verschiebung der Personalkompetenz vom Aufsichtsrat zur Hauptversammlung13 und in der Tauglichkeit juristischer Personen als Abwickler14 zum Ausdruck. Nur aus Opportunitätsgründen betraut das Gesetz die Vorstandsmitglieder ohne besonderen Berufungsakt mit den Abwicklungsaufgaben und vertraut ihnen wegen ihres Einblicks in die geschäftlichen Verhältnisse die Abwicklung an.15

10

c) Stellungnahme. Die hM basiert noch auf einem aus dem 19. Jahrhundert überkommenen Diskontinuitätsmodell. Die diesem Modell zugrunde liegende Sichtweise hatte schon Schwierigkeiten mit der Annahme, dass die aufgelöste Gesellschaft als Rechtsträgerin fortbesteht (§ 264 Rdn 2). Auf ihr beruht die herrschende, hier jedoch nicht geteilte Auffassung, wonach der gemeinsame Zweck der Gesellschaft nach der Auflösung ein anderer als vor der Auflösung ist (§ 264 Rdn 7). Auch die Diskontinuität des Leitungsorgans hat hier ihre Basis. Richtig ist, dass die Auflösung die Verfassung der AG nicht unberührt lässt und dass die Interessen der Aktionäre im Auflösungsstadium andere sind als vor dessen Eintritt. Dem trägt das Gesetz durch Einzelregelungen Rechnung. So können die Aktionäre (nicht: der Aufsichtsrat) andere Abwickler bestellen (Abs 2 Satz 1 und dazu Rdn 23) sowie über die Feststellung des Jahresabschlusses befinden (§ 270 Abs 2 und dazu § 270 Rdn 15). Diese Modifikationen der AG-Verfassung im Abwick-

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10 Vgl jetzt aber Spindler/Stilz/Bachmann4 1 f. 11 Vgl BGH GmbHR 212, 213 = NZG 2009, 72 (GmbH); Bürgers/Körber/Füller4 3; Hüffer/Koch14 3; KK/Winnen3 10; MK/Koch4 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 2; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 7. 12 Vgl sinngemäß MK/Koch4 5. 13 Spindler/Stilz/Bachmann4 1. 14 Dazu Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 15 KK/Winnen3 9; s auch MK/Koch4 5.

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Abwickler | § 265

lungsstadium sollten aber nichts daran ändern, dass die Vorstandsmitglieder ihre Leitungskompetenz auch nach der Auflösung direkt aus ihrer Bestellung als Vorstand ableiten. Ihre Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenz ist, wie die Verfassung der Gesellschaft insgesamt (§ 262 Rdn 7) mit der Auflösung nur durch den Auflösungszweck überlagert. An der Kontinuität des Organs ändert dies nichts. II. Die Vorstandsmitglieder als geborene Abwickler (Abs 1) 1. Organstellung a) Die Abwickler sind das Leitungsorgan der aufgelösten AG. Nach der herrschen- 11 den Ansicht sind die Vorstandsmitglieder als Abwickler nicht ein mit dem Vorstand identisches, sondern nur ein mit den Vorstandsmitgliedern personengleiches Gesellschaftsorgan. Dem wird hier nicht gefolgt (Rdn 10). Die Vorstandsmitglieder als Abwickler sind ein mit dem Vorstand identisches Organ. b) Nach der hier vertretenen Auffassung bedeutet Abs 1, dass der Vorstand als Organ 12 die Abwicklung vornimmt. Es handelt sich um eine Funktionszuweisung kraft Gesetzes. Die Vorstandsmitglieder sind ohne besonderen Bestellungsakt geborene Abwickler.16 Ihre Eintragung ins Handelsregister hat deshalb nur deklaratorische Bedeutung (§ 266 Rdn 16). Nach dem hier vorgeschlagenen Verständnis des Abs 1 (Rdn 10) sollte man nicht einmal von einer gesetzlichen Berufung der Vorstandsmitglieder in ein neues Amt ausgehen (so aber die hM). Der Vorstand übt vorbehaltlich der Bestellung anderer Personen kraft Gesetzes mit der Auflösung sein Amt als Liquidator aus, sofern nicht die Satzung die Liquidation durch andere Personen vorschreibt (Abs 2 Satz 1). 2. Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder a) Die Personen der Abwickler sind mit den Vorstandsmitgliedern nach Zahl und 13 Identität gleich. Soweit zulässigerweise ein Alleinvorstand vorhanden ist (§ 76 Abs 2), ist er auch Alleinabwickler.17 Die gesetzliche Zuweisung der Abwicklungsaufgaben an den Vorstand steht unter dem Vorbehalt der Absätze 2, 3 und 5. Eine Sonderstellung hat der Arbeitsdirektor: Nach Abs 6 ist er ohne weiteres Abwickler nach Abs 1, auch wenn im übrigen die Absätze 2–5 zum Zuge kommen (Rdn 49). Nach hM werden nur die im Auflösungszeitpunkt vorhandenen Vorstandsmitglieder Abwickler nach Abs 1.18 Eine Nachwahl in den Vorstand gemäß § 84 ist nach Abs 1 iVm § 76 danach unzulässig.19 Sie wäre mit der veränderten Personalkompetenz (Abs 2) unvereinbar. b) Nach hM besteht keine gesetzliche Verpflichtung der Vorstandsmitglieder zur 14 Übernahme des Abwickleramts (vgl allerdings Rdn 16).20 Auch diese hM ist nur ein Resultat der vorherrschenden Doktrin von der Diskontinuität der Gesellschaft und ihrer Verfassung. Nach der hier vertretenen Auffassung tritt die Rechtsfolge des Abs 1 vorbehaltlich des Abs 2 ipso iure ein. Den Vorstandsmitgliedern bleibt eine Niederlegung des

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Insofern wie hier OLG Brandenburg AG 2009, 513, 515; Hüffer/Koch14 3; KK/Winnen3 9; MK/Koch4 5. MK/Koch4 5. Bredol S 104; MK/Koch4 5; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 2. Bredol S 104. Bredol S 106; KK/Winnen3 12; MK/Koch4 36.

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§ 265 | Erster Abschnitt – Auflösung

Amts (Rdn 48) unbenommen. Einer Annahme des ihnen zugewiesenen Liquidatorenamts bedarf es dagegen nicht. 15

c) Die Amtsdauer ist im Gesetz nicht festgelegt. Die Begrenzung der Amtszeit von Vorstandsmitgliedern (§ 84 Abs 1 Satz 1) gilt nicht.21 Vielmehr verlängert sich die begonnene Amtsperiode eines als Abwickler tätigen Vorstandsmitglieds um das Abwicklungsstadium der Gesellschaft zu einer in sich geschlossenen Amtsperiode. Das bedeutet: Die Amtsdauer geht vorbehaltlich einer Abberufung oder einer Niederlegung des Amtes bis zur Löschung der Gesellschaft nach § 273 Abs 1.22 Dass die Berufung als Abwickler nach Abs 1 die Abberufung durch die Hauptversammlung nicht hindert, ergibt sich aus Abs 5. Eine außerordentliche Abberufung durch das Gericht ist nach Abs 3 gleichfalls möglich.

16

d) Das Anstellungsverhältnis der Vorstandsmitglieder besteht fort.23 Hieraus kann sich nach hM eine Pflicht zur Annahme des Liquidatorenamts ergeben.23a Möglich ist, das Vorstands-Anstellungsverhältnis aufzuheben und es durch einen Abwicklervertrag zu ersetzen. Nach der hier vertretenen Auffassung (Rdn 13) bedarf es dessen idR nicht. Die Auflösung als solche ist insbesondere kein wichtiger Kündigungsgrund.24 Auch kann der Aufsichtsrat nicht durch Kündigung des Dienstverhältnisses die Personalhoheit der Hauptversammlung unterlaufen.25 Etwa an Vorstandsmitglieder vergebene Stock Options bestehen vorbehaltlich der §§ 157, 242 BGB fort.26 War das Vertragsverhältnis befristet, so kann es stillschweigend fortgesetzt werden.27 Wird dies verweigert, so kann der Abwickler sein Amt niederlegen (Rdn 48). III. Bestellung durch Satzung oder durch Hauptversammlungsbeschluss (Abs 2) 1. Das Prinzip

17

An Stelle des Vorstands können andere Personen als Abwickler bestellt werden (Abs 2 Satz 1). In Betracht kommen Rechtsträger aller Art, also außer natürlichen auch juristische Personen (Abs 2). Für natürliche Personen sind die Bestellungshindernisse des § 76 Abs 3 Satz 2 und 3 (Betreuung, Berufsverbot vorsätzliche Unternehmens- und Vermögensstraftaten) nach Abs 2 Satz 2 sinngemäß anzuwenden.27a Als juristische Personen erfasst Abs 2 Satz 3 nicht nur Körperschaften und Stiftungen, sondern ungeachtet des über ihre Rechtsnatur bestehenden Streits28 auch rechtsfähige Personengesellschaften.29 Das ist schwerlich bestreitbar im Fall der in einem Register dokumentierten Gesell-

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21 KK/Winnen3 11; MK/Koch4 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 7; aM wohl K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 12. 22 Hüffer/Koch14 3; MK/Koch4 6. 23 OLG Brandenburg AG 2009, 513, 515; KK/Winnen3 46 f; MK/Koch4 7; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 3. 23a MünchHdbGesR IV/Hoffmann-Becking § 67, 6; KK/Winnen3 47. 24 Bürgers/Körber/Füller4 4; Hüffer/Koch14 3; KK/Winnen3 46; MK/Koch4 7; K Schmidt/Lutter/ Riesenhuber4 3. 25 BGH AG 2009, 502. 26 MK/Koch4 7. 27 Vgl ebd. 27a Dazu KK/Winnen3 18. 28 Dazu K Schmidt GesR § 8 I, IV. 29 Heidel/Wermeckes5 8; Grigoleit/Servatius 5; Hüffer/Koch14 6; KK/Winnen3 22; MK/Koch4 11; aM Bredol S 110 f.

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Abwickler | § 265

schaften (oHG, KG, Partnerschaftsgesellschaft, EWIV).30 Dasselbe sollte aber auch für die nach BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 rechtsfähigen BGB-Außengesellschaften gelten, zB für eine Freiberuflersozietät.31 Nach dem in § 162 Abs 1 Satz 2 HGB zum Ausdruck gelangten Grundsatz sind dann bei der Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft als Abwickler (§ 266) neben der GbR auch deren Gesellschafter anzugeben. Rechtspolitisch ist die Zulassung anderer als natürlicher Personen zu bezweifeln, solange auch als Insolvenzverwalter nur natürliche Personen zugelassen sind (§ 56 Abs 1 InsO). 2. Bestellung durch die Satzung a) Die unmittelbare Bestellung durch die Satzung (Abs 1) wirkt automatisch 18 ohne einen weiteren Bestellungsakt (vgl allerdings zur Annahme des Amtes Rdn 21).32 Abs 2 deckt nicht die satzungsmäßige Ermächtigung eines Gesellschaftsorgans (Aufsichtsrats), eines Aktionärs (Gründer, Mehrheitsgesellschafter) oder eines Dritten zur Bestellung von Abwicklern, insbesondere auch nicht des Aufsichtsrats.33 Deshalb setzt die Bestellung durch die Satzung eine hinreichend bestimmte Identifizierung der Abwickler voraus.33a Richtigerweise kann dies außer durch namentliche Benennung auch durch Verweisung auf Kriterien geschehen, die im Zeitpunkt der Bestellung auf sicher identifizierbare Funktionsträger verweisen (Mehrheitsaktionär, Vorstand der Muttergesellschaft, Inhaber eines Amtes, Leiter einer Behörde).34 Zwar wird die Abhängigkeit des Amts von der Entscheidung Dritter abgelehnt.35 Um eine unzulässige Ermächtigung Dritter handelt es sich aber nicht, sofern auf eine Position Bezug genommen wird, die zu einem anderen Zweck als zur Liquidatorenernennung eingenommen wird. b) Die Satzungsregelung kann in der ursprünglichen Satzungsurkunde enthalten 19 sein oder nachträglich durch Satzungsänderung in diese aufgenommen werden.36 Die Satzungsänderung ist auch noch zulässig, nachdem bereits Vorstandsmitglieder (Abs 1) oder satzungsmäßig bestellte Mitglieder (Abs 2) mit der Abwicklung begonnen haben.37 Umstritten ist, ob die Satzungsregelung Satzungsbestandteil im materiellen oder im bloß formellen Sinne ist (vgl zu diesem Unterschied § 23 Rdn 15 ff).38 Da es um die an die Stelle der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung (Abs 1) tretende Bestimmung eines Gesellschaftsorgans geht, ist vom Vorliegen eines „echten“ Satzungsbestandteils im materiellen Sinne auszugehen. Es handelt sich um eine durch Abs 2 zugelassene Abweichung von Abs 1 (vgl § 23 Abs 5). Die Änderung der Satzungsbestimmung setzt die Einhaltung der §§ 179 ff voraus.39

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30 So auch Hüffer/Koch14 6; KK/Winnen3 22; MK/Koch4 11; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 6; aM Bredol S 110 f. 31 AM Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 32 Hüffer/Koch13 4. 33 KG OLGR 8, 235; KGJ 49 A 122, 123 ff; Hüffer/Koch14 4, KK/Winnen3 6; MK/Koch4 9; Sethe ZIP 1998, 771. 33a Vgl nur Bürgers/Körber/Füller4 5; KK/Winnen3 14. 34 Bredol S 108; Spindler/Stilz/Bachmann4 10; Sethe ZIP 1998, 771; aM 3. Auflage (Wiedemann) 3; Hüffer/Koch13 4; KK/Winnen3 6; MK/Koch4 9. 35 MK/Koch4 9; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 6. 36 MK/Koch4 8. 37 Zutr 3. Aufl (Wiedemann) 3; zust MK/Koch4 8. 38 Für echten Satzungsbestandteil KK/Winnen3 15; dagegen Bredol, S 109; Hüffer/Koch14 4; MK/Koch4 8. 39 Bürgers/Körber/Füller4 5; KK/Winnen3 15; aM Bredol S 109; MK/Koch4 8.

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§ 265 | Erster Abschnitt – Auflösung

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c) Der zulässige Satzungsinhalt ergibt sich aus dem Wortlaut von Abs 2. Wegen natürlicher und juristischer Personen vgl Rdn 17. Über die notwendige Bestimmtheit der Identifikation vgl Rdn 18. Die Satzungsbestimmung kann nicht nur andere Abwickler an Stelle der Vorstandsmitglieder oder in Ergänzung des Vorstandes bestellen, sondern auch einzelne Vorstandsmitglieder vom Amt eines Abwicklers ausschließen.40 Nicht von Abs 2 gedeckt wäre eine Satzungsklausel, welche den ganzen Vorstand von der Abwicklertätigkeit ausschließt, ohne Abwickler zu bestimmen. Nach Abs 2 Satz 2 gelten die Regeln des § 76 Abs 3 Satz 3 und 4 sinngemäß. Nach § 241 Nr 3 nichtig wäre aber eine Satzungsregelung nur, wenn sie es zuließe, dass auch eine nach § 76 Abs 3 Satz 3 oder 4 vom Amt ausgeschlossene Person Abwickler wird (ein nur theoretisch denkbarer Fall).41 Soweit § 76 Abs 3 Satz 3 oder 4 bei einer durch Satzung ernannten Person zum Zuge kommt, geht die entsprechende Satzungsklausel ins Leere.

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d) Die Bestellung durch Satzung setzt eine Annahme des Amts voraus.42 Sie wirkt zwar wie die gesetzliche Bestimmung nach Abs 1 automatisch (Rdn 18), aber das Amt kann hierdurch keiner Person gegen ihren Willen aufgedrängt werden.43 IdR wird die Annahme des Amtes als antizipierte Zustimmung schon vorab erklärt sein. Eine nachträgliche Annahme kann konkludent, insbesondere durch Aufnahme der Abwicklertätigkeit erklärt werden.43a Im Fall der Bestimmung eines Aktionärs zum Abwickler bedarf es wegen seiner satzungsmäßigen Bindung der Annahme nicht.

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e) Zum Anstellungsverhältnis vgl sinngemäß Rdn 16. 3. Bestellung durch Hauptversammlungsbeschluss

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a) Nach Abs 2 Satz 1 kann auch die Hauptversammlung andere Abwickler bestellen. Diese Befugnis der Hauptversammlung ist satzungsfest.44 Abweichende Satzungsregeln oder Satzungsänderungsbeschlüsse wären nichtig.45

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b) Der Beschluss ergeht mit einfacher Stimmenmehrheit (§ 133 Abs 1). Das gilt auch dann, wenn der Beschluss von einer Satzungsbestimmung über die Personen der Abwickler abweicht.46

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c) Inhaltlich kann sich der Beschluss auf einzelne oder auf alle Abwickler beziehen. Er muss nach Abs 2 Satz 2 die Bestellungshindernisse des § 76 Abs 2 Satz 2 und 3 beachten.47 Anderenfalls ist er nichtig.

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40 S auch MK/Koch4 9. 41 Zu weit MK/Koch4 9. 42 Spindler/Stilz/Bachmann2 17; wohl auch Hüffer/Koch14 4. 43 Vgl Hüffer/Koch14 4; KK/Winnen3 24. 43a KK/Winnen3 24. 44 Hüffer/Koch14 5; KK/Winnen3 16; MK/Koch4 10. 45 Hüffer/Koch (ebd) erklärt dies zu Unrecht mit dem nur formellen Charakter entsprechender Satzungsregelungen; die Erklärung liegt bei § 23 Abs 5. 46 Vgl MK/Koch4 10; richtigerweise folgt dies wiederum nicht aus dem nur formellen Charakter der Satzungsbestimmung, sondern daraus, dass diese nicht stärker ist als die gesetzliche Regel des Abs 1 und ausweislich Abs 5 unter dem Vorbehalt eines abweichenden Hauptversammlungsbeschlusses steht. 47 K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 8.

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Abwickler | § 265

d) Die Bestellung bedarf der Annahme des Amtes, um wirksam zu sein.48 Dazu vgl 26 sinngemäß Rdn 21. Zur Annahme ist die bestellte Person grundsätzlich nicht verpflichtet.49 e) Ein Anstellungsvertrag zwischen der Gesellschaft und dem Abwickler ist nicht 27 begriffsnotwendig, ist aber praktische Voraussetzung für die Tätigkeit des Abwicklers. Bei seinem Abschluss wird die Gesellschaft entsprechend § 112 durch den Aufsichtsrat vertreten.50 Die für die Bestellung zuständige Hauptversammlung (Rdn 23) kann hierüber bindend Beschluss fassen.50a IV. Gerichtliche Bestellung von Abwicklern (Abs 3 und 4) 1. Der Grundsatz a) Abs 3 dient dem Minderheitenschutz.51 Nach der Bestimmung kann das Gericht 28 auf Antrag des Aufsichtsrats oder einer Aktionärsminderheit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes Abwickler berufen (außerordentliche Liquidatorenbestellung). Zuständig ist das Registergericht (§ 375 Nr 3 FamFG), und zwar richtigerweise auch im Fall einer noch nicht in das Handelsregister eingetragenen (Vor-)AG (vgl Rdn 5). b) Materielle Voraussetzung der Bestellung ist das Vorliegen eines wichtigen 29 Grundes. Die Wendung „wichtiger Grund“ schiene besser passend für die Abberufung, wo dieses Erfordernis keine Anwendung findet (Rdn 44), als für die Bestellung von Abwicklern. Ein wichtiger Grund für die Bestellung liegt vor, wenn der Abwicklungszweck gefährdet ist, insbesondere, weil es an einer Ausstattung der aufgelösten AG mit gesetzlichen, satzungsmäßigen oder durch Beschluss berufenen Abwicklern fehlt (Führungslosigkeit).52 Bevorstehende Führungslosigkeit genügt, insb wenn sie mit Wirksamwerden der Entscheidung eintritt. Deshalb kann es sich empfehlen, den Bestellungsantrag kumulativ neben einem Abberufungsantrag zu stellen (Rdn 30). Unfähigkeit oder Pflichtverletzung auf Seiten eines vorhandenen Abwicklers53 sind deshalb als eigenständige Gründe für die Berufung nach Abs 3 von geringem Interesse (der Grund liegt in der mit der Abberufung eintretenden Führungslosigkeit). Nicht ausreichend ist die Unterschreitung der für den Vorstand erforderlichen Zahl (Rdn 13), wohl aber das durch Hauptversammlungsbeschluss (Abs 2) nicht überwindbare Fehlen von Liquidatoren. Nicht ausreichend ist auch eine nur vorübergehende Handlungsunfähigkeit (dann §§ 264 Abs 2, 85 und dazu Rdn 42). 2. Das Verfahren a) Antragsverfahren aa) Das Verfahren wird nur auf Antrag eingeleitet. Der Antrag wird schriftlich oder 30 zu Protokoll des Gerichts eingereicht (§ 25 FamFG). Der Antrag kann mit dem auf Abberu-

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48 KK/Winnen3 24; MK/Koch4 12. 49 Vgl statt vieler Bredol S 111; Bürgers/Körber/Füller4 6; MK/Koch4 12. 50 MünchHdbGesR IV/Hoffmann-Becking § 67, 6; aM Bürgers/Körber/Füller4 9; MK/Koch4 12; KK/Winnen3 50 (Hauptversammlung). 50a Ähnlich MünchHdbGesR IV/Hoffmann-Becking § 67, 6. 51 Spindler/Stilz/Bachmann4 12. 52 Hüffer/Koch14 8; KK/Winnen3 31; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 9. 53 Vgl zur GmbH etwa BayObLG NJW-RR 1988, 98, 99; 1996, 1384.

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§ 265 | Erster Abschnitt – Auflösung

fung vorhandener Abwickler verbunden werden. Der Antragsteller kann bestimmte Personen als Abwickler vorschlagen. Ein das Gericht bindender Teil des Antrags ist dies aber nicht. Antragsberechtigt ist zunächst der Aufsichtsrat. Dieser entscheidet über die Antragstellung durch Beschluss nach § 108,54 tunlichst unter Wahrung der §§ 107, 108.55 Aber für die Wirksamkeit des Antrags als Verfahrenshandlung genügt eine Unterschrift aller Vorstandsmitglieder, auch wenn eine Niederschrift des Beschlusses nach § 107 Abs 2 nicht beigebracht wird.56 31

bb) Antragsberechtigt ist ferner eine qualifizierte Aktionärsminderheit. Diese muss mindestens den zwanzigsten Teil des satzungsmäßigen Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500000 Euro errechen. Es schadet nicht, wenn ein einziger Aktionär diese Minderheit bildet.56a Der Anteil am Grundkapital bestimmt sich bei Nennbetragsaktien nach dem Verhältnis ihres Nennbetrags zum Grundkapital, bei Stückaktien nach der Zahl der Aktien (§ 48 Abs 4). Der anteilige Betrag des Grundkapitals (vgl § 8 Abs 3 Satz 3) ergibt sich bei Nennbetragsaktien aus deren Nennbeträgen, bei Stückaktien aus der Teilung des Satzungskapitals durch die Anzahl der Aktien (vgl auch 4. Aufl § 60 Rdn 8). Es zählen nur Aktionäre mit, die seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien sind (Abs 3 Satz 2). Fehlt es an den Voraussetzungen des Abs 3, so ist der Antrag unzulässig. Zur Zulässigkeit des Antrags gehört auch die Glaubhaftmachung dreimonatigen Aktienbesitzes (Abs 3 Satz 2).

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cc) Kein Antragsrecht haben Gläubiger, einzelne Aufsichtsratmitglieder oder einzelne Aktionäre, die nicht selbst die bei Rdn 31 dargestellte Voraussetzung des Abs 3 erfüllen. b) Verfahren und Entscheidung

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aa) Das Verfahren unterfällt dem FamFG. Zuständig ist das Amtsgericht (§§ 376, 375 Nr 3, 377 FamFG). Als Antragsgegnerin am Verfahren beteiligt ist die Gesellschaft.57 Das Gericht muss rechtliches Gehör gewährleisten und kann Ermittlungen auch von Amts wegen erheben (§ 26 FamFG). Das Gericht ist bei der Entscheidung über den Antrag nicht an den Vorschlag eines bestimmten Abwicklers gebunden (Rdn 30). Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss.

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bb) Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss. Dieser ist zu begründen. Rechtsmittel gegen den Beschluss ist die Beschwerde (Abs 3 Satz 4). Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts ist zulässig nach §§ 70 ff FamFG. Beschwerdebefugt ist, wenn der Antrag erfolgreich ist, die Gesellschaft.58 Wird der Antrag als unzulässig oder unbegründet abgewiesen, so ist der (sind die) Antragsteller beschwerdebefugt (vgl § 59 Abs 2 FamFG).59 Ergeht auf kumulierten Antrag ein Beschluss, der gleichzeitig vorhandene Abwickler abberuft und neue ernennt (Rdn 29), so können

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54 Hüffer/Koch14 7; MK/Koch4 14; über Gegenansichten vgl (diese ablehnend) Bredol S 114. 55 Insofern wie hier Hüffer/Koch14 7; MK/Koch4 14. 56 Bürgers/Körber/Füller4 10; Hüffer/Koch14 7 (gegen Voraufl); KK/Winnen3 27; aM Bredol S 114; MK/Koch4 14. 56a Bürgers/Körber/Füller4 10; MK/Koch4 15. 57 Spindler/Stilz/Bachmann4 16. 58 Hüffer/Koch14 9. 59 Hüffer/Koch14 9; Spindler/Stilz/Bachmann4 16.

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Abwickler | § 265

auch die abberufenen Abwickler den ganzen Beschluss, also auch die Ernennung neuer Abwickler, durch sofortige Beschwerde anfechten.60 Wer als Abwickler gerichtlich bestellt worden ist und das Amt nach Rdn 36 nicht annehmen muss, ist hierdurch nicht beschwert und nicht beschwerdeberechtigt.60a 3. Wirksamkeit der Bestellung a) Die Entscheidung des Gerichts wird mit der Bekanntgabe wirksam (§ 40 FamFG). 35 Wirksam ist damit auch die Bestellung als Abwickler. Die Einlegung einer sofortigen Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.61 Eine Bestellung von Abwicklern im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist nicht möglich.62 Zur Notbestellung von Abwicklern vgl Rdn 42. b) Für den Beginn des Amts ist dessen Annahme durch die vom Gericht bestellte 36 Person erforderlich.63 Über die Beendigung des Amts vgl Rdn 44 ff. 4. Das Rechtsverhältnis der nach Abs 3 bestellten Abwickler a) Das Konzept aa) Die Regelung in Abs 4 ordnet das Rechtsverhältnis zwischen dem nach Abs 3 37 bestellten Abwickler und der Gesellschaft nur fragmentarisch. Aus der Bestimmung ergibt sich nur, dass für eine Vergütung gesorgt werden muss. Gleichwohl beginnt sich die Auffassung durchzusetzen, dass es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt (Rdn 40).63a bb) Zuständig für eine Regelung ist in erster Linie die Gesellschaft (vgl Abs 4 38 Satz 2). Diese schließt mit jedem gerichtlich bestellten Abwickler einen Dienstvertrag, wobei die Gesellschaft analog § 112 durch den Aufsichtsrat vertreten wird (vgl dazu Rdn 27).64 cc) Abs 4 Satz 2–5 enthält eine Hilfszuständigkeit des Gerichts betreffend die Re- 39 gelung von Vergütung und Auslagen (dazu im Einzelnen Rdn 40). b) Die Gerichtsentscheidung nach Abs 4 aa) Nach Abs 4 Satz 2 setzt mangels vertraglicher Regelung das Gericht die Ansprü- 40 che des Abwicklers auf Auslagenersatz und Vergütung fest. Die Rechtskonstruktion war und ist teilweise noch immer umstritten.65 Vertreten werden im Wesentlichen folgende Auffassungen: Die Lehre vom Zwangs-Dienstvertrag gibt dem Registergericht die Befugnis, der Gesellschaft und dem Abwickler einseitig einen Dienstvertrag zu oktroyie-

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60 60a 61 62 63 63a 64 65

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KK/Winnen3 37; MK/Koch4 25. KK/Winnen3 37. Keidel/Sternal FamFG19 § 64, 57. Vgl OLG Dresden OLGR 19, 196; KK/Kraft2 25; MK/Koch4 26. Vgl sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 66, 26; zust. Bürgers/Körber/Füller4 14; Hüffer/Koch14 10; KK/Winnen3 51. K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 11; Spindler/Stilz/Bachmann4 21. MK/Koch4 27; Spindler/Stilz/Bachmann4 21.

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§ 265 | Erster Abschnitt – Auflösung

ren;66 eine im Ergebnis ähnliche Auffassung erkennt dem Registergericht eine gesetzliche Vertretungsmacht zu, den Dienstvertrag im Namen der Gesellschaft abzuschließen.67 Der Gedanke der Subsidiarität spricht dafür, diese gerichtliche Befugnis im Sinne des geringstmöglichen Eingriffs zu deuten: Solange ein Vertrag zwischen dem Abwickler und der Gesellschaft nicht zustande kommt, bleibt es bei dem vertraglosen Zustand. Das Gericht setzt nur die Höhe der dem Abwickler kraft Gesetzes zustehenden Auslagen und Vergütungszahlungen fest.68 Wegen der Höhe der Vergütung kann auf die nach § 87 Abs 1 für die Höhe der Bezüge eines nach § 85 bestellten Vorstands geltenden Regeln (§ 87 Rdn 39 ff) zurückgegriffen werden.69 Das gilt auch für variable Vergütungskriterien.70 41

bb) Das Gericht entscheidet nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss. Gegen diesen ist die Beschwerde gegeben (Abs 4 Satz 3). Es gelten die §§ 58 ff FamFG. Die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen (Abs 4 Satz 3 Hs 2). Die rechtskräftige Entscheidung ist Vollstreckungstitel (Abs 4 Satz 5, § 794 Abs 1 Nr 3 ZPO). Die Entscheidung wird gegenstandslos, wenn der Abwickler das Amt nicht annimmt, es niederlegt oder abberufen wird (Rdn 44 ff) oder wenn zwischen der Gesellschaft und dem Abwickler eine Vereinbarung über die Auslagenerstattung oder Vergütung getroffen wird (dazu Rdn 40). Eine Vollstreckung aus dem Titel kann insoweit durch Vollstreckungsgegenklage nach §§ 795, 767 ZPO abgewehrt werden. 5. Notbestellung nach §§ 264 Abs 2, 85

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a) Neben der gerichtlichen Bestellung von Abwicklern nach Abs 3 gibt es in dringenden Fällen auf Antrag eines Beteiligten die Bestellung von Notabwicklern nach den bei § 85 dargestellten Grundsätzen.71 Die Notbestellung setzt keinen wichtigen Grund iS von Abs 3 voraus, wohl aber das Vorliegen eines dringenden Falls (vgl § 85 Abs 1).71a Dringende Notwendigkeit besteht immer dann, wenn wegen Fehlens eines Organmitglieds ein Nachteil für die Gesellschaft, ihre Gläubiger, Aktionäre oder Dritte droht oder alsbald vorzunehmende Handlungen nicht vollzogen werden können (vgl § 85 Rdn 27 ff).71b Vielmehr genügt, dass die aufgelöste Gesellschaft zeitweise handlungsunfähig ist, weil vorübergehend Abwickler fehlen oder durch Interessenkollision handlungsunfähig sind.

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b) Für Auslagen und Vergütungen gelten, wie sich aus § 85 Abs 2 ergibt, ähnliche Regeln wie bei Rdn 37 ff.

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66 Vgl 3. Aufl (Wiedemann) Rdn 9; so wohl auch K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 11 (Beschluss als Vollstreckungstitel). 67 Auch hierzu 3. Aufl (Wiedemann) Rdn 9: „Entscheidung des Richters, der dabei für die Gesellschaft handelt“. 68 Grigoleit/Servatius 15; Hölters/Hirschmann 18; vgl auch Hüffer/Koch14 10: „gesetzlicher Anspruch“. 69 BGHZ 133, 90, 96 = NJW 1996, 2499, 2501; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 11 (mit Hinweis auch auf die InsVV); Spindler/Stilz/Bachmann4 23. 70 BGHZ 133, 90, 96 f = NJW 1966, 2499; Hüffer/Koch14 10. 71 Vgl KGJ 23 A 105, 109 ff; BayObLG DNotZ 1955, 639; DB 1976, 998; Grigoleit/Servatius 16; KK/Winnen3 39; MK/Koch4 30. 71a KK/Winnen3 39. 71b Vgl ebd.

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Abwickler | § 265

V. Abberufung, Amtsniederlegung (Abs 5) 1. Abberufung von ordentlichen Abwicklern a) Nach Abs 5 Satz 1 können Abwickler, die nicht vom Gericht bestellt sind, jederzeit 44 von der Hauptversammlung abberufen werden. Der Beschluss ergeht mit einfacher Mehrheit (§ 133).72 Ein wichtiger Abberufungsgrund ist nicht erforderlich.73 Auch die Satzung kann ein solches Erfordernis nicht aufstellen, denn Abs 5 Satz 1 ist satzungsfest (§ 23 Abs 5). b) Nach Abs 5 Satz 2 gelten für den Dienstvertrag die allgemeinen Vorschriften. Es 45 bedarf also für seine Beendigung einer wirksamen Aufhebung oder Kündigung des Vertrags. Die Gesellschaft wird hierbei nach §§ 264 Abs 4, 112 durch den Aufsichtsrat vertreten.74 Die Wirksamkeit der Kündigung setzt aber einen Hauptversammlungsbeschluss voraus.75 Regelmäßig ist die Abberufung eines Abwicklers ein wichtiger Kündigungsgrund. 2. Abberufung durch das Gericht a) Nach Abs 3 kann das Gericht (zur Zuständigkeit vgl Rdn 39 f) einen gerichtlich be- 46 stellten Abwickler abberufen. Ein die Abberufung rechtfertigender wichtiger Grund liegt vor, wenn ohne das Eingreifen des Gerichts ein ordnungsgemäßer und ungestörter Ablauf der Abwicklung ohne Benachteiligung Beteiligter nicht gewährleistet ist, insb wegen Pflichtverletzung, Unfähigkeit oder Interessenkonflikten.75a Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung besteht insoweit nicht. b) Für das Verfahren gelten sinngemäß die Ausführungen von Rdn 31 f.

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3. Amtsniederlegung Amtsniederlegung ist, sofern nicht zu Unzeit, grundsätzlich zulässig (vgl allerdings 48 § 84 Rdn 224).76 Sie wird gegenüber dem Aufsichtsrat erklärt (vgl § 112), im Fall eines gerichtlich bestellten Abwicklers gegenüber dem Gericht.76a Zugang an ein Aufsichtsratsmitglied genügt (§ 112 Satz 2 iVm § 78 Abs 2 Satz 2). Zur Frage vertragswidriger Amtsniederlegung (Rdn 16) sowie zum Rechtsmissbrauch vgl sinngemäß § 84 Rdn 229. VI. Der Arbeitsdirektor (Abs 6) Für den nach den Regeln der Montanmitbestimmung zu bestellenden und abzuberu- 49 fenden Arbeitsdirektor (§ 13 MontanMitbestG) bleibt es nach Abs 6 bei diesen Regeln (§ 12

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72 KK/Winnen3 41; MK/Koch4 32; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 73 KK/Winnen3 42; MK/Koch4 32. 74 Hüffer/Koch14 11; allgM. 75 So, wenn auch unklar BGH AG 2009, 502 = ZIP 2009, 1058; nach dem Leitsatz „darf“ der Aufsichtsrat ohne Beschluss nicht kündigen; nach den Gründen hatte das OLG Frankfurt unrichtig über „Können“ entschieden, und die Kündigung war mangels HV-Beschluss „unwirksam“, so wohl auch Hüffer/Koch14 11. 75a Vgl zur GmbH OLG Frankfurt GmbHR 2018, 1070. 76 Statt aller Hüffer/Koch14 13; Spindler/Stilz/Bachmann4 18. 76a Vgl Bürgers/Körber/Füller4; KK/Winnen3 45; aM Bredol 123 (gegenüber der Hauptversammlung).

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§ 266 | Erster Abschnitt – Auflösung

MontanMitbestG). Er kann nicht durch Hauptversammlung oder Gericht, sondern nur nach § 84 Abs 3 durch den Aufsichtsrat abberufen werden.77 Für den Arbeitsdirektor nach § 33 MitbestG gilt dies nicht.78

§ 266 Anmeldung der Abwickler Erster Abschnitt – Auflösung Anmeldung der Abwickler § 266 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-012

(1) Die ersten Abwickler sowie ihre Vertretungsbefugnis hat der Vorstand, jeden Wechsel der Abwickler und jede Änderung ihrer Vertretungsbefugnis haben die Abwickler zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung oder Abberufung sowie über die Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (3) 1In der Anmeldung haben die Abwickler zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 265 Abs 2 Satz 2 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. 2§ 37 Abs 2 Satz 2 ist anzuwenden. (4) Die Bestellung oder Abberufung von Abwicklern durch das Gericht wird von Amts wegen eingetragen. Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

Systematische Übersicht Inhalt der Bestimmung 1. Normzweck und Vorgeschichte | 1 2. Geltungsbereich | 2 Anmeldung der Abwickler

1. 2. 3. 4.

Anmeldungspflicht nach Abs 1 | 3 Anmeldungsverfahren (Abs 2, 3) | 8 Eintragung und Bekanntmachung | 16 Amtseintragungen (Abs 4) | 19

I. Inhalt der Bestimmung 1. Normzweck und Vorgeschichte 1

Die Bestimmung dient der Registerpublizität. Sie regelt die Eintragungs- und Anmeldungsbedürftigkeit der Bestellung und Abberufung von Abwicklern sowie ihrer Vertretungsmacht. Vorgängerbestimmungen sind die § 296 HGB 1897 und § 207 AktG 1937. Neu war an der Bestimmung zunächst nur, dass auch nachträgliche Veränderungen der Vertretungsverhältnisse anzumelden sind.1 Durch das Publizitätsrichtliniengesetz von 19692 wurde Absatz 1 geändert (Anmeldung auch jeder Änderung der Vertretungsbefugnis). Abs 3 wurde eingefügt durch die GmbH-Novelle 1980.3 Die vormaligen Absätze 3

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77 78 1 2 3

Bürgers/Körber/Füller4 20; KK/Winnen3 54; Spindler/Stilz/Bachmann4 25. Bürgers/Körber/Füller4 20; Grigoleit/Servatius 26; Hüffer/Koch14 14; KK/Winnen3 54. Kropff S 357. Gesetz vom 15.8.1969, BGBl I S 1146. Gesetz vom 4.7.1980, BGBl I S 836; dazu vgl sinngemäß Scholz/K Schmidt11 GmbHG § 67, 12.

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Anmeldung der Abwickler | § 266

und 4 wurden Absätze 4 und 5. Durch das Gesetz EHUG4 wurde im Jahr 2006 mit Wirkung ab 2007 Abs 2 geändert und die Pflicht der Abwickler zur Zeichnung ihrer Unterschrift bei dem Gericht (Abs 5 aF) gestrichen. 2. Geltungsbereich Die Bestimmung gilt für die aufgelöste, noch nicht vollbeendete Gesellschaft. Bis 2 zum Erlöschen der Gesellschaft, auch wenn schon kein Vermögen mehr vorhanden ist, ist § 266 zu beachten. Im Insolvenzverfahren bleibt es idR bei der Eintragung der Vorstandsmitglieder nach §§ 37, 81 (vgl § 265 Rdn 4). Die Insolvenzverfahrenseröffnung als solche wird über § 31 InsO dem Handelsregister mitgeteilt. II. Anmeldung der Abwickler 1. Anmeldungspflicht nach Abs 1 a) Zur Eintragung anzumelden sind die Abwickler (zur Ausnahme des Abs 4 vgl 3 Rdn 19). Das gilt auch, wenn die Vorstandsmitglieder selbst Abwickler sind (§ 266 Abs 1). Anzumelden und einzutragen sind Vor- und Nachname, Geburtsdatum und Wohnort (§ 43 Nr 4 HRV). Im Fall einer juristischen Person als Abwickler (§ 265 Abs 2 Satz 3) sind Firma (mit Rechtsformzusatz) und Sitz einzutragen,5 richtigerweise auch das auf sie bezogene Handelsregister mit Registernummer. Die organschaftlichen Vertreter sollten6, müssen aber nicht genannt werden.7 b) Ein Wechsel der Abwickler ist gleichfalls zur Eintragung anzumelden. Die For- 4 mel ist zu eng. Anzumelden ist jede (auch die ersatzlose) Beendigung eines Abwickleramtes, ebenso jede (auch die zusätzliche) Neubestellung von Abwicklern.8 Anzumelden sind schließlich auch Namens- oder Firmenänderungen der Abwickler.9 c) Die Vertretungsbefugnis der einzelnen Abwickler ist gleichfalls einzutragen 5 (insbesondere Einzelvertretungsmacht oder die Art der Gesamtvertretungsmacht). Die Eintragung muss auch erfolgen, wenn sich die Vertretungsbefugnis aus dem Gesetz oder aus der Natur der Sache ergibt (zB die Alleinvertretungsmacht des alleinigen Abwicklers).10 Die Vertretungsmacht muss nicht für jeden Abwickler individuell eingetragen werden; eine „abstrakte“ Eintragung genügt, wenn sich aus ihr für den konkreten Fall die Vertretungsmacht jedes Abwicklers ablesen lässt.11 d) Jede Änderung der Vertretungsbefugnis ist gleichfalls zur Eintragung anzu- 6 melden.11a

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4 Gesetz vom 10.11.2006, BGBl I S 2553. 5 Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 6 Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 7 Vgl auch KK/Winnen3 3; aM Grigoleit/Servatius 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 8 Bürgers/Körber/Füller4 3; KK/Winnen3 6; MK/Koch4 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 9 MK/Koch4 4. 10 Vgl EuGH Slg 1974, 1201, 1207 (GmbH), BGHZ 63, 261, 263 ff = NJW 1975, 213 (GmbH); OLG Köln BB 1970, 594 (GmbH); Bürgers/Körber/Füller4 2; Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 4; MK/Koch4 3; Spindler/Stilz/ Bachmann4 4; ausführlich noch Geßler/Hüffer 6. 11 MK/Koch4 3; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 11a KK/Winnen3 10.

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§ 266 | Erster Abschnitt – Auflösung

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e) Nicht anzumelden ist der Zeitpunkt einer Veränderung, also einer Abberufung oder Neubestellung oder einer Veränderung der Vertretungsmacht.12 Das hängt mit der nur deklaratorischen Wirkung der Eintragung zusammen (vgl zu dieser Rdn 16). 2. Anmeldungsverfahren (Abs 2, 3) a) Anmeldepflichtige Personen

8

aa) Dies sind bezüglich der ersten Abwickler die Vorstandsmitglieder. Es verhält sich also nicht, wie richtigerweise im GmbH-Recht13, so, dass stets die Liquidatoren selbst die Anmeldung vornehmen können.14 Diese Reglung ist wenig zweckmäßig, aber sie ergibt sich eindeutig aus Abs 1. Der (vormalige) Vorstand ist in jedem Fall zuständig, auch wenn er nicht nach § 265 Abs 1 zur Abwicklung berufen ist. Er handelt in vertretungsberechtigter Zahl,15 doch genügen die bei der Anmeldung noch vorhandenen Vorstandsmitglieder.16 Fehlt es daran, so kann entsprechend §§ 29, 48 BGB ein Notvertreter bestellt werden.17 Doch wird es sich idR um gerichtlich bestellte Abwickler handeln, und hier ist die Anmeldung entbehrlich (Abs 4 und dazu Rdn 19).

9

bb) Änderungen (Rdn 4, 6) werden von den Liquidatoren angemeldet. Auch diese sind in vertretungsberechtigter Zahl zur Anmeldung berechtigt. Gemeint sind stets die gegenwärtigen Liquidatoren. Ausgeschiedene Liquidatoren können nicht anmelden, auch nicht das eigene Ausscheiden.18 Da die Zuständigkeit des Vorstands für die Erstanmeldung unzweckmäßig ist, sollte die Liquidatorenzuständigkeit auf Berichtigungen der Erstanmeldung ausgedehnt werden, und zwar schon de lege lata (doch ist dies nicht hM). cc) Registerzwang nach § 14 HGB ist möglich.19

10

b) Die Anmeldung 11

aa) Sie erfolgt im Namen der Gesellschaft (vgl sinngemäß § 263 Rdn 4). Diese wird bei der Anmeldung durch die anmeldepflichtigen Personen vertreten. Sie ist Beteiligte des Anmeldeverfahrens, ist also auch im Anmeldeverfahren beschwerdeberechtigt.

12

bb) Adressat der Anmeldung ist ausschließlich das Registergericht am Sitz der Gesellschaft (§ 5).

13

cc) Die Form der Anmeldung ist geregelt in § 12 HGB. Die notwendigen Anlagen ergeben sich aus Abs 2: Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung oder Abberufung sowie über die Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. Soweit sich die Richtigkeit der Anmeldung aus dem Satzungsin-

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12 13 14 15 16 17 18 19

Vgl sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 67, 3. Eingehend Scholz/Scheller GmbHG12 § 67, 6. Vgl KK/Winnen3 8; MK/Koch4 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. Vgl für alle Hüffer/Koch14 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. Bürgers/Körber/Füller4 4; KK/Winnen3 9; so wohl auch K Schmidt/Lutter/Riesenhuber3 3. Vgl sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 67, 8; MK/Koch4 6. Vgl KG OLGR 34, 348 f; Bürgers/Körber/Füller4 4; Hüffer/Koch14 3. OLG Karlsruhe OLGE 9, 268 (zu § 67 GmbHG); allgM; MK/Koch4 7.

K. Schmidt

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Anmeldung der Abwickler | § 266

halt oder aus anderen dem Gericht vorliegenden Urkunden ergibt, genügt Bezugnahme.20 dd) Der Inhalt der Anmeldung ergibt sich aus Rdn 3–6. Nach Abs 3 haben die Ab- 14 wickler die Versicherung abzugeben, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 265 Abs 2 Satz 2 entgegenstehen, und dass sie über ihre beschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind (Abs 3 Satz 1). Wegen der Form verweist Abs 3 Satz 2 auf § 37 Abs 2 Satz 2. c) Prüfung und Eintragung. Das Gericht nimmt eine formelle und materielle Prü- 15 fung der ihm vorliegenden Anmeldung vor. Es prüft also die Form und die Zulässigkeit der vorgenommenen Anmeldung.21 Es prüft aber auch, ob die angemeldete Bestellung oder Abberufung bzw Amtsniederlegung eines Liquidators der wahren Rechtslage entspricht. 3. Eintragung und Bekanntmachung a) Die Eintragung erfolgt nach § 43 Nr 4 HRV. Die Eintragung hat lediglich dekla- 16 ratorische Wirkung.22 Das bedeutet: Sie dokumentiert die Bestellung eines Abwicklers, seine Vertretungsmacht, seine Abberufung bzw Amtsniederlegung. Rechtsändernde Wirkung hat die Eintragung nicht. b) Die Bekanntmachung folgt aus § 10 HGB.

17

c) Für Vertrauensschutz sorgt § 15 HGB.23 Nach § 15 Abs 3 HGB gilt zugunsten Gut- 18 gläubiger eine nach § 266 erfolgte unrichtige Eintragung und Bekanntmachung als richtig. Nach § 15 Abs 1 HGB kann eine nach Abs 1 eintragungspflichtige, aber nicht eingetragene und bekannt gemachte Tatsache gutgläubigen Dritten nicht entgegengehalten werden. Ist die Tatsache eingetragen und bekannt gemacht, so kann sie Dritten entgegengehalten werden (näher § 15 Abs 2 HGB). 4. Amtseintragungen (Abs 4) a) Die Bestellung oder Abberufung von Abwicklern durch das Gericht ist in § 265 19 Abs 3 geregelt (vgl § 265 Rdn 28 ff). Diese Maßnahmen werden nach Abs 4 von Amts wegen eingetragen. Eine Bestellung von Notvertretern für die Anmeldung (Rdn 8) entfällt. b) Das Gesetz spricht nur von der Bestellung und Abberufung. Gemeint ist aber, dass 20 alle in Abs 1 genannten Eintragungen in toto von Amts wegen erfolgen. Das gilt auch für den Umfang der Vertretungsmacht.24

_____ 20 21 22 23 13. 24

329

Vgl Hüffer/Koch14 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. Bürgers/Körber/Füller4 8; MK/Koch4 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 11. AllgM; vgl KK/Winnen3 20; MK/Koch4 9; Spindler/Stilz/Bachmann4 13. Grigoleit/Servatius 5; Hüffer/Koch14 1; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber3 1; Spindler/Stilz/Bachmann4 Vgl KK/Winnen3 22, Spindler/Stilz/Bachmann4 8.

K. Schmidt

§ 267 | Erster Abschnitt – Auflösung

§ 267 Aufruf der Gläubiger Erster Abschnitt – Auflösung Aufruf der Gläubiger § 267 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-013 1

Die Abwickler haben unter Hinweis auf die Auflösung der Gesellschaft die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, ihre Ansprüche anzumelden. 2Die Aufforderung ist in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Normzweck und Normgeschichte | 1 2. Anwendungsbereich | 3 Das Verfahren des Gläubigeraufrufs 1. Verpflichtete | 6 2. Form und Inhalt | 7 3. Zeitfolge | 9

III.

Rechtsfolgen 1. Rechtsfolgen des Gläubigeraufrufs | 11 2. Rechtsfolgen unterlassenen Gläubigeraufrufs | 12

I. Grundlagen 1. Normzweck und Normgeschichte 1

Die Bestimmung ist Bestandteil des liquidationsrechtlichen Gläubigerschutzes (vgl zu diesem Erl § 272).1 Nach § 272 Abs 1 darf das Vermögen erst verteilt werden, nachdem seit der dritten Bekanntmachung des Gläubigeraufrufs ein Jahr verstrichen ist. Normzweck ist, die Bedienung der Gesellschaftsverbindlichkeiten vor der Auskehrung der Liquidationsquoten sicherzustellen (dazu auch § 272 Rdn 1). Die Bekanntmachung ist in Satz 2 geregelt. Sie setzt nach § 277 Abs 1 das Sperrjahr in Lauf.2

2

b) Vorgänger der Bestimmung waren § 213 AktG 1937, § 297 HGB. Satz 2 wurde im Jahr 2009 geändert durch das ARUG (Wegfall der dreimaligen Aufforderung).3 2. Anwendungsbereich

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a) Die Bestimmung findet Anwendung auf die aufgelöste AG nach § 278 Abs 3, auch auf die aufgelöste Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, da die Sperrjahrregelung des § 272 anwendbar ist (§ 290 Rdn 24 ff).4 Im Fall einer Nachtragsliquidation einer wegen vermeintlicher Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft (§ 264 Abs 2 und dazu § 264 Rdn 17) ist § 267 anzuwenden; auszunehmen ist nur der Fall, dass kein Gesellschaftsvermögen mehr verwaltet, sondern nur noch eine Abwicklungshandlung vorgenommen wird (§ 264 Rdn 18).4a Auch im Fall der masselosen Liquidation (§ 262 Abs 1 Nr 4 und dazu § 262 Rdn 44 ff) gilt § 267, hat allerdings hier kaum Bedeutung, weil eine Vermögensverteilung nach § 272 in diesen Fällen kaum in Betracht kommen wird. Keine Anwendung findet § 267 dagegen auf die bloße Vor-AG (zu deren Abwicklung im Auflö-

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1 2 3 4 4a

Vgl nur MK/Koch4 2; KK/Winnen3 2; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 1. Bürgers/Körber/Füller4 4. Gesetz vom 1.9.2009, BGBl I S 2479. K Schmidt/Lutter/K Schmidt3 § 290, 12. Vgl KK/Winnen3 8.

K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-013

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Aufruf der Gläubiger | § 267

sungsfall vgl § 41 Rdn 124, §§ 262 Rdn 7, 265 Rn 5). Keine Anwendung findet § 267 ferner, wenn eine Gesellschaft nach dem UmwG erlischt (§§ 20 Abs 1, 131 Abs 1 Nr 2 UmwG).5 Ebensowenig ist § 267 anwendbar, wenn die Gesellschaft als vermögenslos gelöscht (§§ 262 Abs 1 Nr 6, 264 Abs 2) oder nach insolvenzrechtlichen Regeln abgewickelt wird (dazu § 264 Rdn 11 ff).6 b) Die Bestimmung findet in den durch Rn 3 gezogenen Grenzen lückenlose An- 4 wendung. Das Verfahren des Gläubigeraufrufs ist unerlässlich, auch wenn alle bekannten Gläubiger bereits informiert oder (theoretisch) alle Gläubiger der Gesellschaft bekannt sind.7 c) Bei der AG & Co. KG gilt § 267 bezüglich der (Komplementär-)AG, nicht bezüglich 5 der Kommanditgesellschaft. Das bedeutet: Sind beide Gesellschaften aufgelöst (dazu § 262 Rdn 14), so sind nicht die Liquidatoren der Kommanditgesellschaft (dazu § 265 Rdn 6), wohl aber die Abwickler der AG zum Gläubigeraufruf verpflichtet. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Eigenverbindlichkeiten der AG, sondern mit Blick auf deren unbeschränkte Komplementärhaftung auch hinsichtlich der Verbindlichkeiten der KG (§§ 161 Abs 2, 128 HGB). Der gegenüber der KG bestehende Erstattungsanspruch (§ 110 HGB) ändert hieran nichts. Auch das Sperrjahr und damit die Notwendigkeit des Gläubigeraufrufs für die Entsperrung erstreckt sich auf das Vermögen der Kommanditgesellschaft (§ 272 Rdn 1). II. Das Verfahren des Gläubigeraufrufs 1. Verpflichtete Zum Gläubigeraufruf sind die Abwickler (§ 265) verpflichtet (zu den Konsequenzen 6 Rdn 12). Seine Vornahme ist mit Bezug auf das Gesellschaftsvermögen Geschäftsführungs- und Vertretungshandlung. Die Abwickler handeln in vertretungsberechtigter Zahl (§ 269 Abs 2 Satz 1 und dazu § 269 Rdn 8). 2. Form und Inhalt a) Die Form der Bekanntmachung ergibt sich aus Satz 2. Die Aufforderung erfolgt 7 durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern. § 267 liest sich irreführend so, als gebe es die Aufforderung (Satz 1) und davon unabhängig deren Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (Satz 2). Richtigerweise sind Bekanntmachung und Gläubigeraufruf eins. Die Information einzelner Gläubiger (und wären es selbst alle!) ersetzt die Bekanntmachung nicht.8 Ihrem Inhalt nach umfasst die Aufforderung naturgemäß auch die Bekanntmachung, dass die Gesellschaft aufgelöst ist.8a Der Grund der Auflösung muss nicht bekanntgemacht werden.8b

_____ 5 6 7 8 8a 8b

331

KK/Winnen3 5. MK/Koch4 1. KK/Winnen3 6. Bürgers/Körber/Füller4 2. Grigoleit/Servatius 2. Grigoleit/Servatius 3.

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§ 267 | Erster Abschnitt – Auflösung

8

b) Medium der Bekanntmachung sind nach Satz 2 die Gesellschaftsblätter. Nach § 25 Satz 1 bedeutet dies, dass die Bekanntmachung in den elektronischen Bundesanzeiger einzurücken ist (vgl § 25 Rdn 2). Bekanntmachungssprache ist insoweit deutsch.9 Daneben (!) kann die Satzung andere Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen (§ 25 Satz 2). Diese treten also neben den elektronischen Bundesanzeiger, nicht an seine Stelle.10 In ihnen kann satzungsmäßig auch eine andere als die deutsche Sprache zugelassen werden.11 3. Zeitfolge

9

a) Der Gläubigeraufruf muss nach hM unverzüglich erfolgen.12 Zu bedenken ist aber, dass der Zeitpunkt des Gläubigeraufrufs vom Innenverhältnis abhängig ist und bei etwaigen Fortführungsabsichten ein Zuwarten gestattet (Rdn 12). Die Eintragung und Bekanntmachung der Auflösung und der Abwickler (§§ 263, 266) darf, muss aber nicht abgewartet werden. 13 Ein dem Auflösungszeitpunkt vorausgehender Gläubigeraufruf zählt nicht.14 Er muss ggf wiederholt werden.

10

b) Einmalige Bekanntmachung genügt. Das in der Urfassung des Aktiengesetzes aufgestellte Erfordernis einer dreimaligen Aufforderung15 ist seit dem ARUG (vom 1.9.2009) gestrichen (Rdn 2). III. Rechtsfolgen 1. Rechtsfolgen des Gläubigeraufrufs

11

Der Gläubigeraufruf setzt das Sperrjahr für die Auskehrung der Liquidationsquoten in Lauf (§ 271 Abs 1). Er hat keine Ausschlusswirkung.16 Das Verfahren des Gläubigeraufrufs ist also kein Aufgebotsverfahren. Weder der Aufruf der Gläubiger noch der Ablauf des Sperrjahres hindert die Ansprüche von Gesellschaftsgläubigern (näher § 272 Rdn 4). 2. Rechtsfolgen unterlassenen Gläubigeraufrufs

12

a) Die Pflicht zum Gläubigeraufruf (vgl Wortlaut Satz 1: „Die Abwickler haben …“) stellt im Außenverhältnis nur eine Obliegenheit dar17 und ist rechtlich nicht durchsetzbar.18 Weder das Registergericht noch ein Gläubiger kann den Gläubigeraufruf erzwingen. Im Innenverhältnis stellt ein Verstoß gegen § 267 allerdings eine Pflichtverletzung der Abwickler dar. Diese kann ggf zur Abberufung aus wichtigem Grund (§ 265 Rdn 46) und ggf auch zur Schadensersatzhaftung nach §§ 264 Abs 3, 268 Abs 2, 93 führen (§ 268 Rdn 5). Eine Haftung im Außenverhältnis wegen Insolvenzverfahrens-

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9 Hüffer/Koch14 § 25, 3. 10 Vgl MK/Koch4 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 11 Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 12 Hüffer/Koch13 2; KK/Winnen3 13; MK/Koch4 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 13 Bürgers/Körber/Füller4 3; KK/Winnen3 13; MK/Koch4 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 14 Vgl KK/Winnen3 13: „frühestens mit der Auflösung“. 15 Satz 2 aF. 16 AnwKomm/Wermeckes Rn 3; Bürgers/Körber/Füller4 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 8; KK/Winnen3 15. 17 Spindler/Stilz/Bachmann4 1. 18 MK/Koch4 4; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 7.

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Pflichten der Abwickler | § 268

verschleppung (§ 92 Rdn 42) kann allerdings im Einzelfall auf den Vorwurf gestützt werden, dass die Abwickler eine Überschuldung nicht bemerkt und den Insolvenzantrag deshalb versäumt haben, weil ihnen Verbindlichkeiten mangels Gläubigeraufrufs unbekannt geblieben sind (§§ 15a InsO, 823 Abs 2 BGB). Ist die Insolvenzverfahrenseröffnung mangels Masse abgelehnt (§ 26 InsO) und die Gesellschaft aus diesem Grunde aufgelöst worden (§ 262 Abs 1 Nr 4), so können sich auch hieraus Schutzpflichten zugunsten der Gläubiger ergeben (§ 262 Rdn 50). b) Die mangels Gläubigeraufrufs und mangels Ablaufs des Sperrjahrs unzulässige 13 Vermögensverteilung kann dagegen Haftungsfolgen haben (dazu § 272 Rdn 16).

§ 268 Pflichten der Abwickler Erster Abschnitt – Auflösung Pflichten der Abwickler § 268 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-014

(1) 1Die Abwickler haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. 2Soweit es die Abwicklung erfordert, dürfen sie auch neue Geschäfte eingehen. (2) 1Im übrigen haben die Abwickler innerhalb ihres Geschäftskreises die Rechte und Pflichten des Vorstands. 2Sie unterliegen wie dieser der Überwachung durch den Aufsichtsrat. (3) Das Wettbewerbsverbot des § 88 gilt für sie nicht. (4) 1Auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, die Tatsache, dass die Gesellschaft sich in Abwicklung befindet, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Abwickler und der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. 2Werden Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht, so müssen in jedem Falle das Grundkapital sowie, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag nicht vollständig eingezahlt ist, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen angegeben werden. 3Der Angaben nach Satz 1 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. 4 Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Satzes 1; Satz 3 ist auf sie nicht anzuwenden. Schrifttum Bredol Die Rechtsstellung der Abwickler einer Aktiengesellschaft, 2010; Ehricke/Rotsteggel Die AG in Liquidation, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, 2007, Rn 25.43 ff; Litfin Liquidation und steuerliche Pflichten, 1964; Torsten Meyer Liquidationskompetenz und Gesellschafterkompetenz, 1996; Paura Liquidation und Liquidationspflichten von Organen und Mitgliedern nach Auflösung der Gesellschaft, 1996; Riek Das Liquidationsstadium der AG, Diss. Zürich 2003; K Schmidt Liquidationszweck und Vertretungsmacht der Liquidatoren, AcP 174 (1974), 55; Schwab Die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern im Liquidationsstadium, ZIP 2006, 1478; Sethe Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer AG, ZIP 1998, 770; Vomhof Die Haftung des Liquidators einer GmbH, 1988.

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§ 268 | Erster Abschnitt – Auflösung

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Systematik | 1 2. Vorgängerbestimmungen | 2 Stellung und Geschäftskreis der Abwickler 1. Die Abwickler als Leitungsorgan (Abs 2) | 3

III.

2. Der Geschäftskreis (Abs 1) | 6 3. Das Wettbewerbsverbot (Abs 3) | 8 Angaben auf Geschäftsbriefen (Abs 4) 1. Tatbestand | 10 2. Rechtsfolgen der Pflichtverletzung | 11

I. Grundlagen 1. Systematik 1

Die Bestimmung fasst disparate Regelungen zusammen: Abs 1 beschreibt die Aufgaben und Befugnisse („den Geschäftskreis“) der Abwickler (Rdn 6, 7). Abs 2 unterstellt die Abwickler den Regeln über den Vorstand, auch im Verhältnis zum Aufsichtsrat (Rdn 3–5). Abs 3 stellt die Abwickler von dem generellen Wettbewerbsverbot des Vorstands (§ 88) frei, befreit aber nicht generell von der korporativen Treupflicht des Leitungsorgans (Rdn 8, 9). Abs 4 dehnt die Regeln über Angaben auf Geschäftsbriefen auf die Liquidatoren aus (Rdn 10). 2. Vorgängerbestimmungen

2

Die Bestimmung geht auf § 209 Abs 1, 3–5 AktG 1937 zurück. Vorgängerbestimmung war § 298 HGB 1897. II. Stellung und Geschäftskreis der Abwickler 1. Die Abwickler als Leitungsorgan (Abs 2)

3

a) Im Rahmen des ihnen zugewiesenen Geschäftskreises haben die Abwickler die Rechte und Pflichten des Vorstands (Abs 2 Satz 1) und unterliegen wie dieser der Überwachung durch den Aufsichtsrat (Abs 2 Satz 2). Dies entspricht dem in diesem Kommentar angenommenen Prinzip der Kontinuität (§ 265 Rdn 10). Es verhält sich insofern grundsätzlich anders als im Fall der Eigenverwaltung einer insolventen Gesellschaft (vgl dazu § 276a InsO). Die Abwickler führen die Geschäfte der Gesellschaft in eigener Verantwortung (§ 76).1 Sie berufen die Hauptversammlung ein (§ 121 Abs 2) und sind für die Vorbereitung und Ausführung ihrer Beschlüsse zuständig (§ 83).2 Insbesondere gibt es entgegen dem hier in der 3. Aufl dieses Kommentars (Wiedemann Rn 5) vertretenen Standpunkt kein Weisungsrecht der Hauptversammlung,3 sondern es gilt § 119 Abs 2.4 Das außerhalb der Auflösung aus § 76 abgeleitete Leitungsermessen besteht im

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1 2 3 4

MünchHdbAktR/Hoffmann-Becking4 § 67, 10; aM Grigoleit/Servatius 19. K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 6. Bredol S 177 ff; MünchHdbAktR/Hoffmann-Becking4 § 67, 10; Spindler/Stilz/Bachmann4 20 f mwN. Vgl nur Bürgers/Körber/Füller4 2; Hüffer/Koch14 6; MK/Koch4 28 f; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber3 9.

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Pflichten der Abwickler | § 268

Kern fort,4a ist allerdings durch den Abwicklungszweck (§ 264 Rdn 7) gebunden und überlagert. Die Abwickler können in Ausübung dieses Leitungsermessens Herrschaft über einzelne Liquidationsmaßnahmen wie auch über Liquidationsstrategien ausüben.4b Allerdings ist die Pflicht zur Vorlage von Geschäftsführungsfragen zur Entscheidung nach § 119 Abs 2 (dazu krit § 119 Rdn 201) im Liquidationsstadium weitaus früher erreicht als in der werbend tätigen Gesellschaft. Die Kernkompetenz der Hauptversammlung setzt in der Liquidation nicht erst bei Quasi-Satzungseingriffen,5 sondern bei allen Grundsatzentscheidungen über die Abwicklungsstrategie. Atypische Liquidationsstrategien, insbesondere die Unternehmensfortführung und Vorbereitung einer Fortsetzung der Gesellschaft (§ 274) haben die Abwickler der Hauptversammlung zur Entscheidung vorzulegen. 6 Auch § 179a (Hauptversammlungsentscheidung über Gesamtvermögensveräußerung) ist nach hM anwendbar.7 Die Gründung einer Tochtergesellschaft für die Erleichterung einer (Teil-)Unternehmensveräußerung (Rdn 6) bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung dann, wenn Interessenkonflikte im Raum stehen, weil zB einzelne Gesellschafter als Erwerber ausgeschlossen werden sollen. Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats (§ 111) bleiben wirksam, soweit die Satzungsauslegung dies zulässt.8 Zur Rechnungslegung der Abwickler vgl § 270 Rdn 19. b) Zur Vertretung der Gesellschaft vgl § 269 (dort auch bei Rdn 4 zur umstrittenen 4 Anwendbarkeit des § 112). c) Sorgfaltspflicht und Haftung folgen dem § 93, dies allerdings unter Beachtung 5 der Besonderheiten der Abwicklung. Mit dieser Maßgabe ist auch die Business Judgment Rule (§ 93 Abs 1 Satz 2) anzuwenden.9 Auch hier wirkt sich die Kontinuitätsthese (§ 265 Rdn 10) aus, die keine Unvereinbarkeit zwischen Abwicklung und „unternehmerischen Entscheidungen“ kennt.10 Wird die Abwicklung zügig betrieben, so braucht ein Überwachungssystem (§ 91 Abs 2) nicht in gleicher Weise wie vor der Auflösung eingerichtet zu werden. Wohl allerdings gelten die Insolvenzantragspflichten (§ 15a InsO) und Zahlungsverbote bei Insolvenz (§ 92 Abs 2). Für die Organhaftung gelten gleichfalls die Regeln des § 93.11 Ungeklärt ist, ob der Haftungsverzicht nach § 93 Abs 4 S 3 ohne Ablauf der Dreijahresfrist möglich ist.12 Der Praxis ist anzuraten, vorsorglich entsprechende Beschlüsse im Zusammenhang mit der Schlussrechnung der Abwickler herbeizuführen. 2. Der Geschäftskreis (Abs 1) a) Abs 1, der aus einem überkommenen Bild der aufgelösten Gesellschaft13 und aus 6 einer historischen Perspektive der Diskontinuität zwischen Vorstand und Liquidatorenamt formuliert ist, hält eine beispielhafte14 Beschreibung typischer – und damit im Re-

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AM Grigoleit/Servatius 19. So auch KK/Winnen3 7. So grundsätzlich BGHZ 159, 30 „Gelatine“; dazu etwa Fleischer NJW 2004, 2335. Eingehend, tendenziell enger Bredol S 197 ff; ähnlich K Schmidt/Lutter/Riesenhuber3 9. Bredol S 198; Bürgers/Körber/Füller4 5; KK/Winnen3 18 f; MK/Koch4 14; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 9. Näher Bredol S 208. Ausführlich Bredol S 216 ff, 224 ff. Bredol S 224. Bredol S 238 ff mwN. Dafür Bürgers/Körber/Füller4 8 mwN. Bredol S 169, 200. Also nicht abschließende; vgl KK/Winnen3 6; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 3.

K. Schmidt

§ 268 | Erster Abschnitt – Auflösung

gelfall der Hauptversammlung nicht vorzulegender – Liquidationsgeschäfte: Beendigung der laufenden Geschäfte, Einziehung von Forderungen, Umsetzung des Gesellschaftsvermögens in Geld und Befriedigung der Gläubiger, Rückgabe von Gegenständen, die Aktionäre nur zur Nutzung der Gesellschaft überlassen haben. In diesem Rahmen ist die Fortführung des Unternehmens zu reinen Abwicklungszwecken mit den Liquidatorenaufgaben vereinbar.15 Gedeckt ist auch die Gesamtvermögensveräußerung, insb die Unternehmensveräußerung (zur Entscheidungsprärogative der Hauptversammlung vgl allerdings Rdn 3).16 Auch die Gründung einer Tochtergesellschaft und Einbringung des Unternehmens in diese Gesellschaft zu Veräußerungszwecken kann dem Liquidationszweck dienen (vgl auch hier zur Vorlage an die Hauptversammlung Rdn 3). 7

b) Die Zuständigkeit für Strukturmaßnahmen liegt nach wie vor bei der Hauptversammlung. Das gilt insbesondere für Satzungsänderungen (§ 264 Rdn 34), Umwandlungsmaßnahmen (§§ 3 Abs 3, 124 Abs 2, 191 Abs 3 UmwG) und den Abschluss von Unternehmensverträgen (§ 293), grundsätzlich dagegen nicht für deren Aufhebung oder Kündigung (§§ 296, 297). Als aufnehmender Rechtsträger kann sich die Gesellschaft nur im Fall wirksamer Fortsetzung an einer Verschmelzung oder Spaltung beteiligen.17 Die Ausübung des Stimmrechts bei Strukturmaßnahmen im abhängigen Unternehmen oder bei sonstigen Beteiligungen ist dagegen grundsätzlich vom Geschäftskreis der Abwickler erfasst. Zur Einforderung von Einlagen vgl § 264 Rdn 29. Ein satzungsmäßig vorgesehener Einforderungsbeschluss ist in der Abwicklung entbehrlich.18 3. Das Wettbewerbsverbot (Abs 3)

8

a) Nichtgeltung des § 88. Die Freistellung der Abwickler vom Wettbewerbsverbot des § 88 ist Ausdruck des gesetzlichen Diskontinuitätsmodells.19 Dagegen bestehen gravierende rechtspolitische Bedenken.20

9

b) Wettbewerbsverbote außerhalb § 88. Im Hinblick auf Abs 3 wird dazu geraten, Wettbewerbsverbote in die Anstellungsverträge von Abwicklern aufzunehmen,21 was sich auch aus der Auslegung dieser Verträge ergeben könne.22 Den Vorzug verdient eine einzelfallgerechte Ableitung von Wettbewerbsverboten (auch) aus der organschaftlichen Treupflicht der Abwickler.23 Ein Gesetzesverstoß ist hierin ebensowenig zu sehen wie etwa bei der Handhabung des § 165 HGB (auch diese Vorschrift, die die §§ 112, 113 HGB für unanwendbar erklärt, schließt ein treupflichtbegründetes fallbezogenes Wettbewerbsverbot nicht aus). Als allgemeingültige Regel, die nicht auf § 88 gestützt werden muss, bleibt außerdem die Geschäftschancenlehre anwendbar (Herleitung dieser Doktrin aus § 88 allerdings bei § 88 Rdn 190 ff).

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15 Bredol S 183 f; Paura S 89 ff. 16 Vgl mit Hinweis auf BGHZ 76, 352, 354 = NJW 1980, 1278 und BGHZ 103, 184, 192 = NJW 1988, 1579; Bürgers/Körber/Füller4 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 17 Vgl OLG Naumburg NJW-RR 1998, 178; Bürgers/Körber/Füller4 4; MK/Koch4 13; differenzierend Bayer ZIP 1997, 1613, 1614. 18 RGZ 138, 106, 111; Hüffer/Koch14 16. 19 Vgl nur Spindler/Stilz/Bachmann4 24. 20 Bürgers/Körber/Füller4 10; KK/Winnen3 46. 21 Spindler/Stilz/Bachmann4 24. 22 OLG Brandenburg AG 2009, 513, 515; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 7. 23 Bredol S 227 ff.

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Vertretung durch die Abwickler | § 269

III. Angaben auf Geschäftsbriefen (Abs 4) 1. Tatbestand Die Bestimmung enthält eine sinngemäße Wiederholung des § 80 Abs 1–3 (dazu Erl 10 § 80), ergänzt lediglich um die Angabe, dass sich die Gesellschaft in Abwicklung befindet. Das wird redaktionell kritisiert.24 Die redaktionelle Schwäche des Gesetzes besteht aber nicht bloß darin, dass § 80 wiederholt wird, sondern schon § 80 ist (wie auch die §§ 125a, 177a HGB, § 35a GenG) seit der HGB-Novelle von 199825 eine systematisch redundante Sonderregelung, die in den damals neuen § 37a HGB hätte einbezogen werden sollen.26 Abs 4 hätte sich dann auf die Besonderheit beschränken können, dass die Gesellschaft als AG in Auflösung (in Liquidation) zu bezeichnen ist und dass statt des Vorstands die Abwickler anzugeben sind. Im Übrigen wird auf § 80 Rdn 3 ff verwiesen. 2. Rechtsfolgen der Pflichtverletzung a) Eine Vertrauenshaftung der Abwickler gegenüber Dritten bei unvollständigen 11 Angaben kann nur ausnahmsweise zum Zuge kommen (§ 80 Rdn 21). Das gilt auch für den unterlassenen Hinweis auf die Auflösung der Gesellschaft. Die Erwartung des Rechtsverkehrs, eine Aktiengesellschaft sei nicht aufgelöst, kommt nicht der enttäuschten Haftungserwartung bei fehlendem AG-Zusatz gleich. b) In Betracht kommt allerdings im Einzelfall eine Schadensersatzhaftung, zB 12 wenn der Tatbestand der Liquidation mangels Masse (§ 262 Abs 1 Nr 4 und dazu § 262 Rdn 44 ff) vorliegt und verschwiegen wird. c) Da Abs 4 nur eine Ordnungsvorschrift und insbes keine Formvorschrift ist, be- 13 rührt eine Verletzung der Bestimmung nicht die Wirksamkeit der im Namen der aufgelösten AG abgegebenen Erklärungen (vgl sinngemäß § 80 Rdn 20).

§ 269 Vertretung durch die Abwickler Erster Abschnitt – Auflösung Vertretung durch die Abwickler § 269 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-015

(1) Die Abwickler vertreten die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. (2) 1Sind mehrere Abwickler bestellt, so sind, wenn die Satzung oder die sonst zuständige Stelle nichts anderes bestimmt, sämtliche Abwickler nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. 2Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Abwickler. (3) 1Die Satzung oder die sonst zuständige Stelle kann auch bestimmen, dass einzelne Abwickler allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. 2Dasselbe kann der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung oder ein Beschluss der Hauptversammlung ihn hierzu ermächtigt hat. 3Absatz 2 Satz 2 gilt in diesen Fällen sinngemäß. (4) 1Zur Gesamtvertretung befugte Abwickler können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermäch-

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24 25 26

Spindler/Stilz/Bachmann4 25. BGBl I S 1910. Karsten Schmidt HandelsR5 § 12 Rn 101.

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§ 269 | Erster Abschnitt – Auflösung

tigen. 2Dies gilt sinngemäß, wenn ein einzelner Abwickler in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. (5) Die Vertretungsbefugnis der Abwickler kann nicht beschränkt werden. (6) Abwickler zeichnen für die Gesellschaft, indem sie der Firma einen die Abwicklung andeutenden Zusatz und ihre Namensunterschrift hinzufügen. Schrifttum Bredol Die Rechtsstellung der Abwickler einer AG, Diss Bochum 2010; Ehricke/Rotstegge in Bayer/ Habersack (Hrsg), Aktienrecht im Wandel II, 2007 Rn 25.42; Karsten Schmidt Liquidationszweck und Vertragsmacht, AcP 174 (1974), 55; ders Ultra-vires-Doktrin: tot oder lebendig?, AcP 184 (1984), 529; Schwab Die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern im Liquidationsstadium, ZIP 2006, 1478; Sethe Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer AG, ZIP 1998, 770.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Geltungsbereich und Geschichte der Norm | 1 2. Die Abwickler als organschaftliche Vertreter (Abs 1) | 3 3. Vertretung durch Bevollmächtigte | 5 Die Vertretungsmacht der Abwickler 1. Umfang | 6 2. Gesamt- oder Einzelvertretungsmacht (Abs 2) | 9

3.

III.

Gesamtvertretung mit Prokuristen (Abs 3) | 12 4. Ermächtigung zur Vornahme bestimmter Rechtshandlungen (Abs 4) | 13 Zeichnung der Abwickler für die Gesellschaft (Abs 6) | 14

I. Grundlagen 1. Geltungsbereich und Geschichte der Norm 1

a) Die Bestimmung regelt die organschaftliche Vertretung der aufgelösten Gesellschaft.1 Sie gilt auch für die Vor-AG (str, vgl § 262 Rdn 7). Für die KGaA gilt § 290. Im Insolvenzverfahren (§ 262 Rdn 27 ff) wird die Außenvertretung der Gesellschaft durch den Insolvenzverwalter wahrgenommen (vgl zu § 80 InsO § 262 Rdn 32). Der Vorstand bleibt für die Wahrnehmung der Schuldnerrechte im Insolvenzverfahren vertretungsbefugt (§ 262 Rdn 33). Im Fall der Eigenverwaltung (§ 270 InsO) bleibt es bei § 78 bzw im Fall vorausgegangener Auflösung bei § 269.

2

b) Vorgängervorschriften waren § 298 HGB 1897 (mit bloßer Verweisung auf das Liquidationsrecht der oHG) und § 210 AktG 1937.2 Neu war bei der Einführung des § 269 die Klarstellung der Unbeschränktheit und Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht.3 Diese ist nicht auf Abwicklungsgeschäfte beschränkt.

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1 2 3

MK/Koch4 3; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 3. Vgl MK/Koch4 1; Karsten Schmidt AcP 174 (1974), 55, 64 ff. BegrRegE in Kropff 359.

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Vertretung durch die Abwickler | § 269

2. Die Abwickler als organschaftliche Vertreter (Abs 1) a) Die Abwickler sind, wie vor der Auflösung der Vorstand nach § 78 (vgl auch § 268 3 Rdn 3), organschaftliche Vertreter der aufgelösten Gesellschaft. Als solche vertreten sie die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (Abs 1). Wegen der Einzelheiten wird auf § 78 Rdn 14 ff verwiesen. In theoretischer Hinsicht ist die organschaftliche Vertretung in der Abwicklung der Aktiengesellschaft umstritten. Nach hM endet, selbst wenn nach § 265 die Vorstandsmitglieder als Abwickler berufen sind, deren organschaftliche Vertretungsmacht, und es entsteht neu die Vertretungsmacht der Abwickler. Nach dem hier vertretenen Kontinuitätsmodell (§ 265 Rdn 10) sind die Abwickler in dem Vorstand entsprechendes Organ. b) Die Vertretungsmacht gegenüber den im Amt befindlichen Abwicklern liegt 4 nach § 112 beim Aufsichtsrat. Die Personalhoheit der Hauptversammlung (§ 265 Abs 2) spricht nicht entscheidend für eine Vertretungsmacht der Hauptversammlung.4 Umstritten ist die Vertretungsmacht gegenüber (vormaligen) Vorstandsmitgliedern und Abwicklern. Nach einer verbreiteten Ansicht endet gegenüber vormaligen Vorstandsmitgliedern die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats nach § 112 AktG und wird durch die Vertretungsmacht der Liquidatoren ersetzt.5 Nach dem hier vertretenen Kontinuitätsmodell (§ 265 Rdn 10, § 268 Rdn 3) ist der Gegenansicht der Vorzug zu geben: Es bleibt bei § 112.6 Agieren, der Gegenmeinung folgend, statt des Aufsichtsrats die Abwickler, so sind deren Vertretergeschäfte, wenn der Aufsichtsrat Kenntnis hatte, kraft Genehmigung wirksam. 3. Vertretung durch Bevollmächtigte Die Vertretung der aufgelösten AG durch Bevollmächtigte ist zulässig. Das gilt 5 auch für Prokuristen.7 Die noch in § 298 Abs 4 Satz 1 HGB 1897 und in § 210 Abs 5 AktG 1937 enthaltene Regel, wonach bestehende Prokuren erloschen und neue nicht mehr erteilt werden konnten, ist bewusst nicht in das Aktiengesetz aufgenommen worden.8 Bestehende Prokuren gelten deshalb fort.9 Die Abwickler können auch neue Prokuren erteilen.10 II. Die Vertretungsmacht der Abwickler 1. Umfang a) Die Vertretungsmacht der Abwickler umfasst alle Außengeschäfte der aufgelös- 6 ten Gesellschaft. Nicht erfasst sind die in § 112 genannten Geschäfte (str vgl Rdn 4) und

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4 Für Anwendung des § 112 auch Bürgers/Körber/Füller4 3; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 2. 5 OLG Köln NZG 2002, 1062, 1063; OLG Brandenburg AG 2003, 44; Hüffer/Koch14 2; MK/Koch4 9. 6 So im Ergebnis Bredol S 136; Bürgers/Körber/Füller4 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 3 (§ 112 AktG ist in der Abwicklung aber disponibel); Henssler/Strohn/Drescher § 269 AktG, 2; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 2; Schwab ZIP 2006, 1478, 1481. 7 Hüffer/Koch14 4; MK/Koch4 1; Spindler/Stilz/Bachmann4 7; Karsten Schmidt BB 1989, 229 ff. 8 Kropff S 359; MK/Koch4 1; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 9 Kropff S 359; KK/Winnen3 6; MK/Koch4 16; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 10 MK/Koch4 16; KK/Winnen3 6; MK-HGB/Krebs4 § 48, 10; Spindler/Stilz/Bachmann4 7; Karsten Schmidt BB 1989, 229 ff.

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§ 269 | Erster Abschnitt – Auflösung

selbstverständlich ebenso wenig Strukturmaßnahmen, die der Hauptversammlung vorbehalten sind (§ 268 Rdn 7).11 Nicht von der Vertretungsmacht ausgenommen sind dagegen, auch wenn sie sich als unzulässige faktische Fortsetzung der Gesellschaft darstellen, liquidationswidrige Geschäfte (vgl zum Vorbehalt des Missbrauchs der Vertretungsmacht Rdn 7). Auch Rechtsgeschäfte mit Aktionären fallen unter § 269.12 Die Prozessführung im Namen der Gesellschaft ist eingeschlossen. 7

b) Die Vertretungsmacht der Abwickler ist unbeschränkt und unbeschränkbar (Abs 1 und 5). Im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs ist die Vertretungsmacht – was sich bei anderen Gesellschaftsformen erst allmählich durchsetzen konnte13 – nicht auf Abwicklungsgeschäfte beschränkt.13a Grenzen ergeben sich aus den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht (dazu § 82 Rdn 9 ff).14 Art 9 der Richtlinie 68/151/EWG (Publizitätsrichtlinie) gilt nach hM nicht für die aufgelöste AG.15 Das ist im Hinblick auf die Kontinuität der Verfassung (§ 264 Rdn 6) zweifelhaft, jedoch wohl ohne nennenswerte praktische Bedeutung.

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c) Für Insichgeschäfte gilt § 181 BGB,16 und zwar auch bei der Einpersonen-AG.17 Umstritten ist das Fortwirken einer satzungsmäßigen Befreiung von den Beschränkungen des § 181 (dazu im Grundsatz § 78 Rdn 15). Vorherrschend ist die Auffassung, dass eine dem Vorstand erteilte Befreiung nicht für die Abwickler gilt.18 Die Satzung muss hiernach, soll die Befreiung auch für Abwickler gelten, dies ausdrücklich klären. Es handelt sich hierbei um eine Auslegungsfrage und darum, ob die Erstreckung auf Abwickler Regel oder Ausnahme ist. Im Lichte der bei § 265 Rdn 8 f dargestellten Amtskontinuität sollte diese Frage dahin beantwortet werden, dass die Befreiung weiterhin auch für den als Abwickler agierenden Vorstand gilt.19 Eine Befreiung sonstiger Abwickler muss sich dagegen mit hinreichender Deutlichkeit aus der Satzung ergeben. 2. Gesamt- oder Einzelvertretungsmacht (Abs 2)

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a) Grundsatz der Gesamtvertretungsmacht. Sind mehrere Abwickler bestellt, so sind sie im Zweifel nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt (Abs 2 Satz 1). Das gilt allerdings nur für die Aktivvertretung. Ist gegenüber der Gesellschaft eine Willenserklärung abzugeben (Passivvertretung), so genügt deren Abgabe gegenüber einem Abwickler (Abs 2 Satz 2). Dies gilt außer für Rechtsgeschäfte und Prozesshandlungen sowie

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11 MK/Koch4 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 5; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 3. 12 MK/Koch4 4. 13 Vgl zur GmbH OLG Stuttgart ZIP 1986, 647, 648; LG Köln DNotZ 1980, 422, 423; Goette Die GmbH, 2002, § 10, 43; Baumbach/Hueck/Haas GmbHG21 § 70, 2; MK-GmbHG/H F Müller § 70, 3; zu den Personengesellschaften MK-HGB/K Schmidt4 § 149, 52. 13a KK/Winnen3 7. 14 Eingehend Bredol S 137 ff. 15 Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 16 Bredol, S 131; Spindler/Stilz/Bachmann4 5; MK/Koch4 11. 17 Näher Bredol S 132; Habersack § 78, 15; Hüffer/Koch14 § 78, 6; KK/Winnen3 13; anders Spindler/Stilz/Bachmann4 5; ders NZG 2001 961, 966; Ekkenga AG 1985 40, 42. 18 Bürgers/Körber/Füller4 3; Henssler/Strohn/Drescher § 269 AktG, 2; MK/Koch4 11; zur GmbH BGH GmbHR 2009, 312, 313 = NZG 2009, 72, 73; BayObLG GmbHR 1996, 56, 57 = NJW-RR 1996, 611, 612 (obiter); OLG Frankfurt NZG 2013, 71; OLG Köln NZG 2016, 1314; aM Spindler/Stilz/Bachmann4 5; vgl auch zur GmbH Scholz/Scheller GmbHG12 § 68, 9 f. 19 Spindler/Stilz/Bachmann4 5; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4.

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Vertretung durch die Abwickler | § 269

sinngemäß auch für geschäftsähnliche Handlungen wie Mängelrügen,20 ebenso für die Zustellung von Urkunden.21 Der Wegfall von Gesamtvertretern lässt nach hM die Vertretungsmacht nicht ohne weiteres zu einer Alleinvertretungsmacht des verbliebenen Abwicklers erstarken.22 Dieser Grundsatz passt auf die zivilrechtliche Vollmacht, nicht dagegen auf die organschaftliche Vertretungsmacht. Diese ist darauf angelegt, Führungslosigkeit der Gesellschaft zu verhindern. b) Alleinvertretungsmacht kann für alle oder für bestimmte Einzelne23 durch die 10 Satzung oder durch die sonst zuständige Stelle bestimmt werden, ebenso eine Alleinvertretung in Gemeinschaft mit einem Prokuristen (Rdn 12). A maiore ad minus ist auch eine Gesamtvertretung durch mehrere, jedoch nicht alle Abwickler zugelassen (§ 78 Rdn 45 ff). Eine Satzungsregelung ist bezüglich aller Abwickler zulässig.24 Als „sonst zuständige Stelle“ kommt in Fällen des § 265 Abs 2 die Hauptversammlung in Betracht,25 bei gerichtlich bestellten Abwicklern das Gericht,26 im Übrigen auch der durch Satzung oder Hauptversammlungsbeschluss hierzu ermächtigte Aufsichtsrat.27 c) Umstritten ist, ob eine den Vorstand zur Alleinvertretung ermächtigende Sat- 11 zungsregelung auch für die Abwickler gilt. Die hM verneint diese Frage und verlangt eine ausdrückliche Regelung auch für den Auflösungsfall.28 Dem ist – ähnlich wie hinsichtlich § 181 BGB (Rdn 8) nicht zu folgen.29 Es handelt sich auch hier um eine Frage der Satzungsauslegung. Mindestens für Vorstandsmitglieder als geborene Abwickler (§ 265 Abs 1) gilt eine satzungsmäßige Einzelvertretungsregelung im Zweifel fort.30 Im Hinblick auf die hM sollte die Frage in der Satzung klargestellt werden. 3. Gesamtvertretung mit Prokuristen (Abs 3) Nach Abs 3 kann die Satzung oder die sonst zuständige Stelle (Rdn 10) auch 12 bestimmen, dass einzelne Abwickler allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind (Satz 1). Eine auf den Vorstand bezogene Satzungsregelung gilt im Zweifel auch für den Vorstand als Abwickler (str; vgl sinngemäß Rdn 11). Die Bestimmung kann auch vom Aufsichtsrat getroffen werden, wenn ihn die Satzung oder ein Beschluss der Hauptversammlung hierzu ermächtigt hat (Abs 3 Satz 2). Diese Gesamtvertretung nach Abs 3 ist eine gemischte Gesamtvertretung. Wie nach Abs 2 Satz 2 ist die Passivvertretungsmacht der Abwickler auch in diesen Fällen eine Alleinvertretungsmacht (Abs 3 Satz 3). Wegen der Übereinstimmung mit § 78 Abs 3 kann auf die dortige Erläuterung verwiesen werden. Umstritten ist, ob eine solche „gemischte“ oder „unechte“ Gesamtvertretung voraussetzt, dass der an die Mitwirkung des

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20 MK/Koch4 14. 21 MK/Koch4 14. 22 BGHZ 121, 263, 264 f = NJW 1993, 1654 (GmbH); MK/Koch4 13; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4; kritisch Spindler/Stilz/Bachmann2 8. 23 Spindler/Stilz/Bachmann4 9; MK/Koch4 17. 24 KK/Winnen3 24; MK/Koch4 18; ders. 5; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 9; anders Sethe, ZIP 1998, 770, 771 (nur für die nicht gerichtlich bestellten Abwickler). 25 Bürgers/Körber/Füller4 6; MK/Koch4 18; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 9; Hüffer/Koch13 5. 26 KK/Winnen3 24; MK/Koch4 18; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 27 Spindler/Stilz/Bachmann4 9; MK/Koch4 18; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4. 28 BGH ZIP 2009, 34 (GmbH); Hüffer/Koch14 3; KK/Winnen3 15; MK/Koch4 17. 29 K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 10. 30 Scholz/Scheller GmbHG12 § 68, 7.

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§ 270 | Erster Abschnitt – Auflösung

Prokuristen gebundene Abwickler auch in Gemeinschaft mit anderen Abwicklern vertreten kann (dazu § 78 Rdn 67). Unzulässig ist jedenfalls die Bindung aller Abwickler an die Mitwirkung von Prokuristen (dazu ebd). 4. Ermächtigung zur Vornahme bestimmter Rechtshandlungen (Abs 4) 13

Die Vorschrift wiederholt sinngemäß die Regelung des § 78 Abs 4. Auf die Kommentierung dieser Vorschrift (§ 78 Rdn 70 ff) wird verwiesen. III. Zeichnung der Abwickler für die Gesellschaft (Abs 6)

14

Die in Abs 6 enthaltene Regelung gilt nur für das Außenhandeln der Gesellschaft und nur für die Abwickler. Prokuristen zeichnen gemäß § 51 HGB rechtsähnlich Abs 6 gleichfalls unter Hinzufügung des Liquidationszusatzes. Abs 6 ist eine Ordnungsvorschrift. Eine Zuwiderhandlung macht das Rechtsgeschäft nicht unwirksam (allgM). Auch eine Vertrauenshaftung lässt sich auf sie grundsätzlich nicht stützen (vgl sinngemäß § 268 Rdn 11).

§ 270 Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss und Lagebericht Erster Abschnitt – Auflösung Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss und Lagebericht § 270 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-016

(1) Die Abwickler haben für den Beginn der Abwicklung eine Bilanz (Eröffnungsbilanz) und einen die Eröffnungsbilanz erläuternden Bericht sowie für den Schluss eines jeden Jahres einen Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen. (2) 1Die Hauptversammlung beschließt über die Feststellung der Eröffnungsbilanz und des Jahresabschlusses sowie über die Entlastung der Abwickler und der Mitglieder des Aufsichtsrats. 2Auf die Eröffnungsbilanz und den erläuternden Bericht sind die Vorschriften über den Jahresabschluss entsprechend anzuwenden. 3 Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind jedoch wie Umlaufvermögen zu bewerten, soweit ihre Veräußerung innerhalb eines übersehbaren Zeitraums beabsichtigt ist oder diese Vermögensgegenstände nicht mehr dem Geschäftsbetrieb dienen; dies gilt auch für den Jahresabschluss. (3) 1Das Gericht kann von der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer befreien, wenn die Verhältnisse der Gesellschaft so überschaubar sind, dass eine Prüfung im Interesse der Gläubiger und Aktionäre nicht geboten erscheint. 2Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. Schrifttum Adler Die Abwicklungsbilanzen der Kapitalgesellschaft, 2. Aufl, 1956; Arians Sonderbilanzen, 1984 (2. Aufl 1985); Braun Handelsbilanz contra Schlussrechnung …, ZIP 1997, 1013; Brühling Zur „Rechnungslegung bei Liquidation“, WPg 1977, 597; Budde/Förschle/Winkeljohann Sonderbilanzen, 4. Aufl, 2008; Förschle/Deubert Der Bestätigungsvermerk zur Abwicklungs-/Liquidations-Eröffnungsbilanz, WPg 1993, 397; Förschle/Deubert Entsprechende Anwendung allgemeiner Vorschriften über den Jahresabschluss in der Liquidations-Eröffnungsbilanz, DStR 1996, 1743; Förschle/Kropp/Deubert Zur Notwendigkeit der Schlussbilanz einer werbenden Gesellschaft …, DStR 1992, 1523; dies „Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft“ kein Pflichtbestandteil der Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften in Liquidation, DB 1994,

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Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss und Lagebericht | § 270

998; Förster/Döring Die Liquidationsbilanz, 4. Aufl, 2005; Förster/Grönwoldt Das Bilanzrichtlinien-Gesetz und die Liquidationsbilanz, BB 1987, 577; Forster Die Rechnungslegung der AG während der Abwicklung, in: FS Knorr, 1968, S 82; Forster Überlegungen zur Bewertung in Abwicklungs-Abschlüssen, in: FS Barz, 1974, S 335; Goldbeck Liquidationsbilanz: Totenschein der betroffenen Unternehmen, Der Betriebswirt, 1982, 3 ff; Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland eV, Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Bilanzrichtlinie-Gesetzes 1983, WPg, 1984, 125; Jurowsky Die Liquidationsrechnungslegung nach GmbHG und AktG, 1996; Jurowsky Bilanzierungszweckentsprechende Liquidationsrechnungslegung für Kapitalgesellschaften, DStR 1997, 1782; Klasmeyer/Kübler Buchführungs-, Bilanzierungs- und Steuererklärungspflichten des Konkursverwalters …, BB 1978, 369; Küting/Weber Handbuch der Rechnungslegung, Stand 2019; Leffson Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl, 1987; Metz Die Liquidationsbilanz in betriebswirtschaftlicher, handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht, 1968; Moxter Anschaffungswertprinzip für Abwicklungsbilanzen? Eine Stellungnahme zu § 270 AktG, WPg 1982, 473; Müller/Gelhausen Zur handelsrechtlichen Rechnungslegungs- und Prüfungspflicht nach § 155 InsO bei Kapitalgesellschaften, in: FS Claussen, 1997, S 687; Olbrich Der Grundsatz der Unternehmensfortführung in der Rechnungslegung der Kapitalgesellschaft bei Auflösung, DB 2005, 565; Sarx Zur Abwicklungs-Rechnungslegung einer Kapitalgesellschaft, in: FS Forster, 1992, S 547; Scherrer/Heni Liquidations-Rechnungslegung, 3. Aufl, 2009; Scherrer/Heni Externe Rechnungslegung bei Liquidation, DStR 1992, 797; Scherrer/Heni Offene Fragen zur Liquidationsbilanz, WPg 1996, 681; Schmalenbach Die Aktiengesellschaft, 7. Aufl, 1950; K Schmidt Liquidationsbilanzen und Konkursbilanzen, 1989; ders Liquidationsergebnisse und Liquidationsrechnungslegung im Handels- und Steuerrecht, in: FS Ludwig Schmidt, 1993, S 227; ders in: K Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg.), Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl 2009, Rn 3.11 ff; Winkeljohann/Förschle/Deubert Sonderbilanzen, 5. Aufl 2016; Winnefeld Bilanz-Handbuch, 4. Aufl, 2006, Rn N 695 ff; WirtschaftsprüferHandbuch, 13. Aufl, 2006, Bd I.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

III.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Gegenstand des § 270 | 1 2. Unternehmens-Rechnungslegung und Liquidations-Rechnungslegung | 3 Bedeutung des Auflösungsstichtags 1. Abschließende Rechnungslegung für die Vor-Abwicklungsphase | 5 2. Liquidationseröffnungsbilanz mit Erläuterungsbericht | 7 Die Jahresrechnungslegung während der Liquidation

1.

IV.

Handelsrechtliche Jahresrechnungslegung | 9 2. Bilanzstichtag | 11 3. Anhang, Lagebericht, Prüfung und Offenlegung | 13 4. Feststellung des Jahresabschlusses | 15 5. Konzernrechnungslegung | 17 Schlussrechnungslegung 1. Schlussrechnungslegung der Gesellschaft | 18 2. Rechnungslegung der Abwickler | 19

I. Grundlagen 1. Gegenstand des § 270 a) Die Bestimmung befasst sich mit der kaufmännischen Rechnungslegung der 1 Gesellschaft nach ihrer Auflösung. Abs 1 ist noch weitgehend aus § 211 AktG 1937 entnommen, wurde aber durch das Bilanzrichtliniengesetz 19851 geändert. Die Absätze 2

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BGBl I S 2355.

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§ 270 | Erster Abschnitt – Auflösung

und 3 entstammen dem Bilanzrichtliniengesetz. Das FGG-Reformgesetz vom 17.12.20082 hat in Abs 3 Satz 2 aus der vormals „sofortigen Beschwerde“ eine „Beschwerde“ gemacht. Es gilt die Monatsfrist des § 63 Abs 1 FamFG (Rdn 7). 2

b) Die Bestimmung enthält zwingendes Recht.3 Die Satzung kann von § 270 nicht abweichen. Redaktionell ist § 270 unübersichtlich und insgesamt wenig geglückt. 2. Unternehmens-Rechnungslegung und Liquidations-Rechnungslegung

3

a) Im Gegensatz zur Insolvenzordnung (vgl §§ 66, 155 InsO) unterscheidet das Aktiengesetz bezüglich der gesellschaftsrechtlichen Abwicklung nicht deutlich zwischen der (internen) Rechnungslegung der Abwickler über das von ihnen durchgeführte Abwicklungsverfahren (vgl Rdn 19) und der Unternehmens-Rechnungslegung der aufgelösten Gesellschaft.4 Diese Rechenwerke haben unterschiedliche Bilanzzwecke.5 Die Vernachlässigung ihrer Unterschiede hat das Verständnis und die Diskussion der gesetzlichen Regeln erschwert. § 270 befasst sich mit der periodischen UnternehmensRechnungslegung. Die überlieferte und bis heute verbreitete Annahme, Liquidationsbilanzen könnten nur Vermögensermittlungsbilanzen sein,6 trifft nur auf die (interne) Rechnungslegung der Abwickler bezüglich des Abwicklungsverfahrens, aber nicht auf die Unternehmensrechnungslegung der aufgelösten Gesellschaft zu. Dieser Unterschied musste erst durch eine Neukonzeption des Liquidationsrechts insgesamt und der Liquidations-Rechnungslegung herausgearbeitet werden, bevor hieraus heute die notwendigen Schlüsse gezogen werden konnten.7

4

b) Historische Grundlage des Gesetzestextes ist die Annahme, dass die Auflösung der Gesellschaft einen Einschnitt in der periodischen Rechnungslegung darstellt und dass deshalb mit der Auflösung eine neue, anderen Regeln folgende Rechnungslegungsperiode einsetzt.8 Das Aktiengesetz 1937 war Vorschlägen, nach denen die allgemeinen Vorschriften in der Abwicklung weitergelten sollten, nicht gefolgt.9 Es hatte jedoch, worauf bei § 270 verzichtet wird,10 klargestellt, dass das Geschäftsjahr beibehalten bleiben kann (§ 211 Abs 1 Hs 2 AktG 1937), und dem Gericht die Befugnis gegeben, eine Prüfung des Jahresabschlusses anzuordnen (§ 211 Abs 3 Satz 2 AktG 1937 und ebenso anfangs § 270 Abs 3 Satz 2). Nunmehr geht Abs 3 von der Prüfungspflicht als gesetzlicher Regel aus.

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2 BGBl I S 2586. 3 Statt vieler Bürgers/Körber/Füller4 1; MK/Koch4 5. 4 Vgl zu diesem Gegensatz die Grundlegung bei K Schmidt, Liquidationsbilanzen S 20 ff; Scholz/ K Schmidt GmbHG12 § 71, 6. 5 Dazu ebd. 6 Vgl zB BFHE 217, 467, 473 = DB 2007, 1501, 1502 = GmbHR 2007, 833, 835 m Anm Gold; Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert Rn T 195; MK/Koch4 54; Spindler/Stilz/Euler/Binger4 108. 7 Vgl nochmals Fn 4. 8 Denkschrift HGB, in: Schubert/Schmiedel/Krampe (Hrsg.), Quellen zum HGB, 1984, Bd II/1 S 146. 9 Amtl Begründung zu § 211 AktG 1937 bei Klausing, AktG 1937, S 185 f. 10 BegrRegE bei Kropff 360.

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Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss und Lagebericht | § 270

II. Bedeutung des Auflösungsstichtags 1. Abschließende Rechnungslegung für die Vor-Abwicklungsphase a) Für die Phase vor dem Auflösungsstichtag ist, ggf unter Bildung eines Rumpf- 5 geschäftsjahres, eine Schlussrechnungslegung aufzumachen.11 Eine Gegenansicht hält die Bildung eines Rumpfgeschäftsjahrs im Hinblick auf die Bilanzkontinuität für entbehrlich.12 Man könnte darin eine Entsprechung und Bestätigung des hier im Grundsatz vertretenen Modells einer organisationsrechtlichen Kontinuität (§ 265 Rdn 8 ff) erkennen. Den Kritikern des Rumpfgeschäftsjahrs ist jedoch der bei Rn 4 genannte Grundgedanke des § 270 entgegenzuhalten. Für die Rechnungslegung steht dies einer Kontinuität entgegen. Für die Aufstellung der Schlussrechnungslegung zuständig sind die Abwickler.13 Stichtag ist grundsätzlich der Tag vor der Auflösung.14 Eine Ausschüttung von Gewinn aus dem mit der Auflösung endenden (Rumpf-)Geschäftsjahr ist, weil mit § 272 unvereinbar, verboten.15 b) Als Bestandteil der periodischen Rechnungslegung besteht diese Rechnungs- 6 legung aus einem Jahresabschluss gemäß § 242 Abs 3 HGB mit Anhang und Lagebericht nach näherer Maßgabe der §§ 264 Abs 1, 284 ff, 289 HGB.16 Das Gericht kann von der Prüfung bezüglich der abschließenden Jahresrechnungslegung nicht nach Abs 3 befreien.17 2. Liquidationseröffnungsbilanz mit Erläuterungsbericht a) Abs 1 schreibt eine (Liquidations-)Eröffnungsbilanz vor. 18 Die Liquidations- 7 Eröffnungsbilanz folgt den Regeln über den Jahresabschluss (Abs 2 Satz 2).19 Aufzustellen ist sie von den Abwicklern.20 Es gelten nach Abs 2 Satz 2 die allgemeinen HGBRegeln, auch bezüglich der Frist für die Aufstellung (§ 264 Abs 1 Satz 3 HGB, für kleine AG § 264 Abs 1 Satz 4 HGB).21 Bilanzstichtag ist der Eintritt der Auflösung.22 Eine Verlegung aus Zweckmäßigkeitsgründen ist nicht zulässig.23 Die Bilanzgliederung wird fortgeführt.24 Auch die Bewertung schließt grundsätzlich an die Schlussbilanz der werbenden

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11 BayObLG GmbHR 1994, 331, 332; Bürgers/Körber/Füller4 4; Hüffer/Koch14 3, 4; MK/Koch4 9; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 2; Spindler/Stilz/Euler/Binger4 16; Scholz/K Schmidt GmbHG12 § 71, 8. 12 Budde/Förschle/Winkeljohann Rn T 14 f; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking § 67, 17; Förschle/Kropp/Deubert DB 1994, 998, 999. 13 Hüffer/Koch14 4; KK/Winnen3 13; MK/Koch4 11. 14 BFHE 113, 112, 114; BayObLG GmbHR 1994, 331, 332; Bürgers/Körber/Füller4 5; KK/Winnen3 11; Scholz/K Schmidt GmbHG12 § 71, 8. 15 HM; vgl nur MK/Koch4 12 ff. 16 Vgl Bürgers/Körber/Füller4 5; Hüffer/Koch14 3. 17 Vgl Bürgers/Körber/Füller4 5; Scholz/K Schmidt GmbHG12 § 71, 8. 18 Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert Rdn T 90 ff; KK/Winnen3 13; MK/Koch4 16; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber3 4; Scholz/K Schmidt GmbHG11 § 71, 10. 19 Ausführlich Deubert in Winkeljohann/Förschle/Deubert Rdn T 92 ff; KK/Winnen3 16; MK/Koch4 18 ff, 23 ff; Scholz/K Schmidt GmbHG12 §§ 71, 20 ff. 20 OLG Stuttgart AG 1995, 284; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber3 3. 21 Bürgers/Körber/Füller4 7; Henssler/Strohn/Drescher4 § 270 AktG; Scholz/K Schmidt GmbHG12 § 71, 13, 15. 22 Bürgers/Körber/Füller4 7; MK/Koch4 17; Spindler/Stilz/Euler/Binger4 31; Scholz/K Schmidt GmbHG12 § 71, 12. 23 Scholz/K Schmidt GmbHG12 § 71, 12; aM Winkeljohann/Förschle/Deubert Rn T 92; MK/Koch4 17; Spindler/Stilz/Euler/Binger2 32. 24 Näher Winkeljohann/Förschle/Deubert Rn T 225 ff; MK/Koch4 54; Spindler/Stilz/Euler/Binger2 36 ff.

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§ 270 | Erster Abschnitt – Auflösung

Gesellschaft an (kein allgemeines Prinzip der Neubewertung).25 Doch können sich, zB bezüglich der periodischen Abschreibungssätze, bei den Wertansätzen Veränderungen ergeben.26 Insbesondere Abs 2 Satz 3 schreibt eine Bewertung von Anlagevermögen wie Umlaufvermögen vor, wenn Gegenstände des Anlagevermögens (a) nicht mehr dem Geschäftsbetrieb dienen oder (b) ihre Veräußerung innerhalb eines übersehbaren Zeitraums beabsichtigt ist. 27 8

b) Nach Abs 1 ist der Eröffnungsbilanz ein Erläuterungsbericht beizufügen. Er ersetzt den Anhang (§§ 264, 284 ff HGB) und den Lagebericht (§ 289 HGB).28 Im Wesentlichen dient er dazu, den Übergang zur Liquidationsrechnungslegung zu verdeutlichen.29 Zweifelhaft ist, ob kleine Kapitalgesellschaften nach § 264 Abs 1 Satz 4 HGB von der Erstellung des Erläuterungsberichts befreit sind.30 Die Befreiung sollte wegen der spezifischen Informationsfunktion des Erläuterungsberichts verneint werden.30a III. Die Jahresrechnungslegung während der Liquidation 1. Handelsrechtliche Jahresrechnungslegung

9

a) Nach Abs 1 haben die Abwickler für den Schluss eines jeden Jahres einen Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen. Auf diese sind die HGB-Regeln anzuwenden. Nach traditioneller Meinung handelt es sich hierbei um spezifische Abwicklungsbilanzen mit einem auf den Stand der Abwicklung zielenden Bilanzzweck.31 Dem ist aufgrund der bei Rdn 3 dargestellten Unterscheidung zwischen der Unternehmensrechnungslegung und der Rechnungslegung der Abwickler nicht zu folgen. Es handelt sich um die Fortsetzung der unternehmensrechtlichen Rechnungslegung der aufgelösten Gesellschaft, und diese unterscheidet sich von der bloßen Rechnungslegung der Abwickler zur Dokumentation des Fortgangs der Abwicklungsprozedur. 32

10

b) Folgerichtig gelten die allgemeinen Bestimmungen über den Jahresabschluss,33 diese allerdings ergänzt durch Abs 2 Satz 3 (Rdn 7) und im Einklang mit den Besonderheiten der Abwicklung.34 Zu diesen gehört, dass in Anlehnung an Abs 1 (Erläuterung der Eröffnungsbilanz durch einen Bericht) Bewertungsänderungen zu erläu-

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25 Eingehend Winkeljohann/Förschle/Deubert Rn T 140 ff; Bürgers/Körber/Füller4 8 ff; Scholz/K Schmidt GmbHG11 § 71, 10; krit Hüffer/Koch14 7. 26 Bürgers/Körber/Füller4 8; MK/Koch4 35; vgl auch Hüffer/Koch14 7: differenzierende Lösung. 27 Dazu eingehend Winkeljohann/Förschle/Deubert Rn T 155 ff; Bürgers/Körber/Füller4 12; Scholz/ K Schmidt GmbHG11 § 71, 24 ff. 28 Vgl nur Winkeljohann/Förschle/Deubert Rn T 185; Bürgers/Körber/Füller4 16; MK/Koch4 44; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4; Hölters/Hirschmann 6. 29 BegrRegE bei Kropff 360; Winkeljohann/Förschle/Deubert Rdn T 185 ff. 30 Dafür Peetz GmbHR 2007, 858, 860; Grigoleit/Servatius Rn 8; Winkeljohann/Förschle/Deubert Rdn T 196; unentschieden OLG Düsseldorf DB 2002, 39 = GmbHR 2002, 68 f = NZG 2002, 90 f; s auch K Schmidt/Lutter3 4 m Fußn 18. 30a Wie hier MK/Koch4 44; KK/Winnen3 31; unentschieden, nur grobes Verschulden verneinend, OLG Düsseldorf DB 2002, 39 = GmbHR 2002, 68 = NZG 2002, 90. 31 Winkeljohannn/Förschle/Deubert Rdn T 199; Bürgers/Körber/Füller4 22; Hüffer9 14; KK/Winnen3 13; MK/Koch4 53 ff. 32 Ausführlich Scholz/K Schmidt GmbHG12 § 71, 16 ff. 33 Statt vieler Winkeljohann/Förschle/Deubert Rdn T 197. 34 Hüffer/Koch14 1; Hölters/Hirschmann 1.

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Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss und Lagebericht | § 270

tern sind.35 Da die diesbezügliche Veränderung nicht unbedingt zwischen der Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft und der Liquidations-Eröffnungsbilanz liegt (Rdn 7), dauert er vom Gesetz angenommene Informationsbedarf bezüglich der sich verändernden Bewertungen während der Abwicklung an. 2. Bilanzstichtag a) Als Bilanzstichtag bezeichnet Abs 1 den „Schluss eines jeden Jahres“. Gemeint 11 ist: Schluss eines jeden Abwicklungsjahres, immer gerechnet vom Stichtag der Liquidations-Eröffnungsbilanz.36 Mit Zustimmung der Hauptversammlung können die Abwickler auch zum regulären Geschäftsjahr zurückkehren.37 Dieser Beschluss bedarf einer Dreiviertelmehrheit.38 b) Die Bilanzgliederung ergibt sich aus Abs 2 Satz 2 iVm §§ 266 ff HGB. Wegen der 12 Bewertung ist wiederum auf Abs 2 Satz 3 hinzuweisen (dazu Rdn 7). Die Bestimmung, vormals für die Liquidations-Eröffnungsbilanz konzipiert, spielt unter dem modernen Verständnis der Liquidationsrechnungslegung (Rdn 3) für Jahresbilanzen der aufgelösten Gesellschaft eine erhebliche Rolle. Die Anwendung von Abs 2 Satz 3 auf die Jahresrechnungslegung der aufgelösten Gesellschaft ist anerkannt39 und auch durch den Gesetzeswortlaut (Zusammenhang mit Abs 2 Satz 2) gedeckt. 3. Anhang, Lagebericht, Prüfung und Offenlegung a) Die Verpflichtung, einen Anhang zu erstellen, ergibt sich nicht aus Abs 1,40 wohl 13 aber aus §§ 284 ff HGB iVm §§ 160, 264 Abs 3.41 Der Anhang nimmt weitgehend die Funktionen auf, die der Gesetzgeber dem der Eröffnungsbilanz beizufügenden Erläuterungsbericht (Rdn 8) zugedacht hat, nämlich die Angabe der sich während der Abwicklung ergebenden Bilanzierungs- und Bewertungsmethode (vgl § 284 Abs 2 Nr 3 HGB). Die Verpflichtung, einen Lagebericht zu erstellen, folgt unmittelbar aus Abs 1. Trotz des insoweit nicht klaren Wortlauts gelten die Freistellungen für kleine Gesellschaften (§§ 264 Abs 1 Satz 4, 267 Abs 1 HGB) auch hier.42 b) Für Prüfung und Offenlegung gelten nach § 264 Abs 3 die allgemeinen Vor- 14 schriften §§ 316 ff, 320 ff HGB.43 Für kleine Gesellschaften besteht keine Prüfungspflicht (vgl § 316 HGB).44 Im Übrigen kann das Gericht (§§ 376, 375 Nr 3 FamFG) die aufgelöste Gesellschaft nach Abs 3 von der Prüfungspflicht freistellen. Das Merkmal der überschaubaren Verhältnisse als Voraussetzung der Freistellung ist nicht größenbezogen,

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35 Kritisch freilich zum Verhältnis von Eröffnungsbilanz und Liquidations-Jahresabschluss Bürgers/Körber/Füller4 22. 36 BegrRegE in Kropff S 360; Scherrer/Heni S 33 ff; Bürgers/Körber/Füller4 23; MK/Koch4 55; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 5; Spindler/Stilz/Euler/Binger4 110; aM Winkeljohann/Förschle/Deubert Rdn T 201 f. 37 Bürgers/Körber/Füller4 23; MK/Koch4 55; str. 38 Bürgers/Körber/Füller4 23. 39 Vgl nur Winkeljohann/Förschle/Deubert Rdn T 194; Spindler/Stilz/Euler/Binger4 111. 40 So aber Spindler/Stilz/Euler/Binger4 116. 41 Vgl Bürgers/Körber/Füller4 25. 42 Vgl nur Bürgers/Körber/Füller4 26; Spindler/Stilz/Euler/Binger4 120. 43 MK/Koch4 61; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 6; Spindler/Stilz/Euler/Binger4 122. 44 K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 7.

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§ 270 | Erster Abschnitt – Auflösung

sondern prozessbezogen. Eine Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit während der Abwicklung schließt die Befreiung regelmäßig aus.45 4. Feststellung des Jahresabschlusses 15

a) Über die Feststellung der Liquidationseröffnungsbilanz wie auch über die jedes Liquidations-Jahresabschlusses entscheidet nach Abs 2 Satz 1 die Hauptversammlung (Abweichung von § 172).

16

b) Nach Abs 2 Satz 1 beschließt die Hauptversammlung auch über die Entlastung der Abwickler und der Aufsichtsratsmitglieder. Dieser Beschluss ist von der Billigung der Schlussrechnung (§ 273 Rdn 6) zu unterscheiden. Er hat, anders als die Billigung der Schlussrechnung (vgl ebd), nach § 120 Abs 2 Satz 2 keine Verzichtswirkung bezüglich etwaiger Ersatzansprüche.46 5. Konzernrechnungslegung

17

Soweit ungeachtet der Auflösung die Voraussetzungen der §§ 290–296 HGB erfüllt sind, unterliegt die Jahresrechnungslegung der Gesellschaft den Vorschriften über die Konzernrechnungslegung.47 Eine spezifische Konzern-Liquidationseröffnungsbilanz gibt es nicht.48 Die Unternehmensgruppe ist selbst nicht Gegenstand der Auflösung nach §§ 262 ff. IV. Schlussrechnungslegung 1. Schlussrechnungslegung der Gesellschaft

18

Die Schlussrechnungslegung der Gesellschaft, im Gesetz nicht ausdrücklich vorgeschrieben, schließt an die letzte Jahresrechnungslegung (Rdn 9–16) an und dokumentiert eine letzte Rechnungslegungsperiode.49 2. Rechnungslegung der Abwickler

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Die Schlussrechnung der Abwickler (zu ihr vgl § 273 Abs 1) ist von der Rechnungslegung der Gesellschaft zu unterscheiden. Sie ist nicht Unternehmensrechnungslegung, sondern Abrechnung über die Beendigung der Abwicklertätigkeit gemäß § 259 BGB. Umstritten ist, ob ihre Billigung durch die Hauptversammlung präkludierende Entlastungswirkung gegenüber der Abwicklerhaftung hat.50 Die Frage ist zu verneinen. Die Schlussrechnung hat Abrechnungscharakter, die Beschlussfassung über sie keinen Entlastungscharakter. Und selbst für einen Entlastungsbeschluss bleibt es auch für die Abwickler bei § 120 Abs 2 Satz 2.50a

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45 Vgl auch Hüffer/Koch14 12. 46 Bürgers/Körber/Füller4 27. 47 Ausführlich MK/Koch4 63 ff; Spindler/Stilz/Euler/Binger2 126 ff. 48 Spindler/Stilz/Euler/Binger4 127. 49 Vgl sinngemäß Scholz/K Schmidt GmbHG11 § 71, 30. 50 Bejahend MK/Koch4 § 273, 8; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 § 273, 6; verneinend Bredol S 165 f; Hüffer/Koch14 18, § 273, 3; KK/Winnen3 § 273, 14; MK/Koch4 § 273, 8 (gegen Voraufl); Spindler/Stilz/Bachmann4 § 273, 4a; K Schmidt ZGR 1978, 425, 442 ff. 50a Überblick bei Hüffer/Koch14 § 273, 3; str.

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Verteilung des Vermögens | § 271

§ 271 Verteilung des Vermögens Erster Abschnitt – Auflösung Verteilung des Vermögens § 271 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-017

(1) Das nach der Berichtigung der Verbindlichkeiten verbleibende Vermögen der Gesellschaft wird unter die Aktionäre verteilt. (2) Das Vermögen ist nach den Anteilen am Grundkapital zu verteilen, wenn nicht Aktien mit verschiedenen Rechten bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens vorhanden sind. (3) 1Sind die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet, so werden die geleisteten Einlagen erstattet und ein Überschuss nach den Anteilen am Grundkapital verteilt. 2Reicht das Vermögen zur Erstattung der Einlagen nicht aus, so haben die Aktionäre den Verlust nach ihren Anteilen am Grundkapital zu tragen; die noch ausstehenden Einlagen sind, soweit nötig, einzuziehen.

Schrifttum Ehricke/Rotstegge in Bayer/Habersack (Hrsg), Aktienrecht im Wandel II, 2007, Rn 25.55 ff; Sethe Aktienrecht ohne Vermögensbeteiligung?, ZHR 162 (1998), 474.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

III.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Gegenstand der Regelung | 1 2. Normgeschichte | 2 Die Liquidationsbeteiligung der Aktionäre 1. Grundlagen | 3 2. Satzungsbestimmungen | 5 Die Liquidationsquote 1. Das Prinzip | 7 2. Verteilung bei gleichmäßiger, vom Abwicklungsüberschuss gedeckter Einlageleistung (Abs 2) | 8

3.

IV.

V.

Verteilung bei unterschiedlicher, vom Überschuss gedeckter Eigenleistung (Abs 3 Satz 1) | 9 Unterdeckung (Abs 3 Satz 2) 1. Das Prinzip | 10 2. Zahlung auf ausstehende Einlagen | 11 3. Uneinbringliche Einlagen | 12 Die Vermögensverteilung 1. Vollzug | 13 2. Verteilungsansprüche | 15 3. Erzwingung | 17 4. Fehlerhafte Auszahlungen | 18

I. Grundlagen 1. Gegenstand der Regelung Die Bestimmung regelt die Verteilung des Abwicklungsüberschusses, in den Wor- 1 ten des Gesetzgebers des nach der Berichtigung der Verbindlichkeiten verbleibenden Vermögens der Gesellschaft. In ihr kommt, ähnlich wie in § 199 Satz 2 InsO, zugleich das Nachrangprinzip zum Ausdruck (Nachrang der Aktionäre nach den Liquidationsgläubigern) sowie (im Verhältnis unter den Aktionären) das Gleichbehandlungsprinzip. 349 https://doi.org/10.1515/9783110294248-017

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§ 271 | Erster Abschnitt – Auflösung

2. Normgeschichte 2

Vorgängerbestimmungen waren § 212 AktG 1937, § 300 HGB und Art 245 ADHGB. Abs 2 und 3 wurden durch Art 1 Nr 55 StückAG vom 25.3.1998 (BGBl I S 590). II. Die Liquidationsbeteiligung der Aktionäre 1. Grundlagen

3

a) Die Liquidationsbeteiligung ist ein Mitgliedschaftsrecht, das sich – insofern ähnlich der Gewinnbeteiligung – in ein Stammrecht und den daraus erwachsenden Verteilungsanspruch teilt.1 Das Stammrecht ist Teil der Mitgliedschaft und kann nicht selbständig Gegenstand von Verfügungen (Abtretung, Verpfändung, Pfändung) sein (vgl auch § 8, 194).2 Es ist, da kein Anspruch, nicht selbständig durchsetzbar2a und unverjährbar. Der Verteilungsanspruch entsteht mit dem Eintritt der Verteilungsvoraussetzungen (Rdn 15).3 Er unterliegt der Verjährung (Rdn 16), ist einklagbar (Rdn 17), abtretbar und verpfändbar. Auch eine Vorausabtretung ist möglich.3a

4

b) Der Anspruch ist grundsätzlich ein Zahlungsanspruch. Die Satzung kann bezüglich vertretbarer Sachen quotale Teilung in Natur vorsehen (zu unterscheiden von der Rückgabe nur zur Nutzung überlassener Gegenstände; dazu § 268 Rdn 6).4 Fehlt eine solche Satzungsregelung, so setzt eine Verteilung in Natur grundsätzlich die Zustimmung aller Aktionäre voraus.5 Entbehrlich ist diese nur in engen Zumutbarkeitsgrenzen (zB bei einer Summe gleichartig handelbarer Wertpapiere).6 2. Satzungsbestimmungen

5

a) Die Liquidationsbeteiligung der Aktionäre ist nicht satzungsfest (§ 23 Abs 5).7 Das wird zwar nicht, wie hinsichtlich des Bilanzgewinns in § 58 Abs 4, im Gesetz ausdrücklich festgehalten, kann aber im Ergebnis nicht anders sein.8 Die gemeinnützige AG wird steuerrechtlich nur anerkannt, wenn nur das eingezahlte bzw der gemeine Wert des durch Sacheinlagen eingebrachten Kapitals ausgezahlt wird und das übrige Liquidationsvermögen einem bestimmten steuerbegünstigten Empfänger zufällt (§§ 51 ff, 55 Abs 1 Nr 4 AO).9 Ein rechtliches Hindernis für die Gründung gemeinnütziger Aktiengesellschaften ist in § 23 Abs 5 jedoch nicht zu erkennen.10 Die Aktiengesellschaft gilt im

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1 BGHZ 65, 230, 235; KG AG 2009, 905, 906; Bürgers/Körber/Füller4 7; Hüffer/Koch14 2; K Schmidt/Lutter/Fleischer4 § 58, 43; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 8 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 2 Vgl BGHZ 23, 150, 154 (zur Gewinnverteilung); vgl auch Heidel/Wermecker4 2; MK/Koch4 3. 2a Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 5; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 8. 3 Hüffer/Koch14 2; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 3a Grigoleit/Servatius 7. 4 AM MK/Koch4 4. 5 Spindler/Stilz/Bachmann4 6; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber3 §§ 271, 272, 9; aM RGZ 62, 56, 57; 124, 279, 300; KK/Winnen3 § 268, 29. 6 Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 7 Spindler/Stilz/Bachmann4 5; aM Bürgers/Körber/Füller4 9; Hüffer/Koch14 2; MK/Koch4 7; s auch LG Frankfurt AG 2015, 590 = NZG 2015, 482 = ZIP 2015, 931. 8 Vgl Sethe ZHR 162 (1998), 474, 486 f. 9 Eingehend Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Aufl 2018, § 2 Rn 12; Priester GmbHR 1999, 149, 153. 10 Priester GmbHR 1999, 149, 150; Hüffer/Koch14 2; MK/Koch4 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 4.

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Verteilung des Vermögens | § 271

Hinblick auf § 23 Abs 5 zwar im Gemeinnützigkeitsbereich als wenig zweckmäßig,11 nicht jedoch als nach §§ 171, 23 Abs 5 unzulässig.12 Aus demselben Grund zulässig ist auch eine AG mit Vereinszweck ohne Liquidationsbeteiligung der Aktionäre.13 Auch Verteilungsmodalitäten (zB Teilung des Vermögens in Natur) können geregelt werden.14 b) Durch Satzungsänderung kann eine Beschränkung der Liquidationsbeteiligung 6 nur mit Zustimmung aller Aktionäre bestimmt werden, auch wenn § 53a beachtet wird. In diesem Sinne der Unentziehbarkeit ist der bei Rdn 5 kritisierten Auffassung zuzustimmen.15 III. Die Liquidationsquote 1. Das Prinzip Aus Abs 2 und 3 ergibt sich, dass grundsätzlich die auf die Aktien geleisteten Einla- 7 gen vorab zurückgezahlt und verbleibende Überschüsse nach den Anteilen am Grundkapital erstattet werden.15a Das Gesetz schreibt damit aber nicht zwei getrennte Auszahlungen, sondern nur eine getrennte Berechnungsprozedur vor. Soweit der Abwicklungsüberschuss zur Erstattung der Einlagen nicht ausreicht, verteilt sich dieser Verlust seinerseits nach den Anteilen am Grundkapital (Abs 3 Satz 2). Sind bezüglich des Liquidationserlöses Aktien verschiedener Gattung ausgestellt (Abs 2; vgl aber auch § 11 Rdn 12), so hat diese Satzungsregelung Vorrang.16 2. Verteilung bei gleichmäßiger, vom Abwicklungsüberschuss gedeckter Einlageleistung (Abs 2) Von gleichmäßiger Einlageleistung ist zu sprechen, wenn alle Aktionäre ihre Einla- 8 gen in demselben Verhältnis geleistet haben (vgl Abs 3). In diesem Fall findet Auszahlung nach den Anteilen am Grundkapital statt, also bei Nennbetragsaktien nach dem Verhältnis der Nennbeträge, bei Stückaktien (§ 8 Abs 3) nach der Zahl der Aktien (vgl § 8 Abs 4 und rechtsähnlich § 60 Rdn 8).17 3. Verteilung bei unterschiedlicher, vom Überschuss gedeckter Eigenleistung (Abs 3 Satz 1) Der Fall unterschiedlicher Einlageleistung liegt vor, wenn das Verhältnis zwischen 9 geleisteten und nicht geleisteten Einlageanteilen ungleich verteilt ist (vgl § 271 Abs 3 Satz 1).18 Aktien mit besonderen Rechten bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens (§ 11 und dazu Rdn 7) gehen auch der Verteilung nach Abs 3 vor (Rdn 7). Im Übrigen

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11 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2008, § 2 Rn 11, Priester GmbHR 1999, 149, 150. 12 Sethe ZHR 162 (1998), 474, 486 f; MK/Koch4 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 13 Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 14 So jetzt auch Bürgers/Körber/Füller4 9; aM MK/Koch4 4 mit Verweisung auf § 268 Rn 19 f (nur bei Einzelverzicht jedes Aktionärs). 15 So wohl auch Hüffer/Koch14 2. 15a Vgl auch VG Berlin BeckRS 2012, 53493. 16 MK/Koch4 22; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 §§ 271, 272, 10. 17 Hüffer/Koch14 6. 18 Hüffer/Koch14 7.

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§ 271 | Erster Abschnitt – Auflösung

werden nach Abs 3 vorab die geleisteten Einlagen erstattet und ein verbleibender Überschuss nach den Anteilen am Grundkapital verteilt. IV. Unterdeckung (Abs 3 Satz 2) 1. Das Prinzip 10

Reicht das Vermögen nicht aus, um die Einlagen zurückzuerstatten, so verteilt sich der Verlust nach den Anteilen der Aktionäre am Grundkapital (Abs 3 Satz 2 Hs 1). Abs 3 Satz 2 sorgt dafür, dass der sich aus der Differenz zwischen eingezahltem Grundkapital und vorhandenem Restvermögen ergebende Verlust gemäß ihren Nennbeträgen auf die einzelnen Aktien umgelegt wird.18a Jedem Aktionär gebührt eine durch seinen Deckungsanteil verringerte Quote auf die geleistete oder geschuldete Einlage, sei es durch Auszahlung aus dem Liquidationsvermögen, sei es durch Fortfall etwa noch bestehender Einzahlungspflichten. 2. Zahlung auf ausstehende Einlagen

11

Nach Abs 3 Satz 2 Hs 2 sind ausstehende Einlagen, soweit nötig, einzuziehen. Ziel dieser Regelung ist nicht die Einlageneinziehung zur Bestreitung von Liquidationskosten und Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger (eine dem § 735 BGB entsprechende Regel besteht im Hinblick auf § 1 Abs 1 Satz 2 nicht), sondern die zur Verteilung des Verlusts unter den Gesellschaftern nach Abs 3 erforderliche Einzahlung. Die mit Einlagen rückständigen Aktionäre müssen noch so viel Liquidität bereitstellen, wie zum Ausgleich der trotz Unterdeckung verbleibenden Verteilungsansprüche der anderen Gesellschafter erforderlich ist. Soweit hierdurch weitere Liquidationskosten entstehen, sind auch sie zu decken und in die Verteilungsberechnung einzubeziehen. 3. Uneinbringliche Einlagen

12

Uneinbringlichkeit einzuzahlender Einlagen begründet keine Nachschusspflicht oder über die eigenen Einlagepflichten hinausgehende Ausfallhaftung der Mitaktionäre.19 Sie kann aber die Unterdeckung erhöhen20 und demgemäß die Auszahlungsquoten verringern bzw die Einzahlungsquoten rückständiger Aktionäre erhöhen.21 V. Die Vermögensverteilung 1. Vollzug

13

a) Zuständig sind die Abwickler.22 Sie nehmen die Verteilung im Rahmen der bei Rdn 7 ff dargestellten Regeln und etwa vorhandener Satzungsbestimmungen (Rdn 5 ff) mit der Sorgfalt gewissenhafter Gesellschaftsleiter (§§ 264 Abs 3, 93 Abs 1) vor. Dazu gehört neben den in § 272 enthaltenen Voraussetzungen (Gläubigerbefriedigung bzw Hin-

_____ 18a 19 20 21 22

KK/Winnen3 27. KK/Winnen3 27. Vgl Hüffer/Koch14 7. KK/Winnen3 27. MK/Koch4 12; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 11.

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Gläubigerschutz | § 272

terlegung oder Sicherheitsleistung sowie Ablauf des Sperrjahrs) die Schlussbilanz nach § 270 Rdn 9 ff),23 doch nicht die Schlussrechnung nach § 273 Abs 1. b) Die Legitimation der Aktionäre erfolgt bei Inhaberaktien durch deren Vorle- 14 gung oder Hinterlegungsbescheinigung, bei Namensaktien gemäß § 67 Abs 2.24 Die Gesellschaft hat gemäß § 368 BGB einen Anspruch auf Quittung,25 kann aber nach hM nicht Aushändigung der die noch fortbestehende Mitgliedschaft verbriefenden Aktienurkunde verlangen.26 Zweckmäßig ist indes deren Austausch gegen ein die Abwicklungsbeteiligung ausweisendes Papier27 oder Rückgabe der Urkunde mit Auszahlungsvermerk. 2. Vereilungsansprüche a) Die sich aus § 271 ergebenden Verteilungsansprüche (idR Zahlungsansprüche) 15 setzen neben der Berichtigung der Verbindlichkeiten (Abs 1) den Ablauf des Sperrjahrs voraus, außerdem die Berechenbarkeit der Liquidationsquoten. b) Die Verjährungsfrist ist umstritten. Die Unterscheidung zwischen Inhaberaktien 16 (§ 801 Abs 1 BGB analog) und Namensaktien (§ 195 BGB)28 vermag wenig zu überzeugen.29 Den Vorzug verdient der Vorschlag, analog § 801 Abs 2 BGB generell eine vierjährige Vorlegungsfrist mit anschließender zweijähriger Verjährungsfrist anzuwenden.30 3. Erzwingung Als Erfüllungsanspruch (idR Zahlungsanspruch) wird der Verteilungsanspruch 17 durch Leistungsklage geltend gemacht. Führen die Abwickler die Auszahlungsreife (Rdn 14) nicht herbei, so kann, falls die Ansprüche berechenbar sind, direkt auf Zahlung geklagt werden.31 4. Fehlerhafte Auszahlungen 18

Über die Folgen fehlerhafter Auszahlungen vgl § 272 Rdn 13.

§ 272 Gläubigerschutz Erster Abschnitt – Auflösung Gläubigerschutz § 272 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-018

(1) Das Vermögen darf nur verteilt werden, wenn ein Jahr seit dem Tag verstrichen ist, an dem der Aufruf der Gläubiger bekanntgemacht worden ist. (2) Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag für ihn zu hinterlegen, wenn ein Recht zur Hinterlegung besteht.

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23 K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 11; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 24 Hüffer/Koch14 4; KK/Winnen3 18; MK/Koch4 14; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 11. 25 Bürgers/Körber/Füller4 4; MK/Koch4 15. 26 LG München WM 1958, 1111; Ehricke/Rotstegge in Bayer/Habersack Rdn 25.56; Bürgers/Körber/Füller4 4; KK/Winnen3 20; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 11. 27 MK/Koch4 15; distanziert wohl KK/Winnen3 18 Fn 36. 28 Vgl nur KG AG 2009, 905, 907; s auch noch Hüffer10 5. 29 Spindler/Stilz/Bachmann4 10; jetzt Hüffer/Koch14 5; MK/Koch4 18. 30 Spindler/Stilz/Bachmann4 10. 31 Vgl sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 72, 7.

353 https://doi.org/10.1515/9783110294248-018

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§ 272 | Erster Abschnitt – Auflösung

(3) Kann eine Verbindlichkeit zur Zeit nicht berichtigt werden oder ist sie streitig, so darf das Vermögen nur verteilt werden, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist. Schrifttum Bredol Die Rechtsstellung der Abwickler einer Aktiengesellschaft, 2009; Erle die Funktion des Sperrjahres in der Liquidation der GmbH, GmbHR 1998, 216; K Schmidt Zur Gläubigersicherung im Liquidationsrecht der Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Vereine, ZIP 1981, 1; ders Vorfinanzierung der Liquidationsquote im Einklang mit dem Ausschüttungssperrjahr?, DB 1994, 2013; ders Das Liquidationssperrjahr als Liquiditätssicherung vor und nach MoMiG, DB 2009 1971; Sethe Aktien ohne Vermögensbeteiligung?, ZHR 162 (1998), 474; ders Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer AG, ZIP 1998, 770; Vornhof Die Haftung des Liquidators der GmbH, 1988.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I. II.

III.

Systematische Übersicht Sperrjahr und Ausschüttungsverbot | 1 Das Sperrjahr im Einzelnen (Abs 1) 1. Fristlauf | 2 2. Verbotsinhalt | 3 Gläubigersicherung und Gläubigerbefriedigung (Abs 2, 3) 1. Gläubigergruppen | 6 2. Berücksichtigung bekannter Forderungen | 8

IV.

Sanktionen 1. Schutz des Gesellschaftsvermögens | 12 2. Individualschutz von Gläubigern | 14 3. Kein Gläubigerschutz bei Wahrung des Gesetzes | 17

I. Sperrjahr und Ausschüttungsverbot 1

§ 272 geht auf § 213 AktG 1937, § 301 HGB 1897 und Art 245 ADHGB zurück. Abs 1 wurde geändert durch G v 30.7.2009 (BGBl I S 2479). Im Normzweck ist der Vorrang der Gläubigerbefriedigung. Anders als § 73 GmbHG1 betont die Bestimmung nicht besonders, dass, wie aus Abs 2 und 3 sowie aus § 271 Abs 1 ersichtlich, die Vorabentrichtung der bekannten Gesellschaftsverbindlichkeiten in Gemeinschaft mit dem Sperrjahr eine zwingende gläubigerschützende Einheit darstellt.2 Vor allem fehlt eine dem § 73 Abs 3 entsprechende Schadensersatznorm (vgl dazu Rdn 16). Das Sperrjahr unterstützt den Vorrang der Gläubigerbefriedigung durch ein Thesaurierungsgebot.3 Dieser Vorrang gilt aber auch nach Ablauf des Sperrjahrs (Rdn 3).4 Die Vorschrift ist zwingend.5 Abweichende Regelungen, gleich ob in der Satzung oder in Einzelverträgen, sind nichtig. Im Fall einer AG & Co KG gilt das Sperrjahr, wenn beide Gesellschaften aufgelöst sind, entsprechend auch für Ausschüttungen aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft (dazu die Kommentierungen des § 73 GmbHG).

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1 Dazu Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 1 ff. 2 Dazu K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 1 ff. 3 Vgl Bürgers/Körber/Füller4 1; Spindler/Stilz/Bachmann4 2; KK/Winnen3 4; zur GmbH BGH GmbHR 2009, 712, 714 = NZG 2009, 659, 660; Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 2, 5; Grundlegung bei Karsten Schmidt DB 1994, 2013 ff; 2009, 1971 f. 4 Bürgers/Körber/Füller4 1 im Anschluss an K Schmidt ZIP 1981, 1 ff. 5 Statt vieler Bürgers/Körber/Füller4 2; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 2.

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Gläubigerschutz | § 272

II. Das Sperrjahr im Einzelnen (Abs 1) 1. Fristlauf Das Sperrjahr beginnt mit dem Tag, der auf die Bekanntmachung (§ 267) folgt, und 2 endet mit Ablauf des Jahrestags der Bekanntmachung (§§ 187, 188 Abs 2 BGB).6 2. Verbotsinhalt a) Abs 1 verbietet dem Wortlaut nach nur eine Vermögensverteilung vor dem Ab- 3 lauf des Sperrjahrs. Verteilung ist zunächst jede Leistung, die als Einlagenrückgewähr iS von § 57 Abs 1 anzusehen wäre.7 Auch verdeckte Ausschüttungen sind erfasst,8 ebenso Abschlagszahlungen auf die Liquidationsquote.9 Die Bestimmung ist ganz aus dem Gedanken des Thesaurierungsverbots zu verstehen und insofern strenger als § 57.10 Das aus dem Thesauierungsgebot resultierende Auszahlungsverbot erfasst auch Kreditausreichungen an Gesellschafter als Vorfinanzierung der Vermögensverteilung.11 Die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs ändert hieran nichts, denn § 57 Abs 1 Satz 2 idF des MoMiG ist, weil nur auf das Ausschüttungsverbot des § 57 bezogen, auf das Thesaurierungsgebot nicht anwendbar.12 Das auf die GmbH bezogene Urteil BGH GmbHR 2009, 712 = NZG 2009, 659 = ZIP 2009, 1111 nimmt zwar an, dass eine solche Vorabausschüttung auf den Liquidationserlös unter dem stillschweigenden Vorbehalt der Wiedereinzahlung bei geringerem Liquidationserlös vereinbart sei,13 doch ändert dieser Vorbehalt nichts an der Verbotswidrigkeit der Auszahlung. Aus einem Cash Pool muss die Gesellschaft allerdings nicht herausgelöst werden, wenn man die Einzahlung in einen Cash Pool richtig nicht einem Kredit gleichstellt.14 b) Nicht untersagt ist auch die Begleichung von Drittgläubigeransprüchen der 4 Aktionäre aus Verkehrsgeschäften mit der Gesellschaft.15 Hierzu gehören auch Darlehens-Rückzahlungsansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft sowie kreditweise gestundete Drittgläubigeransprüche. Ihr Nachrang im Insolvenzfall (§ 39 Abs 1 Nr 5 InsO) kommt im Liquidationsfall nicht zum Tragen.16 Die Gleichbehandlung von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen mit gezeichnetem Kapital und damit die Anwendung des Abs 1 ist durch das MoMiG von 2008 überholt (arg § 57 Abs 1 Satz 4), wie immer man das rechtspolitisch werten mag. Das gilt auch für sog. Finanzplankredite, also für Fremdfinanzierungsmaßnahmen, die als Risikokapitalbeiträge vereinbart sind.17

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6 Näher Spindler/Stilz/Bachmann4 3. 7 Vgl sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 3. 8 MK/Koch4 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 9 Hüffer/Koch14 2. 10 Vgl auch BGH GmbHR 2009, 712, 714 = NZG 2009, 659, 660 = ZIP 2009, 1111, 1114 (GmbH); Grundlegung bei Karsten Schmidt DB 1994, 2013 ff. 11 Bürgers/Körber/Füller4 4; Hüffer/Koch14 2; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 3; Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 5; auch hierzu Grundlegung bei Karsten Schmidt DB 1994, 2013, 2015. 12 Vgl zu § 73 GmbHG Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 5; Karsten Schmidt DB 2009, 1971, 1973 f; teils aM Grigoleit/Servatius 3. 13 Dazu auch Bürgers/Körber/Füller4 4. 14 Karsten Schmidt DB 2009, 1971, 1973 f; zust. Spindler/Stilz/Bachmann4 12. 15 K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4. 16 Karsten Schmidt DB 2009, 1971, 1972; zust Bürgers/Körber/Füller4 4; ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 5; anders möglicherweise K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 4. 17 Vgl über Finanzplankredite vor dem MoMiG BGHZ 142, 116 = NJW 1999, 2809 = ZIP 1999, 1263.

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§ 272 | Erster Abschnitt – Auflösung

Da die Bindung dieser Kredite keine gesetzliche und deshalb außerhalb der Insolvenz frei aufhebbar ist, steht Abs 1 einer Rückzahlung auch dieser Darlehen nicht entgegen. Auch wenn außerhalb eines Insolvenzverfahrens ein Rangrücktritt vereinbart ist (vgl dazu § 39 Abs 2 InsO) sollte es dabei bleiben.17a Ausnahmen müssen gelten in Fällen der Masselosigkeit nach § 262 Abs 1 Nr 4 iVm § 26 InsO resp § 207 InsO, weil diese Liquidation insolvenzrechtlichen Regeln zu folgen hat (vgl zum Streit über die masselose Liquidation § 262 Rdn 50).18 Hier kann eine Auszahlung an Gesellschafter ohne Berücksichtigung anderer Gesellschaftsgläubiger nicht hingenommen werden. 5

c) Umstritten ist die Behandlung von Dividendenauszahlungen aus vor der Auflösung nach § 174 beschlossener Gewinnausschüttung. Hier kommt grundsätzlich eine Zahlung nur noch in Betracht, soweit weder das Stammkapital noch die gesetzliche Rücklage angetastet wird.19 Die Streitfrage, ob auch das Sperrjahr abgewartet werden muss,20 ist seit dem MoMiG klar zu verneinen. Wenn ein der Gesellschaft als Kredit gestundeter Zahlungsanspruch von Abs 1 nicht erfasst ist (Rdn 4), kann hier nichts anderes gelten. III. Gläubigersicherung und Gläubigerbefriedigung (Abs 2, 3) 1. Gläubigergruppen

6

a) Das Gesetz macht einen Unterschied zwischen bekannten Gläubigern und unbekannten Gläubigern. Diese Unterscheidung ist ungenau.21 Richtigerweise bezieht sich der Unterschied auf bekannte und unbekannte Forderungen.22 Derselbe Gläubiger kann in diesem Sinne gleichzeitig mit der einen Forderung „bekannter Gläubiger“ und mit der anderen „unbekannter Gläubiger“ sein.

7

b) Dagegen besteht nach dem Gesetz kein Unterschied zwischen Neugläubigern und Altgläubigern.23 Das ist anders als im Insolvenzverfahren (vgl §§ 55 Abs 1 Nr 1, 207 Abs 1 Nr 2 InsO), weil § 272 von einer Kontinuität der Vermögensverwaltung ausgeht. 2. Berücksichtigung bekannter Forderungen

8

a) Bekannte Forderungen müssen berücksichtigt werden, sei es durch Befriedigung, sei es durch Hinterlegung (Abs 2), sei es durch Sicherheitsleistung. Auf eine Forderungsanmeldung, wie im Insolvenzverfahren, kommt es nicht an (vgl auch § 268 Abs 1 Satz 1 aE).

9

b) Die Befriedigung bekannter Gläubiger erfolgt zweckmäßig, jedoch nicht zwingend, in der Reihenfolge, in der sie sich gemeldet haben.24 Auf Gläubigergleichbehand-

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17a K Schmidt/K Schmidt/Herchen InsO3 § 39, 24; anders für den Fall einer insolvenzreifen Gesellschaft BGHZ 204, 231 = NJW 2015, 1672 = ZIP 2015, 638 m Anm Bitter/Heim. 18 Wie hier Spindler/Stilz/Bachmann4 5; zur GmbH vgl Karsten Schmidt DB 2009, 1971, 1974. 19 Bürgers/Körber/Füller4 5; Hüffer/Koch14 3; KK/Winnen3 10; MK/Koch4 10. 20 So Karsten Schmidt ZIP 1981, 1, 2; zust Bürgers/Körber/Füller4 5; dagegen zB Hüffer/Koch14 3; KK/Winnen3 10. 21 Ausführlich Karsten Schmidt ZIP 1981, 2 f. 22 Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 2; zust Bürgers/Körber/Füller4 6. 23 Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 6. 24 Näher Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 8.

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Gläubigerschutz | § 272

lung wie in der Insolvenz muss nur bei masseloser Insolvenz (262 Abs 1 Nr 4) geachtet werden.25 Erweist sich die Gesellschaft als zahlungsunfähig oder überschuldet, so unterliegen die Abwickler der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO (§ 268 Rdn 50). c) Hinterlegung nach Abs 2 ist geboten, wenn der Gläubiger einer bekannten Ver- 10 bindlichkeit unbekannt ist oder die Leistung wegen eines in der Gläubigersphäre liegenden Hindernisses nicht möglich ist (das Gesetz formuliert das dahin, dass sich der „bekannte“ Gläubiger „nicht meldet“), aber die Hinterlegungsvoraussetzungen nach §§ 372 ff BGB, 373 HGB vorliegen.26 Bei Abs 2 geht es nicht eigentlich um eine Vermehrung der Pflichten der Gesellschaft. Diese setzt sich vielmehr durch die Hinterlegung instand, nach Ablauf des Sperrjahrs mit der Verteilung zu beginnen, ohne die bekannte Forderung befriedigt zu haben.27 Das Gesetz verlangt auch keinen Verzicht der Gesellschaft auf das Rücknahmerecht (§ 376 Abs 2 Nr 1 BGB), jedoch ist der Verzicht im Interesse der Vollabwicklung der Gesellschaft regelmäßig opportun.28 Ist der Leistungsgegenstand nicht hinterlegungsfähig, so greift Abs 3 ein. d) Sicherheitsleistung nach Abs 3 ist geboten, wenn eine bekannte Verbindlichkeit 11 „zur Zeit nicht berücksichtigt werden kann“ oder „streitig“ ist.29 Die Verbindlichkeit kann „zur Zeit nicht berücksichtigt“ werden, wenn sie auf wiederkehrende Leistungen gerichtet oder noch betagt oder bedingt ist.30 Eine streitige Verbindlichkeit – auch ein streitiger Forderungsteil bei einer dem Grunde nach unbestrittenen Verbindlichkeit kommt in Frage31 – liegt vor, wenn sie ganz oder in der fraglichen Höhe von der Gesellschaft mit plausiblen Gründen bestritten wird.32 Eine offenkundig unbegründete Forderung, deren sich ein Gläubigerprätendent berühmt, fällt dagegen nicht unter Abs 3.33 Dagegen lässt auch im Fall der Rechtshängigkeit der Forderung nicht schon die bloße Erwartung einer Klagabweisung einen Verzicht auf Sicherheitsleistung zu.34 Einen klagbaren Anspruch des Gläubigers auf Sicherheitsleistung gibt Abs 3 nicht.35 Es geht nur um eine Vorbedingung der nach Ablauf des Sperrjahrs zulässigen Verteilung des Vermögens. Für Betriebsrenten gilt die Sonderbestimmung des § 4 Abs 4 BetrAVG.36

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25 Ebd. 26 Bürgers/Körber/Füller4 6; MK/Koch4 18; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 5; Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 19; Karsten Schmidt ZIP 1981, 1, 3. 27 Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 19. 28 Spindler/Stilz/Bachmann4 8. 29 Ausführlicher zum sinngleichen GmbH-Recht Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 20. 30 Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 31 Vgl MK/Koch4 21. 32 Bürgers/Körber/Füller4 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 33 Bürgers/Körber/Füller4 7; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 34 So Spindler/Stilz/Bachmann4 9; ausführlich Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 21. 35 Vgl RGZ 143, 303 = JW 1934, 859 m Anm Lehmann; Bürgers/Körber/Füller4 7; Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 20. 36 Dazu Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 20.

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§ 272 | Erster Abschnitt – Auflösung

IV. Sanktionen 1. Schutz des Gesellschaftsvermögens 12

a) Verstöße gegen §§ 271, 272 können wichtige Gründe für die Abberufung von Abwicklern sein. Diese machen sich ggf auch nach §§ 268 Abs 2, 93, 264 Nr 2, 116 ersatzpflichtig.37

13

b) Unzulässige Verteilungsmaßnahmen lösen Rückzahlungsansprüche gegen die Empfänger nach § 62 aus.38 Für den Fall einer Vorfinanzierung der Verteilung durch Vorschusskredite an die Aktionäre ist in Anlehnung an den GmbH-Fall BGH GmbHR 2009, 712 = NZG 2009, 659 = ZIP 2009, 1111 auch ein rechtsgeschäftlicher Rückzahlungsanspruch bei unzureichender Liquidationsmasse mit zu bedenken.39 Dagegen bestehen keine Ansprüche der Gesellschaft aus § 812 BGB40, weil die §§ 271, 272 keine gesetzlichen Verbote iS von § 134 BGB sind.41 2. Individualschutz von Gläubigern

14

a) Erfüllungsansprüche von Gläubigern, gerichtet auf Durchsetzung ihrer Forderung, können ohne weiteres gegen die von den Abwicklern vertretene Abwicklungsgesellschaft geltend gemacht werden. Insoweit gilt keine Besonderheit. Durchsetzbare Ansprüche auf Hinterlegung (Abs 2) bzw Sicherungsleistung (Abs 3) haben die einzelnen Gläubiger nicht (vgl Rdn 11, 12).

15

b) Die Frage kann deshalb nur sein, inwieweit den Gläubigern präventive Ansprüche und Rechtsbehelfe gegen Verletzung der §§ 271, 272 durch unzulässige Verteilungsmaßnahmen zustehen. Der Verfasser hat dies in einer älteren Arbeit für die GmbH bejaht (Arrest zum Schutz gefährdeter Ansprüche und Unterlassungsklage, evtl einstweilige Verfügung) gegen die Verletzung der §§ 271, 272.42

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c) Direktansprüche rechtswidrig übergangener Gläubiger gegen die Liquidatoren auf Schadensersatz wegen Verletzung des § 271 oder § 272 hat der Verfasser aus § 823 Abs 2 BGB hergeleitet.43 Dem folgen Teile des Schrifttums.44 Doch ist auch dies streitig geblieben.45 Im Bereich des § 73 GmbHG hat das Urteil BGHZ 218, 80 Ansprüche einzelner Gläubiger aus § 823 Abs 2 BGB abgelehnt und ist auf eine Schadensersatzhaftung analog

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37 KG AG 2009, 905, 907; Bürgers/Körber/Füller4 9; Hüffer/Koch13 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 13; vgl auch schon RGZ 143, 301, 304. 38 Vgl Bürgers/Körber/Füller4 9; Hüffer/Koch14 7; KK/Winnen3 24; Spindler/Stilz/Bachmann4 12; zum Recht der GmbH vgl BGH GmbHR 2009, 712 = NZG 2009, 659 = ZIP 2009, 1111 (§ 31 GmbHG). 39 Vgl auch Spindler/Stilz/Bachmann4 12. 40 MK/Koch4 31; Bürgers/Körber/Füller4 9; aM noch Karsten Schmidt ZIP 1981, 1, 6. 41 RGZ 92, 77, 79 (GmbH); zum Aktienrecht mit unterschiedlichen Begründungen Bürgers/Körber/Füller4 9 (Spezialität des § 62); Hüffer/Koch13 7 (wie hier, vorbehaltlich § 138 BGB). 42 Karsten Schmidt ZIP 1981, 1 ff; zusammenfassend Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 23 ff mit umfangreichen Nachweisen; zust zB Bürgers/Körber/Füller4 10; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 7; krit zum Unterlassungsanspruch Spindler/Stilz/Bachmann4 11. 43 Karsten Schmidt ZIP 1981, 1, 8; vgl auch Scholz/Scheller GmbHG12 § 73, 39 ff. 44 Vgl Hüffer/Koch14 7; MK/Koch4 35 (s aber Rn 34); Spindler/Stilz/Bachmann4 13. 45 Vgl Bürgers/Körber/Füller4 9.

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Schluss der Abwicklung | § 273

§ 268 Abs 2 Satz 1 iVm § 93 Abs 5 ausgewichen.45a Diese Bestimmungen sind im Fall einer aufgelösten AG direkt anwendbar.45b 3. Kein Gläubigerschutz bei Wahrung des Gesetzes Leer ausgehende Gläubiger erhalten bei Einhaltung der gesetzlichen Regeln Kom- 17 pensation weder von der etwa noch bestehenden Gesellschaft noch von den Gesellschaftern noch von den Abwicklern.

§ 273 Schluss der Abwicklung Erster Abschnitt – Auflösung Schluss der Abwicklung § 273 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-019

(1) 1Ist die Abwicklung beendet und die Schlussrechnung gelegt, so haben die Abwickler den Schluss der Abwicklung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Die Gesellschaft ist zu löschen. (2) Die Bücher und Schriften der Gesellschaft sind an einen vom Gericht bestimmten sicheren Ort zur Aufbewahrung auf zehn Jahre zu hinterlegen. (3) Das Gericht kann den Aktionären und den Gläubigern die Einsicht der Bücher und Schriften gestatten. (4) 1Stellt sich nachträglich heraus, dass weitere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind, so hat auf Antrag eines Beteiligten das Gericht die bisherigen Abwickler neu zu bestellen oder andere Abwickler zu berufen. 2§ 265 Abs 4 gilt. (5) Gegen die Entscheidungen nach den Absätzen 2, 3 und 4 Satz 1 ist die Beschwerde zulässig. Schrifttum Buchner Amtslöschung, Nachtragsliquidation und masselose Insolvenz von Kapitalgesellschaften, 1988; Eller Liquidation der GmbH, 2009, Rdn 162 ff; Ehricke/Rotstegge in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel II, 2007, Rdn 25.59 ff; Fichtelmann Fortsetzung einer aufgelösten GmbH, GmbHR 2003, 67; Galla Nachtragsliquidation bei Kapitalgesellschaften, 2005; Heller Die vermögenslose GmbH, 1989; Hennrichs Fortsetzung einer mangels Masse aufgelösten GmbH, ZHR 159 (1995), 593; Hönn Die konstitutive Wirkung der Löschung von Kapitalgesellschaften, ZHR 138 (1974), 50; Hüffer Das Ende der Rechtspersönlichkeit von Kapitalgesellschaften, in: Gedächtnisschrift Schultz, 1987, S 99; Krafka/Willer/Kühn Registerrecht, 8. Aufl 2010; Küster Die Nachtragsliquidation von Kapitalgesellschaften unter dem Blickwinkel des § 11 Abs 1 Satz 2 KStG, DStR 2006, 209; Lindacher Die Nachgesellschaft, in: FS Henckel, 1995, S 549; Marowski Rechtsverhältnisse bei gelöschten Kapitalgesellschaften, JW 1938, 11; Richert Zur Frage der Wiedereintragung einer gelöschten Kapitalgesellschaft als noch in Liquidation befindlich, MDR 1956, 150; Saenger Die im Handelsregister gelöschte GmbH im Prozess, 1989; K Schmidt Löschung und Beendigung der GmbH, GmbHR 1988, 209; Schumann Die rechtliche Stellung einer AG und einer GmbH nach ihrer Liquidation, 1930; Waldmann Zur Wiedereröffnung der Liquidation von Handelsgesellschaften, DFG 1944, 6.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

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45a BGHZ 218, 80 = DB 2018, 1073 = DStR 2018, 1307 = DZWIR 2018, 456 = GmbHR 2018, 570 m Anm Wachter = NJW-RR 2018, 738 = NZG 2018, 625 = ZIP 2018, 870 = EWiR 2018, 421 m Anm Kleindiek. 45b Vgl auch KK/Winnen3 26.

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K. Schmidt

§ 273 | Erster Abschnitt – Auflösung

I.

II.

III.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Norminhalt und Normgeschichte | 2 2. Vollbeendigung durch Vermögenslosigkeit und Löschung | 2 Die Löschung (Abs 1) 1. Anmeldung | 4 2. Die Löschung | 7 Aufbewahrung von Büchern und Schriften (Abs 2) sowie Einsichtsrecht (Abs 3)

IV.

V.

1. Aufbewahrung (Abs 2) | 9 2. Einsichtnahme (Abs 3) | 11 Nachtragsliquidation (Abs 4) 1. Der Tatbestand | 12 2. Bestellung der Nachtragsabwickler | 15 3. Gesellschaft in Nachtragsliquidation | 18 4. Rechtsstellung der Nachtragsabwickler | 20 Rechtsmittel (Abs 5) | 21

I. Grundlagen 1. Norminhalt und Normgeschichte 1

Die Bestimmung befasst sich mit dem Schluss der Abwicklung, mit der Vollbeendigung der Gesellschaft, mit der Hinterlegung von Büchern und Schriften der gelöschten Gesellschaft und mit der Nachtragsliquidation im Fall einer nur scheinbaren Vollbeendigung. Zwischen den Zeilen handelt § 273 auch von Pflichten der Abwickler (Schlussrechnung und Anmeldung). Vorgängerbestimmung waren Art 24 ADHGB, § 302 HGB 1897, § 214 AktG 1937. 2. Vollbeendigung durch Vermögenslosigkeit und Löschung

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a) Der Eintritt der Vollbeendigung der Gesellschaft, also ihr Erlöschen als Rechtsträger, ist im Gesetz nicht geklärt. In der Vergangenheit wurde angenommen, Vollbeendigung trete ein, wenn das verteilungsfähige Vermögen erschöpft ist.1 Der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister wurde nur deklaratorische Wirkung beigemessen.2 Eine vereinzelt vertretene Gegenansicht sah die Löschung als konstitutiv in dem Sinne an, dass sie zwingend und unmittelbar zum Erlöschen des Rechtsträgers führt.3 Weitgehend durchgesetzt hat sich die auf den Verfasser4 zurückgehende Lehre vom Doppeltatbestand:5 Die Kapitalgesellschaft erlischt, wenn Löschung und Vermögenslosigkeit zusammentreffen (zum Erlöschen der Gesellschaftsverbindlichkeiten vgl Rdn 3). Zum Tatbestand der Vermögenslosigkeit vgl sinngemäß § 262 Rdn 64. Ist die Gesellschaft vermögenslos, aber nicht gelöscht, so besteht sie als vermögenslose juristische Person im Auflösungsstadium weiter (insbesondere beendet dieser Tatbestand nicht die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO). Zur Frage, ob eine vermögenslose Gesellschaft durch Ausstattung mit Vermögen und Fortsetzungsbeschluss aus dem Auflösungsstadium herausgeführt werden kann, vgl § 274 Rdn 19. Ist die Gesellschaft gelöscht, aber nicht ver-

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1 So hier in der 3. Aufl (Wiedemann). 2 So auch hier noch die 3. Aufl (Wiedemann) Rdn 3; zur GmbH RGZ 109, 391; RGZ 134, 94; RGZ 149, 297; BGHZ 53, 264, 266 = NJW 1970, 1944. 3 Schlegelberger/Quassowski AktG3 § 214 Anm. 9, 10; Heller S 54 ff; Hönn ZHR 138 (1974), 50, 52, 69; Hüffer GS Schultz, 1987, S 99, 103 ff; in gleicher Richtung (jedoch mit Anerkennung eines Fortlebens als „Nachgesellschaft“ KK/Winnen3 20. 4 Zusammenfassend Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 15; Karsten Schmidt GmbHR 1994, 829, 832; 1988, 209 ff. 5 Karsten Schmidt GmbHR 1994, 829, 834; 1988, 209, 211; Ehricke/Rotstegge in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, 2007, Rdn 25.62; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 2.

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Schluss der Abwicklung | § 273

mögenslos, so besteht sie trotz Löschung fort,6 und zwar nicht bloß als „Nachgesellschaft“,7 sondern als eine den Regeln des Gesetzes unterliegende, zu Unrecht gelöschte AG. Nach einer Variante dieser Lehre (erweiterter Doppeltatbestand oder Dreifachtatbestand) besteht die Gesellschaft auch dann fort, wenn noch einzelne Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind.8 Dem wird hier nicht gefolgt (vgl Rdn 14). b) Ersatzloses Erlöschen tritt ein, wenn die Gesellschaft gelöscht und vermögens- 3 los ist (Rn 2). In diesem Fall erlöschen auch alle Gesellschaftsverbindlichkeiten9 bzw – so die Gegenansicht10 – fällt das Haftungssubstrat fort. Der Konstruktion einer „latent weiter existierenden“11 Nachgesellschaft12 bedarf es nicht. Die Haftung akzessorischer Kreditsicherheiten (Hypotheken, Pfandrechte, Barguthaben) endet nicht durch das auf Vermögenslosigkeit beruhende Erlöschen der Schuldnerin.13 Neue Prozesse, auch Passivprozesse, sind mangels Parteifähigkeit grundsätzlich unzulässig.14 Eine Fortsetzung laufender Prozesse verträgt sich grundsätzlich nicht mit der Löschung. Die Löschung ist, solange nicht im Zuge der Liquidation alle Prozesse beendet wurden, grundsätzlich unzulässig.15 Die Rechtsfolgen einer gleichwohl erfolgten Löschung sind umstritten.16 Eine während des laufenden Prozesses gelöschte Gesellschaft kann einen Aktivprozess, mit dem ein Vermögensrecht der Gesellschaft reklamiert wird, fortführen.17 Eine Klage in Prozessstandschaft ist, weil kein Eigenvermögen der Gesellschaft geltend gemacht wird, dagegen unzulässig.18 Ein Passivprozess der durch einen Anwalt vertretenen Gesellschaft kann, schon wegen des im Fall der Klageabweisung zu erwartenden Kostentitels, fortgesetzt werden (vgl auch §§ 241, 246 ZPO).19 Der Rechtsstreit kann allerdings von der Klägerseite für in der Hauptsache erledigt erklärt werden.20 Wird von der Klägerseite das Vorhandensein von Vermögen behauptet, so wird die Gesellschaft noch als existent, die Klage also einstweilen als zulässig angesehen.21 Wird diese Behauptung erst nachträglich in den Prozess eingeführt, so ändert dies nichts, weil die Widersprüchlichkeit dieser Einlassung nur bei der Beweiswürdigung zum Tragen kommt.21a Das bei der Fortführung vor allem von Aktivprozessen entstehende Kostendilemma muss evtl durch Schadensersatzansprüche gegen die (vormaligen) Liquidatoren ausgeglichen werden.

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6 Das wird hier nicht bestritten (so auch Spindler/Stilz/Bachmann4 12), ist vielmehr Teil der Lehre vom Doppeltatbestand. 7 AM Spindler/Stilz/Bachmann4 10, 20; § 262, 91 f im Anschluss an Buchner, Lindacher und Hubert Schmidt. 8 Galla S 19 ff im Anschluss an Bork JZ 1991, 841, 844 f; Saenger, GmbHR 1994, 300, 302. 9 MK/Koch4 § 262, 86; Hüffer/Koch13 8. 10 Relativistisch Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 16. 11 Spindler/Stilz/Bachmann4 12. 12 So etwa Buchner S 115 ff; Heller S 141 f; Hubert Schmidt S 146 ff; Lindacher FS Henckel, 1995, S 549 ff. 13 BGH NJW 1982, 875 = ZIP 1982, 294 m Anm Karsten Schmidt (KG); OLG Köln GmbHR 2004, 1020, 1021; Hüffer/Koch14 8; Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 17. 14 AllgM; vgl im Grundsatz auch Spindler/Stilz/Bachmann4 13 f. 15 Näher Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 20 mit Angaben zum Streitstand. 16 Eingehend Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 21 ff mwN. 17 Vgl ebd; s auch OLG München NZG 2017, 1071 Rn 20. 18 Ebd. 19 Ebd; KK/Winnen3 23; aM OLG Rostock NZG 2002, 94: Wegfall der Parteifähigkeit (GmbH); s auch Hüffer/Koch14 9. 20 Spindler/Stilz/Bachmann4 14a. 21 Charakteristisch BGH NZG 2012, 916 (GmbH); s auch zu § 74 GmbHG BGH NJW 2015, 2424 = NZG 2015, 952 = ZIP 2015, 1335. 21a Vgl sinngemäß (zu § 74 GbmHG) BGH NJW 2015, 2424 = NZG 2015, 952 = ZIP 2015, 1335.

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§ 273 | Erster Abschnitt – Auflösung

II. Die Löschung (Abs 1) 1. Anmeldung 4

a) Zuständig für die Anmeldung nach § 1 sind die Abwickler in vertretungsberechtigter Zahl (§ 269 Abs 2).22 Sie sind, weil kein vermögensloser Rechtsträger fortbestehen soll, hierzu auch verpflichtet. Im Fall des § 269 Abs 3 ist auch die Anmeldung in unechter Gesamtvertretung (durch Abwickler und Prokuristen) zulässig.22a

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b) Inhalt der Anmeldung ist nicht ein Antrag auf Löschung der Gesellschaft, sondern die Mitteilung, dass die Abwicklung beendet und Schlussrechnung gelegt ist.23 Wird, verbunden mit dieser Mitteilung ein Löschungsantrag gestellt, so ist dies unschädlich. Die Form ergibt sich aus § 12 HGB.

6

c) Zeitpunkt der Anmeldung ist die Beendigung der Abwicklung und der Vollzug der Schlussrechnung. Zur Beendigung der Abwicklung gehört die Beendigung aller mit der Gesellschaft geführten Rechtsstreitigkeiten, der Ablauf des Sperrjahrs und die Vermögensverteilung.24 Die Schlussrechnung ist nicht die Schlussbilanz der Gesellschaft (dazu § 270 Rdn 18), sondern eine geordnete Abrechnung der Abwickler nach § 259 BGB (§ 270 Rdn 19).25 Die Billigung der Schlussrechnung durch die Hauptversammlung hat nach hM Präklusionswirkung hinsichtlich möglicher Haftungsansprüche.26 Das kann für den Gläubigerschutz (§ 272 Rdn 17) nicht gelten. 2. Die Löschung

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a) Das Registergericht prüft die Löschungsvoraussetzungen und die Buchungsmäßigkeit der Anmeldung.27 Die Eintragung lautet nicht „die Firma ist erloschen“ (so zB § 157 Abs 1 HGB), sondern „Die Gesellschaft ist erloschen“.28

8

b) Über die konstitutive Wirkung der Löschung vgl Rdn 2. Die Konstitutivwirkung zielt auf das Erlöschen der Gesellschaft als Rechtsträger (Rdn 3), aber sie schließt nach der Lehre vom Doppeltatbestand ein Fortbestehen der Gesellschaft nicht aus, wenn noch Liquidationsbedarf besteht. III. Aufbewahrung von Büchern und Schriften (Abs 2) sowie Einsichtsrecht (Abs 3) 1. Aufbewahrung (Abs 2)

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a) Bücher und Schriften sind alle Unterlagen iSv § 257 HGB, auch das Aktienregister (§ 67) und alle Abwicklungsunterlagen.29

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22 22a 23 24 25 26 27 28 29

Hüffer/Koch14 5; KK/Winnen3 17. Hüffer/Koch14 5; KK/Winnen3 17. Krafka/Kühn/Krafka Rdn 1667; s auch Hüffer/Koch14 4. Statt vieler K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 3. Bürgers/Körber/Füller4 3; Hüffer/Koch14 3. Vgl ebd. Krafka/Kühn/Krafka Rdn 1668; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. Nach Spindler/Stilz/Bachmann4 9: „Die Abwicklung ist beendet. Die Gesellschaft ist erloschen.“ Vgl nur Hüffer/Koch14 10; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 8.

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Schluss der Abwicklung | § 273

b) Aufbewahrungspflichtig sind die Abwickler.30 Den Ort der Aufbewahrung (zB 10 Treuhandgesellschaft, Bank) bestimmt das Gericht unter Anhörung der Abwickler nach pflichtgemäßem Ermessen.31 Dies ist ein gerichtlicher Auftrag, nicht eine fortwirkende Tätigkeit der Gesellschaft. Für die Kosten der Aufbewahrung ist Vermögen zurückzuhalten,32 und zwar treuhänderisch, da vom Erlöschen der Gesellschaft auszugehen ist. 2. Einsichtnahme (Abs 3) Hierüber entscheidet das Gericht gleichfalls nach pflichtmäßigem Ermessen. Infor- 11 mationsbedürfnissen der Aktionäre (auch ehemaliger) bzw Gläubiger hat es zu entsprechen. Daneben besteht unter den Voraussetzungen des § 810 BGB ein zivilrechtlich einklagbares Einsichtsrecht.33 IV. Nachtragsliquidation (Abs 4) 1. Der Tatbestand Den Tatbestand der Nachtragsliquidation beschreibt Abs 4 dahingehend, dass wei- 12 tere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind. Zwei Varianten unterscheidet die hM:34 zum einen das Vorhandensein von Gesellschaftsvermögen (Rdn 13), zum anderen die Notwendigkeit sonstiger Abwicklungsmaßnahmen, insbesondere Namen der Gesellschaft abzugebender Erklärungen (Rn 14). a) Vorhandenes der Liquidation bedürftiges Restvermögen hindert das Erlö- 13 schen der Gesellschaft (Rdn 2 f). Diese muss hierfür von Nachtragsliquidatoren vertreten werden. Zuordnungsobjekt ist die als juristische Person fortbestehende Gesellschaft.35 Dies ist ein Fall echter Nachtragsliquidation. b) Die zweite Fallgruppe besteht in der Notwendigkeit weiterer Abwicklungs- 14 maßnahmen, dh etwa noch fehlender Rechtsgeschäfte oder Prozesshandlungen, zB im Grundbuchrecht, im Steuerrecht oder im Arbeitsrecht36 unter Einschluss von Arbeitszeugnissen.37 Als Zuordnungsobjekt wird auch hier die gelöschte, jedoch (als Nachgesellschaft) noch vorhandene Gesellschaft bezeichnet.38 Nach der hier vertretenen Auffassung (Rdn 2, 3) trifft dies nur zu, soweit noch abzuwickelndes Vermögen vorhanden ist. Da dieses nicht herrenlos sein soll, hat die Annahme eines Fortbestands der Gesellschaft einen auch praktisch-pragmatischen Wert. Wo kein abzuwickelndes Vermögen mehr vorhanden ist, genügt, dass die nachwirkenden Erklärungen als Abwicklungsmaßnahmen der bereits erloschenen Gesellschaft zugerechnet werden. Der Fiktion ihres Fortbe-

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30 Spindler/Stilz/Bachmann4 15. 31 MK/Koch4 21. 32 Spindler/Stilz/Bachmann4 17. 33 Bürgers/Körber/Füller4 9; Hüffer/Koch14 11. 34 Vgl nur Grigoleit/Servatius 14; Hüffer/Koch14 14; KK/Winnen3 42 ff. 35 Insoweit wie hier die hM; vgl Grigoleit/Servatius 15; vgl auch Hüffer/Koch14 13 mwN; Bürgers/Körber/Füller4 10. 36 Statt vieler Hüffer/Koch14 14; Spindler/Stilz/Bachmann4 21, BGHZ 105, 259, 262 = NJW 1989, 220 (GmbH); BFHE 169, 294, 297 f = NJW 1993, 2133, 2134 (KG); wN bei Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 26 ff. 37 KG Berlin AG 2002, 86, 87; KK/Winnen3 44; Spindler/Stilz/Bachmann4 21. 38 Vgl nur KG Berlin AG 2002, 86, 87; Hüffer/Koch14 13; Spindler/Stilz/Bachmann4 10.

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§ 273 | Erster Abschnitt – Auflösung

stehens als vollbürtige Rechtsträgerin bedarf es nicht.39 Was § 273 Abs 4 als (Neu-)Bestellung von (Nachtrags-)Abwicklern bezeichnet, ist hier nichts als ein gerichtlicher Auftrag zur Abgabe von nachwirkenden Erklärungen rechtsähnlich Abs 2 (dazu Rdn 10). Für diesen Fall wird hier von unechter Nachtragsliquidation gesprochen (vgl auch § 264 Rdn 18). 2. Bestellung der Nachtragsabwickler 15

a) Zuständig ist das Amtsgericht am Registersitz der Gesellschaft (§§ 23 GVG, 375, 376 GVG).

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b) Den Antrag auf Bestellung kann jeder Beteiligte stellen. Wer das ist, richtet sich nach dem Interesse an Liquidationsmaßnahmen. Grundsätzlich sind antragsberechtigt:40 jeder Aktionär im Zeitpunkt der Löschung,41 jedes Organ im Zeitpunkt der Löschung42 und jeder Gläubiger (zB auch die Finanzbehörde).

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c) Die Auswahl der Nachtragsabwickler steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.43 Eine Pflicht, die vormaligen Abwickler wiederzubestellen, kann zB im Fall der Abgabe einer nachträglichen eidesstattlichen Versicherung bestehen.44 3. Gesellschaft in Nachtragsliquidation

Ob die Wiedereintragung der gelöschten Gesellschaft vonnöten oder auch nur rechtlich möglich ist,45 wird überwiegend verneint.46 Nach der hier vertretenen Ansicht kommt eine Wiedereintragung der nur scheinbar erloschenen Gesellschaft in Betracht, wenn noch Gesellschaftsvermögen abgewickelt werden muss (echte Nachtragsabwicklung nach Rdn 13), nicht dagegen bei der bloßen Notwendigkeit einer einzelnen Erklärung (unechte Nachtragsabwicklung nach Rdn 14).47 Die gleichfalls umstrittene und überwiegend verneinte Frage nach der Eintragung der Nachtragsliquidatoren ist in demselben Sinn zu entscheiden.48 Nur der noch mit der Vermögensabwicklung befasste Liquidator ist Organ einer noch bestehenden Gesellschaft. Unterschiedlich zu beantworten ist die Parteifähigkeit der gelöschten Gesell19 schaft. Für Fälle echter Nachtragsliquidation eines noch vorhandenen Gesellschaftsvermögens (Rn 13) ist sie zu bejahen,49 in den Fällen bloß abzugebender Erklärungen (Rn 14) nach der hier vertretenen Ansicht nicht.50

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39 Ausführlich Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 26 ff; ähnlich Ehricke/Rotstegge in Bayer/Habersack Rdn 25.64; wohl auch Grigoleit/Servatius 16; ablehnend Galla S 43 f. 40 Hüffer/Koch14 15. 41 OLG Jena ZIP 2001, 377, 378; KG NZG 1999, 163, 164; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 11. 42 OLG Jena ZIP 2001, 377, 378; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 11; Spindler/Stilz/Bachmann4 25. 43 KK/Winnen3 49; MK/Koch4 39; Spindler/Stilz/Bachmann4 22. 44 Ebd. 45 Bejahend hier Wiedemann 3. Aufl, 5c. 46 Bürgers/Körber/Füller4 10; KK/Winnen3 56; Spindler/Stilz/Bachmann4 29. 47 Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 27 f. 48 Angaben bei Spindler/Stilz/Bachmann4 29; Ries Rpfleger 2008, 231. 49 Insoweit wie hier OLG Koblenz NZG 2007, 431 (GmbH); Galla S 22; Spindler/Stilz/Bachmann4 30. 50 AM Spindler/Stilz/Bachmann4 30a.

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Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft | § 274

4. Rechtsstellung der Nachtragsabwickler Die Rechte und Pflichten, insbesondere die Vertretungsmacht der Nachtragsab- 20 wickler sind gleichfalls umstritten. Teils wird die Vertretungsmacht auf die noch erforderlichen Handlungen beschränkt,51 teils wird dies abgelehnt52, teils von der Entscheidung des Gerichts abhängig gemacht.52a Richtig scheint, auch hier zwischen den beiden Tatbeständen des Abs 4 zu unterscheiden: Wo noch eine Abwicklungsgesellschaft und Gesellschaftsvermögen vorhanden ist (echte Nachtragsliquidation nach Rdn 13), gilt § 269; wo nur noch einzelne Erklärungen abzugeben sind (unechte Nachtragsliquidation nach Rdn 14), sind die nur zu diesem Zweck bestellten Abwickler auf diese beschränkt53. Ähnliches gilt für sonstige Abwickleraufgaben. Insbesondere unterliegen Nachtragsabwickler im Fall der echten Nachtragsliquidation, der Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO).54 Im Fall der unechten Nachtragsliquidation (Rdn 14) fehlt es an der Schuldnerin wie auch an einem als Masse taugenden Gesellschaftsvermögen. V. Rechtsmittel (Abs 5) Die im Hinblick auf § 63 FamFG überflüssig gewordene Bestimmung des Abs 5 zählt 21 als beschwerdefähige Entscheidungen die folgenden auf:55 die Ablehnung eines Löschungsantrags (Abs 1), die Bestimmung des Verwahrungsrechts (Abs 2), die Zubilligung oder Versagung der Einsichtnahme (Abs 3), die Bestellung oder Nichtbestellung von Nachtragsliquidatoren (Abs 4). Beschwert und damit beschwerdebefugt kann auch die etwa noch fortbestehende Gesellschaft sei.

§ 274 Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft Erster Abschnitt – Auflösung Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft § 274 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-020

(1) 1Ist eine Aktiengesellschaft durch Zeitablauf oder durch Beschluss der Hauptversammlung aufgelöst worden, so kann die Hauptversammlung, solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen ist, die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. 2Der Beschluss bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. 3Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (2) Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft 1. durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst, das Verfahren aber auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben worden ist; 2. durch die gerichtliche Feststellung eines Mangels der Satzung nach § 262 Abs 1 Nr 5 aufgelöst worden ist, eine den Mangel behebende Satzungsände-

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51 So KG NZG 1999, 163, 165; Hüffer/Koch14 18; Spindler/Stilz/Bachmann4 23; für die GmbH OLG München NZG 2008, 555, 557. 52 So Grigoleit/Servatius 18; für die GmbH OLG Koblenz NZG 2007, 431 f. 52a So offenbar Bürgers/Körber/Füller4 13. 53 Vgl sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 74, 36. 54 Ebd. 55 Näher Spindler/Stilz/Bachmann4 32.

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§ 274 | Erster Abschnitt – Auflösung

rung aber spätestens zugleich mit der Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen wird. (3) 1Die Abwickler haben die Fortsetzung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Sie haben bei der Anmeldung nachzuweisen, dass noch nicht mit der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft unter die Aktionäre begonnen worden ist. (4) 1Der Fortsetzungsbeschluss wird erst wirksam, wenn er in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. 2Im Falle des Absatzes 2 Nr 2 hat der Fortsetzungsbeschluss keine Wirkung, solange er und der Beschluss über die Satzungsänderung nicht in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden sind; die beiden Beschlüsse sollen nur zusammen in das Handelsregister eingetragen werden. Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

II.

III.

Systematische Übersicht Grundlagen 1. Das Konzept der Fortsetzung | 1 2. Gesetzesgeschichte | 2 3. Vom Katalog der Fortsetzungsfälle zur konstitutionellen Fortsetzungsfähigkeit aufgelöster Gesellschaften | 3 Grunderfordernisse der Fortsetzung (Abs 1) 1. Das Prinzip | 4 2. Beseitigung der Auflösungsreife | 5 3. Der Fortsetzungsbeschluss | 6 4. Keine Vermögensverteilung | 10 Der gesetzliche Katalog der Fortsetzungsfälle

1.

IV.

V.

Fortsetzung nach Auflösung durch Zeitablauf oder Beschluss (Abs 1) | 12 2. Fortsetzung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abs 2 Nr 1) | 14 3. Fortsetzung nach Feststellung eines Satzungsmangels (Abs 2 Nr 2) | 16 Sonstige Fortsetzungsfälle 1. Das Prinzip | 17 2. Zulässige Fortsetzung | 18 3. Unzulässige Fortsetzung | 19 Anmeldung und Eintragung (Abs 3, 4) 1. Konstitutive Eintragung | 20 2. Rechtsfolgen | 22

I. Grundlagen 1. Das Konzept der Fortsetzung 1

Die Fortsetzung der Gesellschaft als einer juristischen Person ist die Herausführung aus dem Abwicklungsstadium und Wiederhineinführung in das Stadium der sog. werbend tätigen Gesellschaft.1 Sie ist klar von der (Nachtrags-)Liquidation einer im Handelsregister gelöschten, aber nicht wirklich vermögenslosen Gesellschaft zu unterscheiden (dazu vgl § 262 Rdn 63, § 264 Rdn 15 ff, § 273 Rdn 12 ff). In diesen ganz andersartigen Fällen geht es um die (Wieder-)Aufnahme einer zuvor als gegenstandslos eingeschätzten Abwicklung. Durch Fortsetzung wird eine zunächst aufgelöste, aber nicht vollbeendete Gesellschaft unter Wahrung ihrer Identität ohne weitere Abwicklungsmaßnahmen als „werbende“ Rechtsträgerin fortgeführt.2 Die Fortsetzung einer aufgelösten,

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1 Vgl Henssler/Strohn/Drescher4 1, 10; Hüffer/Koch13 1; KK/Winnen3 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 20; Hölters/Hirschmann 18; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber3 8. 2 MK/Koch4 32; Hölters/Hirschmann3 18.

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Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft | § 274

aber noch nicht erloschenen Gesellschaft hat sich als allgemeines Institut in der Lehre der rechtsfähigen Gesellschaften herausgebildet.3 2. Gesetzesgeschichte Vorgängerregelungen sind § 307 HGB 1897 und § 215 AktG 1937. § 307 HGB 1897 2 ließ die Fortsetzung einer aufgelösten Aktiengesellschaft in zwei Fällen zu: (1) wenn eine Gesellschaft zum Zwecke der Veräußerung ihres Vermögens im Ganzen oder zum Zwecke der Umwandlung in eine andere Gesellschaft aufgelöst worden war und der beabsichtigte Zweck nicht erreicht wurde; (2) wenn die Gesellschaft durch die Eröffnung des Konkurses aufgelöst, der Konkurs aber nach Abschluss eines Zwangsvergleichs aufgehoben oder auf Antrag des Gemeinschuldners eingestellt worden war. § 215 AktG 1937 trug einer Fortentwicklung durch Rechtslehre und Rechtsprechung (vgl Rn 4) Rechnung. § 274 übernahm in seiner ursprünglichen Fassung weitgehend diesen Stand. Das Koordinierungsgesetz vom 15. August 19694 erweiterte die Fortsetzungsfälle abermals mit Rücksicht auf den in § 262 Abs 1 Nr 5 neu aufgenommenen Auflösungsgrund durch die Nr 2 des Abs 2 und den neueigefügten Satz 2 in Abs 4. Durch Art 47 EG-InsO vom 5.10.19945 wurde Abs 2 Nr 1 im Zuge der Insolvenzrechtsreform neu gefasst. 3. Vom Katalog der Fortsetzungsfälle zur konstitutionellen Fortsetzungsfähigkeit aufgelöster Gesellschaften Solange eine aufgelöste Gesellschaft als Rechtsträgerin nicht erloschen ist (dazu 3 § 273 Rdn 2), ist sie konstitutionell fortsetzungsfähig, also tauglich für die Rückführung aus dem Auflösungsstadium in das Stadium einer „werbenden“, dh nicht aufgelösten, Gesellschaft (vgl § 262 Rdn 5).6 Durch diese Einsicht hat sich das Verständnis des § 274 gegenüber den Vorgängervorschriften verändert. Galt die Bestimmung ursprünglich als katalogartige Anerkennung einzelner Fortsetzungsfälle, so wird in ihr heute eine Begrenzung der Fortsetzungsfälle erblickt.7 Gemeinsam ist beiden Sichtweisen die Annahme eines numerus clausus gesetzlich zugelassener Fortsetzungsvarianten. Ob § 274 für den Schluss taugt, dass die darin nicht genannten Auflösungsgründe keine Fortsetzung zulassen, ist auf dieser Grundlage streitig (Rdn 18). II. Grunderfordernisse der Fortsetzung (Abs 1) 1. Das Prinzip Die Grunderfordernisse der Fortsetzung sind aus heutiger Sicht nicht mehr dem 4 § 274 zu entnehmen,8 sondern sie folgen aus allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regeln:9 Ähnlich wie bei der Vollbeendigung, die die Gesellschaft durch deren Erlöschen aus dem Liquidationsstadium herausführt (§ 273 Rdn 2), setzt auch die Beendigung des Liquidationsstadiums durch Fortsetzung einen Doppeltatbestand voraus.10 Die Fortset-

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3 4 5 6 7 8 9 10

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Karsten Schmidt GesR4 § 11 V 5; Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 95. BGBl I S 1146. BGBl I S 2911. Karsten Schmidt GesR4 § 11 V 5; Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 95. Spindler/Stilz/Bachmann4 1; Henssler/Strohn/Drescher4 1. So aber zB Bürgers/Körber/Füller4 2; wohl auch Grigoleit/Servatius 1. MK/Koch4 2. Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 68.

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§ 274 | Erster Abschnitt – Auflösung

zung setzt außer dem Auflösungstatbestand erstens einen Fortsetzungsbeschluss (Rdn 6 ff) und zweitens eine Beseitigung des Auflösungsgrunds (Rdn 5) voraus. Nicht selten wird – wie zB im Fall des Abs 2 Nr 2 oder bei einer Kapitalerhöhung im Fall der Überschuldung – auch die Beseitigung des Auflösungsgrunds durch den Beschluss bewerkstelligt (Rdn 7). Gleichwohl handelt es sich um eine doppelte Fortsetzungsvoraussetzung. Hinzu kommt als doppelte negative Voraussetzung, dass die Gesellschaft nicht erloschen (§ 273 Rdn 2, 3) und dass nicht mit der Verteilung begonnen worden sein darf (Rdn 11 f). 2. Beseitigung der Auflösungsreife 5

Der Tatbestand der materiellen Auflösungsreife (§ 262 Rdn 16 ff) muss beseitigt werden.11 Im Fall der Kumulation von Auflösungsgründen (§ 262 Rdn 9) muss jeder Auflösungsgrund beseitigt werden. 3. Der Fortsetzungsbeschluss

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a) Zuständig für den Fortsetzungsbeschluss ist die Hauptversammlung. Seit dem 1.3.2012 (Inkrafttreten des ESUG) kann auch durch einen Insolvenzplan die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft beschlossen (§ 225a Abs 3 InsO) und durch gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans (§ 248 InsO) wirksam werden.12

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b) Der Fortsetzungsbeschluss setzt keine Satzungsänderung voraus, hat also als solcher keinen satzungsändernden Charakter.13 Das gilt auch im Fall der Fortsetzung nach satzungsmäßigem Fristablauf.14 Dies schließt nicht aus, dass der Fortsetzungsbeschluss, zB um den materiellen Aufhebungstatbestand zu beseitigen, nach Lage des Einzelfalls mit einer Satzungsänderung (zB Kapitalerhöhung) einhergeht (Rdn 4).15 So verhält es sich namentlich im Fall des Abs 2 Nr 2 (vgl auch Abs 4 Satz 2). Der Fortsetzungsbeschluss bewirkt entgegen vielfach vertretener Ansicht16 auch keine Zweckänderung, denn aufgelöste und werbende Gesellschaft sind zweckgleich (§ 264 Rdn 7).

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c) Ausdrücklich muss der Fortsetzungsbeschluss gefasst sein.16a Damit ist nicht gesagt, dass ein bestimmter Wortlaut, etwa die Verwendung des Worts „Fortsetzung“ zwingend vorgeschrieben wäre, sofern nur der Fortsetzungswille klar zutage liegt.16b Zur Vermeidung rechtlicher Risiken ist jedoch ein solcher Wortlaut unbedingt anzuraten. Als Ausnahme vom Erfordernis eines ausdrücklichen Fortsetzungsbeschlusses wird der Verschmelzungsbeschluss im Fall des § 3 Abs 3 UmwG betrachtet.17 Indes: Ist die aufgelöste Gesellschaft übertragender Rechtsträger, so erlischt sie gemäß § 20 Abs 1 Nr 2 UmwG durch „Auflösung ohne Abwicklung“ (§ 2 UmwG),18 so dass ein Fortsetzungsfall

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11 Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 68. 12 Vgl BegrRegE InsO, BT-Drucks 17/5712 S 32; s auch Grigoleit/Servatius 5. 13 MK/Koch4 4. 14 KK/Winnen3 39; MK/Koch4 6. 15 KK/Winnen3 39; MK/Koch4 4. 16 Bürgers/Körber/Füller4 1; Grigoleit/Servatius 9; Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 3, 35; MK/Koch4 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 1, 20. 16a Vgl auch Grigoleit/Servatius 9. 16b Vgl KK/Winnen3 35. 17 Spindler/Stilz/Bachmann4 4; Henssler/Strohn/Drescher4 2. 18 Vgl Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 83.

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Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft | § 274

nicht vorliegt.19 Ist die aufgelöste Gesellschaft aufnehmender Rechtsträger, so ist neben dem Verschmelzungstatbestand ein ausdrücklicher Fortsetzungsbeschluss erforderlich, denn § 3 Abs 3 UmwG privilegiert nur übertragende Rechtsträger.20 d) Ein fehlerhafter Auflösungsbeschluss folgt den Regeln der §§ 241 ff. Bei fehlen- 9 den gesetzlichen Fortsetzungsvoraussetzungen ist der Beschluss nach wohl hM nach § 241 Nr 3 nichtig.21 Richtig ist jedenfalls, dass die intendierten Fortsetzungswirkungen nicht eintreten können. 4. Keine Vermögensverteilung a) Nach Abs 1 Satz 1, der kraft Verweisung auch für Abs 2 gilt, setzt die Fortsetzung 10 voraus, dass noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen ist (vgl auch Abs 3 Satz 2). Dieses Fortsetzungshindernis ist allgemeiner Natur und gilt nicht nur für die in § 274 genannten Fälle.22 Der Tatbestand der Vermögensverteilung ergibt sich aus § 271 Rdn 3 ff. Ungeachtet rechtspolitischer Zweifel23 ist das Merkmal ernst zu nehmen.24 Die Einstellung und Rückgängigmachung begonnener Vermögensverteilung genügt nicht, um die Fortsetzungsfähigkeit der Gesellschaft zu erhalten.25 Hier liegt auch der Grund für die Nicht-Fortsetzungsfähigkeit einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft (Rdn 20). b) Nicht zu verlangen ist ein Mindestvermögen der Gesellschaft.26 Insbesondere 11 eine Unterbilanz ist kein Hindernis.27 Allerdings verlangt die hier nicht zu diskutierende28 Rechtsprechung im Fall der Mantelverwendung einen Ausgleich der Unterbilanz.29 Als unbedingtes Fortsetzunsghindernis gilt die Überschuldung.30 Doch ist dies missverständlich. Wie Abs 2 Nr 1 zeigt, kann eine Gesellschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgesetzt werden, seit dem ESUG sogar im Insolvenzplanverfahren (Rdn 6). Richtig ist nur, dass nach dem bei Rdn 5 dargestellten allgemeinen Grundsatz (Beseitigung der materiellen Auflösungsreife) ein Fortsetzungsbeschluss nur zulässig ist, wenn er die Gesellschaft in einen Vermögenszustand versetzt, der Überschuldung (§ 19 InsO) und Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) ausschließt. III. Der gesetzliche Katalog der Fortsetzungsfälle 1. Fortsetzung nach Auflösung durch Zeitablauf oder Beschluss (Abs 1) a) Beide in Abs 1 genannten Auflösungsfälle basieren auf dem Willen der Aktionäre 12 und können durch actus contrarius der Aktionäre beseitigt werden (Abs 1 Satz 1). Dies

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19 AM Spindler/Stilz/Bachmann4 4 iVm § 262 Rdn 60. 20 Insofern wie hier Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 21 Vgl nur Spindler/Stilz/Bachmann4 8. 22 Karsten Schmidt GesR4 § 11 V 5. 23 Karsten Schmidt GesR4 § 11 V 5. 24 Bürgers/Körber/Füller4; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 25 MK/Koch4 20; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 26 MK/Koch4 22; Hüffer/Koch14 4; Hölters/Hirschmann 2. 27 MK/Koch4 22; Hüffer/Koch14 4; Hölters/Hirschmann 2. 28 Kritisch mwN Karsten Schmidt ZIP 2010, 857. 29 BGH ZIP 2010, 621; OLG München ZIP 2010, 579; KG Berlin ZIP 2010, 582; ablehnend Karsten Schmidt ZIP 2010, 857. 30 Vgl nur Hüffer/Koch14 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 7.

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§ 274 | Erster Abschnitt – Auflösung

geschieht durch Hauptversammlungsbeschluss mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (Abs 1 Satz 2). Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen (Abs 1 Satz 3). Sie kann sogar Einstimmigkeit vorschreiben31, nicht aber die Fortsetzungsfähigkeit ausschließen.32 13

b) Die Fortsetzungsmöglichkeit im Kündigungsfall (dazu § 262 Rdn 20) spielt nur eine Rolle, wenn diese Auflösungsmöglichkeit als zulässig anerkannt wird (dazu ebd). Erforderlich wäre auch dann die Zustimmung des Kündigenden.33 2. Fortsetzung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abs 2 Nr 1)

14

a) Abs 2 Nr 1 regelt die Fortsetzung im Fall der Auflösung nach § 262 Abs 1 Nr 3. Voraussetzung ist, dass das Insolvenzverfahren auf Antrag der AG eingestellt (§ 213 InsO) oder nach Bestätigung eines den Fortbestand der Gesellschaft vorsehenden Insolvenzplans aufgehoben (§ 213 InsO) wurde. Neben der in Abs 2 Nr 1 geregelten Fortsetzung durch Gesellschafterbeschluss gibt es seit 2012 auch die im Insolvenzplan selbst beschlossene Fortsetzung der Gesellschaft (Rdn 7).

15

b) Die Beseitigung des Auflösungsgrunds (Rdn 5) besteht im Fall des Abs 2 Nr 1 darin, dass Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und/oder Überschuldung (§ 19 InsO) beseitigt sein muss, denn beides sind zwingende Insolvenz- und damit Auflösungstatbestände (vgl § 15a InsO). 3. Fortsetzung nach Feststellung eines Satzungsmangels (Abs 2 Nr 2)

16

Eine wegen Satzungsmangels nach § 262 Abs 1 Nr 5 aufgelöste Gesellschaft (rechtskräftige Feststellung eines Satzungsmangels durch das Gericht nach § 399 FamFG) wird nach Abs 2 Nr 2 durch einen Beschluss mit doppeltem Inhalt fortgesetzt: durch eine den Satzungsmangel behebende Satzungsänderung, verbunden mit dem Fortsetzungsbeschluss. IV. Sonstige Fortsetzungsfälle 1. Das Prinzip

17

Es ist bis heute umstritten, ob die Fortsetzungsfähigkeit aufgelöster Gesellschaften auf einem allgemeinen Prinzip34 oder auf positivrechtlicher Zulassung beruht.35 Für die hier vertretene erste Auffassung (Rdn 3) spricht die dogmengeschichtliche Entwicklung der juristischen Person. Die den gesellschaftsrechtlichen Kodifikationen – mittelbar auch dem Aktiengesetz – weitgehend zugrundeliegende Doktrin des 19. Jahrhunderts hatte, wie auch im Gründungsstadium (Erl § 41), auch im Auflösungsstadium noch

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MK/Koch4 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 2. MK/Koch4 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 2. Vgl 3. Aufl (Wiedemann) 4. Karsten Schmidt GesR4 § 11 V 5; Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 95. So wohl K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 1.

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Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft | § 274

Schwierigkeiten, die Gesellschaft als vollbürtige juristische Person anzuerkennen.36 Dieser Rechtszustand ist überwunden, und dies gilt noch mehr, wenn man die Abwicklungs-AG und die werbende AG als ein zweckgleiches Rechtssubjekt ansieht (so § 264 Rdn 7). Das bedeutet: Die Nicht-Erwähnung in § 274 ist kein hinreichender Grund für die konstitutionelle Nicht-Fortsetzungsfähigkeit einer Gesellschaft. Konstitutionell fortsetzungsfähig ist jede aufgelöste juristische Person. Nur aus materiellen Schutzprinzipien kann sich ergeben, dass einzelne Auflösungsgründe unüberwindbar sind. 2. Zulässige Fortsetzung Zulässig ist beispielsweise die Fortsetzung einer Gesellschaft, die aufgrund eines 18 Vereinsverbots oder sonstiger aufsichtsrechtlicher Maßnahmen aufgelöst ist.37 3. Unzulässige Fortsetzung Nicht zulässig ist die Fortsetzung bei Gesellschaften, die sich in einem der Vertei- 19 lung von Vermögen bereits entsprechenden Zustand befinden, nämlich: nach Insolvenzverfahrensablehnung mangels Masse (§ 26 InsO)38 bzw Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 207 InsO). Dasselbe gilt nach Löschung wegen beendeter Abwicklung (§ 273 Abs 1) 39 oder wegen Vermögenslosigkeit (§ 262 Abs 1 Nr 6).40 Die Fortexistenz der Gesellschaft trotz Löschung (§ 273 Rdn 2, 13) vermag in diesen Fällen die Herrenlosigkeit des Gesellschaftsvermögens zu vermeiden. Als Basis der Wiederbelebung der Gesellschaft ist sie nicht anzuerkennen. V. Anmeldung und Eintragung (Abs 3, 4) 1. Konstitutive Eintragung a) Die Fortsetzungswirkung tritt nach Abs 4 Satz 1 erst mit der Eintragung ein (das 20 Gesetz sagt: der Beschluss wird erst mit der Eintragung wirksam). Im Fall des Abs 2 Nr 2 setzt die Fortsetzungswirkung eine Eintragung sowohl der Satzungsänderung (vgl auch § 181 Abs 3) als auch des Fortsetzungsbeschlusses voraus (vgl Abs 4 Satz 2). Ob die Eintragung auch im Fall einer Fortsetzung durch Insolvenzplan (Rdn 7, 15) Konstitutivwirkung hat oder ob hierfür die gerichtliche Bestätigung nach § 248 InsO genügt (wofür viel spricht), bedarf noch der Klärung. b) Die Anmeldung der Fortsetzung ist Aufgabe der Abwickler (Abs 3 Satz 1). Die 21 Abwickler müssen nachweisen, dass noch nicht mit der Vermögensverteilung begonnen worden ist (Abs 3 Satz 2).

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36 Charakteristisch noch die Vorgängervorschrift des § 264 Abs 3 in § 294 HGB 1897: Nach der Auflösung der Gesellschaft findet die Liquidation statt, sofern nicht über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet ist. Bis zur Beendigung der Liquidation kommen die Vorschriften der vorausgehenden Titel zur Anwendung, soweit sich nicht aus diesem Titel oder aus dem Zwecke der Liquidation ein Anderes ergibt. 37 So im Ergebnis Hüffer/Koch13 5; KK/Winnen3 22; Spindler/Stilz/Bachmann4 15. 38 Im Ergebnis wie hier MK/Koch4 19; Henssler/Strohn/Drescher4 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 13. 39 Eingehend Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 116. 40 Hölters/Hirschmann 13; Hüffer/Koch14 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 13; zur GmbH s OLG Celle NZG 2008, 271 = ZIP 2008, 605; KG NJW-RR 2019, 98 = NZG 2018, 1426 = ZIP 2018, 2029; aM Galla 104; zur Diskussion vgl ausführlich Scholz/Scheller GmbHG12 § 60, 119.

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§ 275 | Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft

2. Rechtsfolgen 22

Mit der Eintragung endet das Abwicklungsstadium. Die Gesellschaft lebt unter der Verfassung einer nicht aufgelösten AG weiter.

ZWEITER ABSCHNITT Nichtigerklärung der Gesellschaft Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft Klage auf Nichtigerklärung § 275 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-021

§ 275 Klage auf Nichtigerklärung (1) 1Enthält die Satzung keine Bestimmungen über die Höhe des Grundkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens oder sind die Bestimmungen der Satzung über den Gegenstand des Unternehmens nichtig, so kann jeder Aktionär und jedes Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats darauf klagen, dass die Gesellschaft für nichtig erklärt werde. 2Auf andere Gründe kann die Klage nicht gestützt werden. (2) Kann der Mangel nach § 276 geheilt werden, so kann die Klage erst erhoben werden, nachdem ein Klageberechtigter die Gesellschaft aufgefordert hat, den Mangel zu beseitigen, und sie binnen drei Monaten dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist. (3) 1Die Klage muss binnen drei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft erhoben werden. 2Eine Löschung der Gesellschaft von Amts wegen nach § 397 Abs 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird durch den Zeitablauf nicht ausgeschlossen. (4) 1Für die Anfechtung gelten § 246 Abs 2 bis 4, §§ 247, 248 Abs 1 Satz 1, §§ 248a, 249 Abs 2 sinngemäß. 2Der Vorstand hat eine beglaubigte Abschrift der Klage und das rechtskräftige Urteil zum Handelsregister einzureichen. 3Die Nichtigkeit der Gesellschaft auf Grund rechtskräftigen Urteils ist einzutragen. Schrifttum Bondi Nichtigkeit der Aktiengesellschaft, ZHR 77 (1915), 442; Cohn Die Nichtigkeit einer Aktiengesellschaft, ZHR 82 (1920), 105; v Gemminge-Hornberg Die Nichtigkeit einer Aktiengesellschaft, Diss Heidelberg 1934; Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl 2019; Josef Nichtigkeiterklärung der Gesellschaft durch Urteil des Prozessgerichts und durch Verfügung des Registergerichts, ZHR 84 (1921), 70; Kniep Die materielle Nichtigkeit der Aktiengesellschaft, Diss Göttingen 1932; Kort Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Krafka/Willer/Kühn Registerrecht, 11. Aufl 2019; Lutter/Bayer/J Schmidt Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl 2018; Paschke Die fehlerhafte Kooperation, ZHR 155 (1991), 1; Roßner Der Einfluß von Gründungsmängeln …, Diss Würzburg 1966; Schäfer Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002; K Schmidt „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421; ders Satzungsmängel und „nichtige Kapitalgesellschaften“, FS Kollhosser, 2004, S 679; Tieves Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998; Wiesner Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 1980; Wimpfheimer Die Gesellschaft des Handelsrechts und des bürgerlichen Rechts im Stadium der Liquidation, 1908.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-021

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Klage auf Nichtigerklärung | § 275

I.

II.

Systematische Übersicht Bedeutung und Anwendungsbereich 1. Normzweck und Vorgeschichte | 1 2. Die „Nichtigkeits“-Gründe als Auflösungsgründe | 3 3. Anwendungsbereich | 6 Die „Nichtigkeits“-Gründe 1. Numerus clausus | 9 2. Fehlende Bestimmung des Grundkapitals bzw des Unternehmensgegenstands (Abs 1 Satz 1, Variante 1) | 10 3. Fehlende Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens (Abs 1 Satz 1, Variante 2) | 12 4. Nichtigkeit der Bestimmung über den Gegenstand des

III.

IV.

Unternehmens (Abs 1 Satz 1, Variante 3) | 14 Das Verfahren der „Nichtigkeits“-Klage 1. Grundlagen | 19 2. Sachurteilsvoraussetzungen | 23 3. Die Fristen des Abs 3 und Abs 2 | 26 4. Prozessverlauf (Abs 4) | 31 5. Mitteilung des rechtskräftigen Urteils und Eintragung der „Nichtigkeit“ im Handelsregister | 36 Löschung „nichtiger“ Gesellschaften nach § 397 FamFG 1. Funktion und Systematik | 38 2. § 397 FamFG im Einzelnen | 42

I. Bedeutung und Anwendungsbereich 1. Normzweck und Vorgeschichte a) Normzweck. Die §§ 275–277 dienen entgegen dem bei flüchtiger Betrachtung ent- 1 stehenden Eindruck dem Bestandsschutz fehlerhafter Aktiengesellschaften und damit zugleich dem Verkehrsschutz.1 Sie sind aus heutiger Sicht Bestandteil der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft.2 Sie machen aus Gesellschaften auf fehlerhafter Satzungsgrundlage wirksam entstandene Gesellschaften, die lediglich auflösungsreif (§ 262 Rdn 2) sind (Rdn 3). b) Normgeschichte. Die §§ 275 ff gehen zurück auf §§ 216 f AktG 1937, diese auf 2 §§ 309 ff des HGB von 1897. Die §§ 309 ff HGB 1897 basierten noch auf der Vorstellung, dass eine nichtige Gesellschaft von vornherein nur als Liquidationsgesellschaft anerkannt werden könne.3 Das AktG 1937 ging in seinen §§ 216 f bereits davon aus, dass die Nichtigkeitsklage konstitutiv wirkt.4 Der Gesetzgeber von 1965 schloss daran an.5 Die Nichtigkeitsgründe des § 275 wurden sodann eingeschränkt durch das Publizitätsrichtlinie-Gesetz von 1969.6 Die aus § 275 gestrichenen Nichtigkeitsgründe sind nunmehr durch § 262 Abs 1 Nr 5 iVm § 399 FamFG (vormals§ 144a FGG) erfasst (§ 262 Rdn 52).7 Abs 3 Satz 2 wurde geändert durch das Bilanzrichtliniengesetz von 1985.8

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1 So auch Bürgers/Körber/Füller4 2; Heidel/Wermeckes5 1; KK/Winnen3 10; Hüffer/Koch14 4; MK/Koch4 5. 2 Eingehend Schäfer 63 ff; Bürgers/Körber/Füller4 1; Hüffer/Koch14 3; KK/Winnen3 11; Spindler/Stilz/Bachmann4 2; Karsten Schmidt AcP 186 (1986), 428 ff; krit Kort 29 f. 3 Denkschrift in Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum HGB 1897 Bd II/2, 1988, S 1093 f. 4 Klausing S 190. 5 Kropff S 363. 6 Gesetz vom 15.8.1969, BGBl I S 1146. 7 Zur Gesamtentwicklung Karsten Schmidt FS Kollhosser S 679. 8 Gesetz vom 19.12.1985, BGBl I S 2355.

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§ 275 | Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft

2. Die „Nichtigkeits“-Gründe als Auflösungsgründe 3

a) Durch § 275 ist klargestellt, dass die zur Auflösung (§ 277) führende „Nichtigkeitsklage“ eine Auflösungsklage und die „Nichtigkeit“ nur einen Fall der Auflösungsreife (§ 262 Rdn 2) darstellt.9 Die Klage darauf, dass die Gesellschaft „für nichtig erklärt“ (Abs 1 Satz 1) und nach den Auflösungsvorschriften abgewickelt (§ 277) werde, ist sachlich nichts anderes als eine Auflösungsklage.10

4

b) Das Verhältnis zu Art 10 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (RL [EU] 2017/1132), vormals Art 11 der Publizitätsrichtlinie (Erste Gesellschaftsrechtliche Richtlinie 68/151/ EWG), ist aus den bei Rdn 3 genannten Gründen zweifelhaft. Nach Art 11 der Richtlinie kann eine Aktiengesellschaft nur aus den in diesem Artikel genannten Gründen „inexistent oder relativ nichtig sein oder für nichtig erklärt werden“. Mit Recht folgert hieraus der EuGH, dass nationale Vorschriften nicht die Nichtigkeit von Aktiengesellschaften aus anderen als den in Art 11 der Richtlinie aufgezählten Gründen aussprechen können.11 Die sich an das Publizitätsrichtliniengesetz von 1969 anschließende Diskussion maß demgemäß § 275 am Maßstab des Art 11.12 Zu beachten ist aber, dass der recht verstandene Ansatz des § 275 dem bereits Rechnung trägt. Die in § 275 zugrundegelegte „Nichtigkeit“ ist, was den Bestand der Gesellschaft anlangt, nur ein Tatbestand der Auflösbarkeit (zu diesem Begriff vgl § 262 Rdn 2), die „Nichtigkeitsklage“ nur eine Auflösungsklage (§ 277 Rdn 2). Die Besorgnis, dass sich eine Gesellschaft zum Schaden des Rechtsverkehrs „in Luft auflösen“ kann,12a ist demnach nicht angezeigt. Ein Konflikt zwischen §§ 275–277 und Art 11 der Richtlinie besteht deshalb nicht.12b

5

c) Das Verhältnis zu §§ 396–398 ergibt sich nicht aus einem (hier abgelehnten) Gegensatz zwischen der „Nichtigerklärung“ (§ 275) und der „gerichtlichen Auflösung“ der Gesellschaft (§ 396), sondern aus den unterschiedlichen Ansätzen der in diesen Bestimmungen geregelten Auflösungsverfahren: § 275 ist auf Satzungsmängel gestützt, die §§ 396 ff befassen sich dagegen mit der Auflösung der Gesellschaft im Rahmen einer Verhaltenskontrolle. 3. Anwendungsbereich

6

a) § 275 gilt für die Aktiengesellschaft, und zwar nur für die eingetragene AG, nicht auch für die Vor-AG (vgl zu dieser § 41).13 Für diese gelten die allgemeinen Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft. Da für Auflösungsgründe das Prinzip der Doppelwirkungen im Recht gilt (§ 262 Rdn 9) kann auch eine bereits aufgelöste AG Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein (vgl zur Kumulation von Auflösungsgründen § 262 Rdn 9).14 Allerdings wird es für eine Klage nach § 275 regelmäßig am Rechtsschutzinteresse fehlen (Rdn 25),

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9 Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 10. 10 Heidel/Wermeckes4 10; Hüffer/Koch14 20; KK/Winnen3 15; MK/Koch4 39; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 § 277, 1; ausführlich Karsten Schmidt FS Kollhosser II 679, 688 f. 11 EuGH Slg I 1435, 1459, 9 = 1991, 157, 158; dazu Lutter/Bayer/J Schmidt 3.29, 9.8, 18.89 ff; SamarisCrispis/Steindorff CML Rev 1992, 625; Stynlek/Wytinek CML Rev 1991, 205. 12 Vgl besonders klar hier die 3. Aufl (Wiedemann) Einl § 275. 12a Vgl Lutter/Bayer/J Schmidt 9.8. 12b AM zB Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 7 und 9. 13 Bürgers/Körber/Füller4 3; Hüffer/Koch14 8; KK/Winnen3 5; MK/Koch4 9, 14; K Schmidt/Lutter/ Riesenhuber4 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 14 MK/Koch4 9.

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Klage auf Nichtigerklärung | § 275

wenn die Auflösung der Gesellschaft unstreitig und ein Fortsetzungsbeschluss (§ 274 Rdn 6) nicht zu erwarten ist.15 Im Fall einer AG & Co gilt § 275 nur für die KomplementärAktiengesellschaft, nicht auch für die Personengesellschaft. Dagegen gilt § 275 nicht für die KGaA (vgl § 289). Für diese gelten die allgemeinen Regeln über fehlerhafte Gesellschaften. b) Nichtigkeitsgründe sind nur die in § 275 bezeichneten Gründe (Abs 1 Satz 2: 7 numerus clausus).16 Die Nichtigkeit einzelner Satzungsbestimmungen genügt hierfür nicht.17 Noch weniger gilt dies für Satzungsmängel, die durch Eintragung geheilt sind (dazu § 23 Rdn 278 ff). Die Nichtigkeit einer Beitrittserklärung (zur Wirkung der Eintragung vgl § 23 Rdn 283) genügt ebensowenig wie die Nichtigkeit einer Übernahmeerklärung bei der Kapitalerhöhung (zur Wirkung der Eintragung auch in diesem Fall § 23 Rdn 283).18 Die Nichtigkeit einzelner Satzungsregeln ist ein Problem des § 139 BGB und der salvatorischen Klausel (dazu s auch § 23 Rdn 220 ff). c) Um Satzungsmängel muss es sich handeln. Verfahrensmängel, zB bei der Ver- 8 schmelzung durch Neugründung (§§ 20 Abs 2, 36 Abs 1 Satz 1 UmwG), bei der Spaltung zur Neugründung (§§ 135 ff UmwG) oder im Fall eines Formwechsels (§§ 190 UmwG) führen nicht zur Anwendung des § 275.19 Zum einen lassen sie nämlich die Wirksamkeit der Umwandlung unberührt (§§ 20 Abs 2 iVm 36 Abs 1, 131 Abs 2 iVm 135, 202 Abs 3 UmwG), zum anderen führen sie keinen der in § 275 genannten Satzungsmängel herbei. Im Übrigen gilt § 275 auch für eine durch Umwandlung entstandene Gesellschaft.20 II. Die „Nichtigkeits“-Gründe 1. Numerus clausus Nach Abs 1 Satz 2 kann die Klage nicht auf andere als die in § 275 genannten Gründe 9 gestützt werden (Rdn 7). Weder eine Ausdehnung der gesetzlichen Nichtigkeitsgründe noch eine analoge Anwendung des § 275 auf andere als die im Gesetz genannten Fälle ist also möglich. 2. Fehlende Bestimmung des Grundkapitals bzw des Unternehmensgegenstands (Abs 1 Satz 1 Variante 1) a) Fehlende Bestimmung des Grundkapitals ist ein Nichtigkeitsgrund (Abs 1 10 Satz 1 Variante 1). Zur Notwendigkeit dieser Angabe vgl § 23 Rdn 76. b) Die Nichtigkeit einer vorhandenen Satzungsregelung über das Grundkapital 11 steht dem Fehlen der Regelung nicht gleich.21 Die Angabe in DM statt in Euro ist bei einer Altgesellschaft unschädlich (vgl § 1 Abs 1 EGAktG und dazu § 6 Rdn 19 ff).

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15 Vgl sinngemäß Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 5; generell für ein Rechtsschutzinteresse Hüffer/Koch14 20; MK/Koch4 39. 16 Vgl nur Bürgers/Körber/Füller4 5. 17 Bürgers/Körber/Füller4 5; MK/Koch4 33. 18 Ausführlich MK/Koch4 33 ff. 19 Heidel/Wermeckes5 2; Hüffer/Koch14 7; KK/Winnen3 16; MK/Koch4 13. 20 KK/Winnen3 16. 21 Bürgers/Körber/Füller4 5; Heidel/Wermeckes5 3; Hüffer/Koch14 9; MK/Koch4 17; aM Einmahl AG 1969, 213.

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§ 275 | Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft

3. Fehlende Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens (Abs 1 Satz 1 Variante 2) 12

a) Fehlende Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens (Abs 1 Satz 1 Variante 2). Vgl zur Notwendigkeit einer solchen Satzungsregel § 23 Rdn 110 ff. Zum Begriff des Unternehmensgegenstands vgl § 23 Rdn 111. Die bloße Unbestimmtheit oder Unklarheit des Unternehmensgegenstands im Satzungstext genügt nicht für die Anwendung der zweiten Variante.22 Sie rechtfertigt eine Ablehnung des Eintragungsantrags, nicht die Nichtigerklärung der eingetragenen Gesellschaft. Bei einer Vorratsgesellschaft genügt die Formulierung „Verwaltung des eigenen Vermögens“ oder „… der eingebrachten Einlagen“ als Beschreibung des Unternehmensgegenstands (vgl auch § 23 Rdn 347).23

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b) Substantielle Divergenz zwischen satzungsmäßigem und faktischem Unternehmensgegenstand als Fall der zweiten Variante? Es ist umstritten, inwieweit eine Satzungsregelung über den Unternehmensgegenstand durch die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der Gesellschaft nachträglich nichtig iS des Nichtigkeitstatbestands von Abs 1 Satz 1 Variante 3, werden kann (Rdn 17).24 Ein Fall der 2. Variante liegt dagegen eindeutig nicht vor. 4. Nichtigkeit der Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens (Abs 1 Satz 1 Variante 3)

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a) Grundsätzliches zum Nichtigkeitstatbestand. Nach Abs 1 Satz 1 Variante 3 ist die Nichtigkeit der Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens auch für die Gesellschaft ein „Nichtigkeits“-Grund. Dieser Tatbestand ist in mehrfacher Hinsicht umstritten. Nach hM genügt nicht eine iS von § 134 oder § 138 BGB gesetz- oder sittenwidrige Bestimmung des Unternehmensgegenstands.25 Als ausreichend anerkannt wird nur eine Nichtigkeit iS von § 241 Nr 3 oder 4.26 Da § 241 für Beschlüsse und nicht für die Satzung gilt, ist dies keineswegs selbstverständlich.27 Im Ergebnis kann aber deshalb zugestimmt werden. Nichtig ist mit der Folge des § 275 eine Bestimmung über den Unternehmensgegenstand nur, wenn sie mit dem Wesen der AG unvereinbar ist (§ 241 Nr 3) oder durch ihren Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind (§ 241 Nr 3) oder durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstößt (§ 241 Nr 4). b) Bedeutung des Satzungswortlauts

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aa) Umstritten ist, ob sich die Nichtigkeit aus dem Satzungswortlaut ergeben muss oder ob die tatsächliche Tätigkeit der Gesellschaft den Ausschlag gibt.28 Aus der Marlea-

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22 Bürgers/Körber/Füller4 7; Heidel/Wermeckes5 4; Hüffer/Koch14 10; KK/Winnen3 24; MK/Koch4 19, 31; aM Roßner S 48 ff. 23 So BGHZ 117, 323, 335 f = NJW 1992, 1824; Heidel/Braunfels5 § 23, 27; Hüffer/Koch14 § 23, 25; MK/Pentz5 § 23, 91. 24 Verneinend Hüffer/Koch14 14 mwN. 25 Hüffer/Koch14 11; MK/Koch4 21. 26 Beck AG-HB/Schmidt-Hern § 18, 23; Heidel/Wermeckes5 5; Hüffer/Koch14 11; KK/Winnen3 26; MK/Koch4 21; Spindler/Stilz/Bachmann4 8; aA Tieves S 230. 27 Eingehend Tieves S 230 ff. 28 Eingehend Tieves S 193 ff.

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sing-Entscheidung des EuGH29 wird überwiegend gefolgert, dass „ausschließlich der im Errichtungsakt oder in der Unternehmenssatzung umschriebene Unternehmensgegenstand“ den Ausschlag geben dürfe.30 Diese auf Art 11 Abs 1 lit b der Publizitätsrichtlinie gestützte Auffassung wurde zwar in der Literatur kritisiert,31 aber für die Praxis als unabänderlich angesehen.32 bb) Kritisch ist zu bemerken, dass der EuGH in der Marleasing-Entscheidung eben- 16 so wie die Publizitätsrichtlinie von einem wortgetreuen Gebrauch des Nichtigkeitsbegriffs ausgeht.33 Bei Abs 1 Satz 1 geht es indes nur um ein Tatbestandsmerkmal, das, bezogen auf die Gesellschaft, eben nicht deren Nichtigkeit, sondern nur deren Auflösung zur Folge hat (Rdn 3). Wie bei Rdn 4 ausgeführt, steht Art 11 der Publizitätsrichtlinie einer auf Auflösung der Gesellschaft zielende Nichtigkeitsrechtsprechung nicht entgegen. Deshalb hindert die Marleasing-Entscheidung nicht an einer gesellschaftsrechtlich sachgerechten Auslegung des Abs 1 Satz 1 Variante 3 (so im Ergebnis auch Röhricht bei § 23 Rdn 128).34 Diese ist ihrerseits umstritten. Vertreten werden im wesentlichen drei Auffassungen:35 erstens die auch der Marleasing-Entscheidung zugrunde liegende Auffassung, dass nur ein nichtiger Satzungstext den Tatbestand erfüllt,36 zweitens die Auffassung, dass stets auch der tatsächliche Unternehmensgegenstand zu berücksichtigen sei,37 drittens eine richtlinienkonform begründete vermittelnde Auffassung, wonach eine anfängliche Abweichung des faktischen Unternehmensgegenstands vom satzungsgemäßen Unternehmensgegenstand unschädlich, dessen nachträgliche Gesetz- oder Sittenwidrigkeit als tatsächlicher Unternehmensgegenstand dagegen tatbestandsmäßig ist.38 cc) Stellungnahme. Die Marleasing-Entscheidung zwingt nach der bei Rdn 16 dar- 17 gestellten Erwägung nicht zu einer publizitätsfeindlichen Handhabung des Abs 1 Satz 1 (vgl auch § 23 Rdn 352 [Röhricht/Schall]).39 Ein nur vorgeschobener Unternehmensgegenstand ist nichtig iS von Abs 1 Satz 1.40 Auch nachträglich kann der satzungsgemäße Unternehmensgegenstand durch dessen faktische Aufhebung nichtig werden.41 Es handelt sich dabei um einen Fall direkter, nicht bloß analoger Anwendung des Abs 1 Satz 1.42 Die in der Marleasing-Entscheidung des EuGH befürchteten Rechtsfolgen treten hierdurch nicht ein. Vielmehr hat die „Nichtigkeit“ der Gesellschaft nur zur Folge, dass die Gesellschaft aufgelöst werden kann, sofern nicht der Mangel durch Satzungsänderung nach § 276 geheilt wird.

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29 EuGH Slg 1990 I 4135, 4159 f = DB 1991, 157. 30 Vgl nur Beck AG-HB/Schmidt-Hern § 18, 23; Bürgers/Körber/Füller4 8; Heidel/Wermeckes5 6; Hüffer/Koch14 12; MK/Koch4 23; jetzt auch Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 19. 31 Vgl Tieves S 252 ff; früher auch Hüffer10 12; MK/Koch4 23. 32 Kort 27; Bürgers/Körber/Füller4 8; Hüffer/Koch14 12; MK/Koch4 23; Lutter JZ 1992, 599; Stynlek/Wytinek CML Rev 1991, 205, 220. 33 EuGH aaO. 34 Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 19. 35 Systematisierung nach Hüffer/Koch14 12. 36 Beck AG-HB/Schmidt-Hern § 18, 23; Bürgers/Körber/Füller4 8; Hüffer/Koch14 12; KK/Winnen3 37; Spindler/Stilz/Bachmann4 10. 37 Wiedemann 3. Aufl; Baumbach/Hueck/Haas GmbHG21 § 75, 14; Rowedder/SchmidtLeithoff/Baukelmann GmbHG22 § 75, 14; Hachenburg/Ulmer GmbHG § 1, 29 f. 38 So mit bedauerndem Blick auf die rechtsverbindliche Entscheidung des EuGH Hüffer/Koch14 12; MK/Koch4 23; Samara/Krispis/Steindorff CML Rev 1992, 615, 616 f. 39 Vgl zum Folgenden sinngemäß Scholz/K Schmidt GmbHG11 § 75, 11. 40 BGHZ 117, 323, 333 f = NJW 1992, 1824, 1827. 41 AA BayObLGZ 1982, 140, 142 f = BB 1982, 578; von Godin/Wilhelmi4 19; KK/Winnen3 34. 42 So für § 75 GmbHG Baumbach/Hueck/Haas GmbHG21 § 75, 12; Scholz/K Schmidt GmbHG11 § 75, 11.

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d) Kasuistik. Fälle der Nichtigkeit liegen namentlich vor: bei Verstoß des Unternehmensgegenstands gegen strafrechtliche Vorschriften (zB organisierte Steuerhinterziehung oder verbotenes Glücksspiel),43 bei Verstoß gegen wirtschaftsrechtliche Bestimmungen (zB bei einem auf den Betrieb unerlaubter Börsentermingeschäfte gerichteten Unternehmensgegenstand).44 Nach der hier bei Rdn 17 vertretenen Auffassung genügt aber auch schon eine Veränderung, die aus dem satzungsmäßigen einen nur noch vorgeschobenen Unternehmensgegenstand macht. Nicht ausreichend ist die bloße Begehung von Gesetzesverstößen, zB gegen Steuerbestimmungen oder gegen das Kartellverbot.45 Hier handelt es sich nicht um eine kraft ihrer Verfassung „nichtige“ Gesellschaft, sondern um die Ahndung von Verhaltensunrecht. Eine zwangsweise Auflösung der Gesellschaft kommt allenfalls (theoretisch) nach §§ 396 ff in Betracht. Auch das Fehlen öffentlichrechtlicher Erlaubnisse für die satzungsgemäße Tätigkeit der Gesellschaft ist noch kein Nichtigkeitsgrund nach Abs 1 Satz 1.46 Eine Mantelgründung als offene Vorratsgründung („Verwaltung eigenen Vermögens“) begründet nicht die Nichtigkeit des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands.47 Bei einer verdeckten Mantelgründung wird zT aus der angeblichen Maßgeblichkeit des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands (Rdn 12) gefolgert, dass ein Nichtigkeitsfall nach Abs 1 Satz 1 nicht vorliegen könne.48 Besser ist aber hier vom Nichtigkeitstatbestand des Abs 1 Satz 1 Variante 3 in mindestens analoger Anwendung auszugehen49. Der Mangel kann durch Satzungsänderung nach § 276 geheilt werden (Rdn 17). III. Das Verfahren der „Nichtigkeits“-Klage 1. Grundlagen

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a) Nur durch besondere Klage kann die „Nichtigkeit“ (Rdn 3) geltend gemacht werden.50 Eine „Nichtigkeitseinrede“ und damit eine Inzidentprüfung der „Nichtigkeits“Tatbestände ist nur in dem Sinne möglich, in dem die Auflösbarkeit einer Gesellschaft (§ 262 Rdn 2) einredeweise geltend gemacht werden kann, zB als Leistungsverweigerungsrecht.51

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b) Die „Nichtigkeitsklage“ ist Gestaltungsklage, nicht Feststellungsklage.52 Die noch vom HGB-Gesetzgeber zugrunde gelegte Auffassung, es handle sich nur um die Feststellung der Nichtigkeit,53 ist überholt. Das zeigt sich vollends, wenn man die „Nichtigkeitsklage“ mit der hier vertretenen Auffassung als eine Auflösungsklage ansieht (Rdn 3).

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43 OLG Koblenz WM 1979, 1435 f; Heidel/Wermeckes5 7; Hüffer/Koch14 15; MK/Koch4 27. 44 Vgl Heidel/Wermeckes5 7; Hüffer/Koch14 15; MK/Koch4 27. 45 Str, aA Bürgers/Körber/Füller4 8; Hüffer/Koch14 15; MK/Koch4 27; Kort S 39 ff; Paschke ZHR 155 (1991), 1, 18 ff. 46 Heidel/Wermeckes5 8; KK/Winnen3 30; MK/Koch4 27. 47 BGHZ 117, 323, 330 ff = NJW 1992, 1824, 1825 f; Bürgers/Körber/Füller4 11; Heidel/Wermeckes5 8; Hüffer/Koch14 16 f; KK/Winnen3 30 ff; MK/Koch4 30. 48 Heidel/Wermeckes5 8; Hüffer/Koch14 17; KK/Winnen3 33 ff; MK/Koch4 30. 49 So im Ergebnis BGHZ 117, 323, 334 = NJW 1992, 1824, 1826. 50 HM; vgl nur KK/Winnen3 8, 40; MK/Koch4 38. 51 Vgl sinngemäß Scholz/K Schmidt GmbHG11 § 75, 13. 52 Vgl nur Bürgers/Körber/Füller4 12; Hüffer/Koch14 20; KK/Winnen3 41; MK/Koch4 39; Karsten Schmidt AcP 186 (1986), 428. 53 Denkschrift, in Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum HGB, 1988, Bd II/2 S 171.

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c) Der Klageantrag wird üblicherweise in Konsequenz des Gesetzeswortlauts dahin 21 formuliert, die Gesellschaft für nichtig zu erklären.54 Im Hinblick auf die Funktion der sog Nichtigkeitsklage sachgerecht wäre (und gleichfalls zulässig ist deshalb) ein auf Auflösung der Gesellschaft gerichteter Antrag.55 Die Klage kann als Widerklage erhoben werden,56 zB wenn die Gesellschaft Einlagen einfordert. d) Zuständig für die Klage ist ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die 22 Gesellschaft ihren Sitz hat (Abs 3 Satz 1 iVm § 246 Abs 3 Satz 2 und dazu sinngemäß § 246 Rdn 63). Der Rechtsstreit ist Handelssache gemäß § 95 Abs 1 Nr 4 lit a GVG (vgl sinngemäß § 246 Rdn 64). Mehrere gleichzeitig gegen die Gesellschaft geführte Nichtigkeitsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden (Abs 3 Satz 1 iVm § 246 Abs 3 Satz 3 und dazu sinngemäß § 246 Rdn 65). Die Klage kann als vermögensrechtliche Streitigkeit auch bei einem Schiedsgericht erhoben werden (§ 1030 ZPO).57 Allerdings kann die Schiedsgerichtszuständigkeit wegen § 23 Abs 5 nicht wirksam in der Satzung angeordnet werden (vgl sinngemäß § 246 Rdn 121) und ein nur von den Prozessparteien ad hoc konstituiertes Schiedsgericht wird den bei BGHZ 133, 278 = NJW 1966, 1753 gestellten Anforderungen idR nicht genügen, um gegenüber allen Aktionären die Auflösungswirkung gemäß § 277 herbeizuführen.58 2. Sachurteilsvoraussetzungen a) Klagebefugt ist jeder Aktionär (Abs 1 Satz 1), auch zB der Inhaber nur einer 23 stimmrechtslosen Vorzugsaktie.59 Auf die Höhe der Beteiligung kommt es nicht an.59a Im Fall treuhänderischen Aktienbesitzes ist der Treuhänder klagebefugt, nicht der Treugeber.60 Inhaber von Nießbrauchs- oder Pfandrechten sind nicht klagebefugt,61 ebensowenig unterbeteiligte Gesellschafter.62 Im Gegensatz zur Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss kommt es für die Aktionärseigenschaft des Klägers auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an; Aktionärseigenschaft nur bei Klageerhebung genügt nicht (vgl demgegenüber § 245 Rdn 17).63 Klagebefugt ist außerdem jedes Vorstands- und Aufsichtsratsmitglied. Das gilt auch für gerichtlich bestellte (§ 85) sowie für stellvertretende Vorstandsmitglieder (vgl § 94).64 Stellvertretende Aufsichtsratsmitglieder gibt es nicht (§ 101 Abs 3 Satz 1). Ersatzmitglieder werden erst mit Wegfall des Hauptmitglieds als Mitglieder des Aufsichtsrats klagebefugt (§ 101 Abs 3 Satz 2). An die Stelle des Vorstands treten im Fall einer bereits aufgelösten Gesellschaft (Rdn 6) die Abwickler (§ 265).65 Auch die Klagebefugnis der Verwaltungsmitglieder muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehen (vgl demgegenüber § 245

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54 Vgl Happ/Pühler I5 1.01/1.14. 55 Vgl für das Recht der GmbH Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 25: einheitlicher Streitgegenstand von Klagen nach § 61 und § 75 GmbHG. 56 Für die GmbH vgl Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 25. 57 AM Bürgers/Körber/Füller4 19; s auch MK/Koch4 38. 58 Insofern wie hier Hüffer/Koch14 19; MK/Koch4 38. 59 Heidel/Wermeckes5 11; Hüffer/Koch14 21; KK/Winnen3 44; MK/Koch4 45. 59a Allg M; vgl K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 10. 60 MK/Koch4 46. 61 Hüffer/Koch14 21; KK/Winnen3 44; MK/Koch4 46. 62 MK-HGB/K Schmidt4 § 230, 233. 63 Heidel/Wermeckes5 11; KK/Winnen3 45; MK/Koch4 47. 64 Heidel/Wermeckes5 11; Hüffer/Koch14 22; KK/Winnen3 46; MK/Koch4 48. 65 AM Bürgers/Körber/Füller4 13; MK/Koch4 48.

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Rdn 40).66 Für die Fortsetzung eines begonnenen Prozesses durch einen Nachfolger bedarf es deshalb eines Parteiwechsels. Nicht klagebefugt ist der Vorstand oder Aufsichtsrat als Kollegialorgan.67 Fehlt die Klagebefugnis, so ist die Nichtigkeitsklage abzuweisen, und zwar nach wohl richtiger Auffassung als unzulässig (str; vgl sinngemäß § 245 Rdn 5 ff). 24

b) Richtige Beklagte ist die Aktiengesellschaft. Dies ergibt sich aus der Verweisung des Abs 4 Satz 1 auf § 246 Abs 2 Satz 1. Eine gegen die falsche Partei, etwa gegen einen Mehrheitsaktionär erhobene Klage wird abgewiesen, und zwar nach wohl richtiger Auffassung wiederum als unzulässig (vgl sinngemäß § 246 Rdn 31). Die Gesellschaft als Passivpartei wird durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten (§ 246 Abs 2 Satz 2). Klagt ein Vorstandsmitglied, so vertritt der Aufsichtsrat, klagt ein Aufsichtsratsmitglied, so vertritt der Vorstand die Gesellschaft (§ 246 Abs 2 Satz 3 und dazu § 246 Rdn 37 ff). Im Fall der Führungslosigkeit gilt § 78 Abs 1 Satz 2.

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c) Ein Rechtsschutzinteresse ist idR gegeben, wenn die Voraussetzungen des Abs 1 Satz 1 geltend gemacht werden. Ein bereits laufendes Amtslöschungsverfahren (Rdn 38 ff) hindert die Klage grundsätzlich nicht.68 Das Gericht wird den Rechtsstreit allerdings gemäß § 148 ZPO aussetzen.69 Die Klage ist auch dann nicht generell unzulässig, wenn die Gesellschaft bereits aus einem der in § 262 genannten Gründe aufgelöst ist (Rdn 6), doch fehlt es am Rechtsschutzinteresse, wenn die Auflösung unstreitig und die Fassung eines Festsetzungsbeschlusses der Gesellschaft nicht zu erwarten ist (auch dazu Rdn 6).70 3. Die Fristen des Abs 3 und Abs 2 a) Die Frist nach Abs 3

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aa) Nach Abs 3 Satz 1 muss die Klage binnen drei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft erhoben werden. Der Ablauf dieser Frist hat keine materielle Heilung des Satzungsmangels zur Folge, wie schon Abs 3 Satz 2 zeigt. Ebensowenig handelt es sich aber entgegen einer verschiedentlich vertretenen Ansicht um eine die Zulässigkeit der Klage betreffende prozessuale Klagefrist. Die Frist ist eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, die das Gestaltungsrecht (den Auflösungsanspruch) des Klägers zeitlich begrenzt und die verspätet erhobene Klage als unbegründet, nicht als unzulässig erscheinen lässt (vgl sinngemäß § 246 Rdn 13).71 Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff ZPO ist nicht möglich (auch dazu § 246 Rdn 13).72 Für den Fristlauf maßgebend ist der Zeitpunkt der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister (Abs 3 Satz 1). Die Frist beginnt einen Tag, nachdem die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen worden ist (§ 187 Abs 1 BGB).73 Für den Fristablauf gilt § 188 Abs 2

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66 Die Frage wird, soweit ersichtlich, nicht diskutiert. 67 Heidel/Wermeckes5 11; Hüffer/Koch14 22, MK/Koch4 48. 68 Heidel/Wermeckes5 10; Hüffer/Koch14 20; KK/Winnen3 42; MK/Koch4 40. 69 Heidel/Wermeckes5 10; KK/Winnen3 42; MK/Koch4 40. 70 Vgl sinngemäß Scholz/K Schmidt GmbHG11 § 75, 3; gegen diese Einschätzung Hüffer/Koch14 20; MK/Koch4 40. 71 Bürgers/Körber/Füller4 20; Grigoleit/Servatius9; Hüffer/Koch14 25; KK/Winnen3 58; MK/Koch4 50; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber 13; Spindler/Stilz/Bachmann4 18. 72 Heidel/Wermeckes5 13; KK/Winnen3 58. 73 Hüffer/Koch13 25; KK/Winnen3 58; MK/Koch4 51.

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BGB. Fällt der hiernach maßgebliche Tag auf einen Sonn- oder Feiertag oder auf einen Sonnabend, so endet die Frist analog § 193 BGB am nächsten Wochentag.74 bb) Für die Fristwahrung durch Erhebung der Klage (§ 253 ZPO) genügt deren Ein- 27 reichung bei Gericht, sofern die Zustellung demnächst erfolgt (§ 270 Abs 3 ZPO). Es gelten sinngemäß die bei § 246 Rdn 17 ff dargestellten Grundsätze. Ebensowenig beantwortet wie bei § 246 Abs 1 ist die Frage, ob ein Antrag auf Prozesskostenhilfe die Frist wahren kann. Die Antwort ist wie bei § 246 in einer in diesem Kommentar bei § 246 Rdn 21 herausgearbeiteten Fortbildung des Abs 3 Satz 1 zu suchen:75 Der Kläger kann die Klagschrift mit dem Prozesskostenhilfeantrag einreichen und für den Fall der Prozesskostenbewilligung deren Zustellung beantragen. Erfolgt diese Zustellung oder erhebt der Kläger im Fall verweigerter Prozesskostenhilfe binnen zwei Wochen (analog § 234 Abs 1 ZPO) die „Nichtigkeitsklage“, so gilt die Frist des Abs 3 Satz 1 für die Klage als gewahrt (vgl wegen der Begründung im einzelnen § 246 Rdn 21).76 b) Die Frist nach Abs 2 aa) Eine andersartige Rechtsnatur hat die Frist gemäß Abs 2. Danach kann eine auf 28 einen nach § 276 heilbaren Mangel gestützte Klage „erst erhoben werden, nachdem ein Klageberechtigter die Gesellschaft aufgefordert hat, den Mangel zu beseitigen, und sie binnen drei Monaten dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist“. Die Bestimmung stammt aus dem Aktiengesetz von 1937 (dort § 216 Abs 2) und wurde von dessen Verfassern als Mittel verstanden, die Geltendmachung der Nichtigkeit „prozessual zu beschränken“.77 So erklärt sich der Gesetzeswortlaut (Klage „kann … erst erhoben werden …“) und die vorherrschende Auffassung, wonach eine ohne Wahrung des Abs 2 erhobene Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen ist.78 Es ginge demnach um eine Sachvorteilsvoraussetzung. Dem ist nicht zu folgen.79 Zu bedenken ist nämlich, dass die „Nichtigkeitsklage“ entgegen der veralteten Vorstellung des HGB-Gesetzgebers von 1897 (Rdn 2) nicht der Feststellung einer bereits vorhandenen Nichtigkeit der Gesellschaft dient, sondern als Gestaltungsklage die Auflösung der Gesellschaft herbeiführen soll (Rdn 20). Bei heilbaren Mängeln (§ 276) will der Gesetzgeber einen Anspruch des Klägers auf Auflösung der Gesellschaft davon abhängig machen, dass die Gesellschaft die Möglichkeit einer solchen Heilung versäumt hat. Das ist eine materiellrechtliche Voraussetzung für die gerichtliche Auflösung nach §§ 275–277, nicht eine formelle Voraussetzung für die Erhebung einer zulässigen Klage. Abs 2 besagt der Sache nach nur, dass das Gericht die Gesellschaft nicht aus einem der in § 276 genannten Mängel für „nichtig“ erklären darf, wenn die Gesellschaft nicht zuvor zur Beseitigung des Mangels aufgefordert worden und eine Frist von drei Monaten verstrichen ist. Deshalb ist zB eine auf alle in Abs 1 Satz 1 genannten Mängel gestützte Klage ohne Wahrung des Abs 2 weder ganz noch teilweise unzulässig, sondern insgesamt zulässig, kann aber nur wegen fehlender Bestimmung über die Höhe des Grundkapitals begründet sein, solange nicht die Voraus-

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74 Heidel/Wermeckes5 13; Hüffer/Koch14 25; KK/Winnen3 58; MK/Koch4 51. 75 Zustimmend Hüffer/Koch14 § 246, 25; MK/Koch4 § 246, 42 f. 76 Dem nunmehr folgend auch Hüffer/Koch14 25; MK/Koch4 53 (gegen frühere Aufl); Spindler/Stilz/Bachmann4 18. 77 Klausing AktG nebst Einführungsgesetz und Amtlicher Begründung, 1937, S 190. 78 Bürgers/Körber/Füller4 14; Heidel/Wermeckes5 12; Hüffer/Koch14 24; MK/Koch4 41; Spindler/Stilz/Bachmann4 15. 79 Zust jetzt KK/Winnen3 54.

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setzungen des Abs 2 (auch nach erhobener Klage) erfüllt sind. Von diesem Ausnahmefall abgesehen ist die Klage vor Ablauf der Frist nach Abs 2 „zur Zeit unbegründet“. Läuft die Dreimonatsfrist nach erhobener (zulässiger!) Klage ab, so kann dieser nunmehr begründeten Klage stattgegeben werden. Wird dagegen der Mangel vor Ablauf der Dreimonatsfrist beseitigt, ist die Klage endgültig unbegründet. Einen Antrag auf Feststellung ihrer Erledigung in der Hauptsache wäre in diesem Fall nicht stattzugeben. 29

bb) Einzelheiten zu Abs 2. Die Bestimmung bezieht sich auf die „Nichtigkeits“Gründe der fehlenden oder nichtigen Satzungsregelung über den Gegenstand des Unternehmens (dazu Rdn 12–18). Insoweit verlangt sie eine an die Gesellschaft gerichtete Aufforderung, den Mangel zu beseitigen. Die Aufforderung muss von einem nach Rdn 23 Klageberechtigten ausgehen, nicht notwendig vom Kläger.80 Eine Abmahnung durch das Registergericht nach § 399 FamFG genügt nicht. Die Aufforderung muss der gemäß Rdn 24 vertretenen Gesellschaft zugegangen sein. 81 Eine Form verlangt das Gesetz nicht.82 Es genügt zB die Androhung einer Klage nach § 275.83 Allerdings muss die Aufforderung den gerügten Satzungsmangel benennen (unbestimmte Pauschalverweisungen auf einen „nichtigen Unternehmensgegenstand“ genügen nicht).84 Nicht erforderlich ist dagegen die Aufforderung zu einer konkret formulierten Satzungsänderung. Ist die Aufforderung allerdings in diesem Sinne formuliert, so reicht dies auch dann aus, wenn für die Heilung eine andere als die konkret verlangte Satzungsänderung genügt. Die Aufforderung setzt eine Dreimonatsfrist in Lauf. Beginn und Ablauf dieser Frist richten sich nach §§ 187 Abs 1, 188 Abs 2 BGB.85 Fruchtloser Fristablauf macht die Klage, wenn der gerügte Mangel vorhanden ist, begründet (Rn 28), nach der Gegenauffassung zulässig. Die Frist wurde vom Gesetzgeber in der Erwartung festgesetzt, dass die Gesellschaft der Aufforderung fristgemäß nachkommen kann. Das bereitet indes bei der Satzungsänderung Schwierigkeiten (Vorbereitung der Hauptversammlung, Beschlussfassung, Eintragung im Handelsregister). Nach §§ 179, 181 Abs 3 kann aber ohne Beschlussfassung und Registereintragung nicht davon ausgegangen werden, dass die Gesellschaft der Aufforderung „nachgekommen“ ist (insbesondere genügt nicht die Einberufung der Hauptversammlung).86 Viel spricht dafür, die Anmeldung der beschlossenen Satzungsänderung ausreichen zu lassen.87 Ist die Satzungsänderung bereits zur Eintragung im Handelsregister angemeldet, so kann ein vor der Eintragung begonnener „Nichtigkeitsprozess“ nach § 148 ZPO ausgesetzt werden.88 Wird der mit der Klage geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach Ablauf der Frist behoben, so kann die Hauptsache nach § 91a ZPO von den Parteien für erledigt erklärt werden.89 Hatte der Kläger die Nichtigkeitsklage erhoben, obwohl bereits Schritte zur Satzungsänderung unternommen worden waren, so kann dies nach billigem Ermessen (§ 91a ZPO) zu einer Kostenentscheidung gegen den Kläger führen.90 Erklärt nur der Kläger die Hauptsache für erledigt, so führt dies nach

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80 Bürgers/Körber/Füller4 15; KK/Winnen3 55; MK/Koch4 42; Spindler/Stilz/Bachmann4 15. 81 MK/Koch4 42 (stets Vertretung nach § 78). 82 Heidel/Wermeckes5 12; Hüffer/Koch14 24; MK/Koch4 42. 83 KK/Winnen3 55; MK/Koch4 42. 84 Heidel/Wermeckes5 12; Hüffer/Koch14 24; MK/Koch4 42. 85 Heidel/Wermeckes5 12; Hüffer/Koch14 24; KK/Winnen3 56; MK/Koch4 43. 86 Heidel/Wermeckes5 12; KK/Winnen3 56; MK/Koch4 43. 87 So Spindler/Stilz/Bachmann4 17; aM Bürgers/Körber/Füller4 16; KK/Winnen3 56. 88 Zur Anwendung des § 148 ZPO auf vorgreifliche Registerverfahren vgl MK-ZPO/Fritsche3 § 148 ZPO, 20. 89 Bürgers/Körber/Füller4 16; KK/Winnen3 56; MK/Koch4 43. 90 So für den Fall, dass der Kläger die Klage wegen Abs 3 vor Ablauf der Dreimonatsfrist erheben musste, MK/Koch4 44.

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allgemeinen Regeln zu einem Feststellungsstreit darüber, ob die Klage vor dem erledigenden Ereignis begründet war.91 cc) Das Verhältnis der Dreimonatsfrist (Abs 2) zur Dreijahresfrist (Abs 3) bereitet 30 nur für die hM (Dreimonatsfrist als Prozessvoraussetzung, vgl Rdn 28) Schwierigkeiten, nicht jedoch für die hier bei Rdn 28 vertretene rein materiellrechtliche Deutung des Abs 2. Für die hM ergibt sich in den letzten drei Monaten vor Ablauf der Frist des Abs 3 ein Konflikt, weil nunmehr die innerhalb der Dreijahresfrist erhobene Klage nach Abs 2 unzulässig, die nach dem Ablauf der Dreijahresfrist erhobene Klage aber nach Abs 3 unbegründet wäre. Die Frage kann praktisch werden, wenn der Mangel erst in den letzten Monaten vor Ablauf der Dreijahresfrist erkannt wird. Da eine Verlängerung der Frist nach Abs 3 nicht in Betracht kommt, konzediert die hM dem Kläger die Klageerhebung vor Ablauf der Dreimonatsfrist (Abs 2), sofern nur die Dreijahresfrist gewahrt ist (Abs 3).92 Das ist im Ergebnis richtig, ist aber nach der hier vertretenen Auffassung nur die Lösung eines Scheinproblems. Da sich Abs 2 ebensowenig wie Abs 3 mit der Zulässigkeit der Klage befasst, stellt die Klageerhebung vor Ablauf der Dreimonatsfrist allemal keine Zulässigkeitsfrage dar.92a Der vor Ablauf der Dreijahresfrist erhobenen Klage kann ohne weiteres stattgegeben werden, wenn die Dreimonatsfrist des Abs 2, sei es auch nach Ablauf der Dreijahresfrist, fruchtlos abgelaufen ist und der vom Kläger behauptete Nichtigkeitsgrund besteht. Eines „Zurücktretens“ des Abs 2 gegenüber Abs 3, wie dies die hM annimmt,93 bedarf es hierfür nicht. 4. Prozessverlauf (Abs 4) a) Die Klage wird durch Zustellung einer Klageschrift erhoben (§ 253 Abs 1 ZPO). Zu 31 den Parteien vgl Rdn 23, 24. Die Zustellung erfolgt an Vorstand und Aufsichtsrat (Abs 4 iVm § 246 Abs 2 Satz 2). Klagt ein Vorstandsmitglied, so wird die Gesellschaft nur durch den Aufsichtsrat, klagt ein Aufsichtsratmitglied, nur durch den Vorstand vertreten (Rdn 24). Streitgegenstand ist nach der hier vertretenen Auffassung (vgl sinngemäß 4. Aufl § 246 Rdn 61) die auf den vorgetragenen Sachverhalt gestützte Auflösungsreife der Gesellschaft. Inzwischen wurde durch BGHZ 152, 1 = NJW 2002, 3465 entschieden, dass der Streitgegenstand im Beschlussanfechtungsstreit alle dem Beschluss anhaftenden Mängel, auch soweit nicht vom Tatsachenvortrag umfasst, die zur Nichtigkeit führen können, umfasst. Im Fall des § 275 hätte dies zu bedeuten, dass die sog Nichtigkeitsklage in jedem Fall nur einen einzigen Streitgegenstand haben kann, auch wenn der eine Kläger den einen, ein anderer Kläger einen anderen Mangel geltend macht und ein dritter der in Abs 1 Satz 1 genannten Mängel von keinem Kläger geltend gemacht wird. Zum Klageantrag vgl Rdn 23. Zur Zuständigkeit vgl Abs 4 Satz 1 iVm § 246 Abs 3 und zur Frage der Schiedsfähigkeit vgl Rdn 22. Die Streitgenossenschaft mehrerer Kläger ist eine notwendige iS von § 62 ZPO (vgl sinngemäß 4. Aufl § 246 Rdn 29).94 Über die Möglichkeit eines Parteiwechsels auf der Klägerseite vgl sinngemäß § 246 Rdn 30. Für den Streitwert gelten die Regeln des § 247 (Abs 4 Satz 1), auf deren Kommentierung verwiesen wird.

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91 92 44. 92a 93 94

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Vgl allgemein zur einseitigen Erledigung der Hauptsache BGHZ 37, 137 = NJW 1962, 137. Bürgers/Körber/Füller4 21; Heidel/Wermeckes5 12; Hüffer/Koch14 24; KK/Winnen3 56; MK/Koch4 Zust KK/Winnen3 62. Angaben bei KK/Winnen3 61. MK/Koch4 45.

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§ 275 | Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft

Einstweilige Verfügungen während des Prozessverlaufs sind zulässig, können aber nicht auf Auflösung oder Nichtigerklärung gehen.95 32

b) Für die Bestimmung des ersten Termins zur mündlichen Verhandlung gilt trotz der Pauschalverweisung in Abs 4 Satz 1 nicht die Regel des § 246 Abs 3 Satz 2 (kein Termin vor Ablauf der Monatsfrist des § 246 Abs 1), weil § 246 Abs 1 seinerseits nicht gilt.96 Den Vorstand trifft eine Mitteilungspflicht: Er hat die Erhebung der Klage und den Termin zur mündlichen Verhandlung unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen (Abs 4 Satz 1 iVm § 246 Abs 4 und näher sinngemäß bei § 246 Rdn 48 ff). Dies dient der Gewährleistung rechtlichen Gehörs. Nach BVerfGE 60, 7 = NJW 1982, 1635 (zur GmbH) ist ein ohne Kenntnis der Gesellschaft ergangenes Auflösungsurteil ggf wegen Verletzung des Rechts auf Gehör aufzuheben.97 Wer ein rechtliches Interesse am Obsiegen der einen oder anderen Partei hat, kann dem Prozess auf der Klägeroder Beklagtenseite als Nebenintervenient nach § 66 ZPO beitreten,98 und zwar in Anbetracht der bei Rdn 35 dargestellten Urteilswirkungen idR als streitgenössischer Nebenintervenient (§ 69 ZPO). Von der Mitteilung an die Aktionäre zu unterscheiden ist die Pflicht des Vorstands zur Einreichung der Klage bei dem Handelsregister (Abs 4 Satz 2).

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c) Die Verbindung mehrer Prozesse ist durch Verweisung auf § 249 Abs 2 (dazu § 249 Rdn 27, 39) geregelt (Abs 4 Satz 1). Diese doppelte Verweisung wird dahin verstanden, dass mehrere Nichtigkeitsprozesse gegen dieselbe Gesellschaft notwendig zu verbinden sind (vgl sinngemäß § 246 Abs 3 Satz 3 und § 249 Abs 2 Satz 1), während die Verbindung mit einer Beschlussanfechtungsklage oder Beschluss-Nichtigkeitsklage in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (vgl sinngemäß § 249 Abs 2 Satz 2).99 Wichtiger scheint die aus § 249 Abs 2 Satz 2 zu folgernde Verbindung jedes aus § 275 geführten Prozesses mit einem die Feststellung der Auflösung betreffenden Prozess.

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d) Die Verfügung der Parteien über den Prozessstoff bereitet ähnliche Probleme wie beim Anfechtungsprozess (dazu § 246 Rdn 68 ff, 71 ff). Das bedeutet: Der Kläger kann durch Klagerücknahme (§ 269 ZPO), Klageverzicht (§ 306 ZPO) oder Säumnis (§§ 330 ff ZPO) nach den Regeln der ZPO über den Streitstoff verfügen, soweit nicht die Einlassung eines notwendigen Streitgenossen entgegensteht (§ 62 ZPO). Die beklagte Gesellschaft kann durch Tatsachenvortrag (Nichtbestreiten oder Geständnis nach §§ 138 Abs 3, 288 ZPO) oder durch Säumnis (§ 331 ZPO) faktisch über den Streitstoff verfügen (vgl sinngemäß § 246, 71 ff). Hier überall findet noch eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung in rechtlicher Hinsicht statt. Auch Rechtsmittelverzicht und Rechtsmittelrücknahme nach einem der Klage stattgebenden Urteil scheinen zulässig (vgl sinngemäß § 246 Rdn 79). Unzulässig und ohne rechtlich bindende Wirkung sind dagegen ein die „Nichtigkeit“ der Gesellschaft bestätigender Vergleich zwischen dem Kläger und der beklagten Gesellschaft (vgl sinngemäß § 246 Rdn 74) sowie der Erlass eines Anerkenntnisurteils nach § 307 ZPO (vgl sinngemäß § 246 Rdn 75 ff). In diesen Fällen fehlt es an der für die „Nichtigkeits“-Wirkung des § 275 notwendigen rechtlichen Prüfung durch das Gericht. Wie § 262 Abs 1 Nr 2 (Auflösungsbeschluss) zeigt, liegt die Entscheidung über die Auflösung

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95 96 97 98 99

Bürgers/Körber/Füller4 19; MK/Koch4 62. MK/Koch4 55. Dazu mwN Scholz/Scheller GmbHG12 § 61, 21. MK/Koch4 45. Hüffer/Koch14 26; KK/Kraft2 43; MK/Koch4 56.

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Klage auf Nichtigerklärung | § 275

der AG außerhalb des Kompetenzbereichs der sie im „Nichtigkeits“-Streit vertretenden Organe (zu diesen Rdn 24). e) Das Urteil kann ein klageabweisendes Prozess- oder Sachurteil sein. Gibt es der 35 Klage statt, so lautet der übliche Tenor: „Die (genau bezeichnete) Gesellschaft wird für nichtig erklärt.“ Im Hinblick auf die bei Rdn 3, 20 festgestellte Funktion der „Nichtigkeitsklage“ zweckmäßiger, jedoch in Hinblick auf den klaren Wortlaut ungebräuchlich, wäre ein auf Auflösung der Gesellschaft lautender Tenor. Das Urteil ist ein Gestaltungsurteil:100 Es wirkt konstitutiv, und zwar nach Abs 4 Satz 1 iVm § 248 Abs 1 Satz 1 mit Wirkung für und gegen alle Aktionäre und Organmitglieder (richtig: für und gegen jedermann, vgl § 248 Rdn 4). Diese Wirkung besteht nicht darin, dass die Gesellschaft „nichtig“ ist, sondern darin, dass sie mit Rechtskraft des Urteils (vgl § 271 Abs 1 Satz 1) aufgelöst ist.101 Die Gesellschaft tritt also mit der Rechtskraft des Urteils in das Abwicklungsstadium ein, nicht erst mit der Eintragung der Nichtigkeit nach Abs 4 Satz 3 (str; vgl § 277 Rdn 4). Zur Frage, ob ein Fortsetzungsbeschluss gefasst werden kann, vgl § 277 Rdn 12. 5. Mitteilung des rechtskräftigen Urteils und Eintragung der „Nichtigkeit“ im Handelsregister a) Nach Abs 4 Satz 2 muss der Vorstand das rechtskräftige Urteil zur Eintragung 36 beim Handelsregister einreichen. Das Gesetz meint mit dem Urteil eine mit Rechtskraftzeugnis versehene Urteilsausfertigung.102 Einzureichen ist nicht nur ein der Klage rechtskräftig stattgebendes Urteil, sondern auch eine rechtskräftige Abweisung der Klage.103 Das hängt zusammen mit der Pflicht, eine Abschrift der Klage zum Handelsregister einzureichen (Abs 4 Satz 2 und dazu Rdn 32). Auch das Resultat des Prozesses soll dementsprechend bei dem Registergericht aktenkundig sein. b) Die Eintragung im Handelsregister (Abs 4 Satz 3) betrifft nur die Folgen der 37 Rechtskraft eines der Klage stattgebenden Urteils (vgl zu diesem Rdn 38 sowie § 277 Rdn 4).104 Sie erfolgt in Spalte 6 des Registerblatts (§ 43 Nr 6 lit b HRV). Für die Bekanntmachung gilt § 10 HGB. Diese Eintragung hat entgegen einer verbreiteten Auffassung nur deklaratorische Wirkung (§ 277 Rdn 4),105 denn sie dokumentiert nur die mit der Rechtskraft des Urteils bereits eingetretene Gestaltungswirkung (zu dieser Rdn 35). Nach dem Gesetzeswortlaut ist „die Nichtigkeit der Gesellschaft aufgrund rechtskräftigen Urteils“ einzutragen (Abs 4 Satz 3). Das entspricht der hM. Richtig wäre die Eintragung, dass die Gesellschaft durch Urteil aufgelöst ist (Rdn 35, § 277 Rdn 4). Die hM ist unschädlich, wenn man sich nur darüber klar ist, dass es sich um eine veraltete, weil auf das HGB von 1897 zurückgehende Formulierungspraxis handelt und dass diese nichts daran ändert, dass die Gesellschaft nicht „nichtig“, sondern aufgelöst ist.

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100 Heidel/Wermeckes5 15; Hüffer/Koch14 27; KK/Winnen3 70; MK/Koch4 57; Spindler/Stilz/Bachmann4 22. 101 So auch Bürgers/Körber/Füller4 12; Hüffer/Koch14 27; KK/Winnen3 75; MK/Koch4 57; BeckHB-AG/ Schmidt-Hern3 23. 102 MK/Koch4 60. 103 Heidel/Wermeckes5 16; Hüffer/Koch14 29; KK/Winnen3 72; MK/Koch4 60. 104 KK/Kraft2 48. 105 Bürgers/Körber/Füller4 Rn 23; Heidel/Wermeckes5 16; Hüffer/Koch14 29; MK/Koch4 61; aM KK/Winnen3 § 277, 4.

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§ 275 | Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft

IV. Löschung „nichtiger“ Gesellschaften nach § 397 FamFG 1. Funktion und Systematik 38

a) Nach § 397 Satz 1 FamFG kann eine Aktiengesellschaft „als nichtig gelöscht“ werden, wenn die Voraussetzungen einer Nichtigkeitsklage nach §§ 275, 276 vorliegen (näher Rdn 9 ff). Nach § 399 FamFG kann das Registergericht einen Mangel der Satzung feststellen, wenn diese eine der nach § 23 Abs 3 Nr 1 oder 4 (Firma, Sitz und Zerlegung der Aktien) wesentliche Bestimmungen nicht enthält oder wenn diese Bestimmung oder eine Bestimmung nach § 23 Abs 3 Nr 3 (Grundkapital) nichtig ist (näher § 262 Rdn 51 ff); die Rechtskraft dieser Feststellung hat die Auflösung zur Folge (§ 262 Abs 1 Nr 5). Von den Bestimmungen der §§ 397, 399 FamFG nimmt nur § 397 FamFG auf § 275 Bezug. Da sich die „Nichtigkeitsklage“ richtigerweise als Auflösungsklage darstellt (Rdn 3), führt die „Löschung“ nach § 397 FamFG richtigerweise gleichfalls zur Auflösung der Gesellschaft (Rdn 44).106

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b) Verhältnis des „Löschungs“-Verfahrens zu § 275. Die Möglichkeit eines Löschungsverfahrens beseitigt nicht das Rechtsschutzinteresse für eine Klage nach § 275 (Rdn 28).107 Auch während eines bereits eingeleiteten „Löschungs“-Verfahrens kann das Rechtsschutzinteresse fortbestehen. Wird die Gesellschaft während eines nach § 275 geführten Prozesses „gelöscht“, so führt dies zur Erledigung dieses Rechtsstreits in der Hauptsache.108 Während der laufenden Verfahren ergibt sich deren Abstimmung aus §§ 148 ZPO, 381 FamFG.109 Im Übrigen entscheiden das Prozessgericht und das Registergericht unabhängig voneinander, so dass ein Gericht die „Nichtigkeit“ bejahen kann, auch wenn sie vom anderen Gericht verneint wurde.110

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c) Verhältnis des „Löschungs“-Verfahrens zu § 399 FamFG. Nach § 399 FamFG führen bestimmte Mängel der Satzung nicht zur „Löschung der Gesellschaft“, sondern zur Feststellung des Mangels der Satzung und damit zur Auflösung der Gesellschaft nach § 262 Abs 1 Nr 5. Erkennt man, dass auch das „Löschungs“-Verfahren nach § 397 FamFG nur zur Auflösung der Gesellschaft führt (Rdn 44), so erweist sich, dass der Gegensatz zwischen den Verfahren nicht im Grundsätzlichen, sondern nur in den Eingriffstatbeständen liegt (vgl auch die Übersicht bei § 262 Rdn 53), die seit dem PublizitätsrichtlinieGesetz von 1969 geteilt sind (Rdn 2): Das „Löschungs“-Verfahren nach § 397 Satz 1 FamFG kommt zum Zuge, wenn eine Regelung über die Höhe des Grundkapitals oder über den Unternehmensgegenstand fehlt oder wenn die Bestimmung des Unternehmensgegenstand nichtig ist (zu diesen Tatbeständen des § 275 Abs 1 Satz 1 vgl Rdn 9 ff). Fehlt dagegen eine Regelung über Firma, Sitz und die Zerlegung des Grundkapitals in Aktien oder ist diese Bestimmung oder diejenige über das Grundkapital nichtig, so kommt das „Feststellungs“-Verfahren nach § 399 FamFG zum Zuge (eingehend § 262 Rdn 52 ff). Das Ziel beider Verfahren ist weder auf „Löschung“ (§ 397 FamFG) noch auf „Feststellung“ (§ 399 FamFG), sondern auf Auflösung der Gesellschaft wegen des Satzungsmangels gerichtet (Rdn 41 sowie § 262 Rdn 51). Überschneidungen gibt es nicht,

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106 107 108 109 110

MK/Koch4 73. Hüffer/Koch14 20; MK/Koch4 40. Hüffer/Koch14 34; MK/Koch4 74. Vgl MK/Koch4 40; Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 35. Näher Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 35.

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Klage auf Nichtigerklärung | § 275

weil sich die Tatbestände ausschließen.111 Es besteht auch keine Richtlinienwidrigkeit in Bezug auf Art 10 der Gesellschaftsrichtlinie (zu dieser Rdn 4).111a d) Verhältnis des „Löschungs“-Verfahrens zu § 395 FamFG. Nach § 395 FamFG 41 wird eine Eintragung, die wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig war, von Amts wegen gelöscht. Dieses Verfahren zielt nicht auf die eingetragene Gesellschaft, sondern schlicht auf die im Handelsregister vollzogene Eintragung. Allerdings ist auch in Fällen des § 397 FamFG die Eintragung unzulässig. Gegenüber § 395 FamFG hat § 397 FamFG als die speziellere Norm Vorrang.112 2. § 397 FamFG im Einzelnen a) Materielle Voraussetzung ist das Bestehen eines nicht nach § 276 geheilten 42 „Nichtigkeits“-Grunds nach § 275 Abs 1 Satz 1 (dazu Rdn 9 ff). Insbesondere die nachträgliche Nichtigkeit der Satzungsbestimmung über den Unternehmensgegenstand (Rdn 17) kann nach der hier vertretenen Auffassung zum „Löschungs“-Verfahren nach § 397 FamFG führen. Der Ablauf der Frist nach Abs 3 schadet nicht.113 b) Das Verfahren nach § 397 FamFG wird von Amts wegen betrieben. Zuständig ist 43 das Registergericht.114 Wer zur Nichtigkeitsklage berechtigt ist, kann das Verfahren, wie auch jeder Dritte, anregen, hat aber kein formelles Antragsrecht (vgl aber zum Antragsrecht der Industrie- und Handelskammern § 380 Abs 1 FamFG).115 Aus der „Kann“-Regel des § 397 FamFG wird herkömmlicherweise gefolgert, dass die Löschung Ermessensentscheidung ist.116 Dem ist nicht zu folgen.117 § 397 FamFG ist als Muss-Vorschrift zu lesen.118 Das Gericht hat die Gesellschaft von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihr eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs zu setzen (§ 395 Abs 2 FamFG). Der Widerspruch bedarf keiner Form und keiner Begründung. Wird Widerspruch eingelegt, so entscheidet das Gericht. Weist es den Widerspruch zurück, so ist diese Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde angreifbar (§§ 393 Abs 3, 394 Abs 3, 397 FamFG). Die Löschung setzt voraus, dass die Widerspruchsfrist ergebnislos verstrichen ist oder der Widerspruch rechtskräftig zurückgewiesen ist (§§ 393 Abs 5, 395 Abs 3, 397 FamFG). Die Löschung darf nur erfolgen, wenn der Nichtigkeitsgrund (noch) besteht, insbesondere keine Heilung nach § 276 erfolgt ist.119 Die „Löschung“ erfolgt durch einen Vermerk im Handelsregister. Sie ist nicht mit der Beschwerde nach § 58 FamFG anfecht-

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111 Vgl MK-ZPO/Krafka3 § 397 FamFG, 4 und § 399 FamFG 3. 111a So im Ergebnis wegen der in § 399 FamFG vorgesehenen Nachbesserungsmöglichkeit auch Scholz/Scheller GmbHG12 § 275, 9. 112 BayObLGZ 1969, 215, 219; GmbHR 1992, 304, 305; Keidel/Heinemann19 § 397 FamFG, 4; MK-ZPO/ Krafka3 § 397 FamFG 3. 113 Krafka/Willer/Kühn Rdn 454. 114 KK/Winnen3 86; MK-ZPO/Krafka3 § 397 FamFG 14. 115 Hüffer/Koch14 33; KK/Winnen3 84; MK/Koch4 69; Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 37. 116 KG JW 1938, 3048 m abl Anm Groschuff; Jansen FGG2 § 144, 18; Keidel/Heinemann19 § 397 FamFG, 17; MK-ZPO/Krafka3 § 395 FamFG, 4; § 397 FamFG, 13. 117 Hüffer/Koch14 32; MK/Koch4 68; Scholz/Scheller GmbHG12 § 75, 37; referierend Bürgers/Körber/Füller4 24; ähnlich wie hier KK/Winner3 85 (Ermessensreduzierung auf Null). 118 Ausführlich wurde diese Auffassung vom Verf herausgearbeitet in der 6. Aufl des Kommentars Scholz, GmbHG. 119 KG JW 1934, 1124; Jansen FGG2 14; Keidel/Heinemann19 § 397 FamFG, 12; MK-ZPO/Krafka3 § 397 FamFG, 13.

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§ 276 | Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft

bar.120 Nach § 395 FamFG kann allerdings eine Amtslöschung der Löschung erfolgen, wenn sie verfahrensfehlerhaft war.121 44

c) Rechtsfolge der Löschung ist nicht das Erlöschen der Gesellschaft, sondern der Eintritt der Gesellschaft in das Abwicklungsstadium.122 Anders als im Fall des Nichtigkeitsurteils (Rdn 35) hat die Löschung konstitutive Wirkung.123 Wie sich aus § 277 Abs 1 ergibt, ist im Fall des Verfahrens nach § 397 FamFG nicht die Rechtskraft erforderlich (§ 277 Rdn 4). Das ergibt sich aus der Unanfechtbarkeit der Löschung (Rdn 43), die ihrerseits das vorausgegangene Abmahnverfahren (dazu Rdn 29) voraussetzt. Für die Abwicklung der aufgelösten Gesellschaft gelten die §§ 264 ff.

§ 276 Heilung von Mängeln Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft Heilung von Mängeln § 276 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-022

Ein Mangel, der die Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens betrifft, kann unter Beachtung der Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen geheilt werden. Schrifttum Vgl die Angaben bei § 275.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

I.

Systematische Übersicht Bedeutung der Vorschrift 1. Normgeschichte und Normzweck | 1 2. Das Verhältnis zur Fortsetzung der Gesellschaft und zur Vertragsergänzung | 4

3.

II.

Heilbarkeit alls „Nichtigkeits“Mängel? | 6 Heilungsverfahren und Heilungswirkung 1. Die Satzungsänderung | 8 2. Die Heilungswirkung | 10

I. Bedeutung der Vorschrift 1. Normgeschichte und Normzweck 1

a) Die Bestimmung geht auf § 217 AktG 1937 zurück, dieser auf § 311 HGB 1897. Die gegenwärtige Fassung des § 276 beruht auf dem Gesetz zur Durchführung der Publizitätsrichtlinie (dazu § 275 Rdn 4).1 Dieses Gesetz beschränkte die Nichtigkeitsgründe des § 275 Abs 1 Satz 1 und stellte ihnen die Auflösungsgründe des § 399 FamFG zur Seite (dazu § 262 Rdn 51 ff). Dadurch wurde der Bedarf nach Heilungstatbeständen iS von § 275

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120 121 122 123

Hüffer/Koch14 33; MK/Koch4 72. Keidel/Heinemann19 § 397 FamFG, 26; MK-ZPO/Krafka3 § 397 FamFG, 19. Hüffer/Koch14 32; MK/Koch4 73; Keidel/Heinemann19 § 397 FamFG, 25. MK-ZPO/Krafka3 § 397 FamFG, 20.

1 Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der EG zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts v 15.8.1969, BGBl I S 1149.

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Heilung von Mängeln | § 276

reduziert. Die heute in § 399 FamFG enthaltenen Satzungsmängel sind aus § 276 gestrichen. b) Sinn und Zweck der Bestimmung ist die Bewahrung der Gesellschaft durch Sat- 2 zungsänderung vor der „Nichtigerklärung“ (§ 275 Abs 1) bzw „Löschung“ (§ 397 FamFG). Nach § 275 Abs 2 bzw § 395 Abs 2 FamFG kann die Gesellschaft dem „Nichtigkeitsurteil“ bzw der „Löschung“ durch Satzungsänderung zuvorkommen (näher § 275 Rdn 28 und 29). c) Die Dogmatik des § 276 ist einfach, wenn auch vorbelastet durch rechtsdogmati- 3 sche Fehlvorstellungen der Vergangenheit. Die Gesetzesverfasser des HGB von 1897 hatten, weil sie die Gesellschaft wirklich als nichtig und das Nichtigkeitsurteil nur als deklaratorisch ansahen (§ 275 Rdn 2), noch Schwierigkeiten mit der Vorstellung, eine nichtige Gesellschaft könne heilende Beschlüsse fassen. Sie hielten deshalb eine ausdrückliche Bestimmung für erforderlich, die es der Gesellschaft gestattet, die zur Nichtigkeit der Gesellschaft führenden Mängel nachträglich zu heilen.2 In das Aktiengesetz 1937 ging dann die Vorschrift mit der Überschrift „Heilung der Nichtigkeit“ ein. Der Gesetzgeber von 1965 hat diese Überschrift durch die Formulierung „Heilung von Mängeln“ klargestellt, denn die Bestimmung regle „in Wirklichkeit nicht die Heilung der Nichtigkeit – die erst mit der Rechtskraft des Urteils eintritt –, sondern die Heilung von Mängeln, welche die Nichtigkeit zur Folge haben können“.3 Selbst diese Verbesserung ist noch immer nicht wirklich treffend. Es verhält sich nämlich weitaus einfacher: Da die „Nichtigkeitsgründe“ des § 275 Abs 1 Satz 1 nichts als Auflösungsgründe sind (§ 275 Rdn 3, 35) und die Gesellschaft auch durch das konstitutive „Nichtigkeitsurteil“ nach § 275 bzw durch die „Löschung“ nach § 397 FamFG lediglich aufgelöst wird (§ 275 Rdn 35 bzw 44), besagt § 276 nur etwas Selbstverständliches: Eine Gesellschaft kann durch einen solchen Konstitutivakt nur aufgelöst werden, wenn der Auflösungsgrund in dem nach § 277 maßgeblichen Zeitpunkt noch besteht. Diese dem historischen Gesetzgeber noch fremde Überlegung lässt § 276 als eine lediglich klarstellende, im Grunde überflüssige Norm erscheinen. Der hiermit verbundene Wandel der Normsituation4 lässt viele Streitfragen um § 276 als gegenstandslos erscheinen. 2. Das Verhältnis zur Fortsetzung der Gesellschaft und zur Vertragsergänzung a) Von der Fortsetzung einer wegen „Nichtigkeit“ aufgelösten Gesellschaft 4 (§ 277 Rdn 12) unterscheidet sich die Heilung nicht durch den materiellen Beschlussgegenstand, sondern nur durch das Stadium der „Heilung“.5 Der „Heilungsbeschluss“ will eine bevorstehende Auflösung verhindern, der Fortsetzungsbeschluss eine bereits eingetretene Auflösung rückgängig machen. Deshalb enthält der Fortsetzungsbeschluss in den Fällen des § 275 (§ 275 Rdn 6) gleichzeitig einen Heilungsbeschluss iS von § 276, und grundsätzlich enthält ein dem § 276 entsprechender Heilungsbeschluss zugleich einen konkludenten Fortsetzungsbeschluss (für den Fall nämlich, dass der Eintritt der Auflösungswirkung nach § 277 Abs 1 der Eintragung der Satzungsänderung und damit der Heilung zuvorkommt).6

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2 3 4 5 6

Denkschrift in Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum HGB 1897 II/2 S 1093. Kropff S 364. Scholz/Scheller GmbHG12 § 76, 1. Ausführlich Scholz/Scheller GmbHG12 § 76, 3. Vgl Scholz/Scheller GmbHG12 § 76, 3, 6.

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§ 276 | Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft

5

b) Von § 276 zu unterscheiden sind dagegen Satzungsänderungen oder Satzungsergänzungen, die nur die Nichtigkeit einzelner Satzungsbestimmungen (§ 23 Rdn 205) beheben sollen.7 3. Heilbarkeit aller „Nichtigkeits“-Mängel?

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a) Wortlautgetreue hM. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut können nur Satzungsmängel geheilt werden, die die Bestimmungen über den Unternehmensgegenstand betreffen. Hieran hält sich die herrschende, vormals sogar einhellige Auffassung. Nur die zweite und dritte Variante des § 275 Abs 1 Satz 1 (Fehlen oder Nichtigkeit der Satzungsbestimmung über den Unternehmensgegenstand) wird als heilbar angesehen, nicht die erste Variante (Fehlen der Satzungsbestimmung über das Grundkapital).8

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b) Für eine Heilbarkeit aller „Nichtigkeits“-Mängel. Vom Verfasser für § 76 GmbHG ausführlich entwickelt und im GmbH-Recht inzwischen mehrfach vertreten ist die Ausdehnung der Heilbarkeit auf alle Nichtigkeitsmängel.9 Die Begründung ergibt sich aus dem bei Rdn 3 Gesagten: Anders als nach der hergebrachten Auffassung ist § 276 keine für die Zulassung der „Heilung“ unentbehrliche Regelung, sondern lediglich Ausdruck des selbstverständlichen Grundsatzes, dass eine Auflösung durch Staatsakt („Nichtigkeitsurteil“ oder „Löschung“) das Vorhandensein und Noch-Vorhandensein des Auflösungsgrundes voraussetzt. Jeder zur Auflösung führende Satzungsmangel kann deshalb durch Satzungsänderung behoben werden, sogar das Fehlen einer Satzungsregelung über das Grundkapital. Freilich ist diese Auffassung mehr von grundsätzlichakademischer als von praktischer Bedeutung, weil die Eintragung einer Gesellschaft ohne Satzungsregelung über das Grundkapital unwahrscheinlich ist.10 II. Heilungsverfahren und Heilungswirkung 1. Die Satzungsänderung

8

a) Für die erforderliche Satzungsänderung gelten die allgemeinen Regeln der §§ 179 ff. Nach § 121 Abs 1 (Wohl der Gesellschaft) kann eine Verpflichtung zur Einberufung der Hauptversammlung bestehen, wenn ein Klageberechtigter die Gesellschaft nach § 275 Abs 2 zur Beseitigung des Mangels aufgefordert hat. 11 Das Stimmrecht bestimmt sich nach §§ 134 ff. Positive Stimmpflichten werden von der wohl noch hM abgelehnt.12 Eine solche Pflicht ist jedoch ausnahmsweise zu bejahen, wenn die Satzungsänderung nur dazu dient, die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses wieder herzustellen,13 zB bei nachträglicher Divergenz zwischen faktischem und satzungsmäßigem Unternehmensgegenstand (dazu § 275 Rdn 13). Für den Beschluss bedarf es hier einer Dreiviertelmehrheit (§ 179 Abs 1 Satz 1). Die Satzung kann für die Änderung des

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7 Scholz/Scheller GmbHG12 § 76, 4. 8 Bürgers/Körber/Füller4 2; Heidel/Wermeckes5 2; Hüffer/Koch14 1; KK/Winnen3 6; MK/Koch4 4 f; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 1. 9 So auch Grigoleit/Servatius 1; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG19 § 76, 1; Scholz/Scheller GmbHG12 § 76, 5; sympathisierend Roth/Altmeppen GmbHG9 § 76, 3; anders die wohl noch hM. 10 Bedürfnis nach Ausdehnung verneinend deshalb MK/Koch4 5. 11 Ähnlich Heidel/Wermeckes5 3; MK/Koch4 6. 12 Heidel/Wermeckes5 3; Hüffer/Koch14 2; MK/Koch4 9 f. 13 In gleicher Richtung Heidel/Wermeckes5 3; KK/Winnen3 10; Spindler/Stilz/Bachmann4 5; s auch K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 3.

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Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit | § 277

Unternehmensgegenstands eine höhere Kapitalmehrheit vorschreiben, jedoch keine geringere ausreichen lassen (§ 179 Abs 1 Satz 2).14 Für die bloße Ergänzung der Satzung, wenn deren Mangel im Fehlen einer Regelung über den Unternehmensgegenstand besteht (vgl § 275 Abs 1 Satz 1), gilt diese Beschränkung nicht, so dass die Satzung für diesen Fall auch eine geringere Kapitalmehrheit zulassen kann.14a b) Die Anmeldung zum Handelsregister erfolgt nach §§ 181, 276. Zur materiellen 9 Prüfung des Beschlusses im Eintragungsverfahren vgl sinngemäß § 181 Rdn 21. Die Heilungswirkung tritt erst ein, wenn der Beschluss über die Satzungsänderung im Handelsregister eingetragen ist (§ 189 Abs 3).15 2. Die Heilungswirkung a) Wenn der Auflösungsfall noch nicht eingetreten ist (dazu § 277 Abs 1), entfällt ex 10 nunc die Auflösungsreife (vgl zu dieser § 262 Rdn 2).16 Das bedeutet: Würde die Gesellschaft nun noch nach § 397 FamFG gelöscht (§ 275 Rdn 39), so wäre diese Löschungseintragung unzulässig und unterläge ihrerseits der Löschung nach § 395 FamFG.17 Ein jetzt noch ergehendes „Nichtigkeits“-Urteil nach § 275 ist gleichfalls rechtswidrig und unterliegt der Aufhebung im Berufungsrechtszug. War das Urteil bereits ergangen und wird es erst nach der Heilung rechtskräftig (vgl § 275 Abs 1), so wirkt der Heilungsbeschluss als Fortsetzungsbeschluss (vgl Rdn 4). b) Eine Heilung nach Eintritt der Auflösungswirkung nach § 277 wirkt als Fort- 11 setzungsbeschluss (vgl Rdn 4 sowie § 277 Rdn 13).

§ 277 Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit § 277 K. Schmidt https://doi.org/10.1515/9783110294248-023

(1) Ist die Nichtigkeit einer Gesellschaft auf Grund rechtskräftigen Urteils oder einer Entscheidung des Registergerichts in das Handelsregister eingetragen, so findet die Abwicklung nach den Vorschriften über die Abwicklung bei Auflösung statt. (2) Die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtsgeschäfte wird durch die Nichtigkeit nicht berührt. (3) Die Gesellschafter haben die Einlagen zu leisten, soweit es zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten nötig ist. Schrifttum Vgl die Angaben bei § 275.

Rechtsprechung (s E-Book bzw E-Pub)

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14 14a 15 16 17

Dazu Heidel/Wermeckes5 3; Hüffer/Koch14 2; KK/Kraft2 10; ausführlich MK/Koch4 8. KK/Winnen3 9. Heidel/Wermeckes5 3; Hüffer/Koch14 3; MK/Koch4 13. Vgl auch KK/Winnen3 16; MK/Koch4 16. Vgl Keidel/Heinemann19 § 397 FamFG, 26.

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K. Schmidt

§ 277 | Zweiter Abschnitt – Nichtigerklärung der Gesellschaft

I. II.

Systematische Übersicht Grundsätzliches 1. Normgeschichte | 1 Die Rechtsfolgen der „Nichtigerklärung“ bzw der „Löschung“ 1. Auflösung und Abwicklung | 3

2.

III.

Wirksamkeit von Rechtsgeschäften | 6 3. Leistung von Einlagen (Abs 3) | 8 Fortsetzung „nichtiger“ Gesellschaften 1. Grundsätzliches | 12

I. Grundsätzliches 1. Normgeschichte 1

Vorgänger der Bestimmung waren die §§ 311 HGB 1897, 218 AktG 1937 (vgl § 275 Rdn 2). Der Gesetzgeber von 1897 hatte die Regelung als einen Kompromiss angesehen, durch den „der Gesellschaft, insoweit als es sich um die Abwicklung ihrer Verhältnisse handelt, ... eine genuine Rechtsbeständigkeit beigelegt wird“, woraus sich erklären lasse, dass „der Entwurf zum Zwecke der Abwicklung der Verhältnisse der als AG für nichtig erklärten Vereinigung dennoch die im Falle der Auflösung der AG geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung finden lässt“.1

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Der Normzweck ist nach der hier vertretenen Auffassung wesentlich einfacher als nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers: Wenn es sich bei den „Nichtigkeits“-Tatbeständen nur um Auflösungstatbestände handelt (§ 275 Rdn 3) und wenn die Nichtigerklärung (§ 275 Rdn 35) bzw die „Löschung“ (§ 275 Rdn 38) nichts als eine Auflösung der Gesellschaft ist, dann versteht sich, dass die Rechtsfolge dieser Maßnahme die Abwicklung nach den §§ 264 ff ist. Abs 1 ist also nur eine gesetzliche Klarstellung und bedarf keiner umständlichen Begründung. II. Die Rechtsfolgen der „Nichtigerklärung“ bzw der „Löschung“ 1. Auflösung und Abwicklung

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a) Die „Nichtigerklärung“ (§ 275) bzw „Löschung“ (§ 397 FamFG) ist ein Auflösungstatbestand (§ 275 Rdn 3).2 Abs 1 ist also nicht als eine Verweisung auf die §§ 264 ff in analoger Anwendung zu verstehen, sondern als Klarstellung einer in § 262 nicht genannten Auflösungsvariante.

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b) Zeitpunkt der Auflösung ist nicht, wie dem Gesetzeswortlaut entnommen werden könnte, die der Nichtigerklärung nachfolgende Eintragung im Handelsregister,3 sondern im Fall des § 397 FamFG die Löschung durch das Registergericht nach § 397 FamFG (§ 275 Rdn 44)4 bzw im Fall des § 275 der Eintritt der Rechtskraft des Urteils (§ 275 Rdn 35).5 Es entspricht allgemeinen Grundsätzen, dass die Gestaltungswirkung eines Gestaltungsurteils erst mit dessen Rechtskraft eintritt.6 Dass im Fall einer „Löschung“ nach § 397 FamFG die Auflösungswirkung mit der Eintragung eintritt, steht

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1 Denkschrift in Hahn/Mugdan S 333 f. 2 Heidel/Wermeckes5 2; Hüffer/Koch14 § 275, 1; MK/Koch4 § 275, 5. 3 So aber Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 4 Insoweit hM; vgl nur Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 4. 5 HM; vgl Bürgers/Körber/Füller4 2, § 275, 23; Heidel/Wermeckes5 2; aM MK/Koch4 4 f; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 2. 6 Herausbildung dieser heute hM bei Scholz/K Schmidt GmbHG11 § 77, 6.

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hierzu nur scheinbar in Widerspruch. Der Unterschied findet seinen Grund in der Verschiedenheit der zur Auflösung führenden Verfahren: des auf „Nichtigerklärung“ zielenden Auflösungsprozesses (§ 275 Rdn 15 ff) und des auf „Löschung“ der Gesellschaft zielenden Registerverfahrens nach § 397 FamFG (§ 275 Rdn 38 ff). Das die Auflösung bewirkende Verfahrensereignis ist bei der „Nichtigkeitsklage“ das Gestaltungsurteil (§ 275 Rdn 35), bei dem Löschungsverfahren die Löschung selbst (§ 275 Rdn 44). Der Ablauf der Widerspruchsfrist kann im Löschungsverfahren nicht ausreichen, denn er führt nicht zur Bestandskraft einer Gerichtsentscheidung.7 Ebenso wenig muss erst die Rechtskraft der Löschung abgewartet werden, denn eine Eintragung ist nicht durch Beschwerde anfechtbar (§ 275 Rdn 43). Der in Abs 1 enthaltene missverständliche Hinweis auf die Eintragung des rechtskräftigen Urteils (§ 275 Abs 4 Satz 3) soll nur auf die typische Reihenfolge des Pflichtenprogramms hinweisen. Die Eintragung des Urteils hat bezüglich der Auflösungsfolgen nur deklaratorische Bedeutung (§ 275 Rdn 37).8 c) Auflösungsfolgen ergeben sich aus den §§ 264 ff. Die Gesellschaft bleibt als auf- 5 gelöste AG bestehen. Sie wird nunmehr durch die Abwickler verwaltet und vertreten (§§ 265 ff), im Zweifel also durch die Vorstandsmitglieder (§ 265 Abs 1). Aufgrund dieser Amtskontinuität bedarf es idR keines auf § 15 Abs 1 HGB gestützten Vertrauensschutzes,9 es sei denn, es sind andere Personen als die Vorstandsmitglieder als Liquidatoren berufen (dazu § 265 Rdn 17 ff). Für neue Geschäfte gelten die Grundsätze des § 268 Abs 1 Satz 2 (zu diesen vgl § 269 Rdn 6 ff). Die Vertretungsmacht der Liquidatoren ist auch im Fall des § 277 unbeschränkt (§ 269 Abs 5). Die am Modell der „nichtigen“ Aktiengesellschaft orientierte Vorstellung des historischen Gesetzgebers geht an der Frage vorbei, inwieweit noch neue Verbindlichkeiten eingegangen werden können. 2. Wirksamkeit von Rechtsgeschäften a) Abs 2 enthält aus heutiger Sicht eine entbehrliche Klarstellung. Als bloßer Auflö- 6 sungstatbestand vermag weder die „Nichtigkeit“ noch die „Nichtigerklärung“ (§ 275) noch die auf „Nichtigkeitstatbestände“ gestützte Löschung (§ 397 FamFG) die Gesellschaft und mit ihr deren Verbindlichkeiten zu beseitigen. Der von echter Nichtigkeit ausgehende HGB-Gesetzgeber meinte dies noch besonderes anordnen zu müssen.10 Aus heutiger Sicht ist der Grundsatz des Abs 2 eine Selbstverständlichkeit. Nicht nur die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften der Gesellschaft bleibt unberührt, sondern alle Rechtsverhältnisse sowie alle Aktiva und Passiva bleiben bei der Gesellschaft. Dazu gehören auch neu für die aufgelöste Gesellschaft eingegangene (Rdn 5) sowie gesetzlich begründete Verbindlichkeiten. b) Auch für die Fortsetzung von Prozessen gelten die bei § 269 Rdn 6 ff dargestell- 7 ten Regeln. 3. Leistung von Einlagen (Abs 3) a) Gleichfalls auf § 311 HGB 1897 zurückzuführen ist Abs 3. Die Befriedigung der 8 Gläubiger gehört zu den Zwecken, um deretwillen der Gesetzgeber die Gesellschaft und

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7 MK/Koch4 6. 8 Heidel/Wermeckes5 2; MK/Koch4 4 f; aM Hüffer/Koch14 2; KK/Winnen3 6. 9 Vgl auch KK/Winnen3 10; aM wohl Hüffer/Koch14 3 (s aber ebd 4). 10 Denkschrift in Hahn/Mugdan S 333 f.

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die Mitgliedschaft trotz ihrer „Nichtigkeit“ anerkannt hat.11 Aus heutiger Sicht erscheint auch Abs 3 nur als klarstellender Ausdruck des Bestehens der für „nichtig“ erklärten bzw als „nichtig“ „gelöschten“ Gesellschaft als einer aufgelösten Gesellschaft. Für die Verpflichtung zur Leistung wirksam übernommener Einlagen gelten deshalb die bei § 271 Rdn 11 dargestellten Grundsätze. 9

b) Die wortgetreue Anwendung des Abs 3 durch die hM lässt den Aktionär einer für „nichtig“ erklärten bzw „gelöschten“ Gesellschaft für ausstehende Einlagen nur insoweit haften, als bereits eingegangene Verbindlichkeiten zu erfüllen sind. Als maßgeblicher Zeitpunkt wird mit Bezugnahme auf RGZ 114, 77, 81 f der nach Maßgabe des Abs 1 maßgebliche Zeitpunkt angesehen, also bei Zugrundelegung des nach Rdn 4 maßgeblichen Zeitpunkts die Löschung nach § 397 FamFG bzw die Rechtskraft des „Nichtigkeits“Urteils.12 Dass eine wirksam übernommene und noch nicht geleistete Einlage zur Erfüllung dieser Verbindlichkeiten nicht mehr benötigt wird, muss der Aktionär als Einlagenschuldner darlegen und im Streitfall beweisen.13

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c) Stellungnahme. Nach den bei Rdn 8 angestellten Überlegungen gibt es kein Stichtagsproblem für die aus Einlagen zu tilgenden „eingegangenen Verbindlichkeiten“. Es müssen alle, auch die nach dem Auflösungsstichtag begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten erfüllt und alle Liquidationskosten beglichen werden. Es gelten ohne Einschränkung die bei § 269 Rdn 6 ff dargestellten Grundsätze. Im Fall der Fortsetzung der Gesellschaft (Rdn 12 ff) entfällt vollends die scheinbar aus Abs 3 folgende Beschränkung.

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d) Bei der Einforderung der Einlagen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) anzuwenden.14 III. Fortsetzung „nichtiger“ Gesellschaften 1. Grundsätzliches

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a) Die Regeln über die Fortsetzung aufgelöster Gesellschaften sind bei § 274 Rdn 4 ff dargestellt. Mit der historischen Vorstellung des Gesetzgebers von einer „nichtigen Kapitalgesellschaft“ (§ 275 Rdn 2) war die Idee ihrer Fortsetzung nach diesen Grundsätzen nicht vereinbar. Die Erkenntnis, dass eine zur „Nichtigkeit“ führende Fehlerhaftigkeit nur eine Auflösungsreife der Gesellschaft benennt (§ 275 Rdn 3) und dass die „Löschung“ der Gesellschaft bzw die Rechtskraft des „Nichtigkeitsurteils“ nur die Auflösung der Gesellschaft herbeiführt (Rdn 2), lässt dagegen die nach Abs 1 aufgelöste Gesellschaft als konstitutionell fortsetzungsfähig erscheinen (vgl auch § 276 Rdn 4).15

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b) Das Verhältnis zur Heilung nach § 276 ergibt sich aus der Funktion der Heilung und Fortsetzung (§ 276 Rdn 4). Die Heilung von Satzungsmängeln nach § 276 soll den Eintritt der Auflösungswirkung verhindern. Die Fortsetzung soll die bereits nach Abs 1 eingetretene Auflösungswirkung beseitigen. Da nicht in jedem Fall absehbar ist, ob die

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11 Dazu Denkschrift in Hahn/Mugdan 334. 12 Heidel/Wermeckes5 5; Hüffer/Koch14 5; MK/Koch4 10; zur Konsequenz wortlautgetreuer Anwendung des Abs 1 vgl KK/Winnen3 11 mwN. 13 Heidel/Wermeckes5 5; Hüffer/Koch14 5; KK/Winnen3 12; MK/Koch4 10; K Schmidt/Lutter/Riesenhuber4 5. 14 Heidel/Wermeckes5 5; Hüffer/Koch14 5; KK/Winnen3 12; MK/Koch4 10. 15 So auch Heidel/Wermeckes5 § 274, 5; Hüffer/Koch14 § 274, 5; MK/Koch4 § 274, 6 ff.

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Heilungswirkung nach § 276 der nach Abs 1 eintretenden Auflösungswirkung zuvorkommt, enthält ein Heilungsbeschluss im Zweifel auch einen eventuellen Fortsetzungsbeschluss (§ 276 Rdn 11). c) Voraussetzungen der Fortsetzung. Die Fortsetzung setzt voraus, dass der Sat- 14 zungsmangel behoben (vgl § 274 Rdn 5) und die Fortsetzung beschlossen wird (vgl § 274 Rdn 7 ff). Beides setzt einen mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Satzungsänderungsbeschluss voraus (zu diesem vgl § 179 Rdn 112 ff) sowie die Eintragung ins Handelsregister (vgl § 184 Rdn 27, § 274 Rdn 20). Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Aktionäre aufgrund ihrer Treupflicht zur Zustimmung zu einem Fortsetzungsbeschluss verpflichtet sein können, vgl § 276 Rdn 8). d) Rechtsfolge der Fortsetzung ist der Fortbestand der aufgelösten Gesellschaft 15 unter Rückführung in das Stadium ihrer werbenden Tätigkeit (§ 274 Rdn 22).

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ZWEITES BUCH Kommanditgesellschaft auf Aktien Vorbemerkungen zu den §§ 278 ff AktG Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Vorbemerkungen Vor §§ 278 ff Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-024

Rechtsprechung EuGH (12.7.2012) C-378/10, NZG 2012, 871 = BB 2012, 2069 (Schwarzfischer/Messenzehl) = EuZW 2012, 621 (Behrens) = IPRax 2013, 566 = GWR 2012, 319 (Klett) = NJW 2012, 2715: grenzüberschreitende Umwandlung einer Handelsgesellschaft; BVerfG (7.9.2011) 1 BvR 1460/10, NZG 2011, 1379 = AG 2011, 873 = DB 2011, 2594 = WM 2011, 1946 = ZIP 2011, 2094 (Strabag) = WuB II A Art 14 GG 1.12 (Lenenbach): Schutz des Aktieneigentums durch Art 14 Abs 1 GG bei Veräußerung von Unternehmensteils; RFH (21.12.1937) I 251/37, RStBl 1938, 334: Pensionsrückstellungen als Gegenleistung für die Übernahme der Geschäftsführung; RG (4.7.1922) Rep. II. B 2/22, RGZ 105, 101: Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KG; RG (27.6.1930) II 70/30, RGZ 129, 260 (Vereinsbank Hamburg): KGaA als Mischform; BAG (22.11.1995) 7 ABR 9/95, AG 1996, 369 = DB 1996, 1043 = NJW 1996, 2884 = ZIP 1996, 969 = EWiR § 54 BetrVG 1/96, 675 (Däubler): Konzernbetriebsrat im qualifiziert faktischen Einmannkonzern; BAG (15.12.2011) 7 ABR 56/10, AG 2012, 632 = GWR 2012, 255 (Ostermaier) = NZG 2012, 754: Wahl: Anforderungen an ein abhängiges Unternehmen und Konzernvermutung nach § 18 Abs 1 Satz 3 AktG; BFH (8.2.1984) I R 11/80, BFHE 140, 465 = GmbHR 1986, 211 = BStBl II 1984, 381 = BB 1984, 967 = DB 1984, 1076 = DStR 1984, 346: Voraussetzungen des § 8 Nr 4 GewStG; BFH (31.10.1990) I R 32/86, BFHE 162, 445 = BB 1991, 534 = BStBl II 1991, 253 = DB 1991, 632 = DStR 1991, 243: Abzugsfähigkeit der als Tantieme für die Geschäftsführung an die Komplementäre einer KGaA verteilten Gewinnanteile bei der Einkommensberechnung; BGH (8.2.1952) I ZR 92/51, NJW 1952, 537 = BB 1952, 211 = MDR 1952, 285: Haftung einer Personengesellschaft für unerlaubte Handlungen des vertretungsberechtigten Gesellschafters; BGH (24.1.1974) II ZR 128/71, AG 1974, 187 = BB 1974, 522 = DB 1974, 572 = WM 1974, 276 = LM § 288 AktG 1965 Nr 1: Vermögensverteilung im Falle des Ausscheidens der Komplementäre anlässlich der Umwandlung einer KGaA in eine AG; BGH (13.10.1977) II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 = BB 1977, 1665 = DB 1977, 2367 = MDR 1978, 208 = NJW 1978, 104 = WM 1977, 1346: die BRD als herrschendes Unternehmen; BGH (8.5.1979) KVR 1/78, BGHZ 74, 359 = BB 1979, 1418 = DB 1979, 1978 = GRUR 1979, 796 = NJW 1979, 2401 = WM 1979, 910: Anforderungen an die Bekanntmachung von Unternehmenszusammenschlüssen; BGH (25.2.1982) II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 = BB 1982, 827 = MDR 1982, 554 = NJW 1982, 1703 = WM 1982, 388 = ZIP 1982, 568: Ausgliederung eines Betriebs und gleichzeitig wertvollsten Vermögensteil einer AG auf eine dazu gegründete Tochtergesellschaft; BGH (15.11.1982) II ZR 62/82, BGHZ 85, 350 = BB 1983, 722 = GmbHR 1983, 297 = MDR 1983, 376 = NJW 1983, 1056: Mehrheitsbeschluss zur Umwandlung einer KG in eine Kapitalgesellschaft; BGH (19.1.1993) KVR 32/91, BGHZ 121, 137 = AG 1993, 334 = BB 1993, 879 = DB 1993, 1082 = GRUR 1993, 587 = NJW 1993, 2114 = WM 1993, 867 = ZIP 1993, 858 = EWiR § 23 GWB 2/93, 695 (Oehler) = WuB V A § 23 GWB 1.93 (Bechthold): Wirkung der Zurechnungsklausel des § 23 Abs 2 Satz 2 GWB bei Zusammenschluss durch Erwerb der Anteile verbundener Unternehmen;

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BGH (24.2.1997) II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 (Vorinstanz OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, s 278) = AG 1997, 370 = BB 1997, 1220 = DB 1997, 1219 = NJW 1997, 1923 = WM 1997, 1098 = ZIP 1997, 1027 = LM H. 8/1997 § 278 AktG 1965 Nr 1 (Roth) = WuB II B § 278 AktG 1.97 (Hein): Zulässigkeit einer juristischen Person als Komplementärin einer KGaA; BGH (18.6.2001) II ZR 212/99, BGHZ 148, 123 = AG 2001, 588 = BB 2001, 1597 = DB 2001, 1768 = NJW 2001, 2973 = NZG 2001, 938 = WM 2001, 1461 = ZIP 2001, 1323 = EWiR § 16 AktG 23/01, 1079 (Kort) = LM H. 10/2001 § 16 AktG 1965 Nr 2 (Heidenhain) = WuB II A § 312 AktG 1.02 (Mülbert): Unternehmenseigenschaft des Mehrheitsaktionärs und Vorstandsvorsitzenden einer AG; BGH (26.4.2004) II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 = NZG 2004, 571 (Gelatine I) = AG 2004, 384 = BB 2004, 1182 = DB 2004, 1200 = NJW 2004, 1860 = NZG 2004, 571 = WM 2004, 1090 = ZIP 2004, 993 = EWiR § 119 AktG 12/04, 573 (Just) = WuB II A § 119 AktG 1.04 (Lenenbach): enge Grenzen der Zuständigkeit der Hauptversammlung einer AG bei der Mitwirkung an Umstrukturierung der Gesellschaft; BGH (26.4.2004) II ZR 154/02, NZG 2004, 575 (Gelatine II) = DNotZ 2004, 872 = WM 2004, 1085 = ZIP 2004, 1001 = WuB II A § 119 AktG 1.04 (Lenenbach): nur ausnahmsweise Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung bei Umstrukturierung der Gesellschaft; BGH (20.11.2006) II ZR 226/05, NZG 2007, 234 = AG 2007, 203 = DStR 2007, 586 = WM 2007, 257 = ZIP 2007, 24 = WuB II A § 179a AktG 1.07 (Hasselbach/Flesner): Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung bei Veräußerung einer Beteiligung durch die AG; BGH (15.1.2007) II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 = NZG 2007, 259 (Otto) = AG 2007, 493 = BB 2007, 1128 = DB 2007, 564 = NJW 2007, 1685 = WM 2007, 501 = ZIP 2007, 475: Mehrheitsbeschluss einer GmbH & Co. KG zur Jahresbilanzfeststellung; BGH (24.11.2008) II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 = NZG 2009, 183 (Schutzgemeinschaft II) = AG 2009, 163 = BB 2009, 455 = DB 2009, 217 = NJW 2009, 669 = NZG 2009, 183 = WM 2009, 231 = ZIP 2009, 216 = WuB II J § 709 BGB 1.09 (Müller/Rieder): gesellschaftsvertragliche Klausel über Mehrheitserfordernisse bei einem Stimmrechtskonsortiums; BGH (16.3.2009) II ZR 302/06, NZG 2009, 585 (Lindner Holding KGaA) = BGHZ 180, 154 = AG 2009, 441 = BB 2009, 1318 = NJW-RR 2009, 828 = WM 2009, 896 = ZIP 2009, 908 = WuB II A § 327 a AktG 3.09 (Hasselbach/Hoffmann): Nichtigkeits- und Anfechtungsklage gegen ein Squeeze-out bei einer KGaA; BGH (6.4.2009) II ZR 277/07, NZG 2009, 782 = DB 2009, 1454 = MDR 2009, 936 = NZG 2009, 782 = WM 2009, 1288 = ZIP 2009, 1273 = WuB II C § 32a GmbHG 3.09 (Teichmann): Eigenkapitalgrundsatz gilt auch in der Vor-GmbH; BGH (19.10.2009) II ZR 240/08 = NZG 2009, 1347 (Sanieren oder Ausscheiden) = BGHZ 183, 1 = BB 2010, 10 = DB 2009, 2596 = NJW 2010, 65 = NZG 2009, 1347 = WM 2009, 2264 = ZIP 2009, 2289 = WuB II R § 735 BGB 1.10 (Zimmermann): Treuepflicht der nicht zahlungsbereiten Gesellschafter einer Publikumspersonengesellschaft im Sanierungsfall; BGH (15.11.2011) II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 = BB 2012, 1242 = DB 2012, 622 = MDR 2012, 476 = NJW 2012, 1439 = NZG 2012, 393 = WM 2012, 502 = ZIP 2012, 515: Auseinandersetzungsbilanz einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts; BGH (28.2.2012) II ZR 115/11, NZG 2012, 545 = BB 2012, 1564 = DB 2012, 971 = MDR 2012, 593 = NJW-RR 2012, 815 = NZG 2012, 545 = WM 2012, 843 = ZIP 2012, 865 = WuB II C § 30 GmbHG 1.12 (Müller): Anwendung der Eigenkapitalersatzbestimmungen bei Beteiligung eines Gesellschafters sowohl an der darlehensnehmenden als auch -gebenden Gesellschaft; BGH (9.10.2012) II ZR 298/11, NZG 2012, 1379 = BB 2013, 17 = DB 2012, 2739 = MDR 2013, 45 = NZG 2012, 1379 = WM 2012, 2286 = ZIP 2012, 2391 = WuB II C § 64 GmbHG 1.13 (Müller): Zahlungsunfähigkeit einer GmbH;

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

BGH (21.2.2013) IX ZR 32/12, NJW 2013, 2282 = BB 2013, 1103 = DB 2013, 631 = NZG 2013, 469 = WM 2013, 568 = ZIP 2013, 582: Tilgung einer Gesellschafterdarlehensforderung vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens; BGH (21.10.2014) II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = NZG 2014, 1296 (Anteilsabtretung) = BB 2015, 328 = DB 2014, 2640 = NJW 2015, 859 = NZG 2014, 1296 = WM 2014, 2168 = EWiR §§ 119, 161 HGB 3/15, 71 (Priester) = ZIP 2014, 2231: allgemeine Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft; BGH (15.11.2018) IX ZR 39/18, NZI 2019, 169 = DB 2019, 177 = NJW-RR 2019, 363 = NZG 2019, 235 = WM 2019, 180 = ZIP 2019, 182: Darlehensforderung eines verbundenen Unternehmens als Gesellschafterdarlehen; BGH (8.1.2019) II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 = NZG 2019, 505 = AG 2019, 422 = BB 2019, 1100 = DB 2019, 776 = NJW 2019, 1512 = NZG 2019, 505 = WM 2019, 636 = ZIP 2019, 701 = WuB 2019, 438 (Jans): analoge Anwendung von § 179a AktG auf die GmbH; BayObLG (16.2.1912) III 1212, OLGE 27, 331 = GmbHR 1914, 9: Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KG; KG (28.2.1913) 1a X 198/13, DJZ 1913, 1500: zur Kapitalgesellschaft & Co KG; KG (31.5.1918) 1a X 329/18, KGJ 51, 122: Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KG; KG (11.7.1919) 1a X 332/19, KGJ 52, 90: inzidente Anerkennung der Kapitalgesellschaft & Co KG; Obertribunal zu Berlin 4.4.1857, ZHR 1 (1858) 166; OLG Hamburg (5.12.1968) 2 W 34/68, NJW 1969, 1030 = GmbHR 1969, 135: juristische Person als Komplementärin einer KGaA; OLG Karlsruhe (29.7.1996) 11 Wx 20/96, AG 1997, 133 = BB 1996, 1793 = DB 1996, 1767 = GmbHR 1996, 776 = NJW-RR 1996, 1254 = ZIP 1996, 1787: Gründung einer KGaA bei Bestellung einer GmbH als deren einzige persönlich haftende Gesellschafterin; OLG Nürnberg (19.6.2013) 12 W 520/13, ZIP 2014, 128 = DNotZ 2014, 150 = GmbHR 2014, 96 = IPRax 2015, 163 = NZG 2014, 349: grenzüberschreitende Rechtsformumwandlung; OLG Stuttgart (14.5.2003) 20 U 31/02, NZG 2003, 778 = AG 2003, 527 = DB 2003, 1944 = ZIP 2003, 1981 = DStR 2004, 469 (Wagner): Einstellung von Beträgen in andere Gewinnrücklagen im Jahresabschluss einer KGaA; LG Düsseldorf (30.12.2008) 41 O 102/07: Pflicht zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts aus § 312 AktG; LG Düsseldorf (24.3.2017) 10 O 308/15, NZI 2017, 487 = ZIP 2017, 2068: Insolvenzanfechtung.

A. B.

399

Systematische Übersicht Vorbemerkung | 1 Geschichte der Kommanditgesellschaft auf Aktien | 2–43 I. Einleitung | 2–6 II. Entwicklung bis zum ADHGB | 7–22 1. Gemeinsame Vorläufer von KG und KGaA | 7 2. Der Code de Commerce | 11 3. Entwicklung in Deutschland | 13 4. Die Regelung durch das ADHGB | 17 III. Entwicklung bis heute | 23–42 1. Die 1. Aktienrechtsnovelle vom 11. Juni 1870 | 23 2. Die 2. Aktienrechtsnovelle vom 18. Juli 1884 | 24

3.

C.

Entwicklung bis zum Handelsgesetzbuch von 1897 | 26 4. Entwicklung bis zum Aktiengesetz von 1937 | 28 5. Das Aktiengesetz von 1937 | 31 6. Entwicklung bis zum Aktiengesetz von 1965 | 33 7. Entwicklung seit 1965 | 36 a) Gesetzesänderungen | 36 b) Sonstige Einflüsse auf das Recht der KGaA | 38 IV. Resümee | 43 Wirtschaftliche Bedeutung | 44–52 I. Anzahl der KGaA | 44–45 II. Gründungsverhalten und die Kapitalausstattung | 46–48

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

III.

D.

KGaA als „Rechtsform auf Zeit“ | 49 IV. Börsennotierung | 50 V. Rechtsformwahl (Vor- und Nachteile der KGaA) | 51–52 Systematischer Überblick | 53–135 I. Gesetzessystematik | 54–61 1. Das anwendbare Recht | 54 2. Die Reichweite der Satzungsautonomie | 58 II. Gründung der KGaA und Formwechsel in die KGaA | 62 III. Gesellschafter | 63–64 IV. Organisationsverfassung | 65–67 V. Finanzverfassung | 68–70d VI. Auflösung und Liquidation | 71–72 VII. Mitbestimmung | 73–74 VIII. KGaA als verbundenes Unternehmen | 75–89 1. Konzernrecht der KGaA | 75 a) Das anwendbare Recht | 75 b) Unternehmenseigenschaft | 76 c) Vertragskonzernrecht | 78 d) Faktischer Konzern | 81 2. Konzernrechnungslegung | 87 3. Mitteilungspflichten über bedeutende und wechselseitige Beteiligungen | 89 IX. Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel | 90–115 1. Vorbemerkung | 90 2. Verschmelzung | 91 3. Spaltung | 97 4. Vermögensübertragung | 101

Formwechsel | 103 a) Allgemeines | 103 b) Besonderheiten beim Wechsel in die Rechtsform der KGaA | 106 c) Besonderheiten beim Wechsel einer KGaA in eine andere Rechtsform | 108 X. Kapitalmarktrecht | 116–128 1. Listing und Delisting | 116 2. Börsenfolgepflichten | 118 3. Übernahmerecht | 124 XI. Transparenzregister | 129–134 1. Überblick | 129 2. Generelle Bedeutung für die KGaA | 130 3. Anwendungsfälle | 132 a) Kommanditaktionäre | 133 b) Komplementäre | 134 XII. Strafvorschriften | 135 Realtypen der KGaA | 136–142 I. Familiengesellschaften und Publikumsgesellschaften | 137 II. Gesetzestypische und gesetzesatypische KGaA | 138–139 III. Personalistisch und kapitalistisch strukturierte KGaA | 140–141 IV. Hauptversammlungsdominierte, aufsichtsrats- oder beiratsdominierte und komplementärdominierte KGaA | 142 Steuerrecht | 143–149 I. Vorbemerkung | 143–144 II. Körperschaftsteuer | 145–146 III. Gewerbesteuer | 147–149 Rechtsvergleichung | 150 Reformvorschläge – Reformbedarf | 151–157 5.

E.

F.

G. H.

A. Vorbemerkung1 1

Obwohl die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) eine eigenständige Rechtsform darstellt,2 enthalten die §§ 278 ff nur das Grundgerüst der auf diese Gesellschaftsform anwendbaren Vorschriften. Wesentliche Fragen der Organisation der KGaA und der

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1 Für die umfangreiche und sorgfältige Unterstützung dankt der Verfasser Frau Marion Faccin, Herrn RA Tobias Aggteleky, MLaw, Herrn Samir Ainouz, MLaw, Herrn RA Stefan Härtner, MLaw, Frau Giulia Hiddink, BLaw, Frau Petja Ivanova, Mag. iur., Herrn RA Daniel Lütolf, MLaw, Frau Dr. Inke Nyborg, Herrn Florian Prantl, MLaw, Frau Rahel Reichlin, BLaw und Herrn Dr. Valentin Jentsch, LL.M. (Stanford). 2 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 398 („keine bloße Spielart der Aktiengesellschaft“), dazu unten Rdn 57a.

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten lassen sich dagegen nur unter Rückgriff auf die nach § 278 Abs 2 heranzuziehenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft (§§ 161–177a HGB) und die nach § 278 Abs 3 sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des Ersten Buchs des AktG (§§ 1–277) beurteilen. Dies und die Weiterverweisung des § 161 Abs 2 HGB auf das Recht der OHG und (über § 105 Abs 3 HGB) auf das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts tragen dazu bei, dass sich das Recht der KGaA in seiner Gesamtheit nur schwer erschließen lässt. Zudem, und zu einem gewissen Teil auch gerade deshalb, gehörte die Rechtsform der KGaA lange Zeit zu den Randerscheinungen des Wirtschaftslebens und folglich auch des Gesellschaftsrechts. Dieser Befund gilt unverändert fort, auch wenn sich die Bedeutung der Rechtsform seit 1997 infolge der Zulassung einer juristischen Person als Komplementärin einer KGaA („Kapitalgesellschaft & Co. KGaA“) durch den BGH3 leicht erhöht hat. Die mit der Rechtsform verbundene Rechtsunsicherheit ist hierdurch eher noch grösser geworden, denn zahlreiche Rechtsfragen sind ungeklärt, wie etwa diejenige nach der Übertragbarkeit der Vorschriften und Grundsätze über die Publikums-KG auf die börsennotierte Kapitalgesellschaft & Co. KGaA. Diese in mehrfacher Hinsicht komplizierte Ausgangslage legt es nahe, die Kommentierung der §§ 278 ff durch einen (historische4 und wirtschaftliche5 Aspekte mitberücksichtigenden) systematischen Überblick6 über die Regelung der KGaA einzuleiten. Namentlich der systematische Überblick ist geboten, weil die vor allem in § 278 Abs 2 und 3 realisierte Verweistechnik der §§ 278 ff auf das Recht der Personengesellschaft und das Erste Buch des AktG den Blick auf das Recht der KGaA in seiner Gesamtheit sowie auf die Charakteristika dieser Rechtsform verstellt. Abschließend werden Hinweise auf steuerrechtliche Fragen7 und auf Reformüberlegungen8 der KGaA gegeben. B. Geschichte der Kommanditgesellschaft auf Aktien Schrifttum9 Anschütz Ueber Actiencommanditgesellschaften, Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts, 1 (1857) 326; Assmann/Schütze (Hrsg) Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl 2020; Baums (Hrsg) Gesetz über die Aktiengesellschaften für die Königlich Preussischen Staaten vom 9. Nov. 1843, 1981; ders (Hrsg) Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), 1982; Beitzke Konzessionssystem, Normativbestimmungen und freie Körperschaftsbildung, ZHR 108 (1941) 32; H F Berger Die rechtliche Natur der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Greifswald 1912; Ch Beyer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, in; Albach/Corte/Richter ua (Hrsg), Die Private Aktiengesellschaft, Schriften zur Mittelstandsforschung Nr 25 NF, 1989, S 431; Bösselmann Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert, 1939; Brauch Die rechtliche Besonderheit der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Würzburg 1937; Bundesministerium der Justiz (Hrsg) Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980; O Bundschuh Die wirtschaftliche Entwicklung der Deutschen Kommanditgesellschaften auf Aktien, Diss Heidelberg 1914; ders Die wirtschaftliche Entwicklung der Deutschen Kommanditgesellschaften auf Aktien, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche, 38 (1914) 1327; Cosack Lehrbuch des Handelsrechts, 6. Aufl 1903; Creizenach Die Inhaberactie der Commanditgesellschaft nach dem französischen Handelsgesetzbuch und vom Standpunkt der Gesetzge-

_____

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BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. Dazu sogleich unter Rdn 2 ff. Dazu unter Rdn 44 ff. Dazu unter Rdn 53 ff. Dazu unter Rdn 143 ff. Fragen der Mitbestimmung werden unten Vor § 287 Rdn 1 ff behandelt. Dazu unter Rdn 151 ff. Vgl im Übrigen die Literaturangaben zur Geschichte des Aktienrechts bei 4. Aufl Assmann Einl vor 1.

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

bung, ZHR 2 (1859) 53; Daehnhardt Die rechtliche Natur der Kommanditgesellschaft auf Aktien und ihr Verhältnis zum rechtsfähigen Verein des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Diss Rostock 1902; Depetri Die Berechtigungen und Verpflichtungen der Generalversammlung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZHR 87 (1924) 114; Dölker Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss München 1935; Eilentrop Die Kommanditaktiengesellschaft, 1988; Elschenbroich Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1959; Endemann Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, Bd 1, 1881; Fehr Die Struktur der Kommanditaktiengesellschaft, Diss Bern 1935; Fick Über Begriff und Geschichte der Aktiengesellschaften, ZHR 5 (1862) 1; ders Mittheilungen über den gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung betreffend die Bildung von Handelsgesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit, insbesondere von anonymen und KommanditenAktiengesellschaften, ZHR 13 (1869) 391; L Fischer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien nach dem Mitbestimmungsgesetz, 1982; R Fischer Die Aktiengesellschaft, in: Ehrenberg (Hrsg) Handbuch des gesamten Handelsrechts, Bd 3, I. Abt (1916) S 12; ders Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, aaO, S 425; Fleckner Der Kommanditistenverband in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Greifswald 1914; Friede Die Kommanditgesellschaft auf Aktien vor der Eintragung in das Handelsregister, Diss Leipzig 1930; Gail Auswirkungen des Aktiengesetzes 1965 auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien, WPg 1966, 425; Gerhard Die Frage nach der Rechtsnatur der Kommanditgesellschaft auf Aktien: unter besonderer Berücksichtigung des begrifflichen Inhalts der juristischen Person, Diss Gießen 1927; Gralla Vermeidung der Unternehmensmitbestimmung – Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen, 2016; v Godin Aktienauslosung bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien zugunsten der persönlich haftenden Gesellschafter, DR 1940, 1444; L Goldschmidt Universalgeschichte des Handelsrechts, Bd 1, 1. Abt, 1. Lfg, 3. Aufl 1891; Gros Umwandlung von Aktiengesellschaften in Kommanditgesellschaften auf Aktien, JW 1934, 2018; v Hahn Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch Bd 1, 3. Aufl 1879; Haemmerle Rechtsangleichung und Kommanditgesellschaft auf Aktien, in: FS dem 35. Deutschen Juristentag bei seinem Zusammentritt auf österreichischen Boden, 1928, S 99; Hansemann Die Eisenbahn und deren Aktionäre in ihrem Verhältnis zum Staat, 1837; Henoch Die Umwandlung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine Aktiengesellschaft und einer Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1906; Hergenhahn Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, insbesondere ihre Entstehungsgeschichte, rechtliche und wirthschaftliche Natur, ZHR 42 (1894) 69; Hocker Sammlung der Statuten aller Actien-Banken Deutschlands, 1858; Hommelhoff Anlegerschutz in der GmbH & Co KGaA, in: Ulmer (Hrsg) Die GmbH & Co KGaA nach dem Beschluß BGHZ 134, 392, Beihefte der ZHR, Heft 67, 1998, S 9; Hopt Ideelle und wirtschaftliche Grundlagen der Aktien-, Bank- und Börsenrechtsentwicklung im 19. Jahrhundert, in: Coing/Wilhelm (Hrsg) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd V, 1980, S 128; Horrwitz Das Recht der Generalversammlungen der Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, 1913; Ihrig/Schlitt Die KGaA nach dem Beschluß des BGH vom 24.2.1997, in: Ulmer (Hrsg) Die GmbH & Co KGaA nach dem Beschluß BGHZ 134, 392, Beihefte der ZHR, Heft 67, 1998, S 33; Iklé Die Kommandit-Aktiengesellschaft nach schweizerischem und deutschem Recht, Diss Bern 1907; Janberg Hat die Kommanditgesellschaft auf Aktien wieder Zukunft?, StuW 1951, 191; Joens Die persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Hamburg 1962; Keutner Der Mißbrauch der Rechtsform der Kommanditgesellschaft und seine Bekämpfung, Diss Köln 1938; Klausing Reform des Aktienrechts, 1933; Kleine Arndt Die Entwicklung und Bewährung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1947; ders Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, BB 1948, 65; Klutentreter Die Rheinische Zeitung von 1842/43 in der politischen und geistigen Bewegung des Vormärz, in: Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung Bd 10/2, hrsg von Koszyk, Institut für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund, S 173; Knur Unternehmensform und Betriebsverfassungsgesetz, DNotZ 1953, 6; ders Die Eignung der Kommanditgesellschaft auf Aktien für Familienunternehmen, in: FS Flume Bd II, 1978, S 173; R Koenig Die Stellung der Komplementare zur Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Leipzig 1912; J Köhler Die rechtliche Natur der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Leipzig 1929; W Krämer Der Anteil des persönlich haftenden Gesellschafters am Vermögen einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Göttingen 1897; Kräwel Zur Lehre von der Commanditgesellschaft auf Actien, insbesondere zu Art 173, 174, 175, 178, 180, 182, 183, 197 u. 199 des HGB, Buschs Archiv 5 (1865) 109; Kübler Unternehmensstruktur und Kapitalmarktfunktion – Überlegungen zur Krise der AG, AG 1981, 5; Kummer Die KGaA und das Führerprinzip, Diss Erlangen 1937; Kuntze Prinzip und System der Handelsgesellschaften, ZHR 6 (1863) 177; Kupper Die rechtliche Natur der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Greifswald 1918; Ladenburg Über Handelsgesellschaften, ZHR 1 (1858) 132; H Lehmann Umwandlung von Aktiengesellschaften in Kommanditgesellschaften auf Aktien, JW 1934, 2019; K Lehmann Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce, 1895; Sethe

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

ders Das Recht der Aktiengesellschaften, Bd 1, 1898; ders Lehrbuch des Handelsrechts, 1908; Lesse Bemerkungen über die Commanditgesellschaft auf Aktien, insbesondere deren Gründung (Art 173–178 Handelsgesetzbuch), Buschs Archiv 3 (1864) 180; Linden Kann Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis dem einzigen Komplementar der Kommandit-Aktien-Gesellschaft entzogen werden, und hat dieser im Falle der Entziehung einen Anspruch auf Auflösung?, Diss Erlangen 1910; Linemann Die rechtliche Natur der Aktien-Kommanditgesellschaft, Diss Greifswald 1898; Maaßen Über den Abgang eines Mitgliedes einer Handels- oder sonstigen handelsrechtlichen Gesellschaft (ohne deren Auflösung), – insbesondere über den Austritt eines Vollpflichtigen (persönlich haftenden Gesellschafters) aus einer Commandit-ActienGesellschaft (Art 199 des HGB), Buschs Archiv 5 (1865) 69; v Malachowski Die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Leipzig 1910; H Marcuse Auflösung und Nichtigkeit der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Erlangen 1928; Martin Die Kommanditgesellschaft auf Aktien im Lichte der Aktienrechtsreform, Diss Heidelberg 1938; Mertens Zur Existenzberechtigung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, in: FS Barz, 1974, S 253; Möhring Das neue Aktienrecht, NJW 1966, 1, 87; M Mohl Ein Beitrag zur Erörterung des deutschen Handelsgesetzbuches, 1857; Molle Die Lehre von den Aktiengesellschaften und den Commanditgesellschaften nach dem allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuche und dem Reichsgesetz vom 11. Juni 1870, 1875; Nathan Der Vorstand der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Erlangen 1911; Niederlag Juristische Person als Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Münster 1973; Nörr Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts während der Weimarer Republik, ZHR 150 (1986) 155; J Ott Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Tübingen 1960; Pallenbach Die organschaftliche Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1954; R Passow Die Entstehung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, ZHR 64 (1909) 27; ders Die Aktiengesellschaft, 2. Aufl 1922; ders Der Strukturwandel der Aktiengesellschaft im Lichte der Wirtschaftsenquete, 1930; Petersen Ein Beitrag zum Recht der geschäftsführenden Organe von Handelsgesellschaften, in: FS Luther, 1976, S 127; Pohl Die Entwicklung des deutschen Bankwesens zwischen 1848 und 1870, in: Deutsche Bankengeschichte Bd 2, hrsg. im Auftrag des Instituts für bankhistorische Forschung e.V., 1982, S 141; ders Festigung und Ausdehnung des deutschen Bankwesens zwischen 1870 und 1914, aaO, S 221; Regnier Der Kommanditist in der Kommanditgesellschaft und in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1928; Reichau Ist die Kommanditgesellschaft auf Aktien ein „rechtsfähiger Verein“?, Diss Rostock 1902; Renaud Das Recht der Actiengesellschaften, 1863; ders Das Recht der Commanditgesellschaften, 1881; D Reuter Welche Maßnahmen empfehlen sich, insbesondere im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, um die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen langfristig zu verbessern?, Gutachten B zum 55. DJT, in: Verhandlungen des 55. DJT, 1984, Bd I, S B 1; Richartz Die Auflösung und Liquidation der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1934; Rießer Zur Aufsichtsratsfrage, Festgabe Richard Koch, 1903, S 293; Schlitt Die Satzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999; Schlomka Anmeldung der Commanditgesellschaft auf Aktien, zu Art 177, Buschs Archiv 2 (1864) 75; K Schmidt Deregulierung des Aktienrechts durch Denaturierung der Kommanditgesellschaft auf Aktien?, ZHR 160 (1996) 265; ders 150 Jahre Kommanditgesellschaft auf Aktien: Balanceakt eines Sonderlings, in: Bayer/Habersack (Hrsg), Aktienrecht im Wandel, Bd II, 2007, 1188; ders Zur Vermögensstruktur der Kommanditgesellschaft auf Aktien, in: FS Forstmoser, 2003, S 87; Schmoller Die geschichtliche Entwicklung der Unternehmung, XII: Die Handelsgesellschaften des Mittelalters und der Renaissancezeit, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche, 17 (1893) 359; ders Die geschichtliche Entwicklung der Unternehmung, XIII: Die Handelsgesellschaften des 17.–18. Jahrhunderts, aaO 959; O Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1925; A Schubert Unternehmensmitbestimmung in der SE & Co. KGaA, 2018; W Schubert Die Abschaffung des Konzessionssystems durch die Aktienrechtsnovelle von 1870, ZGR 1981, 285; ders (Hrsg) Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten und Protokolle über die Berathungen mit kaufmännischen Sachverständigen und praktischen Juristen (1856), Nachdruck 1986; ders Akademie für Deutsches Recht 1933–1945, Protokolle der Ausschüsse, Bd 1: Ausschuß für Aktienrecht, 1986; ders (Hrsg) Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926– 1931), 2 Bde 1999; Schubert/Hommelhoff Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985; dies (Hrsg) Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987; H Schumacher Die Entwicklung der inneren Organisation der Aktiengesellschaft im deutschen Recht bis zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1937; Schürmann Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als geeignete Rechtsform für Familienunternehmen, Aussprache 1957, 146; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996; ders Die Kommanditaktiengesellschaft als Stiefkind der Schweizer Aktienrechtsrevision, RIW 1993, 561; ders Aufsichtsratsreform mit Lücken, Die Einbeziehung der Kommanditgesellschaft auf Aktien in die gegenwärtige

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

Reformdiskussion, AG 1996, 289; ders Bewegung im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien?, ZIP 1996, 2053; Simon Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, ZHR 29 (1884) 445; ders Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, 1910; Spalcke Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1961; Steindorff Kommanditgesellschaft auf Aktien und Mitbestimmung, in: FS Ballerstedt, 1975, S 127; Stolz Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Mitglieder von Personalgesellschaften und der Gläubigerschutz, Diss Erlangen 1930; Sußmann Die rechtliche Stellung des Komplementars in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Marburg 1915; Theisen Die Kommanditgesellschaft auf Aktien auf dem Prüfstand, DBW 1989, 135; Troplong Le droit civile expliqué, Commentaire du titre IX du livre III du code civil: Du contrat de société civile et commerciale, Bd 1 und 2, Paris 1843; Viandier/Hilaire/Merle/Serbat La société en commandite entre son passé et son avenir, (CREDA) Paris 1983; v Völderndorff Das Reichsgesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884, 1885; Voges Die Bilanz der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Göttingen 1928; Vogt Zur Theorie der Handelsgesellschaften, insbesondere der Aktiengesellschaft, ZHR 1 (1858) 477; Voigt Beitrag Nr 18: Die stille Handelsgesellschaft, Neues Archiv für Handelsrecht 2 (1860) 418; M Weber Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter nach südeuropäischen Quellen, 1889, Nachdruck 1964; Weinhagen Recht der Aktien-Gesellschaften nach dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuche und dem Preußischen Gesetze vom 15. Februar 1864, 1866; K Wieland Handelsrecht, Bd 2 (Die Kapitalgesellschaften), 1931; Wiethölter Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, 1961; Wilhelmi Das neue Aktiengesetz, AG 1965, 153, 187, 217, 247, 277, 307, 349; Würdinger Zur rechtlichen Struktur der Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZAkDR 1940, 314; Zacharopoulou Kommanditgesellschaft auf Aktien und Mitbestimmungsgesetz, 2000; Zartmann Eine „Renaissance“ der Kommanditgesellschaft auf Aktien?, in: Rechts- und Wirtschaftspraxis, Lfg 905 (1974) S 251–266 = 4 WiR Handelsrecht, D Unternehmensformen II B 2, Einzelfragen (ab 1964), Stuttgart 1947 ff (Loseblatt); Zimmermann Zur Auslegung des Art 215 des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, Buschs Archiv 5 (1865) 122; ders Das Gesetz betreffend die Commanditgesellschaften auf Actien und die Actiengesellschaften vom 11. Juni 1870, Buschs Archiv 20 (1871) 406.

I. Einleitung Die KGaA verbindet das Kommanditprinzip mit dem Aktienprinzip. Wegen dieser Stellung der KGaA zwischen Kommanditgesellschaft und Aktiengesellschaft erweist sich eine gesonderte (s 4. Aufl Assmann Einl 5 aE) geschichtliche Betrachtung10 als sinnvoll, um die daraus resultierenden Besonderheiten der Gesellschaftsform gegenüber AG und KG aufzuzeigen. Ein Rückblick auf die historischen Wurzeln der KGaA ist darüber hinaus auch deshalb von Nutzen, um den (sich auch in der Gesetzgebung niederschlagenden) Wandel dieser Rechtsform von ihrer zunächst an die Entwicklung der KG angelehnten Ausrichtung hin zur Einbindung in die Kodifizierungen des Aktienrechts zu verdeutlichen. Die Betrachtung der Entstehungsgeschichte der KGaA erweist sich schließlich deshalb als lohnend, weil die KGaA im 18. und 19. Jahrhundert, was heute fast vergessen ist, als „Schrittmacher des Aktienrechts“11 fungierte. Die vor dem 17. Jahrhundert existierenden Assoziationsformen sind keine spezi3 fischen Vorläufer der AG, sondern nur generelle Vorstufen der heute existierenden Gesellschaftsformen.12 Lediglich einzelne Merkmale der AG lassen sich jeweils nachweisen, die allerdings zur heutigen Form der AG eher eine wirtschaftliche denn rechtliche Ähnlichkeit aufweisen.13 Es gibt mithin keinen Gesellschaftstyp, dessen Entwicklung vom Mittelalter bis zu seiner heutigen Erscheinungsform kontinuierlich verlaufen wäre, zu2

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10 11 12 13

Zur Geschichte des Aktienrechts insgesamt vgl 4. Aufl Assmann Einl 1 ff. Hopt Grundlagen, S 139. 4. Aufl Assmann Einl 13. Lehmann Aktiengesellschaften, S 9.

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mal die frühen Assoziationsformen nicht durch Gesetze geschaffen wurden, sondern Produkte der jeweilig herrschenden Rechtspraxis waren. Diese war wiederum abhängig von den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen in den einzelnen Staaten. Einen Zeitpunkt, an dem die Herausbildung des heutigen Typs der AG beginnt, lässt sich demnach schwerlich bestimmen. Erst mit den am Ende des 17. Jahrhunderts aufkommenden Handelskompanien entsteht ein Gesellschaftstyp, der der AG im heutigen Verständnis ähnlich ist (4. Aufl Assmann Einl 17 ff). Nicht anders verhält es sich mit Gesellschaften, deren Ausgestaltung Elemente einer 4 KGaA aufweisen. In Bezug auf das Aufkommen solcher Gesellschaften ist – neben den für die AG und die KGaA gleichermaßen typusbildenden korporationsrechtlichen Konstruktionsprinzipien – bei der KGaA noch die Herausbildung des Kommanditprinzips mitzuberücksichtigen. Dessen Ursprung liegt im Hochmittelalter14 und blieb durchaus nicht ohne Einfluss auch auf die Entstehung der AG.15 Schon deshalb vermag es nicht zu überraschen, dass bis heute unterschiedliche Deutungen des Verhältnisses von KG und AG zur KGaA im Hinblick auf die Entwicklungsgeschichte der Letzteren zu finden sind.16 Eine befriedigende Antwort auf diese Frage wird allerdings schon aus dem Grunde nicht zu finden sein, weil verschiedene geschichtliche Prozesse in unterschiedlichen Rechtssystemen und unter verschiedenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen parallel verliefen und zur Herausbildung der heutigen Gesellschaftsformen geführt haben. Die Entstehung der KGaA als Rechtsform lässt sich grob in drei Entwicklungsstu- 5 fen gliedern. Zunächst entstanden Assoziationsformen, die gleichzeitig als Vorläufer der Kommanditgesellschaft und der KGaA gelten können.17 Später kam es zur Bildung von Gesellschaften, die dem heutigen Verständnis der KGaA entsprachen, dh die Entwicklung von Kommanditgesellschaft und KGaA lief auseinander und Elemente des sich (in Deutschland recht langsam) entwickelnden Aktienwesens gewannen an Bedeutung. Die letzte Stufe stellt die im 19. Jahrhundert beginnende Kodifikationsbewegung dar. Im Einzelnen lassen sich in Bezug auf die Entwicklung des Rechts der KGaA folgen- 6 de Eckdaten festhalten: 1673 Ordonnance de Commerce 1716 Gründung der Banque Générale 1721 (Wieder-)Zulassung der Inhaberaktie bei der KGaA 1807 Code de Commerce 1837 Gesetzentwurf zur Abschaffung der KGaA (Frankreich) 1841 Erste nachgewiesene Gründung einer KGaA in Deutschland 1855 Preußische Konkursordnung 1856 Gesetz über die Kommanditgesellschaft auf Aktien (Frankreich) 1856 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die preußischen Staaten 1861 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch 1867 Gesetz über die Handelsgesellschaften (Frankreich) 1870 Erste Aktienrechtsnovelle 1884 Zweite Aktienrechtsnovelle 1897 Handelsgesetzbuch

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14 Niederlag S 11. 15 Vgl zur commenda Renaud Actiengesellschaften, S 12; Lehmann Aktiengesellschaften, S 26 f. 16 Dazu ausführlich Fick ZHR 5 (1862) 43; Niederlag S 25 ff; Renaud Actiengesellschaften, S 10 ff; Elschenbroich S 17 mwN; Lehmann Geschichtliche Entwicklung, S 5; Sethe S 11 ff. 17 Zur streitigen Frage, ob die AG historisch gesehen Vorläufer der KGaA war, oder ob umgekehrt die KGaA Vorbild für die AG war, s Sethe S 11 ff.

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1930 1931 1931 1937 1965 1997 2005

Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien Amtlicher Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien Notverordnungen vom 19.9.1931 und vom 6.10.1931 Aktiengesetz von 1937 Aktiengesetz von 1965 Beschluss des BGH über die Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA Gesetzliche Anerkennung der Einpersonengründung einer KGaA

II. Entwicklung bis zum ADHGB 7

1. Gemeinsame Vorläufer von KG und KGaA. Gesellschaften, die von ihrer Struktur her als Vorläufer der KG und damit auch der KGaA bezeichnet werden können, bildeten sich im mittelalterlichen Italien. Zu nennen sind die commenda und die colonna, die ihren Ursprung im Seehandelsgeschäft hatten.18 Kennzeichnend für die commenda war, dass ein Geldgeber (commendator) einem Kapitän (commendatar) mit überseeischen Handelsverbindungen Geld oder Waren zur Abwicklung eines Geschäfts anvertraute und der Gewinn geteilt wurde. Ab dem 14. Jahrhundert wurde diese Art der Geschäftsverbindung ausgeweitet, indem mehrere Personen ein Gesamtvermögen einbrachten, mit dem der commendatar Handel trieb (colonna).19 Der commendatar haftete den Gläubigern gegenüber immer persönlich, die Geldgeber dagegen nicht. Später finden sich Vereinbarungen gleich für mehrere Geschäfte oder gar als dauernde Geschäftsverbindung (societas per viam accommanditae). Darüber hinaus gewinnt die Beteiligung von Kaufleuten und Bankiers an Bedeutung. Die (allerdings recht langsam verlaufende) Entwicklung zu derartigen auf Dauer an8 gelegten Gesellschaften vollzog sich nicht nur in Italien,20 sondern auch in Frankreich. In der Ordonnance de Commerce von 1673 wurde erstmals die société en commandite kodifiziert,21 die bereits wesentliche Merkmale einer KG im heutigen Sinne aufwies. Daran anschließend vollzog sich die Herausbildung von Gesellschaftsformen, die der KGaA sehr ähnlich waren, recht zügig: Als die erste KGaA im heutigen Verständnis wird allgemein die 1716 in Frankreich gegründete Banque Générale22 bezeichnet. In der königlichen Deklaration vom 21. Januar 172123 wird die Rechtsform der Kommanditaktiengesellschaft sogar mit der bis dahin auf die Mississippi-Gesellschaft (4. Aufl Assmann Einl 25) be-

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18 Ausführlich Goldschmidt Universalgeschichte, S 254 ff, 270 f; Elschenbroich S 18 f; Niederlag S 9 ff; Lehmann Aktiengesellschaften, S 27; Fick ZHR 5 (1862) 32 ff. 19 Einige Autoren sehen hierin bereits einen direkten Vorläufer der KGaA. S Goldschmidt Universalgeschichte, S 270 f mwN. 20 In diesem Zusammenhang bezeichnen Niederlag S 13, und Lehmann Aktiengesellschaften, S 28, die St Georg-Bank in Genua (gegr 1407) bzw die Ambrosius-Bank in Mailand (gegr 1593) als Vorläufer speziell der KGaA, doch dienen beide Banken nur dem Zweck, die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen. Weder von ihrer Struktur her noch vom Einfluss der Gesellschafter auf die Geschäftsführung weisen sie Bezüge zur KGaA auf; im Übrigen sind sie reine (Staats-)Gläubigergemeinschaften und zeigen allenfalls gegen Ende ihrer Existenz Ähnlichkeiten zur AG. S dazu auch 4. Aufl Assmann Einl 14 mwN; Bösselmann S 52; R Fischer in Handbuch des gesamten Handelsrechts, S 14. 21 A Vandenbossche Contribution à l’histoire des sources du droit commercial; un commentaire manuscrit de l’ordonnance de mars 1673, Paris 1976, S 48 ff. 22 Nach ihrem Gründer John Law auch Banque Law & Comp. genannt; Fick ZHR 5 (1862) 42. Die Bank wurde 1719 vom Regenten übernommen und in Banque Royale umbenannt; dazu Aschinger Börsenkrach und Spekulation, 1995, S 63. 23 Déclaration du Roi Louis XV pour rétablir l’usage des lettres ou billets payables au porteur.

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schränkten Möglichkeit der Ausgabe von Inhaberaktien24 unter der Voraussetzung zugelassen, dass ein solidarisch haftendes Direktorium an der Spitze steht. In welchem Ausmaß von dieser Gestaltung bis zum Erlass des Code de Commerce Gebrauch gemacht wurde, ist unklar.25 Sicher ist jedoch, dass Kommanditgesellschaften nun regelmäßig auf Aktien gegründet wurden.26 Wirtschaftlich erfüllten sie die später der AG zukommende Rolle, da die KGaA im Gegensatz zur AG frei vom Oktroisystem war. Man wird die KGaA in dieser Zeit daher als „Behelfs-AG“ bezeichnen können.27 Die sich in dieser Zeit vollziehende Entwicklung des Aktienrechts war gekennzeich- 9 net von den Reaktionen auf Aktienschwindel und Unternehmenszusammenbrüche (insbes den Zusammenbruch der Mississippi-Gesellschaft im Jahre 1720). In Frankreich wurde die Inhaberaktie allgemein zugelassen, aber der Gründungsakt der Gesellschaft war von staatlicher Mitwirkung abhängig. England hingegen reagierte mit dem Erlass des (bis 1825 gültigen) Bubble Act28 von 1720, der die Gründung einer Gesellschaft ohne Solidarhaftung der Anteilseigner zur strafbaren Handlung erklärte. Entscheidend sowohl für die zurückliegende als auch die nachfolgende Entwicklung 10 und Verbreitung der drei Gesellschaftsformen Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien und Kommanditgesellschaft war der wachsende Bedarf an Kapital und Kapitalsammelstellen, der sich durch die aufkommende Industrialisierung noch in einem bis dahin unbekannten Ausmaß verstärken sollte. Eine Kommanditgesellschaft war für Zusammenschlüsse geeignet, bei denen sich um eine Unternehmerpersönlichkeit einzelne risikobereite Geldgeber scharten, die zwar eine Gewinnbeteiligung wünschten, aber die persönliche Haftung scheuten. Die Aktiengesellschaft konnte demgegenüber eine Vielzahl von Geldgebern anziehen und Aufgaben bewältigen, denen ein einzelner Unternehmer nicht gewachsen war, ohne dass einer der Beteiligten eine persönliche Haftung übernehmen musste. Zudem waren die Beteiligungen an der AG übertragbar und vererblich. Die Verbreitung der AG war trotz dieser Vorteile zunächst jedoch gehemmt: Der Missbrauch der Rechtsform zu Schwindelgeschäften und das zum Teil auch deshalb beibehaltene Konzessionssystem sollten zu einer Verzerrung der Entwicklung zugunsten der Kommanditgesellschaft auf Aktien führen: Diese war zwar mit der unübertragbaren29 persönlichen Haftung belastet und galt daher aus der Sicht des Unternehmers nur als zweitbeste Lösung, bedurfte aber keiner staatlichen Bewilligung. 2. Der Code de Commerce. Mit dem französischen Code de Commerce aus dem 11 Jahre 1807 (4. Aufl Assmann Einl 30 ff) begann eine neue Entwicklungsstufe. Hatte der Gesetzgeber in der Zeit des Oktroisystems30 zuvor nur partielle Regelungen zur Verhinderung von Aktienschwindeln oder zur Durchsetzung bestimmter staatlicher, vor allem finanzpolitischer Interessen ergriffen, wurden im Code de Commerce die Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien erstmals als Rechtsinstitute in groben Zügen geregelt. Der Code de Commerce stellte darüber hinaus den Übergang vom Oktroisystem zum Konzessionssystem bei der Aktiengesellschaft dar. Die Gründung einer AG

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24 Die Inhaberaktie findet sich erstmals bei der Brandenburgisch-Amerikanischen Compagnie von 1688 (ungenau insoweit R Fischer in Handbuch des gesamten Handelsrechts, S 17). Eine weite Verbreitung dieser Aktienart erfolgte jedoch vor allem in Frankreich (Aktien der Compagnie d’Occident) nach 1721; vgl Bösselmann S 58; Fick ZHR 5 (1862) 56 f; 4. Aufl Assmann Einl 25. 25 Fick ZHR 5 (1862) 57 f. 26 Sethe S 17 mwN. 27 Sethe S 37. 28 Dazu Sethe S 18 f, 367. 29 Zu diesem Aspekt besonders Fick ZHR 5 (1862) 14 f. 30 Dazu schon näher 4. Aufl Assmann Einl 21 ff, 25 ff.

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war jetzt jedermann möglich, bedurfte zu ihrer Wirksamkeit aber noch der staatlichen Genehmigung. Auf deren Erteilung bestand zwar nach wie vor kein Rechtsanspruch,31 doch entfiel zumindest die zuvor geübte staatliche Einflussnahme auf die Statuten und Geschäfte der Gesellschaft. Der Code wurde Vorbild für entsprechende Regelungen der meisten kontinentaleuropäischen Staaten.32 Die Rechtsform der KGaA (société en commandite par actions) war in Art 38 des Code 12 de Commerce als Unterfall der Kommanditgesellschaft erfasst,33 wobei der Gesetzgeber davon ausging, dass die Kommanditanteile als Aktien zu verbriefen waren. Grund für die Einordnung der KGaA als Sonderform der KG war die Sorge, die KGaA könne, wie es zuvor unter dem Oktroisystem der Fall war, zur Umgehung des für die AG geltenden Konzessionszwangs verwendet werden. Durch die rechtlich unterschiedliche Ausgestaltung von KGaA und AG hoffte man dies zu verhindern, wobei die persönliche Haftung der Komplementäre als ausreichendes Kontrollinstrument angesehen wurde. Diese Erwartung sollte sich jedoch nicht erfüllen. Nachdem die Gründung einer KGaA im Gegensatz zu der einer AG (société anonyme) frei von staatlicher Autorisation war, wurde sie zunehmend zur Umgehung des Konzessionssystems eingesetzt und erfreute sich als Rechtsform großer Beliebtheit.34 Die Umgehung des Konzessionssystems und die nach wie vor zu verzeichnenden Missstände35 (wie etwa Strohmann-Gründungen) hatten erste Reformdiskussionen zur Folge. So entstand vor allem eine Kontroverse darüber, ob die KGaA dogmatisch weiterhin als Sonderform der KG oder besser als Unterfall der AG einzuordnen und zu regeln sei. Eine solche Neuorientierung hätte zur Folge gehabt, dass auch die KGaA wieder konzessionspflichtig geworden wäre. Im Verlauf der Reformdiskussion wurde 1838 sogar ein Gesetzgebungsvorschlag eingebracht, in dem die endgültige Abschaffung dieser Rechtsform gefordert wurde.36 Doch weder dem Versuch, die KGaA als Spielart der AG der Konzessionspflicht zu unterwerfen, noch demjenigen, sie ganz aus dem Kanon der Gesellschaftsformen zu streichen, waren Erfolg beschieden. Vielmehr setzten sich jene Kräfte durch, die empfahlen, die Missstände durch eine Reform des bis dahin geltenden Rechts in den Griff zu bekommen. Ein entsprechender Versuch wurde mit dem Gesetz von 1856 unternommen.37 Dieses führte neben strengeren Normativbestimmungen betreffend die Gründung einer KGaA vor allem das Erfordernis zur Etablierung eines (obligatorischen) Aufsichtsrats ein. In einer weiteren Novelle von 1867 wurden diese Bestimmungen nicht nur weiter ausgebaut, sondern zur Vermeidung des Rechtsformenmissbrauchs auch auf die AG erstreckt.38 Diese Tatsache erscheint in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen zeigt sie, dass die KGaA in dieser Phase der Rechtsformenentwicklung zum Schrittmacher des Aktienrechts39 wurde; zum anderen markiert sie den Wendepunkt, mit dem sich die Regelung der KGaA wieder derjenigen der AG anzunähern begann. Der Gesetzgeber korrigierte damit die aus rechtssystematischer Sicht fehlerhafte und allein rechtspolitischen Überlegungen geschuldete dogmatische Einordnung der Rechtsform als Personengesellschaft. Mit der Zulassung

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31 R Fischer in Handbuch des gesamten Handelsrechts, S 28 f. 32 Sethe S 26, 295 ff, 365 ff, 461 ff; Bösselmann S 62 f. 33 Art 38: „Le capital des sociétés en commandite pourra être aussi divisé en actions, sans aucune autre dérogation aux règles établies pour ce genre de société.“ 34 R Fischer in Handbuch des gesamten Handelsrechts, S 24 f, 27 f; Bösselmann S 64. 35 Dazu ausführlich Hergenhahn ZHR 42 (1894) 70; Lehmann Aktiengesellschaften, S 70 f; Fick ZHR 5 (1862) 58. 36 Fick ZHR 5 (1862) 1, 58. 37 Ausführlich dazu Sethe S 27 ff. 38 Vgl zu den Einzelheiten Sethe S 34 ff. 39 So Rdn 2 mwN.

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der freien Gründung von Aktiengesellschaften schwand dann allerdings nahezu zwangsläufig die Attraktivität der KGaA als Organisationsform. 3. Entwicklung in Deutschland. In den deutschen Territorien ist eine zweigleisige 13 Entwicklung der Rechtsform der KGaA zu beobachten. Die Landesteile, in denen der Code de Commerce nach dem Sturz der napoleonischen Herrschaft weitergalt,40 erlebten eine Welle von KGaA-Gründungen, die darauf zurückzuführen ist, dass die KGaA als Personengesellschaft normiert war und damit nicht dem Konzessionszwang unterlag,41 wie er für die AG in weiten Teilen Deutschlands42 üblich war. Das Konzessionierungsverfahren war umständlich und langwierig. Es erstreckte sich ua auf die Statuten der Gesellschaft, was zur Folge hatte, dass auch deren spätere Änderung genehmigungspflichtig war.43 Diese praxisfremde und dem mit ihr verfolgten Zweck nicht gerecht werdende Regelung zog deshalb, wie in Frankreich, ein Ausweichen auf die Rechtsform der KGaA nach sich. Beispielhaft sei hierfür der Fall der Rheinischen Zeitung (Köln) angeführt,44 die 1841 als Commanditgesellschaft auf Aktien gegründet wurde,45 um die mit einer AG verbundenen Nachteile zu vermeiden.46 Von dieser Entwicklung waren zunächst nur die deutschen Gebiete betroffen, in de- 14 nen der Code de Commerce Anwendung fand.47 In den übrigen Ländern Deutschlands existierte noch keine Kodifikation der KGaA.48 In der Praxis gewann der Code de Com-

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40 Das war der Fall in Baden, in den preußischen Rheinprovinzen, in Rheinbayern und in Rheinhessen (s dazu Renaud Actiengesellschaften, S 37; Schumacher S 3 Fn 2) sowie im Großherzogtum Berg (dazu Baums Einleitung, in: ders [Hrsg] Gesetz über die Aktiengesellschaften für die Königlich Preußischen Staaten vom 9. November 1843 [1981], S 25 f). 41 Eilentrop S 15; Passow Aktiengesellschaft2, S 359 f. 42 Fast überall fehlte eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für den Konzessionszwang, was die Länder nicht hinderte, ihn als gegeben vorauszusetzen. Vgl Fick ZHR 5 (1862) 61, insbesondere Fn 62; Bösselmann S 67 ff; Schumacher S 9. Eine Ausnahme bildeten Bremen und Hamburg, die eine freie Gründung aller Gesellschaften zuließen; dazu 4. Aufl Assmann Einl 38; Schumacher S 60. Ausdrücklich normiert wird der Konzessionszwang erstmals im Preußischen EisenbahnG von 1838 und dann im Preußischen AktG von 1843. 43 Bösselmann S 114 f. 44 Schumacher S 19 Fn 50; Sethe S 41, 587 ff. Die Gründung der Zeitung ist beschrieben bei Klutentreter Die Rheinische Zeitung von 1842/43, S 173 ff sowie in einem Artikel der Kölnischen Zeitung vom 2.1.1942 Ausgabe 3/C, Abendblatt. 45 Aus diesem Grund ist es auch unzutreffend, die 1856 in eine KGaA umgewandelte DiscontoGesellschaft, Berlin, als erste deutsche KGaA zu bezeichnen (so noch – statt vieler – Geßler/Semler1 Vor § 278, 9; Niederlag S 17). Kleine Arndt S 80 nennt zwei KGaA für das Jahr 1850, doch handelt es sich hierbei offenbar um einen Druckfehler, da die beiden angegebenen Quellen nur Angaben zum Jahr 1870 enthalten. 46 So ausdrücklich die Gründer in ihrem Prospekt, abgedruckt bei Klutentreter Die Rheinische Zeitung von 1842/43, S 173. 47 Allerdings fehlen genaue Zahlen zu ihrer Verbreitung. Gleiches gilt in Bezug auf ihre Verbreitung in den anderen Bundesstaaten vor 1856 (Anschütz S 327: „wenig oder nicht gebräuchlich“), doch ist sie auch hier bekannt, wovon die Sachverständigen bei den Beratungen zum ADHGB ausgingen (wiedergegeben in Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches [1857] S 374 unten). Sa Anschütz S 327 und Renaud Commanditgesellschaften, S 72; letzterer nennt zwar keine Zahlen, spricht aber davon, dass die Gesellschaft mehr und mehr in Übung komme. Nach dem Obertribunal zu Berlin 4.4.1857, ZHR 1 (1858) 166, 170 f, war die KGaA als Rechtsform schon vor dem Erlass des ALR im Jahre 1794 üblich (allerdings bleibt offen, ob sich diese Bemerkung auf Deutschland bezieht). 48 So galten etwa in den übrigen preußischen Landesteilen die generellen Bestimmungen über Handelsgesellschaften des Allgemeinen Preußischen Landrechts von 1794, hierzu und zur Geschichte der AG in diesen Landesteilen vgl Bösselmann S 67 ff; Schumacher S 5 ff, 30 f. Das ALR ordnete die Handelsgesellschaften als societas bonorum ein, die einen Zusammenschluss der solidarisch haftenden Gesellschafter mit gemeinschaftlichem Vermögen, aber keine juristische Person darstellte. Da die

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merce aber auch hier zunehmend an Einfluss auf die Gesellschaftsgründungen.49 Ausgangspunkt der Entwicklung waren die weit verbreiteten, damals noch als „stille Gesellschaften“ bezeichneten Kommanditgesellschaften, die entsprechend dem französischen Vorbild auch in Deutschland seit dem Ende des 17. Jahrhunderts Verbreitung fanden.50 Die Gesetzgebung Preußens trug dem durch die einsetzende Industrialisierung hervorgerufenen Bedürfnis nach vermehrter Kapitalaufbringung Rechnung und rückte „die kapitalistische Seite von Handelsgesellschaften in den Vordergrund“,51 indem sie das Gesellschaftsvermögen vom Privatvermögen der Gesellschafter absonderte (§ 35 der Preußischen Konkursordnung von 1855).52 Noch weiter ging der Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die preußischen Staaten von 1856 (§ 87 und §§ 163–18053), in dem vorgesehen war, die Handelsgesellschaften als Sondervermögen zu behandeln. Damit wurde ein gedanklicher Schritt vollzogen, der auf eine grundlegende Änderung der Rechtsform der „stillen Gesellschaft“, nämlich ihre Anerkennung als rechtlich selbständiges Gebilde, hinauslief. Ob dies den Verfassern des Entwurfs bewusst war, mag man bezweifeln, denn während sie die „stille Gesellschaft“ in der Sache in eine Kommanditgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit54 verwandelten, behielten sie deren Bezeichnung als „stille Gesellschaft“55 weiterhin bei. Dessen ungeachtet nahmen die Vorschriften des Entwurfs die „stille Gesellschaft auf Aktien“, dem französischen Code de Commerce entsprechend, vom Konzessionszwang aus. Darüber hinaus folgten die Verfasser des preußischen Entwurfs dem Vorbild Frankreichs auch darin, dass sie, vergleichbar dem französischen Gesetz von 1856, zur Verhinderung von Missbräuchen auf das Mittel einer strengen Ausgestaltung der inneren Organisation der KGaA zurückgriffen. Als Kontrollorgan wurde der Verwaltungsrat vorgeschrieben. Damit waren im Wesentlichen die rechtlichen Voraussetzungen der KGaA heutiger Prägung herausgebildet. Die Vorgaben des Entwurfs von 1856 haben zunächst die Praxis und sodann vor allem das spätere Regelungsmodell des ADHGB nachhaltig beeinflusst. In erster Hinsicht verdient Erwähnung, dass schon im Jahre der Vorlage des Ent15 wurfs (1856) zahlreiche Gesellschaften gegründet wurden,56 die Strukturelemente der KGaA aufwiesen.57 Zu den bedeutendsten Gründungen gehörte sicherlich die 1851 von David Hansemann58 errichtete und seit 1856 nach dem Muster einer KGaA verfass-

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vorhandenen Normen lückenhaft waren, wurden sie durch einen Rückgriff auf das Römische Recht (dh auf die Vorschriften über die societas) ergänzt. 49 Bösselmann S 69; Ott S 10, 12. 50 Dazu Endemanns Handbuch/Lastig S 725 ff, der auch die Entwicklung der stillen Gesellschaft im heutigen Sinne miteinbezieht. 51 Schumacher S 57. 52 Wortlaut bei Schumacher S 57; vgl auch Hergenhahn ZHR 42 (1894) 73. 53 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten und Protokolle über die Berathungen mit kaufmännischen Sachverständigen und praktischen Juristen (1856), Nachdruck hrsg von Schubert (1986) S 15 u 26 ff, sowie zu den Beratungen S 39 ff. 54 Zum Folgenden Schumacher S 58 ff. Zu den einzelnen Theorien über das Wesen der juristischen Person (Sozietäts-, Fiktions- und Genossenschaftstheorie), vgl Schumacher S 33 ff. 55 Erst im Zuge der Beratungen zum ADHGB erkannte man diese Ungenauigkeit und unterschied in der Folge zwischen „Commanditgesellschaft“ einerseits und „stiller Gesellschaft“ alter Prägung andererseits. 56 1856 bestanden bereits sechs KGaA; vgl Schumacher S 58 Fn 18. 57 Zur inneren Organisation dieser frühen KGaA fehlt eine umfassende Darstellung, zur Lage bei der AG s Schumacher S 22 ff und 33 f. 58 Zu dessen bedeutendem Wirken und seinem Einfluss auf die Bildung von Aktiengesellschaften, vgl Schumacher S 12 ff, 18 Fn 49, 22 ff. In seiner Schrift „Die Eisenbahn und deren Aktionäre“ (1837) legte Hansemann seine Vorstellungen zur inneren Organisation der Gesellschaft dar, die bereits damals die heute noch existierende Dreiteilung enthielt: eine Generalversammlung, ein Direktorium und zu dessen Kontrolle einen Verwaltungsrat.

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te59 Disconto-Gesellschaft (Berlin)60 sowie die 1856 geschaffene Berliner Handelsgesellschaft. Letztere bestand bis 1995 unter dem Namen Berliner Handels- und Frankfurter Bank als KGaA fort. Dass gerade Banken diese Rechtsform bevorzugten, lag daran, dass ihnen die Konzession zur Errichtung einer Aktiengesellschaft (wegen des aus politischen und wirtschaftlichen Gründen noch ungeordneten Bank- und Geldwesens) zumeist versagt wurde.61 Neben der Möglichkeit, die Konzessionspflicht zu umgehen, boten nach dem Muster 16 der KGaA organisierte Gesellschaften einen weiteren Vorteil: Trotz der Beteiligung mehrerer Geldgeber war die Geschäftsführung auf einzelne Gesellschafter beschränkt, was dazu beitrug, dass sich der Einfluss der übrigen Gesellschafter in Grenzen hielt.62 Das kam schon damals vor allem Familiengesellschaften entgegen, die sich sowohl nach Zahl ihrer Gesellschafter als auch nach dem Umfang der Geschäfte von Generation zu Generation vergrößerten. 4. Die Regelung durch das ADHGB. Die erste deutsche Kodifikation der KGaA 17 findet sich im ADHGB von 1861 (Art 173–206).63 Ihrer gesetzlichen Regelung lagen, neben dem Preußischen Entwurf von 1856, zwei Vorbilder zugrunde, nämlich der Code de Commerce und die Statuten der Disconto-Gesellschaft.64 Der Aufnahme der KGaA in das ADHGB ging eine heftige Kontroverse über den Bedarf für eine solche Gesellschaftsform und die von ihr möglicherweise ausgehenden nachteiligen Wirkungen voraus.65 Die nun Commanditgesellschaft auf Aktien genannte Rechtsform war als ein Sonderfall der einfachen Commanditgesellschaft normiert, bei der das Kapital in Aktien zerlegt war. Im Gegensatz zum Preußischen Entwurf von 1856 wurden die Offene Handelsgesellschaft, die Commanditgesellschaft und die Commanditgesellschaft auf Aktien aber nicht mehr als juristische Personen erfasst. Wie diese Gesellschaftsformen stattdessen einzuordnen waren, blieb ungeklärt. 66 Gegenstand des Unternehmens mussten Handelsgeschäfte sein;67 eine Bestimmung, die 1870 wieder abgeschafft wurde.

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59 Ott S 11 f, der nachweist, dass zunächst auch Elemente einer Genossenschaft vorhanden waren; ebenso Schumacher S 57, 58 Fn 18, der sie erst ab 1856 als KGaA bezeichnet; ungenau dagegen Elschenbroich S 21; Niederlag S 17. Bei R Fischer in Handbuch des gesamten Handelsrechts, S 425 Fn 3 findet sich der Wortlaut des Statuts der Disconto-Gesellschaft, der belegt, dass sie nur wegen des für die AG geltenden Konzessionszwangs als KGaA gegründet wurde. 60 Diese Gesellschaft wird allgemein als die erste KGaA auf deutschem Boden angesehen, allerdings zu Unrecht; s dazu oben 13 mit Fn 45. 61 Schumacher S 56 f. Zu den Ursachen dieser Praxis s Bösselmann S 80. 62 Passow Aktiengesellschaft2, S 562. 63 Das ADHGB wurde zunächst in den meisten deutschen Staaten jeweils als Einzelgesetz erlassen. Durch Gesetz vom 5.6.1869 (BGBl Ndt Bund, S 379) übernahm es der Norddeutsche Bund. Durch die Reichsgesetze vom 16./22.4.1871 (RGBl S 63, 87) wurde es, in der Fassung der 1. Aktienrechtsnovelle, auch formell einheitliches Recht im ganzen Reichsgebiet. Vgl dazu v Hahn Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch Bd 1, Einleitung § 14 f. 64 Renaud Actiengesellschaften, S 45; Joens S 13; Niederlag S 20. 65 Hierzu und zum Folgenden Hergenhahn ZHR 42 (1894) 73 f. Die einzelnen Argumente finden sich bei v Hahn Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, Bd 1, S 590 ff. 66 Schumacher S 64 f. Auch bei der Aktiengesellschaft blieben insoweit viele Fragen offen: Nach Art 213 hatte eine Aktiengesellschaft selbständig Rechte und Pflichten, war also juristische Person. Die dogmatische Herleitung dieser Regelung und ihre Auswirkungen auf das Innenverhältnis der Gesellschafter blieben zwischen den Anhängern der Sozietätslehre und denen der Fiktions- bzw Genossenschaftslehre dagegen umstritten, so dass eine endgültige Klärung trotz des an sich eindeutigen Wortlauts nicht erreicht wurde, vgl Schumacher S 65 ff. 67 Weswegen für Nicht-Handelsgesellschaften die partikularrechtlichen Bestimmungen fortgalten; vgl die Auflistung bei Renaud Actiengesellschaften, S 27 ff.

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Wie die Aktiengesellschaften unterlag auch die KGaA dem Konzessionszwang (Art 174).68 Da jedoch die unbeschränkte Haftung der Komplementäre als eine ausreichende Garantie für eine solide Geschäftsführung betrachtet wurde,69 sah das Gesetz für die KGaA eine Ausnahmeregelung vor (Art 206): Die Länder konnten die freie Gründung von KGaA zulassen.70 Bei den Beratungen war es über die Frage des Konzessionserfordernisses für die KGaA zu heftigen Meinungsverschiedenheiten gekommen.71 Es war der Zwang zum Kompromiss, der zu der auf den ersten Blick sonderlich anmutenden Regel-/Ausnahmelösung des ADHGB führte: Ursprünglich war die freie Gründungsmöglichkeit für die KGaA als Regelfall und nicht als Ausnahme vorgesehen. Dementsprechend war die innere Organisation der KGaA zum Schutz vor Missbrauch einer strengen Regelung unterworfen worden. An dieser hielt man in den späteren Beratungen auch dann noch fest, als man sich angesichts des starken Widerstands gegen die Befreiung vom Konzessionssystem auf die Umkehrung der Regel-/Ausnahmelösung einigte. So ist zu erklären, dass sich für die innere Organisation der KGaA im Vergleich zur AG wesentlich ausgefeiltere Vorschriften finden, welche selbst dann noch uneingeschränkt anzuwenden waren, wenn ein Land von der Möglichkeit Gebrauch machte, die KGaA dem Konzessionszwang zu unterwerfen. Im Verhältnis zur AG hatte der Gesetzgeber die KGaA gleichsam übersichert.72 Im Einzelnen wurden folgende Missbrauchsvorkehrungen eingeführt:73 Die Stel19 lung der Kommanditaktionäre (damals noch Commanditisten genannt) sollte gegenüber den Komplementären gestärkt werden. Das Gesetz sah daher zur Vertretung der Kommanditisten eine Generalversammlung74 vor, die Entscheidungen mit einfacher Mehrheit treffen konnte (Art 190). Der Generalversammlung standen dieselben Kontrollrechte wie den einzelnen Gesellschaftern zu, wie etwa die Rechte zur Einsicht in die Bilanz, zur Bestimmung der Gewinnverteilung oder zur Auflösung der Gesellschaft (Art 186). Weiter wurde vorgeschrieben, aus der Mitte der Generalversammlung einen mindestens fünfköpfigen Aufsichtsrat zu wählen (Art 175 Nr 6), der als ständige Vertretung der Generalversammlung konzipiert war (Art 186 Abs 2) und dem die Überwachung der Geschäftsführung zustand (Art 193). 75 Im Hinblick auf die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats nahm man auch von der bis dahin üblichen Bezeichnung „Verwaltungsrat“ Abstand. Allerdings wurde die Macht des Aufsichtsrats sogleich wieder beschränkt, um der Gefahr einer potentiellen Vorherrschaft dieses Gremiums vorzubeugen. So durfte der Aufsichtsrat zunächst nur für ein Jahr und erst danach für fünf Jahre gewählt werden. Die Abhängigkeit des Aufsichtsrats von der Generalversammlung äußerte sich in dem Recht der Aktionäre, bei einem Quorum von 10% der Aktien die Einberufung der Generalversammlung verlangen zu können (Art 188 Abs 2). 20 Ungeachtet dieser Maßnahmen war die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter stark. Das Gesetz stellte sie als „geborene“ Geschäftsführer an die Spitze der Gesellschaft. Das war gewiss dem Umstand geschuldet, dass die persönliche Haftung der

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68 S dazu Renaud Actiengesellschaften, S 294 ff; Passow Aktiengesellschaft2, S 560 f. 69 Elschenbroich S 24; Spalcke S 14 mwN. Diese Sichtweise war jedoch schon damals fraglich war und ist heute definitiv überholt, vgl Sethe S 211 ff. 70 So geschehen in Hamburg, Bremen, Lübeck, Württemberg, Baden, Oldenburg, Sachsen, Preußen, Anhalt-Dessau, Waldeck und Lauenburg. Vgl Passow Aktiengesellschaft2, S 67 und 561. 71 Hierzu und zum Folgenden Schumacher S 67. 72 Sethe S 60, 91 ff. 73 Ausführlich dazu Sethe S 53 ff. 74 Dabei war sie nicht als eigenständiges Organ konzipiert, vgl Hergenhahn ZHR 42 (1894) 69, 83. 75 Bei der AG war der Aufsichtsrat bis 1870 nicht obligatorisch. Zur Kritik an der Einführung dieses Organs s 4. Aufl Assmann Einl 74 f; zu Vorläufern des Aufsichtsrats s Schumacher S 68 ff.

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Komplementäre seinerzeit noch zu den maßgeblichen Gesichtspunkten für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit einer KGaA gehörte und die Unternehmerpersönlichkeit der Komplementäre den Ausschlag für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens gab.76 Umgekehrt entsprach der starken Position der Komplementäre aber auch eine nicht minder starke Inpflichtnahme in Bezug auf die Geschicke der Gesellschaft: Neben der persönlichen Haftung war es einem Komplementär zum Schutze der Gläubiger verboten, seine Stellung als persönlich haftender Gesellschafter zu übertragen, so dass er nur unter Auflösung der Gesellschaft aus dieser ausscheiden konnte (Art 199). Um Missbrauch vorzubeugen, finden sich erstmals77 auch umfangreichere Grün- 21 dungs- und Publizitätsvorschriften. So bedurften etwa der Abschluss und die Änderung des Gesellschaftsvertrags der notariellen Beurkundung und der Eintragung ins Handelsregister (Art 174–179, 198). Darüber hinaus musste die Einzahlung mindestens eines Viertels des gezeichneten Kapitals zum Register nachgewiesen werden. Aktien, die vor Eintragung ins Handelsregister ausgegeben wurden, waren nichtig. Zugelassen waren nur Namensaktien, die auf mindestens 200 Thaler lauten mussten (Art 173 Abs 2; Ausnahmeregelungen durch den jeweiligen Landesgesetzgeber waren zugelassen), die ihrerseits voll einzuzahlen waren (Art 184). Erfuhr die KGaA durch das ADHGB die erste ausführlichere Regelung, so lag deren 22 Schwerpunkt fraglos auf dem Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten. Der Ausbau der inneren Organisation wurde demgegenüber noch nicht systematisch verfolgt, was etwa die dürftigen Vorschriften zur Generalversammlung belegen. Die Einführung des Aufsichtsrats ist nicht auf ein durchdachtes Konzept in Bezug auf den inneren Aufbau der KGaA zurückzuführen, sondern kann nur als Reaktion im Hinblick auf die Verhinderung seinerzeit aktueller Fälle des Missbrauchs der Rechtsform verstanden werden. Andererseits wird man die Regelung der KGaA im ADHGB aber auch nicht als missglückt bezeichnen können,78 da sie sich in der Praxis durchaus bewährte und, nicht zuletzt deshalb, später sogar zum Vorbild für die Reform des Aktienrechts wurde. Zugleich ist sie der erste Schritt auf dem Weg zu einem gründungsbezogenen Normativsystem. Allerdings war das Konzessionssystem bereits zur Zeit des Inkrafttretens des ADHGB weitgehend überholt. Mag es anfänglich zugleich der Instrumentalisierung der neuen Gesellschaftsformen zugunsten staatlicher Interessen sowie dem Schutze der Aktionäre dienlich gewesen sein, so hatte der auf die Kapitalsammelbecken der AG und der KGaA angewiesene „Take-off“ der Industrialisierung bereits eine Dynamik erreicht, welche die Konzessionierung als unzureichendes und die Anleger in falscher Sicherheit79 wiegendes Schutzinstrument erscheinen ließ. III. Entwicklung bis heute 1. Die 1. Aktienrechtsnovelle vom 11.Juni 1870. Die Möglichkeit einer freien Grün- 23 dung von Gesellschaften in der Rechtsform der KGaA in vielen deutschen Ländern erklärt die zunächst große Verbreitung dieses Gesellschaftstyps. Mit der Aufhebung

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76 Zur Kritik an dieser gesetzgeberischen Vorstellung s Spalcke S 23 und Sethe S 58, 211 ff, die aufzeigen, dass dieser Aspekt zumindest bei Gesellschaften mit hohem Kapital in den Hintergrund tritt. 77 Zu den Gründungsformen vor Erlass des ADHGB s Bösselmann S 95 ff, der ua darauf verweist, dass die Statuten der freien Vereinbarung unterlagen und eine Inhaltskontrolle nur durch die Versagung der Konzession erreicht werden konnte. Das Preußische Aktiengesetz von 1843 machte insoweit auch inhaltliche Vorgaben. 78 Ausführlich kritisiert sie aber Spalcke S 23 f. Er übersieht dabei, dass der Gesetzgeber keineswegs auf die Erfahrungen zurückblicken konnte, die wir heute haben. 79 Assmann/Schütze/Assmann Hdb KapitalanlageR5 § 1, 6a.

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des Konzessionssystems und der Einführung des Normativsystems für AG und KGaA durch die Aktienrechtsnovelle von 187080 verlor die KGaA, für die immerhin der Preis der persönlichen Haftung der Komplementäre zu zahlen war, an Attraktivität. Wenig überraschend ging in der Folgezeit die Zahl der Neugründungen von KGaA zurück.81 Da die KGaA in den zum französischen Rechtskreis zu rechnenden Gebieten durchaus verbreitet war,82 führte die Annexion Elsass-Lothringens 1871 zu einem kurzzeitigen Anstieg im Bestand dieser Gesellschaftsform. Aber auch dies konnte den fortschreitenden Bedeutungsschwund der KGaA, der mit dem Wegfall des Konzessionssystems eingeleitet worden war, nicht aufhalten.83 Die 1.Aktienrechtsnovelle von 1870 brachte für die KGaA kaum Neuerungen, da die mit der Novelle in das Aktienrecht eingeführten Normativbestimmungen, welche den wesentlichen Teil der Reform ausmachten, für die KGaA bereits galten. Wie bei der Aktiengesellschaft entfiel auch für KGaA die Beschränkung auf den Betrieb eines Handelsgeschäfts; die Gesellschaft war nun Formkaufmann (Art 5). Der persönlich haftende Gesellschafter konnte nach der Neufassung aus der Gesellschaft ausscheiden, ohne dass dies zwangsläufig zur Auflösung der KGaA führte. Voraussetzung für das Fortbestehen der Gesellschaft war allerdings, dass mindestens einer der bisherigen persönlich haftenden Gesellschafter weiterhin in der Gesellschaft verblieb (Art 199). Der Mindestbetrag der Aktie wurde auf 50 Thaler festgesetzt. Zur Ergänzung der Gründungsbestimmungen wurde ein Katalog von Strafbestimmungen für Aufsichtsrat und persönlich haftende Gesellschafter eingeführt (Art 206). 24

2. Die 2. Aktienrechtsnovelle vom 18. Juli 1884. Die Aktienrechtsreform von 188484 verfolgte in erster Linie das Ziel, die in der Gründerzeit aufgetretenen erheblichen Missstände und Betrügereien bei der Errichtung von AG und KGaA zu unterbinden. Dazu wurden beide Rechtsformen verschärften Normativbestimmungen unterworfen. Der Mindestnominalbetrag der Aktien wurde auf 1000,– Mark heraufgesetzt, um vor allem Kleinanleger von existenzvernichtenden Spekulationen fernzuhalten (Art 173a, 207a). Die Gründerhaftung wurde eingeführt und der Ablauf der Gründung im Sinne einer Sukzessivgründung geregelt.85 Die Vorschriften zur Sicherung der Kapitalaufbringung und -erhaltung (Art 180h, 215a) wurden ausgebaut. Der Erweiterung des Minderheitenschutzes dienten vor allem zwei Maßnahmen: zum einen die Einführung der Klagebefugnis einzelner Aktionäre gegen Beschlüsse der Generalversammlung (Art 190a) und zum anderen die Möglichkeit, mit einem Quorum von 10% des Grundkapitals die Einberufung der Generalversammlung (Art 188) sowie die Überprüfung der Gründung (Art 175g) verlangen zu können. Die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter wurde gestärkt, doch wurden diese im Gegenzug verpflichtet, selbst eine Einlage in Höhe von 10% (bei über 3 Mio Mark Grundkapital jedoch nur 2%) des Grundkapitals zu erbringen (Art 174a, 181). Damit sollte einer Umgehung des Aktienrechts vorbeugt und den Komplementären ein Ansporn für ihre unternehmerischen Aktivitäten gegeben werden, was allerdings von vielen als überflüssig angesehen wurde und daher heftige Kritik auslöste.86 Ein eigenes Stimmrecht in der Generalversammlung hatten die Komplemen-

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80 Dazu generell 4. Aufl Assmann Einl 79 ff; v Hahn Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, Bd 1, S 594 ff. 81 S dazu R Fischer in Handbuch des gesamten Handelsrechts, S 28, 425 Fn. 82 Bundschuh Die wirtschaftliche Entwicklung, S 17 ff; Passow Aktiengesellschaft2, S 559 f. 83 So gab es 1880 nur noch 52 KGaAs gegenüber bereits 1311 AG, s Spalcke S 30. 84 S dazu generell 4. Aufl Assmann Einl 89 ff. 85 Passow Aktiengesellschaft2, S 562. 86 So etwa Hergenhahn ZHR 42 (1894) 77 ff; Simon ZHR 29 (1884) 484 f.

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täre jedoch auch dann nicht, wenn sie aufgrund dieser Bestimmungen oder aus anderen Gründen Aktien der Gesellschaft erworben hatten (Art 190 Abs 4). Neu war des Weiteren die Zulassung von Inhaberaktien. Besondere Beachtung verdient schließlich die in Art 206a geschaffene Möglichkeit der Umwandlung einer KGaA in eine AG, da diese Regelung maßgeblich zur Abwanderung zahlreicher KGaA in die Rechtsform der AG beitrug.87 Der Gesetzgeber unterstellte bei seiner Reform, dass KGaA und AG zwei völlig ver- 25 schiedenen wirtschaftlichen Interessenlagen dienten. Er verstand die KGaA als Gesellschaft mit „monarchischer Spitze“ und die AG als Verkörperung des „republikanischen Prinzips“. Trotz der stark sinkenden Bedeutung der KGaA wurde die Beibehaltung dieser Rechtsform damit begründet, dass sie sich – anders als die AG – besonders für Unternehmungen eigne, die einer tüchtigen und kreditwürdigen Führungspersönlichkeit bedürften, welche zwar für ihre Tätigkeit Kapital benötige, aber die unbeschränkte Leitung und Verantwortung behalten möchte.88 Schon die Tatsache, dass nur bei der KGaA „tüchtige und kreditwürdige“ Unternehmer gefordert werden, zeigt, wie einseitig und wirklichkeitsfremd die Position des Gesetzgebers war. Auch war vor diesem Hintergrund der neu geschaffene Zwang zur Einlagenbeteiligung inkonsequent: Mag man ihm die Eignung zur Verhinderung von Strohmanngründungen nicht ganz absprechen können, so schreckte er doch andererseits gerade diejenigen von der Wahl der KGaA ab, deren Interessen der Gesetzgeber entgegenkommen wollte. Darüber hinaus lag der Gesetzgeber auch in seiner Einschätzung der Bereitschaft einzelner Unternehmer zur Übernahme der persönlichen Haftung für die Verpflichtungen ihres Unternehmens falsch: Zu Beginn der Industrialisierung hatten gerade die Unternehmerpersönlichkeiten wesentlich zur Herausbildung der Aktiengesellschaft beigetragen,89 indem sie unter großem persönlichen Einsatz und kraft ihres Ansehens die der Gründung einer AG entgegenstehenden Hindernisse überwanden. 1884 waren die Rechtsformen der AG und der KGaA hingegen etabliert und nun stand eine Leitung aus Fachleuten im Vordergrund. Zudem kam es wesentlich auf die Kapitalansammlung an, so dass die persönliche Kreditwürdigkeit der Geschäftsleitung schon seinerzeit nicht die ihr zugeschriebene Bedeutung hatte. Für beteiligungswillige Kapitalgeber wiederum bestand angesichts der Vormachtstellung des persönlich haftenden Gesellschafters eher die Bereitschaft zur Investition in eine AG, da dort der eigene Einfluss dem Ausmaß der Beteiligung entsprach. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber unbeabsichtigt selbst dazu beitrug, die Bedeutung der KGaA zu verringern. Er näherte die rechtlichen Regelungen von KGaA und AG so stark an, dass geradezu ein Anreiz zur Abwanderung in die Rechtsform der AG geschaffen wurde,90 und eröffnete hierzu gleich noch die entsprechenden Umwandlungsmöglichkeiten. 3. Entwicklung bis zum Handelsgesetzbuch von 1897. Die Einführung der 26 GmbH im Jahre 1892 wirkte sich einschneidend auf die Bedeutung der KGaA aus. Die

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87 Passow Aktiengesellschaft2, S 573 nennt für das Jahr 1909 32 AG, die zuvor die Rechtsform der KGaA hatten. 88 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften nebst Begründung und Anlagen, Entwurf B (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S 478; dazu Hergenhahn ZHR 42 (1894) 76 ff mwN. 89 Schumacher S 10 ff. 90 Diese Veränderungen bewirkten auch eine Diskussion über die Frage, ob die KGaA immer noch als Unterfall der KG (dazu Hergenhahn ZHR 42 [1894], 80 f) und als juristische Person (Hergenhahn ebd, S 82 mwN) gelten könne.

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neue Rechtsform schloss die Lücke zwischen Personengesellschaften und AG, denn sie erlaubte die Verbindung von beschränkter Haftung und flexibler Ausgestaltung des Innenverhältnisses der Gesellschaft. Für die Attraktivität der neuen Rechtsform sorgten schließlich auch die mit dieser verbundenen steuerlichen Vorteile.91 Die Verbreitung der KGaA ging damit weiter stark zurück. So existierten 1895 bereits 1898 GmbH gegenüber 4749 AG und nur noch 150 KGaA.92 Diese Entwicklung belegt, dass man die Stellung der Komplementäre insgesamt überbewertet, die Interessen der übrigen Gesellschafter dagegen zu wenig beachtet hatte. Die einsetzende Konzentration unter den Banken, die zu einem großen Teil als KGaA verfasst waren, führte bis zur Jahrhundertwende zu einer weiteren Verminderung der Zahl der KGaA.93 Mit dem Handelsgesetzbuch von 1897 passte der Gesetzgeber die Gesetzeslage der 27 wirtschaftlichen Bedeutung der Gesellschaftsformen an: Während bis dahin die KGaA vor der AG normiert war, regelten die §§ 320 bis 334 HGB die KGaA nunmehr im Anschluss an die AG. Dabei beschränkte sich der Gesetzgeber auf wenige Spezialvorschriften und erklärte im Übrigen das Aktienrecht für entsprechend anwendbar (§ 320 Abs 3). Nahezu zwangsläufig führte diese Änderung zu einer Kontroverse über die Frage, ob die KGaA noch als Mischform oder schon als Unterfall der AG anzusehen sei.94 Da die strengen Gründungs- und Kapitalerhaltungsregeln der AG nun auch für die KGaA galten, verzichtete man auf die Einlageverpflichtung der Komplementäre, da die Gefahr von vorgeschobenen Strohmännern nicht mehr bestand.95 28

4. Entwicklung bis zum Aktiengesetz von 1937. Ohne erwähnenswerte Besonderheiten verlief die Entwicklung der KGaA bis zum Beginn der Weimarer Republik.96 Die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in den Jahren 1923 bis 1933 (Inflation 1923 und Reparationsverpflichtungen; kurzer Aufschwung bis 1929; Weltwirtschaftskrise mit Höhepunkt 1931) blieben nicht ohne Einfluss auch auf das Aktienrecht und das mit diesem verbundene Schicksal des Rechts der KGaA. Unter den diesbezüglich einflussreichen Maßnahmen sind an dieser Stelle97 das Betriebsrätegesetz (§ 70) vom 4.2.192098 und das Aufsichtsratsgesetz (§ 1) vom 15.2.192299 zu nennen, die auch für die KGaA die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vorsahen. Beide Gesetze blieben jedoch bis zu ihrer Aufhebung durch die Nationalsozialisten weitgehend ohne praktische Bedeutung.100 Große Auswirkungen hatte dagegen die Inflation zu Beginn der zwanziger Jahre. Sie bewirkte einen einmaligen Aufschwung im Bestand der KGaA, der von ganzen 33 im Jahre 1919 auf 200 im Jahre 1924 wuchs.101 Aufgrund der größeren Stabilität ausländischer Währungen kam es zu einem starken Anwachsen ausländischer Direktinvestitionen bei deutschen Unternehmen. Um der „Überfremdungsgefahr“ durch ausländisches Kapital und der inflationsbedingten Umverteilung des in-

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91 Dazu Sethe S 68 f. 92 Vgl Spalcke S 42. 93 Kleine Arndt S 92. 94 Dazu etwa Cosack Handelsrecht6, S 644; R Fischer in Handbuch des gesamten Handelsrechts, S 425 f; Horrwitz Generalversammlung, S 471 mwN; Staub HGB6/7 § 320, 1; Wieland Handelsrecht, S 253. Sämtliche der angeführten Autoren betrachten die KGaA als Mischform. 95 Zu den Änderungen bzgl der AG – und damit jetzt auch der KGaA – s 4. Aufl Assmann Einl 120. 96 Zur Entwicklung des Aktienrechts insgesamt 4. Aufl Assmann Einl 116 ff. 97 Vgl im Übrigen 4. Aufl Assmann Einl 129 ff. 98 RGBl S 147. 99 RGBl I S 209. 100 L Fischer S 32. 101 Sethe S 73 f.

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ländischen Aktienbesitzes Herr zu werden,102 erschien deshalb vielen die KGaA als geeignete Unternehmensform, da bei ihr eine stabile, von Mehrheiten in der Generalversammlung unabhängige Bestellung der Geschäftsleitung möglich war. Angesichts der zahlenmäßigen Entwicklung sagte Schreiber in seinem 1925 erschienenen Werk103 der KGaA eine große Zukunft voraus. Seine Prognose erwies sich jedoch als falsch, schrumpfte doch die Zahl der KGaA bis zum Jahre 1928 auf nur noch 84 Gesellschaften.104 Bedeutsam für das Recht der KGaA war auch die Entscheidung des Reichsgerichts 29 vom 4.7.1922105 über die Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KG, an der sich die bis 1997 andauernde Diskussion um eine parallele Gestaltung bei der KGaA entzündete.106 Die in den zwanziger Jahren aufgekommene Diskussion einer Reform des Aktien- 30 rechts107 führte 1930 und 1931 zur Veröffentlichung zweier Gesetzentwürfe, mit denen Detailverbesserungen verwirklicht werden sollten, ohne das bisherige Aktienrecht völlig umzugestalten. Die Weltwirtschaftskrise, die sich schon 1929 ankündigte und 1931 ihren Höhepunkt erreichte, ließ jedoch keine Zeit, das Reformvorhaben zu beraten und zu verabschieden. Stattdessen wurden im Wege der Notverordnungen vom 19.9.1931 und 6.10.1931 nur die dringendsten Vorhaben verwirklicht.108 Erwähnenswert in Bezug auf die KGaA sind die weitgehenden Publizitätspflichten und die obligatorische Bilanzprüfung, die vor allem für kleinere Gesellschaften eine besondere Belastung darstellten. Infolgedessen nahm der Bestand an Gesellschaften in der Rechtsform der KGaA weiter stark ab.109 Beschleunigt wurde diese Tendenz noch durch das Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5.7.1934, das ganz im Sinne der Denkweise der Nationalsozialisten die Umwandlung in die von diesen zur Verwirklichung des „Führerprinzips“ bevorzugten Personengesellschaften gestattete. 5. Das Aktiengesetz von 1937. Radikale Verfechter der nationalsozialistischen 31 Ideologie verlangten die Abschaffung der AG wegen der in ihr verkörperten Anonymität des Kapitals. Diese galt im Zeitalter des „Führerprinzips“ als unerwünscht. Aus demselben Grund wurde die Abschaffung der KGaA gefordert, obwohl sie aufgrund der Stellung der Komplementäre an sich dem vorherrschenden Gedankengut hätte entsprechen müssen.110 Gleichzeitig finden sich aber auch Überlegungen, das der KGaA zugrundeliegende Prinzip der persönlichen Haftung des Komplementärs zu universalisieren und namentlich auf die AG zu übertragen.111 Zur Darstellung weiterer Einzelheiten der Reformdiskus-

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102 Schreiber S 1 f; Marcuse S 8 f. 103 Schreiber S 1. 104 Spalcke S 61. 105 RG 4.7.1922 – Rep. II. B 2/22, RGZ 105, 101; ausführlich kommentiert bei Düringer/Flechtheim HGB3 § 105, 20 mwN, § 161, 11. Diese Typenvermischung war zuvor schon von BayObLG 16.2.1912 – III 1212, OLGE 27, 331 f und dem KG 28.2.1913 – 1a X 198/13, DJZ 1913, 1500 f; KG 31.5.1918 – 1a X 329/18, KGJ 51, 122 ff und inzident KG 11.7.1919 – 1a X 332/19, KGJ 52, 90 ff anerkannt worden. Entschieden abgelehnt wurde die Gestaltung als dem „Führerprinzip“ widersprechend von Keutner, der mit Ziel und Wortwahl seiner Arbeit dem Zeitgeist folgt. 106 Dazu im Einzelnen bei § 278, 30 ff. Näher auch Sethe S 72 f, 155 ff. 107 Dazu 4. Aufl Assmann Einl 134 ff. Sa Schubert in: ders (Hrsg) Quellen zur Aktienrechtsreform, (Einleitung) S 13 ff und die dort abgedruckten Dokumente. 108 Ausführlich dazu 4. Aufl Assmann Einl 145 ff. 109 Spalcke S 65 nennt für das Jahr 1938 nur noch 22 KGaAs gegenüber 5500 AG, 25600 GmbH und 13100 KG. 110 Vgl Spalcke S 66 einerseits und S 70 andererseits (mwN); sa die – schon vom Titel her bezeichnende – Dissertation von Kummer Die KGaA und das Führerprinzip, S 11 ff. 111 S die Protokolle des Ausschusses für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht vom 9.2.1934 S 32 und vom 10.2.1934 S 55 u 60 ff, abgedruckt in Schubert (Hrsg) Akademie für Deutsches Recht 1933–1945, Protokolle der Ausschüsse, Bd 1, Ausschuss für Aktienrecht (1986) S 50, 133, 138 ff. Dementsprechend

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sion kann auf frühere Ausführungen verwiesen werden.112 Im Ergebnis setzten sich Zweckmäßigkeitserwägungen durch, welche eine durchgreifende Umgestaltung des Aktienrechts verhinderten. Das Aktiengesetz vom 4.2.1937, das wegen seines Umfangs aus dem HGB ausgegliedert wurde, brachte für die KGaA (jetzt geregelt in den §§ 219 bis 232) gleichwohl eine Reihe von Neuerungen mit sich:113 Das Mindestgrundkapital wurde, wie bei der AG, auf 500000 RM festgesetzt. Den Komplementären räumte der Gesetzgeber das Recht ein, für die von ihnen gehaltenen Aktien das Stimmrecht in der Hauptversammlung auszuüben, so dass die Stimmverhältnisse der tatsächlichen Aktienverteilung entsprachen (§ 227 Abs 1). In § 219 erklärte das Gesetz die KGaA zur juristischen Person und beendete so die hierüber seit langem bestehende Kontroverse.114 Der für den Komplementär im Innenverhältnis bis dahin geltende Haftungsmaßstab der „Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten“ wurde durch die für Vorstandsmitglieder der AG geltende Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit (§ 225 Nr 3) ersetzt. Das Aktiengesetz von 1937 wirkte dem schon in den zwanziger Jahren zu beobach32 tenden Machtzuwachs der Verwaltung115 nicht entgegen, sondern vollzog ihn nach. Der Machtumfang des Vorstands der AG war nun ähnlich groß wie der der Komplementäre der KGaA, so dass die KGaA im Vergleich zur AG nahezu keine Vorteile mehr bot. Dies und die Erhöhung des Mindestgrundkapitals der KGaA führten zu einer weiteren Abnahme des Bestands an KGaA. Hierzu trugen sicherlich auch die Kriegsjahre bei.116 6. Entwicklung bis zum Aktiengesetz von 1965. Mit kleineren Änderungen blieb die Gesetzeslage von 1937 bis zum Beginn der Bundesrepublik und bis zur Aktienrechtsreform von 1965 weitgehend unverändert.117 Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau kam es zu einzelnen Gesetzesänderungen, die auch Auswirkungen auf das Recht der KGaA hatten,118 so etwa die Herabsetzung des Mindestnennbetrags des Grundkapitals auf 100000,– DM und des Mindestnennbetrags der Aktie auf 100,– DM durch das DM-Bilanzgesetz, die Bereinigung des Wertpapierwesens, die Mitbestimmungsgesetzgebung und das Umwandlungsgesetz. Um den Kapitalmarkt zu stärken, entschloss sich der Gesetzgeber – noch während 34 der in den fünfziger Jahren geführten Reformdiskussion – zur sog Kleinen Aktienrechtsreform von 1959.119 Nach umfangreichen Vorarbeiten120 wurde am 6.9.1965 das neue Aktiengesetz ver35 kündet. Es enthielt in Bezug auf die AG bedeutende Änderungen, die über die allgemeine Bezugsnorm des § 278 Abs 3 auch für die KGaA galten.121 Dagegen lehnten sich die speziellen Regelungen zur KGaA im Aktiengesetz von 1965 weitgehend an die des früheren Rechtszustands an.122 Bei der Kommentierung der jeweiligen Normen wird auf die 33

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enthält der Abschlussbericht des Ausschusses auch eine ausführliche Stellungnahme zum „Führerprinzip“; Bericht vom April 1934 S 12, abgedruckt in: Schubert (Hrsg) ebd, S 484. 112 Dazu 4. Aufl Assmann Einl 151 ff. 113 Zu den übrigen Änderungen 4. Aufl Assmann Einl 164 ff. 114 Nachw zum jeweiligen Streitstand bei Sethe S 52 Fn 81, S 67 Fn 32, S 70 Fn 52 und S 78 Fn 97. 115 Dazu ausführlich Passow Strukturwandel, S 1 ff, 31. Sa Wiethölter Interessen, S 36 ff. 116 Spalcke S 71 f, wonach 1943 gerade noch 17 KGaA existierten. 117 Zur Fortgeltung des während der nationalsozialistischen Herrschaft erlassenen Rechts vgl 4. Aufl Assmann Einl 173 ff. 118 Vgl dazu im Einzelnen 4. Aufl Assmann Einl 177 ff. 119 Vgl 4. Aufl Assmann Einl 181. 120 Vgl dazu 4. Aufl Assmann Einl 183 ff. 121 Dazu 4. Aufl Assmann Einl 191 ff, 208 f; Möhring NJW 1966, 1 ff, 87 ff; Wilhelmi AG 1965, 153 ff, 187 ff, 217 ff, 247 ff, 277 ff, 307 ff, 349 ff. 122 Dazu Gail WPg 1966, 425 ff.

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wenigen und zumeist lediglich sprachlichen Änderungen im Einzelnen eingegangen. Hier seien nur die wichtigsten genannt: Die früher mögliche Stufengründung wurde abgeschafft. Jahresabschluss, Rechnungslegung und Kapitalerhöhung sind, entsprechend den Regelungen für die AG, geändert worden. Die Reichweite des Wettbewerbsverbots in § 284 wurde ausgedehnt. Auch die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung wurde klarer gefasst. Schließlich ist das Entnahmerecht der persönlich haftenden Gesellschafter geändert (§ 288) und der Katalog der auf den Komplementär anwendbaren aktienrechtlichen Vorschriften (§ 283) erweitert worden. 7. Entwicklung seit 1965 a) Gesetzesänderungen. Großen Einfluss auf das deutsche Gesellschaftsrecht und 36 speziell das Aktienrecht hatte das Recht der Europäischen Gemeinschaften bzw der Europäischen Union.123 Obwohl die KGaA nur von der Ersten, Vierten, Siebten, Achten und Elften Gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie direkt erfasst wird, haben auch die übrigen Richtlinien mittelbar Auswirkungen auf die Regelung dieser Rechtsform gehabt. Teils setzte der deutsche Gesetzgeber die einschlägigen Richtlinien einheitlich für die AG und die KGaA um, teils erlangten sie über den Verweis in § 278 Abs 3 indirekt Bedeutung. Das EG-Recht als neue Rechtsquelle des deutschen Gesellschaftsrechts war und ist eine Hauptursache für die zahlreichen Änderungen des AktG seit 1965. An dieser Stelle mag es ausreichen, zumindest diejenigen Maßnahmen zur Umsetzung von Gemeinschaftssekundärrecht anzuführen, welche die KGaA direkt betrafen: – (1) Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts124 vom 15.8.1969 (BGBl I 1146): Bei § 281 Abs 1 wurden die Änderungen des § 23 Abs 3 und 4 berücksichtigt. Mangels eines Vorstands bei der KGaA ist jedoch § 23 Abs 3 Nr 6 nicht anzuwenden und es bedarf daher keiner Festlegung der Zahl der geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Komplementäre oder der Regeln, nach denen deren Anzahl festgelegt wird. § 282 Satz 2 wurde dahingehend geändert, dass nunmehr die Vertretungsbefugnis selbst und nicht nur die entsprechende Satzungsbestimmung ins Handelsregister einzutragen ist, und zwar selbst dann, wenn die Vertretungsbefugnis dem gesetzlichen Regelfall entspricht. § 289 Abs 2 Nr 2 wurde angefügt. – (2) Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts125 vom 13.12.1978 (BGBl I 1959): Mit dem Gesetz wurde § 281 Abs 3 gestrichen, da die Vorschrift durch die Neufassung des § 26 Abs 1 über Sondervorteile entbehrlich wurde; letztere erfasst auch die persönlich haftenden Gesellschafter. – (3) Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts126 (BilanzrichtlinienG) vom 19.12.1985 (BGBl I 2355): Zum Zwecke ihrer Angleichung an die veränder-

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123 Ausführlich 4. Aufl Assmann Einl 210 ff. Sa Sethe S 85 ff, 511 ff. 124 Erste Richtlinie vom 9.3.1968, ABl EG L 65 vom 14.3.1968, S 8. Sie ist mittlerweile in der Richtlinie (EU) 2017/1132 vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl EU L 169 vom 30.6.2017, S 46, aufgegangen. 125 Zweite Richtlinie vom 13.12.1976, ABl EG Nr L 26 vom 31.1.1977, S 1. Sie ist ebenfalls in der Richtlinie (EU) 2017/1132 vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl EU L 169 vom 30.6.2017, S 46, aufgegangen. 126 Vierte Richtlinie vom 25.7.1978, ABl EG L 222 vom 14.8.1978, S 11; Siebente Richtlinie vom 13.6.1983, ABl EG L 193 vom 18.7.1983, S 1; Achte Richtlinie vom 10.4.1984, ABl EG L 126 vom 12.5.1984, S 20.

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ten Bilanzvorschriften wurden § 283 Nr 9, die Überschrift und § 286 Abs 2 (Sätze 1, 3, 4), Abs 4 sowie § 288 Abs 1 Satz 2 geändert. 37

Auch über die europarechtlich veranlassten Änderungen hinaus erfuhr das Aktienrecht insgesamt zahlreiche Modifikationen, die jeweils über § 278 Abs 3 auch für die KGaA relevant waren.127 Da diese Änderungen jeweils bei den einschlägigen, von § 278 Abs 3 in Bezug genommenen Bestimmungen kommentiert werden, genügt es an dieser Stelle, chronologisch diejenigen Gesetzesänderungen aufzuführen, welche die §§ 278 bis 290 unmittelbar betrafen: – (4) Durch § 56 des Beurkundungsgesetzes vom 28.8.1969 (BGBl I 1513) wurde § 280 Abs 1 Satz 1 und 3 geändert und die frühere vorgesehene Möglichkeit der gerichtlichen Beurkundung der Feststellung der Satzung bzw der Beglaubigung einer Vollmacht abgeschafft. – (5) Das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO) vom 5.10.1994 (BGBl I 2911) vollzog die terminologischen Änderungen, die das neue Insolvenzrecht mit sich brachte, durch Änderung von §§ 283 Nr 14, 289 Abs 2 Nr 1 und Abs 3 Satz 1 nach, ergänzte § 289 Abs 2 Nr 3, Abs 6 Satz 3 und 4 und fügte bei § 290 einen neuen Abs 3 an, welcher das Verfahren für den Fall regelt, dass nach Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit noch der Verteilung unterliegendes Vermögen entdeckt wird. – (6) Das Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz – StückAG) vom 25.3.1998 (BGBl I 590) machte eine Anpassung von § 280 Abs 1 Satz 2 erforderlich (sa Rdn 41). – (7) Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG) vom 22.6.1998 (BGBl I 1474), wurde § 279 Abs 1 an das veränderte Firmenrecht angepasst, in § 279 Abs 2 die durch den BGH 1997 erfolgte Zulassung der Kapitalgesellschaft & Co KG firmenrechtlich nachvollzogen sowie § 281 Abs 1 Satz 1 geändert, da die Angabe des Berufs des Komplementärs als nicht mehr erforderlich angesehen wurde (sa Rdn 42). – (8) Durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (LPartG) vom 16.2.2001 (BGBl I 266) wurde § 286 Abs 2 Satz 4 angepasst und nach dem Wort „Ehegatten“ das Wort „Lebenspartnern“ eingefügt. – (9) Das Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 4.12.2004 (BGBl I 3166) modernisierte das Bilanzrecht durch Anpassung der Schwellenwerte in §§ 267, 293 HGB und Ausweitung der Berichtspflichten in §§ 289, 314 HGB. Zudem enthielt es für börsennotierte Gesellschaften die Pflicht und für nicht börsennotierte Gesellschaften das Recht, den Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen. Ist eine Gesellschaft zur Aufstellung eines Einzelabschlusses verpflichtet, kann sie anstelle des HGB-Abschlusses einen IFRS-Abschluss offenlegen (§ 325 Abs 2a, 2b HGB). Das Gesetz passte § 283 Nrn 9 bis 11 an diese Änderungen des Rechnungslegungsrechts an. In § 286 Abs 4 wurde der Verweis auf § 285 HGB redaktionell dessen neuer Fassung angepasst. – (10) Das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 3214) passte § 284 Abs 3 an die

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127 Einen vollständigen Überblick über die Änderungen des AktG gibt MünchKomm/Habersack5 Einl 33 ff, 38 ff, 52 ff.

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neue Rechtslage im Schuldrecht an. Neben der positiven Kenntnis führt nun auch grob fahrlässige Unkenntnis zum Beginn des Laufs der Verjährungsfrist. (11) Mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005 (BGBl I 2802) ließ der Gesetzgeber die in § 280 Abs 1 Satz 1 vorgesehene Mindestgründerzahl von fünf Personen entfallen und anerkannte damit auch bei der KGaA die Zulässigkeit der Einpersonengründung (su Rdn 41). Ein im Referentenentwurf noch enthaltener Vorschlag zur Änderung von § 289 Abs 4 wurde fallengelassen (s § 289 Rdn 3). (12) Das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom 17.12.2008 (BGBl I 2586), mit dem ua das FamFG eingeführt wurde, passte die Verweise in § 289 Abs 2 Nr 2 und 3 an. (13) Durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 25.5.2009 (BGBl I 1102) wurde der in § 286 Abs 4 enthaltene Verweis in das HGB erneut – s soeben (9) – redaktionell angepasst. Indirekt hatte die mit dem BilMoG erfolgte Aufhebung der §§ 279 ff HGB Auswirkungen auf die Frage, wie bei der KGaA der auf die Komplementäre entfallende Gewinnanteil zu berechnen ist (s § 286 Rdn 6 ff). (14) Durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.7.2009 (BGBl I 2509) wurde § 288 Abs 3 Satz 2 um einen zusätzlichen Verweis auf Satz 2 von § 87 Abs 2 ergänzt. (15) Das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 11.4.2017 (BGBl I 802) führte in § 283 Nr 10 den gesonderten nichtfinanziellen Bericht bzw Konzernbericht ein.

b) Sonstige Einflüsse auf das Recht der KGaA. Von großem Einfluss auf die Att- 38 raktivität der KGaA erwies sich das Mitbestimmungsgesetz von 1976.128 Durch das Gesetz wurden zahlreiche Bestimmungen über die Zusammensetzung und die Bestellung des Aufsichtsrats geändert, um die paritätische Mitbestimmung für alle nicht der Montanmitbestimmung unterfallenden Aktiengesellschaften mit regelmäßig mehr als 2000 Beschäftigten einzuführen. Die KGaA nimmt demgegenüber eine Sonderstellung ein. Bei ihr muss kein Arbeitsdirektor bestellt werden und aufgrund des bei der KGaA geltenden Grundsatzes der Selbstorganschaft (su Rdn 65 sowie § 278 Rdn 137) obliegt die Wahl der Geschäftsführung nicht dem Aufsichtsrat, sondern erfolgt durch die Komplementäre mit Zustimmung der Hauptversammlung bzw aufgrund abweichender Regelung in der Satzung. Diese Sonderstellung bewog vor allem manches Großunternehmen, in die Rechtsform der KGaA zu wechseln und steigerte auf diese Weise deren Verbreitung.129 Kritiker der Sonderregelung130 für die KGaA sprachen von einem „Wiederbelebungsversuch“ für die Rechtsform. Ihre Einwände sind jedoch unzutreffend, da der Gesetzgeber nicht das Ziel verfolgte, die Rechtsform der KGaA zu privilegieren. Vielmehr war es dessen erklärte Absicht, durch die Einführung der Mitbestimmung nicht in die den jeweiligen Rechtsformen eigenen Strukturen (persönliche Haftung und Selbstorganschaft) einzugreifen.131

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Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4.5.1976 (BGBl I 1153). Ausführlich dazu Sethe S 96 ff. Etwa Binz/Sorg BB 1988, 2041, 2042. Sethe S 101 ff.

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Im Zuge der GmbH-Reform von 1980 sollte die Grundtypenvermischung bei der KGaA verboten werden.132 Dieses Vorhaben wurde jedoch fallengelassen, da der Rechtsausschuss des Bundestages kein dringendes Bedürfnis für eine solche Änderung sah.133 Die danach gleichwohl nicht zur Ruhe gekommene Debatte über die Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KGaA und die seitdem zunehmende Zahl solcher Gestaltungsformen zeigt, wie falsch diese Einschätzung des Rechtsausschusses war. Mit seinem Beschluss vom 24.2.1997 hat der BGH dem Streit ein Ende bereitet und für Recht befunden, dass eine „Gesellschaft mit beschränkter Haftung … grundsätzlich persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sein“ kann.134 Die Diskussion zentriert sich, im Anschluss an entsprechende Hinweise in dem Beschluss,135 seitdem auf die Frage, inwieweit der Umstand, dass eine Kapitalgesellschaft (alleinige) Komplementärin einer (Publikums-)KGaA ist, im Interesse der Gewährung eines angemessenen Anlegerschutzes eine Einschränkung bestehender Gestaltungsspielräume der Satzung einer KGaA nach sich ziehen und (unter Rückgriff auf die zur Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen der Publikums-KG entwickelten Regeln) zu einem Sonderrecht für die Publikums-Kapitalgesellschaft & Co KGaA führen muss.136 Die Wiedervereinigung hatte für die KGaA keine Auswirkungen. In der ehemaligen 40 DDR galt das AktG 1937 formal weiter, ohne jedoch in der Praxis von Bedeutung zu sein,137 da die vorhandenen Unternehmen sozialisiert worden waren. Mit dem Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5.1990 übernahm die ehemalige DDR das westdeutsche Gesellschaftsrecht.138 Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der KGaA wurden hierdurch jedoch nicht berührt, da das insoweit bedeutende Treuhandgesetz139 für die Umwandlung der ehemaligen volkseigenen Kombinate und Betriebe der DDR als Rechtsformen nur die Aktiengesellschaft und die GmbH vorsah.

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132 Art 3 Nr 7 des Regierungsentwurfs zur Änderung des Gesetzes betreffend die GmbH und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 15.12.1977, BT-Drucks 8/1347, S 59 u 62. 133 BT-Drucks 8/3908, S 79. 134 LS 1 des Beschlusses, BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. Für die Zulässigkeit der GmbH & Co KGaA schon OLG Hamburg 5.12.1968 – 2 W 34/68, NJW 1969, 1030 (= GmbHR 1969, 135 mit zust Anm Hesselmann); ablehnend allerdings der Vorlagebeschluß des OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, AG 1997, 133 m Anm Habel/Strieder und Sethe ZIP 1996, 2053 ff, der zum Beschluss des BGH führte. 135 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399. Hier heißt es, es sei „zu erwägen, Satzungsgestaltungen zu Lasten der Kommanditaktionäre nur in engeren Grenzen zuzulassen als bei der gesetzestypischen KGaA, so etwa bei Einschränkungen der ihnen nach dem Gesetz (§ 278 Abs 2 AktG iVm §§ 163 f HGB) zustehenden Mitwirkungsbefugnisse bei außergewöhnlichen Geschäften.“ 136 S dazu etwa die Beiträge von Hommelhoff und von Ihrig/Schlitt S 9 bzw S 33; Heermann ZGR 2000, 61; Schlitt S 16 ff. Kritisch: Wichert AG 2000, 268; Herfs Die Satzung der börsennotierten GmbH & Co KGaA, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, Jahrestagung 1998, 1999, S 23, 29 ff, 37. Einzelheiten unter § 278 Rdn 7, 114 ff. 137 Einzelheiten dazu bei Rosener in: FS Quack, 1991, S 397, 399. 138 Entsprechend den Regelungen (Anlage II, Abschnitt III Nr 3–8) im Staatsvertrag vom 18.5.1990 (BGBl II 537, 554) durchgeführt durch §§ 16–20, 33 (für das Aktienrecht: § 19) des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik vom 21.6.1990 (sog Mantel-Gesetz) GBl DDR I 357. Zusätzliche Anpassungsregelungen, wie sie in der VO zur Anwendung von Rechtsvorschriften vom 11.7.1990 (GBl DDR I 713) enthalten waren, sind inzwischen (mit Ausnahme der Kapitalisierungsregelungen für die GmbH) gegenstandslos; vgl Horn Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet2, § 16, 9 ff. 139 Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens vom 17.6.1990 (GBl DDR I 300); fortgeltend gemäß Art 25 EinigungsV (BGBl 1990 II 889). S im Einzelnen dazu etwa Horn Das Zivilund Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet2, § 18, 1 ff; ders FS Kellermann, 1991, S 201; vgl im Übrigen 4. Aufl Assmann Einl 340 mwN.

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Das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften von 1994140 erfasst die KGaA nicht 41 unmittelbar. Die dort vorgesehenen Erleichterungen und Deregulierungsmaßnahmen gelten jedoch über die Verweisung in § 278 Abs 3 indirekt auch für die KGaA. Einzig die bei der AG nun erlaubte Einpersonengründung hatte der Gesetzgeber bei der KGaA übersehen.141 Dieses Versehen hat er 2005 korrigiert (so Rdn 37), so dass es der in der Vorauflage noch vorgeschlagenen teleologischen Reduktion von § 280 Abs 1 Satz 1 nicht mehr bedarf.142 Direkt betroffen, wenngleich nur im Hinblick auf das für sie maßgebliche Umwandlungsrecht, war die KGaA durch das Umwandlungsgesetz von 1994143 und das Umwandlungssteuergesetz von 1994.144 Nur am Rande zu erwähnen ist, dass das Umwandlungsgesetz immerhin dazu beitrug, die Diskussion um eine teleologische Reduktion des § 160 HGB145 in Bezug auf die Haftung des Komplementärs nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft zu beenden,146 indem es dessen Nachhaftung auf die in § 160 Abs 1 HGB statuierte Fünfjahresfrist festschreibt (§§ 237, 249, 224 UmwG).147 Weiter zu erwähnen ist die Insolvenzordnung, die zum 1.1.1999 in Kraft getreten ist (vgl Art 110 Abs 1 EGInsO) und die die Einführung einiger kleinerer Änderungen in Bezug auf die KGaA mit sich gebracht hat: §§ 283 Nr 14, 289 Abs 2, 3 und 6 wurden an das veränderte Insolvenzrecht angepasst und § 290 erhielt einen neuen Abs 3.148 Auch weitere einschlägige gesetzgeberische Maßnahmen aus dem Jahre 1998,149 wie das Stückaktiengesetz150 (das eine Änderung des § 280 Abs 1 Satz 2 erforderlich machte), das sog KonTraG151 und das Euro-Einführungsgesetz,152 brachten keine für die Rechtsform der KGaA spezifischen Neuerungen mit sich. Durch die zahlreichen das Erste Buch des AktG betreffenden und über § 278 Abs 3 in einigen Fällen für die KGaA maßgeblichen Änderungen hat das KonTraG allerdings mittelbar auch das Recht der KGaA berührt. Die jüngere Entwicklung des Aktienrechts, die über §§ 278 Abs 3, 283 indirekt immer 41a auch die KGaA betraf, konzentrierte sich auf die Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften und die Anpassung des Aktienrechts an europäische Vorgaben und internationale Entwicklungen. So diente das NaStraG153 der Anpassung der Namensaktie an internationale Standards sowie der Erleichterung des Einsatzes neuer Medien und Kom-

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140 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2.8.1994 (BGBl I 1961). 141 Dies ist symptomatisch für die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers in Bezug auf die KGaA, vgl Sethe AG 1996, 289 f. 142 4. Aufl Assmann/Sethe Vor § 278, 41 und § 280, 4 f. 143 Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) vom 28.10.1994 (BGBl I 3210, berichtigt BGBl 1995 I 428). 144 Art 1 des Gesetzes zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts vom 28.10.1994, BGBl I 3267. 145 Die Diskussion war seinerzeit auf § 159 HGB in der Fassung bis zur Verabschiedung des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes vom 18.3.1994 (su Fn 171) bezogen. 146 Vgl die Hinweise bei Sethe, S 215 mit Fn 13 und bei MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 23. Für eine teleologische Reduktion Wiesner ZHR 148 (1984) 56. 147 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 23. 148 Art 47 Nr 13 bis 15 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO) vom 5.10.1994 (BGBl I 2911). Zum genauen Wortlaut vgl die Kommentierung der §§ 283, 289 u 290. 149 Einführung, Text und Gesetzesmaterialien betreffend diese (nachfolgend angeführten) Maßnahmen finden sich bei Ernst/Seibert/Stuckert KonTraG, KapAEG, StückAG, EuroEG (Gesellschafts- und Bilanzrecht), 1998. 150 Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz – StückAG) vom 25.3.1998 (BGBl I 590). 151 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998 (BGBl I 786). 152 Gesetz zur Einführung des Euro (Euro-Einführungsgesetz – EuroEG) vom 9.6.1998 (BGBl I 1242). 153 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG) vom 18.1.2001 (BGBl I 123).

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munikationsmittel. Mit dem TransPuG154 wurde insbesondere die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zum Corporate Governance Kodex (§ 161 AktG) geschaffen,155 die Verantwortung und Position des Aufsichtsrats gestärkt und die Einsatzmöglichkeiten neuer Medien weiter ausgebaut. Das UMAG156 reformierte ua das Beschlussmängelrecht und die Teilnahme an der Hauptversammlung; es führte zudem das Aktionärsforum ein. Das in erster Linie auf eine Reform des GmbH-Rechts zielende MoMiG157 enthielt auch aktienrechtliche Regelungen zur Erleichterung des Cash-Pooling, zu den Gesellschafterdarlehen und zur Einführung einer Insolvenzverursachungshaftung des Vorstands (§ 92 Abs 2 S 3). Das vor allem der Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie158 dienende ARUG159 erleichterte die Kommunikation der Gesellschaft mit den Aktionären, eröffnete die Möglichkeit der Online-Hauptversammlung und setzte die Reform des Beschlussmängelrechts fort. Mit dem VorstAG160 sollen Vergütungsanreize für die Unternehmensleitung verbessert und an bloß kurzfristige Unternehmenserfolge gekoppelte variable Vergütungen vermieden werden. Zur Verhinderung der Geldwäsche sah die Aktienrechtsnovelle 2016161 eine erhöhte Transparenz der Beteiligungsverhältnisse bei nichtbörsennotierten Gesellschaften vor. Die Ausgabe von Inhaberaktien bei nicht börsennotierten Gesellschaften ist nun an den Ausschluss des Einzelverbriefungsanspruchs und die Hinterlegung der Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank oder einem vergleichbaren ausländischen Verwahrer geknüpft (§ 10 Abs 1 S 2, 3). Zulässig sind nun auch stimmrechtslose Vorzugsaktien ohne zwingend nachzahlbaren Vorzug (§ 139 Abs 1 S 3) sowie mit Umtauschrecht der Gesellschaft ausgestattete Wandelschuldverschreibungen (§§ 192 Abs 3 S 3, 194 Abs 1 S 2, 221 Abs 1 S 1). Mit dem ARUG II162 wurde die 2. AktionärsrechteRichtlinie163 umgesetzt und die Kommunikation mit den Aktionären börsennotierter Gesellschaften weiter verbessert. Eingeführt wurden Mitspracherechte der Aktionäre bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand („say-on-pay“, vgl §§ 87a, 120a, 162164) und bei Geschäften mit der Gesellschaft nahestehenden Unternehmen und Personen („related-party-transactions“, vgl §§ 107 Abs 3 Sätze 4 bis 6, 111a ff165), zur besseren Iden-

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154 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19.7.2002 (BGBl I 2681). 155 Umfassend zur Anwendbarkeit des Corporate Governance Kodex auf die KGaA Vollertsen S 241 ff. 156 So Rdn 37 (11). 157 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (BGBl I 2026). 158 Richtlinie 2007/36/EG vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl EU L 184 vom 14.7.2007, S 17, dazu etwa Ratschow DStR 2007, 1402 ff. 159 Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30.7.2009 (BGBl I 2479). 160 So Rdn 37. 161 Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2016) vom 22.12.2015 (BGBl I 2565). 162 Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vom 12.12.2019 (BGBl I 2637). Vgl dazu etwa Florstedt ZIP 2020, 1 ff; Paschos/Goslar AG 2018, 857 ff; J Schmidt NZG 2018, 1201 ff, Paschos/Goslar AG 2019, 365 ff; Wenz WM 2019, 906 ff. 163 Richtlinie (EU) 2017/828 vom 17.5.2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre, ABl EU L 132 vom 20.5.2017, S 1; dazu etwa Georgiev/Kolev GWR 2018, 107 ff. 164 Dazu etwa Anzinger ZGR 2019, 39 ff; Arnold/Herzberg/Zeh AG 2020 313 ff; Bachmann/Pauschinger ZIP 2019, 1 ff; Backhaus AG 2020, 462 ff; Bungert/Wansleben BB 2019, 1026 ff; Diekmann BB 2018, 3010 ff; Löbbe/Fischbach AG 2019, 373 ff; Orth/Oser/Philippsen/Sultana DB 2019, 1101 ff; Spindler AG 2020, 61 ff; Velte NZG 2019, 335 ff. 165 Dazu etwa Barg AG 2020, 149 ff; Engert/Florstedt ZIP 2019, 493 ff; Fiebelkorn ZIP 2020, 953 ff; Kleinert/Mayer EuZW 2019, 103 ff; dies EuZW 2018, 314 ff; Lieder/Wernet ZIP 2019, 989 ff; Markworth AG 2020, 166; H-F Müller ZGR 2019, 97 ff; ders ZIP 2019, 2429 ff; Redeke/Schäfer/Troidl AG 2020, 159 ff; Tarde NZG 2019, 488 ff. Speziell zur KGaA Backhaus/Brouwer AG 2019, 287 ff.

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

tifikation und Information von Aktionären („know-your-shareholder“, vgl §§ 67a ff, 125166) sowie zur Verbesserung der Transparenz bei institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern (vgl §§ 134a ff167). Schließlich gelten für die KGaA auch die im Gesellschafts-, Umwandlungs und Insolvenzrecht beschlossenen Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie.168 Insbes über den generellen Verweis aus § 278 Abs 2 auf die Vorschriften des Han- 42 delsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft partizipierte das Recht der KGaA auch an verschiedenen Reformen des einschlägigen Rechts der Personen(handels-) gesellschaften.169 Für die bereits erwähnte170 Haftung des Komplementärs einer KGaA nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft waren die Änderungen der §§ 159, 160 HGB durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz von 1994171 von Bedeutung, welche die Nachhaftung des Gesellschafters auf fünf Jahre begrenzte (§§ 161 Abs 2 iVm 160 Abs 1 HGB). Das Handelsrechtsreformgesetz von 1998172 hat, neben der Reform des Kaufmannsbegriffs und des Firmenrechts (welches sich auf das Recht der KGaA in Gestalt der Neufassung des § 279 Abs 2173 und der Änderung des § 281 Abs 1 auswirkte) sowie zahlreicher handelsrechtsspezifischer Neuerungen, auch eine Reihe von Änderungen des Rechts der Personenhandelsgesellschaften mit sich gebracht, die auf das Recht der KGaA durchschlagen. So führt etwa die Änderung des § 131 HGB dazu, dass beim Fehlen diesbezüglicher Regelungen in der Satzung der Tod eines Komplementärs nicht mehr generell die Auflösung der KGaA (sondern nur das Ausscheiden des verstorbenen Gesellschafters, § 131 Abs 3 Nr 1 HGB) nach sich zieht. Darüber hinaus steht nach der Reform des § 105 Abs 2 HGB der Umstand, dass eine Gesellschaft nur die Verwaltung ihres eigenen Vermögens betreibt und damit keine gewerbliche Tätigkeit entfaltet, ihrer Eintragung als OHG oder als KG und damit auch ihrer möglichen Stellung als Komplementärin einer KGaA nicht mehr im Wege (s § 278 Rdn 13, 42, 43). Der vom Bundesjustizministerium am 20.4.2020 in die Anhörung gegebene sog 42a Mauracher Entwurf174 für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts enthält nur eine Bestimmung, die das Recht der KGaA direkt betrifft. Man möchte

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166 Dazu Bork NZG 2019, 738 ff; Eggers/de Raet AG 2017, 464 ff; Foerster AG 2019, 17 ff; Stiegler WM 2019, 620 ff; Wentz WM 2020 957 ff; Zetzsche ZGR 2019, 1 ff. 167 Dazu Dahmen GWR 2019, 117 ff; Schockenhoff/Nußbaum ZGR 2019, 163 ff; Tröger ZGR 2019, 126 ff. 168 Vgl § 1 ff des Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVInsAG) sowie § 1 Abs 8 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungsund Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVGesRMG). Beide Gesetze wurden im Rahmen des Artikelgesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020, BGBl I S 569, 570, verabschiedet. Vgl zudem § 9 Abs 1 des Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes, das als Art 2 des Gesetzes zur Einrichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz – „WStFG“) vom 27.3.2020, BGBl I, S 543, verabschiedet wurde. Zu diesen Maßnahmen etwa Gottschalk/Ulmer GWR 2020, 133 ff; Heusel/Goette AG 2020 411 ff; Lieder ZIP 2020, 837 ff; Noack/Zetzsche AG 2020, 265 ff; Schäfer NZG 2020, 481 ff; Vetter/Tielmann NJW 2020, 1175 ff. Zu den rechtstatsächlichen Auswirkungen der Corona-Krise Bayer/Hoffmann AG 2020, R124 ff; Danwerth AG 2020, 418 ff. 169 Ein spezieller Verweis auf die Vorschriften des HGB über die KG findet sich in § 289 Abs 1 betreffend die Gründe für die Auflösung der KGaA. Die Auswirkungen der Änderungen der für alle Kaufleute und Handelsgesellschaften geltenden Vorschriften des HGB auf die KGaA werden hier ausgeklammert. 170 So Fn 145 und den dazugehörigen Text. 171 Gesetz zur zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung von Gesellschaftern vom 18.3.1994, BGBl I 560. 172 So Rdn 37 (7). 173 In der Änderung dieser Vorschrift kommt zugleich die Anerkennung der Kapitalgesellschaft & Co KG durch den Gesetzgeber zum Ausdruck (s § 278 Rdn 30). 174 Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeg) vom 20.4.2020, https://www.bmjv.de. Der Entwurf wurde auf Schloss Maurach am Bodensee verhandelt.

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

den in § 289 Abs 6 Satz 2 enthaltenen Querverweis auf § 143 Abs 3 HGB an die geänderte Zählung im geplanten HGB anpassen (s § 289 Rdn 5). Zudem findet sich eine Erwähnung der KGaA an etwas exotischer Stelle, nämlich bei der vorgeschlagenen Änderung in der Verordnung zur Durchführung der Schiffsregisterordnung (Art 13). Ansonsten hat man sich, man muss leider sagen – wie immer –, weder Gedanken über weitere notwendige Anpassungen des Rechts der KGaA noch über die indirekten Auswirkungen der Reform auf sie gemacht. Denn die KGaA ist über § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 105 Abs 2 HGB von den geplanten Änderungen des Rechts der Personengesellschaften (Art 1 und 20) an zahlreichen Stellen indirekt betroffen: (1) Der Entwurf sieht vor, dass die Vereinbarung von Mehrheitsentscheidungen für Beschlüsse der Gesellschafter zulässig ist (§ 714 Satz 2 BGB-E). Er stellt die Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidung klar und zieht die Regelung vor die Klammer, indem er die schon im heutigen Recht für OHG und KG vorhandene ausdrückliche Regelung (§ 119 Abs 2 HGB) ins Recht der BGB-Gesellschaft überführt. Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, soll dies künftig im Zweifel auch für Beschlüsse gelten, die auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags gerichtet sind (§ 714 Satz 2 BGB-E). Der Entwurf verabschiedet sich damit nicht nur vom Bestimmtheitsgrundsatz, sondern verkehrt ihn inhaltlich in sein Gegenteil. Im Zweifel soll künftig eine weite Auslegung von Mehrheitsklauseln erfolgen. Er geht damit auch über die Rechtsprechung des BGH hinaus, der den Bestimmtheitsgrundsatz „nur“ durch eine ergebnisoffene Auslegung ersetzt hat (su Rdn 60). (2) Der gängigen Praxis angepasst wird die Frage, nach welchem Schlüssel die Stimmkraft und der Anteil am Gewinn und Verlust zu verteilen sind, wenn eine Vereinbarung dazu fehlt. Maßgebend sollen künftig die Beteiligungsverhältnisse nach dem Verhältnis der vereinbarten Werte der Beiträge sein. Nur wenn solche nicht vereinbart sind, erfolgt dies nach Kopfteilen (§ 709 Abs 3 BGB-E). Damit wird das heute geltende Regel-/Ausnahmeverhältnis (§§ 706 Abs 1 und 3, 709 Abs 2, 722 Abs 1 BGB, 119 Abs 2, 121 Abs 3 HGB) umgekehrt. Die geplante Regelung entspricht schon heute dem Rechtszustand, der in den Satzungen der KGaA regelmäßig vereinbart wird. Künftig könnte auf solche Klauseln verzichtet werden. Neu geregelt wird auch das Entnahmerecht (§ 114 HGB-E), indem auf die Unterscheidung von Grundentnahme und Gewinnentnahme verzichtet wird. Diese Änderung hätte Bedeutung für die KGaA (s § 289 Rdn 44 ff), doch ist diese gering, weil die heutige Satzungspraxis die Entnahme ohnehin bereits abweichend vom Gesetz regelt. (3) In § 711 BGB-E wird klargestellt, dass die Abtretung eines Gesellschaftsanteils der Zustimmung der übrigen Gesellschafter bedarf, eine Regelung, die gemäß § 708 BGB-E dispositiv ist. Ist im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass im Fall des Todes eines Gesellschafters die Gesellschaft mit seinem Erben fortgesetzt werden soll, geht der Anteil auf den Erben über. § 2032 findet keine Anwendung. (4) Die geplante Einführung einer Notgeschäftsführungsbefugnis (§ 715a BGB-E) erlangt für die KGaA keine Bedeutung, da für die KGaA als juristische Personen die Regelung von § 29 BGB analog gilt (§ 289 Rdn 140 f). (5) Die actio pro socio soll gesetzlich geregelt werden (§ 715b BGB-E). Da es sich um eine Klarstellung handelt, ergibt sich daraus keine Änderung des materiellen Rechts der KGaA (§ 278 Rdn 62). (6) Der bisher in § 110 HGB enthaltene Aufwendungsersatzanspruch (§ 278 Rdn 68) wird ebenfalls vor die Klammer ins Recht der BGB-Gesellschaft gezogen (§ 716 BGB-E). (7) Gleiches gilt für den heute in § 118 HGB (dazu § 278 Rdn 139) enthaltenen Informationsanspruch der Komplementäre (§ 717 BGB-E). Der Informationsanspruch des Kommanditisten, der für die KGaA nahezu bedeutungslos ist (§ 278 Rdn 140), wird präzisiert (§ 166 HGB-E). (8) Der bisherige Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt wird durch den Maßstab der verkehrsüblichen Sorgfalt ersetzt, indem § 708 BGB ersatzlos entfallen soll. Dies wirkt sich bei der KGaA in Bezug auf die Haftung von nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären aus (§ 278 Rdn 55 aE). (9) Die §§ 128, 130 Sethe

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

Abs 2 HGB-E sehen vor, dass ein Auflösungs- und ein Fortsetzungsbeschluss, der nach dem Gesellschaftsvertrag mit Mehrheit beschlossen werden kann, eine Zustimmung von mindestens drei Vierteln benötigt. Die Vorschriften sind neu. Sie wiederholen unnötigerweise die parallele Bestimmung von § 732 BGB-E, die über § 105 Abs 2 HGB-E anwendbar ist. Diese Vorgabe erlangt Bedeutung für § 289 im Rahmen der Satzungsautonomie in Bezug auf die Entscheidung der Komplementäre bzw deren Zustimmung zur Auflösung oder Fortsetzung der KGaA. Damit würde der Gesetzgeber zugleich die im Recht der KGaA streitige Frage klären, ob die Komplementäre über die Auflösung überhaupt im Wege der Mehrheit entscheiden dürfen oder ob dies zum Kernbereich der Mitgliedschaft zählt (s § 289 Rdn 24). Die übrigen Änderungen im Recht des Ausscheidens und der Auflösung der Gesellschaft bestehen vor allem in der Überführung von Vorschriften aus dem HGB in das Recht der BGB-Gesellschaft. Auf diese Weise wird ein einheitlicher allgemeiner Teil des Personengesellschaftsrechts geschaffen bzw ggü dem heutigen Recht ausgebaut. Betroffen war die KGaA indirekt schließlich auch von solchen Reformen, die das Ge- 42b sellschaftsrecht im Allgemeinen betrafen: Das EHUG175 sah die elektronische Führung des Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregisters vor, führte ein die wesentlichen veröffentlichungspflichtigen Unternehmensinformationen betreffendes Unternehmensregister ein, reformierte die Vorschriften über die Zweigniederlassungen und die Offenlegung von Jahresabschlüssen. Das DrittelbG176 ersetzte § 76 Abs 1 des BetrVG 1952177 (der über § 129 BetrVG 1972178 fortgalt). 2008 erfolgte die Ersetzung des FGG durch das FamFG179, mit dem ua das Registerrecht neu geregelt wurde (§§ 374 ff FamFG). Ferner erfolgten Reformen des Bilanzrechts durch das BilReG,180 BilKoG181 und BilMoG182. Das BilMoG ist aus aktienrechtlicher Sicht vor allem deshalb von Bedeutung, weil Aufsichtsrat und ggf Prüfungsausschuss von kapitalmarktorientierten Gesellschaften (vgl § 264d HGB), Banken und Versicherungen über einen unabhängigen Finanzexperten verfügen müssen (§§ 100 Abs 5, 107 Abs 4). Die KGaA wird zudem vom Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen183 erfasst (§ 278 Rdn 138a, § 287 Rdn 20a).184 Als einschneidend für das nationale Kapitalgesellschaftsrecht entpuppt sich auch 42c die Einführung supranationaler Rechtsformen, die sich zu einer Konkurrenz für nationale Rechtsformen entwickeln. Seit 2004 besteht die Möglichkeit der Gründung einer

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175 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006 (BGBl I 2553). 176 Geschaffen durch Art 1 des Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18.5.2004 (BGBl I 974, berichtigt BGBl I 2769). 177 Gesetz vom 11.10.1952, BGBl I 681; vgl dazu Knur DNotZ 1953, 6, 15 ff. 178 Gesetz vom 15.1.1972, BGBl I 13. 179 So 37 (12). 180 So 37 (9). 181 Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz) vom 15.12.2004 (BGBl I 3408). 182 So 37 (13). 183 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24.4.2015, BGBl I 642. Zur Geltung des Gesetzes in Bezug auf die KGaA Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 441a, 478a; Fromholzer/Simons AG 2015, 459; Grobe AG 2015, 299; Johannsen-Roth/Kießling in: FS Marsch-Barner, 2018, S 276 ff; Schulz/Ruf BB 2015, 1155, 1159; Stüber DStR 2015, 947, 952. 184 RegE des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe, BR-Drucks 636/14, S 48, 51; Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 18/4227, S 22; oben Hopt/Roth § 96, 87; § 111, 774; Grobe AG 2015, 299.

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea),185 die einige Vorteile bietet, die zuvor allein bei der KGaA zu finden waren.186 So erlaubt die SE etwa eine monistische Führungsstruktur (Art 43 Abs 1 SE-VO, §§ 20 ff SEAG187). Diese wird von der Praxis gegenüber dem dualistischen Modell als flexibler und effektiver angesehen und oft genutzt, um die Unternehmensnachfolge stufenlos zu gestalten.188 Auch bietet die SE den Vorteil der verhandelbaren Arbeitnehmerbeteiligung (Art 12 Abs 2 SE-VO, Art 4 SE-RL189) bzw der Fixierung des zum Zeitpunkt der Errichtung der SE bestehenden Mitbestimmungsstandards (Art 7 und Anhang Teil 3 der SE-RL, § 35 SEBG190). Im Juni 2019 bestanden 3191 SE.191 Die SE wird – nicht zuletzt wegen der Möglichkeit der Vermeidung der Mitbestimmung192 – inzwischen auch häufig als Komplementärgesellschaft einer KGaA genutzt.193 Ob die KGaA allerdings auch Gründungsrechtsform einer SE sein kann, ist angesichts des Wortlauts von Art 2 SE-VO umstritten.194 Die ab 2003 geplante195 – und aufgrund ihres Zuschnitts als weitere potentielle Konkurrentin zur KGaA anzusehende – Europäische Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea – SPE)196 wurde am 2.10.2013197 zugunsten der Einführung einer Einpersonengesellschaft (Societas Unius Personae – SUP) aufgegeben.198 Dieser Vorstoß wurde wiederum 2018 von der Kommission zurückgenommen.199 IV. Resümee 43

Betrachtet man die Geschichte der KGaA im Zeitraffer, so fällt auf, dass sie, obschon als Abkömmling der Kommanditgesellschaft ins Leben getreten, spätestens seit 1897 als Stiefkind des Aktienrechtsgesetzgebers betrachtet werden muss.200 Mit dem HGB wurde die Regelung zur KGaA letztmals überarbeitet, wobei bezweifelt werden muss, dass das

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185 Verordnung (EG) Nr 2157/2001 vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl EG L 294 vom 10.11.2001, S 1 ff. 186 Zum Vergleich beider Rechtsformen Reichert ZIP 2014, 1957 ff. 187 Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz) vom 22.12.2004 (BGBl I 3675). 188 Heckschen in: FS Westermann, 2008, S 999, 1008 ff. 189 Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8.10.2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl EG L 294 vom 10.11.2001, S 22. 190 Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBeteiligungsgesetz) vom 22.12.2004 (BGBl I 3675, 3686). 191 http://ecdb.worker-participation.eu. 192 Dazu ausführlich Gralla S 169 ff; A Schubert S 245 ff. 193 Vgl etwa Begemann Die SE & Co. KGaA, passim; Mayer-Uellner/Otte NZG 2015, 737 ff; Reichert/Ott ZHR Beiheft, 2015, S 154 ff; Schubert Unternehmensmitbestimmung, S 30 ff; Werner NWB 51/2016, 3868. Vgl auch Reiner Der Konzern 2011, 135 ff. 194 Bejahend MünchKomm/Oechsler/Mihaylova4, Art 2 SE-VO, 24; aA Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Bayer2, Art 2 SEVO, 8 – jeweils mwN. 195 Vgl Punkt 3.5 des Aktionsplans zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union vom 21.5.2003, KOM(2003) 284 endg. 196 Vorschlag der EU-Kommission über eine Verordnung über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft vom 25.6.2008. 197 Pressemitteilung der Europäischen Kommission, http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13891_en.htm. 198 Vorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vom 9.4.2014, COM(2014) 212 final. 199 Rücknahme von Vorschlägen der Kommission (2018/C 233/05), ABl EU C 233 vom 4.7.2018, S 7. 200 Dieser Befund trifft auch auf andere Rechtsordnungen zu, vgl Sethe S 287 ff; ders RIW 1993, 561 ff; ders AG 1996, 289 f.

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

damals entwickelte Regelungsmodell auf einem durchdachten Konzept beruhte.201 Bei den Reformen von 1937 und 1965 erfolgten nur marginale Korrekturen im Recht der KGaA, obwohl die gesetzliche Regelung starker Kritik ausgesetzt war und der Gesetzgeber auf schlüssige Reformvorschläge hätte zurückgreifen können.202 Vor diesem eher düsteren Hintergrund verwundert es nicht, wenn immer wieder der Ruf nach einer Abschaffung der Rechtsform laut wurde.203 Soweit solche Überlegungen laut wurden, sind ihr aber auch immer wieder zahlreiche Autoren entgegengetreten.204 Selbst in Zeiten größter Agonie dieser Rechtsform hat der bundesrepublikanische Gesetzgeber nie ernsthaft über eine Abschaffung der KGaA nachgedacht. Braucht der Beschluss des BGH vom 24.2.1997205 über die Zulässigkeit der (alleinigen) Komplementärsstellung einer Kapitalgesellschaft deshalb zwar nicht als lebensrettende Maßnahme begriffen zu werden, so hat er doch der einstigen „Sonderrechtsform für Wenige“206 neues Leben eingehaucht. Die Zahl der KGaA ist seither von etwa 25–30 im Jahr vor dem Beschluss des BGH (1996) auf weit mehr als hundert im Jahre 1999 gestiegen207 und liegt bei fast 400 Gesellschaften (s u Rdn 44). Sie galt ab Ende der 1990er Jahre als Rechtsform der ersten Wahl für das Going Public von Familiengesellschaften und innovativen Unternehmen in Gründerhand208 sowie namentlich von Fußballvereinen.209 Aber auch für andere Unternehmen, und zumal für solche, deren Going Public noch bevorsteht, war die KGaA bzw die Kapitalgesellschaft & Co KGaA eine ernsthafte Rechtsformalternative zur AG geworden. C. Wirtschaftliche Bedeutung Schrifttum Begemann Die SE & Co. KGaA als Rechtsform für Familienunternehmen, 2018; Dölker Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss München 1935; Elschenbroich Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1959; L Fischer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien nach dem Mitbestimmungsgesetz, 1982; Grafmüller Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als geeignete Rechtsform für börsenwillige Familienunternehmen, 1994; Joens Die persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Hamburg 1962; Kleine Arndt Die Entwicklung und Bewährung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1947; Kornblum Bundesweite Rechtstatsachen zum Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, GmbHR 2003, 1157; 2005, 39; 2006, 28; 2007, 25; 2008, 19; 2009, 25; 2009, 1056; 2010, 739; 2011, 692; 2012, 728; 2013, 693; 2014, 694; 2015, 687; 2016, 691; 2017, 739; 2018, 669; 2019, 689; Lieder/Hoffmann Die bunte Welt der KGaA, AG 2016, 704; Ott Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Tübingen 1960; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996.

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201 Zur Kritik an der Regelungstechnik Sethe S 94, 503 ff. 202 Vgl etwa Spalcke einerseits und Dölker andererseits. 203 So bei den Beratungen zum ADHGB und später anlässlich jeder größeren Gesetzesänderung, vgl die Nachw bei Spalcke S 9 f, 13, 26 f, 35, 47, 66, 110; Kleine Arndt S 69 f, 185 ff. 204 Koenig S XI–XII; Ott S 42 ff, 168; Mertens in: FS Barz, 1974, S 253; 3. Aufl Barz Vorbem § 278; Elschenbroich S 205 f; Sethe S 262 ff; Lieder/Hoffmann AG 2016, 712. 205 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 206 Claussen in: FS Heinsius, 1991, S 61. 207 Schlitt S 3. 208 S etwa Korts/Korts Der Weg zur börsennotierten Aktiengesellschaft, 1999, S 30 ff; Koch/Wegmann Praktiker-Handbuch Börseneinführung, 2. Aufl 1998, S 78 ff; Lorz Die GmbH & Co KGaA und ihr Weg an die Börse, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, Jahrestagung 1998, 1999, S 57 ff; Schanz Börseneinführung, 2000, S 78 ff. 209 Balzer ZIP 2001, 175; Fett/Stütz NZG 2017, 1124; Gardt SpuRt 2015, 14; Habel/Strieder NZG 1998, 929; Heermann ZIP 1998, 249; Karsch S 131 ff; Korff KSzW 2013, 263; Müller Berufsfußball, S 181 ff; Siebold/ Wichert SpuRt 1998, 138; dies SpuRt 2000, 177; Zacharias Going Public einer Fußball-Kapitalgesellschaft, 1999, S 266; Verse CaS 2010, 28; Wagner NZG 1999, 469; Weber GmbHR 2013, 631; Weiler SpuRt 2007, 133.

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

I. Anzahl der KGaA 44

Wie bereits im Rahmen des Überblicks über die Entwicklung der Rechtsform der KGaA dargelegt und aus nachstehend wiedergegebener Tabelle 1 ersichtlich, war die Zahl der KGaA von ihren Anfängen bis heute erheblichen Schwankungen ausgesetzt. Tabelle 1: Zahl der Kommanditgesellschaft auf Aktien im Gesamtüberblick210

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Jahr

Anzahl

Jahr

Anzahl

Jahr

Anzahl

1841 1856 1867 1870 1871 1879 1880 1895 1900 1906 1907 1909

mind 1 mind 6 mind 18 36 32+36 51 52 ca 150 ca 130 108 98 98

1919 1920 1922 1923 1924 1925 1928 1929 1932 1933 1934 1935

33 33 62 154 200 139 84 89 70 49 49 45

1936 1938 1939 1940 1943 1948 1953 1955 1956 1957 1958 1959

37 22 21 20 17 12 21 24 31 30 25 22

1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970

21 21 21 24 25 26 25 24 24 25 25

1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981

27 31 33 31 25 25 30 28 27 28 31

1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992

29 31 27 27 25 24 26 27 27 30 30

1999 2001 2003 2010 2011

ca 100 203 233 236 228

2012 2013 2014 2015 2016

261 280 287 294 293

2017 2018 2019

322 324 344

Populär war die KGaA vor allem in den Zeiten, in denen die gesamtwirtschaftlichen oder gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen ein Ausweichen auf diese Rechtsform erforderten.211 So hatte die Wahl der Rechtsform der KGaA anfänglich vor allem den Zweck, das Konzessionssystem zu umgehen, welches die Gründung einer AG von der Erteilung einer Konzession abhängig machte. Aufgrund ihrer fehlerhaften Einordnung

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210 Angaben bis 1992: Sethe S 561; 1999: Schlitt S 3; 2001: Bürgers/Fett/Fett § 1, 11; 2005: Herfs AG 2005, 589 Fn 1; 2010 bis 2018: Kornblum GmbHR 2010, 739; 2011, 692; 2012, 728; 2013, 693; 2014, 694; 2015, 687; 2016, 691; 2017, 739; 2018, 669; 2019, 690; Angaben zu 2019 eigene Recherche. 211 Zum Folgenden Sethe S 96 mwN.

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

innerhalb des Gesellschaftsrechts diente die KGaA auf diese Weise zunächst als eine „Behelfs-AG“.212 Nachdem das Konzessionssystem abgeschafft worden war, bestand kein solches Bedürfnis für die KGaA mehr. Dementsprechend begann ihre Zahl rasch zu sinken, um erst wieder nach 1884 leicht anzusteigen. Auch diese Trendwende in der Bedeutung der KGaA ist erneut Entwicklungen im Aktienrecht zu verdanken: Dem 1884 verschärften Aktienrecht versuchte manches Unternehmen durch ein Ausweichen auf die Rechtsform der KGaA zu entgehen. Da dies wiederum nur um den Preis der Übernahme der persönlichen Haftung durch die Unternehmer möglich war, wurde das Bedürfnis nach einer Rechtsform zwischen der mit einem zunehmend engeren Korsett versehenen AG und der mit dem Risiko der persönlichen Haftung verbundenen KGaA als zunehmend dringlicher empfunden. Die Einführung der GmbH im Jahre 1892 kam diesem Anliegen entgegen. Das hatte in erster Linie Folgen für die Wahl der Rechtsform der KGaA. In dem Maße, in dem sich die GmbH durchsetzte, begann die Bedeutung und die Verbreitung der KGaA erneut zu sinken. Der Gesamtbestand an GmbH betrug 1892 gerade 60 GmbH, doch stieg ihre Zahl 1893 bereits auf 240, 1898 auf 1830, 1900 auf 4077, 1902 auf 4745, 1904 auf 7570 und 1909 bereits auf die stattliche Menge von 17077.213 Mitte der zwanziger Jahre erlangte die KGaA dann wieder kurzfristig Popularität.214 Dies beruhte darauf, dass sie als geeignete Rechtsform gegen eine drohende Überfremdung angesehen wurde.215 Nach 1945 blieb die Zahl der KGaA gleichbleibend gering. Sie bewegte sich, ohne größere Schwankungen, um das Mittel von 27 Gesellschaften. Ein erneuter leichter Anstieg ließ sich nach 1976, als Reaktion auf die Sonderstellung der KGaA bei der neu eingeführten Mitbestimmung nach dem MitbestG, feststellen.216 Der Beschluss des BGH vom 24.2. 1997,217 mit dem nach langer und kontroverser Diskussion die Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KGaA festgestellt wurde, führte zu einem kontinuierlichen Anstieg in der Zahl der KGaA. 1999 wurde die Zahl der KGaA bereits auf etwa hundert geschätzt.218 Sie stieg 2019 bis auf 344 (so Rdn 44). Was vor 1997 kaum mehr zu erwarten war: Aufgrund des zunehmenden Interesses und Bedarfs an der Unternehmensfinanzierung über den Kapitalmarkt gewannen die kapitalmarktoffenen Gesellschaftsformen wieder an Bedeutung und unter diesen empfiehlt sich die KGaA bzw die Kapitalgesellschaft & Co KGaA mehr als je zuvor als attraktive Alternative zur AG.219 II. Gründungsverhalten und die Kapitalausstattung Aufgrund ihrer zahlenmäßigen Verbreitung war die KGaA innerhalb des Spektrums 46 der Gesellschaftsformen, speziell innerhalb der Kapitalgesellschaften, eine Randerscheinung. Sie stellt im Jahre 2016 0,024% (1991: 0,006%) aller Kapitalgesellschaften, während der Anteil von GmbH 98,66% (1991: 99,4%), AG 1,29% (1991: 0,593%) und SE 0,03% beträgt.220 Auch wenn seit dem Beschluss des BGH vom 24.2.1997221 die Zahl der KGaA auf

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212 Vgl oben Rdn 8 aE. 213 Koberg Die Entstehung der GmbH, S 433. Vgl zum Gründungsverhalten bis zum 2. Weltkrieg Sethe Tabellen 3 und 5 auf S 562 ff. 214 Vgl Sethe S 562 ff (Tabellen 3 bis 5). 215 Vgl oben Rdn 28. 216 Vgl Sethe S 561. 217 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. S hierzu und zum Folgenden schon oben Rdn 39 und Rdn 43. 218 So Rdn 44. 219 So Rdn 43. 220 Angaben zu 1991 nach 4. Aufl Assmann/Sethe Vor § 278, 46 und zu 2016 berechnet anhand der Zahlen 2016 von Kornblum GmbHR 2016, 692. 221 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392; sa oben Rdn 39 und Rdn 43.

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344 (so Rdn 44) angewachsen ist und sich ihr prozentualer Anteil an den Kapitalgesellschaften von 0,006% auf 0,024% vervierfacht hat, bleibt sie gleichwohl eine „Sonderrechtsform für Wenige“. 47 Betrachtet man nicht nur die Anzahl, sondern auch die Kapitalausstattung der vorhandenen KGaA, ergibt sich ein differenzierteres Bild – und zwar auch schon vor der aktuellen Wiederbelebung der Rechtsform durch den Beschluss des BGH.222 Zieht man im Zeitraum 1953 bis 1992 als Maßstab für die Kapitalausstattung das Grund- bzw Stammkapital der Gesellschaften heran, so blieb etwa das durchschnittliche Stammkapital aller GmbH mit ca 0,45 Mio DM nahezu unverändert. Anders ist dies bei der AG und der KGaA: Bei den AG war ein konstanter Anstieg des Grundkapitals um durchschnittlich 1,35 Mio DM jährlich festzustellen; bei der KGaA war der Zuwachs in der Kapitalausstattung zwar geringer, betrug aber zwischen 1961 und 1974 immerhin noch durchschnittlich 0,46 Mio DM jährlich. Zudem ließ sich ab 1975 – dem Zeitpunkt, als die Sonderstellung der KGaA im Rahmen der Mitbestimmung abzusehen war – eine Abwanderung in die KGaA beobachten. Zahlreiche Großgesellschaften223 nutzen die Rechtsform zur „Flucht aus der Mitbestimmung“. In der Folge wuchs das durchschnittliche Grundkapital der Gesellschaften in der Rechtsform der KGaA rapide und erreichte zeitweilig einen Umfang, der fast doppelt so hoch wie dasjenige der als AG verfassten Unternehmen lag. 1992 betrug es 80 Mio DM (= 40,9 Mio €).224 Der seit dem Beschluss des BGH von 1997 zu beobachtende Zuwachs im Bestand der KGaA ging zudem mit einem veränderten Gründungsverhalten einher, was sich auch an der Kapitalausstattung ablesen lässt. Während 1981 der Anteil der Gesellschaften mit einem Kapital bis 1 Mio DM nur bei 21,8% lag, betrug 2016 die Zahl der Gesellschaften mit einem Grundkapital von unter 100.000 € bereits 38,4%. Weitere 17,9% der Gesellschaften hatten ein Kapital von unter einer Mio €. Das durchschnittliche Grundkapital der KGaA ist im Vergleich zu 1992 gesunken und beträgt 2016 nur noch 19,931 Mio €.225 Die KGaA zieht heute also vermehrt kleine und mittlere Unternehmen an. 48 Einen Bedeutungswandel für die KGaA signalisiert auch die Entwicklung in Bezug auf die Größenklassen (gemessen am Grundkapital) der in dieser Gesellschaftsform organisierten Unternehmen.226 Während 1961 keine KGaA ein Grundkapital von mehr als 27 Mio DM227 aufwies, hatten 1981 zwei Gesellschaften ein Kapital von 300 Mio DM und eine KGaA gar ein Grundkapital von 700 Mio DM.228 2016 wiesen 13 Gesellschaften (= 4,2% aller KGaA) ein Grundkapital von 100 Mio € oder mehr.229 Von 1978 bis 1990 gehörten jeweils 3 KGaA zu den 100 größten Unternehmen der Bundesrepublik.230 2016 waren es immerhin 5 KGaA.231 Aus diesen Zahlen lässt sich ableiten, dass sich das typische Bild einer KGaA als Rechtsform für kleinere und mittlere Unternehmen gewandelt hatte und sich – höchst wahrscheinlich aufgrund der Sonderstellung der Rechtsform in der Mitbestimmung – seit 1977

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222 Vgl Sethe S 565, 567 (Tabellen 6 und 8). 223 Es handelt sich um die Firmen Henkel, Michelin, Flick sowie als Unternehmen mittlerer Größe die Lemmerz-Werke und die Papierwerke Halstrick, vgl L. Fischer S 37 Fn 55, 142 f. 224 Vgl Sethe S 565, 567 (Tabellen 6 und 8). 225 Lieder/Hoffmann AG 2016, 712. 226 Vgl Sethe S 568 f (Tabellen 10 bis 12). 227 Ott Anlage 1. 228 L Fischer S 142 f. 229 Lieder/Hoffmann AG 2016, 712. 230 Flick, Henkel, Michelin bzw Henkel, FAG Kugelfischer, Michelin, vgl Sethe Tabelle 17 auf S 571. 231 Fresenius SE & Co. KGaA, Bertelsmann SE &Co. KGaA, Merck KGaA, Henkel AG & Co. KGaA, Hella KGaA Hueck & Co., vgl Monopolkommission Wettbewerb 2018, XXII. Hauptgutachten, 2018, S 99 ff, 404 ff.

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auch Großunternehmen dieser Organisationsform bedienten232 und – wie die Zahlen aus dem Jahr 2016 zeigen – immer noch bedienen. Wollte man die Bedeutung der KGaA ausschließlich an der durchschnittlichen Grundkapitalausstattung messen, müsste sie gar als die Rechtsform für mittlere und Großunternehmen schlechthin gelten. Dieses Bild trügt jedoch: Bezieht man weitere Parameter in die Analyse ein, zeigt sich, dass die KGaA nicht die einzige Rechtsform für Großunternehmen neben der AG und der SE ist. Unter den 100 größten Unternehmen des Jahres 1988 befanden sich – neben den 3 KGaAs – 16 GmbH, 5 Personengesellschaften und 3 GmbH & Co KG.233 2016 waren es – neben den 5 KGaA – 9 GmbH, 3 Personengesellschaften und 6 AG & Co KG bzw GmbH & Co. KG. Daneben finden sich auch Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und öffentlichrechtliche Organisationsformen sowie ausländische Rechtsformen. III. KGaA als „Rechtsform auf Zeit“ Wie die im Schrifttum zu findenden Aufzählungen der einzelnen Unternehmen in 49 der Rechtsform der KGaA234 belegen, lässt sich im Bestand der KGaA ein häufiger Wechsel beobachten. Da Neugründungen und Umwandlungen bei dieser Rechtsform keineswegs selten sind, hat dies zu der Feststellung geführt, die KGaA sei eine „Rechtsform auf Zeit“235 und diene vielfach nur als „Übergangsrechtsform“ von einer Familiengesellschaft in die AG.236 Diese Beobachtung wird auch durch den Umstand als zutreffend belegt, dass heute keine Gesellschaft in der Rechtsform der KGaA mehr existiert, die vor 1961 gegründet wurde. Diesem Befund entspricht es, dass die überwiegende Zahl der KGaA Familiengesellschaften sind.237 Betrachtet man die KGaA nach Größenklassen (gemessen am Grundkapital),238 zeigt das für die Jahre 1959 bzw 1961 vorhandene Datenmaterial noch sehr deutlich, dass das Erreichen einer bestimmten Unternehmensgröße die Abwanderung in andere Rechtsformen (vor allem in die AG) nach sich zieht. Eine Ausnahme bilden insoweit nur die zahlreichen Großgesellschaften, die auf der „Flucht aus der Mitbestimmung“ in die Rechtsform der KGaA umgewandelt wurden. Dass die KGaA bis in die jüngste Zeit hinein eine Rechtsform auf Zeit geblieben ist, zeigen die Zahlen zur Altersstruktur. 45,6% der Gesellschaften wurden seit 2010 gegründet, 37,7% zwischen 2000 und 2009 und nur die übrigen 16,7% sind zwischen 1961 und 1999 entstanden.239 IV. Börsennotierung Im Jahr 1962 waren 23,8% aller KGaA börsennotiert.240 Der Prozentsatz stieg 1978 50 auf rund 30%, betrug 1981 dann wieder 25% und pendelte sich zumindest bis 1995 auf

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232 Vgl den Sprung im Grundkapital im Jahre 1977, Sethe S 567 Tabelle 8. Eine solche Funktion kam der Rechtsform schon einmal zu. Von 1909 bis 1925 war ihr durchschnittliches Grundkapital rund dreimal so hoch wie das der AG. 1932 lag es nur noch ein Drittel über dem der AG, vgl Sethe S 567 (Tabelle 8) und Dölker S 8 f. 233 Sethe S 571 (Tabelle 18). 234 Kleine Arndt S 124 ff; Elschenbroich S 32 ff; Joens S 10 Fn 3; Ott Anlage 1; Pflug NJW 1971, 345 Fn 3; L Fischer S 142 f; Theisen DBW 1989, 138 f; Claussen in: FS Heinsius, 1991, S 62; Hartel DB 1992, 2331 Fn 16; Grafmüller S 279 f.; Lieder/Hoffmann AG 2016, 708. 235 Etwa Sethe S 99. Ebenso schon Dölker S 50, der die Stellung der KGaA im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts analysiert. 236 Bspw MünchHdBAG/Herfs4 § 76, 3 aE, 5. 237 L Fischer S 37, spricht von zwei Dritteln, Grafmüller S 292 von mehr als 80%. 238 Vgl Sethe S 568 f (Tabellen 10 bis 12). 239 Lieder/Hoffmann AG 2016, 708. 240 Joens S 10 Fn 3 nennt 5 Gesellschaften (von den 21 im Jahre 1962 bestehenden KGaAs).

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diesem Niveau ein.241 Demgegenüber fiel der Prozentsatz der börsennotierten AG von 26,9% im Jahre 1960 auf 18,6% im Jahre 1990.242 2016 waren nur noch 4,2% der KGaA (13 Gesellschaften) börsennotiert und die Aktien weiterer ca 20 KGaA wurden im Freiverkehr gehandelt.243 Bei der AG war der Anteil der börsennotierten Gesellschaften 2016 noch geringer (3,42%).244 Auffällig ist, dass es sich bei den börsennotierten KGaA zu 2/3 um Familienunternehmen handelt.245 Die Möglichkeit des Börsenzugangs ist damit ganz offensichtlich einer der Hauptvorteile der KGaA und spielt bei dieser Rechtsform eine noch entscheidendere Rolle als bei der AG. Nach dem Beschluss des BGH vom 24.2.1997 steht mit der KGaA eine Rechtsform bereit, die es erlaubt, personalistische Strukturen bei beschränkter Haftung aller Gesellschafter mit der Zugangsmöglichkeit zu den Börsen zu verbinden. Dabei hat sich die Kapitalgesellschaft & Co KGaA gegen die alternative Rechtsform der einfachen KGaA durchgesetzt (sa Rdn 52 aE). Mitte 2020 sind vier KGaA im DAX 30 gelistet.246 In den anderen DAX-Indices finden sich acht KGaA.247 V. Rechtsformwahl (Vor- und Nachteile der KGaA) 51

Aus unternehmerischer Sicht bietet die KGaA heute, im Vergleich zu anderen Rechtsformen, eine Fülle von Vorteilen.248 Anders als die AG gestattet sie eine weitgehend freie Satzungsgestaltung und erlaubt es so, die Verfassung der Gesellschaft den Bedürfnissen des jeweils betroffenen Unternehmens – angefangen bei innovativen Unternehmen in Gründerhand über mittelständische Familiengesellschaften bis hin zu Großunternehmen – anzupassen. Insbesondere für den Fall, dass eine personalistische Ausgestaltung der Gesellschaft bei gleichzeitiger Eröffnung des Börsenzugangs angestrebt wird, muss dies, aufgrund der Zulässigkeit der Einschaltung einer Kapitalgesellschaft als alleinige Komplementärin, nicht mit dem Preis der persönlichen Haftung zumindest einiger Gesellschafter erkauft werden.249 Die Möglichkeit, die KGaA bei gleichzeitiger Wahrung dieser Vorteile als kapitalistische KGaA (etwa in Gestalt der GmbH & Co KGaA) ausgestalten zu können, eröffnet Familiengesellschaften zudem eine neue Perspektive in Bezug auf die Nachfolgesicherung. Auch die mitbestimmungsrechtliche Sonderstellung der KGaA wird heute noch Vielen als Vorteil dieser Rechtsform erscheinen. Gleiches mag für den Umstand der im Vergleich zur AG eingeschränkten Kompetenzen vor allem des Aufsichtsrats, aber auch der (durch Satzungsregelung um die Einflussnahmemöglichkeit auf die Besetzung der Geschäftsführung beschnittenen)

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241 Sethe S 99 f. 242 Vgl Sethe S 568 (Tabelle 9). 243 Lieder/Hoffmann AG 2016, 707; sa Vollertsen S 148 f, wonach es 2019 14 börsennotierte KGaA gab. 244 Lieder/Hoffmann AG 2016, 707. 245 Lieder/Hoffmann AG 2016, 707. 246 Fresenius SE & Co. KGaA, Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA, Henkel AG & Co. KGaA und Merck KGaA. 247 Im SDAX: Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, Cewe Stiftung & Co. KGaA, DWS Group GmbH & Co. KGaA, KWS SAAT SE & Co. KGaA. Im MDAX: CTS EVENTIM AG & Co. KGaA, HELLA GmbH & Co. KGaA, Ströer SE & Co. KGaA. Im TecDAX: Drägerwerk AG & Co. KGaA. 248 Zu den Vor- und Nachteilen statt vieler, jeweils mwN, Bürgers/Fett/Göz § 2, 1 ff; von Eiff/Otte GWR 2015, 246 ff; Flämig in: FS Peltzer, 2001, S 99 ff; Gaibler S 14 ff, 93 ff; Kruse/Domning/Frechen DStR 2017, 2440 ff; KK/Mertens/Cahn3 Vorb § 278, 7; MünchHdBAG/Herfs4 § 76, 8; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 280 ff; Reichert ZIP 2014, 1957 ff; Schlitt/Winzen CFL 2012, 265 ff; Sethe S 101 ff. 249 Der Gedanke von Flämig in: FS Peltzer, 2001, S 101, die persönliche Haftung sei kein gravierender Nachteil der KGaA, denn sie ließe sich ja versichern, überzeugt nicht, denn die D&O-Versicherungen erfassen nicht das unternehmerische Risiko als solches, sondern nur fahrlässiges Fehlverhalten der Unternehmensleitung.

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

Hauptversammlung gelten. Dabei braucht die Zurückdrängung des Aktionärseinflusses wegen der bei der KGaA zulässigen Einrichtung fakultativer Organe nicht mit dem Verzicht auf interne Kontrolle der Geschäftsführung einherzugehen, die etwa für die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementäre oder Minderheitsgesellschafter der Komplementär-GmbH durchaus von Bedeutung sein kann. All dies lässt die KGaA auch als eine Rechtsform erscheinen, die eine gewisse Übernahmeresistenz aufweist und sich so als rechtsformspezifisches Instrument zur Abwehr feindlicher Übernahmeangebote anbietet.250 Die branchenspezifische Verwendbarkeit der KGaA ist breit, aber nicht unbeschränkt: Die KGaA ist als Rechtsform für Kreditinstitute (§ 2b KWG), für AIFKapitalverwaltungsgesellschaften (§ 44 Abs 1 Nr 7 KAGB) und für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (§ 2 Abs 1 UBGG) zugelassen.251 Als Rechtsform für Bausparkassen (§ 2 Abs 2 BausparkG), externe Kapitalverwaltungsgesellschaften (§ 18 Abs 1 KAGB), offene und geschlossene inländische Investmentvermögen (§§ 91, 139 KAGB), Investmentaktiengesellschaften mit veränderlichem und mit fixem Kapital (§§ 108 Abs 1, 140 Abs 1 KAGB), offene und geschlossene Investmentkommanditgesellschaften (§§ 124, 149 KAGB) und Versicherungen (§§ 8 Abs 2, 237 Abs 2 VAG) ist sie ausgeschlossen. Daneben sind bestimmte Unternehmensgegenstände genehmigungspflichtig (zB § 13 AMG, § 21 WaffG). Inzwischen wird auch diskutiert, ob sie – entgegen dem Wortlaut von § 59c Abs 1 BRAO – auch als Rechtsform für die anwaltliche Berufsausübung zulässig sei.252 Die GmbH & Co. KGaA wird zudem als geeignete Organisationsform im Profifußball genutzt.253 Wollen sie ihren Lizenzspielbetrieb zur Erschließung neuer Finanzierungsquellen in eine Kapitalgesellschaft ausgliedern, sind sie an die sog 50+1-Regel der Deutschen Fußball Liga gebunden.254 Danach muss der Mutterverein mit einem Stimmanteil von mindestens 50% plus einer Stimme an der Kapitalgesellschaft beteiligt sein. Wird als Kapitalgesellschaft eine KGaA gewählt, reicht es aus, wenn der Mutterverein oder eine von ihm zu 100% beherrschte Tochter die Stellung des uneingeschränkt geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementärs einnimmt.255 Fasst man die Vorteile der KGaA zusammen, so lässt sich feststellen: Erwirbt man mit der AG einen kaum mehr zu ändernden Konfektionsanzug, so erhält man mit der KGaA zu nahezu gleichen Konditionen einen Maßanzug. Maßanzüge freilich gehen auf einen nicht unkomplizierten Herstellungsprozess zu- 52 rück. Darin liegt auch der größte Nachteil der Rechtsform der KGaA. Die KGaA gilt noch immer als Gesellschaft mit komplexer und damit auch komplizierter256 Struktur, was zu einem sicher nicht geringen Teil darauf zurückgeführt werden darf, dass die gesetzliche Ausgestaltung dieser Rechtsform wegen ihrer bislang geringen Bedeutung (im Gegensatz zur AG) weitgehend unbekannt geblieben ist. Die (zum Zwecke der Nachfolgesicherung oder Haftungsbeschränkung) mit der Einschaltung einer Kapitalgesellschaft oder einer GmbH & Co KG als Komplementärin verbundene Mehrstöckigkeit der KGaA hat den Eindruck, bei dieser Gesellschaft handele es sich um ein undurchsichtiges Gebilde, weiter verstärkt. Was diesbezüglich für die über die Rechtswahl entscheidenden Personen gilt,

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250 Dazu Sethe S 73 f, 199 f, 302 Fn 40 und S 401 f. Ebenso jetzt von Eiff/Otte EWR 2015, 247. 251 Auch nach Aufhebung von § 37 Abs 4 Nr 5 (Pflicht zur Beifügung der Genehmigungsurkunde bei staatlich bewilligungspflichtigen Tätigkeiten) setzen die §§ 43 Abs 1 KWG, 3 Abs 5 KAGB weiterhin voraus, dass die Eintragung erst erfolgen darf, wenn die Erlaubnis der BaFin nachgewiesen wurde. 252 Einzelheiten bei Muthers NZG 2001, 933 ff. 253 Vgl die Nachw in Fn 208. 254 § 16c Nr 3 der Satzung des DFB idF vom 4.11.2016. 255 Vgl Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger/Otto jurisPK-BGB9 (Stand: 8.5.2020) § 21, 21. 256 So bereits Hüffer4 § 278, 2 („komplizierter Charakter“, den „sie allerdings mit mancher GmbHKonstruktion teilt“); ebenso KK/Mertens/Cahn3 Vorb § 278, 8; aA Flämig in: FS Peltzer, 2001, S 106.

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

mag umso mehr für das Anlegerpublikum und die Kapitalmarktintermediäre richtig sein. Hinzu kommen Unsicherheiten hinsichtlich der Grenzen der Freiheit der Satzungsgestaltung in Bezug auf die Stellung der Kommanditaktionäre, die sich nach dem Beschluss des BGH vom 24.2.1997,257 was die Diskussion dieser Entscheidung im Schrifttum belegt,258 eher noch verstärkt haben. Dass die Praxis mit einer mehrstufigen Gesellschaftsform, wie sie bei einer Kapitalgesellschaft & Co KGaA vorliegt, umzugehen vermag, zeigen die Erfahrungen mit der GmbH & Co KG. Der aus solchen Typenkombinationen entstehende Mehraufwand (in Bezug auf die Verwaltung der beteiligten Gesellschaften und namentlich bei der Erstellung der Jahresabschlüsse) ist zwar nicht zu leugnen, dürfte unter den Nachteilen der Rechtsform jedoch nur gering zu Buche schlagen. Gewichtiger mag der Umstand sein, dass die Wahl der Rechtsform der KGaA heute oft unter dem Gesichtspunkt des Börsengangs eines Unternehmens von Interesse ist, die KGaA aber nur dann eine wirkliche Alternative zur AG darstellt, wenn sie als Kapitalgesellschaft & Co KGaA verfasst und vom Publikum als Organisationsform eines börsengehandelten Unternehmens akzeptiert wird. Dies bringt eine gewisse Kompliziertheit der Rechtsform mit sich und damit in den Augen der Anleger eine (ungeachtet aller Publizitätspflichten im Zuge des „Going Public“) Intransparenz der Stellung eines Aktionärs. Entgegen anfänglichen Bedenken259 hat der Markt die Konstruktion jedoch akzeptiert. Fasst man die Vor- und Nachteile zusammen, dürfte die Hauptursache der geringen Verbreitung der KGaA in ihrer Stellung im Wettbewerb der Rechtsformen zu sehen sein. Ihre Hauptkonkurrenten sind durchweg die GmbH und die AG. Dabei erlaubt regelmäßig die GmbH eine der KGaA vergleichbare flexible Ausgestaltung des Innenverhältnisses. Die Nachteile der KGaA werden durch die sich mit ihr fraglos verbindenden Vorteile nur dann kompensiert, wenn alle Vorteile der KGaA auf einmal gewünscht werden. Ansonsten lassen sich vergleichbare Gestaltungen immer auch in einer anderen Rechtsform verwirklichen. Der KGaA kommt also nur für wenige Interessenkonstellationen eine eigenständige Bedeutung bei der Rechtsformwahl zu. D. Systematischer Überblick Schrifttum Bürgers/Fett Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2. Aufl 2015; Grafmüller Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als geeignete Rechtsform für börsenwillige Familienunternehmen, 1994; Schaumburg/ Schulte Die KGaA: Recht und Steuern in der Praxis, 2000; Schlitt Die Satzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996; Wichert Die Finanzen der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999. Vgl im Übrigen die Angaben vor Rdn 2.

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Die in § 278 Abs 2 und 3 zur Anwendung kommende, und durch nur wenige Sonderregelungen in §§ 279–290 ergänzte Verweistechnik erschwert den Blick auf die Grundzüge des Rechts der KGaA. Diese sind deshalb Gegenstand der nachfolgenden Darstellung (D. I.–VI., VIII., X.). Diese wird ergänzt durch Hinweise zu einigen die KGaA betreffenden, aber außerhalb des AktG geregelten Regelungsbereichen (D. VII., IX).

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257 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392; sa oben Rdn 39 und Rdn 43. 258 So Rdn 39 und Fn 136 sowie statt vieler den Überblick über die Diskussion bei Bürgers/Fett/Fett § 3, 11 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 78, 28 ff; Vollertsen S 120 ff. 259 4. Aufl Assmann/Sethe Vor § 278, 52.

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

I. Gesetzessystematik 1. Das anwendbare Recht. Die der Regelung der KGaA gewidmeten §§ 278 bis 290 54 lassen das für diese Rechtsform maßgebliche Recht nicht einmal in seinen wesentlichen Grundzügen erkennen. Diese erschließen sich vielmehr erst unter Berücksichtigung der Verweise auf das Personengesellschaftsrecht (aus § 278 Abs 2) auf der einen Seite und auf das Erste Buch des AktG (aus §§ 278 Abs 3, 283) auf der anderen Seite. Diese Regelungstechnik bringt allerdings mehr als die bloße Unübersichtlichkeit in Bezug auf die Ermittlung des für die KGaA maßgeblichen Rechts mit sich. Die weit größere Komplikation im Umgang mit den angeführten Verweisen hat ihre Ursache vielmehr darin, dass sich mitunter nur schwer abgrenzen lässt, welche Rechtsverhältnisse in der KGaA dem Personengesellschaftsrecht und welche dem für anwendbar erklärten Aktienrecht unterliegen. Hinzu kommt der Umstand, dass nach § 278 Abs 3 die §§ 1–277 nur insoweit „sinngemäß“ anwendbar sind, als sich „aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt“, was eine genaue Prüfung der Frage nach den tatsächlich heranziehbaren Vorschriften des Ersten Buchs des AktG verlangt. Die in § 278 Abs 2 enthaltene Verweisung auf das Recht der Kommanditgesellschaft 55 und damit über §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB auf das Recht der Personengesellschaften warf zumindest solange keine Probleme auf, als auch das Aktienrecht weitgehende Gestaltungsfreiheit in Bezug auf die Organisationsverfassung der AG gewährte. Mit der stetigen Perfektionierung des Aktienrechts und der Zunahme zwingenden Aktienrechts wurde § 278 Abs 2 allmählich zu einem Instrument der „Durchbrechung“ zwingender aktienrechtlicher Normen.260 Nachdem heute die innere Organisation der AG in weiten Teilen unabdingbar geregelt ist, stellt sich bei der KGaA die Frage, ob über § 278 Abs 2 vom aktienrechtlichen Modell völlig abgewichen werden kann oder ob gewisse aktienrechtliche Mindeststandards im Hinblick auf die Struktur der Gesellschaft gewahrt sein müssen. Die hinter dieser Frage steckende Vorstellung einer dem Aktienrecht zu entnehmenden immanenten Grenze der Organisationsverfassung der KGaA ist jedoch abzulehnen. Der Wortlaut von § 278 Abs 2 zeigt, dass die Rechtsverhältnisse der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre umfassend geregelt ist, was durch die Formulierung „im Übrigen“ in § 278 Abs 3 noch unterstrichen wird. Gegen die These, dass gar eine Vermutung für die Anwendung von § 278 Abs 3 bestehe,261 spricht schon die Existenz des § 283, der die persönlich haftenden Gesellschafter nur im Hinblick auf die in dieser Vorschrift angeführten Sachverhalte den Vorschriften des Aktienrechts (über den Vorstand) unterwirft.262 Auch hat der Gesetzgeber anlässlich der Reformen des Aktienrechts, bei denen die innere Struktur und Kompetenzaufteilung der AG festgeschrieben wurde, die KGaA und die zu ihrer Ausgestaltung gewährten Spielräume unangetastet gelassen. Es hätte also einer ausdrücklichen Einschränkung bedurft, um an der bestehenden Rechtslage etwas zu ändern. Eine solche ist jedoch nicht erkennbar. Diesen Befund bestätigt auch der BGH in seinem Beschluss vom 24.2.1997, in dem das Gericht ausdrücklich darauf hinweist, die KGaA sei „keine bloße Spielart der Aktiengesellschaft, sondern eine eigenständige Gesellschaftsform …, deren Führungsstruktur sich nicht nach aktienrechtlichen Prinzipien, sondern gemäß § 278 Abs 2 AktG nach dem Recht der KG“ richte.263 Das Gericht macht

_____ 260 261 262 Fn 11. 263

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KK/Mertens/Cahn3 Vorb § 278, 4, 10. So aber Pflug NJW 1971, 345, 346. So ausdrücklich schon Helm Fälle und Lösungen nach höchstrichterlichen Entscheidungen2 S 74 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 398.

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des Weiteren deutlich, dass hieran auch nach der Zulassung einer Kapitalgesellschaft als Komplementärin einer KGaA festzuhalten ist, weil das von den Kommanditaktionären aufgebrachte und nach den anwendbaren aktienrechtlichen Vorschriften geschützte Grundkapital „die eigentliche Haftungsgrundlage“ sei. Wenn der Gesetzgeber 1897 die Einbeziehung der KGaA in das Aktien- und damit in das Kapitalgesellschaftsrecht vorgenommen habe, so sei dies bereits damals „in der klaren Erkenntnis der demgegenüber vergleichsweise geringen Bedeutung der persönlichen Komplementär-Haftung für die Befriedigungsaussichten der Gläubiger im Krisenfall“ geschehen.264 Gemäß § 278 Abs 2 richten sich die Rechtsbeziehungen der Komplementäre un56 tereinander, gegenüber den Kommanditaktionären und gegenüber Dritten nach den §§ 163 ff bzw 161 Abs 2, 105 ff HGB. Von § 278 Abs 2 erfasst werden somit zwei Bereiche, nämlich einerseits die von den Komplementären wahrgenommenen Organfunktionen in der Gesellschaft (Geschäftsführung und Vertretung) und andererseits die Rechte der Gesellschafter untereinander (mitgliedschaftliche Ebene, Grundlagengeschäfte). Indem § 278 Abs 2 für diese Rechtsverhältnisse auf die Vorschriften der Kommanditgesellschaft verweist, ergeben sich weitreichende Möglichkeiten der Ausgestaltung der Innenorganisation der KGaA und der Gesellschafterstellung der Komplementäre. Jedenfalls die Rechtsbeziehungen der Komplementäre untereinander und zu Dritten werden damit vollständig dem Personengesellschaftsrecht unterstellt. Demgegenüber fällt die Regelung der Rechtsstellung der Kommanditaktionäre 57 komplizierter aus. § 278 erfasst nämlich die Rechtsverhältnisse der Kommanditaktionäre gleich zweifach: § 278 Abs 2 regelt die Rechtsbeziehungen der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ zu den Komplementären, während sich § 278 Abs 3 auf die Rechte der Kommanditaktionäre „im Übrigen“ bezieht. Daraus folgt, dass sich die individuellen Verwaltungs- und Vermögensrechte der Kommanditaktionäre nach den Vorschriften des AktG richten. Dagegen ist das Personengesellschaftsrecht anwendbar, soweit es um Rechte geht, die den Kommanditaktionären nur in ihrer Gesamtheit zustehen. Dabei handelt es sich, wie sich schon aus § 285 Abs 2 folgern lässt, um solche Rechte, die bei der einfachen KG den Kommanditisten zustehen. Angesichts dieser unübersichtlichen Ausgangslage verwundert es nicht, dass die Kriterien für die Abgrenzung der Verweise in § 278 Abs 2 und 3 bis heute strittig sind265 und bisweilen nur vage angegeben werden.266 Noch immer umstritten ist auch die Frage der Einordnung der KGaA in das Spekt57a rum der Gesellschaftsformen (sa § 278 Rdn 3, 8 f): Teils wird sie als Mischform267 oder

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264 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 397. 265 So wurde etwa in Bezug auf die Zulässigkeit juristischer Personen als Komplementäre erörtert, ob über § 278 Abs 3 die Vorschrift des § 76 Abs 3 Anwendung findet oder ob § 278 Abs 2 diese Frage erfasst. 266 Etwa Grafmüller S 73: Anwendung der Normen der KG, „soweit sie mit dem Wesen der KGaA vereinbar sind“. 267 RG 27.6.1930 – II 70/30, RGZ 129, 260, 267 („Vereinsbank Hamburg“); BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 398; 3. Aufl Barz § 278, 3; Backhaus/Brouwer AG 2019, 287, 288; BeckBil-Komm/Störk/ Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 320; Düringer/Hachenburg HGB3 Einl zu § 320, 8 und Vorbem § 320; von Eiff/Otte GWR 2015, 246; Eilentrop S 174 f; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 1; Grass Die Besteuerung der KGaA, Diss München 1969, S 9; Habersack/Henssler/Habersack MitbestR4 § 1 MitbestG, 38; Kallmeyer ZGR 1983, 57; Koenig S 1; Kübler/Assmann Gesellschaftsrecht6 S 254; Latzel Gleichheit in der Unternehmensmitbestimmung, 2010, Rdn 285; MünchHdBAG/Herfs4 § 76, 10; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 29; Pallenbach S 5; Priester ZHR 160 (1996) 250, 254; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 28, 3 (anders aber § 31, 8); Schlegelberger/Quassowski3 § 219, 2; K Schmidt GesR4, S 971 f; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 278, 1; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 628; Sethe S 497 ff; Winkler NJW 1970, 1068; Werner/Kindermann ZGR 1981, 17, 28; offen gelassen Bürgers/Fett/Fett § 3, 2; KK/Mertens/Cahn3 2.

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Rechtsform sui generis,268 teils als Sonderform der AG269 bezeichnet. Betrachtet man diese Frage aus rechtsvergleichender Perspektive,270 bestehen keine Zweifel daran, dass die deutsche KGaA eine Mischform darstellt (s § 278 Rdn 9), die dem sog französischen Modell der Rechtsform folgt. Die sich aus §§ 278 ff ergebende Regelung der Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter, der Bestellung und Abberufung der Komplementäre, der Geschäftsführung und Vertretung sowie die Finanzverfassung der KGaA weisen im Vergleich zum sog schweizerischen Modell eindeutig starke Züge des Personengesellschaftsrechts auf. Zwar sind weite Teile des Rechts der KGaA durch § 278 Abs 3 parallel zur AG geregelt. Dennoch sind die personengesellschaftsrechtlichen Elemente so stark ausgeprägt, dass erhebliche Unterschiede zur AG bestehen. Auch wenn es sich bei der KGaA weder um eine Spielart der AG noch der KG, sondern um eine selbständige Rechtsform handelt, muss sie im Hinblick auf die rechtsvergleichend ermittelte Typologie als Mischform mit personengesellschaftsrechtlichem Gepräge bezeichnet werden. Dies kommt auch in der Generalverweisnorm des § 278 zum Ausdruck, dessen Abs 2 den wesentlichen Teil der Rechtsverhältnisse der KGaA dem Personengesellschaftsrecht unterstellt und in Abs 3 nur „im Übrigen“ auf das Aktienrecht Bezug nimmt. 2. Die Reichweite der Satzungsautonomie. Der Abgrenzung von § 278 Abs 2 und 58 Abs 3 kommt im Hinblick auf die Reichweite der Satzungsautonomie entscheidende Bedeutung zu. Während die Satzung die von Abs 2 erfassten Sachverhalte frei regeln kann, ist der Satzungsautonomie im Hinblick auf die Abs 3 unterfallenden Sachverhalte durch weitgehend zwingendes Aktienrecht eine deutliche Grenze gezogen (§ 278 Abs 3 iVm § 23 Abs 5 Satz 1). Allerdings lässt auch der Verweis aus § 278 Abs 2 die Frage nach den Grenzen der Satzungsautonomie im Einzelnen unbeantwortet. Dem Verweis entsprechend sind sie dem in Bezug genommenen Personengesellschaftsrecht selbst zu entnehmen.271 Die Rechtsverhältnisse der Komplementäre untereinander und gegenüber der 59 Gesamtheit der Kommanditaktionäre unterfallen § 278 Abs 2 und unterliegen daher der Gestaltungsfreiheit (sa § 278 Rdn 99). Von dieser sind etwa die folgenden Sachverhalte erfasst: – Die Ausgestaltung der Gesellschafterstellung der Komplementäre, insbesondere die Verpflichtung der Komplementäre zur Leistung einer Einlage außerhalb des Grundkapitals (Sondereinlage); – die Ausgestaltung der Rechtsstellung der Komplementäre als Organ, also Art und Umfang der Geschäftsführungsbefugnis sowie die Ausgestaltung der Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen und Grundlagengeschäften; – die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis; – die Aufnahme von weiteren Komplementären; – das Ausscheiden und der Ausschluss von Komplementären sowie die damit zusammenhängenden Abfindungsfragen (s die klarstellende Norm des § 289 Abs 1) und

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268 Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 144; Marcuse S 8; R Fischer in Handbuch des gesamten Handelsrechts, S 425 f; Staub HGB6/7 § 320, 1. 269 In diesem Sinne Bachmann in: FS K Schmidt, 2009, S 41, 55; Binz/Sorg BB 1988, 2043; Gail WPg 1966, 425; Joens S 31; Kessler S 66; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 1; Philbert S 84; Wiesner ZHR 148 (1984) 56, 66; Windbichler Gesellschaftsrecht24 § 34, 1; wohl auch Hüffer/Koch14 § 278, 3 („aktienrechtl. Elemente überwiegen“); uneinheitlich Baumbach/Hueck13 Vor § 278, 2; § 278, 2. 270 4. Aufl Assmann/Sethe 133 ff sowie Sethe S 287 ff. Die rechtsvergleichende Perspektive wird von den Vertretern, die die KGaA als Abart der AG betrachten, nicht angesprochen. 271 Ebenso Sethe S 110 ff.

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die Auflösung der Gesellschaft (soweit sie § 289 Abs 1 unterfällt) und die Auseinandersetzung272 unter den Gesellschaftern.

Vorstehende Sachverhalte können in der Satzung bzw im Wege der Satzungsänderung geregelt werden. Nachdem bei der KGaA die Kommanditisten durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ersetzt sind, muss diese Gesamtheit entsprechenden Satzungsregelungen zustimmen. Das Zustimmungserfordernis ist seinerseits grundsätzlich dispositiv, denn das Recht der KG lässt sowohl die Mehrheitsentscheidung wie die Verlagerung der Entscheidung auf eine Gesellschaftergruppe zu. 60 Bei allen Einschränkungen des Erfordernisses der Zustimmung eines Komplementärs oder der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu bestimmten Vorgängen und expliziten Satzungsänderungen sind allerdings die im Personengesellschaftsrecht maßgeblichen Grenzen der Vertragsfreiheit zu beachten: (1) Zu nennen sind der Grundsatz der Verbandssouveränität, der Grundsatz der Selbstorganschaft, das Abspaltungsverbot, die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht oder die Pflicht zur Gleichbehandlung.273 (2) In seiner neueren Rechtsprechung274 hat der BGH festgehalten, dass er nicht mehr am sog Bestimmtheitsgrundsatz festhält, mit dem man zwei Aussagen verbunden hat, nämlich dass eine gesellschaftsvertragliche Abweichung vom personengesellschaftsrechtlichen Einstimmigkeitsprinzip einschränkend auszulegen sei und dass eine pauschale Mehrheitsklausel im Zweifel keine Grundlagengeschäfte oder außergewöhnlichen Geschäfte umfasse, sondern sich nur auf gewöhnliche Geschäfte beziehe. Diesen Grundsatz ersetzt der BGH durch den Rückgriff auf allgemeine Auslegungsregeln. Danach erfolgt eine subjektive – bei Publikumspersonengesellschaften dagegen objektive275 – Auslegung des Gesellschaftsvertrags, bei der am Maßstab der §§ 133, 157 BGB der objektive Sinn der jeweiligen Vertragsbestimmung bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Vertragsinhalts zu ermitteln ist. Der Unterscheid zum Bestimmtheitsgrundsatz ist darin zu sehen, dass es keine Tendenz zu einer von vornherein engen Auslegung mehr gibt276 und dass die neue Auslegungsregel auch dann eine Mehrheitsentscheidung für legitimiert ansehen kann, wenn sich im Gesellschaftsvertrag keine ausdrückliche entsprechende Regel findet, wohl aber im Verhalten der Parteien.277 Ergibt diese Auslegung, dass für einen bestimmten Beschlussgegenstand eine Mehrheitsentscheidung im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde, liegt die notwendige „formelle Legitimation“ (Stufe 1 der neuen Prüfungsreihenfolge) vor.278 Auf Stufe 2 erfolgt dann eine – nach Aussage des BGH die bisherige Rechtsprechung zum Kernbereich der Mitgliedschaft ersetzende – Prüfung, ob der Mehrheitsbeschluss gegen unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte oder gegen die Treuepflicht verstößt. Der BGH erwähnt also weiterhin die Kategorie der unverzichtbaren und daher unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte, lässt aber offen,

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272 BGH 24.1.1974 – II ZR 128/71, AG 1974, 187, 188. 273 Im Einzelnen dazu Sethe S 115 ff mwN sowie Lockowandt Stimmrechtsbeschränkungen im Recht der Personengesellschaft, Kernbereichslehre und Stimmrechtsausschluß, 1996. 274 BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 = NZG 2007, 259 („Otto“); BGH 24.11.2008 – II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 = NZG 2009, 183 („Schutzgemeinschaft II“); BGH 19.10.2009 – II ZR 240/08 = NZG 2009, 1347 („Sanieren oder Ausscheiden“); BGH 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = BGH NZG 2014, 1296, 1298 f. („Anteilsabtretung“). 275 BGH 15.11.2011 − II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rdn 17 mwN. 276 Der Mauracher Entwurf will sogar noch einen Schritt weiter gehen und einen Grundsatz einführen, wonach sich Mehrheitsklauseln im Zweifel auch auf Gesellschaftsvertragsänderungen erstrecken (so Rdn 42a). 277 BGH 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rdn 14. 278 Die Abkehr vom Bestimmtheitsgrundsatz stößt im Schrifttum ganz überwiegend auf Zustimmung, vgl die umfassenden Nachw bei Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 36.

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ob und in welchem Umfang er solche künftig anerkennen will.279 Während die bisherige Kernbereichslehre abstrakt darauf abstellte, ob ein bestimmter Beschlussgegenstand so wesentlich ist, dass er bei Gesellschaften zum unverzichtbaren Kernbereich gehört, erlaubt die Prüfung der Treuepflicht eine konkrete Prüfung. Es ist festzustellen, ob bei der Struktur dieser Gesellschaft und der Zusammensetzung dieses Gesellschafterkreises der Eingriff in die individuelle Rechtsstellung des Gesellschafters, dh in seine rechtliche und vermögensmäßige Position in der Gesellschaft, im Interesse der Gesellschaft geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar ist („materielle Legitimation“, Stufe 2).280 Auf Kritik stößt zum einen die (letztendlich doch nicht wirklich erfolgte) Preisgabe der Kernbereichslehre281 und zum anderen die Rechtsfolge der Überprüfung des Mehrheitsbeschlusses, die bei relativ unentziehbaren Rechten darin bestehen kann, dass dieser Beschluss einem Gesellschafter gegenüber unwirksam (da ihm unzumutbar) ist, während er einem anderen Gesellschafter gegenüber wirksam sein kann.282 Die Kritik an der Aufgabe der Kernbereichslehre überzeugt, da es – auch nach Ansicht des BGH – weiterhin einen Bereich an Rechten gibt, auf die man nicht wirksam verzichten kann. Dies will der BGH nun innerhalb der Prüfung der Treuepflicht berücksichtigen, was dogmatisch nicht überzeugt, denn eine Treuepflicht ist nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens geschuldet. Verbietet das Gesetz bereits den Verzicht auf ein Recht, kann es folglich gar nicht mehr zur Prüfung einer Treuepflicht kommen. Die Kritik an der Rechtsfolge der Treuepflichtprüfung überzeugt dagegen nicht, denn es war und ist gerade ihr Kennzeichen, dass sie nicht nur auf die objektive Gebotenheit, sondern auch auf die subjektive Zumutbarkeit abstellt und folglich keine Lösungen mit erga omnes-Wirkung hervorbringen kann. (3) Speziell in Bezug auf die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA wird darüber hinaus eine weitere Grenze der Vertragsfreiheit diskutiert. Nachdem der BGH mit seinem Beschluss vom 24.2.1997283 entschieden hat, dass Kapitalgesellschaften alleinige Komplementärin einer KGaA sein können, entbrannte eine Diskussion darüber, inwieweit bei einer als Publikumsgesellschaft ausgestalteten Kapitalgesellschaft & Co KGaA im Interesse des Anlegerschutzes bei Satzungsgestaltungen zu Lasten der Kommanditaktionäre eine Einschränkung der Satzungsautonomie geboten ist und auf welche Weise diese gegebenenfalls zur Geltung gebracht werden kann. Eine solche Einschränkung ist im Ergebnis abzulehnen.284 Zwingend geregelt und damit der Satzungsautonomie entzogen sind dagegen die 61 Struktur der KGaA und alle den Schutz Dritter betreffenden Vorkehrungen. Auch diesbezüglich lässt sich eine Parallelität zwischen KG und KGaA feststellen. Soweit bei der KG ein erhöhter Gläubigerschutz erforderlich ist, um der beschränkten Haftung der Kommanditisten Rechnung zu tragen, ist die Vertragsfreiheit ausgeschlossen (etwa

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279 BGH 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rdn 19; kritisch daher Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 36; Ulmer ZIP 2015, 657, 658 ff. 280 BGH 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rdn 19. 281 Zutreffend die Kritik von Spindler/Stilz/Bachmann4 69 sowie Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 36 f; Ulmer ZIP 2015, 657, 658 ff; Priester NZG 2015, 529 ff; Schäfer ZIP 2015, 1313 ff; Klöhn AcP 216 (2016) 308 f (kritisch in Bezug die Abschaffung der Kernbereichslehre bei Publikumsgesellschaften). Auch Bohlken/Sprenger DB 2010, 263, gehen von einem Nebeneinander von Kernbereichslehre und Treuepflicht aus. Dem BGH zustimmend hingegen Wertenbruch, DB 2014, 2875 ff. 282 Ulmer ZIP 2015, 657, 660 ff. 283 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 284 S dazu schon oben Rdn 39, 52 und die Nachw in Fn 136; sa Rdn 139. Auf Einzelheiten hierzu ist im Rahmen der Kommentierung der einzelnen Vorschriften der §§ 278 ff einzugehen. S insbesondere § 278 Rdn 7, 114 ff.

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§§ 161 Abs 2, 128 HGB; §§ 170 ff HGB; Umkehrschluss aus § 163 HGB). Dies gilt für die Bereiche der Errichtung der Gesellschaft iwS sowie die Aufbringung und den Erhalt der Einlage (vgl §§ 171 f HGB). Auch die persönliche Haftung der Komplementäre ist gesetzlich zwingend geregelt. Nachdem bei der KGaA ohnehin Aktionäre an die Stelle der Kommanditisten treten und deren Rechtsstellung von § 278 Abs 3 erfasst wird, sind die entsprechenden Fragen bei der KGaA zwingend ausgestaltet. Die Gründungsvoraussetzungen, das Grundkapital, die Grundsätze der Kapitalaufbringung und -erhaltung sowie die Regeln der Kapitalerhöhung und -herabsetzung richten sich allein nach den einschlägigen zwingenden Vorgaben des AktG.285 II. Gründung der KGaA und Formwechsel in die KGaA 62

Die Gründung der KGaA richtet sich nach §§ 280 bis 282 und §§ 278 Abs 3, 23 ff. Sie verläuft weitgehend parallel zu der einer AG. Der wesentliche Unterschied zur Gründung der AG liegt in der vergleichsweise großen Satzungsautonomie bei der KGaA.286 Die KGaA kann als eine Ein-Personen-Gesellschaft gegründet werden (so Rdn 41 und § 280 Rdn 1). Der Mindestinhalt der notariell zu beurkundenden Satzung ergibt sich aus §§ 280 Abs 1 Satz 2, 281, 23 Abs 3 und 4. Nach Übernahme der Aktien durch den/die Gründer ist die Gesellschaft errichtet (§ 29). Die Bestellung von Aufsichtsrat und Prüfern richtet sich nach §§ 30 f; § 30 Abs 4 über die Bestellung des Vorstands ist nicht anzuwenden, da sich die Bestellung der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre nach der Satzung bzw dem Personengesellschaftsrecht richtet (su Rdn 65). Gründungsbericht und Gründungsprüfung erfolgen gemäß §§ 32 ff; die Einlagen auf Aktien sind gemäß §§ 36a, 54 Abs 3 zu leisten. Die aktienrechtlichen Regeln über eine qualifizierte Gründung gelten über § 278 Abs 3 entsprechend. Sodann ist die Gesellschaft beim Handelsregister anzumelden, das die ordnungsgemäße Errichtung prüft und bei positivem Ergebnis die Gesellschaft einträgt. Mit der Eintragung ist die KGaA rechtsfähig (§ 278 Abs 1, 3 iVm § 41 Abs 1). Die Neugründung ist jedoch nur eine Möglichkeit, um in die Rechtsform der KGaA zu gelangen. Ein weiterer, sehr häufig beschrittener Weg hierzu ist der Formwechsel aus einer anderen Gesellschaftsform in die KGaA nach Maßgabe der Vorschriften des UmwG (die Zulässigkeit des Formwechsels von einer Personengesellschaft in eine KGaA ergibt sich aus §§ 214 Abs 1, 191 Abs 2 Nr 3 UmwG, diejenige der Umwandlung einer GmbH oder einer AG in eine KGaA aus §§ 226, 245 UmwG). Von den 2016 bestehenden 307 KGaA sind 65,5% durch Neugründung entstanden, während die übrigen durch Formwechsel (30,4%), durch Ausgliederung (3,9%) und durch Verschmelzung (0,3%) entstanden sind.287 III. Gesellschafter

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Die KGaA hat im Gegensatz zur AG zwei Gesellschaftergruppen: die Komplementäre und die Kommanditaktionäre. Die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Komplementäre unterliegt den Regeln des Personengesellschaftsrechts (§ 278 Abs 2), die der einzelnen Kommanditaktionäre dem Aktiengesetz (§ 278 Abs 3). Die Komplementäre der KGaA haften als „geborene“ Leitungsorgane der KGaA (dazu Rdn 65), wie Komplementäre der KG, persönlich für die Schulden der Gesellschaft (§§ 161 Abs 2, 128 HGB); die Dauer der

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285 So auch KK/Mertens/Cahn3 § 278, 8, 57; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 278, 44; Spindler/Stilz/ Bachmann4 § 278, 26. 286 So Rdn 58 ff. 287 Angaben nach Lieder/Hoffmann AG 2016, 708.

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Haftung bestimmt sich nach §§ 161 Abs 2, 159, 160 HGB. Dagegen sind die Kommanditaktionäre, anders als die Kommanditisten der KG, keiner wie auch immer gearteten Haftung für die Verbindlichkeiten der KGaA ausgesetzt; sie schulden nur die Leistung ihrer Einlage und eventueller statutarischer Nebenleistungspflichten (§§ 54 f). In ihrer Gesamtheit stehen den Kommanditaktionären die Rechte eines Kommanditisten der KG zu, so dass etwa diejenigen Rechtsgeschäfte, die bei einer KG der Zustimmung der Kommanditisten bedürfen, bei der KGaA der Zustimmung der Hauptversammlung unterliegen (so etwa außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen und Grundlagengeschäfte). Die Satzung kann Abweichendes bestimmen.288 Die Komplementäre unterliegen untereinander und gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre einer Treuepflicht. Diese Treuepflicht kann von Einschränkungen bei der Ausübung des Austritts- und Kündigungsrechts der Komplementäre bis hin zu Bindungen bei der Auswahl und Abberufung der Geschäftsführer einer Komplementärgesellschaft führen. Treuepflichten der Kommanditaktionäre beschränken sich, regelmäßig, sofern nicht einzelnen Kommanditaktionären Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung eröffnet wurde, auf das Verhältnis der Kommanditaktionäre untereinander, folgen also nach Grund und Umfang den Regeln über die Treuepflichten von Aktionären der AG. Die Pflichten der Komplementäre gegenüber den Kommanditaktionären folgen im Übrigen weitgehend der dem Schutz der letzteren dienenden Vorschrift des § 283. Auch juristische Personen können, sei es neben anderen natürlichen oder juristi- 64 schen Personen oder sei es allein, Komplementär einer KGaA sein (zu Einzelheiten § 278 Rdn 30 ff). Diese lange Zeit umstrittene Frage wurde mit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 24.2.1997 geklärt.289 Komplementär einer KGaA kann darüber hinaus auch jede Personenhandelsgesellschaft und damit auch eine GmbH & Co KG sein. IV. Organisationsverfassung Die KGaA hat drei Organe: die (geschäftsführungs- und vertretungsbefugten) Kom- 65 plementäre, die Hauptversammlung und den Aufsichtsrat. Die Organisationsverfassung der KGaA weicht erheblich von der einer AG ab. Der Hauptunterschied liegt darin, dass es sich bei den Vorständen einer AG um „gekorene“ (dh vom Aufsichtsrat zu bestellende) Organe handelt, während die Komplementäre „geborene“ Organe ihrer Gesellschaft sind, dh ihre Organstellung kraft ihrer Beteiligung als Komplementäre erlangen. Als „geborene“ Leitungsorgane nehmen die Komplementäre die Geschäftsführung und Vertretung der KGaA wahr. Es gilt der (zwingende) Grundsatz der Selbstorganschaft. Die Kompetenzen der Komplementäre als Leitungsorgane richten sich grundsätzlich nach den § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 114 ff, 125 ff HGB. Das bedeutet dem Grundsatz nach, dass jeder Komplementär einzeln geschäftsführungs- (§§ 161 Abs 2, 115 Abs 1 HGB) und vertretungsbefugt (§ 161 Abs 2 iVm § 125 Abs 1 HGB) ist. Allerdings ist zu beachten, dass die allgemeinen Regeln durch § 283 teilweise modifiziert werden. Diese Bestimmung erklärt für bestimmte Sachverhalte aktienrechtliche Vorschriften für anwendbar. Da der Katalog des § 283 abschließend ist und damit den Komplementären nur einzelne, bestimmte Pflichten auferlegt, kann die Organstellung im Übrigen in den vom Personengesellschaftsrecht gesetzten Grenzen frei ausgestaltet werden.290 Vorgesehen werden kön-

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288 So Rdn 58 ff. 289 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392; zuvor schon OLG Hamburg 5.12.1968 – 2 W 34/68, NJW 1969, 1030 (= GmbHR 1969, 135). 290 So Rdn 58 ff.

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nen etwa Einzel- oder (gemischte) Gesamtvertretung sowie der Ausschluss einzelner Komplementäre von der Geschäftsführung und/oder Vertretung. Auch kann das Zustimmungsrecht der Kommanditaktionäre bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen und Grundlagengeschäften grundsätzlich abbedungen oder eingeschränkt werden. Inwieweit dies auch bei einer Publikums-KGaA mit einer juristischen Person als alleiniger Komplementärin möglich ist, ist umstritten.291 Umgekehrt lassen sich auch die Befugnisse der Gesamtheit der Kommanditaktionäre erweitern, solange dadurch nicht die Verantwortlichkeit der Komplementäre ausgehöhlt wird.292 Innerhalb der Geschäftsführung kann das Widerspruchsrecht (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 115 Abs 1 Satz 2 HGB) abbedungen oder modifiziert werden. Zudem kann an die Stelle des Einstimmigkeitsprinzips die Entscheidung nach der (einfachen oder qualifizierten) Mehrheit der Stimmen treten. Ein weiter Gestaltungsspielraum wird dadurch eröffnet, dass mitgliedschaftliche oder organschaftliche Kompetenzen der Komplementäre oder der Gesamtheit der Kommanditaktionäre auf andere, fakultativ zulässige Organe (wie etwa einen Beirat) übertragen werden können. Durch entsprechende Ausgestaltung der Satzung lässt sich damit eine hauptversammlungs-, beirats-, aufsichtsrats- oder komplementärdominierte Gesellschaft errichten.293 Die Hauptversammlung ist das Organ aller Kommanditaktionäre. In ihr nehmen 66 nicht nur die einzelnen Aktionäre ihre Rechte wahr, sondern auch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Halten Komplementäre Aktien, steht ihnen, in den Grenzen des § 285 Abs 1, das Stimmrecht zu. Das Auskunftsrecht der Kommanditaktionäre nach § 131 reicht (wegen der Nichtanwendbarkeit von § 131 Abs 3 Satz 1 Nrn 3 und 4) weiter als das der Aktionäre einer AG, was darauf zurückzuführen ist, dass die Hauptversammlung der KGaA, anders als die der AG, auch den Jahresabschluss feststellt (§ 286 Abs 1 Satz 1). Darüber hinaus unterliegen außergewöhnliche Geschäfte der Zustimmung der Hauptversammlung, es sei denn, die Satzung bestimmt etwas anderes (§§ 278 Abs 2 iVm 164 Satz 1, Hs 2 HGB). Die Zulässigkeit des Ausschlusses des Zustimmungsrechts in der Publikums-KGaA mit einer Kapitalgesellschaft als alleiniger Komplementärin ist jedoch umstritten.294 Beschlüsse der Hauptversammlung in Angelegenheiten, für die bei einer KG das Einverständnis der persönlich haftenden Gesellschafter und der Kommanditisten erforderlich ist, bedürfen der Zustimmung der Komplementäre (§ 285 Abs 2). Anders als bei der AG ist der Aufsichtsrat bei der KGaA nicht als Repräsentativorgan 67 der Aktionäre, sondern als reines Kontroll- und Exekutivorgan konzipiert. Als solches ist er für die Überwachung der Geschäftsführung und die Ausführung der Beschlüsse der Hauptversammlung zuständig. Da ihm kein Recht zur Wahl des Leitungsorgans zusteht, ist sein Kompetenzumfang im Vergleich zur AG geringer. Dies zeigt sich auch daran, dass ihm im Gegensatz zu § 77 Abs 2 kein Recht zusteht, eine Geschäftsordnung und eine Regelung der Geschäftsverteilung zu erlassen. Der Aufsichtsrat der KGaA kann diese Kompetenzen nicht an sich ziehen,295 es sei denn, ein solches Recht wird ihm in der Satzung eingeräumt. Wie bereits in Rdn 66 dargelegt, sind nach der gesetzlichen Kompe-

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291 So Rdn 60 mit Fn 284. 292 Sethe S 145 f, 151 f. 293 Sethe S 147 ff. 294 Vgl § 278 Rdn 112 ff sowie etwa Hommelhoff S 13 ff; Ihrig/Schlitt S 64 ff, 83: „Einer kompensationslosen Abbedingung von § 164 HGB ist in der Publikums-GmbH (& Co) KGaA die Anerkennung zu versagen“. Dagegen Wichert AG 2000, 268, 270 (ersatzloser Ausschluss des Zustimmungsrechts auch für die börsennotierte GmbH & Co KGaA zulässig). 295 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 480; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 70; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 78; Hüffer/Koch14 § 278, 12.

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tenzverteilung außergewöhnliche Geschäfte von der Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, also der Hauptversammlung, abhängig. Aufgrund dieser vom Aktienrecht abweichenden Kompetenzzuweisung geht die hM davon aus, dass die Vorschrift des § 111 Abs 4 Satz 2, welche es gestattet, bestimmte Arten von Geschäften von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig zu machen, auf die KGaA keine Anwendung findet.296 In der Tat dient diese Norm dazu, die bei der AG fehlende Hauptversammlungszuständigkeit für die Geschäftsführung auszugleichen. Bei der KGaA ist eine solche Kompensation jedoch nicht erforderlich. Selbst wenn die Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre abbedungen werden, lebt die Zuständigkeit des Aufsichtsrats damit nicht automatisch wieder auf. Die Satzung kann jedoch die Anwendung von § 111 Abs 4 Satz 2 anordnen (vgl § 287 Rdn 39). Alles in allem ist der Kompetenzumfang des Aufsichtsrats der KGaA damit deutlich geringer als der der AG, eine Tatsache, die die KGaA für viele der Mitbestimmung unterliegende Unternehmen interessant macht.297 Anders als in der AG können die Komplementäre oder die Kommanditaktionäre, allein oder zusammen, neben dem Aufsichtsrat zusätzliche „fakultative Organe“ (sog Beiräte oder Gesellschafterausschüsse) zur Beratung und/oder Kontrolle der Geschäftsführung, zur Vertretung der Kommanditaktionäre oder zur Ausführung der Beschlüsse der Hauptversammlung einsetzen.298 V. Finanzverfassung Die KGaA verfügt über ein Grundkapital von mindestens 50.000 € (§ 278 Abs 3 iVm 68 § 7). Sie gibt Nennbetragsaktien oder Stückaktien (§ 278 Abs 3 iVm § 8) aus. Wie die Aktien einer AG können auch die Aktien einer KGaA öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden. Dabei unterliegt die KGaA den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Regelungen (su Rdn 116 ff). Im Gegensatz zur AG kennt die KGaA als Haftungsmasse nicht nur das über die Kommanditaktien aufzubringende Grundkapital, sondern auch die von diesem zu trennenden Einlagen der Komplementäre. Zur Erbringung von Einlagen sind die Komplementäre allerdings nur dann verpflichtet, wenn dies in der Satzung vorgesehen ist (§ 281 Abs 2). Zusammengenommen bilden Grundkapital und Einlagen das Gesamtkapital der Gesellschaft. Anders als das Grundkapital der KGaA unterliegen die Einlagen der Komplementäre, als dem Rechtsverhältnis der Komplementäre zugehörig (§ 278 Abs 2), nicht den aktienrechtlichen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätzen.299 Aus dem gleichen Grunde richtet sich die Beurteilung der Frage, welche Vermögenswerte als Einlage eingebracht werden können, nicht nach § 278 Abs 3 iVm § 27 Abs 2, sondern nach § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB und § 706 BGB. Das hat zur Folge, dass als Einlagen auch Dienste

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296 Baumann ZHR 142 (1978) 557, 567 f; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 479; Durchlaub BB 1977, 1581 f; L Fischer S 69 f; Grafmüller S 125; Habersack/Henssler/Habersack MitbestR4 § 25 MitbestG, 68, § 30, 16; Hölters BB 1975, 797, 800; Kallmeyer ZGR 1983, 57, 68 f; KK/Mertens/Cahn3 Vorb § 278, 4;§ 278, 72, § 287, 17; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 188; ders DNotZ 1953, 6, 15 ff; Kübler/Assmann Gesellschaftsrecht6 S 258 (missverständlich aber S 532); Martens AG 1982, 113, 116; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 54; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 58, § 278, 193, 210, § 287, 43; Würdinger AktR4 S 260. AA allerdings ohne Begründung Baumbach/Hueck13 § 287, 2; Benze ua MitbestG § 30, 53; Godin/Wilhelmi4 § 287, 2; Joens S 69 (zu § 95 Abs 5 S 2 AktG 1937); Theissen DBW 1989, 137, 144. Flämig in: FS Peltzer, 2001, S 103 f, geht ohne Begründung davon aus, dass § 111 Abs 4 auf die KGaA anzuwenden, aber satzungsdispositiv sei. 297 Vgl Vor § 287 Rdn 1 ff. 298 S hierzu Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251 ff mwN; Martens AG 1982, 113 ff. 299 Zur Frage der Notwendigkeit einer Gründungsprüfung der Einlagen s Sethe S 186 f sowie unten § 281 Rdn 24 ff.

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eingebracht werden können. Zur einseitigen Erhöhung ihrer jeweiligen Einlagen, mit der regelmäßig auch eine Stärkung ihrer Stellung in der Gesellschaft einherginge, sind die Komplementäre nicht berechtigt. Im Gegensatz zur KG geht die Einlagesumme bei der KGaA in das Vermögen der Gesellschaft über, da diese nicht Gesamthandsgemeinschaft, sondern juristische Person ist. Die Einlage ist bei der Gewinnverteilung zu berücksichtigen. Die Verteilung des bei der KGaA festgestellten Gewinns zwischen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und den Komplementären richtet sich nach den personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen (§ 278 Abs 2 iVm §§ 168 Abs 1, 121 HGB). Da diese Vorschriften den Erfordernissen der heutigen Praxis nur selten gerecht werden, finden sich in der Satzung regelmäßig Bestimmungen über eine angemessenere Aufteilung des Gewinns. Vgl im Übrigen zu Kapitalmaßnahmen § 278 Rdn 183 ff. Neben der Ausgabe von Aktien und der satzungsmäßigen Begründung der Pflicht zur Leistung von Komplementäreinlagen kann sich die Gesellschaft der üblichen Finanzierungsinstrumente (zB Schuldverschreibungen, Optionen, Genussrechte) bedienen.300 Auch stille Beteiligungen an der KGaA können begründet werden, wobei § 292 Abs 1 Nr 2 zu beachten ist. Die Gesellschaft kann darüber hinaus über Darlehen ihrer Gesellschafter finanziert werden. Hierbei sind die besonderen Regeln über Gesellschafterdarlehen zu beachten, die durch das MoMiG (so Rdn 41a) grundlegend umgestaltet und von einem gesellschaftsrechtlichen in einen insolvenzrechtlichen Ansatz überführt wurden.301 Gesellschafterdarlehen und -sicherheiten werden im Insolvenzfall als nachrangig eingestuft (§§ 39 Abs 1 Nr 5, Abs 4 und 5, 44a InsO) und darauf geleistete Zahlungen sind unter den Voraussetzungen von §§ 135 InsO, 6, 6a AnfG anfechtbar. Der Gesetzgeber hat eine rechtsformneutrale Regelung geschaffen und – ausweislich der Gesetzesmaterialien – auch die KGaA im Blick gehabt.302 Er verzichtete auf das Merkmal der „Krise“ und spricht nicht mehr von „kapitalersetzend“; auch wird die Gebrauchsüberlassung nicht mehr erfasst. Gemäß § 39 Abs 4 Satz 1 InsO sind Gesellschaften erfasst, deren persönlich haftender Gesellschafter weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft ist, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Auf eine typische KGaA, die (zumindest) eine natürliche Person als Komplementär aufweist, sind somit die Regelungen zur Nachrangigkeit und zur Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen und sicherheiten nicht anwendbar.303 Dies gilt gleichermaßen für Kommanditaktionärs- wie für Komplementärdarlehen (da ein Komplementär, bei dem es sich um eine natürliche Person handelt, ohnehin mit seinem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten der KGaA haftet, profitiert er wirtschaftlich letztlich nicht von dem engen Anwendungsbereich der Regelung über Gesellschafterdarlehen). Anders verhält es sich bei einer atypischen KGaA, bei der der einzige oder alle Komplementäre aus Gesellschaften bestehen, bei denen keine natürliche Person mit ihrem Vermögen haftet. Hier sind die Vorschriften zur Nachrangigkeit und zur Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen und -sicherheiten anzuwenden304 und zwar sowohl für

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300 Vgl die Kommentierung zu § 221. 301 Zum früheren Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen bei der KGaA vgl 4. Aufl Assmann/Sethe Vor § 278, 70. 302 RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S 56 f. Ebenso LG Düsseldorf, 24.3.2017 – 10 O 308/15, NZI 2017, 487, 490. 303 Bürgers/Fett/Göz § 7, 39; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 45. 304 Bürgers/Fett/Göz § 7, 41, 43. Grundlegend zu Gesellschafterdarlehen Servatius Gläubigereinfluss durch Covenants, 2008, 426 ff.

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ein von Kommanditaktionären als auch für ein von einer Komplementärin gewährtes Darlehen. Der gesetzliche Regelfall setzt eine Doppelrolle von Gesellschafter und Darlehensgeber voraus.305 Die Norm erfasst darüber hinaus aber auch solche Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen, in denen also Gesellschafter und Darlehensgeber personenverschieden sind, aber dem Gesellschafter die Rolle des Darlehensgebers (zB bei horizontaler oder vertikaler Verbundenheit)306 oder umgekehrt dem Darlehensgeber die Rolle des Gesellschafters307 (zB bei darleihenden Treugebern oder Unterbeteiligten) zuzurechnen ist. Dazu im Einzelnen: (1) Dem Gesellschafter wird die Rolle des Darlehensgebers zugerechnet, wenn er die Entscheidungen des hilfeleistenden Unternehmens (Gewährung oder Abzug der Leistung an das andere Unternehmen) einen bestimmenden Einfluss ausübt, etwa indem er dem Geschäftsführungsorgan des hilfeleistenden Unternehmens entsprechende Weisungen erteilt.308 Gleiches gilt für den Fall, dass ein Gesellschafter einem Dritten die Mittel überlässt, der KGaA ein Darlehen zu gewähren. Nicht ausreichend ist eine bloß verwandtschaftliche Beziehung zwischen einem Gesellschafter und dem darlehensgebenden Angehörigen.309 (2) Dem Darlehensgeber wird die Rolle eines Gesellschafters zugerechnet, wenn der Darlehensgeber zwar formal nicht Gesellschafter ist, mit dem formal berechtigten Gesellschafter aber so eng verbunden ist, dass der Darlehensgeber wirtschaftlich betrachtet Anteilsinhaber ist.310 Erfasst ist daher der Fall, dass ein an der Komplementärgesellschaft maßgeblich beteiligter Gesellschafter der KGaA ein Darlehen gewährt.311 Nicht ausreichend ist dagegen die Gewährung eines Darlehens an die KGaA durch eine Person, die weder an der KGaA noch an der Komplementärgesellschaft beteiligt ist, bei Letzterer aber eine Organfunktion wahrnimmt.312 Dies ist weiterhin der Fall, wenn der Darlehensgeber zugleich Treugeber im Hinblick auf die Gesellschafterstellung ist; wirtschaftlich betrachtet hält der Treuhänder für den Darlehensgeber die Gesellschafterstellung. Gleiches gilt für den Fall der Unterbeteiligung, wenn der Beteiligungsvertrag zwischen der formal die Gesellschafterstellung innehabenden Person und dem darlehensgewährenden Unterbeteiligten entsprechend eng gefasst ist. Wiederum gilt, dass eine bloß verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Gesellschafter und dem Darlehensgeber für sich genommen nicht ausreicht, um eine wirtschaftliche Gleichstellung zu begründen. Die insolvenzrechtlichen Regelungen über Gesellschafterdarlehen finden keine 70c Anwendung auf Gesellschafter, die nicht der Geschäftsführung angehören und die mit 10 Prozent oder weniger am Haftkapital der KGaA beteiligt sind (sog Kleinbeteiligungsprivileg gemäß §§ 39 Abs 5, 135 Abs 4 InsO). Auch wenn die KGaA zwei Gesellschaftergruppen hat, ist die 10-Prozent-Schwelle einheitlich für beide Gruppen zu berechnen. Es

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305 Für den Zeitpunkt der Bestimmung der Gesellschaftereigenschaft kommt es darauf an, ob die Doppelrolle als Gesellschafter und Darlehensgeber innerhalb eines Jahres vor Insolvenzeröffnung erworben wurde, vgl BGH 21.2.2013 – IX ZR 32/12, NJW 2013, 2282; Baumbach/Hueck/Haas GmbHG22 Anh § 64, 43 mwN. 306 BGH 21.2.2013 – IX ZR 32/12, NJW 2013, 2282; Baumbach/Hueck/Haas GmbHG22 Anh § 64, 39 ff mwN. 307 Baumbach/Hueck/Haas GmbHG22 Anh § 64, 61 ff mwN. 308 BGH 28.2.2012 − II ZR 115/11, NZG 2012, 545, 546; BGH 15.11.2018 – IX ZR 39/18, NZI 2019, 169; Bürgers/Fett/Göz § 7, 45; Baumbach/Hueck/Haas GmbHG22 Anh § 64, 41 mwN. 309 BGH 6.4.2009 – II ZR 277/07, NZG 2009, 782. 310 Hierzu und zum Folgenden Baumbach/Hueck/Haas GmbHG22 Anh § 64, 62, 65, 66; Bürgers/Fett/Göz § 7, 45. 311 Bürgers/Fett/Göz § 7, 42 sowie MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 28. 312 Ebenso Bürgers/Fett/Göz § 7, 42.

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ist das Gesamtkapital der KGaA maßgebend, so dass das von den Kommanditaktionären aufgebrachte Grundkapital und die von den Komplementären in die KGaA eingebrachten Vermögenseinlagen (vgl § 281 Abs 2) zusammenzurechnen sind.313 Auf diese Weise wirken sich hohe Vermögenseinlagen der Komplementäre zugunsten der Kommanditaktionäre aus, was auch gerechtfertigt ist, weil nur auf diese Weise dem Umstand Rechnung getragen werden kann, dass in der KGaA typischerweise die Kommanditaktionäre mit einer 10%-Beteiligung weniger Einfluss haben als die Aktionäre in einer AG und daher ihre Besserstellung gerechtfertigt ist. Da diese Ansicht jedoch noch nicht gefestigt ist, schlägt ein Teil des Schrifttums der Beratungspraxis vor,314 aus Vorsichtsgründen bei Aktionärsdarlehen die 10-Prozent-Schwelle nur vom Grundkapital zu berechnen. Nicht dem Gesamtkapital der KGaA hinzugerechnet wird nach hM das Kapital einer Komplementärgesellschaft.315 Hiervon wird man allerdings eine Ausnahme machen müssen für den Fall, dass ein an der Komplementärgesellschaft maßgeblich beteiligter Gesellschafter der KGaA ein Darlehen gewährt und daher wirtschaftlich betrachtet die Doppelrolle als Darlehensgeber und Gesellschafter innehat (so Rdn 70b). Die wirtschaftliche Betrachtungsweise muss in diesem Fall auch auf die Beurteilung des Kleinbeteiligungsprivilegs angewendet werden, um Umgehungen zu verhindern.316 Nicht anwendbar sind die Vorschriften weiterhin auf neu gewährte oder bestehende Darlehen von Gläubigern, die bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung erwerben und dies zum Überschreiten der 10-Prozent-Schwelle führt (sog Sanierungsprivileg gemäß §§ 39 Abs 4, 135 Abs 4 InsO). 70d Ist ein Gesellschafterdarlehen (vor Insolvenzeröffnung) fällig, steht dem Gesellschafter ein Rückzahlungsanspruch gegen die KGaA zu. Gegen diesen kann die KGaA ein Leistungsverweigerungsrecht317 geltend machen, soweit sich bei der typischen KGaA ihre Organmitglieder (§§ 283 Nr 14, 92 Abs 2, dazu § 283 Rdn 38) bzw bei der atypischen KGaA die Organmitglieder ihrer Komplementärin (§§ 92 Abs 2, 93 Abs 3 Nr 6 bzw § 64 GmbHG) schadensersatzpflichtig machen würden.318 VI. Auflösung und Liquidation 71

Die Auflösung der KGaA ist in § 289 geregelt. Die Auflösungsgründe stellen eine Mischung aus Kapitalgesellschafts- und Personengesellschaftsrecht dar, denn die Norm verweist in Abs 1 grundsätzlich auf die §§ 131 ff HGB, benennt in Abs 2 jedoch weitere, für das Kapitalgesellschaftsrecht typische Auflösungsgründe. Die Abwicklung ist in § 290 erfasst, der der besonderen Organisationsverfassung 72 Rechnung trägt und die Komplementäre als Abwickler vorsieht. Daneben kann die Hauptversammlung weitere Abwickler bestellen.

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313 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 75; aA MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 28, der bei Komplementärdarlehen das Gesamtkapital zugrunde legen will, bei Kommanditaktionärsdarlehen dagegen nur das Grundkapital. 314 MünchKomm/Perlitt5 § 278, 116. 315 Statt vieler Uhlenbruck/Hirte, InsO15, § 39, 73; K Schmidt-K Schmidt/Herchen InsO19 § 39, 42; aA noch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn HGB2, § 172a, 48 – jeweils zur Kapitalgesellschaft & Co KG. 316 MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 28. 317 BGH 9.10.2012 – II ZR 298/11, NZG 2012, 1379, 1381. 318 Enger Bürgers/Fett/Göz § 7, 59, der das Leistungsverweigerungsrecht nur auf die Organmitglieder der Komplementärgesellschaft erstreckt.

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VII. Mitbestimmung Die KGaA unterliegt als Kapitalgesellschaft dem DrittelbG319 und dem MitbestG 73 1976320. Vom MontanmitbestG321 und MitbestErgG322 ist die KGaA dagegen nicht erfasst. Da sich ohnehin nie ein Unternehmen des Montanbereichs dieser Rechtsform bediente, hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der beiden Gesetze in deren § 1 deshalb entsprechend begrenzt. Zu Einzelheiten s Vor § 287 Rdn 1 ff. Die Zulassung der Kapitalgesellschaft & Co KGaA durch den BGH in seinem Be- 74 schluss vom 24.2.1997323 hat der Diskussion der Frage, ob eine analoge Anwendung der für die KG (mit einer juristischen Person iSd § 1 Abs 1 Nr 1 MitbestG als Komplementärin) geltenden Regelung des § 4 MitbestG oder eine entsprechende Anwendung der Konzernvorschrift des § 5 MitbestG auf die Kapitalgesellschaft & Co KGaA zu erfolgen hat, Aktualität verliehen. Der BGH hat in seinem Beschluss jedoch deutlich gemacht, dass er nicht geneigt ist, den Versuchen der Erweiterung der Mitbestimmung auf die Kapitalgesellschaft & Co KGaA zu folgen, weil er dies als außerhalb der Rechtsfortbildungsmöglichkeiten der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegend betrachtet.324 Zu Einzelheiten hierzu s ebenfalls Vor § 287 Rdn 9 ff. VIII. KGaA als verbundenes Unternehmen Schrifttum (Auswahl) Bertram Der Abhängigkeitsbericht der KGaA: Wer ist eigentlich abhängig und wer berichtet?, WPg 2009, 411; Born Die abhängige Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2004; Ehrhardt Die GmbH & Co KG aus konzernrechtlicher Sicht, 1996; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl 2019; Förl Die GmbH & Co. KGaA als abhängiges Unternehmen, Diss Düsseldorf 2003 (https://docserv.uniduesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-2664/664.pdf); Frotscher Die KGaA als Organgesellschaft, Der Konzern 2005, 139; Kessler Die rechtlichen Möglichkeiten der Kommanditaktionäre einer GmbH & Co. KGaA zur Einwirkung auf die Geschäftsführung, 2003; Krause Zum beherrschenden Einfluss des Komplementärs in der KGaA, in: Liber Amicorum Winter, 2011, S 351; Lutter/Bayer (Hrsg) HoldingHandbuch, 5. Aufl 2015; Mertens Abhängigkeitsbericht bei „Unternehmenseinheit“ in der Handelsgesellschaft KGaA?, in: FS Claussen, 1997, S 297; Pfeiffer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als Beteiligte eines Beherrschungsvertrags und einer Eingliederung, 2005; ders Die KGaA im Eingliederungskonzern, Der Konzern 2006, 122; Schaumburg/Schulte Die KGaA, 2000; Strieder Der aktienrechtliche Abhängigkeitsbericht bei der kapitalistischen Kommanditgesellschaft auf Aktien, DB 2004, 799.

1. Konzernrecht der KGaA a) Das anwendbare Recht. Aufgrund der Verweisung aus § 278 Abs 3 auf §§ 15 ff ei- 75 nerseits und kraft der ausdrücklichen Erwähnung der KGaA in §§ 291 Abs 1, 292 Abs 2 andererseits unterliegt die KGaA den allgemeinen Vorschriften über Mehrheitsbeteiligungen, abhängige und herrschende Unternehmen, über Konzerne und Konzernunternehmen (§§ 15 ff) sowie den besonderen Bestimmungen über verbundene Unternehmen (§§ 291 ff).

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So Rdn 42b. Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4.5.1976, BGBl I 1153. Gesetz vom 21.5.1951, BGBl I 347. Gesetz vom 7.8.1956, BGBl I 707. BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 400.

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

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Unerwähnt bleibt die Rechtsform dagegen in den Vorschriften zu Eingliederung (§§ 319 ff). Das ist konsequent, weil sich die KGaA aufgrund der persönlichen Haftung der Komplementäre nicht als einzugliedernde Gesellschaft eignet.325 Eine im Vordringen begriffene Ansicht will hiervon zu Recht eine Ausnahme machen, wenn alle Komplementäre Kapitalgesellschaften sind.326 Auch sind keine Gründe ersichtlich, warum eine KGaA nicht im Wege der erweiternden Auslegung als eingliedernde Gesellschaft zugelassen werden sollte,327 denn die KGaA unterliegt über § 278 Abs 3 in Bezug auf die Aufbringung und Erhaltung ihres Grundkapitals denselben Schranken wie eine AG. Etwaige außenstehende Aktionäre der einzugliedernden AG werden bei einer Eingliederung Kommanditaktionäre der KGaA. Wie die Wertung des § 250 UmwG (= Unanwendbarkeit der zentralen Schutzvorschriften der §§ 207–212 UmwG) zeigt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Aktionäre einer AG die Folgen einer Mehrheitseingliederung in eine KGaA hinzunehmen haben. Ausdrückliche Erwähnung findet die KGaA beim Squeeze-out. Die Hauptversamm75b lung kann auf Antrag eines mit 95% beteiligten Kommanditaktionärs beschließen, dass die Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung aus der KGaA ausgeschlossen werden (§ 327a Abs 1 Satz 1).328 Ein im Zusammenhang mit einer konzerninternen Upstream-Verschmelzung vorgenommener Squeeze-out bedarf sogar nur einer Mehrheit von 90% (§ 62 Abs 5 UmwG).329 Der Beschluss bedarf keiner Zustimmung der Komplementäre, da er ihre Rechtsstellung unberührt lässt (§ 327a Abs 1 Satz 2).330 Den Squeeze-out eines Komplementärs erlaubt die Regelung nicht. 76

b) Unternehmenseigenschaft. Die §§ 311 ff gelten auch für die KGaA (§ 311 Abs 1). Da sie die Begründung eines faktischen Konzerns nicht speziell regeln, sind die allgemeinen Regeln der §§ 15 ff anzuwenden. Die Qualifizierung eines an einer KGaA beteiligten Gesellschafters als herrschendes Unternehmen erfordert zunächst das Vorhandensein eines Unternehmens iSv § 15. Hierunter ist jeder Gesellschafter zu verstehen, wenn er – ohne Rücksicht auf Rechtsform – neben seiner Beteiligung an der Gesellschaft anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen aufweist, die nach ihrer Art und Intensität die ernsthafte Sorge begründen, er könne wegen dieser Bindungen seinen aus

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325 MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 121a; Emmerich/Habersack/Habersack Aktien- und GmbHKonzernrecht9 § 319, 5 mwN; aA aber Pfeiffer S 273; ders Der Konzern 2006, 122 ff, der dies über eine Liquiditätszusage der Hauptgesellschaft an die persönlich haftenden Gesellschafter lösen will. 326 Bürgers/Fett/Fett § 12, 37; Emmerich/Habersack/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 319, 5; Pfeiffer Der Konzern 2006, 122 ff; 4. Aufl Schmolke Vor § 319, 11; aA Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 89 mwN zur bislang hM. 327 Bürgers/Fett/Fett § 12, 38; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 278, 47; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 89; Emmerich/Habersack/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 319, 6; Pfeiffer Der Konzern 2006, 129; 4. Aufl Schmolke Vor § 319, 11; aA KK/Koppensteiner3 Vor § 319, 10; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 22; MünchKomm/Grunewald5 § 319, 5; Hüffer/Koch14 § 319, 4; Spindler/Stilz/Singhof4 § 319, 3; Grigoleit/ Grigoleit/Rachlitz2 § 319, 6. 328 Vgl das die KGaA betreffende Beispiel BGH 16.3.2009 – II ZR 302/06, NZG 2009, 585 (Lindner Holding KGaA), wonach ein Squeeze-out mit Hilfe darlehenshalber überlassener Aktien grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich ist, dazu Schäfer/Dette NZG 2009, 1 ff. 329 Zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out etwa Austmann NZG 2011, 684 ff; Fisch Squeeze-Out, passim; Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 43; Bungert//Wettich DB 2011, 1500 ff; Heckschen NJW 2011, 2390 ff; Hofmeister NZG 2012, 688 ff; Mayer NZG 2012, 561 ff; Neye/Kraft NZG 2012, 681 ff; Schröder/Wirsch ZGR 2012, 660 ff. 330 Daher hat der Hinweis auf die fehlende Notwendigkeit der Zustimmung der Komplementäre nur klarstellenden Charakter, ebenso vgl RegE WpÜG, BT-Drucks 14/7034, S 72.

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der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die Gesellschaft nachteilig ausüben.331 Beschränkt sich die Tätigkeit des Komplementärs oder der Komplementärgesellschaft ausschließlich auf die Beteiligung als Komplementär(in) an der KGaA, so fehlt ihnen die konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft,332 da ein Gleichlauf zwischen den Interessen des Komplementärs bzw der Komplementärin einerseits und denen der KGaA andererseits vorliegt. Der Umstand, dass eine Kapitalgesellschaft alleinige Komplementärin einer KGaA ist, begründet als solches also keine konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft.333 Vergleichbar mit den in ihrer Gesamtheit keineswegs ausgereiften,334 insoweit allerdings weitgehend konsentierten Überlegungen zur konzernrechtlichen Einordnung der GmbH & Co KG, ist der Komplementärgesellschaft allerdings die konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft zuzusprechen, falls sie an anderen operativen Gesellschaften beteiligt ist.335 Das ist insbesondere dann gegeben, wenn eine Gesellschaft Komplementärgesellschaft mehrerer KGaA ist (sog sternförmige Kapitalgesellschaft & Co KGaA).336 Ausreichend ist aber auch jede andere Art einer maßgeblichen Beteiligung an einer anderen Gesellschaft.337 Sofern der Komplementärgesellschaft nach diesen Grundsätzen keine konzernrecht- 77 liche Unternehmenseigenschaft zukommt, weil sie keine eigenständigen unternehmerischen Interessen außerhalb der KGaA verfolgt, könnte gleichwohl daran gedacht werden, den Mehrheitsgesellschafter der Komplementärgesellschaft wegen seiner unterschiedlichen Interessen im Hinblick auf die Komplementärgesellschaft einerseits und die KGaA andererseits als Unternehmen iSd Konzernrechts anzusehen (sofern dieser potentielle Interessenkonflikt nicht bereits dadurch ausgeschlossen ist, dass die Anteilseigner der Komplementärgesellschaft zugleich die Kommanditaktionäre der KGaA stellen et vice versa338). Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Typengemischte Gesellschaften stellen nicht bereits als solche einen Konzerntatbestand dar (su Rdn 82). Deshalb begründet auch die bloße Beteiligung einer Person an der Gesellschaft in verschiedenen Gesellschafterrollen noch nicht die konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft derselben. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die Mehrfachbeteiligung an der typengemischten Gesellschaft in einem dieser Beteiligungsstränge nur vermittelt über die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, vorliegend der Komplementärgesellschaft, erfolgt. Mit der Anerkennung der atypischen Ausgestaltung einer KGaA muss zwangsläufig auch der Umstand akzeptiert werden, dass eine Komplementärgesellschaft nicht ohne Anteilseigner existieren kann. Konzerngefahren treten auch hier erst dann auf, wenn der Mehrheitsgesellschafter der Komplementärgesellschaft neben seiner (mittelbaren) Beteiligung an der KGaA eigene unternehmerische Interessen in Bezug auf andere

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331 BGH 13.10.1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334, 336 ff; BGH 8.5.1979 – KVR 1/78, BGHZ 74, 359, 364 f; BGH 18.6.2001 – II ZR 212/99, BGHZ 148, 123, 125; Hüffer/Koch14 § 15, 10; MünchKomm/Bayer5 § 15, 13. 332 S etwa Born 30 f; Hüffer/Koch14 278, 21; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 90; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 101; Schaumburg/Schulte Rdn 68; Schlitt S 108, 164; Herfs WiB 1997, 688, 690; Joost ZGR 1998, 334, 347; Krause Liber Amicorum Winter, 2011, S 356. 333 Born 30 ff; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 25; aA Strieder DB 2004, 800. 334 S nur Emmerich/Habersack Konzernrecht11 § 33, 5: „noch wenig geklärte(r) Sonderfall“. 335 S die Nachw oben Fn 332; Schaumburg/Schulte Rdn 67 f. Born S 34 interpretiert die Position von Schaumburg/Schulte Rdn 72 dahingehend, dass sie die Unternehmenseigenschaft verneinen. Tatsächlich verneinen sie aufgrund der starken Stellung der Kommanditaktionäre in der KGaA deren Abhängigkeit von einer unternehmerisch handelnden Komplementärin. 336 K Schmidt ZHR 160 (1996) 265, 284 mwN; Schaumburg/Schulte Rdn 68. 337 MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 103. Ebenso Born S 36 ff, der entgegen Mertens in: FS Claussen, 1997, S 297, 298, auch bei der sog „Unternehmenseinheit“ die Komplementärgesellschaft als Unternehmen einordnet. 338 S Ehrhardt S 17 f für die GmbH & Co KG.

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operative Unternehmen verfolgt. Der Mehrheitsgesellschafter der Komplementärgesellschaft ist deshalb auch dann noch nicht als Unternehmen iSd des Konzernrechts anzusehen, wenn die KGaA über keine natürliche Person als Komplementärin verfügt.339 Erst wenn der Mehrheitsgesellschafter auch andere wirtschaftliche Interessen als die der KGaA und ihrer Komplementärin verfolgt, wird die Unternehmenseigenschaft begründet. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschafter seine Beteiligung an der KGaA zusammen mit anderen unternehmerischen Beteiligungen in einer Holding bündelt.340 Außer Frage steht, dass die genannten Grundsätze auch für den Kommanditaktio77a när gelten. Er ist nur dann Unternehmen iSd des Konzernrechts, wenn er neben der Beteiligung an der KGaA kraft maßgeblicher Beteiligung in anderen operativen Unternehmen zusätzliche unternehmerische Interessen verfolgt.341 78

c) Vertragskonzernrecht. Die KGaA kann als herrschendes oder als abhängiges Unternehmen an einem Unternehmensvertrag (Beherrschungsvertrag, Gewinnabführungsvertrag) beteiligt sein (§ 291 Abs 1).342 Sie kann zudem Partner eines Gleichordnungskonzerns sein (§ 291 Abs 2). Zudem stehen der KGaA die anderen Unternehmensverträge iSd § 292 (Gewinngemeinschaft, Teilgewinnabführungsvertrag, Betriebspachtvertrag, Betriebsüberlassungsvertrag) zur Verfügung. Diese Verträge werden grundsätzlich nach den Regeln der §§ 293 ff abgeschlossen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die KGaA bei einem Vertrag mit dem Komplementär oder mit dem, eine Komplementärgesellschaft beherrschenden Gesellschafter durch den Aufsichtsrat vertreten wird.343 Zudem bedürfen die Verträge zusätzlich der Zustimmung sämtlicher, dh auch der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre der KGaA (§ 285 Abs 2 Satz 1), da es sich um ein Grundlagengeschäft handelt.344 Ein vorgängiger Verzicht auf das Zustimmungsrecht ist nicht möglich.345 Allerdings ist die praktische Bedeutung der Unternehmensverträge bei der KGaA sehr gering, denn eine entsprechende Ausgestaltung der Satzung der KGaA erlaubt bereits die Beherrschung durch den Komplementär.346 Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass allein der Umstand, dass eine Kapitalgesellschaft alleinige Komplementärin einer KGaA ist, als solcher noch keinen Konzerntatbestand iSd des Vertragskonzernrechts begründet. 79 Wegen der weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten bei der KGaA stellt sich die Frage, ob nicht bereits in einer Satzung, die vom dispositiven Gesetzesrecht abweicht und damit einer natürlichen oder juristischen Person als Komplementärin der Gesellschaft die Möglichkeit zur Beherrschung derselben eröffnet, ein Beherrschungsvertrag gesehen werden kann.347 Dies lehnt die ganz herrschende Meinung zu Recht ab,348 denn bei dem Beherrschungsvertrag handelt es sich um einen formalisierten, von der Satzung getrennten (diese überlagernden) Vertrag. Wollte man bereits in der Satzung den Beherr-

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339 Ebenso Born 38 f; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 101 f. 340 Born 40 f; Hüffer/Koch14 § 15, 12 mwN. 341 MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 98; Born 41. 342 Statt vieler Born 45, 141 ff; Windbichler § 17, 28. 343 Born S 144, 175, 205. 344 Su § 285 Rdn 61 f sowie Bürgers/Fett/Fett § 12, 13; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 117. 345 Ebenso Pfeiffer S 111 f; unter Hinweis auf die Treuepflicht ebenso Bürgers/Fett/Fett § 12, 14; unter Hinweis auf die – vom BGH aufgegebene – Kernbereichslehre MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 89; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 117; Spindler/Stilz/Bachmann4 90; Born S 145 f (anders aber S 68 f). 346 Bürgers/Fett/Fett § 12, 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 90. 347 So noch 4. Aufl Assmann/Sethe Vor § 278, 83 (die Ansicht wird aufgegeben); ihnen folgend Bürgers/Fett/Fett § 12, 42. 348 Born S 80 ff; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 118; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 28; Pfeiffer S 121 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 90.

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schungsvertrag erblicken, würde die gesetzliche Unterscheidung zwischen vertraglichem und faktischem Konzern verwischt, die Feststellung des Beherrschungsvertrags mit großer Rechtsunsicherheit belastet und das zum Schutz der Gesellschafter vorgesehene Verfahren der §§ 293 ff – zumindest bei der nachträglichen Einführung einer Beherrschung – umgangen. Die mit dem Beherrschungsvertrag verbundene Verbandszweckänderung muss eindeutig feststellbar sein.349 In haftungsrechtlicher Hinsicht ändert sich durch die Anwendung des Vertrags- 80 konzernrechts wenig. Zwar besteht in der Sache ein Unterschied zwischen der Außenhaftung der Gesellschaft als Komplementärin nach § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 128 HGB und der konzernrechtlichen Binnenhaftung nach § 302, doch führt auch letztere nicht zum Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft. Anders verhält es sich, wenn ein Mehrheitsgesellschafter der Komplementärgesellschaft aufgrund der Umstände des Einzelfalls als herrschendes Unternehmen zu qualifizieren ist. Die in diesem Falle den Gesellschafter persönlich treffende konzernrechtliche Haftung macht die Vorteile der Einschaltung einer juristischen Person als Komplementärin der KGaA größtenteils zunichte.350 Die Praxis wird deshalb die Herbeiführung solcher Konstellationen zu meiden suchen oder erwägen, den Mehrheitsgesellschafter mit unternehmerischen Mehrfachinteressen durch Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft aus der Drohung der persönlichen Haftung zu befreien.351 Auswirkungen hat die Anwendung des Vertragskonzernrechts dagegen auf die Kommanditaktionäre, denn diese können Verantwortlichkeitsansprüche gemäß § 309 Abs 4 Satz 1 – und nach umstrittener Ansicht sogar den Verlustausgleichsanspruch analog §§ 309 Abs 4 Satz 1, 317 Abs 4352 – klageweise geltend machen. Der Ersatzanspruch kann auch von Gläubigern geltend gemacht werden, wenn sie keine Befriedigung durch die Gesellschaft erlangen (§ 309 Abs 4 Satz 3 und 4). d) Faktischer Konzern aa) Einfluss eines Komplementärs oder einer Komplementärgesellschaft. Al- 81 lein die konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft einer natürlichen Person als Komplementärin, einer Komplementärgesellschaft oder ggf die Unternehmenseigenschaft ihres Mehrheitsgesellschafters begründen für sich genommen noch keinen Konzerntatbestand. Wegen der an das Vorliegen eines Verhältnisses von herrschendem und abhängigem Unternehmen anknüpfenden, allerdings widerleglichen Konzernvermutung in § 18 Abs 1 Satz 3 kommt diesbezüglich § 17 besondere Bedeutung zu. Die Vermutung des § 17 Abs 2, wonach von einem in Mehrheitsbesitz (iSv § 16) stehenden Unternehmen anzunehmen ist, es sei von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig, ist für die KGaA ungeeignet.353 Denn in der KGaA hängen die Einflussmöglichkeiten auf

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349 Dies zeigt auch die Diskussion um sog „atypische Unternehmensverträge“, vgl MünchKomm/Altmeppen5 § 291, 42 f. 350 Born S 205. 351 Das setzt allerdings voraus, dass die Verwaltung der von der Holding gehaltenen Beteiligungen tatsächlich von dieser und nicht von ihren Anteilseignern, insbesondere dem Mehrheitsgesellschafter, wahrgenommen wird. Ist dies nicht der Fall, bleiben die Holdinggesellschafter bzw der Mehrheitsgesellschafter Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne. S Emmerich/Habersack/Emmerich Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 15, 17; Hüffer/Koch14 § 15, 12 mwN. 352 Str., vgl den Meinungsüberblick bei MünchKomm/Altmeppen5 § 302, 80 ff. 353 Born 60 f; Emmerich/Habersack/Emmerich Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 17, 47; Fett/Stütz NZG 2017, 1129; Hüffer/Koch14 278, 21; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 22; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 98a (in Bezug auf die Kommanditaktionäre) und 105 (in Bezug auf die Komplementäre); Schaumburg/Schulte

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

die Geschäftsführung wegen der Mitwirkungsrechte der beiden Gesellschaftergruppen gerade nicht allein von einem Mehrheitsbesitz der Anteile oder Stimmrechte ab. Hiergegen lässt sich auch nicht vorbringen, man könne doch das Grundkapital und die Sondereinlagen der Komplementäre zusammenrechnen und dann § 17 Abs 2 anwenden. Ein solches Vorgehen übersieht, dass die Sondereinlagen den Komplementären gerade keine Einflussnahmemöglichkeit auf die Geschäftsführung gewähren.354 Es kommt folglich darauf an, ob eine Beherrschung iSd § 17 Abs 1 vorliegt. Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmen (das potentiell herrschende) über gesicherte rechtliche Möglichkeiten verfügt, einem anderen Unternehmen oder dessen Verwaltung Konsequenzen für den Fall anzudrohen, dass man sich nicht dem Willen des herrschenden Unternehmens beugt, so dass sich das abhängige Unternehmen letztlich dem Einfluss des herrschenden Unternehmens nicht entziehen kann.355 Bei der Prüfung des § 17 Abs 1 ist daher auf die gesellschaftsrechtliche Einflussnahmemöglichkeit356 des Komplementärs bzw der Komplementärgesellschaft oder ihres Mehrheitsgesellschafters auf die Geschicke der KGaA abzustellen. Hierbei ist zwischen Gesellschaften mit gesetzlicher vorgegebener Kompetenzaufteilung (s Rdn 82) und solchen mit einer Satzungsgestaltung (s Rdn 83) und zwischen der gesetzestypischen und der atypischen KGaA zu unterscheiden: Die Auffassung, schon die gesetzlich vorgesehene Kompetenzverteilung in der typi82 schen KGaA eröffne als solche die Möglichkeit einer gesellschaftsrechtlich bedingten Beherrschung der KGaA iSd § 17 Abs 1 durch einen Komplementär (ohne dass dieser maßgeblichen Einfluss in der Hauptversammlung besitzt), lässt sich angesichts der Einflussmöglichkeiten der übrigen Komplementäre und der Zustimmungsrechte der Hauptversammlung nur schwerlich vertreten: (1) Sind mehrere Komplementäre vorhanden, ist nach ganz hM bereits das Widerspruchsrecht eines weiteren unabhängigen geschäftsführungsbefugten Komplementärs (§§ 278 Abs 2 AktG, 115 Abs 1 Halbsatz 2 HGB) ausreichend, um die Beherrschungsmöglichkeit der KGaA durch einen anderen auszuschließen.357 Auf das den Komplementären (§§ 278 Abs 2 iVm 161 Abs 2, 116 Abs 2 HGB) und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (§§ 278 Abs 2 iVm 164 Satz 1, Hs 2 HGB) darüber hinaus zustehende Vetorecht bei außergewöhnlichen Geschäften kommt es nach der hM nicht einmal mehr an, doch unterstützt das Vorhandensein dieser Vetorechte das gefundene Ergebnis. (2) Ist dagegen nur ein Komplementär vorhanden, sieht ein Teil des Schrifttums die einzige noch vorhandene Begrenzung der Machtstellung des Komplementärs in dem Vetorecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre bei außergewöhnlichen Geschäften, was nicht ausreiche, um eine Beherrschung zu verneinen.358 Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht, denn sie übersieht, dass die Kommanditaktionäre durchaus eine ganze Reihe weiterer wichtiger Kompetenzen besitzen, die eine vollstän-

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Rdn 71; Schlitt S 108. Anders aber BAG 22.11.1995 – 7 ABR 9/95, AG 1996, 369, 370; BAG 15.12.2011 – 7 ABR 56/10, AG 2012, 632, wonach bei einer GmbH & Co. KG mit einen Komplementär für die Abhängigkeit bereits die mehrheitliche Beteiligung an der Komplementär-GmbH genügt, ohne dass die Satzungsgestaltung der KG geprüft wurde. 354 Born 60 f; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 106. 355 Statt vieler BGH 19.1.1993 – KVR 32/91, BGHZ 121, 137, 146; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 100; kritisch zu dieser Definition Windbichler § 17, 20. 356 Zum Erfordernis der gesellschaftsrechtlichen Prägung des Abhängigkeitsverhältnisses Windbichler § 17, 12, 22 ff; Hüffer/Koch14 17, 8. 357 Unstr, vgl Bürgers/Fett/Fett § 12, 28; Emmerich/Habersack/Emmerich Aktien- und GmbHKonzernrecht9 § 17, 47; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 108. 358 Bürgers/Fett/Fett § 12, 28; Fett/Stütz NZG 2017, 1129; Emmerich/Habersack/Emmerich Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 17, 47; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 93; ebenso noch Hüffer/Koch11 278, 6 („wenn … seine ges. Vormachtstellung nicht durch die Satzung neutralisiert wird“); Adler/Düring/ Schmaltz6, § 17, 84.

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dige Beherrschung der KGaA ausschließen. So müssen sie – neben den schon erwähnten außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen – auch Satzungsänderungen zustimmen. Zudem steht ihnen in Abweichung von § 172 die Kompetenz zur Feststellung des Jahresabschlusses zu (§ 286 Abs 1). Auch haben die Komplementäre in den von § 285 Abs 1 Satz 2 genannten Beschlussgegenständen keine Mitwirkungsmöglichkeit und zwar nicht einmal, wenn sie auch Aktien der KGaA halten. Vergleicht man diese Ausgangslage mit der einer AG, die nur eine Gesellschaftergruppe kennt, reicht ein ausreichend großer Aktienbesitz bei all diesen Beschlussgegenständen für eine Beherrschung aus. Demgegenüber ist die Machtverteilung bei der gesetzestypischen KGaA ohne abweichende Satzungsregelung auf beide Gesellschaftergruppen verteilt. Die Ansicht, die zur Begründung der Beherrschung isoliert auf die Kompetenz der Komplementäre zu Maßnahmen der gewöhnlichen Geschäftsführung abstellt, übersieht dies. Dem Alleinkomplementär ist, anders als dem Mehrheitsaktionär der AG, gerade keine völlige Beherrschung der KGaA möglich, so dass es bei einer KGaA mit gesetzlicher Kompetenzverteilung an einer Beherrschung durch den Komplementär fehlt.359 Gleiches gilt für die atypische KGaA, (3) bei der von mehreren Komplementären einer eine Kapitalgesellschaft oder (4) bei der die einzige Komplementärin eine Kapitalgesellschaft ist. Auch bei diesen Gestaltungen gilt, dass die gesetzliche Kompetenzverteilung als solche keinen beherrschenden Einfluss zu begründen vermag. Infolge dessen kann in dieser Konstellation auch ein Mehrheitsgesellschafter der Komplementärgesellschaft nicht als über die KGaA herrschendes Unternehmen qualifiziert werden. Eine Beherrschung der KGaA durch den Komplementär ist aber im Wege der Sat- 83 zungsgestaltung möglich.360 Die Satzung einer als abhängiges Unternehmen in Frage kommenden Gesellschaft, hier der KGaA, kann so ausgestaltet sein, dass sie einem an der KGaA beteiligten Komplementär eine Beherrschung ermöglicht.361 In diesem Sinne vermag schon die Satzungsgestaltung in der typischen KGaA, je nachdem wie weit die Satzungsautonomie zugunsten der Stärkung der Rechte eines bestimmten Komplementärs genutzt wurde, das Urteil rechtfertigen, ein Gesellschafter könnte, trotz des Vorhandenseins weiterer Komplementäre, einen beherrschenden Einfluss ausüben. Erst recht gilt dies für die atypische KGaA mit einer Komplementärgesellschaft. Denkbar sind etwa die Abbedingung des Widerspruchsrechts anderer geschäftsführungsbefugter Komplementäre, die ausschließende Wahrnehmung der gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäftsführung durch einen Komplementär oder die Abbedingung des Zustimmungsrechts der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. 362 Unschädlich ist es, wenn die eine KGaA beherrschende Komplementärgesellschaft ihrerseits kein Unternehmen iSv § 17 Abs 1 ist, solange der herrschende Anteilsinhaber der Komplementärgesellschaft diese Voraussetzung erfüllt (mittelbare Beherrschung).363

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359 Ebenso Born S 53 f; Förl 64 ff; Kessler S 240; Hüffer/Koch14 278, 21; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 88; MünchKomm/Bayer5 § 17, 127; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 107; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 283, 3; K Schmidt ZHR 160 (1996), 284; wohl auch Windbichler § 17, 28 (Satzungsautonomie bedarf besonderer Beachtung); 4. Aufl Fleischer § 312, 40. 360 Für die KGaA Kessler S 240; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 107 aE; Schlitt S 108; Mertens in: FS Claussen, 1997, S 297; ebenso oben Windbichler § 17, 28. AA Schaumburg/Schulte Rdn 72 f, die generell einen Schutz der Kommanditaktionäre der abhängigen KGaA (per teleologischer Reduktion der konzernrechtlichen Bestimmungen) ablehnen, weil die Kommanditaktionäre bereits über andere Schutzmechanismen hinreichend geschützt seien, und die dementsprechend auch abhängigkeitsbegründende Satzungsregelungen konsequenterweise nicht als relevant einstufen. Hiergegen zu Recht wiederum Born S 34 f; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 27. 361 S Erl bei Windbichler § 17, 31. 362 Vgl hierzu und zu anderen Gestaltungen Born 55 ff. 363 Fett/Stütz NZG 2017, 1129; K Schmidt in: FS Priester, 2007, S 698; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 103.

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Eine Gruppenbildungskontrolle im Stadium der Gründung der KGaA findet über § 280 statt, da alle Gründer die Satzung feststellen (§ 280) und sie daher nicht gegen ihren Willen eine Beherrschungssituation akzeptieren müssen. Die Gründer können sogar in der Satzung Bestimmungen verankern, die eine spätere Beherrschung der KGaA erschweren oder verhindern. Umgekehrt können sie aber auch den Schutz absenken und eine spätere Beherrschung erleichtern. Der Schutz gegen die nachträgliche Entstehung von Abhängigkeit ist – im Vergleich zu dem aus § 280 – nicht ganz so weitreichend. Entspricht die Beschlussfassung in der KGaA der gesetzlichen Regelung, bedürfen Satzungsänderungen der Zustimmung aller Komplementäre und der Hauptversammlung, die mit Drei-Viertel-Mehrheit entscheidet. Gegen den Willen des oder eines Komplementärs kann daher keine Beherrschung entstehen, wohl aber gegen den Willen einer Aktionärsminderheit. Zu deren Schutz greift jedoch die Kernbereichslehre ein364 und es findet eine materielle Beschlusskontrolle statt.365 Eine Entstehung der Beherrschung durch Anteilserwerb ist weitaus schwieriger zu bewerkstelligen als in der AG, denn die Beherrschung geht zumeist von der Position des Komplementärs aus. Die Auswechslung eines Komplementärs jedoch erfordert eine Satzungsänderung mit den soeben geschilderten Grenzen. Einen gewissen Konzerneingangsschutz vermittelt auch das Wettbewerbsverbot des § 284.366 Schließlich kann eine nachträgliche Abhängigkeit auch ohne Satzungsänderung entstehen, wenn der/die mit einer großen Machtfülle ausgestattete Komplementär(gesellschaft) nachträglich zum Unternehmen wird oder nachträglich die Voraussetzungen einer Beherrschung erfüllt sind. Da Veränderungen in der Person des Komplementärs als solches kein Grundlagengeschäft für die KGaA darstellen, besteht außerhalb von § 284 kein Schutz gegen eine nachträgliche Entstehung einer derartigen Beherrschungssituation.367 Anders ist dies, wenn die nachträglich entstehende Beherrschung durch den Komplementär mit einer Änderung des Gesellschaftszwecks oder einer Strukturänderung bei der KGaA einhergeht, die wiederum eine Satzungsänderung erfordern würden. 85 Ist aufgrund der Anwendung der vorstehenden Grundsätze im Einzelfall die Abhängigkeit einer KGaA von einem Komplementär, namentlich einer Komplementärgesellschaft, zu bejahen, so führt dies zur Anwendung der Vorschriften in- und außerhalb des Aktienrechts, die an den Tatbestand verbundener (dh abhängiger und beherrschter) Unternehmen iSd § 16 iVm § 17 oder den Konzerntatbestand des § 18 Abs 1 anknüpfen.368 Vor allem greifen die §§ 311 ff,369 namentlich die Pflicht zum Nachteilsausgleich (§ 311 Abs 2)370 und zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts (§ 312).371 Der Umstand, dass

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364 Ein vorgängiger Verzicht auf das Zustimmungsrecht ist daher nicht möglich, ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 90 (zum Vertragskonzern); aA Born S 68 f. 365 Einzelheiten bei Emmerich/Habersack/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 Vor § 311, 6 mwN. 366 Dazu Born S 76 f. 367 Ausführlich Born S 78 f. 368 S dazu oben Windbichler § 17, 4 ff bzw § 18, 7 ff. 369 Anders dagegen Born S 118 – 140, der in einer sorgfältigen Analyse zu dem Ergebnis kommt, dass die personengesellschaftsrechtliche Komponente der KGaA einen gleichwertigen Schutz bietet und die § 311 ff für die komplementärdominierte KGaA unpassend sind. 370 Statt vieler Bürgers/Fett/Fett § 12, 29 f. 371 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 781; LG Düsseldorf 30.12.2008 – 41 O 102/07, juris; 4. Aufl Fleischer § 312, 40; Bürgers/Fett/Fett § 12, 31; Emmerich/Habersack/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 312, 10; MünchKomm/Altmeppen5 § 312, 23; Hüffer/Koch14 § 312, 5; Schmidt/Lutter/Vetter3 § 312, 10; Spindler/Stilz/Müller4 § 312, 7; Mertens in: FS Claussen, 1997, S 297 f und zum Inhalt des Abhängigkeitsberichts ebd S 299 ff; Strieder DB 2004, 799 ff; Schaumburg/Schulte Rdn 74,

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§ 312 vom „Vorstand“ spricht, steht dem nicht entgegen, denn § 311 erwähnt die KGaA ausdrücklich, weshalb die an ihn anknüpfende Norm des § 312 nicht anders ausgelegt werden kann. Mertens plädiert für eine teleologische Reduktion der Berichtspflicht für den Fall einer sog Unternehmenseinheit, bei der zwar formal eine Beherrschungssituation bestehe, faktisch aber ein Interessengleichlauf zwischen dem herrschenden Komplementär und der beherrschten KGaA über die Satzungsgestaltung hergestellt werde, indem der Komplementär die KGaA bei der aus der seiner unternehmerischen Tätigkeit stammenden Gewinne so stelle, als bestünde keine Beherrschung.372 Ein solch einschränkendes Verständnis von § 17 und § 312 ist abzulehnen, da das Konzernrecht zum einen auf eine abstrakte Gefährdungssituation abstellt und zum anderen auch sonstige Interessenkonflikte neben der Gewinnverwendung bestehen können, die sich ex ante mit der Satzungsregelung nicht aus der Welt schaffen lassen.373 § 312 ist daher auch in einem solchen Fall anzuwenden. Besondere Aufmerksamkeit erfährt auch eine weitere Fallkonstellation: Hat die KGaA nur eine Komplementärin, trifft die Berichtspflicht faktisch diese geschäftsführungsbefugte persönlich haftende Gesellschafterin, die beherrschendes Unternehmen ist. Während § 312 auf die Machtverhältnisse einer abhängigen AG zugeschnitten ist, führt seine Anwendung auf die KGaA dazu, dass faktisch das beherrschende und nicht das beherrschte Unternehmen den Bericht erstellt.374 Dies wiederum hat auch Auswirkungen auf den Inhalt des Berichts, der die gesamte Geschäftsführung des Komplementärs aufzuführen hat. Hieraus und aus dem Umstand, dass der Komplementär über sich selbst zu berichten hat, wird zum Teil abgeleitet, dies mache den Bericht inhaltlich wertlos.375 Man müsse daher ganz auf ihn verzichten376 oder in bestimmten Fällen auf ihn verzichten.377 Dies überzeugt nicht. Vielmehr kann der Bericht seine Funktion trotzdem erfüllen.378 Dies zeigt schon ein Vergleich mit der EinpersonenAG, bei der aus Gläubigerschutzgesichtspunkten ebenfalls ein Abhängigkeitsbericht verlangt wird.379 bb) Einfluss eines Kommanditaktionärs. Entspricht die Satzung der KGaA dem 86 gesetzlichen Modell, beschränken sich die Mitwirkungsrechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre in der Geschäftsführung auf die Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäften (§§ 278 Abs 2 AktG, 164 Satz 1, 116 Abs 2 HGB) und bestimmten wichtigen Entscheidungen (§§ 278 Abs 3, 285, 179). Somit wäre selbst ein Alleinkommanditaktionär nicht in der Lage, die Gesellschaft zu beherrschen. Er kann nur eine „negative Beherr-

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mit kritischer Stellungnahme zu dem von Mertens (aaO, S 299) angenommenen weitreichenden Inhalt des Abhängigkeitsberichts. AA noch Gail WPg 1966, 429; Werner NB 1967 Heft 4, S 12. 372 Mertens in: FS Claussen, 1997, S 297, 300 ff. Sa § 283, 34. 373 Born S 38; KK/Koppensteiner3 § 15, 54; MünchKomm/Bayer5 § 15, 45; MünchKomm/Altmeppen5 § 312, 27; aA KK/Mertens/Cahn3 Vorb § 278, 23; aA auch noch 4. Aufl Assmann/Sethe Vor § 278, 82 aE (Ansicht wird aufgegeben). 374 Born S 132 spricht bildlich von der „Personenidentität von Beeinflusser und Beeinflusstem“. 375 Vgl die Analyse von Born S 128 ff. 376 Förl S 126 f. Vgl auch Born, der zwischen der Beherrschung durch einen Komplementär (kein Abhängigkeitsbericht, S 140) und derjenigen durch einen Kommanditaktionär (Bericht nötig, S 222) differenziert. 377 Mertens in: FS Claussen, 1997, S 297, 302 f; KK/Mertens/Cahn3 Vorb § 278, 26; Heidel/Wichert5 § 278, 69. 378 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 121. Einzelheiten zum Bericht bei Bertram WPg 2009, 411, 412 ff. 379 MünchKomm/Altmeppen5 § 312, 27; Hüffer/Koch14 § 312, 3; Emmerich/Habersack/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 312, 6.

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schung“ durch Blockierung wichtiger Entscheidungen vornehmen,380 was zur Begründung einer Abhängigkeit iSd § 17 Abs 1 nicht ausreicht. Eine Beherrschung durch einen Kommanditaktionär kann daher nur vorliegen, wenn ihm im Wege einer Satzungsregelung umfassende Kompetenzen übertragen werden, so dass er die interne Entscheidungsfindung in der Gesellschaft und Geschäftsführung dominiert oder dass die Stellung der Komplementäre als jederzeit widerruflich ausgestaltet wird.381 2. Konzernrechnungslegung. Der Konzernbegriff des Konzernrechts, wie er sich aus §§ 15 ff ergibt, und derjenige des Konzernbilanzrechts (§§ 290 ff HGB) sind (unstreitig) nicht identisch. Die in § 290 Abs 1 HGB aF enthaltene Aufstellungspflicht aufgrund der einheitlichen Leitung des Unternehmens ist mit der Novelle durch das BilMoG (so Rdn 37, 42b) entfallen. Der Gesetzgeber folgt nun dem international vorherrschenden Control-Konzept. Der Konzernbegriff der §§ 290 ff HGB ist weiter als der konzernrechtliche Be88 griff in § 18, denn zur Aufstellung eines Konzernabschlusses sind auch Unternehmen verpflichtet, die, ohne tatsächlich die einheitliche Leitung über ein anderes Unternehmen auszuüben, ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar kontrollieren können, ohne dass diese Kontrolle jedoch auch ausgeübt werden muss (§ 290 Abs 1 Satz 1 HGB).382 Die einschlägigen Kontrollkriterien sind in § 290 Abs 2 Nrn 1–4 HGB enthalten. Sie gehen auf die Anforderungen der Siebenten Gesellschaftsrechtlichen EGRichtlinie383 (mit Änderungen in der sog Modernisierungs-Richtlinie384) zurück, welche das dem deutschen Konzernrecht fremde, kein Konzernverhältnis voraussetzende sog Control-Konzept verfolgt. Hat eine KGaA die Möglichkeit, das Unternehmen im Sinne eines der Kontrolltatbestände des § 290 Abs 2 Nrn 1–4 HGB zu kontrollieren, so trifft sie die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts. Dagegen erfüllt der Umstand, dass eine Komplementärgesellschaft alleinige Komplementärin einer KGaA ist, als solches regelmäßig nicht die in § 290 Abs 2 Nrn 1–4 HGB aufgeführten Kontrollkriterien. Zu Einzelheiten s § 286 Rdn 49 ff. 87

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3. Mitteilungspflichten über bedeutende und wechselseitige Beteiligungen. Kraft der Verweisung aus § 278 Abs 3 gelten die in §§ 20 f niedergelegten Mitteilungspflichten auch für die KGaA.385 Sofern die Aktien einer KGaA, für welche die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat ist, börsennotiert sind, ist sie Adressat der rechtsformunabhängigen Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten aus §§ 33 ff WpHG (su Rdn 120). Die Pflichten nach dem WpHG verdrängen diejenigen nach §§ 20 f AktG (vgl §§ 20 Abs 8, 21 Abs 5). Zudem unterliegt die KGaA der Mitteilungspflicht nach § 328 Abs 4 über wechselseitige Beteiligungen.

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380 Emmerich/Habersack/Emmerich Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 17, 47. 381 Born 58, 207 ff; Emmerich/Habersack/Emmerich Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 17, 47; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 98a. Zu den Einzelheiten der kommaditaktionärsdominierten KGaA Kessler passim. 382 MünchKommHGB/Busse von Colbe3 § 290, 13. 383 So Rdn 36 Fn 126. 384 Richtlinie 2003/51/EG vom 18.6.2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl EU L 178 vom 17.7.2003, S 16. 385 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 122; Bürgers/Fett/Fett § 12, 43 ff.

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IX. Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel Schrifttum (Auswahl) Austmann Der verschmelzungsrechtliche Squeeze-Out nach dem 3. UmwÄndG 2011, NZG 2011, 684; Bergmann Entsprechende Geltung des § 179a AktG bei der KGaA?, in: FS Vetter, 2019, S 79; Bogenschütz Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine KGaA, in: FS Widmann, 2000, S 163; Bungert//Wettich Der neue verschmelzungsrechtliche Squeeze-Out nach § 62 Abs 5 UmwG nF, DB 2011, 1500; Dauner-Lieb/Simon (Hrsg), KK UmwG, 2009; Fisch Der verschmelzungsrechtliche Squeeze-Out, 2015; Götze Karriereknick eines Fremdkörpers – Zur Nichtanwendbarkeit des § 179a AktG in der GmbH, NZG 2019, 695; Goutier/Knopf/ Tulloch (Hrsg) Kommentar zum Umwandlungsrecht, 1996; Habersack Umwandlung der AG ohne Mitwirkung der Hauptversammlung – Eine Studie zu § 62 UmwG, in: FS Horn, 2006, S 337; Habersack/ Wicke (Hrsg) Umwandlungsgesetz, 2019; Hageböke Umwandlung der Beteiligung des Komplementärs einer KGaA in eine atypisch stille Beteiligung, DB 2010, 1610; Halasz/Kloster/Kloster Umwandlungen von GmbH und GmbH & Co. KG in eine GmbH & Co. KGaA, GmbHR 2002, 310 (I.), 359 (II.); Hartel Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine KG auf Aktien, DB 1992, 2329; Heckschen Die Novelle des Umwandlungsgesetzes – Erleichterungen für Verschmelzungen und Squeeze-out, NJW 2011, 2390; ders Keine analoge Anwendung des § 179a AktG auf die GmbH, AG 2019, 420; Heermann Die Ausgliederung von Vereinen auf Kapitalgesellschaften, ZIP 1998, 1249; Hofmeister Der verschmelzungsrechtliche Squeeze-Out: Wichtige Aspekte und Besonderheiten der Verschmelzung, NZG 2012, 688; Hüren Gesamtvermögensgeschäfte im Gesellschaftsrecht, RNotZ 2014, 77; Kallmeyer (Hrsg) Umwandlungsgesetz, 7. Aufl 2020; Lutter (Hrsg) Umwandlungsgesetz, 6. Aufl 2019; Maulbetsch/Klumpp/Rose (Hrsg) Umwandlungsgesetz, 2. Aufl 2017; Neye Die Reform des Umwandlungsrechts, DB 1994, 2069; Neye/Kraft Neuerungen beim Umwandlungsrecht, NZG 2012, 681; Reiner Formwechsel einer SE in eine KGaA und „vernünftige“ Zweifel an der Auslegung des Art 66 SE-VO, Der Konzern 2011, 135; Sagasser/Bula/Brünger Umwandlungen, 5. Aufl 2017; Semler/Stengel (Hrsg) Umwandlungsgesetz, 4. Aufl 2017; Scheel § 179a AktG – Ein Fremdkörper macht Karriere, in: FS Wegen, 2015, S 297 ff; Schmitt/Hörtnagl/Stratz Umwandlungsgesetz und Umwandlungssteuergesetz, 8. Aufl 2018; Schrick Überlegungen zur Gründung einer kapitalistischen KGaA aus dem Blickwinkel der Unternehmerfamilie, NZG 2000, 409; Ch Schroeder Rechtsprobleme bei der Entstehung einer KGaA durch Umwandlung, 1991; O Schröder/Wirsch Formwechsel und anschließender Squeeze-out, ZGR 2012, 660; Schwedhelm (Hrsg) Die Unternehmensumwandlung, 8. Aufl 2019; Sethe Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer KGaA, ZIP 1998, 1138; Widmann/Mayer Umwandlungsrecht (Stand: Januar 2019); Wulff Die Anwendung des Spruchverfahrens auf gesetzlich nicht geregelte Fälle, 2016.

1. Vorbemerkung. Die Umwandlung, Vermögensübertragung und Verschmelzung 90 unter Beteiligung einer AG/KGaA sind aufgrund des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 28.10.1994386 nicht mehr in den §§ 339 ff, sondern im Umwandlungsgesetz geregelt. Mit der Reform des Umwandlungsrechts sollte eine Vereinheitlichung und Weiterentwicklung des unübersichtlichen Umwandlungs- und Verschmelzungsrechts der verschiedenen Rechtsformen erfolgen, kombiniert mit einer Reform des Umwandlungssteuerrechts.387 Sie diente außerdem dazu, die Rechte der Anteilsinhaber zu stärken und den Tausch oder die Veränderung der Anteile der Überprüfung durch Sachverständige bzw das Gericht zu unterwerfen.388 Mit der Reform wurde zudem die Spaltungs-Richtlinie389 umgesetzt.390 Spätere Änderungen des UmwG dienten

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386 So Rdn 41 mit Fn 143. 387 So Rdn 41 mwN. 388 Zu den Zielen des Umwandlungsrechts s etwa Sagasser/Luke in Sagasser/Bula/Brünger § 3, 1 ff. 389 Sechste Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17.12.1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften ABl EU L 378 vom 31.12.1982, S 47. Sie ist mittlerweile in der Richtlinie (EU) 2017/1132 vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl EU L 169 vom 30.6.2017, S 46, aufgegangen. 390 Zur Entstehungsgeschichte des UmwG s etwa Neye DB 1994, 2069 ff; Bermel in Goutier/Knopf/ Tulloch UmwG Einf, 13 ff; Schaumburg/Rödder Einf, 1.

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ua dazu, innerhalb der EU und des EWR grenzüberschreitende Verschmelzungen zu regeln391 und die Berichts- und Dokumentationspflichten bei Verschmelzungen und Spaltungen zu reduzieren392. Nachfolgend werden die Grundzüge des Umwandlungsrechts in den für die KGaA relevanten Teilen dargestellt. Diese haben in der Praxis eine große Bedeutung (zu den Rechtstatsachen so Rdn 62 aE). 91

2. Verschmelzung. Unter einer Verschmelzung versteht man die Vereinigung der Vermögen mehrerer Rechtsträger im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge unter Ausschluss der Liquidation des/der übertragenden Rechtsträger. Der übertragende Rechtsträger erlischt mit Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers (§ 20 Abs 1 Nr 2 UmwG). Die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung für ihre untergehende Mitgliedschaft Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger. Die Verschmelzung kann durch Aufnahme oder durch Neugründung erfolgen (vgl §§ 2 ff, 78 UmwG). Eine Verschmelzung kann auch unter Beteiligung eines Rechtsträgers aus einem EU-/EWR-Staat (grenzüberschreitende Verschmelzung) erfolgen (§§ 122a ff UmwG). Dabei kann die KGaA jeweils sowohl aufnehmender als auch übertragender oder neuer Rechtsträger sein (§§ 3 Abs 1 Nr 2, 122b Abs 1 Nr 1 UmwG). 393 Die Verschmelzung eines börsennotierten übertragenden Rechtsträgers auf einen nicht börsennotierten Rechtsträger führt zum Erlöschen der Börsennotierung (kaltes Delisting394). Auf Verschmelzungen, an denen eine KGaA beteiligt ist, finden die Vorschriften 92 über die Verschmelzung unter Beteiligung einer AG entsprechende Anwendung (§ 78 Satz 1 UmwG), wobei die vertretungsbefugten Komplementäre an die Stelle des Vorstands der AG treten (§ 78 Satz 2 UmwG).395 Erfolgt die Verschmelzung durch Neugründung einer KGaA, müssen zudem deren Gründungsvoraussetzungen erfüllt sein.396 Insbesondere muss mindestens ein Komplementär und ein Kommanditaktionär vorhanden sein, die jedoch personenidentisch sein können (Einpersonen-KGaA).397 Der Beitritt eines neuen Gesellschafters als Komplementär ist zulässig.398 Zusätzlich bedarf es eines Gründungsberichts und einer Gründungsprüfung (§§ 36 ff, 78 Satz 1, 75 UmwG, §§ 32, 33

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391 Umsetzung der Richtlinie 2005/56/EG vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl EU L 310 vom 22.11.2005, S 1. Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19.4.2007, BGBl I 542. Die Richtlinie ist mittlerweile in der Richtlinie (EU) 2017/1132 vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl EU L 169 vom 30.6.2017, S 46, aufgegangen. Vgl auch die Richtlinie (EU) 2019/2121 vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl EU L 321 vom 12.12.2019, S 1, die bis 31.1.2023 umzusetzen ist. Dazu Bormann/Stelmaszczyk ZIP 2019, 353 ff; M Noack ZGR 2020, 90 ff; Schulte GmbHR 2020, 139 ff; Schollmeyer ZGR 2020, 62 ff; Stelmaszczyk GmbHR 2020, 61 ff. Zu deren mitbestimmungsrechtlichen Folgen Pütz AG 2020, 117 ff. 392 Umsetzung der Richtlinie 2009/109/EG vom 16.9.2009, ABl EU L 259 vom 2.10.2009, S 14 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 11.7.2011, BGBl I 1338. Vgl dazu das in Fn 325 genannte Schrifttum. Die Richtlinie ist mittlerweile in der Richtlinie (EU) 2017/1132 vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl EU L 169 vom 30.6.2017, S 46, aufgegangen. 393 Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 2; Widmann/Mayer/Rieger UmwG § 78, 5 f; vgl auch die Übersicht bei Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 20, 33. 394 Zum Abfindungsangebot an Kommanditaktionäre (nicht aber an Komplementäre, denn deren Mitgliedschaft war nicht handelbar) vgl § 29 UmwG; vgl auch Wulff S 223. 395 Für nicht vertretungsbefugte Komplementäre gilt die Norm nicht, Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 3; Kallmeyer/Marsch-Barner/Oppenhoff7 § 78, 3. 396 Insbes muss an der Gründung ein Komplementär beteiligt sein, Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 6. 397 Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 25; wohl auch Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 6. 398 Ebenso Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 26; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 280, 24 mwN auch zur Gegenansicht.

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Abs 2 AktG), es sei denn, die Verschmelzung erfolgt im Wege einer Übertragung von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft. Die Verschmelzung setzt einen notariell beurkundeten Verschmelzungsvertrag 93 zwischen den beteiligten Rechtsträgern voraus (§§ 4 ff UmwG). Sodann haben die Vertretungsorgane der beteiligten Unternehmen einen Verschmelzungsbericht zu erstatten, sofern nicht alle Gesellschafter der beteiligten Rechtsträger darauf verzichten (§ 8 Abs 1 u 3 UmwG). Der Bericht muss zu allen die Verschmelzung betreffenden Fragen Stellung nehmen. Insbesondere ist das Umtauschverhältnis der Gesellschaftsanteile/Aktien und eine eventuelle Barabfindung zu erläutern. Der Verschmelzungsvertrag ist von Verschmelzungsprüfern zu prüfen (§§ 9 ff, 60, 73 UmwG), sofern nicht alle Gesellschafter der beteiligten Rechtsträger darauf verzichten oder sich alle Anteile des übertragenden Rechtsträgers in der Hand des übernehmenden Rechtsträgers befinden (§§ 9 Abs 2 u 3, 8 Abs 3 UmwG). Die Prüfer erstatten einen Prüfungsbericht darüber, ob das Umtauschverhältnis/die Barabfindung bzw die Gleichwertigkeit der Anteile an den zu verschmelzenden Rechtsträgern angemessen sind (§ 12 UmwG). Der Verschmelzungsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger (§ 13 UmwG). Für eine Verschmelzung unter Beteiligung einer KGaA bedeutet dies, dass sowohl die Hauptversammlung (§§ 13, 78 Satz 1, 62 ff, 76 UmwG) als auch alle Komplementäre zustimmen müssen, wobei die Satzung eine Mehrheitsentscheidung der Komplementäre vorsehen kann (§ 78 Satz 3 UmwG). Eine vollständige Abbedingung des Zustimmungserfordernisses ist jedoch unzulässig,399 da andernfalls die Rechtsstellung der Komplementäre und damit ihr Risiko ganz ohne ihren Willen verändert werden könnte. Sofern das Zustimmungserfordernis der Kommanditaktionäre nach § 62 Abs 1 oder Abs 4 UmwG entfällt, gilt dies nicht auch für das Zustimmungserfordernis der Komplementäre.400 Anschließend ist die Verschmelzung zum Handelsregister anzumelden (§ 16 UmwG). Mit der Eintragung wird die Verschmelzung wirksam (§ 20 UmwG). Ist die KGaA übertragender Rechtsträger, stellt sich die Frage, wie mit der mitglied- 94 schaftlichen Stellung des Komplementärs umzugehen ist. Ist dieser nicht vermögensmäßig an der KGaA beteiligt, scheidet er aus, sofern die neue Rechtsform keine vergleichbare Stellung kennt.401 Kennt sie eine solche, ist im Verschmelzungsvertrag zu regeln, ob der Komplementär auch in der neuen Rechtsform als solcher beteiligt sein soll.402 Ist er mit einer Sondereinlage beteiligt, soll nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung mit der Verschmelzung ein Anspruch der persönlich haftenden Gesellschafter auf Rückzahlung einer geleisteten Sondereinlage entstehen.403 Diese Ansicht übersieht, dass die persönlich haftenden Gesellschafter an der aufnehmenden Gesellschaft Anteile erwerben und damit gerade nicht automatisch ausscheiden.404 Ihre gesamte Vermögensbeteiligung an der KGaA, also auch die Sondereinlage, ist bei der Bewertung und Zuteilung neuer Anteile zu berücksichtigen. Da die Vermögenseinlagen jedoch der personengesellschaftsrechtlichen Komponente der KGaA (§ 278 Abs 2) zuzurechnen und nicht

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399 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 78, 8; Kallmeyer/Marsch-Barner/Oppenhoff7 § 78, 5; Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 280, 23. 400 Habersack in: FS Horn, 2006, S 337, 350; Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 4; Kallmeyer/MarschBarner/Oppenhoff7 § 78, 4. 401 Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 71; Kallmeyer/Marsch-Barner/Oppenhoff7 § 78, 8; Semler/Stengel/ Perlitt4 § 78, 23; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 280, 24 mwN auch zur Gegenansicht. 402 Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 71; Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Westerburg UmwG8 § 78, 7; Semler/ Stengel/Perlitt4 § 78, 21. 403 Kallmeyer/Marsch-Barner/Oppenhoff7 § 78, 8; Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 8; Schmitt/Hörtnagl/ Stratz/Westerburg UmwG8 § 78, 8. 404 Vgl auch § 29 Abs 1 UmwG. Ebenso Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 78, 12.

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zugunsten der Gesellschaftsgläubiger gebunden sind, unterfallen sie der Satzungsautonomie. Insgesamt eröffnen sich den Gesellschaftern damit drei Wege: (1) Sie können vorse95 hen, dass die Sondereinlagen anlässlich der Verschmelzung zurückbezahlt405 oder in ein Darlehen406 umgewandelt werden. Sollen die Einlagen nicht zurückgezahlt werden, ist zu differenzieren: (2) Falls die übernehmende bzw neu gegründete Gesellschaft ebenfalls eine KGaA ist, muss der Verschmelzungsvertrag vorsehen, dass die Einlagen in eine Sondereinlage bei der aufnehmenden Gesellschaft umgewandelt werden407. Möglich ist auch die Umwandlung in eine Beteiligung auf das Grundkapital408: Sofern bereits die übertragende KGaA eine Satzungsbestimmung enthält, die die Umwandlung der Sondereinlage in Grundkapital erlaubt, ist diese vor der Verschmelzung zu nutzen; ohne eine solche Bestimmung richtet sich die Umwandlung der Sondereinlage in Grundkapital nach den Sacheinlagevorschriften.409 (3) Ist die übernehmende bzw neu gegründete Gesellschaft keine KGaA, muss für die Sondereinlage eine „Entschädigung“ in Form von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft gewährt werden.410 Die Gegenansicht411 argumentiert, das UmwG sehe nur den Tausch von „Anteilen“ vor und ordne die mitgliedschaftliche Stellung des Komplementärs nicht als solchen ein. Wäre dies zutreffend, gäbe es keine Umwandlung von einer Personengesellschaft in eine AG. Entscheidend ist die Veränderung der mitgliedschaftlichen Stellung. Da die Sondereinlage gerade Teil dieser mitgliedschaftlichen Stellung ist, muss sie bei der Verschmelzung berücksichtigt werden. 96 Die persönlich haftenden Gesellschafter unterliegen der zeitlich begrenzten Nachhaftung für die Verbindlichkeiten, die zum Zeitpunkt der Verschmelzung bestanden (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 159, 160 HGB). Es bedarf keiner analogen Anwendung von § 45 UmwG.412 97

3. Spaltung. Das bei der Spaltung einzuhaltende Verfahren413 gleicht dem der Verschmelzung, allerdings mit der Maßgabe, dass der wirtschaftliche Vorgang in entgegengesetzter Richtung verläuft: Statt einer Vermögensvereinigung durch Verschmelzung gibt ein Rechtsträger sein Vermögen oder Teile davon an andere Rechtsträger ab. Drei Arten der Spaltung sind möglich: Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung (§ 123 Abs 1–3 UmwG). Bei der Aufspaltung löst sich der bisherige Rechtsträger auf und überträgt sein Vermögen auf mehrere neue Rechtsträger. Die bisherigen Gesellschafter erhalten für den abgespaltenen Vermögensteil Mitgliedschaftsrechte an der übernehmenden

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405 3. Aufl Schilling § 354, 5; Godin/Wilhelmi4 § 354, 2; Widmann/Mayer/Rieger UmwG § 78, 23; Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 78, 14; im Ergebnis ebenso Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 8 mwN. 406 KK/Kraft2 § 354, 5 f. 407 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 78, 13; 3. Aufl Schilling § 354, 5; Godin/Wilhelmi4 § 354, 2; Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 71; Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 8 mwN; Kallmeyer/Marsch-Barner/ Oppenhoff7 § 78, 7; Semler/Stengel/Perlitt4 § 78, 22; im Ergebnis auch KK/Kraft2 § 354, 6. 408 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 78, 13; KK/Kraft2 § 354, 6; 3. Aufl Schilling § 354, 5; Godin/Wilhelmi4 § 354, 2; Kallmeyer/Marsch-Barner/Oppenhoff7 § 78, 8; Widmann/Mayer/Rieger UmwG § 78, 23; zurückhaltend aber Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 8 f mwN. 409 Kallmeyer/Marsch-Barner/Oppenhoff7 § 78, 8; Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Westerburg UmwG8 § 78, 8. 410 Widmann/Mayer/Rieger UmwG § 78, 24; Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 78, 12 f; 3. Aufl Schilling § 354, 10; Semler/Stengel/Perlitt4 § 78, 26 ff, teilweise abweichend KK/Kraft2 § 354, 5 f. 411 Lutter/Grunewald UmwG6 § 78, 9 mwN; Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Westerburg UmwG8 § 78, 8. 412 Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Westerburg UmwG8 § 78, 5; Kallmeyer/Marsch-Barner/Oppenhoff7 § 78, 4; aA Semler/Stengel/Perlitt4 § 78, 32; Lutter/Grunewald6 § 78, 10. 413 Systematische Darstellung bei Sagasser in Sagasser/Bula/Brünger § 18, 118 ff (Allg), 126 ff (Aufspaltung/Abspaltung), 179 ff (Ausgliederung).

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oder neu gegründeten Gesellschaft. Bei der Abspaltung und der Ausgliederung bleibt der bisherige Rechtsträger dagegen bestehen und gibt nur Vermögensteile an einen oder mehrere andere Rechtsträger ab. Bei der Abspaltung fließt die Gegenleistung (Mitgliedschaftsrechte an der übernehmenden oder neu gegründeten Gesellschaft) an die bisherigen Anteilsinhaber, bei der Ausgliederung dagegen an den bisherigen Rechtsträger selbst. Die drei Formen der Spaltung können entweder zur Aufnahme eines Vermögens(teils) auf bereits bestehende Rechtsträger (sog Spaltung zur Aufnahme, s Rdn 98) oder aber zur Übertragung eines Vermögens(-teils) auf einen neu zu gründenden Rechtsträger erfolgen (sog Spaltung zur Neugründung, s Rdn 99). Dabei kann die KGaA sowohl übertragender als auch übernehmender oder neuer Rechtsträger sein (§§ 124, 3 UmwG). Auf die Spaltung anzuwenden sind die Regelungen der Verschmelzung mit Ausnahme der in § 125 UmwG genannten Normen, wozu insbesondere die Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verschmelzung gehören. Für die KGaA enthält das UmwG darüber hinaus Spezialvorschriften (§§ 141 – 146 sowie §§ 125, 78, 60 ff UmwG, wobei § 75 Abs 2 UmwG durch § 144 UmwG verdrängt wird). Die Spaltung zur Aufnahme setzt einen Spaltungs- und Übernahmevertrag voraus, 98 dessen Mindestinhalt in § 126 UmwG festgelegt ist. Die vertretungsbefugten Organe der beteiligten Rechtsträger erstellen einen Spaltungsbericht (§ 127 UmwG), der insbesondere das Umtauschverhältnis der Anteile und den Maßstab für die Aufteilung sowie eine eventuelle Barabfindung rechtlich und wirtschaftlich erläutern muss. Erforderlich ist eine Spaltungsprüfung (§§ 125, 60 Abs 1 UmwG). Für die AG und KGaA stellen die §§ 141 ff UmwG darüber hinaus weitere Voraussetzungen auf. So kann eine Spaltung frühestens zwei Jahre nach Gründung der Gesellschaft erfolgen (§ 141 UmwG). Die Geschäftsleitung muss die Gesellschafter über alle wesentlichen wirtschaftlichen Veränderungen informieren, die zwischen der Erstellung des Spaltungsberichts und der Beschlussfassung über die Spaltung eingetreten sind (§§ 125, 64 Abs 1 UmwG). Die Spaltung ist zum Handelsregister des/der übernehmenden Rechtsträger und des übertragenden Rechtsträgers anzumelden (§§ 129 f UmwG). Sie wird mit Eintragung wirksam (zu den Wirkungen im Einzelnen § 131 UmwG). Die Spaltung zur Neugründung setzt die wirksame Gründung des übernehmenden 99 Rechtsträgers nach den jeweils einschlägigen verbandsrechtlichen Vorschriften (§ 135 Abs 2 UmwG) sowie einen Gründungsbericht und die Gründungsprüfung voraus (§§ 144, 159 Abs 2 UmwG; §§ 32, 33 Abs 2 AktG). Im Übrigen gelten die vorstehend angeführten Erfordernisse der Spaltung. Da der potentielle Vertragspartner eines Spaltungsvertrags allerdings erst noch gegründet werden muss, tritt an die Stelle des Spaltungs- und Übernahmevertrags der Spaltungsplan (§ 136 UmwG). Zudem ist auf die verhältnissparende Spaltung zur Neugründung die Erleichterung des § 143 UmwG nicht anzuwenden.414 Die Anmeldung zum Handelsregister richtet sich nach § 137 UmwG. Führt eine der Mitbestimmung unterliegende Gesellschaft eine Abspaltung oder 100 Ausgliederung durch, unterliegt sie auch weiterhin, für die Dauer von fünf Jahren, der Mitbestimmung, selbst wenn durch die Abspaltung oder Ausgliederung die Zahl der Beschäftigten unter die gesetzlichen Mindestgrenzen fällt (§ 325 Abs 1 UmwG). Diese Übergangsregelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Zahl der Arbeitnehmer auf weniger als ein Viertel der Mindestbeschäftigungszahlen absinkt. Mit dieser Ausnahme zur Übergangsregelung wollte der Gesetzgeber die Bildung eines vielköpfigen Aufsichtsrats bei einem Kleinunternehmen vermeiden.415 In Bezug auf die betriebliche Mitbe-

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Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 154 f. Neye DB 1994, 2069 mwN.

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stimmung sieht § 325 Abs 2 UmwG vor, dass bei Wegfall von Rechten des Betriebs oder Betriebsrats deren Fortgeltung durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag vereinbart werden kann. 101

4. Vermögensübertragung. Für die KGaA findet über § 278 Abs 3 die allgemeine Vorschrift des § 179a Anwendung,416 der die Übertragung des gesamten Vermögens der Gesellschaft regelt, falls nicht die §§ 174 ff UmwG zur Anwendung kommen. § 179a normiert eine grundlegende verbandsrechtliche Wertungsentscheidung, wonach die Verpflichtung zur Übertragung des gesamten Vermögens ein strukturänderndes Grundlagengeschäft darstellt, der Kompetenzbereich der Geschäftsführung beschränkt und die Zuständigkeit stattdessen den Aktionären zugewiesen ist.417 Die Übertragung bedarf folglich eines Beschlusses der Hauptversammlung mit satzungsändernder (oder größerer) Mehrheit. Gemäß § 285 Abs 2 Satz 1 ist zudem die Zustimmung der Komplementäre erforderlich. Diese Zustimmung kann durch eine Mehrheitsentscheidung ersetzt werden, wobei allerdings die im Personengesellschaftsrecht anerkannten Grenzen der Mehrheitsherrschaft zu beachten sind (Kernbereichslehre und Treuepflicht418). Ein völliger Ausschluss des Zustimmungsrechts ist unzulässig.419 Diese Zuständigkeitsverteilung ergab sich bereits vor Erlass des UmwG von 1994 ausdrücklich aus § 361 Abs 1 aF, der vom Regelungsgehalt mit dem heutigen § 179a Abs 1 übereinstimmt. Mit der Überführung des § 361 Abs 1 aF in § 179a Abs 1 wurde die Formulierung „oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien“ gestrichen, doch sollte nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Überführung der Norm vom vierten in das erste Buch des AktG keine inhaltliche Änderung einhergehen.420 Die Streichung beruhte allein auf dem Umstand, dass § 179a ohnehin über § 278 Abs 3 anwendbar ist und die KGaA daher im ersten Buch nie erwähnt wird und werden muss.421 Mit der Vorschrift des § 179a wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Aktionäre auch im Falle des Vorhandenseins einer, die Vermögensübertragung bereits abdeckenden Satzungsregelung dennoch über die Vermögensübertragung mitbestimmen dürfen.422 Das Zustimmungserfordernis sollte also zwingend, die notwendige Mehrheit einseitig zwingend sein. Überträgt man diese Erwägungen auf die KGaA, muss man zunächst feststellen, dass Vermögensübertragungen an sich als Grundlagengeschäfte gelten,423 die der Zustimmung beider Gesellschaftergruppen bedürfen. Man kann § 179a nun auf zwei Arten verstehen: Zum einen kann man sie als gesetzliche Klarstel-

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416 OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 784; Bachmann in: FS Marsch-Barner, 2018, S 17; Bayer/Lieder/Hoffmann AG 2017, 717, 718; Bürgers/Fett/Reger § 5, 171; Bürgers/Körber/Körber4 § 179a, 2; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 278, 43; Fett/Förl NZG 2004, 210, 213 f; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 116; Grigoleit/Ehmann1 § 179a, 2 (nicht mehr thematisiert in der Folgeaufl); MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 95; § 278, 180, 267; Philbert S 182 f; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 278, 39; Sethe S 115, 152 Fn 190; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 67; so auch noch Hüffer/Koch13 § 179a, 25. 417 Bayer/Lieder/Hoffmann AG 2017, 717, 718. Zur Normentwicklung Scheel in: FS Wegen, 2015, S 297 ff. 418 Dazu im Einzelnen oben 60, § 285, 69 ff. 419 So für sämtliche Grundlagengeschäfte auch MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 51. 420 RegE UmwBerG, BR-Drucks 75/94 S 177 („wie dies der bisherigen Rechtslage entspricht“). 421 Bergmann in: FS Vetter, 2019, S 79, 81, meint hingegen, man könne den Materialien gerade nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber auf die Erwähnung der KGaA verzichtet habe, weil § 179a über § 278 Abs 3 gelten solle. Damit verkennt er den Umstand, dass der Gesetzgeber in steter Regelmäßigkeit in den Materialien vergisst, die Auswirkungen einer Änderung des ersten Buchs des AktG auf die KGaA zu erwähnen. Betrachtet man die Ausführungen des Gesetzgebers zu allen drei Absätzen, wird deutlich, dass er nur redaktionelle Anpassungen vorgenommen hat, nicht aber materielle Änderungen. 422 RegE UmwBerG, BR-Drucks 75/94 S 177. 423 AA aber Bergmann in: FS Vetter, 2019, S 79, 87, der hierunter nur interne Geschäfte versteht, die den Gesellschaftsvertrag selbst betreffen. Er übersieht dabei, dass der Verkauf des Gesellschaftsvermögens diese Ebene aber gerade berührt.

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lung einordnen, wonach zwingend die Hauptversammlung zu beteiligen ist, auf den Vorgang aber – weil es sich um ein Grundlagengeschäft handelt – im Übrigen Personengesellschaftsrecht anwendbar ist.424 In diesem Fall wäre auch eine in der Satzung enthaltene, antizipierte Zustimmung der Hauptversammlung zulässig. Zum anderen kann man sie – was wesentlich überzeugender ist – als konstitutive Norm verstehen, mit der Vermögensübertragungen aus dem Kreis der Grundlagengeschäfte herausgelöst und spezialgesetzlich geregelt werden sollten. § 179a zählt nach dem Willen des Gesetzgebers und seiner systematischen Stellung zu den Satzungsänderungen, für die bei der KGaA einheitlich die Regeln der §§ 179–181 gelten. Die Gegenansicht kommt zu dem Ergebnis, dass die §§ 179–181 nur gelten sollen, wenn es sich um die Kommanditaktionäre betreffende Fragen der KGaA handelt (§ 278 Abs 3), nicht hingegen, wenn es die personengesellschaftsrechtliche Seite der Reform betrifft. Dass für die Frage der formellen Änderung der Verfassung einer Rechtsform zwei verschiedene Regelungsregime gelten sollen, ist aber nicht einleuchtend (s § 278 Rdn 99, 99a, 181 f). Folglich finden die gemäß §§ 278 Abs 3, 23 Abs 5 zwingenden Mehrheitserfordernisse des § 179a Abs 1 Anwendung und eine Zustimmung der Hauptversammlung darf nicht antizipiert werden. Hieran ändert die Entscheidung des BGH425, wonach § 179a nicht analog für die GmbH gilt, nichts,426 denn die Kompetenzen der Hauptversammlung der KGaA ergeben sich zwingend aus §§ 278 Abs 3, 285, so dass bei der KGaA die Frage einer Analogie von vornherein gar nicht zur Debatte steht. Man kann § 179a als Fremdkörper begreifen, weil er den Verkehrsschutz beeinträchtigt, indem er der Geschäftsführung die Vertretungsmacht für bestimmte Geschäfte entzieht. Dann aber ist es Aufgabe des Gesetzgebers, dies für die AG und die KGaA einheitlich zu ändern. Nicht überzeugen kann der Versuch, die unstreitig über § 278 Abs 3 auf die KGaA anzuwendenden §§ 179–181 willkürlich aufzuspalten und isoliert § 179a „wegzuinterpretieren“. Im Übrigen sei abschließend auf Folgendes hingewiesen: Der Verkehrsschutz wird in der aktienrechtlichen Praxis nicht beeinträchtigt, da die Unternehmensleitung gerade wegen § 179a vorsorglich die Aktionäre in die Entscheidung über Vermögensveräußerungen einbindet, selbst wenn sie Zweifel hat, ob § 179a im konkreten Fall einschlägig ist.427 Ist dies wirklich so ein Hindernis, wenn der Agent seinen Prinzipal bei wichtigen Transaktionen vorab um Zustimmung bittet? Eine gute Corporate Governance erfordert dies meines Erachtens. Weiterhin wird übersehen, dass es bei der KGaA zwei Gesellschaftergruppen gibt und ein Interessengleichlauf zwischen ihnen keineswegs selbstverständlich sein muss.428 Daher ist der Schutz der Kommanditaktionäre umso notwendiger. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der Verkehrsschutz seinerseits kein unantastbares Gut darstellt, wie etwa die §§ 311b Abs 3, 1365, 1368 BGB bei Verfügungen über das Vermögen als Ganzes zeigen. Die darin liegende Gefährdung erfordert besondere, auch im Außenverhältnis wirkende Verfahrensregeln.

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424 Kessler NZG 2005, 145, 148. Weitergehend Bergmann in: FS Vetter, 2019, S 79 ff, der innerhalb des Personengesellschaftsrechts bei Grundlagengeschäften ein dem § 179a entsprechenden Schutz ablehnt. 425 BGH 8.1.2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 = NZG 2019, 505; aus der Vielzahl der Anm etwa Götze NZG 2019, 695 ff; Heckschen AG 2019, 420 ff. 426 Anders jetzt aber Hüffer/Koch14 § 179a, 25; Bergmann in: FS Vetter, 2019, S 79 ff sowie zuvor bereits Kessler NZG 2005, 145, 148 (§ 278 Abs 2 anwendbar). 427 Vgl die rechtstatsächliche Untersuchung von Bayer/Lieder/Hoffmann AG 2017, 717 ff. 428 Dies unterstellt aber Bergmann in: FS Vetter, 2019, S 79, 91 („Bei geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschaftern, die für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich haften, dürfte in der Regel eher gewährleistet sein, dass sie schon im eigenen Interesse auf eine angemessene Vertragsgestaltung dringen werden, als beim nicht zwingend an der Gesellschaft selbst beteiligten Vorstand einer Aktiengesellschaft“).

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In diesem Zusammenhang nicht einschlägig sind die Grundsätze der sog Holzmüller-Doktrin,429 wonach wesentliche, einer faktischen Satzungsänderung nahekommende Entscheidungen (im Fall Holzmüller die Ausgliederung wesentlicher Vermögensteile) zwingend der Hauptversammlung vorzulegen sind. Die Befürworter einer Anwendung der Doktrin auch auf die KGaA430 argumentieren sehr stark ergebnisorientiert und messen faktisch der Unterscheidung von § 278 Abs 2 und dessen Abs 3 keinen Wert zu. Sie verkennen, dass die Geschäftsführung der KGaA bei Grundlagenentscheidungen und außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen bereits nach §§ 285 Abs 2 Satz 1, 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 116 Abs 2 HGB die Zustimmung beider Gesellschaftergruppen einholen muss. Die bei der AG von der Holzmüller-Doktrin erfassten Entscheidungen stellen zweifellos bei der KGaA Grundlagengeschäfte dar, so dass die Gesamtheit der Kommanditaktionäre und die – im Schrifttum zu dieser Frage oft unerwähnt gebliebenen – nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre auch ohne Anwendung der Holzmüller-Doktrin an der Entscheidung zu beteiligen sind.431 Folglich spielt es für die KGaA auch keine Rolle, ob man die Doktrin – wie es der BGH zunächst tat – auf § 119 Abs 2 stützt oder ob man sie als offene Rechtsfortbildung bezeichnet432 – wie es der BGH heute tut. Der BGH sah sich gezwungen, das Recht der AG fortzubilden und die dort fehlende Kategorie der Grundlagengeschäfte für strukturverändernde Maßnahmen unterhalb der Ebene der Satzungsänderung einzuführen; eines solchen Kunstgriffs bedarf es bei der KGaA nicht, da sie bereits Grundlagengeschäfte kennt. Wenn überhaupt, käme eine Anwendung der Doktrin nur in Betracht, falls in der Satzung der gesetzliche Regelfall eines Zustimmungsvorbehalts der Hauptversammlung abbedungen wurde, die Zustimmung also antizipiert erteilt wurde. Aber auch in diesem Fall bedarf es keines Rückgriffs auf die Doktrin: Die Regelungsmaterie gehört zu den von § 278 Abs 2 erfassten Rechtsbeziehungen der Komplementäre zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre, so dass die personengesellschaftsrechtlichen Grenzen der Vertragsfreiheit anzuwenden sind.433 So kann das Recht der nichtgeschäftsführungsbefugten Komplementäre und/oder der Gesamtheit der Kommanditaktionäre auf Zustimmung zu Grundlagengeschäften in der Satzung ausgeschlossen werden, wenn die Nachteile, die aus einer Vermögensübertragung erfolgen, bereits ausreichend absehbar sind.434 Zu beachten ist jedoch stets die Treuepflicht, die es im Einzelfall gebietet, trotz der Satzungsregelung eine strukturändernde Maßnahme der

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429 BGH 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff; BGH 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 = NZG 2004, 571 (Gelatine I); BGH 26.4.2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575 (Gelatine II); BGH 20.11.2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, 234. Die Holzmüller-Doktrin wurde bestätigt durch BVerfG 7.9.2011 – 1 BvR 1460/10, NZG 2011, 1379. 430 Bachmann in: FS Marsch-Barner, 2018, S 17; Henssler/Strohn/Arnold4 § 278, 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 71, § 285, 71 ff; Ihrig/Schlitt S 65; Koch DB 2002, 1701, 1702 ff; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 21; Schaumburg/Schulte Rdn 60; Schlitt S 157; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 278, 39; Vollertsen S 111 ff; obschon im Zusammenhang mit der GmbH & Co KGaA erörtert, wohl auch Heermann ZGR 2000, 61, 70 f. Unentschieden Heidel/Wichert5 § 278, 36. 431 S § 278 Rdn 123, § 285 Rdn 17. Gegen die Anwendung der Holzmüller-Doktrin auch OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 783 ff; Bürgers/Fett/Reger § 5, 91 f; Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1381; Fett/Förl NZG 2004, 210 ff; Gaibler S 42 f; Grigoleit/Servatius2 § 278, 10, § 283, 30; HoffmannBecking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 286 f; Hüffer/Koch14 § 278, 17a; Kessler S 220; Kessler NZG 2005, 148; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 57, 67, 69; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 53; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 181; Pfeiffer S 247 ff, 277; Philbert S 194, 200; Sethe S 148 f (missverstanden von MünchKomm/Perlitt5 181 Fn 167); im Ergebnis auch Bürgers/Fett/Fett § 3, 19; Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 79. 432 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 285, 71 leitet die Doktrin aus einer Parallele zu Strukturänderungen ab und will daher § 278 Abs 3 anwenden. 433 Ebenso Sethe S 148 f. 434 Bürgers/Fett/Reger § 5, 19, 92; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 51.

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Hauptversammlung und den nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären vorzulegen.435 Im Ergebnis sind daher, auch ohne Heranziehung der Holzmüller-Doktrin, die Hauptversammlung und die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre zu beteiligen. Da dies gleichermaßen für die Publikums-Kapitalgesellschaft & Co KGaA gilt, ist für die Anwendung der Holzmüller-Doktrin auch in diesem Falle kein Bedarf.436 Da es sich bei Grundlagengeschäften um einen Beschlussgegenstand handelt, der keine formelle Satzungsänderung darstellt, entscheidet die Hauptversammlung mit der einfachen Mehrheit des § 133 (s § 278 Rdn 53, 99).437 Dies stellt einen Unterschied zur Holzmüller-Doktrin dar, bei der die hM eine satzungsändernde Mehrheit verlangt.438 Ein weiterer Unterschied der beiden Ansichten betrifft die Vertretungsmacht der geschäftsführungsbefugten Komplementäre. Diese erstreckt sich nicht auf Grundlagengeschäfte der KGaA, so dass die Geschäfte ohne Zustimmung der Mitgesellschafter nicht wirksam und die Gesellschafter damit gegen Eigenmächtigkeiten der vertretungsbefugten Komplementäre geschützt sind.439 Bei der AG hat der BGH dagegen festgestellt, dass die Vertretungsmacht des Vorstands besteht und die Verletzung der Holzmüller-Doktrin daher nur Folgen im Innenverhältnis hat.440 Dieser rechtsformspezifische Unterschied zwischen AG und KGaA ist zu begrüßen, sind doch die von der Unternehmensleitung ausgeschlossenen Gesellschafter im Ergebnis sogar besser geschützt als bei der AG. Dies ist angesichts der im Vergleich zum Vorstand der AG stärkeren Stellung der geschäftsführungsbefugten Komplementäre eine konsequente Begrenzung ihrer Befugnisse. 5. Formwechsel a) Allgemeines. Die §§ 190 ff UmwG regeln den Formwechsel,441 wobei die KGaA 103 sowohl formwechselnder als auch neuer Rechtsträger sein kann (§ 191 Abs 1 Nr 2, Abs 2 Nr 3 iVm § 3 Abs 1 Nr 2 UmwG). Der Formwechsel bewirkt nur eine Änderung der Rechtsform unter Beibehaltung der Identität des Rechtsträgers. Eine Übertragung von Vermögenswerten findet nicht statt. Anders als der inländische Formwechsel hat der Formwechsel ins Ausland und vom Ausland keine Regelung im UmwG erfahren. Der EuGH hat jedoch in der Rechtssache „Vale“442 klargestellt, dass aufgrund der Niederlassungsfreiheit auch grenzüberschreitende Formwechsel zulässig sind.443 Dabei muss der Satzungssitz in den Zielmitgliedstaat verlegt werden. Das UmwG regelt den Formwechsel nicht abschließend. Vielmehr können Formwech- 104 sel auch kraft Gesetzes stattfinden, wie beim Formwechsel aufgrund des Ausscheidens des letzten Komplementärs (vgl § 289 Rdn 147) oder im Falle der Anwachsung, wenn eine neu gegründete KGaA einer Personengesellschaft beitritt, deren andere Gesellschafter an-

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435 Bürgers/Fett/Reger § 5, 92; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 33, 69; Fett/Förl NZG 2004, 210 ff; im Ergebnis auch OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 783 ff und Grigoleit/Servatius2 § 278, 10, die einen völligen Ausschluss des Mitspracherechts der Kommanditaktionäre verneinen. 436 Anders, allerdings ohne Beachtung der vorstehenden Überlegungen, Ihrig/Schlitt S 65 Fn 144; Heermann ZGR 2000, 61, 70 f. 437 MünchKomm/Perlitt5 § 278, 182. 438 Statt vieler Hüffer/Koch14 119, 29. 439 BGH 8.2.1952 – I ZR 92/51, NJW 1952, 537 (zur KG); Baumbach/Hopt/Roth39 § 126, 3; MünchHdB OHGv.Ditfurth5 § 54, 7; MünchKommHGB/Schmidt4 § 126, 19, 13. 440 BGH 26.4.2004 – II ZR 155/02, NZG 2004, 573 (Gelatine I); BGH 26.4.2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 578 (Gelatine II). 441 Systematischer Überblick bei Sagasser/Luke in Sagasser/Bula/Brünger § 26, 1 ff, 19. 442 EuGH 12.7.2012 – C-378/10, NZG 2012, 871. 443 Ebenso jetzt OLG Nürnberg 19.6.2013 – 12 W 520/13, ZIP 2014, 128; Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 172.

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schließend austreten.444 Als Alternative zu einem Formwechsel nach dem UmwG steht zudem die Sachgründung einer KGaA durch Einbringung eines Unternehmens als Sacheinlage auf das Grundkapital oder als Sondereinlage der Komplementäre zur Verfügung.445 Die Umwandlung erfordert die Erstellung eines Umwandlungsberichts, den das 105 vertretungsbefugte Organ erstellt und der die Umwandlung rechtlich und wirtschaftlich erläutert (§ 192 UmwG). Des Weiteren bedarf die Umwandlung eines Umwandlungsbeschlusses der Anteilsinhaber (§§ 193, 217, 233, 240 ff, 252 UmwG). Die inhaltlichen Anforderungen an den Beschluss sind in §§ 194, 218, 234, 243, 253 UmwG geregelt. Neben den Vorschriften des UmwG sind die jeweils einschlägigen Gründungsbestimmungen der neuen Rechtsform zu beachten (§ 197 UmwG). Wechselt eine Gesellschaft in die Rechtsform der KGaA, sind daher gemäß §§ 219 f, 245 UmwG die aktienrechtlichen Gründungsund Kapitalschutzbestimmungen anwendbar. Die Umwandlung ist zum Handelsregister anzumelden und öffentlich bekannt zu machen (§§ 198 ff UmwG). Mit der Eintragung ist die Umwandlung wirksam. Sie hat zur Folge, dass der Rechtsträger in der neu gewählten Rechtsform weiterbesteht und die Anteilsinhaber an dieser neuen Rechtsform beteiligt sind (§ 202 Abs 1 Nr 1 u 2 UmwG). b) Besonderheiten beim Wechsel in die Rechtsform der KGaA. Beim Wechsel in eine KGaA, sind zwei Themen relevant, nämlich die Übernahme der Stellung eines Komplementärs und die Beteiligung am Grundkapital: (1) Wechselt eine Personen- oder Kapitalgesellschaft in die Rechtsform einer KGaA, müssen diejenigen Gesellschafter, die die Stellung eines Komplementärs ein- und damit die persönliche Haftung übernehmen sollen, dem Formwechsel zustimmen (§§ 217 Abs 3, 240 Abs 2, 262 Abs 2, 275 Abs 3, 303 Abs 2 Satz 1 UmwG).446 Gleiches gilt für Dritte, die der neuen Gesellschaft als Komplementäre beitreten wollen (§§ 218 Abs 2, 221, 240 Abs 2 Satz 2, 303 Abs 2 Satz 1 UmwG). Die Zustimmung ist notariell zu beurkunden (§§ 240 Abs 2 Satz 2, 221 UmwG. Die Komplementäre der durch Umwandlung entstandenen KGaA haften für bestehende Verbindlichkeiten des Unternehmens persönlich (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 128 bzw 130 HGB).447 (2) Wechselt eine GmbH in die Rechtsform einer KGaA, wird das bisherige Stamm107 kapital zum Grundkapital der KGaA (§ 247 Abs 1 UmwG). Da die KGaA zwingend einen Komplementär benötigt, übernimmt diese Stellung entweder einer der Gesellschafter der GmbH oder eine an der Ausgangsgesellschaft nicht beteiligte Person tritt als Komplementär bei (§ 218 Abs 2, 240 Abs 2 Satz 2 UmwG). Im ersten Fall ist der Komplementär zugleich Kommanditaktionär, da sein bisheriger GmbH-Anteil in Aktien umgewandelt wird. Soll er dagegen eine Sondereinlage erhalten, kommt wegen § 247 Abs 1 keine Umwandlung des GmbH-Anteils in eine Sondereinlage in Betracht; vielmehr ist eine Kapitalherabsetzung notwendig, um das für die Sondereinlage erforderliche Kapital freizusetzen.448 Im zweiten Fall, also dem Beitritt eines neuen Gesellschafters als Komplementär (vgl dazu § 221 UmwG), kann dieser sich auf die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter beschränken und erhält in diesem Fall keine Kommanditaktien.449 Wechselt eine AG in die Rechtsform der KGaA, gilt das soeben Gesagte entsprechend. Zu beachten ist dabei § 250 UmwG, wonach die Pflicht zur Unterbreitung eines Barangebots an dem Umwandlungsbeschluss widersprechende Gesellschafter

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MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 12. MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 12. Lutter/Göthel UmwG6 § 240, 10. Lutter/Göthel UmwG6 § 247, 24. MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 14. Dies übersehen Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 175.

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

(§§ 207–212 UmwG) entfällt, da die Stellung der Aktionäre und der Kommanditaktionäre sich nicht grundlegend unterscheidet. c) Besonderheiten beim Wechsel einer KGaA in eine andere Rechtsform. Die KGaA kann sich in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in eine Personenhandelsgesellschaft, in eine Kapitalgesellschaft sowie in eine eingetragene Genossenschaft umwandeln (§ 226 UmwG).450 Neben einem Hauptversammlungsbeschluss (§§ 193, 217, 233, 240 ff, 252 UmwG) erfordert die Umwandlung auch die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 233 Abs 3 Satz 1, 240 Abs 3 Satz 1, 252 Abs 3 UmwG). Die genannten Normen dienen der Klarstellung, da sich das Erfordernis der Zustimmung der Komplementäre bereits aus § 285 Abs 2 Satz 1 AktG ergibt. § 233 Abs 3 Satz 2 UmwG sieht bei Wechsel in einer Personengesellschaft die Zustimmung aller Komplementäre der KGaA vor (ausser bei Wechsel in eine KG).451 Beim Wechsel in eine andere Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft ist ebenfalls die Zustimmung der Komplementäre der bisherigen KGaA erforderlich. Allerdings kann die Satzung eine Mehrheitsentscheidung innerhalb der Komplementäre vorsehen (§§ 240 Abs 3 Satz 2, 252 Abs 3 UmwG); sie kann das Zustimmungserfordernis aber nicht gänzlich abbedingen.452 Die Zustimmungserklärungen sind notariell zu beurkunden (§ 193 Abs 3 Satz 1 UmwG).453 Da die Komplementäre auch Aktien besitzen dürfen, ist es denkbar, dass sie in ihrer Eigenschaft als Komplementäre der Umwandlung zustimmen und in ihrer Eigenschaft als Kommanditaktionäre der Umwandlung widersprechen, um die Möglichkeit zu haben, als Aktionäre aus der Gesellschaft auszuscheiden. Hierin liegt kein missbräuchliches Verhalten,454 da nur auf diesem Wege ein Ausscheiden mit Abfindung erreicht werden kann. Anders ist dies im umgekehrten Fall, wenn ein aktienbesitzender Komplementär bei der Beschlussfassung der Aktionäre für den Formwechsel stimmt, seine Zustimmung als Komplementär aber verweigert.455 Das UmwG enthält weitere Besonderheiten, die der Tatsache Rechnung tragen, dass die KGaA zwei Gesellschaftergruppen kennt. Wandelt sich eine KGaA in eine Personengesellschaft um, kann jeder Komplementär wählen, ob er seine Rechtsstellung in der neuen Rechtsform beibehält oder mit der Umwandlung seinen Austritt aus der Gesellschaft verbindet (§ 233 Abs 3 Satz 3 UmwG), der mit Wirksamwerden des Formwechsels vollzogen wird (§ 236 UmwG). Dieses den Komplementären zustehende Wahlrecht ist dem Umstand geschuldet, dass der Wechsel von der Kapitalgesellschaft zur Personengesellschaft die Qualität der Stellung als persönlich haftender Gesellschafter stark verändern kann, da der persönlichen Haftung bei der Kommanditgesellschaft eine größere Bedeutung zukommt als bei der KGaA, bei der das Grundkapital die dominierende Haftungsmasse ist. Will ein Komplementär dennoch in der neuen Gesellschaft die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters übernehmen, muss er dem Formwechsel zustimmen (§ 233 Abs 2 Satz 3 UmwG). Die Zustimmung nach § 233 Abs 3 ersetzt nicht die Zustimmung nach Abs 2 Satz 3.456

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450 Systematische, alle Umwandlungsformen einbeziehende Übersicht bei Schwedhelm Rdn 2043 ff. 451 Lutter/Göthel UmwG6 § 233, 78. 452 Sethe S 134; Lutter/Göthel UmwG6 § 240, 15, § 252, 10; Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Westerburg UmwG8 § 240, 5; Laumann in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 233, 31. 453 Einzelheiten bei Lutter/Göthel UmwG6 § 233, 79 f. 454 Lutter/Göthel UmwG6 § 233, 76, § 240, 17. 455 Lutter/Göthel UmwG6 § 240, 17. 456 Laumann in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 233, 32; Lutter/Göthel UmwG6 § 233, 74.

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Wandelt sich eine KGaA in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform oder eine eingetragene Genossenschaft um, scheiden die Komplementäre automatisch aus (§§ 247 Abs 3, 255 Abs 3 UmwG). Diese Regelung ist zwingend, da GmbH, AG und eG keine persönlich haftenden Gesellschafter kennen.457 Den Komplementären steht für den Verlust ihrer Rechtsstellung eine Abfindung gemäß § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, 738 ff BGB zu, falls sie eine Vermögenseinlage iSv § 281 Abs 2 erbracht haben oder an den stillen Reserven der KGaA beteiligt waren.458 Die Entnahmebeschränkung des § 288 Abs 1 findet keine Anwendung.459 Der Abfindungsanspruch richtet sich gegen die Gesellschaft. Die Abfindung ist in bar zu zahlen. Sofern der Komplementär einverstanden ist und die Gesellschaft ihr Kapital entsprechend erhöht, kann die Gesellschaft die Abfindung jedoch auch in Form von Anteilen oder Aktien vornehmen. Umgekehrt kann der ehemalige Komplementär aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht einen Anspruch auf eine solche Anteilsinhaberschaft in der neuen Gesellschaft herleiten.460 Widersprechenden Anteilsinhabern ist nach §§ 207 ff UmwG eine Barabfindung 113 anzubieten, deren Wert dem Gesellschaftsanteil entsprechen muss. Der widersprechende Gesellschafter kann gegen die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses nicht mit der Begründung klagen, die Abfindung sei zu niedrig (§ 210 UmwG). Stattdessen sieht das Gesetz ein Spruchverfahren vor (§§ 305 ff UmwG). Diese für alle Rechtsformen geltende Regelung findet nach § 227 UmwG keine Anwendung auf die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA. Sofern die Satzung Mehrheitsentscheidungen vorsieht,461 darf einem der Umwandlung widersprechenden Komplementär keine Barabfindung angeboten werden. Vielmehr ist er gemäß § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, 738 ff BGB abzufinden. Außerdem steht ihm in jedem Fall das Recht zu, die Höhe seiner Abfindung gerichtlich überprüfen zu lassen; § 210 UmwG findet insoweit keine Anwendung. § 227 UmwG trägt damit der hervorgehobenen Stellung der Komplementäre innerhalb der KGaA Rechnung. Gem §§ 227, 250 UmwG gelten die Vorschriften der §§ 207–212 UmwG auch nicht 114 für die Umwandlung einer AG in eine KGaA und umgekehrt. Grund hierfür ist die Erwägung des Gesetzgebers, dass die Rechtsstellung der Aktionäre sich nicht in einem Umfange verändert, dass ihnen ein Ausscheiden aus der AG gegen Abfindung angeboten werden müsste.462 In der Einladung zur Hauptversammlung und im Umwandlungsbericht mit seinem Entwurf des Umwandlungsbeschlusses bedarf es daher keines Abfindungsangebots an die Aktionäre. Die Komplementäre haften für die zum Zeitpunkt der Umwandlung bestehen115 den Verbindlichkeiten der KGaA auf die Dauer von fünf Jahren (§§ 237, 249, 257 UmwG iVm § 224 UmwG). Dies gilt selbst dann, wenn sie in der neuen Rechtsform wieder der Geschäftsführung angehören (§ 224 Abs 5 UmwG). Im Ergebnis entspricht diese Nachhaftung der Regelung in § 160 Abs 1 u 2 HGB.

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457 Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Westerburg UmwG8 § 247, 5; Lutter/Göthel UmwG6 § 247, 18, § 255, 8; Laumann in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 247, 14. Falls die Komplementäre auch Aktien besaßen, können sie „gewöhnliche“ Gesellschafter der neuen Rechtsform sein. 458 Lutter/Göthel UmwG6 § 247, 19; Sethe ZIP 1998, 1138, 1142. 459 Vgl hierzu und zum Folgenden Lutter/Göthel UmwG6 § 247, 19 mwN. 460 Laumann in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 247, 14. AA Widmann/Mayer/Rieger UmwG § 247, 43 f; Lutter/Göthel UmwG6 § 247, 18. 461 Die ist nach § 240 Abs 3 Satz 2 UmwG möglich. 462 Lutter/Göthel UmwG6 § 250, 1 ff; Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Westerburg UmwG8 § 250, 1; kritisch Laumann in Goutier/Knopf/Tulloch UmwG § 250, 3 f.

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

X. Kapitalmarktrecht Schrifttum (Auswahl) Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR) Stellungnahme zu dem Entwurf eines geänderten Corporate Governance Kodex vom 25. Oktober 2018, AG 2019, 123; Hopt/Leyens Der Deutsche Corporate Governance Kodex 2020 – Grundsatz- und Praxisprobleme, ZGR 2019, 929; Johannsen-Roth/Kießling Die unzureichende Beachtung der rechtsformspezifischen Besonderheiten der KGaA in der jüngeren Gesetzgebung und im Corporate Governance Kodex, in: FS Marsch-Barner, 2018, S 273; Scholz Das Übernahme- und Pflichtangebot bei der KGaA, NZG 2006, 445; Schlitt/Winzen Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) – eine attraktive Rechtsform für börsennotierte Unternehmen?, CFL 2012, 261; Vollertsen Corporate Governance der börsennotierten KGaA, 2019; Wulff Die Anwendung des Spruchverfahrens auf gesetzlich nicht geregelte Fälle, 2016.

1. Listing und Delisting. Einer der Hauptvorteile der KGaA ist die Möglichkeit eines 116 Börsenzugangs (so Rdn 50–52). Werden ihre Aktien öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen, ist die KGaA eine börsennotierte Gesellschaft iSv §§ 278 Abs 3, 3 Abs 2, so dass die für solche Gesellschaften geltenden aktienrechtlichen Besonderheiten Anwendung finden. Weiterhin gelten die eine Börsennotierung voraussetzenden kapitalmarktrechtlichen Regeln. Hier sind zunächst die allgemeinen Zulassungsanforderungen (§§ 32 ff BörsG) zu nennen. Weiterhin ist die aus Art 3 Abs 1 ProspektVO463 folgende Prospektpflicht zu erwähnen, die nach Art 11 ProspektVO, §§ 8 ff WpPG haftungsbewehrt ist. Sie erfordert Angaben zu Name, Geschäftsanschrift der persönlich haftenden Gesellschafter sowie zu deren Stellung beim Emittenten und zu den wichtigsten Tätigkeiten, die sie neben der Tätigkeit beim Emittenten ausüben, sofern diese für den Emittenten von Bedeutung sind (vgl Anhang I Nr 12.1 lit b), Anhang 3 Nr 8.1 lit b), Anhang 6 Nr 9.1. lit b), Anhang 7 Nr 9.1 lit b), Anhang 8 Nr 8.1. lit b), Anhang 9 Nr 6.1. lit b), Anhang 24 Nr 4.1.1 lit b) und Anhang 25 Nr 4.1.1 lit b) der Delegierten VO 2019/980464). Die noch von § 18 Nr 3 BörsZulVO aF verlangte Angabe über die Struktur des persönlich haftenden Gesellschafters und die von den gesetzlichen Regelungen abweichenden Bestimmungen der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags sind nach dem Wortlaut der ProspektVO nicht ausdrücklich verlangt. Um jedoch dem potentiellen Anleger ein zutreffendes Gesamtbild der Gesellschaft zu vermitteln, sind die innere Struktur der KGaA und die mit ihr verbundenen besonderen Risiken zu beschreiben.465 Ob es bei einer börsennotierten KGaA zum Schutze der (potentiellen) Kommanditaktionäre einer Inhaltskontrolle der Satzung durch die Börsenzulassungsstellen bedarf, war streitig, konnte sich aber zu Recht nicht durchsetzen.466 Davon zu trennen ist die – in Anlehnung an die Rechtsprechung zu den Publikumskommanditgesellschaften

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463 Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG, ABl EU L 168 vom 30.6.2017, S 12. 464 Delegierte Verordnung (EU) 2019/980 der Kommission vom 14.3.2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Aufmachung, des Inhalts, der Prüfung und der Billigung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 809/2004 der Kommission, ABl EU L 166 vom 21.6.2019, S 26. 465 Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 73 ff; weniger streng hingegen Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 97; Schlitt/Winzen CFL 2012, 271, die diese Angaben lediglich vorsorglich empfehlen. 466 Vgl die Wiedergabe der Diskussion bei Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 32 ff; Spindler/Stilz/ Bachmann4 278, 99 mwN.

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

vorgeschlagene – gerichtliche Inhaltskontrolle zum Schutz des Anlegerpublikums, auf die an anderer Stelle eingegangen wird (dazu § 278 Rdn 7, 118). Eine KGaA, die ihre Aktien aus dem regulierten Markt vollständig zurückziehen oder 117 in den Freiverkehr downlisten möchte,467 muss den Kommanditaktionären ein DelistingErwerbsangebot unterbreiten (§ 39 Abs 2 Satz 3 Nr 1 BörsG).468 Da die Beteiligungen als Komplementäre nicht notiert sind, werden sie vom Delisting nicht betroffen und werden folglich auch nicht von dem Erwerbsangebot erfasst. Anders als bei dem üblichen Erwerbsangebot (§§ 10 ff WpÜG) darf das Angebot an die Aktionäre nicht unter Bedingungen erfolgen und Wertpapiere sind als Gegenleistung ausgeschlossen (§ 39 Abs 3 Satz 1 und 2 BörsG). Darüber hinaus gelten die ansonsten nur für Übernahme- und Pflichtangebote verbindlichen Mindestpreisvorschriften; dabei kommt es auf einen volumengewichteten Sechs-Monats-Durchschnittskurs an. Aus Gründen des Anlegerschutzes muss der Bieter dafür sorgen, dass das Delisting erst zum Ende der Annahmefrist des Delisting-Erwerbsangebots wirksam wird. Ein Delisting-Erwerbsangebot ist hingegen nicht zu unterbreiten, wenn die Aktien noch an einer anderen inländischen Börse notiert sind oder an einer Börse innerhalb der EU/des EWR, sofern diese ebenfalls ein Delisting-Erwerbsangebot kennt (§ 39 Abs 2 Satz 3 Nr 2 BörsG). Zur Situation beim kalten Delisting so Rdn 91. 2. Börsenfolgepflichten. Für die börsennotierte KGaA bzw deren Finanzinstrumente gelten sämtliche an eine Börsenzulassung geknüpften gesetzlichen (und selbstverständlich auch kraft Börsenordnung bestehenden) Folgepflichten. Zu nennen sind zunächst die Publizitätspflichten. Gemäß §§ 114 ff WpHG ist die Gesellschaft zur Erstattung eines Jahres- und eines Halbjahresfinanzberichts sowie eines Zahlungsberichts verpflichtet. Neben diese periodische Transparenz tritt die Pflicht zur Ad-hocPublizität von Insiderinformationen (§ 26 Abs 1 WpHG, Art 17 VO (EU) Nr 596/2014), wie etwa Wechsel oder Ausscheiden von geschäftsführenden Komplementären. Die bei der AG regelmäßig diskutierte Frage der Ad-hoc-Publizität von mehrstufigen Entscheidungen tritt bei der KGaA seltener als bei der AG auf, da die geschäftsführenden Komplementäre zumeist ohne Zustimmung des Aufsichtsrats handeln können; relevant werden kann die Frage freilich bei der Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen und bei der Feststellung des Jahresabschlusses.469 Die von persönlich haftenden Gesellschaftern vorgenommenen Eigengeschäfte in 119 Aktien der KGaA unterfallen der Offenlegungsvorschrift für Directors Dealings (§ 26 Abs 2 WpHG, Art 19 VO (EU) Nr 596/2014). Anders als bei § 15a Abs 2 WpHG aF werden die persönlich haftenden Gesellschafter zwar nicht mehr ausdrücklich erwähnt, unterfallen aber der Definition der „Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt“ (Art 3 Abs 1 Nr 25 lit a VO Nr 596/2014).470 Von der Geschäftsführung ausgeschlossene Komplementäre sind hingegen keine Organmitglieder iSv Art 3 Abs 1 Nr 25 lit a). Sie können daher nur offenlegungspflichtig sein, wenn sie sog „Senior Executives“ iSv Art 3 Abs 1 Nr 25 lit b VO

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467 Gesellschaftsrechtlich handelt es sich beim Delisting um ein außergewöhnliches Geschäft, Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 203, und bedarf – ohne abweichende Satzungsbestimmung – daher der Zustimmung aller Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. 468 Zum Delisting infolge einer Umstrukturierung Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 214 ff. 469 Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 93 ff. 470 Assmann/Schneider/Mülbert/Sethe/Hellgardt Wertpapierhandelsrecht7 Art 19 MAR, 29; Fett/Stütz NZG 2017, 1129 f; Hüffer/Koch14 § 278, 23; Schwark/Zimmer/Kumpan/Grütze Kapitalmarktrecht5, Art 19 MAR, 62; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 102; von der Linden DStR 2016, 1039; aA aber noch Buck-Heeb Kapitalmarktrecht8 Rdn 484; Kumpan AG 2016, 449, die nur auf den veränderten Wortlaut abstellen ohne zu sehen, dass die Komplementäre bei der KGaA die Aufgaben der Unternehmensleitung wahrnehmen.

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

Nr 596/2014 sind. Dieser Personenkreis ist nur erfasst, wenn er Zugang zu Insiderinformationen hat und entscheidungsbefugt ist; der bloß leichtere Zugang zu Insiderinformationen reicht gerade nicht, um als Führungskraft im materiellen Sinne eingestuft zu werden.471 Auch geht die von Art 19 VO Nr 596/2014 bezweckte Indikatorwirkung für den Markt nicht von der Übernahme der persönlichen Haftung aus, sondern von der Übernahme der Organstellung, die unternehmerische Entscheidungen ermöglicht und regelmäßigen Zugang zu Insiderinformationen erlaubt.472 Dies kommt in der Regelung der VO Nr 596/2014 nun auch deutlicher zum Ausdruck als im § 15a Abs 2 WpHG aF, da letzterer noch pauschal alle persönlich haftenden Gesellschafter erwähnte und daher teleologisch reduziert werden musste, während Art 19 VO Nr 596/2014 nun eine konkrete Subsumtion unter die Voraussetzungen von Art 3 Abs 1 Nr 25 lit a VO Nr 596/2014 erfordert. Folglich waren und sind von der Geschäftsführung ausgeschlossene Komplementäre nicht offenlegungspflichtig. Dies gilt trotz des Umstands, dass sie im Einzelfall bei der Beschlussfassung über außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen oder Grundlagengeschäfte mitwirken, denn dies begründet weder eine Stellung in der Unternehmensleitung noch verschafft es ihnen regelmäßigen Zugang zu Insiderinformationen. Ist eine Kapitalgesellschaft geschäftsführungsbefugte Komplementärin, ist sie als Organmitglied der KGaA meldepflichtig. Gleiches gilt aber auch für die Organmitglieder der geschäftsführungsbefugten Komplementärin, die die unternehmerische Leitung der KGaA vornehmen und bei ihr Zugang zu Insiderinformationen haben und damit als „Senior Executives“ der KGaA gelten.473 Als Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, gelten auch die Mitglieder des Aufsichtsrats der KGaA (Art 3 Abs 1 Nr 25 lit a VO Nr 596/2014), auch wenn diese bei der KGaA weniger Einfluss auf die Unternehmensführung haben als bei der AG. Die KGaA unterliegt schließlich der Pflicht zur Mitteilung, Veröffentlichung und 120 Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils von Kommanditaktien (§§ 33 ff WpHG). Da die Stellung als Komplementär kein Stimmrecht in der Hauptversammlung vermittelt (§ 285 Abs 1 Satz 1), kann der Komplementär nur meldepflichtig werden, wenn er sich auch als Aktionär beteiligt. Unerheblich für § 33 WpHG ist dabei der Umstand, dass er das Stimmrecht aus diesen Aktien in bestimmten Fällen nicht ausüben kann (§ 285 Abs 1 Satz 2).474 Im Einzelfall kann auch der Komplementär der Mitteilungspflicht unterliegen.475 Weitere Zulassungsfolgepflichten ergeben sich aus §§ 48 ff WpHG, ohne dass sich 121 allerdings in Bezug auf die Rechtsform der KGaA Besonderheiten ergeben. Die Verbote des Insiderhandels (§ 119 Abs 3, 120 Abs 14 WpHG, Art 14 VO (EU) 122 Nr 596/2014) gelten – da jedermann erfassend (vgl Art 8 Abs 4 und 5 VO (EU) Nr 596/ 2014) – auch für die KGaA und ihre Organmitglieder. Auch die präventiv wirkende Pflicht zur Führung von Insiderlisten (Art 18 VO (EU) Nr 596/2014) gilt für die KGaA. Anzuwen-

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471 Assmann/Schneider/Mülbert/Sethe/Hellgardt Wertpapierhandelsrecht7 Art 19 MAR, 29; KK WpHG/ Heinrich2 § 15a, 40; Diekgräf Directors’ Dealings, 2017, S 209; Hower-Knobloch Directors’ Dealings, 2007, S 73; Schwark/Zimmer/Kumpan/Grütze Kapitalmarktrecht5, Art 19 MAR, 66; aA Fuchs/Pfüller WpHG2 § 15a, 58b; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 92; zweifelnd auch Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 115a, die unter Vorsichtsgesichtspunkten zur Meldung raten. 472 AA Fuchs/Pfüller WpHG2 § 15a, Fn 127; Schwark/Zimmer/Zimmer/Osterloh Kapitalmarktrecht4, § 15a, 53. 473 Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 115b; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 92; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 102; Assmann/Schneider/Mülbert/Sethe/Hellgardt Wertpapierhandelsrecht7 Art 19, 30. 474 Assmann/Schneider/Mülbert/Schneider Wertpapierhandelsrecht7 § 33, 32; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 100. 475 Vgl zu § 33 Abs 1 Nr 1 WpHG MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 93; Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 132.

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den ist auch das Verbot der Marktmanipulation (§ 120 Abs 15 Nr 2 WpHG, Art 15 VO (EU) Nr 596/2014). Auch wenn der Kodex die KGaA nicht ausdrücklich erwähnt und der Gesetzgeber sie 123 bei der Schaffung von § 161 nicht erwähnt hat,476 geht die ganz hM davon aus, dass die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zum Corporate Governance Kodex477 (§ 161 AktG) auch auf börsennotierte KGaA anzuwenden ist.478 Der Umstand, dass sich die Geschäftsführung nach Personengesellschaftsrecht richtet (§ 278 Abs 2), steht dem nicht entgegen, denn § 161 zählt zu den Rechnungslegungsvorschriften (§§ 150 ff), für die § 278 Abs 3 gilt (su § 286 Rdn 31). Dies hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber erkannt und nachgebessert (vgl § 289f Abs 2 Nr 1, Abs 3 HGB). Der Kodex nimmt auf die Besonderheiten der KGaA keine Rücksicht479 und ist daher entsprechend angepasst anzuwenden.480 Auf die KGaA anzuwenden ist auch der bereits erwähnte § 289f HGB (vgl § 289f Abs 3), so dass die von der Norm erfassten Gesellschaften eine Erklärung zur Unternehmensführung abgeben müssen. 124

3. Übernahmerecht. Auf die börsennotierte KGaA anwendbar ist zudem das Übernahmerecht (§§ 1, 2 Abs 3 WpÜG). Dabei hat der Gesetzgeber die Vorschriften des WpÜG allerdings auf Aktiengesellschaften ausgerichtet (vgl etwa die §§ 1 Abs 2, 3 Abs 3, 10 Abs 5, 11 Abs 2 Satz 3 Nr 3, 14 Abs 4, 16 Abs 3 und 4, 27, 33, 33a–33d, 39b Abs 5 WpÜG, die sich an den „Vorstand“ der Zielgesellschaft wenden) und die Besonderheiten der KGaA vergessen. Dies beruht sicherlich nicht auf dem Umstand, dass die Rechtsform eine gewisse Übernahmeresistenz aufweist (so Rdn 51).481 Ursache ist vielmehr, dass der Gesetzgeber sie schlicht wieder einmal vergessen hat. Die Regelungen des WpÜG sind daher im Einzelfall daraufhin zu überprüfen, ob sie auf die KGaA passen und deren Eigenheiten berücksichtigen. Eine erste Besonderheit findet sich beim Kontrollbegriff. § 29 Abs 1 WpÜG definiert 125 ein Übernahmeangebot als auf den Erwerb von Kontrolle gerichtetes Angebot. Gemäß § 29 Abs 2 WpÜG liegt eine Kontrolle beim Halten von mindestens 30% der Stimmrechte der Zielgesellschaft vor. Mit diesem Schwellenwert trägt der Gesetzgeber den durchschnittlich niedrigen Hauptversammlungspräsenzen bei der AG Rechnung. In einer KGaA ist jedoch mit der Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung allein keine Kontrolle möglich, weshalb einzelne Autoren der Meinung waren, dass § 29 WpÜG auf die KGaA nicht anzuwenden sei mit der Folge, dass es bei ihr keine Übernahmeangebote,

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476 RegE TransPuG, BT-Drucks 14/8769, S 21 f. 477 Zur Neufassung des Kodex am 23.1.2020 etwa Bachmann ZHR 2020, 127 ff; Hohenstatt/Seibt ZIP 2019, 11 ff; Hopt/Leyens ZGR 2019, 929 ff. 478 Erstmals Bayer/Renner AG 2008, R 212; ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 94; Kremer ua/Bachmann Deutscher Corporate Governance Kodex7 Rdn 90; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 142; K Schmidt in: FS Priester, 2007, S 691, 703; Schmidt/Lutter/Spindler3 § 161, 17; Spindler/Stilz/Beyer/Scholz4 § 161, 34; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 103; Schlitt/Winzen CFL 2012, 272; Vollertsen S 190 ff; jetzt auch Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 106 ff; aA Johannsen-Roth/Kießling in: FS Marsch-Barner, 2018, S 283 f; wohl auch Gelhausen/Hönsch AG 2002, 530. 479 Zu Recht kritisch daher Hopt/Leyens ZGR 2019, 929, 939 f. 480 Umfassend zur Anwendbarkeit des Corporate Governance Kodex auf die KGaA Vollertsen S 241 ff. 481 Trotzdem war die KGaA mehrfach Gegenstand des Übernahmerechts: Am 20.2.2002 gab die A. Racke GmbH & Co ein Erwerbsangebot an die außenstehenden Aktionäre der C.A. Kupferberg & Cie KGaA ab. Am 30.4.2012 erfolgte ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot der AIG Century GmbH & Co. KGaA an die Aktionäre der AIRE GmbH & Co. KGaA. Am 18.6.2013 erfolgte ein Erwerbsangebot der AMPIG an die Kommanditaktionäre der ecolutions GmbH & Co. KGaA. Eine Befreiung vom Pflichtangebot (§§ 36, 37 WpÜG) erfolgte in den vier Fällen Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA (7.5.2010) und Henkel AG & Co. KGaA (2.3.2009, 21.4.2009 und 16.7.2009), vgl dgap.de und bafin.de.

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sondern nur einfache Angebote (§§ 10 ff WpÜG) geben könne.482 Diese Ansicht hat sich zu Recht nicht durchgesetzt, denn der Gesetzgeber hat aus Gründen der Rechtssicherheit einen formellen Kontrollbegriff gewählt und erlaubt über die Befreiungsmöglichkeit in § 37 WpÜG eine Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände. Solche liegen bei der KGaA vor, wenn die Kontrolle über die KGaA bei den Komplementären liegt.483 Handelt es sich dagegen um eine KGaA, bei der ein „externer“ Bieter den Komplementär/die Komplementärgesellschaft kontrolliert, oder um eine an die AG angenäherte KGaA, bei die Komplementäre zugunsten der Kommanditaktionäre „entmachtet“ sind, kommt eine Befreiung vom Pflichtangebot nicht in Frage.484 Gleiches gilt für den Fall eines „internen“ Bieters, also eines Komplementärs der KGaA, der seinen Aktienanteil an der Gesellschaft auf 30%485 oder mehr aufstocken will, denn dadurch schmälert er die Rechte der Kommanditaktionäre.486 Kein Pflichtangebot löst hingegen der Wechsel des Komplementärs oder des Mehr- 126 heitsgesellschafters der Komplementärgesellschaft aus. Änderungen der Machtverhältnisse rein aufgrund der Binnenstruktur der Gesellschaft sind vom WpÜG nicht erfasst.487 Denkbar ist zum Schutz der Kommanditaktionäre aber eine Satzungsregelung, wonach die Komplementär-Kapitalgesellschaft aus der KGaA ausscheidet, wenn ein Dritter die Mehrheit an der Komplementärgesellschaft erwirbt, ohne ein Übernahmeangebot an die Kommanditaktionäre zu unterbreiten.488 Kein Pflichtangebot ist gegenüber den Aktionären einer Tochtergesellschaft der KGaA abzugeben, wenn die KGaA eine Beteiligung von mindestens 30% an einer börsennotierten Gesellschaft hält und in die KGaA ein neuer Komplementär eintritt,489 denn die Zurechnung nach § 30 Abs 1 Nr 1 WpÜG kommt nicht in Betracht, weil die KGaA kein Tochterunternehmen des Komplementärs ist. Vielmehr sind KGaA und Komplementär ein Unternehmen.490 Muss der Bieter ein Pflichtangebot unterbreiten, erstreckt sich dieses nur auf die 127 Kommanditaktien, nicht aber auch auf die Komplementärstellung (oder dessen Sondereinlage),491 denn diese ist kein Wertpapier iSv § 2 Abs 2 WpÜG und wird auch nicht an der Börse gehandelt, so dass die Komplementärbeteiligung nicht dem Anwendungsbereich des WpÜG unterfällt. Die Neutralitätspflicht (§ 33 Abs 1 Satz 1 WpÜG) trifft anstelle des Vorstands die geschäftsführungsbefugten Komplementäre und entspricht inhaltlich derjenigen bei einer AG. Bei der KGaA umstritten sind lediglich zwei Fragen zur Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen: (1) Ein Teil des Schrifttum hält Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats für unzulässig, da der Aufsichtsrat der KGaA geringere Kompetenzen als der einer AG habe.492 Diese Ansicht hat sich zu Recht nicht durchzu-

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482 Steinmeyer/Häger WpÜG1 § 35, 1, 29, 30 ff. 483 Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 180; Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch WpÜG3, § 35, 69; Assmann/Pötzsch/Schneider/Seiler WpÜG3, § 37, 67; Born S 225; KK WpÜG/Versteegen2 § 37, 63; Krause in: FS Winter, 2011, S 354 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 100 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 107 jeweils mwN. 484 Assmann/Pötzsch/Schneider/Seiler WpÜG3, § 37, 67; KK WpÜG/Versteegen2 § 37, 63; MünchHdBAG/ Herfs4 § 79, 101; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 107; Scholz NZG 2006, 447 f. 485 Der Stimmrechtsanteil wird wie bei der AG berechnet, vgl Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann/Favoccia WpÜG3, § 29, 26. 486 Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 154 ff. 487 Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch WpÜG3, § 35, 69, 83; KK WpÜG/von Bülow2 § 30, 76; Krause in: FS Winter, 2011, S 355; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 102; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 107 f; Scholz NZG 2006, 449. 488 Krause in: FS Winter, 2011, S 355; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 102; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 108. 489 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 102. 490 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 102; KK WpÜG/von Bülow2 § 30, 76; Krause in: FS Winter, 2011, S 368. 491 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 108. 492 KK WpÜG/Kremer/Hirte2 § 33, 78.

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Vor §§ 278 ff | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

setzen vermocht, denn der Aufsichtsrat ist bei der KGaA die Vertretung der Kommanditaktionäre und seine Zustimmung gewährleistet gerade die notwendige Balance in der aus zwei Gesellschaftergruppen bestehenden KGaA.493 (2) Nutzt ein nicht geschäftsführungsbefugter Komplementär während einer Übernahmesituation sein in der Satzung festgeschriebenes Recht aus, seine Sondereinlage in Aktien umzuwandeln, muss der Bieter sein Angebot auf diese Aktien erstrecken.494 Handelt es sich hingegen um einen geschäftsführungsbefugten Komplementär, greift die Neutralitätspflicht von § 33 WpÜG ein, die den Komplementär daran hindert, von seinem Umwandlungsrecht (welches das Pflichtangebot erschweren und verteuern würde) Gebrauch zu machen.495 Ein solcher Schritt kann jedoch ausnahmsweise zulässig sein aufgrund einer Satzungsregelung über den Anlass, zu dem die Sondereinlage des Komplementärs in Kommanditaktien umgewandelt werden darf. Dann wäre die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital mit der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar und folglich gerechtfertigt (§ 33 Abs 1 Satz 2, 1. Alt WpÜG).496 Tritt die KGaA als Bieter auf, unterliegt sie allen Bieterpflichten. Sie kann ihre Ak128 tien als Gegenleistung für Aktien einer AG anbieten (§ 31 Abs 2 WpÜG). Dem steht nicht entgegen, dass die Aktien der KGaA wegen des Rechtsformunterschiedes einen geringeren Einfluss vermitteln. § 31 Abs 2 WpÜG verlangt nur liquide, börsenzugelassene Aktien, nicht aber den gleichen Umfang der Stimmrechtsmacht.497 Umstritten ist, in welchen Fällen man eine KGaA als „Tochterunternehmen“ ihres Komplementärs iSv § 2 Abs 6 WpÜG begreifen kann mit der Folge, dass dem Komplementär die von der KGaA an der Zielgesellschaft erworbenen Stimmrechte zugerechnet werden (§ 30 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WpÜG) und er ein Pflichtangebot abgeben muss. Bejaht man die Zurechnung im Einzelfall, ist neben der KGaA auch der Komplementär zur Abgabe eines Pflichtangebots verpflichtet, welches jedoch mit befreiender Wirkung von der KGaA allein abgegeben werden kann.498 XI. Transparenzregister Schrifttum (Auswahl) Assmann/Hütten Das elektronische Transparenzregister – Mitteilungs- und Angabepflichten, AG 2017, 449; Fisch Das neue Transparenzregister und seine Auswirkungen auf die Praxis, NZG 2017, 408; Herzog/Achtelik (Hrsg) Geldwäschegesetz, 3. Aufl 2018; Kotzenberg/Lorenz Das Transparenzregister kommt, NJW 2017, 2433; Lochner/Illner Mitteilungspflichten zum Transparenzregister bei der KGaA, AG 2018, 830; Longrée/Pesch Das neue Transparenzregister in der Praxis, NZG 2017, 1081.

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1. Überblick. Die 2017 erfolgte Novelle des Geldwäschegesetzes499, mit der die 4. Geldwäscherichtlinie 500 umgesetzt wurde, führte ein Transparenzregister ein (§ 18

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493 Statt vieler Assmann/Pötzsch/Schneider/Krause/Pötzsch/Stephan WpÜG3 § 33, 173; Bürgers/Fett/ Wieneke/Fett § 10, 167 ff. 494 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 108; Scholz NZG 2006, 448 f. 495 Scholz NZG 2006, 448 f. 496 Scholz NZG 2006, 448 f. 497 Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 159 ff; KK WpÜG/Kremer/Oesterhaus2 § 31, 36; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 109. 498 Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 172 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 108. 499 Art 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EUGeldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen vom 23.6.2017, BGBl I 1822. 500 Richtlinie (EU) 2015/849 vom 20.5.2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung …, ABl EU L 141 vom 5.6.2015, S 73 ff.

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GwG). Dieses enthält Angaben über alle natürlichen Personen, die als „wirtschaftlich Berechtigte“ hinter inländischen501 Kapital- und Personengesellschaften, Stiftungen, Trusts oder trustähnlichen Gebilden stehen und diese kontrollieren (vgl § 19 GwG). Ziel der Regelung ist es, den Missbrauch der genannten Gesellschaften und Rechtsgestaltungen zum Zweck der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und organisierten Kriminalität zu verhindern. 502 Die Inhalte des nicht öffentlichen Transparenzregisters stammen hauptsächlich aus den Mitteilungen der erfassten Rechtsträger über die Angaben ihrer wirtschaftlich Berechtigten, die diese von den wirtschaftlich Berechtigten selbst oder von ihren unmittelbaren Anteilseignern erhalten. Das Verfahren zur Ermittlung der Angaben ist also zweistufig, bestehend aus der Angabepflicht der Anteilseigner (§ 20 Abs 3 GwG) und der anschließenden Mitteilungspflicht an das Register (§ 20 Abs 1 GwG). Darüber hinaus werden aber bereits vorhandene Informationen zur Beteiligungstransparenz aus öffentlichen Registern (Handels-, Partnerschafts-, Genossenschafts-, Vereinsund Unternehmensregister, nicht aber das bei der Gesellschaft geführte Aktienregister503) genutzt.504 Liegen solche Informationen vor, gilt die Mitteilungspflicht an das Transparenzregister als erfüllt (§ 20 Abs 2 Satz 1 GwG). Sie entfällt außerdem bei Gesellschaften, die an einem organisierten Markt nach § 2 Abs 11 WpHG notiert sind oder dem Gemeinschaftsrecht entsprechenden Transparenzanforderungen im Hinblick auf Stimmrechtsanteile oder gleichwertigen internationalen Standards unterliegen (§ 20 Abs 2 Satz 2 GwG). Für diese zweite Ausnahme spielt es keine Rolle, ob sich im konkreten Einzelfall anhand der kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten alle wirtschaftlich Berechtigten identifizieren lassen.505 Diese gesetzliche Fiktion ist (im Gegensatz zu der von § 20 Abs 2 Satz 1 GwG unwiderleglich („stets“). Zugleich bestimmt § 20 Abs 4 GwG, dass die Angabepflicht von Anteilseignern nach § 20 Abs 3 GwG entfällt, wenn die Mitteilungspflicht nach § 20 Abs 1 GwG gemäß § 20 Abs 2 GwG als erfüllt gilt. Bei börsennotierten Unternehmen bestehen daher weder Angabe- noch Mitteilungspflichten.506 Eine börsennotierte KGaA und ihre Gesellschafter sind daher von den Angabe- und Mitteilungspflichten ausgenommen. 2. Generelle Bedeutung für die KGaA. Die KGaA als juristische Person des Pri- 130 vatrechts ist verpflichtet, Angaben zur Identifizierung der an ihr wirtschaftlich berechtigten natürlichen Personen einzuholen, aufzubewahren, auf aktuellem Stand zu halten und der registerführenden Stelle unverzüglich zur Eintragung in das Transparenzregister mitzuteilen (§ 20 Abs 1 Satz 1 GWG). Für Vereinigungen iSv § 20 Abs 1 Satz 1 GwG, mithin also auch für die KGaA, richtet sich der Begriff des wirtschaftlich Berechtigten nach § 19 Abs 2 iVm § 3 Abs 1 und 2 GwG. Wirtschaftlich Berechtigter ist diejenige natürliche Person,507 in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Vertragspartner letztlich steht oder auf deren Veranlassung eine Transaktion letztlich durchgeführt oder eine Geschäftsbeziehung letztlich begründet wird (§ 3 Abs 1 GwG). Im Hinblick auf juristische Personen bedeutet dies, dass zu den wirtschaftlich Berechtigten jede natürliche Person zählt, die unmittelbar oder mittelbar mehr als 25% der Kapitalanteile oder

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501 Ausführlich zum räumlichen Anwendungsbereich Assmann/Hütten AG 2017, 453. 502 Erwägungsgründe 12–17 der Richtlinie (EU) 2015/849; Begr. RegE UmsetzungsG zur 4. GW-RL, BT-Drucks 18/11555, S 88 f. 503 Assmann/Hütten AG 2017, 459; Lochner/Illner AG 2018, 832. 504 Zu Recht kritisch zu dieser Ausnahme Fisch NZG 2017, 410. 505 Assmann/Hütten AG 2017, 453 f. 506 Assmann/Hütten AG 2017, 453. 507 Unmaßgeblich sind der Wohnsitz im In- oder Ausland oder die Staatsangehörigkeit des Betroffenen, Assmann/Hütten AG 2017, 455.

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Stimmrechte hält (§ 3 Abs 2 GwG). Ein Gegenbeweis, wonach trotz einer Beteiligung von 25% keine Kontrolle vorliegt, steht den Betroffenen nicht offen.508 Erfasst ist weiterhin eine „auf vergleichbare Weise“ ausgeübte Kontrolle, die durch gesellschaftsrechtlichen Einfluss vermittelt wird, etwa durch Aktionärsbindungsverträge, andere vertragliche Absprachen von Anteilseignern oder durch Abstimmung unter denselben. Kontrolle liegt nach § 3 Abs 2 Satz 3 GwG insbesondere dann vor, wenn die natürliche Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Vereinigung ausüben kann. Dabei verweist § 3 Abs 2 Satz 4 GwG auf § 290 Abs 2–4 HGB, bei dem bereits die Möglichkeit der Beherrschung ausreicht. Auf § 17 AktG kommt es nicht an.509 131 Die an das Transparenzregister zu meldenden Angaben zu dieser Person umfassen ihre Personalien, also Vor- und Nachname, Geburtsdatum und Wohnort (§ 19 Abs 1 Nr 1–3 GwG). Weiterhin sind Angaben zu Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses zu machen (§ 19 Abs 1 Nr 4, Abs 3 GwG). Ergibt sich die Stellung als wirtschaftlich Berechtigter aus einer mittelbaren Kontrolle, ist offenzulegen, woraus sich der beherrschende Einfluss der natürlichen Person auf die Zwischengesellschaft(en) ergibt und in welcher Weise diese wiederum die mitteilungspflichtige Gesellschaft kontrollieren. Greift die Vermutung des § 3 Abs 2 Satz 5 GWG ein, wonach bei Nichtermittlung eines wirtschaftlich Berechtigten die Geschäftsführung als solcher gilt, ist diese Funktion gemäß § 19 Abs 3 Nr 1 lit c GWG mitzuteilen. 3. Anwendungsfälle. Aufgrund der Tatsache, dass die KGaA zwei Gesellschafter132 gruppen kennt, ist für jede von ihnen zu prüfen, ob eine wirtschaftliche Berechtigung vorliegt. Wendet man die vorstehend beschriebenen Regeln auf die nicht börsennotierte KGaA (zu den börsennotierten so Rdn 129) an, ergibt sich folgendes Bild: a) Kommanditaktionäre. Kommanditaktionäre mit einer Beteiligung von mehr als 133 25% sind grundsätzlich angabepflichtig. (1) Handelt es sich bei dem Kommanditaktionär um ein Unternehmen iSv § 20 Abs 1 AktG, ist die Beteiligung bereits nach §§ 278 Abs 3, 20 Abs 1 AktG zu melden und wird folglich im Unternehmensregister verzeichnet (vgl § 8b Abs 2 Nr 5 HGB, §§ 20 Abs 6, 25 AktG). Eine Meldung an das Transparenzregister kann aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 20 Abs 2 Satz 1 GwG also unterbleiben. (2) Greift dagegen § 20 Abs 1 AktG nicht, weil der Unternehmensbegriff nicht erfüllt ist oder weil die Beherrschung nicht über eine Beteiligung von 25%, sondern „auf vergleichbare Weise“ erfolgt, entfällt die Fiktion des § 20 Abs 1 Satz 1 GwG. Gemäß § 20 Abs 3 GwG muss daher der Kommanditaktionär, der wirtschaftlich Berechtigter ist oder von dem wirtschaftlich Berechtigten unmittelbar kontrolliert wird, die notwendigen Angaben an die Gesellschaft übermitteln. Diese wiederum teilt sie dem Transparenzregister mit (§ 20 Abs 1 GwG).510 Gegen dieses Ergebnis wird eingewandt, dass der Kommanditaktionär eine KGaA nie „auf vergleichbare Weise“ beherrschen könnte, da den Kommanditaktionären keine Geschäftsführung übertragen werden könne.511 Dieser Einwand überzeugt nicht, denn dem Gesetzgeber kam es nicht darauf an, ob man die Geschäftsführung innehaben kann oder nicht. Dies zeigt ein Vergleich mit der Konstellation, in der ein Aktionär einer AG mit etwas mehr als 25% beteiligt ist. Dieser kann (alleine) nicht den ihm genehmen Vorstand durchsetzen und ist gleichwohl nach dem GwG angabepflichtig. Wäre der Einwand zutreffend, dürfte man konsequenterweise auf die KGaA die 25%-

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508 Assmann/Hütten AG 2017, 455; Fisch NZG 2017, 409. 509 Anders Assmann/Hütten AG 2017, 455. 510 Eine Meldung kann nur dann unterbleiben, wenn der Betroffene auch die Stellung eines Komplementärs innehat und dies bereits gemeldet wurde bzw aus öffentlichen Registern bekannt ist, Lochner/Illner AG 2018, 835. 511 Lochner/Illner AG 2018, 833.

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Schwelle nicht anwenden, denn auch in diesem Fall stellt der Kommanditaktionär nicht die Geschäftsführung. Eine solche teleologische Reduktion von § 3 Abs 2 Satz 1 GwG nimmt diese Ansicht aber gerade nicht vor.512 Betrachtet man § 3 Abs 2 GwG, kommt es abstrakt darauf an, ob der Kommanditaktionär „auf vergleichbare Weise“ eine Kontrolle ausüben kann, der 25% der Anteile oder Stimmrechte entspricht. Wie viel Einfluss er tatsächlich innerhalb der verschiedenen vom GwG erfassten Rechtsformen damit konkret ausüben kann, spielt hingegen keine Rolle. Erfasst sind nämlich sogar Fälle, in denen mehrere Personen als wirtschaftlich Berechtigte an einer Gesellschaft gelten, ohne dass einer von ihnen tatsächlich eine Beherrschung ausüben kann.513 Schließlich überzeugt der Einwand auch aus einem dritten Grund nicht. Würde es wirklich auf die Möglichkeit ankommen, als Kommanditaktionär die Geschäftsführung stellen zu können, müsste man zumindest im Fall der hauptversammlungsdominierten KGaA eine Angabepflicht bejahen.514 Folglich kann auch bei einem Kommanditaktionär eine wirtschaftliche Berechtigung durch eine „auf vergleichbare Weise“ ausgeübte Kontrolle vorliegen; maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. (3) Sind alle Aktien im Streubesitz und lässt sich daher kein wirtschaftlich berechtigter Kommanditaktionär ermitteln, greift die Fiktion des § 3 Abs 2 Satz 2 GwG und die geschäftsführungsbefugten Komplementäre gelten als wirtschaftlich Berechtigte.515 b) Komplementäre. Da die Komplementäre ihre mitgliedschaftliche und organ- 134 schaftliche Stellung innerhalb der KGaA nicht einer Beteiligung am Grundkapital oder ihrem Stimmrecht in der Hauptversammlung verdanken und eine eventuell geleistete Sondereinlage ihnen ebenfalls nicht mehr Einfluss in der KGaA verschafft, kann bei ihnen eine wirtschaftliche Berechtigung nur durch eine „auf vergleichbare Weise“ ausgeübte Kontrolle bejaht werden. Die Gesetzbegründung geht bei der KG davon aus, dass deren Komplementäre stets wirtschaftlich Berechtigte sind.516 Diese Annahme erweist sich bereits für die KG als sehr pauschal und lässt sich sicherlich nicht ohne Weiteres auf die KGaA übertragen. Es hängt von der Ausgestaltung der Satzung ab, welchen Einfluss die Komplementäre ausüben können (s § 278 Rdn 147 ff). Man könnte zunächst meinen, dass es in der Praxis auf diese Frage regelmäßig nicht ankommt, da ja sämtliche Komplementäre bereits im Handelsregister eingetragen sind (§§ 282, 283 Nr 1) und daher die Mitteilungsfiktion des § 20 Abs 2 Satz 1 GwG gilt. Allerdings gibt der Handelsregistereintrag nicht immer die Art und den Umfang der Kontrolle „auf vergleichbare Weise“ wieder. Eine solche Angabe ist aber notwendig, denn die Mitteilungsfiktion des § 20 Abs 2 Satz 1 GwG gilt nicht pauschal, sondern nur, wenn sich die nach § 19 Abs 1 GwG notwendigen Angaben bereits aus anderen öffentlichen Registern entnehmen lassen (§ 20 Abs 2 Satz 3 GwG). Daher ist eine Einzelfallbetrachtung notwendig: (1) Entspricht die KGaA dem gesetzlichen Regelfall, ist der Handelsregistereintrag ausreichend, denn der oder die Komplementäre üben aufgrund ihrer im Gesetz vorgesehenen dominanten Stellung „auf vergleichbare Weise“ die Kontrolle über die KGaA aus.517 (2) Wurde in der Satzung die Stellung der Komplementäre über den gesetzlichen Regelfall hinaus gestärkt (komplementärdominierte KGaA), gilt dies erst recht.518 (3) Werden dagegen einzelne

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512 Lochner/Illner AG 2018, 832. 513 Assmann/Hütten AG 2017, 455. 514 Dies tun Lochner/Illner AG 2018, 836 Fn 81 – allerdings nur für die Einheits-KGaA, nicht aber auch sonst. 515 Begr. RegE UmsetzungsG zur 4. GW-RL, BT-Drucks 18/11555, S 92. 516 Begr. RegE UmsetzungsG zur 4. GW-RL, BT-Drucks 18/11555, S 92. 517 So im Ergebnis auch Lochner/Illner AG 2018, 834. 518 Ebenso Lochner/Illner AG 2018, 834.

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Komplementäre von der Geschäftsführung ausgeschlossen, fehlt bei ihnen die Kontrollausübung.519 Auch hier ist jedoch keine Mitteilung an das Transparenzregister notwendig, denn diese Abweichung vom gesetzlichen Regelfall ist im Handelsregister verzeichnet (§ 282). (4) Fraglich ist, ob die Komplementäre auch dann noch die Kontrolle ausüben, wenn es sich um eine hauptversammlungs- oder aufsichtsratsdominierte KGaA handelt. Man könnte argumentieren, dem Komplementär verbleibe über § 283 eine so große Residualmachtfülle, dass er auch in diesem Fall als wirtschaftlich Berechtigter anzusehen sei. Diese Argumentation übersieht jedoch, dass es sich bei den in § 283 genannten Kompetenzen um solche handelt, die mutatis mutandis denjenigen des Vorstands einer AG entsprechen. Der Vorstand einer AG ist jedoch gerade nicht als wirtschaftlich Berechtigter aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung anzusehen. Er wird vom GwG nur dann als wirtschaftlich Berechtigter angesehen, wenn sich unter den Aktionären kein wirtschaftlich Berechtigter ermitteln lässt (§ 3 Abs 2 Satz 5 GwG). Überträgt man diese gesetzliche Wertung auf die KGaA, wird deutlich, dass die – auf die Funktion eines Vorstands reduzierten – Komplementäre keine wirtschaftlich Berechtigten sein können, weil ihre gesellschaftsrechtlich vermittelte Stellung ihnen keine Kontrolle „auf vergleichbare Weise“ ermöglicht.520 Da dieser Umstand aus dem Eintrag im Handelsregister nicht ersichtlich ist (vgl §§ 282, 39), muss die KGaA eine entsprechende Mitteilung über das Nichtvorliegen einer wirtschaftlichen Berechtigung vornehmen. Bei der hauptversammlungs- oder aufsichtsratsdominierte KGaA kann eine wirtschaftliche Berechtigung an der KGaA also ausschließlich auf Seiten der Kommanditaktionäre vorliegen. Befinden sich die Aktien im Streubesitz, weshalb sich kein wirtschaftlich Berechtigter ermitteln lässt, greift die Fiktion des § 3 Abs 2 Satz 2 GwG ein und die geschäftsführungsbefugten Komplementäre gelten trotz ihrer reduzierten Kompetenzen als wirtschaftlich Berechtigte. Es handelt sich um eine gesetzliche Fiktion, so dass es gerade nicht auf die konkrete Beherrschungsmöglichkeit durch die Komplementäre ankommt.521 (5) Verfügt die KGaA nur über eine Komplementärgesellschaft, kann diese nicht selbst wirtschaftlich Berechtigte an der KGaA sein, denn diese Kategorie findet nur auf natürliche Personen Anwendung. Es ist folglich eine doppelte Prüfung vorzunehmen: Auf Stufe 1 ist festzustellen, welchen Einfluss die Komplementärgesellschaft innerhalb der KGaA hat. Handelt es sich um eine komplementärdominierte KGaA, ist sodann auf Stufe 2 zu prüfen, wer in der Komplementärgesellschaft die Kontrolle ausübt. Dies wiederum richtet sich nach den oben genannten Kriterien, so dass maßgebend ist, ob ein Gesellschafter mehr als 25% der Anteile oder Stimmrechte an der Komplementärgesellschaft hält oder diese auf vergleichbare Weise beherrscht. Zu beachten ist, dass die KGaA eine Mitteilung an das Transaktionsregister abgeben muss, wer als wirtschaftlich Berechtigter mittelbar die KGaA kontrolliert und die Komplementärgesellschaft selbst für sich auch eine Mitteilung vornehmen muss (sofern sich diese Informationen nicht bereits aus dem Handelsregister ergeben, wie dies etwa bei einer GmbH der Fall wäre). Handelt es sich dagegen um eine hauptversammlungs- oder aufsichtsratsdominierte KGaA, kommt der Komplementärgesellschaft kein so weitreichender Einfluss zu, als dass deren Gesellschafter als wirtschaftlich Berechtigte an der KGaA angesehen werden könnten.522 Lässt sich in diesem Fall auch unter den Kommanditaktionären kein wirtschaftlich Berechtigter ermitteln, ist wiederum auf die Fiktion des § 3 Abs 2 Satz 2 GwG zurückzugreifen und

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Lochner/Illner AG 2018, 834. Im Ergebnis auch Lochner/Illner AG 2018, 834. Lochner/Illner AG 2018, 834 f. Lochner/Illner AG 2018, 835 f.

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die Unternehmensleitung der Komplementärgesellschaft gilt als wirtschaftlich Berechtigte.523 XII. Strafvorschriften Gemäß § 408 gelten die aktienrechtlichen Strafbestimmungen (§§ 399–407) sinn- 135 gemäß auch für die KGaA. Soweit die Strafvorschriften Vorstandsmitglieder betreffen, gelten sie bei der KGaA nach § 408 Satz 2 für die persönlich haftenden Gesellschafter. Ist eine juristische Person persönlich haftende Gesellschafterin, so sind die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs derselben strafrechtlich verantwortlich (§ 14 Abs 1 Nr 1 StGB). Ist eine Personengesellschaft Komplementärin, so trifft die strafrechtliche Verantwortung deren vertretungsberechtigte Gesellschafter (§ 14 Abs 1 Nr 2 StGB). Für Ordnungswidrigkeiten nach § 405 gilt entsprechendes (§§ 9 Abs 1 Nr 1 bzw Nr 2 OWiG). Die Verpflichtung, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (§ 15a Abs 1 und 3 InsO), wird bei Nichtbefolgung durch eine Strafbestimmung sanktioniert (§ 15a Abs 4–6 InsO). E. Realtypen der KGaA Die sich für die KGaA eröffnenden Gestaltungsmöglichkeiten der Organisationsver- 136 fassung, namentlich des Verhältnisses zwischen Komplementären und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, haben in der Praxis zu recht unterschiedlichen Erscheinungsformen der KGaA geführt. Dabei lassen sich mindestens vier Kategorien von Realtypen der KGaA bilden, wobei die hierzu verwandten typenbildenden Kriterien zu einem nicht geringen Teil rechtsanwendungsbezogene sind. Das belegt zugleich, dass der Versuch, Realtypen der KGaA zu bilden, nicht nur der phänomenologischen Erfassung der KGaA, sondern auch der Rechtsanwendung in der Form der rechtlichen Gestaltung (Satzungsgestaltung) und der Normauslegung dient. I. Familiengesellschaften und Publikumsgesellschaften Für die Rechtsanwendung wenig ergiebig ist die Unterscheidung des Realtypus der 137 Familiengesellschaft von demjenigen der Publikumsgesellschaft. Das liegt weniger daran, dass sich nicht für beide Typen spezifische und unterschiedliche Rechtsanwendungsprobleme stellen würden, sondern hat seinen Grund darin, dass sich die in der Praxis vorkommenden KGaA eher zwischen den beiden Typen bewegen als ganz einem der beiden Typen zuzuordnen sind. So kommt es durchaus vor, dass eine KGaA noch als familiendominiert bezeichnet werden kann, als börsennotierte Gesellschaft aber gleichzeitig eine so breite Streuung der Kommanditaktien aufweist, dass sie mit einigem Recht auch als Publikumsgesellschaft bezeichnet werden darf. II. Gesetzestypische und gesetzesatypische KGaA Die Unterscheidung zwischen gesetzestypischen und gesetzesatypischen Gesell- 138 schaften setzt die Herausarbeitung des gesetzlichen Grundtypus der in Frage stehenden Gesellschaftsform sowie der diese prägenden Typenkriterien voraus. In Bezug auf die KGaA orientiert sich die Differenzierung zwischen gesetzestypischen und gesetzes-

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Lochner/Illner AG 2018, 836.

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atypischen Erscheinungsformen heute in der Sache nur noch an der Person der persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA: Weist die KGaA ausschließlich natürliche Personen oder, neben einer oder mehrerer juristischer Person/en als Komplementär/e, zumindest auch natürliche Personen als persönlich haftende Gesellschafter auf, so ist (ungeachtet der Rechtsanwendungsunterschiede, die bereits mit diesen Gestaltungsformen einhergehen können) von einer gesetzestypischen KGaA die Rede. Ist eine juristische Person alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der KGaA, so wird diese als atypische KGaA bezeichnet.524 In der heutigen Praxis dominieren die atypischen KGaA: Die 2016 vorhandenen 307 KGaA wiesen 268 Komplementäre auf. Von diesen waren 44,6% eine GmbH, 13,3% eine KG (inkl „Kapitalgesellschaften & Co. KG“, und „UG & Co. KG“), 9,2% eine AG, 2,4% eine GbR, 2,2% eine SE und je 0,5% eine Stiftung oder OHG und 3% ausländische Rechtsformen. Demgegenüber sind nur 24,2% der Komplementäre natürliche Personen.525 Wie bereits an früherer Stelle (Rdn 39) bemerkt und auch nachfolgend für die Kom139 mentierung der die KGaA betreffenden Vorschriften des AktG von Bedeutung (s § 278 Rdn 7, 39) will ein Teil des Schrifttums, im Anschluss an entsprechende Erwägungen des BGH in seiner Entscheidung vom 24.2.1997,526 für die als Publikumsgesellschaft verfasste atypische KGaA eine über die Einhaltung der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen und allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze hinausgehende Satzungskontrolle im Interesse der Anleger-Kommanditaktionäre vornehmen, die, je nach der Reichweite der hierzu vertretenen Positionen, in die Entwicklung eines Sonderrechts für die Kapitalgesellschaft & Co KGaA führen soll.527 Dies ist aus den genannten Gründen abzulehnen (s § 278 Rdn 7). III. Personalistisch und kapitalistisch strukturierte KGaA 140

Verbreitet ist auch der Versuch, die Formenvielfalt der KGaA durch die Realtypen der kapitalistisch und der personalistisch strukturierten KGaA einzufangen. Allerdings bestehen über die typenbildenden Merkmale beider Realtypen der KGaA recht unterschiedliche Auffassungen, was darauf zurückzuführen sein mag, dass die Differenzierung zwischen personalistisch und kapitalistisch strukturierten Gesellschaften ihren Ursprung im Personengesellschaftsrecht hat und dort in erster Linie der Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen dient.528 So setzt etwa Schlitt529 die kapitalistische KGaA mit der gesetzesatypischen, dh der Kapitalgesellschaft & Co KGaA, gleich530 und erfasst als personalistische KGaA jede Gesellschaft, die nicht börsennotiert ist und deren Kommanditaktionäre namentlich bekannt sind. Demgegenüber betrachtet Herfs531 die KGaA als personalistisch, wenn der Schwerpunkt der Geschäftsführungsbefugnisse bei den Komplementären liegt, und als kapitalistisch, wenn der entsprechende Schwerpunkt bei der Hauptversammlung oder dem Aufsichtsrat angesiedelt ist.

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524 Statt vieler Bürgers/Fett/Reger § 5, 25; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 275 f. 525 Alle Angaben nach Lieder/Hoffmann AG 2016, 709 f. 526 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399 f. 527 S dazu die Nachw oben in Rdn 39 Fn 136. 528 S etwa BGH 15.11.1982 – II ZR 62/82, BGHZ 85, 350 ff. 529 Schlitt S 4 bzw 5. 530 So auch Claussen in: FS Heinsius, 1991, S 61, 65 ff; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 14; vgl auch Hüffer/Koch14 § 278, 5. 531 MünchHdBAG/Herfs4 § 76, 17. Herfs Unterscheidung folgt damit in der Sache derjenigen zwischen komplementärdominierten und hauptversammlungs- oder aufsichtsratsdominierten Gesellschaften (s dazu Rdn 142).

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Vorbemerkungen | Vor §§ 278 ff

Welcher Ansicht man bei der Bildung der Realtypen personalistisch oder kapitalis- 141 tisch strukturierter KGaA zu folgen geneigt ist oder welche Typenmerkmale man statt der vorstehend angeführten als entscheidend für die Bildung der beiden Realtypen betrachten mag, hängt maßgeblich von dem Zweck der Differenzierung ab. Geht es, wie bei Schlitt, um den Entwurf von Mustersatzungen, wird man die von ihm verwandte Unterscheidung als sinnvoll betrachten, doch wäre mit ihr kein Gewinn verbunden, der über die Differenzierung zwischen gesetzestypischen und gesetzesatypischen KGaA wesentlich hinausginge. Will man dagegen, wie bei Herfs, die Macht- und Entscheidungsstrukturen in einer KGaA als Resultat der diesbezüglichen Gestaltungsfreiheiten im Recht der KGaA benennen, so macht auch seine Bestimmung von Typenkriterien Sinn, geht aber auch ihrerseits nicht über die nachfolgend (su Rdn 142) angeführte Realtypenbildung hinaus.532 Das nährt den Verdacht, dass sich der Unterscheidung zwischen personalistisch und kapitalistisch strukturierter KGaA, über die mit ihr verbundene Begriffsverwirrung hinaus, nur wenig abgewinnen lässt. IV. Hauptversammlungsdominierte, aufsichtsrats- oder beiratsdominierte und komplementärdominierte KGaA Die Unterscheidung der Realtypen der hauptversammlungsdominierten, der auf- 142 sichtsrats- oder beiratsdominierten und der komplementärdominierten KGaA orientiert sich an den Machtzentren der KGaA, die aufgrund der Gestaltungsfreiheit in Bezug auf die Führung der Geschäfte in verschiedenen Organen der Gesellschaft angesiedelt sein können.533 Diese hinsichtlich der typenbildenden Merkmale klare und durchweg konsentierte Typenbildung macht nicht nur den Zusammenhang zwischen den von dem dispositiven Gesetzesrecht abweichenden Geschäftsführungsregelungen der jeweiligen KGaA und ihrer Organisationsverfassung deutlich (s § 278 Rdn 147 ff), sondern dient, im Verbund mit der Differenzierung zwischen gesetzestypisch und gesetzesatypisch ausgestalteten KGaA auch der Bestimmung der Grenzen der Satzungsautonomie im Recht der KGaA.534 F. Steuerrecht Schrifttum (ab 1997, zum älteren Schrifttum vgl Voraufl) Bauschatz Die Einpersonen-GmbH & Co. KGaA als Holdinggesellschaft, DStZ 2007, 39; Bielinis Die Besteuerung der KGaA, 2013; ders Vorschläge zur Reform der KGaA-Besteuerung, DStR 2014, 769; Blümich EStG, KStG, GewStG, Loseblatt (Stand 2/2019); Bock Die steuerlichen Folgen des Erwerbs eines KGaAKomplementäranteils, GmbHR 2004, 554; Bürgers/Fett/Engel § 9, 1 ff; Busch/Thieme Behandlung von Pensionszusagen an persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA, FR 2008, 1137; Crezelius Steuerrechtliche Probleme des Gewinnanteils des persönlich haftenden Gesellschafters der KGaA, JbFfSt 2010/2011, 484; Deutschländer Die Besteuerung des Komplementärs einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), StBp 2013, 283; Drüen/van Heek Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Trennungs- und Transparenzprinzip, DStR 2012, 541; dies Sondervergütungen an den Komplementär einer KGaA – (K)eine Frage der Transparenz?, DB 2012, 2184; Eisele Nichtnotierte Anteile an Kapitalgesellschaften im erbschaftsteuerlichen Bewertungsrecht, UM 2004, 380; Falter Die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bei der KGaA, in: FS Spiegelberger, 2009, S 113; Farwick Ergänzungsbilanzen für persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA? Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 15.3.2017 I R 41/16, StuB 2018,

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S dazu den Hinweis in Fn 531. Zu Einzelheiten s § 278 Rdn 147 ff. S etwa Sethe AG 1996, 289 ff.

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11; Fischer Die Besteuerung der KGaA und ihrer Gesellschafter – eine steuerliche Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung des BGH-Beschlusses vom 24.2.1997, DStR 1997, 1519; ders Die (deutsche) KGaA im internationalen Steuerrecht, in: FS Gosch, 2016, S 69; Frankenheim Die Ertragsbesteuerung einer Pensionszusage an einen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, DStR 1999, 481; Frotscher Die KGaA als Organgesellschaft, Der Konzern 2005, 139; Gehrke Die Stiftung & Co. KGaA im Gesellschafts- und Steuerrecht, 2007; Gieshoidt Die ertragsteuerliche Behandlung von Dividendeneinkünften einer KGaA bei ihrem persönlich haftenden Gesellschafter, FR 2019, 543; Glanegger Ergänzungsbilanzen und Gewinnfeststellung für den persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA?, DStR 2004, 1686; Haarmann Umwandlungssteuerliche Behandlung der KGaA, JbFfSt 2010/2011, 300; Hageböke Sondervergütungen des KGaA-Komplementärs und Betriebsausgabenabzug – Anmerkungen zur Subsidiaritätsthese von Drüen/van Heek, DB 2012, 2709; ders Zum Zeitpunkt der Aktivierung des Tantiemeanspruchs im Sonderbetriebsvermögen des phG einer KGaA, Der Konzern 2014, 134; ders Einheitliche und gesonderte Feststellung bei der KGaA und ihrem persönlich haftenden Gesellschafter, Ubg 2015, 295; ders Erstes BFHUrteil zum sog „KGaA-Modell“, Der Konzern 2017, 126; ders Wo ist die Ergänzungsbilanz für den phG der KGaA zu bilden? – Anm. zum BFH-Urteil I R41/16, Der Konzern 2018, 136; ders Grundfragen der KGaABesteuerung, StbJb 2017/2018, S 301; Hageböke/Koetz Die Gewinnermittlung des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA durch Betriebsvermögensvergleich, DStR 2006, 293; Hagemann Die internationale Besteuerung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, StuW 2019, 280; Halasz/Kloster/Kloster Die GmbH & Co KGaA – Eine Rechtsformalternative zur GmbH & Co. KG?, GmbHR 2002, 77; Hempe/Siebels/Uhl Zur Einkünftequalifikation von mittelbaren Gesellschaftern einer KGaA, DB 2001, 2268; Hoppe Die Besteuerung der Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Trennungs- und Transparenzprinzip, 2014; Kamps KGaA – erb- und schenkungsteuerliche Behandlung, ErbStB 2009, 248; Hoppe Die Besteuerung der Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Trennungs- und Transparenzprinzip, 2014; Kessler Die Kommanditgesellschaft auf Aktien im System der dualen Unternehmensbesteuerung, in: FS Korn, 2005, S 307; Kollruss Gewerbesteuerliche Optimierung bei der GmbH & Co. KGaA, INF 2003, 347; ders Ertragsteueroptimale Gesellschafter-Fremdfinanzierung und Zinsschranke, Das KGaA-Joint-Venture-Modell, StuW 2009, 280; ders Ergänzungsbilanz des KGaA-Komplementärs ist gesetzlich ausgeschlossen, WPg 2016, 586; ders Warum es keine Ergänzungsbilanz des KGaA-Komplementärs gibt, FR 2016, 203; Kollruss/Weißert/Ilin Die KGaA im Lichte der Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG und der Zinsschranke, DStR 2009, 88; Krebbers-van Heek Die mitunternehmerische Besteuerung der Komplementäre der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2016; Kroniger/Thies Anwendung des check the box-Systems auf die KGaA als Joint VentureVehikel, IStR 2002, 397; Kusterer Gestaltungsalternativen für Unternehmen in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien nach der Unternehmenssteuerreform, FR 2001, 865; ders Die Kommanditgesellschaft auf Aktien im Wandel – Wechsel von Körperschaftlicher zu mitunternehmerischer Sichtweise, FR 2003, 502; ders Ergänzungsbilanz des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, DStR 2004, 77; ders Überlegungen zur Besteuerung des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, DStR 2008, 484; Kusterer/Graf Ertragsteuerrechtliche Behandlung von Geschäftsführervergütungen einer KGaA bei Drittanstellung, DStR 2016, 2782; Kusterer/ Rupp Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Folgen der mitunternehmerischen Einordnung, EStB 2003, 397; Mahlow Die Kommanditgesellschaft auf Aktien und das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung, DB 2003, 1540; Malzahn Die KGaA im Ertragsteuerrecht, Forum Steuerrecht 2012, 151; Martini Anmerkung zu BFH v. 7.9.2016 – I R 57/14, HFR 2017, 254; MünchHdB AG-Kraft4 § 82, 1 ff; Pauli Die Doppelstiftung als Unternehmensträger einer KGaA, ZErb 2010, 66; Raupach/Burwirtz Gestaltungsüberlegungen nach Abschaffung der Mehrmütterorganschaft, DStR 2003, 1901; Reiß Steuerliche Ergänzungsbilanzen für den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA, in: FS Crezelius, 2018, S 371; Rödder/Stangl/Hageböke Zur Anwendung der Zinsschranke bei der KGaA und ihrem persönlich haftenden Gesellschafter, DB 2009, 1561; Rohrer/Orth Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf Ebene einer KGaA, BB 2007, 1594; dies Zinsschranke: Belastungswirkungen bei der atypisch ausgeprägten KGaA, BB 2007, 2266; Schaumburg/Schulte Die KGaA: Recht und Steuern in der Praxis, 2000; Schmidt/Levedag Die KGaA nach dem BGH-Beschluss vom 24.2.1997: Grundprofil und Einsatzfelder einer hybriden Rechtsform, INF 1997, 749; Schmincke/Heuel § 8 Nr 4 GewStG: Gewerbesteuerfalle bei der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, FR 2004, 861; Schulte Wechsel des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA ertragsteuerneutral möglich?, DStR 2005, 951; Suchanek/Herbst Erweiterte Verlustabzugsmöglichkeiten für Investitionen in junge Unternehmen, GmbHR 2008, 862; Wachter KGaA – Modell zur Optimierung der Erbschaftsteuer?, DB 2019 1167; Wassermeyer Die Besteuerung des Gewinnanteils des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf

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Aktien, in: FS Streck, 2011, S 259; Watrin/Middendorf/Sievert Spezifische Probleme bei der GmbH & Co. KGaA als Familiengesellschaft, StuB 2005, 193; Wehrheim Die Einkünftequalifikation der Gesellschafter einer GmbH & Co. KGaA, DB 2001, 947; Winkemann Die KGaA als Alternative zur Mehrmütterorganschaft, BB 2003, 1649; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH Rechtsunsicherheit bei der Besteuerung der KGaA und ihrer persönlich haftenden Gesellschafter – Zur Notwendigkeit steuergesetzlicher Änderungen, DB 2014, 147.

I. Vorbemerkung Steuerliche Gründe sind selten ausschlaggebend für die Wahl der Rechtsform der 143 KGaA.535 Das Steuerrecht der KGaA weist kein in sich geschlossenes Konzept auf, sondern beschränkt sich auf wenige Sondervorschriften, die den Besonderheiten der Rechtsform Rechnung tragen sollen. Es steht seit längerem in der Kritik.536 Die KGaA unterliegt als Kapitalgesellschaft der gleichen steuerlichen Behandlung 144 wie die AG.537 Keine Unterschiede bestehen auch im Hinblick auf die Besteuerung der Kommanditaktionäre538 und der Aktionäre der AG. In Bezug auf die persönlich haftenden Gesellschafter539 wird dagegen der personengesellschaftsrechtliche Einschlag der Rechtsform berücksichtigt, indem der Gewinnanteil des Komplementärs und die Vergütung der Geschäftsführung die Besteuerungsgrundlage der KGaA mindern und stattdessen beim Komplementär als gewerbliche Einkünfte besteuert werden. Die Besonderheiten der Besteuerung der KGaA und ihrer Gesellschafter im Vergleich mit der Besteuerung der AG und ihrer Aktionäre stehen im Mittelpunkt der nachfolgenden Übersicht.540 II. Körperschaftsteuer Eine KGaA, deren Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder Sitz (§ 11 AO) sich im Inland befin- 145 det, unterliegt gemäß § 1 Abs 1 Nr 1, Abs 2 KStG mit ihren sämtlichen Einkünften der Körperschaftsteuer, bei der das Einkommen der Gesellschaft besteuert wird. Bei der Berechnung des Einkommens der KGaA sind gemäß § 9 Abs 1 Nr 1 KStG Zahlungen an die Komplementäre abzugsfähig, soweit diese Gewinnausschüttungen auf die Einlagen der persönlich haftenden Gesellschafter darstellen oder den Komplementären als Vergütung für die Übernahme der Geschäftsführung541 und der persönlichen Haftung zufließen.542

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535 Einzelheiten bei MünchHdBAG/Kraft4 § 82, 1. 536 Vgl etwa den bei Drüen/van Heek DStR 2012, 541, wiedergegebenen Befund des Instituts der Wirtschaftsprüfer und der Expertenanhörung im Finanzausschuss des Bundestags vom 8.2.2012 sowie die Reformvorschläge von Bielinis DStR 2014, 769 ff; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DB 2014, 147 ff. 537 Zur Besteuerung der AG s etwa MünchHdBAG/Kraft4 §§ 49 – 55. Zu Einzelheiten der Ertragsbesteuerung der KGaA s MünchHdBAG/Kraft4 § 82, 9 ff. 538 S dazu im Einzelnen MünchHdBAG/Kraft4 § 82, 31 ff; Schaumburg/Schulte Rdn 142 ff. 539 Zur Ertragsbesteuerung der Komplementäre im Einzelnen MünchHdBAG/Kraft4 § 82, 21 ff; Schaumburg/Schulte Rdn 146 ff. 540 In diesem Rahmen wird die Besteuerung der laufenden Geschäfte betrachtet, nicht aber die Besteuerung aperiodischer Steuertatbestände. 541 Dazu gehören alle Arten der Gegenleistung für die Übernahme der Geschäftsführung, also auch Pensionsrückstellungen, vgl RFH RFH 21.12.1937 – I 251/37, RStBl 1938, 334; BFH 31.10.1990 – I R 32/86, BFHE 162, 445; Blümich/Sondergeld § 9 KStG, 24. 542 Zu weiteren Einzelheiten und der streitigen Frage, ob auch überhöhte Vergütungen abzugsfähig sind s Fischer DStR 1997, 1519 f; Blümich/Sondergeld § 9 KStG, 20 ff; Schaumburg/Schulte Rdn 108 ff.

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Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 3 EStG haben die Komplementäre, die insoweit wie Mitunternehmer behandelt werden,543 diese Einnahmen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit dem für sie individuell geltenden Steuersatz zu versteuern.544 Aufgrund dessen erweist sich die Wahl der KGaA im Hinblick auf die Gesamtsteuerbelastung von Gesellschaft und Gesellschaftern dann als vorteilhaft, wenn der individuelle Einkommensteuersatz des Komplementärs niedriger ist als die Körperschaftsteuer der KGaA. Demgegenüber werden Komplementäre, die juristische Personen sind, als Kapitalgesellschaft mit demselben Steuersatz wie die KGaA besteuert.545 Dem bei einer KGaA mit natürlichen Personen als Komplementäre erzielbaren Steuervorteil steht ein geringfügiger Nachteil gegenüber: Die Vergütungen der Komplementäre werden als Einkünfte aus Gewerbebetrieb eingeordnet. Damit entgehen ihnen die einem Arbeitnehmer zustehenden Freibeträge. Im Gegensatz dazu werden die Vergütungen an die Geschäftsleitung von AG und GmbH, auch wenn die Geschäftsleitung von den Gesellschaftern gestellt wird, als Einnahmen aus unselbständiger Tätigkeit eingeordnet.546 Ebenfalls nachteilig ist die Besteuerung von Pensionszusagen. Pensionsrückstellungen, die bei der Kapitalgesellschaft nach § 6a EStG abzugsfähig sind, müssen vom Komplementär im gleichen Veranlagungszeitraum als Einkünfte versteuert werden.547 Im Gegensatz dazu liegen beim Vorstand einer AG erst dann steuerpflichtige Einkünfte vor, wenn Pensionszahlungen tatsächlich an den Vorstand geleistet werden (§§ 19 Abs 1 Satz 1 Nr 2, 11 Abs 1 EStG). Die Steuerpflichtigkeit der Vorstandsmitglieder wird damit hinausgeschoben, woraus sich Steuerstundungseffekte und im Einzelfall eine erhebliche Steuerminderung ergeben können, wenn das Gesamteinkommen des Vorstands im Alter geringer ist als zu dem Zeitpunkt, als die Pensionsrückstellung erfolgte.548 III. Gewerbesteuer

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Die KGaA ist als Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 GewStG gewerbesteuerpflichtig.549 Bemessungsgrundlage der Gewerbeertragssteuer ist nach § 7 GewStG der nach den Bestimmungen des EStG und KStG ermittelte und allein bei der KGaA zu versteuernde Gewinn. Dabei werden der KGaA die Ausschüttungen, die sie an die persönlich haftenden Gesellschafter geleistet hat, bei der Ermittlung des Gewerbeertrages wieder zugerechnet (§ 8 Nr 4 GewStG). Dies gilt nach § 8 Nr 4 GewStG auch für die an Komplementäre geleistete Vergütung für die Geschäftsführung.550 Insofern ist die Be-

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543 Hält der Komplementär auch Aktien der KGaA, so sind diese allerdings nicht seinem mitunternehmerischen Betriebsvermögen zuzurechnen. Aus diesen fließende Erträge sind Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs 1 Nr 1 Satz 1 EStG) bzw bei einer maßgeblichen Beteiligung Einkünfte iSv § 17 EStG, vgl Blümich/Bode EStG § 15, 564; Blümich/Vogt EStG § 17, 158. Gewinne aus der Veräußerung der Kommanditaktien sind nach § 20 Abs 2 Satz 1 Nr 1 EStG zu versteuern, während Gewinne aus der Veräußerung des Anteils eines Komplementärs § 16 Abs 1 Satz 1 Nr 3 EStG unterfallen, vgl Blümich/Schallmoser EStG § 16, 440. 544 Ausführlich dazu BFHE 157, 382 f – „Herstatt“; MünchHdBAG/Kraft4 § 82, 4; Theisen DB 1989, 2191 ff. 545 MünchHdBAG/Kraft4 § 82, 21, 29. 546 Blümich/Geserich EStG § 19, 120 G. 547 Zu den Einzelheiten vgl Ammenwerth S 175 mwN; Blümich/H.-J. Heger EStG § 6a, 594; Patt/Rasche DB 1993, 2400, 2401 f; dies DB 1994, 2164 f; abweichend Gocke DB 1994, 2162 ff. Vgl auch MünchHdBAG/Kraft4 § 82, 26. 548 Frankenheim Ertrags- u Substanzbesteuerung, S 89; Grafmüller S 215. 549 Einzelheiten etwa bei MünchHdBAG/Kraft4 § 82, 19 f; Schaumburg/Schulte Rdn 126 f. Die Gewerbekapitalsteuer wurde durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 (BGBl I 2590) abgeschafft. 550 Das gilt auch für gewinnunabhängige, dh feste Vergütungen; s BFHE 82, 471; 162, 445 ff. Kritisch hierzu sowie zu der diesem Standpunkt folgenden hM Frankenheim S 84 ff, Fischer DStR 1997, 1519, 1520

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steuerung gegenüber der AG und GmbH ungünstiger, da bei diesen die Vergütung der Geschäftsführung und Pensionsrückstellungen nicht hinzugerechnet werden. Ist eine natürliche Person Komplementärin, erfüllt die Beteiligung an der KGaA 148 als solche nicht den Tatbestand eines Gewerbebetriebs. Sofern der Komplementär nicht einen eigenen Gewerbebetrieb unterhält, zu dessen Betriebsvermögen die Beteiligung an der KGaA gehört, unterliegt er folglich keiner Gewerbesteuer.551 Ist eine juristische Person Komplementärin, unterliegt diese der Gewerbesteuer- 149 pflicht. Da die KGaA selbst auch gewerbesteuerpflichtig ist, würde es zu einer mehrfachen Besteuerung kommen.552 Diese hat der Gesetzgeber durch die Einführung von § 9 Nr 2b GewStG553 beseitigt und damit auf entsprechende Kritik554 an dieser ungerechtfertigten Mehrbelastung der KGaA reagiert. Gewinnanteile und Tätigkeitsvergütungen sind durch die Zurechnung nach § 8 Nr 4 GewStG nur bei der KGaA zu versteuern.555 Der Gewerbeertrag des Komplementärs, der selbst gewerbesteuerpflichtig ist, wird gekürzt um die Ausschüttungen und Tätigkeitsvergütungen, die die KGaA an ihn geleistet hat (§ 9 Nr 2b GewStG). Im Ergebnis sind solche Zahlungen an einen Komplementär – gleichgültig, ob dieser juristische Person ist oder nicht – also immer nur von der KGaA zu versteuern. G. Rechtsvergleichung Zum Rechtsvergleich vgl 4. Aufl Assmann/Sethe 133 ff sowie Sethe S 287 ff.

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H. Reformvorschläge – Reformbedarf Die letzte grundlegende Reform des Rechts der KGaA liegt mehr als 100 Jahre zu- 151 rück.556 Dabei wählte der Gesetzgeber die schon damals wenig glückliche Verweistechnik. Das Recht der KGaA gilt seitdem als unübersichtlich und für die Praxis eher abschreckend. Auch die Rechtsprechung hat in Bezug auf das Recht der KGaA nur wenig und im Vergleich zum Recht der AG und GmbH gar nur in vernachlässigenswertem Umfang rechtsfortbildend gewirkt.557 Die Zulassung einer Kapitalgesellschaft als (alleinige) Komplementärin einer KGaA mit dem Beschluss vom 24.2.1997558 wird einer gleichermaßen oft kritisierten wie vielfach geäußerten Forderung gerecht. Dieser Akt, der seinerseits zahlreiche Folgeprobleme aufwirft,559 wird jedoch die Rufe nach einer grundlegen-

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(„weder aus dem Wortlaut noch der Teleologie der Norm [zu] begründen“) mwN und Grafmüller S 229, der zu Recht darauf hinweist, dass dadurch die KGaA im Vergleich zur AG benachteiligt wird. 551 MünchHdBAG/Kraft4 § 82, 27 f (der auch den Fall der Mitunternehmerschaft darstellt). 552 Da nämlich die Komplementäre der KGaA nicht als Mitunternehmer iSv § 9 Nr 2 GewStG gelten (BFH 8.2.1984 – I R 11/80, BFHE 140, 465 ff; GmbHR 1986, 211 ff; Theisen DB 1989, 2191, 2193 f) und § 9 Nr 2a GewStG eine mindestens 10%ige Beteiligung des Komplementärs am Grundkapital der KGaA voraussetzte (BFH aaO), schied eine Anwendung von § 9 GewStG aus, vgl auch Knobbe-Keuk9 S 742, 751. 553 Art 3 Nr 2a Kultur- und StiftungsförderungsG vom 13.12.1990 (BGBl I 2775). 554 S etwa, jeweils mwN, Theisen DB 1989, 2191, 2194; Gosch FR 1991, 345 ff; Graf DStR 1991, 1374, 1376 ff. 555 Aufwendungen, die den persönlich haftenden Gesellschaftern dadurch entstehen, dass sie ihre Aufgaben von Fremdgeschäftsführern wahrnehmen lassen, mindern die Hinzurechnung nicht, vgl BFH 31.10.1990 – I R 32/86, BFHE 162, 445 ff. Allerdings kann der Komplementär/die Komplementärgesellschaft selbst diese Aufwendungen steuermindernd geltend machen (BFH aaO sowie Gosch FR 1991, 345, 349). 556 So Rdn 43. 557 Nachw bei Sethe S 254. 558 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 559 S etwa die Beiträge von Hommelhoff und von Ihrig/Schlitt S 9 bzw S 33; Heermann ZGR 2000, 61; Schlitt S 16 ff; Wichert AG 2000, 268; Herfs Die Satzung der börsennotierten GmbH & Co KGaA, in:

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den Reform des Rechts der KGaA nicht verstummen lassen. Das ist schon deshalb nicht zu erwarten, weil sich die (im Verhältnis zu den vergleichsweise wenigen Beiträgen zum Recht der KGaA) große Zahl von Reformvorschlägen nicht auf das Verlangen nach der Gestattung der Typenvermischung und Zurückdrängung des Gestaltungselements der persönlichen Haftung reduzieren lässt, sondern zum Teil eine Reform an Haupt und Gliedern, unter Einschluss des Verzichts auf die Verweistechnik, verlangt. Umgekehrt wird die Zulassung der Typenvermischung in der KGaA aber auch jene Stimmen nicht verstummen lassen, die hierin einen Irrweg des Gesellschaftsrechts erblicken560 und sich in ihrer Forderung nach Abschaffung der KGaA bestärkt sehen mögen.561 152 Lässt man die möglichen Reformüberlegungen oder Vorschläge zur weiteren Rechtsfortbildung, die an der durch den Beschluss des BGH vom 24.2.1997 neu geschaffenen Lage ansetzen,562 beiseite und ignoriert darüber hinaus die mögliche Unwilligkeit des Gesetzgebers, sich mit erheblichem Aufwand einer Aufgabe zu widmen, die im Vergleich zu anderen Problemfeldern nicht sonderlich dringlich erscheinen mag, so stehen nach wie vor im Wesentlichen zwei Gruppen von Reformvorschlägen im Raume: Während sich die eine auf ein Reformkonzept beschränkt, das lediglich eine Partialänderung des Rechts der KGaA erforderlich machen würde,563 schlägt die andere eine grundlegende, auf eine Neupositionierung der KGaA im Rechtsformenspektrum hinauslaufende Umgestaltung des KGaA-Rechts vor.564 Da sich die Randbedingungen der Reformvorschläge der ersten Gruppe nicht erst mit dem Beschluss des BGH vom 24.2.1997 erheblich verändert haben und sich die Vorschläge aus der zweiten Gruppe ungleich schwieriger erschließen, beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf die letzteren.565 Die von Dölker566 1935 vorgeschlagene und auch vorbereitete grundlegende Re153 form der gesetzlichen Regelung der KGaA – sie umfasst die Privilegierung der KGaA aufgrund eines gegenüber der AG herabgesetzten Mindestgrundkapitals, die Beseitigung der Steuernachteile gegenüber anderen Rechtsformen, den Verzicht auf das Erfordernis von fünf Gründern, die Erleichterung der Umwandlung in eine KGaA, die zwingende Beteiligung der Komplementäre am Grundkapital mit 20%, die Abschaffung von Einlagen, die grundsätzliche Einräumung des Stimmrechts für die von Komplementären gehaltenen Aktien sowie Stimmverbote bei Interessenkonflikten – wurde bei den Beratungen zum AktG 1937 nicht einmal erörtert und ist heute teilweise obsolet. Ein 1995 von Sethe unterbreitetes Reformkonzept zielt darauf ab, die unübersichtli154 che Gesetzeslage der KGaA zu beseitigen, sie aufgrund eines niedrigeren Grundkapitals als Rechtsform für kleine und mittlere Unternehmen auszugestalten567 und zu einer Rechtsform mit beschränkter Haftung umzugestalten. Zu diesem Zweck schlägt der Autor vor, die persönlich haftenden Gesellschafter durch beschränkt haftende Gesellschafter

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Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, Jahrestagung 1998, 1999, S 23, 29 ff, 37; K. Schmidt ZHR 160 (1996) 265, 282 ff. 560 S dazu näher § 278 Rdn 39 mwN. 561 S dazu schon oben Rdn 43 mwN. 562 S dazu etwa die Beiträge von Hommelhoff und von Ihrig/Schlitt S 9 bzw S 33; Heermann ZGR 2000, 61; Schlitt S 16 ff. Kritisch: Wichert AG 2000, 268; Herfs Die Satzung der börsennotierten GmbH & Co KGaA, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, Jahrestagung 1998, 1999, S 23, 29 ff, 37. 563 Sethe AG 1996, 289 ff (Reform des Aufsichtsrats anlässlich des KonTraG). 564 Dölker S 66 ff; Sethe S 278 ff, 548 ff; ders ZIP 1996, 2053, 2058; Binz/Sorg DB 1997, 313, 319. AA allerdings ohne nähere Begründung Claussen AG 1996, 481, 493. 565 Vgl auch oben Rdn 43 mwN. 566 Dölker S 66 ff. 567 Diese Gruppe von Unternehmen ist Gegenstand zahlreicher Reformvorschläge; s, jeweils mwN, 4. Aufl Assmann Einl 291 ff, 413 ff; Sethe S 265 ff sowie Hopt in: FS Brandner, 1996, S 541 ff.

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zu ersetzen. Diese sollen eine in ihrer Höhe prozentual an das Grundkapital gekoppelte Mindesthafteinlage erbringen, auf die ihre Haftung beschränkt wird. Mit diesem Ansatz sollen auch die Friktionen behoben werden, die sich aus der Herbeiführung einer Haftungsbeschränkung mittels Zulassung der GmbH & Co KGaA, die damals noch nicht beschlossene Sache war, für das Gesellschafts- und Mitbestimmungsrecht ergeben. Ein weiterer Vorteil des Vorschlags wird darin gesehen, die Steuervorteile, die aus der Kombination von Personen- und Kapitalgesellschaft erwachsen können, zu erhalten. Sethes Reformvorschlag wurde namentlich von K Schmidt568 einer zwar respektvol- 155 len, aber nicht minder deutlichen Kritik unterzogen. Dieser bezeichnet die KGaA Sethescher Prägung als einen kaum wiederzuerkennenden Sonderling. Wenn schon eine so grundlegende Reform der KGaA wie die vorgeschlagene angestrebt werde, könne ebenso gut gleich eine Sonderform der AG geschaffen werden,569 nämlich eine solche mit einem Vorstand, der 25% des Aktienkapitals halte. Diesem Sonderweg vermag K Schmidt jedoch wenig abzugewinnen: Wenn der Gesetzgeber schon initiativ werden wolle, solle er lieber (die von K Schmidt für unzulässig gehaltene) GmbH & Co KGaA anerkennen und die sich aus ihr ergebenden Folgeprobleme im Gesellschafts-, Konzern- und Mitbestimmungsrecht angehen. Diese Empfehlung wurde inzwischen auch ohne die Hilfe des Gesetzgebers befolgt, allerdings ohne die Bewältigung der von K Schmidt angedeuteten Folgeprobleme. Man wird den Autor gleichwohl nicht so verstehen dürfen, dass sich damit der Vorschlag Sethe zum Besseren erledigt habe. K Schmidt ist sicherlich darin zuzustimmen, dass die KGaA mit beschränkt haften- 156 den Gesellschaftern ein auf den ersten Blick befremdendes Gebilde darstellt. Nicht anders verhielt es sich allerdings zum Zeitpunkt, als in Deutschland die GmbH erfunden wurde. Der Vorschlag sollte deshalb nicht vorschnell ad acta gelegt werden, denn für ihn sprechen zwei gewichtige Gründe. Zum einen: Die reformierte KGaA würde eine Rechtsform „aus einem Guss“ darstellen, während die GmbH & Co KGaA mehr Folgeprobleme aufwerfen könnte als sie an Problemen löst. Der Versuch, die mit dem Beschluss vom 24.2.1997570 einhergehende Gestaltungsfreiheit in Bezug auf die KGaA durch ein Bündel einschränkender Regeln wieder zu binden,571 gibt genügend Grund zu solchen Befürchtungen. Zum anderen: Für eine Rechtsform aus einem Guss sprechen steuer(recht)liche Erwägungen. Solange das Steuerrecht zu Verzerrungen zwischen Kapital- und Personengesellschaftsrecht führt, sollte Familienunternehmen eine börsengängige Rechtsform zur Verfügung gestellt werden, bei der die Familie über die Art der Beteiligung wählen kann, ob sie nach dem Steuerrecht für Kapital- oder für Personengesellschaften besteuert werden will.572 War die GmbH die Antwort auf eine immer größer werdende Schere zwischen den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an Personen- und Kapitalgesellschaften, so stellt sich heute die Aufgabe, auf eine immer größer werdende Schere zwischen den Anforderungen (steuerliche eingeschlossen) an börsengängige und nicht börsengängige Unternehmen zu reagieren. Die sog Kleine AG hat diese Lücke nicht geschlossen.573 Diese Problematik zwingt, wie die über lange Jahre sinkende Eigenkapital-

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568 K Schmidt ZHR 160 (1996) 265, 285 f; ders ZHR 160 (1996) 298 f. 569 Ähnlich auch Binz/Sorg DB 1997, 313, 319, die sich allerdings nicht mit den Reformvorschlägen im Einzelnen auseinandersetzen. 570 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 571 S oben Fn 557. 572 Die Einbeziehung steuerlicher Gesichtspunkte befürworten auch Binz/Sorg DB 1997, 313, 319. 573 Kritisch auch Dehmer WiB 1994, 753, 760; Heckschen DNotZ 1995, 275, 290; Hoffmann-Becking ZIP 1995, 1, 10; Hommelhoff in Semler ua (Hrsg), Reformbedarf im Aktienrecht, S 65, 68; Binz/Sorg DB 1997, 313, 315; Priester BB 1996, 333, 335; Kallmeyer GmbHR 1995, 888 f; Sethe S 82 f, 266 f; ders DZWiR 1996, 174; einschränkend auch Kindler NJW 1994, 3041, 3048; Niederleithinger ZIP 1995, 600 li Sp; Zöllner AG 1994,

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ausstattung und die steigende Konkursanfälligkeit deutscher Unternehmen zeigen, zum Handeln. Dass der Gesetzgeber nach dem von der Rechtsprechung vollzogenen Schritt zur 157 Anerkennung der Kapitalgesellschaft & Co KGaA die Initiative zur Reform des Rechts der KGaA ergreifen würde, ist jedoch nicht zu erwarten. Nicht minder unwahrscheinlich ist es, dass sich der Gesetzgeber der durch den Beschluss des BGH vom 24.2.1997574 aufgeworfenen Folgeprobleme, namentlich in Bezug auf die Publikums-GmbH & Co KGaA, annimmt. Das ist in der Sache auch nicht zu empfehlen:575 Zum einen, weil es, worauf der BGH in seinem Beschluss zu Recht hingewiesen hat,576 dem Markt ermöglicht werden sollte, die Neuentwicklung im Recht der KGaA zu bewerten.577 Zum anderen, weil es der Justiz überlassen werden kann, die Reaktion der Praxis auf die ihr nunmehr eröffneten Gestaltungsspielräume abzuwarten und fallweise auf die den Gerichten zur Entscheidung vorgelegten Fälle vermeintlicher Schutzdefizite zulasten der Kommanditaktionäre als Anleger zu reagieren. Vor allem aber besteht kein Bedarf, die aus dem Schrifttum heraus bereits erhobenen Anforderungen an die Publikums-GmbH & Co KG zum Schutz der Anleger578 und der zuvor mit wenig Aufmerksamkeit bedachten Institution der KGaA als solcher zu kodifizieren und damit erst das Schicksal der KGaA einzuleiten, vor dem es sie zu bewahren gilt. Dass auch hinsichtlich des Anlegerschutzes die Marktkräfte nicht unterschätzt werden sollten, belegen bereits die Vorbehalte, die seitens der Banken gegenüber der Platzierbarkeit der Aktien von Publikums-GmbH & KGaA vorgebracht werden. Anderweitige Reformvorschläge zur KGaA werden sich angesichts der abzuwartenden Marktbewertung der derzeitigen Entwicklung im Recht der KGaA damit bescheiden müssen, nicht als dringlich betrachtet oder, als nicht geboten, auf weiteres vertagt zu werden. Dies zeigt sich etwa auch daran, dass der Deutschen Corporate Governance Kodex, der einfacher als ein Gesetz zu reformieren wäre, die KGaA nicht erwähnt, obwohl die entsprechende Lücke bereits seit langem bekannt ist.579

§ 278 Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien § 278 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-025

(1) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet (persönlich haftender Gesellschafter) und die übrigen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre). (2) Das Rechtsverhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre sowie gegenüber Dritten, namentlich die Befugnis der persönlich haftenden Gesellschafter zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft, bestimmt sich nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft.

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336 ff. Ebenfalls nicht sehr optimistisch die Stellungnahme des parlamentarischen Staatssekretärs Funke ZIP 1995, A 35 Nr 93. 574 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 575 Ebenso jetzt Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 13. 576 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 401. 577 Skeptisch insoweit Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 13. 578 S die Nachw oben in Fn 559. 579 Einen umfassenden Reformvorschlag legt Vollertsen S 539 ff, 555 ff vor.

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(3) Im Übrigen gelten für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, soweit sich aus den folgenden Vorschriften oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt, die Vorschriften des Ersten Buchs über die Aktiengesellschaft sinngemäß. Allgemeines Schrifttum Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter Deregulierung des Aktienrechts: Das Drei-Stufen-Modell, 1988; Ammenwerth Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) – Eine Rechtsformalternative für personenbezogene Unternehmen?, 1997; Arbeitsgruppe „Zweiter Börsenmarkt“ Bericht der Arbeitsgruppe „Zweiter Börsenmarkt“: Börsenzugang für kleinere und mittlere Unternehmen – konkrete Gestaltungsvorschläge, hrsg vom Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie Baden-Württemberg, 1989; Bacher/von Blumenthal Die Stimmenthaltung bei Beschlüssen in Personen- und Kapitalgesellschaften, GmbHR 2019, 261; Bachmann Die Änderung personengesellschaftsrechtlicher Satzungsbestandteile bei der KGaA, in: FS K Schmidt, 2009, S 41; ders Die Haftung des Geschäftsleiters für die Verschwendung von Gesellschaftsvermögen, NZG 2013, 1121; ders Zum Antrag auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats einer KGaA, EWiR 2015, 103; ders Die Hauptversammlung der KGaA, in: FS Marsch-Barner, 2018, S 13; ders Die Besetzung des Aufsichtsrats der KGaA mit Gesellschaftern der Komplementärin und ihre Vertretung diesen gegenüber, AG 2019, 581; Backhaus Die Auswirkungen der Neuregelungen zur Vorstandsvergütung im ARUG II auf die börsennotierte Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), AG 2020, 462; Backhaus/ Brouwer Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats bei Geschäften mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions) bei der KGaA – HGB sticht AktG, AG 2019, 287; Balzer Die Umwandlung von Vereinen der Fussball-Bundesligen in Kapitalgesellschaften zwischen Gesellschafts-, Vereins- und Verbandsrecht, ZIP 2001, 175; Becker Unternehmerische Freiheit in deutscher KGaA und britischer PLC: Eignet sich die PLC als Rechtsformalternative für börsenwillige Familienunternehmen in Deutschland?, 2017; Begemann Die SE & Co. KGaA als Rechtsform für Familienunternehmen, 2018; Beyer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, in: Albach/Corte/Richter ua, Die Private Aktiengesellschaft, Schriften zur Mittelstandsforschung Nr 25 NF, 1989, S 431 ff; Biagosch Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, NWB 1996, 1073 = Fach 18, S 3453; Bohlken/Sprenger Minderheitenschutz bei Personengesellschaften, DB 2010, 263; Brink/Strieder Zugangsmöglichkeiten zum Kapitalmarkt für genossenschaftliche Unternehmen, in: FS Hennerkes, 2000, S 201; Bunnemann Das Ausscheiden des letzten Komplementärs aus der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2008; Bürgers/Fett Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2. Aufl 2015; Cahn Die Änderung von Satzungsbestimmungen nach § 281 AktG bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, AG 2001, 579; Claussen Perspektiven für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, in: FS Heinsius, 1991, S 61; ders Überlegungen zur Rechtsform der GmbH – Ist die KGaA eine Alternative?, GmbHR 1996, 73; R Decker Eine Prinzipal-Agententheoretische Betrachtung von Eigner-Manager-Konflikten in der Kommanditgesellschaft auf Aktien und in der Aktiengesellschaft, 1994; Dirksen/Möhrle Die kapitalistische Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZIP 1998, 1377; Dölker Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss München 1935; Dreisow Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als echte Einmann-Gesellschaft, WPg 1976, 658; ders Zu den Stimmverboten für die Komplementäre einer KGaA, DB 1977, 851; Durchlaub Mitwirkung der Hauptversammlung und des Aufsichtsrates bei Geschäftsführungsmaßnahmen in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, BB 1977, 1581; Ebeling Beteiligungsfinanzierung personenbezogener Unternehmen, 1988; Eckhardt/Hermanns Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, 3. Aufl 2017; von Eiff/Otte Die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA – eine attraktive Gestaltungsmöglichkeit, GWR 2015, 246; Eilentrop Die Kommanditaktiengesellschaft, 1988; Ek/Schiemzik Zur Frage der Angreifbarkeit einer fehlerhaften Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern mit einer allgemeinen Feststellungsklage, BB 2006, 456; Elschenbroich Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1959; Emmerich/Doehner Die Beratungstätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, in: FS Georgiades, 2006, S 625; Fett Die Entsendung von Aufsichtsratsmitglieder bei einer KGaA, BGHReport 2006, 375; Fett/Förl Die Mitwirkung der Hauptversammlung einer KGaA bei der Veräußerung wesentlicher Unternehmensteile, NZG 2004, 210; Flämig Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Vor- und Nachteile für Investoren, in: FS Peltzer, 2001, S 99; Fiebelkorn Der Zustimmungsvorbehalt zu related party transactions in der börsennotierten KGaA nach ARUG II, ZIP 2020, 953; Frodermann/Jannott Handbuch des Aktienrechts, 9. Aufl 2017; Fromholzer/Simons Die Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Geschäftsleitung und Führungspositionen, AG 2015, 457; Gaibler Die Kommandit-

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gesellschaft auf Aktien, Ihre Vor- und Nachteile im Vergleich zu anderen Rechtsformen sowie ihre Geeignetheit für bestimmte Unternehmenstypen, Diss Augsburg 2014; Gail Auswirkungen des Aktiengesetzes 1965 auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien, WPg 1966, 425; Gardt Moderne Finanzierungsmöglichkeiten von Fußballvereinen der 1. Fußball-Bundesliga, SpuRt 2015, 14; Gonnella/Mikic Die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA als „Einheitsgesellschaft“, AG 1998, 506; Graf Die Kapitalgesellschaft & Co. KG auf Aktien, 1993; Grafmüller Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als geeignete Rechtsform für börsenwillige Familienunternehmen, 1994; H Grobe Zum Rechtsverhältnis des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, NJW 1968, 1709; T Grobe Die Geschlechterquote für Aufsichtsrat und Vorstand, AG 2015, 289; Habel/Strieder Die Kommanditgesellschaft auf Aktien – ein Überblick, MittBayNot 1998, 65; dies Ist die Kommanditgesellschaft auf Aktien eine geeignete Rechtsform für einen Börsengang von Vereinen der Fußball-Bundesliga?, NZG 1998, 929; Hasselbach/Ebbinghaus Die KGaA als Unternehmensform für den deutschen Mittelstand, DB 2015, 1269; Heermann Die Ausgliederung von Vereinen auf Kapitalgesellschaften, ZIP 1998, 249; Heineke Anlegerschutz in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Zur Erforderlichkeit von Restriktionen in der Satzungsgestaltung börsennotierter KGaA, 2002; Heinze Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Komplementärin bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, DNotZ 2012, 426; Hennemann Einfluss und Kontrolle in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZHR 182 (2018) 157; Heite Bezugsrechtsausschluss im Rahmen des genehmigten Kapitals bei personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaften – GmbH & KGaA, 2016; Herfs Die Satzung der börsennotierten GmbH & Co. KGaA, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR) (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, Jahrestagung 1998, 1999, S 23; ders Vereinbarungen zwischen der KGaA und ihren Komplementären, AG 2005, 589; Hoffmann-Becking/Herfs Struktur und Satzung der Familien-KGaA, in: FS Sigle, 2000, S 273; Hohlfeld Die Nachhaftung des ausgeschiedenen persönlich haftenden Gesellschafters, Diss Bielefeld 1983; Hommelhoff Anlegerschutz in der GmbH & Co. KGaA in: Ulmer (Hrsg) Die GmbH & Co. KGaA nach dem Beschluss BGHZ 134, 392, Beihefte der ZHR, Heft 67, 1998, S 9; Hundertmark Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, BB 1968, 1285; Ihrig/Schlitt Die KGaA nach dem Beschluss des BGH vom 24.2.1997, in: Ulmer (Hrsg) Die GmbH & Co KGaA nach dem Beschluss BGHZ 134, 392, Beihefte der ZHR, Heft 67, 1998, S 33; Jäger Thema Börse: Wahl der richtigen Rechtsform, NZG 1999, 101; ders Aktiengesellschaft – unter besonderer Berücksichtigung der KGaA, 2004; Joens Die persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Hamburg 1962; Johannsen-Roth/Kießling Die unzureichende Beachtung der rechtsformspezifischen Besonderheiten der KGaA in der jüngeren Gesetzgebung und im Corporate Governance Kodex, in: FS Marsch-Barner, 2018, S 273; Kallmeyer Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZGR 1983, 57; ders Die Kommanditgesellschaft auf Aktien – eine interessante Rechtsformalternative für den Mittelstand?, DStR 1994, 977; Karsch Der Fußballbundesligaverein als Wirtschaftsunternehmen und Arbeitgeber, 2006, S 131 ff; Kessler Die Entwicklung des Binnenrechts der KGaA seit BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923, NZG 2005, 145; Kiefer Anlegerschutz durch Gesellschaftsrecht in der börsennotierten GmbH & Co. KGaA, 2001; Kling Der besondere Vertreter im Aktienrecht, ZGR 2009, 190; R Koenig Die Stellung der Komplementare zur Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Leipzig 1912; Knur Unternehmensform und Betriebsverfassungsgesetz, DNotZ 1953, 6; ders Die Eignung der Kommanditgesellschaft auf Aktien für Familienunternehmen, in: FS Flume Bd II, 1978, S 173; Kollbach Die Neuregelung der Nachhaftung ausgeschiedener persönlich haftenden Gesellschafter, GmbHR 1994, 164; Kölling Gestaltungsspielräume und Anlegerschutz in der kapitalistischen KGaA, 2005; Kommission „Zweiter Börsenmarkt“ Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“: Börsenzugang für kleinere und mittlere Unternehmen, hrsg v Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie BadenWürttemberg, 1987; Kopec/Schade Der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA vs. der atypisch stille Gesellschafter, FR 2017, 811; Korff Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als Organisationsform für Fußballprofiklubs, KSzW 2013, 263; Krug Gestaltungsmöglichkeit bei der KGaA durch Umwandlung von Komplementäranteilen in Aktien, AG 2000, 510; Ladwig/Motte Die Kommanditgesellschaft auf Aktien – Eine Alternative für börsenwillige mittelständische Unternehmen?, DStR 1996, 800 (I.), 842 (II.); dies Die GmbH & Co. KGaA nach der Zulassung durch den BGH – Die Rechtsform für den Mittelstand?, DStR 1997, 1539; Lenz Publikums-KG und KG auf Aktien, 1986; Lieder/Hoffmann Die bunte Welt der KGaA, AG 2016, 704; Linden Kann Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis dem einzigen Komplementar der Kommandit-Aktien-Gesellschaft entzogen werden, und hat dieser im Falle der Entziehung einen Anspruch auf Auflösung?, Diss Erlangen 1910; Lorz Die GmbH & Co. KGaA und ihr Weg an die Börse, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, Jahrestagung 1998, 1999, S 57; v Malachowski Die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf AktiSethe

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Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien | § 278

en, Diss Leipzig 1910; Martens Der Beirat in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, AG 1982, 113; Martin Die Kommanditgesellschaft auf Aktien im Lichte der Aktienrechtsreform, Diss Heidelberg 1938; Mayer Das Umwandlungsrecht als Instrumentarium der Unternehmensnachfolge, 25. Deutscher Notartag Münster 1998, 1998 S 159–227; Mertens Zur Existenzberechtigung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, in: FS Barz, 1974, S 253; ders Die Handelsgesellschaft KGaA als Gegenstand gesellschaftsrechtlicher Diskussion und die Wissenschaft vom Gesellschaftsrecht, in: FS Ritter, 1997, S 731; ders Zur Reichweite der Inkompatibilitätsregelung des § 287 Abs 3 AktG, in: FS Ulmer, 2003, S 419; Müller Der deutsche Berufsfußball – vom Idealverein zur Kapitalgesellschaft, 2000; Muthers Gemeinsame anwaltliche Berufsausübung in der Kapitalgesellschaft, Die Anwalts-AG und -KGaA, NZG 2001, 930; Nagel/Wittkowski Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA): Rechtsform für Mittelstand und Familienunternehmen, 2012; Niederlag Juristische Person als Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Münster 1973; Nitsche Das neue Nachhaftungsbegrenzungsgesetz – Vertragsübergang kraft Gesetzes?, ZIP 1994, 1919; Oder Die Anwendung der Principal-Agent-Theorie auf die KGaA, Discussion Paper No D – 11 des Sonderforschungsbereichs 303 („Information und Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten“), Bonn 1987; Ott Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Tübingen 1960; Overlack Der Komplementär in der GmbH & Co. KGaA, in: Hommelhoff/Röhricht (Hrsg) Gesellschaftsrecht 1997, RWS-Forum 10, 1998, S 237; Pallenbach Die organschaftliche Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1954; Perlitt Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), Die Rechtsform für Familienunternehmen?, in: von Rosen (Hrsg), Die börsennotierte Familienaktiengesellschaft, 2016, S 84; Pfeiffer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als Beteiligte eines Beherrschungsvertrags und einer Eingliederung, 2005; Philbert Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Personengesellschaftsrecht und Aktienrecht, 2005; Reichert Wettbewerb der Gesellschaftsformen, SE oder KGaA zur Organisation großer Familiengesellschaften, ZIP 2014, 1957; ders Die personalistische Aktiengesellschaft, in: FS Oppenhoff, 2017, S 281; Reichold Das neue Nachhaftungsbegrenzungsgesetz, NJW 1994, 1617; D Reuter Welche Maßnahmen empfehlen sich, insbesondere im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, um die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen langfristig zu verbessern?, Gutachten B zum 55. DJT, in: Verhandlungen des 55. DJT, 1984, Bd I, S B 1; Schaumburg Die KGaA als Rechtsform für den Mittelstand, DStZ 1998, 523; Schaumburg/ Schulte Die KGaA – Recht und Steuern in der Praxis, 2000; Schilling Die GmbH & Co. KGaA zwischen Unternehmergeist und Aktionärs- bzw Anlegerschutz, BB 1998, 1905; Schlitt Die Satzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999; ders Die Auswirkungen des Handelsrechtsreformgesetzes auf die Gestaltung von GmbH & Co. KG-Verträgen, NZG 1998, 580; Schlitt/Winzen Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), eine attraktive Rechtsform für börsennotierte Unternehmen?, CFL 2012, 261; K Schmidt Das neue Nachhaftungsbegrenzungsrecht, ZIP 1994, 243; ders Zur Vermögensstruktur der Kommanditgesellschaft auf Aktien, in: FS Forstmoser, 2003, S 87; ders 150 Jahre KGaA, in: Bayer/Habersack (Hrsg), Aktienrecht im Wandel, Bd 2, 2007, S 1188; ders Persönliche Gesellschafterhaftung in der Insolvenz, ZHR 174 (2010), 163; Schönemann Die Vergütung der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften – zur Übertragbarkeit des § 87 AktG auf andere Rechtsformen, insbesondere auf die GmbH, 2012, S 135 ff; Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1925; Schroeder Rechtsprobleme bei der Entstehung einer KGaA durch Umwandlung, 1991; Schulz/Ruf Zweifelsfragen der neuen Regelungen über die Geschlechterquote im Aufsichtsrat und die Zielgrößen für die Frauenbeteiligung, BB 2015, 1155; Schulze zur Wiesche Die KGaA als Familiengesellschaft, StBp 2020, 43; Schütz Die Kommanditgesellschaft auf Aktien – Rechtsform mit Zukunft für Privatbankiers, Die Bank 1980, 354; Seibert Nachhaftungsbegrenzungsgesetz – Haftungsklarheit für den Mittelstand, DB 1994, 461; Seibt/von Rimon Monistische SE & Co. KGaA: Einsatzfelder und Antwort auf Praxisfragen, AG 2019, 753; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996; ders Die Kommanditaktiengesellschaft als Stiefkind der Schweizer Aktienrechtsrevision, RIW 1993, 561; ders Aktienrechtsreform mit Lücken, Die Einbeziehung der Kommanditgesellschaft auf Aktien in die gegenwärtige Reformdiskussion, AG 1996, 289; ders Bewegung im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien?, ZIP 1996, 2053; Siebold/Wichert Die KGaA als Rechtsform für die Profiabteilungen der Vereine der FußballBundesligen, SpuRt 1998, 138; dies Die Einflußsicherung des Vereins in einer Fußball-KGaA, SpuRt 2000, 177; Spalcke Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1961; Steindorff Kommanditgesellschaft auf Aktien und Mitbestimmung, in: FS Ballerstedt, 1975, S 127; Strieder Eigenkapitalbeschaffung bei genossenschaftlichen Unternehmen, ZfgG 2000, 214; Stüber Die Frauenquote ist da – Das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe und die Folgen für die Praxis, DStR 2015, 947; Sußmann Die rechtliche Stellung des Komplementars in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Marburg 1915; Theisen Die Kommanditgesellschaft auf Aktien auf dem Prüfstand, DBW 1989, 137; Veil Die Kündigung der KGaA durch persönlich 493

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§ 278 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

haftende Gesellschafter und Kommanditaktionäre, NZG 2000, 72; Verse Die „50+1“-Regel zwischen Verbandsautonomie und Wettbewerbsfreiheit, CaS 2010, 28; Vollertsen Corporate Governance der börsennotierten KGaA, 2019; Wagner Bundesliga Going Public – Traumpaß oder Eigentor?, NZG 1999 469; Weiler Multi-Club Ownership-Regelungen im deutschen Profifußball, SpuRt 2007, 133; Werner Die KGaA und die AG & Co. KG, Alternativen zur Aktiengesellschaft für Familienunternehmen, NWB 6/2008, 447 = Fach 18, 4603; ders Die Societas Europaea und die Kommanditgesellschaft auf Aktien, Alternativen zur Aktiengesellschaft, NWB 51/2016, 3868; Wichert Die Finanzen der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999; ders Satzungsänderungen in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, AG 1999, 362; Wiesner Die Enthaftung ausgeschiedener persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA, ZHR 148 (1984) 56; Winzen Vorzugsaktie und KGaA: Instrumente zur Kontrollerhaltung bei der Eigenkapitalfinanzierung, 2014. Vgl im Übrigen das Schrifttum zu den Vorbemerkungen zu § 278 und zu §§ 285, 287.

Schrifttum zu juristischen Personen als Komplementär (atypische KGaA) Arnold Die GmbH und Co KGaA, 2001; Baumann Die Vereinigungs- und Berufsfreiheit der juristischen Person, BB 1997, 2281; Baumann/Kusch Die Kapitalgesellschaft & Co. KG auf Aktien – Faktizität und Recht, in: FS Boujong, 1996, S 3; Bauschatz Die Einpersonen-GmbH & Co. KGaA als Holdinggesellschaft, DStZ 2007, 39; Bayreuther Die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, JuS 1999, 651; Binz/Sorg Die GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien, BB 1988, 2041; dies Die KGaA mit beschränkter Haftung – quo vadis?, DB 1997, 313; Bödefeld Die steuerliche Behandlung von Mischformen des europäischen Gesellschaftsrechtes am Beispiel der Plc. & Co. KGaA, in: FS Rädler, 1999, S 33; Born Die abhängige Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2004; Cahn Das Wettbewerbsverbot des Vorstands in der AG & Co. KG, Der Konzern 2007, 716; Claussen Überlegungen zur Rechtsform der GmbH – Ist die KGaA eine Alternative?, GmbHR 1996, 73; Diehl VVaG & Co. KGaA – Wirklich eine Alternative für VVaG-Konzerne, VW 2000, 110; Fett Die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, INF 2005, 872; Fett/Stütz 20 Jahre Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, Bestandsaufnahme und neuere Entwicklungen, NZG 2017, 1121; L Fischer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien nach dem Mitbestimmungsgesetz, 1982; Freudenberg/Sorg Die KGaA mit beschränkter Haftung (GmbH & Co. KGaA), Heidelberger Musterverträge Bd 95, 2. Aufl 2010; Friedrich Anlegerschutz in der GmbH & Co. KGaA, 2007; Gehrke Die Stiftung & Co. KGaA im Gesellschafts- und Steuerrecht, 2007; Goette Anmerkung zu BGHZ 134, 392, DStR 1997, 1014; Haase Die Vorteile der GmbH oder der GmbH & Co. KGaA in gesellschaftsrechtlicher Sicht, GmbHR 1997, 917; Habersack Zur Corporate Governance der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, ZIP 2019, 1453; Halasz/Kloster/Kloster Die GmbH & Co. KGaA, Eine Rechtsformalternative zur GmbH & Co. KG?, GmbHR 2002, 77; Hartel Umwandlung einer GmbH & Co. KG in eine KG auf Aktien, DB 1992, 2329; ders Die Unternehmer-AG, 1996; ders Registerprobleme bei der GmbH als einziger Komplementärin einer KGaA, WiB 1997, 298; Hau Die juristische Person & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, JURA 1999, 190; Helm Fälle u. Lösungen nach höchstrichterlichen Entscheidungen, 2. Aufl 1974, S 70; Hennerkes/Lorz Roma locuta causa finita: Die GmbH & Co. KGaA ist zulässig, DB 1997, 1388; Hennerkes/May Als GmbH und KG an die Börse, DB 1989, 1709; dies Die GmbH & Co. KGaA – eine ideale Rechtsform für börsenwillige Familienunternehmen, StbJb 1988/89, 303; dies Die GmbH & Co. KG auf Aktien als ideale Rechtsform für börsenwillige Familienunternehmen?, BB 1988, 2393; dies Überlegungen zur Rechtsformwahl im Familienunternehmen (II.), DB 1988, 537; Herfs Die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA als Rechtsformoptimierung für mittelständische Unternehmen, WiB 1997, 688; Hesselmann Urteilsanmerkung zu OLG Hamburg v 5.12.68, GmbHR 1969, 141; ders GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien, GmbHR 1988, 472; ders Die kapitalistische Kommanditgesellschaft auf Aktien, BB 1989, 2344; Jaques Börsengang und Führungskontinuität durch die kapitalistische KGaA, NZG 2000, 401; Kallmeyer Anmerkung zu BGHZ 134, 392, DZWiR 1998, 238; Kessler Die rechtlichen Möglichkeiten der Kommanditaktionäre einer GmbH & Co. KGaA zur Einwirkung auf die Geschäftsführung, 2003; Koch Mitwirkungsrechte der Kommanditaktionäre bei der GmbH & Co. KGaA: Grenzen satzungsmäßiger Einschränkung, DB 2002, 1701; Kruse/Domning/Frechen Die (GmbH & Co.) KGaA als moderne Rechtsform für mittelständische Familienunternehmen, DStR 2017, 2440; Kusterer Anteilsumwandlung bei atypisch ausgestalteter KGaA, DStR 1999, 1681; Ladwig/Motte Die Kommanditgesellschaft auf Aktien – Eine Alternative für börsenwillige mittelständische Unternehmen?, DStR 1996, 800 (I.), 842 (II.); dies Die GmbH & Co. KGaA nach der Zulassung durch den BGH – die neue Rechtsform für den Mittelstand, DStR 1997, 1539; Lehmann/Dietz Gesellschaftsrecht, 3. Aufl 1970; Lutter Die GmbH-Novelle und ihre Bedeutung für die GmbH, die GmbH & Co. KG und

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Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien | § 278

die Aktiengesellschaft, DB 1980, 1317; Marsch-Barner Doppelte Überwachung der Geschäftsführung in der AG & Co KGaA, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 777; Mayer Der Komplementär in der GmbH & Co. KGaA, MittBayNot 1997, 329; Mayer-Uellner/Otte Die SE & Co. KGaA als Rechtsform kapitalmarktfinanzierter Familienunternehmen, NZG 2015, 737; Neumann-Duesberg Die Besetzung des Aufsichtsrats der atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2015; Niederlag Juristische Person als Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Münster 1973; Niedner/Kusterer Die atypisch ausgestaltete Familien-KGaA als Instrument zur Gestaltung des Generationenwechsels in mittelständischen Unternehmen, DB 1997, 2010; Otte Die AG & Co. KGaA: eine Rechtsformstudie, 2011; Pauli Die Doppelstiftung als Unternehmensträger einer KGaA, ZErb 2010, 66; Petersen Ein Beitrag zum Recht der Geschäftsführenden Organe von Handelsgesellschaften, in: FS Luther, 1976, S 127; Pflug Der persönlich haftende Gesellschafter in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, NJW 1971, 345; Priester Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ohne natürlichen Komplementär, ZHR 160 (1996) 250; Reichert/Ott Die SE als Komplementärin, in: Bergmann/Kiem/Mülbert/ Verse/Wittig (Hrsg), 10 Jahre SE, ZHR Beiheft, 2015, S 154; Schloßmacher Mehr Spielraum für den VVaG: Die VVaG & Co. KGaA, VW 1999, 1758; K Schmidt Deregulierung des Aktienrechts durch Denaturierung der Kommanditgesellschaft auf Aktien?, ZHR 160 (1996) 265; ders Buchbesprechung, ZHR 160 (1996) 298 f; ders Zehn Jahre GmbH & Co. KGaA, Zurechnungs- und Durchgriffsprobleme nach BGHZ 134, 392, in: FS Priester, 2007, S 691; Schnorbus/Ganzer Haftung fakultativer Gesellschaftsorgane in der GmbH und KGaA, BB 2017, 1795; Schrick Überlegungen zur Gründung einer kapitalistischen KGaA aus dem Blickwinkel einer Unternehmerfamilie, NZG 2000, 409; dies Die GmbH & Co KGaA in der Form der Einheitsgesellschaft als börsenwilliges Unternehmen?, NZH 2000, 675; Schubert Unternehmensmitbestimmung in der SE & Co. KGaA, 2018; Schürmann/Groh KGaA und GmbH & Co. KGaA, BB 1995, 684; Semler Die GmbH auf Aktien als Ausprägung der GmbH für das Publikum, in: FS Stimpel, 1985, S 507; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996, S 155 ff; ders Aktienrechtsreform mit Lücken, AG 1996, 289; ders Bewegung im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien?, ZIP 1996, 2053; Strieder Eine Genossenschaft als einziger Komplementär einer Kommanditgesellschaft auf Aktien – Ein Zugang zum Kapitalmarkt, DB 1996, 2065; Strieder/Habel Zur Problematik einer Genossenschaft bzw einer Kapitalgesellschaft als einzigem persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, DB 1994, 1557; dies Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als Lösungsansatz zur Eigenkapitalproblematik bei Genossenschaften, BB 1995, 1857; dies Anmerkung zum Vorlagebeschluss des OLG Karlsruhe vom 19.7.1996, AG 1997, 134; Ulmer Die Einmanngründung der GmbH – ein Danaergeschenk?, BB 1980, 1001; Weber Die GmbH & Co. KGaA als Rechtsform eines Proficlubs der Fußball-Bundesliga, GmbHR 2013, 631; Werner Die KGaA und die AG & Co. KG, Alternativen zur Aktiengesellschaft für Familienunternehmen, NWB 6/2008, 447 = Fach 18, S 4603; Wichert Die GmbH & Co. KGaA nach dem Beschluss BGHZ 134, 392, AG 2000, 268; Wotschofsky/Sauter Die kapitalistische Kommanditgesellschaft auf Aktien als Rechtsform für den Zeitgeist, StB 2003, 329. Vgl im Übrigen die Schrifttumsnachweise Vor § 278 und bei § 287.

Rechtsprechung RG (5.7.1901) Rep. 1950/01, RGSt 34, 374: Kaufmanneigenschaft des Komplementärs einer KGaA; RG (24.10.1910) I 79/10, RGZ 74, 297: Entziehung der Vertretungsbefugnis des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters; RG (6.6.1913) II 99/13, RGZ 82, 360: Ausdehnung des Kommanditprinzips; RG (17.2.1928) II 275/27, RGZ 120, 177: zur Zulässigkeit von Satzungsklauseln, die die vermögensrechtlichen Pflichten von Aktionären festlegen; RG (27.6.1930) II 70/30, RGZ 129, 260 (Vereinsbank Hamburg): Ausdehnung des Kommanditprinzips; RG (3.7.1936) II 20/36, RGZ 152, 12: Anforderungen an die Bestellung des persönlich haftenden Gesellschafters; RG (8.1.1937) II 122/36, RGZ 153, 371: Beteiligung von stillen Gesellschaftern an einer KGaA; RG (22.10.1938) II 58/38, RGZ 158, 302: Zustimmungsvorbehalt der Kommanditisten bzw der Gesamtheit der Kommanditaktionäre aus § 164 Satz 1 Hs 2 HGB;

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§ 278 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

RG (20.12.1939) II 95/39, HRR 1940 Nr 1074: Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis; BGH (9.6.1954) II ZR 70/53, BGHZ 14, 25 = DB 1954, 596 = DNotZ 1954, 538 = GmbHR 1954, 122 = NJW 1954, 1401: Veräußerung eines Teilgeschäftsanteils; BGH (29.11.1956) II ZR 156/55, BGHZ 22, 226 = BB 1957, 53 = DB 1957, 42 = NJW 1957, 181 = LM § 13 GmbHG Nr 1 (Fischer): Mithaftung des alleinigen GmbH-Gesellschafters für Gesellschaftsschulden; BGH (14.2.1957) II ZR 190/55, BGHZ 23, 302 = BB 1957, 345 = DB 1957, 330 = NJW 1957, 871 = WM 1957, 543: Haftung des geschäftsführenden Gesellschafters für die Rechnungslegungspflicht der OHG; BGH (15.6.1959) II ZR 44/58, BGHZ 30, 195 = BB 1959, 718 = MDR 1959, 730 = NJW 1959, 1683 = WM 1959, 903: notwendige Streitgenossenschaft im Rechtsstreit zwischen Gesellschaftern; BGH (12.10.1959) II ZR 237/57, NJW 1960, 91 = DB 1959, 1396 = MDR 1960, 110 = WM 1959, 1433: Weigerung des geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafters zur Mitwirkung an einem Rechtsgeschäft namens der Gesellschaft; BGH (22.2.1960) VII ZR 83/59, NJW 1960, 963 = BB 1960, 382 = DB 1960, 436 = JZ 1960, 490 = MDR 1960, 489 = WM 1960, 430: Zulässigkeit der Vereinbarung von OHG-Gesellschaftern zur Stimmrechtsübertragung auf Dritte; BGH (11.7.1960) II ZR 260/59, BGHZ 33, 105 = BB 1960, 917 = DB 1960, 1006 = NJW 1960, 1997 = WM 1960, 1005: Ausschluss des einzigen geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten OHG-Gesellschafters; BGH (14.11.1960) II ZR 55/59, WM 1961, 303 = BB 1961, 347 = DB 1961, 403: Zustimmungsbedürftigkeit der Übertragung von Geschäftsanteilen bei einer GbR; BGH (22.1.1962) II ZR 11/61, BGHZ 36, 292 = BB 1962, 233 = DB 1962, 298 = JZ 1962, 362 = NJW 1962, 738 = WM 1962, 240: Beauftragung eines Dritten mit der Geschäftsführung einer Personengesellschaft; BGH (2.7.1962) II ZR 204/60, BGHZ 37, 299 = BB 1962, 899 = DB 1962, 1108 = MDR 1962, 884 = NJW 1962, 1863 = WM 1962, 905: Geltendmachung von Aufwendungsersatzansprüchen eines Gesellschafters während des Bestehens der Gesellschaft; BGH (10.6.1963) II ZR 88/61, BGHZ 24, 108 = BB 1963, 1076 = DB 1963, 1316 = WM 1963, 989: Komplementär erwirbt Kommanditistenanteil, der sich mit bisherigem Anteil zu einem Gesellschafteranteil vereinigt; BGH (25.5.1964) II ZR 42/62, BGHZ 41, 367 = BB 1964, 785 = DB 1964, 983 = NJW 1964, 1624 = WM 1964, 767: alleinige Vertretung der KG durch verbleibenden Komplementär nach Ausscheiden eines von zwei gesamtvertretungsbefugten Gesellschaftern; BGH (17.3.1966) II ZR 282/63, BGHZ 45, 204 (Rektorfall) = BB 1966, 474 = DB 1966, 656 = NJW 1966, 1309 = WM 1966, 471: Unbeschränkte Kommanditistenhaftung; BGH (9.12.1968) II ZR 33/67, BGHZ 51, 198 = BB 1969, 245 = DB 1969, 256 = NJW 1969, 507 = WM 1969, 118: keine Entziehung der Vertretungsbefugnis des einzigen Komplementärs einer KG; BGH (19.4.1971) II ZR 159/68, BB 1971, 759 = DB 1971, 1246 = NJW 1971, 1613 = WM 1971, 819: Pflicht eines geschäftsführenden Gesellschafters zur Unterrichtung des Mitgeschäftsführers; BGH (24.1.1972) II ZR 3/69, NJW 1972, 862 = BB 1972, 550 = DB 1972, 816 = WM 1972, 489: Verwirkung des Rechts eines Gesellschafters, seine Zustimmung zu einem Geschäft zu versagen; BGH (20.4.1972) II ZR 143/69, BGHZ 58, 316 = BB 1972, 770 = DB 1972, 1283 = NJW 1972, 1755 = WM 1972, 723: Nießbrauch an Kommanditanteil und Kapitalerhöhung durch Gesellschaft; BGH (7.6.1972) VIII ZR 175/70, BGHZ 59, 64 (Kiesabbau) = BB 1972, 1113 = DB 1972, 1574 = NJW 1972, 1421 = WM 1972, 882: Haftung der nicht vertraglich gebundenen Handelsgesellschaft bei Gesellschafteridentität; BGH (23.11.1972) II ZR 97/70, BB 1973, 441 = WM 1973, 285: Abfindung des ausscheidenden Kommanditisten;

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Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien | § 278

BGH (2.7.1973) II ZR 94/71, WM 1973, 1291 = BB 1973, 1506 = DB 1973, 2236 = GmbHR 2018, 289 (Bochmann) = NJW 1973, 2198: Klage auf Schadensersatz gegen den persönlich haftenden Gesellschafter der Mitgesellschafter-KG; BGH (9.11.1973) I ZR 83/72, BB 1974, 482 (Regionale Müllabfuhr) = WM 1974, 253: Zulässigkeit eines vertraglichen Wettbewerbsverbots; BGH (28.4.1975) II ZR 16/73, BGHZ 64, 253 = BB 1975, 896 = DB 1975, 1408 = NJW 1975, 1410 = WM 1975, 774: Ausschließungsklage gegen mehrere Gesellschafter; BGH (5.6.1975) II ZR 23/74, BGHZ 65, 15 = BB 1975, 1450 = MDR 1976, 645 = NJW 1976, 191 = WM 1975, 1152: Erteilung sorgfaltswidriger Weisungen an die GmbH-Geschäftsführung durch Mehrheitsgesellschafter; BGH (10.7.1975) II ZR 154/72, BGHZ 65, 79 = BB 75, 1080 = MDR 75, 908 = NJW 1975, 1774 = WM 1975, 927: Ehegatten in Gütergemeinschaft errichten OHG; BGH (16.2.1976) II ZR 61/74, WM 1976, 449 (Audi/NSU) = BB 1976, 721: Schadensersatz bei Verletzung einer Treuepflicht durch Mehrheitsaktionär; BGH (18.10.1976) II ZR 98/75, WM 1977, 500 = BGHZ 68, 81 = BB 1977, 615 = DB 1977, 857 = MDR 1977, 560 = NJW 1977, 1013: Verbindung der Klagen auf Ausschließung eines Gesellschafters und auf Zustimmung zum Ausschluss; BGH (11.12.1978) II ZR 235/77, BGHZ 73, 217 = BB 1979, 755 = DB 1979, 1123 = MDR 1979, 648 = NJW 1979, 1361 = WM 1979, 487: Gesellschafterhaftung für Mängelbeseitigungsansprüche; BGH (2.7.1979) II ZR 132/78, NJW 1980, 339 = DB 1979, 2364 = WM 1979, 1282: Gesamtschuldausgleich in der GbR; BGH (9.7.1979) II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 (Herstatt; Vorinstanz OLG Köln 5.5.1977 – 14 U 46/76, s dort) = BB 1979, 1625 = DB 1979, 1549 = MDR 1979, 1000 = NJW 1979, 1823 = WM 1979, 878: Verletzung der Konkursantragspflicht durch Aufsichtsratsmitglieder; BGH (11.2.1980) II ZR 41/79, BGHZ 76, 160 = BB 1980, 1065 = DB 1980, 1115 = MDR 1980, 556 = NJW 1980, 1463 = WM 1980, 1141 = ZIP 1980, 369: Unterlassungsanspruch der nicht zur Geschäftsführung befugten Gesellschafter; BGH (9.6.1980) II ZR 255/78, BGHZ 77, 233 = BB 1980, 1215 = DB 1980, 1588 = MDR 1980, 688 = NJW 1980, 2257 = WM 1980, 818: Insolvenzschutz für Versorgungsansprüche des Geschäftsführers; BGH (16.11.1981) II ZR 213/80, NJW 1982, 877 = BB 1982, 201 = DB 1982, 218 = MDR 1982, 552 = NJW 1982, 877 = WM 1982, 40 = ZIP 1982, 54: Übertragung der Befugnis zur Geschäftsführung in einer BGBPublikumsgesellschaft auf einen Dritten; BGH (20.12.1982) II ZR 110/82, BGHZ 86, 177 = BB 1983, 210 = DB 1983, 381 = GmbHR 1983, 149 = MDR 1983, 379 = NJW 1983, 938 = WM 1983, 83: Widerruf der Bestellung eines Gesellschafter-Geschäftsführers in einer GmbH; BGH (25.4.1983) II ZR 170/82, NJW 1984, 173 = DB 1983, 1646 = GmbHR 1983, 301 = MDR 1983, 998 = WM 1983, 750 = ZIP 1983, 1066: Entziehung der Befugnis einer Komplementär-GmbH zur Geschäftsführung in einer GmbH & Co. KG; BGH (26.10.1983) II ZR 44/83, NJW 1984, 362 = DB 1984, 181 = GmbHR 1985, 18 = MDR 1984, 293 = WM 1984, 30: Wirksamkeit des Ausscheidens eines Vorerben aus einer Personengesellschaft; BGH (19.11.1984) II ZR 102/84, NJW 1985, 972 = BB 1985, 423 = DB 1985, 907 = GmbHR 1985, 188 = MDR 1985, 913 = NJW 1985, 972 = WM 1985, 256 = WuB II F §§ 119 HGB, 161 1.85 (Hüffer): Befugnis des Verwaltungsrats einer Publikums-KG zur Änderung des Gesellschaftsvertrages; BGH (1.6.1987) II ZR 259/86, BGHZ 101, 129 = BB 1987, 1984 = DB 1987, 2301 = MDR 1988, 29 = NJW 1987, 3184 = WM 1987, 1161 = ZIP 1987, 1254 = WuB II F § 167 HGB 1.88 (Blaurock): Bewertung und Bilanzierung des in Kommanditistenanteile umgewandelten Geschäftsanteils eines verstorbenen Komplementärs;

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§ 278 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

BGH (11.1.1988) II ZR 192/87, WM 1988, 968 = BB 1988, 1205 = DB 1988, 1377 = MDR 1988, 841 = NJW-RR 1988, 995 = WM 1988, 968 = ZIP 1988, 843 = WuB II E. § 115 HGB 1.88 (Lange): Ausschluss des Widerspruchsrechts der geschäftsführenden Gesellschafter einer OHG; BGH (15.1.1988) V ZR 183/86, BGHZ 103, 72 = DB 1988, 852 = MDR 1988, 569 = NJW 1988, 1375 = WM 1988, 446 = ZIP 1988, 899 = EWiR § 426 BGB 2/88, 439 (Selb) = WuB II L. § 426 BGB 1.88 (von Rottenburg): gesellschaftsrechtlicher Ausgleichsanspruch im Abwicklungsstadium der Gesellschaft; BGH (1.2.1988) II ZR 75/87, BGHZ 103, 184 (Linotype) = AG 1988, 135 = BB 1988, 577 = DB 1988, 593 = NJW 1988, 1579 = WM 1988, 325 = ZIP 1988, 301 = WuB II A § 262 AktG 2.88 (Baums): Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Auflösung einer AG; BGH (6.10.1992) KVR 24/91, BGHZ 119, 346 = AG 1993, 140 = DB 1993, 371 = MDR 1993, 130 = NJW 1993, 1265 = WM 1993, 18 = ZIP 1992, 1771 (Pinneberger Tageblatt) = LM H. 3/1993 § 23 GWB Nr 18 (Rehbinder): Ausübung des Stimmrechts der abhängigen GmbH aus Anteilen an der herrschenden KG; BGH (29.3.1993) II ZR 265/91, BGHZ 122, 123 (TBB) = AG 1993, 371 = BB 1993, 814 = DB 1993, 825 = NJW 1993, 1200 = WM 1993, 687 = ZIP 1993, 589 = LM H. 7/1993 § 302 AktG 1965 Nr 6 (Heidenhain) = WuB II C § 13 GmbHG 1.93 (Schneider): persönliche Haftung des beherrschenden Unternehmensgesellschafters im faktischen GmbH-Konzern; BGH (13.4.1994) II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 = BB 1994, 1095 = DB 1994, 1354 = NJW 1994, 1801 = WM 1994, 896 = ZIP 1994, 867 = LM H. 9/1994 § 13 GmbHG Nr 24 (Roth) = WuB II C § 13 GmbHG 3.94 (Hafke): persönliche Haftung einer GmbH-Gesellschafterin; BGH (10.10.1994) II ZR 18/94, WM 1994, 2244 = BB 1994, 2372 = DB 1995, 90 = MDR 1995, 162 = NJW 1995, 194 = ZIP 1994, 1942 = LM H. 3/1995 § 119 HGB Nr 32 (Roth) = WuB II G § 119 HGB 1.95 (Ott): Keine Entziehung des dem Kommanditisten zustehenden mehrheitsfesten Informationsrechts durch Änderung des Gesellschaftsvertrags mangels Ausschöpfung weniger belastender Mittel; BGH (9.1.1995) II ZR 24/94, ZIP 1995, 278 = BB 1995, 373 = DB 1995, 621 = NJW 1995, 596 = NJW-RR 1995, 884 = WM 1995, 336 = LM H. 6/1995 § 125 HGB Nr 7 (Heidenhain) = WuB II F § 170 HGB 1.95 (Messer): Anforderungen ab einen auf Veräußerung des gesamten Vermögens einer KG gerichteten Vertrags; BGH (20.3.1995) II ZR 205/94, BGHZ 129, 136 (Girmes) = AG 1995, 368 = BB 1995, 1201 = DB 1995, 1064 = NJW 1995, 1739 = WM 1995, 882 = ZIP 1995, 819 = EWiR § 135 AktG 1/95, 525 (Rittner) = LM H. 8/1995 § 53a AktG 1965 Nr 2 (Noack) = WuB II A § 135 AktG 1.95 (Hennrichs): Treuepflicht der Minderheitsaktionäre bei Stimmbindung oder Stimmrechtsbündelung; BGH (24.2.1997) II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 (Vorinstanz OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, s dort) = AG 1997, 370 = BB 1997, 1220 = DB 1997, 1219 = NJW 1997, 1923 = WM 1997, 1098 = ZIP 1997, 1027 = LM H. 8/1997 § 278 AktG 1965 Nr 1 (Roth) = WuB II B § 278 AktG 1.97 (Hein): Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA; BGH (3.11.1997) II ZR 353/96, NJW 1998, 1225 = NZG 1998, 101 = WM 1997, 2400 = ZIP 1997, 2197 = DB 1998, 65 = BB 1998, 70 = LM H. 7/1998 § 161 HGB Nr 125 = WuB II F § 112 HGB 1.98 (Veil): Vorteil durch Unterverpachtung eines dem Gesellschafter einer KG angepachteten Gegenstand der Gesellschaft; BGH (5.7.1999) II ZR 126/98, BGHZ 142, 167 = AG 1999, 517 = BB 1999, 1946 = DB 1999, 1747 = NJW 1999, 3197 = NZG 1999, 1158 = WM 1999, 1767 = ZIP 1999, 1444 (Hilgers) = LM H. 12/1999 § 8 AktG 1965 Nr 1 (Noack) = WuB II A § 229 AktG 1.00 (Hirte): Treuepflicht des Mehrheitsaktionärs bei Erhöhung des Grundkapitals nach einer Herabsetzung auf Null; BGH (29.1.2001) II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = AG 2001, 307 = BB 2001, 374 = DB 2001, 423 = NZG 2001, 311 = NJW 2001, 1056 = WM 2001, 408 = ZIP 2001, 330 = WuB II J § 705 BGB 1.01 (Wertenbruch): Rechts- und Parteifähigkeit der Außen-GbR; BGH (16.7.2001) II ZB 23/00, BGHZ 148, 291; BB 2001, 1966 DB 2001, 1983 NJW 2001, 3121 = WM 2001, 1764– 1766 = ZIP 2001, 1713 = WuB II J § 705 BGB 2.01 (Wertenbruch): Eintragungsfähigkeit der GbR als Gesellschafterin einer KG;

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Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien | § 278

BGH (5.11.2003) VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139 = DB 2004, 181 = NJW-RR 2004, 247 = WM 2003, 2456 = EWiR § 37 GmbHG 2/05, 77 (Vogel): kollusives Zusammenwirken von verwandten Geschäftsführer zweier selbstständiger Gesellschaften; BGH (29.11.2004) II ZR 364/02, NZG 2005, 276 = AG 2005, 239 = BB 2005, 514 = DB 2005, 490 = NJW-RR 2005, 682 = NZG 2005, 276 = WM 2005, 330 = ZIP 2005, 348 = EWiR § 278 AktG 7/05, 285 (Hasselbach/Spengler) = WuB II B. § 112 AktG 1.05 (Kersting): Vertretung der KGaA gegenüber ehemalige Komplementäre durch den Aufsichtsrat; BGH (19.9.2005) II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 (Managermodell) = BB 2005, 2430 = DB 2005, 2401 = DNotZ 2006, 137 = NJW 2005, 3641 = NZG 2005, 968 = WM 2005, 2043 = ZIP 2005, 1917 = WuB II C. § 34 GmbHG 1.06 (Zimmermann): Pflicht des ausscheidenden Geschäftsführers zur Rückübertragung seiner Geschäftsanteile; BGH (19.9.2005) II ZR 342/03, BGHZ 164, 107 (Mitarbeitermodell) = BB 2005, 2427 = DB 2005, 2404 = DNotZ 2006, 140 = NJW 2005, 3644 = NZG 2005, 971 = WM 2005, 2046 = ZIP 2005, 1920 = WuB II C 34 GmbG 1.06 (Zimmermann): Pflicht des ausscheidenden Arbeitnehmers zur Rückübertragung seiner Geschäftsanteile; BGH (15.10.2007) II ZR 136/06, ZIP 2007, 2313 = BB 2007, 2702 = DB 2007, 2701 = DStR 2007, 2268 = WM 2007, 2289 = NJW-RR 2008, 256 = EWiR § 426 BGB 9/08, 265 (Franz) = WuB II J § 426 BGB 1.08 (Nelißen): Gesamtschuldnerausgleich zwischen BGB-Gesellschaftern; BGH (9.3.2009) II ZR 170/07, BGHZ 180, 105 = ZIP 2009, 1162 = AG 2009, 500 = DB 2009, 1283 = NZG 2009, 744 = WM 2009, 1138 = GWR 2009, 141 (Waclawik) = EWiR § 88 AktG 17/09, 525 (Blasche) = WuB II R. § 88 AktG 1.09 (Cahn): Kein Wettbewerbsverbot für die Vorstandsmitglieder der als AG organisierten Mehrheitskommanditistin einer AG & Co. KG; BGH (24.9.2009) IX ZR 234/07, NJW 2010, 69 = DB 2009, 2482 = NZG 2010, 31 = NZI 2009, 841 (Ries) = WM 2009, 2181 = ZIP 2009, 2204 = EWiR § 128 HGB 24/09, 775 (Berger): persönliche Haftung der Gesellschafter einer OHG für die Kosten eines Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen und Masseverbindlichkeiten; BGH (19.7.2011) II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 = BB 2011, S 2383 (Kunkel) = NZG 2011, 1023 = WM 2011 Heft 35, 1658 = EWiR § 128 HGB 22/11, 749 (Wertenbruch) = WuB II J. § 130 HGB 1.11 (Stöber): Außenhaftung der Gesellschafter eines Immobilienfonds; BGH (6.11.2012) II ZR 111/12, NZG 2013, 339 = AG 2013, 90 = NJW-Spezial 2013, 144 = ZIP 2012, 2438 = EWiR § 116 AktG 8/13, 229 (Heidel): gesteigerte Treuepflicht des Aktionärs und zugleich Aufsichtsratsmitglieds einer AG; BGH (22.1.2013) II ZR 80/10, NZG 2013, 220 = AG 2013, 224 = DB 2013, 278 = NJW-RR 2013, 410 = NJW-Spezial 2013, 431 = WM 2013, 264 = ZIP 2013, 263 = GWR 2013, 86 (Mense) = EWiR § 23 AktG 5/13, 131 (Seibt): schuldrechtliche Abrede über die Pflicht des Aktionärs zur unentgeltlichen Rückübertragung von Aktien auf die AG bei Vertragsende; BGH (18.6.2013) II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 = BB 2013, 2257 = DB 2013, 1959 = NJW 2013, 3636 = NZG 2013, 1021 = WM 2013, 1648 = EWiR § 43 GmbHG 24/13, 775 (Weipert) = WuB II G. § 43 GmbHG 1.13 (Müller): für die sorgfaltswidrige Führung der Geschäfte der KG haftet der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH; BGH (15.12.2015) II ZR 144/14 (juris, Vorinstanz OLG Frankfurt 18.3.2014 – 5 U 90/13, s dort); BGH (19.12.2017) II ZR 255/16, BB 2018, 271 = DB 2018, 247 = WM 2018 Heft 5, 235 = NJW-RR 2018, 288 = NZG 2018, 220 = ZIP 2018, 276; EWiR § 161 HGB 6/18, 165 (Klaaßen-Kaiser/Bünten): Keine Befugnis des Kommanditisten einer GmbH & Co. KG zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH; BGH (8.2.2018) III ZR 65/17, ZIP 2018, 1183 = DB 2018, 696 = NJW 2018, 2629 = NJW-Spezial 2018, 431 = NZG 2018, 736 = WM 2018, 508 = EWiR § 242 BGB 19/18, 589 (Frisch): Auskunftsanspruch eines Anlegers auf Grundlage Treu und Glaubens;

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§ 278 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

BGH (22.1.2019) II ZR 143/17, WM 2019, 923 = BB 2019, 1682 = DB 2019, 1145 = ZIP 2019, 1008 = NJW-RR 2019, 742 = EWiR § 161 HGB 11/19, 327 (Mock): Grenzen des Vorgehens eines Gesellschafters gegen einen Mitgesellschafter im Wege der actio pro socio; BGH (21.4.2020) II ZR 56/18, ZIP 2020, 1118 = AG 2020, 540 = WM 2020, 1263 = EWiR § 78 AktG 13/20, 389 (Bachmann): Rechtsschutzinteresse des Insolvenzverwalters für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses gegen eine KGaA und Führungslosigkeit der KGaA aufgrund Ausscheidens des Komplementärs; BayObLG (14.7.1999) 3Z BR 11/99, AG 2000, 131 = BB 1999, 2369 = DB 1999, 1845 = NJW-RR 1999, 1487 = NZG 1999, 1218: Auskunftsanspruch des Aktionärs einer KGaA; KG (4.5.1891) ZHR 42 (1894) 536: eine KGaA muss einen persönlich haftenden Gesellschafter haben; KG (24.2.2011) 19 U 83/10, NZG 2011, 429 = BB 2011, 1428 (Evke de Groot) = GWR 2011, 163 (Lutz) = NJWSpezial 2011, 241: Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der GmbH & Co. KG OLG Düsseldorf (25.11.1999) 6 U 146/98, WM 2000, 1393 = GmbHR 2000, 666 = WuB IV A § 823 BGB 3.00 (Soehring): ausscheidender GmbH-Geschäftsführer; OLG Frankfurt (18.3.2014) 5 U 90/13, AG 2015, 448: Entziehung der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA; OLG Hamburg (5.12.1968) 2 W 34/68, NJW 1969, 1030 = GmbHR 1969, 135: juristische Person als persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA; OLG Karlsruhe (29.7.1996) 11 Wx 20/96, AG 1997, 133 = BB 1996, 1793 = DB 1996, 1767 = ZIP 1996, 1787 = NJW-RR 1996 = GmbHR 1996, 776 = ZIP 1996, 2053 (Sethe) = EWiR § 278 AktG 1/97, 57 (Binz): Bestellung einer GmbH zur einzigen persönlich haftenden Gesellschafterin einer KGaA; OLG Köln (5.5.1977) 14 U 46/76, AG 1978, 17 (Herstatt): keine Haftung der Aktionäre einer KGaA für die Schulden der Gesellschaft aufgrund satzungsmäßig bestimmter Abhängigkeit der Komplementäre von Weisungen der Kommanditaktionäre; OLG München (26.7.1995) 7 U 5169/94, AG 1996, 86; = DB 1995, 2364 = WM 1996, 782 = WuB II B § 287 AktG 1.96 (Friedrich): Vertretung einer KGaA durch die persönlich haftenden Gesellschafter ohne Vermögenseinlage; OLG München (17.9.1999) 23 U 1514/99, NZG 2000, 741 = AG 2000, 426: pflichtwidrige Veranlassung einer Unternehmensbeteiligung durch den Komplementär einer KGaA; OLG München (27.9.2006) 7 U 1857/06, ZIP 2007, 126 (Kirch Media) = AG 2007, 292 = DB 2006, 2734 = WM 2007, 123 = WuB II B. § 54 AktG 1.07 (Müller): Leistung der Bareinlage zur freien Verfügbarkeit des Komplementärs einer KGaA im Rahmen der Kapitalerhöhung; OLG München (12.5.2016) 23 U 3572/15, AG 2017, 441: Feststellung der Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen einer AG; OLG Stuttgart (27.11.2002) 20 U 14/02, NZG 2003, 293 = AG 2003, 587 = BB 2014, 2369 = DB 2003, 1106 = DStZ 2003, 516 = ZIP 2003, 670: notarielle Beurkundung der Zustimmung des Komplementärs einer KGaA zum einem durch Satzungsänderung beschlossenen Komplementärwechsel; LG Frankfurt (12.3.2013) 3-05 O 114/12, NZG 2013, 748 = ZIP 2013, 1425 = EWiR § 122 AktG 19/13, 601 (Eiff/König): auf Verlangen einer Aktionärsminderheit einberufene Hauptversammlung kann der Vorstand nicht absagen; LG Hamburg (16.2.1968) 26 T 14/67, AG 1968, 193: persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA kann nur eine natürliche Person sein; LAG München (26.10.1989) 9 Sa 1073/88, ZIP 1990, 1219: Lohnforderungen der Arbeitnehmer im Gesellschafts- und Gesellschafterkonkurs; Thüringisches OVG (20.6.1917) C. 13/17, JW 1918, 240: Kaufmanneigenschaft des Komplementärs einer KGaA.

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Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien | § 278

I. II.

III.

IV.

V.

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Systematische Übersicht Normgeschichte | 1–2 Anwendbares Recht und anwendbare Bestimmungen | 3–7 1. Regel | 3 2. Katalog | 6 3. Sonderrecht für atypisch ausgestaltete KGaA? | 7 Strukturmerkmale der KGaA | 8–13 1. Grundstruktur | 8 2. Juristische Person, Kapitalgesellschaft | 9 3. Formkaufmann, Handelsgesellschaft | 12 Die beiden Gesellschaftergruppen | 14–18 1. Ausschließlichkeit der in Abs 1 genannten Gesellschaftergruppen | 14 2. Zahl der Gesellschafter | 17 Mitgliedschaftliche Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter | 19–81 1. Grundsätzliches | 19 2. Eignung zum persönlich haftenden Gesellschafter | 21 a) Persönliche Haftung | 21 b) Geschäftsfähigkeit | 22 c) Sonstige Voraussetzungen | 27 3. Juristische Personen, Personengesellschaften und typengemischte Rechtsformen als Komplementäre | 30 a) Juristische Personen | 30 b) Personengesellschaften und Gemeinschaften | 42 c) Typengemischte Rechtsformen | 43 4. Erwerb der Komplementärstellung sowie Neuaufnahme und Ausscheiden von Komplementären | 44 5. Rechte und Pflichten der Komplementäre | 52 a) Grundlagen | 52 b) Verwaltungsrechte und Rechtsverhältnis der Komplementäre untereinander | 53 aa) Kompetenzen auf mitgliedschaftlicher Ebene | 53 bb) Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit | 55 cc) Treuepflicht, Gleichbehandlungspflicht | 56 dd) Actio pro socio | 62

c)

Vermögensrechtliche Stellung | 63 aa) Persönliche Haftung | 63 bb) Übernahme und Erwerb von Aktien; Sondereinlagen | 70 cc) Gewinn- und Verlustbeteiligung | 73 dd) Tätigkeitsvertrag und Tätigkeitsvergütung | 74 ee) Sondervorteile | 80 ff) Aufwendungsersatzanspruch | 81 VI. Kommanditaktionäre | 82–102 1. Allgemeines | 82 2. Rechte und Pflichten der einzelnen Kommanditaktionäre | 83 a) Verwaltungsrechte und -pflichten | 83 b) Vermögensbeteiligung | 91 3. Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, Verhältnis zu den Komplementären | 93 a) Die personengesellschaftsrechtliche Komponente der Hauptversammlung | 93 b) Die Kompetenzen im Einzelnen | 96 VII. Geschäftsführung und Vertretung | 103–180 1. Anwendbares Recht | 103 2. Geschäftsführung | 104 a) Geschäftsführungszuständigkeit | 104 b) Umfang der Geschäftsführungsbefugnis | 107 aa) Gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen | 108 bb) Außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen | 110 cc) Grundlagengeschäfte | 122 dd) Erteilung und Widerruf einer Prokura | 125 c) Widerspruchsrecht und -pflicht | 127 d) Beschlussfassung | 130 e) Geschäftsordnung | 135 f) Selbstorganschaft, Unzulässigkeit der Fremdgeschäftsführung, Geschlechterquote | 137 g) Kontrollkompetenzen | 139

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§ 278 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

h)

3.

4.

Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und den geschäftsführungsbefugten Gesellschaftern über deren Tätigkeit als Geschäftsführer | 145 i) Geschäftsführung und Organisationsverfassung: Realtypen der KGaA und Geschäftsführungsregelung | 147 aa) Die hauptversammlungsdominierte KGaA | 148 bb) Die aufsichtsrats- und beiratsdominierte KGaA | 150 cc) Die komplementärdominierte KGaA | 152 dd) Folgen für die Vertretungsmacht | 153 ee) Grenzen der Satzungsautonomie | 154 Vertretung | 155 a) Anwendbares Recht und vertretungsbefugte Organe | 155 b) Vertretungszuständigkeit der Komplementäre | 159 c) Umfang der Vertretungsbefugnis der Komplementäre | 162 Entzug der Geschäftsführungsund/oder Vertretungsbefugnis | 165

a)

Gesetzliche Voraussetzungen | 165 b) Die Entziehung der einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft zustehenden Geschäftsführungsund/oder Vertretungsbefugnis | 170 c) Abweichende Satzungsregelungen | 178 5. Niederlegung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis | 179 VIII. Satzungsänderungen | 181–182 IX. Kapitalmaßnahmen | 183–195 1. Fehlen von Sonderregelungen | 183 2. Grundkapital und Einlagen der Komplementäre | 184 3. Erhöhung und Herabsetzung des Grundkapitals | 185 4. Umwandlung von Sondereinlagen in Kommanditaktien | 188 5. Umwandlung von Kommanditaktien in Sondereinlagen | 194 6. Andere Finanzierungsmaßnahmen | 195 X. Geltung des Aktienrechts (Abs 3) | 196

I. Normgeschichte § 278 entspricht fast unverändert der Fassung des § 219 AktG 1937 und des § 320 HGB von 1897. Entfallen ist lediglich das in § 219 Abs 1 AktG 1937 geregelte Erfordernis der „Beteiligung mit Einlagen“, da die Kommanditaktionäre bei einer bereits bestehenden KGaA im Wege einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 bis 220) neue Aktien auch ohne Einlagen auf das Grundkapital erhalten können. Dessen ungeachtet bleibt es selbstverständlich im Falle der Gründung einer KGaA dabei, dass eine Beteiligung von Kommanditaktionären nur gegen Einlage erfolgen kann (§ 280 Abs 2 Satz 2). 2 In Art 3 Nr 7 des RegE von 1977 zur GmbH-Novelle1 war vorgesehen, § 278 Abs 1 um einen Satz 2 zu ergänzen: „Persönlich haftender Gesellschafter kann nur eine natürliche Person sein“. Da der Rechtsausschuss des Bundestages kein dringendes Bedürfnis für eine solche Änderung sah, wurde der Vorschlag fallengelassen (sa Vor § 278 Rdn 39).2 1

_____ 1 2

BT-Drucks 8/1347 S 59 u 62. BT-Drucks 8/3908, S 79.

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Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien | § 278

II. Anwendbares Recht und anwendbare Bestimmungen 1. Regel. Die KGaA ist eine eigenständige Rechtsform.3 Ihrer materiellen Regelung 3 in §§ 278–290 nach ist sie allerdings eine Mischform von AG und KG (su Rdn 8 f, Vor § 278 Rdn 57a). Das kommt auch in der Regelungstechnik (s Vor § 278 Rdn 53 ff) zum Ausdruck: Hinsichtlich der Rechtsverhältnisse der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre sowie gegenüber Dritten verweist Abs 2 auf die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft (§§ 161–177a HGB). Im Übrigen erklärt Abs 3 die Vorschriften des Ersten Buchs über die Aktiengesellschaft für sinngemäß anwendbar, soweit sich aus den §§ 279–290 nichts anderes ergibt. Diesen speziellen Bestimmungen zur KGaA kommt mithin nur die Funktion zu, die vom Recht der KG und AG abweichenden Fragen zu regeln. Wie bereits ausgeführt (Vor § 278 Rdn 58 ff, 61), sind die Struktur der KGaA und alle 4 den Schutz Dritter betreffender Fragen zwingend geregelt, da sich die Gründungsvoraussetzungen, die Anforderungen an das Grundkapital, die Regeln über die Kapitalaufbringung und -erhaltung sowie die Anforderungen an eine Kapitalerhöhung oder herabsetzung allein nach den aktienrechtlichen Vorgaben richten (Abs 3). Demgegenüber unterfallen die Rechtsbeziehungen der Komplementäre untereinander, gegenüber den Kommanditaktionären und gegenüber Dritten Abs 2 iVm §§ 163 ff HGB bzw Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 109 ff HGB. Vom weitgehend dispositiven Personengesellschaftsrecht werden somit zwei Bereiche erfasst (sa Vor § 278 Rdn 56): die von den Komplementären wahrgenommenen Organfunktionen in der Gesellschaft (Geschäftsführung und Vertretung) und die Rechte der Gesellschafter untereinander (die Rechtsbeziehungen auf mitgliedschaftlicher Ebene und die Grundlagengeschäfte). In Bezug auf die Rechtsstellung der Kommanditaktionäre (sa Vor § 278 Rdn 57) ist zu differenzieren: Soweit Abs 2 von der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ spricht und diesen damit die Rechte der Kommanditisten einer KG zuweist, findet Personengesellschaftsrecht Anwendung. Soweit es jedoch um die Verwaltungs- und Vermögensrechte des einzelnen Aktionärs geht, sind nach Abs 3 die einschlägigen aktienrechtlichen Vorschriften heranzuziehen. Die gesetzliche Regelung lässt sich mithin auf folgende Formel bringen: Während 5 das Innenverhältnis der beiden Gesellschaftergruppen (Komplementäre und Gesamtheit der Kommanditaktionäre), die Führungsstruktur und die persönliche Haftung dem Recht der KG (und dem über § 161 Abs 2 HGB anwendbaren Personengesellschaftsrecht) unterliegt, beurteilt sich die Kapitalstruktur der KGaA nach Aktienrecht.4 6 2. Katalog. Es ergibt sich damit folgender Katalog anwendbarer Vorschriften: § 278 Abs 2 (Personengesellschaftsrecht) Abfindung – bei Ausscheiden von Komplementären §§ 161 Abs 2, 109 HGB (§ 285 Abs 2 Satz 1) – bei Umwandlung KGaA in Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform oder eG §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, §§ 738 ff BGB Abwicklung, je nach Abwicklungsstufe (s Erl § 290 Rdn 4 ff) Aufnahme (von Komplementären) §§ 161 Abs 2, 109, 116 Abs 2 HGB (§ 285 Abs 2 Satz 1) Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, 738 ff BGB

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BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 398. Vgl Binz/Sorg BB 1988, 2041, 2043; Bürgers/Fett/Fett § 3, 3.

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§ 278 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

Ausscheiden (von Komplementären) §§ 161 Abs 2, 109 HGB (§§ 285 Abs 2 Satz 1, 289 Abs 1) Ausschluss (von Komplementären) §§ 161 Abs 2, 140 HGB (§§ 285 Abs 2 Satz 1, 289 Abs 1) Außergewöhnliche Geschäfte (Zustimmung der Gesellschafter) §§ 116 Abs 2, 164 Satz 1 Hs 2 HGB (285 Abs 2 Satz 1) Beschlussfassung (Gesellschafter) §§ 161 Abs 2, 119 HGB Beteiligungsfähigkeit einer Gesellschaft als Komplementär (s Erl § 278 Rdn 30 ff) Entnahmerecht (Komplementäre) §§ 161 Abs 2, 122 HGB Geschäftsführung – Befugnis §§ 164, 161 Abs 2, 114–118 HGB (sa § 283 Nrn 3, 6) – Änderung, Entziehung, Erteilung §§ 161 Abs 2, 114–118 HGB (sa § 283 Nr 3) – Zustimmung §§ 161 Abs 2, 114 ff HGB (§ 285 Abs 2 Satz 1) Gewinnermittlung (Ermittlung des Gewinnanteils der Komplementäre) §§ 168, 161 Abs 2, 121 Abs 1, 2 HGB (s Erl § 288 Rdn 6 ff) Gewinnverteilung (Gewinnanteil der Komplementäre) §§ 168 Abs 1, 121 HGB Grundlagengeschäfte §§ 161 Abs 2, 109 HGB – Zustimmungsrecht der Kommanditaktionäre §§ 161 Abs 2, 109 HGB (§ 285 Abs 2 Satz 1) – Zustimmungsrecht der Komplementäre §§ 161 Abs 2, 109 HGB (§ 285 Abs 2 Satz 1) Haftung (Komplementäre) – Aufwendungsersatzanspruch §§ 161 Abs 2, 110 HGB – Dauer §§ 161 Abs 2, 159 f HGB – Freistellungsvereinbarung unter den Komplementären und zwischen Gesellschaft und Komplementären (s Erl § 278 Rdn 69, 95) – Inhalt der Haftung (s Erl § 278 Rdn 65) – Persönliche Haftung §§ 161 Abs 2, 128, 130 HGB Hauptversammlung – Erweiterung der Kompetenzen der Hauptversammlung (s Erl § 278 Rdn 94) – Zustimmungsrechte und Mehrheitserfordernis (s Erl § 278 Rdn 99, 99a; § 285 Rdn 71) Holzmüller-Doktrin (s Erl Vor § 278 Rdn 102) Informationsrechte (Komplementäre) §§ 161 Abs 2, 118 HGB Kommanditaktionäre (Gesamtheit) – Kontrollrecht (Geschäftsführung) § 166 HGB – Rechtsausübung (s Erl § 278 Rdn 93, 95) – Rechtsbeziehungen zu den Komplementären §§ 163 ff, 161 Abs 2, 105 ff HGB – Zustimmungsrechte (s Hauptversammlung) Komplementäre – Geschäftsfähigkeit (s Erl § 278 Rdn 22 ff) – Kontrollrechte §§ 161 Abs 2, 118 HGB – Persönliche Haftung (s dort) – Persönliche Qualifikationsvoraussetzungen (s Erl § 278 Rdn 21 ff) – Rechte und Pflichten (allg) §§ 161 ff, 161 Abs 2, 105 ff HGB, 278 ff – Rechtsbeziehungen untereinander §§ 163 ff, 161 Abs 2, 105 ff, 105 Abs 3 HGB, 705 ff BGB – Rechtsbeziehungen zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre §§ 163 ff, 161 Abs 2, 105 ff, 109 HGB (§ 283) – Rechtsstellung (allg) §§ 161 ff, 161 Abs 2, 105 ff HGB (§ 283) – Stimm-, Informations- und Kontrollrechte §§ 161 Abs 2, 118 f HGB – Vermögens- und Verwaltungsrechte §§ 161 Abs 2, 109–122 HGB Sethe

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Zustimmungsrechte (bei Erweiterung jedoch nicht auf die von § 285 Abs 1 Satz 2 erfassten Angelegenheiten) und Mehrheitserfordernis Kontrollrechte (Komplementäre) §§ 161 Abs 2, 118 HGB Leitungsmacht (s Geschäftsführung, Vertretung) Mitgliedschaft (Komplementäre) (s Erl § 278 Rdn 19 ff; § 281 Rdn 11f) Persönliche Haftung der Komplementäre (s Haftung) Pflichten der Komplementäre §§ 161–177a HGB, 283 Sondereinlagen (Einlagen der Komplementäre auf das Gesellschaftsvermögen) §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, §§ 706f BGB, außer in Bezug auf Prüfung, Bewertung und Bilanzierung der Einlagen Stimmrechte §§ 161 Abs 2, 119 Abs 1 HGB Satzungsänderung, Zustimmung der Gesellschafter (s Grundlagengeschäfte) Treue-, Förder- und Rücksichtnahmepflichten – Komplementäre (außer Treuepflicht des einzelnen Komplementärs zu einzelnen Kommanditaktionären) (s Erl § 278 Rdn 56 ff) Verlustverteilung §§ 168, 121 HGB Vermögenseinlagen (s Sondereinlagen) Vertretung §§ 170, 161 Abs 2, 125–130 (ohne § 125a) HGB, mit Ausnahme von Prozessen gegen Komplementäre, Rechtsgeschäften mit Komplementären und Anfechtungsklagen der Kommanditaktionäre (s Erl § 278 Rdn 157) – Änderung, Entziehung, Erteilung §§ 161 Abs 2, 125–127 HGB – Zustimmung §§ 161 Abs 2, 125 HGB (§ 285 Abs 2 Satz 1) Verwaltungs- und Vermögensrechte (s Erl § 278 Rdn 52, 53 ff, 63 ff; § 281 Rdn 14 ff) Widerspruchsrecht (Komplementäre gegen Geschäftsführungsmaßnahme) §§ 161 Abs 2, 115 Abs 1 Satz 2 HGB § 278 Abs 3 (Aktienrecht) Abwicklung, je nach Abwicklungsstufe (s Erl § 290 Rdn 4 ff) Aktionärsforum (s Erl § 285 Rdn 4) Auflösung (Firmenzusatz nach Auflösung der Gesellschaft) § 269 Abs 6 Aufsichtsrat (allg) §§ 95 ff Aufsichtsrat: Vertretung der KGaA bei Prozessen gegen Komplementäre, Rechtsgeschäften mit Komplementären und Anfechtungsklagen der Kommanditaktionäre (s Erl § 278 Rdn 157; § 287 Rdn 57 ff) Auskunftsrecht des Kommanditaktionärs (s Hauptversammlung) Einlagen auf das Grundkapital (Kommanditaktien) § 27 Entnahmerecht der Kommanditaktionäre (s Erl § 288 Rdn 43) Geschäftsbriefe (Angaben) § 80 Geschlechterquoten § 76 Abs 4, § 96, Abs 2, 3, § 111 Abs 5 (s Erl § 278 Rdn 138a, § 287 Rdn 20a) Gewinnermittlung (Ermittlung des Gewinnanteils der Kommanditaktionäre) § 174 (s Erl § 288 Rdn 6 ff) Gewinnverwendung (Verwendung des auf die Kommanditaktionäre entfallenden Gewinns) § 174 Gründung §§ 23–53 (§§ 280–282) Grundkapital (Erfordernis; Höhe; Erhöhung/Herabsetzung) §§ 6 ff, 182 ff, 222 ff Hauptversammlung §§ 118 ff (§ 284) – Anfechtung von Beschlüssen §§ 241 ff (§ 283 Nr 13) – Auskunftsrechte (in der) § 131 Abs 1 – Beschlussfassung §§ 133 ff 505

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– Einberufung/Durchführung §§ 121 ff, 175, 92 (§ 283 Nr 6) – Kompetenzen § 119 Abs 1 – Nichtigkeit von Beschlüssen §§ 241 ff (§ 283 Nr 13) – Stimmrecht §§ 134–137 (§ 285) Kapitalerhöhung/-herabsetzung (s Grundkapital) Kaufmannseigenschaft § 3; § 6 HGB Kommanditaktien (Ausstattung, Arten) §§ 6 ff, 139 ff Kommanditaktionäre (einzelne) – Einlagen §§ 36a, 54 f – Gewinnbeteiligung § 58 Abs 4 – Haftung § 54 Abs 1 – Minderheitenrechte §§ 93 Abs 4 Satz 3, 120 Abs 1, 122, 142 Abs 2 und 4, 147 Abs 1 Satz 1 aE – Mitgliedschaftliche Stellung (s Erl § 278 Rdn 82; § 281 Rdn 11 f) – Rechtsbeziehungen untereinander (s Erl Vor § 278 Rdn 57; § 278 Rdn 83 ff) – Rechtsbeziehung zur Gesellschaft und zu den Komplementären (s Erl § 278 Rdn 94 f) – Rückzahlung der Einlage §§ 57–62 – Vermögensrechte §§ 57 ff – Verwaltungsrechte, etwa §§ 243, 147 Abs 1 Kommanditaktionäre (Gesamtheit) – Haftungsfreistellungsklausel in Satzung §§ 54 Abs 1, 55 Komplementäre – Sorgfaltspflicht und -maßstab § 93 Konzernrecht §§ 15 ff, 291 ff (s Erl Vor § 278 Rdn 75 ff) Minderheitsrechte (s Verwaltungsrechte) Mitteilungspflichten über bedeutende Beteiligungen §§ 20 ff Nichtigkeit der Gesellschaft §§ 275 ff Related Party Transactions (s Erl Vor § 278 Rdn 41a, § 287 Rdn 47) Satzung – Änderungen der §§ 179–181 – Satzungsanforderungen bei Gründung (s Gründung) Sondervorteile (Gesellschafter, Dritte) § 26 Tätigkeitsvertrag (Kompetenz zum Abschluss) § 112 Vertretung durch Aufsichtsrat (s Aufsichtsrat) Vermögensübertragung § 179a (ggf § 175 UmwG) (s. Erl Vor § 278 Rdn 101). 7

3. Sonderrecht für atypisch ausgestaltete KGaA? Im Anschluss an die Entscheidung des BGH vom 24.2.1997,5 welche die Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KGaA festgestellt hat (s Vor § 278 Rdn 39 und unten Rdn 30 ff), ist im Schrifttum die Herausbildung eines Sonderrechts für die Publikums-KGaA ohne natürliche Person als persönlich haftende Gesellschafterin verlangt worden.6 Ausschlaggebend dafür soll der Umstand sein, dass das rechtliche Leitbild der Regelung der KGaA im AktG dem dadurch erforderlichen Anlegerschutz nicht hinreichend gerecht werde. Der BGH hatte dieser Forderung durch zwei Hinweise Nahrung gegeben: Zum einen dadurch, dass er zu erwägen gab, in der atypisch ausgestalteten KGaA könne es sich als angebracht erweisen,

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5 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 6 So insbesondere Hommelhoff und Ihrig/Schlitt. Den Beweis dafür, dass es der Herausbildung eines Sonderrechts der atypischen (Publikums-)KGaA nicht bedarf, liefert der die Beiträge dieser Autoren besprechende Aufsatz von Wichert AG 2000, 268. Für ein Sonderrecht auch Schaumburg/Schulte Rdn 54.

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Satzungsgestaltungen zu Lasten der Kommanditaktionäre nur in engeren Grenzen zuzulassen als in der gesetzestypischen KGaA; und zum anderen dadurch, dass er als „Richtlinie“ zur Begrenzung der vom Recht der KGaA eröffneten Satzungsautonomie auf die von der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Publikums-KG entwickelten Grundsätze verwies.7 Ungeachtet der Einwände, die insbesondere gegenüber dem letztgenannten obiter dictum des BGH angeführt werden können,8 besteht schon im Grundsatz kein Bedarf für ein Sonderrecht der Publikums-KGaA: Zum einen unterfällt die Publikums-KGaA, im Gegensatz zur Publikums-KG, den Vorschriften der ProspektVO9 und des WpPG. Es kann daher den Kapitalmarktinstitutionen (dh den Börsen und emissionsbegleitenden Instituten) und -intermediären (dh den Anlageberatern und -vermittlern sowie der Presse) und dem Publikum überlassen werden, über die Akzeptanz der Gesellschaftsform der atypisch ausgestalteten Publikums-KGaA sowie ihre je spezielle Satzungsgestaltung zu entscheiden.10 Zum anderen lassen sich die Erfordernisse eines rechtlich gebotenen, zwingenden Anlegerschutzes schon unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Rechtes der KGaA bei der Auslegung der einzelnen einschlägigen Vorschriften des AktG sowie (über den Verweis aus Abs 2 auch) des HGB hinreichend verwirklichen.11 Aus den angeführten Gründen wird deshalb auf eine gesonderte Darstellung des Rechts der „atypischen KGaA“ verzichtet.12 Den Besonderheiten dieser Gesellschaftsform wird vielmehr im Rahmen der einzelnen für das Recht der KGaA maßgeblichen Bestimmungen Rechnung getragen. Hierfür spricht zudem der Umstand, dass die Zulassung der Publikums-KGaA durch die Rechtsprechung und die in deren Gefolge geführte Diskussion im Schrifttum auch das Recht der gesetzestypischen KGaA nicht unberührt lässt. Zusammengenommen kann den Eigenheiten der Kapitalgesellschaft & Co KGaA deshalb im Wege einer normanwendungsbezogenen (insb Anwendung der Treuepflicht im konkreten Einzelfall) statt einer auf die Entwicklung eines Sonderrechts (abstrakte richterliche Inhaltskontrolle der Satzung) gerichteten Rechtsanwendung Genüge getan werden.13 Mit einem solchen Vorgehen wird im Übrigen auch der gesetzlichen Wertentscheidung von § 310 Abs 4 Satz 1 BGB Rechnung getragen.

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7 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399 f. 8 Etwa bei Kallmeyer DZWiR 1998, 238, 239. 9 Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG, ABl EU L 168 vom 30.6.2017, S 12. 10 Das ist – ungeachtet der vorstehend angeführten, an die Adresse der Rechtswissenschaft gerichteten Erwägungen – auch die grundsätzliche Einstellung des BGH, der die Entscheidung über die „Akzeptanz dieser Rechtsform …der Praxis überlassen“ hat und dabei auf die Mittel „der Publizität“ abstellt; BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392,401. 11 Das belegt auch der Beitrag von Wichert AG 2000, 268. 12 Anders MünchKomm/Perlitt5 268 ff, der der „atypischen KGaA“ im Rahmen des § 278 eine besondere Darstellung zukommen lässt. 13 Ebenso Bürgers/Fett/Fett § 3, 13; Bürgers/Fett/Reger § 5, 28, 98 ff; Bürgers/Fett/Wieneke/Fett § 10, 39; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 37a f; Grigoleit/Servatius2 24; Heidel/Wichert5 11 f; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 16 f; MünchKomm/Perlitt5 355 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 64, § 79, 19; Herfs VGR 1 (1999), 38 ff; Hüffer/Koch14 9; Sethe AG 1996, 291 ff; Wichert AG 2000, 268; im Ergebnis auch Kessler S 55 ff, 86 f, der ein Sonderrecht ablehnt, eine Inhaltskontrolle der Satzung aber aus anderen Gründen befürwortet (aaO 88 f); bisher ebenso, nun aber zweifelnd Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 281, 11; aA Arnold S 56 ff; Henssler/Strohn/ Arnold4 § 278, 6; Kiefer S 152 ff; Kölling, S 200 ff; Otte S 120 ff; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 20 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 30 f; Vollertsen S 123 ff; im Ergebnis auch Gaibler S 18 f, 26, der zwar ein Sonderrecht ablehnt, später dann aber eine Inhaltskontrolle doch befürwortet.

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III. Strukturmerkmale der KGaA 8

1. Grundstruktur. Die KGaA verbindet das Aktienprinzip mit dem Kommanditprinzip. Sie ist eine Mischform (s Rdn 3, 9 sowie Vor § 278 Rdn 57a), bei der die personengesellschaftsrechtlich geprägte Stellung der Komplementäre mit der aktienrechtlichen Besonderheit der Aufbringung eines Grundkapitals über die Ausgabe von Aktien an Kommanditaktionäre verbunden ist. Die Rechtsform bietet also den Vorteil einer doppelten Kreditbasis aus dem Personalkredit der persönlichen Haftung der Komplementäre einerseits und dem in Aktien zerlegten Grundkapital andererseits. In der Praxis ist die mit der persönlichen Haftung der Komplementäre einhergehende besondere Kreditwürdigkeit allerdings weitgehend in den Hintergrund getreten.14 Mindestens ein Gesellschafter haftet den Gläubigern gegenüber unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen (persönlich haftender Gesellschafter oder Komplementär), während die übrigen Gesellschafter (Kommanditaktionäre) über Einlagen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften.

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2. Juristische Person, Kapitalgesellschaft. Die KGaA ist eine Körperschaft (Korporation), dh eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die diesbezügliche in Abs 1 enthaltene Klarstellung geht auf das AktG 1937 zurück, welches damit den bis zu diesem Zeitpunkt schwelenden Streit über die Rechtspersönlichkeit der KGaA entschied.15 Offen geblieben ist dagegen die Einordnung der KGaA in das Rechtsformengefüge, dh die Beantwortung der Frage, ob die KGaA als ein Unterfall der AG, als eine Mischform oder eine Rechtsform sui generis zu behandeln ist.16 Die eher schematische, nach den betroffenen Rechtsverhältnissen unterscheidende Heranziehung aktienrechtlicher und personengesellschaftsrechtlicher Elemente bei nur wenigen KGaA-spezifischen Sonderregelungen lässt die Vorstellung vom eigenständigen Charakter der Gesellschaft17 schwerlich als vertretbar erscheinen. In gleicher Weise muss der Einbau personengesellschaftsrechtlicher Elemente in die KGaA die Annahme widerlegen, es handele sich bei dieser nur um einen Unterfall der AG. Spricht damit alles für die Einordnung der KGaA als Mischform, so wird man diese sogar näher bei der KG denn bei der AG anzusiedeln haben.18 Dafür spricht nicht nur die Ausdehnung des Kommanditprinzips19 als eines der strukturbildenden Merkmale und die Dominanz der dem Personengesellschaftsrecht unterworfenen Rechtsverhältnisse, sondern auch die historische Entwicklung20 sowie die rechtsvergleichende Betrachtung,21 die zeigt, dass die deutsche KGaA im internationalen Vergleich eher der KG denn der AG nahestehend eingeordnet werden muss. Die Einordnung der KGaA in das Rechtsformengefüge mag keine unmittelbaren praktischen Konsequenzen haben,22 doch entspricht es umgekehrt praktischer Erfahrung, dass sich das einer Rechtsform zuzuordnende Regelungsleitbild oder -modell mittelbar auf die Rechts-

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14 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 397; K Schmidt ZHR 160 (1996) 265, 276 ff; Sethe S 211 ff. 15 S Vor § 278 Rdn 31. 16 S dazu näher Vor § 278 Rdn 57a mwN. 17 3. Aufl Barz 3. 18 AA Hüffer/Koch14 3 („aktienrechtliche Elemente überwiegen“) mwN. 19 RG 6.6.1913 – II 99/13, RGZ 82, 360; RG 27.6.1930 – II 70/30, RGZ 129, 260, 267 („Vereinsbank Hamburg“). 20 Dazu Vor § 278 Rdn 2 ff. 21 Dazu 4. Aufl Assmann/Sethe Vor § 278, 133 ff, 142; sa Sethe S 498 f. 22 Hüffer/Koch14 3.

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anwendung auswirkt.23 Das hat zuletzt eindrücklich der Beschluss des BGH vom 24.2. 1997 belegt, der die Zulässigkeit einer GmbH als alleinige Komplementärin der KGaA nur dadurch zu rechtfertigen vermochte, dass er diese Gestaltung als mit dem (gesetzgeberischen) Leitbild der KGaA und ihren typenprägenden Elementen vereinbar darstellte. Weil die KGaA eine juristische Person ist, kann sie auch ihrerseits Gesellschafterin 10 einer anderen Gesellschaft sein, wie etwa Komplementärin einer KG, Gesellschafterin einer OHG oder GbR24 oder stille Gesellschafterin eines anderen Handelsgeschäfts. Wie sich aus § 1 Abs 1 Nr 1 KStG 1996 und § 3 Abs 1 Nr 2 UmwG ergibt, ist die KGaA 11 eine Kapitalgesellschaft. 3. Formkaufmann, Handelsgesellschaft. Die KGaA als Körperschaft ist Trägerin al- 12 ler Rechte und Pflichten aus den in ihrem Namen getätigten Geschäften. Sie ist Formkaufmann (Abs 3 iVm § 3 Abs 1 AktG, § 6 HGB), dh ihre Kaufmannseigenschaft ist unabhängig vom Gegenstand des Unternehmens sowie von der Art und dem Umfang des Geschäftsbetriebs.25 Auch der Komplementär einer KGaA wird kraft seiner Komplementärstellung als 13 Kaufmann26 angesehen, obwohl er, anders als bei der KG, nicht Träger der Rechte und Pflichten der KGaA ist, sondern nur für die Schulden der Gesellschaft haftet. Begründet wird dies unter Hinweis auf Abs 2, der diesbezüglich das Recht der KG zur Anwendung bringe. Zu Recht werden jedoch die an die Kaufmannseigenschaft geknüpften Rechtsfolgen heute weitgehend beschränkt:27 So gilt der Komplementär etwa iSd § 109 Abs 1 Nr 3 GVG als Kaufmann, nicht aber in Bezug auf das Verhältnis der Komplementäre untereinander oder im Hinblick auf seine privaten Rechtsbeziehungen. Der Kaufmannseigenschaft einer OHG oder KG als Komplementärin der KGaA tut es keinen Abbruch, wenn die Komplementärgesellschaft darüber hinaus keine eigene Geschäftstätigkeit entfaltet (§§ 105 Abs 2, 161 Abs 2 HGB).28 IV. Die beiden Gesellschaftergruppen 1. Ausschließlichkeit der in Abs 1 genannten Gesellschaftergruppen. Abs 1 defi- 14 niert die KGaA als Verbindung von zwei Gesellschaftergruppen: den Komplementären und den Kommanditaktionären. Die Vermögensbeteiligung eines Komplementärs besteht darin, dass er gegenüber den Gesellschaftsgläubigern die persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernimmt. Zur Erbringung anderweitiger Einlagen ist ein Komplementär nicht verpflichtet. Die Stellung eines Kommanditaktionärs wird demgegenüber durch die Übernahme oder den Erwerb von Aktien der KGaA, mithin im Wege der Beteiligung an der Gesellschaft mittels Leistung einer Einlage auf deren Grundkapital, erlangt.

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23 Ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 1 (der allerdings davon ausgeht, es handele sich bei der KGaA um eine Abart der AG). Diese Wirkung verneinen Bürgers/Fett/Fett § 3, 2; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 2; Heidel/Wichert5 § 278, 2. 24 KK/Mertens/Cahn3 10; Godin/Wilhelmi4 8. 25 KK/Mertens/Cahn3 11. 26 RG 5.7.1901 – Rep. 1950/01, RGSt 34, 374, 379; Thüringisches OVG 20.6.1917 – C. 13/17, JW 1918, 240, mit zustimmender Anm Hachenburg; Baumbach/Hueck13 2; Godin/Wilhelmi4 4; Hadding/Häuser WM 1980, 1278, 1283 ff. AA Staub HGB6/7 § 320, 11; 1. Aufl Weipert § 219, 7. Nach Art der Stellung des Komplementärs differenzierend Düringer/Hachenburg HGB3 Vor § 320, 18 f. 27 Vgl im Einzelnen Baumbach/Hopt/Roth39 § 105, 19 ff mwN; MünchKomm/Perlitt5 41; KK/Mertens/ Cahn3 22. 28 S dazu schon die Hinweise Vor § 278 Rdn 42, und unten Rdn 42 f.

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Nach dem eindeutigen Wortlaut des Abs 1 („und die übrigen …“) kennt die KGaA nur die genannten zwei Gesellschaftergruppen. Diese Aufzählung ist abschließend, so dass eine Beteiligung an der KGaA als Kommanditist ausgeschlossen ist.29 Deshalb kann auch mittels entsprechender Satzungsgestaltung hiervon nicht abgewichen werden. Dagegen spricht nicht, dass über die Verweise aus Abs 2 und § 161 Abs 2 HGB die Vorschrift des § 139 HGB Anwendung findet: Da die Kommanditisten in der KGaA durch die Kommanditaktionäre ersetzt wurden, kann diese Norm nur modifiziert angewandt werden.30 Die Beschränkung des Gesellschafterkreises der KGaA auf zwei Gesellschaftergrup16 pen schließt eine Beteiligung von stillen Gesellschaftern an der KGaA nicht aus.31 Durch eine stille Beteiligung erwirbt der Stille keine mitgliedschaftliche Stellung in der KGaA, vielmehr entsteht eine reine Innengesellschaft mit Gewinn- und ggf Verlustbeteiligung des Stillen; umstritten, aber richtigerweise zu bejahen,32 ist insoweit lediglich, ob es sich bei dem Vertrag zur Begründung einer stillen Gesellschaft um einen Unternehmensvertrag iSd § 292 Abs 1 Nr 2 handelt. Außer Frage steht auch, dass sich die KGaA als stille Gesellschafterin an anderen Gesellschaften oder dem Handelsgewerbe eines anderen (§§ 230 ff HGB) beteiligen kann.33 2. Zahl der Gesellschafter. Die KGaA muss nach Abs 1 einen persönlich haftenden Gesellschafter haben.34 Eine Höchstgrenze für die Zahl von Komplementären kennt das Gesetz nicht. Auch bei einem 3 Mio € übersteigenden Grundkapital der Gesellschaft braucht nur ein Komplementär vorhanden zu sein;35 § 76 Abs 2 Satz 2, der unter entsprechenden Umständen verlangt, dass der Vorstand der AG aus mindestens zwei Personen zu bestehen habe, ist mangels Erwähnung in der abschließenden Verweisungsliste des § 283 nicht anwendbar. Allerdings kann die Satzung nach Abs 2 von der Regelung in Abs 1 dahingehend abweichen, dass sie mehr als einen Komplementär verlangt oder eine Mindestzahl von Komplementären festsetzt.36 In der Praxis weist die ganz überwiegende Zahl der KGaA (87,2%) nur einen Komplementär auf, bei dem es sich zumeist um eine juristische Person handelt.37 Die KGaA muss neben einem Komplementär über mindestens einen Kommandit18 aktionär verfügen. Die Zahl der Kommanditaktionäre ist nach oben hin nicht begrenzt. Wie § 285 Abs 1 zu entnehmen ist, erlaubt das Gesetz den Komplementären inzident die Übernahme oder den Erwerb von Aktien der Gesellschaft und damit die Zugehörigkeit zu beiden Gesellschaftergruppen der KGaA. Deshalb ist auch die Gründung einer KGaA zulässig, bei der alle, einzelne oder einer der Komplementäre alle Aktien übernehmen bzw 17

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29 Heute unstr, vgl etwa KK/Mertens/Cahn3 12; MünchKomm/Perlitt5 13 ff; Hüffer/Koch14 5; Godin/ Wilhelmi4 8; Baumbach/Hueck13 4 (missverständlich aber dies § 289, 6); Schlegelberger/Quassowski3 § 231, 7. Früher aA Baumbach AktG5 § 219, 4; 1. Aufl Weipert § 219, 5. 30 MünchKomm/Perlitt5 15. Vgl dazu auch unten § 289 Rdn 120 ff. 31 RG 8.1.1937 – II 122/36, RGZ 153, 371, 373; Blaurock/Jung Handbuch der stillen Gesellschaft8 Rdn 6.24; Godin/Wilhelmi4 8; KK/Mertens/Cahn3 12; MünchKomm/Perlitt5 6, Vor § 278, 79; Hüffer/Koch14 5; K Schmidt in: FS Forstmoser, 2003, S 96 f; zum Verhältnis der stillen Gesellschaft zum Konzernrecht s die Kommentierung zu § 292 sowie Schulze-Osterloh ZGR 1974, 427; K Schmidt DB 1976, 1705; ders ZGR 1984, 295. 32 MünchHdBAG/Krieger4 § 73, 18; Hüffer/Koch14 § 292, 15; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 79; K Schmidt ZGR 1984, 295, 298 ff; Semler in: FS Werner, 1984, S 861, 869. AA noch 3. Aufl Barz 19; Godin/Wilhelmi4 8. Vgl im Übrigen die Kommentierung zu § 292. 33 MünchKomm/Perlitt5 6; Blaurock/Jung Handbuch der stillen Gesellschaft8 Rdn 6.39. 34 So bereits KG 4.5.1891, ZHR 42 (1894) 536 f. 35 Gail WPg 1966, 425, 426; KK/Mertens/Cahn3 14; MünchKomm/Perlitt5 8. 36 KK/Mertens/Cahn3 14; MünchKomm/Perlitt5 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 37. 37 Vgl die detaillierten Angaben bei Lieder/Hoffmann AG 2016, 709 f.

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übernimmt,38 denn der Gesetzgeber geht zumindest bei der KGaA nicht von einem Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft aus.39 Dies hat er 2005 mit der Änderung von § 280 klargestellt, so dass heute nicht nur der nachträgliche Erwerb aller Aktien durch den Komplementär zulässig ist, sondern auch die Gründung als sog EinpersonenKGaA.40 Als zulässig wird auch die sog Einheits-Kapitalgesellschaft & Co KGaA angesehen, bei der die KGaA sämtliche Anteile an der Kapitalgesellschaft hält, die alleiniger Komplementär der KGaA ist (su Rdn 41, § 280 Rdn 11, § 285 Rdn 32). V. Mitgliedschaftliche Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter 1. Grundsätzliches. Auf die Rechtsverhältnisse der persönlich haftenden Gesell- 19 schafter findet gemäß Abs 2 das Recht der KG (§§ 161–177a HGB) Anwendung, das einen im Vergleich zum Aktienrecht (§ 23 Abs 5) weitergehenden Gestaltungsspielraum eröffnet. Daneben gelten die in § 283 genannten aktienrechtlichen Regelungen, die den Komplementären bestimmte, im öffentlichen Interesse liegende oder dem Schutz der Anleger dienende Pflichten auferlegen. Inwieweit die durch das Personengesellschaftsrecht eröffnete Satzungsautonomie reicht41 und welche aktienrechtlichen Vorschriften daneben über Abs 3 noch Anwendung finden, ist im Einzelnen streitig; dies gilt va für die Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit des § 76 Abs 3.42 Der einzelne Komplementär ist Gesellschafter der KGaA und als Geschäftsführer 20 und Vertreter der Gesellschaft zugleich deren Organ bzw, beim Vorhandensein mehrerer Komplementäre, Mitglied des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans der Gesellschaft. 2. Eignung zum persönlich haftenden Gesellschafter a) Persönliche Haftung. Komplementär der KGaA kann jeder sein, der bereit ist, die 21 nach außen hin nicht beschränkbare (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 128 Satz 2 HGB) persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu übernehmen. b) Geschäftsfähigkeit. Umstritten ist, ob ein Komplementär voll geschäftsfähig 22 sein muss. Eine Minderheitsmeinung verlangt dies nur für den Fall, dass der Komplementär eine Organfunktion wahrnimmt.43 Eine weitere Ansicht geht ohne nähere Begründung davon aus, dass auch die nicht geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre geschäftsfähig zu sein haben.44 Die hM lässt generell auch beschränkt Geschäftsfähige und Geschäftsunfähige als Komplementäre zu.45

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38 Vgl § 280 Rdn 1, 10 f. 39 Ob ein solcher Grundsatz bei der KG anzuerkennen ist, wird kontrovers beurteilt. S, jeweils mwN, BGH 10.6.1963 – II ZR 88/61, BGHZ 24, 108; BGH 20.4.1972 – II ZR 143/69, BGHZ 58, 317; BGH 1.6.1987 – II ZR 259/86, BGHZ 101, 129; BGH 26.10.1983 – II ZR 44/83, NJW 1984, 362, 363; Baumbach/Hopt/Roth39 § 124, 16; K Schmidt GesR4, S 1312 f; Peters Der gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft, 2000; Bippus AcP 195 (1995) 13 ff; Steinbeck DB 1995, 761 ff; Esch BB 1996, 1621 ff. 40 MünchKomm/Perlitt5 9 f; Hüffer/Koch14 5; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 1. Sa § 280 Rdn 1, 10. 41 Im Grundsätzlichen dazu schon Vor § 278, 58 ff. 42 S dazu unten Rdn 23 f, 37, sowie Mertens in: FS Barz, 1974, S 253, 258 ff. 43 KK/Mertens/Cahn3 20 und Vorb § 278, 11 f; Heidel/Wichert5 31; ebenso bereits Baumbach/Hueck13 3; Godin/Wilhelmi4 § 280, 3; wohl auch Dreisow WPg 1976, 658, 659; Düringer/Hachenburg HGB3 § 320, 6 (zulässig außer bei vorstandsähnlichen Komplementären). 44 Elschenbroich S 130; Schlegelberger/Quassowski3 § 219, 9. 45 S jeweils mwN Bürgers/Fett/Bürgers § 4, 7; MünchKomm/Perlitt5 24 f, 28 (der aber eine Ausnahme bei börsennotierten KGaA machen will); MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 15; Schmidt/Lutter/Schmidt3 18;

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Ein Verbot der Bestellung nicht voll Geschäftsfähiger zum Komplementär ist dem geltenden Recht nicht zu entnehmen. Vielmehr belegt die in § 1823 BGB zum Ausdruck kommende Wertung, dass gerade auch diese Personen Gesellschafter sein können. Wenn überhaupt, kann ein solches Verbot also allenfalls für Organmitglieder gelten. Dies wiederum könnte nur über einen Rückgriff auf § 76 Abs 346 oder mit dem Argument begründet werden, das Auseinanderfallen von Befugnis und Verantwortung47 sei zu verhindern. Keiner dieser Begründungsansätze vermag jedoch zu überzeugen. Ein Rückgriff auf § 76 Abs 3 verbietet sich schon deshalb, weil die Rechtsverhält24 nisse der Komplementäre und damit auch die Voraussetzungen zur Begründung der Komplementärstellung umfassend durch Abs 2 einerseits und durch § 283 andererseits geregelt sind.48 Die Stellung der Komplementäre entspricht gerade nicht der des Vorstands einer AG. Das zeigt schon Abs 3, der die Vorschriften des Ersten Buchs des AktG nur insoweit für anwendbar erklärt, als sich ua „aus dem Fehlen eines Vorstands“ nichts anderes ergibt. Die Vorschriften des AktG über den Vorstand können deshalb nur dann herangezogen werden, wenn eine der Spezialregelungen zur KGaA ausdrücklich auf diese verweist. Für die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre sind demnach die einschlägigen Bestimmungen des HGB über die Personengesellschaften heranzuziehen. Im Personengesellschaftsrecht ist anerkannt, dass auch ein beschränkt Geschäftsfähiger Geschäftsführer und Vertreter der Gesellschaft sein kann.49 Gleiches muss daher auch für KGaA gelten.50 Der hiergegen erhobene Einwand, Abs 2 erfasse nur die Rechtsverhältnisse bereits bestellter Organe, regele aber nicht die zum Zwecke ihrer Bestellung zu erfüllenden Voraussetzungen,51 vermag schon deshalb nicht zu verfangen, weil er im Wortlaut von Abs 2 keinen Niederschlag findet. Überzeugendere Argumente, warum sich gerade die Frage der Geschäftsfähigkeit in Abweichung von der in Abs 2 zum Ausdruck gebrachten Regel nach dem AktG beurteilen soll, sind nicht ersichtlich. Auch der Einwand, die Zulassung nicht voll geschäftsfähiger Komplementäre führe 25 zur Trennung von Befugnis und Verantwortung (oder Herrschaft und Haftung), weil der Geschäftsunfähige zu rechtwirksamem Handeln eines gesetzlichen Vertreters bedürfe, der seinerseits nicht straf- oder haftungsrechtlich verantwortlich sei, ist verfehlt. Diese Argumentation übersieht, dass der für den Geschäftsunfähigen handelnde gesetzliche Vertreter über § 278 BGB und § 14 Abs 1 Nr 3 StGB zivil- und strafrechtlich verantwortlich ist. Im Übrigen handelt es sich bei dem Erfordernis der Geschäftsfähigkeit in § 76 Abs 3 nicht um ein Strukturelement der AG, sondern lediglich um einen bei der Vorstandsbestellung zu berücksichtigenden Aspekt der Zweckmäßigkeit.52 Sinn der Regelung des § 76 Abs 3 ist es allein, Auswahlkriterien für das gekorene Leitungsorgan der AG – den Vorstand – zur Verfügung zu stellen, die für das geborene Leitungsorgan der KGaA – den

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Spindler/Stilz/Bachmann4 39; Iklé Die Kommandit-Aktiengesellschaft, S 62; Koenig S 9 (beschränkt Geschäftsfähige); Sethe S 129 ff; wohl auch Hüffer/Koch14 7; sowie aus dem Schrifttum zum HGB: Baumbach/Hopt/Roth39 § 114, 4; MünchKommHGB/Rawert4 § 114, 34 ff; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 125, 18. 46 So KK/Mertens/Cahn3 15, 20, § 282, 2. 47 Mertens in: FS Barz, 1974, S 253, 261. 48 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 393 f; sinngemäß auch schon RG 3.7.1936 – II 20/36, RGZ 152, 12, 18. S ferner Bürgers/Fett/Reger § 5, 77; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 15, § 79, 2; Schmidt/Lutter/ Schmidt3 18; Spindler/Stilz/Bachmann4 38 f; Würdinger AktR4 S 253. 49 So Fn 45. 50 Ausführlich Sethe S 129 ff. 51 So etwa noch Geßler/Semler1 17. 52 Ausführlich dazu Niederlag S 90 ff; Petersen in: FS Luther, 1976, S 127, 136 f; sa BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394.

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Komplementär – nicht erforderlich sind.53 Die volle Geschäftsfähigkeit eines Komplementärs ist daher weder für dessen mitgliedschaftliche noch für dessen organschaftliche Stellung Voraussetzung. Auch ist sie nicht Voraussetzung für eine Börsennotierung,54 denn eine entsprechende kapitalmarktrechtliche Regelung fehlt. Die Bestellung Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger zu Or- 26 ganmitgliedern wird in der Praxis immer nur in Ausnahmesituationen erfolgen, da in einem solchen Falle die Wahrnehmung der organschaftlichen Belange des Geschäftsunfähigen durch einen gesetzlichen Vertreter erfolgen muss und damit sehr umständlich ist. Die Bestellung eines Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen als Komplementär kann sich jedoch etwa dann als notwendig erweisen, wenn in einer FamilienKGaA der einzige Komplementär stirbt und er seine Gesellschafterstellung an eines seiner Kinder vererbt,55 das demnächst volljährig wird. Dem Erhalt des Familieneinflusses auf die Leitung der KGaA und der Bindung des Familienvermögens wäre es abträglich, wenn die KGaA bis zur Erlangung der Volljährigkeit des Erben in eine AG umgewandelt werden müsste. c) Sonstige Voraussetzungen. Abgesehen von wenigen Spezialfällen – wie etwa 27 demjenigen, dass die KGaA Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt und hierfür eine ua auf die Qualifikation der Komplementäre abstellende Erlaubnis nach §§ 32 ff KWG benötigt – bestehen keine weitergehenden Anforderungen an die Komplementäre. Die in § 76 Abs 3 für den Vorstand der AG aufgestellten Voraussetzungen finden auf die Komplementäre der KGaA keine Anwendung (so Rdn 24). Auch verlangt das Gesetz weder einen Mindestumfang an vorhandenem Privatvermögen der Komplementäre als Haftungssumme56 noch die Erbringung von Einlagen. Bestrebungen, das haftende Privatvermögen mit legalen Mitteln möglichst gering zu halten, sind deshalb zulässig.57 Zur Geschlechterquote vgl § 287 Rdn 20a. Die Gesellschafter können jedoch in der Satzung weitere Voraussetzungen für die 28 Erlangung der Komplementärstellung vorsehen.58 Diese können sich sowohl auf die Auswahlkriterien und das Auswahlverfahren als auch auf die Qualifikation eines neu aufzunehmenden persönlich haftenden Gesellschafters beziehen.59 Während bei entsprechenden Satzungsregelungen der AG in Bezug auf die Wahl und Bestellung der Vorstände darauf zu achten ist, dass die fraglichen Satzungsregelungen den Ermessensspielraum des Aufsichtsrats nicht unzulässig einschränken,60 besteht bei der KGaA ein weiter Gestaltungsspielraum. Im Unterschied zur AG kann die Satzung in weit größerem Maße spezifische persönliche und sachliche Eignungsvorschriften enthalten. Auch das für die Auswahl der Komplementäre zuständige Organ kann in der Satzung bestimmt werden. Ein bei der Auswahl anzuwendendes Verfahren ist gesetzlich nicht zwingend fixiert. Dessen ungeachtet kann die Satzung die Verpflichtung der Komplementäre zur 29 Erbringung einer Einlage61 oder zur Übernahme von Aktien vorsehen. Ist dies der Fall,

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53 Hennerkes/May BB 1988, 2393, 2403. 54 So aber MünchKomm/Perlitt5 24 f. 55 Auf diesen Gesichtspunkt weist schon Düringer/Hachenburg HGB3 § 320, 6 hin. 56 BGH 17.3.1966 – II ZR 282/63, BGHZ 45, 204 (sog Rektorfall); Binz/Sorg BB 1988, 2041, 2049. 57 Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 127, 132. 58 KK/Mertens/Cahn3 15; Schmidt/Lutter/Schmidt3 16; Sethe S 127 ff. 59 Sethe S 127 ff. 60 Ausführlich dazu MünchHdBAG/Wiesner4 § 20, 6 f. 61 S § 281 Rdn 14 ff. Eine gesetzliche Einlagepflicht sieht das Gesetz im Gegensatz zur Zweiten Aktienrechtsnovelle von 1884 nicht mehr vor, vgl dazu Vor § 278 Rdn 24.

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erwirbt der Eintretende die Stellung eines Komplementärs regelmäßig erst mit der Leistung der Einlage oder der Übernahme der Aktien. Darüber hinaus kann die Satzung spezielle Auswahlkriterien für neu aufzunehmende Komplementäre festgelegen, wie etwa die Zugehörigkeit oder eine besondere Vertrauensbeziehung zu einer Familie oder einem Familienzweig.62 Zulässig ist es auch, in der Satzung für die von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen und die hierzu berufenen Komplementäre unterschiedliche Anforderungen aufzustellen. Soll von den in der Satzung festgelegten Eignungsvoraussetzungen abgewichen werden, bedarf es einer Satzungsänderung.63 3. Juristische Personen, Personengesellschaften und typengemischte Rechtsformen als Komplementäre 30

a) Juristische Personen. Mit seinem Beschluss vom 24.2.1997 hat der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass eine juristische Person, insbesondere eine GmbH, grundsätzlich persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA sein könne.64 Eine nahezu hundertjährige Auseinandersetzung65 zu einer der umstrittensten Fragen des Rechts der KGaA hatte damit ein Ende gefunden und die Diskussion auf Folgeprobleme der Anerkennung der „Kapitalgesellschaft & Co KGaA“ verlagert.66 Der Gesetzgeber hat diese atypische Gestaltungsform aufgrund der Neuregelung des die Firmierung einer KGaA ohne natürliche Person als persönlich haftende Gesellschafterin betreffenden § 279 Abs 2 in Art 8 Nr 5 des Handelsrechtsreformgesetzes (s Vor § 278 Rdn 37, 42) von 1998 indirekt anerkannt.67 Unbestrittener Ausgangspunkt der Diskussion um die Fähigkeit einer juristischen 31 Person, Komplementärin einer KGaA sein zu können, war das Fehlen eines diesbezüglichen gesetzlichen Verbots. Das hat jedoch zahlreiche Stimmen nicht davon abgehalten, aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Regelungsleitbild der KGaA ein solches Verbot herzuleiten.68 Bis zu der diesem Standpunkt widersprechenden Entscheidung des

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62 Deren Vorliegen kann im Wege des Vorschlags- oder Weisungsrechts oder eines Zustimmungsvorbehalts der Familie/Linie festgestellt werden. 63 Zu den Voraussetzungen einer Satzungsänderung su Rdn 181 f. Zum Problem der Satzungsdurchbrechung s MünchHdBAG/Austmann4 § 40, 76; KK/Zöllner2 § 179, 90 ff. 64 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. Der Beschluss beschäftigt sich zwar nur mit der Frage, ob eine GmbH persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA sein könne, doch steht außer Frage, dass die diesbezüglichen Ausführungen des Gerichts auf andere juristische Personen übertragbar sind (ebenso etwa Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1393; MünchKomm/Perlitt5 277). S dazu näher unten Rdn 40 und Fn 94. Die Entscheidung erging aufgrund eines Vorlagebeschlusses des OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, AG 1997, 133 m Anm Habel/Strieder und Sethe ZIP 1996, 2053 ff. 65 S etwa Dölker S 30 f; Schreiber S 40 f; Sußmann S 17; v Malachowski S 7 f. 66 S dazu schon Vor § 278 Rdn 39 mwN. Zu weiteren Einzelheiten so Rdn 7 und unten Rdn 114 ff. 67 Schon die Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer einer KGaA, an der ein gewerbesteuerpflichtiger Komplementär (dh eine juristische Person) beteiligt ist, durch das StiftungsförderungsG 1990 (BGBl I 2775) und das SteueränderungsG 1991 (BGBl I 1332) wurde als gesetzgeberische Bestätigung der Kapitalgesellschaft & Co KGaA angesehen; s MünchKomm/Perlitt5 272 mwN. Ob aber das lediglich an gesellschaftsrechtliche Gestaltungen anknüpfende Steuerrecht als Argument für oder gegen gesellschaftsrechtliche Gestaltungen geeignet ist, erscheint sehr fraglich, vgl Sethe ZHR 162 (1998) 474, 485 mwN. Ein weiteres Indiz für die Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KGaA wurde in § 1 Abs 1 Satz 3 PartGG gesehen, demzufolge nur natürliche Personen Angehörige einer Partnerschaft sein können, was den Umkehrschluss rechtfertige, juristische Personen könnten, mangels anderweitiger Regelungen, stets Gesellschafter einer anderen Gesellschaft sein; Baumann/Kusch in: FS Boujong, 1996, S 3, 15. 68 Die Ablehnung der Beteiligungsfähigkeit einer juristischen Person als Komplementärin einer KGaA fand sich auch in einem Teil der Rechtsprechung: s LG Hamburg 16.2.1968 – 26 T 14/67, AG 1968, 193; OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, AG 1997, 133. Aus dem damaligen Schrifttum: Binz EWiR § 278 AktG

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OLG Hamburg aus dem Jahre 196869 durfte diese Ansicht als die herrschende betrachtet werden. Mitte der siebziger Jahre stand sie sogar nahe davor, gesetzlich verankert zu werden. Die Absicht der seinerzeitigen Bundesregierung, Abs 2 (durch einen Satz 2) dahingehend zu ergänzen, dass nur natürliche Personen persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA sein dürften,70 wurde jedoch nicht verwirklicht. Das mag, neben dem Argument mangelnder Dringlichkeit einer gesetzlichen Regelung, ua aber darauf zurückzuführen sein, dass seit der Entscheidung des OLG Hamburg von 1968 die Gegenansicht erheblich an Gewicht und Verbreitung gewonnen hatte: Sie hielt es ohne Einschränkung für zulässig, eine juristische Person als Komplementärin an einer KGaA zu beteiligen: sei es neben weiteren natürlichen Personen in Komplementär-Funktion oder sei es als alleinige Komplementärin.71 Eine vermittelnde Meinung bejahte zwar die Beteiligungsfähigkeit einer juristischen Person als Komplementärin einer KGaA, wollte diese aber von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen sehen, so dass eine KGaA nur dann sollte entstehen oder Bestand haben können, wenn neben der Komplementär-Körperschaft mindestens noch eine natürliche Person als Komplementärin mit Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht vorhanden war.72

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1/97, 57; Binz/Sorg DB 1997, 313 sowie Albach in Albach ua, Deregulierung des Aktienrechts, S 183, 194; 3. Aufl Barz 9; Baumbach/Hueck13 2; Binz/Sorg BB 1988, 2041, 2045 ff; Elschenbroich S 130; Godin/Wilhelmi4 6; Grass Die Besteuerung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss München 1969, S 11 f; Grobe NJW 1968, 1709 f; Happ1, 1.04, 4; Helm Fälle2, S 70 ff unter Aufgabe seines früheren Standpunkts; Hirte Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, S 127 f; G Hueck Gesellschaftsrecht19, S 320; Joens S 31; Kallmeyer DStR 1994, 977, 980 f; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 175 f; Kommission „Zweiter Börsenmarkt“ S 70; Kraft/Kreutz Gesellschaftsrecht10, S 317; Kübler Gesellschaftsrecht4, S 199; ders NJW 1984, 1857, 1858, 1863; ders ZHR 154 (1990) 393, 395; Lutter DB 1980, 1317, 1326; Pflug NJW 1971, 345 ff; Rasch NJW 1962, 1241, 1242; Reinhardt/Schultz Gesellschaftsrecht2 Rdn 595; Reuter Gutachten B zum 55. DJT, S B 70 f; ders AcP 179 (1979) 509, 550; ders in: FS Stimpel, 1985, S 645, 658; ders Aktie und Genußschein, in Fritsch/Liener/Schmidt (Hrsg) Die Deutsche Aktie, 1993, S 253; Reuter/Körnig ZHR 140 (1976) 494, 517 f; K Schmidt GesR3, S 977 ff; ders ZHR 160 (1996) 265 ff; ders Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1989/90, S 195 f; Semler Referat in Verhandlungen des 55. DJT, S K 47, 152 f; Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 136 f; Hanau/Ulmer MitbestG § 1, 40; ders BB 1980, 1001, 1006; Würdinger AktR4 S 253. 69 OLG Hamburg 5.12.1968 – 2 W 34/68, NJW 1969, 1030 (= GmbHR 1969, 135). 70 S Vor § 278 Rdn 39 sowie oben Rdn 2 mwN. 71 Ammenwerth S 21; 4. Aufl Assmann Einl 438; Dölker S 30; Eilentrop S 202; Frankenheim Ertrags- u. Substanzbesteuerung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1994, S 28 ff; Graf S 93 ff; Hahn DB 1994, 1659, 1665; Hartel DB 1992, 2329, 2331 ff; ders Die Unternehmer-AG, S 73 ff; ders WiB 1997, 298 f; Henn Handbuch des Aktienrechts6, 127; Hennerkes/May BB 1988, 2393 ff; dies StbJb 1988/89, S 303 ff; dies DB 1988, 537, 540; Hesselmann GmbHR 1969, 141 f; ders GmbHR 1988, 472 ff; ders BB 1989, 2344 ff; Hoffmann/Lehmann/Weinmann MitbestG, § 1, 10; § 30, 22; Hohlfeld S 85; Hüffer4 9; Lutter/Joost UmwG2 § 218, 36; Lehmann/Dietz Gesellschaftsrecht3, S 408; Meilicke/Meilicke MitbestG2, § 30, 31, 8; Mertens in: FS Ritter, 1997, S 731 ff; Nirk in Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch der Aktiengesellschaft3, Rdn I 1926 ff (Lfg 28/1998); Niederlag S 30 ff; Petersen in: FS Luther, 1976, S 127, 134 ff; Priester ZHR 160 (1996) 250 ff; ders Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1989/90, S 181, 189 ff; Schilling in Verhandlungen des 55. DJT, S K 139; Schürmann/Groh BB 1995, 684, 685; Sethe S 155 ff; ders AG 1996, 289; ders ZIP 1996, 2053 ff; Strieder DB 1996, 2065, 2067; Strieder/Habel DB 1994, 1557 ff; dies BB 1995, 1857 ff; dies AG 1997, 134 ff; Theisen DBW 1989, 137, 149; Werner/Kindermann ZGR 1981, 17, 27; Schreiber S 40 f; Sußmann S 17; so wohl auch v Malachowski S 7 f und Claussen in: FS Heinsius, 1991, S 61, 69 ff; ders GmbHR 1996, 73, 76 ff; Baumann/Kusch in: FS Boujong, 1996, S 3, 12 ff. Offen Grafmüller S 253 ff; Ladwig/Motte DStR 1996, 842 ff. 72 Geßler/Semler1 14 ff u 32 ff (Ansicht ausdrücklich aufgegeben in MünchKomm/Semler/Perlitt2 276 aE); ders in: FS Stimpel, 1985, S 517 f; Baumbach/Hopt29 Anh § 177a, 34; Grunewald GesR1, 2 D, 5; Hopt/Hehl Gesellschaftsrecht3, 901, offen dagegen in 4. Aufl, 901; D Krüger Zweckmäßige Wahl der Unternehmensform5, 1992, Rdn 632; Dreisow WPg 1976, 658, 659; Pallenbach S 9 ff; 1. Aufl Weipert § 219, 17; H Lehmann Gesellschaftsrecht1, S 277. Offen gelassen KK/Zöllner1 § 408, 4. Auch KK/Mertens1 10 ff; ders in: FS Barz, 1974, S 253, 266 vertrat diesen Standpunkt, hat ihn aber mittlerweile aufgegeben (s ders in: FS Ritter, 1997, S 731 ff).

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In dem Beschluss des BGH vom 24.2.1997 kommen die Argumente für und wider73 die Zulassung einer juristischen Person als alleinige Komplementärin einer KGaA ausführlich zur Sprache.74 Dabei leugnet das Gericht nicht, dass der historische Gesetzgeber bei der Regelung der KGaA ein Leitbild verfolgt hat, in dem er davon ausging, persönlich haftender Gesellschafter der KGaA sei eine natürliche Person (393). An dieses Regelungsmodell sieht sich der erkennende Senat jedoch nicht gebunden, weil der Gesetzgeber, in den durch zwingendes Recht und unabweisbaren Bedürfnissen des Rechtsverkehrs gezogenen Grenzen, den Gesellschaftern die Freiheit zur privatautonomen Gestaltung gewährt hat, welche, jedenfalls nach heutiger Rechtsanschauung, auch die Schaffung von Mischformen und „atypischen Lösungen“ erlaube (393). Abweichungen einer atypischen Rechtsform vom gesetzlichen Leitbild, die zwingendes Recht und Schutzinteressen des Rechtsverkehrs respektieren, sei nicht durch die Annahme ihrer Unzulässigkeit zu begegnen; vielmehr könne die Akzeptanz der atypischen Gesellschaftsform der Praxis überlassen bleiben (401). 33 – Zwingendes Recht, welches der Zulassung einer juristischen Person als alleinige Komplementärin einer KGaA entgegenstehe, vermag der BGH nicht zu erkennen: Die Frage der Zulässigkeit einer KGaA als alleinige Komplementärin einer KGaA beurteile sich nicht nach § 76 Abs 1 Satz 3 (in direkter oder analoger Anwendung), sondern unterfalle, aufgrund des Verweises aus Abs 2, dem Recht der KG, welches seit geraumer Zeit und vom Gesetzgeber anerkannt, die Komplementärstellung einer juristischen Person anerkenne (393/394, 396, 398).75 Darüber hinaus habe der Gesetzgeber die in Erwägung gezogene Absicht, nur natürliche Personen als Komplementäre zuzulassen, nicht weiter verfolgt und stattdessen in neueren Gesetzen76 die Existenz von Kommanditgesellschaften auf Aktien mit juristischen Personen als persönlich haftende Gesellschafterinnen zumindest zur Kenntnis genommen, ohne daran Anstoß zu nehmen (395 f). 34 – Auch rechtsgrundsätzliche Bedenken gegen die Komplementär-Funktion einer juristischen Person weist der BGH zurück: Ein zwingendes Organisationsmodell, das die KGaA auf eine natürliche Person festlege, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen (396), denn das Prinzip der Satzungsstrenge (§ 278 Abs 3 iVm § 23 Abs 5) gelte bei der KGaA nur für die vorliegend nicht betroffene Kapitalstruktur der Gesellschaft (396). Wie das Beispiel der GmbH & Co KG zeige, stehe auch der für die KGaA geltende Grundsatz der Selbstorganschaft (s Vor § 278 Rdn 65 und unten Rdn 137 f) der Einschaltung einer juristischen Person als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan nicht entgegen (397). 35 – Schließlich begegnet das Gericht auch dem Einwand, die Zulassung einer Kapitalgesellschaft und Co KGaA verletze unabdingbare Notwendigkeiten des Gläubigerund Anlegerschutzes. Schon der Gesetzgeber des HGB von 1897 habe der persönli32

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73 Zum seinerzeitigen Streitstand sa die Ausführungen bei Graf S 93 ff; Grafmüller S 253 ff; Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388 ff; Priester ZHR 160 (1996) 250 ff; K Schmidt ZHR 160 (1996) 265 ff; Mertens in: FS Ritter, 1997, S 731 ff; Sethe 155 ff; ders ZIP 1996, 2053 ff. 74 Die nachfolgenden, im Text zu 32–36 und den dazugehörigen Anmerkungen in ( ) angeführten Zahlen sind Seitenangaben, die sich auf den Abdruck dieser Entscheidung in BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 ff beziehen. 75 Zu Recht weist der Beschluss (394) in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch im Falle einer Kapitalgesellschaft & Co KG den Erfordernissen des § 281 (Satzungsangaben über die persönlich haftenden Gesellschafter) und des § 284 (Wettbewerbsverbot für persönlich haftende Gesellschafter) Rechnung getragen werden kann und die aktienrechtlichen Strafnormen (§ 408 iVm §§ 399–407) wegen der Regelung in § 14 Abs 1 StGB keineswegs leerlaufen. 76 Angeführt werden (395/396) §§ 9 Nr 2b, 12 Abs 3 Nr 2b GewStG und § 218 Abs 2 UmwG (1994).

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chen Komplementär-Haftung für die Befriedigungsaussichten der Gläubiger im Krisenfall nur eine geringe Bedeutung zugemessen (397). Auch die Annahme, ein der persönlichen Haftung unterliegender Eigengeschäftsführer handele sorgfältiger, vorsichtiger und umsichtiger als ein Fremdgeschäftsführer, gehe weitgehend an den Realitäten des modernen Wirtschaftslebens vorbei (398). Die am Regelungsmodell der AG ausgerichtete Vorstellung, der Reduzierung der Befugnisse des Aufsichtsrats einer KGaA müsse zwingend durch die persönliche Haftung einer natürlichen Person ausgeglichen werden, gehe schon deshalb fehl, weil die KGaA keine bloße Spielart der AG, sondern eine eigenständige Rechtsform sei, deren Führungsstruktur sich nicht nach Aktienrecht, sondern nach dem Recht der KG richte (398). Dem gebotenen Minderheitenschutz könne durch „zutreffende Rechtsanwendung“, namentlich durch das Instrument der Treuepflichten der Komplementärgesellschaft, Rechnung getragen werden (399). Gegebenenfalls sei auch zu erwägen, Satzungsgestaltungen zu Lasten der Kommanditaktionäre nur in engeren Grenzen zuzulassen als bei der gesetzestypischen KGaA (399), wobei als allgemeine Richtlinie an die Rechtsprechungsgrundsätze zur Publikums-KG gedacht werden könne (400). Dem Einwand, die Kapitalgesellschaft & Co KGaA stelle eine Umgehung des MitbestG dar, hält der BGH entgegen, es sei nicht die Aufgabe der Gerichte, die mitbestimmungsrechtliche Privilegierung der KGaA zu korrigieren. Für zwingend erforderlich hält es der BGH allerdings, dass das Fehlen einer natürli- 36 chen Person als Komplementärin einer KGaA in der Firma der Gesellschaft kenntlich gemacht wird; § 19 Abs 5 HGB (aF) finde insoweit sinngemäße Anwendung (401).

Den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft 37 & Co KGaA ist zuzustimmen. Ein zwingendes Organisationsmodell, das die Komplementärstellung einer juristischen Person verbieten würde, ist dem Recht der KGaA nicht zu entnehmen. Dem historischen Gesetzgeber mag angesichts der Rahmenbedingungen, die zur Herausbildung der KGaA geführt haben, das Regelungsmodell natürlicher Personen als persönlich haftende Gesellschafterinnen vor Augen gestanden haben, doch hat dies zu keinen Vorschriften geführt, deren Regelungsgehalt sich nicht auch für den Fall einer juristischen Person in Komplementär-Funktion durchsetzen ließe.77 Dagegen hat der Gesetzgeber die Führungsstruktur der KGaA eindeutig dem Personengesellschaftsrecht und seiner Fortbildung unterstellt (Abs 2). Doch führt auch darüber hinaus jede Anlehnung an § 76 Abs 3 in die Irre,78 weil es gerade das Spezifikum der KGaA ist, keinen Vorstand zu haben und § 283 in abschließender Aufzählung nur wenige spezielle Regelungsbereiche den für den Vorstand einer AG geltenden Vorschriften unterwirft. Die Tauglichkeit der persönlichen Haftung als Sicherungs- und Verhaltenssteuerungselement79 darf bereits in rechtsvergleichender und historischer Perspektive als widerlegt gelten: Die Verhinderung des Missbrauchs der Rechtsform der KGaA war nicht eine Folge der Haftungsdrohung, sondern der Einführung vor allem des Systems der Normativbe-

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77 Das gilt namentlich im Hinblick auf die insoweit einschlägigen Bestimmungen der §§ 281, 284, 408; vgl BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394. 78 Zudem handelt es sich bei § 76 Abs 3 nur um eine Zweckmäßigkeitsbestimmung, deren Übertragung auf die KGaA schon von daher nicht unbedingt zwingend geboten wäre. S BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394 (enthält „lediglich ein Auswahlkriterium für die Ausübung der Personalkompetenz des Aufsichtsrats“); Petersen in: FS Luther, 1976, S 127, 136 f; Niederlag S 90 ff; Hennerkes/May BB 1988, 2393, 2403. 79 Darauf abstellend etwa Pflug NJW 1971, 345, 349 f; K Schmidt ZHR 160 (1996) 265, 279. Dagegen Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 127, 131; Sethe S 221 ff.

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dingungen80 und seiner kapitalaufbringungs- und -erhaltungssichernden Maßnahmen. Dessen ungeachtet entfällt das Haftungskorrektiv auch bei der Kapitalgesellschaft & Co KGaA nicht gänzlich, denn die Geschäftsführung der Gesellschaft hat für schuldhaftes Verhalten nach § 283 Nr 3 iVm § 93 einzustehen; allein eine solche Haftungsregel, und nicht etwa die für Zufall, vermag handlungssteuernde Wirkungen zu entfalten.81 Damit entfällt auch das Argument, die im Vergleich zum Vorstand der AG gesteigerten Machtbefugnisse bedürften des Korrektivs der persönlichen Haftung. Es wäre im Übrigen aber schon deshalb verfehlt, weil sich zum einen auch hier ein Vergleich zwischen dem Vorstand der AG und den Komplementären der KGaA verbietet und die „Macht der Komplementäre“ durch eine Erweiterung der Befugnisse der Kommanditaktionäre einer KGaA gegenüber denjenigen der Aktionäre einer AG kompensiert wird. Dessen ungeachtet erlaubt auch das Aktienrecht graduell steigerungsfähige Gestaltungsmöglichkeiten, mit denen sich der Vorstand dem Einfluss und der Kontrolle durch die Hauptversammlung zu entziehen und seine Macht zu stärken vermag.82 Von einer Entmachtung des Aufsichtsrats oder der Gesamtheit der Kommanditaktionäre durch eine juristische Person in Komplementär-Funktion kann jedenfalls keine Rede sein. Denn eventuellen Verwerfungen, wie etwa durch eine Verlagerung der Geschäftsführungsentscheidungen in die Komplementärgesellschaft, lässt sich durch die Anwendung anderweitiger rechtlicher Instrumente, wie etwa der Ausweitung der Treuepflichten der Komplementärgesellschaft oder der Erstreckung des Auskunftsrechts der Kommanditaktionäre nach § 131 auf die Verhältnisse der Komplementärgesellschaft, begegnen. 38 Ganz außer Frage steht schließlich, dass dem MitbestG keine Einwände83 gegen die Zulassung der Kapitalgesellschaft & Co KGaA entnommen werden können: Die mitbestimmungsrechtliche Privilegierung der KGaA erfolgte sehenden Auges und die Vorstellung, die persönliche Haftung sei der hierfür zu zahlende Preis, konnte der Gesetzgeber schon deshalb nicht haben, weil er sich bei der Einführung der Mitbestimmung mit solchen rechtsformspezifischen Fragen gar nicht beschäftigt hat und das MitbestG an die ihm vorgegebenen gesellschaftsrechtlich zulässigen Gestaltungen anknüpft.84 Typologische Bedenken gegen die Kapitalgesellschaft & Co KGaA sind, ungeachtet aller grundsätzlichen Einwände gegen eine solche Denkweise, nicht nur durch die (bereits gerichtlich gebilligte) Mischformenvielfalt desavouiert, sondern ignorieren auch den Umstand, dass sie angesichts der Überregulierung der neben der KGaA allein kapitalmarktoffenen AG gerade erst diejenigen Praxisbedürfnisse hervorrufen, deren Entstehung eine typologische Betrachtung zu vermeiden sucht. Zu den Bedürfnissen der Praxis, denen die Kapitalgesellschaft & Co KGaA entgegenkommt, gehört neben der Vermeidung der persönlichen Haftung vor allem die Sicherung der Unternehmensnachfolge in einer dem Prinzip der Selbstorganschaft (s Vor § 278 Rdn 65 und unten Rdn 137 f) folgenden Gesellschaftsform. Dass sich die Praxis, unter Billigung zahlreicher Registergerichte,85 der Kapitalgesellschaft & Co KGaA längst bediente, bevor sie höchstrichterliche Anerkennung erfuhr, war sicherlich kein Argument für die rechtliche Zulässigkeit dieser Mischform, zeugte

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80 Loi sur les sociétés en commandite par actions du 17 juillet 1856, Bull off 414, no 3836; einschließlich der Motive abgedruckt bei Sirey, Lois annotées ou lois, décrets, ordonnances, 4e Série 1856, S 98 ff. 81 Vgl Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 127, 131. 82 Näher hierzu Sethe S 218 ff; ders AG 1996, 289, 291 ff; Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1391 f. 83 So aber noch K Schmidt GesR3, S 978; ders ZHR 160 (1996) 265, 276; Geßler/Semler1 19 aE; Binz/Sorg BB 1988, 2041, 2050; dies DB 1997, 313, 318 (li Sp unten); Reuter/Körnig ZHR 140 (1976) 494, 518. 84 S näher Sethe S 101 ff, 161. 85 S die Hinweise bei Baumann/Kusch in: FS Boujong, 1996, S 3, 6 Fn 6; Graf S 7 Fn 37; Hartel DB 1992, 2329, 2331 Fn 16; Sethe S 157.

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aber von einem diesbezüglichen Bedarf.86 Außer Frage steht, dass Publizität – angefangen bei diesbezüglichen firmenrechtlichen Anforderungen bis hin zur Börsenzulassungsund Emissionspublizität – ein unverzichtbares Erfordernis jeglicher atypischer Ausgestaltung einer Rechtsform darstellt. Der Beschluss des BGH vom 24.2.1997 ist auch im Schrifttum überwiegend auf Zu- 39 stimmung gestoßen87 und wird im Übrigen entweder iSd Grundsatzes „Roma locuta, causa finita“88 als neues Ausgangsdatum akzeptiert89 oder als zwar nicht gewünschtes, aber überfälliges Ende einer langen und kontroversen Auseinandersetzung respektiert.90 Der Beschluss hat dementsprechend weniger Kritik denn Diskussion um die von ihm „nicht gelösten Probleme“ und die von ihm aufgeworfenen Folgeprobleme für das Recht der KGaA ausgelöst.91 Als „ungelöstes Problem“ wird etwa die Mitbestimmung angesehen, wobei die Frage gestellt wird, ob auch die Arbeitsgerichte der dem Beschluss inzidenten Ablehnung einer analogen Anwendung des § 4 MitbestG folgen werden.92 Weitaus mehr als den „ungelösten Problemen“ hat sich die Diskussion vermeintlichen Folgeproblemen des Beschlusses zugewandt. In deren Rahmen dominiert wiederum die Erörterung der Frage, ob und ggf nach welchen Grundsätzen bei der Publikums-Kapitalgesellschaft & Co KGaA eine Einschränkung der Satzungsautonomie im Hinblick auf Satzungsgestaltungen zu Lasten der Kommanditaktionäre im Interesse des Anlegerschutzes geboten ist. Anknüpfungspunkt hierfür ist das (in Rdn 35) erwähnte obiter dictum des Gerichts, es sei zu erwägen, Satzungsgestaltung zu Lasten der Kommanditaktionäre bei der atypischen KGaA nur in engeren Grenzen als bei der gesetzestypischen zuzulassen und hierbei auf die Grundsätze über die Publikums-KG zurückzugreifen. Dass es, um Gläubiger- und Anlegerschutzinteressen zur Geltung zu bringen, tatsächlich eines „Sonderrechts der Publikums-Kapitalgesellschaft & Co KGaA“ bedarf, ist zu bezweifeln.93 Auch wenn sich der Beschluss des BGH vom 24.2.1997 seinem Streitgegenstand 40 nach nur mit der Frage befasst, ob eine GmbH persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA sein könne, so bestehen doch keine Zweifel, dass die Ausführungen des Gerichts auf andere juristische Personen (in typischer und atypischer Gestaltung) in Komplementär-Funktion übertragbar sind.94 Als Rechtsformen von Komplementärgesellschaften kommen dabei, neben dem Hauptfall der GmbH, vor allem die AG, die

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86 1989 etwa hatten 9 der seinerzeit 27 KGaA juristische Personen als Komplementäre; bei 7 dieser Gesellschaften war die juristische Person alleinige Komplementärin; s Sethe S 157. 87 Etwa Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377; Fischer DStR 1997, 1519; Goette DStR 1997, 1014; Habel/Strieder MittBayNot 1998, 65; Hau JURA 1999, 190; Hein WuB II B. § 278 AktG 1.97; Herfs WiB 1997, 688; Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388; Hommelhoff, S 9 ff; Hüffer4 9; Kallmeyer DZWiR 1998, 238; Ladwig/Motte DStR 1997, 1539; Niedner/Kusterer DB 1997, 2010; dies GmbHR 1998, 584; Mayer MittBayNot 1997, 329; G H Roth LM Nr 1 zu § 278 AktG 1965; Sethe EWiR § 278 AktG 2/97, 1061; Strieder BB 1998, 2276, 2277; Strieder/Habel BB 1997, 1375. 88 Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388. 89 Etwa Gonnella/Mikic, AG 1998, 508; Hüffer/Koch14 8; KK/Mertens/Cahn3 16; MünchKomm/Perlitt5 19, 268 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 40. 90 Im Vorgriff zur Entscheidung des BGH K Schmidt ZHR 160 (1996) 265, 286. Ebenso Schmidt/Lutter/Schmidt3 19. 91 Zu kautelarjuristischen Folgeproblemen s insbes Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377; Overlack S 242 ff; Schaumburg DStZ 1998, 525; Schilling BB 1998, 1905. 92 Kallmeyer DZWiR 1998, 238, 239. 93 So Rdn 7 und unten Rdn 114 ff. 94 S Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1380 f; Kallmeyer DZWiR 1998, 238, 240; Hüffer/Koch14 8; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 10 ff; Schaumburg DStZ 1998, 525, 530; Schmidt/Lutter/Schmidt3 19; Spindler/Stilz/Bachmann4 40.

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SE,95 die KGaA selbst, die GmbH & Co KGaA, die Stiftung, der rechtsfähige (wirtschaftliche) Verein und die Genossenschaft in Betracht (zur Rechtsform der Komplementäre vgl die Angaben Vor § 278 Rdn 138).96 Mit der Zulassung einer juristischen Person als alleiniger Komplementärin einer 41 KGaA ist insbesondere auch die Möglichkeit der Schaffung der Einheits-Kapitalgesellschaft & Co KGaA eröffnet worden (sa Rdn 18, § 280 Rdn 11, § 285 Rdn 32).97 Bei dieser Gestaltungsform erwirbt die KGaA, nach ihrer ordnungsgemäßen Gründung, selbst alle Anteile an der Kapitalgesellschaft, die alleinige Komplementärin der KGaA ist.98 Damit kann und sollte den Interessen der Kommanditaktionäre Rechnung getragen werden, nicht der „Minderheitsherrschaft“ durch die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft ausgeliefert zu sein. Das allerdings geht auf Kosten der für die Wahl der KGaA (namentlich für Familiengesellschaften oder Gesellschaften in Gründerhand) möglicherweise entscheidenden Gesichtspunkte der Trennbarkeit der mit der Komplementärstellung genuin verbundenen Leitungsmacht und der Finanzierung des Unternehmens durch die Ausgabe von Kommanditaktien. Zudem muss über eine Satzungsregel (zB Einführung eines Beirats oder Erweiterung der Kompetenzen des Aufsichtsrats) sichergestellt werden, dass der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft die KGaA nicht allein auf der Gesellschafterversammlung der Komplementärgesellschaft vertritt und sich damit selbst Weisungen erteilen kann.99 42

b) Personengesellschaften und Gemeinschaften. Spätestens aufgrund des Beschlusses des BGH vom 24.2.1997 (so Rdn 30 ff) steht außer Frage, dass auch Personenhandelsgesellschaften (allein oder neben natürlichen Personen) Komplementäre einer KGaA sein können.100 Dafür sprach schon von jeher die Überlegung, dass bei Personengesellschaften zumindest eine Person für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen hat und der Grundsatz der Selbstorganschaft (s Vor § 278 Rdn 65 und unten Rdn 137 f) Anwendung findet, so dass die persönlich haftenden Gesellschafter regelmäßig auch die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Organe der Gesellschaft sind. Aufgrund der Reform des § 105 Abs 2 HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 (s Vor § 278 Rdn 37, 42) können nunmehr auch solche Gesellschaften als OHG oder (gem §§ 161 Abs 2, 105 Abs 2 HGB) als KG ins Handelsregister eingetragen werden und als Komplementäre einer KGaA fungieren, die nur ihr eigenes Vermögen verwalten und damit iSd des bisherigen Rechts keine gewerbliche Tätigkeit entfalteten.101 Die inzwischen hM akzeptiert seit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR durch den BGH102, dass diese

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95 Zu den Vorteilen einer SE als Komplementärin Begemann Die SE & Co. KGaA, § 2; Mayer-Uellner/Otte NZG 2015, 737 ff; Reichert/Ott ZHR Beiheft, 2015, S 154 ff; Schubert Unternehmensmitbestimmung, S 30 ff, der zudem die elf vorhandenen SE & Co KGaA auflistet (S 21 f). 96 Zur GmbH & Co KG als mögliche Rechtsform der Komplementärgesellschaft su Rdn 43. 97 Ausführlich hierzu und zu den Gestaltungsmöglichkeiten Bürgers/Fett/Reger § 5, 216 f; Gonnella/Mikic AG 1998, 508; Otte S 223 ff. Sa MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 12; Schlitt S 123; KK/Mertens/Cahn3 10; MünchKomm/Perlitt5 388. 98 S dazu schon – im Ton ironisch („Deregulierung des Aktienrechts durch Re-Demokratisierung der KGaA – wer wollte mehr?“), aber in der Sache warnend – K Schmidt ZHR 160 (1996) 265, 285. 99 Bürgers/Fett/Reger § 5, 217; MünchKomm/Perlitt5 388. 100 S etwa Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1381; Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1389; MünchHdBAG/ Herfs4 § 78, 11. 101 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 11; Schlitt S 122; ders NZG 1998, 580, 581; K Schmidt ZIP 1997, 909, 916; Schön DB 1998, 1169. 102 BGH 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 ff.

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Komplementärin sein kann.103 Zur Gewährleistung einer ausreichenden Publizität ist jedoch zu verlangen, dass die Vertretungsverhältnisse im Handelsregister offengelegt werden, die GbR-Gesellschafter namentlich in der Satzung aufgeführt sind und so ein Gesellschafterwechsel bei der GbR zu einer Satzungsänderung mit Handelsregistereintrag bei der KGaA führt.104 Die Erbengemeinschaft und die eheliche Gütergemeinschaft können dagegen nicht persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA sein.105 c) Typengemischte Rechtsformen. Nach dem Beschluss des BGH vom 24.2.1997 43 über die Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KGaA darf darüber hinaus auch die Anerkennung der Komplementär-Eignung von Mischformen zwischen Personengesellschaften und juristischen Personen, wie etwa der GmbH & Co KG, als vollzogen gelten.106 Durch die Übernahme der Komplementär-Funktion durch Gesellschaften, die ihrerseits im Wege der Typenvermischung gebildet wurden, entstehen zwar mehrstufige Gebilde von großer Kompliziertheit,107 doch werfen diese keine grundsätzlich anderen Fragen auf, als sie im Beschluss des BGH behandelt wurden. Ob für solche „mehrstöckigen KGaA“ ein praktisches Bedürfnis besteht, ist ebenso zu bezweifeln wie die Akzeptanz solcher Rechtsformen als Emittenten durch den Kapitalmarkt. Der Komplementärstellung der GmbH & Co KG steht nach der Reform des § 105 Abs 2 HGB aufgrund des Handelsrechtsreformgesetzes von 1998 (s Vor § 278 Rdn 37, 42) jedenfalls nicht mehr entgegen, dass sie mit der Übernahme der Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters nur die Verwaltung ihres eigenen Vermögens betreibt und darüber hinaus keine weitere gewerbliche Tätigkeit entfaltet (s soeben Rdn 42). 4. Erwerb der Komplementärstellung sowie Neuaufnahme und Ausscheiden 44 von Komplementären. Die persönlich haftenden Gesellschafter einer neu zu gründenden KGaA erwerben ihre Stellung als Komplementäre mit dem Vollzug der Gründung der Gesellschaft (s § 280 Rdn 3 ff) bzw im Falle der Entstehung der KGaA aus der Umwandlung einer anderen Gesellschaft in die Rechtsform der KGaA mit der Eintragung der Umwandlung (s Vor § 278 Rdn 103 ff). Auch nach der Gründung der KGaA können weitere Komplementäre aufgenom- 45 men werden. Für die Aufnahme eines neuen Komplementärs kommen zwei Wege in Betracht: – Fehlen spezielle Satzungsbestimmungen zur Neuaufnahme von Komplementä- 46 ren, so erfolgt diese nach hM im Wege einer Satzungsänderung (§§ 179–181).108 Dazu

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103 Henssler/Strohn/Arnold4 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 40; Bürgers/Fett/Bürgers, § 4, 9; Hüffer/Koch14 8; KK/Mertens/Cahn3 16; MünchKomm/Perlitt5 37; MünchKommBGB/Schäfer7 § 705, 317; Schmidt/Lutter/ Schmidt3 20; eingehend Heinze DNotZ 2012, 426 ff; aA Kübler/Assmann Gesellschaftsrecht6 S 53, 257; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer6 § 705, 317 mwN. 104 KK/Mertens/Cahn3 16; MünchKomm/Perlitt5 37; vgl auch BGH 16.7.2001 – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291 ff (zur Eintragungsfähigkeit der GbR als Gesellschafterin einer KG). 105 Maßgeblich ist insoweit nach § 278 Abs 2 das Recht der KG. Nach Rspr und ganz hM können die angeführten Gemeinschaften nicht Komplementäre einer KG sein. Für die Erbengemeinschaft: BGH 20.4.1972 – II ZR 143/69, BGHZ 58, 316, 317. Für die eheliche Gütergemeinschaft vgl BGH 10.7.1975 – II ZR 154/72, BGHZ 65, 79. Zum Ganzen s etwa MünchHdBKG/Möhrle4 § 2, 53, 60. 106 S Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1381 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 11 Fn 21; Hüffer/Koch14 8; Overlack S 243 f; Schaumburg DStZ 1998, 525, 530 ff. Zur GmbH & Co KG schon OLG Hamburg 5.12.1968 – 2 W 34/68, NJW 1969, 1030 (= GmbHR 1969, 135). 107 K Schmidt ZHR 160 (1996) 265, 285 sieht die Einrichtung eines „Frankenstein-Kabinetts“ voraus. 108 Grundsätzlich aA aber Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 3, 6, der § 281 nur für die Gründung und nicht für spätere Änderungen der Satzung anwenden will; wie hier die hM, statt vieler OLG Stuttgart 27.11.2002 – 20 U 14/02, NZG 2003, 293; Schmidt/Lutter/Schmidt3 28.

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bedarf es eines Beschlusses der Hauptversammlung (§ 179 Abs 1 Satz 1) sowie der Zustimmung aller persönlich haftenden Gesellschafter (§ 285 Abs 2 Satz 1).109 Die Eintragung in das Handelsregister ist gemäß § 181 Abs 3 konstitutiv.110 Nach der Gegenansicht richten sich bei unter Abs 2 fallenden Beschlussgegenständen nicht nur die materiellen, sondern auch die formellen Anforderungen nach Personengesellschaftsrecht. Die §§ 179–181 seien daher von vornherein nicht einschlägig.111 In Bezug auf die Zustimmung der Hauptversammlung genüge stets die einfache Mehrheit nach § 133 (dass dies nicht überzeugen kann, selbst wenn man dieser Ansicht ansonsten folgen wollte, wird unter Rdn 99, 99a dargelegt). Die Änderung des Satzungstextes erfolge nach § 179 Abs 1 Satz 2; die Eintragung im Handelsregister sei deklaratorisch. Diese Ansicht ist abzulehnen, da sie aus Kompetenznormen auf Verfahrensnormen schließt (vgl im Einzelnen Rdn 99, 99a) und die Einheitlichkeit der Satzung ignoriert (s Rdn 181). Nur weil eine materielle Regelung dispositiv ist, gilt dies nicht automatisch auch für die dazu gehörigen Verfahrensbestimmungen. Die §§ 280–282 machen, indem sie Bezug auf die §§ 23 ff nehmen, deutlich, dass sich die Regelung der Satzung und damit der Satzungsänderung nach Aktienrecht richtet und nicht nach HGB. Dieses Argument lässt sich auch nicht dadurch entkräften, dass man § 281 nur Bedeutung für die Gründungsphase zumisst.112 Denn die §§ 285 Abs 3 und 289 Abs 5 zeigen, dass die Satzung und ihre Änderungen auch nach der Gründungsphase relevant sind. Zudem widerspricht die Einordnung der Handelsregistereintragung als deklaratorisch der im Geschäftsverkehr nötigen Rechtsklarheit, da der Rechtsverkehr erst durch die Eintragung von einer Veränderung an der Spitze der KGaA erfahren kann. Auch verzichtet die Gegenansicht auf das Erfordernis der notariellen Bescheinigung (§ 181 Abs 1 Satz 2), die es – auch bei Fassungsänderungen113 – dem Registergericht ermöglichen soll, die Satzungsänderung zu überprüfen. Bei Körperschaften misst der Gesetzgeber Beurkundungen und Handelsregistereintragungen eine ungleich größere Bedeutung zu als bei Personengesellschaften. Allein die dispositive Regelung in Abs 2 kann keine Rechtfertigung dafür sein, hiervon bei der KGaA, die eine Körperschaft ist, abzuweichen. Enthält die Satzung eine Bestimmung über die Neuaufnahme von Komplementären (s schon 28 f), dann ist diese für das Verfahren und die Voraussetzungen der Aufnahme eines Komplementärs maßgeblich.114 Abgeändert werden kann das Erfordernis der Zustimmung aller Komplementäre nach § 285 Abs 2 Satz 1.115 Wird hier eine Mehrheitsklausel vorgesehen, sollte – um den Anforderungen der Rechtsprechung an die Auslegung von Gesellschaftsverträgen – gerecht zu werden, eine klare, von den (dispositiven) gesetzlichen Zustimmungserfordernissen abweichende Kompetenzzuweisung und eine Regelung über die bei der Aufnahmeentscheidung erforderliche Mehrheit enthalten sein. Möglich ist es auch, für den Beschluss der Hauptversammlung eine andere Mehrheit vorzusehen (vgl die dispositive Vorschrift des § 179 Abs 2 Satz 2 u 3 und unten Rdn 99, 99a). Es besteht im Schrifttum Einigkeit, dass aufgrund des Verweises in Abs 2 in der Satzung auch bestimmt werden kann,

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109 So die hM, vgl MünchKomm/Perlitt5 66; KK/Mertens/Cahn3 24; Schlitt S 133. 110 Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 281, 15. 111 Bürgers/Fett/Fett § 3, 24 ff. 112 So aber Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 3, 6. 113 Spindler/Stilz/Holzborn § 181, 16. 114 Sethe S 127 ff. 115 MünchKomm/Perlitt5 68; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 5, 7; Sethe S 127. Vorausgesetzt, man betrachtet die Aufnahme eines neuen Komplementärs als „ungewöhnliche Vertragsänderung“, auch Wichert AG 1999, 362, 364.

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welche Organe für die Entscheidung über die Neuaufnahme eines persönlich haftenden Gesellschafters zuständig sind.116 Die Kompetenz zur Aufnahme weiterer Komplementäre kann sowohl der Hauptversammlung als auch dem Aufsichtsrat (hierbei ist der Grundsatz der Verbandssouveränität zu beachten, vgl § 287 Rdn 103) oder der Geschäftsführung übertragen werden.117 Auch das Zusammenwirken mehrerer Organe kann vorgesehen werden.118 Ist die Aufnahme eines Komplementärs nach der Satzungsbestimmung erfolgt, ist dadurch die Fassung der Satzung unrichtig geworden. Will man den Aufwand einer den Text anpassenden Hauptversammlung meiden, ist es sinnvoll, in der Satzung von der Ermächtigung des § 179 Abs 1 Satz 2 Gebrauch zu machen und dem Aufsichtsrat die Kompetenz zu übertragen, die Satzung textlich anzupassen.119 Nicht möglich ist es hingegen, die Befugnis zur Fassungsänderung auf das für die Aufnahmeentscheidung zuständige Organ zu delegieren.120 Auch bloße Änderungen der Satzungsfassung bedürfen der Zustimmung der Komplementäre, es sei denn, die Zustimmung ist bereits in der Satzung enthalten,121 was bei einer Delegation der Aufnahmeentscheidung regelmäßig der Fall ist. Eine solche Zustimmung kann auch in generalisierter Form für alle Änderungen der Satzungsfassung geschehen. Die nachfolgende Anmeldung richtet sich nach §§ 282, 181 Abs 1 und 2. Die – auch bei bloßen Fassungsänderungen notwendige122 – Eintragung in das Handelsregister wirkt deklaratorisch.123 Dieser Lösung wird vorgeworfen, es sei inkonsequent, bei der Aufnahme neuer Komplementäre im Wege der Satzungsänderung eine konstitutive Wirkung und bei der Aufnahme im Wege der Ausnutzung einer Satzungsermächtigung lediglich eine deklaratorische Wirkung anzunehmen.124 Diese Kritik verkennt, dass es auch vergleichbare andere Fälle gibt, in denen das Aktienrecht selbst eine solche Differenzierung bei Satzungsänderungen vornimmt, wie §§ 200 f zeigen. Danach wirkt die Handelsregistereintragung lediglich deklaratorisch, da mit ihr lediglich nachvollzogen wird, was aufgrund einer Satzungsermächtigung in der Rechtswirklichkeit bereits erfolgt ist. § 81 ist ein weiteres Beispiel. Der Umstand, dass eine Fassungsänderung nach § 179 Abs 1 Satz 2 der Mitwirkung des Aufsichtsrats bedarf, löst bei einigen Autoren Bedenken aus, weil der Aufsichtsrat so die von anderen getroffene Entscheidung über die Neuaufnahme blockieren oder verzögern könne. Daher müsse für die Fassungsänderung

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116 Für die Vertreter der hM ist § 278 Abs 2 eine gesetzliche Ausnahme zu § 179 Abs 1 Satz 1, für die geschilderte Gegenansicht sind die §§ 179–181 gar nicht anwendbar (s Rdn 46). 117 Nach Spindler/Stilz/Bachmann4 69, ist zwingend die Mitwirkung der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats geboten, da die Kommanditaktionäre bei einem vollständigen Ausschluss der Beteiligung an Grundlagengeschäften zu bloßen Obligationären herabgestuft würden; ebenso jetzt Schmidt/Lutter/Schmidt3 28; wie hier dagegen Bürgers/Fett/Reger § 5, 299; Heidel/Wichert5 § 281, 26; KK/Mertens/Cahn3 26; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 5; MünchKomm/Perlitt5 69; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 633. 118 Zur Möglichkeit der satzungsmäßigen Regelung kombinierter oder gestaffelter Entscheidungsbefugnisse s Schlitt S 134. 119 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 5; MünchKomm/Perlitt5 67f, § 281, 15, 64; Sethe S 128. Sa § 281 Rdn 9. 120 AA aber KK/Mertens/Cahn3 § 281, 6. Unentschieden MünchKomm/Perlitt5 § 281, 16. 121 KK/Mertens/Cahn3 6. 122 Bürgers/Körber/Körber4 § 181, 1; MünchKomm/Stein4 § 181, 3; Spindler/Stilz/Holzborn § 181, 6. 123 So Rdn 46 und MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 5; MünchKomm/Perlitt5 § 281, 15, 64, wonach die Aufnahme des neuen Komplementärs mit Abschluss des in der Satzung vorgesehenen Aufnahmeverfahrens sofort wirksam ist. AA Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 281, 15; Heidel/Wichert5 § 281, 27; Wichert AG 1999, 362, 367. Grundlegend anders KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 14, der dafür plädiert, dass der neue Komplementär den Aufsichtsrat nur informieren muss und die Eintragung anschließend konstitutiv wirkt. 124 So die Kritik von Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 6 und 21.

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dasjenige Organ zuständig sein, das auch über die Neuaufnahme entscheide.125 Hiergegen spricht jedoch nicht nur der Wortlaut von § 179 Abs 1 Satz 2, sondern auch sein Zweck. Nimmt man eine Familien-KGaA als Beispiel, bei der die Geschäftsführung oder der Beirat die Entscheidung über die Neuaufnahme von Komplementären trifft – würde die Lösung der Gegenansicht es der Geschäftsführung erlauben, gleichsam ohne Kenntnis der anderen Gesellschaftergruppe die Satzung der Gesellschaft verändern zu können. So würde auch das Recht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, aus wichtigem Grund gegen die Aufnahme eines neuen Komplementärs vorzugehen (su Rdn 50), mangels frühzeitiger Kenntnis wesentlich erschwert. Die Sorge, der Aufsichtsrat könne die Neubesetzung der Komplementärposition unnötig blockieren, verkennt, dass der Aufsichtsrat in der KGaA eine besondere Funktion zugunsten der Kommanditaktionäre innehat. Über seine Mitwirkung bei der Anpassung des Satzungstextes wird eine Kontrolle sichergestellt. Die bloß theoretische Möglichkeit eines Missbrauchs einer an sich sinnvollen Kompetenz sollte kein Argument für deren Abschaffung sein. Des Weiteren ist es denkbar, die Mitwirkung der Komplementäre und Kommanditaktionäre ganz abzubedingen und die Aufnahmeentscheidung einem mit Externen besetzten Gremium, wie etwa einem mit Gesellschaftern besetzten Beirat126 zu überlassen. Deshalb sind auch Satzungsbestimmungen in Gestalt von Eintrittsklauseln zulässig, die einem namentlich benannten Dritten unter bestimmten Voraussetzungen das Recht einräumen, als Komplementär in die Gesellschaft einzutreten.127 Gleiches gilt für Entsendungsrechte, durch welche Gesellschaftern, einzelnen Organen oder Dritten das Recht eingeräumt wird, einen neuen persönlich haftenden Gesellschafter zu benennen, der dann mit der Benennung und seiner Zustimmung zum Komplementär wird. Solche Entsenderechte können wiederum mit einem Vetorecht bestimmter Beteiligter gekoppelt werden. Weniger weitgehend und damit fraglos rechtens sind bloße Präsentationsrechte128 iSv Vorschlagsrechten Gesellschaftsinterner oder -externer, denen dann eine weitere Aufnahmeprozedur nach Maßgabe der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Regelung folgt. 49 Die dargelegten Grundsätze gelten auch dann, wenn die Neuaufnahme dem Austausch einer natürlichen Person gegen eine juristische Person dient und damit ein Wechsel von der typischen zur atypischen Ausgestaltung bevorsteht; schützenswerte Interessen der Kommanditaktionäre werden dadurch nicht verletzt.129 Mangels Personalkompetenz des Aufsichtsrats können Satzungsbestimmungen der vorstehenden Art selbst bei einer der Mitbestimmung unterliegenden KGaA keine Kollision mit dem MitbestG hervorrufen.130 Soweit die persönlich haftenden Gesellschafter über den Beitritt mit Mehrheit ent50 scheiden oder die Satzung eine Eintrittsklausel (so Rdn 47) enthält, kann ein überstimmter bzw aufgrund der Eintrittsklausel von der Entscheidung über die Neuaufnahme aus-

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125 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 5; Cahn AG 2001, 582 ff; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 14 (Aufsichtsrat nicht zuständig, aber in Kenntnis zu setzen). 126 Umstritten ist, ob auch die Kompetenz auf einen mit Dritten besetzten Beirat übertragen werden darf, s § 287 Rdn 103; MünchHdBAG/zweifelnd dagegen Spindler/Stilz/Bachmann4 49; aA KK/Mertens/ Cahn3 § 287, 32. 127 MünchKomm/Perlitt5 68; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 8; Schlitt S 135; Sethe S 129 mwN. 128 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 8; Schlitt S 135. 129 Schlitt S 134. 130 Sethe S 129; ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 6.

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geschlossener Komplementär widersprechen, wenn er in dem Beitritt Gefahren für die Gesellschaft sieht, die einen wichtigen Grund iSv §§ 133, 140 HGB darstellen würden. Gleiches gilt für den Fall, dass die Gesamtheit der Kommanditaktionäre an der Entscheidung nicht mitwirken konnte. Die Aufnahme des Gesellschafters muss dann bis zur (gerichtlichen) Klärung unterbleiben.131 Auch in Bezug auf das Ausscheiden von persönlich haftenden Gesellschaftern kann 51 die Satzung Regelungen vorsehen, welche die Zulassung von Vereinbarungen über das Ausscheiden eines Komplementärs, den Zeitablauf oder die Nichtverlängerung der Mitgliedschaft eines Komplementärs, die Bestimmung einer Altersgrenze für Komplementäre, das ordentliche oder außerordentliche Kündigungsrecht eines Komplementärs oder die Zulassung des Gesellschafterwechsels zum Gegenstand haben können (s im Einzelnen § 289 Rdn 94 ff). 5. Rechte und Pflichten der Komplementäre a) Grundlagen. Die persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA unterliegen den 52 mitgliedschaftlichen132 Pflichten, die ihnen durch die Satzung, durch spezielle gesetzliche Regelungen in §§ 278 ff oder durch Anwendung der die Komplementäre einer KG betreffenden Vorschriften (Abs 2 iVm §§ 161 ff, 105 ff HGB) zugewiesen wurden. Dies sind insb wechselseitige Treue-, Förder- und Rücksichtnahmepflichten. Umgekehrt verbinden sich mit der Mitgliedschaft auch Rechte in Gestalt von Verwaltungs- und Vermögensrechten. Diese sind dem Innenverhältnis der Gesellschafter zuzurechnen, für welches das Recht der KG maßgeblich ist (§ 278 Abs 2 AktG, §§ 161 Abs 2, 109–122 HGB), soweit §§ 283, 284 keine speziellen Regelungen enthalten. Da das einschlägige Personengesellschaftsrecht die Gestaltung der Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander weitgehend den Gesellschaftern überlässt (vgl §§ 163, 109 HGB), wird der Satzung der KGaA im Vergleich zu der einer AG (§ 23 Abs 5) ein erheblich größerer Regelungsspielraum eingeräumt.133 b) Verwaltungsrechte und Rechtsverhältnis der Komplementäre untereinander aa) Kompetenzen auf mitgliedschaftlicher Ebene. Den Komplementären stehen 53 Stimm-, Informations- und Kontrollrechte zu (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 118, 119 HGB). Sie entscheiden per Beschluss (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 119 Abs 1 HGB) über alle auf mitgliedschaftlicher Ebene angesiedelten Angelegenheiten wie etwa die Änderung der Satzung, die Aufnahme neuer Komplementäre, den Ausschluss von Komplementären oder die Veränderung der Zuständigkeiten und Vermögensrechte der persönlich haftenden Gesellschafter (zum Verfahren s Rdn 46 f, zum notwendigen Quorum s Rdn 99, 99a). Bei diesen Beschlussgegenständen bedarf es neben der Zustimmung der Komplementäre allerdings auch der Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (vgl § 285 Abs 2 Satz 1). Bei Satzungsänderungen muss die Zustimmung der Hauptversammlung den Erfordernissen von § 179 genügen (s Rdn 46 f, 99, 99a, 182), die der Komplementäre denen von § 285 Abs 3 (zu Einzelheiten s Rdn 181 f). Nur soweit ausschließlich das Rechtsverhältnis der Komplementäre untereinander in Frage steht, was etwa im

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131 BGH 14.11.1960 – II ZR 55/59, WM 1961, 303; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 80; MünchKomm/Perlitt5 70, § 281, 15; KK/Mertens/Cahn3 27 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 51; Sethe S 129. Sa § 289 Rdn 116. 132 Zu den organschaftlichen Pflichten su Rdn 103 ff. 133 Zur Reichweite und den Grenzen der Satzungsautonomie s Vor § 278 Rdn 58 ff.

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Hinblick auf die Verteilung des auf die Gesellschaftergruppe der Komplementäre entfallenden Gewinns oder Liquidationsüberschusses der Fall ist, oder die Satzung die Mitwirkung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre abbedungen hat,134 entscheiden die persönlich haftenden Gesellschafter allein. Für die von den Komplementären zu fassenden Beschlüsse ist die Zustimmung aller 54 persönlich haftenden Gesellschafter erforderlich, dh die Komplementäre entscheiden grundsätzlich einstimmig (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 119 Abs 1 HGB). Da es sich um die mitgliedschaftliche Ebene handelt, kommt es nicht darauf an, ob ein Komplementär geschäftsführungsbefugt ist oder nicht. Die Satzung kann vom Grundsatz der Einstimmigkeit abweichen und bspw vorsehen, dass Beschlüsse mit der (einfachen oder einer qualifizierten) Mehrheit der Stimmen gefasst werden können (§ 119 Abs 2 HGB) oder die Stimmrechtsmacht von der Höhe der von den Komplementären eingebrachten Vermögenseinlagen abhängt.135 Darüber hinaus darf einzelnen Komplementären ein Letztentscheidungsrecht bei Meinungsverschiedenheiten und Pattsituationen eingeräumt werden. Von der Regelung in § 119 Abs 1 HGB abweichende Satzungsbestimmungen müssen aber hinreichend deutlich formuliert sein und sind am Grundsatz des Kernbereichs der Mitgliedschaft und der Treuepflicht zu messen.136 55

bb) Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit. Die Komplementäre schulden einander sorgfältiges und verantwortungsvolles Verhalten bei der Wahrnehmung der Angelegenheiten der Gesellschaft. Die gleiche Verpflichtung haben sie gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Der hierbei zu beachtende Sorgfaltsmaßstab richtet sich nicht nach Personengesellschaftsrecht (Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, § 708 BGB), sondern vielmehr nach § 283 Nr 3 iVm § 93 Abs 1 Satz 1 (Sorgfaltspflichten des Vorstands).137 Auch wenn § 93 nur die Sorgfalt des Vorstands als Organ erfasst, gilt der in dieser Vorschrift niedergelegte Sorgfaltsmaßstab bei den geschäftsführungsund/oder vertretungsbefugten Komplementären der KGaA auch auf mitgliedschaftlicher Ebene. Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung des Verweises auf § 93 Abs 1 vor allem den Schutz der Kommanditaktionäre im Auge. Dieser lässt sich durch den auf Gesellschaften und Gemeinschaften mit persönlichen vertrauensgeprägten Beziehungen zugeschnittenen Sorgfaltsmaßstab der eigenüblichen Sorgfalt nicht erreichen. Da die Kommanditaktionäre nicht nur durch organschaftliches Verhalten der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre, sondern auch durch deren Handeln auf mitgliedschaftlicher Ebene betroffen sein können (zB Verletzung der aus der Mitgliedschaft folgenden Treuepflicht), würde das verfolgte Regelungsziel unterlaufen, wollte man § 93 Abs 1 Satz 1 nur für das Organverhalten gelten lassen. Zudem wäre die Abgrenzung zwischen beiden Regelungsebenen mitunter schwierig. Die Mitgliedschaft des einzelnen Kommanditaktionärs ist gerade nicht personalistisch geprägt, wie diejenige des Kommanditisten einer KG. Noch deutlicher wird die Ungeeignetheit von § 708 BGB, wenn man eine KGaA betrachtet, die sich an den Kapitalmarkt wendet. Das Verhalten der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre beurteilt sich also stets am Maßstab von § 93 Abs 1 Satz 1.138 Auf die nicht geschäftsführungs- und vertretungsbe-

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134 Dazu § 285 Rdn 77 ff. 135 MünchKomm/Perlitt5 75. 136 Dazu Vor § 278 Rdn 60. Dort wird auch die Position des BGH zur Kernbereichslehre kritisch gewürdigt. 137 Dazu ausführlich § 283 Rdn 17 ff. 138 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394; OLG München 17.9.1999 – 23 U 1514/99, NZG 2000, 741, 742; Bürgers/Fett/Reger § 5, 119; Hüffer/Koch14 13; MünchKomm/Perlitt5 62, 191, 207, § 283, 18.

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fugten Komplementäre findet § 283 Nr 3 dagegen keine Anwendung.139 Maßstab ihrer Haftung ist daher – wenn man von der Gründerhaftung und der Haftung für Einflussnahme absieht – die eigenübliche Sorgfalt (Abs 2 iVm § 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, 708 BGB).140 Vom Sorgfaltsmaßstab zu unterscheiden ist die Frage der Verantwortlichkeit, also 55a der Haftung für pflichtwidriges Verhalten. Bei den geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementären kommt ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft aus §§ 283 Nr 3, 93 Abs 2 in Betracht.141 Um die Sorgfaltspflicht nicht auszuhöhlen, dürfen diesbezüglich keine Freistellungsvereinbarungen geschlossen werden (su Rdn 69). Bei der AG & Co KGaA bzw der GmbH & Co KGaA wird nach herkömmlicher Sichtweise dem Tätigkeitsvertrag des Vorstands/des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft Schutzwirkung zugunsten der KGaA zugebilligt.142 Der BGH und ihm folgend Teile des Schrifttums sind zu Recht dazu übergegangen, bereits aus der organschaftlichen Beziehung des Vorstands/des Geschäftsführers zu der Komplementärgesellschaft Schutzwirkung zugunsten der KGaA abzuleiten, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe der Komplementärgesellschaft darin besteht, die Geschäfte der KGaA zu führen.143 Umstritten ist hingegen, ob die geschädigte KGaA (und ihre Gesellschafter mit Klage auf Leistung an die KGaA) auch direkt gegen die Mitglieder der Unternehmensleitung der Komplementärgesellschaft vorgehen können (s § 283 Rdn 19 ff). Handelt es sich um nicht geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Komplementäre, haften diese – wenn man wiederum von der Gründerhaftung absieht – nach den Grundsätzen des Personengesellschaftsrechts wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrags (§ 280 BGB)144 und ggf nach § 117 (s § 283 Rdn 17). cc) Treuepflicht, Gleichbehandlungspflicht. Bei der Ausübung ihrer Rechte unter- 56 liegen sämtliche Komplementäre der KGaA gegenüber ihren Mitgesellschaftern, der Gesellschaft und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre der allgemeinen Treuepflicht, die teils pflichtenbegründend, teils schrankensetzend wirkt145 und im Wettbewerbsverbot des § 284 eine spezielle Ausformung erfahren hat. Inhalt und Ausmaß der Treuepflicht, die unabdingbarer Bestandteil jeder mitglied- 57 schaftlichen Rechtsstellung ist, variieren je nach dem Intensitätsgrad der mitgliedschaft-

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139 S § 283 Rdn 17 sowie Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 283, 2; KK/Mertens/Cahn3 § 283, 6; MünchKomm/ Perlitt5 § 283, 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 283, 3; aA wohl Hüffer/Koch14 § 283, 1 („Normadressaten: alle Komplementäre“). 140 Bürgers/Fett/Reger § 5, 74. AA offenbar Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger/Bergmann jurisPK-BGB9 (Stand: 1.2.2020) § 708, 12 Fn 20. Im Mauracher Entwurf ist vorgesehen, die eigenübliche Sorgfalt abzuschaffen, vgl Vor § 278 Rdn 42a. 141 OLG München 17.9.1999 – 23 U 1514/99, NZG 2000, 741, 742; Bürgers/Fett/Reger § 5, 110 ff, 132 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 46; MünchKomm/Perlitt5 191, 62. 142 OLG Düsseldorf 25.11.1999 – 6 U 146/98, WM 2000, 1393 (zur GmbH & Co KG); Spindler/Stilz/Bachmann4 46; Kessler S 280 ff; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 17. 143 So zur GmbH & Co KG BGH 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304, 309 = ZIP 2013, 1712 (Rn 18 ff); zuvor bereits auch KG 24.2.2011 − 19 U 83/10, NZG 2011, 429, 430; Scholz/Schneider11 § 43, 428 ff (ohne Beschränkung auf alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH als Komplementärin); Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack21 § 43, 66; Großkomm HGB/Casper5 § 164, 57 f – jeweils mwN. In Bezug auf die AG & Co. KG müsste dies ebenfalls gelten, was der BGH aber noch offengelassen hat, BGH 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105, 113 (Rn 21) = ZIP 2009, 1162. 144 BGH 11.1.1988 – II ZR 192/87, WM 1988, 968, 970; Baumbach/Hopt/Rot39 § 109, 28, § 114, 15; Großkomm HGB/Schäfer5 § 114, 50, 54 mwN. 145 S dazu unten Fn 148.

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lichen Bindungen.146 Diese sind innerhalb des Personengesellschaftsrechts am höchsten, innerhalb der Publikums-AG am geringsten. Bei der KGaA ist deshalb aufgrund ihrer hybriden Stellung eine Differenzierung geboten.147 Soweit sich die Rechtsstellung der Gesellschafter nach Abs 2 richtet, können die Adressaten sowie der Umfang der den Komplementären obliegenden Treuepflichten ohne Weiteres nach den im Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätzen beurteilt werden.148 Soweit jedoch Abs 3 unterfallende Rechtsbeziehungen (wie diejenigen der Kommanditaktionäre untereinander oder der Kommanditaktionäre zur Gesellschaft; dazu unten Rdn 60, 87 ff) in Frage stehen, muss die anders gelagerte aktienrechtliche Situation beachtet werden. 58 Auch wenn den Komplementären der KGaA die für die Gesellschafter von Personengesellschaften typische gesamthänderische Verbundenheit fehlt, unterliegt es keinen Zweifeln, dass jeder persönlich haftende Gesellschafter gegenüber den übrigen Komplementären die gem Abs 2 dem Personengesellschaftsrecht zu entnehmenden Treuepflichten zu beachten hat, denenzufolge er seine Rechte und Pflichten nur unter angemessener Berücksichtigung von deren Belangen ausüben darf. Neben die Treuepflicht tritt die Pflicht des Komplementärs zur Gleichbehandlung seiner Mitgesellschafter.149 Diese gebietet es, objektiv gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz stellt damit ein Willkürverbot bei der Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte dar. Eine Ungleichbehandlung ist nur rechtmäßig, sofern sie auf sachlichen Gründen beruht. Solche Gründe können die Gesellschafter bereits im Gesellschaftsvertrag festlegen, indem sie unterschiedliche Rechte für die einzelnen Gesellschafter vereinbaren. Der gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz schützt mithin nur vor willkürlicher Rechtsausübung, begrenzt aber nicht die gesellschaftsvertragliche Gestaltungsfreiheit. Treue- und Gleichbehandlungspflichten sind auch in der KGaA schon deshalb geboten, weil die grundsätzlich jedem Komplementär zustehende Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis sowie die damit verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschicke der Gesellschaft und das Risiko der persönlichen Haftung jedes Komplementärs ein besonderes Maß wechselseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Rücksichtnahme verlangen. Da sich auch das Rechtsverhältnis der Komplementäre zur Gesamtheit der Kom59 manditaktionäre (et vice versa; dazu unten Rdn 87 ff) nach Abs 2 und damit dem Recht der KG beurteilt, obliegen den persönlich haftenden Gesellschaftern auch Treuepflichten gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Die Komplementäre sind

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146 Wiedemann in: FS Heinsius, 1991, S 949 f unterscheidet etwa die mitgliedschaftliche, organschaftliche und mehrheitsbezogene Treuepflicht. 147 So auch A Hueck ZGR 1972, 237, 251 f; MünchKomm/Perlitt5 90 f; Sethe S 120 ff. 148 Zur pflichtenbegründenden Funktion BGH 15.6.1959 – II ZR 44/58, BGHZ 30, 195, 201; BGH 28.4.1975 – II ZR 16/73, BGHZ 64, 253, 257; BGH 23.11.1972 – II ZR 97/70, BB 1973, 441; BGH 19.11.1984 – II ZR 102/84, NJW 1985, 972; BGH 10.10.1994 – II ZR 18/94, WM 1994, 2244, 2245; Baumbach/Hopt/Roth39 § 109, 23, 27, § 117, 6 f (Mitwirkung bei Gestaltungsklagen nach §§ 117, 127, 140 HGB); Flume in: FS Rittner, 1991, S 119 ff. In Ausnahmesituationen kann aus ihr eine Pflicht zur Zustimmung bei Satzungsänderungen folgen, wenn die Änderung zwingend erforderlich und dem jeweiligen Gesellschafter zuzumuten ist: BGH 2.7.1973 – II ZR 94/71, WM 1973, 1291, 1294; BGH 19.11.1984 – II ZR 102/84, NJW 1985, 972, 973; A Hueck ZGR 1972, 237 ff; Baumbach/Hopt/Roth39 § 109, 27, § 105, 64 ff. Zur Schrankenfunktion der Treuepflichten Lutter AcP 180 (1980) 84, 120 ff; Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S 335 ff; K Schmidt GesR4, S 589; Baumbach/Hopt/Roth39 § 109, 23 ff; Wiedemann Gesellschaftsrecht I, S 431 ff; ders in: FS Heinsius, 1991, S 949, 953 f; Schneider/Schneider ZGR 1972, 52, 69 ff. 149 S etwa Baumbach/Hopt/Roth39 § 109, 29 ff; Sethe S 122; Wiedemann Gesellschaftsrecht I, S 427 ff; Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S 301 ff.

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deshalb verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten auch die Belange der Kommanditaktionäre zu berücksichtigen. Rücksichtnahmepflichten dieser Art, die sich gleichermaßen schrankenziehend wie pflichtenbegründend auswirken können, sind etwa im Hinblick auf die Ausübung des Austritts- oder Kündigungsrechts des letzten geschäftsführenden Komplementärs geschuldet.150 Ist etwa eine GmbH einzige Komplementärin der KGaA, so können die gegenüber den Kommanditaktionären bestehenden Treuepflichten bspw die Freiheit (der Gesellschafter) der GmbH bei der Auswahl oder Abberufung des Geschäftsführers der Gesellschaft beschränken.151 Das Gleichbehandlungsgebot ist grundsätzlich auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen Komplementären und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre anzuwenden, doch kommt seine Verletzung nicht in Betracht, solange die unterschiedliche Behandlung von Komplementären und Kommanditaktionären durch deren unterschiedliche Gesellschafterstellung gerechtfertigt ist. Das Verhältnis eines einzelnen Komplementärs zu einem einzelnen Kommandit- 60 aktionär ist durch Abs 2 nicht erfasst und unterliegt damit auch nicht den personengesellschaftsrechtlichen Treuepflichten des Komplementärs. Die aktienrechtlich begründete Treuepflicht unter Aktionären152 lässt sich nicht auf das Verhältnis von Komplementär und einzelnem Kommanditaktionär übertragen.153 Im Übrigen besteht für eine Treuepflicht zwischen dem einzelnen Komplementär und dem einzelnen Kommanditaktionär auch kein Bedarf. Dagegen spricht nicht, dass einzelne Kommanditaktionäre durchaus eine Treuepflicht gegenüber den Komplementären (in ihrer Gesamtheit) oder der Gesellschaft haben können, da es hierbei nicht um Rechtsbeziehungen zu einem einzelnen Komplementär geht. Treuepflichten der Komplementäre bestehen dagegen nicht nur gegenüber den üb- 61 rigen Komplementären oder der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, sondern auch gegenüber der Gesellschaft selbst. dd) Actio pro socio. Den Komplementären154 und der Gesamtheit der Kommandit- 62 aktionäre155 steht das Recht zu, Ansprüche der Gesellschaft gegen Komplementäre oder die Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Sozialansprüche) im Wege der actio pro socio durchzusetzen.156 Die actio pro socio ist bei der KGaA nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei dieser, im Gegensatz zur Kommanditgesellschaft, um eine juristische Person handelt,157 deren Organe entsprechende Ansprüche (wie bspw eine Einlageverpflichtung oder das aus § 284 folgende Wettbewerbsverbot) geltend machen könnten. Zwar wird die Durchsetzung von Sozialansprüchen durch die Organe der Gesellschaft der Regelfall sein, doch wird es immer auch Situationen geben, in denen der einzelne Komplementär selbst Rechtspositionen durchsetzen muss. Das mag etwa dann der Fall sein, wenn sich die Geschäftsführung als handlungsunfähig erweist oder ein nicht geschäftsführungs- und vertretungsbefugter Komplementär gegen eine untätige

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150 Zu den Einzelheiten s § 289 Rdn 153 ff. 151 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399; Priester ZHR 160 (1996) 250, 261; Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1391; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 30; Hommelhoff S 13, 20 ff; Ihrig/Schlitt S 52 ff; Ladwig/Motte DStR 1997, 1539, 1540; Overlack S 250 ff. 152 BGH 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 193 ff („Linotype“). 153 MünchKomm/Perlitt5 92. 154 Statt vieler Bürgers/Fett/Göz § 5, 673 f. 155 Den einzelnen Kommanditaktionären steht demgegenüber die actio pro socio nicht zu, su Rdn 86. 156 Im Mauracher Entwurf soll diese Klage nun ausdrücklich geregelt werden, vgl Vor § 278 Rdn 42a. 157 Insoweit zweifelnd noch KK/Mertens1 27; Martin S 34; Schreiber S 166. Heute anerkannt, vgl KK/Mertens/Cahn3 31.

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Geschäftsführung vorgehen will. Auch kommt der actio pro socio unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes Bedeutung zu.158 Abzulehnen ist die Meinung, die actio pro socio sei bei der KGaA enger zu fassen als bei der Kommanditgesellschaft und deshalb auf Fälle des wichtigen Grundes zu beschränken.159 Für eine solche Differenzierung, deren Ziel die Vermeidung einer Doppelzuständigkeit von Gesellschaft und Gesellschafter sein dürfte, besteht kein Bedürfnis, da der Gesellschafter bei der Erhebung einer Klage im Wege der actio pro socio Treuepflichten unterliegt160 und sie damit nur geltend machen kann, wenn die Gesellschaft nicht von sich aus tätig wird oder andere gewichtige Gründe vorliegen. Wegen dieser immanenten Schranke der actio pro socio besteht weder eine praktische noch eine rechtsdogmatische Notwendigkeit, sie mit KGaA-spezifischen Anforderungen zu befrachten. Abgelehnt hat der BGH161 dagegen die Zulässigkeit einer actio pro societate, also die im Interesse der Gesellschaft erhobene Klage eines Gesellschafters gegen einen Dritten. Im konkreten Fall ging es um die Klage eines Kommanditisten gegen den Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft (s § 283 Rdn 19c). c) Vermögensrechtliche Stellung aa) Persönliche Haftung. Unter den gesetzlichen Vorschriften über die vermögensrechtliche Beteiligung eines Komplementärs an der KGaA ist die einzig zwingende diejenige, welche die Übernahme der persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft verlangt.162 In dem damit verbundenen Zwang zur verschuldensunabhängigen Teilnahme am unternehmerischen Risiko liegt der wesentliche Unterschied der KGaA zur AG und anderen Kapitalgesellschaften. Die persönliche Haftung der Komplementäre richtet sich nach dem Recht der 64 Kommanditgesellschaft (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 128 ff, 159 f HGB). Die Haftung der Komplementäre – gleichgültig, ob geschäftsführungs- und vertretungsbefugt oder nicht – für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist damit akzessorisch (dh vom Bestand der jeweiligen Verbindlichkeit abhängig), unmittelbar (dh nicht auf eine Nachschusspflicht beschränkt), primär (dh nicht von der vorherigen Inanspruchnahme der Gesellschaft abhängig), aufs Ganze gerichtet (dh der Komplementär haftet für die gesamte Schuld und nicht nur anteilig, entsprechend seinem Anteil an der Gesamtzahl der Komplementäre oder entsprechend dem Anteil seiner eventuellen Einlagen am Gesamtkapital der Gesellschaft), unbeschränkt (dh der Komplementär haftet, auch wenn er Einlagen erbracht oder Kommanditaktien erworben hat, mit seinem ganzen Vermögen) und unbeschränkbar (dh ohne dass Gläubigern eventuelle haftungsbeschränkende Absprachen unter den Gesellschaftern oder entsprechende Satzungsbestimmungen entgegengehalten werden könnten, sa Rdn 67). Einwendungen kann der in Anspruch genommene Komplementär nach Maßgabe von § 129 HGB geltend machen. Die Zwangsvollstreckung gegen den Komplementär erfolgt nur aufgrund eines gegen diesen gerichteten Titels (§ 129 Abs 4 HGB). Die Komplementäre haften nicht persönlich für die Kosten des Insol63

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158 Born S 97 f; vgl nur den Fall BGH 5.6.1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15 – ITT, bei dem gerade dieser Gesichtspunkt im Bereich des GmbHG zum Tragen kam; abweichend deutet K Schmidt GesR4, S 642 diese Entscheidung. Eine prinzipielle Ablehnung der actio pro socio für Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit vertritt dagegen Nitschke Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, S 321. 159 So noch KK/Mertens1 27; anders jetzt KK/Mertens/Cahn3 31; MünchKomm/Perlitt5 80. 160 Zuletzt BGH 22.1.2019 – II ZR 143/17, WM 2019, 923 ff. 161 BGH 19.12.2017 – II ZR 255/16, NZG 2018, 220, 221 (zur GmbH & Co. KG); zustimmend Hippeli GWR 2018, 61; kritisch dagegen K Schmidt JZ 2018, 365. 162 Vgl Schlitt S 125.

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venzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft und die von dem Verwalter in diesem Verfahren begründeten Masseverbindlichkeiten.163 Wie bei OHG oder KG ist die den Inhalt der Haftung betreffende Frage zu beantwor- 65 ten, ob der persönlich haftende Gesellschafter Naturalleistung schuldet oder nur auf Schadensersatz in Geld haftet. Die sog Erfüllungstheorie beantwortet sie in der einen und die sog Haftungstheorie in der anderen Weise. Dabei hat die Erfüllungstheorie, der zufolge die Verbindlichkeiten der Gesellschaft und des Gesellschafters inhaltlich identisch sind, Schwierigkeiten im Umgang mit Fällen, in denen sich die Gesellschaft zu einer Leistung verpflichtete, die allein von einem Gesellschafter erbracht werden könnte, ohne dass er aber gegenüber der Gesellschaft zu einer Leistung diesen Inhalts verpflichtet wäre. Umgekehrt steht die Haftungstheorie vor dem Problem, dass ein gegen die Gesellschafter gerichteter Anspruch eines Gläubigers, der auf ein Tun oder Unterlassen der Gesellschaft gerichtet ist, seinen Sinn verliert, wenn er nicht gleichzeitig auch die Gesellschafter selbst zu einem entsprechenden Verhalten verpflichtet. Im Bestreben, ihre jeweiligen Defizite auszuräumen, akzeptieren beide Meinungslager zwischenzeitlich erhebliche Einschränkungen ihrer jeweiligen Ausgangspunkte164 und haben sich auf diese Weise einander angenähert. Ihre Schwäche besteht dabei nach wie vor darin, dass sie zu sehr von den Interessen der Gläubiger ausgehen. Deshalb ist der Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung165 zu folgen, die über die Gläubigerinteressen hinaus auch auf die Art der Schuld und die sich aus dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag (bzw der Satzung) ergebende Verpflichtung des in Anspruch genommenen Gesellschafters abstellt. Danach haftet ein Gesellschafter für eine Verpflichtung, die in dem Sinne in seine „Privatsphäre“ fällt, dass er zu entsprechenden Leistungen gegenüber der Gesellschaft aufgrund des Gesellschaftsvertrags (oder bei der KGaA der Satzung) nicht verpflichtet ist, nur in Geld, wenn die Abwägung der Interessen des Gläubigers und des Gesellschafters zugunsten des letzteren ausfällt. Bei nicht in die „Privatsphäre“, sondern in die „Gesellschaftssphäre“ des Gesellschafters fallenden Verbindlichkeiten, gehen dagegen regelmäßig die Interessen des Gläubigers vor, so dass der Gesellschafter die Schuld der Gesellschaft inhaltsgleich zu erfüllen hat. Ist die in Anspruch genommene Komplementärin der KGaA eine juristische Person, 66 so haftet diese mit ihrem Gesellschaftsvermögen nach den vorstehend (Rdn 64 f) dargelegten Grundsätzen. Ein Durchgriff auf die Gesellschafter kommt in diesem Fall selbst dann nicht in Betracht, wenn die juristische Person die einzige Komplementärin der KGaA ist. Das schließt es nicht aus, dass einzelne oder alle Gesellschafter der juristischen Person für eigenes Fehlverhalten haften, doch begründen die diesbezüglich in Betracht kommenden Tatbestände166 eine eigene Schuld der betroffenen Gesellschafter und führen nicht zur akzessorischen Haftung derselben für Verbindlichkeiten der KGaA.167 Eine

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163 BGH 24.9.2009 – IX ZR 234/07, NJW 2010, 69 ff mit insoweit zustimmender Anmerkung von K Schmidt ZHR 174 (2010), 163 ff. 164 Vgl Baumbach/Hopt/Roth39 § 128, 8 ff mwN. 165 BGH 14.2.1957 – II ZR 190/55, BGHZ 23, 302, 305 f. So schuldet der Komplementär nach BGH 11.12.1978 – II ZR 235/77, BGHZ 73, 217, 221, bei Mängelbeseitigung Naturalleistung, soweit ihn dies in seiner Privatsphäre nicht wesentlich mehr beeinträchtigt als die Zahlung in Geld. Auch bei der Unterlassung einer Vertragsstörung bzw einem Wettbewerbsverbot ist Naturalleistung geschuldet. S BGH 7.6.1972 – VIII ZR 175/70, BGHZ 59, 64, 67 – Kiesabbau, bzw BGH 9.11.1973 – I ZR 83/72, BB 1974, 482 – Regionale Müllabfuhr. Zur KGaA LAG München 26.10.1989 – 9 Sa 1073/88, ZIP 1990, 1219 ff („zur persönlichen Erfüllung der Verbindlichkeit voll verpflichtet“). 166 S dazu ausführlich Kübler/Assmann Gesellschaftsrecht6 S 369 ff. 167 Zur Durchgriffsproblematik allgemein s etwa Kübler/Assmann Gesellschaftsrecht6 S 366 ff; K Schmidt GesR4 S 217 ff.

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Ausnahme bildet insoweit allenfalls die Vermischung des Vermögens der Komplementärgesellschaft und ihrer Gesellschafter. Weil dies dazu führen kann, dass sich der in Anspruch genommene Gesellschafter der Komplementärgesellschaft nicht auf die Beschränkung seiner Haftung berufen kann,168 mag man insoweit von einem Fall der Durchgriffshaftung sprechen. Die persönliche Haftung der Komplementäre besteht neben der Haftung der KGaA, 67 die im Unterschied zur KG juristische Person und daher selbst Trägerin des Gesellschaftsvermögens ist. Die persönliche Haftung der Komplementäre kann gegenüber Dritten auch durch die Satzung nicht abbedungen oder beschränkt werden (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 128 Satz 2 HGB; sa oben Rdn 64). Mehrere Komplementäre haften als Gesamtschuldner.169 Auch in Bezug auf die Haftung von Gesellschaft und Komplementären sind §§ 421–425 BGB anzuwenden: Ein Gläubiger kann sich also wahlweise an die KGaA oder an einzelne oder alle persönlich haftende Gesellschafter halten.170 Neu in eine bestehende KGaA eintretende Komplementäre haften nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 130 HGB für bestehende Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Ausgeschiedene Komplementäre haben nach § 160 HGB auf die Dauer von fünf Jahren (ab Ablauf des Tages der Eintragung des Ausscheidens ins Handelsregister) für die Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen, obwohl den Gläubigern weiter das Grundkapital als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Angesichts dessen hatte Wiesner171 eine teleologische Reduktion von § 160 HGB im Recht der KGaA vorgeschlagen. Dies findet allerdings, auch wenn die diesbezüglichen Bedenken in der Sache berechtigt sein mögen,172 im geltenden Recht keine Stütze und vermochte sich bislang auch nicht durchzusetzen.173 Zu Recht ist darüber hinaus darauf hingewiesen worden, der fragliche Vorschlag sei zwischenzeitlich überholt. Denn der Gesetzgeber hat in §§ 237, 249 und 224 UmwG ausdrücklich eine fünfjährige Nachhaftung für den Komplementär einer KGaA angeordnet und daher kann für den Fall des Ausscheidens des persönlich haftenden Gesellschafters auf andere Weise als nach den Regeln des UmwG nichts anderes gelten.174 68 Befriedigt ein Komplementär einen Gläubiger der KGaA, geht der Anspruch des Gläubigers, abweichend von § 426 Abs 2 BGB, nicht auf ihn über. Vielmehr hat er gegen die Gesellschaft einen Aufwendungsersatzanspruch nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 110 HGB in Höhe seiner Leistung.175 Daneben tritt ein Übergang akzessorischer Sicherheiten analog § 774 Abs 1 BGB.176 Handelt es sich bei dem In-Anspruch-Genommenen um einen ausgeschiedenen Komplementär, ist § 110 HGB wegen der Beendigung des Innenverhältnisses zur Gesellschaft nicht mehr einschlägig.177 Stattdessen folgt der Anspruch auf

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168 BGH 29.11.1956 – II ZR 156/55, BGHZ 22, 226, 230; BGH 29.3.1993 – II ZR 265/91, BGHZ 122, 123, 132 – TBB (in Unordnung geratene Buchführung); BGH 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 368 f. 169 S etwa MünchKomm/Perlitt5 160; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 22; Hüffer/Koch14 10. 170 LAG München 26.10.1989 – 9 Sa 1073/88, ZIP 1990, 1219 f; Hüffer/Koch14 10. 171 Wiesner ZHR 148 (1984) 56 ff. 172 Auch Hüffer/Koch14 10, hält die Forthaftung mit Rücksicht auf die zusätzliche aktienrechtliche Kapitalsicherung nicht für unproblematisch. 173 Bürgers/Fett/Reger § 5, 226; Kallmeyer DStR 1994, 977, 979; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 23; Sethe S 215; Spindler/Stilz/Bachmann4 43. 174 Hüffer/Koch14 10; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 23 aE. 175 Baumbach/Hopt/Roth39 § 128, 25; Großkomm HGB/Habersack5 § 128, 43; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 21; Hüffer/Koch14 10. 176 Baumbach/Hopt/Roth39 § 128, 25; Großkomm HGB/Habersack5 § 128, 43; MünchKommHGB/ K Schmidt4 § 128, 61. AA BGH 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657, 1663. 177 Baumbach/Hopt/Roth39 § 128, 25; Großkomm HGB/Habersack5 § 128, 45; MünchKommHGB/ K Schmidt4 § 128, 61; aA Kubis Der Regress des Personenhandelsgesellschafters aus materiell-rechtlicher

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Aufwendungsersatz aus § 670 BGB.178 Daneben tritt wiederum ein Übergang akzessorischer Sicherheiten analog § 774 Abs 1 BGB.179 Da sich der Aufwendungsersatzanspruch eines gegenwärtigen oder ausgeschiedenen Komplementärs gegen die Gesellschaft richtet, ist er zunächst auch gegenüber dieser geltend zu machen.180 Lässt er sich bei dieser nicht realisieren, haften ihm gemäß § 426 BGB subsidiär die übrigen Komplementäre nach Maßgabe ihrer satzungsmäßig bestimmten Verlustbeteiligung oder, im Falle des Fehlens einer diesbezüglichen Regelung, pro rata, dh zu gleichen Teilen.181 Der subsidiäre Anspruch gegen die übrigen Komplementäre entsteht nicht erst unter der Voraussetzung, dass eine Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft aussichtslos wäre, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, in dem der Gesellschaft keine flüssigen Mittel mehr zur Verfügung stehen.182 Zwischen den Gesellschaftern kann es darüber hinaus zu einer schuldrechtli- 69 chen Freistellungsvereinbarung183 kommen, die zwar Dritten nicht entgegengehalten werden kann, aber dem für Schulden der KGaA in Anspruch Genommenen für diesen Fall zu einem Freistellungsanspruch gegenüber seinem jeweiligen Vertragspartner verhilft. Eine solche Freistellungsvereinbarung ist etwa zwischen einem Komplementär, dessen Stellung eher derjenigen eines leitenden Angestellten als derjenigen eines typischen persönlich haftenden Gesellschafters entspricht (sog Geschäftsführer-Komplementär),184 und einem von der persönlichen Haftung ausgeschlossenen Großaktionär denkbar. Da ein eventueller Freistellungsanspruch zum Vermögen des von diesem begünstigten persönlich haftenden Gesellschafters gehört, unterliegt der Anspruch dem Zugriff der Gläubiger, so dass die Freistellenden im Ergebnis neben dem Komplementär haften. In gleicher Weise ist eine vertragliche Haftungsfreistellungsvereinbarung zwischen der Gesellschaft und den Komplementären möglich, nach der die Gesellschaft die Komplementäre im Innenverhältnis von der Haftung freizustellen hat.185 Sie macht vor allem in einer sog Vorstands-Komplementär-KGaA Sinn,186 dh einer Gesellschaft, in der es darum geht, das Prinzip der Fremdorganschaft rechtskonform in die dem Grundsatz der Selbstorganschaft verpflichtete KGaA (s Vor § 278 Rdn 65 und unten Rdn 137 f) einzubinden, indem das Management zwar die Rolle eines persönlich haftenden Gesellschafters übernimmt, dafür aber im Innenverhältnis von der Haftung freigestellt wird.187

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und verfahrensrechtlicher Sicht, 1988, 32 ff, 126; Hadding in: FS Stimpel, 1985, S 155 f; Preuß ZHR 160 (1996), 165. 178 Hüffer/Koch14 10; KK/Mertens/Cahn3 44; MünchKomm/Perlitt5 161; Spindler/Stilz/Bachmann4 43; aA MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 22 (§ 426 Abs 2 BGB); ebenfalls aA Großkomm HGB/Habersack5 § 128, 45; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 128, 61 (jeweils §§ 105 Abs 3 HGB, 738 Abs 1 Satz 2 BGB). 179 Baumbach/Hopt/Roth39 § 128, 25; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 128, 61; Spindler/Stilz/Bachmann4 42; Großkomm HGB/Habersack5 § 128, 46. Ähnlich Bürgers/Körber/Förl/Fett4 21 (statt § 670 BGB findet § 774 BGB Anwendung); anders Bürgers/Fett/Reger § 5, 223; Hüffer/Koch14 10 (§ 426 Abs 2 BGB). Die im Leitsatz gegenteilige Entscheidung BGH 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657, 1663, passt nicht auf die vorliegende Konstellation, da dort der Gesellschafter noch nicht ausgeschieden war. 180 BGH 2.7.1962 – II ZR 204/60, BGHZ 37, 299, 301 f. 181 BGH 2.7.1962 – II ZR 204/60, BGHZ 37, 299, 302; BGH 15.1.1988 – V ZR 183/86, BGHZ 103, 72, 76; Baumbach/Hopt/Roth39 § 128, 27; Übersicht bei Büscher/Klusmann ZIP 1992, 11, 16 ff (mwN auch zu aA). 182 BGH 2.7.1979 – II ZR 132/78, NJW 1980, 339, 340; BGH 15.10.2007 – II ZR 136/06, ZIP 2007, 2313, 2314 f; Großkomm HGB/Habersack5 § 128, 49. 183 Bürgers/Fett/Reger § 5, 228 ff; MünchKomm/Perlitt5 61; Sethe S 139 f. Zur Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung s Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 128 S 2, 130 Abs 2 HGB. 184 Su Rdn 138 sowie Vor § 287 Rdn 16 ff. 185 Bürgers/Fett/Reger § 5, 228; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 24. 186 Schlitt S 126. 187 Zum begrenzten Wert solcher Freistellungen im Falle der Insolvenz der KGaA s Kallmeyer DZWiR 1998, 238, 239 f; Schlitt S 126.

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Allerdings darf die Freistellungsvereinbarung mit der KGaA nicht so ausgestaltet werden, dass sie sich auch auf Ersatzansprüche aus §§ 283 Nr 3, 93 Abs 2 erstreckt, da andernfalls die zwingende persönliche Verantwortlichkeit der geschäftsführungsbefugten Komplementäre unterlaufen würde.188 Eine lediglich die Komplementäre untereinander bindende Freistellungszusage kann, da insoweit Abs 2 gilt und die personengesellschaftsrechtliche Vertragsfreiheit zum Zuge kommt, auch durch entsprechende Regelung der Satzung begründet werden. 189 Eine satzungsmäßige Haftungsfreistellung, wonach die Kommanditaktionäre die Komplementäre von der Haftung freizustellen haben, ist unzulässig, da dies einer über die Einlageverpflichtung der Kommanditaktionäre auf das Grundkapital hinausgehenden Nachschusspflicht gleichkäme (Abs 3 iVm §§ 54 Abs 1, 55).190 bb) Übernahme und Erwerb von Aktien; Sondereinlagen. Neben der Übernahme der Haftung sind die Komplementäre zu keiner weiteren Leistung einer Vermögenseinlage verpflichtet.191 Jedoch kann die Satzung weitere Vermögensbeteiligungen der Komplementäre vorsehen (sa Vor § 278 Rdn 68, § 281 Rdn 14 ff). Dabei kommen Bar- oder Sacheinlagen in Betracht. Bareinlagen können, wie sich § 281 Abs 2 entnehmen lässt, auf zweierlei Weise erfolgen: Sie können auf das Grundkapital (Übernahme oder Erwerb von Aktien; in diesem Fall wird der Komplementär gleichzeitig Kommanditaktionär192) und/oder in Form einer nach Höhe und Art in der Satzung festzusetzenden (s § 281 Abs 2) Sondereinlage193 geleistet werden. In beiden Fällen kann die Satzung die Vermögensbeteiligung als Recht oder Pflicht ausgestalten, eine Beteiligung in bestimmter Höhe erlauben oder verlangen sowie Mindest- oder Höchstbeteiligungsbeträge festsetzen. Soll die Vermögensbeteiligung in anderer Weise als durch eine Bareinlage, wie 71 etwa in Gestalt einer Sacheinlage, erfolgen, ist wiederum zu differenzieren: Dem Komplementär kann in seiner Eigenschaft als Aktionär eine solche Pflicht oder ein Beteiligungsrecht nur in den Grenzen des § 27 und/oder des § 55 auferlegt bzw eingeräumt werden. Als eine in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter zu leistende Sondereinlage des Komplementärs kommt alles in Betracht, was auch Gegenstand einer Einlage (iS eines geleisteten Beitrags) eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personen(handels)gesellschaft sein kann, darunter namentlich die Einbringung von Sachen oder Diensten.194 Die Beschränkungen des Aktienrechts im Hinblick auf Sacheinlagen finden keine Anwendung. 72 Die durch entsprechende Satzungsbestimmung oder -änderung begründete Leistung, Erhöhung oder Herabsetzung einer Sondereinlage ist Bestandteil der Rechtsverhältnisse der Komplementäre untereinander sowie der Komplementäre zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre und unterfällt damit nach Abs 2 dem Recht der KG. Dabei richtet sich die Leistung der Sondereinlage nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB und

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188 Oben Hopt/Roth § 93, 680 sowie Bürgers/Fett/Reger § 5, 231. Noch nicht abschließend geklärt ist dagegen die Zulässigkeit von Haftungsfreistellungsvereinbarungen mit Dritten (zB Großaktionär oder Muttergesellschaft), vgl Fleischer ZIP 2014, 1305, 1309. 189 S etwa, jeweils mwN, MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 24; Spindler/Stilz/Bachmann4 42. 190 Bürgers/Fett/Reger § 5, 228; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 24; MünchKomm/Perlitt5 61; Spindler/Stilz/ Bachmann4 42. Sa unten Rdn 95 aE. 191 Vgl MünchKomm/Perlitt5 42; Schlitt S 125. 192 So Rdn 18 mwN. 193 S dazu im Einzelnen Kommentierung zu § 281 Rdn 14 ff. 194 S dazu im Einzelnen § 281 Rdn 15.

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§§ 705–707 BGB. Die Sondereinlagen der Komplementäre unterliegen nicht den aktienrechtlichen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsgrundsätzen.195 cc) Gewinn- und Verlustbeteiligung. Die persönlich haftenden Gesellschafter ha- 73 ben Anspruch auf einen Gewinnanteil und tragen einen auf sie entfallenden Teil der Verluste der KGaA. Zu Einzelheiten s § 288 Rdn 5 ff. dd) Tätigkeitsvertrag und Tätigkeitsvergütung. Neben die durch Gesetz und Sat- 74 zung geregelten mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisse der Komplementäre tritt in der Praxis, zumal bei einer KGaA mit sog Geschäftsführer-Komplementär,196 vielfach eine schuldrechtliche, als Tätigkeitsvertrag197 bezeichnete Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und den jeweiligen geschäftsführungsbefugten Komplementären. Dass eine solche zulässig ist, belegt nicht zuletzt § 288 Abs 3. Gegenstand dieses Vertrags ist regelmäßig die Klärung dienstvertragsähnlicher Fragen, die mit der Übernahme der Geschäftsführung durch den jeweiligen Komplementär verbunden sind sowie die Vergütung der persönlich haftenden Gesellschafter.198 Die Bedeutung eines Tätigkeitsvertrags wächst in dem Maße, in dem entsprechende Satzungsbestimmungen die Stellung des einzelnen Komplementärs der eines Vorstands einer AG annähern. Der Tätigkeitsvertrag kann Rechte nur im Rahmen der Vorgaben der Satzung ein- 75 räumen und darf insbesondere keine von der Satzung abweichende Gewinn- oder Verlustverteilung vorsehen. Weil es sich bei der Vereinbarung einer gesonderten Tätigkeitsvergütung199 um einen Sondervorteil der Komplementäre iSd § 26200 handelt, ist diese nur möglich, wenn die Satzung hierzu ermächtigt;201 andernfalls würde der von Gesetz oder Satzung festgelegte Gewinnverteilungsschlüssel durchbrochen. In Bezug auf die Regelung einer Tätigkeitsvergütung sieht die Satzung zumeist vor, dass diese als Aufwendungen der Gesellschaft anzusehen sind, um sie auf diese Weise vom zu verteilenden Gewinn abziehen zu können. Die Satzung kann, muss aber keine Einzelheiten über die Vergütung der Geschäftsführung durch die Komplementäre enthalten; eine Festlegung dem Grunde nach reicht aus.202 Es genügt, dass die Satzung eine Tätigkeitsvergütung grundsätzlich vorsieht und deren Einzelheiten dem Abschluss einer entsprechenden separaten Vereinbarung anheimstellt.203 Die Kompetenz zum Abschluss von Vereinbarungen über die Tätigkeitsvergü- 76 tung und von Tätigkeitsverträgen wird unterschiedlich beantwortet. Umstritten ist dabei va die Frage, ob die Satzung in der Bestimmung des Organs, welches die Tätigkeitsvergütung mit den betroffenen Komplementären abschließen soll, frei ist. Dies wird teils

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195 Dazu näher unten § 281 Rdn 21. 196 So Rdn 69. Zur Tätigkeitsvergütung der Vorstände in diesem Falle Schlitt S 125 f, 129. 197 S dazu im Einzelnen die Kommentierung zu § 288, 78 ff. 198 Grundsätzlich sieht das Gesetz keine Vergütung des Komplementärs für seine Geschäftsführungstätigkeit vor. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Tätigkeitsvergütung vorgesehen werden kann s Rdn 75. 199 S dazu § 288 Rdn 76. 200 Schlitt S 129. Sa § 281 Rdn 32 ff. 201 S etwa Bürgers/Fett/Reger § 5, 260; KK/Mertens/Cahn3 40; MünchKomm/Perlitt5 58, § 281, 47; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 24 und 26; Ihrig/Schlitt S 72; Kallmeyer ZGR 1983, 57, 74; Schlitt S 129. 202 Bürgers/Fett/Reger § 5, 260; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 17, § 288, 11 (der zu Recht darauf hinweist, dass dies in gewissem Widerspruch zu § 26 steht, der die genaue Bezeichnung des Sondervorteils erfordert). Sa § 281 Rdn 34 Fn 89, § 288 Rdn 79. 203 MünchKomm/Perlitt5 § 281, 47 ff; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 26; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 288, 11; Ihrig/Schlitt S 72; Schlitt S 129 (dort allerdings mit dem Hinweis, die Grundsatzentscheidung müsse auch die Vergütungsart benennen).

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pauschal bejaht204 und teils wird verlangt, dass ein anderes Organ ermächtigt werden dürfe, wenn es frei von Interessenkonflikten mit den Komplementären sei (zB Beirat).205 Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei einer Vereinbarung über die gesetzlich nicht vorgesehene Tätigkeitsvergütung von Komplementären um eine solche zwischen der Gesellschaft und dem jeweiligen geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter handelt, für die nach Abs 3 iVm § 112 zwingend allein der Aufsichtsrat und kein anderes gesetzlich vorgesehenes oder fakultativ zu bildendes Organ der KGaA zuständig ist (s Rdn 157, § 287 Rdn 67 ff).206 Hiergegen wird eingewandt, auch wenn der Aufsichtsrat im Außenverhältnis gegenüber den Komplementären für den Abschluss eines Tätigkeitsvertrags zuständig sei, könne im Innenverhältnis ein anderes Organ den Inhalt festlegen. Mit einer solchen Argumentation wird der Zweck der Anwendung von § 112 übersehen, der darin besteht, die Gesellschaft frei von Interessenkonflikten zu vertreten. Dies kann er nur, wenn er auch die inhaltliche Hoheit über die Tätigkeitsverträge hat. Die gleiche Zuständigkeit hat für den über die Regelung der Tätigkeitsvergütung hinausgehenden oder anderweitige Umstände der Geschäftsführungstätigkeit regelnden Tätigkeitsvertrag zu gelten. Zur Vermeidung von Komplikationen207 ist deshalb zu empfehlen, Satzungsklauseln, die zur Vereinbarung von Tätigkeitsvergütungen oder dem Abschluss von darüberhinausgehenden Tätigkeitsverträgen ermächtigen, klarstellend dahingehend zu ergänzen, dass die Befugnis zum Abschluss solcher Verträge dem Aufsichtsrat übertragen wird.208 Handelt es sich um eine KGaA mit einer juristischen Person als Komplementärin, sollte zudem die Frage geklärt werden, ob die Entlohnung der Organmitglieder der Komplementärgesellschaft von der KGaA erstattet werden soll oder nicht und ob dieser Erstattungsanspruch der Art und Höhe nach begrenzt ist.209 In der Vereinbarung über die Höhe der Tätigkeitsvergütung sind die Parteien, dh 77 die KGaA – vertreten durch den Aufsichtsrat – und die betroffenen Komplementäre, frei. Da der Aufsichtsrat im Rahmen seiner diesbezüglichen Vertretungsbefugnis (und haftungsbewehrt durch § 116) mit den Interessen der Gesellschaft auch diejenigen der Kommanditaktionäre zu wahren hat, besteht selbst für eine Publikums-KGaA kein Be-

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204 Bejahend OLG München 26.7.1995 – 7 U 5169/94, AG 1996, 86 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 25; Herfs AG 2005, 593 f. Vgl auch die Nachw bei Vollertsen S 312 ff. 205 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 31, § 287, 4; MünchKomm/Perlitt5 55, § 281, 47, 288, 82. 206 Ebenso BGH 29.11.2004 – II ZR 364/02, NZG 2005, 276 f; mit zust Anm von Hasselbach/Sprengler EWiR 2005, 285 f und Kersting WuB II B § 112 AktG 1.05; Arnold S 128 f; Ihrig/Schlitt S 72 f; Hüffer/Koch14 16; Kölling S 173 ff; Neumann-Duesberg S 51 ff; Schlitt S 160; Schmidt/Lutter/Schmidt3 45, § 287, 20; Sethe AG 1996, 298 f. Ebenso aus Gründen der Rechtssicherheit und trotz Zweifeln an der Begründung der Anwendbarkeit von § 112 Bachmann in: FS K Schmidt, 2009, S 53 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 287, 12, § 288, 9; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 647 f. AA OLG München 26.7.1995 – 7 U 5169/94, AG 1996, 86 f, das eine Satzungsbestimmung, der zufolge der von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossene Komplementär die Gesellschaft gegenüber den anderen persönlich haftenden Gesellschaftern vertreten soll, für zulässig erachtet; ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 25, 32, 66; ders AG 2005, 589, 592 f. AA auch KK/Mertens/Cahn3 43, § 287, 21 (Aufsichtsrat und Komplementäre zuständig); Mertens in: FS Barz, 1974, S 253, 260 Fn 26, 262 Fn 37. AA auch MünchKomm/Perlitt5 67 ff; Schönemann S 140 (Übertragung auf einen Beirat zulässig) sowie Bürgers/Fett/Fett § 3, 28 f (§ 112 gilt analog und nur, wenn sich ein Interessenkonflikt nicht auf andere Weise vermeiden lässt). 207 Nach Ihrig/Schlitt S 72 sollen Vereinbarungen, die anderweitige Organe zum Abschluss einer Vereinbarung über die Tätigkeitsvergütung ermächtigen, als nichtig zu betrachten sein. 208 Ebenso die Empfehlung von Spindler/Stilz/Bachmann4 § 288, 11 (der allerdings einen anderen Ausgangspunkt hat, weil er die Geltung von § 112 bezweifelt, aaO § 287, 11 f). 209 Vollertsen S 316 f. Anders Schönemann S 142, der meint, auch die KGaA vertreten durch ihren Aufsichtsrat könne den Tätigkeitsvertrag direkt mit den Organmitgliedern der Komplementärgesellschaft schließen. Genauso wenig wie es einen Abberufungsdurchgriff (s Rdn 172) gibt, kann es einen Anstellungsdurchgriff geben.

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darf, seine Befugnisse zur Vereinbarung der Tätigkeitsvergütung der betroffenen Komplementäre auf ein „angemessenes Maß“ zu begrenzen.210 Im Übrigen drängt sich der Umkehrschluss zu § 288 Abs 3 Satz 2 auf, so dass §§ 87 Abs 1,211 87a keine Anwendung finden. Hinzuweisen ist insbesondere darauf, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des ARUG II durchaus Gedanken zur Anwendung der Neuerungen auf die KGaA gemacht hat und sie bei den §§ 111a ff bejaht hat.212 Da vergleichbare Erwägungen bei § 87a fehlen, ist davon auszugehen, dass diese Norm keine Anwendung auf die Komplementäre der KGaA finden soll.213 Zudem passen die §§ 87, 87a inhaltlich nicht, denn die Komplementäre sind – wenn man vom Geschäftsführer-Komplementär absieht – am Gewinn der KGaA beteiligt. Aus diesem Grund werden auch die entsprechenden Passagen des Corporate Governance Kodex auf die KGaA nicht angewendet.214 Da Vereinbarungen über die Tätigkeitsvergütung von Komplementären, bei entsprechender Satzungsermächtigung, freilich jederzeit getroffen werden können und nicht notwendigerweise im Zeitpunkt eines „going public“ der KGaA oder eines erstmaligen öffentlichen Angebots von Aktien der Gesellschaft bereits abgeschlossen sein müssen, muss der Emissions- oder Zulassungsprospekt auf die Risiken einer diesbezüglichen Satzungsermächtigung hinweisen. Liegen zum Zeitpunkt des Börsengangs oder beim ersten öffentlichen Angebot der Aktien Vereinbarungen über die Tätigkeitsvergütung von Komplementären der KGaA bereits vor, so sind diese offenzulegen. Transparenz über die Höhe der gezahlten Gesamtvergütung wird zudem im Anhang geschaffen (§§ 162, 286 Abs 4 AktG, 285 Satz 1 Nr 9a HGB, dazu § 286 Rdn 47 f, § 287, 23). Zur Herabsetzung der Tätigkeitsvergütung s § 288 Rdn 93 ff. Denkbar ist auch, dass der Tätigkeitsvertrag Vereinbarungen über Pensionszusa- 78 gen,215 über ein Wettbewerbsverbot nach Ausscheiden aus der Gesellschaft216 oder über den Erwerb von Aktien der KGaA und über die Ausübung des aus diesem folgenden Stimmrechts217 usw enthält. Enthält die Satzung eine entsprechende Ermächtigung, kann der Tätigkeitsvertrag 79 nicht nur die in beiden vorherigen Rdn genannten Gegenstände regeln, sondern auch solche, die typischerweise in der Satzung zu finden sind, wie etwa die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis, das Ausscheiden aus der Gesellschaft oder Wettbewerbsverbote.218 ee) Sondervorteile. Zugunsten der Komplementäre können Sondervorteile verein- 80 bart werden. Hierunter werden alle vermögenswerten Vorteile verstanden, die über die

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210 Bürgers/Fett/Reger § 5, 264 aE; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 26; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 288, 12; aA aber Ihrig/Schlitt S 73 und Schlitt S 129. 211 Backhaus AG 2020, 462, 463; Hölters/Müller-Michaels3 § 288, 5; Hüffer/Koch14 § 288, 6; Schönemann S 144; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 288, 12; Vollertsen S 320 ff, jeweils mwN. 212 Vgl RegE ARUG II, BT-Drucks 19/9739, S 79. 213 So auch Backhaus AG 2020, 462, 463; Vollertsen S 318 ff (der dies aber als richtlinienwidrig bezeichnet; aA Backhaus AG 2020, 462, 465, der eine planvolle Lücke annimmt). 214 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 288, 12. 215 MünchKomm/Perlitt5 59. Da die Komplementäre idR als Unternehmer gelten, findet keine Insolvenzsicherung über das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung statt. S Blomeyer/Rolfs/Otto Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung7, § 17, 109 ff; Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert BetriebsrentenG2, Bd 1, § 17, 82 ff; Höfer/de Groot/Küpper/Reich Betriebsrentenrecht, Bd 1, Stand März 2018, § 17, 78 f; Ahrend/Förster/Rössler GmbHR 1980, 229, 234; sa BGH 9.6.1980 – II ZR 255/78, BGHZ 77, 233, 237 ff. 216 S § 284 Rdn 30. 217 MünchKomm/Perlitt5 § 288, 85. 218 Ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 § 288, 10; MünchKomm/Perlitt5 § 288, 85.

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den Komplementären von Gesetzes wegen zustehenden Rechte hinausgehen. Zu Einzelheiten vgl § 281 Rdn 32 ff. 81

ff) Aufwendungsersatzanspruch. Für die in Gesellschaftsangelegenheiten getätigten Aufwendungen steht dem Komplementär nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 110 HGB ein Aufwendungsersatzanspruch zu.219 Ersatzfähig sind etwa Aufwendungen im Zusammenhang mit der persönlichen Inanspruchnahme für Gesellschaftsverbindlichkeiten oder mit der Geschäftsführung. VI. Kommanditaktionäre

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1. Allgemeines. Kommanditaktionär ist, wer bei der Gründung (§ 280 Abs 2 Satz 2) oder Umwandlung der Gesellschaft Aktien derselben übernimmt oder solche später erwirbt.220 Auch ein persönlich haftender Gesellschafter kann durch Einlagen auf das Grundkapital der Gesellschaft (s Rdn 18, 70) oder durch den anderweitigen (etwa börslichen) Erwerb von Aktien der KGaA Kommanditaktionär werden (s Rdn 18 sowie § 285 Rdn 22 ff), doch ist sein Stimmrecht aus den von ihm gehaltenen Aktien nach Maßgabe von § 285 Abs 1 beschränkt. Die mitgliedschaftliche Stellung des einzelnen Kommanditaktionärs beurteilt sich aufgrund des diesbezüglich einschlägigen Verweises aus Abs 3 nach den Vorschriften des Ersten Buchs des Aktiengesetzes. 2. Rechte und Pflichten der einzelnen Kommanditaktionäre

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a) Verwaltungsrechte und -pflichten. Die den Kommanditaktionären zustehenden Verwaltungsrechte entsprechen weitgehend denjenigen der Aktionäre einer Aktiengesellschaft. Hinsichtlich der Ausübung ihrer Verwaltungsrechte sind auch die Kommanditaktionäre, nicht anders als die Aktionäre einer AG, auf die Hauptversammlung verwiesen. Dort wiederum nehmen sie ihre Verwaltungsrechte, auch insoweit mit den Aktionären einer AG vergleichbar, im Wesentlichen durch die Ausübung von Stimmrechten und ihre damit in Zusammenhang stehenden Auskunftsansprüche (zB nach Abs 3 iVm § 131 sowie nach § 293g Abs 3) wahr. Da die Hauptversammlung der KGaA, anders als bei der AG, auch den Jahresabschluss festzustellen hat (§ 286 Abs 1 Satz 1) und die Komplementäre sich insoweit nicht auf die dem Vorstand einer AG zustehenden Auskunftsverweigerungsrechte aus § 131 Abs 3 Satz 1 Nrn 3 und 4 berufen können, reichen die Auskunftsrechte der Kommanditaktionäre in der Sache allerdings zwangsläufig weiter als diejenigen der Aktionäre einer AG.221 Darüber hinaus können die Kommanditaktionäre in der Hauptversammlung auch Auskunft über Angelegenheiten einer Komplementärgesellschaft oder eines Unternehmens verlangen, an dem die KGaA beteiligt ist, sofern diese Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist und die Aspekte so bedeutungsvoll sind, dass es sich bei ihnen auch um Angelegenheiten der KGaA handelt.222 Das ist regelmäßig bei Auskunftsersu-

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219 Zu Einzelheiten vgl die Kommentierungen zu § 110 HGB. 220 Darüber hinaus können einem Aktionär neue Aktien auch im Wege der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zustehen (§§ 207, 212). 221 S § 285 Rdn 7. 222 BayObLG 14.7.1999 – 3Z BR 11/99, AG 2000, 131 mwN (Auskunftsrecht der Kommanditaktionäre über Umsatz, Eigenkapital und Ergebnis des letzten Geschäftsjahres einer Tochter-KG, auch wenn über entsprechende Tagesordnungspunkte kein Beschluss zu fassen ist). Für Auskunftsrechte in Bezug auf Verhältnisse einer Komplementärgesellschaft, in Anlehnung an die zur Auskunftserteilung in der GmbH & Co KG entwickelten Grundsätze, s Ihrig/Schlitt S 51; MünchKomm/Perlitt5 329; Schlitt S 210.

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chen der Fall, die sich auf die Verhältnisse einer Komplementärgesellschaft beziehen, welche (wie im Falle der GmbH & Co KGaA) die einzige persönlich haftende Gesellschafterin der KGaA ist. Das Auskunftsrecht ist gerade in diesem Falle nicht auf die Führung der Geschäfte der KGaA beschränkt, sondern erfasst sämtliche Aspekte, die im Zusammenhang mit der Komplementärfunktion der Gesellschaft stehen.223 Aufgrund der weiten Auslegung von § 131 bedarf es daneben keiner analogen Anwendung von § 51a GmbHG.224 Des Weiteren stehen dem einzelnen Kommanditaktionär oder einer Gruppe von (Minderheits-)Kommanditaktionären auch außerhalb der Hauptversammlung auszuübende Verwaltungsrechte zu. Sie gleichen denjenigen der Aktionäre einer AG (Abs 3). Zu den Verwaltungsrechten der Kommanditaktionäre gehören dementsprechend etwa die Möglichkeit zur Erhebung einer Anfechtungsklage nach Abs 3 iVm § 243, 245, die Befugnis zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach §§ 147 Abs 1, 148 Abs 1 sowie die sich aus §§ 93 Abs 4 Satz 3, 120 Abs 1 Satz 2, 122, 142 Abs 2 und 4, 147 Abs 1 Satz 1 aE ergebenden Minderheitenrechte. Da sich die Rechtsstellung des einzelnen Aktionärs nach Abs 3 richtet, dürfen diesem in der Satzung weder zusätzliche Befugnisse eingeräumt noch Individualrechte entzogen werden, es sei denn, die Vorschriften des Ersten Buchs des AktG sehen ausdrücklich Anderweitiges vor (Abs 3 iVm § 23 Abs 5 Satz 1).225 Angesichts der den einzelnen Kommanditaktionären in Abs 3 iVm §§ 147 f eingeräumten Rechte (s § 283 Rdn 30) ist diesen die Geltendmachung von Sozialansprüchen im Wege der actio pro socio grundsätzlich verwehrt.226 Dagegen steht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre die Erhebung einer actio pro socio grundsätzlich zu, vorausgesetzt es geht um Abs 2 unterfallende Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und den Komplementären.227 Eine Begrenzung kann die actio pro socio allerdings im Einzelfall durch die Treuepflicht erfahren.228 Wie die Komplementäre unterliegen auch die Kommanditaktionäre einer korporativen (über die sich aus § 242 BGB ergebenden allgemeinen Verhaltenspflichten hinausreichenden) Treuepflicht. Entscheidend für die Annahme von Treuepflichten ist nicht die jeweilige Rechtsform der Gesellschaft oder die jeweilige Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einer bestimmten Gesellschaftergruppe, sondern die Realstruktur der Gesellschaft.229 Im Hinblick auf die Adressaten und den Umfang der Treuepflichten der Kommanditaktionäre ist grundsätzlich der Entwicklung in Bezug auf die Treuepflichten der Aktionäre einer AG zu folgen (sa Rdn 57, 60).230 Diesbezüglich steht seit langem231 außer Frage, dass die Aktionäre einer AG gegenüber der Gesellschaft einer Treuepflicht unterliegen. Dementsprechend ist auch eine

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223 Ebenso Schlitt S 210; Sethe S 167 f; MünchKomm/Perlitt5 329. 224 Kessler S 189 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 285, 11. 225 Sethe S 114, 153. 226 Bürgers/Fett/Göz § 5, 676; KK/Mertens/Cahn3 48; MünchKomm/Perlitt5 107; K Schmidt GesR4, S 641; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 283, 18; Zöllner ZGR 1988, 392, 408 mwN in Fn 53; Würdinger ZAkDR 1940, 314, 315 f. 227 Bürgers/Fett/Göz § 5, 675. 228 BGH 22.1.2019 – II ZR 143/17, WM 2019, 923 ff. 229 So ausdrücklich BGH 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 195 („Linotype); MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 61; vgl auch MünchHdBAG/Rieckers4 § 17, 24 ff; Lutter AcP 180 (1980) 84, 105 f, 109. 230 Vgl etwa BGH 5.7.1999 – II ZR 126/98, BGHZ 142, 167 – Hilgers (Treuepflicht bei der Kapitalherabsetzung auf null); BGH 6.11.2012 – II ZR 111/12, NZG 2013, 339 (gesteigerte Treuepflicht des Aktionärs gegenüber der AG, deren Kredit nicht zu gefährden); BGH 20.3.1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136 – Grimes (Treuepflicht der Minderheitsaktionäre). 231 S schon BGH 9.6.1954 – II ZR 70/53, BGHZ 14, 25, 38.

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Treuepflicht der Kommanditaktionäre gegenüber der Gesellschaft anzuerkennen.232 Das gilt sowohl für die Kommanditaktionäre in ihrer Gesamtheit als auch für einzelne Kommanditaktionäre, wobei der Grad der Treubindung um so höher zu veranschlagen ist, je stärker die personalistischen Züge der Gesellschaft ausgeprägt sind und die Kommanditaktionäre auf die Geschäftsführung der Gesellschaft einwirken können.233 Solche Einwirkungsmöglichkeiten von Kommanditaktionären können sich etwa daraus ergeben, dass sie kraft entsprechender Satzungsregelung über besondere Widerspruchsrechte im Hinblick auf Geschäftsführungsmaßnahmen verfügen. Im Unterschied zu Treuepflichten der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft waren 89 Treuepflichten der Aktionäre gegenüber Aktionären lange Zeit umstritten und von der Rechtsprechung abgelehnt worden. 234 Mit der Linotype-Entscheidung 235 und der Girmes/Effektenspiegel-Entscheidung236 des BGH hat sich jedoch die Ansicht durchgesetzt, dass auch Aktionäre untereinander Treuepflichten treffen. Entsprechendes gilt auch für die Kommanditaktionäre. In der Sache geht es deshalb heute nicht mehr um das Ob,237 sondern nur um den Umfang der Treuepflichten der Kommanditaktionäre untereinander. Dabei ist das Ausmaß der von einem einzelnen Kommanditaktionär oder von einer Gruppe von Kommanditaktionären geschuldeten Treuepflicht wiederum um so größer, je stärker die personalistischen Züge der Gesellschaft ausgeprägt sind und die Kommanditaktionäre auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss nehmen können. Treuepflichten der Kommanditaktionäre können vor allem im Zusammenhang mit der materiellen Beschlusskontrolle von Mehrheitsentscheidungen Bedeutung erlangen.238 Auch unterliegen Kommanditaktionäre Treuepflichten gegenüber den Komple90 mentären. 239 Die Bestimmung des Umfangs dieser Treuepflichten folgt den (oben Rdn 88) dargelegten Grundsätzen zu den Treuepflichten der Kommanditaktionäre gegenüber der Gesellschaft. 91

b) Vermögensbeteiligung. Die vermögensrechtlichen Pflichten der Kommanditaktionäre beschränken sich auf die Erbringung der Einlagen auf das Grundkapital (§§ 54, 36a).240 Sonstige Verpflichtungen können nur nach Maßgabe von § 55 (Nebenverpflichtungen) oder § 237 (Zwangseinziehung) begründet werden.241 Im Gegensatz zu

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232 Spindler/Stilz/Bachmann4 34; Kessler 112 ff, 289 jeweils mwN. 233 Sethe S 121. 234 Zuletzt BGH 16.2.1976 – II ZR 61/74, WM 1976, 449, 450 („Audi/NSU“), dazu Lutter JZ 1976, 225. 235 BGH 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 193 ff. Die Entscheidung begründet die Treuepflicht des Großaktionärs gegenüber den Minderheitsaktionären. Hierzu etwa Claussen AG 1991, 10, 16 ff; Henze in: FS Kellermann, 1991, S 141 ff; Hüffer in: FS Steindorff, 1990, S 59 ff; Kort ZIP 1990, 294 ff; Lutter ZHR 153 (1989) 446 ff; Martens in K Schmidt (Hrsg) Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, S 251 ff; Timm WM 1991, 481 ff; Wiedemann in: FS Heinsius, 1991, S 949 ff; Werner in: FS Semler, 1993, S 419 ff; 4. Aufl Assmann Einl 261, 458 mwN. 236 BGH 20.3.1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136 – Grimes. Mit dieser Entscheidung wurde auch die Treuepflicht der Minderheitsaktionäre anerkannt. S dazu etwa Hennrichs AcP 195 (1995) 221, 222 mwN insb in Fn 6 und 7; Henze BB 1996, 489 ff mwN. 237 Zur Treuepflicht der Kommanditaktionäre untereinander s etwa MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 61. 238 Dazu mwN Hüffer/Koch14 § 243, 24 ff. 239 S etwa MünchKomm/Perlitt5 133; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 61; Spindler/Stilz/Bachmann4 34. 240 Vgl zur Leistung der Bareinlage zur freien Verfügbarkeit des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA bei Kapitalerhöhung OLG München 27.9.2006 – 7 U 1857/06, ZIP 2007, 126 („Kirch Media“). 241 Insbesondere kann die Satzung keine Verpflichtung einzelner, etwa durch Auslosung zu bestimmender Aktionäre festlegen, den Komplementären Jahr für Jahr Aktien zum Rückerwerb anzubieten, da das AktG keinen derartigen „Zwangsübergang“ kennt (arg e contr aus § 237); allenfalls können entsprechende schuldrechtliche Vereinbarungen getroffen werden. Vgl KK/Mertens/Cahn3 51

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den persönlich haftenden Gesellschaftern der KGaA trifft die Kommanditaktionäre keine persönliche Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 54 Abs 1). Die Rechte der Kommanditaktionäre am Vermögen der Gesellschaft entsprechen 92 denen der Aktionäre der AG (§§ 57 ff). Die auf das Grundkapital geleisteten Einlagen können nicht zurückgefordert und Zinsen nicht bedungen werden. Sollte entgegen den Bestimmungen der §§ 57–61 eine Rückzahlung der Einlage an einen Kommanditaktionär erfolgt sein,242 so unterliegt dieser der Haftung nach § 62, die auch von Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden kann. Den Kommanditaktionären steht eine Gewinnbeteiligung zu (§ 58 Abs 4), die sich mit dem Gewinnverwendungsbeschluss (§ 174) zu einem Individualanspruch auf den jeweiligen Anteil am Gewinn verdichtet. Weiterhin haben die Kommanditaktionäre Anspruch auf ihren Anteil am Liquidationsüberschuss, der sich zu einem Individualanspruch konkretisiert, sobald die Verteilungsvoraussetzungen nach § 271 vorliegen.243 Bei mittelbaren Beeinträchtigungen ihrer Beteiligung steht den Kommanditaktionären ein Schadensersatzanspruch nach § 117 Abs 1 Satz 2 zu. 3. Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, Verhältnis zu den Komplementären a) Die personengesellschaftsrechtliche Komponente der Hauptversammlung. 93 Der Hauptversammlung der KGaA stehen die Rechte eines Kommanditisten der KG zu, §§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1. In der Sache haben diese Bestimmungen (namentlich bei § 278 Abs 2, der von der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ spricht) bloße Kompetenzzuweisungen244 an die Hauptversammlung zum Gegenstand und sind nicht geeignet, die Annahme eines besonderen Verbandsverhältnisses zwischen den Kommanditaktionären zu begründen.245 Daraus ergeben sich Folgerungen in dreierlei Hinsicht: (1) Die der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zustehenden Rechte stellen keine Individualrechte des einzelnen Aktionärs dar, denn die KGaA kennt keine einzelnen Kommanditisten. Werden diese Rechte verletzt, ist nur die Hauptversammlung („Gesamtheit der Kommanditaktionäre“) anspruchs- und klagebefugt.246 Für eine actio pro socio des einzelnen Kommanditaktionärs ist dementsprechend kein Raum (vgl Rdn 86).247 Ihm stehen nur (aber immerhin) die aus seiner Stellung als Einzelaktionär zustehenden Rechte zu, zu denen die actio pro socio eben nicht gehört. Sozialansprüche gegenüber den Komplementären kann nur die Hauptversammlung in Wahrnehmung ihrer Funktion als Gesamtheit der Kommanditaktionäre im Wege der actio pro socio geltend machen.248 Der dagegen erhobene Einwand, § 147 sei generell lex specialis zur actio pro socio,249 über-

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Fn 57; MünchKomm/Perlitt5 102; Würdinger ZAkDR 1940, 314 ff. AA noch v Godin DR (Ausgabe A) 1940, 1444; RG 17.2.1928 – II 275/27, RGZ 120, 177, 180. Vgl auch BGH 22.1.2013 – II ZR 80/10, NZG 2013, 220; OLG München 12.5.2016 – 23 U 3572/15, AG 2017, 441. 242 Vgl die Kommentierung zu § 62 sowie Vor § 278, 70 ff zu den eigenkapitalersetzenden Aktionärsdarlehen. 243 S § 290 Rdn 32. 244 Ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 58. 245 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 58 mit näheren Hinweisen zu solchen, heute obsoleten Versuchen; Sethe AG 1996, 289, 299 f; MünchKomm/Perlitt5 83. 246 Bürgers/Fett/Göz § 5, 675; Philbert S 135; Spindler/Stilz/Bachmann4 36; aA MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 58 („jeder einzelne, und nicht alle Kommanditaktionäre zusammen, anspruchs- und klageberechtigt“). 247 Bürgers/Fett/Göz § 5, 676; Kessler S 259 f, 317; MünchKomm/Perlitt5 107; Spindler/Stilz/Bachmann4 36. 248 MünchKomm/Perlitt5 107. 249 Kessler S 322 ff.

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sieht, dass mit der actio pro socio auch andere Rechte als Ersatzansprüche geltend gemacht werden können, wie etwa die Einforderung von in der Satzung zugesagten Sondereinlagen. Daher wird die der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zustehende actio pro socio nur insoweit verdrängt als § 147 reicht.250 (2) Die Hauptversammlung nimmt einerseits die ihr durch das AktG zugewiesenen Rechte und andererseits die den Kommanditisten der KG zustehenden Rechte wahr.251 (3) Die Gesamtheit der Kommanditaktionäre stellt keinen aktiv und passiv parteifähigen Verband dar.252 Das Rechtsverhältnis der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu den einzel94 nen Komplementären richtet sich nach dem Recht der KG (Abs 2 iVm §§ 161 ff HGB). Es unterliegt damit der Satzungsautonomie und kann nach den Vorstellungen der Gesellschafter ausgestaltet werden (§§ 161 Abs 2, 109 HGB). Das schließt vor allem die Möglichkeit ein, die Befugnisse der Hauptversammlung, abweichend von der gesetzlichen Regelung, zu erweitern; § 119 Abs 2, demzufolge die Hauptversammlung nur entscheidungsbefugt ist, wenn der Vorstand der AG dies verlangt, findet auf die KGaA keine Anwendung.253 Die Gesamtheit der Kommanditaktionäre vollzieht ihre Willensbildung in der 95 Hauptversammlung. Fragen der Einberufung und der Durchführung der Hauptversammlung, des Auskunftsrechts der Kommanditaktionäre, der Beschlussfassung und des Stimmrechts sowie der Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen sind aufgrund sinngemäßer Anwendung der §§ 121–141, 241–261 zu beantworten (zur Beschlussfassung und den notwendigen Quoren s 99, 99a). Vertreten wird die Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Hauptversammlung) gegenüber den Komplementären durch den Aufsichtsrat, sofern die Satzung nichts Abweichendes regelt (§ 287 Abs 1, 2).254 Wie sich aus dem Wortlaut von Abs 2 ergibt, ist zur Ausübung der Rechte nur die Gesamtheit der Kommanditaktionäre berufen, nicht jedoch der einzelne Kommanditaktionär (s Rdn 93). Die Rechte des einzelnen Aktionärs gegenüber der Gesellschaft und den Komplementären richten sich allein nach Abs 3 und damit zwingend nach dem AktG. Den einzelnen Aktionären dürfen deshalb gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern keine Pflichten auferlegt werden, die über das AktG hinausgehen. Unwirksam ist damit insbesondere eine Satzungsbestimmung, welche die Kommanditaktionäre gegenüber den Komplementären verpflichtet, ihr Stimmrecht in einer bestimmten Weise auszuüben oder die Komplementäre von der persönlichen Haftung freizustellen; eine solche Verpflichtung kann nur schuldrechtlich vereinbart werden.255 b) Die Kompetenzen im Einzelnen. Die Zuständigkeiten der Hauptversammlung der KGaA als Versammlung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre reichen, was die Anzahl der Kompetenzbereiche angeht, über diejenigen der Hauptversammlung der AG hinaus. In zahlreichen Angelegenheiten der Gesellschaft, die der Hauptversammlung zur 97 Beschlussfassung zugewiesen sind, ist indes das Zusammenwirken beider Gesellschaftergruppen erforderlich: teils, weil das Gesetz in § 285 Abs 2 Satz 1 die Regel auf-

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250 Bürgers/Fett/Göz § 5, 675; wohl auch Spindler/Stilz/Bachmann4 36 aE. 251 S § 285 Rdn 3 ff, 15 ff, 18 ff. 252 S dazu näher § 287, 31, 62. AA aber MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 59. 253 Würdinger AktR4 S 258; Godin/Wilhelmi4 12; Durchlaub BB 1977, 1581, 1582; KK/Mertens/Cahn3 92; MünchKomm/Perlitt5 202. S dazu auch unten Rdn 111, 148 und § 285 Rdn 17 mwN. 254 Der Aufsichtsrat handelt dabei als Organ der Gesellschaft, s § 287 Rdn 31. 255 Bürgers/Fett/Reger § 5, 228; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 24; Joens S 93 f; KK/Mertens/Cahn3 51 f. Vgl auch schon oben Rdn 69 aE.

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stellt, dass Beschlüsse in Angelegenheiten, für die das Recht der KG das Einverständnis zwischen Komplementären und Kommanditisten verlangt, der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter bedürfen; teils, weil das Gesetz dies für besondere Entscheidungsgegenstände, wie etwa die Feststellung des Jahresabschlusses, ausdrücklich anordnet. Dem Zusammenwirken der beiden Gesellschaftergruppen unterworfene Zustän- 98 digkeiten der Hauptversammlung betreffen etwa – außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen und Grundlagengeschäfte (§ 278 Abs 2 iVm § 285 Abs 2 Satz 1 AktG, §§ 164 Satz 1, Hs 2, 116 Abs 2 HGB), – die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (§ 278 Abs 2 iVm § 285 Abs 2 Satz 1 AktG, §§ 117, 127 HGB), – die Verpflichtung der Komplementäre zur Leistung einer Einlage außerhalb des Grundkapitals (§ 278 Abs 2 iVm § 281 AktG, §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, § 706 BGB), – die Änderung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (§ 278 Abs 2 iVm § 285 Abs 2 Satz 1 AktG, §§ 114 ff, 125 HGB), – die Aufnahme neuer Komplementäre (§ 278 Abs 2 iVm § 285 Abs 2 Satz 1 AktG, § 109 HGB), – das Ausscheiden und die Ausschließung von Komplementären sowie deren Abfindung (§ 278 Abs 2 iVm 285 Abs 2 Satz 1 AktG, § 109 HGB) und – die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 286 Abs 1 AktG). Diese Entscheidungszuständigkeiten gehören zur personengesellschaftsrechtlichen 99 Komponente der Rechtsform. Es stellt sich daher die Frage, in welchem Maße sie der Satzungsautonomie unterliegen, insbesondere ob die Satzung nur das Ob oder auch das Wie des Zusammenwirkens der beiden Gesellschaftergruppen regeln kann. Die hierüber bislang geführte Diskussion ist dadurch gekennzeichnet, dass die Frage nach den erforderlichen Beschlussmehrheiten nicht immer ausreichend von der nach den Zuständigkeiten getrennt wird. Betrachtet man die Norm des § 285 Abs 2 Satz 1, stellt sie jedoch eine reine Kompetenznorm dar, die allein die Beschlussgegenstände benennt, die des Zusammenwirkens beider Gesellschaftergruppen bedürfen. Über die erforderlichen Beschlussmehrheiten sagt sie nichts aus. Für diese gelten § 278 Abs 2 und Abs 3. Um die Frage nach der Reichweite der Satzungsautonomie zu beantworten, ist also ein Vorgehen in Teilschritten geboten. Zunächst ist die Frage zu stellen, wer für die Entscheidung über einen Beschlussgegenstand zuständig ist (Kompetenzebene). Anschließend ist zu fragen, welche Anforderungen an den Beschluss der Komplementäre und an den Beschluss der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu stellen sind (Beschlussebene). Dies bedeutet im Einzelnen, dass folgende fünf Fragen zu trennen sind: (1) Da die Kompetenzebene (§ 285 Abs 2 Satz 1) dem Personengesellschaftsrecht entstammt, unterliegt sie der Satzungsautonomie, 256 wobei jedoch die allgemeinen personengesellschaftsrechtlichen Grenzen zu beachten sind.257 In diesen Grenzen können deshalb die nach dem Gesetz als gemeinsame Angelegenheiten beider Gesellschaftergruppen konzipierten Beschlussgegenstände einer Gesellschaftergruppe allein zur Entscheidung zugewiesen oder aber auf ein anderes Organ oder einen Beirat übertragen werden. Im Falle der Erweiterung der Zustimmungsrechte der Komplementäre ist allerdings zu beachten, dass sich diese nicht auf solche Angelegenheiten erstrecken dürfen, für die nach § 285 Abs 1 Satz 2 das Stimmrecht oder nach § 285 Abs 2 Satz 2 die Mitwirkung der persönlich haftenden Gesellschaf-

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S § 285 Rdn 77 ff. S dazu schon Vor § 278, 60 und § 285, 77 ff.

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ter für die von ihnen gehaltenen Aktien der KGaA ausgeschlossen ist.258 (2) Sind die Komplementäre für einen Beschlussgegenstand (mit-)zuständig, stellt sich die Frage nach der notwendigen Beschlussmehrheit. Diese richtet sich nach Personengesellschaftsrecht. Die Komplementäre entscheiden daher grundsätzlich einstimmig (Abs 2 iVm § 119 HGB),259 wobei die Satzung innerhalb der genannten Grenzen der Satzungsautonomie auch Mehrheitsentscheidungen vorsehen kann. 99a (3) Umstritten ist demgegenüber die Frage, nach welchen Regeln sich die Beschlussfassung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre richtet. Teils wird die Ansicht vertreten, die Gesamtheit der Kommanditaktionäre entscheide über einen dem Personengesellschaftsrecht unterliegenden Beschlussgegenstand, weshalb auf die Beschlussfassung nicht § 179 AktG, sondern – je nach Auffassung – § 133 AktG oder § 119 HGB anzuwenden sei.260 Dies ist schon im Ausgangspunkt fraglich, denn diese Ansicht übersieht, dass die KGaA eine einheitliche Rechtsform mit einer Verfassung ist, für deren Änderung folglich einheitliche Verfahrensregeln gelten müssen.261 Wie die §§ 280–282 zeigen, modifiziert das Recht der KGaA die Vorschriften zur AG und geht daher davon aus, dass sich das Verfahren der Satzungsänderung nach Aktienrecht richtet. Sieht man hierüber hinweg und geht den Argumenten der Gegenansicht im Detail nach, zeigt sich eine weitere Ungereimtheit: Argumentiert wird, Personengesellschaftsrecht sei anwendbar, weshalb § 179 nicht gelten könne; die Willensbildung innerhalb der Gesamtheit der Kommanditaktionäre richte sich nach § 133. Diese Herleitung überzeugt nicht. Hat eine KG mehrere Kommanditisten, ist bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags der KG Einstimmigkeit aller Komplementäre und aller Kommanditisten nötig (§§ 161 Abs 2, 119 Abs 1 HGB). Wollte man also die Argumente der Gegenansicht konsequent umsetzen, wonach sich bei den unter Abs 2 fallenden Beschlussgegenständen auch die Beschlusserfordernisse nach Abs 2 richten, müsste folglich die Hauptversammlung einstimmig entscheiden, da die Kommanditisten durch die Kommanditaktionäre ersetzt wurden.262 Dieses Ergebnis ist impraktikabel, weshalb der Gesetzgeber die Kommanditisten durch die (als einen Kommanditisten gedachte) Gesamtheit der Kommanditaktionäre ersetzt hat, die in der Hauptversammlung entscheidet und deren Zustimmung zu Grundlagenbeschlüssen und damit auch Satzungsänderungen nötig ist. Ist in einer KG nur ein Kommanditist vorhanden, verlangt das Personengesellschaftsrecht nur dessen Zustimmung. Da dessen mitgliedschaftliche Stellung unteilbar ist, findet sich im Personengesellschaftsrecht naturgemäß keine Aussage dazu, wie „innerhalb eines Kommanditisten“ die Meinungsbildung zu funktionieren hat. Das Personengesellschaftsrecht weist also eine Lücke auf. § 119 HGB regelt diesen Fall gerade nicht. Mit der Übertragung der Kompetenzen der Kommanditisten auf die Hauptversammlung muss man also im Aktienrecht ein adäquates Pendant zu den Grundlagenbeschlüssen suchen. Dies findet sich in den Regeln über die Satzungsänderung, die gerade nicht im Wege der einfachen Mehrheit beschlossen wird, sondern aufgrund der Bedeutung des Geschäfts eine qualifizierte Mehrheit benötigt. Um dieser Bedeutung Rechnung zu tragen, muss zur Schließung der Lücke

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258 MünchKomm/Perlitt5 § 285, 23, 46; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 41; Ihrig/Schlitt S 45 f; KK/Mertens/ Cahn3 § 285, 40. 259 Stimmenthaltungen zählen folglich als Ablehnung, su Rdn 110 Fn 287. 260 Bachmann FS Marsch-Barner, 2018, S 17; ders in: FS K Schmidt, 2009, S 41 ff; Bürgers/Fett/Fett § 3, 24 ff; Bürgers/Körber/Förl/Fett 4 § 281, 10; Fett/Stütz NZG 2017, 1127 f; Heidel/Wichert5 § 281, 23 f; Hüffer/ Koch14§ 281, 3; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 641; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 19 ff; Wichert AG 1999, 364 ff; Würdinger AktR4 S 259. 261 So ausdrücklich Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 281, 15; im Ergebnis auch Bachmann in: FS K Schmidt, 2009, S 44. 262 Dies vertritt – soweit ersichtlich – einzig Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 641.

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folglich die qualifizierte Mehrheit nach AktG angewendet werden. Dies bedeutet, dass für satzungsändernde Beschlüsse die Mehrheit des § 179 Abs 2263 und nicht die Regelung des § 133 gilt. Die Vertreter der Gegenansicht leiten hingegen allein aufgrund des Hinweises, das Personengesellschaftsrecht sei anwendbar, ab, § 133 AktG sei einschlägig, ohne dass sie den Rückgriff auf diese Vorschrift näher begründen könnten.264 Wenn schon, läge es näher, § 119 HGB auch für Beschlüsse der Hauptversammlung in personengesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten anzuwenden, was die KGaA aber blockieren würde und folglich nicht überzeugend ist.265 Selbst wenn man also dem Ansatz der Gegenansicht folgt, müsste man bei den personengesellschaftsrechtlichen Beschlussgegenständen zur (analogen) Anwendung von § 179 kommen, keinesfalls aber zu § 133.266 Die Vorschrift des § 179 ist übrigens ihrerseits weitgehend dispositiv, so dass die Satzung selbstverständlich auch eine einfache Mehrheit vorsehen könnte. Im Ergebnis sind also die Unterschiede zwischen der hM und der Gegenansicht marginal. In jedem Fall empfiehlt es sich aus Gründen der Rechtssicherheit, die Frage der notwendigen Mehrheit in der Satzung zu regeln. (4) Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Kontroverse über die 99b Frage der notwendigen Mehrheit in der Hauptversammlung im Schrifttum bislang nur auf Satzungsänderungen bezogen hat. Die Frage, welcher Mehrheit die Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen bedarf, wurde nicht thematisiert. Für sie ist § 179 nicht einschlägig. Folglich reicht die einfache Mehrheit.267 Dies entspricht auch den Wertungen des AktG, wie die Parallele zu § 119 Abs 2 AktG zeigt, bei dem ebenfalls die einfache Mehrheit genügt.268 Folgt man der Gegensicht, kommt man ebenfalls zu diesem Ergebnis, da sie ja stets § 133 anwendet. (5) Für alle anderen Beschlüsse (etwa über Rechtsstreitigkeiten nach § 287 Abs 2 oder die Geltendmachung eines Anspruchs im Wege der actio pro socio) gilt ebenfalls die einfache Mehrheit. Eine Reihe anderer Sachverhalte, die in der KG nur unter Mitwirkung der Kom- 100 manditisten entschieden werden können, haben im Recht der KGaA eine spezielle Regelung erfahren. Dazu gehören etwa das Wettbewerbsverbot für persönlich haftende Gesellschafter (§ 284), das Entnahmerecht der Komplementäre (§ 288), die Rechtsstreitigkeiten zwischen den Gesellschaftergruppen (§ 287 Abs 2) und die Auflösung der Gesellschaft (§ 289). Im Hinblick auf Einzelheiten hierzu ist auf die Kommentierung der angeführten Bestimmungen zu verweisen.

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263 Henssler/Strohn/Arnold4, § 281, 2; Bürgers/Fett/Reger § 5, 53; Cahn AG 2001, 582 Fn 24; KK/Mertens/ Cahn3 Vor § 278, 14; MünchKomm/Perlitt5 66, 180, 265; Philbert S 181 f; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 3; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 281, 15; iE auch Sethe S 122 ff (der für die Kompetenzebene allerdings die mehrdeutige Bezeichnung „Beschlusserfordernisse“ wählt); wohl auch Hölters/Müller-Michaels3 § 281, 6. En passant auch OLG Stuttgart 27.11.2002 – 20 U 14/02, NZG 2003, 293: „bedarf …einer Satzungsänderung durch Hauptversammlungsbeschluss (§§ 278 Abs 3, 179 AktG)“. Sa oben Rdn 46. 264 Vgl etwa Fett/Stütz NZG 2017, 1127 f. 265 Pragmatisch insoweit Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 22. Vgl auch Fn 260. 266 MünchKomm/Perlitt5 § 281, 14, weist auf eine praktisch wichtige Folge des Meinungsstreits hin: Wollte man die einfache Mehrheit genügen lassen, hätte dies die überraschende Folge, dass ein Kommanditaktionär, der eine Sperrminorität erwirbt, das Auswechseln der (die KGaA ggf sogar beherrschenden) Komplementärgesellschaft nicht verhindern könnte, ohne, dass dies für ihn aus der Satzung erkennbar wäre. 267 So Bürgers/Fett/Reger § 5, 390; MünchKomm/Perlitt5 177; Schmidt/Lutter/Schmidt3 38; wohl auch Spindler/Stilz/Bachmann4 61; aA Grigoleit/Servatius2 9 (Zustimmung aller Gesellschafter nach § 119 Abs 2 HGB). 268 MünchKomm/Kubis4 § 119, 26; Spindler/Stilz/Hoffmann4 § 119, 16.

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Darüber hinaus stehen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre auch Befugnisse zu, die weder eine spezielle Regelung im Recht der KGaA erfahren haben noch dem Zusammenwirken der beiden Gesellschaftergruppen unterworfen sind. In der Praxis kommt ihnen jedoch nur eine geringe Bedeutung zu. Das zeigt sich namentlich bei den (den Jahresabschluss betreffenden) Prüfungs- und Einsichtsrechten der Gesamtheit der Kommanditaktionäre nach Abs 2 iVm § 166 HGB. Der Jahresabschluss, der von den Komplementären der Hauptversammlung vorzulegen ist (§§ 283 Nr 9, 175), muss von Abschlussprüfern geprüft sein (§ 283 Nr 9–11 iVm §§ 316 ff HGB). Eine eigene Prüfung des Jahresabschlusses durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre kann sinnvollerweise nur durch einen Sachverständigen erfolgen. Da die Gesamtheit der Kommanditaktionäre aber gemäß §§ 283 Nr 7, 142 ff ein Recht zur Bestellung von Sonderprüfern hat, besteht für das aus § 166 HGB folgende Prüfungs- und Einsichtsrecht kaum noch ein Bedarf.269 Die Gewinn- und Verlustbeteiligung der beiden Gesellschaftergruppen richtet sich 102 nach § 168 HGB, doch wird diese Vorschrift wegen der Unbestimmtheit ihres Abs 2 einerseits und der Bedeutung von Fragen der Gewinn- und Verlustbeteiligung andererseits in der Praxis meist durch eine genauere Satzungsregelung ersetzt.270 Bei der Gestaltung entsprechender Satzungsbestimmungen ist im Hinblick auf die Gewinnverteilungsregelung zu beachten, dass § 288 Abs 1 aus Gründen des Kapitalerhaltungsschutzes das Entnahmerecht der Komplementäre zwingend begrenzt. Grenzen einer satzungsmäßigen Regelung der Gewinnverteilung ergeben sich auch aus der zwingenden Vorschrift des § 286 Abs 2 Satz 2 im Hinblick auf die Berechnung des Kapitalanteils eines persönlich haftenden Gesellschafters.271 VII. Geschäftsführung und Vertretung 103

1. Anwendbares Recht. Gemäß Abs 2 gilt für die Geschäftsführung und Vertretung das Recht der Kommanditgesellschaft, aus dem die §§ 164, 161 Abs 2, 114–118, 124–127 HGB (mit Ausnahme von § 125a HGB272) einschlägig sind: „§ 164 HGB Die Kommanditisten sind von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen; sie können einer Handlung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht widersprechen, es sei denn, daß die Handlung über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgeht. Die Vorschriften des § 116 Abs 3 bleiben unberührt. § 114 HGB (1) Zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft sind alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet. (2) Ist im Gesellschaftsvertrage die Geschäftsführung einem Gesellschafter oder mehreren Gesellschaftern übertragen, so sind die übrigen Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen. § 115 HGB (1) Steht die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaftern zu, so ist jeder von ihnen allein zu handeln berechtigt; widerspricht jedoch ein anderer geschäftsführender Gesellschafter der Vornahme einer Handlung, so muss diese unterbleiben.

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269 Su Rdn 140, § 285 Rdn 15 sowie Sethe S 167 f Fn 67. 270 Schlitt S 225 mit entsprechenden Hinweisen zur Satzungsgestaltung. 271 Schlitt S 225, 223, schlägt deshalb vor, statt des durch etwaige Verluste geminderten Kapitalanteils (§ 286 Abs 2 S 2) die auf dem festen Kapitalkonto gebuchte Sondereinlage als Bezugspunkt der Gewinnverteilung zu wählen. 272 § 125a HGB wird durch die speziellere Vorschrift des § 278 Abs 3 iVm § 80 AktG verdrängt, der auf Art 26 der Richtlinie (EU) 2017/1132 vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl EU L 169 vom 30.6.2017, S 46, beruht, die alle KGaA – und nicht nur solche mit einer juristischen Person als Komplementärin – erfasst. Sa § 279 Rdn 28 ff.

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(2) Ist im Gesellschaftsvertrage bestimmt, daß die Gesellschafter, denen die Geschäftsführung zusteht, nur zusammen handeln können, so bedarf es für jedes Geschäft der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, daß Gefahr im Verzug ist. § 116 HGB (1) Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. (2) Zur Vornahme von Handlungen, die darüber hinausgehen, ist ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter erforderlich. (3) Zur Bestellung eines Prokuristen bedarf es der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, daß Gefahr im Verzug ist. Der Widerruf der Prokura kann von jedem der zur Erteilung oder zur Mitwirkung bei der Erteilung befugten Gesellschafter erfolgen. § 117 HGB Die Befugnis zur Geschäftsführung kann einem Gesellschafter auf Antrag der übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. § 118 HGB (1) Ein Gesellschafter kann, auch wenn er von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten, die Handelsbücher und die Papiere der Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen eine Bilanz und einen Jahresabschluss anfertigen. (2) Eine dieses Recht ausschließende oder beschränkende Vereinbarung steht der Geltendmachung des Rechtes nicht entgegen, wenn Grund zu der Annahme unredlicher Geschäftsführung besteht. § 125 HGB (1) Zur Vertretung der Gesellschaft ist jeder Gesellschafter ermächtigt, wenn er nicht durch den Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist. (2) Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, daß alle oder mehrere Gesellschafter nur in Gemeinschaft zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt sein sollen (Gesamtvertretung). Die zur Gesamtvertretung berechtigten Gesellschafter können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem der zur Mitwirkung bei der Vertretung befugten Gesellschafter. (3) Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, daß die Gesellschafter, wenn nicht mehrere zusammen handeln, nur in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt sein sollen. Die Vorschriften des Absatzes 2 Satz 2 und 3 finden in diesem Falle entsprechende Anwendung. § 126 HGB (1) Die Vertretungsmacht der Gesellschafter erstreckt sich auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen einschließlich der Veräußerung und Belastung von Grundstücken sowie der Erteilung und des Widerrufs einer Prokura. (2) Eine Beschränkung des Umfanges der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam; dies gilt insbesondere von der Beschränkung, daß sich die Vertretung nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder daß sie nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll. (3) In betreff der Beschränkung auf den Betrieb einer von mehreren Niederlassungen der Gesellschaft finden die Vorschriften des § 50 Abs 3 entsprechende Anwendung. § 127 HGB Die Vertretungsmacht kann einem Gesellschafter auf Antrag der übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Vertretung der Gesellschaft.“

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2. Geschäftsführung a) Geschäftsführungszuständigkeit. Die Geschäftsführung der KGaA ist nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 114–118 HGB Sache der persönlich haftenden Gesellschafter. Dagegen sind die Gesamtheit der Kommanditaktionäre (wegen des dispositiven Charakters der Regelung in Abs 2 iVm § 164 HGB) grundsätzlich273 und (weil die KGaA keine einzelnen Kommanditisten kennt) einzelne Kommanditaktionäre durchweg274 von der Mitwirkung an der (organschaftlichen) Geschäftsführung ausgeschlossen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Gesamtheit der Kommanditaktionäre Geschäftsführungsbefugnisse in Gestalt von Zustimmungsrechten der Hauptversammlung eingeräumt werden können.275 Dritte sind zwingend von der Geschäftsführung ausgeschlossen (s Rdn 137 f). Während der Vorstand der AG als deren Leitungsorgan vom Aufsichtsrat der Gesellschaft auf Zeit bestellt wird und damit in ein Dienstverhältnis zur Gesellschaft tritt, sind die persönlich haftenden Gesellschafter geborene Mitglieder des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans der KGaA.276 Sie sind also allein kraft ihrer Stellung als Komplementäre und für die Dauer ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaftergruppe zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 114 Abs 1 HGB). Deshalb ist es für die Geschäftsführungsbefugnis eines Komplementärs auch unerheblich, ob er mit einer Einlage am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist. Ist eine juristische Person Komplementärin (so Rdn 30 ff), so kommt diese den ihr zugewiesenen Geschäftsführungsrechten und -pflichten durch das Handeln ihres jeweiligen Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans nach. In der Sache nehmen die Komplementäre als Geschäftsführer die Aufgaben eines Vorstands wahr, was ua auch darin zum Ausdruck kommt, dass § 283 die persönlich haftenden Gesellschafter in den in dieser Vorschrift angeführten Angelegenheiten den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften des AktG über den Vorstand unterwirft. Als Leitungsorgan der KGaA sind die persönlich haftenden Gesellschafter gehalten, alle erforderlichen Maßnahmen für eine erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens zu ergreifen.277 Dazu gehört, neben der Wahrnehmung der täglichen Geschäfte, vor allem die Unternehmensplanung und -entwicklung. Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 114 Abs 2 HGB eröffnet die Möglichkeit, einzelne Komplemen105 täre von der Geschäftsführung auszuschließen, solange zumindest ein Komplementär noch geschäftsführungsbefugt ist.278 Das deutsche Recht lässt damit Komplementäre ohne Organfunktion zu.279 Allerdings unterliegen auch die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre den sich aus § 283 ergebenden (teils dem Schutz von Drittinteressen teils dem Schutz der Interessen der Kommanditaktionäre dienenden) Pflichten eines persönlich haftenden Gesellschafters.280 Deshalb ist eine Satzungsregelung, der

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273 Zu zulässigen Gestaltungen su Rdn 147 ff. 274 Hüffer/Koch14 19; Spindler/Stilz/Bachmann4 59; aA Kessler S 234, der die Kompetenz der Gesamtheit der Kommanditaktionäre mit der des Einzelaktionärs verwechselt. 275 S Hüffer/Koch14 19; MünchKomm/Perlitt5 231; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 50. 276 S dazu auch BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 393 f. 277 MünchKomm/Perlitt5 172. 278 Zum Grundsatz der Selbstorganschaft su Rdn 137 f. Die Grenze des § 76 Abs 2 gilt für die KGaA nicht; ebenso Gail WPg 1966, 425, 426 und oben Rdn 17. 279 Der Versuch von Möhring/Schwartz Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht, 1938, S 164, unter Hinweis auf die vorstandsähnliche Funktion der Komplementäre eine Mindestkopplung von Gesellschafter- und Organstellung aus dem AktG 1937 abzuleiten, hat sich, wegen der Vorrangstellung der handelsrechtlichen Regelungen über die KG, zu Recht nicht durchzusetzen vermocht. Anders verhält es sich in Rechtsordnungen, die dem schweizerischen Modell der KGaA folgen, das die Gesellschafterstellung untrennbar mit der Organfunktion verbindet; vgl Sethe S 385, 425, 451 und ders RIW 1993, 561, 565. 280 S im Einzelnen § 283, 6 ff.

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zufolge ein persönlich haftender Gesellschafter zwar das jederzeitige Recht, nicht aber die Pflicht zur Geschäftsführung haben soll, unzulässig.281 Die Pflichten des von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementärs aus § 283 können allerdings nur soweit reichen, als der Gesellschafter in der Lage ist, sie ihrer Art nach auch als Nichtgeschäftsführungsbefugter zu erfüllen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einem von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementär die sich aus Abs 2 iVm § 118 Abs 1 HGB ergebenden Kontrollrechte (su Rdn 139) verbleiben. Diese wiederum können jedoch nach Maßgabe von § 118 Abs 2 HGB durch die Satzung oder durch einstimmigen Beschluss der persönlich haftenden Gesellschafter282 ausgeschlossen oder beschränkt werden, wobei der Ausschluss oder die Beschränkungen nur in dem Ausnahmefall unbeachtlich sind, dass Grund zur Annahme unredlicher Geschäftsführung besteht. Wurde von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so reduzieren sich die Pflichten der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter aus § 283, so dass keine Veranlassung besteht, die aus § 118 Abs 1 HGB folgenden Kontroll- und Einsichtsrechte, entgegen § 118 Abs 2 HGB, jedenfalls in der KGaA für unentziehbar zu betrachten. Das Risiko des von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementärs einer KGaA, für pflichtwidriges Handeln der geschäftsführenden Gesellschafter persönlich einstehen zu müssen, ist damit nicht größer als dasjenige des Komplementärs einer KG. Die nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesell- 106 schafter sind der gesetzlichen Regelung nach einzeln geschäftsführungsbefugt (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 115 Abs 1 Hs 1 HGB). Jedem geschäftsführungsbefugten Gesellschafter steht gegen die Geschäftsführung durch einen anderen ein Widerspruchsrecht nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 115 Abs 1 Hs 2 HGB zu (näher hierzu unten Rdn 127 ff). Sind mehrere Komplementäre vorhanden, kann die Satzung von der gesetzlichen Regel der Einzelgeschäftsführungsbefugnis abweichen und Gesamtgeschäftsführung anordnen (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 115 Abs 2 HGB). b) Umfang der Geschäftsführungsbefugnis. Der Umfang der Geschäftsführungs- 107 befugnis der persönlich haftenden Gesellschafter bestimmt sich nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 116 und § 164 HGB. aa) Gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen. Gemäß § 116 Abs 1 HGB er- 108 streckt sich die Geschäftsführungsbefugnis der Komplementäre auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt (sog gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen; su Rdn 109). Des Einverständnisses anderer Organe bedarf es dazu nicht, doch schließt dies die Einholung der Zustimmung eines Organs nicht aus (s Rdn 111 aE). Darüber hinaus kann die Satzung anderweitige Regelungen vorsehen. So kann etwa die Ausführung bestimmter Geschäfte von der Zustimmung eines der Organe der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Ohne entsprechende Satzungsregelung kann allerdings weder die Hauptversammlung noch der Aufsichtsrat noch ein anderes (fakultatives) Organ der Gesellschaft verlangen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit ihrer bzw seiner Zustimmung vorgenommen werden. § 111 Abs 4 Satz 2, der dem Aufsichtsrat der AG ein diesbezügliches Recht einräumt, ist auf die KGaA nicht anwendbar.283

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281 S dazu näher § 283, 11. 282 Vgl Baumbach/Hopt/Roth39 § 118, 17. 283 Diese Norm dient dazu, die bei der AG fehlende Hauptversammlungszuständigkeit für die Geschäftsführung auszugleichen. Bei der KGaA ist eine solche Kompensation nicht erforderlich, da der Hauptversammlung weitgehende Rechte in Bezug auf die Geschäftsführung zustehen (sa § 285 Rdn 17,

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Zu den gewöhnlichen Geschäften gehören alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt (§ 116 Abs 1 HGB). Das sind alle Maßnahmen, die sich nach ihrem Inhalt, ihrer Art und nach den mit ihnen verbundenen Risiken im Rahmen dessen bewegen, was den aktuellen üblichen Geschäftsbetrieb der jeweiligen Gesellschaft ausmacht, und die somit von Zeit zu Zeit zu erwarten sind.284 Die Erteilung und der Widerruf einer Prokura sind den gewöhnlichen Geschäften zuzuordnen,285 haben jedoch in §§ 161 Abs 2, 116 Abs 3 HGB eine nach Abs 2 auch im Recht der KGaA zu beachtende Sonderregelung erfahren (su Rdn 125 f).

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bb) Außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen. Über die gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen hinausgehende Handlungen (sog außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen; su Rdn 112) bedürfen nach §§ 116 Abs 2, 164 Satz 1 Hs 2 HGB dagegen eines Beschlusses sämtlicher Gesellschafter. Das bedeutet, dass außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen in der KGaA nur dann vorgenommen werden dürfen, wenn (1) alle286 persönlich haftenden Gesellschafter, einschließlich der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementäre, der Handlung zugestimmt haben, wobei die Stimmenthaltung eines Komplementärs als Ablehnung gilt,287 und (2) die Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Hauptversammlung) die fragliche Maßnahme mit der erforderlichen Mehrheit gebilligt hat.288 Die Zustimmung der Komplementäre erfolgt durch Beschluss nach Maßgabe von 111 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 119 HGB. Die Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (§ 164 HGB289) verlangt einen diesbezüglichen Beschluss der Hauptversammlung, die dementsprechend einzuberufen und zu unterrichten ist (zur erforderlichen Mehrheit so Rdn 99a). Den Komplementären bleibt es im Übrigen unbenommen, die Hauptversammlung auch zur Abstimmung über gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen einzuschalten, wenn sie es aufgrund der konkreten Umstände für erforderlich halten (sa Rdn 94, 148).290 Außergewöhnliche Geschäfte sind alle Geschäfte, die nicht zu den gewöhnlichen 112 Geschäften der fraglichen Gesellschaft zu zählen sind und damit Ausnahmecharakter haben.291 Da diesbezüglich auf das bisherige Geschäftsgebaren der konkreten Gesellschaft abzustellen ist, schließt allein der Umstand, dass sich ein bestimmtes Geschäft

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§ 287 Rdn 39, 44). Selbst wenn diese Rechte abbedungen wurden, bleibt § 111 Abs 4 Satz 2 unanwendbar; die Verlagerung der Mitwirkungsrechte auf den Aufsichtsrat, die hier durchaus naheliegt, müsste auch in diesem Fall in der Satzung vereinbart werden. 284 S BGH 11.2.1980 – II ZR 41/79, BGHZ 76, 160, 162 f. 285 S etwa Baumbach/Hopt/Roth39 § 116, 8 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 60; offen gelassen bei MünchKomm/Perlitt5 178. S § 285 Rdn 17 Fn 39. 286 Das folgt aus Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 119 Abs 1 HGB. 287 Bacher/von Blumenthal GmbHR 2019, 261, 263 f; Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 41; Bürgers/Fett/Reger § 5, 54; Großkomm HGB/Schäfer5 § 119, 1, 30; MünchKomm/Perlitt5 177; MünchKommHGB/Enzinger4 § 119, 5. 288 Dass § 164 Satz 1 Hs 2 HGB einen Zustimmungsvorbehalt der Kommanditisten bzw der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und kein bloßes Widerspruchsrecht enthält, ist seit RG 22.10.1938 – II 58/38, RGZ 158, 302, 306 ff, geklärt. S dazu Baumbach/Hopt/Roth39 § 164, 2; Großkomm HGB/Casper5 § 164, 2, 12; Hüffer/Koch14 13; MünchKomm/Perlitt5 177, 199 f; Sethe S 110, 124 f Fn 63. AA noch Godin/Wilhelmi4 12. 289 Diese Regelung „verdrängt“ § 119 Abs 2 AktG, vgl auch unten Rdn 123. 290 Das kann sich, je nach den Umständen, empfehlen, um den Sorgfaltsanforderungen des §§ 283 Nr 3, 93 zu genügen und nach § 93 Abs 4 Satz 1 AktG eine mögliche Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft wegen pflichtwidriger Geschäftsführung (§ 93 Abs 2, 3) auszuschließen. 291 RG 22.10.1938 – II 58/38, RGZ 158, 302, 308; Baumbach/Hopt/Roth39 § 116, 2; Großkomm HGB/Casper5 § 164, 9 ff; Sethe S 148.

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nicht außerhalb des Handelsgewerbes oder des gesellschaftsvertraglichen Zwecks bewegt, seine Qualifizierung als ungewöhnlich nicht aus. Als ungewöhnlich können Geschäfte dann anzusehen sein, wenn sie wegen ihrer Art (etwa kreditfinanzierte Geschäfte oder Wertpapiergeschäfte), ihres Inhalts (etwa außerhalb des Handelsgewerbes des Unternehmens liegende Geschäfte), ihres Umfangs (etwa des Volumens der bezogenen Leistung oder Lieferung oder der versprochenen Gegenleistung), der Transaktionsbedingungen (etwa dem Verzicht auf die sonst zugrunde gelegten AGB oder der Vereinbarung langfristiger Zahlungsziele, Verzicht auf Sicherheiten bei der Stundung oder Kreditgewährung) oder der mit ihnen verbundenen Risiken (etwa Währungsrisiken) aus dem Rahmen des für das konkrete Unternehmen Üblichen fallen. Das Zustimmungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu außergewöhn- 113 lichen Geschäftsführungsmaßnahmen kann – was gängige Praxis ist292 – in der Satzung ganz oder zum Teil ausgeschlossen oder auf ein anderes Organ übertragen werden. Das entspricht jedenfalls für die gesetzestypische,293 personalistisch strukturierte KGaA der ganz hM294 und wird auch durch die Entscheidung des BGH vom 24.2.1997 implizit anerkannt.295 Dies gilt auch für börsennotierte KGaA und hat sich durch die Einführung der §§ 111a ff nicht verändert.296 Nicht streitbefangen ist der Fall, dass das Zustimmungsrecht der Kommanditaktio- 114 näre zu außergewöhnlichen Geschäften bei einer Publikums-KGaA auf den Aufsichtsrat oder ein anderes fakultatives Organ verlagert wird, an dessen Besetzung sie mitwirken können.297 Eine solche Gestaltung sichert die Wahrnehmung der Interessen der Kommanditaktionäre und vermeidet gleichzeitig die Komplikationen, die die Einberufung der Hauptversammlung einer Publikums-KG im Hinblick auf den erforderlichen Mittel- und Zeitaufwand sowie die zeitweise Lähmung der Geschäftsführung mit sich bringt. Dagegen wird der gänzliche Ausschluss des Zustimmungsrechts im Falle der 115 Publikums-KGaA unterschiedlich beurteilt (sa § 285 Rdn 86). Eine solche Gestaltung ist gerade bei börsennotierten KGaA verbreitet,298 um den Aufwand, der sich mit jeder außerplanmäßigen Einberufung der Hauptversammlung verbindet, zu vermeiden.299 Eine inzwischen verbreitete Ansicht nimmt nicht nur die Unzulässigkeit des ersatzlosen (s dazu Rdn 116 ff), gänzlichen Ausschlusses in der atypisch ausgestalteten PublikumsKGaA (Kapitalgesellschaft & Co KGaA) an,300 sondern überträgt diese Auffassung auch auf die gesetzestypisch strukturierte Publikums-KGaA (mit einer natürlichen Person als

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292 Zu den Gründen Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 634. 293 „Gesetzestypisch“ heißt in diesem Fall vor allem, dass die KGaA eine natürliche Person als Komplementärin hat. 294 S etwa, jeweils mwN, L Fischer S 101 f; MünchKomm/Perlitt5 230, 358; Graf S 26 f; Grafmüller S 123; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 19; Hüffer/Koch14 19; Overlack S 257; Schlitt S 157; Schmidt/Lutter/Schmidt3 38; Sethe S 151; Spindler/Stilz/Bachmann4 61 f. 295 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399. 296 AA Fiebelkorn ZIP 2020, 953, 955 ff, der im Wege richtlinienkonformer Auslegung eine zwingende Zuständigkeit der Hauptversammlung, zumindest aber des Aufsichtsrats erreichen will. Dies ist jedoch aus den in § 287, 47 genannten Gründen nicht notwendig. 297 Hommelhoff S 14 ff; Ihrig/Schlitt S 66 ff; Arnold S 65; Henssler/Strohn/Arnold4 13; Kessler S 212 f; Koch DB 2002, 1701 ff, wonach eine solche Verlagerung bei der Publikums-KGaA zwingend sei. Wohl auch Schmidt/Lutter/Schmidt3 38. 298 MünchKomm/Perlitt5 358; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 634. 299 Hommelhoff S 14 („umständlich und teuer zu laden“); Ladwig/Motte DStR 1997, 1539, 1541; MünchKomm/Perlitt5 358; Overlack S 257; Jaques NZG 2000, 401, 408. 300 Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1385; Gaibler S 42; Hommelhoff S 13 ff, 18, 20; Ihrig/Schlitt S 64 ff, 66; Schlitt S 157.

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Komplementärin).301 Sie stützt sich dabei auf den Hinweis des BGH im Urteil vom 24.2.1997, im Falle einer KGaA ohne natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafterin sei zu erwägen, Satzungsgestaltungen zu Lasten der Kommanditaktionäre, wie etwa den Ausschluss des Zustimmungsrechts zu außergewöhnlichen Geschäften, in der nicht gesetzestypischen KGaA (vor allem der kapitalistisch strukturierten Publikums-KGaA), nur in engeren Grenzen zuzulassen als bei der gesetzestypischen KGaA.302 Dagegen hält die (noch immer) überwiegende und vorzugswürdige (s Rdn 116 ff) Ansicht den Ausschluss des Zustimmungsrechts sowohl in der gesetzestypischen als auch in der gesetzesatypischen Publikums-KGaA für zulässig.303 Deshalb richtet sich die Auseinandersetzung in der Sache allein um den vollständigen ersatzlosen Ausschluss des Zustimmungsrechts der Anleger-Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäften. – Diesbezüglich wäre von der Ansicht, die einen solchen im Falle der Publikums-KGaA für unzulässig hält, darzulegen, welche zwingenden Gründe ein Abweichen von dem Grundsatz der Dispositivität der §§ 164, 116 HGB gebieten. Das Argument, dies sei im Interesse des Anlegerschutzes erforderlich, vermag nicht zu überzeugen. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass auch im Recht der Publikums-KG, das der BGH als „Richtlinie“ für die Beurteilung der Grenzen freier Satzungsgestaltung in der atypischen KGaA erklärt,304 eine Abbedingung des § 164 HGB nicht als unzulässig und gegen die Grundsätze des gebotenen Anlegerschutzes verstoßend angesehen wird.305 – Im Vergleich zum Anlegerkommanditisten ist der Kommanditaktionär der KGaA im Falle der ersatzlosen Abbedingung des Zustimmungsrechts zu außergewöhnlichen Geschäften sogar noch besser geschützt: Neben dem in beiden Fällen verbleibenden Zustimmungsrecht zu Grundlagengeschäften (s Rdn 122) kann er bei seiner Anlageentscheidung zudem auf einen haftungsbewehrten Emissions- oder Zulassungsprospekt zurückgreifen, in dem sowohl auf den Ausschluss des Zustimmungsrechts selbst als auch auf die sich daraus ergebenden Risiken für Anleger hinzuweisen ist. Die Informationen über diese Risiken, die sich allein auf die erweiterten Freiheiten der Geschäftsführung im Hinblick auf die laufenden geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen, wird der Anleger seiner Anlageentscheidung zugrundelegen und so auf die Marktbewertung des Unternehmens und der Aktien der KGaA Einfluss nehmen. Diese Kapitalmarktbewertung von Anlagen in Aktien einer KGaA, bei der das Zustimmungsrecht der Kommanditaktionäre ausgeschlossen ist, ist einem generellen Verbot entsprechender Satzungsklauseln vorzuziehen.306 – Darüber hinaus verbinden sich mit den erweiterten Befugnissen der Geschäftsführung auch höhere Haftungsrisiken, die, wie hoch oder gering man diese auch im-

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301 Vgl Ihrig/Schlitt S 64 ff, 66. 302 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399. 303 Born S 49 f; Bürgers/Fett/Reger § 5, 98 ff; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 45; Haase GmbHR 1997, 920; Heermann ZGR 2000, 61, 76 ff, 82; Heidel/Wichert5 36; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 286 f; Jaques NZG 2000, 401, 408; KK/Mertens/Cahn3 90, § 285, 41; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 19, 41; Overlack S 259; MünchKomm/Perlitt5 360; Otte S 127; Schaumburg DStZ 1998, 525, 532; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 635 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 62 f; Vollertsen S 128 ff; Wichert AG 2000, 268, 270. 304 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399 f. 305 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 19 unter Verweis auf BGH 6.10.1992 – KVR 24/91, BGHZ 119, 346, 357; Overlack S 258 f. 306 Das ist auch der Standpunkt des BGH in BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 401, in Bezug auf die Akzeptanz der Rechtsform der GmbH & Co KGaA als solcher. Gleiches kann aber auch im Hinblick auf einzelne Satzungsgestaltungen im Rahmen des dispositiven Rechts gelten.

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mer veranschlagen mag, disziplinierend auf die Ausnutzung der ihnen gewährten Freiheiten wirken. Gleiches gilt für die Drohung des Entzugs der Geschäftsführungsbefugnis durch die Kommanditaktionäre im Falle der gesellschaftsschädigenden Wahrnehmung ungewöhnlicher Geschäfte (Abs 2 iVm § 161 Abs 2, 117, 127 HGB).307 Zudem können es die Treuepflichten der Komplementäre (s Rdn 56 ff) im Einzelfall 120 gebieten, außergewöhnliche Geschäfte von weitreichender Bedeutung der Hauptversammlung zur Zustimmung vorzulegen.308 Treuepflichtwidrig wäre es jedenfalls, wenn die Komplementäre durch wiederholte, zustimmungsfreie außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen strukturverändernd (s § 285 Rdn 17) auf die Gesellschaft einwirken würden oder wollten.309 Unerheblich ist es bei alledem, ob der persönlich haftende Gesellschafter eine natür- 121 liche oder eine juristische Person ist, was die Gegenansicht implizit schon dadurch anerkennt, dass sie die gesetzestypisch ausgestaltete Publikums-KGaA nicht anders behandelt als die atypisch strukturierte.310 Selbst das Haftungskorrektiv bleibt bei einer juristischen Person nicht ganz wirkungslos: Zwar sind die Gesellschafter der juristischen Person nicht dem Risiko der persönlichen Haftung ausgesetzt, doch mindert sich im Falle der Haftung der juristischen Person zumindest der Wert ihrer Beteiligung an dieser. Schließlich sind es in den meisten Fällen die schlecht geführten gewöhnlichen Geschäfte und nicht die ungewöhnlichen, die eine Gesellschaft in die Krise treiben und das Investment der Anleger gefährden.

cc) Grundlagengeschäfte. Von den gewöhnlichen und außergewöhnlichen Ge- 122 schäftsführungsmaßnahmen sind die sog Grundlagengeschäfte (s Rdn 123) zu unterscheiden, die, weil sie die gesellschaftsvertragliche Ebene des Verbands betreffen, nicht Gegenstand der Geschäftsführung der Komplementäre sein können. Sie bedürfen grundsätzlich (zu Ausnahmen s Rdn 124) der Zustimmung aller Gesellschafter, dh auch der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Für die Herbeiführung der Zustimmung derselben gilt sinngemäß das zur Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäften (in Rdn 110 f) Ausgeführte (zur notwendigen Mehrheit in der Hauptversammlung s Rdn 99, 99a). Zu Grundlagengeschäften sind alle Geschäfte zu rechnen, die wesentliche gesell- 123 schaftsvertragliche Rechte der Gesellschafter berühren. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn die fraglichen Geschäfte eine Änderung des Gesellschaftsvertrags verlangen oder, auch wenn eine Vertragsänderung nicht erforderlich wäre, vorhersehbare Auswirkungen auf die Grundlagen der Tätigkeit, der Organisationsverfassung, der Struktur und der Zusammensetzung der Gesellschaft haben.311 Hinsichtlich der Bestimmung, welche Maß-

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307 Overlack S 259. 308 Heermann ZGR 2000, 61, 83 (der Berufung auf die Holzmüller-Doktrin bedarf es zur Begründung der hieraus erwachsenden Vorlagepflicht an die Hauptversammlung allerdings nicht; diese folgt vielmehr aus den Treuepflichten der Komplementäre und der Tatsache, dass es missbräuchlich wäre, unter solchen Umständen das durch die Satzung ausgeschlossene Zustimmungsrecht geltend zu machen); MünchKomm/Perlitt5 360; Overlack S 259. Vgl auch Vor § 278, 102, § 285, 17. 309 Heermann ZGR 2000, 61, 83. 310 Ebenso etwa MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 19; Overlack S 259. 311 Folgende Bereiche werden im Personengesellschaftsrecht zu den Grundlagengeschäften gerechnet: Änderung des Gesellschaftsvertrags; Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht; Aufnahme und Ausschließung von Gesellschaftern; Auflösung der Gesellschaft; Änderung der Firma; vollständige oder teilweise Einstellung des Gewerbebetriebs; Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens oder eines Betriebs; Übertragung des gesamten Vermögens der Gesellschaft; Geschäfte, durch die die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft oder die unabhängige Beschlussfassung rechtlich oder faktisch beeinträchtigt werden könnte. Vgl Großkomm HGB/Schäfer5 § 116, 8 mwN;

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nahmen im Einzelnen als strukturverändernd und damit zustimmungspflichtig gelten können, kann auf die Grundsätze der sog Holzmüller-Entscheidung des BGH312 abgestellt werden. Dieser kommt darüber hinaus für die KGaA aber keine Bedeutung zu, weil für die im Vordergrund dieses Urteils stehende Schaffung ungeschriebener Kompetenzen der Hauptversammlung der AG im Recht der KGaA kein Bedarf besteht (vgl Vor § 278 Rdn 102). 124 Auch das Zustimmungserfordernis der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu Grundlagengeschäften kann in gewissen Grenzen durch die Satzung abbedungen werden. Als allgemeine Regel gilt, dass Grundlagengeschäfte, die nach Abs 2 den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs unterfallen, grundsätzlich der Satzungsautonomie unterliegen (s Vor § 278 Rdn 59).313 Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die die Stellung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre sowie das Rechtsverhältnis der Komplementäre untereinander betreffen (Aufnahme neuer Komplementäre, Regelung der Sondereinlage oder der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis). Treuepflichten der Komplementäre (s Rdn 56 ff) können es aber auch hier gebieten, der Hauptversammlung einzelne für die Gesellschaft besonders einschneidende Maßnahmen zur Zustimmung vorzulegen.314 Abzulehnen ist hingegen die Ansicht, die die Satzungsautonomie bei Grundlagengeschäften dergestalt einschränken will, dass zwingend zumindest der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung zu beteiligen ist.315 Nach Abs 3 iVm den jeweils einschlägigen Bestimmungen des Ersten Buchs des AktG zwingendem Aktienrecht unterworfene Grundlagengeschäfte sind dagegen regelmäßig satzungsautonomer Regelung entzogen.316 Hierzu gehören Maßnahmen, die der Kapitalaufbringung und -erhaltung sowie der Kapitalerhöhung und -herabsetzung und der Gründung zuzurechnen sind; des Weiteren die einzelnen Kommanditaktionären oder einer Minderheit von Kommanditaktionären zustehenden Rechte, wie etwa diejenigen aus § 131 (Auskunftsrecht), § 93 Abs 4 Satz 3 (Verzicht auf Ersatzansprüche bzw auf solche gerichtete Vergleiche), § 142 Abs 4 u 5 (Bestellung von Sonderprüfern) oder § 147 Abs 3 (Geltendmachung von Ersatzansprüchen).317 Entsprechendes gilt aber auch für Geschäfte, die geeignet sind, die Selbständigkeit der Gesellschaft zu beeinträchtigen.318 Zwingendes Konzern- und Umwandlungsrecht lässt von vornherein keinen Spielraum für eine hiervon abweichende Satzungsgestaltung (zum Konzern- und Umwandlungsrecht vgl Vor § 278 Rdn 75 ff, 90 ff). 125

dd) Erteilung und Widerruf einer Prokura. Aufgrund der speziellen, aber dispositiven319 und im Übrigen nur für das Innenverhältnis relevanten320 Regelung in § 116 Abs 3 Satz 1 HGB bedarf die Bestellung eines Prokuristen, ungeachtet der Einordnung dieses Geschäfts in die vorstehend (Rdn 108 ff) angeführten Geschäftsarten, der Zustimmung

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MünchKommHGB/Rawert4 § 114, 9 ff; Baumbach/Hopt/Roth39 § 114, 3, § 126, 3 jeweils mwN sowie BGH 9.1.1995 – II ZR 24/94, ZIP 1995, 278, 279 zur Vermögensübertragung. 312 Vgl die Nachw Vor § 278 Rdn 102. 313 S etwa Heermann ZGR 2000, 61, 66 ff, 84; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 34. 314 Nicht anzuwenden ist daher die Holzmüller-Doktrin, vgl Vor § 278 Rdn 102. 315 Vgl die Nachw in 47 Fn 117. 316 Ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 66. 317 Heermann ZGR 2000, 61, 68. 318 S etwa Heermann ZGR 2000, 61, 66 f, 84; Wichert AG 2000, 268, 270. 319 Baumbach/Hopt/Roth39 § 116, 11; iE auch BGH 2.7.1973 – II ZR 94/71, WM 1973, 1291. 320 Dh, dass die fehlende Zustimmung der übrigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter die Wirksamkeit der Erteilung der Prokura grundsätzlich (ausgenommen ist etwa der Fall des kollusiven Zusammenwirkens des Erklärenden und des Erklärungsempfängers) nicht berührt (Außenverhältnis), jedoch regelmäßig eine Pflichtverletzung des die Prokura erteilenden Komplementärs darstellt, die zu Schadensersatzpflichten des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft führen kann.

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aller geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, dass Gefahr im Verzug ist. Die Zustimmung des Aufsichtsrats ist nicht erforderlich.321 Im Gegensatz zur Erteilung der Prokura kann der Widerruf derselben nach § 116 126 Abs 3 Satz 2 HGB von jedem geschäftsführungsbefugten Komplementär vorgenommen werden. Der Zustimmung der übrigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter bedarf es dazu nicht; ein Widerspruch nach § 115 Abs 1 Hs 2 HGB ist unbeachtlich. Solange die Satzung nicht etwas anderes bestimmt, ist weder bei der Erteilung noch bei dem Widerruf der Prokura eine Mitwirkung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre erforderlich (Abs 2 iVm §§ 116 Abs 3, 164 Satz 2 HGB). c) Widerspruchsrecht und -pflicht. Sind mehrere Komplementäre vorhanden und 127 sind diese kraft der gesetzlichen Regelung nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 115 Abs 1 Hs 1 HGB oder aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung in der Satzung einzeln geschäftsführungsbefugt, so steht jedem der Geschäftsführer nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 115 Abs 1 Hs 2 HGB ein im Innenverhältnis wirkendes322 Widerspruchsrecht gegen Geschäftsführungsmaßnahmen der anderen Geschäftsführer zu.323 Sind bestimmte Komplementäre einzeln geschäftsführungsbefugt, andere dagegen nur in Gemeinschaft mit anderen, so können die Gesamtgeschäftsführer, in entsprechender Anwendung von § 115 Abs 2 HGB, nur gemeinsam widersprechen.324 Sieht die Satzung iSd § 115 Abs 2 HGB Gesamtgeschäftsführung aller Komplementäre vor, so bedarf es für jede Geschäftsführungsmaßnahme der Zustimmung aller persönlich haftenden Gesellschafter; angesichts der Möglichkeiten, die Geschäftsführungsmaßnahme durch Stimmenthaltung oder Verweigerung der Zustimmung abzulehnen, besteht hier für ein Widerspruchsrecht kein Erfordernis. Die Satzung kann das Widerspruchsrecht spezifizieren oder ganz ausschließen.325 Einem Dritten kann ein zusätzliches Widerspruchsrecht eingeräumt werden.326 Unter den Voraussetzungen des § 117 HGB kann einem Komplementär das Widerspruchsrecht, welches Teil der Geschäftsführungsbefugnis ist, aus wichtigem Grund entzogen werden. 327 Das Widerspruchsrecht eines Gesellschafters kann sich zu einer Widerspruchspflicht verdichten, wenn die Wahrung der Interessen der Gesellschaft dies verlangt.328 Bei Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis einzelner Komplementäre auf 128 bestimmte Ressorts, was bei größeren KGaA einem praktischen Bedürfnis entsprechen mag, können diese ein Widerspruchsrecht nur im Rahmen ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs geltend machen.329 Bloße interne Arbeitsverteilungsabsprachen hindern

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321 Anders noch die – allerdings streitige – Rechtslage vor 1937, vgl §§ 325 Nr 5, 238 HGB aF und Sußmann S 48; Staub HGB6/7 § 320, 83 mwN. AA Koenig S 29. 322 Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 4; MünchKommHGB/Rawert4 § 115, 30 mwN. Näher unten Rdn 129. 323 Soweit ein Stimmverbot besteht, vgl § 285 Rdn 49, entfällt auch das Widerspruchsrecht, vgl Matthießen Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989, S 106 mwN. 324 S Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 2; MünchKommHGB/Rawert4 § 115, 11 mwN. 325 Das ist ganz hM. S etwa KK/Mertens/Cahn3 90; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 5; Sethe S 144; Spindler/Stilz/Bachmann4 57. AA noch Geßler/Semler1 137 (Ausschluss des Widerspruchsrechts nur zulässig für „bestimmte Maßnahmen oder Handlungen“). Diese Auffassung wurde in den Folgeauflagen aufgegeben, MünchKomm/Perlitt5 226 aE. 326 BGH 22.2.1960 – VII ZR 83/59, NJW 1960, 963 f; Baumbach/Hopt31 § 115, 7; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 3. AA Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 7; Großkomm HGB/Schäfer5 § 115, 26; MünchKommHGB/Rawert4 § 115, 41 mwN. 327 Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 4. 328 Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 2; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 3; Röhricht/ Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 115, 5. 329 Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 115, 2 mwN.

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den einzelnen Geschäftsführer jedoch nicht, Widerspruch zu erheben.330 Der Widerspruch ist vor der Ausführung der fraglichen Geschäftsführungsmaßnahme gegenüber dem Komplementär, dessen Maßnahme widersprochen werden soll, zu erklären, wobei es ausreicht, dass sich der Widerspruch konkludent aus den Ausführungen des Widersprechenden ergibt.331 Auch für den Fall, dass ein Widerspruch nicht zu erwarten ist, bleibt deshalb jeder einzeln geschäftsführungsbefugte Komplementär oder die gesamtgeschäftsführungsbefugten Komplementäre außer bei Gefahr im Verzug verpflichtet, die übrigen Geschäftsführer über die geplante Maßnahme zu informieren.332 Unterbleibt die Vorabinformation, ist das Geschäft, soweit dies ohne Schädigung der Gesellschaft möglich ist, rückgängig zu machen, falls widersprochen worden wäre333 oder nachträglich widersprochen wird.334 Das Widerspruchsrecht ist als Teil der Geschäftsführungsbefugnis nur im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens im Interesse der Gesellschaft auszuüben; ein treuwidrig erhobener Widerspruch ist unbeachtlich.335 Dem Geschäftsführer muss die Möglichkeit eröffnet werden, die Treuwidrigkeit eines Widerspruchs, die sich auch aus dessen Inhalt ergeben kann, zu überprüfen. Deshalb wird man eine Begründung des Widerspruchs, die zumindest die der Erhebung des Widerspruchs zugrundeliegenden wesentlichen Gesichtspunkte erkennen lassen muss, allgemein für erforderlich halten dürfen.336 129 Ein ordnungsgemäß geltend gemachter und beachtlicher Widerspruch hat zur Folge, dass die fragliche Geschäftsführungsmaßnahme, soweit die Satzung nicht ein anderes bestimmt, unterbleiben muss (§ 115 Abs 1 Hs 2 HGB). Die Maßnahme kann auch nicht unter Berufung darauf durchgeführt werden, dass Gefahr im Verzuge sei.337 Wird ein Rechtsgeschäft trotz des Widerspruchs durchgeführt, so kommt dieses „nach außen“ gleichwohl wirksam zustande,338 es sei denn, es liegt ein Fall kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Geschäftsführer und dem Vertragspartner vor.339 Ungeachtet der Wirksamkeit des Geschäfts nach außen haftet der Komplementär, der den Widerspruch schuldhaft340 missachtet und so seine Geschäftsführungsbefugnis (und seine Kompetenzgrenzen) überschritten hat, der Gesellschaft gemäß § 283 Nr 3, 93 auf Schadensersatz (so Rdn 55, 55a), wozu nach § 249 BGB in erster Linie die Pflicht zur Rückgängigmachung

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330 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 3. 331 Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 2. 332 Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 1; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 2; Röhricht/ Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 115, 4. 333 So Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 1 (zu den Rechtsfolgen § 115, 4). 334 Ebenso Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 3 f. 335 Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 3; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 3; MünchKomm/Perlitt5 203 f (anders noch Geßler/Semler1 124: Widerspruch soll lediglich nach § 243 anfechtbar sein). Der schuldhaft treuwidrig erhobene Widerspruch macht den Widersprechenden schadensersatzpflichtig. 336 Für eine generelle Begründungspflicht BGH 24.1.1972 – II ZR 3/69, NJW 1972, 862, 863; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 3; Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 115, 6; Baumbach/Hopt/ Roth39 § 115, 2. AA MünchKommBGB/Schäfer7 § 709, 44, wonach (allerdings wenig praktikabel) eine Begründungspflicht „umso eher zu bejahen [sei], je mehr sein Verhalten den Anschein erweckt, von sachfremden Erwägungen beeinflusst zu sein.“ 337 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 4 (Ausnahme: notwendige Maßnahmen zur Erhaltung eines Gegenstands nach § 744 Abs 2 BGB). 338 S die Nachw oben Fn 322. 339 Su Rdn 163 und Fn 401. 340 Fehlte im Falle einer Begründungspflicht, die nach hier vertretener Ansicht (s Rdn 128 bei Fn 336) generell zu bejahen ist, dem Widerspruch die erforderliche Begründung, so ist dem betroffenen Komplementär die Durchführung der Geschäftsführungsmaßnahme nicht vorzuwerfen. Seine Haftung entfällt deshalb auch dann, wenn sich im Nachhinein die Berechtigung des Widerspruchs herausstellt; Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 4.

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des fraglichen Geschäfts im Rahmen des Möglichen gehört, es sei denn, dies liegt nicht im Interesse der Gesellschaft. Die Pflicht zur Rückgängigmachung des Geschäfts,341 auf das sich der Widerspruch bezog, trifft den fraglichen Komplementär im Übrigen aber auch aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der Gesellschaft, dh aufgrund einer entsprechenden Geschäftsführungspflicht. In diesem Rahmen kann sich uU eine Mitwirkungspflicht der anderen geschäftsführungsbefugten Komplementäre ergeben. Auf jeden Fall sind die übrigen Komplementäre berechtigt, die Folgen der von dem Widerspruch betroffenen Maßnahmen rückgängig zu machen,342 vorausgesetzt, dies liegt im Interesse der Gesellschaft. Die vorstehend angeführten Rechtsfolgen gelten entsprechend auch für den Fall, dass es der Geschäftsführer versäumt hat, die übrigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter rechtzeitig über eine Geschäftsführungsmaßnahme zu informieren.343 Der berechtigte Widerspruch gegen eine Geschäftsführungsmaßnahme löst einen Anspruch der Gesellschaft auf Unterlassung der Maßnahme aus, den der Widersprechende als zur Geschäftsführung berechtigter Komplementär oder ein anderer geschäftsführungsbefugter Komplementär, ggf auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, gerichtlich durchsetzen kann.344 Ein Widerspruch hiergegen ist unbeachtlich, da gegen den Widerspruch eines Komplementärs kein Widerspruch möglich ist345 und der Unterlassungsanspruch lediglich eine rechtliche Folge des Widerspruchs darstellt. d) Beschlussfassung. Bei der statutarischen Anordnung der Gesamtgeschäftsfüh- 130 rung bedürfen Geschäftsführungsmaßnahmen der Zustimmung aller geschäftsführungsbefugten Komplementäre (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 115 Abs 2 HGB). Gleiches gilt für die Bestellung eines Prokuristen (§ 116 Abs 3 HGB). Die Satzung der KGaA kann hiervon abweichende Regelungen treffen:346 So kön- 131 nen einzelne Geschäfte ganz von der Zustimmungspflicht aller Komplementäre ausgenommen werden; auch kann die Satzung anordnen, dass an Stelle des Einstimmigkeitsprinzips (in allen oder speziellen Angelegenheiten) die einfache oder eine qualifizierte Mehrheit der Stimmen entscheiden soll; in diesem Zusammenhang kann die Satzung vorsehen, die Mehrheit der Stimmen nicht nach der Zahl der Gesellschafter (§ 119 Abs 2 HGB) zu berechnen, sondern das Gewicht der einzelnen Stimme von der Höhe der vom jeweiligen Komplementär eingebrachten Vermögenseinlage abhängig zu machen; des Weiteren kann die Satzung ein spezifisches Beschlussfassungsverfahren vorsehen; und schließlich ist es denkbar, dass die Satzung im Falle der Einzelgeschäftsführung bestimmte Maßnahmen der Zustimmung aller oder eines bestimmten Quorums der Stimmen der geschäftsführungsbefugten Komplementäre unterwirft. Nicht zu beanstanden ist es auch, wenn durch die Satzung einzelnen Komplemen- 132 tären bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Geschäftsführung ein Alleinentscheidungsrecht eingeräumt wird.347 Zwar ist eine solche Regelung nach § 77 Abs 1 Satz 2

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341 So im Ergebnis, allerdings ohne eine spezifische Rechtsgrundlage zu benennen, auch Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 4; Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 115, 7. 342 Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 4; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 4; Röhricht/ Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 115, 7. 343 BGH 19.4.1971 – II ZR 159/68, BB 1971, 759; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler9 § 115, 4; Röhricht/ Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 115, 7. 344 Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 4; Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 115, 7. 345 BGH 19.4.1971 – II ZR 159/68, BB 1971, 759; Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 2 aE; Koller/Kindler/Roth/ Drüen/Kindler9 § 115, 3. 346 Zum folgenden Baumbach/Hopt/Roth39 § 115, 7; Hüffer/Koch1419; MünchKomm/Perlitt5 226. 347 Ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 6.

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unzulässig, doch ergibt der Umkehrschluss aus § 283, dass dieses Verbot nur für die AG und nicht auch für die KGaA gilt. Die Satzung kann im Übrigen eine Unterteilung der Zuständigkeiten der Geschäfts133 führer nach Ressorts vorschreiben, die entweder in alleiniger Verantwortung des jeweiligen Gesellschafters oder unter Mitwirkung von anderen Geschäftsführern oder Prokuristen zu führen sind. Enthält die Satzung keine diesbezüglichen Anordnungen, so können die Komplementäre entsprechende Zuständigkeitsregelungen auch in einer Geschäftsordnung treffen (s Rdn 135 f). Bei der Beschlussfassung gilt die Stimmenthaltung als Ablehnung.348 Treue134 pflichten können die Zustimmung zu einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen gebieten. Auch eine treuwidrig verweigerte Zustimmung darf allerdings nicht ohne Weiteres als Zustimmung behandelt werden. Vielmehr ist es auch hier erforderlich, den die Zustimmung treuwidrig verweigernden Geschäftsführer auf Zustimmung zu verklagen. e) Geschäftsordnung. In dem durch Gesetz oder Satzung vorgegebenen Rahmen der Geschäftsführung steht den geschäftsführungsbefugten Komplementären die Befugnis zum Erlass einer Geschäftsordnung und zur Regelung der Geschäftsverteilung zu. Sofern keine abweichende Satzungsregelung erfolgt, entscheiden sie – da dieser Beschlussgegenstand unter Abs 2 fällt – einstimmig.349 Weder die Hauptversammlung noch der Aufsichtsrat350 können die diesbezügliche Kompetenz der Komplementäre an sich ziehen, es sei denn, die Satzung räumt ihnen ein solches Recht ein.351 136 Die Komplementäre haben jedoch nicht nur das Recht, sondern, wie sich aus §§ 283 Nr 3, 93 ergibt, auch die Pflicht zur sachgerechten Organisation der Geschäftsführung. Gleich, ob man die Geschäftsverteilung als bloßen Organisationsakt oder als eigenständige Maßnahme der Geschäftsführung begreift,352 müssen die Komplementäre bei entsprechendem Geschäftsumfang eine Zuständigkeitsverteilung festlegen, um ihren Organisationspflichten nachzukommen.353 Die Beschlussfassung über den Erlass bzw die Änderung der Geschäftsordnung erfolgt nach Maßgabe der Satzung oder, in Ermangelung einschlägiger Satzungsregelungen, nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 119 HGB. § 77 Abs 2 Satz 3 findet keine Anwendung.354 135

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f) Selbstorganschaft, Unzulässigkeit der Fremdgeschäftsführung, Geschlechterquote. Für die KGaA gilt aufgrund der Regelung in Abs 2 iVm §§ 164, 161 Abs 2, 114 HGB der Grundsatz der Selbstorganschaft (s schon Vor § 278 Rdn 65). Danach ist die Vereinbarung von Fremdgeschäftsführung (und damit auch die Bestellung Dritter zu Vertretern) unzulässig.355 Der Zweck dieser Regelung besteht darin, einerseits die Gesell-

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348 S die Nachw oben Rdn 110 in Fn 287. 349 KK/Mertens/Cahn3 70; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 55; aA Bürgers/Fett/ Reger § 5, 108. 350 § 77 Abs 2, der es dem Aufsichtsrat gestattet, eine Geschäftsordnung für den Vorstand zu erlassen, ist auf die KGaA nicht anwendbar; s etwa MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 6; Sethe S 153. 351 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 6; MünchKomm/Perlitt5 78; Hüffer/Koch14 12; KK/Mertens/Cahn3 70, 72; Sethe S 153; Spindler/Stilz/Bachmann4 55. 352 So MünchKomm/Perlitt5 78. 353 S § 283 Rdn 20; MünchKomm/Perlitt5 78. 354 S soeben Fn 350. 355 OLG Köln 5.5.1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18; Bürgers/Fett/Reger § 5, 96; Godin/Wilhelmi4 13; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 3; Hüffer/Koch14 19a; MünchKomm/Perlitt5 229; KK/Mertens/Cahn3 89, 94, 98; Pallenbach S 95; Spindler/Stilz/Bachmann4 58. AA offenbar Schreiber S 111 (allerdings ohne nähere Ausführungen). Einen zeitweisen Verzicht auf diesen Grundsatz hält RG 24.10.1910 – I 79/10, RGZ 74, 297, 300 f für möglich, s dazu § 289 Rdn 137 ff.

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schafter angesichts ihrer persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegen fremdbestimmte Risiken abzusichern und andererseits den Rechtsverkehr dahingehend zu schützen, dass nur persönlich haftende und damit verantwortungsvoll handelnde Gesellschafter als organschaftliche Vertreter zugelassen sind. Gegen die Annahme eines zwingenden Grundsatzes der Selbstorganschaft ist neben zahlreichen anderen Bedenken vor allem vorgebracht worden, er sei schon deshalb verfehlt, weil sich die mit ihm verfolgten Ziele nicht erreichen ließen.356 Die bislang herrschende Ansicht hält jedoch an ihm fest. Folge des Prinzips der Selbstorganschaft ist, dass die Gesellschafter der KGaA nicht 138 alle Komplementäre von der Geschäftsführung und Vertretung ausschließen und diese Aufgaben einer gesellschaftsfremden Person übertragen können.357 In der Praxis häufig anzutreffen und von der Rechtsprechung für zulässig erachtet ist der Abschluss eines auf die Erfüllung von Leitungsfunktionen in der Gesellschaft gerichteten Dienstvertrags mit einem Dritten, dem weitreichende Vollmachten (etwa in Gestalt einer Prokura, einer Generalvollmacht oder einer Handlungsvollmacht) erteilt werden,358 soweit daneben noch mindestens ein Gesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsbefugt ist, dem das jederzeitige Eingreifen in Form des Entzugs der Vollmacht möglich ist.359 Nicht zu beanstanden ist auch die Aufnahme sog Geschäftsführer-Komplementäre, deren Komplementärstellung regelmäßig befristet, von Einlagepflichten frei und typischerweise mit einer Haftungsfreistellungszusage (so Rdn 69) verbunden ist.360 Auf die KGaA ist – mangels Vorhandenseins eines Vorstands und der Geltung des 138a Grundsatzes der Selbstorganschaft – die Regelung des § 111 Abs 5 nicht anzuwenden, wonach der Aufsichtsrat eine Zielgröße für die Geschlechterquote im Vorstand festzulegen hat (vgl § 287 Rdn 20a; zur Ausnahme der aufsichtsratsdominierten KGaA ebd). Das entbindet die Unternehmensleitung einer börsennotierten oder mitbestimmten KGaA nach dem Willen des Gesetzgebers aber nicht von der aus §§ 278 Abs 3, 76 Abs 4 folgenden Pflicht,361 für die beiden – unterhalb der Geschäftsführung angesiedelten – obersten Management-Ebenen Zielvorgaben zur Erreichung einer Geschlechterquote festzulegen.362 Ob diese Vorgabe für die KGaA überzeugt, hängt davon ab, welchen Zweck man der Regelung beimisst. Begreift man sie als Vorgabe, um für das zahlenmäßig unterlegene Geschlecht ein Sprungbrett in den Vorstand zu schaffen, wird man eine Übertragung auf die KGaA angesichts des Grundsatzes der Selbstorganschaft als wenig sinnvoll ansehen müssen. Ordnet man die Regelung dagegen zutreffend als Möglichkeit ein, das zah-

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356 Zur KGaA Sethe S 146 f; Linden S 16 ff. Generell Teichmann Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S 116 ff; H P Westermann Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S 328 ff; 443 ff; Helm/Wagner BB 1979, 225 ff; Barbasch Ausgewählte Probleme der „großen Familienkommanditgesellschaft“, 1989, S 254 ff. Sa Bundesministerium der Justiz (Hrsg) Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980, Rdn 716 ff. 357 MünchKomm/Perlitt5 229. Zum Wegfall des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters s § 289 Rdn 137 ff. 358 BGH 22.1.1962 – II ZR 11/61, BGHZ 36, 292, 295; BGH 16.11.1981 – II ZR 213/80, NJW 1982, 877, 878; Bürgers/Fett/Reger § 5, 96; Baumbach/Hopt/Roth39 § 114, 24; Spindler/Stilz/Bachmann4 58. 359 So speziell zur KGaA OLG Köln 5.5.1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18. 360 Ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 3; K Schmidt in: FS Forstmoser, 2003, S 94. Vgl im Einzelnen BGH 19.9.2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 („Managermodell“); BGH 19.9.2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107 („Mitarbeitermodell“). 361 Die erste Festlegung der Zielgröße hatte bis zum 30.9.2015 zu erfolgen; die Frist zu deren Erreichung durfte nicht länger als bis zum 30.6.2017 dauern, vgl §§ 26, 25 Abs 1 EGAktG nF. 362 So ausdrücklich der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 18/4227, S 22; vgl o Kort § 76, 328; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 441a; Grobe AG 2015, 299; Hüffer/Koch14§ 76, 67; JohannsenRoth/Kießling in: FS Marsch-Barner, 2018, S 276 ff; Spindler/Stilz/Fleischer4 § 76, 143; Stüber DStR 2015, 952.

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lenmäßig unterlegene Geschlecht innerhalb der Unternehmenshierarchie generell zu fördern, ist die Erstreckung auf die KGaA sinnvoll. Allerdings erscheint die gesetzessystematische Einordnung wenig gelungen, denn an sich regelt § 283, welche Vorstandspflichten auf die Geschäftsführung der KGaA zu erstrecken sind. Anstelle des Hinweises des Gesetzgebers auf § 278 Abs 3363 wäre also der Verweis auf § 76 Abs 4 gesetzessystematisch besser in § 283 platziert worden (s § 283 Rdn 4). Die notwendige Transparenz über die Ziele und ihre Erreichung wird über die Berichterstattung im Rahmen der Rechnungslegung erreicht (vgl nur § 289f Abs 3, Abs 2 Nr 4 bzw Abs 4 HGB).364 Die Vorschrift des § 76 Abs 4 gilt für eine Komplementärgesellschaft der KGaA nur dann, wenn sie selbst die Voraussetzungen der Norm erfüllt; folglich ist eine entsprechende Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf eine nichtbörsennotierte oder nichtmitbestimmte Komplementärgesellschaft angesichts des klaren Wortlauts der Regelung und der im Gesetz der fehlenden Regelung für Typenvermischungen ausgeschlossen.365 Dies steht einer freiwilligen Anwendung der Regelung allerdings nicht im Wege. Auf längere Sicht sollte der Gesetzgeber hier nachbessern.366 g) Kontrollkompetenzen. Jedem Komplementär, gleich ob er geschäftsführungsbefugt ist oder nicht, stehen die Kontrollrechte aus § 118 HGB zu. Diese sind im Wesentlichen Informationsrechte und umfassen die Befugnisse, sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich zu unterrichten, die Handelsbücher und die Papiere der Gesellschaft einzusehen und sich aus diesen eine Bilanz und einen Jahresabschluss anzufertigen. Dazu kann sich der Komplementär auch geeigneter sachverständiger Hilfspersonen bedienen.367 Anspruchsgegner sind sowohl die Gesellschaft als auch deren geschäftsführungsbefugte Komplementäre.368 Diese sind verpflichtet, dem Anspruchsteller oder den von ihm beauftragten Hilfspersonen die Ausübung der sich aus § 118 HGB ergebenden Informationsrechte zu ermöglichen. Zu einem Auskunftsrecht erstarken die Kontrollrechte aus § 118 HGB nur, wenn die zur Verfügung gestellten Unterlagen aus sich selbst heraus unverständlich, lückenhaft oder widersprüchlich sind.369 Die Kontrollrechte aus § 118 HGB können nach Maßgabe von § 118 Abs 2 HGB durch die Satzung oder durch einstimmigen Beschluss der Komplementäre ausgeschlossen oder beschränkt werden, wobei der Ausschluss oder die Beschränkungen nur in dem Ausnahmefall unbeachtlich sind, dass Grund zur Annahme unredlicher Geschäftsführung besteht.370 Der Gesamtheit der Kommanditaktionäre steht gegen die Geschäftsführung das 140 Kontrollrecht aus § 166 HGB zu, doch erlangt dieses Recht aufgrund der weitreichenden aktienrechtlichen Minderheiten- und Auskunftsrechte der Kommanditaktionäre in der Hauptversammlung (§§ 131, 142 ff, 147, 258 Abs 2) kaum praktische Bedeutung.371 139

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363 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 18/4227, S 22. 364 So Kort § 76, 396 ff. 365 Fromholzer/Simons AG 2015, 459; Hüffer/Koch14 § 111, 56; Johannsen-Roth/Kießling in: FS Marsch-Barner, 2018, S 276 ff; Vollertsen 486 ff; aA Frodermann/Janott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 189; Spindler/Stilz/Bachmann4 40c und § 283, 2 (der allerdings allerlei Hürden überwinden muss, um eine Personalverantwortung der KGaA für die Komplementärgesellschaft zu begründen). 366 Ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 40c. 367 S etwa Baumbach/Hopt/Roth39 § 118, 9. Die Ausübung der Kontrollrechte aus § 118 HGB durch sonstige Bevollmächtigte des Gesellschafters ist nur mit Zustimmung der übrigen Komplementäre zulässig; s Baumbach/Hopt/Roth39 § 118, 8. 368 Baumbach/Hopt/Roth39 § 118, 1 mwN. AA offenbar Wiedemann Gesellschaftsrecht I, 1988, S 290. 369 S etwa BGH 8.2.2018 – III ZR 65/17, ZIP 2018, 1183, 1186; Baumbach/Hopt/Roth39 § 118, 7. 370 S dazu und zu Einzelheiten oben Rdn 105. 371 So Rdn 101 sowie § 285 Rdn 15.

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Gemäß Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, §§ 713, 666 BGB schulden die geschäftsführungsbefugten Komplementäre der Gesellschaft Rechenschaft und Auskunft. Dieses Recht stellt kein Individualrecht dar, kann aber von den einzelnen Komplementären oder der Gesamtheit der Kommanditaktionäre im Wege der actio pro socio durchgesetzt werden.372 Ausgeschiedenen Komplementären steht das Einsichtsrecht nach § 810 BGB zu.373 Über diese vom Gesetz ausdrücklich angeordneten Tatbestände hinaus gilt auch für die KGaA das Prinzip der Gesamtverantwortung aller Organmitglieder für die Geschäftsführung. Eine mehrköpfige Geschäftsführung ist daher zur Selbstkontrolle verpflichtet.374 Die geschäftsführungsbefugten Komplementäre müssen ihre Mitgeschäftsführer über alle wesentlichen Vorgänge in ihren Ressorts unterrichten. Ggf dürfen die Komplementäre die Geschäftsunterlagen ihrer Kollegen einsehen. Neben der unmittelbaren Kontrolle durch die Komplementäre und die Kommanditaktionäre obliegt dem Aufsichtsrat als Kontrollorgan die Überwachung der Geschäftsführung.375

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h) Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und den geschäftsführungsbe- 145 fugten Gesellschaftern über deren Tätigkeit als Geschäftsführer. Die Tätigkeit der geschäftsführungsbefugten Komplementäre ist häufig Gegenstand eines Tätigkeitsvertrags zwischen der KGaA und den jeweiligen persönlich haftenden Gesellschaftern der Gesellschaft. Zu diesbezüglichen Fragen s Rdn 74 ff. Die Geschäftsführer der KGaA können eine Vergütung ihrer Tätigkeit nur dann 146 verlangen, wenn die Satzung eine entsprechende Regelung enthält oder aufgrund einer entsprechenden Satzungsermächtigung eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem jeweiligen geschäftsführungsbefugten Komplementär geschlossen wurde. Zu diesbezüglichen Einzelheiten s Rdn 74 ff; § 288 Rdn 76 ff; zur Herabsetzung der Vergütung s § 288 Rdn 93 ff. i) Geschäftsführung und Organisationsverfassung: Realtypen der KGaA und 147 Geschäftsführungsregelung. Die durch Abs 2 iVm §§ 164, 161 Abs 2, 114–118 HGB eröffneten und vorstehend dargestellten weitreichenden Gestaltungsfreiheiten in Bezug auf die Geschäftsführung der KGaA wirken sich, je nachdem wie sie im Einzelfall genutzt werden, auch auf die Organisationsverfassung der Gesellschaft aus. Tatsächlich verhält es sich allerdings regelmäßig eher so, dass bestimmte Vorstellungen von der zu verwirklichenden Organisationsverfassung die Nutzung der Gestaltungsfreiheiten in Bezug auf die Geschäftsführung beeinflussen. In der Praxis sind es im Wesentlichen drei Realtypen, welche diesen Zusammenhang zwischen der Organisationsverfassung der KGaA einerseits und der vom dispositiven Gesetzesrecht abweichenden Gestaltung der Geschäftsführung andererseits auf bestimmte Grundmuster festlegen: (1) die hauptversammlungsdominierte KGaA, (2) die aufsichtsrats- oder beiratsdominierte KGaA und (3) die komplementärdominierte KGaA.376 aa) Die hauptversammlungsdominierte KGaA. Nach der gesetzlichen Zuständig- 148 keitsverteilung des Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 116 Abs 2 HGB bedarf die Vornahme außerge-

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Baumbach/Hopt/Roth39 § 118, 12. S etwa Baumbach/Hopt/Roth39 § 118, 11 mwN. MünchKomm/Perlitt5 207 f (der dies aus der Treuepflicht ableitet); Hüffer/Koch14 § 77, 15, 15a. Ausführlich dazu § 287 Rdn 32 ff. S dazu schon Vor § 278 Rdn 142.

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wöhnlicher Geschäfte der Zustimmung aller Gesellschafter, dh auch der Gesamtheit der Kommanditaktionäre in der Hauptversammlung. In gleicher Weise, wie die Satzung das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung einzuschränken vermag,377 kann sie dieses auch ausweiten; § 119 Abs 2, demzufolge die Hauptversammlung nur entscheidungsbefugt ist, wenn der Vorstand der AG dies verlangt, findet auf die KGaA keine Anwendung.378 Die Folge einer solchen Satzungsgestaltung ist, dass die Hauptversammlung über die Geschicke der KGaA entscheidet und diese damit dominiert. Die Hauptversammlung wird durch eine solche Satzungsbestimmung zum obersten Organ der Gesellschaft. 149 Die Ausweitung der Zustimmungsrechte der Hauptversammlung findet sich in der Praxis vor allem in Fällen, in denen die Gesellschaft dem MitbestG unterliegt. Die hauptversammlungsdominierte KGaA bringt allerdings aufgrund der mitunter zeitraubenden Prozedur der Einberufung der Hauptversammlung den Nachteil einer Lähmung der Geschäftsführung mit sich. Praktikabel ist dieser Gesellschaftstypus deshalb nur bei einer KGaA mit einem kleinen und untereinander nicht zerstrittenen Gesellschafterkreis, weil allein unter dieser Voraussetzung die durch Abs 3 iVm § 121 Abs 6 eröffnete Möglichkeit einer „Vollversammlung“ genutzt werden kann, die Hauptversammlungsbeschlüsse über Geschäftsführungsmaßnahmen ohne Einhaltung der Bestimmungen der §§ 121–128 über die Einberufung der Hauptversammlung herbeizuführen. Ist der Kreis der Kommanditaktionäre dagegen größer, mag als nächstbeste Lösung die Übertragung der Zustimmungsrechte auf den Aufsichtsrat oder einen Beirat in Betracht gezogen werden (s Rdn 150 f). bb) Die aufsichtsrats- und beiratsdominierte KGaA. Soll der Gesamtheit der Kommanditaktionäre über das gesetzlich geregelte Maß hinausgehende Zustimmungsrechte gewährt, dabei aber die Lähmung der Geschäftsführung durch das aufwendige und mitunter auch kostspielige Verfahren der Einberufung der Hauptversammlung vermieden werden, bietet sich die Übertragung der Zustimmungsrechte auf den Aufsichtsrat oder ein fakultatives Organ, wie bspw einen Beirat (auch als Verwaltungsrat, Aktionärsrat, Gesellschafterausschuss bezeichnet) an.379 Die Kompetenzen des Aufsichtsrats, die sich im gesetzlichen Regelfall auf die reine Überwachung der Geschäftsführung beschränken, können damit erheblich erweitert werden.380 Entsprechendes gilt für den Beirat. Die Gesellschaft wird so zur aufsichtsrats- oder beiratsdominierten KGaA. 151 Dabei sind hinsichtlich der Art und des Umfanges der dem Aufsichtsrat/Beirat eröffneten Einflussnahmemöglichkeiten auf die Geschäftsführung unterschiedliche Abstufungen denkbar: (1) So mag sich die Satzung etwa darauf beschränken, die Kompetenzen des Aufsichtsrats bzw des Beirats der KGaA an diejenigen des Aufsichtsrats einer AG anzugleichen, dem nach § 111 Abs 4 Satz 2 Zustimmungsrechte zu bestimmten Arten von Geschäften eingeräumt werden müssen.381 (2) Die mittelbare Einflussnahmemöglichkeit der Gesamtheit der Kommanditaktionäre wird demgegenüber nochmals er-

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377 S dazu oben Rdn 113 ff. 378 S dazu oben Rdn 94, 111 und die Nachw in Fn 253 und § 285 Rdn 17. 379 Umfassend dazu Martens AG 1982, 113 ff; MünchKomm/Perlitt5 239 ff; Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251 ff; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627 ff. Sa § 287 Rdn 79 ff. 380 AA soweit ersichtlich nur Joens S 56, der unter Bezugnahme auf die § 111 Abs 4 Satz 1 AktG 1965 entsprechende Vorschrift des § 95 Abs 5 AktG 1937 eine Zuständigkeit des Aufsichtsrats für unzulässig hält und daher nur eine Übertragung der Rechte auf die Hauptversammlung für zulässig erachtet. Warum jedoch § 95 Abs 5 AktG 1937 anwendbar sein soll, begründet er nicht. Die Auslegung durch Joens widersprach schon der zum AktG 1937 bestehenden hM, vgl 1. Aufl Weipert § 229, 15. 381 KK/Mertens/Cahn3 92; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 650 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 58.

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weitert, wenn die Satzung dem Aufsichtsrat oder dem Beirat eine unternehmerische Mitwirkungsbefugnis auch bei bestimmten gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen zugesteht.382 (3) Darüber hinausgehend kann die Satzung auch vorsehen, dem Aufsichtsrat oder Beirat Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsführung in Bezug auf die Grundsätze der Geschäftspolitik einzuräumen.383 Allerdings kann die Weisungsbefugnis dieser Organe nie so weit reichen, dass das gesamte Tagesgeschäft von ihm mitentschieden wird, da dies weder mit der Funktion eines Überwachungsorgans noch mit dem Grundsatz der Selbstorganschaft vereinbar wäre.384 Für den Fall, dass die Geschäftsführung durch die Satzung an die Weisungen des Aufsichtsrats oder Beirats in Bezug auf die Grundsätze der Geschäftspolitik gebunden ist, kann auch das Vetorecht der persönlich haftenden Gesellschafter abbedungen werden.385 Eine solch weitgehende Einschränkung der Rechte der Komplementäre ist trotz ihrer persönlichen Haftung zulässig, soweit die Satzung die Rechtsstellung des Aufsichtsrats ausreichend deutlich umschreibt und solange den Komplementären die Erfüllung der ihnen nach § 283 obliegenden oder im öffentlichen Interesse bestehenden Pflichten möglich ist.386 cc) Die komplementärdominierte KGaA. Andererseits kann die Satzung aber auch 152 eine Erweiterung der Kompetenzen der geschäftsführungsbefugten Komplementäre vorsehen, indem das sich aus Abs 2 iVm § 164 Satz 1 Hs 2 HGB ergebende Zustimmungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäften abbedungen wird.387 Dieser Kompetenzgewinn der Komplementäre würde die Gesellschaft zu einer komplementärdominierten KGaA machen. dd) Folgen für die Vertretungsmacht. Die Regelung der Geschäftsführungsbefug- 153 nis beeinflusst jedoch nicht diejenige der Vertretungsmacht: Welches der vorstehenden Organisationsmodelle im Einzelfall auch immer verwirklicht sein mag, bleibt doch die Vertretungsmacht zwingend den Komplementären vorbehalten (s Rdn 137 f, 159). Der gesetzlich eröffnete Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Vertretungsregelung beschränkt sich vielmehr darauf, einzelne Komplementäre von der Vertretung ganz auszuschließen (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 125 Abs 1 HGB) oder die Vertretungsmacht gem Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 126 Abs 3, 50 Abs 3 HGB auf eine Niederlassung zu beschränken (su Rdn 162).

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382 MünchKomm/Perlitt5 234 ff; Vor § 278, 32. 383 BGH 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 106; OLG Köln 5.5.1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18 – jeweils „Herstatt“; KK/Mertens/Cahn3 58, 92; Fitting/Wlotzke/Wißmann MitbestG2 § 25, 60; Habersack/ Henssler/Habersack MitbestR4 § 25 MitbestG, 68. 384 OLG Köln 5.5.1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18; KK/Mertens/Cahn3 92; MünchKomm/Perlitt5 237. 385 Statt vieler KK/Mertens/Cahn3 58. 386 OLG Köln 5.5.1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18; MünchKomm/Perlitt5 225; KK/Mertens/Cahn3 92; Spindler/Stilz/Bachmann4 58; Fitting/Wlotzke/Wißmann MitbestG2 § 30, 32 f; Grafmüller S 125; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 186. Noch weitergehende Weisungsrechte will offenbar Martens ZHR 138 (1974) 179, 214 zulassen. Koenig S 18 hält nach den §§ 320, 325 HGB aF sogar den völligen Entzug der Geschäftsführungsbefugnis unter Übertragung auf den Aufsichtsrat für möglich, doch ist diese Ansicht heute wegen der Regelung in § 283 Nr 3 überholt. Grundsätzlich aA Reuter/Körnig ZHR 140 (1976) 494, 516, die zu weitgehende Weisungsrechte angesichts der persönlichen Haftung der Komplementäre iSv § 138 Abs 1 BGB für sittenwidrig halten. 387 Ausführlich 114 ff sowie MünchKomm/Perlitt5 223; Hennerkes/May StbJb 1988/89, 303, 309; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 185; Schlegelberger/Martens HGB5 § 114, 48 (für das Personengesellschaftsrecht); kritisch Binz FAZ 6.11.1995, S 24; entgegnend Sethe AG 1996, 289, 291 ff; wiederholend Binz/Sorg DB 1997, 313, 317.

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ee) Grenzen der Satzungsautonomie. Über die bereits dargelegten Schranken der Satzungsautonomie hinaus besteht eine weitere Grenze bei der Festlegung des Kreises der Geschäftsführer, der Regelung ihrer Zuständigkeiten sowie der Gestaltung der Organisationsverfassung in der Funktionsfähigkeit des Leitungsorgans. Vor allem müssen die Komplementäre in der Lage sein, ihre aus § 283 folgenden Pflichten eigenverantwortlich wahrzunehmen.388 Eine weitere Gestaltungsgrenze liegt im Erhalt der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats.389 3. Vertretung

a) Anwendbares Recht und vertretungsbefugte Organe. Wie sich aus der Formulierung des Abs 2 ergibt, betrachtet das Gesetz die Vertretung der Gesellschaft („Befugnis der persönlich haftenden Gesellschafter … zur Vertretung der Gesellschaft“) als Teil des Rechtsverhältnisses der persönlich haftenden Gesellschafter gegenüber Dritten, für das es die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft für anwendbar erklärt; einschlägig sind diesbezüglich § 170 HGB und §§ 161 Abs 2, 125–130 HGB (ohne § 125a HGB, s Rdn 103). Von dieser Regel gibt es jedoch eine Reihe von aktiengesetzlichen Ausnahmen (s Rdn 157), welche Umstände betreffen, in denen Interessenkonflikte bei der Vertretung auftreten können, weil es sich bei den „Dritten“ um Komplementäre handelt. Die Vertretung der Gesellschaft obliegt grundsätzlich den Komplementären der 156 KGaA: Nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 125 Abs 1 HGB ist jeder persönlich haftende Gesellschafter einzeln zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt, es sei denn, er ist durch die Satzung von der Vertretung ausgeschlossen oder an die Anordnung einer Gesamtvertretung nach Maßgabe von § 125 Abs 2 HGB gebunden. Die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist, gesetzlich zwingend, von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen (Abs 2 iVm § 170 HGB). 157 Um Interessenkollisionen bei der Vertretung der Gesellschaft auszuschließen, sieht das Gesetz eine hiervon abweichende Regelung vor, wenn es um Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit den aktuellen und den ehemaligen390 persönlich haftenden Gesellschaftern geht. In diesem Falle vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft (Abs 3 iVm § 112); hiervon abweichende Regelungen in der Satzung sind unzulässig.391 Nicht zuständig sind die vertretungsbefugten Komplementäre für Prozesse der Gesellschaft gegen die Komplementäre (§ 287 Abs 2 Satz 1).392 Auch bei Prozessen zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft nach § 147 können besondere Vertreter bestellt werden (§ 147 Abs 2). Bei Anfechtungsklagen der Kommanditaktionäre wird die Gesellschaft nach §§ 283 Nr 13, 246 Abs 2 durch Aufsichtsrat und vertretungsbefugte Komplementäre (§ 246 Abs 2 Satz 2) bzw eines dieser beiden Organe (§ 246 Abs 2 Satz 3) vertreten. Bei bestimmten Anmeldungen zum Handelsregister muss der Aufsichtsratsvorsitzende mitwirken (s bspw §§ 283 Nr 1, 184 Abs 1).393 Sind gegenüber der KGaA Willenserklärungen abzugeben oder Schriftstücke zuzu157a stellen (passive Vertretung) und verfügt sie vorübergehend weder über einen vertretungsberechtigten Komplementär noch über einen Notgeschäftsführer analog § 29 BGB 155

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388 389 390 391 392 393

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S § 283 Rdn 20; KK/Mertens/Cahn3 92; MünchKomm/Perlitt5 225, 236 f; sa Fn 386. Dazu § 287 Rdn 32 ff. BGH 29.11.2004 – II ZR 364/02, NZG 2005, 276 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 32. So Rdn 76 mit Nachw in Fn 206, sa § 287 Rdn 67 ff. S § 287 Rdn 57 ff. Hüffer/Koch14 16.

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(vgl § 289 Rdn 139 ff) oder einen Prozesspfleger, wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten: Da sich die Vertretung der KGaA nach Abs 2 und damit nach Personengesellschaftsrecht richtet, kann auf die Regel zurückgegriffen werden, dass die KG im Notfall (ein solcher liegt im Wegfall des einzigen Komplementärs) vorübergehend durch den Kommanditisten passiv vertreten werden darf, auch wenn dieser normalerweise nach § 170 HGB von der Vertretung ausgeschlossen ist.394 Da bei der KGaA der Kommanditist durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ersetzt wurde und diese wiederum durch den Aufsichtsrat vertreten wird (§ 287), ist dieser empfangszuständig (s § 287 Rdn 74a).395 Von der gesetzlich geregelten Vertretungsbefugnis kraft einer Organstellung (organ- 158 schaftliche Vertretungsbefugnis) ist diejenige kraft rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung zu unterscheiden. Die vertretungsbefugten Gesellschafter können deshalb nach den allgemeinen Vollmachtsregeln (§§ 164 ff BGB) Dritte (oder von der Vertretung ausgeschlossene Komplementäre) damit beauftragen, die Gesellschaft rechtsgeschäftlich zu vertreten396. Wiederum bildet allerdings der Grundsatz der Selbstorganschaft die Grenze des diesbezüglich Möglichen (s Rdn 159). b) Vertretungszuständigkeit der Komplementäre. Nach § 125 Abs 1 HGB ist jeder 159 Komplementär einzeln zur Vertretung befugt, sofern er nicht durch die Satzung von der Vertretung ausgeschlossen wurde (s Rdn 156). Da für die KGaA der Grundsatz der Selbstorganschaft gilt (s Rdn 137 f), wäre es unzulässig, alle Komplementäre von der Vertretung auszuschließen und die organschaftliche Vertretungsmacht auf Dritte oder andere Organe der Gesellschaft zu übertragen, denn die Gesellschaft würde auf diese Weise jeglicher gesetzlicher Vertretung beraubt. Wie bei der KG (und OHG) lehnt deshalb die hM eine solche Gestaltung auch für die KGaA ab.397 Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft liegt dagegen vor, wenn eine juristische Person alleinige Komplementärin der KGaA ist und die gesetzlichen Vertreter derselben die Aufgaben der Komplementärin der KGaA in der Vertretung der Gesellschaft übernehmen.398 Abweichend vom gesetzlichen Regelfall der Einzelvertretung kann die Satzung 160 nach Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 125 Abs 2 HGB Gesamtvertretung vorsehen: sei es dergestalt, dass alle Komplementäre nur zusammen vertretungsbefugt sind oder sei es so, dass lediglich für bestimmte Komplementäre eine Gesamtvertretung angeordnet wird. Die zur Gesamtvertretung befugten Gesellschafter können aber einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 125 Abs 2 Satz 2 HGB). Die Ermächtigung bewirkt, dass der Ermächtigte partiell zum organschaftlichen Alleinvertreter wird.399 Zulässig ist es auch, die Vertretungsbefugnis eines vertretungsberechtigten Komplementärs an die Mitwirkung eines Pro-

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394 MünchKommHGB/Grunewald3 § 164, 20, § 170, 7; Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Mock5 § 170, 6; Großkomm HGB/Thiessen4 § 170, 100. Weitergehend noch die Ansicht von Bergmann ZIP 2006, 2064 ff, wonach § 170 HGB nicht zwingend sei. 395 Im Ergebnis ebenso BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, ZIP 2020, 1118 Rdn 53; MünchKomm/Perlitt5 260; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 80a, die allerdings Abs 3 iVm § 78 Abs 1 Satz 2 anwenden wollen. 396 S etwa MünchKomm/Perlitt5 247; Schlitt S 159 f. 397 Für die Personengesellschaften s BGH 25.5.1964 – II ZR 42/62, BGHZ 41, 367, 369; Baumbach/Hopt/ Roth39 § 125, 5. Für die KGaA s etwa MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 30; KK/Mertens/Cahn3 76; MünchKomm/ Perlitt5 248; Schlitt S 159. Kritisch dazu Sethe S 146 f. 398 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 397. 399 Baumbach/Hopt/Roth39 § 125, 17; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 125, 44; die dogmatische Einordnung dieses Vorgangs ist umstritten, vgl den Überblick bei Schwarz NZG 2001, 529 ff.

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kuristen zu binden (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 125 Abs 3 HGB; sog unechte Gesamtvertretung). Bei der KGaA sind, aufgrund ausdrücklicher Regelung in § 282 Satz 2, nicht nur Ab161 weichungen von der gesetzlichen Regel der Einzelvertretung der Komplementäre (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 125 Abs 1 HGB) bei der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister anzumelden, sondern die tatsächlichen Vertretungsbefugnisse der persönlich haftenden Gesellschafter (s § 282 Rdn 1, 11). Nachfolgende Änderungen in den Vertretungsverhältnissen sind nach §§ 283 Nr 1, 81 zum Handelsregister anzumelden.400 c) Umfang der Vertretungsbefugnis der Komplementäre. Der Umfang der Vertretungsmacht der Komplementäre bestimmt sich gem Abs 2 nach den für die KG geltenden Vorschriften der §§ 161 Abs 2, 126 HGB. Die Vertretungsmacht erstreckt sich somit auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtshandlungen einschließlich der Grundstücksgeschäfte sowie der Erteilung und des Widerrufs einer Prokura. Unerheblich ist, ob es sich dabei um Geschäfte handelt, die der Betrieb der fraglichen Gesellschaft gewöhnlich mit sich bringt oder nicht. Nach § 126 Abs 2 HGB kann der Umfang der Vertretungsmacht Dritten gegenüber nicht beschränkt werden. Eine Ausnahme enthalten die §§ 126 Abs 3, 50 Abs 3 HGB, wonach die Vertretungsmacht auf eine Niederlassung beschränkt werden kann, wenn die Niederlassungen unter verschiedenen Firmen geführt werden. Von der Frage des rechtlichen Könnens im Außenverhältnis (Vertretungsmacht) ist 163 die des rechtlichen Dürfens im Innenverhältnis zu trennen. Vor der Durchführung eines Geschäfts muss der Gesellschafter deshalb stets prüfen, ob ihm für dieses auch die entsprechende Geschäftsführungsbefugnis zusteht und eventuelle Zustimmungserfordernisse, wie bspw solche aus § 116 Abs 2 und 3 HGB, zu berücksichtigen sind. Überschreitet er seine Geschäftsführungsbefugnis oder missachtet er eventuelle Zustimmungsvorbehalte, so kann dies eine Schadensersatzpflicht aus §§ 283 Nr 3, 93 nach sich ziehen (so Rdn 55, 55a). Sind dem Geschäftspartner diese Umstände bekannt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt, muss er den daraus folgenden Missbrauch der Vertretungsmacht seitens des Komplementärs gegen sich gelten lassen. 401 Der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht nach § 126 Abs 2 HGB lässt das Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB unberührt. Neben diesen allgemeinen Beschränkungen der Vertretungsbefugnis sieht das Ge164 setz auch bei bestimmten Geschäften Einschränkungen der Vertretungsmacht der Komplementäre vor und passt insoweit die Vertretungsbefugnis der Komplementäre derjenigen des Vorstands einer AG an: So ist nach § 283 Nr 5 iVm § 89 im Falle der Kreditgewährung an persönlich haftende Gesellschafter die Zuständigkeit des Aufsichtsrats begründet. Gleiches gilt gemäß § 32 MitbestG402 für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen einer Konzernobergesellschaft. Bei Anfechtungsklagen gegen die Gesellschaft wird diese nach § 283 Nr 13 iVm § 246 Abs 2 von den Komplementären und vom Aufsichtsrat vertreten. Dagegen ist die Hauptversammlung zuständig, wenn es um den Verzicht auf Ersatzansprüche nach §§ 50, 53 Satz 1, 283 Nr 8 iVm 93 Abs 4, 117 Abs 4, um 162

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400 S § 282 Rdn 12. AA Hüffer/Koch14 14, der Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 125 Abs 4 HGB anwenden will. 401 BGH 5.11.2003 – VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139, 140; Baumbach/Hopt/Roth39 § 126, 11; Röhricht/ Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 126, 8; Hüffer/Koch14 14. Sa oben Rdn 129. 402 Ob die Norm nur die Geschäftsführungsbefugnis oder die Vertretungsbefugnis erfasst, ist streitig, s Oetker § 32 MitbestG 9 f; KK/Mertens/Cahn3 Anh § 117 B § 32 MitbestG, 14 mwN.

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Nachgründungsvorgänge (§ 52) oder um eine Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsvermögens nach § 179a403 geht. 4. Entzug der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis a) Gesetzliche Voraussetzungen. Die Voraussetzungen, unter denen einem Kom- 165 plementär die Befugnis zur Geschäftsführung und/oder Vertretung entzogen werden kann, richten sich nach den gem Abs 2 anwendbaren Bestimmungen der §§ 161 Abs 2, 117, 127 HGB.404 Sowohl die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis als auch diejenige der Vertretungsbefugnis ist aufgrund dieser Vorschriften nur durch gerichtliche Entscheidung möglich. Das Gericht hat einem diesbezüglichen Antrag unter zwei Voraussetzungen zu entsprechen: (1) Erforderlich ist zunächst ein entsprechender Antrag der übrigen Gesellschafter (s a § 283 Rdn 27). Dies wiederum setzt einen diesbezüglichen Beschluss der anderen Gesellschafter, dh der Zustimmung sämtlicher der übrigen Komplementäre und eines mit Mehrheit405 zu fassenden Beschlusses der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Hauptversammlung), voraus.406 Ist der betroffene Komplementär zugleich Kommanditaktionär, ist sein Stimmrecht ausgeschlossen.407 Wurden entsprechende Beschlüsse gefasst, ist der Antrag auf Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis eines Komplementärs vom Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft (§ 112) zu stellen.408 (2) Nachzuweisen ist darüber hinaus das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Als Regelbeispiele für einen wichtigen Grund führt das Gesetz grobe Pflichtverletzungen409 und die Unfähigkeit zur Geschäftsführung410 an. Ist eine juristische Person geschäftsführungs- und/oder vertretungsbefugte Komplementärin, muss sie sich das Verhalten ihrer Organe411 und ggf ihres Mutterunternehmens oder jeweiligen Tochterunternehmens zurechnen lassen.412 Bei seiner Entscheidung über die Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder Ver- 166 tretungsbefugnis hat das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.413 (1) Für den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis hat dies zur Folge, dass das Gericht statt eines völligen Entzugs der Geschäftsführungsbefugnis eine Beschränkung auf bestimmte Geschäfte oder einen Geschäftsbereich aussprechen muss, falls dies bei gleicher Eignung der angeführten Maßnahmen das mildere Mittel darstellt. Die Maß-

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403 S Vor § 278 Rdn 101 sowie Bayer/Lieder/Hoffmann AG 2017, 717, 718. 404 BGH 15.12.2015 – II ZR 144/14, Rdn 6 (juris). Ebenso schon RG 24.10.1910 – I 79/10, RGZ 74, 297, 299; RG 6.6.1913 – II 99/13, RGZ 82, 360, 362. 405 BGH 15.12.2015 – II ZR 144/14, Rdn 6 (juris); MünchKomm/Perlitt5 188; Spindler/Stilz/Bachmann4 75. 406 BGH 15.12.2015 – II ZR 144/14, Rdn 6 (juris) mit zust Anm von Hippeli jurisPR-HaGesR 5/2016 Anm 4; Mark GWR 2018, 50. Ebenso KK/Mertens/Cahn3 § 278, 83; MünchKomm/Perlitt5 188; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 75. 407 S § 285 Rdn 42 sowie Spindler/Stilz/Bachmann4 75. 408 Vgl § 287 Rdn 57 sowie OLG Frankfurt 18.3.2014 – 5 U 90/13, AG 2015, 448, 449 (Rn 42); Hüffer/Koch1417b; MünchKomm/Perlitt5 188; Spindler/Stilz/Bachmann4 75; wohl auch BGH 15.12.2015 – II ZR 144/14 (juris), da der BGH von der Zulässigkeit der Klage ausging; aA Bürgers/Fett/Reger § 5, 184; KK/Mertens/Cahn3 79, 83; Schmidt/Lutter/Schmidt3 40 (Aufsichtsrat und übrige Komplementäre). 409 ZB beharrliche Nichtbeachtung der Mitwirkungsrechte anderer Gesellschafter, BGH 25.4.1983 – II ZR 170/82, NJW 1984, 173, oder nachhaltige Störung der Geschäftsführung der Gesellschaft, BGH 12.10.1959 – II ZR 237/57, NJW 1960, 91. 410 ZB dauernde Krankheit, Baumbach/Hopt/Roth39 § 117, 4. 411 BGH 18.10.1976 – II ZR 98/75, WM 1977, 500, 502; BGH 25.4.1983 – II ZR 170/82, NJW 1984, 173; Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 117, 2. 412 RG 20.12.1939 – II 95/39, HRR 1940 Nr 1074; BGH 25.4.1983 – II ZR 170/82, NJW 1984, 173; Baumbach/Hopt/Roth39 § 117, 4; Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 117, 2. 413 Baumbach/Hopt/Roth39 § 117, 5, § 127, 7 mwN.

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nahme muss dem Beklagten zudem zumutbar sein. (2) Auf den Entzug der Vertretungsbefugnis lassen sich diese Überlegungen dagegen nicht vorbehaltlos übertragen. Es widerspräche der Regelung des § 126 Abs 2 HGB, wollte man unter dem Gesichtspunkt des im Einzelfall milderen Mittels mit der Verfügung nur den Umfang der Vertretungsbefugnis einschränken, statt sie zu entziehen, denn der mit § 126 Abs 2 HGB verfolgte Schutz des Geschäftsverkehrs gilt uneingeschränkt. Statt des völligen Entzugs der Vertretungsbefugnis ist als milderes Mittel allenfalls die Anordnung einer Gesamtvertretung zu erwägen. Da die Klage auf Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis 167 einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss voraussetzt (Rdn 165), kann es zu zeitlichen Verzögerungen kommen. In Eilfällen kann deshalb die Gesamtheit der Kommanditaktionäre oder einer der anderen Komplementäre eine diesbezügliche einstweilige Verfügung nach §§ 940, 938 ZPO beantragen,414 mit der die Geschäftsführungsund/oder Vertretungsbefugnis vorübergehend anderweitig geregelt wird. Zulässig ist dabei auch die zeitweilige Übertragung auf Dritte.415 Auch dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter kann durch richterliches 168 Urteil die Geschäftsführungsbefugnis 416 und die Vertretungsbefugnis 417 entzogen werden. Für die Zeitspanne, in der unter diesen Umständen kein vertretungsbefugter Komplementär vorhanden ist, kann in analoger Anwendung von § 29 BGB vorübergehend ein Vertreter bestellt werden.418 Um dem Grundsatz der Selbstorganschaft zu genügen, wonach die KGaA mindestens einen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter aufweisen muss,419 ist in diesem Falle unverzüglich ein neuer Komplementär zu bestellen oder die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft einzuleiten. Die Umwandlung einer KGaA in eine andere Rechtsform setzt die Zustimmung des Komplementärs voraus (§§ 233 Abs 3, 240 Abs 3 UmwG). Scheidet der Komplementär ohnehin aus der Gesellschaft aus und erhält er hierfür eine vollwertige Abfindung oder ist aufgrund des Verhaltens des Komplementärs bereits ein Verfahren auf Ausschließung gegen ihn anhängig und voraussichtlich erfolgreich, ist ihm die Zustimmung zur Umwandlung zuzumuten.420 Noch weiter geht die (abzulehnende) Ansicht, wonach der Antrag auf Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des einzelnen Komplementärs nur zulässig ist, wenn gleichzeitig eine Umwandlung in eine AG beschlossen wird; diese sei analog §§ 161 Abs 2, 140 HGB auch gegen den Willen des Komplementärs durchsetzbar.421

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414 Vgl Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle/Becker78 ZPO § 940, 25 (Stichwort Geschäftsführer); BGH 11.7.1960 – II ZR 260/59, BGHZ 33, 105 (zur OHG); Spindler/Stilz/Bachmann4 75. 415 BGH 11.7.1960 – II ZR 260/59, BGHZ 33, 105, 109 ff; Sethe S 152. 416 BGH 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198, 201 ff (zur GmbH & Co KG); Hüffer/Koch14 17b; Spindler/ Stilz/Bachmann4 76. 417 RG 24.10.1910 – I 79/10, RGZ 74, 297, 301; BGH 15.12.2015 – II ZR 144/14, Rdn 6 aE (juris); Hüffer/ Koch14 17b, § 289, 9; KK/Mertens/Cahn3 84; MünchKomm/Perlitt5 255; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 283, 3; Sethe S 152; Spindler/Stilz/Bachmann4 82. AA Godin/Wilhelmi4 13. Die Entscheidung BGH 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198, 200, der zufolge dem einzigen Komplementär einer KG die Vertretungsmacht nicht entzogen werden kann, weil, anders als etwa bei den Kapitalgesellschaften, die Bestellung eines Notvertreters nicht in Betracht komme, findet auf die KGaA, bei der die Bestellung eines Notvertreters analog § 29 BGB möglich ist, keine Anwendung. 418 Ausführlich zu der Kontroverse, ob § 29 BGB nur analog oder nicht auch direkt anzuwenden oder ob nicht auf § 85 zurückzugreifen sei, s Sethe S 135 ff und § 289, 140. 419 Vgl oben Rdn 137 f. 420 RG 6.6.1913 – II 99/13, RGZ 82, 360, 362; Sethe S 133 f. Sa § 289, 143 f. 421 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 12.

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Schreibt die Satzung eine bestimmte Mindestzahl von geschäftsführungs- 169 und/oder vertretungsbefugten Komplementären vor, muss für den seines Amtes enthobenen Komplementärs ein Ersatz bestellt werden. b) Die Entziehung der einer juristischen Person oder einer Personenhandels- 170 gesellschaft zustehenden Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis. Ist der geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Komplementär eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft, nehmen deren Organe die Geschäftsführung und Vertretung der KGaA wahr. Kommt es zu einem Fehlverhalten der Organe der Komplementärgesellschaft im Rahmen der Führung der Geschäfte und/oder der Vertretung der KGaA, so lässt sich eine Abberufung der fraglichen Organe von der Geschäftsführung und/oder Vertretung grundsätzlich nur dann durchsetzen, wenn die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft zur Mitwirkung bereit sind. Ist dies nicht der Fall, fehlt den Gesellschaftern der KGaA jede rechtliche Handhabe, um auf die Rechtsverhältnisse in der Komplementärgesellschaft einwirken und die Abberufung der fraglichen Organe als Geschäftsführer und Vertreter der Komplementärgesellschaft herbeiführen zu können. Deshalb soll jedenfalls die Komplementärgesellschaft aufgrund ihrer Treuepflichten gegenüber der KGaA in Bezug auf die Auswahl ihrer Geschäftsführer422 (durch entsprechenden Abberufungsbeschluss) zur Abberufung des Organs verpflichtet sein, in dessen Person ein wichtiger Abberufungsgrund nach Maßgabe des für die KGaA anwendbaren Rechts (sowie entsprechender Satzungsbestimmungen, su Rdn 178) vorliegt.423 Kommt die Komplementärgesellschaft dieser Pflicht nicht nach, sollen die übrigen Gesellschafter (im Falle des Fehlens weiterer Komplementäre allein die Gesamtheit der Kommanditaktionäre) befugt sein,424 der Komplementärgesellschaft nach Maßgabe von Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 117, 127 HGB die Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis zu entziehen.425 Verfahrensbeschleunigend mag in diesem Fall ein (beim Vorhandensein weiterer Komplementäre der Zustimmung derselben unterliegender) Beschluss der Hauptversammlung sein, demzufolge der Komplementärgesellschaft die Geschäftsführung zu entziehen sei, falls sie nicht binnen einer bestimmten Frist den betreffenden Geschäftsführer abberuft.426 Da sich die Komplementärgesellschaft, im Falle einer juristischen Person über § 31 171 BGB bzw im Falle einer OHG oder KG über § 31 BGB analog, das Verschulden ihrer Geschäftsführung zurechnen lassen muss, kann ein Fehlverhalten der Geschäftsführungsund/oder Vertretungsorgane der Komplementärgesellschaft aber auch einen wichtigen Grund iSd §§ 117, 127 HGB darstellen, der auf unmittelbarem Weg zur Abberufung der geschäftsführungs- und/oder vertretungsbefugten Komplementärgesellschaft berechtigt.427 Die Abberufung der Komplementärgesellschaft als Geschäftsführer und/oder Vertreter der KGaA bereitet zwar einige praktische Schwierigkeiten, doch sind diese nicht unüberwindlich. Ist die Komplementärgesellschaft unter mehreren Komplementären als einzige geschäftsführungs- und vertretungsbefugt, so müssen die Gesellschafter

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422 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399, wobei außer Frage steht, dass dies gleichermaßen die Bestellung und die Abberufung als die zwei Seiten der Auswahl von Geschäftsführern betrifft. Ausführlich hier Overlack S 250 ff. 423 S, jeweils mwN, MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 30, § 79, 9; Ihrig/Schlitt S 52; MünchKomm/Perlitt5 371; Schlitt S 211. 424 Erforderlich ist damit jedenfalls ein Beschluss der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Hauptversammlung) und ggf die Zustimmung vorhandener weiterer Komplementäre, Schlitt S 211. 425 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 9 aE; Ihrig/Schlitt S 54; Schlitt S 211. 426 Schlitt S 211. 427 Ihrig/Schlitt S 52; Schlitt S 211.

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auf eine Satzungsänderung hinwirken, mit der einem anderen Komplementär der KGaA die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis eingeräumt wird. Ist die Komplementärgesellschaft dagegen die einzige Komplementärin, muss entweder ein neuer Komplementär/eine neue Komplementärgesellschaft gesucht werden oder aber die Bestellung eines Notvorstands analog § 29 BGB (s Rdn 168) beantragt werden, bis die Komplementärgesellschaft den fehlerhaft handelnden Geschäftsführer ausgewechselt hat und man ihr wieder die Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis einräumt. Beide der vorgenannten Möglichkeiten sind jedoch mit einigen (zeit- und kosten172 aufwendigen) Umständen und der Gefahr verbunden, über das Fehlverhalten der Organe der Komplementärgesellschaft diese als Gesellschafterin zu verlieren und ggf noch eine Abfindung zahlen zu müssen. Deshalb will ein Teil des Schrifttums im Anschluss an entsprechende Überlegungen zur GmbH & Co KG428 zumindest bei der GmbH & Co KGaA429 den sog Abberufungsdurchgriff anerkennen,430 welcher den übrigen Gesellschaftern der KGaA erlauben würde, ohne Mitwirkung der Gesellschafter der GmbH deren Geschäftsführer abzuberufen431 oder ihm zumindest die Befugnis zur Führung der Geschäfte der KGaA zu entziehen.432 Die Gründe, welche die Gegenansicht gegen den Abberufungsdurchgriff bei der GmbH & Co KG anführt,433 sprechen auch gegen die Anerkennung eines Abberufungsdurchgriffs bei der GmbH & Co KGaA.434 Die Abberufung ihrer Geschäftsführer und Vertreter ist allein Sache der Komplementärgesellschaft. Selbst wenn diese kraft ihrer Treuepflicht zur Abberufung verpflichtet sein sollte und ihr Zweck allein auf die Führung der Geschäfte der KGaA gerichtet ist, gibt es, außer Praktikabilitätsgründen,435 keinen Anknüpfungspunkt, die rechtliche Selbständigkeit der Komplementärgesellschaft zu übergehen. Selbst wenn man die KGaA in den Schutzbereich des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers mit der Komplementärgesellschaft einbeziehen wollte, läge es doch nicht mehr im Bereich der anerkannten Rechtsfolgen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, der KGaA über die von der Komplementärgesellschaft oder ihren Geschäftsführern/Vertretern zu erfüllenden Schadens-

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428 Für einen Abberufungsdurchgriff bei der GmbH & Co KG etwa Hopt ZGR 1979, 1, 16 ff; Baumbach/ Hopt/Roth39 Anh § 177a, 30, 74; Hüffer ZGR 1981, 348, 359; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 54, 13; Wawrzinek Unternehmensinterner Anlegerschutz im Recht der Publikumsgesellschaften, 1987, S 218 ff; aA etwa Großkomm HGB/Casper5 § 161, 51. 429 Auf die AG & Co KGaA lässt sich der Abberufungsdurchgriff schon deshalb nicht übertragen, weil die Abberufung des Vorstands hier durch den Aufsichtsrat erfolgen muss (§ 84 Abs 3). 430 So für die GmbH & Co KGaA Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1391; Kallmeyer DZWiR 1998, 238, 239; Overlack S 255; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 18; Schaumburg DStZ 1998, 525, 531 f; Schilling BB 1998, 1905, 1906 f. 431 Wawrzinek Unternehmensinterner Anlegerschutz im Recht der Publikumsgesellschaften, 1987, S 218 ff. 432 Hopt ZGR 1979, 1, 16 ff, 24 ff; Baumbach/Hopt/Roth39 Anh § 177a, 30, 74; Hüffer ZGR 1980, 320, 348; ders ZGR 1981, 348, 359. 433 Vgl etwa Schlegelberger/Martens HGB5 § 164, 6; MünchHdBKG/Scheel4 § 11, 18; MünchKommHGB/ Grunewald3 § 161, 80. 434 Ebenso BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399; LG Frankfurt 12.3.2013 – 3-05 O 114/12, NZG 2013, 748, 749; Arnold S 85 f; Bürgers/Fett/Reger § 5, 211; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 50; Gonella/Mikic AG 1998, 508, 509 f; Habel/Strieder MittBayNot 1998, 65, 69; Heidel/Wichert5 41; Hüffer/Koch1417b; Ihrig/Schlitt S 53 f; Kessler S 349 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 9; MünchKomm/Perlitt5 372 f; Schlitt S 211; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 660; Spindler/Stilz/Bachmann4 78; Vollertsen S 282 ff. Ebenso in Bezug auf die GmbH & Co KG Großkomm HGB/Casper5 § 164, 51. 435 Solche sind etwa für Schaumburg DStZ 1998, 525, 531; Overlack S 255 entscheidend, doch ist der Hinweis des letzteren, die Treuepflichtverletzung der Komplementärgesellschaft bliebe mangels Anerkennung des Einwendungsdurchgriffs ohne effektive Sanktion, angesichts der angeführten Möglichkeiten schwerlich nachzuvollziehen. AA auch BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399 (Treuepflicht als „ausreichendes Schutzinstrument“); Ihrig/Schlitt S 54 („kein praktisches Bedürfnis“).

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ersatzansprüche hinaus ein direktes Eingriffs- und Gestaltungsrecht in Bezug auf deren Vertragsverhältnis und damit auch die Angelegenheiten der Komplementärgesellschaft zu geben. Soweit der Eingriff in die Belange der Komplementärgesellschaft, wie er mit der Anerkennung eines Abberufungsdurchgriffs verbunden wäre, mit dem Vorschlag zu mildern versucht wird, die Abberufung habe sich auf die Handlungen des Geschäftsführers der GmbH für die KGaA zu beschränken, ist dem entgegenzuhalten, dass eine solche Teilbeschränkung der Vertretungsmacht mit den Grundsatz der Unbeschränkbarkeit der Vollmacht des Geschäftsführers einer GmbH (§ 37 Abs 2 GmbHG) nicht vereinbar ist.436 Gleiches gilt für die OHG oder KG als Komplementärin einer KGaA, da auch hier die Vertretungsmacht der vertretungsbefugten Gesellschafter Dritten gegenüber nicht beschränkt werden kann (§ 126 Abs 2 HGB bzw §§ 161 Abs 2, 126 Abs 2 HGB).437 Im Übrigen verdient Erwähnung, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 24.2.1997438 davon ausgeht, dass die Gesellschafter der KGaA keinen Einfluss auf die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH haben, weil dies allein Sache der letzteren sei; stattdessen verweist das Gericht auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Komplementär-GmbH. Auch kraft einer Regelung in der Satzung der KGaA kann ein Abberufungs- 173 durchgriff nicht begründet werden.439 Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Komplementär-Gesellschaft an einer solchen Regelung mitgewirkt haben und in ihre Satzung eine parallele Regelung aufgenommen haben muss, macht diese doch nur dann Sinn, wenn die Komplementär-Gesellschaft die Entscheidung über den korporationsrechtlichen Akt der Abberufung ihres Geschäftsführers auf Nichtgesellschafter übertragen darf. Das wird für die GmbH jedoch von der wohl hM verneint.440 Als unzulässig ist es dementsprechend auch anzusehen, wenn die GmbH-Satzung die Übertragung der Stimmrechte der GmbH-Gesellschafter auf die Hauptversammlung der KGaA vorsieht.441 – Grund für die Unzulässigkeit des Abberufungsdurchgriffs ist die Tatsache, dass die 174 Gesellschafter nicht wesentliche Mitverwaltungsrechte auf Dritte übertragen und damit abspalten dürfen. Es muss den Gesellschaftern der GmbH freistehen, an dem von der KGaA beanstandeten Geschäftsführer festzuhalten. Dies wird sie etwa dann tun, wenn sie neben der Stellung als Komplementärin der KGaA auch eigene unternehmerische Zwecke verfolgt und der Geschäftsführer in diesen Bereichen erfolgreich wirtschaftet. Die Entscheidung über die Abberufung kann in einem solchen Fall nicht auf Dritte übertragen werden, die für die wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung gar nicht einstehen müssen. – Dieses Argument greift jedoch nur, wenn die GmbH selbst unternehmerisch tätig ist. 175 Man könnte daher erwägen, den Abberufungsdurchgriff wenigstens in den Fällen zuzulassen, in denen die GmbH ausschließlich den Zweck verfolgt, als Komplementärin der KGaA zu fungieren. Aber auch in diesen Fällen schafft der Abberufungsdurchgriff mehr Probleme, als er löst. Denn er erlaubt Dritten eine Abberufung selbst in solchen Situationen, in denen die Gesellschafter der GmbH den Verlust von deren Stellung als geschäftsführungsbefugte Komplementärin der KGaA einer Ab-

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436 Zutreffend MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 9. 437 Ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 11. AA Overlack S 255 f. 438 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399. 439 Ebenso Bürgers/Fett/Reger § 5, 212; MünchKomm/Perlitt5 373; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 9. AA KK/Mertens/Cahn3 85, § 289, 60; Schmidt/Lutter/Schmidt3 13, 41, § 283, 3, § 287, 22; Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1391; Hopt ZGR 1979, 1, 14 ff; Wichert AG 2000, 268, 275. 440 S etwa Scholz/Schneider/Schneider GmbHG11 § 38, 24 f; Ulmer in: FS Werner, 1984, S 911, 922 ff. AA Baumbach/Hueck/Beurskens GmbHG22 § 6, 47 mwN. 441 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 373 mwN.

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berufung des beanstandeten Geschäftsführers vorziehen würden. Derartige Konstellationen werden dann auftreten, wenn es um unterschiedliche Positionen in der Unternehmenspolitik geht. Sind etwa die Gesellschafter der GmbH und die Hauptversammlung der KGaA uneins über das weitere wirtschaftliche Schicksal der KGaA, würde eine bloße Auswechslung des Geschäftsführers der GmbH nichts an der Meinungsverschiedenheit ändern. Die GmbH hätte es in der Hand, jederzeit wieder einen Geschäftsführer zu bestellen, der ihre Position vertritt. Zwar wäre ein solches Vorgehen uU auch wieder ein Verstoß gegen die Treuepflicht, aber entscheidend ist, dass der Abberufungsdurchgriff im Konfliktfall gerade keine Lösung herbeiführt, die praktikabler wäre, als die in 170 f geschilderte gesetzliche Lösung. Der Abberufungsdurchgriff bewirkt also nur in den Fällen eine Erleichterung, in denen sich die Gesellschafter der GmbH und die der KGaA einig sind. In diesem Fall werden die Gesellschafter den Geschäftsführer der GmbH aber ohnehin freiwillig austauschen, so dass es keines Durchgriffs bedarf. Hinzu kommt, dass nicht jeder Anlass, der einen wichtigen Grund zur Abberufung der Geschäftsführung der KGaA darstellt, gleichzeitig auch einen wichtigen Grund zur Abberufung des Geschäftsführers der GmbH iSd § 38 Abs 2 GmbHG bildet.442 Handelt der Geschäftsführer etwa auf Weisung der Gesellschafterversammlung, stellt dies keinen Grund zur Abberufung nach § 38 Abs 2 GmbHG dar. Die auf Weisung der Gesellschaftsversammlung vom Geschäftsführer der GmbH ergriffenen Maßnahmen können aber bei der KGaA durchaus einen Grund iSd §§ 117, 127 HGB bilden. Wegen des Auseinanderfallens der rechtlichen Voraussetzungen muss daher die Entscheidung über die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers autonom bei den Gesellschaftern der GmbH verbleiben.

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Als zulässig wird es dagegen angesehen, in einen Vertrag als selbständige Nebenpflicht ein schuldrechtliches Abberufungsrecht aufzunehmen, in dem sich die Komplementär-GmbH verpflichtet, einen Geschäftsführer abzuberufen, wenn der Partner des Vertrags dies verlangt.443 Aber auch eine solche Vereinbarung zwischen der Komplementär-GmbH und der KGaA, die Gegenstand eines Tätigkeitsvertrags der KGaA mit der Komplementär-Gesellschaft sein könnte, hätte nur die Wirkung, dass dieser Vertrag im Falle der Nichterfüllung durch die GmbH von der KGaA gekündigt werden könnte. Ein Abberufungsdurchgriff würde sich mithin auch durch diese Vertragsgestaltung nicht verwirklichen lassen.

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c) Abweichende Satzungsregelungen. Die Satzung kann das Verfahren zur Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis eines Komplementärs näher regeln und bspw die gerichtliche Entscheidung durch den Beschluss eines Gesellschaftsorgans ersetzen.444 So kann etwa auf das Erfordernis eines gerichtlichen Verfahrens verzichtet werden mit der Folge, dass der Betroffene seine Geschäftsführungsund/oder Vertretungsbefugnis im Wege einer Gestaltungserklärung verliert und sich hiergegen ggf mit einer Feststellungsklage wehren muss.445 Die Satzung kann darüber hinaus auch die Voraussetzungen der Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder

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442 Dieses Argument setzt voraus, dass die Satzung der GmbH eine Abberufung ausschließlich aus wichtigem Grund vorsieht, vgl § 38 Abs 2 Satz 1 GmbHG. 443 S, mwN, Scholz/Schneider/Schneider GmbHG11 § 38, 25a. 444 So Bürgers/Fett/Reger § 5, 186; KK/Mertens/Cahn3 97; MünchKomm/Perlitt5 254; Spindler/Stilz/ Bachmann4 77. 445 BGH 20.12.1982 – II ZR 110/82, BGHZ 86, 177, 180; Spindler/Stilz/Bachmann4 77.

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Vertretungsbefugnis erschweren oder erleichtern.446 Insbesondere ist es in diesem Rahmen möglich, das, was als wichtiger Grund zur Entziehung der Geschäftsführungsund/oder Vertretungsbefugnis gelten soll, näher zu umschreiben. Umstritten ist, ob das Quorum für die Entscheidung der Hauptversammlung (einfache Mehrheit) verschärft werden kann. Ein Teil des Schrifttums ordnet diese Frage Abs 2 und daher der Satzungsautonomie zu.447 Die Gegenansicht hält die einfache Mehrheit stets für zwingend,448 andere nur bei der Kapitalgesellschaft & Co KGaA (regelmäßig ausgehend von der Prämisse, dass die Inhaltskontrolle der Satzung zulässig sei).449 Eine vierte Ansicht will die Zulässigkeit der Verschärfung von der gesamthaften Ausgestaltung der Rechtsstellung der Kommanditaktionäre in der Satzung im Einzelfall abhängig machen.450 Letzteres überzeugt, denn es handelt sich um eine Frage, die mit Hilfe der Kernbereichslehre und der Treuepflicht zu lösen ist. Unzulässig ist es dagegen, dass die Satzung die Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis ganz ausschließt,451 weil ansonsten die Gesellschafter den wichtigen Grund zum Anlass nehmen müssten, um die Ausschließung des Betreffenden zu betreiben. Unzulässig wäre es auch, den Kommanditaktionären jegliche Möglichkeit zu nehmen, auf einen Entzug der Geschäftsführungsund/oder Vertretungsbefugnis hinzuwirken. Wenn also der Hauptversammlung die Mitwirkung entzogen wird, muss diese zumindest auf den Aufsichtsrat oder einen Beirat übertragen werden, in dem Kommanditaktionäre vertreten sind. In Bezug auf die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis kann die Satzung vorsehen, dass diese auf die Entziehung der Geschäftsführung für einzelne Geschäftsführungsbereiche beschränkt wird.452 Wegen der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht ist dies bei der Entziehung der Vertretungsmacht jedoch nicht möglich, doch kann diesbezüglich zumindest vorgesehen werden, an die Stelle des Entzugs der Vertretungsmacht eine Gesamtvertretung des betroffenen Gesellschafters mit einem anderen vertretungsbefugten Komplementär oder einem Prokuristen treten zu lassen. 5. Niederlegung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis. Jeder 179 Komplementär kann seine Geschäftsführungs- und/oder seine Vertretungsbefugnis mit Zustimmung der übrigen Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (dh der Hauptversammlung) kündigen (untechnisch „niederlegen“). Die Kündigung seiner Geschäftsführungs- und/oder seiner Vertretungsbefugnis ohne entsprechende Zustimmung ist (Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, §§ 712 Abs 2, 671 Abs 2, 3 BGB) nach heute hM zulässig, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt, doch darf sie nicht zur Unzeit erfolgen.453 Die Niederlegung ist sowohl gegenüber den übrigen Komplemen-

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446 S etwa MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 8, 34; MünchKomm/Perlitt5 253; Schlitt S 160; Sethe S 152. 447 Bürgers/Fett/Reger § 5, 189. 448 Kessler S 343; Wichert AG 2000, 268, 271. 449 Arnold S 138; MünchKomm/Perlitt5 362; Spindler/Stilz/Bachmann4 78. 450 KK/Mertens/Cahn3 97; Otte S 162 ff. 451 S, jeweils mit weiteren Nachw, BGH 3.11.1997 – II ZR 353/96, NJW 1998, 1225, 1226; Baumbach/Hopt/ Roth39 § 117, 11, § 127, 11; Bürgers/Fett/Reger § 5, 201; Großkomm HGB/Habersack4 § 127, 15; Kessler S 343; MünchKomm/Perlitt5 253; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 127, 9; Spindler/Stilz/Bachmann4 77. AA KK/Mertens/Cahn3 97; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 8, 34; MünchKomm/Perlitt5 222 (anders aber 362); Hennerkes/May StbJb 1988/89, 303, 309; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 185, 188; Sethe S 152 (diese Position wird aufgegeben, weil ansonsten nur eine Ausschließung des Komplementärs bliebe, an der sich die übrigen Gesellschafter wegen der zu zahlenden Abfindung in wirtschaftlich schlechten Zeiten gehindert sehen könnten und damit faktisch rechtlos wären). 452 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 8, 34. 453 BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, ZIP 2020, 1118 Rdn 57; Großkomm HGB/Schäfer5 § 117, 84; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 13, 34; Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 117, 10. KK/Mertens/Cahn3 82;

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tären als auch gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, vertreten durch den Aufsichtsrat, zu erklären. In der Satzung können die Voraussetzungen, unter denen ein Komplementär seine 180 Geschäftsführungs- und/oder seine Vertretungsbefugnis niederlegen kann, verschärft oder reduziert werden.454 VIII. Satzungsänderungen Auch wenn die KGaA eine Mischform ist und personen- sowie kapitalgesellschaftsrechtliche Elemente aufweist, ist sie eine einheitliche Rechtsform mit einer Verfassung. Für deren Änderung müssen folglich einheitliche Regeln gelten.455 Änderungen der Satzung, gleichgültig, ob sich diese auf Beschlussgegenstände nach Abs 2 oder solchen nach Abs 3 beziehen, unterliegen den diesbezüglich für die AG geltenden Vorschriften (§§ 179–181), jedoch sind einige Besonderheiten anzuführen: Die Aufnahme und das Ausscheiden von Komplementären erfolgt im Wege der Satzungsänderung, soweit nicht die Satzung hierzu bereits Regelungen enthält, die nur noch ausgeführt werden müssen.456 Auch eine Erhöhung oder Verminderung des Kapitalanteils eines Komplementärs außerhalb von §§ 120 Abs 2, 122 Abs 1 HGB bedarf der Satzungsänderung. 182 Da jede Satzungsänderung das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander iSd Abs 2 berührt, bedarf sie der Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Hauptversammlung) und der Zustimmung aller Komplementäre (einschließlich der nicht geschäftsführungs- und/oder vertretungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter). Die Zustimmung der Kommanditaktionäre erfolgt im Wege eines Beschlusses in der Hauptversammlung gem § 179, so dass insb eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist. Die Gegenansicht, die bei der Änderung von Satzungsbestandteilen, die Abs 2 unterfallen, nur die einfache Mehrheit verlangt, überzeugt nicht (s ausführlich oben Rdn 99, 99a mwN sowie 46). Die Zustimmung der Hauptversammlung kann auch schon in der Satzung selbst enthalten sein.457 Auch die Zustimmung der Komplementäre unterliegt der Satzungsautonomie.458 Für die Gesamtheit der Kommanditaktionäre und die Komplementäre gilt die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht, aus der sich im Einzelfall eine Pflicht zur Zustimmung zu einer Satzungsänderung ergeben kann, sofern die Änderung für die Gesellschaft objektiv notwendig und dem Gesellschafter/der Gesellschaftergruppe zuzumuten ist.459 (Vgl im Übrigen auch die Ausführungen Vor § 278 Rdn 58 ff). 181

IX. Kapitalmaßnahmen 183

1. Fehlen von Sonderregelungen. §§ 278 ff enthalten in Bezug auf die Finanzverfassung der KGaA nur wenige spezielle Regelungen (Überblick Vor § 278 Rdn 68 ff). Im Hinblick auf Kapitalmaßnahmen findet sich gar nur eine indirekte Regelung. So lässt sich § 281 Abs 2 entnehmen, dass Komplementäre sowohl Einlagen auf das Grundkapital als

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MünchKomm/Perlitt5 256; Schlitt S 160; Baumbach/Hopt/Roth39 § 127, 4, § 114, 19. AA Großkomm HGB/ Habersack4 § 127, 5; Godin/Wilhelmi4 13, Elschenbroich S 126; Ritter § 219, 4 f. 454 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 13, 34; MünchKomm/Perlitt5 256. 455 So ausdrücklich Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 281, 15; Bachmann in: FS K Schmidt, 2009, S 44; aA Bürgers/Fett/Fett § 3, 25. So Rdn 46. 456 So Rdn 46 ff. 457 Zu Einzelheiten § 285 Rdn 77 ff. Sa MünchKomm/Perlitt5 265. AA noch KK/Mertens1 94. 458 Insoweit kann ebenfalls auf die Kommentierung zu § 285 verwiesen werden. 459 Vgl oben Rdn 56 ff mwN und § 285 Rdn 73.

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auch Sondereinlagen leisten können (über die folgenden Ausführungen hinaus s § 281 Rdn 14 ff). Ist ersteres der Fall, werden die Komplementäre zugleich Kommanditaktionäre. Durch Einlagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital der KGaA – zu denen der Komplementär (mangels anderweitiger Satzungsregelung) zwar nicht verpflichtet, aber grundsätzlich (auch ohne entsprechende Satzungsregelung) jederzeit befugt ist – wird der Komplementär zum Kommanditaktionär. Zu Sondereinlagen der Komplementäre, mit denen sich va ein Anspruch auf einen (erhöhten, vgl § 288 Rdn 31) Anteil des auf die Komplementäre entfallenden Gewinns verbindet, sind die Komplementäre allerdings nur dann berechtigt (und verpflichtet), wenn dies in der Satzung vorgesehen ist (§ 281 Abs 2). Sondereinlagen erhöhen zwar das Gesamtkapital der Gesellschaft, nicht aber das Grundkapital. Anderweitige Vorschriften, die von unmittelbarer Relevanz für Kapitalmaßnahmen in der KGaA sind, finden sich in §§ 278 ff nicht. Das für diese maßgebliche Recht ergibt sich folglich aufgrund der Verweise in Abs 2 und Abs 3. Das insoweit anwendbare Recht ist nach den unterschiedlichen Arten von Kapitalmaßnahmen zu bestimmen. 2. Grundkapital und Einlagen der Komplementäre. Wie bereits an früherer Stelle 184 ausgeführt (Vor § 278 Rdn 68) hat die KGaA, nicht anders als die AG, ein in Aktien zerlegtes Grundkapital (Abs 1), für das gem Abs 3 die Vorschriften des Aktienrechts gelten (so Rdn 4, Vor § 278 Rdn 58 ff, 61). An diesem Grundkapital können auch Komplementäre (durch Einlagen auf das Grundkapital oder durch Erwerb von Kommanditaktien über den Markt) beteiligt sein (so Rdn 183). Sondereinlagen der Komplementäre (so Rdn 183) berühren das Grundkapital nicht. Als dem Rechtsverhältnis der Komplementäre untereinander zugehörig (Abs 2; su § 281 Rdn 15), unterliegen sie damit auch nicht den aktienrechtlichen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätzen,460 wie sie in Bezug auf das Grundkapital zu beachten sind. Gleichwohl gehen sie in das Vermögen der Gesellschaft über und erhöhen so das Gesamtkapital der Gesellschaft (Vor § 278 Rdn 68). Zu Einzelheiten der Sondereinlagen s § 281 Rdn 14 ff, zur Berechnung des Kleinbeteiligungsprivilegs gem §§ 39 Abs 5, 135 Abs 4 InsO s Vor § 278 Rdn 70c. 3. Erhöhung und Herabsetzung des Grundkapitals. Die Erhöhung sowie die 185 Herabsetzung des Grundkapitals richten sich allein nach den einschlägigen zwingenden Vorgaben des AktG (Vor § 278 Rdn 61), dh nach §§ 182 ff bzw nach §§ 222 ff. Diesbezüglich bedarf es nach § 182 Abs 1 bzw § 222 Abs 1 eines Beschlusses der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, von der in der Satzung nur in dem durch die vorgenannten Vorschriften bestimmten Rahmen abgewichen werden darf, sowie der Zustimmung aller Komplementäre (§ 285 Abs 2 Satz 1). Die Komplementäre haben bei der Kapitalerhöhung nur dann ein Bezugsrecht, wenn sie zugleich Kommanditaktionäre sind. Zum umgekehrten Fall des Bezugsrechts der Kommanditaktionäre im Falle einer aufgrund Satzungsbestimmung zulässigen Erhöhung der Sondereinlagen s § 281 Rdn 28. Die Satzung kann vorsehen, dass sich die Kapitalanteile der einzelnen Komple- 186 mentäre bzw der Komplementäre insgesamt im Falle einer Erhöhung des Grundkapitals in gleichem Verhältnis (des bisherigen Grundkapitals zum neuen Grundkapital) und zu gleichen Bedingungen erhöhen können.461 Die Ausführung dieser Satzungsbestimmung bedarf keiner Satzungsänderung und damit auch keiner Zustimmung der Hauptver-

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460 Zu beachten ist aber, dass die Bewertung und Prüfung der Einlagen nicht den Gesellschaftern überlassen bleibt, s § 281 Rdn 24 ff. 461 Unstr, vgl MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 10; Ihrig/Schlitt S 74; Schlitt S 147; Spindler/Stilz/Bachmann4 14.

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sammlung.462 Gegen eine solche Satzungsregelung, die nichts anderes bewirkt als die Verhinderung der Verwässerung der bestehenden Kapitalbeteiligung der Komplementäre an der Gesellschaft infolge der Kapitalerhöhung, bestehen keine Bedenken. Sie ist wirtschaftlich betrachtet mit einem Bezugsrecht vergleichbar.463 Allerdings ist – um den Gleichlauf zwischen der Beteiligung beider Gesellschaftergruppen zu wahren – zu verlangen, dass die Komplementäre ein prozentual entsprechendes Agio zahlen, sofern auch die Kommanditaktionäre bei der Kapitalerhöhung ein solches leisten müssen.464 Zudem ist – wie bei einem Bezugsrecht – für den Fall der Ausübung der Befugnis, die Sondereinlagen der Komplementäre entsprechend zu erhöhen, eine zeitliche Begrenzung der Erklärung des jeweiligen Komplementärs bzw der Komplementäre in ihrer Gesamtheit über die Ausübung der Erhöhung notwendig.465 Denn ohne eine solche Begrenzung ergäbe sich eine durch die ursprüngliche Satzungsregelung schwerlich gedeckte Vorratsermächtigung zur Erhöhung der Kapitaleinlage der Komplementäre und die Möglichkeit, „mit fremden Mitteln zu spekulieren“466 (dh die zukünftige Entwicklung bei der Entscheidung über die Ausübung der Erhöhung der Kapitalanteile abzuwarten).467 Die Satzung sollte die zeitliche Spanne für die Ausübung des Rechts auf Erhöhung der Sondereinlage an diejenige für die Ausübung des Bezugsrechts bei der Grundkapitalerhöhung koppeln.468 Ein Teil des Schrifttums meint, man könne auf die zeitliche Koppelung beider Erhöhungen verzichten und – um die Beteiligung wieder in die Waage zu bekommen – vom Komplementär ein höheres Agio469 oder gar Schadensersatz470 verlangen, wenn der Wert der KGaA sich zwischen der Erhöhung des Grundkapitals und der Erhöhung der Sondereinlage erhöht habe. Diese Ansicht überzeugt nicht, denn sie verursacht große praktische Probleme in der Bemessung des Agios bzw des Schadens und sie vernachlässigt die Situation der Unternehmenskrise. Leisten die Aktionäre vor, kann der Komplementär in Ruhe abwarten, ob das Unternehmen überlebt. Ein Agio nützt nichts mehr, wenn die KGaA scheitert und der Komplementär daher gar nicht mehr leisten muss. Selbstverständlich ist auch eine Satzungsregelung möglich, wonach die Komplementäre ihre Sondereinlage unabhängig von der Grundkapitalerhöhung vornehmen dürfen. In diesem Fall ist die wirtschaftliche Funktion der Satzungsklausel nicht mehr die eines Bezugsrechts, sondern die einer Option. Verfolgt sie das Ziel, die finanzielle Beteiligung beider Gesellschaftergruppen in der Waage zu halten, muss der Wert der zu leistenden Sondereinlage über ein Agio dem Wert des Grundkapitals angepasst werden;471

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462 Ebenso Bürgers/Fett/Fett § 7, 15; MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 10. 463 Ein solches kann auch dann eingeräumt werden, wenn die Erhöhung des Grundkapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts beschlossen wird, da es bei der Angleichung nur darum geht, die Anteile der Gesellschaftergruppen am Gesamtkapital in der Waage zu halten; Bedenken allerdings bei Schlitt S 148. 464 Bürgers/Fett/Fett § 7, 15; KK/Mertens/Cahn3 § 281, 25; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 14. 465 Ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 11; Ihrig/Schlitt S 74 f; Schlitt S 148 (allerdings nur bezogen auf die Publikums-KGaA). AA Bürgers/Fett/Fett § 7, 15; KK/Mertens/Cahn3 § 281, 25; Wichert AG 2000, 268, 272; wohl auch Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 14. 466 Ihrig/Schlitt S 74. 467 MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 11; Ihrig/Schlitt S 74 f. AA Wichert AG 2000, 268, 272, mit dem die Problematik nur teilweise erfassenden und zudem wenig überzeugenden Argument, es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn die Komplementäre kurzfristig finanzielle Vorteile ausnutzten, wenn die Satzung dies gestatte. 468 Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 293; MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 11; 4. Aufl Assmann/ Sethe 186, plädierten für einen Zeitraum zwischen Kapitalerhöhungsbeschluss und Durchführung der Kapitalerhöhung von maximal sechs Monaten. Diese Frist stieß auf berechtigte Kritik, vgl etwa Bürgers/ Fett/Fett § 7, 15. 469 KK/Mertens/Cahn3 § 281, 25; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 14. 470 Bürgers/Fett/Fett § 7, 15. 471 KK/Mertens/Cahn3 § 281, 25.

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eine zeitliche Koppelung der Einlagenerbringung beider Gesellschaftergruppen ist nicht notwendig. Verfolgt die Option dagegen nicht das Ziel, Grundkapital und Sondereinlage in einem bestimmten Verhältnis zu erhalten, kann die Satzung natürlich auch auf die Pflicht zur Leistung eines Agios verzichten. Zum Schutz der Kommanditaktionäre ist dann aber die Gewinnberechnung (s § 288 Rdn 31 ff) und die Berechnung des Liquidationserlöses entsprechend anzupassen, was mehr Aufwand verursachen dürfte als die Berechnung des Agios.472 Da den Komplementären an den der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zuzurech- 187 nenden Rücklagen keine Rechte zustehen, können die Sondereinlagen nicht im Wege der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erhöht werden. Um eine solche Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (etwa im Falle einer parallelen Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln) zu erreichen, hat die Erhöhung des Kapitalanteils der Komplementäre durch Umbuchung von Guthaben der Komplementäre von einem eigenen Kapitalrücklagen- oder Gewinnrücklagenkonto auf das Kapitalkonto zu erfolgen.473 4. Umwandlung von Sondereinlagen in Kommanditaktien. Zulässig ist auch 188 eine Satzungsbestimmung (oder bei deren Fehlen ein Beschluss der Hauptversammlung mit Zustimmung der Komplementäre474), der zufolge die den Kapitalanteil eines Komplementärs begründenden Sondereinlagen (jederzeit, in zeitlichen Grenzen oder bei Eintritt einer bestimmten Bedingung) in Einlagen auf das Grundkapital (Kommanditaktien) umgewandelt werden können.475 Der Sinn einer solchen Regelung kann ua darin bestehen, eine Veräußerung der Beteiligung an der KGaA zu erleichtern, die Mehrheit in der Hauptversammlung zurückzugewinnen oder den Kapitalabfluss infolge von Abfindungsansprüchen ausscheidender Komplementäre zu vermeiden. Mit der Umwandlung der Sondereinlagen eines Komplementärs in Kommanditakti- 189 en ist (mit Ausnahme der Gewinn- und Verlustbeteiligung) regelmäßig keine Veränderung der Komplementärstellung verbunden. Davon ist auch für den Fall auszugehen, dass der gesamte Kapitalanteil eines Komplementärs in Kommanditaktien umgewandelt wird, denn ein Komplementär muss nicht zwingend über einen Kapitalanteil verfügen.476 Die Umwandlung von Sondereinlagen in Kommanditaktien unterfällt dem Verhältnis von Komplementären und Kommanditaktionären und unterliegt daher Abs 2 und der personengesellschaftsrechtlichen Gestaltungsfreiheit. Zu unterscheiden sind zwei Fragen, nämlich zum einen die zur Umwandlung erforderliche Herabsetzung des Kapitalanteils und zum anderen die Maßnahmen, die zur Schaffung der Kommanditaktien notwendig sind (s Rdn 190). Die Herabsetzung des Kapitalanteils erfolgt im Wege einer den Kapitalanteil des betreffenden Komplementärs vermindernden Entnahme. Man könnte auch auf die Forderung abstellen, die sich aus der Auflösung des gesamten Kapitalanteils des Gesellschafters im Wege einer förmlichen Auseinandersetzung ergibt (s dazu § 289 Rdn 172 ff), doch werden Auseinandersetzungsguthaben häufig anders berechnet als Entnahmen, um den Mittelabfluss aus der Gesellschaft zu reduzieren. Ein

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472 Anders KK/Mertens/Cahn3 § 281, 25, der zum Schutze der Kommanditaktionäre notfalls mit § 138 BGB reagieren will. 473 Schlitt S 149, mit Satzungsbeispiel S 146. 474 Bürgers/Fett/Fett § 7, 18. 475 Bürgers/Fett/Fett § 7, 18 ff; Flämig in: FS Peltzer, 2001, S 106; Hartel DB 1992, 2329, 2334; MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 12; Hoffmann-Becking Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 295; K Schmidt in: FS Forstmoser, 2003, S 93 f; Schürmann/Groh BB 1995, 684, 687; Schlitt S 152; Wichert S 164; Würdinger AktR4 S 255. 476 KK/Mertens/Cahn3 § 281, 27; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 13.

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solcher Mittelabfluss soll in Konstellationen, in denen der Komplementär in der KGaA verbleibt, aber gerade nicht stattfinden, so dass – sofern die Satzung nichts Abweichendes regelt – die Höhe des Entnahmeanspruchs maßgebend ist477 (und zwar in dem von der Satzung vorgegebenen Umfang, s § 288 Rdn 61 ff). Die dem Gesellschafter daraus erwachsenden Forderungen478 gegen die Gesellschaft sind zum Zwecke der Ausführung der Umwandlung als Sacheinlagen479 auf das Grundkapital einzubringen, was im Wege der Forderungsabtretung oder durch Abschluss eines Erlassvertrages zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Bezug auf die betreffenden Entnahme- oder Abfindungsforderungen des ersteren gegenüber der letzteren geschehen kann.480 Bereits die Satzungsbestimmung als solche gewährt dem Komplementär einen Anspruch auf Umwandlung seiner Sondereinlage in Kommanditaktien.481 Daher bedarf es zur Ausübung dieses Rechts keiner weiteren Zustimmung der übrigen Gesellschafter, es sei denn, die Satzung sieht anderes vor. Erfüllt werden kann dieser Anspruch auf Umwandlung der Sondereinlage nur, wenn die Gesellschaft die dazu notwendigen Kapitalmaßnahmen ergreift. Folglich steht dem umwandlungswilligen Komplementär gegen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre und die übrigen Komplementäre ein klagbarer Anspruch auf Zustimmung zu den erforderlichen Kapitalerhöhungsmaßnahmen zu. Diesem Anspruch kann ausnahmsweise der Einwand eines Verstoßes gegen die Treuepflicht entgegenhalten werden, wenn die Umwandlung objektiv nicht im Gesellschaftsinteresse liegt und dem Komplementär im Einzelfall das Unterlassen der Umwandlung subjektiv zuzumuten ist. Im Gegensatz zum Recht auf Umtausch (Abs 2) unterliegt eine dazu erforderliche 190 Kapitalerhöhung als Instrument zur Bedienung des Umtauschrechts dem Aktienrecht (Abs 3). Zur Schaffung der für die Umwandlung erforderlichen Kommanditaktien kommt eine bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192 ff) in Betracht, wobei das Umtauschrecht des Komplementärs als ein der Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen vergleichbares und die analoge Anwendung des § 192 Abs 2 Nr 1 rechtfertigendes Recht anzusehen ist.482 Allerdings ist die hM der Ansicht, dass eine bedingte Kapitalerhöhung nicht bereits in der Ursprungssatzung geregelt sein darf (arg e contr aus § 202).483 Zudem ist die Höchstgrenze von § 192 Abs 3 zu beachten. Die bedingte Kapitalerhöhung kann daher in einigen Fällen nicht geeignet sein, die Umwandlung umzusetzen. Als Alternative kommt eine genehmigte Kapitalerhöhung484 in Betracht, die allerdings auf die Höchstdauer von fünf Jahren und ebenfalls vom Volumen her begrenzt ist (§ 202 Abs 1 und 3). Zudem ist hier das Bezugsrecht der

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477 KK/Mertens/Cahn3 § 281, 29; MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 12 mwN zum Meinungsstand. Abweichend 4. Aufl Assmann/Sethe 189; Bürgers/Fett/Fett § 7, 23; MünchKomm/Perlitt5 389, die im Fall des Ausscheidens stets den Abfindungsanspruch für maßgebend halten, auch wenn durch die Umwandlung der Sondereinlage in Aktien keine Mittel aus der KGaA abfließen. 478 Kein tauglicher Sacheinlagegegenstand ist dagegen das Kapitalkonto als solches, vgl Bürgers/Fett/Fett § 7, 22; aA aber Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 295 f; Krug AG 2000, 510, 511. 479 MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 13; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 295; Krug AG 2000, 510, 511; Schlitt S 152; Wichert S 168. 480 Vgl Bürgers/Fett/Fett § 7, 22; Wichert S 168. 481 Bürgers/Fett/Fett § 7, 26 aE; MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 14; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 296; aA noch 4. Aufl Assmann/Sethe 190 Fn 389. AA auch Krug AG 2000, 512 ff; Wichert S 193 ff. 482 KK/Mertens/Cahn3 § 281, 28; MünchKomm/Perlitt5 390; MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 16; HoffmannBecking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 296 f; Schlitt S 152; Wichert S 173 ff, 176. AA Krug AG 2000, 510, 514. 483 Spindler/Stilz/Rieckers4 § 192, 19 mwN. 484 Bürgers/Fett/Fett § 7, 29.

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Aktionäre zu beachten. Unproblematisch ist es, wenn dieses bereits bei der Ermächtigung ausgeschlossen wurde. Ist dies nicht der Fall, muss über den Bezugsrechtsausschluss anlässlich der Ausnutzung des genehmigten Kapitals entschieden werden (zur Rechtfertigung sogleich in Rdn 191).485 Als dritte Lösung kommt schließlich die Umwandlung im Wege einer Sacheinlage auf eine ordentliche Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Kommanditaktionäre in Betracht. Sie bedarf eines – hinsichtlich der erforderlichen Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals durch die Satzung nicht nach unten abänderbaren (§§ 186 Abs 3 Satz 2 iVm § 182 Abs 1 Satz 2) – Kapitalerhöhungsbeschlusses nach §§ 182, 183, 186 Abs 3, 4. Auch hier bedarf es einer Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss (dazu Rdn 191). Die Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften über die Kapitalerhöhung wirft 191 drei Fragen auf: (1) Nach § 183 Abs 3 (bzw § 194 Abs 4 oder § 205 Abs 5 Satz 1) hat bei Kapitalerhöhungen mit Sacheinlage eine Prüfung stattzufinden. Die bisher vorherrschende Ansicht sah eine solche im Hinblick auf die Einbringung von Entnahme- oder Abfindungsforderungen der Komplementäre als entbehrlich an, wenn es sich um eine „große“ Gesellschaft (§ 267 Abs 3 HGB) handelt, die hinsichtlich ihres Jahresabschlusses ohnehin der Pflichtprüfung nach § 316 Abs 1 HGB unterliegt,486 sofern der Abschluss nicht zu lange zurücklag und seitdem keine wesentlichen Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten waren.487 Maßgebend ist nun der mit dem ARUG von 2009 geschaffene § 183a (bzw § 194 Abs 5 oder § 205 Abs 5 Satz 2), der genau diese Fragestellung regelt. Allerdings ist bei „anderweitig bewerteten Vermögensgegenständen“ die Prüfung durch einen Jahresabschlussprüfer gerade nicht ausreichend.488 Denn der deutsche Gesetzgeber hat nicht ausdrücklich von der in Art 50 Abs 3 der Richtlinie 2017/1132489 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Erfordernis externer Werthaltigkeitskontrolle auch bei solchen Vermögensgegenständen entfallen zu lassen, deren Zeitwert aus dem letzten geprüften Jahresabschluss hervorgeht. Daher ist die bisher vertretene Ansicht, bei großen Gesellschaften entfalle die Prüfung des Werts der Sondereinlage, überholt. Eine weitere Ansicht will auf eine Bewertung und Prüfung der Sacheinlage ganz verzichten, weil es sich um eine Konstellation handele, die einem Debt-Equity-Swap gleiche und daher der Nennwert der Forderung in der geprüften Bilanz ausreiche.490 Hieran kann man bereits aufgrund des Vollwertigkeitsgrundsatzes und des Umstands, dass die Privilegierung des § 194 Abs 1 Satz 2 als Ausnahmevorschrift nicht analogiefähig ist, Zweifel haben.491 Wichtiger im vorliegenden Zusammenhang ist aber, dass die in der Bilanz gebuchte Höhe der Sondereinlage nicht deckungsgleich mit dem Entnahmeanspruch (oder gar dem Auseinandersetzungsguthaben, sollte dieses maßgebend sein, s Rdn 189) ist, da

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485 Hier wird man es als ausreichend ansehen müssen, wenn die Ausübung der Ermächtigung zum Zwecke der Umwandlung von Sondereinlagen in Einlagen auf das Grundkapital erfolgt und letztere im Interesse der Gesellschaft (s dazu am Ende dieser Rdn) liegt; iE ebenso Krug AG 2000, 510, 513 f. 486 So 4. Aufl Assmann/Sethe 190; MünchKomm/Perlitt5 389; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 13; Wichert S 171. Ebenso für die AG 4. Aufl Wiedemann § 183, 112; Lutter/Zöllner ZGR 1996, 164, 178 f. 486 Unstr, vgl Spindler/Stilz/Bachmann4 § 281, 13 mwN. 487 So Bürgers/Fett/Fett § 7, 24, der zur Klärung deshalb zu einer frühzeitigen Kontaktaufnahme mit dem Registerrichter rät. 488 So Schall § 33a, 27 sowie MünchKomm/Pentz4 § 33, 30; KK/Arnold3 § 33, 15; sa Böttcher NZG 2008, 481, 482. 489 Richtlinie (EU) 2017/1132 vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl EU L 169 vom 30.6.2017, S 46. 490 KK/Mertens/Cahn3 § 281, 29. 491 So etwa Hölters/Apfelbacher/Niggemann3 § 183, 19; MünchKomm/Schürnbrand4 § 183, 16 ff – jeweils mwN.

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die Entnahme der Satzungsautonomie unterliegt (s Rdn 189 und § 288 Rdn 61 ff). Auch handelt es sich bei der Umwandlung der Sondereinlage nicht um einen Debt-EquitySwap, da die Sondereinlage eine Eigenkapitalposition ist. Der Tausch bewirkt gerade nicht den von der Gegenansicht in Feld geführten faktischen Rangrücktritt zugunsten der anderen Gläubiger,492 der mit einem Debt-Equity-Swap einhergeht. (2) Die Vorschrift des § 187 Abs 2 (bzw § 193 Abs 1 Satz 3 bzw § 203 Abs 1 iVm § 187 Abs 2) findet bei der Umwandlung der Sondereinlage in Aktien keine Anwendung, weil bei der KGaA eine Satzungsbestimmung, die einen Anspruch auf die Aktien gewährt, nach Abs 2 gerade zulässig ist.493 (3) Das leitet sachlich unmittelbar über zur nächsten klärungsbedürftige Rechtsfrage: Die Umwandlung der Sondereinlage setzt notwendigerweise einen Bezugsrechtsausschluss voraus. Dieser erfordert an sich einen am Interesse der Gesellschaft ausgerichteten rechtfertigenden Grund. Eine separate Prüfung dieser Voraussetzung muss jedoch aufgrund der Anwendung von Abs 2 unterbleiben,494 denn sie ist untrennbarer Bestandteil der Prüfung der Treuepflicht, mit der sich die Gesamtheit der Kommanditaktionäre bereits gegen eine Kapitalerhöhung als solche wehren könnte (s Rdn 189). Es ergibt keinen Sinn, die sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses separat von der Rechtmäßigkeit der Kapitalerhöhung als solcher zu prüfen, denn was nützt dem Komplementär ein Anspruch auf die Kapitalerhöhung, wenn das Bezugsrecht bestehen bliebe. Beide Beschlussgegenstände bilden aufgrund ihres Sachzusammenhangs eine Einheit.495 Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ähnelt die Konstellation dem bedingten Kapital, bei dem die Gesellschaft jemandem einen Anspruch auf Aktien gewährt, den sie aber nur erfüllen kann, wenn sie eine Ermächtigung für eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts schafft. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass – auch wenn sich die zur Umwandlung der Sondereinlage in Aktien nötige Kapitalerhöhung nach Aktienrecht richtet – dieses an zwei Stellen zu modifizieren ist: § 187 Abs 2 und die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses (bei genehmigter und ordentlicher Kapitalerhöhung) finden keine Anwendung. Letztere ist inzident im Rahmen der Prüfung des Einwands wegen einer möglichen Treuepflichtverletzung zu prüfen. Von der Umwandlung auf Basis einer Satzungsbestimmung zu unterscheiden ist 192 eine solche auf Grundlage eines Hauptversammlungsbeschlusses mit Zustimmung der Komplementäre. Bei dieser Konstellation fehlt der durch die Satzung eingeräumte Anspruch auf die Umwandlung. Daher sind die Hauptversammlung und die übrigen Komplementäre in ihrer Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung noch frei und müssen im Rahmen dessen prüfen, ob eine solche Umwandlung im Interesse der Gesellschaft liegt (zB wenn ein Komplementär nicht anders in der Gesellschaft gehalten werden kann und/oder Kapitalabflüsse durch Abfindungsansprüche zu besorgen sind) und keine mit

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492 Cahn/Simon/Theiselmann CFL 2000, 238, 244. 493 So zutreffend Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 281, 9; Bürgers/Fett/Fett § 7, 28; MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 14; ders in VGR 1 (1999), 23, 48; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 296. AA KK/Mertens/Cahn3 § 281, 28 („kein Anspruch auf die dafür erforderlich Beschlussfassung“); Arnold S 147 f; Durchlaub BB 1977, 875; Heidel/Wichert5 § 281, 22; MünchKomm/Perlitt5 396; Wichert S 193 ff; im Ergebnis aA auch Schlitt S 152, der Bedenken unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Nebenpflicht der Aktionäre hat. Er befürwortet stattdessen die satzungsmäßige Einräumung eines Kündigungsrechts des Komplementärs bei unterbliebener Kapitalerhöhung, der auf diese Weise Druck ausüben könne. 494 Ähnlich KK/Mertens/Cahn3 § 281, 30, der ebenfalls Abs 2 anwendet, aber die Prüfung der Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses noch separat vornehmen will. Im Ergebnis auch MünchKomm/Perlitt5 392 f. 495 Dies ähnelt der Lage bei der bedingten Kapitalerhöhung, bei der das Bezugsrecht kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, weshalb man die sachliche Rechtfertigung bei dem Beschluss über die bedingte Kapitalerhöhung selbst prüft, Spindler/Stilz/Rieckers4 § 192, 17.

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der Treuepflicht unvereinbare Gründe gegen die Umwandlung sprechen. Auch hier gilt, dass zum Zwecke der Umwandlung der Sondereinlage die Entscheidung nur einheitlich getroffen werden kann, also entweder eine Kapitalerhöhung ohne Bezugsrecht oder keine Kapitalerhöhung. Auch wenn der zur Umwandlung der Sondereinlage berechtigte Aktionär einen 193 klagbaren Anspruch auf Zustimmung zu den erforderlichen Kapitalerhöhungsmaßnahmen hat, ist zu bedenken, dass in der Einräumung des Umwandlungsrechts durch die Satzung letztlich keine Zusicherung der Gesellschafter liegt, dass im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs auch das dafür erforderliche Kapital zur Ausübung des Rechts zur Verfügung stehen oder unter allen denkbaren Umständen geschaffen wird. Wenn es der Gesellschaft wirtschaftlich so schlecht geht, dass die für eine Umwandlung in Aktien nötige Werthaltigkeit der Sondereinlage fehlt, nützt dem Komplementär der ihm gegen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre zustehende Anspruch auf Zustimmung nichts. 5. Umwandlung von Kommanditaktien in Sondereinlagen. Sollen Einlagen auf 194 das Grundkapital, dh Kommanditaktien, in Sondereinlagen umgewandelt werden, so bedarf dies der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien nach Abs 3 iVm § 237,496 wobei unter Gesichtspunkten der Praktikabilität vor allem eine Kapitalherabsetzung ohne das Erfordernis der Beachtung der Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung (§§ 222 ff) nach § 237 Abs 3 Nr 2 in Betracht kommt. Denkbar ist auch ein Vorgehen nach § 237 Abs 3 Nr 3. Der Kapitalherabsetzungsbeschluss bedarf dann nur einer einfachen Mehrheit. Die Kapitalherabsetzung muss für alle Aktionäre gleichmäßig erfolgen, es sei denn, alle Kommanditaktionäre stimmen einem anderweitigen Beschluss zu oder es liegt eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung vor.497 Diese muss sich am Gesellschaftsinteresse und nicht am Interesse einzelner Komplementäre messen lassen. Bloße Steuerersparnisgründe, wie etwa das Interesse einzelner Komplementäre, durch Umwandlung von Aktien in Sondereinlagen Erbschaftssteuer zu sparen, dürften sich deshalb allenfalls in einer Familien-KGaA mit engem Aktionärskreis mit den Gesellschaftsinteressen decken und als Rechtfertigung anzusehen sein.498 6. Andere Finanzierungsmaßnahmen. Als weitere Finanzierungsmaßnahmen 195 kommen ua in Betracht: Die Ausgabe von Schuldverschreibungen und Genussrechten, die Begründung von stillen Beteiligungen an der Gesellschaft sowie die Inanspruchnahme von Aktionärs- und Komplementärdarlehen. Zu den rechtlichen Bestimmungen, die beim Einsatz dieser Finanzierungsinstrumente zu beachten sind, s Vor § 278 Rdn 69 ff. X. Geltung des Aktienrechts (Abs 3) Gemäß Abs 3 gelten die zwingenden aktienrechtlichen Regelungen nur „im Übri- 196 gen“, dh soweit kein von Abs 2 erfasstes Rechtsverhältnis betroffen ist. Zur Abgrenzung der Abs 2 unterfallenden Rechtsverhältnisse von den durch Abs 3 erfassten s Vor § 278 Rdn 54 ff und oben Rdn 3 ff, 6.

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MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 18. Bürgers/Fett/Fett § 7, 31; MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 18. Großzügiger MünchHdBAG/Herfs4 § 80,18.

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§ 279 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

§ 279 Firma Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Firma § 279 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-026

(1) Die Firma der Kommanditgesellschaft auf Aktien muß, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. (2) Wenn in der Gesellschaft keine natürliche Person persönlich haftet, muß die Firma, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet. Schrifttum G Bokelmann Das Recht der Firmen und Geschäftsbezeichnungen, 5. Aufl 2000; Dirksen/Möhrle Die kapitalistische Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZIP 1998, 1377; Dirksen/Volkers Die Firma der Zweigniederlassung in der Satzung von AG und GmbH, BB 1993, 598; Fett/Stütz 20 Jahre Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, Bestandsaufnahme und neuere Entwicklungen, NZG 2017, 1121; Henrich Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, 1982; Jung Firmen von Personenhandelsgesellschaften nach neuem Recht, ZIP 1998, 677; R Knaak Firma und Firmenschutz, 1986; Kögel Entwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes, BB 1997, 793; Schlitt Die Auswirkungen des Handelsrechtsreformgesetzes auf die Gestaltung von GmbH & Co KGVerträgen, NZG 1998, 580; ders Die Satzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999; Köhler Namensrecht und Firmenrecht, in: FS Fikentscher, 1998, S 494; K Schmidt HGB-Reform im Regierungsentwurf, ZIP 1997, 909; D Sternberg Der Gesellschaftszusatz in der Handelsfirma, 1975; Wessel Die Firmengründung, 6. Aufl 1994. Vgl im Übrigen die Angaben bei § 4 und § 278.

Rechtsprechung BGH (14.7.1966) II ZB 4/66, BGHZ 46, 7 = WM 1966, 973: Anforderungen an den Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit bei der KGaA; BGH (20.4.1972) II ZR 17/70, BGHZ 58, 322 = BB 72, 981 = MDR 72, 848 = NJW 1972, 1419 = WM 1972, 849: Beibehaltung des Namens eines Gesellschafters einer GmbH in der Firma nach dessen Ausscheiden; BGH (24.3.1980) II ZB 8/79, NJW 1980, 2084 = WM 1980, 623 = BB 1980, 853 = DB 1980, 1788 = ZIP 1980, 446 = LM § 18 HGB Nr 9: Unzulässigkeit der aus den hintereinandergeschalteten Rechtsformzusätzen „GmbH“ und „KG“ bestehenden Firma einer KG, in der nur eine GmbH persönlich haftet; BGH (13.10.1980) II ZB 4/80, NJW 1981, 342 = WM 1980, 1382 = BB 1980, 1770 = ZIP 1980, 1112 = DB 1981, 153 = LM § 19 HGB Nr 4: Unzulässigkeit der Firma „K & Co. GmbH & Co. KG“; BGH (24.2.1997) II ZB 11/96 (Vorinstanz: OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, s § 278), BGHZ 134, 392 = AG 1997, 370 = BB 1997, 1220 = DB 1997, 1219 = NJW 1997, 1923 = WM 1997, 1098 = ZIP 1997, 1027 = LM H. 8/1997 § 278 AktG 1965 Nr 1 (Roth) = WuB II B § 278 AktG 1.97 (Hein): Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA und Firmierung. BayObLG (19.3.1992) 3Z BR 15/92 (Vorinstanz: LG München I 28.10.1991 – 17 HKT 18999/91), AG 1992, 455 = BB 1992, 944 = DB 1992, 1080 = MDR 1992, 757 = NJW-RR 1992, 1062: Änderung der Firma der Zweigniederlassung einer AG oder KGaA durch Satzungsänderung; LG München I (28.10.1991) 17 HKT 18999/91, RPfleger 1992, 163.

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I. II.

III.

Systematische Übersicht Normzweck und Normentwicklung | 1–4 Firmenbildung | 5–22 1. Firmenkern | 6 2. Rechtsformzusatz (Abs 1) | 11 3. Haftungsbeschränkungszusatz (Abs 2) | 15 Firma einer Zweigniederlassung | 23–25

IV.

V.

VI.

Verschmelzung, Formwechsel und branchenspezifische Sonderregeln | 26–27 Geschäftsbriefe der KGaA bzw der Zweigniederlassung einer KGaA mit Sitz im Ausland (§ 278 Abs 3 iVm § 80) | 28–30 Sanktionen | 31–32

I. Normzweck und Normentwicklung Die Vorschrift dient der Transparenz im Rechtsverkehr und schützt (potentielle) Gläubiger. Die Fassung der Bestimmung im AktG 1965 lautete: (1) Die Firma der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen. Sie muß die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ enthalten. (2) Führt die Kommanditgesellschaft auf Aktien die Firma eines auf sie übergegangenen Handelsgeschäfts fort (§ 22 des Handelsgesetzbuchs), so muß sie die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ in die Firma aufnehmen. Sie entsprach in ihrem Abs 1 § 220 AktG 1937. Bei Abs 2 wurde 1965 die Formulierung „von ihr erworbenen“ durch „auf sie übergegangenen“ ersetzt. Die Vorschrift ist durch Art 8 Nr 5 des Handelsrechtsreformgesetzes 19981 mit Wirkung zum 1.7.1998 geändert worden: Durch die Neufassung von Abs 1 profitiert auch die KGaA von der Liberalisierung des Firmenrechts durch das Handelsrechtsreformgesetz.2 Das kommt namentlich darin zum Ausdruck, dass – wie bereits der Vergleich zwischen Abs 1 nF und Abs 1 aF zeigt – die Firma der KGaA nicht mehr „in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens“ zu entnehmen ist. Darüber hinaus kann an die Stelle der durch Abs 1 aF verlangten Bezeichnung der Gesellschaft als „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ jede allgemeinverständliche Abkürzung dieser Bezeichnung treten. Mit der Neufassung des Abs 2 reagiert der Gesetzgeber auf den Beschluss des 2. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 24.2.1997,3 demzufolge eine juristische Person persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA sein kann. Dabei trägt die Neuregelung4 des Abs 2 vor allem dem Hinweis des BGH5 Rechnung, wonach im Interesse des Rechtsverkehrs bereits aus der Firma der Gesellschaft ersichtlich sein müsse, dass man es mit einer KGaA ohne natürlichen Vollhafter zu tun habe (wie bei der GmbH & Co KG, § 19 Abs 2 HGB).

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1 S Vor § 278 Rdn 37 (7) und Rdn 42. 2 S Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks 13/8444 vom 29.8.1997, im Folgenden RegE Handelsrechtsreformgesetz, Begründung S 74. Zur Liberalisierung des Firmenrechts und den diesbezüglichen Leitlinien seiner Neuregelung s ebd S 35. 3 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 4 Vgl die Stellungnahme des Bundesrats zum RegE Handelsrechtsreformgesetz, BT-Drucks 13/8444, S 91, 94. 5 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 401.

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II. Firmenbildung 5

Im Hinblick auf die Bildung der Firma der KGaA ist zwischen dem Firmenkern (oder, synonym, der Firmenbezeichnung im engeren Sinne), dem Rechtsformzusatz und dem Haftungsbeschränkungszusatz zu unterscheiden.

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1. Firmenkern. Im Unterschied zu Abs 1 aF enthält Abs 1 nF keine die Bildung des Firmenkerns betreffende spezielle Regelung. Verlangte Abs 1 aF, den Firmenkern „in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen“ (sog Entlehnungsgebot), so kann der Firmenkern nunmehr frei gebildet werden.6 Der Firmenkern kann dementsprechend sowohl aus Personen-, Sach- oder Phantasiebezeichnungen als auch aus Kombinationen aus diesen bestehen. 7 Bei der Bildung des Firmenkerns sind jedoch die sich aus § 6 Abs 1 HGB iVm § 18 HGB ergebenden Grenzen zu beachten: § 6 Abs 1 HGB Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung. § 18 HGB (1) Die Firma muß zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. (2) Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

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Daraus ergibt sich, dass die in Frage stehende Firmierung geeignet sein muss, die Firma der KGaA von anderen Firmen zu unterscheiden (Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit). Dabei muss sich die Unterscheidungskraft der Firma bereits aus den Bestandteilen des Firmenkerns ergeben, da allein ein unterschiedlicher Rechtsformzusatz nicht geeignet ist, ansonsten verwechslungsfähige Firmen voneinander abzugrenzen.7 In Bezug auf die an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden Firmen verlangt § 30 Abs 1 HGB darüber hinaus eine „deutliche“, dh jede Verwechslungsgefahr ausschließende Unterscheidbarkeit.8 Der Firmenkern der KGaA darf darüber hinaus keine Angaben enthalten, die geeig9 net sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen (§ 18 Abs 2 Satz 1 HGB9). Damit scheidet eine Irreführung im Hinblick auf solche Angaben aus, die für die angesprochenen Verkehrskreise nicht wesentlich sind. Zur Unterscheidung von wesentlichen und unwesentlichen geschäftli-

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6 Schon nach dem früheren Recht war im Falle einer KGaA die Bildung einer Personenfirma nicht generell ausgeschlossen und leichter zu rechtfertigen als bei der AG. Sie wurde namentlich dann als berechtigt angesehen, wenn die Firma aus den Namen der persönlich haftenden Gesellschafter oder zumindest dem Namen eines der Komplementäre gebildet wurde; s 3. Aufl Barz (ohne Rdn = Abs 2 der Kommentierung). 7 BGH 14.7.1966 – II ZB 4/66, BGHZ 46, 7, 12 f; Hüffer/Koch14 § 4, 8. 8 Einzelheiten bei Bokelmann 73 ff sowie in den Kommentierungen zu § 30 HGB. 9 Ein entsprechendes Irreführungsverbot ergibt sich zudem aus § 5 Abs 2 UWG und § 15 Abs 2 MarkenG.

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chen Verhältnissen ist „auf die Sicht des durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises bei verständiger Würdigung“ des Sachverhalts abzustellen.10 Das Irreführungsverbot steht der Aufnahme beliebiger Personennamen nicht ent- 10 gegen.11 Denn anders als möglicherweise in Bezug auf eine OHG oder eine KG12 verbinden die maßgeblichen Verkehrskreise mit den in die Firma einer KGaA aufgenommenen Personennamen nicht die Erwartung, mit diesen würden persönlich haftende Gesellschafter der KGaA oder maßgeblich beteiligte Kommanditaktionäre angeführt (insbesondere bei Privatbanken kommt es vor, dass kein Namensträger der ursprünglichen Gründerfamilie mehr vorhanden ist). Eine Irreführung scheidet auch dann aus, wenn die persönlich haftende Komplementärgesellschaft unter Weglassung prägender oder nicht prägender13 Firmenkernzusätze in der Firma der KGaA auftaucht. Dagegen darf eine Sachfirma (die per definitionem immer dann anzunehmen ist, wenn Bezeichnungen gewählt werden, die Rückschlüsse auf den Unternehmensgegenstand zulassen) nur in der Weise gebildet werden, dass sie keine Erwartungen über Art, Umfang oder Branche des Unternehmensgegenstandes weckt, die den Tatsachen nicht entsprechen. Der Beibehaltung der hierzu unter dem bisherigen Firmenrecht entwickelten Grundsätze steht die Zulassung von Phantasienamen in dem durch das Handelsrechtsreformgesetz eingeführten neuen Firmenrecht nicht entgegen,14 handelt es sich bei Phantasienamen doch gerade um solche, die den maßgeblichen Verkehrskreisen keine Schlüsse auf einen spezifischen Unternehmensgegenstand gestatten. 2. Rechtsformzusatz (Abs 1). Zusätzlich zum Firmenkern muss die Firma der KGaA 11 die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien“15 oder eine allgemeinverständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Damit weicht die Neufassung des Abs 1 vom bisherigen Recht (so Rdn 2, 3 aE) vor allem darin ab, dass sie nunmehr unzweifelhaft16 auch Abkürzungen der Rechtsformbezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ als Rechtsformzusatz erlaubt. Dabei hat der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet, die erlaubten Abkürzungen im Gesetz abschließend festzulegen.17 Welche Abkürzungen zulässig sind, beurteilt sich stattdessen unter Heranziehung 12 einerseits des Maßstabes der Allgemeinverständlichkeit und andererseits des Irreführungsverbots in § 18 Abs 2 HGB. Im RegE Handelsrechtsreformgesetz werden beispielhaft als erlaubte Kürzel angeführt: „Kommanditgesellschaft aA“ und „KG aA“. Keine Zweifel bestehen auch an der Zulässigkeit von „KG auf Aktien“18 oder der nicht nur im Schrift-

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10 RegE Handelsrechtsreformgesetz (Fn 2), Begründung S 53, unter Hinweis auf die Anlehnung der verwandten Gesetzesformulierung an § 13a UWG aF. 11 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 3; Schlitt S 92; Hüffer/Koch14 § 4, 14 (für die AG). Kritisch zu dieser Konsequenz Jung ZIP 1998, 677, 680; Kögel BB 1997, 793, 796 f; K Schmidt ZIP 1997, 909, 915. Zurückhaltend auch KK/Mertens/Cahn3 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 12 Hinsichtlich dieser Rechtsformen mögen entsprechende Erwartungen aus der alten Fassung von § 19 Abs 1 HGB nachklingen, wonach die Firma einer OHG oder KG den Namen wenigstens eines der Gesellschafter mit einem, das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutenden Zusatz oder die Namen aller Gesellschafter zu enthalten hatte. 13 Für nicht prägende Zusätze, unter Berufung auf entsprechende Grundsätze bei der Bildung der Firma einer GmbH & Co KG auch Schlitt S 92. 14 Bokelmann 542; einschränkender Hüffer/Koch14 § 4, 15, mit dem Hinweis, dem Liberalisierungszweck der Reform des Firmenrechts entspreche es, bei der Annahme wesentlicher Abweichungen von geweckten Erwartungen und tatsächlichen Verhältnissen Zurückhaltung zu üben. 15 Unzulässig ist die (in der Schweiz übliche) Bezeichnung „Kommanditaktiengesellschaft“, Bokelmann, 542, sa unten Fn 20. 16 Für die Zulässigkeit einer Rechtsformabkürzung schon unter Abs 1 aF etwa Hüffer3 1. 17 RegE Handelsrechtsreformgesetz (Fn 2), Begründung S 74. 18 Spindler/Stilz/Bachmann4 4.

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tum zwischenzeitlich ganz gebräuchlichen Abkürzung „KGaA“.19 Von den 2016 existierenden 307 Gesellschaften nutzten 233 die Abkürzung „KGaA“, 48 die Langform „Kommanditgesellschaft auf Aktien“, jeweils neun die Abkürzung „KG aA“ bzw “KG aA“, zwei „KGaA.“, eine „kgaa“ sowie drei „KG auf Aktien“, eine „Kommanditgesellschaft auf Aktie“; eine nutzt sowohl die Lang- als auch die Kurzform [„Hertha BSC GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)“].20 13 Dagegen ist die Abkürzung „KAG“ irreführend,21 zum einen weil der Gesetzgeber die Abkürzung KAG im früheren „Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG)“ als Abkürzung für Kapitalanlagegesellschaften verwendete22 und zum anderen weil die Verwechslung mit der Rechtsform der AG naheliegt. Letzteres Bedenken trifft, zumal nach der Zulässigkeit von Phantasiebezeichnungen im Firmenkern der AG (§ 4 iVm § 18 Abs 2 HGB), auch die Abkürzungen „KoAG“ und „KommAG“. Sie sind, ebenso wie die (zumindest nicht irreführende) Abkürzung „KGA“, zudem zwischenzeitlich gänzlich ungebräuchlich geworden und daher als nicht mehr allgemeinverständlich anzusehen.23 13a Aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme findet Abs 1 auch Anwendung, wenn eine Firma nach § 22 HGB oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird. Der abweichende Rechtsformzusatz der übernommenen Firma wird ersetzt durch denjenigen nach dieser Vorschrift.24 Weder § 4 noch die vorliegende Vorschrift erwähnen jedoch § 24 HGB. Dessen Abs 1 passt nicht auf AG und KGaA. Anders ist es jedoch bei dessen Abs 2. Scheidet also ein persönlich haftender Gesellschafter aus der KGaA aus, darf sein Name in der Firma nur fortgeführt werden, wenn er zustimmt.25 Dies entspricht im Übrigen der Rechtslage im Umwandlungsrecht, denn § 200 Abs 3 UmwG findet unstreitig auch auf die KGaA Anwendung.26 14 Die Anforderungen des Abs 1 hinsichtlich des Rechtsformzusatzes sind, da das Handelsrechtsreformgesetz keine diesbezüglichen Übergangsfristen gewährt,27 von allen existierenden und zu gründenden KGaA zu beachten. Die Übergangsvorschrift des § 22 EGHGB, die den vor dem 1.1.1900 gegründeten Gesellschaften das Privileg der Fortführung ihrer bisherigen Firmierung ohne Rechtsformzusatz gewährte, hat heute keine Be-

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19 Hüffer/Koch14 2; MünchKomm/Perlitt5 4; Schlitt S 92; KK/Mertens/Cahn3 4. AA nur Baumbach/Hueck13 2. 20 Lieder/Hoffmann AG 2016, 708. 21 Anders noch 3. Aufl Barz (ohne Rdn = Abs 2 der Kommentierung). 22 KK/Mertens1 2; MünchKomm/Perlitt5 4. Anders verhält es sich in der Schweiz, in der die KGaA als „Kommanditaktiengesellschaft“ bezeichnet und üblicherweise KAG abgekürzt wurde, vgl Sethe RIW 1993, 561 ff. Mittlerweile hat der Gesetzgeber in Anhang 2 zur Handelsregisterverordnung die offizielle Abkürzung „KmAG“ eingeführt. 23 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 4 (bzgl KoAG) sowie Spindler/Stilz/Bachmann4 4; Hüffer/Koch14 2 (bzgl KGA, KoAG, KommAG und KAG). 24 Statt vieler Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 25 Zur KGaA ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 6; aA Bürgers/Fett/Reger § 4, 74. Für die Anwendung von § 24 Abs 2 HGB auf alle Kapitalgesellschaften Felsner NJW 1998, 3255; Kern BB 1999, 1719; aA BGH 20.4.1972 – II ZR 17/70, BGHZ 58, 322, 325 f.; Baumbach/Hopt/Hopt39 § 24, 12, wobei diese ablehnende Ansicht nicht speziell auf die KGaA ein- und der Frage nachgeht, ob hier nicht der Verweis von § 278 Abs 2 maßgebend sein muss. 26 Habersack/Wicke/Simons UmwG § 200, 2 ff. 27 Der durch Art 4 Nr 3 des Handelsrechtsreformgesetzes (als Teil zahlreicher Übergangsvorschriften) neu in das EGHGB eingefügte und Umstellungsfristen festlegende Art 38 EGHGB berührt die Rechtsformzusatzregelung des Abs 1 nicht, sondern betrifft nur solche in Bezug auf Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften; näher hierzu RegE Handelsrechtsreformgesetz (Fn 2), Begründung S 70.

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deutung mehr, denn die heute älteste KGaA ist die 1961 gegründete EUROKAI KGaA. Faktisch erledigt hat sich auch der Meinungsstreit, ob § 26a EGAktG28 analog auf die KGaA anzuwenden ist,29 da die Firma aller existierenden KGaA einen entsprechenden Rechtsformzusatz enthalten.30 3. Haftungsbeschränkungszusatz (Abs 2). Wenn in der Gesellschaft keine natürliche Person persönlich haftet, muss die (fortgeführte oder zu bildende) Firma eine Bezeichnung enthalten, aus der sich die Haftungsbeschränkung erkennen lässt (Abs 2). Diese Vorschrift, mit der der Gesetzgeber einem entsprechenden Diktum des 2. Zivilsenats in seinem Beschluss vom 24.2.1997 zur Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co KGaA Rechnung trägt (so Rdn 4), entspricht weitgehend § 19 Abs 2 HGB (§ 19 Abs 5 Satz 1 HGB aF). Nach Abs 2 ist die Anbringung eines Haftungsbeschränkungszusatzes jedenfalls dann erforderlich, wenn eine Kapitalgesellschaft einzige Komplementärin der KGaA ist. Sie ist darüber hinaus aber auch dann geboten, wenn eine Personengesellschaft als einzige persönlich haftende Gesellschafterin der KGaA fungiert, für deren Verbindlichkeiten ihrerseits, wie namentlich bei der GmbH & Co KG, keine natürliche Person persönlich haftet. Bei einer mehrstufig aufgebauten Personengesellschaft entfällt das Erfordernis eines Haftungsbeschränkungszusatzes, wenn auf einer beliebigen Stufe eine natürliche Person persönlich haftet. Wie der von Abs 2 verlangte Haftungsbeschränkungszusatz auszusehen hat, lässt das Gesetz offen, so dass noch manche Unsicherheiten bestehen. – Um es den Gesellschaften zu erlauben, uneingeschränkt von der Möglichkeit zur Bildung von Sach-, Personen- und Phantasienamenfirmen Gebrauch machen zu können, wäre es naheliegend, die Haftungsbeschränkung im Wege der Hinzufügung des Zusatzes „mbH“ oder „mit beschränkter Haftung“ an die Rechtsformbezeichnung (etwa „Name KGaA mbH“) kenntlich zu machen. Dagegen spricht jedoch, dass die angesprochenen Verkehrskreise angesichts solcher Zusätze leicht zu der irrigen Annahme gelangen könnten, es mit einer Rechtsform sui generis zu tun zu haben. Darüber hinaus ist auch die Gefahr, ein derart bezeichnetes Unternehmen mit einer GmbH zu verwechseln,31 nicht von der Hand zu weisen. – Wegen der Gefahr der Irreführung über die Rechtsform des Unternehmens werden durchweg auch Firmengestaltungen für unzulässig angesehen, in denen Rechtsformzusätze hintereinander geschaltet sind32 (etwa „Name GmbH KGaA“). Auch die Trennung der Rechtsformzusätze lediglich durch einen sachlichen Firmenbestandteil (etwa „Name GmbH Verlags KGaA“) soll dem Gebot der Firmenklarheit nicht genügen und kann die Irreführungsgefahr nicht beseitigen.33 – Wenn in der KGaA keine natürliche Person persönlich haftet, wird man deshalb nicht umhin kommen, auf die Anforderungen höchstrichterlicher Rechtsprechung an die Firma einer KG, bei der nur eine GmbH persönlich haftet, zurückzugreifen.34

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28 Er geht auf das Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 13.12.1978, BGBl I 1959 zurück. 29 Bejahend KK/Mertens/Cahn3 2; verneinend 4. Aufl Assmann/Sethe 14. 30 Lieder/Hoffmann AG 2016, 708. 31 Schlitt S 92. 32 BGH 24.3.1980 – II ZB 8/79, NJW 1980, 2084 (bzgl Firma einer KG, in der nur eine GmbH persönlich haftet). 33 BGH 24.3.1980 – II ZB 8/79, NJW 1980, 2084. 34 BGH 24.3.1980 – II ZB 8/79, NJW 1980, 2084 mwN.

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Danach wäre der Firmenkern35 der Kapitalgesellschaft als Komplementärgesellschaft mit Rechtsformenzusatz in die Firma der KGaA aufzunehmen und durch das Kürzel „& Co.“ (oder in anderer Schreibweise: „+ Co.“, „und Co.“, „u. Co.“,36 wobei die Abkürzung „Co.“ auch ohne Punkt in Gestalt von „Co“ erfolgen kann) von dem auf die KGaA hinweisenden Rechtsformzusatz zu trennen (etwa „Name GmbH & Co. KGaA“ oder „Name AG & Co. KGaA”).37 Dem Grundsatz der Firmenklarheit und dem Gebot, Irreführungen der angesprochenen Verkehrskreise zu vermeiden, liefe es allerdings entgegen, wollte man diese Regel einschränkungslos auch auf den Fall übertragen, dass eine typengemischte Gesellschaft (bei der keine natürliche Person persönlich haftet) einzige Komplementärin der KGaA wäre, da dies zu einer Verdopplung des Haftungsbeschränkungszusatzes „& Co.“ führen würde (im Falle etwa einer „Name GmbH & Co KG“ als Komplementärin ergäbe sich als Konsequenz die Firmierung der KGaA als „Name GmbH & Co KG & Co KGaA“). Das Ziel, die Haftungsbeschränkung in der betreffenden KGaA deutlich zu machen, lässt sich in diesen Fällen auch dadurch erreichen, dass man den einmaligen Zusatz „& Co“ (in einer der zulässigen Schreibweisen) genügen lässt; eine Verdopplung des Zusatzes, entsprechend den Firmierungsgrundsätzen bei der doppelstöckigen GmbH & Co KG,38 ist unzulässig39 (bei einer „Name GmbH & Co KG“ als Komplementärin würde die KGaA mithin zu firmieren haben: „Name GmbH & Co KGaA“; die Firmierung „Name KG & Co KGaA“ würde dagegen auf die persönliche Haftung eines Gesellschafters der KG als Komplementärgesellschaft schließen lassen und damit als Haftungsbeschränkungszusatz nicht taugen). Da die Firma der KGaA keine Auskunft über die Identität des persönlich haftenden Gesellschafters zu geben braucht (so Rdn 10), ist es unbedenklich, dass das Publikum bei Anwendung der fraglichen Haftungszusatzregel keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Rechtsform der Komplementärgesellschaft (die im Falle der Firma „Name GmbH & Co KGaA“ sowohl eine GmbH als auch eine GmbH & Co KG sein kann) zu ziehen vermag.

Mangels entsprechender Übergangsregelungen im Handelsrechtsreformgesetz sind Gesellschaften in der Rechtsform der KGaA, bei denen keine natürliche Person persönlich haftet, gehalten, ihrer Firma einen Haftungsbeschränkungszusatz hinzuzufügen. III. Firma einer Zweigniederlassung

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Eine KGaA kann eine Zweigniederlassung mit eigener Zweigniederlassungsfirma gründen (§ 13 Abs 1 HGB). Die Errichtung der Zweigniederlassung müssen die vertre-

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35 Nicht zu beanstanden ist es im Hinblick auf das Ziel der Anbringung eines Haftungszusatzes, sachliche Zusätze zum Firmenkern, wie etwa „Vertriebsgesellschaft“ oder „Holding“, entfallen zu lassen. Unbedenklich ist deshalb etwa die Firma „Name GmbH & Co KGaA“, wenn deren alleinige Komplementärin als „Name GmbH & Co Holding KG“ firmiert. 36 Entsprechende Hinweise finden sich in BGH 24.3.1980 – II ZB 8/79, NJW 1980, 2084 mwN. 37 Ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 8; Schlitt S 92 f; MünchKomm/Perlitt5 7; Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1379. Das entsprach auch der Praxis derjenigen KGaA, die vor dem Beschluss des BGH vom 24.2.1997 (BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392) eine GmbH & Co KG als alleinige Komplementärin hatten; vgl die Beispiele bei Overlack S 243 („Willi Bogner GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien“; „Eff-Eff Fritz Fuß GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien“ mit der „Eff-Eff Fritz Fuß GmbH & Co. Holding KG“ als alleiniger Komplementärin). 38 BGH 13.10.1980 – II ZB 4/80, NJW 1981, 342; Bokelmann 623a. 39 Unstr, vgl Bürgers/Fett/Reger § 4, 71; Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1380; Schlitt S 92 f; MünchKomm/Perlitt5 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 8.

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tungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter (oder ein Vertreter, vgl § 378 Abs 1 FamFG) beim Registergericht der Hauptniederlassung anmelden (zur Form vgl § 12 HGB). In der Anmeldung sind der Ort der Zweigniederlassung sowie deren inländische Geschäftsanschrift anzugeben. Wird der Firma der Zweigniederlassung ein Zusatz angefügt (su Rdn 24), ist dieser ebenfalls anzumelden. Die Zweigniederlassung wird dann auf dem Registerblatt der KGaA vermerkt (§ 13 Abs 2 HGB). Die Firma der Zweigniederlassung kann von derjenigen der Hauptniederlassung 24 abweichen (arg §§ 50 Abs 3, 126 Abs 3 HGB; unstr). Die Abweichung kann auf einem bloßen Niederlassungszusatz (etwa „Name KGaA, Niederlassung Ort“) oder auf einem anders lautenden Firmenkern beruhen.40 Ist letzteres der Fall, muss ein Zusatz beigefügt werden, der die Zweigniederlassung als Zweigniederlassung eines mit seiner Firma zu bezeichnenden Unternehmens kennzeichnet (etwa „Verlagshaus V, Zweigniederlassung der Name-KGaA“).41 Weicht der Firmenkern der Hauptniederlassung von demjenigen der Zweigniederlassung ab, so ist dies zudem in die Satzung der KGaA aufzunehmen, da die Firma zwingender Bestandteil der Satzung ist (§§ 281 Abs 1, 23 Abs 3 Nr 1).42 Auf Zweigniederlassungen von KGaA mit Sitz im Ausland sind gem § 13f Abs 7 25 HGB die Vorschriften des § 13f Abs 1–6 HGB und – aufgrund der Verweise in § 13f Abs 1 und 13e Abs 1 HGB – auch diejenigen der §§ 13d, 13e HGB43 anzuwenden. IV. Verschmelzung, Formwechsel und branchenspezifische Sonderregeln Bei der Verschmelzung und dem Formwechsel (s Vor § 278 Rdn 91 ff, 103 ff) sind 26 die besonderen Regelungen der §§ 18, 36 bzw 200 UmwG anzuwenden.44 Des Weiteren finden sich firmenrechtliche Sonderregeln für bestimmte Gewerbe- 27 arten. So sind etwa die Bezeichnungen „Bank“ oder „Bankier“ als solche und als Wortbestandteile im Wesentlichen (s näher §§ 39 Abs 1, 41 KWG) Kreditinstituten mit der Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften oder zur Erbringung von Finanzdienstleistungen (§ 32 KWG) vorbehalten. Entsprechendes gilt für die Bezeichnungen „Volksbank“ (§ 39 Abs 2 KWG), „Sparkasse“ (§ 40 Abs 1 KWG) oder „Bausparkasse“ (§ 40 Abs 2 KWG). Die Bezeichnungen „Kapitalverwaltungsgesellschaft“, „Investmentvermögen“, „Investmentfonds“, „Investmentgesellschaft“ oder eine Bezeichnung, in denen diese Begriffe vorkommen, dürfen nur von Verwaltungs- oder Vertriebsgesellschaften sowie extern verwalteten Investmentgesellschaften iSd KAGB verwandt werden (s näher § 3 Abs 1 KAGB). Auch die Bezeichnung „Unternehmensbeteiligungsgesellschaft“ ist geschützt (§ 20 UBGG). V. Geschäftsbriefe der KGaA bzw der Zweigniederlassung einer KGaA mit Sitz im Ausland (§ 278 Abs 3 iVm § 80) Der nach § 278 Abs 3 sinngemäß auf die KGaA anwendbare § 80 (vgl § 278 Rdn 103 28 Fn 272) verlangt für Geschäftsbriefe der KGaA, die an einen bestimmten Empfänger ge-

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40 Zur Firmierung von Zweigniederlassungen näher Dirksen/Volkers BB 1993, 598 f. 41 BayObLG 19.3.1992 – 3Z BR 15/92, AG 1992, 455. HM, vgl Baumbach/Hopt/Hopt39 § 13, 7; Bokelmann 875 f.; Spindler/Stilz/Drescher4 § 4, 21; AA 4. Aufl Brändel § 4, 65 und 5. Aufl Bachmann § 4, 33; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth9 § 13, 8. 42 BayObLG 19.3.1992 – 3Z BR 15/92, AG 1992, 455 f (mwN auch zur Gegenansicht); LG München I 28.10.1991 – 17 HKT 18999/91, RPfleger 1992, 163; Dirksen/Volkers BB 1993, 598, 599 f. 43 Vgl Baumbach/Hopt/Hopt39 § 13e, 1; Hüffer/Koch14 Anh § 45: § 13f HGB 8; Koller/Kindler/Roth/ Drüen/Roth9 § 13f, 1. 44 Dazu Limmer NotBZ 2000, 101.

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§ 279 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

richtet sind,45 die in § 80 Abs 1 Satz 146 vorgeschriebenen Angaben. Auf Geschäftsbriefen der KGaA sind dementsprechend anzuführen: die Rechtsform, der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft, die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist (sog HRB-Nummer) sowie die Namen der vertretungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter und des Vorsitzenden des Aufsichtsrats mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen. 29 Ist eine Personen- oder Kapitalgesellschaft (neben anderen Komplementären oder als alleinige Komplementärin) vertretungsbefugte persönlich haftende Gesellschafterin der KGaA, so ist deren Name, dh ihre Firma aufzuführen. Mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung besteht nach dem Gesetzeswortlaut keine Verpflichtung, darüber hinaus weitere oder gar sämtliche Angaben aufzunehmen, welche die Komplementärgesellschaft aufgrund der für sie jeweils maßgeblichen gesetzlichen Regelung auf ihren Geschäftsbriefen anzubringen hat. Dem Zweck der Geschäftsbriefpublizität entsprechend, Nachforschungen über wesentliche Merkmale der Gesellschaft entbehrlich zu machen, wird man aber im Wege der Auslegung des § 80 im Hinblick auf seine sinngemäße Anwendung für die KGaA zu dem Ergebnis gelangen können, bei Komplementärgesellschaften seien zumindest folgende Angaben gesetzlich geboten: die Rechtsform, der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft, die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist (HRB- bzw HRA-Nummer). Nicht zwingend (aber sinnvoll) sind Angaben über die Vertretungsverhältnisse der Komplementärgesellschaft, da diese ggf aufgrund der vorstehenden Angaben durch zumutbare Nachforschungen erkundet werden können.47 Ein Teil des Schrifttums spricht sich dagegen für eine analoge Anwendung der für die Firmierung der Komplementärgesellschaft geltenden Vorschriften (dh, neben § 80, insbes §§ 177a, 125a HGB, § 35a GmbHG) aus,48 was zur Folge hätte, dass im Falle des mehrstufigen Aufbaus einer KGaA über die Verhältnisse einer jeden der beteiligten Gesellschaften zu informieren und eine beträchtliche Vermehrung der auf den Geschäftsbriefen anzubringenden Angaben in Kauf zu nehmen wäre.49 Auf Geschäftsbriefen und Bestellscheinen der Zweigniederlassung einer KGaA mit 30 Sitz im Ausland sind zusätzlich zu den vorgenannten Angaben für eine KGaA mit Sitz im Inland das Register, bei dem die Zweigniederlassung geführt wird sowie die Nummer der Registereintragung anzugeben (§ 80 Abs 4). VI. Sanktionen 31

Wird die Pflicht zur Führung des Rechtsformzusatzes verletzt, können die vertretungsberechtigten Komplementäre gem § 408 iVm § 407 Abs 1 vom Registergericht durch Zwangsgeld zur Befolgung der Pflicht angehalten werden. Werden die Vorschriften zur

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45 Als Geschäftsbriefe iSv § 80 Abs 1 gelten gem § 80 Abs 3 auch Bestellscheine. 46 Keine Anwendung auf die KGaA findet § 80 Abs 1 Satz 2, der die ausdrückliche Nennung des Vorstandsvorsitzenden verlangt, da die KGaA unter den persönlich haftenden Gesellschaftern – als Äquivalent zum Vorstand der AG – keine dem Vorstandsvorsitzenden vergleichbare Position kennt. 47 So iE (allerdings ohne nähere Begründung) auch Schlitt S 93 f. 48 Bürgers/Fett/Reger § 4, 77; Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1380; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 10. Nach dieser Ansicht sind dann zwingend auch die Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft zu benennen. 49 Diese Konsequenz ließe sich freilich dadurch vermeiden, dass die analoge Anwendung der fraglichen Bestimmungen auf die erste Stufe einer mehrstufigen KGaA, dh die Komplementär-Gesellschaft, beschränkt wird. Die unter dieser Voraussetzung erzielten Ergebnisse entsprächen dann weitgehend der hier vertretenen Ansicht.

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Feststellung der Satzung. Gründer | § 280

Bildung der Handelsfirma verletzt, ist zudem die Verhängung eines Ordnungsgelds nach § 37 Abs 1 HGB möglich.50 Wird bei der Abfassung der Satzung § 23 Abs 3 Nr 1 missachtet, ergreift das Registergericht die in § 399 Abs 1 und 2 FamFG vorgesehenen Maßnahmen und verfügt ggf die Auflösung der Gesellschaft (§§ 399 Abs 1 Satz 2 FamFG, 289 Abs 2 Nr 2 AktG), wenn diese den Mangel nicht beseitigt. Die Nichtbeachtung der Pflicht zur Führung des Rechtsformzusatzes kann auch eine 32 Haftung der handelnden Organmitglieder nach Rechtsscheingrundsätzen auslösen, wobei dies wohl nur bei einer Verletzung von Abs 2 relevant werden dürfte.51 Weiterhin kommen wettbewerbs- oder markenrechtliche Ansprüche in Betracht.

§ 280 Feststellung der Satzung. Gründer Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Feststellung der Satzung. Gründer § 280 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-027

(1) 1Die Satzung muß durch notarielle Beurkundung festgestellt werden. In der Urkunde sind bei Nennbetragsaktien der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien anzugeben, die jeder Beteiligte übernimmt. 2Bevollmächtigte bedürfen einer notariell beglaubigten Vollmacht. (2) 1Alle persönlich haftenden Gesellschafter müssen sich bei der Feststellung der Satzung beteiligen. 2Außer ihnen müssen die Personen mitwirken, die als Kommanditaktionäre Aktien gegen Einlagen übernehmen. (3) Die Gesellschafter, die die Satzung festgestellt haben, sind die Gründer der Gesellschaft. Schrifttum Bachmann Die Änderung personengesellschaftsrechtlicher Satzungsbestandteile bei der KGaA, in: FS K. Schmidt, 2009, S 41; Dreisow Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als Einmann-Gesellschaft, WPg 1976, 658; ders Zu den Stimmverboten für die Komplementäre einer KGaA, DB 1977, 851; Gerber Auswirkungen des UMAG auf die notarielle Praxis und die Satzungsgestaltung bei der Aktiengesellschaft, MittBayNot 2005, 203; Heckschen Formwechsel und Stimmrechtsvollmachten, Die Anwendung von Gründungsvorschriften beim Formwechsel am Beispiel kapitalgesellschaftsrechtlicher Formvorschriften, NZG 2017, 721. Vgl im Übrigen die Angaben bei § 278.

Rechtsprechung BGH (3.11.1980) II ZB 1/79, BGHZ 78, 311 = BB 1981, 450 = DB 1981, 466 = NJW 1981, 682 = WM 1981, 163 = ZIP 1981, 183: Zulässigkeit der Beteiligung einer GbR als Gründerin einer GmbH; BGH (13.4.1992) II ZR 277/90, BGHZ 118, 83 = AG 1992, 312 = BB 1992, 1447 = DB 1992, 1621 = NJW 1992, 2222 = WM 1992, 1225 = ZIP 1992, 995 = WuB II A § 186 AktG 1.93 (Schöne): eine GbR kann Gesellschafterin einer AG sein; BGH (13.6.1994) II ZR 38/93, BGHZ 126, 226 = AG 1994, 503 = BB 1994, 1807 = DB 1994, 1863 = NJW 1994, 2536 = WM 1994, 1523 = ZIP 1994, 1173 = LM H. 12/1994 § 138 BGB (Bb) Nr 71 (Heidenhain): GbR als Schutzgemeinschaft von Anteilseignern an einer oder mehrerer Kapitalgesellschaften.

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50 Spindler/Stilz/Bachmann4 10. 51 Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1382 f; Schlitt S 93; MünchKomm/Perlitt5 7 f.; Spindler/Stilz/Bachmann4 10. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass das dogmatische Konzept einer Rechtsscheinhaftung umstritten ist, vgl Bachmann § 4, 43.

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§ 280 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

I. II.

Systematische Übersicht Übersicht | 1–2 Gründung der KGaA | 3–11 1. Feststellung der Satzung und Übernahme der Aktien | 3 2. Übernahme bzw nachträglicher Erwerb aller Aktien durch die Komplementäre | 10

3.

III. IV.

Die Einpersonen-Kapitalgesellschaft & Co KGaA und die EinheitsKGaA | 11 Gründer | 12–13 Anwendung sonstiger gründungsrelevanter Vorschriften | 14–15

I. Übersicht Die Vorschrift in ihrer Fassung von 1965 entsprach inhaltlich im Wesentlichen § 221 AktG 1937.1 Die seinerzeitige Überschrift „Errichtung der Gesellschaft“ wurde vom AktG 1965 durch die heutige ersetzt, weil auch §§ 281, 282 Vorschriften zur Errichtung enthalten. § 221 Abs 1 AktG 1937 ist durch § 280 in zwei Absätze aufgespalten worden: § 221 Abs 1 Satz 1–3 AktG 1937 finden sich im heutigen Abs 1 wieder. Satz 4 wurde in Abs 2 übernommen und inhaltlich angepasst, da die Möglichkeit der Stufengründung nicht mehr besteht und die Kommanditaktionäre deshalb die Aktien bei Feststellung der Satzung gegen Einlagen übernehmen müssen. § 221 Abs 2 Satz 1 AktG 1937 wurde zum heutigen Abs 3, während § 221 Abs 2 Satz 2 AktG 1937 wegen des Wegfalls der Stufengründung ebenso entfallen konnte wie der frühere § 224 AktG 1937. Durch das BeurkG2 wurde die früher vorgesehene zusätzliche Möglichkeit der gerichtlichen Beurkundung und Beglaubigung abgeschafft. Die Einführung der Stückaktie durch das StückAG3 brachte redaktionelle Anpassungen in Abs 1 Satz 1 mit sich. Mit dem UMAG4 ließ der Gesetzgeber die nach Satz 1 erforderliche Mindestgründerzahl von fünf Personen entfallen, anerkannte damit auch bei der KGaA die Zulässigkeit der Einpersonengründung und korrigierte so sein Versehen aus dem Jahre 1994. Damit bedarf es der in der Vorauflage5 noch vorgeschlagenen teleologischen Reduktion von Absatz 1 Satz 1 nicht mehr (s Vor 278 Rdn 41). §§ 280–282 enthalten Spezialregelungen zu den ansonsten über § 278 Abs 3 an2 wendbaren Gründungsvorschriften der AG (sa unten Rdn 14 f). § 280 betrifft die Feststellung der Satzung, die mitwirkenden Personen und die Definition des Begriffs der Gründer. § 281 regelt den (weiteren) Inhalt der Satzung, § 282 die Eintragung. Die §§ 280–282 betreffen die Gründung einer KGaA, nicht deren Entstehung Formwechsel, Spaltung oder Verschmelzung (vgl dazu Vor § 278 Rdn 62, 90 ff). 1

II. Gründung der KGaA 3

1. Feststellung der Satzung und Übernahme der Aktien. Die Gründung einer KGaA folgt im Wesentlichen den für die Gründung einer AG maßgeblichen Regeln.6 Soweit §§ 280–282 keine Sonderregelungen enthalten, finden gemäß § 278 Abs 3 die Vor-

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1 Zur Normgeschichte sa Kropff AktG, 1965, S 366. 2 § 56 des Gesetzes vom 28.8.1969, BGBl I 1513. 3 Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz – StückAG) vom 25.3.1998, BGBl I 590. 4 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl I 2802. 5 4. Aufl Assmann/Sethe 4 f. 6 Satzungsmuster und Gestaltungshinweise finden sich etwa bei Bürgers/Fett/Förl § 13; Freudenberg/ Sorg Die KGaA mit beschränkter Haftung; Herfs Satzung S 23 ff; ders AG 2005, 589 ff.; Hoffmann-Becking/ Herfs in: FS Sigle, 2000, S 284 ff; Schlitt Satzung, passim; Schrick NZG 2000, 409 ff.

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Feststellung der Satzung. Gründer | § 280

schriften über die Gründung einer AG, §§ 23–53, Anwendung (so Rdn 2 und unten Rdn 14 f). Das schließt die Anwendung der Nachgründungsvorschriften (§§ 52, 53) mit ein. Diese greifen nach § 52 Abs 1 Satz 1 nur dann ein, wenn die Vergütung für die nach dieser Bestimmung in Betracht kommenden Erwerbsgeschäfte 10% des Grundkapitals übersteigt. Bei der Berechnung dieses Verhältnisses dürfen Sondereinlagen der Komplementäre dem Grundkapital nicht hinzugerechnet werden.7 Das folgt zum einen daraus, dass Sondereinlagen ohne Beachtung der Gläubigerschutzvorschriften zur Erhaltung des Grundkapitals rückzahlbar sind8 und zum anderen daraus, dass andernfalls die Möglichkeit zur Umgehung von § 26 eröffnet würde. Auch spricht der Wortlaut von § 52 vom Grundkapital. Der Gesetzgeber hat mit der Änderung von § 280 (so Rdn 1) klargestellt, dass die Einpersonen-Gründung auch bei der KGaA zulässig ist und ein Komplementär bei der Gründung alle Kommanditaktien übernehmen darf. Dies mag wirtschaftlich meist nicht sinnvoll sein, da die Aktienausgabe doch gerade der Verbreiterung der Finanzierungsbasis dient (daher besteht der Zustand der Einpersonen-KGaA meist nur vorübergehend). Juristisch sprechen jedoch keine Einwände mehr gegen ein solches Vorgehen. Bei der Einpersonen-KGaA findet sich folglich nur ein Gründer (zum Begriff su Rdn 12), der zugleich persönlich haftender Gesellschafter und einziger Kommanditaktionär ist. Die KGaA unterliegt dann – sofern deren übrige Tatbestandvoraussetzungen vorliegen – über § 278 Abs 3 den Meldepflichten der §§ 20, 21.9 Hat die Gesellschaft mehrere persönlich haftende Gesellschafter, so müssen sämtliche der Komplementäre bei der Feststellung der Satzung mitwirken (Abs 2 Satz 1), gleichgültig, ob sie geschäftsführungsbefugt sein sollen oder nicht. Bei der Feststellung der Satzung haben des Weiteren alle Personen mitzuwirken, die als Kommanditaktionäre Aktien übernehmen (Abs 2 Satz 2). Alle an der Feststellung beteiligten Personen sind nach Abs 3 Gründer mit den daran geknüpften Folgen (su Rdn 12 f). Nach Abs 1 Satz 2, der inhaltlich der Regelung des § 23 Abs 2 Nr 2 entspricht, muss die zur Satzungsfeststellung erforderliche Urkunde die folgenden Angaben enthalten: Anzuführen sind bei Nennbetragsaktien der Nennbetrag der Aktien, bei Stückaktien die Zahl der Aktien, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien, die der jeweilige Gründer übernimmt. Im Falle von Stückaktien braucht mithin nur die Zahl der Aktien und nicht der auf diese jeweils entfallende anteilige Betrag des Gründungskapitals angegeben zu werden.10 Darüber hinaus hat die Urkunde gemäß §§ 278 Abs 3, 23 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 die Gründer (su Rdn 12) und den eingezahlten Betrag des Grundkapitals zu benennen. Das Gesetz verlangt zwar die gleichzeitige, nicht aber die persönliche Anwesenheit der Beteiligten bei der notariellen Beurkundung der Satzung, denn es gestattet die Vertretung, sofern diese auf einer notariell beglaubigten Vollmacht beruht (Abs 1 Satz 3).

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7 Diekmann ZIP 1996, 2149 f; Grigoleit/Servatius2 12, § 281, 9; Hüffer/Koch14 4; Schmidt/Lutter/Schmidt3 10; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 335; im Ergebnis auch Bürgers/Körber/Förl/Fett4 7; Bürgers/Fett/Bürgers § 4, 61; Spindler/Stilz/Bachmann4 15, die § 52 teleologisch reduzieren und nur die Kommanditaktionäre (unter Einfluss der aktienbesitzendem Komplementäre) als Gründer ansehen wollen; aA KK/Mertens/Cahn3 14; Heidel/Wichert5 2; Schaumburg/Schulte Rdn 20; Wichert S 116. 8 Bürgers/Fett/Bürgers § 4, 61; Diekmann ZIP 1996, 2149, 2150; Hüffer/Koch14 4; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 335; Schmidt/Lutter/Schmidt3 10; Spindler/Stilz/Bachmann4 15. 9 Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 10 S RegE Stückaktiengesetz BT-Drucks 13/9573 vom 7.1.1998, Begründung S 18 iVm S 15 f zu Nr 7 (§ 23 AktG).

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§ 280 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

Da die Möglichkeit der Stufengründung entfallen ist,11 müssen die Gründer alle Aktien übernehmen. Die Zeichnung und die Übernahme von Aktien durch die Gesellschaft oder ein von ihr abhängiges Unternehmen sind gemäß §§ 278 Abs 3, 56 bei Gründung und Kapitalerhöhung grundsätzlich unzulässig.12 Für den späteren Erwerb eigener Aktien gelten gemäß § 278 Abs 3 die in § 71 enthaltenen Regeln. Die Komplementäre können, müssen aber nach dem Gesetz keine Sondereinlage übernehmen. Wenn ein entsprechendes Recht oder gar eine Pflicht begründet werden soll, muss dies in der Satzung festgelegt werden (s § 281, Rdn 14 ff). Mit Übernahme der Aktien ist die Gesellschaft errichtet (§§ 278 Abs 3, 29); mit ihrer 9 Eintragung wird sie zur juristischen Person (§§ 278 Abs 3, 41 Abs 1 Satz 1).

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2. Übernahme bzw nachträglicher Erwerb aller Aktien durch die Komplementäre. Bereits vor der gesetzlichen Zulassung der Einpersonengründung einer KGaA (s Rdn 1) war anerkannt, dass der oder die persönlich haftende(n) Gesellschafter einer bereits eingetragenen KGaA einen Teil der oder alle Kommanditaktien übernehmen durften.13 Wie § 285 Abs 1 zeigt, geht das Gesetz von der Zulässigkeit „aktienbesitzender Komplementäre“ aus. Da das Gesetz keine Höchstgrenze für den Aktienbesitz eines Komplementärs vorschreibt, kann dieser bis hin zur Übernahme aller Aktien gehen. § 278 verlangt nur die Existenz zweier Gesellschaftergruppen, nicht aber die Verschiedenheit der diese Gruppen bildenden Personen.14 Die Gesellschaft wird bei Personenidentität der Gesellschaftergruppen auch keineswegs funktionsunfähig, denn unter diesen Umständen sind die Stimmverbote des § 285 Abs 1 nicht oder nur eingeschränkt anzuwenden (§ 285 Rdn 32 ff), weil es an dem von diesen vorausgesetzten Interessenkonflikt fehlt. Zu beachten ist allerdings § 42.

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3. Die Einpersonen-Kapitalgesellschaft & Co KGaA und die Einheits-KGaA. Die Einpersonen-KGaA ist, nach der Zulassung von Kapitalgesellschaften als einziger Komplementärin einer KGaA, auch als Einpersonen-Kapitalgesellschaft & Co KGaA denkbar.15 Neben der Einpersonen-KGaA ist auch die Einheits-KGaA zulässig, dh eine KGaA, die sämtliche Anteile an ihrer einzigen Komplementärgesellschaft hält (sa § 278 Rdn 18, 41, § 285 Rdn 32).16 Bei der Schaffung der Einheits-KGaA sind die Grenzen der §§ 56 Abs 2, 71 d Satz 2 zu beachten.17 Die Einheits-KGaA kommt in der Praxis selten vor.18 III. Gründer

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Nach Abs 3 sind alle Gesellschafter, die die Satzung feststellen, Gründer der Gesellschaft. Die Vorschrift enthält damit eine Legaldefinition, die in Abweichung von § 28 das

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11 Zur geschichtlichen Entwicklung der Stufengründung und den Gründen für ihre Abschaffung Sethe S 40 Fn 12. 12 Zu Umgehungen dieses Verbots im Wege des mittelbaren Bezugsrechts (§ 186 Abs 5) Assmann/Sethe ZHR 158 (1994) 646 ff; Immenga in: FS Beusch, 1993, S 413 ff; Priester in: FS Brandner, 1996, S 97 ff. 13 Ebenso Baumbach/Hueck13 3; Dreisow WPg 1976, 658 ff; ders DB 1977, 851, 852; KK/Mertens/Cahn3 6; Hüffer/Koch14 3 und § 278, 5; MünchKomm/Perlitt5 15 ff. 14 Ganz hM, s etwa MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 1. 15 Statt vieler Schaumburg/Schulte Rdn 47. 16 S etwa Bürgers/Fett/Reger § 5, 216 f; Gonnella/Mikic AG 1998, 508; MünchKomm/Perlitt5 32, § 278, 388; Schaumburg/Schulte Rdn 46; Schlitt S 123. 17 Vgl 4. Aufl Henze § 56, 32; Gonella/Mikic AG 1998, 508, 510f; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 12. Zur Einheits-KGaA s ferner Schrick NZG 2000, 675 ff. 18 Lieder/Hoffmann AG 2016, 709.

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Inhalt der Satzung | § 281

Vorhandensein zweier Gesellschaftergruppen berücksichtigt. Der Gründer-Status eines Gesellschafters ist tatbestandliche Voraussetzung für die Anwendung zahlreicher, nach § 278 Abs 3 auch die KGaA betreffender aktienrechtlicher Bestimmungen, wie etwa §§ 23 Abs 2 Nr 1, 30 Abs 1, 31 Abs 1 und 3, 32 Abs 1, 33 Abs 2 Satz 1, Abs 3 und 5, 34 Abs 1 Nr 1, 35 Abs 1 und 2, 36 Abs 1, 37 Abs 4 Nr 1, 50, 52 Abs 1, 56 Abs 2, 160 Abs 1 Nr 1 und 206. Darüber hinaus ist die Eigenschaft eines Gesellschafters, Gründer zu sein, Anknüpfungspunkt der aktienrechtlichen Bestimmungen über die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit von Gründern nach §§ 46, 408, 399 Abs 1 Nrn 1 und 2, 400 Abs 2. Als persönlich haftende Gesellschafter können Gründer natürliche Personen, ju- 13 ristische Personen (s § 278 Rdn 30 ff), Personenhandelsgesellschaften und Außen-GbR sein, nicht aber andere Gemeinschaften (s § 278 Rdn 42). Als Kommanditaktionäre können alle soeben Genannten als Gründer fungieren;19 auch andere Gemeinschaften kommen als Gründer in Betracht.20 IV. Anwendung sonstiger gründungsrelevanter Vorschriften Über § 278 Abs 3 sind die Vorschriften der Gründung einer AG anzuwenden. Es 14 gelten daher die Vorschriften über Aktien (§§ 6 ff, 139 ff), dh über das Mindestgrundkapital von 50000 Euro,21 Stück- oder Nennbetragsaktien und deren Mindestnennbetrag, Inhaber- und Namensaktien, Mehrstimmrechtsaktien und stimmrechtslose Vorzugsaktien. Die Gründer bestellen den ersten Aufsichtsrat und die Abschlussprüfer (§ 30 Abs 1), wobei für die Bestellung (wie für spätere Wahlen) derselben allein die Kommanditaktionäre zuständig sind. Soweit Komplementäre zugleich Kommanditaktionäre sind, sind sie von der diesbezüglichen Mitwirkung ausgeschlossen (§ 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 6), es sei denn, es liegt ein Fall der Gesellschaftergruppenidentität vor.22 Die Bestellung eines ersten Vorstands entfällt bei der KGaA, da die Satzung die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre bestimmt. Die Gründer haben einen Gründungsbericht zu erstatten (§ 32) und die Grün- 15 dungsprüfung vorzunehmen (§ 283 Nr 2). Da die stets als Gründer handelnden persönlich haftenden Gesellschafter auch die Geschäftsführung stellen, ist gemäß § 33 Abs 2 Nr 1 auch die Prüfung durch unabhängige Prüfer erforderlich.23 Anzuwenden sind die §§ 36 bis 37 über die Anmeldung (s § 283 Nr 1), §§ 38 bis 40 über die Prüfung durch das Gericht und die Eintragung, § 41 über die Handelndenhaftung sowie §§ 46 bis 53 über die Gründerhaftung und Nachgründung.

§ 281 Inhalt der Satzung Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Inhalt der Satzung § 281 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-028

(1) Die Satzung muß außer den Festsetzungen nach § 23 Abs 3 und 4 den Namen, Vornamen und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters enthalten.

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19 In Bezug auf die GbR war dies streitig, bejahend die heute hM, vgl BGH 3.11.1980 – II ZB 1/79, BGHZ 78, 311, 313 ff; BGH 13.4.1992 – II ZR 277/90, BGHZ 118, 83, 99 f; BGH 13.6.1994 – II ZR 38/93, BGHZ 126, 226, 234. Zu Einzelheiten so Bachmann § 2, 17 ff. 20 S Bachmann § 2, 28 ff. 21 De lege ferenda sollte die KGaA beim Mindestgrundkapital privilegiert werden, vgl Sethe S 513, 550. 22 Vgl § 285 Rdn 33 ff. 23 Vgl § 283 Rdn 16.

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§ 281 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

(2) Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter müssen, wenn sie nicht auf das Grundkapital geleistet werden, nach Höhe und Art in der Satzung festgesetzt werden. (3) (aufgehoben) Schrifttum Cahn Die Änderung von Satzungsbestimmungen nach § 281 AktG bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, AG 2001, 579; Krug Gestaltungsmöglichkeit bei der KGaA durch Umwandlung von Komplementäranteilen in Aktien, AG 2000, 510; Masuch Sachkapitalerhöhung des Komplementärkapitals in der KGaA, NZG 2003, 1048; K Schmidt Zur Vermögensstruktur der Kommanditgesellschaft auf Aktien, FS Forstmoser 2003, S 87. Vgl die Schrifttumsnachweise zu § 280 und § 278.

Rechtsprechung BGH (16.11.1954) I ZR 40/53, NJW 1955, 541 = BB 1955, 141 = DB 1955, 168 = LM § 3 PatG Nr 1 = WM 1955, 976: Ob ein Komplementär dazu verpflichtet ist, seine ihm gehörende Erfindung der Gesellschaft zu übertragen, richtet sich nach dem Gesellschaftsvertrag; BGH (25.3.1965) II ZR 203/62, BB 1965, 203 = WM 1965, 744: Kürzung des Auseinandersetzungsanspruchs der Erben eines verstorbenen Gesellschafters um den Wert des durch den Verstorbenen eingebrachten Grundstücks; BGH (16.12.1971) II ZR 38/69, WM 1972, 213: Bei Auseinandersetzung einer KG stehen Erlös und Gewinn aus dem Verkauf eines von einem Gesellschafter dem Wert nach eingebrachten Grundstücks allen Gesellschaftern zu; OLG Hamm (18.9.1985) 8 U 219/84, NJW-RR 1986, 780: Vergütung für die Erfindung des Komplementärs; OLG Celle (27.3.2012) 9 W 37/12, ZIP 2012, 766 = DStR 2012, 918 = GWR 2012, 204 (Pitsch) = MDR 2012, 594 = NJW-Spezial 2012, 368 = NZG 2012, 667 = EWiR § 162 HGB 20/12, 667 (Garbe): Eintragung einer GbR als Komplementärin einer KG in das Handelsregister; LG Berlin (8.4.2003) 102 T 6/03, NZG 2003, 580 = DB 2003, 1380 = DStR 2003, 1585 = GmbHR 2003, 719 = ZIP 2003, 1201: Pflicht zur Anmeldung von Gesellschafternamen und Vertretungsverhältnissen zum Handelsregister bei Bestellung einer GbR zur Komplementärin einer KG.

I. II.

III.

Systematische Übersicht Normentwicklung und Überblick | 1–3 Inhalt der Satzung | 4–13 1. Überblick über den notwendigen Satzungsinhalt | 4 2. Angaben zu den persönlich haftenden Gesellschaftern | 7 3. Die Vertretungsbefugnis | 10 4. Sonstiger Satzungsinhalt, Satzungsänderungen und Grenzen der Satzungsgestaltung | 11 Vermögenseinlagen der Komplementäre (Abs 2) | 14–31 1. Begründung, Art und Umfang der Einlagepflicht | 14

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2.

IV. V.

Prüfung, Bewertung und Bilanzierung von Sondereinlagen | 23 3. Kein Bezugsrecht der Kommanditaktionäre und genehmigte Sondereinlagen | 28 4. Anpassung der Sondereinlagen an Kapitalerhöhungen | 30 5. Umwandlung von Sondereinlagen in Kommanditaktien und umgekehrt | 31 Sondervorteile | 32–35 Satzungsänderungen | 36

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I. Normentwicklung und Überblick Die Vorschrift entsprach, von redaktionellen Änderungen abgesehen, inhaltlich zu- 1 nächst § 222 AktG 1937.1 Zur Umsetzung der Ersten Gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie2 wurde Abs 1 an die Änderungen in § 23 angepasst. Im Rahmen der Umsetzung der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie3 wurde Abs 3 gestrichen, da die dort geregelten Sondervorteile zugunsten der persönlich haftenden Gesellschafter nun aufgrund des erweiterten Anwendungsbereichs des § 26 („oder einem Dritten“) erfasst sind. Aufgrund von Art 8 Nr 6 des Handelsrechtsformgesetzes4 ist die Vorschrift dahin- 2 gehend geändert worden, dass die Satzung keine Angaben über den Beruf der persönlich haftenden Gesellschafter enthalten muss. 5 Gleichzeitige Änderungen des damaligen § 125 Abs 3 FGG (heute § 387 Abs 2 FamFG) und der §§ 24 Abs 1, 43 Nr 4 lit b HRV durch Art 20 Nr 1 bzw Art 23 Nr 3 und 5 des Handelsrechtsreformgesetzes bewirken, dass im Falle natürlicher Personen als persönlich haftende Gesellschafter zukünftig statt deren Beruf deren Geburtsdatum zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden ist. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Angabe des Geburtsdatums der betreffenden Person weitaus eher geeignet ist, Verwechslungen zu vermeiden, als die Angabe des Berufs.6 Während § 280 mit Bestimmungen über die Feststellung der Satzung und des Inhalts 3 der hierüber zu erstellenden Urkunde den ersten Schritt zur Errichtung der Gesellschaft erfasst, regelt § 281 den notwendigen Inhalt der Satzung einer KGaA. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, die zentralen für die Gesellschaft geltenden Abreden in einem Dokument festzuhalten (Einheitlichkeit der Satzung) und dies über die Zeit, denn die Satzung ist an spätere Änderungen anzupassen.7 Weiterhin gewährleistet sie eine ausreichende Publizität, denn die beim Handelsregister einzureichende Satzung und spätere Änderungen können von jedermann eingesehen werden (§ 9 HGB); ein Teil der Angaben (§§ 39, 282) wird darüber hinaus im Handelsregister veröffentlicht.8 Im Zusammenspiel mit § 124 Abs 2 Satz 3, der bei Satzungsänderungen die Bekanntgabe des künftigen Textes der Satzung verlangt, stellt § 281 zudem eine ausreichende Information der Aktionäre sicher. II. Inhalt der Satzung 1. Überblick über den notwendigen Satzungsinhalt. Der notwendige Inhalt der 4 Satzung einer KGaA (Mindestinhalt) bestimmt sich nach Abs 1 und, soweit den jeweiligen Umständen nach einschlägig, nach Abs 2 sowie den Vorschriften der §§ 26, 27, 202.

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1 Vgl im Einzelnen Kropff AktG, 1965, S 366. 2 Richtlinie v 9.3.1968, ABl EG Nr L 65 vom 14.3.1968, S 8, umgesetzt durch das Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15.8.1969, BGBl I 1146. 3 Richtlinie vom 13.12.1976, ABl EG Nr L 26 vom 31.1.1977, S 1, umgesetzt durch das Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 13.12.1978, BGBl I 1959. 4 Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.1998, BGBl I 1474. 5 Zur Begründung s Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks 13/8444 vom 29.8.1997 (im Folgenden RegE Handelsrechtsreformgesetz), Begründung S 74 und 84 ff. 6 RegE Handelsrechtsreformgesetz, Begründung S 84 f. 7 Anders offenbar Spindler/Stilz/Bachmann4 2, der die Norm als reine Gründungsvorschrift begreift. 8 Röhricht/Schall § 23, 108.

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Nach Abs 1 muss die Satzung die in diesem Absatz bezeichneten sowie die sich aus § 23 Abs 39 und 4 ergebenden Angaben enthalten. Im Einzelnen sind dies: – der Name, Vorname und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters (Abs 1; näheres unten Rdn 7); – die Firma (s § 279) und der Sitz der Gesellschaft (§ 23 Abs 3 Nr 1); – der Gegenstand des Unternehmens, wobei insbesondere bei Industrie- und Handelsunternehmen die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt und gehandelt werden sollen, näher zu bezeichnen sind (§ 23 Abs 3 Nr 2); – die Höhe des Grundkapitals (§ 23 Abs 3 Nr 3); – die Zerlegung des Grundkapitals entweder in Nennbetragsaktien oder in Stückaktien, im ersteren Falle unter Angabe der Nennbeträge und der Zahl der Aktien eines jeden Nennbetrags, im letzteren Falle deren Zahl (§ 23 Abs 3 Nr 4); – im Falle des Vorhandenseins mehrerer Aktiengattungen die jeweiligen Aktiengattungen und die Zahl der Aktien einer jeden Gattung (§ 23 Abs 3 Nr 4); – die Mitteilung darüber, ob die Aktien auf den Inhaber oder auf den Namen ausgestellt werden (§ 23 Abs 3 Nr 5); – Mangels eines Vorstands bei der KGaA ist § 23 Abs 3 Nr 6 nicht anzuwenden und es bedarf daher keiner Festlegung der Zahl der geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Komplementäre oder der Regeln, nach denen deren Anzahl festgelegt wird. – Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft (§ 23 Abs 4).

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Je nach den im Einzelfall gegebenen Verhältnissen muss die Satzung darüber hinaus nach Abs 2 sowie anderen gem § 278 Abs 3 anwendbaren Bestimmungen zwingend weitere Angaben enthalten: – Sind Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter vorgesehen, die nicht auf das Grundkapital – dh zum Zwecke der Übernahme von Aktien der KGaA – geleistet werden, so muss die Satzung die Höhe und die Art der Einlagen festsetzen (Abs 2; su Rdn 14 ff). – Einzelnen Aktionären, Komplementären oder anderen Personen eingeräumte Sondervorteile sind in der Satzung unter Bezeichnung des Berechtigten festzusetzen (§ 26 Abs 1; su Rdn 32 ff). – Der Gründungsaufwand, der zu Lasten der Gesellschaft an Aktionäre, Komplementäre oder andere Personen als Entschädigung oder als Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung gewährt wird, ist – zur Vermeidung der Unwirksamkeit diesbezüglicher Verträge (§ 26 Abs 3) – in der Satzung gesondert festzusetzen (§ 26 Abs 2).10 – Sind Sacheinlagen oder Sachübernahmen von Aktionären vorgesehen, so müssen in der Satzung festgesetzt werden: (1) der Gegenstand der Sacheinlage bzw -übernahme; (2) bei Sacheinlagen: die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt sowie der Nennbetrag – bei Stückaktien die Zahl – der für die Sacheinlage zu gewährenden Aktien; (3) bei Sachübernahmen: die zu gewährende Vergütung (§ 27 Abs 1).

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9 Die gesetzliche Verweisung ist insofern ungenau, als § 23 Abs 3 Nr 6 (Zahl der Vorstandsmitglieder und Verfahren, nach dem deren Zahl festgelegt wird) bei der KGaA, bei der jeder der nach Abs 1 in der Satzung anzuführenden persönlich haftenden Gesellschafter geborenes Leitungsorgan der KGaA ist, keine Anwendung finden kann. 10 S näher Röhricht/Schall § 26, 36 f. Zum Begriff des Gründungsaufwands und seiner Abgrenzung zu Sondervorteilen ebd 28. Sa Schlitt S 235 f.

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Die Ermächtigung des Vorstands, das Grundkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag (genehmigtes Kapital) durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen (§ 202 Abs 1).

2. Angaben zu den persönlich haftenden Gesellschaftern. Nach Abs 1 sind in der 7 Satzung Name, Vorname und Wohnort, nach § 24 Abs 1 HRV auch das Geburtsdatum jedes persönlich haftenden Gesellschafters anzugeben. Da die Satzung zum Handelsregister einzureichen ist, soll auf diese Weise sichergestellt werden, dass die Gläubiger die für Verbindlichkeiten der KGaA haftenden Personen unverwechselbar identifizieren können und (iVm § 282) die Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft offengelegt werden (sa oben Rdn 2). Da die Angaben auch im Handelsregister veröffentlicht werden (§ 282 AktG, § 43 HRV), hat der Gesetzgeber im Stadium der Gründung faktisch eine doppelte Vorsorge getroffen.11 Relevant wird die Vorschrift dagegen bei der Neuaufnahme von Komplementären im Wege einer Satzungsänderung (su Rdn 9), bei welcher der Hauptversammlung der künftige Text der Satzung zur Abstimmung vorgelegt wird (so Rdn 3). Hier würde die (zeitlich zu spät kommende) Eintragung nach § 282 das Informationsbedürfnis der Aktionäre nicht befriedigen. Ist eine Gesellschaft persönlich haftende Gesellschafterin, ist dem Zweck der Vorschrift Genüge getan, wenn die Satzung deren Firma und Sitz aufführt12 (gem §§ 43 Nr 8, 40 Nr 7 HRV sind im Handelsregister zudem Art des Registers, die Registernummer der Komplementärgesellschaft und das zuständige Amtsgericht anzugeben). Ist eine Außen-GbR zur Komplementärin bestellt, sind die Namen sämtlicher Gesellschafter und die Vertretungsverhältnisse anzugeben (s § 278 Rdn 42).13 Kommt es später zu einem Namens- oder Wohnort- bzw Sitzwechsel, muss die Fassung der Satzung angepasst werden, womit der Aufsichtsrat gem § 179 Abs 1 Satz 2 betraut werden kann. Wird eine Person in der Satzung irrtümlich als Komplementär angeführt, ohne an der Feststellung der Satzung mitgewirkt zu haben, wird sie nicht persönlich haftender Gesellschafter der KGaA. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass jemand zwar an der Feststellung mitgewirkt hat, in der Satzung jedoch nicht als Komplementär benannt ist.14 Ist in der Satzung überhaupt kein persönlich haftender Gesellschafter nament- 8 lich aufgeführt, so darf die Gesellschaft mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer KGaA nicht in das Handelsregister eingetragen werden (§§ 278 Abs 3 iVm 38 Abs 1 Satz 2). Wurde die Eintragung gleichwohl vorgenommen, ist die Gesellschaft wirksam entstanden, da keiner der in § 275 angeführten Nichtigkeitsgründe vorliegt. Mangels eines Komplementärs ist die Gesellschaft jedoch als AG zu behandeln.15 Anders verhält es sich, wenn die Satzung zwar keine Angaben über den Vornamen oder den Wohnort des Komplementärs enthält, die Identifizierung des Betreffenden jedoch anhand der Satzung möglich ist.16 Ungenauigkeiten dieser Art vermögen der wirksamen Entstehung der KGaA nicht entgegenzustehen. Sie rechtfertigen auch keine Löschung nach § 397 Satz 1 FamFG, da keiner der dort genannten Löschungsgründe vorliegt. Fehlt in der Satzung der Gegenstand des Unternehmens (oder ist dieser nichtig) oder die Höhe

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11 Kritisch daher Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 12 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 11; Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 13 Die für die GbR als Kommanditistin einer KG getroffene Regelung in § 162 Abs 1 Satz 2 HGB wird heute verallgemeinert und auf Komplementäre erstreckt, vgl OLG Hamm 24.2.2012 – I-27 W 177/11, ZIP 2012, 766; LG Berlin 8.4.2003 – 102 T 6/03, NZG 2003, 580, 581 f. Detailliert dazu Heinze DNotZ 2012, 426 ff. Sa Bergmann ZIP 2003, 2231 ff. 14 MünchKomm/Perlitt5 12. 15 MünchKomm/Perlitt5 67; Spindler/Stilz/Bachmann4 15; Sethe S 177 Fn 106. 16 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 68; Spindler/Stilz/Bachmann4 15.

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des Grundkapitals, kann die Gesellschaft für nichtig erklärt werden (§§ 275 AktG, 397 FamFG). Wurden die Angaben nach § 23 Abs 3 Nrn 1, 4 oder 5 vergessen oder ist eine der Angaben nach § 23 Abs 3 Nrn 1, 3, 4 oder 5 nichtig und wird der Mangel nicht (rechtzeitig) behoben, erfolgt eine Auflösung nach § 399 Abs 1 bis 3 FamFG. Die Pflicht zur namentlichen Nennung der Komplementäre gilt uneingeschränkt nur 9 für die Gründung. Bei späteren Veränderungen im Bestand der Komplementäre ist zu differenzieren (s § 278 Rdn 45 ff): Erfolgt die Änderung im Wege der Satzungsänderung, ist Abs 1 uneingeschränkt anzuwenden: Ausscheidende bzw neu eintretende Komplementäre sind im Zusammenhang mit der Satzungsänderung namentlich aufzuführen.17 Erfolgt die Änderung dagegen nur in Ausführung einer vorhandenen Satzungsbestimmung (bspw aufgrund einer Klausel, die das Recht zur Bestimmung neuer Komplementäre an die übrigen Komplementäre oder an den Aufsichtsrat delegiert, oder einer solchen, die das Ausscheiden von Komplementären für den Fall des Erreichens des in der Satzung festgelegten Höchstalters vorsieht), so bedarf es keiner formellen Satzungsänderung.18 Vielmehr bestimmt das zuständige Organ den neuen Komplementär, weshalb eine Anpassung des Satzungstextes an die geänderten Verhältnisse notwendig wird; diese lediglich die Fassung der Satzung betreffende Änderung derselben kann dem Aufsichtsrat19, nicht aber einem anderen Organ20 übertragen werden (§§ 278 Abs 3, 179 Abs 1 Satz 2). Allerdings bedürfen auch bloße Änderungen der Satzungsfassung der Zustimmung der Komplementäre, es sei denn, die Zustimmung ist bereits in der Satzung enthalten,21 was bei einer Delegation der Aufnahmeentscheidung regelmäßig der Fall ist. Eine solche Zustimmung kann auch in generalisierter Form für alle Änderungen der Satzungsfassung geschehen. In jedem Fall ist die Geschäftsführung jedoch verpflichtet, die Veränderungen im Bestand der Komplementäre zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§§ 282, 181 Abs 1 und 2). 10

3. Die Vertretungsbefugnis. Die Regelung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ist kein zwingender Satzungsbestandteil. Fehlen diesbezügliche Satzungsbestimmungen, sind alle Komplementäre einzeln geschäftsführungs- und vertretungsbefugt (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 114 Abs 1, 125 Abs 1 HGB). Wollen die Gesellschafter einzelne Komplementäre von der Geschäftsführung und/oder Vertretung ausschließen, so bedarf dies einer entsprechenden Regelung in der Satzung. § 282 verlangt zwar die Eintragung der Vertretungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafter in das Handelsregister, doch hat die Eintragung nur deklaratorische Bedeutung.22 Vom Regelfall der Einzelvertretungsbefugnis abweichende Satzungsbestimmungen können Dritten gem § 15 Abs 1 HGB jedoch nur dann entgegengehalten werden, wenn sie eingetragen wurden oder den Dritten bekannt waren.

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4. Sonstiger Satzungsinhalt, Satzungsänderungen und Grenzen der Satzungsgestaltung. Zusätzlich zu dem in § 281 genannten zwingenden Mindestinhalt können die Gesellschafter weitere Fragen ihrer jeweiligen mitgliedschaftlichen Stellung in der

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17 Godin/Wilhelmi4 § 278, 7; MünchKomm/Perlitt5 14. 18 Godin/Wilhelmi4 2, § 278, 7; MünchKomm/Perlitt5 15; Schlitt S 133; Sethe S 127 f. Unklar, weil nicht erkennbar zwischen den hier erörterten Möglichkeiten des Ein- und Austritts differenziert wird, K Schmidt ZHR 160 (1996) 265, 282. 19 ZB die Änderung im Bestand der Komplementäre in Ausführung einer Satzungsbestimmung. S MünchKomm/Perlitt5 16; Sethe S 128. Grundlegend anders KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 14. 20 So aber KK/Mertens/Cahn3 § 281, 6. Unentschieden MünchKomm/Perlitt5 16. 21 KK/Mertens/Cahn3 6. 22 Hüffer/Koch14 § 81, 9.

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Satzung regeln (zB Fragen der Organkompetenzen, der Gewinnverteilung oder der Nachfolge für den Fall des Ausscheidens oder des Todes eines Gesellschafters). Der Spielraum für derartige Regelungen hängt jedoch davon ab, ob die personengesellschaftsrechtliche oder die aktienrechtliche Komponente der KGaA betroffen ist.23 Die Satzung regelt die mitgliedschaftlichen Rechte der beiden Gesellschaftergrup- 12 pen abschließend. Da Abreden außerhalb der Satzung nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Vertragspartnern entfalten, sind sie nicht geeignet, die mitgliedschaftliche Rechtsstellung unmittelbar zu verändern. Wollen die Beteiligten eine auf mitgliedschaftlicher Ebene wirksame Regelung erreichen, sind sie gezwungen, die entsprechende Vereinbarung auf Satzungsebene zu verankern. Fragen der Satzungsänderung24 und der (namentlich für die Kapitalgesellschaft & 13 Co KGaA25 relevanten) Grenzen der Satzungsgestaltung26 werden im Zusammenhang mit den hiervon betroffenen Rechtsverhältnissen und deren Kommentierung behandelt. III. Vermögenseinlagen der Komplementäre (Abs 2) 1. Begründung, Art und Umfang der Einlagepflicht. Zur Leistung von Vermögens- 14 einlagen sind die Komplementäre von Gesetzes wegen nicht verpflichtet, doch steht es ihnen frei, zusätzlich zur Übernahme der persönlichen Haftung weitere Einlagen zu erbringen.27 Zum einen können sie sich an der Gesellschaft mit Einlagen auf das Grundkapital beteiligen, dh Aktien übernehmen. In diesem Falle erlangen sie neben ihrer Stellung als persönlich haftende Gesellschafter diejenige eines Kommanditaktionärs. Zum anderen können die Komplementäre aber auch, sofern die Satzung entsprechendes vorsieht, eine nicht auf das Grundkapital zu leistende Vermögenseinlage (sog Sondereinlage) erbringen.28 Satzungsgestaltungen, die die Erbringung von Sondereinlagen zum Gegenstand haben, können jedoch zulässigerweise nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht begründen, Sondereinlagen zu leisten. Denkbar ist darüber hinaus, dass die Satzung, neben der Verpflichtung zur Erbringung einer Sondereinlage, ein Recht zur freiwilligen Aufstockung der durch die Satzung vorgeschriebenen Sondereinlage gewährt (zu einer Regelung über die Anpassung von Sondereinlagen an die jeweilige Höhe des Grundkapitals s § 278 Rdn 186). Vermögenseinlagen der Komplementäre,29 die nicht auf das Grundkapital geleistet 15 werden, sind der personengesellschaftsrechtlichen Komponente der KGaA zuzurechnen.30 Sie unterliegen damit nicht der Vorschrift des § 27 Abs 2, sondern über § 278 Abs 2 den Bestimmungen der §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, §§ 706, 707 BGB.31 Für die Einlagefähigkeit von Sondereinlagen der Komplementäre kommt es deshalb nicht darauf an,

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23 S im Einzelnen Vor § 278 Rdn 58 ff sowie die Kommentierung der einzelnen Vorschriften. 24 S dazu schon allg § 278 Rdn 181 f. 25 S dazu schon allg Vor § 278 Rdn 58 ff, § 278 Rdn 7. 26 Allg zur Reichweite der Satzungsautonomie s Vor § 278 Rdn 58 ff. 27 S dazu schon oben Vor § 278 Rdn 68. 28 Zu Grundkapital und Einlagen als Bestandteile des Gesamtkapitals der Gesellschaft s Vor § 278, 68. 29 Die praktische Bedeutung von Vermögenseinlagen ist heute offenbar nicht mehr allzu groß, vgl die Stichprobe von Lieder/Hoffmann AG 2016, 711, ergab; anders noch die Angaben bei Wichert S 79 ff. Zur wirtschaftlichen Bedeutung sowie den Vor- und Nachteilen von Einlagen auch Sethe S 185 ff. 30 Vgl Vor § 278 Rdn 68. 31 Hüffer/Koch14 2, § 286, 2; MünchKomm/Perlitt5 20 f; Schaumburg/Schulte Rdn 23; Schlitt S 123; Sethe S 186 f. Das Ergebnis ist sachlich gerechtfertigt: § 27 Abs 2 zielt auf die Sicherung des Grundkapitals, der es jedoch bei der Sondereinlage wegen der persönlichen Haftung der Komplementäre nicht bedarf. AA KK/Mertens/Cahn3 10; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7.

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dass diese auch als Sacheinlage auf das Grundkapital möglich wären.32 Einlagefähig (zur Bilanzierungsfähigkeit, vgl § 286 Rdn 34) sind vielmehr alle nach dem Personengesellschaftsrecht (§§ 706, 707 BGB) zulässigen Vermögenswerte33 wie Geld, Sachen, Rechte (bspw Konzessionen, die Erlaubnis zum Betreiben eines Gewerbes oder gewerbliche Schutzrechte34), Dienste (va die Geschäftsführung),35 Gebrauchsüberlassungen und obligatorische Nutzungsrechte,36 Unterlassungen oder Vermögenswerte tatsächliche Beziehungen (bspw „good will“ oder Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten). Bei der Einbringung von Sachen und Rechten ist danach zu unterscheiden, ob der Gesellschaft die volle Rechtsinhaberschaft, die Einbringung nur dem Wert nach37 oder die Überlassung zur Nutzung eingeräumt werden soll. Diejenigen, die die Einlagefähigkeit und die Bilanzierungsfähigkeit gleichsetzen, gehen inzident davon aus, dass man Dienste nicht bewerten kann, was nicht zutrifft. Sobald sie erbracht und daraus fällige werthaltige Gesellschafterforderungen entstanden sind, lassen sie sich auf die Einlagepflicht anrechnen.38 Würde man sie nur als Beiträge, nicht aber auch als Einlage zulassen, wäre den Komplementären die Möglichkeit verbaut, durch Leistung von Diensten ihren Kapitalanteil allmählich zu erhöhen.39 Die Gesellschaft wäre dann nicht gezwungen, die Gegenleistung für die Dienste auszuzahlen (oder jedes Mal eine Satzungsänderung zur Erhöhung der Sondereinlage vorzunehmen), sondern könnte diese nach ihrer Erbringung als Erhöhung der Sondereinlage verbuchen. Interessant ist im Übrigen, dass sich auch diejenigen Vertreter des Schrifttums, die bei § 278 die inkonsequente Anwendung des Personengesellschaftsrechts beklagen, an dieser Stelle vom Personengesellschaftsrecht abwenden. Für die hier vertretene Lösung spricht im Übrigen auch eine richtlinienkonforme Auslegung. Art 46 der Richtlinie 2017/113240 bestimmt, dass das gezeichnete Kapital nur aus Vermögensgegenständen bestehen darf, deren wirtschaftlicher Wert feststellbar ist. Jedoch können diese Vermögensgegenstände nicht aus Verpflichtungen zu Arbeits- oder Dienstleistungen bestehen. Die Richtlinie geht also davon aus, dass Arbeits- oder Dienstleistungen, sobald sie erbracht sind, einen feststellbaren wirtschaftlichen Wert haben, nimmt sie dann aber im Wege einer generalisierenden Betrachtung als Einlage auf das Grundkapital wieder aus, um Bewertungsfragen auszuklammern.41 Dieser für das – strenger geregelte – gezeichnete Kapital geltende Grundsatz lässt sich erst recht auf die Sondereinlagen anwenden.

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32 Hüffer/Koch14 2; Schlitt S 123. AA KK/Mertens/Cahn3 10; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 23; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 7; Wichert S 102 ff, 105; ebenso nun auch MünchKomm/Perlitt5 21. 33 S zum folgenden statt vieler Baumbach/Hopt/Roth39 § 109, 7 f; MünchKommHGB/Schmidt4 105, 179. 34 Die persönlichen Erfindungen eines Komplementärs gehören ihm, er kann jedoch aufgrund Gesellschaftsvertrags verpflichtet sein, sie der Gesellschaft als Einlage zu übertragen oder zur Nutzung zu überlassen, BGH 16.11.1954 – I ZR 40/53, NJW 1955, 541, 542; OLG Hamm 18.9.1985 – 8 U 219/84, NJW-RR 1986, 780. 35 § 706 Abs 3 BGB. Die Einlagefähigkeit von Diensten ist str, zum Meinungstand so Fn 32. 36 Groh BB 1982, 133 f; s Schall § 27, 158 ff. 37 In diesem Fall behält der Gesellschafter das Eigentum. Im Innenverhältnis wird die Gesellschaft wirtschaftlich jedoch so gestellt, als sei sie Eigentümerin. Damit fallen Wertänderungen der Sache und die aus ihr gezogenen Nutzungen oder Erlöse der Gesellschaft zu, vgl BGH 25.3.1965 – II ZR 203/62, BB 1965, 203; BGH 16.12.1971 – II ZR 38/69, WM 1972, 214. 38 Baumbach/Hopt/Roth39 § 120, 17; MünchKommHGB/Priester4 120, 33. 39 Dies übersieht KK/Mertens/Cahn3 10 in seiner Kritik an der Unterscheidung zwischen anrechenbaren und nicht anrechenbaren Einlageverpflichtungen. 40 Richtlinie (EU) 2017/1132 vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl EU L 169 vom 30.6.2017, S 46. 41 Schall § 27, 179.

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Obschon auf die Sondereinlage Vorschriften des Personengesellschaftsrechts anzuwenden sind, verlangt Abs 2 die Festsetzung der Art und der Höhe der Einlage in der Satzung. Die diesbezüglichen Angaben müssen so genau sein, dass Art und Höhe der Leistung bestimmbar sind und die Einlage eingefordert werden kann.42 Fehlt es in der Satzung an näheren Angaben über die Art der Einlage, so ist diese in Geld zu leisten.43 Dem Bestimmtheitserfordernis ist auch dann Genüge getan, wenn die Satzung die zu erbringende Einlage nur dem Rahmen nach – in Gestalt der Bezeichnung eines Mindestund eines Höchstbetrags – festlegt,44 um es nach näherer Satzungsregelung der Geschäftsführung oder den einlageberechtigten Gesellschaftern zu überlassen, die konkrete Höhe der Einlage zu bestimmen. Wird nach der Satzung die Entscheidung über Art und Höhe der Sondereinlagen allein einer Gesellschaftsgruppe zugewiesen, sind die in § 285 Rdn 77 ff genannten Anforderungen zu beachten. Sondereinlagen bedürfen keiner Eintragung in das Handelsregister.45 Enthält die Satzung keine Regelung über Sondereinlagen, ist ein Komplementär nicht verpflichtet, entsprechende Einlagen zu erbringen. Allerdings ist er in diesem Falle auch nicht berechtigt, eine solche Einlage zu leisten,46 da er ansonsten durch einseitiges Verhalten seine Rechte in der Gesellschaft verändern könnte (etwa in Gestalt der Erhöhung des Anteils am Gewinn oder am Liquidationserlös). Die Unzulässigkeit der Leistung von Einlagen ohne entsprechende Satzungsregelung gilt nicht nur im Stadium der Gründung, sondern auch während des Bestehens der Gesellschaft. Außerhalb der Satzung vorgenommene Vereinbarungen über eine Einlagepflicht begründen kein Recht zur Einbringung einer Einlage. Eine solche Vereinbarung verstößt gegen Abs 2 und ist daher nichtig.47 Eine gleichwohl erbrachte Einlage stellt eine rechtsgrundlose Leistung an die Gesellschaft dar und eröffnet dementsprechend einen Rückzahlungs- bzw Rückübertragungsanspruch des Komplementärs aus § 812 Abs 1 Satz 1 BGB (Leistungskondiktion), jedoch keinen Anspruch, bei der Verteilung des Gewinns oder des Liquidationserlöses berücksichtigt zu werden.48 Die Satzung kann neben der Begründung einer Einlagepflicht auch die Folgen bestimmen, die an die Erbringung der Sondereinlage, etwa im Hinblick auf die Verteilung des Gewinns oder des Liquidationserlöses, geknüpft sein sollen. Entsprechendes gilt für die Behandlung der Einlage im Falle des Ausscheidens eines persönlich haftenden Gesellschafters aus der Gesellschaft. Fehlt es an diesbezüglichen Satzungsbestimmungen, kommen § 290 und über § 278 Abs 2 die Vorschriften der §§ 168, 161 Abs 2, 121 HGB zur Anwendung.49 Sondereinlagen sind in der durch die Satzung bestimmten Art und Höhe sowie nach den in dieser ggf festgelegten Modalitäten (etwa hinsichtlich der Fälligkeit der Einlage50)

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42 Vgl MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 4; MünchKomm/Perlitt5 22. 43 Wichert S 90. 44 MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 4; MünchKomm/Perlitt5 22; Spindler/Stilz/Bachmann4 7, 12; Wichert S 90; zweifelnd aber KK/Mertens/Cahn3 14 aE. 45 S § 282 Rdn 7 sowie KK/Mertens/Cahn3 11; Spindler/Stilz/Bachmann4 9; missverständlich Masuch NZG 2003, 1048, 1050 (statt von der Anmeldung der Satzungsänderung spricht er von der „Anmeldung der Erhöhung des Komplementärkapitals“). 46 Ebenso K Schmidt in: FS Forstmoser, 2003, S 95 f; MünchKomm/Perlitt5 20, 27, 69; Spindler/Stilz/ Bachmann4 9. 47 KK/Mertens/Cahn3 12. IE auch MünchKomm/Perlitt5 27 aufgrund des Hinweises auf die Möglichkeit der Rückforderung der Leistung nach Bereicherungsgrundsätzen. 48 KK/Mertens/Cahn3 12; MünchKomm/Perlitt5 27; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 49 Vgl § 289 Rdn 168 ff, § 290 Rdn 26 ff. 50 Mangels diesbezüglicher Regelungen ist die Leistung sofort fällig, § 271 BGB. Zu den Rechtsfolgen nicht rechtzeitiger Leistung su Rdn 20.

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zu leisten. Sacheinlagen können nicht durch Geldeinlage, Geldeinlagen nicht durch Sacheinlagen erbracht werden. Die in Bezug auf Einlagepflichten und Einlagerechte, Modalitäten der Erbringung der Einlage und Folgen erbrachter Einlagen getroffenen Satzungsbestimmungen können nur im Wege der Satzungsänderung modifiziert werden. Das gilt namentlich für die Erhöhung der in der Satzung bestimmten Einlage.51 Die an die Gesellschaft geleisteten Einlagen gehen in das Vermögen der KGaA 20 über,52 da diese, im Gegensatz zur KG, keine Gesamthandsgemeinschaft, sondern eine Körperschaft ist. Leistet ein Komplementär seine Einlage nicht rechtzeitig, hat er nach § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 111 Abs 1 HGB Zinsen von dem Tage an zu zahlen, an welchem die Zahlung hätte erfolgen müssen. Die Geltendmachung eines darüber hinausgehenden Verzugsschadens ist, sofern die Voraussetzungen der §§ 284 ff BGB vorliegen, dadurch nicht ausgeschlossen (§ 111 Abs 2 HGB). §§ 63 ff finden keine Anwendung.53 Zuständig für die Einforderung der Einlage ist die Geschäftsführung. Ggf können die einzelnen Komplementäre oder die Gesamtheit der Kommanditaktionäre die Einlage im Wege der actio pro socio54 einfordern. 21 Die Rückgewähr geleisteter Einlagen unterliegt ebenfalls nicht den aktienrechtlichen Grundsätzen der Kapitalerhaltung,55 sondern den Vorschriften des Personengesellschaftsrechts (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 155, 105 Abs 3 HGB, 730 ff BGB). Während des Bestehens der Gesellschaft ist ein Anspruch auf Rückzahlung der Einlage nur bei entsprechender Satzungsregelung bzw Satzungsänderung möglich.56 Entnahmen beurteilen sich nach der Satzung bzw nach § 288 Abs 1 und § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 122 HGB. Im übrigen kann der Komplementär seine Einlage nur beim Ausscheiden aus der Gesellschaft nach Maßgabe entweder der in der Satzung getroffenen oder der ansonsten zur Anwendung kommenden gesetzlichen (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, § 738 BGB) Abfindungsregelung57 oder bei Liquidation der Gesellschaft zurückerhalten bzw zurückverlangen. Dabei hat der Komplementär grundsätzlich nur einen Anspruch auf Rückerstattung des Werts der Einlage in Geld. Einen Anspruch auf die Rückgabe geleisteter Sacheinlagen in natura hat der Gesellschafter nur, wenn eine Satzungsregelung dies vorsieht.58 Der Gegenwert der Einlage wird dem Kapitalkonto des Komplementärs gutge22 schrieben.59 Das Kapitalkonto eines Komplementärs ist unübertragbar und unpfändbar (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 135, 105 Abs 3 HGB, § 717 BGB; 851 ZPO).60 Allein der Anspruch auf Gewinnanteil und Auseinandersetzungsguthaben kann übertragen oder gepfändet werden61.

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51 Vgl MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 22, 26, § 80, 3; MünchKomm/Perlitt5 27. 52 Baumbach/Hueck13 3; Elschenbroich S 169 ff; Godin/Wilhelmi4 3; KK/Mertens/Cahn3 8; MünchKomm/ Perlitt5 17; Schaumburg/Schulte Rdn 23; Schlitt S 123; Wichert S 88. AA wohl allein Fasselt, unveröffentlicht, zitiert nach Elschenbroich S 170. 53 MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 24; KK/Mertens/Cahn3 19; MünchKomm/Perlitt5 28. 54 Vgl § 278 Rdn 62. 55 Vgl MünchKomm/Perlitt5 36. 56 Spindler/Stilz/Bachmann4 12; enger KK/Mertens/Cahn3 23, der jegliche einseitige Rücknahme der Einlage (nicht aber die Entnahme der Gewinne) ohne Satzungsänderung für unzulässig hält, es sei denn, die Satzung legt die Einlage nicht in bestimmter Höhe fest, sondern beschränkt sich auf die Angabe eines Rahmens „von null bis…“. 57 Vgl § 289 Rdn 168 ff. 58 MünchKomm/Perlitt5 39. 59 MünchKomm/Perlitt5 30. Die Verbuchung der Vermögenseinlage hängt im Übrigen davon ab, welche Konten im Einzelnen für ihn geführt werden; s MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 7. 60 Baumbach/Hueck13 3; Godin/Wilhelmi4 3; MünchKomm/Perlitt5 30. Sa KG OLGR 42, 76, 77. 61 Baumbach/Hueck13 3; Godin/Wilhelmi4 3; MünchKomm/Perlitt5 30.

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2. Prüfung, Bewertung und Bilanzierung von Sondereinlagen. Das in Abs 2 ent- 23 haltene Erfordernis, die Höhe von Sondereinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter in der Satzung festlegen zu müssen, hat zur Folge, dass für alle nicht in Geld zu leistenden Einlagen ein bestimmter Geldwert anzusetzen ist62; bei Dienstleistungen muss eine genaue Umschreibung ihrer Art, ihres Umfangs und Geldwerts erfolgen. Die damit zusammenhängende Frage, ob die Bewertung der nicht in Geld zu leis- 24 tenden Einlagen den Gesellschaftern und der Abschlussprüfung überlassen werden darf63 oder ob sie einer Gründungsprüfung (bzw bei der später zu leistenden Sacheinlage einer nachträglichen Prüfung analog § 183 Abs 364) zu unterwerfen ist,65 wird kontrovers behandelt, ist jedoch in letzterer Hinsicht zu beantworten. Dagegen spricht allerdings zunächst, dass die Erbringung von Sondereinlagen den Rechtsbeziehungen der Komplementäre zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre zuzurechnen ist, das insoweit nach § 278 Abs 2 anwendbare Personengesellschaftsrecht jedoch eine Überprüfung der Einlagen im Rahmen einer Gründungsprüfung nicht kennt. Wollte man es hierbei belassen, würde übersehen, dass der Wert der Sondereinlage eine maßgebliche Bezugsgröße für die Verteilung des Gewinns zwischen Komplementären und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre darstellt. Damit beeinflusst die Höhe der Einlage auch die vom einzelnen Kommanditaktionär zu erwartende Dividende. Mittelbar wirkt sich die Bewertung einer Sondereinlage deshalb auch auf das gem § 278 Abs 3 nach aktienrechtlichen Vorschriften zu beurteilende Verhältnis der Komplementäre zu den einzelnen Kommanditaktionären aus. Damit kann die Bewertung von Sacheinlagen nicht allein den Gründern überlassen werden.66 Allein die Gründungsprüfung vermag sicherzustellen, dass künftige Gewinnansprüche der Kommanditaktionäre nicht einseitig durch überbewertete Sacheinlagen geschmälert werden. Die Aufdeckung möglicher Ursachen für Gewinnverschiebungen entspricht im Übrigen auch der in §§ 26,67 255 zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, einzelnen Aktionären oder Dritten gewährte Sondervorteile68 seien zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger und namentlich der Aktionäre offenzulegen69 bzw anfechtbar. Das gegen die Unterwerfung der Bewertung von Sacheinlagen unter die Gründungsprüfung vorgebrachte Argument, Gläubigerschutzüberlegungen hätten bei der Sondereinlage keine wesentliche Bedeutung,70 geht an der eigentlichen

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62 KK/Mertens/Cahn3 11; Godin/Wilhelmi4 3. AA noch 3. Aufl Barz 6. 63 So die zwischenzeitlich wohl zahlenmäßig überwiegende Ansicht. S Biagosch NWB 1996, 1073, 1078 = Fach 18, S 3453, 3458; Bürgers/Fett/Bürgers § 4, 35 ff; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 280, 6; Düringer/Hachenburg HGB3 § 321, 36; Godin/Wilhelmi4 3; Heidel/Wichert5 15; Henssler/Strohn/Arnold4 3; Hüffer/Koch14 § 280, 4; Masuch NZG 2003, 1048 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 3, 25; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 47, § 281, 32, § 280, 23; Ritter § 222, 2; Schaumburg/Schulte Rdn 24; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 280, 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 280, 13; Wichert S 113. 64 Sethe, DB 1998, 1044, 1046. AA die in Fn 63 genannten Vertreter der hM. 65 3. Aufl Barz 5, § 280, 8; Diekmann ZIP 1996, 2149, 2150; KK/Mertens/Cahn3 21; Sethe S 186 f; ders DB 1998, 1044, 1046 f; Hüffer10 § 286, 2; Halasz/Kloster/Kloster GmbHR 2002, 310, 313; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 29, 8. 66 Dies anerkennt auch ein Teil des Schrifttums, das sich gegen die Prüfung der Sacheinlage ausspricht, vgl Spindler/Stilz/Bachmann4 8. Sie bejaht bei einer Unterbewertung einer Sacheinlage eine Differenzhaftung, vgl Spindler/Stilz/Bachmann4 § 280, 13. 67 Dass § 26 nicht auf die Sondereinlage angewandt wird, beruht einzig auf dem Umstand, dass man gesellschaftsrechtlich vermittelte, an die Mitgliedschaft gekoppelte Positionen nicht als Sondervorteil einordnet, vgl Röhricht/Schall § 26, 5. 68 Darunter sind, aufgrund der weiten Formulierung der Vorschrift, sämtliche Vermögensvorteile zu fassen, für die keine Gegenleistung zu entrichten ist; etwa KK/Arnold3 § 26, 8. Sa Röhricht/Schall § 26, 3 ff. 69 S Röhricht/Schall § 26, 3 ff, unter besonderer Betonung des Aktionärsschutzes im Hinblick auf die Gefahr der nichterkennbaren Gewinnschmälerung; Hüffer/Koch14 § 26, 1. 70 MünchKomm/Perlitt5 32 und namentlich § 278, 47.

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Fragestellung vorbei. Nicht Gläubigerschutz-, sondern Aktionärs- und Anlegerschutzinteressen stehen zur Diskussion,71 wie sie namentlich im Falle von kapitalistisch strukturierten Publikums-KGaA gefordert werden. Die Gegenansicht argumentiert rein formal und beantwortet nicht die Frage, wie sie die Kommanditaktionäre vor einer verschleierten Gewinnverschiebung schützen will (dazu Rdn 26). Über die vorstehenden Erwägungen hinaus belegt die Genealogie der sacheinlage25 bezogenen Gründungsvorschriften, dass der Gesetzgeber stets das Konzept verfolgte, Sacheinlagen der Komplementäre der Gründungsprüfung zu unterziehen. Schon Art 180 ADHGB bestimmte, dass die Sacheinlagen aller Gesellschafter zu prüfen seien72 und zwar, wie Art 181 ADHGB zeigt, unabhängig davon, ob sie auf das Grundkapital zu leisten waren oder nicht. Nach Art 175b, 175e Abs 3 HGB idF der 2. Aktienrechtsnovelle von 1884 hatte der Aufsichtsrat nicht in bar geleistete Einlagen der Komplementäre zu prüfen. Mit dem HGB von 1897 erfolgte eine Umkehrung des Regelungsmodells. Entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung beider Rechtsformen wurde die KGaA nun unter weitgehendem Verweis auf das Recht der AG geregelt. Die Vorschriften zur Gründungsprüfung fanden sich nun im Abschnitt zur AG. Dass mit der bloßen Änderung der Gesetzestechnik eine inhaltliche Änderung im Recht der KGaA einhergehen sollte, findet in den diesbezüglichen Materialien keinen Anhaltspunkt.73 Das diesbezügliche Schweigen des seinerzeitigen Gesetzgebers ist umso beredter, als er die mit der Reform verbundenen materiellen Änderungen im Recht der KGaA durchweg offengelegt hat. Folgt man nicht der hier vertretenen Lösung, bleiben als Auffanglösung nur zwei 26 Wege: Die Verantwortung für den sachgerechten Ansatz von Sondereinlagen bleibt – wie bei der KG – den Gesellschaftern überlassen.74 In diesem Fall werden verdeckte Überbewertungen von Sacheinlagen und damit Gewinnverschiebungen als Problem schlicht ignoriert. Auch bewusste, in Absprache der beiden Gesellschaftergruppen vorgenommene Überbewertungen werden – zulasten künftiger Aktionäre – ausgeblendet. Nicht weiterhelfen dürfte auch der Hinweis, Finanzanalysten würden dieses Problem am Kapitalmarkt schon entdecken.75 Selbst wenn sie es entdecken, wurde das Anlegerpublikum bereits getäuscht und es müssten uU Gewinnverteilungen zwischen den Gesellschaftergruppen über Jahre korrigiert und rückabgewickelt werden. Am ehesten zur Lösung geeignet scheint eine Bewertung der Sacheinlage im Rahmen der Abschlussprüfung und die Bejahung einer Differenzhaftung.76 Doch setzt dieser Weg eine bestehende Pflicht zur Abschlussprüfung voraus, was bei kleinen Kapitalgesellschaften gerade nicht der Fall ist (§ 316 Abs 1 Satz 1 HGB). (Potentielle) Kommanditaktionäre kleiner KGaA bleiben also schutzlos. Da die KGaA ohnehin stets einer Gründungsprüfung zu unterwerfen ist, weil die Komplementäre zugleich Gründer und geschäftsführungsbefugte Gesellschafter sind (§ 33 Abs 2 Nr 1), verwundert die Ansicht der hM, die diese Prüfung lediglich um einen einzigen Prüfgegenstand erweitern müsste, dafür aber eine für alle Beteiligten von Anfang bestehende Rechtssicherheit gewinnen würde. Dass die Ansicht der hM widersprüchlich ist, zeigt sich dann an einer anderen Stelle. Erfolgt bei einer Erhöhung der

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71 Ausdrücklich aber gegen die Berücksichtigungsfähigkeit von Anlegerschutzgesichtspunkten in diesem Zusammenhang Schaumburg/Schulte Rdn 24 aE. 72 S dazu v Hahn Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch Bd 1, 3. Auflage 1879, Art 180, §§ 1 und 4 = S 616 f. 73 Denkschrift I, S 174 f; Denkschrift II, in Hahn/Mugdan, S 337 f. 74 So ausdrücklich MünchKomm/Perlitt5 32. 75 Bürgers/Fett/Bürgers § 4, 38. 76 So Wichert S 113; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 25; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 280, 13.

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Inhalt der Satzung | § 281

Sondereinlage eine Überbewertung, soll § 255 analog angewendet werden.77 Hier hat die hM keine Bedenken, statt des Personengesellschaftsrechts Aktienrecht anzuwenden. Darüber hinaus (und unabhängig von der Beurteilung der Einlagefähigkeit von Son- 27 dereinlagen78) hat die Bilanzierung der Einlagen nach aktienrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen (s § 286 Abs 2).79 Dies ist eine Konsequenz der Richtlinie 2013/34/EU80, die auch die KGaA betrifft (Art 1 Abs 1 lit a, Anhang I). Art 4 Abs 3 der Richtlinie verlangt vom Jahresabschluss ein zutreffendes Bild der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft und erfasst damit auch die Sondereinlagen der Komplementäre einer KGaA. (Zum Ausweis der Sondereinlagen in der Bilanz § 286, 33 ff).81 Für die Bewertung der im Jahresabschluss ausgewiesenen Sondereinlagen ist deshalb nicht der in der Satzung enthaltene Ansatz maßgebend, sondern der sich aus der Anwendung der Bewertungsgrundsätze der §§ 252 ff HGB ergebende Wert.82 3. Kein Bezugsrecht der Kommanditaktionäre und genehmigte Sondereinla- 28 gen. Sondereinlagen eines Komplementärs führen zwar zur Erhöhung des auf die Komplementäre in ihrer Gesamtheit sowie auf den einzelnen Komplementär entfallenden Anteils am Gewinn oder am Liquidationserlös der Gesellschaft, doch haben die Kommanditaktionäre, da Sondereinlagen dem Personengesellschaftsrecht unterliegen (so Rdn 15), kein dem Bezugsrecht auf Kommanditaktien vergleichbares Bezugsrecht auf neu geschaffene Komplementäreinlagen in Gestalt von Sondereinlagen.83 Da solche, wenn sie nicht schon in der Satzung vorgesehen sind (Abs 2), nur durch Satzungsänderung möglich sind, werden die Kommanditaktionäre diesbezüglich hinreichend durch ihre Mitwirkung bei einer Satzungsänderung geschützt (s § 278 Rdn 182). Bei einer Fehlbewertung können unterliegende Aktionäre den Beschluss analog § 255 anfechten.84 Ein besonderes Schutzbedürfnis der Kommanditaktionäre ist auch dann nicht zu er- 29 kennen, wenn die Satzung die Geschäftsleitung (für einen bestimmten Zeitraum und in einem bestimmten Umfang) ermächtigt, die Erhöhung der Sondereinlagen von Komplementären zuzulassen.85 4. Anpassung der Sondereinlagen an Kapitalerhöhungen. Die Satzung kann die 30 Anpassung von Sondereinlagen an Kapitalerhöhungen vorsehen, dh bestimmen,

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77 Su Fn 84. 78 So sind etwa künftige Dienstleistungen einlagefähig (so Rdn 15), grundsätzlich aber nicht aktivierungsfähig, weshalb sie auf der Passivseite der Bilanz und dementsprechend auch im Kapitalanteil des Komplementärs keinen Ausdruck finden, Hüffer/Koch14 § 286, 2; Schlitt S 123; Sethe DB 1998, 1044, 1046. Ausnahme: Gesellschafter lässt erbrachte Dienstleistungen stehen; MünchKomm/Perlitt5 24. 79 Hüffer/Koch14 2, § 286, 2; KK/Mertens/Cahn3 20; MünchKomm/Perlitt5 23. 80 Richtlinie 2013/34/EU vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates Text von Bedeutung für den EWR, ABl EU L 182 vom 29.6.2013, 19 ff. 81 MünchKommHGB/Reiner/Haußer3 § 266, 88. 82 Hüffer/Koch14 § 286, 2; Spindler/Stilz/Bachmann4 8; Wichert S 107 ff. 83 Vgl MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 15. 84 Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle 2000, S 273, 294; MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 6; ders VGR 1 (1999) 23, 50; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 392; Spindler/Stilz/Bachmann4 13; anders noch 4. Aufl Assmann/Sethe 28. AA auch Bürgers/Fett/Fett § 7, 7, der Schadensersatz wegen der Verletzung der Treuepflicht befürwortet. 85 IE ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 80, 4.

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§ 281 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

dass sich die Kapitalanteile der einzelnen Komplementäre bzw der Komplementäre insgesamt im Falle einer Erhöhung des Grundkapitals in gleichem Verhältnis des bisherigen Grundkapitals zum neuen Grundkapital und zu gleichen Bedingungen erhöhen können; zu Einzelheiten hierzu so § 278 Rdn 186. 31

5. Umwandlung von Sondereinlagen in Kommanditaktien und umgekehrt. Des Weiteren kann die Satzung die Umwandlung von Sondereinlagen in Aktien vorsehen; s auch dazu oben § 278 Rdn 188 ff. Zur Umwandlung von Kommanditaktien in Sondereinlagen so § 278 Rdn 194. IV. Sondervorteile

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Zugunsten der Aktionäre, Komplementäre oder sonstiger Personen bedungene Sondervorteile sind nach §§ 278 Abs 3, 26 zu beurteilen. Die früher in § 281 Abs 3 enthaltene Regelung über Sondervorteile zugunsten der persönlich haftenden Gesellschafter ist in der Neufassung von § 26 aufgegangen.86 Von praktischer Bedeutung sind vor allem die zugunsten der Komplementäre vereinbarten Vorteile. Als Sondervorteile für die Komplementäre sind alle Vergütungen und Leistungen 33 zu verstehen, die diese – neben der ihnen zustehenden Verzinsung geleisteter Vermögenseinlagen mit 4% nach § 168 Abs 1 HGB, – neben der (angemessenen, § 278 Abs 2 iVm § 168 Abs 2 HGB) Gewinnbeteiligung in Ansehung ihrer Vermögenseinlagen, der Wahrnehmung der Geschäftsführung (su Rdn 34) und der Übernahme der persönlichen Haftung und – ggf neben ihrer Dividende als Kommanditaktionäre, – neben einer in der Satzung festgelegten Vergütung für Nebenleistungen iSv § 55 erhalten.

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Auch die Vergütung, die Komplementären für ihre geschäftsführende Tätigkeit gezahlt wird, ist damit, weil diese regelmäßig mit der Gewinnbeteiligung als abgegolten anzusehen ist, als Sondervorteil zu behandeln.87 Die über § 278 Abs 2 zur Anwendung kommende gesetzliche Regelung der Gewinnverteilung in §§ 168, 121 HGB sieht – recht vage – eine Verteilung des Gewinns nach einem „angemessene(n) Verhältnis des Anteile“ vor. Dies wird den Verhältnissen einer KGaA regelmäßig noch weniger gerecht als denjenigen einer KG.88 Daher sind diesbezüglich spezielle Satzungsregelungen anzuraten und in der Regel auch anzutreffen. Dabei empfiehlt es sich, eine Regelung darüber zu treffen, auf welche Weise sich Sondereinlagen auf die Gewinnverteilung auswirken sollen. Nicht anders verhält es sich im Hinblick auf die Vergütung der Komplementäre für die Übernahme der persönlichen Haftung und der Geschäftsführung und/oder Zahlungen auf die Altersversorgung der Gesellschafter. In Bezug auf diesbezügliche Leistungen steht den Komplementären nach dem Gesetz eine Vergütung nur zu, wenn sie vereinbart wurde.89

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86 So Rdn 1. 87 Godin/Wilhelmi4 4; KK/Mertens/Cahn3 33; MünchKomm/Perlitt5 43, 47; Spindler/Stilz/Bachmann4 16; Vollertsen S 309. Einzelheiten bei § 278, 74 ff, § 288, 72 ff. 88 S Schlitt S 225 mit entsprechenden Satzungsgestaltungsvorschlägen S 223; zu Satzungsregelungen für die Gewinnverteilung sa MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 20. 89 Vgl MünchKomm/Perlitt5 47 f.

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Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter | § 282

Denn nach § 26 Abs 1 sind alle derartigen Leistungen, die den Komplementären 35 nicht automatisch nach dem Gesetz zustehen, bereits vor Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister in die Satzung aufzunehmen.90 Ohne entsprechende Satzungsregelung sind diesbezügliche Absprachen sowie Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam und können nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nicht durch Satzungsänderung geheilt werden (§ 26 Abs 3). V. Satzungsänderungen Zu den Voraussetzungen einer Satzungsänderung vgl § 278 Rdn 46, 99, 99a, 181 f.

§ 282 Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter § 282 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-029

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Bei der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister sind statt der Vorstandsmitglieder die persönlich haftenden Gesellschafter anzugeben. 2Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die persönlich haftenden Gesellschafter haben. Schrifttum S die Angaben bei §§ 278, 280 und 281.

Rechtsprechung BGH (2.12.1991) II ZB 13/91, BGHZ 116, 190 = DB 1992, 369 = BB 1992, 303 = NJW 1992, 975 = WM 1992, 190 = ZIP 1992, 174 = EWiR 1992, 373 (Wiesner) = WuB IV D § 12 HGB 1.92 (Deuchler): Bevollmächtigung zur Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister; BayObLG (12.6.1986) BReg. 3 Z 29/86, NJW 1987, 136 = BB 1986, 1532 = DB 1986, 1666 = DNotZ 1986, 692 = EWiR § 57 GmbHG 1/86, 805 (Gustavus) = NJW-RR 1987, 95: Unzulässigkeit der Bevollmächtigung zur Anmeldung einer Kapitalerhöhung; OLG Schleswig (20.1.2010) 2 W 182/09, NZG 2010, 957 = DNotZ 2010, 867 = FGPrax 2010, 147: aufschiebend bedingte Vollmacht für die Anmeldung zum Handelsregister.

I. II.

Systematische Übersicht Normentwicklung | 1 Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft | 2–7 1. Anmeldung | 3 2. Eintragung | 7

III. IV.

Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter (Satz 1) | 8–10 Eintragung der Vertretungsbefugnis (Satz 2) | 11–13

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90 Eine Festsetzung dem Grunde nach reicht aus; die Bestimmung der Höhe kann durch Gesellschafterbeschluss erfolgen, vgl KK/Mertens/Cahn3 33; MünchKomm/Perlitt5 47. Zu Einzelheiten der Tätigkeitsvergütung vgl § 288 Rdn 72 ff.

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§ 282 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

I. Normentwicklung 1

Satz 1 der Vorschrift stimmt mit § 223 Satz 1 AktG 1937 überein.1 Satz 2 wurde bei der Umsetzung der Ersten Gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie2 neu gefasst. Waren bis dahin nur besondere, vom gesetzlichen Regelfall abweichende Satzungsbestimmungen in Bezug auf die Vertretungsbefugnis eintragungspflichtig, ist die Vertretungsregelung nun generell einzutragen, selbst wenn sie dem gesetzlichen Regelfall entspricht (su Rdn 11). II. Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft

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Die §§ 278 ff enthalten keine speziellen Bestimmungen über die Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft. Nach §§ 283 Nr 1, 278 Abs 3 gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 36, 36a, 37 und 54 Abs 3. Bei der Anwendung dieser Vorschriften treten an die Stelle des Vorstands der AG die persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA (§ 283 Nr 1).

1. Anmeldung. Die erstmalige Anmeldung ist von den Gründern und allen Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats vorzunehmen (§§ 280 Abs 3, 278 Abs 3, 36 Abs 1). Da sämtliche Komplementäre schon als Gründer anmeldepflichtig sind, müssen sie die Gesellschaft nicht ein zweites Mal in ihrer Funktion als Geschäftsführungsorgan anmelden.3 Eine rechtsgeschäftliche Vertretung bei der Anmeldung ist wegen der zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Gründer nicht zulässig.4 Die Anmeldung ist elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen (§ 12 4 HGB, § 129 Abs 1 BGB, §§ 39a, 40 BeurkG).5 Für die Anmeldung sachlich zuständig ist das Amtsgericht als Registergericht (§§ 23a Abs 1 Nr 2, Abs 2 Nr 3 GVG, 374 Nr 1 FamFG).6 Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Bezirk, in dem die KGaA ihren satzungsmäßigen Sitz haben soll (§ 14 AktG iVm §§ 376, 377 FamFG).7 Der Inhalt der Anmeldung bestimmt sich nach § 37. Wegen der weiteren Erklärun5 gen, Nachweise und Handlungen sowie der Prüfung durch das Gericht kann auf die Erläuterungen der §§ 36, 37 (Schall und Röhricht/Schall) verwiesen werden. Da § 76 Abs 3 keine Anwendung findet (vgl § 278 Rdn 24, 33, 37), müssen die Komplementäre keine Versicherung nach § 37 Abs 2 abgeben.8 6 Die Anmeldung (und erst recht die Eintragung) darf nur erfolgen, wenn auf jede Aktie, soweit Bareinlagen und nicht Sacheinlagen vereinbart sind, der eingeforderte Betrag eingezahlt worden ist und zur freien Verfügung der Geschäftsführung der KGaA steht (§ 36 Abs 2), wobei der eingeforderte (und nach Maßgabe von § 54 Abs 3 zu zahlende) 3

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1 Vgl Kropff AktG, 1965, S 366. 2 Richtlinie vom 9.3.1968, ABl EG Nr L 65 vom 14.3.1968, S 8; sie ist mittlerweile in der Richtlinie (EU) 2017/1132 vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl EU L 169 vom 30.6.2017, S 46, aufgegangen. Die Vorgaben der Richtlinie wurden umgesetzt durch das Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15.8.1969, BGBl I 1146. 3 Vgl MünchKomm/Perlitt5 2; Spindler/Stilz/Bachmann4 3. 4 S im Einzelnen BGH 2.12.1991 – II ZB 13/91, BGHZ 116, 190, 199; BayObLG 12.6.1986 – BReg. 3 Z 29/86, NJW 1987, 136, 137; OLG Schleswig, Beschluss vom 20.1.2010 – 2 W 182/09, NZG 2010, 957, 958; Baumbach/ Hopt/Hopt39 § 12, 3; Schall § 36, 20 ff; MünchKomm/Perlitt5 2. 5 S Schall § 36, 8. 6 S Schall § 36, 7. 7 S im Einzelnen Schall § 36, 7. 8 Bürger/Körber/Förl/Fett4 2; Spindler/Stilz/Bachmann4 2; aA KK/Mertens/Cahn3 2.

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Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter | § 282

Betrag mindestens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrags und bei Ausgabe der Aktien für einen höheren als diesen auch den Mehrbetrag (sog Agio) umfassen muss (§ 36a Abs 1). Während Bareinlagen nur zu einem gewissen Teil erbracht, aber hinsichtlich des zu erbringenden Teils bei der Anmeldung einbezahlt sein müssen, ist eine Sacheinlage stets vollständig zu leisten, doch muss sie – sofern sie in der Verpflichtung besteht, einen Vermögensgegenstand auf die Gesellschaft zu übertragen – nicht vor der Anmeldung erbracht worden sein, sondern braucht erst innerhalb von fünf Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bewirkt zu werden (§ 36a Abs 2).9 Zu Sondereinlagen der Komplementäre su Rdn 7. 2. Eintragung. Das Gericht prüft, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und 7 angemeldet wurde (§§ 278 Abs 3, 38) Der Inhalt der Eintragung richtet sich nach § 39, wobei § 282 diesen modifiziert.10 Sondereinlagen der Komplementäre (§ 281 Abs 2) sind zwar in der Satzung zu nennen, nicht aber ins Handelsregister einzutragen.11 Sie brauchen auch bis zur Anmeldung der Gesellschaft nicht zu deren freien Verfügung eingezahlt zu sein.12 III. Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter (Satz 1) § 282 modifiziert § 39 Abs 1 dergestalt, dass bei der Eintragung der KGaA in das 8 Handelsregister anstelle des Vorstands die persönlich haftenden Gesellschafter (Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort) einzutragen sind. Ist eine juristische Person Komplementärin, sind ihre Firma und ihr Sitz zu nennen. Sofern eine Außen-GbR Komplementärin ist, sind die Namen, Vornamen, Geburtsdaten und Wohnorte sämtlicher Gesellschafter anzugeben (s § 278, Rdn 42). Unterbleibt die Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter, ist die Gesell- 9 schaft dennoch wirksam entstanden,13 da die unrichtige Eintragung als solche unter keinen der drei in §§ 275 Abs 1 AktG, 397 FamFG angeführten Nichtigkeitsgründe fällt.14 Auch eine entsprechende Anwendung von § 275 Abs 1 kommt nicht in Betracht, da gemäß Art 11 der auch für die KGaA geltenden Ersten Gesellschaftsrechtlichen EGRichtlinie15 die Gründe für die Nichtigkeit abschließend sind. Ebenso wenig liegt ein Löschungsgrund gemäß § 399 FamFG vor,16 da dort nur Mängel der Satzung, nicht aber solche der Eintragung angeführt sind. Das Registergericht ist nach § 17 HRV berechtigt und verpflichtet, Schreibversehen 10 und offenbare Unrichtigkeiten bei der Eintragung von Amts wegen zu berichtigen. Die hM macht hiervon nur für den Fall eine Ausnahme, dass sich die Identität der Gesellschaft nicht feststellen lässt.17

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9 Vor der Anmeldung braucht mithin lediglich die die Sacheinlage bildende schuldrechtliche Verpflichtung zur Übertragung des Vermögensgegenstandes begründet zu sein; s Röhricht/Schall § 36a, 7 f. Zum Streit um die Auslegung von § 36a Abs 2, namentlich zum Verhältnis von Satz 1 und Satz 2 dieser Bestimmung s Röhricht/Schall § 36a, 3 ff. Ohne nähere Begründung und offenbar nur auf § 36a Abs 2 Satz 1 abstellend, daher anders MünchKomm/Perlitt5 4. 10 Dazu näher Rdn 8 ff. 11 MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 27; KK/Mertens/Cahn3 2, § 281, 11; MünchKomm/Perlitt5 5, § 281, 19; Schaumburg/Schulte Rdn 25; Bödefeld in: FS Rädler, 1999, S 33, 47. 12 Godin/Wilhelmi4; MünchKomm/Perlitt5 5; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 280, 9. 13 S Röhricht/Schall § 39, 14; MünchKomm/Perlitt5 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 14 Hüffer/Koch14 § 39, 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 15 S Fn 2. 16 Vgl Hüffer/Koch14 § 39, 6. 17 Röhricht/Schall § 39, 16; Hüffer/Koch14 § 39, 6.

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§ 283 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

IV. Eintragung der Vertretungsbefugnis (Satz 2) Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm ist die Vertretungsbefugnis der Komplementäre in jedem Fall ins Handelsregister einzutragen. Die Eintragung ist also nicht erst dann geboten, wenn vom gesetzlichen Regelfall der Einzelvertretungsbefugnis abgewichen wird.18 Ist eine juristische Person Komplementärin, ist sie als vertretungsbefugt einzutragen, nicht aber auch die bei ihr bestellten vertretungsbefugten Organmitglieder.19 Sofern eine Außen-GbR Komplementärin ist, sind die Vertretungsverhältnisse in der GbR anzugeben (s § 278 Rdn 42). Unterbleibt die Eintragung, ist die Gesellschaft aus den soeben genannten Gründen dennoch wirksam entstanden (s Rdn 9). Eintragungspflichtig ist auch jede spätere Änderung im Kreis der persönlich haf12 tenden Gesellschafter oder in Bezug auf ihre Vertretungsbefugnis (§§ 283 Nr 1, 81).20 Anmeldepflichtig sind die geschäftsführungsbefugten Komplementäre (§ 283 Nr 1).21 Anmeldung und Eintragung der Vertretungsbefugnis nach § 282 sind zwar obligato13 risch, haben aber nur deklaratorische Bedeutung.22 Wird die Eintragung der Vertretungsbefugnis als eintragungspflichtige Tatsache versäumt, kann sie Dritten nicht entgegengehalten werden, es sei denn, sie war dem Dritten bekannt (§ 15 Abs 1 HGB).23 11

§ 283 Persönlich haftende Gesellschafter Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Persönlich haftende Gesellschafter § 283 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-030

Für die persönlich haftenden Gesellschafter gelten sinngemäß die für den Vorstand der Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften über 1. die Anmeldungen, Einreichungen, Erklärungen und Nachweise zum Handelsregister sowie über Bekanntmachungen; 2. die Gründungsprüfung; 3. die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit; 4. die Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat; 5. die Zulässigkeit einer Kreditgewährung; 6. die Einberufung der Hauptversammlung; 7. die Sonderprüfung; 8. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen der Geschäftsführung; 9. die Aufstellung, Vorlegung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns; 10. die Vorlage und Prüfung des Lageberichts, eines gesonderten nichtfinanziellen Berichts sowie eines Konzernabschlusses, eines Konzernlageberichts und eines gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts; 11. die Vorlegung, Prüfung und Offenlegung eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs 2a des Handelsgesetzbuchs;

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18 Hüffer/Koch14 1; Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 19 Bürger/Körber/Förl/Fett4 3. 20 Spindler/Stilz/Bachmann4 6; MünchKomm/Perlitt5 9; aA Hüffer/Koch14 § 278, 14, der Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 125 Abs 4 HGB anwenden will. Der praktische Unterschied ist gering, vgl Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 21 Näher hierzu § 283 Rdn 6 ff, 13 ff. 22 Bürger/Körber/Förl/Fett4 5; Röhricht/Schall § 39, 14; MünchKomm/Perlitt5 9. 23 Spindler/Stilz/Bachmann4 5.

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Persönlich haftende Gesellschafter | § 283

12. die Ausgabe von Aktien bei bedingter Kapitalerhöhung, bei genehmigtem Kapital und bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln; 13. die Nichtigkeit und Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen; 14. den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Schrifttum Bachmann Die Haftung des Geschäftsleiters für die Verschwendung von Gesellschaftsvermögen, NZG 2013, 1121; Elschenbroich Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1959; von Falkenhausen Die Haftung außerhalb des Business Judgment Rule, Ist die Business Judgment Rule ein Haftungsprivileg für Vorstände?, NZG 2012, 644; Gail Auswirkungen des Aktiengesetzes 1965 auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien, WPg 1966, 425; Grobe Zum Rechtsverhältnis des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, NJW 1968, 1709; Joens Die persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Hamburg, 1962; R Koenig Die Stellung der Komplementare zur Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Leipzig 1912; v Malachowski Die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Leipzig 1910; Mertens Abhängigkeitsbericht bei „Unternehmenseinheit“ in der Handelsgesellschaft KGaA?, in: FS Claussen, 1997, S 297; Pallenbach Die organschaftliche Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1954; Pflug Der persönlich haftende Gesellschafter in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, NJW 1971, 345; Poertzgen Die systematische Berechtigung der Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO), ZInsO 2014, 165; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996; Sußmann Die rechtliche Stellung des Komplementars in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Marburg 1915. S des Weiteren die Angaben bei § 278 und Vor § 278.

Rechtsprechung Schweizerisches BGer (8.2.2010) 4A_306/2009 = SZW 2010, 417 (Burg/von der Crone): Konzernhaftung. BGH (24.2.1997) II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 (Vorinstanz OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, s 278) = AG 1997, 370 = BB 1997, 1220 = DB 1997, 1219 = NJW 1997, 1923 = WM 1997, 1098 = ZIP 1997, 1027 = LM H. 8/1997 § 278 AktG 1965 Nr 1 (Roth) = WuB II B § 278 AktG 1.97 (Hein): Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA; BGH (25.2.2002) II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 = BB 2002, 1012 = DB 2002, 995 = NJW 2002, 1803 = NZG 2002, 520 = WM 2002, 960 = ZIP 2002, 848 = WuB II C § 13 GmbHG 2.02 (Bitter): keine Ausfallhaftung, soweit das faktische Geschäftsführungsorgan keine natürliche Person ist; BGH (25.2.2002) II ZR 236/00, NZG 2002 568 = BB 2002, 1164 = DB 2002, 1150 = GmbHR 2002, 588 = NJW-RR 2002, 965 = WM 2002, 1128: Umfang der Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH; BGH (18.6.2013) II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 = BB 2013, 2257 = DB 2013, 1959 = NJW 2013, 3636 = NZG 2013, 1021 = WM 2013, 1648 = EWiR § 43 GmbHG 24/13, 775 (Weipert) = WuB II G § 43 GmbHG 1.13 (Müller): für die sorgfaltswidrige Führung der Geschäfte der KG haftet der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH; BGH (30.6.2015) II ZR 142/14, BGHZ 206, 143 = AG 2015, 822 = BB 2015, 2636 = DB 2015, 2504 = WM 2015, 2046 = ZIP 2015, 2069 = EWiR § 121 AktG 21/15, 661 (Bayer/(Scholz): Befugnis der geschäftsführenden Komplementärin zur Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses; BGH (25.10.2016) II ZR 230/15, NJW 2017, 1467 = AG 2017, 316 = BB 2017, 336 = DB 2017, 301 = NJW 2017, 1467 = NZG 2017, 303 = WM 2017, 294 = ZIP 2017, 281 = EWiR § 121 AktG 10/17, 295: keine Befugnis einer zu Unrecht eingetragenen persönlich haftenden Gesellschafterin einer Publikums-KG zur Einberufung der Gesellschafterversammlung; BGH (19.12.2017) II ZR 255/16, NZG 2018, 220 = BB 2018, 271 = DB 2018, 247 = NJW-RR 2018, 288 = WM 2018, 235 = ZIP 2018, 276: fehlende Prozessführungsbefugnis des Kommanditisten zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH;

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§ 283 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

BGH (21.4.2020) II ZR 56/18, ZIP 2020, 1118 = AG 2020, 540 = EWiR § 78 AktG 13/20, 389 (Bachmann) = WM 2020, 1263: Rechtsschutzinteresse des Insolvenzverwalters für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses gegen eine KGaA und Führungslosigkeit der KGaA aufgrund Ausscheidens des Komplementärs; OLG Hamburg (5.12.1968) 2 W 34/68, NJW 1969, 1030 = GmbHR 1969, 135: juristische Person als persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA; OLG München (17.9.1999) 23 U 1514/99, NZG 2000, 741 = AG 2000, 426 = GmbHR 2000, 1205: Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA auf Schadensersatz bei Verletzung von Sorgfaltspflichten; OLG Stuttgart (28.7.2004) 20 U 5/04, NZG 2004, 1002 = AG 2004, 678 = DB 2004, 1768 = ZIP 2004, 2004: an der Tätigkeitsvergütung orientierte Abschlagszahlung des Komplementärs als Kreditgewährung;

OLG Stuttgart (11.3.2009) 14 U 7/08, ZIP 2010, 474 = DStR 2009, 2442 = NZG 2009, 1303: Voraussetzung der Erhebung einer Schadensersatzklage gegen einen Komplementär wegen Verletzung von Geschäftsführungspflichten;

I. II.

III.

Systematische Übersicht Normentwicklung | 1–2 Allgemeines | 3–12 1. Zweck und Reichweite der Norm | 3 2. Normadressaten | 6 Die Verweise im Einzelnen | 13–43 1. Die Anmeldungen, Einreichungen, Erklärungen und Nachweise zum Handelsregister sowie Bekanntmachungen (Nr 1) | 13 2. Die Gründungsprüfung (Nr 2) | 16 3. Die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der persönlich haftenden Gesellschafter (Nr 3) | 17 a) Zivilrechtliche Verantwortlichkeit | 17 b) Straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit | 23 4. Die Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat (Nr 4) | 24 5. Die Kreditgewährung (Nr 5) | 25 6. Die Einberufung der Hauptversammlung (Nr 6) | 26 7. Die Sonderprüfung (Nr 7) | 29 8. Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen der Geschäftsführung (Nr 8) | 30

9.

10.

11.

12.

13.

14.

Die Aufstellung, Vorlegung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns (Nr 9) | 31 Die Vorlage und Prüfung des Lageberichts, eines gesonderten nichtfinanziellen Berichts sowie eines Konzernabschlusses, eines Konzernlageberichts und eines gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts (Nr 10) | 32 Die Vorlegung, Prüfung und Offenlegung eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs 2a HGB (Nr 11) | 34 Die Ausgabe von Aktien bei bedingter Kapitalerhöhung, bei genehmigtem Kapital und bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (Nr 12) | 35 Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (Nr 13) | 36 Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Nr 14) | 38 a) Insolvenzantragsrecht | 38 b) Insolvenzantragspflicht | 41 c) Zahlungsverbot | 43

I. Normentwicklung 1

Die Vorschrift entspricht § 227 AktG 1937 mit folgenden, im Zuge der Aktienrechtsreform 1965 vorgenommenen Änderungen:1

_____ 1

S im Einzelnen Kropff AktG, 1965, S 367.

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Persönlich haftende Gesellschafter | § 283



– – – –



In Nr 1 sind jetzt auch die Vorschriften über Bekanntmachungen genannt, um den Komplementären die mit dem AktG 1965 erheblich erweiterten Bekanntmachungspflichten aufzuerlegen. Nr 4 wurde im Wortlaut § 93 Abs 2 angepasst, indem der Begriff der „Obliegenheiten“ durch denjenigen der „Pflichten“ ersetzt wurde. Nr 7 wurde ohne inhaltliche Änderungen im Wortlaut gekürzt. Der Wortlaut von Nr 9 ist an § 174 Abs 2 angepasst worden und spricht jetzt von „Verwendung des Bilanzgewinns“ statt von „Gewinnverteilung“. Die frühere Nr 11 (Einreichung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts, Bekanntmachung des Jahresabschlusses) wurde überflüssig, da ihr Inhalt bereits in Nr 1 enthalten ist. An ihre Stelle trat die Pflicht zur Rechnungslegung im Konzern, die aufgrund der §§ 329 ff aF (heute §§ 290 ff HGB) erforderlich wurde. Nr 12 wurde um die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ergänzt.

Durch Art 2 Nr 62 des Bilanzrichtliniengesetzes2 wurde in Nr 9 das Wort „Ge- 2 schäftsbericht“ durch „Lagebericht“ ersetzt. Durch Art 47 Nr 13 EGInsO3 wurde Nr 14 an die zum 1.1.1999 in Kraft getretene4 Insolvenzordnung angepasst und die Begriffe des Konkurs- und Vergleichsverfahrens durch denjenigen des Insolvenzverfahrens ersetzt. Durch Art 4 Nr 11 des Bilanzrechtsreformgesetzes5 wurde die Prüfung des Jahresabschlusses in Nr 9 integriert (bisher in Nr 10), Vorlegung und Prüfung des Lageberichts von Nr 9 in Nr 10 verschoben und in Nr 10 zusätzlich die Vorlegung und Prüfung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts eingefügt. Materielle Änderungen ergeben sich daraus nicht.6 In der so frei gewordenen Nr 11 wurde die Vorlage, Prüfung und Offenlegung eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs 2a HGB geregelt. Art 8 Nr 6 des CSRRichtlinie-Umsetzungsgesetzes7 führte in § 283 Nr 10 den gesonderten nichtfinanziellen Bericht bzw nichtfinanziellen Konzernbericht ein. II. Allgemeines 1. Zweck und Reichweite der Norm. Zweck und Regelungsreichweite der Norm 3 erschließen sich vor dem Hintergrund des § 278: Gem § 278 Abs 2 richten sich die Rechtsbeziehungen der Komplementäre untereinander, gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und gegenüber Dritten nach den §§ 163 ff bzw 161 Abs 2, 109 ff HGB. Von § 278 Abs 2 erfasst werden somit zwei Bereiche, nämlich die von den Komplementären wahrgenommenen Organfunktionen in der Gesellschaft (Geschäftsführung und Vertretung) und die Rechte der Gesellschafter untereinander (mitgliedschaftliche Ebene, Grundlagengeschäfte). Gem § 278 Abs 3 findet das Erste Buch des AktG nur „im übrigen“ Anwendung und dann auch nur insoweit, als sich nicht aus dem Fehlen des Vorstands ein anderes ergibt. Auf dieser Grundlage erstreckt § 283 bestimmte für den Vorstand der AG geltende Normen ausdrücklich auf die Komplementäre der KGaA, um den mit diesen Bestimmungen verfolgten Schutz der Interessen der Öffentlichkeit und der Aktionäre

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2 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 19.12.1985, BGBl I 2355. 3 Gesetz vom 5.10.1994, BGBl I 2911. 4 Art 110 Abs 1 EGInsO. 5 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 4.12.2004, BGBl I 3166. 6 Spindler/Stilz/Bachmann4 19. 7 Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 11.4.2017, BGBl I 802.

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§ 283 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

(Anleger) auch bei der KGaA zur Geltung zu bringen. Im Ergebnis richtet sich die Rechtsstellung der Komplementäre demnach grundsätzlich nach den einschlägigen Vorschriften des Personengesellschaftsrechts (§ 278 Abs 2) und nur ergänzend nach den speziellen Regelungen des § 283. Dies bedeutet insbesondere, dass § 283 nicht die Befugnis einschränkt, die Kompetenzen der Komplementäre durch entsprechende Satzungsregelungen abzuändern. Die in § 283 statuierten Pflichten gelten folglich für die persönlich haftenden Gesellschafter nur im Rahmen der ihnen jeweils aufgrund der Satzung zugewiesenen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse.8 Da die Vorschrift des § 283 eine Ausnahmebestimmung zu § 278 Abs 2 darstellt, ist 4 sie abschließend.9 Bestätigt wird dieser Befund durch die Entstehungsgeschichte10 und den Wortlaut der Norm, der keine Erweiterungen des Anwendungsbereichs zulässt oder eine generalklauselartige Öffnungsnorm enthält. Auch wäre das oben in Rdn 3 dargelegte Zusammenspiel von § 283 und § 278 Abs 2 und 3 überflüssig, wenn der Gesetzgeber die Vorschrift als bloß beispielhafte Aufzählung konzipiert hätte. In diesem Fall wäre schon der Verweis in § 278 Abs 3 ausreichend gewesen. Festzuhalten ist damit, dass aus den aktienrechtlichen Regelungen über den Vorstand nur diejenigen Vorschriften auf die Komplementäre der KGaA anzuwenden sind, auf die § 283 (mittels sachlicher Bezeichnung der betroffenen Regelungsbereiche) ausdrücklich Bezug nimmt.11 Da § 283 die anwendbaren Vorschriften nicht ziffernmäßig, sondern dem betroffenen Regelungsbereich nach benennt, beschränkt sich der Verweis nicht auf die für den Vorstand geltenden Vorschriften der §§ 76–94, sondern umfasst grundsätzlich auch die an den Vorstand als Normadressaten gerichteten, aber in anderen Regelungsbereichen des AktG enthaltenen Bestimmungen des AktG.12 Neben § 283 sind die Kompetenzzuweisungen an die Komplementäre in § 289 Abs 6 Satz 1, 2 (die Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft und des Ausscheidens eines persönlich haftenden Gesellschafters ist von allen persönlich haftenden Gesellschaftern vorzunehmen) und in § 290 Abs 2 (die gerichtliche Bestellung oder Abberufung von Abwicklern kann jeder persönlich haftende Gesellschafter beantragen) zu beachten. Die §§ 284 (Wettbewerbsverbot) und § 288 (Entnahme) enthalten Sondervorschriften. Im Umkehrschluss kann man aus § 283 ableiten, dass dort nicht genannte Pflichten (wie etwa § 76 Abs 2 und 3, dazu § 278 Rdn 17, 24, 27, 37) auf die persönlich haftenden Gesellschafter keine Anwendung finden. Leider hat der Gesetzgeber diese Systematik nicht beachtet und jüngst über § 278 Abs 3 auf § 76 Abs 4 Bezug genommen statt § 283 entsprechend zu ergänzen (vgl § 278 Rdn 138a). 5 Die Vorschrift ist zwingend,13 denn zum einen nimmt sie auf Normen Bezug, die ihrerseits dem Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs 5 unterfallen, und zum anderen dienen die meisten der über § 283 in Bezug genommenen Vorschriften dem Schutz öffentlicher Interessen. Sie gelten allerdings nur sinngemäß, so dass jeweils zu prüfen ist, ob nicht die Unterschiede zwischen AG und KGaA auch eine unterschiedliche Anwendung der Vorstandsregeln auf die Komplementäre der KGaA gebieten.14

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8 Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 3; MünchKomm/Perlitt5 7. 9 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394; OLG Hamburg 5.12.1968 – 2 W 34/68, NJW 1969, 1030, 1034 (= GmbHR 1969, 135, 139); Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 4; Priester ZHR 160 (1996) 250, 255; Sethe S 158. Teilweise aA MünchKomm/Perlitt5 6. 10 Denkschrift I, S 175; Denkschrift II, in Hahn/Mugdan, S 338, wo von „gewissen“ Vorschriften zum Vorstand die Rede ist, deren Anwendung für die Geschäftsführung der KGaA angeordnet wird. 11 So ist etwa die Anwendung von § 76 ausgeschlossen; BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394. 12 Zur Frage, ob § 118 Abs 3 auch für die KGaA gilt, s § 285 Rdn 5 ff. 13 Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 3; MünchKomm/Perlitt5 4; Schaumburg/Schulte Rdn 8, 10, 12 Spindler/Stilz/Bachmann4 1; Elschenbroich S 127. 14 Spindler/Stilz/Bachmann4 1.

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2. Normadressaten. Normadressaten sind nach dem Wortlaut alle persönlich haftenden Gesellschafter, auch wenn sie von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sind.15 Jedoch ist im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit die Erfüllung der den persönlich haftenden Gesellschaftern über § 283 auferlegten Pflichten nicht die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Betreffenden voraussetzt.16 Soweit dies der Fall ist, richtet sich die über § 283 zur Anwendung gelangende Vorschrift nur an die geschäftsführenden Komplementäre. – Lediglich auf geschäftsführungsbefugte Komplementäre anwendbar sind die aufgrund von Nr 4 (Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat),17 6 (Einberufung der Hauptversammlung),18 Nrn 9–11 (Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses, Prüfung und Rechnungslegung im Konzern),19 und Nr 12 (Ausgabe von Aktien bei den genannten Kapitalerhöhungen) anwendbaren Vorschriften. – Eindeutig an alle Komplementäre richten sich dagegen die aufgrund des Verweises in Nrn 2 (Gründungsprüfung) und 5 (Zustimmung zur Kreditgewährung) heranzuziehenden Bestimmungen. – Zu differenzieren ist im Hinblick auf die in Nr 1 (Anmeldungen zum Handelsregister), Nr 3 (Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit), Nr 7 (Sonderprüfung), Nr 8 (Geltendmachung von Ersatzansprüchen), Nr 13 (Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen) sowie Nr 14 (Insolvenzantragspflicht)20 angeführten Regelungsbereiche. Diesbezüglich hängt die Anwendung der einschlägigen aktienrechtlichen Bestimmungen auch auf die nicht geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre von der Art des jeweils betroffenen Vorgangs und der vom Gesetz vorgesehenen Art der Mitwirkung des Leitungsorgans ab. Zu Einzelheiten ist auf die Einzelkommentierung zu den vorgenannten Nummern der Vorschrift zu verweisen.21

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Grundsätzlich gelten die sich aus § 283 ergebenden Pflichten auch für diejenigen 10 Komplementäre, die lediglich geschäftsführungs-, nicht aber vertretungsbefugt sind. Soweit die jeweilige Pflicht allerdings Vertretungsmacht voraussetzt, findet § 283 keine Anwendung. Dies ist bei Anmeldungen nach Nr 1 der Fall, wenn die Anmeldung bei einer AG lediglich von einzelnen Mitgliedern des Vorstands, nicht aber vom gesamten Vertretungsorgan vorzunehmen ist.22 Unzulässig wäre eine Satzungsbestimmung, der zufolge ein persönlich haftender 11 Gesellschafter zwar das Recht zur Geschäftsführung behält, die Pflicht dazu aber nicht übernimmt. Eine solche Klausel würde gegen die zwingende Regelung des § 283 verstoßen,23 der den Komplementären bestimmte Pflichten auferlegt, die nicht durch eine einseitig begünstigende Satzungsregelung wieder aufgehoben werden können.

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15 Ganz hM, s etwa Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 6; MünchKomm/Perlitt5 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 3. 16 Baumbach/Hueck13 2; Godin/Wilhelmi4; Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 6; MünchKomm/Perlitt5 8. 17 Unstr., vgl Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 18 Str, su Rdn 27. 19 Unstr, vgl insoweit §§ 264 Abs 1 Satz 1, 290 Abs 1, 325 Abs 1 HGB, die diese Pflicht den gesetzlichen Vertretern auferlegen, vgl Sethe DB 1998, 1044. 20 Vgl unten Rdn 38 ff. 21 Dazu unten Rdn 13 ff. 22 MünchKomm/Perlitt5 13. 23 KK/Mertens/Cahn3 § 278, 87; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 226; Sethe S 144.

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Sind nicht vollgeschäftsfähige Personen Komplementäre, richten sich die sich aus § 283 ergebenden Pflichten an deren gesetzliche Vertreter.24 Vgl im Übrigen § 278 Rdn 22 ff. III. Die Verweise im Einzelnen

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1. Die Anmeldungen, Einreichungen, Erklärungen und Nachweise zum Handelsregister sowie Bekanntmachungen (Nr 1). Die erstmalige Anmeldung der KGaA ist von allen persönlich haftenden Gesellschaftern, dh auch von den von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen Komplementären, vorzunehmen, da diese Gründer der Gesellschaft sind (§§ 280 Abs 3, 278 Abs 3, 36 Abs 1). Diese nehmen auch die Erklärung über die Vertretungsbefugnis nach § 37 Abs 3 vor.25 Von allen persönlich haftenden Gesellschaftern anzumelden ist aufgrund der Regelung des § 289 Abs 6 Satz 1, 2 auch die Auflösung der KGaA oder das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters.26 14 Alle sonstigen Veränderungen und Beschlüsse, die eintragungspflichtig oder dem Handelsregister mitzuteilen sind,27 werden allein von den geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementären in vertretungsberechtigter Zahl bewirkt.28 Dies gilt auch für den Fall eines neu eintretenden geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementärs (§§ 283 Nr 1, 81 Abs 1),29 wobei dieser seine Namensunterschrift zur Aufbewahrung beim Handelsregister abgeben muss. Zum Teil wird im Schrifttum angeregt, trotz Nichtanwendbarkeit von § 76 Abs 3 (s § 282 Rdn 5) vorsorglich die Versicherung nach § 81 Abs 3 abzugeben.30 Bei bestimmten Anmeldungen zum Handelsregister muss der Aufsichtsratsvorsitzende mitwirken (s etwa §§ 283 Nr 1 iVm 184 Abs 1).31 15 Einreichungen zum Handelsregister, für die § 12 Abs 2 HGB gilt (§ 37 Abs 5), sind durch die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementären in vertretungsberechtigter Zahl vorzunehmen. Dies gilt etwa für Änderungen im Aufsichtsrat (§ 106), das Protokoll der Hauptversammlung (§ 130 Abs 5), ein Anfechtungsurteil (§ 248 Abs 1 Satz 2) und die Nichtigkeitsklage und -urteil (§ 275 Abs 4) und Beschlüsse der Hauptversammlung, die der Zustimmung der Komplementäre bedürfen (§ 285 Abs 3 Satz 1). Gleiches gilt für Erklärungen und Nachweise, wie sie etwa in § 37 Abs 1 (Nachweise der Leistung der Einlage auf ein Konto und zur freien Verfügung), § 161 (Erklärung zum Corporate Governance Kodex) oder § 274 Abs 3 (Fortsetzung der KGaA, sofern noch nicht mit der Vermögensverteilung begonnen wurde) verlangt werden. Bekanntmachungen (wie sie etwa in den Fällen der §§ 121 Abs 3, 125, 186 Abs 2 verlangt werden) sind ebenfalls durch geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Komplementäre in vertretungsberechtigter Zahl vorzunehmen.32 Schließlich werden, obwohl sie der Wortlaut von Nr 1 nicht

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24 MünchKomm/Perlitt5 6, § 278, 25; Hüffer/Koch14 1, der es allerdings für erwägenswert hält, nicht voll Geschäftsfähige von der Geltung des § 283 ganz auszunehmen. 25 S § 282 Rdn 2. 26 Vgl § 289 Rdn 179 ff. 27 Bspw §§ 45 Abs 1, 52 Abs 1 und 6, 130 Abs 5, 181, 184, 188, 195, 201, 203 Abs 1 Satz 1, 210, 223, 237 Abs 2 Satz 1, Abs 4 Satz 5, 239, 266, 274 Abs 3, 275 Abs 4, 283 Nr 1 iVm 81 und 106, 294 Abs 1, 295 Abs 1 Satz 2, 298, 319 Abs 4, 327 Abs 3 sowie §§ 16, 125, 129, 137 Abs 1, 2, 146, 198 iVm § 246 UmwG. 28 MünchKomm/Perlitt5 12, 15. 29 MünchKomm/Perlitt5 12, 15; anders Spindler/Stilz/Bachmann4 5 (§ 107 HGB). 30 MünchKomm/Perlitt5 15; wohl auch Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 31 Hüffer/Koch14 § 278, 16. 32 Vgl MünchKomm/Perlitt5 16. Zur Befugnis der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre zur Einberufung der Hauptversammlung in dringenden Fällen s Rdn 27.

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nennt, auch Mitteilungen erfasst, wie etwa die gem § 175 Abs 1 Satz 4 zur Einberufung der Hauptversammlung oder Mitteilungen nach kapitalmarktrechtlichen Vorschriften (zB Stellungnahme der Zielgesellschaft nach § 27 Abs 3 WpÜG oder Meldung von Directors‘ Dealings nach Art 19 Abs 3 MAR). 2. Die Gründungsprüfung (Nr 2). Sämtliche persönlich haftende Gesellschafter 16 haben als Gründer gemeinsam mit dem Aufsichtsrat eine Gründungsprüfung vorzunehmen (§§ 280 Abs 3, 278 Abs 3, 33 Abs 1). Da die Komplementäre das Leitungsorgan der Gesellschaft stellen, muss gem §§ 278 Abs 3, 33 Abs 2 Nr 1, Abs 3 auch eine Gründungsprüfung durch unabhängige Prüfer oder den beurkundenden Notar (externe Gründungsprüfung) stattfinden.33 In diese ist auch die Bewertung von Sacheinlagen auf Sondereinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter einzubeziehen (s § 281 Rdn 24 f). Im Übrigen entspricht die Gründungsprüfung derjenigen einer AG. 3. Die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der persönlich haftenden Gesellschafter (Nr 3) a) Zivilrechtliche Verantwortlichkeit. Der Sorgfaltsmaßstab des § 708 BGB (ei- 17 genübliche Sorgfalt) findet auf die Komplementäre der KGaA weder auf mitgliedschaftlicher noch auf organschaftlicher Ebene Anwendung (s § 278 Rdn 55).34 Vielmehr haben alle persönlich haftenden Gesellschafter, gleich dem Vorstand der AG, bei der Gründung (§ 48), der Nachgründung (§ 53) und – soweit geschäftsführungsbefugt – bei ihrer Geschäftsführung (§ 93 Abs 1) die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Sie haften bei Verstößen auf Schadensersatz (§ 93 Abs 2, dazu § 278 Rdn 55a).35 Es handelt sich um eine Binnenhaftung, die vom Aufsichtsrat nach § 112 durchgesetzt wird. Ausnahmsweise können auch Gläubiger die Haftung nach § 95 Abs 5 durchsetzen, wobei dieser Möglichkeit neben der persönlichen Haftung aus § 128 HGB keine praktische Bedeutung zukommen dürfte.36 Anzuwenden ist die Business Judgment Rule (§ 93 Abs 1 Satz 2).37 Die Haftung ist gem §§ 93 Abs 4 Satz 1 ausgeschlossen, wenn die Hauptversammlung mit Zustimmung der Komplementäre (285 Abs 2 Satz 1) der haftungsauslösenden Maßnahme zugestimmt hatte.38 Der Verweis auf § 93 erfasst auch die Geheimhaltungspflicht von § 93 Abs 1 Satz 3.39 Weiterhin findet § 117 Anwendung, wobei zu differenzieren ist: Kommanditaktionäre, Beiratsmitglieder uä können wegen schädigender Einflussnahme auf die KGaA haften (§ 117 Abs 1). Gleiches gilt für Komplementäre in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter (auf die Geschäftsführungsbefugnis kommt es also gerade nicht an), wenn sie auf andere geschäftsführungs-

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33 Baumbach/Hueck13 3; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 3; Hüffer/Koch14 2, § 280, 4; Joens S 29; KK/Mertens/ Cahn3 8, § 280 9 f; MünchKomm/Perlitt5 17. 34 Sa Baumbach/Hueck13 3; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 22; KK/Mertens/Cahn3 9; MünchKomm/Perlitt5 18, § 278, 62; Spindler/Stilz/Bachmann4 8, § 278, 56; Sethe S 167, 153 Fn 197. 35 Beispiel: OLG München 17.9.1999 – 23 U 1514/99, NZG 2000, 741 ff (Verstoß gegen die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung). 36 Ebenso die Einschätzung von Spindler/Stilz/Bachmann4 10. 37 Bürgers/Fett/Reger § 5, 120 f; von Falkenhausen NZG 2012, 644, 646; Kessler S 250; Schmidt/Lutter/ Schmidt3 6, Spindler/Stilz/Bachmann4 8. 38 Bürgers/Fett/Reger § 5, 138 ff; Bachmann in. FS Marsch-Barner, 2018, S 18; Kessler S 252 ff; Spindler/ Stilz/Bachmann4 10. 39 Bürgers/Fett/Reger § 5, 122 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 8.

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befugte Komplementäre Einfluss nehmen.40 Die geschäftsführungsbefugten Komplementäre sind daneben haftbar, wenn sie pflichtwidrig diese Einflussnahme hingenommen oder unterstützt haben (§ 117 Abs 2).41 Die konzernrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 309, 310, 317 und 318 gelten dagegen nur für die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre.42 Gleiches gilt für die Berichtspflichten nach § 312.43 Ist eine juristische Person – allein oder neben anderen persönlich haftenden Ge18 sellschaftern – geschäftsführungsbefugte Komplementärin, haftet sie ebenfalls nach § 93 Abs 2, wobei ihr das Handeln ihrer Organe zugerechnet wird (§ 31 BGB). Auch für sie gilt der Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns. Die Haftung der Komplementärgesellschaft erweist sich jedoch in vielen Fällen als rein theoretisch, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapital handelt und keine D&O-Versicherung (dazu unten Rdn 22) besteht. Noch dünner wird die Haftungsdecke, wenn die Ansprüche der KGaA mit Forderungen weiterer Gläubiger der Komplementärgesellschaft konkurrieren. Die effektive Durchsetzung der Rechte der KGaA scheitert schließlich oft auch daran, dass sie kaum ein Interesse daran haben kann, die Insolvenz ihrer (wohlmöglich einzigen) Komplementärin (dazu § 289 Rdn 130 ff) herbeizuführen.44 Der KGaA haften auch die für die Komplementärgesellschaft handelnden Organe.45 19 Die Herleitung dieses Ergebnisses ist allerdings umstritten. Zu trennen ist die Frage nach der Anspruchsgrundlage (su Rdn 19a und 19b) von derjenigen nach der Durchsetzung des Anspruchs (su Rdn 19c): 19a Die wohl überwiegende Lehre leitet die Sorgfaltspflicht und die Haftung aus den Verantwortlichkeitsbestimmungen her, die für die Komplementärgesellschaft gelten, also bei einer AG als Komplementärgesellschaft aus dem für sie geltenden § 93 Abs 2 bzw bei einer GmbH aus § 43 Abs 2 GmbHG.46 Einen ersten Bruch erfährt diese Ansicht jedoch, soweit es um die Beurteilung des Organhandelns einer Personenhandelsgesellschaft als Komplementärin einer KGaA geht; hier sollen die für die OHG oder KG tätigen Organe gerade nicht dem Sorgfaltsmaßstab aus §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB iVm § 708 BGB, sondern dem Sorgfaltsmaßstab aus § 283 Nr 3 iVm § 93 unterliegen.47 Einen weiteren Bruch erfährt sie dadurch, dass man – entgegen der Rechtslage im GmbH-Recht – Weisungen der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH nicht als haftungsbefreiend48 gegenüber der KGaA ansieht,49 wobei die Begründung uneinheitlich ist.

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40 Schmidt/Lutter/Schmidt3 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 9; aA Kessler S 271 f; MünchKomm/Perlitt5 19, welche die geschäftsführungsbefugten Komplementäre aus dem Anwendungsbereich von Abs 1 ausnehmen. 41 MünchKomm/Perlitt5 19. 42 KK/Mertens/Cahn3 9; MünchKomm/Perlitt5 19, Vor § 278, 97 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 43 Su Rdn 24. 44 Kessler S 273 f. 45 AA noch Binz/Sorg BB 1988, 2049. 46 Vgl Arnold S 92 ff; Bürgers/Fett/Reger § 5, 159; Henssler/Strohn/Arnold4, 2; Kessler S 279 ff; Otte S 96 ff; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 23; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 317; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7; aA noch Graf S 243 ff (Durchgriff). Aus der Rechtsprechung zur GmbH & Co. KG etwa BGH 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304, 309 = ZIP 2013, 1712; BGH 25.2.2002 – II ZR 236/00, NZG 2002 568. 47 MünchKomm/Perlitt5 § 278, 317. 48 Zur haftungsbefreienden Wirkung von Weisungen (arg e contr aus § 43 Abs 3 GmbHG) vgl Baumbach/ Hueck/Zöllner/Noack21 § 43, 33. 49 Arnold S 94 f; Kessler S 284; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 23; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 317; Otte S 100; aA Bürgers/Fett/Reger § 5, 276; 159; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6. Entgegen der Ansicht von K Schmidt in: FS Priester, 2007, S 704 spielt es wegen dieser zwei dogmatischen Brüche doch eine Rolle, auf welchem Weg man die Haftung der Organmitglieder der Komplementärgesellschaft begründet.

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Die zwischen der Komplementärgesellschaft und ihrer Geschäftsführung bestehende Rechtsbeziehung wird sodann als eine solche mit Schutzwirkung zugunsten der KGaA angesehen.50 Dabei leitet man inzwischen die Schutzwirkung zugunsten der KGaA nicht mehr aus einem Anstellungsvertrag der Organmitglieder der Komplementärgesellschaft ab,51 sondern direkt aus deren organschaftlichen Stellung (s a § 278 Rdn 55a und § 284 Rdn 12). Dies ermöglicht aus Sicht der KGaA auch dann überzeugende Ergebnisse, wenn zwischen der Komplementärgesellschaft und ihrem Organmitglied im Einzelfall kein separater Anstellungsvertrag geschlossen oder in diesem die Haftung abweichend geregelt wurde. Überzeugender ist es, nicht auf die Sorgfalts- und Verantwortlichkeitsnorm abzu- 19b stellen, die für die Komplementärgesellschaft gilt, sondern umgekehrt die Pflichten aus dem Recht der KGaA auf die Organmitglieder der Komplementärgesellschaft zu erstrecken.52 Hierfür spricht zunächst der Wortlaut von § 283 Nr 3, der unabhängig davon, ob der Komplementär eine natürliche oder eine juristische Person (gleich welcher Rechtsform) ist, stets § 93 für anwendbar erklärt. Auch der Schutzzweck des Verantwortlichkeitsrechts spricht für diese Lösung. Dem Geschädigten kann und darf es egal sein, wie der Schädiger (Komplementärgesellschaft und dessen Organmitglieder) intern organisiert ist; entscheidend ist die gesetzlich angeordnete Verantwortlichkeit gegenüber der KGaA, die nicht nur die Komplementärgesellschaft, sondern auch die für diese handelnden Organmitglieder trifft, solange und soweit diese Aufgaben der KGaA wahrnehmen. In diesem Fall haften sie folglich analog §§ 283 Nr 3, 93. Diese Lösung hat den Vorteil, dass sie die oben beschriebenen Brüche vermeidet und ein einheitliches Haftungsregime schafft, das nicht von der Rechtsform der Komplementärgesellschaft abhängig ist und das auch dann anzuwenden ist, wenn die KGaA über mehrere Komplementäre verfügt, von denen nur einer eine juristische Person ist. Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft müssen, wenn sie Organfunktionen einer „fremden“ Gesellschaft übernehmen,53 auch die dafür geltenden Verantwortlichkeiten und Schranken (und nicht nur diejenigen ihres Binnenrechts54) beachten. An dieser Stelle ist rechtsvergleichend zu bemerken, dass das deutsche Recht im Vergleich zum schweizerischen Recht die Rechtsfigur eines faktischen Geschäftsführers bislang sehr restriktiv handhabt. Es ist zwar anerkannt, dass faktische Organe ebenso haften, wie formelle Organe, doch beschränkt die Rechtsprechung dies auf natürliche Personen und verlangt ein Auftreten nach außen.55 Auch fällt auf, dass man im deutschen Recht diese Rechtsfigur zumeist nur dann bemüht, wenn es um die Haftung von unwirksam bestellten Organmitgliedern oder um Insolvenzverschleppungshaftung geht. Das deutsche Schrifttum56 ist zwar überwiegend

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50 Arnold S 92 ff; Bürgers/Fett/Reger § 5, 159; Henssler/Strohn/Arnold4, 2; Kessler S 279 ff; Otte S 96 ff; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 23; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 317; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7; Sethe S 166 f mwN. Offen gelassen (aber mit dem Hinweis versehen, für diese Ansicht sprächen „gute Gründe“) bei Ihrig/Schlitt S 53. 51 So aber noch 4. Aufl Assmann/Sethe 19 sowie Henssler/Strohn/Arnold4, 2; Arnold S 92 ff; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 23; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 318; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7. 52 Bachmann NZG 2013, 1127; Grigoleit/Servatius2 16; Spindler/Stilz/Bachmann4 11. 53 Dies übersieht etwa Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6 („mangels Organbeziehung“). Bei der faktischen Organbeziehung handelt es sich nicht um die Aufgabe der Selbstständigkeit der Komplementärgesellschaft, wie verschiedentlich behauptet wird. 54 Demgegenüber betont Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6 den Vorrang des Binnenrechts. Der KGaA hafte folglich nur die Komplementärgesellschaft, nicht aber deren Geschäftsführer. 55 Vgl den Überblick über die Rechtsprechung bei Spindler/Stilz/Fleischer4 § 93, 185 und insb BGH 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 ff; ebenso streng Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack21 § 43, 3; Hüffer10 § 93, 12. 56 So Hopt/Roth § 93, 362 ff; Spindler/Stilz/Fleischer4 § 93, 182 ff; Fleischer AG 2004, 517 ff – jeweils mwN.

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etwas großzügiger als der BGH, wendet diese Rechtsfigur aber ebenfalls nicht auf die Haftung der Organmitglieder einer Komplementärgesellschaft einer KG oder KGaA an. Demgegenüber ist im schweizerischen Recht anerkannt, dass die Verantwortlichkeitsnorm des Art 754 OR generell auf Personen anzuwenden ist, die – ohne formell Organe der Gesellschaft zu sein – bei dieser organschaftliche Entscheidungen treffen.57 Es ist weder ein Auftreten nach außen nötig noch wird die Haftung auf natürliche Personen beschränkt. Im schweizerischen Recht würde man also die Organmitglieder der Komplementärgesellschaft (wäre eine solche nach Schweizer Recht bei der KGaA zulässig58), soweit sie in der KGaA organtypische Funktionen wahrnehmen, ohne Weiteres als faktische Organmitglieder der KGaA einordnen.59 Dieser Ansatz hätte zur Folge, dass die KGaA, ihre Aktionäre und ihre Gläubiger unter den Voraussetzungen von Art 756, 757 OR direkt die faktischen Organpersonen in die Haftung nehmen könnten. Es ist hier nicht der Raum, die Rechtsfigur des faktischen Organs im deutschen Recht fortzuentwickeln. Dies wäre aber überlegenswert. Bereits heute entsprechen sie funktional den Rechtsregeln zur Haftung der Organe von Komplementärgesellschaften, gehen aber mit dem Vorteil einher, dass die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche (dazu Rdn 19c) den Regeln der Verantwortlichkeit im Allgemeinen folgt. Auf diese Weise ließe sich ein einheitliches Rechtsregime erreichen, das formelle und faktische Organe gleich behandelt. 19c Im Hinblick auf die Durchsetzung der Ansprüche gegen die Organmitglieder der Komplementärgesellschaft folgt der BGH bei der GmbH & Co. KG (und damit wohl auch bei der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA) strikt dem Trennungsprinzip und lehnt eine actio pro societate ab. Er verlangt daher, dass die KG (und folglich auch die KGaA) einen Titel gegen ihre Komplementärin erstreiten muss, um anschließend deren Anspruch gegen ihren Geschäftsführer zu pfänden.60 Ein Direktanspruch der KGaA gegen die handelnden Organe der Komplementärgesellschaft wird mangels eines Rechtsverhältnisses zwischen diesen abgelehnt. Der Anspruch gegen die Komplementärin müsste von einem anderen Komplementär im Wege einer actio pro socio oder vom Aufsichtsrat der KGaA durchgesetzt werden. Um den umständlichen Weg zu vermeiden, bejaht demgegenüber das Schrifttum zur KGaA einen Direktanspruch der KGaA gegen die Organmitglieder der Komplementärgesellschaft.61 Unter den Vertretern dieser Ansicht finden sich sowohl solche, die eine Schutzwirkung des Rechts der Komplementärgesellschaft zugunsten der KGaA annehmen, als auch solche, die (wie hier vertreten) umgekehrt die Pflichten aus dem Recht der KGaA auf die Organmitglieder der Komplementärgesellschaft erstrecken. Die Verantwortlichkeit der persönlich haftenden Gesellschafter umfasst nicht nur 20 Pflichten der Komplementäre in Bezug auf die Geschäftsführung, sondern – auch wenn § 76 Abs 1 auf sie keine Anwendung findet – auch diesen vorgelagerte Pflichten in Bezug auf die Ausgestaltung des Leitungsorgans. Daraus ergeben sich Grenzen der Satzungsgestaltung im Hinblick auf die Festlegung des Kreises der zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter. Maßstab jeder Satzungsregelung über die Zusammensetzung

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57 Vgl dazu jüngst Sethe Gedächtnisschrift Huguenin, 2019, S 423, 448 ff. 58 Dies lehnt das Schrifttum einhellig ab, vgl Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe Schweizerisches Gesellschaftsrecht12 § 17, 22. 59 BGer 8.2.2010 – 4A_306/2009, E. 7.1.1. 60 BGH 19.12.2017 – II ZR 255/16, NZG 2018, 220, 221 (zur GmbH & Co. KG); zustimmend Hippeli GWR 2018, 61; kritisch dagegen K Schmidt JZ 2018, 365. 61 MünchKomm/Perlitt5 § 278, 318; Spindler/Stilz/Bachmann4 11a. Enger Fett/Stütz NZG 2017, 1126 (nur wenn es alleinige oder wesentliche Aufgabe der Komplementärgesellschaft ist, die Geschäfte der KGaA zu führen).

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der Geschäftsführung und die Zuständigkeiten der Geschäftsführer muss die Funktionsfähigkeit des Leitungsorgans sein.62 Die Komplementäre treffen weitreichende Organisationspflichten, die aus der Mitgliedschaft selbst und aus der Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung folgen (§§ 283 Nr 3 iVm 93 Abs 1). Die geschäftsführungsbefugten Komplementäre müssen daher durch geeignete Satzungsbestimmungen eine Einheitlichkeit der Geschäftsführung gewährleisten und die Willensbildung innerhalb des einheitlichen Leitungsorgans regeln. Letzteres bedeutet insbesondere, dass sie Vorsorge für die Überwindung von Pattsituationen treffen. Weiterhin ist sicherzustellen, dass eine grundlegende Unternehmensplanung, -koordinierung und -kontrolle erfolgt. Andernfalls ist weder eine einheitliche Geschäftsführung und damit die Abstimmung einzelner Ressorts aufeinander noch eine sinnvolle Berichterstattung der Geschäftsführung gegenüber dem Aufsichtsrat möglich. Erweist sich der Kreis der Komplementäre als zu klein, um der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nachkommen zu können, muss die Geschäftsführung auf die Aufnahme weiterer Komplementäre hinwirken.63 Da die Kompetenzordnung innerhalb der KGaA der Satzungsautonomie unterliegt, 21 kann die Satzung etwa vorsehen, dass dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsführung in Bezug auf die Grundsätze der Geschäftspolitik zustehen. Eine solch weitgehende Einschränkung der Rechte der Komplementäre ist zulässig, solange den Komplementären die Erfüllung der ihnen nach § 283 obliegenden oder im öffentlichen Interesse bestehenden Pflichten möglich ist.64 Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit der persönlich haftenden Gesellschafter als 22 Geschäftsführer kommt der Abschluss einer sog D&O-Versicherung („Directors’ & Officers’ Liability Insurance“) in Betracht. Diese bedarf nach vorzugswürdiger Ansicht auch dann nicht der Zustimmung der Hauptversammlung, wenn die Haftung des Aufsichtsrats in den Versicherungsschutz miteinbezogen wird, da eine solche Maßnahme nicht als Vergütung des Aufsichtsrats nach § 11365 anzusehen ist.66 Die Regelung über den festzulegenden Selbstbehalt in § 93 Abs 2 Satz 3 findet Anwendung, sofern der Komplementär ein Festgehalt bezieht.67 b) Straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit. Die straf- und 23 ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit der persönlich haftenden Gesellschafter iSv Nr 3 richtet sich nach §§ 408, 399 ff. Ist der Komplementär eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft, so kommen die Grundsätze der gesetzlichen Vertreterhaftung nach §§ 14 Abs 1 StGB, 9 Abs 1 OWiG zur Anwendung.68 4. Die Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat (Nr 4). Gegenüber dem Aufsichtsrat 24 haben die geschäftsführungsbefugten Komplementäre die gleichen Pflichten wie sie dem Vorstand der AG gegenüber dem Aufsichtsrat der AG auferlegt sind. Die geschäftsführungsbefugten Komplementäre unterliegen dementsprechend der Berichtspflicht nach § 90. Bei einer Kapitalgesellschaft & Co KGaA sind unter „Angelegenheiten der Gesell-

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62 Bürgers/Fett/Reger § 5, 114 ff; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 61; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 219 ff, 227; Spindler/Stilz/Bachmann4 8; Sethe S 145, 153. Sa § 278 Rdn 154. 63 MünchKomm/Perlitt5 § 278, 66; Sethe S 145 f. 64 Vgl § 278 Rdn 151 aE, § 287 Rdn 77, 96 mwN. 65 Zur Anwendbarkeit der Bestimmung auf die KGaA s § 287 Rdn 23. 66 Hüffer/Koch14 § 113, 5 f mwN sowie Mertens AG 2000, 447, 451 f; Vetter AG 2000, 453, 456 f. AA etwa Kästner AG 2000, 113, 115 f. 67 Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 68 S dazu im Einzelnen die Kommentierung in der 4. Aufl Otto §§ 399 ff, jeweils unter dem Gliederungspunkt „Objektiver Tatbestand: Täter“.

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schaft“ (vgl § 90 Abs 3) auch solche der Komplementärgesellschaft zu verstehen, soweit sie deren Komplementärfunktion in der KGaA betreffen und nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung sind.69 Sofern die Komplementärgesellschaft über einen eigenen Aufsichtsrats verfügt, ist diesem umgekehrt auch über die Angelegenheiten der KGaA zu berichten. 70 Die geschäftsführungsbefugten Komplementäre unterliegen zudem der Pflicht zur Vorlage des Jahresabschlusses und des für mittlere und große Gesellschaften zu erstellenden Lageberichts nach § 170 iVm § 264 Abs 1 HGB sowie der Pflicht zur Vorlage eines Abhängigkeitsberichts nach §§ 312, 314.71 Die geschäftsführenden Komplementäre einer kapitalmarktorientierten KGaA, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, haben außerdem eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel vorzulegen, die mit der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang eine Einheit bilden; sie können den Jahresabschluss um eine Segmentberichterstattung erweitern (§ 264 Abs 1 Satz 2 HGB). Die sich aus Nr 4 ergebenden Rechte des Aufsichtsrats sind unabdingbar.72 Darüber hinaus stehen dem Aufsichtsrat, ebenfalls unentziehbar,73 die Einsichts- und Prüfungsrechte aus § 111 Abs 2 zu. Handelt es sich um eine atypische KGaA und verfügt deren Komplementärgesellschaft ihrerseits über einen Aufsichtsrat, sind diesem der Jahresabschluss und der Lagebericht sowie ggf Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalspiegel der KGaA vorzulegen.74 Über Nr 4 sind außerdem die Pflichten aus §§ 97 (Zusammensetzung des Aufsichtsrats), 10475 und 106 (Bekanntmachung von Änderungen im Aufsichtsrat) anzuwenden. 25

5. Die Kreditgewährung (Nr 5). Persönlich haftenden Gesellschaftern – und zwar auch solchen, die von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind – sowie ihren Angehörigen (Ehegatten, minderjährigen Kindern sowie Dritten, die für Rechnung dieser Personen handeln, § 89 Abs 3) dürfen Kredite nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats76 gewährt werden. Der diesbezügliche Beschluss des Aufsichtsrats hat den Vorschriften in § 89 Abs 1 zu genügen. Der Kreditbegriff ist weit zu verstehen, weshalb sogar eine Abschlagszahlung auf eine gewinnabhängige, erst später fällige Vergütung im Einzelfall als Kreditgewährung anzusehen sein kann.77 Fraglich ist, ob eine Auszahlung, durch welche die Sondereinlage eines Komplementärs unter die satzungsmäßige Höhe absinkt, als Kreditgewährung, oder als verbotene Entnahme (§ 288 Abs 278) anzusehen ist, denn es ist streitig, ob § 89 und § 288 Abs 2 in einem Spezialitätsverhältnis stehen79 oder ob sie nebeneinander anzuwenden sind.80 Zwar spricht ihr unterschiedlicher per-

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69 Ebenso Marsch-Barner in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 777, 784; KK/Mertens/Cahn3 21; Kessler S 179; Otte S 136; Spindler/Stilz/Bachmann4 12; iE auch Arnold S 128 (allerdings mit der Schwelle „erheblicher Einfluss“). 70 Marsch-Barner in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 777, 782 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 12. 71 Su Rdn 31 ff mwN und die Kommentierung zu § 287 sowie Vor § 278 Rdn 85. 72 KK/Mertens/Cahn3 8; MünchKomm/Perlitt5 20; Schmidt/Lutter/Schmidt3 8. Teilweise abweichend Elschenbroich S 152 (gewisse Mindestunterrichtung unabdingbar). 73 KK/Mertens/Cahn3 8; MünchKomm/Perlitt5 20; Schmidt/Lutter/Schmidt3 8. 74 Marsch-Barner in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 777, 785 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 13. 75 S § 287 Rdn 12 sowie MünchKomm/Perlitt5 20. 76 OLG Stuttgart 28.7.2004 – 20 U 5/04, NZG 2004, 1002, 1003; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 5; Hüffer/Koch14 2; MünchKomm/Perlitt5 22; Spindler/Stilz/Bachmann4 13; aA Kallmeyer ZGR 1983, 57, 74 f (Hauptversammlung oder durch die Satzung bestimmtes Organ). Zur Kontroverse um die Zuständigkeit des Aufsichtsrats s näher § 287, 47 f. 77 Einzelheiten bei OLG Stuttgart 28.7.2004 – 20 U 5/04, NZG 2004, 1002, 1003; im Ergebnis ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 13; MünchKomm/Perlitt5 23. 78 Zu Einzelheiten s § 288 Rdn 59, 73 ff. 79 So Spindler/Stilz/Bachmann4 14; KK/Mertens/Cahn3 12. 80 MünchKomm/Perlitt5 24 („zusätzlich“); 4. Aufl Assmann/Sethe 25.

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sönlicher Anwendungsbereich eher dafür, dass beide Normen nebeneinander anzuwenden sind. Ausschlaggebend für die Annahme eines Spezialitätsverhältnisses ist jedoch die strengere Rechtsfolge von § 288 Abs 2; ein zustimmender Beschluss des Aufsichtsrats gem § 89 Abs 1 kann eine gegen § 288 Abs 2 verstoßende Entnahme folglich nicht rechtfertigen (s § 288 Rdn 59). Um Umgehungen von § 288 Abs 2 zu verhindern, sollte man jedoch § 89 Abs 3 analog anwenden, wenn der Komplementär bspw eine an sich unzulässige Entnahme über eine Kreditgewährung an einen Dritten tarnt, der auf seine Rechnung handelt. In Bezug auf Kredite der Gesellschaft an die Mitglieder des Aufsichtsrats gilt § 115. Von § 89 erfasste Kredite sind in der Bilanz nach Maßgabe von § 286 Abs 2 Satz 4 zu kennzeichnen.81 6. Die Einberufung der Hauptversammlung (Nr 6). Die Einberufung der Haupt- 26 versammlung und die Rücknahme der Einladung sind Akte der Geschäftsführung. Das Recht und die Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung (§§ 121 f – Wohl der Gesellschaft und Verlangen einer Minderheit, § 175 Abs 1 – Jahreshauptversammlung) bzw deren Rücknahme sind daher den geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementären zugewiesen (zu Einberufungsrechten und -pflichten des Aufsichtsrats und zum Einberufungsrecht einer Aktionärsminderheit su Rdn 28). Da Nr 6 ausnahmslos alle Tatbestände meint, nach denen der Vorstand die Hauptversammlung einzuberufen hat, gilt für die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre auch die Pflicht zur Einberufung nach § 92 Abs 1 bei Verlust der Hälfte des Grundkapitals.82 Nr 6 erfasst nicht nur die Einberufung als solche, sondern alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten, wie Mitteilungen und Bekanntmachungen. Da § 283 nicht die Befugnis einschränkt, die Kompetenzen der Komplementäre durch entsprechende Satzungsregelungen abzuändern (so Rdn 3 aE), wirkt sich eine Satzungsregelung über die Geschäftsführung auch auf die Rechte und Pflichten nach Nr 6 aus.83 Wurde also etwa echte oder unechte Gesamtgeschäftsführung vereinbart, setzt die Einberufung dementsprechend das Zusammenwirken von zwei Komplementären bzw von einem Komplementären und einem Prokuristen voraus. Einem Komplementär steht das Recht zur Einberufung solange zu, wie er im Handelsregister eingetragen, aber schon aus dem KGaA ausgeschieden ist (so Nr 6 iVm 121 Abs 2 Satz 2).84 Umstritten ist, ob das Recht zur Einberufung der Hauptversammlung auch den nicht 27 geschäftsführungsbefugten Komplementären zusteht. Während dies zunächst überwiegend verneint wurde, geht die mittlerweile hM im Schrifttum davon aus, dass die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre dieses Recht haben müssen, um ihre Rechte im Hinblick auf einen Entzug der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis aus § 278 Abs 2 iVm §§ 117, 127 HGB wahrnehmen zu können,85 da diese Vorschriften die Zustimmung auch der Gesamtheit der Kommanditaktionäre erfordern. Das Recht aus § 278 Abs 2 iVm §§ 117, 127 HGB wäre wertlos, wenn die übrigen Gesellschafter auf die Einberufung der Hauptversammlung durch die Geschäftsführung angewiesen wären.

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81 Dazu § 286 Rdn 43 ff und Sethe DB 1998, 1044, 1048. 82 Heute unstr, Bürgers/Körber/Förl/Fett4 10; Hüffer/Koch14 2; KK/Mertens/Cahn3 13, 21; MünchKomm/Perlitt5 29, 43; Spindler/Stilz/Bachmann4 15; wohl auch Baumbach/Hueck13 3; aA ohne nähere Begründung noch KK/Mertens1 16; 3. Aufl Barz 12. 83 Spindler/Stilz/Bachmann4 16; ders in: FS Marsch-Barner, 2018, S 13, 19 f. 84 Spindler/Stilz/Bachmann4 16. Die entgegenstehende Entscheidung des BGH 25.10.2016 – II ZR 230/15, NJW 2017, 1467, 1470 f, erging zur Publikums-KG und lässt sich auf die KGaA nicht übertragen. 85 Befürwortend Bürgers/Körber/Förl/Fett4 11; Godin/Wilhelmi4; MünchKomm/Perlitt5 28; Spindler/Stilz/Bachmann4 16; aA MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 35; KK/Mertens/Cahn3 6.

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Woraus man dieses Ergebnis allerdings ableitet und ob den Komplementären auch in anderen Fällen ein Einberufungsrecht zusteht,86 bleibt offen.87 Soweit sich im Schrifttum eine Begründung findet, wird teilweise auf § 122 analog abgestellt88 und teilweise auf den Verweis auf die personengesellschaftsrechtliche Treuepflicht. 89 Ausgangspunkt der Überlegungen muss sein, welche Rechte den nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären zustehen können. Wenn sie von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind, haben sie – sofern die Satzung nichts Abweichendes bestimmt – ein Recht auf Mitwirkung bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen. Neben diese organschaftliche Ebene treten die Rechte, die sie nach Gesetz oder Satzung auf mitgliedschaftlicher Ebene besitzen, wie etwa die Mitwirkung bei Grundlagengeschäften, bei Entscheidungen in Bezug auf Sondereinlagen, Änderung oder Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, Aufnahme, Ausscheiden und Ausschließung von Komplementären sowie deren Abfindung. In all diesen Fällen bedarf es des Zusammenwirkens beider Gesellschaftergruppen. Das Initiativrecht zu derartigen Entscheidungen kann – da es sich nicht um Maßnahmen der gewöhnlichen Geschäftsführung handelt – nicht ausschließlich bei den geschäftsführungsbefugten Komplementären liegen. Andernfalls würden die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre und die Gesamtheit der Kommanditaktionäre rechtlos gestellt. Ein materielles Recht setzt entsprechende Verfahrensbefugnisse voraus, um es einfordern zu können. Daher ist im Personengesellschaftsrecht anerkannt, dass eine Gesellschafterversammlung von jedem Gesellschafter einberufen werden kann, mithin also auch von nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären.90 Sofern also den nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären nach Gesetz oder Satzung ein Recht91 oder Mitwirkungsrecht92 zusteht und sie dabei auf die Mitwirkung der anderen Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre angewiesen sind, muss ihnen folglich gem § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 119 HGB das Recht auf Einberufung der Hauptversammlung und der Zusammenkunft der übrigen Komplementäre zustehen (wobei man beides zweckmäßigerweise verbindet). Dieses Einberufungsrecht ist keineswegs ein außerordentliches, aus der Treuepflicht abzuleitendes Recht, sondern folgt unmittelbar aus § 119 HGB. Die Treuepflicht spielt nur insofern eine Rolle, als sie im Einzelfall das Recht auf Einberufung einer Gesellschafterversammlung begrenzen kann. Angesichts der Kosten einer außerordentlichen Hauptversammlung muss stets die Frage gestellt werden, ob der von den nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären verfolgte Antrag nicht Zeit bis zur nächsten regulären Hauptversammlung hat. Im Ergebnis ist daher für das Einberufungsrecht der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre weder § 122 analog noch die Treuepflicht noch § 283 Nr 6 einschlägig, sondern § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 119 HGB. 28 Das Recht (und die Pflicht) des Aufsichtsrats (§ 111 Abs 3) sowie das Recht einer Aktionärsminderheit (§ 122) zur Einberufung der Hauptversammlung bleiben von Nr 6 unberührt.

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86 So vage 4. Aufl Assmann/Sethe 27 (Einberufungsrecht, wenn die Rechtsstellung des nicht geschäftsführungsbefugten Komplementärs gefährdet ist). 87 Vgl etwa Spindler/Stilz/Bachmann4 16; ders in: FS Marsch-Barner, 2018, S 13, 19 f; 4. Aufl Assmann/Sethe 27. Auch die Gegenansicht, die eine Anwendung der Nr 6 ablehnt, lässt offen, worauf sie dies stützt, KK/Mertens/Cahn3 6. 88 MünchKomm/Perlitt5 28. 89 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 11. 90 Statt vieler OLG Stuttgart 11.3.2009 – 14 U 7/08, ZIP 2010, 474, 476; Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 29. 91 ZB Erhöhung der Sondereinlage, sofern die Gesamtheit der Kommanditaktionäre zustimmt. 92 Etwa der Antrag auf Änderung der Geschäftsführungsbefugnis.

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7. Die Sonderprüfung (Nr 7). Die Hauptversammlung oder – auf Antrag einer Ak- 29 tionärsminderheit – das Gericht können im Hinblick auf Vorgänge im Zusammenhang mit der Gründung der KGaA und der Geschäftsführung durch die persönlich haftenden Gesellschafter eine Sonderprüfung einleiten; obwohl die Geschäftsführung dem Personengesellschaftsrecht unterfällt, verweist Nr 7 zwingend auf die aktienrechtlichen Bestimmungen der §§ 142 ff. Gegenstand der Prüfung können sowohl Maßnahmen der geschäftsführungsbefugten als auch der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementäre sein, je nachdem, welche Vorgänge zur Prüfung anstehen: So können etwa auch die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre im Hinblick auf ihre Mitwirkung bei der Gründung (§ 280 Abs 3) oder Kreditgewährung (§§ 283 Nr 5, 89) betroffen sein. Nr 7 verweist außerdem auch auf die Sonderprüfung wegen des Verdachts einer Unterbewertung (§ 258). Zu beachten ist das Stimmverbot von § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 3. 8. Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen der Geschäftsführung 30 (Nr 8). Auf die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs der Gesellschaft aus der Geschäftsführung gegen persönlich haftende Gesellschafter durch die Kommanditaktionäre finden die §§ 147 f Anwendung. Demgegenüber kann die Gesamtheit der Kommanditaktionäre im Wege der actio pro socio klagen (s § 278 Rdn 62, 86); auch den persönlich haftenden Gesellschaftern steht sie zur Verfügung.93 Je nach haftungsauslösendem Umstand können sich derartige Ansprüche gegen geschäftsführungsbefugte oder (etwa wegen der unbefugten Wahrnehmung von Geschäftsführungsmaßnahmen) gegen nicht geschäftsführungsbefugte Komplementäre richten. 9. Die Aufstellung, Vorlegung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Vor- 31 schlags für die Verwendung des Bilanzgewinns (Nr 9). Den geschäftsführungsbefugten (s § 286 Rdn 2) Komplementären obliegt die Aufstellung des Jahresabschlusses (s §§ 242, 264 Abs 1 HGB) und dessen Unterzeichnung (§ 245 Abs 1 Satz 2 HGB). Bei der Aufstellung des Abschlusses und ggf des Berichts sind §§ 150 ff AktG und §§ 238 ff, 264 ff HGB zu beachten. Sofern die KGaA nicht als kleine Kapitalgesellschaft iSv § 267 Abs 1 HGB anzusehen ist, ist ihr Jahresabschluss gem §§ 316 ff HGB einer externen Prüfung zu unterziehen (hier ist der Wortlaut von Nr 9 ungenau, da nicht die Komplementäre prüfen), wobei die geschäftsführungsbefugten Komplementäre gegenüber dem Abschlussprüfer den sich aus § 320 HGB ergebenden Vorlage-, Auskunfts- und Nachweispflichten unterliegen. Den Prüfungsauftrag erteilt der Aufsichtsrat (§ 111 Abs 2 Satz 3). Der Jahresabschluss muss, zusammen mit dem Prüfungsbericht, dem Aufsichtsrat vorgelegt werden (§ 170 Abs 1 Satz 1). Zugleich haben die geschäftsführungsbefugten Komplementäre einen Vorschlag über die Gewinnverwendung zu unterbreiten (§ 170 Abs 2). Der Aufsichtsrat prüft den Jahresabschluss und Lagebericht sowie den Gewinnverwendungsvorschlag nach Maßgabe von § 171. Die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt durch Beschluss der Hauptversammlung unter Zustimmung aller Komplementäre (§ 286 Abs 1), wobei der Hauptversammlung das Recht zusteht, den vorgelegten Abschluss zu ändern (§ 173 Abs 3). Anschließend entscheidet die Hauptversammlung über die Gewinnverwendung (§ 174). 10. Die Vorlage und Prüfung des Lageberichts, eines gesonderten nichtfinan- 32 ziellen Berichts sowie eines Konzernabschlusses, eines Konzernlageberichts und eines gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts (Nr 10). Den Komplementären

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Vgl § 278 Rdn 62 sowie Spindler/Stilz/Bachmann4 18.

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obliegt es, den Lagebericht aufzustellen (vgl § 264 Abs 1 Satz 1 HGB, hier ist der Wortlaut von Nr 10 ungenau) und vorzulegen. Bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften sind §§ 289a, 289f HGB zu beachten. Unter den Voraussetzungen von § 289b HGB (zur Neufassung von Nr 10 so Rdn 2 aE) ist die Geschäftsführung zudem verpflichtet, als Teil des Lageberichts einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht vorzulegen. Der Lagebericht unterliegt der Prüfung durch externe Prüfer (§ 316 Abs 1 HGB, hier ist der Wortlaut von Nr 10 ebenfalls ungenau, da nicht die Komplementäre prüfen). §§ 170 Abs 1 Satz 3, 171 Abs 1 Satz 4 stellen klar, dass auch der gesonderte nichtfinanzielle Bericht vorzulegen und vom Aufsichtsrat zu prüfen ist. 33 Vergleichbar sind die Anforderungen an die Aufstellung, Vorlage und Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts (§§ 290 ff., 316 Abs 2 HGB), wenn es sich bei der KGaA um eine Obergesellschaft handelt. Auch insoweit hat die Neufassung von Nr 10 (so Rdn 2 aE) die Pflicht um die Vorlage eines gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts iSd § 315b HGB als Teil des Konzernlageberichts erweitert. Konzernabschluss und -lagebericht müssen zusammen mit dem Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat des Mutterunternehmens vorgelegt werden (§ 170 Abs 1 Satz 2, 3), der ihn zu prüfen hat (§ 171). Aus Nrn 10 und 4 folgt zudem, dass die geschäftsführungsbefugten Komplementäre einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen (§ 312) und diesen dem Aufsichtsrat vorzulegen haben (§ 314),94 denn § 311 bezieht die KGaA ausdrücklich in die abhängigen Unternehmen ein (ausführlich Vor § 278 Rdn 85). 34

11. Die Vorlegung, Prüfung und Offenlegung eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs 2a HGB (Nr 11). Macht die KGaA von ihrem Wahlrecht Gebrauch, einen Einzelabschluss nach IAS gem § 325 Abs 2a HGB aufzustellen, gelten die in Nr 9 (so Rdn 31) genannten Pflichten zu Vorlegung, Prüfung und Offenlegung sinngemäß.

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12. Die Ausgabe von Aktien bei bedingter Kapitalerhöhung, bei genehmigtem Kapital und bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (Nr 12). Die den geschäftsführungsbefugten Komplementären im Zusammenhang mit der Ausgabe von Aktien bei bedingter Kapitalerhöhung, bei genehmigtem Kapital und bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln obliegenden Pflichten ergeben sich aus §§ 199, 203 ff und 214 ff.

13. Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (Nr 13). Die Vorschriften über die Nichtigkeit und Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§ 241–257) sind unstreitig auf die geschäftsführungsbefugten Komplementäre anzuwenden. Darin eingeschlossen ist die Anfechtungsbefugnis der Komplementäre nach § 245 Nrn 4 und 5.95 Anwendbar ist auch § 246 Abs 2 Satz 2.96 Ausgenommen ist § 256 Abs 2, der aufgrund von § 286 Abs 1 nicht zur Anwendung kommen kann.97 Umstritten ist, ob der Verweis aus Nr 13 auch die nicht geschäftsführungs- und 37 vertretungsbefugten Komplementäre erfasst. Dies ist nach hier vertretener Ansicht der Fall, da andernfalls die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre in bestimmten Situationen schutzlos blieben.98

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94 Hüffer/Koch14 3, § 312, 5; KK/Mertens/Cahn3 17; Mertens in: FS Claussen, 1997, S 297 f; MünchKomm/ Perlitt5 Vor § 278, 119. AA Gail WPg 1966, 425, 429. 95 Vgl etwa BGH 30.6.2015 – II ZR 142/14, BGHZ 206, 143 Rdn 45 (zu Nr 4); Hüffer/Koch14 3; KK/Mertens/ Cahn3 20; MünchKomm/Perlitt5 39 f. 96 BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, ZIP 2020, 1118 Rdn 47; Hüffer/Koch14 3. 97 Vgl etwa Hüffer/Koch14 3; MünchKomm/Perlitt5 41; Spindler/Stilz/Bachmann4 21. 98 Vgl die Kommentierung bei § 285, 11 f.

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14. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Nr 14) a) Insolvenzantragsrecht. Insolvenzantragsberechtigt ist – außer den Gläubi- 38 gern – auch jeder einzelne Komplementär (gleichgültig, ob geschäftsführungsbefugt oder nicht99) sowie im Stadium der Liquidation jeder Abwickler (§ 15 Abs 1 Satz 1 InsO). Handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, so ist das Vertretungsorgan der Komplementärin zuständig. Die Begründung dieses Ergebnisses ist umstritten. Ein Teil des Schrifttums leitet dies aus dem jeweiligen Anstellungsvertrag der Organmitglieder der Komplementärgesellschaft ab, dem Schutzwirkung zugunsten der KGaA zugesprochen wird.100 Andere wollen – obwohl die KGaA als juristische Person vom Wortlaut des § 15 Abs 3 InsO nicht erfasst wird – diesen trotzdem direkt anwenden,101 während eine dritte Ansicht – methodisch überzeugender – § 15 Abs 3 InsO analog anwendet.102 § 15a Abs 1 Satz 2 InsO regelt den Fall der Führungslosigkeit einer juristischen Per- 39 son und erweitert die Antragsberechtigung auf diejenigen Personen, die die Führungslosigkeit der Gesellschaft beenden könnten.103 Ist eine juristischen Peron führungslos, ist folglich jeder Gesellschafter antragsberechtigt (§ 15 Abs 1 Satz 2, 1. Alt InsO). Diese 1. Alternative der Vorschrift ist zwar auf die GmbH gemünzt, findet ihrem klaren Wortlaut nach104 aber auch auf die KGaA Anwendung. Da im Falle der Führungslosigkeit keine Komplementäre mehr vorhanden sind, wirkt sich diese Regelung nur im Hinblick auf die Kommanditaktionäre aus, die einzelantragsberechtigt sind. Diese haben im gesetzlichen Normalfall zwar nicht die Kompetenz, einen neuen Komplementär zu bestellen, können aber den Antrag nach § 29 BGB stellen (s § 289 Rdn 139 ff). Weiterhin gewährt die 2. Alternative von § 15 Abs 1 Satz 2 InsO im Falle der Führungslosigkeit das Antragsrecht auch jedem Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft. Das Gesetz erwähnt keine anderen Rechtsformen, die einen Aufsichtsrat kennen, sei es originär, sei es aufgrund der Mitbestimmung. Die Nichterwähnung der KGaA ist konsequent, da ihr Aufsichtsrat im gesetzlichen Normalfall gerade über keine Personalkompetenz verfügt. Folglich kann § 15 Abs 1 Satz 2, 2. Alt InsO nicht auf sie ausgedehnt werden (vgl zur Parallelvorschrift des § 15a Abs 3 InsO unten 42) und die Mitglieder des Aufsichtsrats sind nicht antragsberechtigt. Für das Insolvenzantragsrecht im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit gilt 40 § 18 Abs 3 InsO. Danach ist der Antrag von allen persönlich haftenden Gesellschaftern oder allen Abwicklern zu stellen. Ist dies nicht der Fall, muss er von den vertretungsbefugten Komplementären bzw Abwicklern gestellt werden. b) Insolvenzantragspflicht. Die Insolvenzantragspflicht war früher gesellschafts- 41 rechtlich geregelt (Nr 14 iVm § 92 Abs 2 aF bzw für Abwickler Nr 14 iVm §§ 290, 269, 268 Abs 2 Satz 1), weshalb Nr 14 notwendig war, um sie auf die KGaA auszudehnen. Seit dem MoMiG stellt sie nun eine insolvenzrechtliche Pflicht dar, die ausdrücklich auch für die KGaA gilt. Es bedarf daher heute keines Verweises mehr, so dass Nr 14 insoweit nur noch klarstellende Bedeutung zukommt. Die Erfassung der KGaA ist rechtspolitisch zweifel-

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99 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 20; MünchKomm/Perlitt5 42; Schmidt/Lutter/Schmidt3 20. 100 So wohl MünchKomm/Perlitt5 42 (er kommentiert die §§ 15, 15a InsO gemeinsam). 101 Schmidt/Gundlach InsO19 § 15, 12; Schmidt/Lutter/Schmidt3 20; Wolfer in: Fridgen/Geiwitz/Göpfert, BeckOK InsO, 20. Edition 2020, § 15, 6. Nicht angesprochen bei Braun/Bußhardt InsO7 § 15, 11; Uhlenbruck/Hirte InsO15, § 15, 13 f; Steffek in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 84. Lfg 6/2020, § 15, 28–30. 102 MünchKomm InsO/Klöhn4 § 15, 7, 20. 103 Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S 55. 104 Während in § 15a Abs 3 die Antragspflicht der Gesellschafter auf diejenigen der „GmbH“ beschränkt wird, ist § 15 Abs 1 Satz weiter und erfasst die Gesellschafter aller juristischen Personen.

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haft, da Gesellschaften, bei denen eine natürliche Person persönlich haftet, an sich von § 15a InsO nicht erfasst werden sollten. Der Gesetzgeber hat sich trotz dieser Bedenken für eine Erfassung entschieden, so dass für eine teleologische Reduktion der Norm kein Platz ist.105 Jeder der geschäftsführungsbefugten Komplementäre – und im Abwicklungsstadium auch jeder Abwickler – ist gem § 15a Abs 1 Satz 1 InsO verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.106 Ist eine juristische Person Komplementärin, so trifft die Antragspflicht die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH bzw den Vorstand der Komplementär-AG. Auch wenn das Ergebnis unstreitig ist, herrscht über seine Herleitung Uneinigkeit, wobei die Argumentationslinien denen bei der parallelen Regelung in § 15 Abs 3 InsO entsprechen (s Rdn 38).107 Überzeugend ist die analoge Anwendung von § 15a Abs 1 Satz 2 InsO.108 Im Falle der Führungslosigkeit wird die Antragspflicht der Gesellschafter auf die42 jenigen der GmbH beschränkt. Die Aktionäre der AG109 und auch die Kommanditaktionäre der KGaA sind folglich nicht antragspflichtig (§ 15a Abs 3, 1 Alt InsO). Die Antragspflicht bei AG und Genossenschaft wird auf die Mitglieder des Aufsichtsrats ausgedehnt (§ 15a Abs 3, 2. Alt InsO). Die KGaA ist dort nicht genannt. Damit unterscheidet sich die Norm von § 15 Abs 1 Satz 2 InsO, der die KGaA ausdrücklich erfasst. Auf den ersten Blick erstaunt dies, denn auch eine KGaA kann führungslos werden, wenn der einzige Komplementär wegfällt (s § 289 Rdn 137 ff). Diese gesetzgeberische Entscheidung beruht auf dem Gedanken, dass die Insolvenzantragspflicht nur diejenigen Personen treffen soll, die die Führungslosigkeit beenden könnten. So sollen sie angehalten werden, eine Führungslosigkeit in der Unternehmenskrise rasch zu beheben.110 Da der Aufsichtsrat der KGaA im gesetzlichen Normalfall keine Personalkompetenz hat, wurde die Rechtsform konsequenterweise nicht mitgeregelt. Dies wird man – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Strafdrohung in § 15a Abs 4 bis 6 InsO – hinzunehmen haben.111 Folglich sind beide Alternativen von § 15a Abs 3 InsO auf die KGaA nicht anwendbar. 43

c) Zahlungsverbot. Die geschäftsführungsbefugten Komplementäre – und die Abwickler (§ 268 Abs 2 Satz 1) – unterliegen darüber hinaus dem Zahlungsverbot aus Nr 14 iVm § 92 Abs 2. Zur Frage, inwieweit die geschäftsführungsbefugten Komplementäre nach § 92 Abs 1 verpflichtet sind, im Falle des Verlusts der Hälfte des Grundkapitals die Hauptversammlung einzuberufen, so Rdn 26.

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105 Ebenso Schmidt/Lutter/Schmidt3 20; Schmidt/Schmidt/Herchen InsO19 § 15a, 9; MünchKomm InsO/ Klöhn4 § 15a, 67. 106 Bürgers/Fett/Reger § 5, 131; MünchKomm/Perlitt5 42; Schmidt/Schmidt/Herchen InsO19 § 15a, 21; Schmidt/Lutter/Schmidt3 20. Zu weiteren Einzelheiten so Habersack/Foerster § 92, 35 ff. 107 Ableitung aus der Schutzwirkung des Anstellungsvertrags: MünchKomm/Perlitt5 42; Siebert ZInsO 2004, 773, 777. Direkte Geltung von § 15a Abs 1 Satz 2 InsO: Schmidt/Lutter/Schmidt3 20. Analogie zu § 15 Abs 1 Satz 2 InsO: Arnold S 97; MünchKomm InsO/Klöhn4 § 15a, 67. 108 MünchKomm InsO/Klöhn4 § 15a, 67. 109 So Habersack/Foerster § 92, 45. 110 Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks 16/6140, S 55. 111 Wie hier HambKomm InsO/Linker5 § 15a, 24; MünchKomm StGB/Hohmann2 § 15a, 67; Achenbach/ Ransiek/Rönnau/Himmelreich HdB Wirtschaftsstrafrecht5, Teil 7/2 Rdn 34; Reinhart in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht2 § 15a, 34; aA MünchKomm/Perlitt5 42, § 289, 21; Schmidt/Lutter/Schmidt3 20; zweifelnd auch Schmidt/Schmidt/Herchen InsO19 § 15a, 21; unklar Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 15a, 61, der Abs 3 auf alle juristischen Personen anwenden will, die KGaA aber nie erwähnt.

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Wettbewerbsverbot | § 284

§ 284 Wettbewerbsverbot Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Wettbewerbsverbot § 284 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-031

(1) 1Ein persönlich haftender Gesellschafter darf ohne ausdrückliche Einwilligung der übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und des Aufsichtsrats weder im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen noch Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft sein. 2Die Einwilligung kann nur für bestimmte Arten von Geschäften oder für bestimmte Handelsgesellschaften erteilt werden. (2) 1Verstößt ein persönlich haftender Gesellschafter gegen dieses Verbot, so kann die Gesellschaft Schadensersatz fordern. 2Sie kann statt dessen von dem Gesellschafter verlangen, daß er die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten läßt und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtritt. (3) 1Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in drei Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem die übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und die Aufsichtsratsmitglieder von der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung Kenntnis erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten. 2Sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in fünf Jahren seit ihrer Entstehung an. Schrifttum Altmeppen Zum Vorstandsdoppelmandat in einer beherrschten AG & Co. KG, ZIP 2008, 437; Armbrüster Grundlagen und Reichweite von Wettbewerbsverboten im Personengesellschaftsrecht, ZIP 1997, 261; ders Wettbewerbsverbote im Kapitalgesellschaftsrecht, ZIP 1997, 1269; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, 8. Aufl 2019; Cahn Das Wettbewerbsverbot des Vorstands in der AG & Co. KG, Der Konzern 2007, 716; Geiger Wettbewerbsverbote im Konzernrecht, 1996; Grigoleit Wettbewerbsverbot und Vorstandsdoppelmandat in der AG & Co. KG, ZGR 2010, 662; Hellgardt Das Wettbewerbsverbot des Vorstands in der AG & Co KG, ZIP 2007, 2248; Hoffmann-Becking Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer, in: FS Quack, 1991, S 273; ders Das Wettbewerbsverbot des Geschäftsleiters der Kapitalgesellschaft & Co., ZHR 175 (2011), 597; Kanzleiter Schranken der Zulässigkeit on Wettbewerbsverboten in Gesellschaftsverträgen, DNotZ 1989, 195; Kardaras Das Wettbewerbsverbot in den Personalgesellschaften, 1967; Lawall Verdeckte Gewinnausschüttungen und Geschäftschancenlehre im GmbH-Recht, NJW 1997, 1742; Lutter Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; Mayer Wettbewerbsklauseln in Personengesellschaftsverträgen, NJW 1991, 23; Reinfeld Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 1992; Ridder Ebenenübergreifende Treuepflichten in der Kapitalgesellschaft & Co. KG, 2018; Rudersdorf Wettbewerbsverbote in Gesellschafts- und Unternehmenskaufverträgen, RNotZ 2011, 509; Salfeld Wettbewerbsverbote im Gesellschaftsrecht, 1987; Steindorff Der Wettbewerber als Minderheitsaktionär, in: FS Rittner, 1991, S 675; Tillmann Konkurrierende Tätigkeit des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers, in: FS Felix, 1989, S 507; Werner Zur Frage eines Wettbewerbsverbots von Vorstandsmitgliedern einer Komplementär AG zugunsten einer KG, GmbHR 2007, 988 ff. S des Weiteren die Angaben zu § 278.

Rechtsprechung BVerfG (7.2.1990) 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 = NJW 1990, 1469 = BB 1990, 440 = NJW-RR 1990, 736 = ZIP 1990, 573 = AP Art 12 GG Nr 65 (Canaris): Reichweite des Wettbewerbsverbots für Handelsvertreter; RG (31.5.1927) Rep. II. 517/26, RGZ 117, 176: nachwirkende Treuepflicht führt zu einem Wettbewerbsverbot über den Zeitpunkt des Ausscheidens hinaus;

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§ 284 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

BFH (11.2.1987) I R 177/83, BFHE 149, 176 = BStBl II 1987, 461 = GmbHR 1987, 323 = BB 1987, 1019 = DB 1987, 1232 = DStR 1987, 346: Anspruch der Gesellschaft auf Vorteilsherausgabe im Fall des Grundstückshandels durch den Geschäftsführer ohne Befreiung vom Wettbewerbsverbot und Verzicht auf die Geltendmachung dieses Anspruchs als verdeckte Gewinnausschüttung; BFH (26.4.1989) I R 172/87, BFHE 157, 138 = BStBl II 1989, 673 = BB 1989, 1604 = DB 1989, 1904 = GmbHR 1989, 529: Schadensersatz- oder Herausgabeanspruch der Kapitalgesellschaft infolge Verstoßes des Gesellschafter-Geschäftsführers gegen das Wettbewerbsverbot; BFH (30.8.1995) I R 155/94, BFHE 178, 371 = NJW 1996, 950 = DB 1995, 2451 = WM 1996, 302 = WuB X. § 8 KStG 1.96 (Eggers): keine verdeckte Gewinnausschüttung bei Verzicht auf oder Nichtgeltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder Eintrittsrechten wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot; BFH (18.12.1996) I R 26/95, BFHE 182, 190 = NJW 1997, 1804 = BB 1997, 779 = DStR 1997, 575: Noch durchsetzbare Schadensersatzansprüche einer Kapitalgesellschaft sind keine verdeckte Gewinnausschüttung, aber in der Steuerbilanz zu aktivieren; BFH (15.3.2005) X R 39/03, BFHE 209, 320 = NJW 2005, 3085 = BStBl II 2005, 817 = DStR 2005, 1127 = DStZ 2005, 502: Einbeziehung naher Angehöriger in den gewerblichen Gründstückshandel und Zurechnung; BGH (16.3.1961) II ZR 14/59, WM 1961, 629 = BB 1961, 616 = DB 1961, 771: Ende des Wettbewerbsverbots der persönlich haftenden Gesellschafter auf den Zeitpunkt der Abwicklung der Gesellschaft; BGH (6.12.1962) KZR 4/62, BGHZ 38, 306 (Bonbonniere) = BB 63, 250 = GRUR 1963, 382 = NJW 1963, 646: Begrenzung der Reichweite des Wettbewerbsverbots nach § 112 HGB durch § 138 BGB und § 1 GWB, Art 101 AEUV; BGH (21.2.1978) KZR 6/77, BGHZ 70, 331 (Gabelstapler) = BB 78, 467 = DB 78, 833 = MDR 1978, 471 = NJW 1978, 1001 = WM 1978, 320 = AP § 112 HGB Nr 1 (Kartsen): Verhältnis des Wettbewerbsverbots nach § 112 HGB zu § 1 GWB (ergänzend zu BGHZ 38, 306); BGH (12.11.1979) II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 = BB 1980, 120 = DB 1980, 295 = LM § 161 HGB Nr 60 = NJW 1980, 589 = WM 1980, 30: Unmittelbare Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der Publikums-KG; BGH (16.2.1981) II ZR 168/79, BGHZ 80, 69 = DB 1981, 931 = MDR 1981, 563 = NJW 1981, 1512 = WM 1981, 357 = ZIP 1981, 399 = LM § 47 GmbHG Nr 29 (Brandes): einfache Mehrheit in der Gesellschafterversammlung einer GmbH zur Befreiung vom satzungsmäßigen Wettbewerbsverbot der Gesellschafter; BGH (5.12.1983) II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 (Heumann/Ogilvy) = DB 1984, 495 = NJW 1984, 1351 = WM 1984, 227 = ZIP 1984, 446 = LM § 112 HGB Nr 4 (Brandes) = WuB II G HGB § 112 1.84 (Schneider): als Adressat des Wettbewerbsverbots gilt auch der die KG beherrschende Kommanditgesellschafter; BGH (26.3.1984) II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 = BB 1984, 1381 = DB 1984, 1717 = NJW 1984, 2366 = WM 1984, 996 = ZIP 1984, 954 = LM § 138 BGB [Cf] Nr 12: Verhältnis der räumlichen, zeitlichen und sachlichen Reichweite des Wettbewerbsverbots und berechtigten Interessen des begünstigten Gesellschaftsunternehmens zu der Berufsausübung und wirtschaftlichen Betätigung des Geschäftsführers; BGH (3.5.1988) KZR 17/87, BGHZ 104, 246 (neuform-Bereich) = BB 1988, 1619 = DB 1988, 2091 = NJW 1988, 2737 = WM 1988, 1357 = ZIP 1988, 1080 = LM § 1 GWB Nr 40 = EWiR § 1 GWB 1/88, 901 (Leube) = WuB V A § 1 GWB 1.88 (Immenga/Boll): keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung bei satzungsmäßig angeordnetem Wettbewerbsverbot; BGH (17.2.1992) II ZR 140/91, NJW 1992, 1892 = DB 1992, 936 = ZIP 1992, 543 = LM § 35 Nr 28 GmbHG (Heidenhain): analoge Anwendung des § 75a HGB auf die Entlassung des Geschäftsführers einer GmbH aus einer nachvertraglich wirkenden Wettbewerbsklausel; BGH (28.9.1992) II ZR 299/91, BGHZ 119, 257 = AG 1993, 84 = BB 1992, 2384 = NJW 1993, 193 = WM 1992, 2053 = ZIP 1992, 1734 = EWiR § 43 GmbHG 2/92, 1203 (Kort) = WuB II C § 43 GmbHG 1.93 (Schneider): Haftung des Alleingesellschafters aus für die GmbH geschlossene Geschäfte während der Alleingesellschafterstellung;

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Wettbewerbsverbot | § 284

BGH (24.2.1997) II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 (Vorinstanz OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, s 278) = AG 1997, 370 = BB 1997, 1220 = DB 1997, 1219 = NJW 1997, 1923 = WM 1997, 1098 = ZIP 1997, 1027 = LM H. 8/1997 § 278 AktG 1965 Nr 1 (Roth) = WuB II B. § 278 AktG 1.97 (Hein): Komplementär-GmbH als Adressatin des Wettbewerbsverbots; BGH (9.3.2009) II ZR 170/07, BGHZ 180, 105 (Gruner + Jahr AG & Co. KG) = AG 2009, 500 = GWR 2009, 141 (Waclawik) = NZG 2009, 744 = WM 2009, 1138 = ZIP 2009, 1162 = EWiR § 88 AktG 17/09, 525 (Blasche) = WuB II R. § 88 AktG 1.09 (Cahn): Adressaten des Wettbewerbsverbots bei der AG & Co. KG; BGH (18.6.2013) II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = NZG 2013, 1021 = NJW 2013, 3636 = DNotZ 2014, 138 = ZIP 2013, 1712 = BB 2013, 2257 (Wilsing) = WM 2013, 1648 = EWiR § 43 GmbHG 24/13, 775 (Weipert) = WuB II G. § 43 GmbHG 1.13 (Müller): Schutzwirkung des organschaftlichen Verhältnisses des Geschäftsführers zur Komplementär-GmbH; BGH (19.12.2017) II ZR 255/16, NZG 2018, 220 = BB 2018, 271 = NJW-RR 2018, 288 = WM 2018, 235 = ZIP 2018, 276 = EWiR § 161 HGB 6/18, 165 (Klaaßen-Kaiser): Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Fremdgeschäftsführer einer Komplementär-GmbH durch den Kommanditisten einer GmbH & Co. KG; OLG Düsseldorf (8.6.1989) 6 U 49/89, ZIP 1990, 861 = BB 1989, 1576 = NJW-RR 1989, 1305 = WM 1989, 1424 = EWiR § 112 HGB 1/90, 913 (Kort): Ende des Wettbewerbsverbots mit Ausscheiden des Gesellschafters; OLG München (21.3.2013) 23 U 3344/12, NZG 2013, 742 = GWR 2013, 227 (Petrovicki) = NZI 2013, 542 = ZIP 2013, 1121 = EWiR § 43 GmbHG 15/13, 483 (Jakobs): Haftung des Geschäftsführers einer KomplementärGmbH einer Publikums-KG gegenüber der Letzteren.

I. II.

Systematische Übersicht Normentwicklung | 1 Grundlagen und Tatbestand des Wettbewerbsverbots (Abs 1 Satz 1) | 2–30 1. Zweck des Wettbewerbsverbots | 2 2. Normadressaten | 5 a) Komplementäre | 5 b) Komplementärgesellschaft und deren Geschäftsführer und Gesellschafter | 9 c) Kommanditaktionäre und Aufsichtsratsmitglieder | 13 3. Umfang des Wettbewerbsverbots | 15 a) Geschäfte im Geschäftszweig der Gesellschaft | 15 b) Engagement bei gleichartiger Gesellschaft | 17

Zeitliche Grenzen | 19 a) Beginn des Wettbewerbsverbots | 19 b) Auflösung der Gesellschaft | 20 c) Ausscheiden eines Komplementärs | 23 5. Abweichende Regelung | 25 a) Satzungsregelung | 25 b) Einzelvertragliche Regelung | 130 Freistellung (Abs 1 Satz 2) | 31–35 Folgen der Zuwiderhandlung (Abs 2) und Verjährung (Abs 3) | 36–39 Steuerrechtliche Aspekte | 40–42 4.

III. IV.

V.

I. Normentwicklung Vorgänger der Norm ist § 226 AktG 1937. Gegenüber dieser Bestimmung enthält § 284 1 jedoch einige, auf die Aktienrechtsreform von 1965 zurückgehende Abweichungen.1 Nach Abs 1 Satz 1 ist für die Befreiung vom Wettbewerbsverbot eine ausdrückliche Einwilligung erforderlich. Die sprachlichen Änderungen in Abs 3 entsprechen denjenigen, die § 88 Abs 3 im Zuge der Aktienrechtsreform 1965 erfahren hat. Abs 2 stimmt mit § 226 Abs 2 AktG 1937 überein. Mit der Änderung durch Art 11 Nr 5 des Gesetzes zur Anpassung

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Vgl Kropff AktG, 1965, S 368.

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§ 284 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

von Verjährungsvorschriften2 führt neben der positiven Kenntnis nun auch grob fahrlässige Unkenntnis zum Beginn des Laufs der Verjährungsfrist. II. Grundlagen und Tatbestand des Wettbewerbsverbots (Abs 1 Satz 1) 1. Zweck des Wettbewerbsverbots. Das Wettbewerbsverbot für persönlich haftende Gesellschafter der KGaA ist Ausfluss der Treuepflicht der Gesellschafter,3 weshalb eine Konkurrenztätigkeit mit deren Pflicht zur Förderung des Gesellschaftszwecks nicht zu vereinbaren ist. Diese birgt besondere Gefahren für die Gesellschaft, da ein Komplementär die aufgrund seiner Stellung erlangten Kenntnisse für eigene Geschäfte ausnutzen könnte und zudem die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft zugunsten der eigenen Geschäftstätigkeit beeinflussen kann.4 Neben5 das Wettbewerbsverbot tritt die aus der Treuepflicht abgeleitete Geschäftschancenlehre, die es den geschäftsführungsbefugten Komplementären untersagt, der KGaA zustehende Geschäftschancen für sich auszunutzen. Das Verbot greift selbst dann, wenn der Gesellschafter vom Wettbewerbsverbot befreit ist.6 Die Rechtsfolgen entsprechen denen des § 284 Abs 2.7 Für die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre lässt sich das 3 Wettbewerbsverbot darüber hinaus auch aus dem Gesichtspunkt einer Organpflicht ableiten, da gerade bei diesen Gesellschaftern die Gefahr einer Schädigung der Gesellschaft besonders hoch ist und die Pflichtenbindung über den Rahmen einer Treuepflicht gewöhnlicher Gesellschafter hinausgeht.8 4 Die Vorschrift ist an §§ 112, 113 HGB einerseits und an § 88 andererseits angelehnt. Gegenüber der Regelung beim Vorstand in § 88 ergeben sich, bedingt durch die unterschiedliche Stellung von Vorstand und Komplementären in der AG bzw KGaA, eine Reihe von Abweichungen: Im Gegensatz zu § 88 bezweckt § 284 nicht die Erhaltung der Arbeitskraft der Komplementäre zugunsten der Gesellschaft.9 Vielmehr geht es allein um die Wahrung der Treuepflicht.10 Das mag seinen Grund darin haben, dass der Gesetzgeber offensichtlich davon ausging, die Komplementäre würden schon wegen ihrer persönlichen Haftung ihre volle Arbeitskraft einbringen.11 Zudem muss, im Unterschied zu § 88, die Einwilligung zur wettbewerblichen Tätigkeit eines Komplementärs neben dem Aufsichtsrat auch zwingend (su Rdn 29) von den übrigen persönlich haftenden Gesellschaftern erteilt werden, selbst wenn diese von der Geschäftsführung und Vertretung 2

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2 Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004, BGBl I 3214. 3 Abzulehnen ist die Ansicht von Salfeld S 220, der neben dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot ein zusätzliches Verbot aus der gesellschaftlichen Treuepflicht annimmt. Er verwechselt die gesetzliche Ratio mit einer eigenständigen Rechtsgrundlage. Zuzustimmen ist ihm nur insoweit, als er davon ausgeht, unter Rückgriff auf die Treuepflicht könne der Geltungsbereich des § 284 über dessen Wortlaut hinaus ausgelegt werden. 4 Bürgers/Fett/Reger § 5, 276; Salfeld S 10 ff. Dem von Salfeld (S 16) genannten Vertrauensverlust in die Zuverlässigkeit des konkurrierenden Gesellschafters dürfte dagegen eine eher untergeordnete Bedeutung zukommen. 5 Schmidt/Lutter/Schmidt3 2; KK/Mertens/Cahn3 23; aA Grigoleit/Servatius2 12, wonach § 284 die Geschäftschancen miterfasst; unentschieden Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 6 Schmidt/Lutter/Schmidt3 2. 7 Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 8 So wohl auch Salfeld S 15 f. 9 Vgl Graf S 260; KK/Mertens/Cahn3 2; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 25; MünchKomm/Perlitt5 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 1. 10 Ebenso Armbrüster ZIP 1997, 261, 266 (zur OHG); Graf S 260; MünchKomm/Perlitt5 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 1. 11 Salfeld S 215 f.

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Wettbewerbsverbot | § 284

ausgeschlossen sind.12 Gegenüber § 88 ist das Wettbewerbsverbot insofern enger, als es nur die Beteiligung an gleichartigen Handelsgesellschaften untersagt. Im Unterschied zu § 112 Abs 2 HGB muss die Einwilligung ausdrücklich erfolgen. 2. Normadressaten a) Komplementäre. Der Zweck des Wettbewerbsverbots, nämlich die Sicherung der 5 Treuepflicht zwischen Komplementären und Gesellschaft (so Rdn 4), gebietet es, den Normenadressatenkreis des Verbots weit auszulegen. Es gilt für alle Komplementäre, auch wenn sie von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen sind.13 Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Reichweite der Wettbewerbsverbote bei OHG und KG lassen sich auf die KGaA nicht ohne Weiteres übertragen. Der BGH14 hat für die OHG entschieden, dass die Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbots im Spannungsverhältnis von Treuepflicht einerseits und den nebeneinander anwendbaren § 138 BGB und § 1 GWB andererseits von der einzelfallbezogenen Abwägung der Belange der Gesellschaft und den Interessen des Gesellschafters abhängt. Soweit sich die Gesellschafterstellung auf eine reine Kapitalbeteiligung beschränke, soll danach ein Wettbewerbsverbot unverhältnismäßig sein. Eine solche Beteiligung bei der KGaA, die eine reine pro forma Komplementär-Stellung bedeuten würde, kann es schon wegen der andersartigen Stellung des Komplementärs nicht geben. Im Unterschied zur OHG und damit zu der vom BGH entschiedenen Fallgestaltung ist bei der KGaA für eine reine Kapitalbeteiligung die Aktionärsstellung vorgesehen. Die insoweit gegenüber der BGHEntscheidung völlig andere Gesetzeslage rechtfertigt es, den Komplementär immer entsprechend dem eindeutigen Wortlaut der Norm als Adressat des Wettbewerbsverbots anzusehen. Für die weite Auslegung der Norm spricht auch die Entstehungsgeschichte, da der Gesetzgeber des AktG 1965 in Kenntnis der Rechtsprechung auf eine entsprechende Einschränkung des Wortlauts verzichtete. Der gegenteilige Standpunkt, der § 284 teleologisch reduzieren und die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre ganz ausnehmen will,15 würde das Wettbewerbsverbot zu einer reinen Organpflicht reduzieren. Zudem stehen dem nicht geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementär, soweit die Satzung nichts Abweichendes regelt, weitreichende Einsichts-, Kontrollund Zustimmungsrechte zu, die er bei Vorhandensein einer Konkurrenzsituation zum Schaden der KGaA ausüben könnte.16 Namentlich die ihm zustehenden Informationsrechte können eine Situation begünstigen, bei der ein Komplementär seine Erwerbstätigkeit zum Nachteil der Gesellschaft fördert.17 Daher plädiert eine dritte Ansicht dafür,

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12 Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 133; MünchKomm/Perlitt5 18; Spindler/Stilz/Bachmann4 10. 13 HM vgl Baumbach/Hueck13 3; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 2; Bürgers/Fett/Reger § 5, 278; Frodermann/ Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 130; Godin/Wilhelmi4 3; Graf S 260; Grigoleit/Servatius2 3; Heidel/Wichert5 1; Henssler/Strohn/Arnold4 2; Hölters/Müller-Michaels3 2; Joens S 46; MünchKomm/Perlitt5 4; Spindler/Stilz/ Bachmann4 2. Zum Personengesellschaftsrecht BGH 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 165; Baumbach/ Hopt/Roth39 § 112, 2; § 165, 1; aA Großkomm HGB/Schäfer5 § 112, 7 mwN, der die Anwendung von § 112 HGB ablehnt und nur die Treuepflicht als Korrektiv anwenden will. 14 BGH 6.12.1962 – KZR 4/62, BGHZ 38, 306 (Bonbonniere). 15 Armbrüster ZIP 1997, 261, 270 (KG) und ZIP 1997, 1269, 1271 (KGaA); Salfeld S 217 f. Die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre sollen aber auch nach der ablehnenden Ansicht kraft Treuepflicht gehalten sein, erlangtes Wissen nicht weiterzugeben oder zu verwerten, Armbrüster ZIP 1997, 1269, 1271; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 25. 16 AA offenbar KK/Mertens/Cahn3 2. 17 Diese Gesichtspunkte betont auch Lutter AcP 180 (1980), 84, 112 f.

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§ 284 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

§ 284 nicht generell, sondern im Einzelfall teleologisch zu reduzieren, wenn keine Gefahr eines Missbrauchs bestehe.18 Sie kann aber keine konkreten Satzungsgestaltungen benennen, in denen das der Fall sein soll. Diese Ansicht will zwar das richtige Ergebnis, erscheint methodisch aber nicht überzeugend. Wenn das Gesetz schon die Freistellungsmöglichkeit gewährt, haben es die Gesellschafter selbst in der Hand, inwieweit sie den gesetzlichen Umfang des Wettbewerbsverbots verändern wollen. Dies lässt sich angesichts der Vielzahl von Satzungsgestaltungen gerade nicht abstrakt feststellen, was aber Voraussetzung einer teleologischen Reduktion des Tatbestands wäre. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der persönlichen Haftung hängt eine Freistellung auch von den beteiligten Personen und ihrem Vertrauen zueinander ab. Überzeugender ist es daher, den Tatbestand weit auszulegen, um einen Entscheidungsprozess der Gesellschafter über das Wettbewerbsverbot herbeizuführen.19 Der Gesetzgeber hat also erkannt, dass der Tatbestand im Einzelfall zu weit sein kann und legt die Entscheidung darüber in die Hand der Beteiligten. Angesichts dessen besteht für eine generelle oder einzelfallbezogene teleologische Reduktion kein Bedarf. Unter Treuepflichtgesichtspunkten sind die Mitgesellschafter zudem zur Einwilligung verpflichtet, sofern im konkreten Einzelfall aufgrund der Ausgestaltung der Rechtsstellung der nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafter keine Gefahr eines Informationsmissbrauchs besteht.20 6 Das Wettbewerbsverbot greift des Weiteren unabhängig davon ein, ob sich der jeweilige Komplementär mit einer Einlage an der Gesellschaft beteiligt hat. Der gesetzliche Vertreter eines Komplementärs (zB der Abwesenheitspfleger, 7 § 1911 BGB) ist von dem Wettbewerbsverbot nicht unmittelbar betroffen.21 Jedoch kann das wettbewerbswidrige Verhalten des Vertreters Grund für die Ausschließung des Gesellschafters sein, die aber durch die Bestellung eines anderen gesetzlichen Vertreters22 oder durch Anordnungen in Bezug auf die Vermögenssorge23 abgewendet werden kann. Das Wettbewerbsverbot gilt nicht für die Einpersonen-KGaA, da den Alleingesell8 schafter keine Treuepflichten gegenüber Mitgesellschaftern treffen können und Gläubigerschutzerwägungen bei § 284 keine Rolle spielen. Auch besteht kein eigenständiges, vom Interesse des Alleingesellschafters unabhängiges Gesellschaftsinteresse. Der BGH hat eine Treuepflicht für die Zeit der Alleingesellschafterstellung selbst für den Fall verneint, dass die Gesellschaftsanteile später in andere Hände übergehen.24 Das Wettbewerbsverbot gilt auch nicht für ausgeschiedene Komplementäre25 (zum nachwirkenden Konkurrenzverbot su Rdn 24).

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18 Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 4; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 25; Schmidt/Lutter/Schmidt3 8. Soweit diese Ansicht zur Begründung auch auf § 1 GWB verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Vorschrift keine vor- oder höherrangige Norm darstellt, sondern allein dazu dienen kann, ein an sich anwendbares Wettbewerbsverbot inhaltlich zu begrenzen, vgl Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 19 Bei der Satzungsgestaltung als einer „rechtlichen Rahmenordnung für die Zukunft“ (dazu ausführlich Lutter AcP 180 (1980) 84, 91 ff) sollte dies ohnehin rechtzeitig bedacht werden. 20 Ebenso Bürgers/Körber/Förl/Fett4 2; Bürgers/Fett/Reger § 5, 278. 21 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 6; KK/Mertens/Cahn3 5; Schmidt/Lutter/Schmidt3 10; Spindler/Stilz/ Bachmann4 3. 22 §§ 1909 ff, 1915 Abs 1, 1886 ff BGB. 23 §§ 1626 Abs 1, 1666 Abs 2, Abs 3 Nr 6, Abs 4 BGB. 24 Vgl zur parallelen Problematik bei der GmbH BGH 28.9.1992 – II ZR 299/91, BGHZ 119, 257; Scholz/Uwe H Schneider GmbHG11 § 43, 161. 25 Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 9; Schlitt S 130; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7; Spindler/Stilz/ Bachmann4 3.

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b) Komplementärgesellschaft und deren Geschäftsführer und Gesellschafter. 9 Ist eine Personen- oder Kapitalgesellschaft Komplementärin der KGaA, ist diese Adressat des Wettbewerbsverbots.26 Es ist heute im Ergebnis unstreitig, dass zum Schutz der KGaA auch die Geschäfts- 10 führer der Komplementärgesellschaft einem Wettbewerbsverbot unterliegen müssen, denn sie sind in der Lage, von ihrem Einfluss auf die Komplementärgesellschaft und ihrem als Geschäftsführer derselben erlangten Wissen jederzeit zum Nachteil der KGaA Gebrauch zu machen.27 Die dogmatische Herleitung ist allerdings streitig.28 Ein Teil des Schrifttums29 zur KGaA meint, die Sachlage sei diesbezüglich keine andere als bei der GmbH & Co KG. Für sie sei anerkannt, dass der Geschäftsführer der GmbH auch der KG gegenüber einem Wettbewerbsverbot unterliege.30 Dies wurde als Konkretisierung der sich aus dem Anstellungsvertrag ergebenden Treuepflichten des Geschäftsführers betrachtet und sollte sich jedenfalls dann unter dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch zugunsten der KG auswirken, wenn die Aufgabe der Komplementär-GmbH im Wesentlichen in der Führung der Geschäfte der KG besteht.31 Die zur GmbH & Co KG entwickelte Lösung sollte auch für die Fälle gelten, in denen die Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft – etwa einer OHG (§ 112 HGB), KG (§§ 161 Abs 2, 112 HGB) oder AG (§ 88) – einem anderen rechtsformspezifischen gesetzlichen Wettbewerbsverbot unterlägen. Mittlerweile leitet die Rechtsprechung und überwiegende Lehre die Schutzwirkung nicht mehr aus dem Anstellungsvertrag, sondern direkt aus dem organschaftlichen Verhältnis des Geschäftsführers zur Komplementärgesellschaft ab32 (sa zur parallelen Problematik der Verantwortlichkeit § 278 Rdn 55a, § 283 Rdn 19a). Dies bietet den Vorteil, dass auch faktische Organe erfasst sind, die zumeist über keinen Anstellungsvertrag verfügen. Der BGH hat die Sichtweise, dass sich das Wettbewerbsverbot aus dem organschaftlichen Rechtsverhältnis der Komplementärgesellschaft ergebe, nochmals in der Gruner + Jahr Entscheidung für die GmbH & Co. KG bekräftigt, für die AG & Co. KG aber offen gelassen.33 Weiterhin hat er betont, „Drittschutz bedeutet in diesem Zusammenhang nur, dass der KG eigene Ansprüche zustehen könnten, soweit der Geschäftsleiter (Treu-)Pflichten aus dem den Drittschutz begründenden, bereits bestehenden Anstellungs- und Organverhältnis zur Komplementärin verletzt.“ Daraus folgt, dass der KG (und der KGaA) keine eigenständigen Ansprüche

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26 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394 (für die Kapitalgesellschaft & Co KGaA); Bürgers/Fett/ Reger § 5, 277; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 26; KK/Mertens/Cahn3 3; Schmidt/Lutter/Schmidt3 9. 27 Bürgers/Fett/Reger § 5, 279; Graf S 261; Hüffer/Koch141; Ihrig/Schlitt S 49 f; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 326; Schlitt S 130; Sethe S 168; Spindler/Stilz/Bachmann4 3a; Vollertsen S 288 ff; Wichert AG 2000, 268, 274. Differenzierend Hölters/Müller-Michaels3 2, die der hier vertretenen Position für die GmbH & Co. KGaA folgen, dies aber bei der AG & Co. KGaA ablehnen. 28 Das Schrifttum hält sich mit Hinweisen auf die dogmatische Einbettung der Erstreckung des Wettbewerbsverbots zurück und beschränkt sich auf sachliche Argumente zur Rechtfertigung des gefundenen Ergebnisses, vgl die Analyse von Hoffmann-Becking ZHR 175 (2011), 597 ff. 29 4. Aufl Assmann/Sethe 10 (Ansicht wird aufgegeben); Arnold S 95 f; Ihrig/Schlitt S 48 sowie im Anschluss an die Gruner + Jahr Entscheidung des BGH (dazu sogleich) Grigoleit ZGR 2010, 662 ff; Hölters/Müller-Michaels3 2. 30 Grundlegend zum Bestehen eines Wettbewerbsverbots im GmbH-Recht BGH 9.11.1967 – II ZR 64/67, BGHZ 49, 30, 31. Zur Erstreckung auf die KG statt vieler und mwN Baumbach/Hopt/Roth39 Anh § 177a, 27; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG20 Anh § 6, 20 ff. 31 BGH 12.11.1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321. S, statt vieler und jeweils mwN, etwa Armbrüster ZIP 1997, 261, 272; Baumbach/Hopt/Roth39 Anh § 177a, 23, 27 f; Ihrig/Schlitt S 49; Sethe S 168 f. 32 BGH 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = NZG 2013, 1021 Rdn 18; OLG München 21.3.2013 – 23 U 3344/12, NZG 2013, 742, 743; Baumbach/Hueck/Beurskens GmbHG22 § 43, 119; Röhricht/ Graf v Westphalen/Haas/Mock5 Anh § 164, 26. 33 BGH 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105, 109 Rdn 10 ff.

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gegen Geschäftsführer oder Vorstand zustehen, sondern immer nur aus dem Recht der Komplementärgesellschaft abgeleitete. Der BGH hat diese Sichtweise in einer neueren Entscheidung (zur Verantwortlichkeit) bestätigt. Er lehnte einen direkten Anspruch der Gesellschafter der KG gegen den Geschäftsführer einer Komplementärgesellschaft ab; stattdessen verlangt er ein Vorgehen gegen die Komplementärgesellschaft mit anschließender Pfändung von deren Ansprüchen gegen ihren Geschäftsführer.34 Diese Vorgehensweise versagt jedoch bei einem Wettbewerbsverbot, wenn die GmbH über keine Ansprüche gegen ihren Geschäftsführer verfügt, weil sie ihn beispielsweise bei Amtsübernahme vom Wettbewerbsverbot freigestellt hat. Es ist der Komplementär-GmbH daher möglich, mit ihren Geschäftsführern Vereinbarungen zu treffen, die sich als Verträge zu Lasten der KGaA auswirken. Zudem wird die Zuständigkeitsordnung für Entscheidungen über das Wettbewerbsverbot abweichend von § 284 auf die Komplementär-GmbH verlagert. Sie und ihre Geschäftsführer sind in dieser Sache jedoch nicht unbefangen. Die Lösung des BGH und des älteren Schrifttums ist daher nicht überzeugend und 11 abzulehnen. Das Wettbewerbsverbot ist nicht aus der Perspektive der Komplementärgesellschaft, sondern aus Sicht der KGaA zu bestimmen, denn es geht um die Frage, ob ihr gegenüber eine Treuepflicht der Geschäftsführung bzw des beherrschenden Gesellschafters der Komplementärgesellschaft besteht. Folglich spielt es keine Rolle, ob die Geschäftsführung ihrerseits einem Wettbewerbsverbot aufgrund der auf diese Rechtsform anwendbaren Regeln unterliegt oder hiervon befreit wurde, denn das organschaftliche Treueverhältnis innerhalb der Komplementärgesellschaft steht nicht in Rede. Andernfalls würden nämlich nicht die nach § 284 zuständigen Organe über eine Befreiung entscheiden, sondern diejenigen der Komplementärgesellschaft; diese aber haben nur ihre Interessen und nicht diejenigen beider Gesellschaftergruppen in der KGaA im Auge.35 Der Zweck des Wettbewerbsverbots besteht in einem Schutz vor der Gefahr eines Missbrauchs von gesellschaftsinternen Informationen zu Lasten der übrigen Gesellschafter der KGaA. Diese für die KGaA bestehende Gefahr kann nicht nur von der Komplementärgesellschaft, sondern auch von deren Vorstandsmitgliedern bzw Geschäftsführern oder herrschenden Gesellschaftern ausgehen.36 Es ist daher auch nicht überzeugend, entgegen der Zuständigkeitsordnung in Absatz 1 Satz 1 gerade diesem Personenkreis die Entscheidung über eine Freistellung vom Wettbewerbsverbot zu überlassen. Das für diesen Personenkreis geltende Wettbewerbsverbot ist vielmehr aus dem Recht der KGaA und nicht aus der Norm herzuleiten, die das Wettbewerbsverbot in der Komplementärgesellschaft regelt.37 Aus diesem Grund spielt es keine Rolle, ob die Komplementärgesellschaft eine GmbH oder eine AG ist. Nicht zu überzeugen vermag daher auch die oben dargestellte (s Rdn 10) gegenteilige Position des BGH.38 Er verwechselt die Frage, ob in-

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34 BGH 19.12.2017 – II ZR 255/16, NZG 2018, 220, 221 (zur GmbH & Co. KG); zustimmend Hippeli GWR 2018, 61; kritisch dagegen K Schmidt JZ 2018, 365. 35 Hoffmann-Becking ZHR 175 (2011), 597, 603 f; KK/Mertens/Cahn3 3; Vollertsen S 296; ebenso für die Kapitalgesellschaft & Co. KG Ridder S 472. 36 Otte S 103. 37 Hoffmann-Becking ZHR 175 (2011), 597, 601 ff; Hüffer/Koch141; KK/Mertens/Cahn3 3; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 27 aE; Otte S 103; Schmidt/Lutter/Schmidt3 9; Spindler/Stilz/Bachmann4 3a; Vollertsen S 288 ff. Unentschieden Bürgers/Fett/Reger § 5, 279. 38 Der BGH leitete das Wettbewerbsverbot bei einer AG & Co. KGaA aus § 88 ab (BGH 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105, 109 Rdn 10 ff – Gruner + Jahr AG & Co. KG; diesem Ansatz für die KGaA folgend Grigoleit ZGR 2010, 662 ff; Hölters/Müller-Michaels3 2). Eine Analogie zu § 112 HGB lehnte er mit dem Argument ab, eine Gesetzeslücke vermöge der Senat aber vor allem deshalb nicht zu erkennen, weil ein daraus abgeleiteter Einwilligungsvorbehalt zu Gunsten der Klägerin in dieser Konstellation mit den geltenden aktienrechtlichen Kompetenznormen (§§ 84, 88 AktG) nicht in Einklang stehe. Zu Recht kritisch Cahn Der Konzern 2007, 716 ff; Hellgardt ZIP 2007, 2248 ff; Werner GmbHR 2007, 988 f; Vollertsen S 288 ff.

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nerhalb der Komplementärgesellschaft die Übernahme der Komplementärstellung der Befreiung von dem für die Komplementärgesellschaft geltenden Wettbewerbsverbot bedarf mit der Frage, ob innerhalb der KG (und damit auch einer KGaA) eine solche Befreiung vom Wettbewerbsverbot nach den für diese geltenden Regeln notwendig ist. Methodisch zweifelhaft ist es daher, das Bestehen einer für die Analogie nötigen Gesetzeslücke zu verneinen, denn der BGH zieht zum Beleg für das Fehlen der Lücke eine von vornherein nicht passende Norm heran. § 88 regelt ein anderes Rechtsverhältnis als dasjenige, das zur Entscheidung anstand. Methodisch korrekt wäre es gewesen, wenn der BGH nach den Regeln der KG geprüft hätte, ob das Mitglied des Vorstands der KomplementärAG nach § 112 HGB analog einem Wettbewerbsverbot im Hinblick auf seine Tätigkeit für die KG unterliegt und – falls dies im Streit gewesen wäre – nach § 88 AktG im Hinblick auf seine Tätigkeit innerhalb der AG. Beides kann unterschiedlich zu entscheiden sein und für beides sind andere Organe zuständig. Folgt man der hier vertretenen Ansicht, gelten die Rechtsfolgen und Verjährungsregeln von § 284 Abs 2 und 3 analog für die Geschäftsführer bzw Vorstandsmitglieder der Komplementärgesellschaft. Der BGH sah in seiner Entscheidung vom 5.12.198339 die Gefahr der nachteiligen 12 Verwendung von Einfluss auf und Wissen um die Geschäftsverhältnisse einer KG auch bei Gesellschaftern der Komplementär-GmbH als gegeben, die über die Beherrschung der Komplementärgesellschaft auf die Geschicke der KG einwirken können. Im Anschluss an diese Entscheidung sieht die hM auch die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft einer KGaA dem Verbot des Wettbewerbs zur KGaA ausgesetzt, wenn diese einen beherrschenden Einfluss auf die im Wesentlichen mit der Geschäftsführung der KGaA befasste Komplementärgesellschaft ausüben.40 Dies ist überzeugend, da das Wissen und die Macht, die aus einer solchen Gesellschafterstellung erlangt werden, zum Nachteil der KGaA ausgenutzt werden können und die Durchsetzung konzernrechtlicher Ausgleichspflichten in vielen Fällen tatbestandlich fraglich oder der Höhe nach schwierig zu bestimmen sind.41 Ob die bloße Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses auf die Komplementärgesellschaft ausreichend ist, um das die Komplementärgesellschaft treffende Wettbewerbsverbot auf die fraglichen Gesellschafter erstrecken zu können, lässt der BGH in seiner Entscheidung vom 5.12.1983 zwar offen, doch geht er davon aus, die Lebenserfahrung begründe eine tatsächliche und von den Betroffenen zu widerlegende Vermutung, dass von den bestehenden Einflussmöglichkeiten auch tatsächlich Gebrauch gemacht worden sei.42 c) Kommanditaktionäre und Aufsichtsratsmitglieder. Für Kommanditaktionä- 13 re gilt das Wettbewerbsverbot nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht, selbst wenn sich alle Aktien in den Händen eines Aktionärs befinden. Ein solcher Kommanditaktionär kann allerdings – je nach den Umständen und namentlich in einer per-

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39 BGH 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 (Heumann/Ogilvy). 40 Arnold S 99 f; Henssler/Strohn/Arnold4 2; Hüffer/Koch141; Ihrig/Schlitt S 49 f; KK/Mertens/Cahn3 3; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 26; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 327; Schlitt S 130; Schmidt/Lutter/Schmidt3 9; Spindler/Stilz/Bachmann4 3a; Sethe S 169 Fn 74; Wichert AG 2000, 268, 274. Weiter K Schmidt in: FS Priester, 2007, S 691, 704 f, der das Wettbewerbsverbot m Einzelfall auch auf Minderheitsgesellschafter erstrecken will. Noch weitergehend Halasz/Kloster/Kloster GmbHR 2002, 77, 85, wonach das Wettbewerbsverbot für alle GmbH-Gesellschafter gelte. 41 Zu diesem Gesichtspunkt auch BGH 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162, 166, mit Hinweis auf BGH 16.2.1981 – II ZR 168/79, BGHZ 80, 69, 74 f. 42 BGH 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162, 167.

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sonalistisch strukturierten KGaA – Treuepflichten43 unterliegen, die das Unterlassen von Wettbewerb gebieten können.44 Für den im Gesetz nicht gesondert geregelten Fall, dass ein Kommanditaktionär kraft Satzung an der Geschäftsführung beteiligt ist oder dessen ungeachtet Leitungsmacht ausübt, unterliegt er kraft der sich daraus ergebenden Treuepflichten einem Wettbewerbsverbot;45 einer analogen Anwendung des § 284 bedarf es deshalb nicht.46 14 Auch Aufsichtsratsmitglieder unterfallen dem Wortlaut der Vorschrift nach nicht dem Wettbewerbsverbot. Sie unterliegen jedoch aufgrund ihrer Stellung einer besonderen Treuepflicht, die es im Einzelfall gebieten kann, bestimmte Geschäfte zu unterlassen, wenn die Gefahr einer Interessenkollision mit ihren Aufgaben als Aufsichtsrat besteht.47 3. Umfang des Wettbewerbsverbots a) Geschäfte im Geschäftszweig der Gesellschaft. Nach Abs 1 Satz 1 ist den vom Wettbewerbsverbot Betroffenen zunächst untersagt, im Geschäftszweig der Gesellschaft Geschäfte auf eigene oder fremde Rechnung zu tätigen. Im Gegensatz zum Vorstand der AG (§ 88 Abs 1) ist es den Komplementären dagegen gestattet, in einem anderen Geschäftszweig Geschäfte zu machen, da das Wettbewerbsverbot nicht der Erhaltung ihrer Arbeitskraft dient. Eine anderweitige Satzungsregelung ist möglich. Der Geschäftszweig der Gesellschaft bestimmt sich zunächst nach dem in der Sat16 zung festgelegten Unternehmensgegenstand (s §§ 281 Abs 1, 23 Abs 3 Nr 2). Betätigt sich die Gesellschaft darüber hinaus auch in einem anderen Geschäftsfeld, so gehört auch dieses zum Geschäftszweig der KGaA. Gleiches gilt für einen Geschäftsbereich, den die KGaA zwar derzeit noch nicht abdeckt, aber nach dem Willen der Gesellschafter und der voraussichtlichen Entwicklung abdecken wird, will sie dem technischen Fortschritt und der Marktentwicklung gerecht werden.48 Sobald sie ihre Geschäftstätigkeit entsprechend ausweitet, muss der Gesellschafter seine Tätigkeit einstellen, da er andernfalls der Gesellschaft jede Entwicklungsmöglichkeit abschneiden würde.49 Umgekehrt gilt, dass ein Geschäftsbereich, der zwar nach der Satzung abgedeckt wird, aber tatsächlich auf Dauer aufgegeben wurde, dem Wettbewerbsverbot nicht mehr unterfällt.50 Die (oft recht weit gefassten) Umschreibungen des Unternehmensgegenstandes in der Satzung sind dementsprechend nur als Richtschnur zu verstehen. Letztlich entscheidend für den Umfang 15

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43 S § 278, 88 ff; Steindorff in: FS Rittner, 1991, S 675, 685 ff; aA Altmeppen ZIP 2008, 437 ff, der statt des Wettbewerbsverbots die §§ 311 ff anwenden will; aA. auch Grigoleit ZGR 2010, 662 ff. 44 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 7; Schmidt/Lutter/Schmidt3 11; Spindler/Stilz/Bachmann4 3a. Vgl auch BGH 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162, 165 (= NJW 1984, 1351, 1352 li Sp zu II.2.) zum Kommanditisten einer KG, der maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung hat und den dementsprechend auch eine erhöhte Treuepflicht trifft (mit ausdrücklichem Hinweis darauf, maßgeblich sei hier nicht das Außenverhältnis, sondern das Innenverhältnis). 45 Bürgers/Fett/Reger § 5, 283; MünchKomm/Perlitt5 7; K Schmidt GesR4, S 596 f, der darauf hinweist, dass das Wettbewerbsverbot als Teil der Treuepflicht umfassend gilt und sich nicht auf die ausdrücklich gesetzlich geregelten Fälle beschränkt. So auch Th Raiser in: FS Stimpel, 1985, S 855; Mayer NJW 1991, 23; Kanzleiter DNotZ 1989, 195; Armbrüster ZIP 1997, 261, 270. Zu eng dagegen Salfeld S 227. Zu einem die Gesellschaft beherrschenden Kommanditisten s BGH 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 ff (Heumann/Ogilvy). 46 Hierfür aber Armbrüster ZIP 1997, 1269, 1271; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 28. 47 Salfeld S 225 f; MünchKomm/Perlitt5 7. 48 Baumbach/Hopt/Roth39 § 112, 5; Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Haas5 § 112, 6. 49 MünchKomm/Perlitt5 9; Schmidt/Lutter/Schmidt3 12. 50 Ebenso Tillmann in: FS Felix, 1989, S 507, 519, zur Rechtslage bei der GmbH.

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der sich im Wettbewerbsverbot manifestierenden Treuepflicht kann nicht allein das Festhalten an den Buchstaben der Satzung sein, sondern nur die tatsächliche oder geplante Tätigkeit der Gesellschaft.51 b) Engagement bei gleichartiger Gesellschaft. Nach Abs 1 Satz 1 darf ein persön- 17 lich haftender Gesellschafter bei einer gleichartigen Gesellschaft weder Mitglied des Vorstands noch persönlich haftender Gesellschafter noch Geschäftsführer sein. Im Gegensatz zum Vorstand einer AG (§ 88 Abs 1) ist es dem Komplementär dagegen nicht verwehrt, sich bei andersartigen Gesellschaften entsprechend zu engagieren. Die Gleichartigkeit der Gesellschaften bestimmt sich nicht nach deren Rechtsform oder Unternehmensorganisation, sondern – marktbezogen – nach der Art der von den Gesellschaften getätigten Geschäfte und vertriebenen Produkte.52 Dagegen kann die Tätigkeit auf unterschiedlichen Handelsstufen (Groß-/Einzelhandel) oder die Verfolgung unterschiedlicher Vertriebswege (Direktmarketing, Vertrieb über den Einzelhandel oder Vertrieb über Vertragshändler etc) je nach den betroffenen Produkten und relevanten Märkten so prägend für die Geschäftstätigkeit der in Frage stehenden Unternehmen sein, dass diese als nicht gleichartig anzusehen sind. Eine lediglich kapitalmäßige Beteiligung an gleichartigen Gesellschaften ist den 18 Komplementären nicht untersagt, es sei denn, der Gesellschafter übt über die Beteiligung die tatsächliche Herrschaft in dem anderen Unternehmen aus. Ist dies der Fall, so kommt dies den in Abs 1 genannten und mit dem Wettbewerbsverbot belegten Funktionen in der Geschäftsführung eines anderen Unternehmens gleich und wird deshalb, Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechend, vom Verbot des Abs 1 mit erfasst.53 Das neuere Schrifttum geht sogar über den Wortlaut der Norm hinaus und sieht zu Recht auch reine Kapitalbeteiligungen dann als erfasst an, wenn diese einen Interessenkonflikt innerhalb der KGaA auslösen könnten.54 4. Zeitliche Grenzen a) Beginn des Wettbewerbsverbots. Dem Wettbewerbsverbot unterliegen die Ge- 19 sellschafter frühestens mit Feststellung der Satzung durch die Gründer (§§ 278 Abs 3, 29). Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft, die erst ab Eintragung ins Handelsregister besteht, ist für die Frage der Bindung der Gesellschafter untereinander nicht maßgebend.55 Für neu aufgenommene Komplementäre beginnt das Wettbewerbsverbot mit dem Tag des Eintritts in die Gesellschaft und, da das Innenverhältnis der Gesellschaft betroffen ist, nicht erst mit der Eintragung des Eintritts ins Handelsregister.56 b) Auflösung der Gesellschaft. Das Wettbewerbsverbot der persönlich haftenden 20 Gesellschafter endet auf jeden Fall mit dem Schluss der Abwicklung (§ 273 Abs 1). In der Regel wird das Ende des Wettbewerbsverbots aber schon auf den Zeitpunkt der Auflösung (Beginn der auf die Vollbeendigung der Gesellschaft gerichteten Abwicklung)

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51 Vgl Bürgers/Fett/Reger § 5, 285 f; Schmidt/Lutter/Schmidt3 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 4; KK/Mertens/Cahn3 § 88, 8; Armbrüster ZIP 1997, 261, 263 ff. AA Godin/Wilhelmi4 § 88, 4. 52 MünchKomm/Perlitt5 12; Schmidt/Lutter/Schmidt3 13; Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 53 Ebenso Bürgers/Fett/Reger § 5, 288; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 131; Salfeld S 221; Spindler/Stilz/Bachmann4 5; wohl auch MünchKomm/Perlitt5 11. 54 Schmidt/Lutter/Schmidt3 14; Grigoleit/Servatius2 8; wohl auch Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 55 Bürgers/Fett/Reger § 5, 290; KK/Mertens/Cahn3 9; Salfeld S 218 f. 56 Bürgers/Fett/Reger § 5, 290.

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datiert werden können, da sich nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft und während des Abwicklungszeitraums im allgemeinen keine Konkurrenzlage mehr ergeben wird (vgl § 268 Abs 1 Satz 1 und die in § 268 Abs 3 zum Ausdruck kommende Wertung).57 Ausnahmsweise kann aber ein Wettbewerbsverbot über diesen Zeitpunkt hinaus fortwirken, wenn ein Wettbewerb der Durchführung der Abwicklung zuwiderläuft, etwa wenn zum Zwecke der Abwicklung noch „neue Geschäfte“ (§ 268 Abs 1 Satz 2) einzugehen sind.58 Die Vorbereitung seiner späteren Tätigkeit ist dem vom Verbot Betroffenen schon 21 vor diesen Zeitpunkten gestattet. 22 Wird die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen (§ 274), lebt das Wettbewerbsverbot ex nunc wieder auf, doch ist den betroffenen Gesellschaftern eine angemessene Übergangsfrist zur Einstellung der von ihnen aufgenommenen und mit dem Wettbewerbsverbot kollidierenden Tätigkeiten einzuräumen. c) Ausscheiden eines Komplementärs. Scheidet ein Komplementär aus der Gesellschaft aus, während die KGaA im Übrigen weiterbesteht, erlischt das Wettbewerbsverbot mit dem Tag des Ausscheidens (und, da das Innenverhältnis der Gesellschaft betroffen ist, nicht erst mit der Eintragung des Ausscheidens ins Handelsregister). Der Ausscheidende darf schon vorher mit der Vorbereitung seiner zukünftigen Tätigkeit beginnen, allerdings nicht in der Weise, dass er mit der Zusammenstellung von Unterlagen (etwa Geschäftsadressen) der KGaA die Voraussetzungen für eine spätere Tätigkeit im Wettbewerb zur Gesellschaft schafft. Auch die noch während der Gesellschafterstellung vorgenommene Anbahnung späterer Geschäftskontakte zu Geschäftspartnern der KGaA gehört noch in den Bereich der Geschäfte, die vom Wettbewerbsverbot des demnächst Ausscheidenden erfasst werden. Ausnahmsweise kann sich aus einer nachwirkenden Treuepflicht ein Wettbe24 werbsverbot über den Zeitpunkt des Ausscheidens hinaus ergeben, wie etwa für den Fall, dass der Ausgeschiedene – als Abfindung – noch über längere Zeit am Gewinn der Gesellschaft beteiligt wird.59 Im Übrigen steht es den Beteiligten in den gesetzlich gezogenen Grenzen (etwa § 138 BGB, § 1 GWB, Art 101 Abs 1 AEUV) frei, eine solche Nachwirkung in der Satzung oder einzelvertraglich zu vereinbaren (su Rdn 26).60 23

5. Abweichende Regelung 25

a) Satzungsregelung. Das Wettbewerbsverbot kann nach einer verbreiteten Ansicht durch die Satzung gänzlich abbedungen werden.61 Sie weist darauf hin, dass das Wettbewerbsverbot (im Unterschied zu § 88) nicht das organschaftliche, sondern das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis der Komplementäre untereinander und zu den Kommanditaktionären betrifft, das gem § 278 Abs 2 der Vertragsfreiheit des Personengesellschaftsrechts unterliege. Hätte der Gesetzgeber allerdings diesen Weg einschlagen

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57 Grigoleit/Servatius2 5; Schmidt/Lutter/Schmidt3 6; Salfeld S 219, 223 f; sa BGH 16.3.1961 – II ZR 14/59, WM 1961, 629 ff. 58 Schmidt/Lutter/Schmidt3 6. 59 RG 31.5.1927 – Rep. II. 517/26, RGZ 117, 176, 179 f; Bürgers/Fett/Reger § 5, 292; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 132; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 3. 60 Schmidt/Lutter/Schmidt3 7. 61 So noch 4. Aufl Assmann/Sethe 25 ff sowie Bürgers/Fett/Reger § 5, 289; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 7; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 133; Henssler/Strohn/Arnold4 4; KK/Mertens/Cahn3 20; MünchKomm/Perlitt5 26 f; Schlitt S 130 f.

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wollen, wäre es ausreichend gewesen, die §§ 112, 113 HGB ausdrücklich in Bezug zu nehmen oder vor dem Hintergrund des Verweises in § 278 Abs 2 auf eine Regelung ganz zu verzichten. Gerade die Schaffung der Sonderregelung des § 284, wonach „nur“ eine auf den Einzelfall bezogene „ausdrückliche“ Befreiung möglich sein soll (Abs 1 Satz 2, dazu s Rdn 31 ff) spricht dafür, dass ein gänzliches Abbedingen des Wettbewerbsverbots durch Satzungsregelung ausgeschlossen sein soll. § 284 stellt folglich eine § 278 Abs 2 verdrängende Spezialregelung dar. Das Erfordernis der ausdrücklichen Befreiung im Einzelfall dient dazu, über die Befreiung auf Basis der konkreten Umstände des Konkurrenzverhältnisses zu befinden. Es wäre sinnlos, könnten die Gründer das Verbot im Gründungsstadium (dann sogar noch ohne Zustimmung des auch die Interessen der Kommanditaktionäre wahrenden Aufsichtsrats) abbedingen, da eine befreiende Satzungsregelung gerade abstrakt-generell wirken würde. Folglich sprechen der Wortlaut und der Zweck der Regelung dafür, dass das Wettbewerbsverbot nicht durch eine Satzungsregelung abbedungen oder abgemildert werden darf.62 Die Norm ist einseitig zwingend. Zulässig ist eine Erweiterung des Wettbewerbsverbots in Bezug auf die Dauer, den 26 Umfang des Verbots und seine Sanktionen:63 Soll etwa der persönlich haftende Gesellschafter gleich einem Vorstand seine gesamte Arbeitskraft in die Gesellschaft einbringen, kann die Satzung auch für andersartige Gesellschaften ein Wettbewerbsverbot vorsehen. Darüber hinaus kann die Satzung vorsehen, dass ein Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden einem Wettbewerbsverbot unterliegen soll.64 Als Sanktion ist eine Vertragsstrafenvereinbarung denkbar. Dem hiervon Betrof- 27 fenen steht die Möglichkeit offen, nach § 343 BGB eine gerichtliche Herabsetzung der Vertragsstrafe zu erwirken. Die Anwendung dieser Bestimmung scheitert nicht an § 348 HGB, weil der Komplementär beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags (noch) nicht als Kaufmann anzusehen war.65 Im Hinblick auf den sachlichen, räumlichen und zeitlichen Umfang des Wettbe- 28 werbsverbots sind jedoch die durch § 138 BGB und § 1 GWB sowie Art 101 Abs 1 AEUV gezogenen Grenzen66 zu beachten. Im Rahmen des § 138 BGB ist die Wertentscheidung des Art 12 GG zu berücksichtigen. Die sachliche, räumliche und zeitliche Reichweite des Wettbewerbsverbots muss in angemessenem Verhältnis zu den schutzwürdigen Interessen der vom Verbot Begünstigten stehen,67 dh die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Betroffenen nicht unbillig erschweren. Ist schon zweifelhaft, ob die §§ 74 ff HGB (betreffend Wettbewerbsverbote für Handlungsgehilfen) auf Wettbewerbs-

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62 Armbrüster ZIP 1997, 1269, 1272; Grigoleit/Servatius2 14; Heidel/Wichert5 3; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 27; Salfeld S 270 (der § 23 Abs 5 für einschlägig hält); Spindler/Stilz/Bachmann4 8; wohl auch Schmidt/Lutter/Schmidt3 22; so auch schon Joens S 46 zur Rechtslage vor 1965. Der gegenteilige Standpunkt der Voraufl wird aufgegeben. 63 Spindler/Stilz/Bachmann4 9; Schmidt/Lutter/Schmidt3 23. Ebenso natürlich Vertreter der Ansicht, die § 284 generell für dispositiv halten, s Fn 48. 64 Bürgers/Fett/Reger § 5, 293; KK/Mertens/Cahn3 22; MünchKomm/Perlitt5 31; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 65 Baumbach/Hopt/Roth39 § 105, 49; Baumbach/Hopt/Hopt39 § 343, 3 aE; aA KK/Mertens/Cahn3 22; MünchKomm/Perlitt5 32. Zur Kaufmannseigenschaft des persönlich haftenden Gesellschafters s § 278, 13. 66 Ausführlich dazu die Kommentierung zu § 88; vgl im Übrigen BGH 21.2.1978 – KZR 6/77, BGHZ 70, 331, 334 (Gabelstapler); BGH 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 169 (Heumann/Ogilvy); BGH 3.5.1988 – KZR 17/87, BGHZ 104, 246, 251 (neuform-Bereich) einerseits und BGH 6.12.1962 – KZR 4/62, BGHZ 38, 306 (Bonbonniere) andererseits sowie Bürgers/Fett/Reger § 5, 294; Baumbach/Hopt/Roth39 § 112, 15 ff. 67 BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 ff = NJW 1990, 1469 ff. Sa BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1, 4 f sowie die Übersicht bei Bürgers/Fett/Reger § 5, 294.

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klauseln zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer anzuwenden sind,68 so passen diese auf soziale Schutzbedürfnisse eines Handlungsgehilfen und ggf eines abhängigen Fremdgeschäftsführers abstellenden Bestimmungen, namentlich die Entschädigungsregelung des § 74 Abs 2 HGB,69 erst recht nicht auf das Verhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA zur Gesellschaft.70 Aber selbst wenn man die §§ 74 ff HGB, entgegen der hier vertretenen Ansicht, auf ausscheidende persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA für anwendbar hält,71 so hat die Rechtsprechung ihrer Anwendung doch Grenzen gesetzt. Sie stellt fest, dass sich die Gesellschaft durch Vereinbarung mit ihrem Geschäftsführer davor schützen können soll, dass der Geschäftsführer die im Unternehmen erlangten Kenntnisse und Verbindungen zu ihrem Schaden ausnutzt. Dabei soll sie nicht den Beschränkungen der starren, auf ganz anders geartete Rechtsverhältnisse zugeschnittenen sozialen Schutzrechte der §§ 74 ff HGB unterworfen werden.72 Die sich aus §§ 74 ff HGB ergebenden Beschränkungen von Wettbewerbsklauseln sind also auf Wettbewerbsabreden zwischen einer KGaA und ihren Komplementären in dem Umfange unanwendbar, als dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft notwendig ist. Zudem sollen nach der Rechtsprechung umgekehrt diejenigen Bestimmungen der §§ 74 ff HGB anwendbar bleiben, deren Ziel (wie etwa §§ 74c, 75a HGB) in der Wahrung der besonderen Interessen des Unternehmens bestehen.73 29 Ein Teil des Schrifttums hält einen satzungsmäßigen Verzicht auf die Zustimmung der Komplementäre für zulässig, da kein besonderes Schutzbedürfnis zu erkennen sei. Hingegen sei die Mitwirkung des Aufsichtsrats zwingend.74 Diese Differenzierung überzeugt nicht. Von einer Konkurrenztätigkeit und von der Notwendigkeit eines Konzerneingangsschutzes sind beide Gesellschaftergruppen gleichermaßen betroffen. So kann insbesondere das mit der persönlichen Haftung verbundene Risiko durch Konkurrenzsituationen erhöht werden. Somit müssen neben dem Aufsichtsrat, der die Interessen der Gesellschaft und der Kommanditaktionäre vertritt, auch zwingend alle Komplementäre an dem Beschluss über eine solch weitreichende Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Unternehmens mitwirken. 30

b) Einzelvertragliche Regelung. Auch einzelvertraglich (zB im Tätigkeitsvertrag zwischen Gesellschafter und Gesellschaft) kann eine von Gesetz und Satzung in Umfang, Dauer und Sanktionen abweichende Vereinbarung getroffen werden, wie etwa im Hinblick auf die Fortgeltung eines Wettbewerbsverbots für einen Zeitraum nach dem Ausscheiden des Gesellschafters. Soweit das Wettbewerbsverbot nicht verschärft, sondern eingeschränkt wird, handelt es sich in der Sache um eine Freistellung, die nach den diesbezüglichen Regeln zu behandeln ist (su Rdn 31 ff).

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68 S dazu, jeweils mwN, etwa Scholz/Uwe H Schneider GmbHG11 § 43, 174 f; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG20 Anh § 6, 25. 69 Generell gegen die Anwendung des § 74 Abs 2 HGB auf Wettbewerbsklauseln zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1, 4 f. Im Ergebnis auch BGH 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892, 1893. 70 Ebenso Godin/Wilhelmi4 3; Bürgers/Fett/Reger § 5, 295; Armbrüster ZIP 1997, 1269, 1272 (ohne Begründung); aA Spindler/Stilz/Bachmann4 9 (entsprechende Anwendung). Sa Baumbach/Hopt/Roth39 § 112, 14. 71 So für den GmbH-Geschäftsführer BGH 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892, 1893, allerdings mit einer weitreichenden, nachfolgend wiedergegebenen Einschränkung. 72 BGH 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892, 1893. 73 BGH 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892, 1893. Sa Scholz/Uwe H Schneider GmbHG11 § 43, 182. 74 Spindler/Stilz/Bachmann4 10.

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III. Freistellung (Abs 1 Satz 2) Ein persönlich haftender Gesellschafter, der eine dem Wettbewerbsverbot (nach Gesetz oder Satzung) unterliegende Tätigkeit aufnehmen möchte, kann von dem Verbot nur durch eine ausdrückliche Einwilligung (dh vorherige Zustimmung iSv § 183 Satz 1 BGB)75 des Aufsichtsrats und sämtlicher der übrigen (dh auch der von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen) Komplementäre freigestellt werden (Abs 1 Satz 1). Da die Freistellung vom Wettbewerbsverbot, im Gegensatz zur Regelung des § 112 Abs 2 HGB ausdrücklich zu erfolgen hat, kommt eine Freistellung durch Duldung einer konkurrierenden Tätigkeit nicht in Betracht. Die Entscheidung über die Freistellung muss innerhalb angemessener Frist erfolgen. Sie darf nicht willkürlich verweigert werden, insbesondere bei der Erteilung einer Freistellung an andere Gesellschafter in gleichartigen Fällen; hier ist der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten.76 Die Freistellung kann nicht in Gestalt einer generellen Einwilligung in die nach Gesetz oder Satzung dem Wettbewerbsverbot unterworfenen Tätigkeiten erfolgen, sondern darf nur für eine bestimmte Art von Geschäften oder Engagements in bestimmten Handelsgesellschaften erteilt werden (Abs 1 Satz 2). Es ist zulässig, die Freistellung unter den Vorbehalt des Widerrufs zu stellen oder sie bei Fehlen eines solchen Vorbehalts aus wichtigem Grund zu widerrufen.77 Durch den Ausschluss einer Blankoeinwilligung soll gewährleistet werden, dass die zuständigen Organe die Folgen für das Unternehmen in jedem Einzelfall abwägen. Dies ist vor allem für die Zustimmung des Aufsichtsrats von Bedeutung, die sich indirekt auf die Vermögensrechte der Kommanditaktionäre auswirkt. Weist die Gesellschaft nur einen persönlich haftenden Gesellschafter auf, so ist der Aufsichtsrat allein für die Zustimmung zuständig. Gleiches gilt, falls alle persönlich haftenden Gesellschafter um die Einwilligung zu denselben Geschäften nachsuchen. Die Einwilligung nach Abs 1 Satz 2 kann nur im Voraus, dh vor der Vornahme der mit dem Wettbewerbsverbot kollidierenden Tätigkeit erteilt werden.78 Eine nachträgliche Genehmigung würde gleichzeitig den Verzicht auf bereits entstandene Schadensersatzansprüche (Abs 2 Satz 1) enthalten. Für einen solchen sind jedoch nicht Aufsichtsrat und persönlich haftende Gesellschafter, sondern die Hauptversammlung nach §§ 283 Nr 3, 93 Abs 4 Satz 3 zuständig (für deren diesbezüglichen Beschluss ist § 285 Abs 1 Satz 2 Nrn 4 u 5 zu beachten). Die erteilte Einwilligung kann mit Rücksicht auf die bereits vom Komplementär getroffenen Dispositionen nicht willkürlich zurückgenommen werden; der Betroffene genießt insoweit Vertrauensschutz. Der Widerruf der Einwilligung ist nur möglich, falls er vorbehalten wurde (s Rdn 32) oder ein wichtiger Grund (entsprechend § 723 Abs 1 Satz 2 BGB) vorliegt.79

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IV. Folgen der Zuwiderhandlung (Abs 2) und Verjährung (Abs 3) Im Falle eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot steht der Gesellschaft ein 36 verschuldensabhängiger80 Schadensersatzanspruch zu (Abs 2 Satz 1; zum Verzicht auf

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Spindler/Stilz/Bachmann4 10; aA Kardaras S 68 ff, der von einem Gestaltungsrecht ausgeht. KK/Mertens/Cahn3 15; Schmidt/Lutter/Schmidt3 16; Spindler/Stilz/Bachmann4 11. Spindler/Stilz/Bachmann4 11. Ebenso Armbrüster ZIP 1997, 1269, 1272; MünchKomm/Perlitt5 23. Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6; Salfeld S 266 f. Ebenso Bürgers/Fett/Reger § 5, 297.

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solche Ansprüche so Rdn 34). Alternativ kann sie vom Betroffenen verlangen, dass er die für eigene Rechnung getätigten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten lässt und die bezogene Vergütung herausgibt oder seinen Anspruch auf die Vergütung an die Gesellschaft abtritt (Abs 2 Satz 2, sog Eintrittsrecht). Daneben kann die KGaA auch das Unterlassen des verbotenen Wettbewerbs bzw die Niederlegung des verbotenerweise übernommenen Mandats verlangen.81 37 Die Ansprüche der Gesellschaft nach Abs 2 verjähren in drei Monaten, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem alle persönlich haftenden Gesellschafter und alle Aufsichtsratsmitglieder von der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung Kenntnis erlangt haben (Abs 3 Satz 1), spätestens aber in fünf Jahren seit der Entstehung des Anspruchs (Abs 3 Satz 2). Die kurze Verjährung von drei Monaten beginnt mithin erst dann zu laufen, wenn die letzte Person aus dem Kreis der persönlich haftenden Gesellschafter und des Aufsichtsrats Kenntnis von der wettbewerbsverbotswidrigen Handlung erlangt hat. Seit der Schuldrechtsreform reicht nun auch grob fahrlässige Unkenntnis (so Rdn 1). Im Schrifttum wird die These vertreten, es komme nicht auf Komplementäre an, die kraft Satzungsregelung von der Mitwirkung an Befreiungsentscheidungen ausgeschlossen seien.82 Gegen diese Ansicht spricht der klare Wortlaut der Norm. Ebenso wenig überzeugt ihr Ausgangspunkt, man könne einzelne Komplementäre von der Befreiungsentscheidung ausschließen (so Rdn 29). Sowohl die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot (Abs 2) als 38 auch die Verjährungsregelung (Abs 3) entsprechen den für das Wettbewerbsverbot des Vorstands einer AG maßgeblichen Bestimmungen in § 88 Abs 2 und Abs 3. Zu weiteren Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu § 88 zu verweisen. Die Konkurrenztätigkeit eines persönlich haftenden Gesellschafters kann, über die 39 Rechtsfolgen des Abs 2 hinaus, die Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund rechtfertigen.83 Umstritten ist, ob in einem solchen Falle das Wettbewerbsverbot über den Zeitpunkt des (vom Gesellschafter provozierten) Ausschlusses fortwirkt, bis das Wissen des ehemaligen Gesellschafters von den Geschäftsinterna so verblasst ist, dass kein Schaden mehr entstehen kann. Nicht ausschlaggebend kann insoweit der Gedanke sein, der bereits entstandene Schadensersatzanspruch aus § 249 BGB erfordere eine fortdauernde Unterlassung der Konkurrenztätigkeit, um weiteren Schaden zu verhüten. Entscheidend ist auf die Grundlage des Wettbewerbsverbots in der Treuepflicht des Gesellschafters abzustellen. Angesichts dessen wird man die Fortgeltung des Wettbewerbsverbots über den nächsten regulären Kündigungstermin der Gesellschafterstellung hinaus84 verneinen müssen, es sei denn, die Gesellschafter haben in der Satzung oder einzelvertraglich eine Fortgeltung über den Zeitpunkt des Ausscheidens hinaus vereinbart oder die nachwirkende Treuepflicht gebietet ein solches ausnahmsweise.85 Denn ansonsten würde die Gesellschaft über § 249 BGB besser gestellt werden, als sie ohne das schadensstiftende Ereignis stünde, der Gesellschafter also erst nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens seine Konkurrenztätigkeit aufgenommen hätte.

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81 KK/Mertens/Cahn3 18; MünchKomm/Perlitt5 24; Spindler/Stilz/Bachmann4 12. 82 MünchKomm/Perlitt5 25; Spindler/Stilz/Bachmann4 13. 83 Vgl die Kommentierung zu § 289. Ebenso nun Bürgers/Körber/Förl/Fett4 8. 84 Baumbach/Hopt/Roth39 § 113, 1; Paefgen ZIP 1990, 839 mwN; ders BB 1990, 1777, 1787; enger dagegen (Ende des Wettbewerbsverbots bereits ab dem Zeitpunkt des Ausschlusses) OLG Düsseldorf 8.6.1989 – 6 U 49/89, ZIP 1990, 861 f; Schmidt/Lutter/Schmidt3 21; Kardaras S 45 f; 4. Aufl Assmann/Sethe 39. 85 Falls ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde, ist im Falle des provozierten Ausschlusses ein Wegfall oder eine Herabsetzung der evtl vereinbarten Karenzentschädigung wegen treuwidrigen Verhaltens denkbar.

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V. Steuerrechtliche Aspekte In die Überlegungen bezüglich einer Freistellung vom Wettbewerbsverbot bzw einer 40 Nicht-Geltendmachung von Schadensersatz oder Eintrittsrecht bei Verstößen müssen steuerrechtliche Aspekte eingehen: Nach der früheren Rechtsprechung des BFH zum beherrschenden Gesellschafter einer GmbH erfüllte sowohl die Freistellung vom Wettbewerbsverbot ohne adäquate Gegenleistung86 als auch der Verzicht auf die Geltendmachung der Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen das Verbot den Tatbestand einer verdeckten Gewinnausschüttung.87 Gleiches galt, wenn die KGaA auf die ihr nach § 284 zustehenden Rechte auf Schadensersatz oder Eintritt wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot verzichtete oder sie nicht geltend machte. Diese Rechtsprechung hat der BFH aufgegeben.88 Handelt es sich um eine Einperso- 41 nen-Gesellschaft, unterliegt der Alleingesellschafter solange keinem gesetzlichen Wettbewerbsverbot, als er der GmbH kein Vermögen entzieht, das zur Deckung des Stammkapitals benötigt wird.89 Handelt es sich um eine Mehrpersonengesellschaft, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung nun grundsätzlich nicht mehr vor, wenn der Gesellschafter zivilrechtlich wirksam vom Wettbewerbsverbot freigestellt wurde. Selbst wenn die Freistellung unentgeltlich erfolgt, bedeutet dies nicht mehr zwangsläufig die Bejahung einer verdeckten Gewinnausschüttung. Allerdings macht der BFH von diesem Grundsatz eine (inkonsequente) Ausnahme, indem er die ohne angemessene Gegenleistung erfolgte Wahrnehmung von Geschäftschancen der Gesellschaft oder die Nutzung von in der Gesellschaft erlangten Informationen, für deren Überlassung ein fremder Dritter ein Entgelt gezahlt hätte, doch wieder als verdeckte Gewinnausschüttung einordnet.90 Zu beachten ist, dass die Kriterien des BFH zur Bestimmung von Geschäftschancen in Details von denen des Gesellschaftsrechts abweichen.91 Leicht verändert hat sich auch die Beurteilung einer Nichtgeltendmachung der 42 Rechte auf Schadensersatz oder Eintritt in das Geschäft. Solange diese Rechte noch durchsetzbar sind, gelten sie nicht als verdeckte Gewinnausschüttung, müssen dann aber in der Steuerbilanz aktiviert werden.92 Lässt die Gesellschaft solche Ansprüche dagegen grundlos verjähren, kann eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen.93

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86 Denkbare Gegenleistung könnte etwa eine Herabsetzung der Tätigkeitsvergütung sein, da der Gesellschafter nicht seine gesamte Arbeitskraft ins Unternehmen einbringt. 87 BFH 26.4.1989 – I R 172/87, BFHE 157, 138 = BStBl II 1989, 673 = BB 1989, 1604; BFH 11.2.1987 – I R 177/83, BFHE 149, 176 = BStBl II 1987, 461 = GmbHR 1987, 323; dazu ausführlich, insbesondere auch zu den Altfällen und dem Aspekt der Verjährung, Tillmann in: FS Felix, 1989, S 507 ff. 88 BFH 30.8.1995 – I R 155/94, BFHE 178, 371 = NJW 1996, 950. 89 BFH 30.8.1995 – I R 155/94, BFHE 178, 371, 374 f. = NJW 1996, 950, 951 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung. 90 BFH 30.8.1995 – I R 155/94, BFHE 178, 371, 374 f. = NJW 1996, 950, 951; BFH 15.3.2005 – X R 39/03, BFHE 209, 320, 333 = NJW 2005, 3085, 3088; kritisch dazu KK/Mertens/Cahn3 26. 91 Kritisch daher Lawall NJW 1997, 1742 ff; MünchKomm GmbHG/Merkt3 § 13, 265; Michalski/Heidinger/ Leible/Schmidt/Lieder GmbHG3 § 13, 322 ff mwN. 92 BFH 18.12.1996 – I R 26/95, BFHE 182, 190, 193 ff = NJW 1997, 1804, 1805. 93 KK/Mertens/Cahn3 27.

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§ 285 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

§ 285 Hauptversammlung Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Hauptversammlung § 285 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-032

(1) 1In der Hauptversammlung haben die persönlich haftenden Gesellschafter nur ein Stimmrecht für ihre Aktien. Sie können das Stimmrecht weder für sich noch für einen anderen ausüben bei Beschlußfassungen über 1. die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats; 2. die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter und der Mitglieder des Aufsichtsrats; 3. die Bestellung von Sonderprüfern; 4. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen; 5. den Verzicht auf Ersatzansprüche; 6. die Wahl von Abschlußprüfern. 2 Bei diesen Beschlußfassungen kann ihr Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden. (2) 1Die Beschlüsse der Hauptversammlung bedürfen der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter, soweit sie Angelegenheiten betreffen, für die bei einer Kommanditgesellschaft das Einverständnis der persönlich haftenden Gesellschafter und der Kommanditisten erforderlich ist. 2Die Ausübung der Befugnisse, die der Hauptversammlung oder einer Minderheit von Kommanditaktionären bei der Bestellung von Prüfern und der Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft aus der Gründung oder der Geschäftsführung zustehen, bedarf nicht der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. (3) 1Beschlüsse der Hauptversammlung, die der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter bedürfen, sind zum Handelsregister erst einzureichen, wenn die Zustimmung vorliegt. 2Bei Beschlüssen, die in das Handelsregister einzutragen sind, ist die Zustimmung in der Verhandlungsniederschrift oder in einem Anhang zur Niederschrift zu beurkunden. Schrifttum Bachmann Die Hauptversammlung der KGaA, in: FS Marsch-Barner, 2018, S 13; ders Die Besetzung des Aufsichtsrats der KGaA mit Gesellschaftern der Komplementärin und ihre Vertretung diesen gegenüber, AG 2019, 581; Depetri Die Berechtigungen und Verpflichtungen der Generalversammlung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZHR 87 (1924) 114; Dreisow Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als echte Einmanngesellschaft, WPg 1976, 658; ders Zu den Stimmverboten für die Komplementäre einer KGaA, DB 1977, 851; Durchlaub Mitwirkung der Hauptversammlung und des Aufsichtsrates bei Geschäftsführungsmaßnahmen in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, BB 1977, 1581; Fett/Förl Die Mitwirkung der Hauptversammlung einer KGaA bei der Veräußerung wesentlicher Unternehmensteile, NZG 2004, 210; Fett/Stütz 20 Jahre Kapitalgesellschaft & Co. KGaA – Bestandsaufnahme und neuere Entwicklungen, NZG 2017, 1121; Fleckner Der Kommanditistenverband in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Greifswald 1914; Gail Auswirkungen des Aktiengesetzes 1965 auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien, WPg 1966, 425; Habersack Zur Corporate Governance der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, ZIP 2019, 1453; Hennemann Einfluss und Kontrolle in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZHR 182 (2018), 157; Hommelhoff Anlegerschutz in der GmbH & Co KGaA, in Ulmer (Hrsg) Die GmbH & Co KGaA nach dem Beschluss BGHZ 134, 392, Beihefte der ZHR, Heft 67, 1998, S 9; Horrwitz Das Recht der Generalversammlungen der Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, Berlin 1913; Kallmeyer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien – eine interessante Rechtsformalternative für den Mittelstand?, DStR 1994, 977; Kessler Die Entwicklung des Binnenrechts der KGaA seit BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923, NZG 2005, 145; V Matthießen Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989; Mense Besonderheiten bei der Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung einer börsennotierten Kommanditgesellschaft auf Aktien, GWR 2014, 320; Neumann-Duesberg Die Besetzung des Aufsichtsrats der atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2015; Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-032

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Reichert Wettbewerb der Gesellschaftsformen – SE oder KGaA zur Organisation großer Familiengesellschaften, ZIP 2014, 1957; Schlitt Die Satzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999; Schnülle Die Reichweite der Stimmverbote gem § 285 I 2 AktG bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, NZG 2017, 1056; Seibt/von Rimon Monistische SE & Co. KGaA: Einsatzfelder und Antwort auf Praxisfragen, AG 2019, 753; Villeda Stimmrechtsausschluss nach § 136 AktG und § 47 GmbHG für Drittgesellschaften, ihre Organmitglieder und Gesellschafter, AG 2013, 57; Wank Der Stimmrechtsausschluß im GmbH-Recht in der neueren Rechtsprechung des BGH, ZGR 1979, 222; Wollburg Zur Ausdehnung der Inkompatibilitätsregelung des § 287 Abs 3 AktG in der Kapitalgesellschaft & Co KGaA, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 1425 ff. Vgl im Übrigen das Schrifttum zu § 278.

Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Hauptversammlung § 285 Sethe Rechtsprechung RG (6.6.1913) II 99/13, RGZ 82, 360: Umwandlung einer KGaA gegen den Willen des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters in eine AG; RG (23.2.1924) V 400/23, RGZ 108, 91: Wirksamkeit einer Vereinbarung über die Voraussetzungen für das Vorliegen des Erfordernisses des Zugehens einer Willenserklärung (§ 130 BGB); RG (3.5.1932) II 438/31, RGZ 136, 236: Zulässigkeit des Stimmrechtsausschlusses bei der Beschlussfassung in einer GbR aufgrund Interessenwiderstreits; RG (22.10.1938) II 58/38, RGZ 158, 302: Zustimmungserfordernisse für die Zulässigkeit einer Handlung des persönlich haftenden Gesellschafters, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der KG hinausgeht; BGH (29.3.1971) III ZR 255/68, BGHZ 56, 47 = NJW 1971, 1265 = BB 71, 586 = MDR 71, 563 = WM 1971, 595: Wirksamkeit von Mehrheitsbeschlüssen in einer Erbengemeinschaft; BGH (12.7.1971) II ZR 127/69, NJW 1971, 2225 = AP § 46 GmbHG Nr 1 (Martens) = WM 1971, 1150: Recht des GmbH-Gesellschafters auf Abhaltung und Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung trotz Stimmrechtsausschlusses; BGH (29.3.1973) II ZR 25/70, NJW 1973, 1036 = BGHZ 60, 324 = WM 1973, 507: Haftung des Kommanditisten für überhöhte Entnahmen in der GmbH & Co. KG; BGH (9.5.1974) II ZR 84/72, NJW 1974, 1555 = BB 74, 996 = LM § 115 HGB Nr 3 = MDR 1974, 997 = WM 1974, 834: Widerspruch gegen Geschäftsführungsmaßnahmen; BGH (29.1.1976) II ZR 19/75, BB 76, 286 = DNotZ 77, 120 = NJW 1976, 713: Abtretung eines Geschäftsanteils an einer GmbH zwecks Umgehung des Abstimmungsverbots; BGH (10.2.1977) II ZR 81/76, BGHZ 68, 107 = BB 77, 463 = DB 1977, 715 = NJW 1977, 850 = WM 1977, 360: Ausschluss des Stimmrechts eines GmbH-Gesellschafters im Falle seiner Beteiligung auch an einem anderen Unternehmen; BGH (25.2.1982) II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 = BB 1982, 827 = DB 1982, 795 = MDR 1982, 554 = NJW 1982, 1703 = WM 1982, 388 = ZIP 1982, 568: Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer Betriebsausgliederung bei Nichteinholung der Zustimmung der Hauptversammlung; BGH (4.11.1982) II ZR 210/81, WM 1983, 60: Wegfall eines vertretungsberechtigten Gesellschafters einer OHG; BGH (20.1.1986) II ZR 73/85, BGHZ 97, 28 = AG 1986, 256 = BB 1986, 619 = DB 1986, 853 = NJW 1986, 2051 = WM 1986, 456 = ZIP 1986, 429 = EWiR § 47 GmbHG 2/86, 371 (Hommelhoff) = WuB II C § 47 GmbHG 2.86 (Martens): Ausschluss von der Abstimmung über die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs einer GmbH gegen den Geschäftsführer oder Gesellschafter; BGH (9.1.1995) II ZR 24/94, ZIP 1995, 278, 279 = BB 1995, 373 = DB 1995, 621 = NJW 1995, 596 = NJW-RR 1995, 884 = WM 1995, 336 = LM H. 6/1995 § 125 HGB Nr 7 (Heidenhain) = WuB II F § 170 HGB 1.95 (Messer): Anforderungen ab einen auf Veräußerung des gesamten Vermögens einer KG gerichteten Vertrags;

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§ 285 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

BGH (24.2.1997) II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 (Vorinstanz OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, s 278) = AG 1997, 370 = BB 1997, 1220 = DB 1997, 1219 = NJW 1997, 1923 = WM 1997, 1098 = ZIP 1997, 1027 = LM H. 8/1997 § 278 AktG 1965 Nr 1 (Roth) = WuB II B § 278 AktG 1.97 (Hein): Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA; BGH (5.12.2005) II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 = AG 2006, 117 = BB 2006, 453 = DB 2006, 266 = NJW 2006, 510 = NZG 2006, 138 = WM 2006, 138 = ZIP 2006, 177 = EWiR § 278 AktG 7/06, 193 (Dürr) = WuB II B § 287 AktG 1.06 (Kersting): Klage eines Kommanditaktionärs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds; BGH (30.6.2015) II ZR 142/14, BGHZ 206, 143 = AG 2015, 822 = BB 2015, 2636 = DB 2015, 2504 = NZG 2015, 1227 = WM 2015, 2046 = ZIP 2015, 2069 = WuB II A. § 121 AktG 1.16 (Noack): Rücknahme der Einladung zu einer auf Verlangen der Aktionäre einer KGaA einberufenen Hauptversammlung durch den Vorstand; BGH (11.9.2018) II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 = BB 2018, 2639 = DB 2018, 2556 = MDR 2018, 1386 = NJW 2019, 157 = NZG 2018, 1226 = WM 2018, 1935 = EWiR §§ 109, 161 HGB 3/19, 71 (Oetker): Vorrang gesellschaftsvertraglich vereinbarter Mehrheitsklauseln gegenüber dispositiver gesetzlicher Bestimmungen; BGH (9.10.2018) II ZR 78/17, BGHZ 220, 36 = AG 2019, 176 = BB 2019, 459 = DB 2019, 294 = NJW 2019, 669 = NZG 2019, 262 = WM 2019, 258 = ZIP 2019, 322 = EWiR § 53a AktG 5/19, 137 (Kießling/Roebers): Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern; KG (15.4.1910) 1a X 293/10, KGJ 41 A 140 = KG RJA 1910, 251: zur zwingenden Formvorschrift des § 285 Abs 3 Satz 2 AktG; KG (20.5.1926) 1 X 296/26, KG Recht 1926 Nr 1374: die Beurkundung der Hauptversammlung bewirkt auch die Beurkundung der Zustimmung der Komplementäre; KG (1.7.1926) 1 X 410/26, JW 1927, 720: Wegfall des Erfordernisses einer Zustimmung des persönlich haftenden Gesellschafters zu einem Beschluss der Hauptversammlung; OLG Frankfurt (28.5.2013) 5 U 126/12 (juris): Vorstandsmitglied der Alleingesellschafterin der persönlich haftenden Gesellschafterin einer KGaA als Mitglied des Aufsichtsrats der KGaA; OLG Frankfurt (8.9.2014) 20 W 148/14, NZG 2015, 1154 = AG 2015, 247 = ZIP 2015, 170 = EWiR § 104 AktG 4/15, 103 (Bachmann): Befugnis des Komplementärs zur Stellung eines Antrags auf gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern für eine KGaA; OLG Hamburg (29.10.1999) 11 U 45/99, NZG 2000, 421 = AG 2001, 91 = DB 2000, 314: Ausschluss eines Gesellschafters von der Stimmrechtsausübung bei der Beschlussfassung einer GmbH & Co. KG; OLG Hamm (11.4.1969) 8 W 22/69, AG 1969, 295: Bekanntgabe des Gewinnanteils der persönlich haftenden Gesellschafter gegenüber den Kommanditaktionären in der Hauptversammlung; OLG München (13.8.2003) 7 U 2927/02, NZG 2004, 521 = AG 2004, 151 = ZIP 2004, 214 (Gabriel Sedlmayr/Spaten Franziskaner Bräu): bestimmender Einfluss auf die Willensbildung der persönlich haftenden Gesellschafterin einer KGaA als Ausschlussgrund für eine Aufsichtsratsmitgliedschaft; OLG München (17.9.2014) 7 U 3876/13, ZIP 2014, 1980 = AG 2014, 864 = GWR 2014, 435 (Flick) = WM 2015, 335 = WuB II B. § 174 AktG 1.15 (Pöschke/Buckel): Dividendenanspruch des Kommanditaktionärs aufgrund eines Gewinnverwendungsbeschlusses; OLG Stuttgart (27.11.2002) 20 U 14/02, NZG 2003, 293 = AG 2003, 587 = BB 2014, 2369 = DB 2003, 1106 = DStZ 2003, 516 = ZIP 2003, 670: notarielle Beurkundung der Zustimmung des Komplementärs einer KGaA zum einem durch Satzungsänderung beschlossenen Komplementärwechsel; LG München I (5.4.2002) 5 HKO 2178/01, AG 2002, 467 = EWiR § 287 AktG 23/03, 1167 (Sänger/Kessler) (Gabriel Sedlmayr/Spaten Franziskaner Bräu); LG München I (29.8.2013) 5 HK O 23315/12, NZG 2014, 700 = DStR 2014, 1120 = ZIP 2014, 25 = GWR 2014, 304 (Möller): Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA zu einem Hauptversammlungsbeschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns.

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I. II.

III.

Systematische Übersicht Normentwicklung und Übersicht | 1–2 Hauptversammlung der KGaA | 3–21 1. Funktionen der Hauptversammlung | 3 2. Aktienrechtliche Komponente der Hauptversammlung | 4 a) Einberufung und Durchführung | 4 b) Kompetenzen | 9 c) Nichtigkeit und die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen | 10 3. Personengesellschaftsrechtliche Komponente der Hauptversammlung | 15 4. Zusammenstellung der Kompetenzen der Hauptversammlung | 18 5. Satzungsautonomie | 21 Komplementäre als Kommanditaktionäre: Stimmrecht und Stimmrechtsausschlüsse (Abs 1) | 22–58 1. Stimmrecht und Zweck der Stimmrechtsausschlüsse | 22 2. Normadressaten der Stimmrechtsausschlüsse nach Abs 1 Sätze 2 und 3 | 24 a) Ausdrücklich genannte Normadressaten | 24 b) Komplementärgesellschaft und deren Leitungsorgane | 25 c) Gesellschafter der Komplementärgesellschaft | 26 d) Zwischenfazit | 31 3. Teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs | 32 a) Einpersonen-KGaA, EinheitsKGaA | 32 b) Gesellschaftergruppenidentität | 33 4. Die einzelnen Stimmrechtsausschlüsse | 36 a) Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats (Nr 1) | 36 b) Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter und der Mitglieder des Aufsichtsrats (Nr 2) | 39

c)

IV.

V.

Bestellung von Sonderprüfern (Nr 3) | 41 d) Geltendmachung von Ersatzansprüchen und Verzicht auf solche Ansprüche (Nrn 4 und 5) | 42 e) Die Wahl von Abschlussprüfern (Nr 6) | 43 5. Weitere aktienrechtliche Stimmrechtsausschlüsse | 44 6. Stimmrechtsausschluss kraft Personengesellschaftsrecht | 47 7. Stimmrechtsausschluss aufgrund allgemeiner Interessenkollision? | 51 8. Satzungsautonomie im Hinblick auf das Stimmrecht | 52 9. Rechtsfolgen verbotswidriger Stimmabgabe | 55 Zustimmung der Komplementäre zu Hauptversammlungsbeschlüssen (Abs 2) | 59–96 1. Zustimmungsbedürftigen Beschlüsse | 59 2. Das Zustimmungserfordernis im Einzelnen | 67 a) Die Zustimmung des/der persönlich haftenden Gesellschafter/s | 67 b) Die Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre | 71 3. Folgen fehlender Zustimmung | 72 4. Anspruch auf Zustimmung | 73 5. Alleinentscheidungsrecht der Kommanditaktionäre (Abs 2 Satz 2) | 74 6. Satzungsautonomie | 77 a) Einschränkung der Zustimmungsbedürftigkeit | 77 b) Erweiterung der Zustimmungsbedürftigkeit | 88 c) Beschlusserfordernisse | 93 Registerrechtliche Erfordernisse (Abs 3) | 97–104 1. Beschlüsse nach Abs 3 Satz 1 | 97 2. Beschlüsse nach Abs 3 Satz 2 | 100

I. Normentwicklung und Übersicht Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen § 227 AktG 1937 (zur Normentwicklung sa 1 unten Rdn 23). Durch das AktG 19651 wurden die Sätze 2 und 3 des Abs 1 verschärft und

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Zu den Änderungen des § 227 AktG 1937 durch das AktG 1965 vgl Kropff AktG, 1965, S 369.

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den §§ 136 Abs 1, 142 Abs 1 Satz 2 angeglichen. Ein Komplementär darf in den in Abs 1 Satz 2 genannten Fällen das Stimmrecht weder für andere ausüben noch dürfen andere es für ihn wahrnehmen. In Abs 1 Satz 2 Nr 2 wurde der Begriff „Aufsichtsrat“ durch die Formulierung „Mitglieder des Aufsichtsrats“ ersetzt. Die Vorschrift wurde seit 1965 nicht geändert. Eine allgemeine Vorschrift über die Hauptversammlung der KGaA fehlt. Maßge2 bend ist daher das Recht der AG (§§ 278 Abs 3, 118 ff). § 285 behandelt allein diejenigen Besonderheiten, die sich aus dem Vorhandensein zweier Gesellschaftergruppen ergeben. Abs 1 erfasst die Konstellation, dass ein Komplementär Aktien der KGaA besitzt und deshalb gleichzeitig beiden Gesellschaftergruppen angehört. Satz 1 stellt klar, dass ihm das Stimmrecht aus diesen Aktien zusteht. Die Sätze 2 und 3 enthalten Stimmverbote im Hinblick auf bestimmte Kontrollbefugnisse und die Durchsetzung von Ersatzansprüchen. Damit soll zum einen auf organschaftlicher Ebene potentiellen Interessenkonflikten vorgebeugt werden, die sich aus der Doppelrolle der Komplementäre als Mitglieder der Unternehmensleitung und als Kommanditaktionäre ergeben können. Zum anderen dient die Norm aber auch auf mitgliedschaftlicher Ebene der Trennung der Interessen der beiden Gesellschaftergruppen. Dies zeigt sich etwa an dem Verbot von Abs 1 Satz 2 Nr 1, wonach die aktienbesitzenden Komplementäre nicht über die Wahl des Aufsichtsrats mitentscheiden dürfen. Denn dieser vertritt die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegenüber den Komplementären (§ 287 Abs 2). Zudem können Ersatzansprüche (Abs 1 Satz 2 Nrn 4, 5) auch auf mitgliedschaftlicher Ebene entstehen (s § 278 Rdn 55a, § 283 Rdn 17). Abs 2 und 3 regeln das Zusammenwirken der beiden Gesellschaftergruppen bei der Beschlussfassung. Die (um die Sonderbestimmungen zur Hauptversammlung der KGaA in § 285 ergänzte) Verweistechnik des Rechts der KGaA (§ 278 Abs 3) lässt die Einbettung der Hauptversammlung in das Organisationsgefüge der KGaA sowie die Kompetenzen dieses Organs nur unklar erkennen und verursacht Rechtsunsicherheit. Den Erläuterungen zu § 285 wird deshalb ein systematischer und zugleich die Einsatzpunkte des § 285 kennzeichnender Überblick über die Hauptversammlung der KGaA vorangestellt. II. Hauptversammlung der KGaA 3

1. Funktionen der Hauptversammlung. Die Hauptversammlung ist Organ der KGaA. Sie ist die Versammlung allein der Kommanditaktionäre. Da Kommanditaktionäre und persönlich haftende Gesellschafter jeweils eine eigenständige Gesellschaftergruppe bilden, ist die Hauptversammlung – anders als bei der AG – damit nicht ein Organ, in dem alle Gesellschafter repräsentiert sind.2 Ein solches Organ sieht das Gesetz bei der KGaA nicht vor. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass die Hauptversammlung nicht nur die ihr kraft Aktienrecht zugewiesenen Kompetenzen (§§ 278 Abs 3, 118 ff, su Rdn 4 ff) wahrnimmt, sondern auch die Kompetenzen, die den Kommanditaktionären aus der personengesellschaftsrechtlichen Komponente der Rechtsform zustehen (s §§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1, su Rdn 15 ff). Wenn das Gesetz zu deren Umschreibung auf den Begriff der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ zurückgreift (vgl § 287 Abs 2 Satz 1), will es damit nur verdeutlichen, dass die Hauptversammlung die Rechte wahrnimmt, die bei der einfachen Kommanditgesellschaft den Kommanditisten zustehen. Nicht gemeint ist hingegen ein eigenständiger Verband der Kommanditaktionäre

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2 Anders in Staaten, die dem schweizerischen Modell der KGaA folgen, vgl Sethe S 391 (Schweiz), 435 (Italien), 452 (Spanien) und 531.

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mit eigener Rechtspersönlichkeit (vgl im Einzelnen § 278 Rdn 93, § 287 Rdn 31, 62), der zusätzlich zur Hauptversammlung existiert. Die Hauptversammlung ist vielmehr ein einheitliches Organ der KGaA mit – im Vergleich zu derjenigen der AG – erweiterten Kompetenzen.3 Eine dritte Besonderheit der Hauptversammlung der KGaA besteht in der Erweiterung ihrer Zuständigkeit in Bezug auf die Feststellung des Jahresabschlusses (vgl § 286 Abs 1). 2. Aktienrechtliche Komponente der Hauptversammlung a) Einberufung und Durchführung. Allgemeine Vorschriften zur Hauptversamm- 4 lung der KGaA fehlen, so dass gemäß § 278 Abs 3 die §§ 118 ff zur Anwendung kommen. Die Einberufung, das Teilnahme-, Rede- und Antragsrecht der Kommanditaktionäre und die Durchführung der Hauptversammlung der KGaA4 entsprechen den gesetzlichen Vorgaben einer Hauptversammlung der AG:5 Die Einberufung erfolgt durch die geschäftsführungsbefugten Komplementäre (s §§ 283 Nr 6, 121 ff, 175, 92 Abs 1). Auch die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre haben in bestimmten Fällen (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 119 HGB, s dazu § 283 Rdn 27) das Einberufungsrecht. Gemäß § 121 Abs 2 Satz 3 kann die Satzung der KGaA anderen Personen das Recht auf Einberufung einräumen.6 Daneben steht einer Minderheit von Kommanditaktionären unter den Voraussetzungen von § 122 das Recht auf Einberufung zu. Um die Kommunikation unter den Kommanditaktionären und die Wahrnehmung ihrer Rechte zu erleichtern, gelten für die KGaA die Bestimmungen über das Aktionärsforum (§§ 278 Abs 3, 127a, §§ 1 ff AktFoV). Weder § 285 noch einer anderen Vorschrift der §§ 278 ff lässt sich entnehmen, ob die 5 Geschäftsführung an der Hauptversammlung teilnimmt. Bei der Beantwortung dieser Frage hat der Sonderfall außer Betracht zu bleiben, dass die Komplementäre selbst Aktien besitzen, denn in diesem Fall nehmen sie als Aktionäre (§ 118 Abs 1), nicht als Mitglied der Geschäftsführung an der Versammlung teil. In Bezug auf die Teilnahme der Unternehmensleitung an der Hauptversammlung kann sich ein Teilnahmerecht nur aus § 118 Abs 3 ergeben, der bestimmt, dass die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats an der Hauptversammlung teilnehmen sollen. Grundsätzlich sind die Vorschriften über den Vorstand der AG auf die KGaA nur in dem Umfang anzuwenden, als dies § 283 anordnet. § 283 Nr 6 erklärt nur die Vorschriften über die Einberufung für anwendbar, nicht aber § 118 Abs 3. Dennoch kann über § 278 Abs 3 auf § 118 Abs 3 zurückgegriffen werden. Die Bestimmung des § 118 ist nämlich von ihrem Inhalt her eindeutig dem Regelungskomplex Hauptversammlung zugehörig, so dass aus § 283 kein argumentum e contrario folgt. Auch aufgrund seines Zwecks muss § 118 in seiner Gesamtheit auf die KGaA Anwendung finden, denn die Durchführung der Hauptversammlung setzt die Anwesenheit der Komplementäre voraus, damit diese ihren Pflichten zur Vorlage und Erläuterung des Jahresabschlusses und ggf ihres Berichts zu einem Bezugsrechtsausschluss sowie zur Auskunftserteilung (§ 131) genügen können. Die Anwendung des § 118 Abs 3 auf die KGaA hat zur Folge, dass die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre, bzw bei einer juristischen Person als Komplementärin deren geschäftsführende Organmitglieder, in der Hauptversammlung anwesend sein müssen.7

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3 Ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 2 („Doppelfunktion“). 4 Ausführlich hierzu Bachmann in: FS Marsch-Barner, 2018, S 13, 19 ff; Mense GWR 2014, 320; Schlitt S 194 ff. 5 Dies ist unstr, vgl BGH 30.6.2015 – II ZR 142/14, BGHZ 206, 143 Rdn 22. 6 Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 7 Bürgers/Fett/Reger § 5, 378; MünchKomm/Perlitt5 § 285, 5 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 4; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 36.

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Dies gilt selbstverständlich nicht nur bei Tagesordnungspunkten, die mit der Geschäftsführung zusammenhängen, sondern auch bei Beschlussgegenständen, die der Zustimmung nach § 285 Abs 2 Satz 1 bedürfen. Die Teilnahmepflicht ist zwingend und kann daher weder durch die Satzung noch durch Beschluss der Hauptversammlung aufgehoben werden.8 Selbst wenn die Hauptversammlung Belange behandelt, die allein von den Kom6 manditaktionären beschlossen werden (su Rdn 19), besteht wegen der jederzeitigen Möglichkeit eines Auskunftsersuchens nach §§ 278 Abs 3, 131 eine Teilnahmepflicht (und nicht nur ein Teilnahmerecht9) der geschäftsführungsbefugten Komplementäre.10 So ist es beispielsweise bei der Entscheidung über die Entlastung der Geschäftsführung durchaus angebracht, einem Komplementär, bei dem der Verdacht unsorgfältiger Geschäftsführung besteht, Gelegenheit zur Stellungnahme und Sachverhaltsaufklärung einzuräumen,11 bevor die Abstimmung über die Entlastung erfolgt. Auch vor der Bestellung von Sonderprüfern sollte die Geschäftsführung Stellung nehmen. Ohne Anwesenheitspflicht der geschäftsführungsbefugten Komplementäre könnten sich die Kommanditaktionäre in diesen Beispielsfällen also kein ausreichendes Bild machen. Bei „autonomen“ Entscheidungen der Hauptversammlung entfällt die Teilnahmepflicht der geschäftsführungsbefugten Komplementäre daher nur, wenn die Hauptversammlung beschließt, die Komplementäre12 von der Teilnahme auszuschließen.13 Mit diesem Beschluss entfällt auch das Teilnahmerecht, es sei denn, die Hauptversammlung behandelt einen Beschlussgegenstand, der die Rechte der Komplementäre berührt (zB deren Haftung).14 Um eine gleichmäßige Information beider Gesellschaftergruppen sicherzustellen, ist auch ein Anwesenheitsrecht (aber keine Anwesenheitspflicht) der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre anzunehmen.15 Sie können aber ebenfalls ausgeschlossen werden. Das Aktiengesetz enthält keine spezielle Vorschrift über die Förmlichkeiten der Einladung der geschäftsführungsbefugten und der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre. Im Schrifttum wird daher befürwortet, über § 278 Abs 2 die gegenüber den §§ 121 ff weniger förmlichen Vorschriften des Personengesellschaftsrechts anzuwenden.16 Dieser Verweis allein hilft jedoch nicht weiter, denn das Personengesellschaftsrecht enthält keine entsprechenden Vorgaben, so dass letztlich nur eine Satzungsregelung die nötige Rechtssicherheit ermöglicht. Aus der Teilnahmepflicht der geschäftsführungsbefugten und dem Teilnahmerecht 7 der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre ergibt sich, dass sie auch zu Gegenständen der Tagesordnung Stellung nehmen können.17 Umgekehrt findet selbstverständlich auch § 131 über das Rede- und Auskunftsrecht auf die KGaA Anwendung: Auskunftsberechtigt sind die einzelnen Kommanditaktionäre; auskunftspflichtig sind die geschäftsführungsbefugten Komplementäre. Aufgrund der Tatsache, dass bei der

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8 Schmidt/Lutter/Schmidt3 4; Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 9 So aber MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 36; MünchKomm/Perlitt5 7. 10 Bachmann in: FS Marsch-Barner, 2018, S 21; Spindler/Stilz/Bachmann4 4; Schmidt/Lutter/Schmidt3 5. 11 Diesem steht bei Bejahung der Teilnahmepflicht seinerseits auch das Rederecht zu, vgl Fn 17. 12 Komplementäre, die zugleich Kommanditaktionäre sind, werden von diesem Ausschluss jedoch nicht betroffen, MünchKomm/Perlitt5 8. 13 Heidel/Wichert5 3; MünchKomm/Perlitt5 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 14 MünchKomm/Perlitt5 8; Schmidt/Lutter/Schmidt3 5; aA wohl Spindler/Stilz/Bachmann4 5. 15 Bürgers/Fett/Reger § 5, 378; Heidel/Wichert5 3 aE; Spindler/Stilz/Bachmann4 4; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 36; MünchKomm/Perlitt5 7; Schmidt/Lutter/Schmidt3 4 f. Weitergehend Hüffer/Koch14 § 278, 17; Neumann-Duesberg S 131 u Fn 521. 16 Bürgers/Fett/Reger § 5, 376 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 9. 17 BGH 12.7.1971 – II ZR 127/69, NJW 1971, 2225 (zur GmbH); Hüffer/Koch14 § 118, 20 f.

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KGaA die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses entscheidet, sind jedoch § 131 Abs 3 Satz 1 Nrn 3 und 4 nicht anzuwenden.18 Den Kommanditaktionären ist daher auch Auskunft über die stillen Reserven, Abschreibungs- und Bewertungsmethoden zu geben. Bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten19 sind die § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 6 und § 176 Abs 1 Satz 420 zu beachten (vgl § 286 Rdn 23). Im Übrigen müssen die Kommanditaktionäre auch über die Höhe des auf Sondereinlagen entfallenden Gewinns sowie über die Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafter und deren Berechnung informiert werden,21 da dies zu einem sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft (§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 4) gehört. Zugleich betrifft die Gewinnverteilung das Verhältnis zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Diese kann ihre Rechte nur bei entsprechender Information wahrnehmen. Dem steht die Regelung des § 286 Abs 3 und 4 nicht entgegen, da diese nur die zur Veröffentlichung bestimmte Gewinn- und Verlustrechnung sowie den Anhang betreffen; zudem erfolgen diese Angaben nicht individualisiert.22 Der Auskunftsanspruch bezieht sich bei einer Kapitalgesellschaft & Co. KGaA auch auf die Belange der Komplementärgesellschaft (zu Einzelheiten s § 278 Rdn 83). Eine spezielle Pflicht zur Information der Aktionäre ergibt sich sodann im Hinblick auf den (Konzern-)Jahresabschluss, den (Konzern-)Lagebericht und den Bericht des Aufsichtsrats, den die geschäftsführungsbefugten Komplementäre der Hauptversammlung vorzulegen und zu erläutern haben (§§ 283 Nrn 9–11, 120 Abs 3, 176, 175 Abs 1–3). Anwendbar sind auch die Vorschriften über das Stimmrecht (§§ 134–137). Diese 8 werden ergänzt durch § 285 Abs 1, der eine Sonderregelung in Bezug auf das Stimmrecht aus Aktien enthält, die ein Komplementär besitzt (su Rdn 22 ff). Gleichzeitig verdeutlicht die Norm, dass ein Komplementär, der keine Aktien besitzt, kein Stimmrecht hat23 und ihm auch für Sondereinlagen kein solches gewährt werden kann.24 Ein aktienbesitzender Komplementär gehört beiden Gesellschaftergruppen25 an, so dass die sich daraus ergebenden möglichen Interessenkollisionen einer Regelung bedurften (vgl Abs 1 Satz 2). b) Kompetenzen. Die Hauptversammlung entscheidet gemäß § 278 Abs 3, 119 9 Abs 1 über die Bestellung und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder (soweit diese nicht aufgrund von Sondertatbeständen entsandt oder bestellt werden), über die Entlastung der Geschäftsführung und der Aufsichtsratsmitglieder, die Bestellung der Abschluss-, Gründungs- und Sonderprüfer sowie die Verwendung des Bilanzgewinns. Auch über die weiteren in § 119 Abs 1 genannten Beschlussgegenstände (Satzungsänderungen, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und -herabsetzung sowie Auflösung der Gesell-

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18 MünchKomm/Perlitt5 § 278, 120, § 286, 75; KK/Mertens/Cahn3 § 286, 23, § 278, 46; Hüffer/Koch14 § 131, 60 f, § 286, 1; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 286, 2 aE; Spindler/Stilz/Bachmann4 10; Sethe DB 1998, 1044, 1045. 19 Beide Normen erfassen die Erleichterungen für die Rechnungslegung der Institute, die in §§ 340– 340g HGB niedergelegt sind. § 340 Abs 4 HGB bezieht sich jedoch ausdrücklich auch auf Finanzdienstleistungsinstitute. Der Nachvollzug dieser Regelung im AktG wurde vergessen. Die Normen sind daher entsprechend ihrem Zweck erweiternd auszulegen. 20 Zu Recht kritisch ggü dieser gesetzlichen Vorgabe MünchKomm/Hennrichs/Pöschke4 § 176, 17; Spindler/Stilz/Euler/Klein4 § 176, 15. 21 OLG Hamm 11.4.1969 – 8 W 22/69, AG 1969, 295 f; KK/Mertens/Cahn3 § 286, 25; Spindler/Stilz/Bachmann4 10; Sethe DB 1998, 1044, 1045. 22 Vgl § 286 Rdn 46, 48. 23 Spindler/Stilz/Bachmann4 13. 24 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 38; KK/Mertens/Cahn3 30; MünchKomm/Perlitt5 15. 25 Bei der KGaA gilt der für das Personengesellschaftsrecht behauptete Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft nicht, s § 278 Rdn 18.

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schaft) entscheidet die Hauptversammlung der KGaA, doch ist diesbezüglich die Sonderregelung in § 285 Abs 2 Satz 1 zu beachten (su Rdn 59 ff). Bei der in § 119 Abs 1 Nr 8 genannten Auflösung ist darüber hinaus § 289 zu berücksichtigen. Über § 278 Abs 3 finden zudem die außerhalb von § 119 geregelten Hauptversammlungszuständigkeiten Anwendung (zB das Votum zum Vergütungssystem und zum Vergütungsbericht gemäß § 120a, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gemäß § 147 oder den Verzicht darauf gemäß § 93 Abs 4 Satz 3). Bei der KGaA wirkt die Hauptversammlung immer an der Feststellung des Jahresabschlusses mit (§ 286 Abs 1 Satz 1); zugleich obliegt ihr die Entscheidung über die Verwendung des auf die Kommanditaktionäre entfallenden26 Bilanzgewinns (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 2, 174; zum Zustimmungsrecht der Komplementäre zur Gewinnverwendung su Rdn 90 ff). Die Hauptversammlung ist sodann für die Zustimmung zu Strukturänderungen nach § 179a und nach dem UmwG zuständig (Vor § 278 Rdn 90 ff). Eine ungeschriebene Kompetenz der Hauptversammlung iSd Holzmüller-Doktrin ist abzulehnen (Vor § 278 Rdn 102, § 278 Rdn 123). 10

c) Nichtigkeit und die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen. Anzuwenden sind auch die Vorschriften über die Nichtigkeit und die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§ 278 Abs 3, 283 Nr 13, 241 ff). Soweit in diesen Vorschriften vom Vorstand die Rede ist, treten an dessen Stelle die geschäftsführungsbefugten Komplementäre. Ausgenommen von der Anwendung der vorgenannten Bestimmungen ist allein § 256 Abs 2, der aufgrund der Vorschrift des § 286 Abs 1 nicht herangezogen werden kann. Fraglich ist, ob der Verweis in § 283 Nr 13 auch die nicht geschäftsführungs- und 11 vertretungsbefugten Komplementäre erfasst. Da die in der Vorschrift genannten Pflichten nicht alle zwingend die Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis voraussetzen, wird die Norm heute allgemein weit ausgelegt und nur dann auf die geschäftsführungsbefugten Komplementäre beschränkt, wenn spezifisch die Geschäftsführungsbefugnis zur Erfüllung der in § 283 genannten Pflicht notwendig ist.27 Da die Erhebung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen nicht zwingend die Geschäftsführungsbefugnis voraussetzt, sind auch die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre zur Geltendmachung der Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit befugt. Vgl a § 283 Rdn 37. Umstritten war allerdings, wie sich der Verweis in § 283 Nr 13 konkret auf die An12 fechtungsbefugnis nach § 245 auswirkt. Begreift man § 283 Nr 13 als Rechtsfolgenverweisung, wie es das Schrifttum inzwischen einhellig tut, ist jeder einzelne (dh auch der nicht geschäftsführungsbefugte) Komplementär, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 245, anfechtungsbefugt.28 Das ältere Schrifttum betrachtete § 283 Nr 13 dagegen als Rechtsgrundverweisung, so dass gemäß § 245 Nr 4 nur die geschäftsführungsbefugten Komplementäre anfechtungsbefugt sein sollten, während den Komplementären allein die (in ihren Voraussetzungen strengere) Befugnis aus § 245 Nr 5 zustehen sollte.29 Eine dritte, heute ebenfalls nicht mehr vertretene Ansicht nahm zwar eine Rechtsgrundverweisung an, legte aber den Begriff des „Vorstands“ in § 245 Nr 4 bei der

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26 KK/Mertens/Cahn3 § 286, 33; Sethe S 187. 27 Baumbach/Hueck13 § 283, 2; Godin/Wilhelmi4 § 283; KK/Mertens/Cahn3 § 283, 6; MünchKomm/Perlitt5 § 283, 10, 39. 28 So Bürgers/Fett/Göz § 5, 276; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 283, 19; Godin/Wilhelmi4 6 und § 283; Grigoleit/Servatius2 § 283, 28; Henssler/Strohn/Arnold4 § 283, 3; Hölters/Müller-Michaels3, § 283, 12; Hüffer/Koch14 § 283, 3; KK/Mertens/Cahn3 § 283, 6, 20; MünchKomm/Perlitt5 § 283, 39 f; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 283, 19; nicht angesprochen in BGH 30.6.2015 – II ZR 142/14, BGHZ 206, 143 Rdn 45, da dort gerade der einzige geschäftsführungsbefugte Komplementär Klage erhoben hatte. 29 So noch Baumbach/Hueck13 § 283, 2; MünchKomm/Semler/Perlitt2 § 283, 10 (mit Fn 21), 39 f.

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KGaA weit aus und schloss die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre ein, mit der Folge, dass die Anfechtungsbefugnis nach Nr 4 allen Komplementären gemeinsam und die nach Nr 5 jedem Komplementär individuell zugestanden wurde.30 Im Ergebnis halten alle drei Ansichten die Komplementäre nach Nr 5 für anfechtungsbefugt. Das ist konsequent, da die Einhaltung des Gesetzes Sache aller Gesellschafter ist. Bei der Auseinandersetzung um die Reichweite der Bestimmung des § 245 Nr 4 ist zu berücksichtigen, dass den nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären in der Personengesellschaft weitreichende Klagemöglichkeiten31 offen stehen, um ihre mitgliedschaftlichen Rechte zu schützen. Der Gesetzgeber hat in § 245 (und auch in § 249) zu erkennen gegeben, dass anfechtbare oder nichtige Beschlüsse alle Gesellschafter in ihren Rechten berühren können. Gleiches gilt aber auch für die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre, die ebenso offensichtlich wie zwangsläufig bei der Formulierung der die AG betreffenden Vorschrift des § 245 nicht berücksichtigt wurden. Nimmt man den nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären die Möglichkeit, gegen rechtswidrige Beschlüsse der Hauptversammlung mit den Mitteln des Personengesellschaftsrechts vorzugehen, wie dies bei § 283 Nr 13 als Spezialnorm des Rechts der KGaA der Fall ist, muss man konsequenterweise den Rechtsschutz innerhalb des Aktienrechts weit fassen. Die Tatsache, dass die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre weder der Verwaltung angehören noch Kommanditaktionäre sind, sollte mithin bei der Auslegung von § 245 nicht überbewertet werden. Entscheidend ist deren mitgliedschaftliche Stellung. Diese ist gegen Übergriffe der geschäftsführungsbefugten Komplementäre und der Mehrheit der Hauptversammlung (beide sind oft identisch) zu schützen. Vorzugswürdig ist daher die Auslegung von § 283 Nr 13 als Rechtsfolgenverweisung, so dass jedem Komplementär unabhängig von der Geschäftsführungsbefugnis ein Anfechtungsrecht auch nach § 245 Nr 4 zusteht. Nur diese Auslegung berücksichtigt ausreichend, dass die Komplementäre angesichts der von ihnen übernommenen persönlichen Haftung einen Mindesteinfluss auf die Rechtmäßigkeit des Handelns der Gesellschaft haben sollten. Die spezialgesetzliche Regelung des § 283 Nr 13 verdrängt im Rahmen ihres Anwen- 13 dungsbereichs das Personengesellschaftsrecht. Die Komplementäre können deshalb gegen rechtswidrige Beschlüsse der Hauptversammlung nur im Wege der §§ 241 ff vorgehen.32 Bei den in §§ 246a Abs 1, 319 Abs 6 AktG, 16 Abs 3 UmwG genannten Beschlüssen steht die Möglichkeit des Freigabeverfahrens zur Verfügung.33 Unbenommen bleiben den Komplementären jedoch die übrigen personengesellschaftsrechtlichen Klagemöglichkeiten, wie zB die actio pro socio (§ 278 Rdn 62) oder die Klage gegen die übrigen Komplementäre.34 Auf diese Weise können etwa die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre auf Unterlassung der Zustimmung zu einem Hauptversammlungsbeschluss klagen, wenn die Satzung eine Mehrheitsentscheidung unter den Komplementären vorsieht und sie sich durch den mit Mehrheit gefassten Beschluss in ihren Kernbereichsrechten verletzt sehen. Die Anfechtungsbefugnis der Kommanditaktionäre richtet sich nach §§ 278 14 Abs 3, 245 Nrn 1–3. Bei Anfechtungsklagen von Aktionären wird die Gesellschaft von den persönlich haftenden Gesellschaftern und dem Aufsichtsrat vertreten (§§ 278 Abs 3, 246 Abs 2 Satz 2), im Übrigen durch einen geschäftsführungsbefugten Komplementär oder den Aufsichtsrat (§§ 278 Abs 3, 246 Abs 2 Satz 3). Beklagte ist die Gesellschaft (§§ 278

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Düringer/Hachenburg HGB3 § 325, 14. S dazu Baumbach/Hopt/Roth39 § 109, 38 ff, § 119, 31 f mwN. Bürgers/Fett/Göz § 5, 647. Bürgers/Fett/Göz § 5, 647. Vgl die ausführliche und sehr anschauliche Darstellung bei Bürgers/Fett/Göz § 5, 607 ff.

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Abs 3, 246 Abs 2 Satz 1), denn die Hauptversammlung handelt auch dann als Organ der KGaA, wenn sie Beschlüsse in ihrer Funktion als Gesamtheit der Kommanditaktionäre fasst.35 3. Personengesellschaftsrechtliche Komponente der Hauptversammlung. Die KGaA ist eine Mischform36 aus KG und AG, was sich insbesondere an der erweiterten Rechtsstellung der Hauptversammlung zeigt. Dieser stehen in ihrer Eigenschaft als Gesamtheit der Kommanditaktionäre die Rechte eines Kommanditisten einer KG zu (s §§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1). Die Hauptversammlung nimmt demnach auch personengesellschaftsrechtliche Kompetenzen wahr. Letztere umschreibt das Gesetz mit Rechten, die bei der KG den Kommanditisten zustehen. Damit sind folgende Beschlussgegenstände gemeint: Die Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäften (§ 164 Satz 1 Hs 2 HGB) und Grundlagengeschäften; die Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis (§§ 117, 127 HGB) sowie die Änderungen des Gesellschaftsvertrags (Ausgestaltung der Geschäftsführung, Aufnahme neuer Komplementäre, Verpflichtung der Komplementäre zur Leistung einer Einlage außerhalb des Grundkapitals etc), des Weiteren, wie sich aus § 289 ergibt, das Ausscheiden und die Ausschließung von Komplementären, diesbezügliche Abfindungsregelungen sowie die Auflösung der Gesellschaft. Zu den Rechten des Kommanditisten gehört darüber hinaus das Kontrollrecht aus § 166 HGB. Angesichts der weitergehenden aktienrechtlichen Minderheiten- und Auskunftsrechte kommt der Norm jedoch keine praktische Bedeutung zu, so dass dahinstehen kann, ob sie überhaupt auf die KGaA anzuwenden ist.37 Jede Entscheidung der Hauptversammlung zu den angeführten Beschlussgegenstän16 den bedarf nach §§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1, Abs 3 der Zustimmung der Komplementäre. Ergreifen – umgekehrt – die Komplementäre zu einem dieser Beschlussgegenstände die Initiative, ist die Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre erforderlich. Soweit die personengesellschaftsrechtliche Komponente der KGaA betroffen ist, kommt mithin – nicht anders als bei der KG – ein rechtswirksamer Beschluss immer nur im Zusammenwirken beider Gesellschaftergruppen zustande. Der Wortlaut von § 285 Abs 2 ist diesbezüglich ungenau gefasst, da er nur Initiativen, die von der Hauptversammlung ausgehen, erfasst und den umgekehrten Fall als selbstverständlich voraussetzt.38 Nach § 278 Abs 2 iVm §§ 164 Satz 1 Hs 2, 161 Abs 2, 116 Abs 2 HGB erstrecken sich die 17 Befugnisse der Geschäftsführung auf gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen.39 Für außergewöhnliche Geschäfte bedürfen die geschäftsführungsbefugten Komplementäre dagegen der Zustimmung der übrigen Gesellschafter, dh der nicht geschäftsfüh15

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35 Vgl § 287 Rdn 57, 62 sowie Godin/Wilhelmi4 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 12. 36 Zur Begründung s Vor § 278 Rdn 142, § 278 Rdn 3, 8 f und Sethe S 498 f. 37 S § 278, 101, 140. Ebenso Sethe S 167 f Fn 67; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 35; wohl auch KK/Mertens/Cahn3 § 278, 55. Die Anwendbarkeit von § 166 HGB bejahen MünchKomm/Perlitt5 § 278, 218; Hüffer/Koch14 § 278, 11 (pauschal zu §§ 114–118 HGB). 38 Su Rdn 65 und Sethe S 122 ff. 39 Die Bestellung eines Prokuristen ist eine gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme (Baumbach/ Hopt/Roth39 § 116, 8; Großkomm HGB/Casper5 § 164, 20; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 60), bedarf aber dennoch nach § 116 Abs 3 HGB der Zustimmung aller geschäftsführungsbefugten Gesellschafter, nicht dagegen des Aufsichtsrats, vgl 3. Aufl Barz § 278, 21; anders noch die Rechtslage gemäß §§ 238, 325 Nr 5 HGB aF, vgl Sethe S 147 Fn 166 mwN. Die Abberufung des Prokuristen kann dagegen von jedem geschäftsführungsbefugten Gesellschafter vorgenommen werden. Angesichts des Spannungsverhältnisses von weitreichender Verpflichtungsmöglichkeit des Prokuristen und persönlicher Haftung der Gesellschafter ist die jederzeitige Abberufung durch jeden einzelnen Geschäftsführer erforderlich und konsequent. Denn die Stellung als Prokurist basiert auf dem Vertrauen der Gesellschafter.

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rungsbefugten Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. In diesem Bereich weicht die rechtliche Regelung der KGaA von derjenigen in Bezug auf die AG ab. In letzterer leitet der Vorstand die Geschäfte in eigener Verantwortung (§ 76 Abs 1). Weder dem Aufsichtsrat (§ 111 Abs 4 Satz 1) noch den Aktionären steht ein Recht zur Mitwirkung an der Geschäftsführung zu. Allerdings steht es bei der AG im Ermessen des Vorstands, der Hauptversammlung bestimmte Maßnahmen zur Beschlussfassung nach § 119 Abs 2 vorzulegen. Das Vorlagerecht verdichtet sich bei strukturverändernden Maßnahmen zu einer Vorlagepflicht. Diese in der Holzmüller-Entscheidung40 vorgenommene Einschränkung der Geschäftsführungsrechte des Vorstands einer AG bestätigt für die AG, was bei der KGaA ohnehin schon aufgrund der Anwendung des Personengesellschaftsrechts (s Rdn 62, 86) gilt. Für die KGaA besteht daher keine Notwendigkeit der Anwendung der Holzmüller-Doktrin (Vor § 278 Rdn 102, § 278 Rdn 123). 4. Zusammenstellung der Kompetenzen der Hauptversammlung. Aus alledem 18 ergibt sich für die Hauptversammlung der KGaA folgende, die Sondervorschriften außerhalb des Aktienrechts mit einbeziehende Kompetenzordnung: Ausschließlich zuständig ist die Hauptversammlung für 19 – die Wahl des Aufsichtsrats (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 1), – die Wahl der Sonderprüfer (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 7, 285 Abs 2 Satz 2), – die Entlastung der geschäftsführungsbefugten Komplementäre (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 3), – die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 3), – den Beschluss über die Verwendung des auf die Kommanditaktionäre entfallenden Gewinnanteils41 (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 2, 174), – die Bestellung des Abschlussprüfers (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 4), – die Kündigung der Gesellschaft (§ 289 Abs 1, Abs 4 Satz 1; § 131 Abs 1 Nr 2 HGB) und – Beschluss über einen Squeeze-out (§ 327a Abs 1 Satz 2, dazu Vor § 278 Rdn 75b).



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Nicht ausschließlich zuständig ist die Hauptversammlung dagegen für 20 außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen (§§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1; §§ 164 Satz 1 Hs 2, 116 Abs 2 HGB) und Grundlagengeschäfte (§§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1), die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (§§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1; §§ 117, 127 HGB), die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 286 Abs 1 Satz 2), Satzungsänderungen (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 5, 285 Abs 2 Satz 1), die Verpflichtung der Komplementäre zur Erbringung einer Sondereinlage (§§ 278 Abs 2, 281 Abs 2; §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB; § 706 BGB), Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 6, 285 Abs 2 Satz 1), die Änderung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (§§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1; §§ 114 f, 125 HGB), die Aufnahme neuer Komplementäre (§§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1; § 109 HGB), das Ausscheiden und die Ausschließung von persönlich haftenden Gesellschaftern und die den Komplementären in diesen Fällen zu gewährende Abfindung (§§ 289 Abs 1, Abs 4 Satz 1, 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1; §§ 131 Abs 3, 140 HGB, 738 BGB),

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40 BGH 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122; kritisch 4. Aufl Assmann Einl 260 und 451 mwN; Semler BB 1983, 1566, 1571; Sethe S 148 f. 41 KK/Mertens/Cahn3 § 286, 33; Sethe S 187.

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die Auflösung der Gesellschaft (§ 289 Abs 1, Abs 4 Satz 1; § 131 Abs 1 Nr 2 HGB), die Verschmelzung (§§ 13 Abs 1, 78 Sätze 1 und 3 UmwG), die Spaltung (§§ 125 Satz 1, 13 Abs 1, 78 Satz 1 und 3 UmwG) sowie die Umwandlung in eine KGaA (§§ 217 Abs 3, 221, 240 Abs 2, 262 Abs 2, 275 Abs 3, 303 Abs 2 UmwG) und von einer KGaA in eine andere Gesellschaftsform (§§ 233 Abs 3 Satz 1, 240 Abs 3 Satz 1, 252 Abs 3 UmwG).

In den angeführten Fällen bedarf es, über einen diesbezüglichen Beschluss der Hauptversammlung hinaus, der Zustimmung der Komplementäre. 21

5. Satzungsautonomie. Die der Hauptversammlung über § 278 Abs 3 zustehenden aktienrechtlichen Kompetenzen unterliegen der Beschränkung des § 23 Abs 5 und können daher nicht Gegenstand abweichender Satzungsregelungen sein. Die personengesellschaftsrechtlichen Kompetenzen sind dagegen in den vom Personengesellschaftsrecht vorgegebenen Grenzen42 einer Satzungsregelung zugänglich. So kann bspw den Komplementären auch die Alleinentscheidung über außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen übertragen werden (su Rdn 85, § 278 Rdn 110 ff). Umgekehrt kann die Satzung der Hauptversammlung ein Mitsprache- oder Weisungsrecht bei Maßnahmen der ordentlichen Geschäftsführung einräumen (su Rdn 61 aE, 89),43 wenngleich eine solche Satzungsgestaltung nur bei kleinen Gesellschaften praktikabel sein dürfte. Des Weiteren kann das Recht zur Aufnahme neuer Komplementäre der Geschäftsführung oder dem Aufsichtsrat/Beirat zugestanden (dazu § 287 Rdn 102 f) und die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht erschwert oder erleichtert werden. Da die personengesellschaftsrechtlichen Kompetenzen der Hauptversammlung des Zusammenwirkens beider Gesellschaftergruppen bedürfen, stellt sich auch in Bezug auf das Zustimmungserfordernis beider Gesellschaftergruppen die Frage nach der Satzungsautonomie, die im Zusammenhang mit den Erläuterungen zu Abs 2 der Vorschrift zu behandeln ist (su Rdn 77 ff). III. Komplementäre als Kommanditaktionäre: Stimmrecht und Stimmrechtsausschlüsse (Abs 1)

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1. Stimmrecht und Zweck der Stimmrechtsausschlüsse. Die Hauptversammlung ist die Versammlung der Kommanditaktionäre (so Rdn 3). Deshalb sind in der Hauptversammlung allein die Kommanditaktionäre stimmberechtigt (nach Maßgabe der §§ 278 Abs 3, 134–137). Komplementäre haben als solche kein Stimmrecht. Auch kommt ihnen kein Stimmrecht aus Sondereinlagen zu und es darf ihnen ein solches auch kraft Satzung nicht gewährt werden (so Rdn 8). Den Komplementären steht folglich in der Hauptversammlung nur dann ein Stimmrecht zu, wenn sie zugleich Kommanditaktionäre sind (Abs 1 Satz 1). Für die Ausübung des Stimmrechts aus diesen Aktien gelten die allgemeinen Regeln (§ 133 ff). Ihr Stimmrecht als Kommanditaktionäre ist aber (aus den in Rdn 23 angeführten Gründen) in den in Abs 1 Satz 2 Nrn 1–6 genannten Fällen ausgeschlossen.

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42 Zu diesen Grenzen (Grundsatz der Verbandssouveränität, Grundsatz der Selbstorganschaft, Abspaltungsverbot, Kernbereich der Mitgliedschaft und Grenzen der Rechtsausübung) Sethe S 115 ff mwN sowie Vor § 278 Rdn 60. 43 Kallmeyer DStR 1994, 977, 978; MünchKomm/Perlitt5 40 f; § 278, 231; Sethe S 150 f. Zu den Grenzen eines Weisungsrechts s § 283, 21, § 278, 154.

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Der Aktienbesitz der Komplementäre wird vom Gesetz als Ausnahme verstan- 23 den,44 ist in der Praxis aber recht häufig anzutreffen, vor allem in Familienunternehmen. Die in Abs 1 enthaltene Regelung der Frage, welche Rechte einem Komplementär aus den von ihm gehaltenen Aktien zustehen, ist deshalb geboten, weil ein aktienbesitzender Komplementär gleichzeitig beiden Gesellschaftergruppen der KGaA angehört. Daraus und aus der Tatsache, dass die Komplementäre die Geschäftsführung stellen, können sich im Einzelfall Interessenkollisionen ergeben, die eine ordnungsgemäße Willensbildung innerhalb der KGaA und die Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats gefährden würden. Interessenkollisionen von Komplementären, die zugleich Kommanditaktionäre sind, waren im Laufe der Regelungsgeschichte der KGaA Gegenstand recht unterschiedlicher Ansätze. Nachdem das ADHGB diese Frage überhaupt nicht erfasste und damit der Behandlung durch die Satzung überließ, entzog der Gesetzgeber der 2. Aktienrechtsnovelle von 1884 den Komplementären das Stimmrecht für ihre Aktien ganz (Art 190 Abs 4).45 Diese Regelung wurde 1897 in das HGB übernommen (§ 327 Abs 1). Erst mit § 227 Abs 1 AktG 1937 wurde sie abgeschafft und durch die bis heute gültige Lösung ersetzt.46 Diese besteht darin, dass Komplementäre beim Erwerb von Aktien der KGaA keinen Beschränkungen unterliegen, ihr Stimmrecht als Kommanditaktionäre jedoch für bestimmte (in Abs 1 Satz 1 Nrn 1–6 aufgeführte) Beschlussgegenstände, die typischerweise Interessenkollisionen der Betroffenen auslösen können, ausgeschlossen ist. Der hiermit verfolgte Regelungsansatz hat sich bewährt. Er gewährleistet, dass die Machtverhältnisse in der Hauptversammlung der tatsächlichen Kapitalbeteiligung entsprechen und nicht eine Minderheit der Kommanditaktionäre die mit Aktienmehrheit beteiligten Komplementäre überstimmen kann.47 Insbesondere bei der Beschlussfassung über den Jahresabschluss hatte die vor 1937 geltende Regelung für Konfliktstoff gesorgt. Das AktG 1937 eröffnete den Komplementären eine rechtlich gleichwertige Beteiligung am Grundkapital. Diese Lösung ist sowohl für die Gesellschaft als auch für die Komplementäre von Vorteil, da die von der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse den Kapitalverhältnissen entsprechen sollten. Zudem betreffen die meisten Beschlüsse direkt oder zumindest indirekt beide Gesellschaftergruppen und sollten daher auch im Gesamtinteresse aller Gesellschafter liegen. Das deutsche Recht beschreitet mit Abs 1 einen Lösungsweg, der sich auch international durchgesetzt hat.48 2. Normadressaten der Stimmrechtsausschlüsse nach Abs 1 Sätze 2 und 3 a) Ausdrücklich genannte Normadressaten. Abs 1 Satz 2 enthält einen Katalog 24 von Beschlussgegenständen, bei denen die Komplementäre ihr Stimmrecht als Kommanditaktionäre nicht ausüben dürfen; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie geschäftsführungs- und/oder vertretungsbefugt sind oder nicht.49 Vereinzelt wird vertreten, der Tatbestand sei teleologisch auf die geschäftsführungs- und/oder vertretungsbefugten Komplementäre zu reduzieren, denn die nicht geschäftsführungsbefugten

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44 Das deutsche Recht steht damit im Gegensatz zum schweizerischen Regelungsmodell der KGaA, das für die Komplementäre einen Zwang zum Aktienerwerb vorsieht. Zum schweizerischen Modell Sethe S 380 f (Schweiz), 422, 424 f (Italien), 451 (Spanien). 45 Sethe S 65. 46 Sethe S 78. 47 Ritter § 227, 2. 48 Sethe S 531 f. 49 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 2; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 464; Heidel/Wichert5 4; Henssler/Strohn/ Arnold4 4; MünchKomm/Perlitt5 20; Spindler/Stilz/Bachmann4 15. Differenzierend KK/Mertens/Cahn3 7, 18, 20, 22. Zu Ausnahmen su 35.

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Komplementäre hätten allenfalls bei außergewöhnlichen Geschäften Einfluss auf die Geschäftsführung und ihnen kämen keine zukunftsgerichteten Initiativ- und Gestaltungsrechte zu.50 Eine solche Reduktion überzeugt nicht, denn die Stimmverbote bezwecken nicht nur die Verhütung von Interessenkonflikten auf organschaftlicher, sondern auch auf mitgliedschaftlicher Ebene (s Rdn 2). Die zwingenden (s Rdn 52 ff) Stimmrechtsausschlüsse gelten sowohl für Sachanträge als auch für diesen zugehörige Verfahrensanträge.51 Auch dürfen die Komplementäre in den in Abs 1 Satz 2 Nrn 1–6 angeführten Fällen das Stimmrecht nicht für Aktien anderer ausüben. Abs 1 Satz 3 erweitert das Stimmverbot dahingehend, dass auch Dritte das Stimmrecht aus Aktien der Komplementäre nicht wahrnehmen können.52 Das Stimmverbot hindert die Komplementäre nicht, in der Hauptversammlung anwesend zu sein,53 Auskunft zu verlangen54, von ihrem Rederecht Gebrauch zu machen55 und Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage zu erheben.56 Zur Frage, ob die Stimmverbote entfallen, wenn sich alle Aktien in den Händen aller oder mehrerer Komplementäre, in der Hand eines Komplementärs, oder in der Hand des einzigen Komplementärs befinden, su Rdn 32 ff. 25

b) Komplementärgesellschaft und deren Leitungsorgane. Ist eine Gesellschaft Komplementärin der KGaA, so gelten die Stimmverbote nach Abs 1 Sätze 2 und 3 für die Komplementärgesellschaft und für die – Kommanditaktien besitzenden – Mitglieder von deren Leitungsorgan, da die Gefahr einer Interessenkollision auf der Hand liegt. Ist also eine GmbH Komplementärin, so erstrecken sich die Stimmrechtsbeschränkungen nach einhelliger Meinung auch auf deren Geschäftsführer.57 Bei einer AG als Komplementärin erfassen die Stimmverbote die Vorstandsmitglieder.58 Nur am Rande thematisiert wird die Frage, ob auch die Mitglieder des Aufsichtsrats der Komplementärgesellschaft von Stimmverboten erfasst werden.59 Dies ist zu bejahen, wenn sie sich in einem Interessenkonflikt zur KGaA befinden, etwa wenn es um die Geltendmachung oder den Verzicht auf Ersatzansprüche geht.60 Denn ein Fehlverhalten der Aufsichtsratsmitglieder in der Komplementär-AG kann zugleich ein Fehlverhalten der Komplementärgesellschaft gegenüber der KGaA darstellen. Bei einer Personenhandelsgesellschaft als Komplementärin erfassen die Stimmverbote auch die geschäftsführungsbefugten persönlich

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50 Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 184 iVm 165 f; im Ergebnis wohl auch Schnülle NZG 2017, 1056 aE. 51 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6; KK/Mertens/Cahn3 9; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 187; Hüffer/Koch14 1; MünchKomm/Perlitt5 18; Spindler/Stilz/Bachmann4 15. 52 Zu den Sanktionen bei Verstößen hiergegen su 57 mwN. 53 KK/Mertens/Cahn3 9; MünchKomm/Perlitt5 18. 54 KK/Mertens/Cahn3 9; MünchKomm/Perlitt5 18. 55 Vgl Baumbach/Hueck13 3; KK/Mertens/Cahn3 9; Matthießen S 15 f, 348 (mwN, auch zur Gegenansicht). 56 Spindler/Stilz/Bachmann4 15; KK/Mertens/Cahn3 9; MünchKomm/Perlitt5 18. 57 Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 266; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 464; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 3; Grigoleit/Servatius2 10; Heidel/Wichert5 4; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 184 f; Henssler/Strohn/Arnold4 4; Hölters/Müller-Michaels3 4; Hüffer/Koch14 1; Kiefer S 144 f; Ihrig/Schlitt S 46 f; Kölling S 154; KK/Mertens/Cahn3 8; Mertens in: FS Ulmer, 2003, S 419, 420; MünchKomm/Perlitt5 22, § 278, 325; Neumann-Duesberg S 148 f; Schaumburg DStZ 1998, 526, 528 Fn 38; Schlitt S 207; K Schmidt in: FS Priester, 2007, S 691, 702; Schaumburg DStZ 1998, 526, 528 Fn 38; Schmidt/Lutter/Schmidt3 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 25; Wichert AG 2000, 268, 274. Offen gelassen von BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 21. 58 Vgl die Nachw in Fn 54. 59 Diese Frage ist unabhängig von dem auf die KGaA anwendbaren Stimmverbot nach § 328 Abs 3 zu beantworten, da die Interessenlage eine andere ist. 60 AA MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 59 (zu § 287 Abs 3).

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haftenden Gesellschafter und im Falle einer KG auch die ggf geschäftsführungsbefugten Kommanditisten.61 c) Gesellschafter der Komplementärgesellschaft. Umstritten ist, ob die Stimm- 26 verbote darüber hinaus auch auf die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft zu erstrecken sind. (1) Ein Teil des Schrifttums sieht, um bereits den Anschein der Befangenheit zu vermeiden, alle Gesellschafter der Komplementärgesellschaft als erfasst an.62 (2) (a) Ähnlich streng sind diejenigen, die die Stimmverbote auf alle Gesellschafter anwenden, sofern diese mehr als nur unwesentlich beteiligt sind.63 (b) Innerhalb dieser Ansicht erfolgt zum Teil eine weitere Differenzierung, indem die Stimmverbote nur auf Gesellschafter einer Komplementär-GmbH angewendet werden, da wegen deren Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern (§ 37 Abs 1 GmbHG) die zumindest abstrakte Gefahr einer Interessenkollision gegeben sei. Eine Ausdehnung der Stimmverbote auf die Aktionäre einer Komplementär-AG sei abzulehnen, denn der Vorstand der AG handele unabhängig und sei nicht weisungsunterworfen (§ 76 Abs 1). Ist die AG abhängiges Unternehmen iSv §§ 17, 18, so träfen die Stimmverbote auch die Muttergesellschaft.64 (3) (a) Die wohl herrschende Meinung erstreckt die Stimmverbote unabhängig von der Rechtsform auf deren maßgeblich beteiligte Gesellschafter (bzw nach anderer Formulierung auf deren beherrschenden Gesellschafter/Gesellschaftergruppe). 65 (b) Teilweise werden aber auch hier die Aktionäre einer Komplementär-AG mangels Weisungsmöglichkeit gegenüber dem Vorstand ausgenommen.66 (4) Ein Teil des Schrifttums lehnt aus Gründen der Rechtssicherheit die Erstreckung der Stimmverbote auf die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft gänzlich ab.67 Der Meinungsstreit beruht auf unterschiedlichen Vorstellungen über die von der 27 Norm verfolgten Zwecke. Dabei wird die Meinungsbildung durch den Umstand erschwert, dass sich zahlreiche Autoren mit dem Normzweck von § 285 Abs 1 Satz 2 nur

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61 Ebenso Bürgers/Körber/Förl/Fett4 3. 62 Halasz/Kloster/Kloster GmbHR 2002, 77, 85 (zur GmbH); Ihrig/Schlitt S 46 f (zur GmbH); NeumannDuesberg S 151 ff; Wichert AG 2000, 268, 274 (zur GmbH). 63 Schütz/Bürgers/Riotte/Bürgers § 5, 464 (Ansicht in der Folgeaufl aufgegeben); Förl KGaA S 33 („Einfluss“); Heidel/Wichert5 4; Kiefer S 145 ff (mehr als nur unwesentlich ist für ihn jede Beteiligung über 10%); MünchKomm/Semler/Perlitt2 § 278, 336; Schlitt S 207 (GmbH); Wank ZGR 1979, 222, 228 (zu § 47 GmbHG); ebenso noch 4. Aufl Assmann/Sethe 25 (anders aber Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 266). 64 4. Aufl Assmann/Sethe 25. 65 OLG Frankfurt 28.5.2013 – 5 U 126/12, Rdn 34 f (juris; zu § 287 Abs 3); Arnold S 103; Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 266; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 3; Fett/Stütz NZG 2017, 1125; Grigoleit/Servatius2 10; Henssler/Strohn/Arnold4 4; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 289; Hüffer/Koch14 1; MünchKomm/Perlitt5 19, 22 aE, § 278, 325; Kölling S 155 f; K Schmidt in: FS Priester, 2007, S 691, 705 (im „Zentralverwaltungsmodell“); Schmidt/Lutter/Schmidt3 12; Schnülle NZG 2017, 1057; Seibt/von Rimon AG 2019, 753, 758 f; ebenso noch Spindler/Stilz/Bachmann4 25 f. Offen gelassen von BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 21. Zu den beherrschenden Gesellschaftern einer Personengesellschaft Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 176 f mwN. 66 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 464 iVm 452 aE.; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 37; nach aA kommt es auf die Weisungsfreiheit des Vorstands nicht an, da auch in der AG der Vorstand das Vertrauen des Mehrheitsaktionärs benötigte (vgl § 84 Abs 3 Satz 2), vgl Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 184 f iVm 174 ff; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 321 (zu § 287 Abs 3); Spindler/Stilz/Bachmann4 26; Schnülle NZG 2017, 1057. 67 KK/Mertens/Cahn3 8; Otte S 168 ff; tendenziell auch Reichert ZIP 2014, 1957, 1960 f sowie Wollburg in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 1425 ff (zur Parallelvorschrift des § 287 Abs 3). Bachmann AG 2019, 581 ff und Habersack ZIP 2019, 1453, 1458 ff haben jüngst ihre Position zu § 287 Abs 3 geändert. Ob sie dies nun auch in Bezug auf die Stimmverbote tun, ist offen.

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oder vor allem unter dem Gesichtspunkt der Aufsichtsratswahl auseinandersetzen. Sie messen der Einschränkung des passiven Wahlrechts (§ 287 Abs 3) und dem Stimmverbot in Nr 1 denselben Zweck zu.68 Man überträgt folglich die Wertungen aus § 287 Abs 3 auf § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und verallgemeinert dann in einem zweiten Schritt den so ermittelten Zweck auf alle Stimmverbote des § 285 Abs 1.69 Verkompliziert wird dieses Vorgehen anschließend durch den Umstand, dass man den Normzweck von § 285 Abs 1 Satz 2, § 287 Abs 3 einerseits und § 105 AktG andererseits gleichsetzt70 und dabei verkennt, dass die Stimmverbote bei der KGaA auch diejenigen Zwecke verfolgen, die bei der AG durch § 136 erreicht werden sollen. Wenn die Funktion des Aufsichtsrats bei der AG und diejenige bei der KGaA wirklich deckungsgleich wären, wie dies behauptet wird, müsste sich auch bei der AG eine Einschränkung finden, wonach befangene Personen von der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder ausgeschlossen sind. Gerade das Fehlen einer solchen Bestimmung bei der AG zeigt, dass § 285 Abs 1 Satz 2 eine andere (weitreichendere) Funktion zukommen muss. Bei der KGaA entspricht zwar die Inhabilität (§ 287 Abs 3) dem Recht der AG, nicht aber auch die Wahlberechtigung zum Aufsichtsrat. Eine Gleichsetzung von AG und KGaA verbietet sich daher. Mit § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass dem Aufsichtsrat der KGaA gerade eine weitere Funktion neben der Überwachung der Geschäftsführung zukommt, nämlich die Vertretung der Interessen der Kommanditaktionäre. Anders als die AG hat die KGaA zwei Gesellschaftergruppen, von denen die eine (Kommanditaktionäre) kraft Gesetzes von der Wahl der und der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung ausgeschlossen ist. Es ist den Kommanditaktionären daher verwehrt, eine Korrektur der Unternehmensführung über eine Abwahl der Unternehmensleitung vorzunehmen. Als Kompensation stellt ihnen das Gesetz daher mit dem Aufsichtsrat eine vom Einfluss der anderen Gesellschaftergruppe unabhängige Kontrollmöglichkeit zur Verfügung. Aus diesem Grund stellt § 287 Abs 1 und 2 fest, dass der Aufsichtsrat die Interessen der Kommanditaktionäre wahrnimmt. Hiergegen wird eingewandt, der Aufsichtsrat der KGaA sei kein Organ der Gesellschaftergruppe, sondern ein solches der Gesellschaft. Dieser Einwand überzeugt nicht. Entscheidend ist die Funktion des Organs, nicht die formale Ansiedlung. Der Aufsichtsrat kann selbstverständlich auch dann die Interessen der Kommanditaktionäre vertreten, wenn man ihn als Organ der KGaA begreift (sa Rdn 36). Weitet man den Blickwinkel und betrachtet nicht nur das Stimmverbot in Abs 1 28 Satz 2 Nr 1, sondern alle Stimmverbote in Abs 1, wird das gefundene Ergebnis bestätigt: Die KGaA hat – anders als die AG – nicht nur einen Mehrheiten-Minderheiten-Gegensatz innerhalb der Aktionäre, sondern zusätzlich einen (potentiellen) Interessengegensatz zwischen den beiden Gesellschaftergruppen. Um eine angemessene Interessenvertretung der Kommanditaktionäre in der Gesellschaft zu gewährleisten, muss folglich die Hauptversammlung ein Organ sein, das hinsichtlich bestimmter Mindestkontrollrechte der Kommanditaktionäre nicht auch noch von den Komplementären dominiert wird. Nur so lässt sich verhindern, dass die Kontrolle der Unternehmensleitung ausgehöhlt wird. Betrachtet man die Liste der Stimmverbote, geht es dem Gesetzgeber in § 285 Abs 1 Satz 2 allein darum, die Kontrollkompetenzen zugunsten der Kommanditaktionäre frei vom Einfluss der Komplementäre zu halten. In diesem Sinne kann man von „Gegnerfreiheit“ sprechen, weil die andere Gesellschaftergruppe gerade nicht Sonderprüfer, Haftungsklagen etc. verhindern können soll. Das Argument des BGH, eine Geg-

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68 Vgl etwa Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 184; Spindler/Stilz/Bachmann4 26. 69 Spindler/Stilz/Bachmann4 26. 70 Vgl zur Gleichsetzung von § 287 Abs 3 und § 105 etwa Bachmann AG 2019, 581 ff und Habersack ZIP 2019, 1453, 1458 ff.

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nerfreiheit sei nicht möglich, weil ja auch der Aufsichtsrat der KGaA der Mitbestimmung unterliege und es Entsendungsrechte gebe,71 überzeugt nicht.72 Gegnerfreiheit heißt „frei von dem Einfluss der gegnerischen Mannschaft“, sagt aber nichts über die Zusammensetzung der eigenen Mannschaft aus.73 Das Vorhandensein der Mitbestimmung führt gerade nicht zu einem (veränderten) Einfluss der Komplementäre. Auch der Hinweis des BGH, im Aufsichtsrat könnten Entsendungsrechte bestehen, ist nicht überzeugend, da hier der BGH einem Zirkelschluss aufgesessen ist. Im Verfahren „Spaten“ ging es seinerzeit auch um die Frage, ob das Stimmverbot des § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und die Inhabilitätsvorschrift des § 287 Abs 3 nicht dazu führen müssten (su Rdn 38), dass den Komplementären kein Entsendungsrecht zustehen darf. Dann aber kann das Entsendungsrecht nicht Argument für die Auslegung von § 285 Abs 1 Satz 2 sein. Dass der BGH im SpatenUrteil nicht überzeugend argumentiert, zeigt sich auch daran, dass er beim Entsendungsrecht die offensichtliche Umgehungssituation ignorierte (su Rdn 38). Die einseitige Fokussierung der Diskussion auf §§ 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1, 287 Abs 3 29 und § 105 hat – wie in Rdn 27 dargelegt – dazu geführt, dass man die Vorschrift des § 136 (und § 47 Abs 4 GmbHG) unbeachtet ließ.74 Dort ist anerkannt, dass die Stimmverbote ein Richten in eigener Sache verhindern sollen. Daher steht dem Aktionär kein Stimmrecht zu bei seiner Entlastung als Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats, seiner Befreiung von einer Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft und der Geltendmachung eines Anspruchs gegen ihn. Die Norm entspricht damit § 285 Abs 1 Satz 2 Nrn 2, 4, 5. Auch die Rechtsfolge ist mit § 285 Abs 1 Satz 2 und 3 vergleichbar: In den genannten Angelegenheiten kann ein Aktionär (1) das Stimmrecht aus seinen Aktien nicht für sich selbst ausüben (§ 136 Abs 1 Satz 1, 1. Alt) oder (2) durch einen Vertreter ausüben lassen (§ 136 Abs 1 Satz 1). (3) Auch darf er nicht das Stimmrecht aus Aktien eines anderen Aktionärs ausüben (§ 136 Abs 1 Satz 1, 2. Alt). Diese Stimmverbote erstrecken Rechtsprechung und ganz herrschende Lehre auch auf Dritte, wenn die befangene Person maßgeblichen Einfluss auf deren Abstimmungsverhalten hat: Ihrem Zweck entsprechend wird die Norm aber auch ausgedehnt auf die Konstellation, in der die von § 136 erfasste befangene Person zwar nicht selbst Aktionärin ist, aber maßgeblichen Einfluss auf das Stimmverhalten derjenigen Gesellschaft hat, die Aktionärin der AG bzw KGaA ist (Drittgesellschaft). Hier besteht die Gefahr, dass eine gesellschaftsrechtlich begründete nachhaltige Interessenverknüpfung zur Drittgesellschaft besteht, die intensiver ist als diejenige zur KGaA, so dass sich das Mitglied der Drittgesellschaft eher von deren Interessen leiten lässt als von denen der KGaA.75 Dies ist bei der Einpersonen-Gesellschaft stets der Fall, da die wirtschaftlichen Interessen von Gesellschaft und Alleingesellschafter deckungsgleich sind. Der Alleingesellschafter einer von den Stimmverboten erfassten Drittgesellschaft muss daher von § 136 erfasst werden.76 Gleiches gilt, wenn der Aktionär

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71 BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 15; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 163; HoffmannBecking/Herfs in: FS Sigle 2000, S 273, 289; im Ergebnis wohl auch Schnülle NZG 2017, 1056 sowie zu § 287 Abs 3 Bachmann AG 2019, 581, 583 f; Habersack ZIP 2019, 1453, 1459. 72 LG München I, 5.4.2002 – 5 HKO 2178/01, AG 2002, 467, 468; Bürgers/Körber/Bürgers4 § 5, 448. 73 Die Ansicht des BGH würde im Fußball zu dem absurden Ergebnis führen, dass – nur weil ein Oligarch Einfluss auf die Zusammensetzung „seiner“ Fußballmannschaft A nimmt – auch die gegnerische Mannschaft B bei der Zusammensetzung der Mannschaft A mitbestimmen dürfte. 74 Für eine Heranziehung von § 136 zur Auslegung von § 285 Abs 1 Satz 2 bereits Arnold S 101 ff; weitergehend und damit aA Ihrig/Schlitt S 46 f, da es bei § 285 Abs 1 nicht um ein Richten in eigener Sache gehe, sondern vielmehr um den institutionellen Ausgleich zwischen den Gesellschaftergruppen. 75 Hüffer/Koch14 § 136, 12; Schmidt/Lutter/Spindler3 § 136, 15; KK/Tröger3 § 136, 74; Villeda AG 2013, 57, 63 f – jeweils zur AG. 76 BGH 22.4.1971 – III ZR 46/68, BGHZ 56, 47, 53 = NJW 1971, 1265, 1267; BGH 29.3.1973 – II ZR 25/70, NJW 1973, 1039, 1040 f; BGH 10.2.1977 – II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 109; 3. Aufl Barz § 136, 3; Hüffer/Koch14 § 136,

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für die Schulden der Drittgesellschaft haftet, sei es als persönlich haftender Gesellschafter, sei es aufgrund vertraglicher Garantien etc.77 Umstritten ist die Lage im Hinblick auf einen Gesellschafter, der – ohne Alleingesellschafter zu sein – an der Drittgesellschaft maßgeblich beteiligt ist. Auch hier kann sich die Gefahr einer Interessenkollision verwirklichen, denn der maßgeblich beteiligte Gesellschafter wird regelmäßig im Interesse der Drittgesellschaft entscheiden.78 Ein Teil des Schrifttums lässt hier die rechtlich gesicherte Möglichkeit der Einflussnahme ausreichen, wie sie etwa bei einer Mehrheitsherrschaft besteht.79 Die Gegenansicht verlangt „ein überwiegendes unternehmerisches Interesse an der anderen Gesellschaft“, wofür die Mehrheitsherrschaft nur ein Indiz sei.80 Im Ergebnis spricht auch die zur Parallelvorschrift des § 136 bestehende Rechtsauffassung dafür, die in § 285 Abs 1 genannten parallelen Stimmverbote auf den Alleingesellschafter bzw den/die maßgeblich beteiligten Gesellschafter der Komplementärgesellschaft zu erstrecken. Gegen die Erstreckung der Stimmverbote in § 285 Abs 1 Satz 2 und 3 auf die beherr30 schenden Gesellschafter der Komplementärgesellschaft ließe sich einwenden, dass diese – im Falle des Besitzes der Mehrheit der Kommanditaktien – genauso am Wohlergehen der KGaA interessiert seien wie die übrigen Kommanditaktionäre. Dieses zur Inhabilität nach § 287 Abs 3 vorgebrachte Argument81 überzeugt in Bezug auf die Stimmverbote nicht, denn bei § 285 Abs 1 Satz 2 und 3 geht es auch um die Kontrolle der Geschäftsführung. Eine solche ist gerade in Zeiten, in denen die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung kontrovers beurteilt wird, wichtig. Wenn etwa die maßgeblich an der Komplementärgesellschaft beteiligten Gesellschafter mit ihren Kommanditaktien in der Hauptversammlung der KGaA die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der KGaA gegen ihre Komplementärgesellschaft verhindern könnten, wären die Minderheitskommanditaktionäre völlig rechtlos gestellt. Auch wäre es nicht im Interesse der Minderheit, wenn die Abschlussprüfer indirekt von der Geschäftsleitung gewählt werden könnten, indem die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft ihre Kommanditaktienmehrheit entsprechend nutzen. Gegen die Erstreckung des Stimmverbots auf die beherrschenden Gesellschafter wird weiterhin vorgebracht, dass die Minderheitsaktionäre ausreichenden Schutz durch das Konzernrecht genössen.82 Die Anwendung des Konzernrechts auf die Komplementärgesellschaft und damit der Schutz der abhängigen KGaA durch die §§ 311 ff ist jedoch nur selten gegeben: Eine Komplementärgesellschaft, deren Aufgabe sich auf die Wahrnehmung der Organfunktion in der KGaA beschränkt, stellt kein herrschendes Unternehmen dar. Das Konzernrecht ist folglich nur anwendbar, wenn die Komplementärgesellschaft oder eine sie beherrschende Gesellschaft weitere unternehmerische Zwecke verfolgt und damit ein Unternehmen iSd Konzernrechts darstellt (s Vor § 278 Rdn 76 f). Der Schutz durch das Konzernrecht ist daher in der überwie-

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12 f; Raiser/Veil Kapitalgesellschaftsrecht6 § 43, 65 (zur GmbH); Spindler/Stilz/Riekers4 § 136, 31 f; Wank ZGR 1979, 222, 225 ff; Winter Treuebindungen S 104. Abweichend der Ansatz von Grundmann § 136, 24, der die Interessenkollision zwar ebenfalls bejaht, sie aber nicht über ein Stimmverbot, sondern über die Treuepflicht lösen will. 77 Spindler/Stilz/Riekers4 § 136, 32 mwN. 78 BGH 22.4.1971 – III ZR 46/68, BGHZ 56, 47, 53 = NJW 1971, 1265, 1267; BGH 10.2.1977 – II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 109; OLG Hamburg 29.10.1999 – 11 U 45/99, NZG 2000, 421, 422; 3. Aufl Barz § 136, 3; Hüffer/Koch14 § 136, 12 f; Raiser/Veil Kapitalgesellschaftsrecht6 § 43, 65 (zur GmbH); Winter Treuebindungen S 104. Enger Spindler/Stilz/Riekers4 § 136, 31 f. 79 Statt vieler MünchHdBAG/Hoffmann-Becking4 § 39, 39 mwN. 80 MünchKomm/Arnold4 § 136, 43 mwN; Spindler/Stilz/Riekers4 § 136, 32; so bereits KK/Zöllner1, § 136, 42 f. 81 So Bachmann AG 2019, 581, 586. 82 Habersack ZIP 2019, 1453, 1457 f (zu § 287 Abs 3).

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genden Zahl der heute existierenden KGaA gerade nicht gewährleistet, da sie nur über eine Komplementärgesellschaft verfügen, die ausschließlich die Organfunktion ausübt. d) Zwischenfazit. Im Ergebnis sind daher die Stimmverbote des § 285 Abs 1 auf den 31 Alleingesellschafter bzw den/die maßgeblich beteiligten Gesellschafter der Komplementärgesellschaft zu erstrecken. Es reicht die verlässliche Möglichkeit der Einflussnahme aus.83 Gleiches gilt für den Fall, dass sich sämtliche Anteile der Komplementärgesellschaft in der Hand von einigen Kommanditaktionären befinden, da diese regelmäßig dem Interesse der von ihnen völlig beherrschten Komplementärgesellschaft Vorrang vor dem der KGaA einräumen werden.84 Auch kann es keine Rolle spielen, ob ein beherrschender Einfluss auf die Komplementärgesellschaft direkt oder vermittelt durch zwischengeschaltete weitere beherrschte Gesellschaften ausgeübt wird. Daher erstrecken sich die Stimmverbote auch auf einen die Komplementärgesellschaft mittelbar beherrschenden Kommanditaktionär.85 Gleiches gilt für die – Kommanditaktien besitzenden – Vertretungsorgane einer juristischen Person, die an der Komplementärgesellschaft beteiligt sind.86 Besitzen die Mitglieder des Aufsichtsrats der Komplementärgesellschaft Kommanditaktien der KGaA, werden sie nach hM allein aufgrund ihrer Stellung als Aufsichtsratsmitglieder nicht von den Stimmverboten erfasst.87 Diese Einschränkung der Stimmverbote geht jedoch zu weit. Wenn die Aufsichtsratsmitglieder zugleich die Komplementärgesellschaft beherrschen, fallen sie aus den in Rdn 26 ff genannten Gründen unter die Stimmverbote. Gleiches gilt für den Fall, dass es um die Sonderprüfung, die Geltendmachung von oder den Verzicht auf Ersatzansprüche geht, sofern die Aufsichtsratsmitglieder als mögliche Anspruchsgegner in Rede stehen (so Rdn 25). 3. Teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs a) Einpersonen-KGaA, Einheits-KGaA. Ging es oben in Rdn 24 ff um die Frage der 32 Reichweite der Stimmverbote und deren Ausdehnung auf aktienbesitzende Personen, die die Komplementärgesellschaft beherrschen, ist im Folgenden zu prüfen, ob der so ermittelte Anwendungsbereich in bestimmten Konstellationen teleologisch zu reduzieren ist. Befinden sich alle Aktien in der Hand des einzigen Komplementärs88 oder der Komplementärgesellschaft (Einpersonen-KGaA), entfallen die Stimmverbote, da bei Einpersonen-Gesellschaften jegliche Gefahr einer Interessenkollision ausgeschlossen ist.89 Gegen das Entfallen der Stimmverbote lässt sich zwar einwenden, dass zukünftige

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83 Ausführlich jüngst Seibt/von Rimon AG 2019, 753, 758 f. 84 Arnold S 103. 85 Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 185 iVm 177; aA Seibt/von Rimon AG 2019, 753, 758 f, die dies aus Gründen der Rechtssicherheit ablehnen. 86 Jeweils zu § 287 Abs 3 OLG Frankfurt 28.5.2013 – 5 U 126/12, Rdn 33 (juris); Henssler/Strohn/Arnold4 4; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 171 f; aA zu § 287 Abs 3 Bachmann AG 2019, 581, 589; Habersack ZIP 2019, 1453, 1461, die das Stimmverbot nicht auf beherrschende Gesellschafter erstrecken und folglich auch nicht auf eine mittelbare Beherrschung. 87 Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 185 iVm 167 ff sowie jeweils zu § 287 Abs 3 Henssler/Strohn/Arnold4 § 287, 2; Hüffer/Koch14 § 287, 4; Wollburg in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 1430 f. 88 Zur Zulässigkeit der Einpersonen-KGaA s § 278, 18, § 280, 15 f. 89 Dreisow DB 1977, 851 ff; ders WPg 1976, 658, 661; Elschenbroich S 121; Grigoleit/Servatius2 8; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 186; Hölters/Müller-Michaels3 4; KK/Mertens/Cahn3 24; KK/Mertens/Cahn3 § 280, 6; Matthießen S 90; MünchKomm/Perlitt5 21; Spindler/Stilz/Bachmann4 27; Schnülle NZG 2017, 1057 f; Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S 183 ff. AA Barner Die Entlastung als Institut des Verbandsrechts, 1990, S 21 ff (Entlastung eines Einpersonen-Gesellschafters als solche sei unzulässig, da die Entlastung Ergebnis eines

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Anleger dann einen Aufsichtsrat vorfinden, der allein vom Komplementär bestellt wurde. Stimmverbote dienen jedoch nicht dazu, potentielle Anleger zu schützen, da diese es in der Hand haben, sich vor dem Erwerb der Aktien über die Verhältnisse in der Gesellschaft zu informieren. Wollte man auch bei der Einpersonen-KGaA an den Stimmverboten festhalten, würde dies im Übrigen zu einer teilweisen Funktionsunfähigkeit der Gesellschaft führen,90 da bestimmte Beschlüsse gar nicht mehr gefasst werden könnten. Befinden sich alle Anteile der Komplementärgesellschaft in der Hand der KGaA (Einheits-KGaA, dazu § 278 Rdn 18, 41, § 280 Rdn 11), gelten die Stimmverbote ebenfalls nicht.91 b) Gesellschaftergruppenidentität. Umstritten ist dagegen die Geltung der Stimmverbote für den Fall, dass alle, mehrere oder einer der Komplementäre alle Aktien der Gesellschaft besitzen (Gesellschaftergruppenidentität). Die herrschende Meinung lässt auch hier die Stimmverbote entfallen, weil es keinen Interessengegensatz zwischen den zwei Gesellschaftergruppen mehr geben könne.92 Eine früher vertretene Ansicht93 hielt dagegen nur die Stimmverbote nach § 285 Abs 1 Satz 2 Nrn 1, 6 (Wahl des Aufsichtsrats und der Abschlussprüfer) für solche, die der Verhinderung einer Interessenkollision zwischen den Gesellschaftergruppen dienten. Allein diese Stimmverbote entfielen daher bei der Gesellschaftergruppenidentität,94 während die übrigen Stimmverbote der Erhaltung der im öffentlichen Interesse zwingend vorgeschriebenen Organisationsstruktur der KGaA dienten und daher bei der Gesellschaftergruppenidentität fortbestünden. 34 Keine der vorgenannten Ansichten vermag jedoch zu überzeugen. Die früher vertretene Ansicht berücksichtigte nicht, dass die Stimmverbote des § 285 Abs 1 ausweislich der Entstehungsgeschichte nur zum Schutz der Kommanditaktionäre im Falle von Interessenkollisionen eingeführt wurden.95 § 285 Abs 1 verfolgt den gleichen Zweck, wie die übrigen aktienrechtlichen Stimmverbote. Sie sollen ein Richten in eigener Sache verhindern,96 nicht aber eine bestimmte gesellschaftsrechtliche Struktur oder öffentliche Ordnung gewährleisten. Die herrschende Meinung übersieht, dass die Stimmverbote nicht allein an die Gesellschafterstellung, sondern auch an die Organstellung der Komplementäre gekoppelt sind. Entscheidend ist also nicht allein der Wegfall des Interessengegensatzes zwischen den Gesellschaftergruppen. Vielmehr soll die Geschäftsfüh33

_____ Kontrollvorgangs sei, der bei der Einpersonen-Gesellschaft fehle); Geßler/Eckardt1 § 120, 10 (nur Entlastung des Aufsichtsrats möglich); KK/Zöllner1 § 120, 33 (Zulässigkeit der Selbstentlastung sei zu verneinen); Ritter § 227, 2 (anfechtbarer Beschluss, der aufgrund der Einigkeit der Gesellschafter nach Ablauf der Anfechtungsfrist wirksam wird). 90 Im Einzelnen Dreisow DB 1977, 851 ff. 91 Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 186 f; Hüffer/Koch14 1; Schnülle NZG 2017, 1058; Spindler/Stilz/ Bachmann4 28a. 92 Dreisow DB 1977, 851, 853 f; ders WPg 1976, 658, 661; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 186; Hüffer/ Koch14 1; MünchKomm/Perlitt5 21 f; Schlitt S 207; Schnülle NZG 2017, 1058. Dagegen gehen Baumbach/ Hueck13 § 280, 2, auf die Problematik nicht ein, lassen aber das Stimmverbot bei der Aufsichtsratswahl entfallen. 93 KK/Mertens1 § 280, 5. 94 AA Godin/Wilhelmi4 § 287, 2 (Wahl des Aufsichtsrats zwar anfechtbar, aber Fehlen der Anfechtungsbefugnis); aA auch Schlegelberger/Quassowski3 § 229, 2 (gerichtliche Bestellung des Aufsichtsrats nötig). 95 Dreisow DB 1977, 852 mwN. 96 Ausführlich K Schmidt, GesR4 S 608 ff; Matthießen S 115 ff, 168 ff, die diese gebräuchliche Formulierung zu Recht dahingehend präzisieren, dass (auch) eine Abstimmung des Betroffenen über Maßnahmen verhindert werden soll, die gegen ihn selbst ergriffen werden, so auch BGH 29.1.1976 – II ZR 19/75, NJW 1976, 713, 714.

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rung nicht über die Rechtmäßigkeit des eigenen Tuns mitentscheiden, was zu einer Gefährdung der Verbandsinteressen führen würde.97 Angesichts dessen ist bei Gruppenidentität eine Differenzierung hinsichtlich der 35 einzelnen Stimmverbote angezeigt: Bei der Bestellung, Abberufung und Entlastung des Aufsichtsrats und der Wahl der Abschlussprüfer entfällt das Stimmverbot, wenn alle Komplementäre von der Interessenkollision betroffen sind (gleichmäßige Befangenheit), dh wenn alle Komplementäre geschäftsführungs- und vertretungsbefugt sind. Schließt die Satzung dagegen einzelne Komplementäre von der Geschäftsführung und Vertretung aus, fehlt eine solche gleichmäßige Betroffenheit und die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre sind genau wie gewöhnliche Kommanditaktionäre einer KGaA mit Aktienstreubesitz schutzwürdig.98 Um zu verhindern, dass die Geschäftsführung sich selbst kontrolliert, prüft und entlastet, entscheiden folglich die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre/Kommanditaktionäre in der Hauptversammlung allein über die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats und die Wahl der Prüfer. Auch bei der Bestellung von Sonderprüfern ist eine solche Differenzierung geboten. Betrifft die Sonderprüfung konkret das Verhalten eines der Komplementäre bei der Gründung bzw dessen Geschäftsführung, ist allein dessen Stimmrecht bei der Abstimmung in der Hauptversammlung ausgeschlossen. Gleiches gilt für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und den Verzicht auf solche Ansprüche. In Fällen der Gesellschaftergruppenidentität entfallen die Stimmverbote der Nrn 1, 2, 3 und 6 also nur dann, wenn alle Komplementäre geschäftsführungsbefugt sind.99 Bei den Stimmverboten aus Nrn 4 und 5 sind die von Ansprüchen betroffenen Komplementäre nicht stimmberechtigt, gleichgültig ob sie geschäftsführungsbefugt sind oder nicht.100 4. Die einzelnen Stimmrechtsausschlüsse a) Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats (Nr 1). Nr 1 verfolgt einen doppelten 36 Zweck. Sie soll die Unabhängigkeit der Überwachung der Geschäftsleitung durch den Aufsichtsrat gewährleisten und die „gegnerfreie“ Vertretungsfunktion, die der Aufsichtsrat für die Gesellschaftergruppe der Kommanditaktionäre wahrnimmt, sicherstellen (sa oben Rdn 28).101 Ein Teil des Schrifttums verneint die erste Funktion mit einem Vergleich zur AG, denn bei ihr dürfe der aktienbesitzende Vorstand ja auch an der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder teilnehmen.102 Dieser Vergleich überzeugt nicht, denn bei der AG ist der Aufsichtsrat – anders als bei der KGaA – auch für die Wahl des Vorstands zuständig. Eine die Aktienmehrheit besitzende Person könnte schwerlich Vorstand werden, wäre sie vom Stimmrecht ausgeschlossen. Ein Stimmverbot bei der AG würde also gerade die Mehrheitsherrschaft, die zu den tragenden Prinzipien des Aktienrechts zählt, in einem wesentlichen Punkt aushöhlen. Vor diesem Hintergrund muss das Ziel, die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats der AG sicherzustellen, beim aktiven (nicht dagegen beim passi-

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97 KK/Tröger3 § 136, 13. 98 Ebenso Neumann-Duesberg S 136 f. 99 Ebenso jetzt KK/Mertens/Cahn3 24. AA Bürgers/Fett/Reger § 5, 410; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 4; (jeweils keine Differenzierung im Hinblick auf die Geschäftsführungsbefugnis). Grundsätzlich aA MünchKomm/Perlitt5 22; Schmidt/Lutter/Schmidt3 13; Spindler/Stilz/Bachmann4 28. 100 Ebenso jetzt KK/Mertens/Cahn3 24; Bürgers/Fett/Reger § 5, 410; aA MünchKomm/Perlitt5 22; Schmidt/Lutter/Schmidt3 13 (er wendet § 136 analog an); Spindler/Stilz/Bachmann4 28. 101 KK/Mertens/Cahn3 13; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 324; Neumann-Duesberg S 132 ff, 138 f. 102 MünchKomm/Perlitt5 25 (anders aber MünchKomm/Perlitt5 § 278, 324); Spindler/Stilz/Bachmann4 16.

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ven, vgl § 105 Abs 1) Wahlrecht zum Aufsichtsrat der AG zurücktreten, weshalb aktienbesitzenden Vorstandsmitgliedern kein Stimmverbot auferlegt wird. Da bei der KGaA der Aufsichtsrat gerade nicht für die Bestellung der Geschäftsführung zuständig ist, bedarf es eines solchen Zurücktretens nicht. Hier kann – ohne die Mehrheitsherrschaft in der Hauptversammlung zu gefährden – die Unabhängigkeit der Überwachung der Geschäftsführung also vollumfänglich sichergestellt werden, indem bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder Komplementäre vom passiven und aktiven Wahlrecht ausgeschlossen werden.103 Eine weitere Ansicht, der sich auch der BGH angeschlossen hat, verneint die Funktion der „Gegnerfreiheit“.104 Er leitet dies aus dem Umstand ab, dass der Aufsichtsrat auch bei der Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht als Vertreter der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, sondern als Organ der Gesellschaft handelt und er deren Interessen ua auch im Fall eines Konflikts mit denjenigen der Kommanditaktionäre wahrzunehmen hat. Zudem sei der Aufsichtsrat aufgrund der Mitbestimmung und der Zulässigkeit von Entsendungsrechten ohnehin nicht das ausschließliche Organ der Kommanditaktionäre. Diese Argumentation überzeugt nicht (so Rdn 28), denn bei Nr 1 geht es nicht darum, den Aufsichtsrat von jeglichen anderen Interessen als denen der Kommanditaktionäre (die im Übrigen keine homogene Gruppe sein müssen) frei zu halten, sondern nur darum, den Einfluss der Komplementäre zu unterbinden. Um innerhalb der KGaA ein Gegengewicht zu der mächtigen Gesellschaftergruppe der Komplementäre zu schaffen, muss der Aufsichtsrat gegen deren Einfluss – sei er unmittelbar oder mittelbar (zB über Entsenderechte, dazu Rdn 38) – geschützt werden. Die Notwendigkeit der Gegnerfreiheit lässt sich auch nicht mit dem Hinweis widerlegen, der Aufsichtsrat sei ein Organ der Gesellschaft und nicht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Selbstverständlich ist er Organ der Gesellschaft (oben Rdn 27 aE) und muss dennoch gegnerfrei sein. Die unabhängige Überwachung der Geschäftsführung setzt voraus, dass schon die 37 Wahl des Aufsichtsorgans selbst der Beeinflussung der zu überwachenden Komplementäre entzogen ist (s dazu § 287 Rdn 13 ff). Das Stimmverbot in Nr 1 ist daher die konsequente Ergänzung von § 287 Abs 3, der die Bestellung von Komplementären zu Aufsichtsratsmitgliedern untersagt. Auch bei der Wahl des ersten Aufsichtsrats steht den Komplementären kein Stimmrecht zu,105 es sei denn, sie übernehmen bei der Gründung alle Aktien (so Rdn 32 ff und § 280 Rdn 12 ff). Aus Nr 1 folgt zudem, dass den Komplementären auch im Übrigen bei der Wahl oder Abberufung des Aufsichtsrats keinerlei Mitwirkungsbefugnis zusteht. Unzulässig sind daher auch Treuhandvereinbarungen106 und Stimmbindungsverträge.107 Auch darf die Satzung einem Komplementär keine entsprechenden Rechte bei der Besetzung des Aufsichtsrats einräumen, weil es sich bei diesem Beschlussgegenstand nicht um eine dem Personengesellschaftsrecht unterliegende Angelegenheit der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und der Komplementäre iSd §§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1, sondern um einen aktienrechtlich zwingend geregelten Gegenstand (§§ 278 Abs 3, 23 Abs 5 Satz 1) handelt (s dazu § 287 Rdn 6, 15). Auf die Komplementäre anwendbar ist dagegen § 104 (s § 283 Nr 4), wonach die Komplementäre die ergän-

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103 Ähnlich auch Neumann-Duesberg S 138. 104 BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 15; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 289; im Ergebnis wohl auch Schnülle NZG 2017, 1056. Jetzt auch Bachmann AG 2019, 581, 583 f; Habersack ZIP 2019, 1453, 1459 – beide zu § 287 Abs 3. 105 Spindler/Stilz/Bachmann4 16; Neumann-Duesberg S 135 Fn. 540. 106 Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 187; MünchKomm/Perlitt5 19; Schmidt/Lutter/Schmidt3 12. 107 Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 187; MünchKomm/Perlitt5 19; KK/Mertens/Cahn3 11; Schmidt/Lutter/ Schmidt3 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 24.

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zende Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern beantragen müssen.108 Sieht die Satzung einen Beirat vor, erstreckt sich der Stimmrechtsausschluss auch auf dessen Besetzung, wenn der Beirat allein zur Vertretung der Interessen der Kommanditaktionäre vorgesehen ist.109 Erwirbt ein Komplementär (oder die Komplementärgesellschaft oder diese beherr- 38 schende Gesellschafter110) Aktien, die ein Entsendungsrecht nach § 101 Abs 2 begründen, darf er dieses nicht ausüben oder ausüben lassen;111 Nr 1 ist analog anzuwenden.112 Nach Ansicht des BGH ist als Mittel zur Sicherung des Familieneinflusses die Übertragung von mit dem Entsenderecht versehenen Aktien eines Komplementärs auf einen Dritten zulässig, auch wenn dieser derjenigen Familie nahe steht, die auch die Komplementäre stellt. Voraussetzung sei, dass der Erwerber frei und weisungsunabhängig sei.113 Dies ist vertretbar, denn eine Familie stellt keinen homogenen Block dar, so dass allein die Zugehörigkeit zu einer Familie noch nichts darüber aussagt, ob der Betreffende der Familienpolitik auch folgt. Nicht überzeugen können aber die weiteren Ausführungen des BGH, es sei unschädlich, wenn sich der Komplementär an entsendeberechtigten Aktien ein schuldrechtliches Rückübertragungsrecht vorbehält.114 Denn der Komplementär kann, sofern ihm die Entsendungspolitik des Dritten nicht zusagt, jederzeit die Aktien wieder an sich ziehen und dann an eine andere, ihm gewogene Person übertragen. Dass der drohende Rechtsverlust die freie Entscheidung beeinflussen kann, ist eine Binsenweisheit.115 Sie gilt auch im Hinblick auf das jederzeit ausübbare Rückkaufrecht an den entsendeberechtigten Aktien (zumal wenn es ohne Gegenleistung erfolgen kann, wie im vom BGH entschiedenen Fall), denn der potentielle Verlust der Aktionärsstellung kann eine disziplinierende Wirkung auf den Kommanditaktionär entfalten. Hinzu kommt, dass im entschiedenen Fall die mit dem Entsenderecht versehenen Aktien zuvor den Komplementären gehört hatten (vermittelt über eine Komplementärgesellschaft),

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108 OLG Frankfurt 8.9.2014 – 20 W 148/14, NZG 2015, 1154; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 5; Spindler/Stilz/ Bachmann4 16. 109 Ebenso Grigoleit/Servatius2 4; MünchKomm/Perlitt5 27; Schlitt S 207; Spindler/Stilz/Bachmann4 16; Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 266. S im Einzelnen § 287, 112 f. 110 Der Anwendungsbereich des Verbots der Ausübung des Entsenderechts deckt sich mit dem von § 285 Abs 1 Satz 2, so Rdn 25 ff. 111 Vgl § 287 Rdn 6 sowie OLG München 13.8.2003 – 7 U 2927/02, NZG 2004, 521, 525 f; Arnold S 109; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 289; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 187; Kiefer S 144 (alle nicht nur unwesentlich beteiligten Gesellschafter); KK/Mertens/Cahn3 13; MünchKomm/Perlitt5 26; Neumann-Duesberg S 135 f; Schmidt/Lutter/Schmidt3 16; Spindler/Stilz/Bachmann4 16, § 287, 4b. 112 OLG München 13.8.2003 – 7 U 2927/02, NZG 2004, 521, 525 aE; OLG Frankfurt 28.5.2013 – 5 U 126/12, Rdn 32 ff (juris; zu § 287 Abs 3); ebenso wohl auch BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 24 (mit der Einschränkung „allenfalls“ analog anzuwenden, da der BGH aus anderen Gründen die Anwendung der Norm verneinte). Für die direkte Anwendung der Nr 1 etwa Neumann-Duesberg S 135 f; offen gelassen bei Spindler/Stilz/Bachmann4 23. Kessler S 62 hingegen will §§ 278 Abs 3, 101 Abs 2 Satz 1 teleologisch reduzieren. 113 BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 24; zuvor bereits OLG München 13.8.2003 – 7 U 2927/02, NZG 2004, 521, 524. Der BGH folgte Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 289 f. Zustimmend KK/Mertens/Cahn3 13; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 188 mwN. Die Auslegung von § 285 Abs 1 Satz 2 entspricht im Übrigen auch der hM zu § 136, vgl o Grundmann § 136, 27 mwN. 114 So auch Kersting WuB II B § 287 AktG 1.06; Neumann-Duesberg S 136; aA Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 188. 115 Sie hat – um ein prominentes Beispiel zu nennen – dazu geführt, dass der Gesetzgeber bei der Besetzung von Richterämtern am BVerfG die Möglichkeit von deren Wiederwahl abgeschafft hat (vgl § 4 Abs 2 BVerfGG) mit dem Argument, hierdurch könne Einfluss auf deren Abstimmungsverhalten ausgelöst werden, vgl Bericht des Rechtsausschusses zum 4. ÄnderungG zum BVerfGG, BT-Drucks. VI/1471, S 3 („Andererseits seien Gefahren für die Unabhängigkeit der Richter — schon der Anschein wäre gefährlich — nicht von der Hand zu weisen, wenn eine Wiederwahl ermöglicht würde.“).

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diese sie im laufenden Gerichtsverfahren unter Stundung der Gegenleistung an ein Familienmitglied übertrugen und nach der Übertragung auf die familienangehörige Person exakt die gleichen Aufsichtsratsmitglieder wie zuvor entsandt wurden. Dass das OLG München und ihm folgend der BGH in dieser äußerst ungewöhnlichen Gestaltung und Abfolge der Ereignisse keine Umgehung von §§ 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1, 287 Abs 3 sahen, verwundert. Zur Verneinung einer Umgehung genügte es dem OLG, dass die Komplementärin ihre in der Vergangenheit unzulässige Entsendungspraxis korrigieren wollte. Dass dies mit zweifelhaften Mitteln geschah, erkannte das OLG („nicht um ein nach rein marktüblichen Kriterien abgewickeltes Verkaufsgeschäft“), zog hieraus aber überraschenderweise keine Schlüsse, obwohl sich das Vorliegen einer unzulässigen Treuhandschaft förmlich aufdrängte. Der BGH griff die unzureichende Schlussfolgerung aus diesem Sachverhalt im Urteil des OLG nicht auf, sondern sah sich an das von der Vorinstanz gefundene Ergebnis gebunden. b) Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter und der Mitglieder des Aufsichtsrats (Nr 2). Den Komplementären bzw der Komplementärgesellschaft ist es verboten, bei der Beschlussfassung über ihre eigene Entlastung mitzustimmen. Dieses Stimmverbot bezweckt das Richten in eigener Sache zu unterbinden und entspricht § 136 Abs 1.116 Es gilt auch für die Entlastung früherer Komplementäre oder Mitglieder der Unternehmensleitung einer früheren Gesellschaft, aus der die KGaA durch Formwechsel, Spaltung oder Verschmelzung hervorgegangen ist.117 Dass die persönlich haftenden Gesellschafter darüber hinaus auch bei der Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats nicht mitstimmen dürfen, versteht sich angesichts der ansonsten gefährdeten Unabhängigkeit des Aufsichtsorgans von selbst. Ob der Stimmrechtsausschluss für Komplementäre auch in Bezug auf die Entlastung der Mitglieder eines Beirats gilt, hängt von dessen Funktion ab.118 So ist Nr 2 auf den Fall der Entlastung der Beiratsmitglieder zu erstrecken, wenn dieser der Überwachung der Komplementäre oder der Vertretung der Kommanditaktionäre dient. Bei der AG ist umstritten, ob Aufsichtsratsmitglieder mit Aktionärsstellung bei 40 der Entlastung der Mitglieder des Vorstands mitstimmen dürfen.119 Ein Teil des Schrifttums verneint dies unter Hinweis auf die Einheitlichkeit der Verwaltung einer AG.120 Ein Aufsichtsratsmitglied werde nie gegen den Vorstand, den es zu überwachen habe, stimmen, da dies zugleich ein Eingeständnis eigener Fehler bedeuten würde. Diese Argumentation unterstellt jedoch, dass jeder Umstand, der eine Verweigerung der Entlastung des Vorstands rechtfertigt, auch einen Vorwurf gegen den Aufsichtsrat bedeute. Da der Aufsichtsrat jedoch nicht jedes Einzelgeschäft kontrollieren muss, erweist sich die Argumentation als zu pauschal. Zudem lässt sie sich nicht auf die KGaA übertragen. Da diese aus zwei Gesellschaftergruppen besteht, werden Aktionäre, die Aufsichtsratsmitglieder sind, schon deshalb bei der Entlastung der Komplementäre besonders wachsam sein. Dieser Interessengegensatz bedingt, dass sich bei der KGaA eine Einheitlichkeit der Verwaltung gerade nicht feststellen lässt. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat der KGaA nicht für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung zuständig ist und auch im Üb39

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116 Zu Einzelheiten s Erläuterungen zu dieser Vorschrift. Zur Zulässigkeit der sogenannten Teilentlastung vgl Sethe ZIP 1996, 1321 ff. 117 Mense GWR 2014, 322. 118 S dazu im Einzelnen § 287 Rdn 112 f sowie Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 266; Spindler/Stilz/Bachmann4 17. 119 Bejahend Hüffer/Koch14 § 136, 21; MünchKomm/Arnold4 § 136, 9. 120 Namentlich KK/Tröger3 § 136, 27; ebenso Schütze AG 1967, 165, 166.

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rigen geringere Kompetenzen gegenüber der Geschäftsführung hat.121 Aufgrund dieses geringeren Einflusses werden Fehler der Geschäftsführung noch seltener als bei der AG zugleich Fehler des Aufsichtsrats sein. Ein genereller Ausschluss aktienbesitzender Aufsichtsratsmitglieder bei Abstimmungen über die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter erweist sich daher als zu weitgehend.122 Sachgerecht ist ein Ausschluss nur für den Fall, dass auch eine Pflichtverletzung des Abstimmenden behauptet wird und dieser mit dem zu Entlastenden als Gesamtschuldner haften würde.123 c) Bestellung von Sonderprüfern (Nr 3). Die Hauptversammlung kann zur Prüfung 41 von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung Sonderprüfer bestellen, denn nach § 283 Nr 7 sind die Vorschriften über die Sonderprüfung auf die KGaA anzuwenden. Dabei erweitert § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 3 das Stimmverbot des § 142 Abs 1 Satz 2, um ein Richten in eigener Sache zu verhindern. Während dieser einen Stimmrechtsausschluss nur für den Fall vorsieht, dass gerade die Amtsführung eines Mitglieds des Vorstands oder Aufsichtsrats überprüft werden soll, ordnet § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 3 den generellen Stimmrechtsausschluss für die Komplementäre (auch die nicht geschäftsführungsbefugten) an. Der Stimmrechtsausschluss gilt also unabhängig davon, wessen Amtsgeschäfte konkret überprüft werden sollen. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der betreffende Komplementär geschäftsführungsbefugt ist oder nicht.124 d) Geltendmachung von Ersatzansprüchen und Verzicht auf solche Ansprüche 42 (Nrn 4 und 5). Die Hauptversammlung kann nach § 147 die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aus der Gründung (§§ 46 ff, 53) oder der Geschäftsführung (§ 93), der Aufsichtsratstätigkeit (§§ 116, 93) oder der schädigenden Beeinflussung (§ 117) beschließen. Dies gilt nach § 283 Nr 8 auch gegenüber den Komplementären der KGaA. Um ein Richten in eigener Sache zu verhindern, schließen Nrn 4, 5 bei der Abstimmung hierüber das Stimmrecht der aktienbesitzenden Komplementäre aus. Gleiches gilt für eine Abstimmung über einen Vergleich.125 Der Stimmrechtsausschluss ist unabhängig davon, ob der einzelne Komplementär im konkreten Fall von dem geltend gemachten Anspruch bzw dem Verzicht auf einen solchen Anspruch betroffen wäre oder nicht.126 Auf die Frage, ob der betreffende Komplementär geschäftsführungsbefugt ist oder nicht, kommt es nicht an.127 e) Die Wahl von Abschlussprüfern (Nr 6). Die Komplementäre haben nach § 283 43 Nrn 9–11 iVm §§ 242, 264 Abs 1, 289 ff, 290 ff HGB die Pflicht zur Aufstellung und Vorlegung des Jahresabschlusses und ggf des Lageberichts bzw des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts oder eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs 2a HGB. Bei mittelgroßen und großen Gesellschaften ist eine Abschlussprüfung vorgeschrieben (§ 283 Nrn

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121 S § 287 Rdn 37 ff. 122 Ebenso Mülbert § 120, 135; KK/Mertens/Cahn3 16; MünchKomm/Perlitt5 29; Schmidt/Lutter/Schmidt3 17; Spindler/Stilz/Bachmann4 17. 123 Hüffer/Koch14 § 136, 21; Baumbach/Hueck13 § 136, 4; ähnlich Schlegelberger/Quassowski3 § 84, 17. AA Geßler/Eckardt1 § 136, 16. 124 Hüffer/Koch14 1; Schmidt/Lutter/Schmidt3 18; Spindler/Stilz/Bachmann4 18; aA KK/Mertens/Cahn3 7, 18. 125 KK/Mertens/Cahn3 21; Spindler/Stilz/Bachmann4 19. 126 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 31; Spindler/Stilz/Bachmann4 19. Zu Einzelheiten der § 147 und §§ 47 ff, 53, 93, 116, 117 s die Erläuterungen zu diesen Vorschriften. 127 Hüffer/Koch14 1; Schmidt/Lutter/Schmidt3 19; Spindler/Stilz/Bachmann4 19; aA KK/Mertens/Cahn3 7, 20.

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9–11 iVm § 316 HGB). Um die Unabhängigkeit der Prüfer von den Komplementären zu sichern, schließt Nr 6 das Stimmrecht der aktienbesitzenden Komplementäre bei der Wahl der Abschlussprüfer (§ 318 Abs 1 HGB iVm § 119 Abs 1 Nr 4 AktG) aus. Nicht vom Stimmverbot erfasst ist das Recht der Komplementäre, gemäß § 318 Abs 3 HGB gegen die Auswahl der Prüfer Widerspruch einzulegen und die gerichtliche Bestellung eines anderen Abschlussprüfers zu beantragen, wenn dies aus einem in der Person des Prüfers liegenden Grund erforderlich erscheint.128 Das Stimmverbot in Nr 6 erfasst gleichermaßen geschäftsführungsbefugte und nicht geschäftsführungsbefugte Komplementäre.129 44

5. Weitere aktienrechtliche Stimmrechtsausschlüsse. Die Stimmrechtsbeschränkungen nach Abs 1 Satz 2 lassen die allgemeinen aktienrechtlichen Stimmrechtsauschlüsse unberührt. Diese sind, wie etwa die Stimmrechtsausschlüsse aus §§ 136 Abs 1 und 68 Abs 2 Satz 1, über § 278 Abs 3 auch auf die KGaA anwendbar. So kommt § 136 Abs 1 zur Anwendung, wenn gegen einen Komplementär ein nicht 45 unter § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 4 fallender Anspruch geltend gemacht wird oder auf eine andere Verbindlichkeit als einen Ersatzanspruch (iSv § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 5) verzichtet werden soll. § 136 Abs 1 erfasst also alle Arten von Ansprüchen/Verbindlichkeiten, während § 285 Abs 1 nur Ersatzansprüche meint. Im Gegensatz zu § 285 Abs 1 ist bei § 136 Abs 1 nur der jeweils betroffene Komplementär von der Stimmabgabe ausgeschlossen, da die konkrete und nicht die abstrakte Gefahrenlage maßgebend ist.130 Gemäß § 68 Abs 2 Satz 2 stimmt der Übertragung vinkulierter Namensaktien der 46 Vorstand, dh bei der KGaA die geschäftsführungsbefugten Komplementäre, zu.131 Handelt es sich um Aktien eines Komplementärs, steht diesem insoweit kein Stimmrecht zu,132 da andernfalls der von § 68 verfolgte Zweck ausgehöhlt würde. Ist der einzige Komplementär im Besitz von vinkulierten Namensaktien oder besitzen alle Komplementäre vinkulierte Namensaktien, sollte die Satzung die Zustimmungsbefugnis auf den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung übertragen. Wurde dies versäumt, verbleibt die Entscheidungsbefugnis zwar bei dem/den Komplementär(en), da andernfalls die Willensbildung der Gesellschaft blockiert wäre. Es sind jedoch die Schranken der Ermessensausübung einzuhalten, so dass der/die Komplementär(e) für deren Verletzung zur Verantwortung gezogen werden können. Steht dagegen die Entscheidung der Hauptversammlung zu (§ 68 Abs 2 Satz 3), darf der aktienbesitzende Komplementär mitstimmen. Das Gesetz sieht für diesen Fall kein Stimmverbot vor und ein solches lässt sich aus Gründen der Rechtssicherheit auch nicht im Wege einer Gesamtanalogie aus §§ 34, 181 BGB, 136 Abs 1 AktG, 47 Abs 4 GmbHG, 43 Abs 6 GenG ableiten (su Rdn 51).133 47

6. Stimmrechtsausschluss kraft Personengesellschaftsrecht. Während Abs 1 Satz 2 das Stimmrecht eines aktienbesitzenden Komplementärs in der Hauptversammlung ausschließt, betreffen die über § 278 Abs 2 anwendbaren Stimmverbote des Per-

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128 Baumbach/Hueck13 3; KK/Mertens/Cahn3 23; MünchKomm/Perlitt5 33; Schmidt/Lutter/Schmidt3 20; Spindler/Stilz/Bachmann4 20. 129 Hüffer/Koch14 1; Spindler/Stilz/Bachmann4 20; aA KK/Mertens/Cahn3 7, 22. 130 Godin/Wilhelmi4 5; KK/Mertens/Cahn3 25; MünchKomm/Perlitt5 35; Schmidt/Lutter/Schmidt3 11. 131 Nach Ansicht von BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 21, gilt dies auch für den Fall, dass mit den Namensaktien ein Entsenderecht verbunden ist, auf das § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 analog anzuwenden ist. 132 KK/Mertens/Cahn3 26; KK/Tröger3 § 136, 56; MünchKomm/Perlitt5 36; Schmidt/Lutter/Schmidt3 22; aA Spindler/Stilz/Bachmann4 21. 133 KK/Mertens/Cahn3 26; MünchKomm/Perlitt5 36; Schmidt/Lutter/Schmidt3 22; Spindler/Stilz/ Bachmann4 22.

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sonengesellschaftsrechts Beschlüsse innerhalb der Gesellschaftergruppe der Komplementäre. Das Personengesellschaftsrecht kennt keine ausdrückliche Regelung über einen generellen Stimmrechtsausschluss bei Interessenkonflikten eines persönlich haftenden Gesellschafters mit der Gesellschaft. Dennoch sind – trotz teilweise divergierender Auffassungen zu ihrer konkreten Herleitung und Reichweite – zahlreiche Fälle des Stimmrechtsausschlusses anerkannt (s Rdn 48). Als Grundlage des Stimmrechtsausschlusses im Personengesellschaftsrecht wird zumeist eine Analogie zu §§ 113 Abs 2 HGB, 136 Abs 1 AktG, 43 Abs 6 GenG und zu 47 Abs 4 GmbHG gebildet. Anerkannt ist ein Stimmrechtsausschluss des persönlich haftenden Gesell- 48 schafters bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung eines gegen ihn gerichteten Anspruchs, über die Einleitung oder Erledigung eines ihn betreffenden Rechtsstreits, über seine Entlastung oder Befreiung von einer Verbindlichkeit und über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts des Gesellschafters mit der Gesellschaft.134 Anerkannt ist des Weiteren ein Stimmverbot in Bezug auf Maßnahmen gegen einen Komplementär, die nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ergriffen werden können,135 wie etwa im Hinblick auf die Entziehung der Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsmacht (§§ 117, 127 HGB), den Ausschluss aus der Gesellschaft (§ 140 HGB) oder die Abberufung als Beiratsmitglied aus wichtigem Grund. Eine unmittelbare Bedeutung für die KGaA erlangen diese Stimmverbote für die 49 personengesellschaftsrechtliche Komponente der KGaA, dh wenn die Gesellschaftergruppe der Komplementäre über Gegenstände der in Rdn 48 angeführten Art abzustimmen hat. Dies gilt zunächst für Beschlüsse im Rahmen der Geschäftsführung. Soweit eine der genannten Maßnahmen Gegenstand der Abstimmung innerhalb der Geschäftsführung ist,136 steht dem jeweils von der Maßnahme betroffenen geschäftsführungsbefugten Komplementär weder ein Stimmrecht137 noch ein Widerspruchsrecht nach § 115 Abs 1 Hs 2 HGB138 zu (zB bei einem Beschluss über die Erhebung einer Schadensersatzklage wegen unsorgfältiger Geschäftsführung). Darüber hinaus gelten die Stimmverbote auch für Abstimmungen auf mitgliedschaftlicher Ebene (zB bei einem Beschluss über die Erhebung einer Klage gegen einen Komplementär auf Zustimmung zur Gewinnverteilung innerhalb der Komplementäre). Die Stimmverbote gelten auch im Konzern und umfassen Umgehungen durch Zwischenschaltung von Vertretern, Treuhändern oder sonstigen Dritten.139 Wie bereits an früherer Stelle (Rdn 24) erläutert, berührt der Stimmrechtsausschluss weder das Teilnahmerecht noch das Rederecht des Betroffenen. Unberührt bleibt auch das Stimmrecht bei der Gestaltung der inneren Ordnung der Gesellschaft (Änderung der Satzung und der Geschäftsverteilung, Entscheidung über die Nachfolge eines Gesellschafters etc).140 Über die vorstehend geschilderte unmittelbare Bedeutung der Stimmverbote für die 50 Beschlussfassung innerhalb der Komplementäre kommt ihnen auch eine mittelbare Bedeutung für die aktienrechtliche Komponente der KGaA zu. Einige der in Rdn 48 angeführten Beschlussgegenstände setzen kraft Gesetzes oder kraft Satzung die Zustimmung beider Gesellschaftergruppen voraus. Sofern ein dem Stimmverbot unterliegender

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134 RG 3.5.1932 – II 438/31, RGZ 136, 236, 245; BGH 9.5.1974 – II ZR 84/72, NJW 1974, 1555; BGH 4.11.1982 – II ZR 210/81, WM 1983, 60; BGH 11.9.2018 – II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024, 2027; Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 8; Neumann-Duesberg S 141 f. 135 Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 8 mwN. 136 Sei es aufgrund des Gesetzes, sei es aufgrund einer Satzungsregelung. 137 KK/Mertens/Cahn3 27; Großkomm HGB/Casper5 § 163, 14; Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 8. 138 Matthießen S 104 ff; Godin/Wilhelmi4 9. 139 Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 8 mwN. 140 Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 10 mwN.

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Komplementär gleichzeitig Mehrheitsaktionär ist, könnte er eine Maßnahme gegen sich selbst unterbinden, indem er die Zustimmung der Hauptversammlung verhindert. Um innerhalb der einheitlichen juristischen Person einen Gleichlauf beider Komponenten herzustellen, bedarf es daher einer Ausdehnung der personengesellschaftsrechtlichen Stimmverbote auf diese Fallgestaltung. Zwar enthält Abs 1 Satz 2 einen enumerativen Katalog, den man als abschließend ansehen könnte. Die in diesem Katalog aufgeführten Fälle betreffen jedoch nur Beschlussgegenstände, über die die Hauptversammlung aufgrund aktienrechtlicher Vorschriften (s § 283) beschließt. Die personengesellschaftsrechtlichen Kompetenzen der Hauptversammlung werden dagegen in Abs 1 Satz 2 überhaupt nicht angesprochen,141 so dass ein argumentum e contrario aus dieser Bestimmung gegen die hier vertretene Ansicht ausscheidet. Die personengesellschaftsrechtlichen Stimmverbote erfassen das Stimmrecht der Komplementäre daher sowohl innerhalb der Gruppe der Komplementäre als auch innerhalb der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, also der Hauptversammlung. 142 Praktische Bedeutung erlangen die Stimmverbote allerdings nur im Hinblick auf die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen einen Komplementär143 und im Hinblick auf Entscheidungen, die einen wichtigen Grund erfordern (§ 278 Abs 2 iVm §§ 117, 127, 140 HGB). Die übrigen der genannten personengesellschaftsrechtlichen Stimmrechtsausschlüsse werden bereits von den Parallelvorschriften der §§ 285 Abs 1, 136 Abs 1 abgedeckt oder es entsteht aufgrund der Anwendung von § 112 auf die Geschäfte der Gesellschaft mit dem Gesellschafter von vornherein keine Interessenkollision. Von praktischer Relevanz sind die personengesellschaftsrechtlichen Stimmverbote außerdem in den Fällen, in denen die Satzung weitere Beschlussgegenstände zu gemeinsamen Angelegenheiten beider Gesellschaftergruppen erklärt (su Rdn 88 ff). 51

7. Stimmrechtsausschluss aufgrund allgemeiner Interessenkollision? Ein allgemeiner, von konkreten Fallgruppen losgelöster Ausschluss des Stimmrechts der (Kommandit-)Aktionäre oder der Komplementäre wegen möglicher Interessenkollisionen wird im Aktien- und im Personengesellschaftsrecht von der Rechtsprechung und der ganz herrschenden Meinung abgelehnt, da eine Gesamtanalogie zu §§ 34 BGB, 136 Abs 1 AktG, 47 Abs 4 GmbHG, 43 Abs 6 GenG große Rechtsunsicherheit verursachen würde (sa Rdn 46 aE).144 Erst recht kann Abs 1 nicht als Grundlage hierfür herangezogen werden, da die Vorschrift speziell auf die KGaA zugeschnitten ist und einen zu engen Anwendungsbereich hat, um Basis einer allgemeinen Regelung für Interessenkollisionen zu sein.145 Dies schließt es freilich nicht aus, sie im Einzelfall auf bestimmte, vom Wortlaut der Norm nicht erfasste Konstellationen innerhalb einer KGaA auszudehnen. Auch sind immer die sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergebenden Grenzen zu beachten.146

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141 Dies ergeben die Materialien; vgl Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger vom 4.2.1937, Nr 28, 2. Beilage, S 2. 142 KK/Mertens/Cahn3 27; Spindler/Stilz/Bachmann4 21. 143 So Rdn 40 und § 287 Rdn 60. 144 Etwa BGH 20.1.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33 m Anm K Schmidt NJW 1986, 2018. Aus dem Schrifttum zur AG und KGaA s etwa KK/Mertens/Cahn3 26; KK/Tröger3 § 136, 50 f; Matthießen S 14 f; MünchKomm/Perlitt5 37; Neumann-Duesberg S 140; Schlitt S 206; Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S 161. S im Übrigen die Erläuterungen zu § 136. 145 Matthießen S 99 f. 146 Baumbach/Hopt/Roth39 § 119, 11.

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8. Satzungsautonomie im Hinblick auf das Stimmrecht. Sowohl die Stimmverbo- 52 te nach Abs 1 Sätze 2 und 3 als auch die allgemeinen aktienrechtlichen Stimmrechtsbeschränkungen (so Rdn 44 ff) sind zwingend und damit abweichender Satzungsregelung nicht zugänglich (s aber Rdn 53).147 Das folgt daraus, dass die den Kommanditaktionären aus ihren Aktien zustehenden Rechte § 278 Abs 3 unterfallen und damit nur in den vom Aktienrecht zugelassenen Grenzen Gegenstand der Satzungsautonomie sein können. § 278 Abs 2 erklärt nur in Bezug auf die Rechtsbeziehungen der Komplementäre zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre das HGB für anwendbar. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass weder für das Verhältnis der Kommanditaktionäre untereinander noch für das Verhältnis des Einzelaktionärs gegenüber den Komplementären Spielraum für Satzungsregelungen besteht.148 Dem Einzelaktionär dürfen in der Satzung weder zusätzliche Befugnisse eingeräumt noch Individualrechte entzogen werden, sofern nicht das Erste Buch des AktG selbst dies gestattet (§ 23 Abs 5). Diese Einschränkungen gelten, wie auch ein Vergleich mit der für die AG maßgeblichen und Abs 1 entsprechenden Vorschrift des § 136 Abs 1 zeigt, ebenso für das Stimmrecht. Außerdem steht das Stimmrecht nur Kommanditaktionären zu, weshalb den Komplementären nicht im Wege der Satzungsregelung für ihre Sondereinlagen (§ 281 Abs 2) ein Stimmrecht in der Hauptversammlung gewährt werden darf (so Rdn 8). Nachdem die Komplementäre als eigene Gesellschaftergruppe über § 285 Abs 2 Satz 1 ein Vetorecht in wichtigen Fragen haben, entsteht ihnen hierdurch kein Nachteil. Über die gesetzlichen Verbote hinausgehende allgemeine, dh alle Kommanditak- 53 tionäre betreffende Stimmrechtsbeschränkungen sind in den durch § 23 Abs 5 gezogenen Grenzen erlaubt:149 Im Rahmen des Zulässigen liegt es, wenn die Satzung Aktien besonderer Gattung (§ 11), Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§§ 139 ff) oder Höchststimmrechte (§ 134 Abs 1) vorsieht. Ausgeschlossen ist es dagegen, außerhalb der §§ 11, 12 Abs 1 Satz 2, 139 ff spezielle Aktien für die Komplementäre zu schaffen, bei denen das Stimmrecht eingeschränkt ist oder fehlt. Eine solche Einschränkung lässt sich jedoch auf andere Weise herbeiführen. Da § 278 Abs 2 die Rechtsstellung der Komplementäre der Satzungsautonomie unterwirft, kann die Satzung oder der Tätigkeitsvertrag den Komplementären aufgeben, Aktien in bestimmtem Umfang zu halten, oder ihnen untersagen, Aktien zu erwerben, das Stimmrecht aus von ihnen gehaltenen Aktien auszuüben oder zu beschränken.150 Diese (Ausübungs-)Beschränkungen sind zulässig, weil sie nicht an die Aktie, sondern an die Komplementärsstellung gekoppelt sind. Mit dem Verlust der Komplementärsstellung oder Übertragung der Aktien entfallen die Beschränkungen.151 Weiterhin kann die Satzung oder der jeweilige Tätigkeitsvertrag (über Abs 1 Satz 2 54 hinausgehend) den Komplementären untersagen, das Stimmrecht für fremde Aktien auszuüben. Dieses Verbot erfasst sowohl die Stimmrechtsvertretung kraft rechtsgeschäftlicher Vollmacht als auch die Vertretung kraft Gesetzes.152 Nimmt in einem solchen Fall ein Komplementär die Vermögenssorge für sein Kind wahr, das Aktien besitzt, muss

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147 Baumbach/Hueck13 3; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 7; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 183; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 38; KK/Mertens/Cahn3 30; MünchKomm/Perlitt5 23; Schlitt S 207. 148 Sethe S 110 ff, 153; schon Würdinger ZAkDR 1940, 314 ff. 149 Vgl MünchKomm/Perlitt5 10; Schlitt S 205 f. 150 Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 262; Heidel/Wichert5 5; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 38; KK/Mertens/Cahn3 31 f; MünchKomm/Perlitt5 11; Schmidt/Lutter/Schmidt3 8, 14; ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 14, der aber an der Zulässigkeit von Beschränkungen der Stimmrechtsausübung zweifelt. 151 Vgl KK/Mertens/Cahn3 33; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 38, MünchKomm/Perlitt5 12. 152 KK/Mertens/Cahn3 32; MünchKomm/Perlitt5 11; Spindler/Stilz/Bachmann4 14. AA noch 3. Aufl Barz 4.

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für die Ausübung des Stimmrechts ein Pfleger (§ 1909 BGB) bestellt werden. Die Satzung kann eine solche Pflegschaft nicht ausschließen, da sie die aus der Aktie folgenden Rechte nicht außerhalb von § 23 Abs 5 beschränken darf (so Rdn 52, 53). 9. Rechtsfolgen verbotswidriger Stimmabgabe. Stimmen, die unter Verstoß gegen ein gesetzliches Stimmverbot abgegeben wurden, sind gemäß § 134 BGB nichtig. Sind die Stimmen bei der Beschlussfeststellung mitgezählt worden, ist der Beschluss nicht nichtig, aber anfechtbar.153 Die Anfechtung wird allerdings nur erfolgreich sein, wenn der Gesetzesverstoß kausal für das Beschlussergebnis war.154 Gleiches gilt in Bezug auf Stimmverbote kraft Satzung. Demgegenüber ist bei Stimmrechtsbeschränkungen, die kraft Tätigkeitsvertrag auferlegt wurden, eine Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses nicht möglich.155 Aus der Nichtbeachtung des Stimmverbots kann sich im Einzelfall eine Schadens56 ersatzpflicht ergeben.156 Die Nichtbeachtung der Stimmrechtsausschlüsse nach §§ 285, 136 wird gemäß 57 §§ 408, 405 Abs 3 Nr 5 als Ordnungswidrigkeit geahndet.157 Die Schaffung neuer Ordnungswidrigkeitentatbestände kraft Satzung oder Tätigkeitsvertrag ist unzulässig (§ 3 OWiG), so dass nur gesetzliche Stimmverbote von § 405 erfasst sind. 58 Kommen die personengesellschaftsrechtlichen Stimmverbote zur Anwendung, sind die verbotswidrig abgegebenen Stimmen ebenfalls nichtig und daher nicht mitzuzählen. 55

IV. Zustimmung der Komplementäre zu Hauptversammlungsbeschlüssen (Abs 2) 1. Zustimmungsbedürftigen Beschlüsse. Bei der KGaA bedürfen Beschlüsse der Hauptversammlung, für die bei der KG das Einverständnis von Komplementären und Kommanditisten notwendig ist, der Zustimmung aller Komplementäre (Abs 2 Satz 1), dh auch der nicht geschäftsführungsbefugten (su Rdn 61, 70). Diesen steht damit ein Vetorecht in wichtigen Fragen der Gesellschaft zu. Zu den an eine Zustimmung zu stellenden Anforderungen su Rdn 67 ff. Bis zur Erteilung der Zustimmung ist der zustimmungsbedürftige Beschluss schwebend unwirksam (su Rdn 72). Kraft ausdrücklicher und zwingender (su Rdn 74) Regelung in Abs 2 Satz 2 bedarf die Ausübung von Befugnissen, die der Hauptversammlung oder einer Minderheit von Kommanditaktionären bei der Bestellung von Prüfern und der Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft aus der Gründung oder der Geschäftsführung zustehen, nicht der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. Hierbei handelt es sich weitgehend (s Rdn 75) um Angelegenheiten, in denen persönlich haftende Gesellschafter, die Aktien der Gesellschaft besitzen, nach Abs 1 Satz 2 Nrn 3, 4 und 6 auch von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen sind. Zu Einzelheiten des Abs 2 Satz 2 su Rdn 74 ff. Hintergrund der Regelung in Abs 2 Satz 1 ist die Tatsache, dass der Gesamtheit der 60 Kommanditaktionäre die Rechtsstellung des Kommanditisten der KG zusteht und die Hauptversammlung damit aktienrechtliche und personengesellschaftsrechtliche Kompe59

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153 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 38; Hüffer/Koch14 § 136, 24; KK/Tröger3 § 136, 96; MünchKomm/Perlitt5 13; Neumann-Duesberg S 137; Schmidt/Lutter/Schmidt3 25. 154 BGH 9.10.2018 – II ZR 78/17, BGHZ 220, 36 Rn. 18; Hüffer/Koch14 § 136, 24; KK/Tröger3 § 136, 96. 155 MünchKomm/Perlitt5 13; Spindler/Stilz/Bachmann4 29. 156 Vgl Hüffer/Koch14 § 136, 24 mwN. 157 S die Erläuterungen bei 4. Aufl Otto § 405, 105 ff.

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tenzen wahrnimmt (so Rdn 15). Das Aktiengesetz knüpft damit an die Entstehungsgeschichte der KGaA an. Mit der rechtlichen Trennung von KG und KGaA erfolgte die Ersetzung des Kommanditisten durch die Kommanditaktionäre, die in der Hauptversammlung entscheiden. Die unter Abs 2 Satz 1 fallenden zustimmungspflichtigen Beschlussgegenstände 61 ergeben sich, wie bereits an früherer Stelle (s Rdn 15 ff, 20) dargelegt, aus dem Verweis auf das HGB und/oder ggf aus einer entsprechenden Satzungsregelung (dazu Rdn 77 ff). Nach § 278 Abs 2 iVm §§ 164 Satz 1 Hs 2, 161 Abs 2, 116 Abs 2 HGB ist bei Satzungsänderungen, Grundlagengeschäften und außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen158 die Zustimmung aller, dh auch der nicht geschäftsführungsbefugten, Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre einzuholen. Gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen unterliegen der Zustimmungspflicht durch beide Gesellschaftergruppen nur dann, wenn die Satzung Entsprechendes vorsieht (s Rdn 21, 89). Unter den personengesellschaftsrechtlichen Begriff der Grundlagengeschäfte (bei 62 der KGaA auch als strukturändernde Maßnahmen bezeichnet) fallen solche Maßnahmen, die entweder eine Änderung des Gesellschaftsvertrags erfordern oder aber, ohne die Notwendigkeit einer solchen formellen Änderung,159 wesentliche gesellschaftsvertragliche Rechte berühren.160 Anknüpfend an das Personengesellschaftsrecht161 sind zu den Grundlagengeschäften zu zählen: Änderungen der Satzung, Entziehung der Geschäftsführungsund Vertretungsmacht, Aufnahme und Ausschließung von Komplementären, Auflösung der Gesellschaft, Änderung der Firma, vollständige oder teilweise Einstellung des Gewerbebetriebs, Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens oder eines Betriebs oder von Teilen derselben, Übertragung des gesamten Vermögens der Gesellschaft sowie Geschäfte, durch die die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft oder die unabhängige Beschlussfassung rechtlich oder faktisch beeinträchtigt werden könnte.162 Zur Bestimmung dessen, was im Übrigen als Grundlagengeschäft anzusehen ist, darf konsequenterweise nicht allein darauf abgestellt werden, ob eine Maßnahme formal zur Geschäftsfüh-

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158 Ganz hM. Vgl OLG Stuttgart, 27.11.2002 – 20 U 14/02, NZG 2003, 293; KK/Mertens/Cahn3 36; MünchKomm/Perlitt5 42, 43, § 278, 177, 180, 223; Hüffer/Koch14 2; Schmidt/Lutter/Schmidt3 28; Sethe S 124; Spindler/Stilz/Bachmann4 31 ff; Vollertsen S 79, 107. AA Godin/Wilhelmi § 278, 12; Kallmeyer DStR 1994, 977, 978; aus dem älteren Schrifttum Sußmann S 47 f; Koenig S 32; wohl auch v Malachowski S 28, 33. Kallmeyer und Godin/Wilhelmi wollen den Kommanditaktionären nur ein Widerspruchsrecht zugestehen, übersehen dabei aber den missverständlichen Wortlaut von § 164 HGB. Dieser meint keineswegs das Widerspruchsrecht iSv § 115 Abs 1 Hs 2 HGB, sondern den Zustimmungsvorbehalt iSv § 116 Abs 2 HGB. Diese Auslegung ist seit der Entscheidung RG 22.10.1938 – II 58/38, RGZ 158, 302, 306 ff, allgemeine Meinung; vgl Schlegelberger/Martens HGB5 § 164, 16 mwN zur früher vertretenen Gegenansicht; Großkomm HGB/Casper5 § 164, 12 mwN. Missverständlich in Bezug auf außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen die Formulierung von MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 40. 159 MünchKomm/Perlitt5 43. 160 Diese Formel zur Abgrenzung der Geschäftsführung von den Grundlagen der Gesellschaft ist aufgrund ihrer teilweise vagen Kriterien („wesentliche gesellschaftsvertragliche Rechte“) kritisiert worden (s die Nachw in Fn 166). Da bei OHG und KG auch außergewöhnliche Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafter bedürfen, bestand in der Praxis jedoch nur selten eine Notwendigkeit zur genaueren Abgrenzung dieser Bereiche. Ähnlich, wenn auch aus einem anderen Grund, ist die Ausgangslage bei der KGaA. Auch hier erübrigt sich in den meisten Fällen eine Abgrenzung, da viele der im Personengesellschaftsrecht streitigen Abgrenzungsfälle bereits zwingend durch das AktG oder das UmwG geregelt sind. 161 Vgl, jeweils mwN, MünchKommHGB/Rawert4 § 114, 9 ff; MünchKommHGB/Schmidt4 § 126, 10 ff; Schlegelberger/Martens HGB5 § 114, 5 ff; Baumbach/Hopt/Roth39 § 126, 3. Zur Vermögensübertragung s BGH 9.1.1995 – II ZR 24/94, ZIP 1995, 278, 279. 162 Vgl auch Sethe 109 f. Ebenso MünchKomm/Perlitt5 § 278, 180.

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rung gehört oder nicht. Vielmehr sind die Auswirkungen der jeweiligen Maßnahme einzubeziehen. Grundlagengeschäfte unterstehen nicht der Geschäftsführungsbefugnis, dh der Organkompetenz der Komplementäre, sondern betreffen die gesellschaftsvertragliche Ebene und bedürfen somit der Zustimmung beider Gesellschaftergruppen der KGaA. Denkbar ist, dass die Komplementäre ihre Zustimmung zu bestimmten, hinreichend konkret umschriebenen (s Rdn 79) Grundlagengeschäften bereits im Vorhinein in der Satzung erteilt haben.163 Außergewöhnliche Geschäfte sind Maßnahmen, die nach Art, Gegenstand und Umfang über den Rahmen des bisherigen Geschäftsbetriebs hinausgehen oder durch ihre Bedeutung und die damit verbundenen Risiken Ausnahmecharakter aufweisen.164 Wann eine Maßnahme als außergewöhnlich einzuordnen ist, hängt damit entscheidend von den bisher getätigten Geschäften der jeweiligen Gesellschaft und dem von ihr verfolgten Zweck ab. Die Wahl und die Abberufung des Aufsichtsrats sowie die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter und der Mitglieder des Aufsichtsrats bedürfen nicht der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter (so Rdn 19), weil sonst die für sie zwingenden geltenden Stimmverbote aus Abs 1 Satz 2 Nrn 1 und 2 leerliefen.165 Abs 2 Satz 1 hat klarstellenden Charakter.166 Schon aus § 278 Abs 2 iVm §§ 164 Satz 1 Hs 2, 161 Abs 2, 119 Abs 2, 116 Abs 2, HGB ergibt sich, dass die dem Personengesellschaftsrecht unterliegenden Bereiche nur unter Zustimmung aller persönlich haftenden Gesellschafter und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre geregelt werden dürfen. § 285 Abs 2 Satz 1 kommt daneben keine eigenständige, konstitutive Bedeutung zu. Vielmehr ist die Norm sogar zu eng formuliert, da sie nur den Fall der Zustimmung der Komplementäre zu Hauptversammlungsbeschlüssen aufführt und den umgekehrten Fall außer Betracht lässt. Fassen die Komplementäre in zustimmungsbedürftigen Angelegenheiten einen Beschluss, bedarf dieser selbstverständlich auch der Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Es ist also gleichgültig, vom wem die Initiative zu einem dem Personengesellschaftsrecht unterliegenden Beschluss ausgeht;167 er benötigt immer die Zustimmung beider Gesellschaftergruppen. Die Norm stellt pauschal auf Beschlüsse der Hauptversammlung ab, ohne zu unterscheiden, ob diese zustimmend oder ablehnend sind. Ablehnende Beschlüsse können jedoch nicht gemeint sein. Andernfalls wären die Kommanditaktionäre völlig rechtlos gestellt: Fordern beispielsweise die geschäftsführungsbefugten Komplementäre von der Hauptversammlung die Zustimmung zu einer bestimmten außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahme oder zu einem Grundlagengeschäft und fasst diese einen ablehnenden Beschluss, bedarf die Ablehnung nicht ihrerseits der Zustimmung der Komplementäre, um wirksam zu sein. Andernfalls liefe das Mitentscheidungsrecht der Hauptversammlung weitgehend leer.168

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163 Grafmüller S 133; MünchKomm/Perlitt5 43, § 278, 180. 164 RG 22.10.1938 – II 58/38, RGZ 158, 302, 308; Schlegelberger/Martens HGB5 § 116, 11; Großkomm HGB/Casper5 § 164, 9 ff; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 177. 165 MünchKomm/Perlitt5 50; Schlitt S 213; Spindler/Stilz/Bachmann4 33b. Sa unten 75. 166 Denkschrift I, S 176; Denkschrift II, in Hahn/Mugdan, S 338. Ausführlich dazu Sethe S 122 ff; MünchKomm/Perlitt5 39. 167 Spindler/Stilz/Bachmann4 31; Sethe S 123 f. 168 KK/Mertens/Cahn3 37; MünchKomm/Perlitt5 42; Schmidt/Lutter/Schmidt3 27; Spindler/Stilz/Bachmann4 33b.

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2. Das Zustimmungserfordernis im Einzelnen a) Die Zustimmung des/der persönlich haftenden Gesellschafter/s. Der Begriff 67 der Zustimmung entspricht der Terminologie des BGB. Er umfasst daher nicht nur die vorherige Einwilligung, sondern auch die nachträgliche Genehmigung, so dass die Zustimmung auch noch nach Einreichung des Hauptversammlungsbeschlusses zum Handelsregister möglich ist (su Rdn 98). Da die Zustimmung eine empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt (unstr), ist sie gegenüber der jeweils anderen Gesellschaftergruppe zu erklären. Regelmäßig erfolgt die Zustimmung der Komplementäre bereits vor oder während der Hauptversammlung dieser gegenüber (gerichtet an den Versammlungsleiter169). Andernfalls ist sie gegenüber dem Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu erklären,170 es sei denn, die Satzung sieht einen besonderen Vertreter der Gesamtheit der Kommanditaktionäre vor.171 Bei einem unter Abs 3 Satz 1 (nicht aber nach Abs 3 Satz 2172, s Rdn 61, 93) fallenden Beschluss ist aber auch die bloße Einreichung der Zustimmungserklärung zum Handelsregister ausreichend, da für solche Fälle regelmäßig von einem Verzicht der Kommanditaktionäre auf den Zugang der Zustimmungserklärung auszugehen ist.173 Sofern ein persönlich haftender Gesellschafter vor Erteilung seiner Zustimmung und vor der Eintragung des Beschlusses ins Handelsregister ausscheidet, bedarf es seiner Zustimmung nicht mehr.174 Tritt ein persönlich haftender Gesellschafter der KGaA bei, bedarf ein zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirksamer Hauptversammlungsbeschluss seiner Zustimmung.175 Die Zustimmung der Komplementäre bedarf keiner besonderen Form, so dass auch 68 eine konkludente Zustimmung möglich ist.176 Eine solche liegt etwa vor, wenn alle Komplementäre der Hauptversammlung den Beschluss vorschlagen,177 sie in ihrer Eigenschaft als Kommanditaktionäre für den Beschluss stimmen178 oder wenn in den Fällen des Abs 3 Satz 1 alle Komplementäre bei der Einreichung des Beschlusses zum Handelsregister mitwirken.179 Bloßes Schweigen in der Hauptversammlung oder ein Nichtreagieren der Komplementäre auf eine Initiative der Hauptversammlung stellt noch keine Zustimmung dar.180

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169 LG München I 29.8.2013 – 5 HK O 23315/12, NZG 2014, 700, 702. 170 Hüffer/Koch14 3; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 42; KK/Mertens/Cahn3 45; MünchKomm/Perlitt5 51; Schlitt S 214. 171 Happ/Pühler5 1.03, 28.1; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 42; MünchKomm/Perlitt5 51; aA Spindler/Stilz/Bachmann4 34 Fn. 93. Sa § 287, 55 f. 172 Happ/Pühler5 1.03, 28.1; KK/Mertens/Cahn3 46; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 44. 173 KK/Mertens/Cahn3 45 f. § 130 Abs 1 BGB ist dispositiv, vgl RG 23.2.1924 – V 400/23, RGZ 108, 91, 96 f; MünchKommBGB/Einsele8 § 130, 12. Wie hier schon Ritter § 227, 6, unter Hinweis §§ 151 f BGB. 174 KG 1.7.1926 – 1 X 410/26, JW 1927, 720 f mit zust. Anm. Güldenagel; Godin/Wilhelmi4 7; KK/Mertens/ Cahn3 34; MünchKomm/Perlitt5 65; Spindler/Stilz/Bachmann4 35. 175 MünchKomm/Perlitt5 65. 176 LG München I 29.8.2013 – 5 HK O 23315/12, NZG 2014, 700, 702; Happ/Pühler5 1.03, 28.1; Hüffer/ Koch14 3; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 44; MünchKomm/Perlitt5 54, 56; Spindler/Stilz/Bachmann4 34; KK/Mertens/Cahn3 45. 177 Spindler/Stilz/Bachmann4 34. 178 KG 20.5.1926 – 1 X 296/26, Recht 1926 Nr 1374; Baumbach/Hueck13 4; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 44; MünchKomm/Perlitt5 54; Spindler/Stilz/Bachmann4 34; wohl auch Schlitt S 214. Zutreffend ist die Einschränkung von KK/Mertens/Cahn3 45, dass dies nicht gilt, wenn die Abstimmung an der Hauptversammlung durch einen Stimmrechtsvertreter erfolgte. Im Falle des Beurkundungsbedarfs der Zustimmung (su Rdn 69) wird diesem Erfordernis unter den in 100 genannten Voraussetzungen genügt. 179 Hüffer/Koch14 4; KK/Mertens/Cahn3 46; MünchKomm/Perlitt5 56. 180 LG München I 29.8.2013 – 5 HK O 23315/12, NZG 2014, 700, 702; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 65; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 177; Spindler/Stilz/Bachmann4 34.

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Eine konkludente Zustimmung scheidet aus, wenn der Beschluss in das Handelsregister einzutragen ist und die Zustimmung nicht der Form des Abs 3 Satz 2 genügt (s im Einzelnen Rdn 100 f).181 Das Gesetz sieht für die Zustimmung der Komplementäre keine besonderen Verfah70 rensvorschriften vor. Das für Beschlüsse der Komplementäre notwendige Quorum richtet sich folglich nach den allgemeinen Regeln, dh nach dem jeweiligen Gegenstand der Beschlussfassung.182 Die unter § 285 Abs 2 Satz 1 fallenden Beschlussgegenstände stellen außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen bzw Grundlagengeschäfte dar (so Rdn 20) und müssen einstimmig gefasst werden. Somit müssen insbesondere auch nicht geschäftsführungsbefugte Komplementäre den Maßnahmen zustimmen.183 Bei Vorhandensein mehrerer Komplementäre ist gesetzlich keine Komplementärversammlung zur Beschlussfassung vorgeschrieben; daher erfolgt die Zustimmung individuell.184 Jedoch kann die Satzung den Kreis der Stimmberechtigten, das Verfahren zur Beschlussfassung und/oder das notwendige Quorum abweichend regeln (su Rdn 77 ff). 71

b) Die Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Geht bei einem unter Abs 2 Satz 1 fallenden Beschlussgegenstand (s Rdn 59 ff) die Initiative auf die Komplementäre zurück, bedarf deren Beschluss der Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, also eines Hauptversammlungsbeschlusses. Dessen Mehrheit richtet sich nach den Beschlusserfordernissen des ersten Buches des AktG, so dass die einfache Mehrheit ausreicht, sofern das Gesetz keine größere Mehrheit verlangt (s § 278 Rdn 99).

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3. Folgen fehlender Zustimmung. Die fehlende Zustimmung (eines Komplementärs oder der Gesamtheit der Kommanditaktionäre) macht den zustimmungsbedürftigen Beschluss schwebend unwirksam.185 Die geschäftsführungsbefugten Komplementäre sind in diesem Fall gehalten, rasch eine Entscheidung über die Genehmigung des Beschlusses herbeizuführen. Mit Erteilung der Genehmigung wird der Beschluss wirksam (§ 184 Abs 1 BGB), mit deren Versagung dagegen endgültig unwirksam. Wird ein Beschluss fälschlicherweise in das Handelsregister eingetragen, ohne dass die Zustimmung vorlag, wird dieser Mangel analog § 242 Abs 2 geheilt, sofern der Beschluss nicht innerhalb von drei Jahren mit der Feststellungsklage angegriffen wird.186

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4. Anspruch auf Zustimmung. Die jeweils andere Gesellschaftsgruppe kann im Einzelfall einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht haben.187 Dazu muss die Zustimmung im Gesellschaftsinteresse objektiv geboten und dem Gesellschafter subjektiv zumutbar sein (so § 278 Rdn 56 ff). Der Anspruch wird (wenn es um die Zustimmungspflicht der Komplementäre geht) durch eine Klage der Gesellschaft gegenüber den Komplementären bzw (falls die Zustimmungspflicht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre in Frage steht) der Komplementä-

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181 OLG Stuttgart, 27.11.2002 – 20 U 14/02, NZG 2003, 293 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 44; MünchKomm/Perlitt5 56. Näheres hierzu unten Rdn 91 ff. 182 MünchKomm/Perlitt5 57. 183 RG 6.6.1913 – II 99/13, RGZ 82, 360, 363; Baumbach/Hueck13 4; Hüffer/Koch14 2; KK/Mertens/Cahn3 35 f; MünchKomm/Perlitt5 59, 60. 184 Spindler/Stilz/Bachmann4 35. 185 Godin/Wilhelmi4 8; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 42; KK/Mertens/Cahn3 48; MünchKomm/Perlitt5 52. 186 HM, vgl KK/Mertens/Cahn3 48; 4. Aufl K Schmidt § 242, 16; MünchKomm/Perlitt5 66; Hüffer/Koch14 § 241, 6, § 242, 10 mwN. 187 RG 6.6.1913 – II 99/13, RGZ 82, 360, 361; LG München I 29.8.2013 – 5 HK O 23315/12, NZG 2014, 700, 703; KK/Mertens/Cahn3 49; MünchKomm/Perlitt5 61; Spindler/Stilz/Bachmann4 36.

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re gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht.188 In beiden Fällen wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten (s § 287 Rdn 57 ff). Die treupflichtwidrige Weigerung eines Komplementärs zur Zustimmung kann im Übrigen einen wichtigen Grund zur Ausschließung nach § 140 HGB darstellen.189 5. Alleinentscheidungsrecht der Kommanditaktionäre (Abs 2 Satz 2). In be- 74 stimmten Fällen sieht das Gesetz ein Alleinentscheidungsrecht der Kommanditaktionäre vor (s die Aufstellung in Rdn 19), so dass die diesbezüglichen Beschlüsse der Hauptversammlung nicht der Zustimmung der Komplementäre bedürfen. Zu diesen zählen die in Abs 2 Satz 2 genannten Beschlussgegenstände. Die Norm will verhindern, dass die Zwecke der Stimmverbote nach Abs 1 Satz 2 durch ein Zustimmungsrecht der Komplementäre unterlaufen werden. Abs 2 Satz 2 ist daher als zwingend zu betrachten.190 Das Alleinentscheidungsrecht aus Abs 2 Satz 2 betrifft die Geltendmachung von An- 75 sprüchen der Gesellschaft aus der Gründung oder der Geschäftsführung (§§ 283 Nr 3, 46 ff, 53, 93, 147) und die Bestellung von Prüfern (§§ 283 Nrn 7, 10, 142 ff, 258 ff AktG, §§ 316 ff HGB). Der Ausschluss des Zustimmungserfordernisses bei der Prüferbestellung beseitigt jedoch nicht das Antragsrecht der geschäftsführungsbefugten Komplementäre nach § 318 Abs 3 HGB.191 Der Wortlaut von Abs 2 Satz 2 umfasst nicht alle Maßnahmen, die nach Abs 1 Satz 2 einem Stimmverbot unterliegen. Das Gesetz unterstellt es als selbstverständlich, dass die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrats und die Entlastung der Geschäftsführung und der Aufsichtsratsmitglieder alleinige Angelegenheiten der Kommanditaktionäre darstellen (s Abs 1 Satz 2 Nrn 1, 2) und hat deshalb darauf verzichtet, diese Maßnahmen in Abs 2 Satz 2 zu wiederholen (sa oben Rdn 64).192 Nicht in Abs 2 Satz 2 genannt ist auch der Verzicht auf Schadensersatzansprüche. 76 Ein von der Hauptversammlung beschlossener Verzicht193 bedarf daher der Zustimmung der Komplementäre,194 wobei der von dem Anspruch betroffene Komplementär von der Abstimmung ausgeschlossen ist.195 Die Nichterwähnung des Verzichts auf Schadensersatzansprüche in Abs 2 Satz 2 beruht darauf, dass ein solcher Verzicht unmittelbar das Gesellschaftsvermögen betrifft und deshalb Angelegenheit aller Gesellschafter ist. Außerdem besteht bei der Entscheidung über die Zustimmung zum Verzicht nicht die Gefahr einer Interessenkollision, da die Hauptversammlung einen Beschluss gefasst hat, der einen Komplementär begünstigt, und es jetzt nur noch um die Frage geht, ob die übrigen Komplementäre hiermit einverstanden sind. Der zwischen beiden Gesellschaftergruppen mögliche Interessengegensatz, der Grundlage der Stimmverbote und der in

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188 KK/Mertens/Cahn3 49; nach MünchKomm/Perlitt5 61; nach Schmidt/Lutter/Schmidt3 30 ist hingegen die Verweigerung der Zustimmung unbeachtlich. 189 KK/Mertens/Cahn3 49; MünchKomm/Perlitt5 62. 190 Unstr., vgl nur Grigoleit/Servatius2 16 (der die Vorschrift als gesetzessystematisch verfehlt einordnet); Hüffer/Koch14 3; KK/Mertens/Cahn3 40; MünchKomm/Perlitt5 46; Sethe S 126. 191 MünchKomm/Perlitt5 48. AA Godin/Wilhelmi 9. Die Antragsberechtigung gemäß § 318 Abs 3 HGB liegt bei den „gesetzlichen Vertretern“, woraus man ableitet, dass der Antrag bei Vorhandensein eines Kollegialorgans nur nach einem Beschluss dieses Organs statthaft sei, MünchKomm BilanzR/Bormann1 § 318, 79; BeckBil-Komm/Schmidt/Heinz12 § 318, 73. Die KGaA kennt kein kraft Gesetzes zur Vertretung befugtes Kollegialorgan, sodass einzelgeschäftsführungs- und vertretungsbefugte Komplementäre den Antrag allein stellen können, ihn aber bei Widerspruch eines anderen Komplementärs unterlassen müssen (s § 278 Rdn 127 ff). 192 KK/Mertens/Cahn3 40; MünchKomm/Perlitt5 50. 193 Nicht aber dessen Ablehnung, vgl oben Rdn 58. 194 Ebenso KK/Mertens/Cahn3 40; MünchKomm/Perlitt5 49; Spindler/Stilz/Bachmann4 33b. 195 KK/Mertens/Cahn3 40; Spindler/Stilz/Bachmann4 33b; offen gelassen bei MünchKomm/Perlitt5 49 Fn 78.

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Abs 2 Satz 2 genannten Beschlussgegenstände ist, kommt hier also gar nicht zum Tragen. Der unterschiedliche Wortlaut von Abs 1 Satz 2 Nrn 4 und 5 einerseits (Ersatzansprüche und Verzicht vom Stimmverbot erfasst) und Abs 2 Satz 2 (nur Ersatzansprüche erwähnt) andererseits ist daher kein Redaktionsversehen, sondern wohl begründet. 6. Satzungsautonomie 77

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a) Einschränkung der Zustimmungsbedürftigkeit. Da sich das Zustimmungserfordernis aus der personengesellschaftsrechtlichen Komponente der KGaA ergibt,196 unterliegt Abs 2 Satz 1 grundsätzlich197 der Satzungsautonomie. Somit kann jede Gesellschaftergruppe auf der Grundlage einer entsprechenden Satzungsregelung ganz oder teilweise auf ihr Zustimmungsrecht verzichten und die aufgegebene Entscheidungsmacht der jeweils anderen Gesellschaftergruppe zuweisen. Das kann zur Folge haben, dass bestimmte, vom Gesetz zu den gemeinsamen Angelegenheiten gezählte Beschlussgegenstände aufgrund entsprechender Satzungsbestimmung nur von einer Gesellschaftergruppe entschieden werden können. In der Sache stellt eine solche Satzungsregelung eine antizipierte Zustimmung bzw nach anderer Ansicht eine abstrakte und formelle Ermächtigung dar.198 Diese kann nur innerhalb der Grenzen der personengesellschaftsrechtlich gewährleisteten Vertragsfreiheit (s Vor § 278 Rdn 60) erfolgen.199 Da diese Einschränkungen der Satzungsautonomie dazu dienen, den Minderheitenschutz im Personengesellschaftsrecht zu verwirklichen, erfassen sie vor allem Grundlagengeschäfte, die von einer Mehrheit durchgesetzt werden sollen. Bei Fragen der Geschäftsführung ist die mit den vorgenannten Einschränkungen verbundene Kontrollintensität der Grenzen der Satzungsautonomie dagegen deutlich geringer (s Vor § 278 Rdn 60).200 Es ist deshalb entsprechend nach Fallgruppen zu differenzieren: – Die antizipierte Zustimmung zu einer späteren Satzungsänderung muss sich aus der Satzung ergeben. Bei Unklarheiten über die Reichweite einer Klausel erfolgt eine subjektive – bei größerem oder seit der Gründung verändertem Aktionärskreis dagegen objektive – Auslegung des Gesellschaftsvertrags am Maßstab der §§ 133, 157 BGB unter Gesamtwürdigung des Vertragsinhalts (mit dieser Vorgehensweise hat der BGH den früher angewendeten Bestimmtheitsgrundsatz aufgegeben, Vor § 278 Rdn 60). – Bei Entscheidungen, die einen Bericht der Geschäftsführung an die Hauptversammlung voraussetzen (zB bei Bezugsrechtsausschlüssen, Unternehmensverträgen und Maßnahmen nach dem UmwG), darf die Zustimmung der beiden Gesellschaftergruppen erst erteilt werden, wenn diese Informationen zur Verfügung stehen.201 Damit scheidet eine antizipierte Zustimmung aus.202 Zu beachten sind zudem die Vorgaben von §§ 233 Abs 3, 240 Abs 3 UmwG, die die Satzungsautonomie begrenzen. – Bei einer Ermächtigung an die persönlich haftenden Gesellschafter zur Kapitalerhöhung und zur Emission von Genussrechten, Wandel- und Gewinnschuldver-

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196 S Vor § 278 Rdn 57, 59; Spindler/Stilz/Bachmann4 32 aE. 197 Sethe S 122 ff. Diese gilt selbstverständlich nicht, soweit die §§ 279 ff selbst zwingend sind, wie beim Ausschluss der Zustimmung in § 285 Abs 2 Satz 2 (s Rdn 74) oder der Zustimmung in § 286 Abs 1 Satz 2 (s § 286 Rdn 6). 198 S Hermanns ZGR 1996, 103, 105 mwN. 199 Sethe S 115 ff. 200 Sethe S 115 ff. 201 Sethe S 126. 202 Vgl zur Umwandlung Sethe S 134.

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schreibungen203 ergeben schon die Normen über das genehmigte Kapital, dass die Zustimmung der Hauptversammlung nur für einen Zeitraum von 5 Jahren erteilt werden kann (§ 202 Abs 1, 2). Für die Zustimmung der (insbesondere nicht geschäftsführungsbefugten) Komplementäre gelten die genannten personengesellschaftsrechtlichen Grenzen. Nicht zulässig ist eine Regelung, wonach für den Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft allein die Komplementäre zuständig sind. Wenn man nicht schon den Wortlaut des § 289 Abs 4 als zwingend ansieht, ist die Zustimmung der Hauptversammlung jedenfalls deshalb erforderlich, weil die Auflösung die Mitgliedschaft der Gesamtheit der Kommanditaktionäre in ihrem Bestand betrifft.204 Auch der umgekehrte Fall einer Auflösung der Gesellschaft allein durch die Hauptversammlung ist deshalb unzulässig.205 Zulässig ist dagegen eine Satzungsregelung, wonach innerhalb der in der Satzung festgelegten Mindest- und Höchstbeträge (§ 281, 16) allein die Komplementäre über die Frage zu entscheiden haben, ob und in welcher Höhe separate Sondereinlagen zu erbringen sind. Eine solche Regelung stellt keinen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich der Komplementäre dar, weil sie als Betroffene Herr über die Entscheidung bleiben. Auch der umgekehrte Fall, nämlich eine Übertragung dieser Entscheidung auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre, ist zulässig. Wegen der Auswirkungen auf die Gewinnverteilung und Liquidation sind hohe Anforderungen an die Satzungsregelung zu stellen. Geboten ist insbesondere die Festlegung der Mindest- und Höchstsumme der von dem einzelnen Komplementär und der Komplementäre in ihrer Gesamtheit zu erbringenden Vermögenseinlagen, deren Fälligkeit, die Anlässe für die Veränderung der Höhe der Sondereinlagen und das einzuhaltende Beschlussverfahren. Als zulässig anzusehen ist auch eine Regelung, wonach die Aufnahme neuer Komplementäre allein von den übrigen Komplementären oder allein von der Gesamtheit der Kommanditaktionäre entschieden wird.206 Auch ist anerkannt, dass den Geschäftsführern die alleinige Entscheidung über außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen zugewiesen werden darf, dh das Zustimmungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu solchen Geschäften (§ 278 Abs 2 iVm § 164 Satz 1 Hs 2 HGB) durch die Satzung abbedungen werden kann (so Rdn 21, § 278 Rdn 110 ff).

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Die entsprechende, in der Praxis nahezu durchweg zu findende Satzungsregelung, 86 wird im Schrifttum, im Anschluss an entsprechende Erwägungen in der Entscheidung des BGH vom 24.2.1997,207 teilweise für den Fall als unzulässig angesehen, dass es sich bei der KGaA um eine Publikumsgesellschaft handelt und das Zustimmungsrecht ersatzlos entfällt, dh nicht auf ein anderes Kontrollorgan (wie etwa den Aufsichtsrat oder einen Beirat) übertragen wird.208 Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden,

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203 Mit und ohne Bezugsrechtsausschluss, vgl dazu Sethe AG 1994, 342 ff mwN. 204 Sethe S 125 Fn 65; im Ergebnis ebenso wohl KK/Mertens/Cahn3 § 289, 11; MünchKomm/Perlitt5 § 289, 15. 205 Etwa MünchKomm/Perlitt5 43. AA allein 3. Aufl Barz 8. 206 MünchKomm/Perlitt5 § 278, 67 ff; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 26; Sethe S 125 f; Hartel DB 1992, 2329, 2334; L Fischer S 102. Zur Bestellung durch den Beirat s § 287, 102 f. 207 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399. S dazu schon § 278 Rdn 114 ff. 208 Ihrig/Schlitt S 64 ff. Wohl gegen einen generellen Ausschluss des Zustimmungsrechts, im Übrigen aber differenzierender (Satzungsregeln, die von der gesetzlichen Norm abweichen, sind nicht generell unzulässig) auch Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1385 f. Mit Vorbehalten, unter dem Eindruck der

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dass es sich bei dem Zustimmungsvorbehalt zu außergewöhnlichen Geschäften um ein Recht handelt, das einerseits die Effektivität der Geschäftsführung nachhaltig zu beeinträchtigen vermag, das andererseits aber auch ein Instrument der Kommanditaktionäre zur Kontrolle der Geschäftsführung darstellt. Die Ansicht, wonach das Zustimmungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen nicht ohne die Übertragung dieser Befugnis auf ein anderes Kontrollorgan abbedungen werden könne, ist jedoch im Schrifttum zu Recht auf breite Ablehnung gestoßen.209 So sind schon Zweifel daran begründet, ob Mitwirkungsrechte, wie das Zustimmungsrecht aller Kommanditaktionäre, überhaupt als Mittel einer effektiven Geschäftsleitungskontrolle und eines effektiven Anlegerschutzes in der Publikumsgesellschaft taugen210 und die Entscheidung darüber, inwieweit Mitwirkungsrechte der fraglichen Art für den Anleger von Gewicht sind, nicht besser dem Kapitalmarkt und dem Instrument der Publizität211 oder anderen gesellschaftsrechtlichen Kontrollmechanismen (wie etwa Schadensersatzpflichten für fehlerhafte Geschäftsführung oder Treuepflichten) überlassen werden sollte.212 Der Versuch der Übertragung von Schutz- und Kontrollmechanismen, wie sie dem Recht der AG oder dem der Publikums-KG eigen sind, auf die KGaA übersieht, dass es sich bei der KGaA weder um eine Spielart der AG213 noch um eine solche der Publikums-KG handelt.214 Auch stellt das Zustimmungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen kein dem Kernbereich der Mitgliedschaft des Kommanditaktionärs zuzurechnendes Recht dar. Darüber hinaus lässt ein Abbedingen des Zustimmungsrechts zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen die Grundlagengeschäfte unberührt. Es betrifft damit nur einen schmalen Korridor unternehmerischer Entscheidungen215 zwischen gewöhnlicher Geschäftsführung einerseits und den wesentliche gesellschaftsvertragliche Rechte der Kommanditaktionäre berührenden (so Rdn 62) Maßnahmen andererseits.216 Folglich ist eine Einschränkung der Zustimmungsrechte nach Abs 2 Satz 1 grund87 sätzlich möglich.217 Unzutreffend ist daher die Ansicht, bei Grundlagengeschäften sei nur die antizipierte Zustimmung der Komplementäre zulässig, während die Kompetenz der Hauptversammlung nicht der Satzungsautonomie unterliege.218 Diese Ansicht ver-

_____ Entscheidung BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, aber ohne nähere Auseinandersetzung, auch Habel/Strieder MittBayNot 1998, 65, 69; dies BB 1997, 1375, 1377; Mayer MittBayNot 1997, 329, 331. 209 Born S 49 f; Bürgers/Fett/Reger § 5, 98 ff; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 278, 45; Haase GmbHR 1997, 920; Heermann ZGR 2000, 61, 76 ff, 82; Heidel/Wichert5 § 278, 36; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 286 f; Hommelhoff S 16; Jaques NZG 2000, 401, 408; KK/Mertens/Cahn3 41, § 278, 90; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 19, 41; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 360; Otte S 127; Overlack S 237, S 258 ff; Schaumburg DStZ 1998, 525, 532; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 635 f; Siebold/Wichert SpuRt 1998, 138, 141; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 63; Vollertsen S 128 ff; Wichert AG 2000, 268, 270. Sa § 278 Rdn 114 ff mwN. 210 In diesem Sinne namentlich Hommelhoff S 13 ff, 16. 211 So etwa Heermann ZGR 2000, 61, 82; Wichert AG 2000, 268, 270. 212 Dazu Heermann ZGR 2000, 61, 79 ff; Wichert AG 2000, 268, 270; auch MünchKomm/Perlitt5 § 278, 360. 213 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 398; sa Vor § 278 Rdn 57a. 214 So zu Recht Heermann ZGR 2000, 61, 77 ff. 215 Wichert AG 2000, 268, 270. 216 Es bedarf daher auch keiner Anwendung der Grundsätze der Holzmüller-Entscheidung bei der KGaA, wie im Schrifttum bisweilen gefordert (Vor § 278 Rdn 102, § 278 Rdn 123). 217 Su Rdn 84 ff sowie Happ/Pühler5 1.03, 27.4; Hartel DB 1992, 2329, 2334; KK/Mertens/Cahn3 38, 43; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 184; L Fischer S 109; R M Ebeling Beteiligungsfinanzierung personenbezogener Unternehmen, 1988, S 124 f und 126 ff; Würdinger AktR4 S 259; Sethe S 125 f. 218 So noch KK/Mertens1 17, § 278, 40, 94; Grafmüller S 126, 133f; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 184 f; wohl auch MünchKomm/Perlitt5 43. An anderer Stelle halten/hielten sie dies teilweise aber für

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kennt, dass die Hauptversammlung in Bezug auf die Beschlüsse nach Abs 2 Satz 1 gerade ihre personengesellschaftsrechtlichen Kompetenzen wahrnimmt und daher dem Beschluss sehr wohl antizipiert zustimmen bzw die Entscheidung den Komplementären überlassen kann. b) Erweiterung der Zustimmungsbedürftigkeit. Die Gesellschafter können in der 88 Satzung das Zustimmungserfordernis auf weitere Bereiche ausdehnen219 und Maßnahmen, über die nach dem Gesetz eine Gesellschaftergruppe allein entscheidet, in den „Rang einer gemeinsamen Angelegenheit erheben“220. Eine solche Erweiterung des Zustimmungsrechts ist in Bezug auf alle § 278 Abs 2 unterfallenden Beschlussgegenstände möglich. Wie bereits dargelegt, sind die in Abs 2 Satz 2 angeführten Maßnahmen (so Rdn 75 f), an denen die Komplementäre nicht mitwirken dürfen, ausgenommen. Gleiches gilt für die Beschlussgegenstände, für die nach Abs 1 Satz 2 das Stimmrecht der Komplementäre ausgeschlossen ist (so Rdn 52). Nicht überzeugend ist die Ansicht, eine Erweiterung der Beschlussgegenstände, die der Zustimmung des Komplementärs in einer (idR als Kapitalgesellschaft & Co KGaA mit einer Kapitalgesellschaft als einziger Komplementärin verfassten) Publikums-KGaA unterliegen, sei „im Grundsatz für unzulässig“ anzusehen, weil dies „der Sache nach auf die Etablierung eines unzulässigen Vetorechts zugunsten der Komplementärgesellschaft“ hinauslaufe.221 Vielmehr ist eine Erweiterung der Zustimmung im Rahmen des nicht durch zwingendes Recht Ausgeschlossenen auch in der Publikums-KGaA grundsätzlich als zulässig anzusehen und kann allenfalls in der Gesamtschau222 diesbezüglicher Satzungsregelungen zu dem Befund einer unangemessenen Benachteiligung der Anleger-Kommanditaktionäre führen. Zulässig ist etwa die Ausdehnung des Zustimmungserfordernisses der Gesamtheit 89 der Kommanditaktionäre auf bestimmte Maßnahmen der gewöhnlichen Geschäftsführung (so Rdn 21, 61 aE). Nicht zu beanstanden ist es auch, wenn die Satzung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsführung einräumt.223 Nach hM zulässig sein soll auch eine Satzungsbestimmung, wonach der Beschluss 90 der Hauptversammlung über die Verwendung des auf die Kommanditaktionäre entfallenden Gewinnanteils der Zustimmung der Komplementäre bedarf.224 Zum Teil wird

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zulässig, MünchKomm/Perlitt5 § 278, 68; KK/Mertens1 § 278, 21 (Aufnahme neuer persönlich haftender Gesellschafter allein durch Beschluss der Komplementäre oder durch Beschluss der Hauptversammlung). 219 Happ/Pühler5 1.03, 27.3; Hüffer/Koch14 2; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 41; MünchKomm/Perlitt5 45; L Fischer S 102; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 185; Schaumburg DStZ 1998, 525, 527; Schaumburg/Schulte Rdn 17; Sethe S 126. Für die personalistisch strukturierte KGaA auch Schlitt S 213. 220 KK/Mertens/Cahn3 31. 221 Schlitt S 213 (Hervorhebung hinzugefügt); Ihrig/Schlitt S 69; Schaumburg/Schulte Rdn 17 sprechen dagegen unter dem Eindruck der Entscheidung BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399, nur davon, die Ausweitung von Vetorechten, wie sie für die gesetzestypische KGaA zulässig sei, sei in der kapitalistischen KGaA „nicht … ohne weiteres“ möglich. 222 Wie hier MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 63 f, § 79, 19, 41; die andere Perspektive einnehmend MünchKomm/Perlitt5 § 278, 363 (grundsätzlich unzulässig, aber Gesamtschau kann Zulässigkeit ergeben). 223 Zu Weisungsrechten und deren Grenzen § 278 Rdn 151, § 283 Rdn 21, § 287 Rdn 77, 96. 224 Generell zulässig: Grigoleit/Servatius2 § 286, 2; Happ/Pühler5 1.03, 27.3, 37.1; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 41, § 81, 21; KK/Mertens/Cahn3 § 286, 33; MünchKomm/Perlitt5 45, § 286, 80, im Hinblick auf eine Publikums-KG aber mit Vorbehalten § 278, 363 (Satzungsgestaltungen sind in ihrer Gesamtheit zu betrachten und können insgesamt die Interessen der Kommanditaktionäre angemessen berücksichtigen); Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 652; Spindler/Stilz/Bachmann4 33a, 33b; L Fischer S 72; Hartel DB 1992, 2329, 2335. Bei der nicht notierten bzw der personalistischen KGaA zulässig: LG München I 29.8.2013 – 5 HKO 23315/12, NZG 2014, 700, 701 f; Schlitt S 227 (Satzung der personalistischen KGaA kann Zustimmung der Komplementäre vorsehen); Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 286, 12.

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dabei immerhin eine Kontrolle des Vetorechts am Maßstab der Treuepflicht verlangt.225 Diese Ansicht muss schon deshalb auf Widerspruch226 stoßen, weil die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns allein den Kommanditaktionären zusteht (§§ 278 Abs 3, 119 Abs 1 Nr 2¸ 174). Sie würde durch die Einräumung eines Vetorechts in den „Rang einer gemeinsamen Angelegenheit“ beider Gesellschaftergruppen erhoben, was gegen §§ 278 Abs 3, 23 Abs 5 verstieße. Auch spricht ein argumentum e contrario aus § 286 Abs 1 gegen ein Mitspracherecht der Komplementäre.227 Der Gesetzgeber hat nur die Billigung des Jahresabschlusses in die Hände beider Gesellschaftergruppen gelegt. Die Interessen der persönlich haftenden Gesellschafter und des Unternehmens sind bereits dadurch gewahrt, dass ihnen ein Zustimmungsrecht zum Beschluss der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses zusteht (§ 286 Abs 1 Satz 2). Mit dieser Zustimmung werden die Beträge, die in die Kapitalrücklage einzustellen sind, bereits bei der Ermittlung des Bilanzgewinns in Abzug gebracht. Die notwendige Thesaurierung von Überschüssen liegt also bereits in der Hand beider Gesellschaftergruppen, während die Bildung freier Rücklagen der jeweiligen Gesellschaftergruppe anheimgestellt ist. Hauptargument gegen ein Mitspracherecht der Komplementäre bei der Gewinnverwendung ist aber die Tatsache, dass das Recht auf Teilhabe am Unternehmenserfolg zum Kernbereich der Mitgliedschaft zählt.228 Bei einer gesetzestypischen KGaA hat die eine Gesellschaftergruppe die Herrschaft im Unternehmen und die andere beschränkt sich auf die Rolle eines Finanziers mit gewissen Mitwirkungsrechten. Würde man nun den Herrschern im Unternehmen auch noch die Möglichkeit einräumen, den Finanziers den Bezug von Dividenden zu sperren, wären diese im Wesentlichen rechtlos gestellt. Zwar könnte man auf § 254 hinweisen, der einen Schutz vor übermäßiger Thesaurierung verschafft,229 doch beseitigt dieser nicht das Ungleichgewicht zwischen den Gesellschaftergruppen. Da Gewinnanteile und Tätigkeitsvergütungen der Komplementäre bereits aus dem Jahresüberschuss herausgerechnet sind, betrifft der Gewinnverwendungsbeschluss nur den unter den Kommanditaktionären zu verteilenden Gewinn und eventuell von diesen zu bildende Rücklagen. Es ist nicht einzusehen, warum die Komplementäre die Gewinnverwendung der Kommanditaktionäre beschränken können sollen, umgekehrt die Komplementäre aber Gewinn und Tätigkeitsvergütungen erhalten und entnehmen dürfen. Für ein durch Satzung begründetes Zustimmungsrecht der Komplementäre zum Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung besteht deshalb weder eine rechtliche Grundlage noch eine Rechtfertigung.230 Das LG München I meinte, wegen der persönlichen Haftung der Komplementäre hätten diese ein Interesse daran, über ein in der Satzung verankertes Vetorecht den Abfluss von Mitteln zu verhindern, was einen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft rechtfertige.231 Die persönliche Haftung ist jedoch Kennzeichen jeder KGaA und kann daher nicht Recht-

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225 Hüffer/Koch142; Spindler/Stilz/Bachmann4 33a. 226 Ebenso Wichert AG 2000, 268, 270 (Alleinentscheidungsrecht über den den Kommanditaktionären zustehenden Bilanzgewinn, hinsichtlich dessen zu erwägen sei, ob es nicht dem „Kernbereich der Mitgliedschaft der Kommanditaktionäre“ zuzuordnen sei), unter der Aufgabe der noch von demselben, Finanzen, S 157, vertretenen Ansicht. 227 So die Begr zum RegE AktG 1965, vgl Kropff AktG, 1965, S 369 f; ebenso Philbert S 219. 228 Zur Kritik an der Aufgabe dieses Grundsatzes durch den BGH s Vor § 278 Rdn 60. 229 So Spindler/Stilz/Bachmann4 33a. 230 Arnold S 153 f; Henssler/Strohn/Arnold4 § 286, 1; Bürgers/Fett/Reger § 5, 396, 422; Bürgers/Fett/ Schließer § 6, 36 f; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 9; Mense GWR 2014, 323; Heidel/Wichert5 § 286, 10; Otte S 174 f; Philbert S 219; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 22; Wichert AG 2000, 268, 270; ebenso auch noch Grigoleit/Servatius1 2. 231 LG München I 29.8.2013 – 5 HK O 23315/12, NZG 2014, 700, 702.

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fertigung für einen ausnahmsweise zulässigen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft sein. Das OLG München zweifelte daher an der Zulässigkeit der Satzungsregel. Es ordnete jedenfalls aber den Widerspruch eines Komplementärs als treuwidrig ein, wenn die Geschäftsleitung einen Gewinnverwendungsbeschluss zunächst der Hauptversammlung vorschlägt und diesen anschließend durch einen persönlich haftenden Gesellschafterkollegen, der nicht Mitglied der Geschäftsleitung war, ablehnen lässt.232 Hält man entgegen der hier vertretenen Auffassung eine Satzungsregelung für zu- 91 lässig, die die Gewinnverwendung der Zustimmung der Komplementäre unterwirft, muss man verlangen, dass die Verweigerung der Zustimmung begründet wird. Andernfalls gelingt keine Überprüfung am Maßstab der Treuepflicht.233 Zudem müsste die Klausel so ausgestaltet sein, dass im Falle der Zustimmungsverweigerung auch die auf die Komplementäre entfallenden Gewinnanteile thesauriert werden müssen, also bis zur Auflösung der Gewinnrücklagen der Kommanditaktionäre auch eine entsprechende Entnahmesperre für die Kapitalanteile der Komplementäre greift. Ob sich die Komplementäre auf eine solche Klausel einlassen werden, darf allerdings bezweifelt werden. Da die Zustimmungsverweigerung zum Gewinnverwendungsbeschluss sachlich nur zu rechtfertigen sein wird, wenn die Lage der Gesellschaft schlecht ist, sind im Übrigen auch die Tätigkeitsvergütungen nach §§ 288 Abs 3 Satz 2, 87 Abs 2 Satz 1 und 2 herabzusetzen. Nur auf diese Weise wird eine einseitige Benachteiligung der Kommanditaktionäre bei schlechter Geschäftslage der KGaA vermieden. Folgt man entgegen der hier vertretenen Ansicht der herrschenden Meinung und 92 hält ein durch die Satzung begründetes Vetorecht der Komplementäre in Bezug auf den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung für zulässig, so stellt sich die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn es sich bei der fraglichen Gesellschaft um eine Publikums-KGaA handelt.234 Gegen die Zulässigkeit eines allgemeinen Vetorechts zugunsten der persönlich haftenden Gesellschafter werden gewichtige Bedenken erhoben.235 Die zum Zwecke der Gewährleistung des Prinzips der Mehrheitsentscheidung in der Publikums-KG vorgebrachten Argumente sind jedoch weder ohne Weiteres auf die ganz anders gelagerte Organisationsverfassung der KGaA übertragbar236 noch geht es bei dem zu beurteilenden Zustimmungsvorbehalt um ein generelles Vetorecht der Komplementäre. Die Unzulässigkeit des durch die Satzung begründeten Vetorechts der Komplementäre kann sich daher allein aus den in Rdn 90 genannten Gründen ergeben. c) Beschlusserfordernisse. Der Satzungsautonomie unterliegen auch die Be- 93 schlusserfordernisse für die unter Abs 2 Satz 1 fallenden Beschlussgegenstände (so Rdn 59 ff sowie ausführlich § 278 Rdn 99). Zu beachten sind dabei allerdings die für die Vertragsfreiheit vorgegebenen Grenzen (so Rdn 77, Vor § 278 Rdn 60 mwN): – Bei Grundlagengeschäften sieht das Gesetz eine Zustimmung der Gesamtheit der 94 Kommanditaktionäre und aller Komplementäre, dh auch der nicht geschäftsführungsbefugten, vor (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 119 Abs 1 HGB; so Rdn 59 ff). Die Satzung kann bestimmen, dass die Zustimmung der Komplementäre mit Mehrheit gefasst wird oder dass nur die geschäftsführungsbefugten Komplementäre entschei-

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232 OLG München 17.9.2014 – 7 U 3876/13, ZIP 2014, 1980, 1983 f. 233 So die Ansicht von Hüffer/Koch142; Spindler/Stilz/Bachmann4 33a. 234 Verneinend etwa Ihrig/Schlitt S 69 f; Wichert AG 2000, 268, 270; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 286, 12; mit Vorbehalten auch MünchKomm/Perlitt5 § 278, 363 (vgl o Fn 219). 235 S Baumbach/Hopt/Roth39 Anh § 177a, 69b; Großkomm HGB/Casper5 § 161, 197. Weitere Nachw bei Ihrig/Schlitt S 69 Fn 131. 236 Vgl Heermann ZGR 2000, 61, 77 ff (im Zusammenhang mit Fragen des Ausschlusses des Zustimmungsrechts der Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen).

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den.237 Ein völliger Ausschluss des Zustimmungsrechts der Komplementäre kann aber, da dies in den Kernbereich der Mitgliedschaft eingreifen würde, nicht erfolgen.238 Gleiches gilt für außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen: Auch hier ist, wegen der persönlichen Haftung der Komplementäre, der gänzliche Ausschluss der Zustimmung der Komplementäre unzulässig, die Anordnung einer Mehrheitsentscheidung dagegen erlaubt.239 Nicht zu beanstanden ist es, wenn die Satzung die Zustimmungspflicht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre abbedingt (so Rdn 85 f). Für Maßnahmen der einfachen Geschäftsführung sind, sofern die Satzung nichts Gegenteiliges festlegt, die Komplementäre jeweils allein zuständig. Eine einstimmige Zustimmung der Komplementäre ist nur bei Gesamtgeschäftsführung erforderlich (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 115 Abs 2 HGB). Bei Einzelgeschäftsführung reicht dagegen die Initiative eines geschäftsführungsbefugten Komplementärs aus. Widerspricht ein anderer geschäftsführungsbefugter Komplementär, muss die Maßnahme allerdings unterbleiben. Die Satzung kann Maßnahmen der einfachen Geschäftsführung der Zustimmung oder gar der Weisung der Hauptversammlung unterwerfen.240 Gesteht die Satzung der Hauptversammlung in bestimmten Angelegenheiten ein Weisungsrecht zu, hängt die Weisung ihrerseits nicht von der Zustimmung der Komplementäre ab.241 Sinn des Weisungsrechts ist es gerade, die Komplementäre dem Willen der Hauptversammlung unterzuordnen, was durch die Zustimmungsbedürftigkeit vereitelt würde. V. Registerrechtliche Erfordernisse (Abs 3)

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1. Beschlüsse nach Abs 3 Satz 1. Die Materialien begreifen die Vorschrift als eine Ausnahme zu § 130 Abs 5,242 wonach die Verhandlungsniederschrift von Hauptversammlungsbeschlüssen „unverzüglich“ zum Handelsregister einzureichen ist.243 Davon abweichend ist bei der KGaA die Niederschrift von Hauptversammlungsbeschlüssen, die nach Abs 2 Satz 1 der Zustimmung der Komplementäre bedürfen, nach Abs 3 Satz 1 erst dann zum Handelsregister einzureichen, wenn die Zustimmung vorliegt (zur konkludenten Zustimmung durch Einreichung des Hauptversammlungsbeschlusses zum Handelsregister s Rdn 68). Zuständig für die Einreichung sind nach § 283 Nr 1 die geschäftsführungsbefugten Komplementäre. Daraus lässt sich ableiten, dass die geschäftsführungsbefugten Komplementäre auch für die Durchführung der Beschlussfassung über die Zustimmung verantwortlich sind. Sie müssen eine rasche Entscheidung darüber herbeiführen, ob dem Hauptversammlungsbeschluss zugestimmt wird oder nicht (s Rdn 72).244 Verzögern sie dies grundlos, machen sie sich uU nach §§ 283 Nr 3, 93 haftbar.

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237 Hüffer/Koch14 2; KK/Mertens/Cahn3 38; MünchKomm/Perlitt5 60; Schlitt S 213; Sethe S 125; Spindler/Stilz/Bachmann4 36. 238 KK/Mertens/Cahn3 43; MünchKomm/Perlitt5 43, 60 (Ausschluss des Stimmrechts nur für konkret bezeichnete Fälle); iE auch Hüffer/Koch14 2; Sethe S 125; aA noch KK/Mertens1 17; 3. Aufl Barz 8. 239 Hüffer/Koch14 2; MünchKomm/Perlitt5 59; iE auch Sethe S 150 f. AA noch KK/Mertens1 19. 240 So Rdn 89, § 278 Rdn 151, § 283 Rdn 21, § 287 Rdn 77, 96 und statt vieler KK/Mertens/Cahn3 § 278, 92. 241 MünchKomm/Perlitt5 41. 242 Denkschrift I, S 176 f; Denkschrift II, in Hahn/Mugdan, S 339. 243 Spindler/Stilz/Bachmann4 weist zu Recht darauf hin, dass diese Einordnung dogmatisch unzutreffend ist, denn das Zuwarten auf die Zustimmung der Komplementäre ist kein schuldhaftes Zögern iSv § 121 BGB. 244 Ebenso KK AktG/Noack/Zetzsche3 Vor§ 241, 28.

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Reichen die geschäftsführungsbefugten Komplementäre den Beschluss ein, ohne 98 dass die erforderliche Zustimmung der (übrigen) Komplementäre vorliegt, kann nach heute ganz herrschender Meinung die fehlende Zustimmung nachgeholt und nachgereicht werden (so Rdn 72).245 Liegt der Beschluss bereits vor, wurde jedoch verabsäumt, ihn mit einzureichen, so kann der Nachweis des Beschlusses nachgereicht werden. In beiden Fällen kann das Registergericht den Betroffenen durch Zwischenverfügung246 aufgeben, den Beschluss nachzuholen bzw den Nachweis des bereits erfolgten Beschlusses einzureichen. Kommen die Beteiligten dem nicht nach, kann das Registergericht einschreiten und den Beteiligten unter Androhung von Zwangsgeld aufgeben, innerhalb einer bestimmten Frist ihren Verpflichtungen nachzukommen. Das folgt zwar nicht aus § 388 FamFG iVm §§ 408, 407,247 da § 407 Abs 1 weder auf § 285 Abs 3 Bezug nimmt noch auf § 278 Abs 3 iVm §§ 130 Abs 5, 181 Abs 1 verweist; einschlägig ist jedoch § 14 Satz 1 HGB, der für die Verletzung der Pflicht zur Einreichung von Schriftstücken entsprechende Zwangsmaßnahmen verlangt.248 Bei einer juristischen Person als Komplementärin richten sich diese gegen deren Organmitglieder.249 Ist nach Gesetz oder Satzung ein Beschluss der Hauptversammlung und die Zu- 99 stimmung der Komplementäre vorgeschrieben, so ist die Zustimmung Wirksamkeitsvoraussetzung des Beschlusses (s Rdn 59) und kann auch nicht allein dadurch geheilt werden, dass der Beschluss (versehentlich) ins Handelsregister eingetragen wird. Eine Heilung kommt aber unter den in Rdn 72 angeführten Voraussetzungen in Betracht. 2. Beschlüsse nach Abs 3 Satz 2. Ist ein Beschluss oder dessen Vollzug eintra- 100 gungspflichtig,250 ist die Zustimmung der Komplementäre in der Verhandlungsniederschrift oder einem Anhang hierzu zu beurkunden. Die Erklärung im Anhang kann von einem anderen Notar und zu einer früheren Zeit und an einem anderen Ort beurkundet werden, muss aber zum Anhang der Verhandlungsniederschrift über die Hauptversammlung gemacht werden.251 Es genügt nicht, dass für die Zustimmung eine gesonderte Urkunde errichtet wird, die nicht Anhang zur Verhandlungsniederschrift selbst ist.252 Nicht ausreichend ist auch eine bloße Beglaubigung253 oder die in der (nur) notariell beglaubigten Anmeldung zum Handelsregister enthaltene Erklärung, die Zustimmung liege vor.254 Die Formvorschrift des Abs 3 Satz 2 ist zwingend;255 daher ist eine konkludente 101 Zustimmung durch Einreichung zum Handelsregister durch die Komplementäre aus-

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245 Hüffer/Koch14 4; KK/Mertens/Cahn3 50; MünchKomm/Perlitt5 64; Schlitt S 214; Spindler/Stilz/ Bachmann4 39. AA nur Godin/Wilhelmi4 8. 246 Ebenso Hüffer/Koch14 4. 247 So aber MünchKomm/Perlitt5 64. 248 Das Verfahren der Zwangsgeldfestsetzung richtet sich nach §§ 388–392 FamFG. 249 Einzelheiten bei Großkomm HGB/Koch5, § 14, 14 ff; Baumbach/Hopt/Hopt39 § 14, 2 mwN. 250 ZB §§ 45 Abs 2 Satz 4, 52 Abs 1 und 6, 181, 184, 195, 210 Abs 1, 223, 237 Abs 2 Satz 1, Abs 4 Satz 5, 239, 274 Abs 3 Satz 1, 289 Abs 6, 294 Abs 1, 295 Abs 1 Satz 2, 298, 319 Abs 4, 327 Abs 3, 327e Abs 1. 251 MünchKomm/Perlitt5 53. 252 Baumbach/Hueck13 4; Godin/Wilhelmi4 8; KK/Mertens/Cahn3 47; MünchKomm/Perlitt5 53; Hüffer/Koch14 4. 253 OLG Stuttgart, 27.11.2002 – 20 U 14/02, NZG 2003, 293; KG 15.4.1910 – 1a X 293/10, KGJ 41 A 140 ff = KG RJA 1910, 251 f; 3. Aufl Barz 9; MünchKomm/Perlitt5 53. 254 OLG Stuttgart, 27.11.2002 – 20 U 14/02, NZG 2003, 293; MünchKomm/Perlitt5 53. 255 KG 15.4.1910 – 1a X 293/10, KGJ 41 A 140 ff = KG RJA 1910, 251 f; OLG Stuttgart 27.11.2002 – 20 U 14/02, NZG 2003, 293; Hüffer/Koch14 4.

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geschlossen.256 Die Zustimmung liegt dagegen vor, wenn die Komplementäre in ihrer Eigenschaft als Kommanditaktionäre einem Beschluss zustimmen, sofern in einem solchen Fall das beurkundete Protokoll der Hauptversammlung ordnungsgemäß aufgenommen ist, es alle Komplementäre als erschienen aufführt und feststellt, dass der Beschluss einstimmig erfolgte. In der Beurkundung der Hauptversammlung liegt dann auch die Beurkundung der Zustimmung der Komplementäre.257 102 Der Mangel der Form führt zur Nichtigkeit der Zustimmung (§ 125 BGB), so dass der Beschluss schwebend unwirksam bleibt. Die Zustimmung kann jedoch nachgeholt werden (so Rdn 98). Unwirksame Beschlüsse, die fälschlicherweise in das Handelsregister eingetragen wurden, können geheilt werden (so Rdn 72 mwN). Ist der Aufsichtsrat aufgrund entsprechender Satzungsbestimmungen (nach §§ 278 103 Abs 3, 179 Abs 1 Satz 2) ermächtigt, lediglich die Fassung der Satzung betreffende Änderungen derselben vorzunehmen, so bedarf auch dieser Vorgang der Zustimmung aller258 Komplementäre, es sei denn, die Zustimmung ist bereits in der Satzung enthalten (s § 281 Rdn 9).259 104 Auch wenn sie in derselben Urkunde enthalten sind, stellen der Hauptversammlungsbeschluss und die Zustimmung eines Komplementärs kostenrechtlich verschiedene Beurkundungsgegenstände (§ 86 Abs 2 GNotKG) dar260 und führen daher zur Kostenaddition. Denn § 109 Abs 2 Nr 4 GNotKG regelt nur die Frage der Gegenstandsgleichheit mehrerer Beschlüsse untereinander, während Beschlüsse und andere Erklärungen in einer Urkunde nach § 110 Nr 1 GNotKG stets verschiedene Beurkundungsgegenstände darstellen.261 Es spielt also keine Rolle, dass sich der Hauptversammlungsbeschluss und die Zustimmungserklärung des Komplementärs inhaltlich bedingen, da § 109 Abs 2 Nr 4 GNotKG nur voneinander abhängige Beschlüsse privilegiert, nicht aber auch sonstige Erklärungen.262 Der Geschäftswert von Beschlüssen und anderen Erklärungen in einer Urkunde ist gemäß § 35 Abs 1 GNotKG folglich zu addieren, wobei die Zustimmung gemäß § 98 Abs 1 GNotKG nur mit dem halben Geschäftswert anzusetzen ist. Sind dagegen mehrere Komplementäre vorhanden und fassen sie ihre Zustimmung satzungsgemäß in Form eines Beschlusses innerhalb der Hauptversammlung, liegen kostenrechtlich mehrere Beschlüsse zu einem Beschlussgegenstand vor, die folglich unter § 109 Abs 2 Nr 4 GNotKG fallen, so dass – bei Errichtung nur einer Urkunde über beides und einer Abstimmung im Paket263– keine Kostenaddition stattfindet.

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256 Hüffer/Koch14 4; KK/Mertens/Cahn3 46; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 44. 257 KG 20.5.1926 – 1 X 296/26, KG Recht 1926 Nr 1374; KK/Mertens/Cahn3 47; MünchKomm/Perlitt5 54. 258 Dh, auch der nicht geschäftsführungsbefugten, die an der Anmeldung zum Handelsregister naturgemäß nicht mitwirken, vgl § 283 Rdn 14. 259 Wie hier schon 3. Aufl Barz 8. Demgegenüber gehen MünchKomm/Perlitt5 67 (in Widerspruch zu § 281, 64) und Spindler/Stilz/Bachmann4 41 davon aus, dass die Fassungsänderung auch ohne Zustimmung der Komplementäre erfolgen könne, diese also gleichsam in der Ermächtigung an den Aufsichtsrat (§ 179 Abs 1 Satz 2) enthalten sei. 260 BeckOK KostenR/Bachmayer (Stand 1.12.2019) § 86, 21 f. 261 Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Bormann GNotKG3 § 109, 60. 262 RegE 2. KostRMoG, BR-Drucks 517/12, 274 f. So ausdrücklich auch Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Bormann GNotKG3 § 109, 60; vgl auch ders § 109, 35a zum Parallelbeispiel der Zustimmungserklärung zu Umwandlungsvorgängen, die ebenfalls gegenstandsverschieden sind. 263 RegE 2. KostRMoG, BR-Drucks 517/12, 274.

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§ 286 Jahresabschluß. Lagebericht Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Jahresabschluß. Lagebericht § 286 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-033

(1) 1Die Hauptversammlung beschließt über die Feststellung des Jahresabschlusses. 2Der Beschluß bedarf der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. (2) 1In der Jahresbilanz sind die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter nach dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ gesondert auszuweisen. 2Der auf den Kapitalanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters für das Geschäftsjahr entfallende Verlust ist von dem Kapitalanteil abzuschreiben. 3Soweit der Verlust den Kapitalanteil übersteigt, ist er auf der Aktivseite unter der Bezeichnung „Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter“ unter den Forderungen gesondert auszuweisen, soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht; besteht keine Zahlungsverpflichtung, so ist der Betrag als „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter“ zu bezeichnen und gemäß § 268 Abs 3 des Handelsgesetzbuchs auszuweisen. 4 Unter § 89 fallende Kredite, die die Gesellschaft persönlich haftenden Gesellschaftern, deren Ehegatten, Lebenspartnern oder minderjährigen Kindern oder Dritten, die für Rechnung dieser Personen handeln, gewährt hat, sind auf der Aktivseite bei den entsprechenden Posten unter der Bezeichnung „davon an persönlich haftende Gesellschafter und deren Angehörige“ zu vermerken. (3) In der Gewinn- und Verlustrechnung braucht der auf die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewinn oder Verlust nicht gesondert ausgewiesen zu werden. (4) § 285 Nr 9 Buchstaben a und b des Handelsgesetzbuchs gilt für die persönlich haftenden Gesellschafter mit der Maßgabe, dass der auf den Kapitalanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters entfallende Gewinn nicht angegeben zu werden braucht.

Schrifttum Adler/Düring/Schmaltz Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl 1995 ff; Ammenwerth Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) – Eine Rechtsformalternative für personenbezogene Unternehmen, 1997; Gail Auswirkungen des Aktiengesetzes 1965 auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien, WPg 1966, 425; Hageböke Erstes BFH-Urteil zum sog „KGaA-Modell“, Der Konzern 2017, 126; Hageböke/Koetz Die Gewinnermittlung des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA durch Betriebsvermögensvergleich, DStR 2006, 293; Kopec/Schade Der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA vs. der atypisch stille Gesellschafter, FR 2017, 811; Krause Zum beherrschenden Einfluss des Komplementärs in der KGaA, in: FS Winter, 2011, S 351; Kusterer Ergänzungsbilanz des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, DStR 2004, 77; ders Ergänzungsbilanz des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, DStR 2004, 77; Müller Satzungsregelungen für die Bildung von Rücklagen durch die Hauptversammlung, WPg 1969, 245; Sethe Die Besonderheiten der Rechnungslegung bei der KGaA, DB 1998, 1044; Simon Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, 1910; Strieder Zur Frist der Prüfungs- und Berichtspflicht des Aufsichtsrats hinsichtlich des Jahresabschlusses einer AG oder KGaA, AG 2006, 363; Velte Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung und der Erklärung zur Unternehmensführung durch Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, AG 2018, 266; Voges Die Bilanz der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Göttingen 1928; Werther Zur freien Rücklage im Jahresabschluß, insbesondere bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, AG 1966, 305; Wichert Die Finanzen der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999; Winnefeld Bilanz-Handbuch, 5. Aufl 2015; Wirtschaftsprüfer-Handbuch 16. Aufl 2019, hrsg vom IDW-Verlag. S im Übrigen das Schrifttum zu § 278 und Vor § 278, vor 143.

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Rechtsprechung RG (28.10.1901) I 208/01, RGZ 49, 141: Klage der Gesellschafter auf Genehmigung der Bilanz; BGH (28.1.1985) II ZR 79/84, AG 1985, 188 = DB 1985, 1837 = GmbHR 1985, 256 = WM 1985, 567: Unterzeichnung des festgestellten Jahresabschlusses durch alle persönlich haftende Gesellschafter; OLG Hamm (11.4.1969) 8 W 22/69, AG 1969, 295: Anspruch der Kommanditaktionäre auf Bekanntgabe des auf die persönlich haftenden Gesellschafter entfallenden Gewinnanteils; OLG Stuttgart (14.5.2003) 20 U 31/02, NZG 2003, 778 = AG 2003, 527 = DB 2003, 1944 = ZIP 2003, 1981 = DStR 2004, 469 (Wagner): Einstellung von Beträgen in andere Gewinnrücklagen im Jahresabschluss einer KGaA; OLG Stuttgart (1.7.2009) 20 U 8/08, DB 2009, 1521 = NJW-Spezial 2009, 640 = NZG 2009, 951 = GWR 2009, 225 (Mackensen) = ZIP 2009, 2342: Nichtwahrung der Mindestanforderungen an den Prüfungsbericht des Wirtschaftsprüfers und Nichtigkeit des Jahresabschlusses.

I. II.

III.

Systematische Übersicht Normentwicklung | 1 Feststellung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendung | 2–30 1. Aufstellung des Jahresabschlusses, Prüfung durch Abschlussprüfer | 2 2. Prüfung durch den Aufsichtsrat und Feststellung des Jahresabschlusses | 4 a) Ablauf | 4 b) Form der Zustimmung der Komplementäre | 7 c) Satzungsautonomie | 8 3. Uneinigkeit über den Jahresabschluss | 9 a) Problemlage | 9 b) Problemlösungsvorschläge | 12 c) Stellungnahme | 20 4. Auskunftsrecht | 23 5. Bildung anderer Gewinnrücklagen im Jahresabschluss | 24 6. Gewinnverwendungsbeschluss | 28 Besonderheiten des Jahresabschlusses der KGaA | 31–48

Vorbemerkung | 31 Besonderheiten der Bilanz (Abs 2) | 32 a) Der Kapitalanteil der Komplementäre (Abs 2 Satz 1) | 33 b) Der Gewinn- und Verlustanteil der Komplementäre (Abs 2 Sätze 2 und 3) | 39 c) Kredite an Komplementäre (Abs 2 Satz 4) | 43 3. Besonderheiten der Gewinn- und Verlustrechnung (Abs 3) | 46 4. Besonderheiten des Anhangs (Abs 4) | 47 Konzernrechnungslegung (§§ 290 ff HGB) | 49–60 1. Konzernrechnungslegung der KGaA | 49 2. Konzernrechnungslegung der Komplementärgesellschaft einer KGaA | 53 Straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit | 59 1. 2.

IV.

V.

I. Normentwicklung 1

Abs 1 Satz 1 der Vorschrift stimmt inhaltlich mit § 228 Satz 1 AktG 1937 überein. Im Übrigen ist die Bestimmung durch das AktG 1965 neu gefasst worden, wobei Abs 1 Satz 2 die im damaligen Schrifttum herrschende Auffassung bestätigt, die Feststellung des Jahresabschlusses stelle eine gemeinsame Angelegenheit beider Gesellschaftergruppen dar.1 Der Wortlaut von Abs 1 Satz 2 verdeutlicht zudem, dass der von der Hauptversammlung zu fassende Gewinnverwendungsbeschluss nicht zustimmungsbedürftig ist.2 Die Über-

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Vgl Kropff AktG, 1965, S 369. Vgl Kropff AktG, 1965, S 370.

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schrift, Abs 2 Sätze 1, 3 und 4 sowie Abs 4 wurden durch Art 2 Nr 63 des Bilanzrichtliniengesetzes3 den entsprechenden Rechnungslegungsvorschriften des HGB angepasst. Durch Art 3 § 28 Nr 3 des Lebenspartnerschaftsgesetzes4 wurde in Absatz 2 Satz 4 das Wort „Lebenspartnern“ eingefügt. Durch Art 4 Nr 12 des Bilanzrechtsreformgesetzes5 und später durch Art 5 Nr 16 des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes6 wurde der in Absatz 4 enthaltene Verweis auf § 285 HGB angepasst (zunächst Einschub von „Satz 1“, sodann Streichung von „Satz 1“). II. Feststellung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendung 1. Aufstellung des Jahresabschlusses, Prüfung durch Abschlussprüfer. Den ge- 2 schäftsführungsbefugten7 Komplementären obliegt die Aufstellung des Jahresabschlusses (zum Konzernabschluss nach §§ 290 ff HGB s 49 ff). Es gelten die Ansatz-, Gliederungs- und Bewertungsvorschriften der §§ 150 ff AktG, 238 ff, 264 ff HGB. Gemäß § 283 Nr 9 iVm §§ 242 Abs 3, 264 Abs 1 HGB besteht der Jahresabschluss aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung, dem Anhang und dem Lagebericht. Letzterer ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 289b HGB um einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu erweitern.8 Bei einer kapitalmarktorientierten KGaA iSd § 264d HGB, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, wird der Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel ergänzt und ggf um eine Segmentberichterstattung erweitert (§ 264 Abs 1 Satz 2 HGB). Kapitalmarktorientierte Gesellschaften müssen zudem eine Erklärung zur Unternehmensführung abgeben (§ 289f HGB).9 Maßgeblich für die Erstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts im Hinblick auf Inhalt, Gliederung und Bewertung sind die diesbezüglichen speziellen Vorschriften des AktG (§§ 150 ff) sowie die alle Kaufleute und Kapitalgesellschaften betreffenden einschlägigen Bestimmungen des Dritten Buchs des HGB (§§ 238 ff, 264 ff HGB). Die Komplementäre können die Aufstellung des Jahresabschlusses delegieren, bleiben aber stets für dessen ordnungsgemäße Erstellung verantwortlich. Sie dürfen auch innerhalb der Geschäftsführung einen der geschäftsführungsbefugten Komplementäre mit der Aufstellung des Jahresabschlusses betrauen, doch entbindet auch dies die Mitglieder der Geschäftsführung nicht von ihrer Gesamtverantwortlichkeit für diesen Akt der Rechnungslegung.10 Der Jahresabschluss und der Lagebericht sind innerhalb der ersten drei Monate des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen (§ 283 Nr 9 iVm § 264 Abs 1 Satz 3 HGB). Kleine Gesellschaften haben hierfür sechs Mona-

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3 Gesetz vom 19.12.1985, BGBl I 2355. 4 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (LPartG) vom 16.2.2001, BGBl I 266. 5 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 4.12.2004, BGBl I 3166. 6 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl I 1102. 7 Adler/Düring/Schmaltz6 3; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 6 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 1; Hüffer/Koch14 1, § 283, 1; KK/Mertens/Cahn3 3, § 283, 6; MünchKomm/Perlitt5 48, § 283, 9, 33; Philbert S 80; Schlitt S 219; Spindler/Stilz/Bachmann4 1; Sethe DB 1998, 1044; Voges S 14; Wichert S 120. Ungenau BeckBilKomm/Störk/Schellhorn12 § 264 HGB, 12; BeckBil-Komm/Grottel/H Hoffmann12 Vor § 325 HGB, 85; BeckOK HGB/Ruppelt (Stand 15.1.2020) § 264, 23; Würdinger AktR4 S 256, die ohne nähere Begründung alle persönlich haftenden Gesellschafter für verpflichtet halten, den Abschluss aufzustellen. 8 Dazu im Einzelnen Velte AG 2018, 266 ff. 9 S auch dazu Velte AG 2018, 266 ff. 10 Bürgers/Fett/Schießer § 6, 9; BeckBil-Komm/Störk/Schellhorn12 § 264 HGB, 12; MünchKommHGB/ Reiner3 § 264, 18.

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te Zeit und können auf den Lagebericht verzichten (§ 264 Abs 1 Satz 4 HGB). Kleinstkapitalgesellschaften iSd § 267a HGB können unter den in § 264 Abs 1 Satz 5 HGB genannten Voraussetzungen auch auf den Anhang verzichten. 3 Der Jahresabschluss samt Lagebericht und gesondertem nichtfinanziellen Bericht ist, falls er durch einen Abschlussprüfer zu prüfen ist (§§ 316 Abs 1, 267 Abs 1 HGB), diesem unverzüglich nach der Aufstellung vorzulegen (§ 320 Abs 1 Satz 1 HGB). 2. Prüfung durch den Aufsichtsrat und Feststellung des Jahresabschlusses 4

a) Ablauf. Jahresabschluss und (erweiterter) Lagebericht sind dem Aufsichtsrat vorzulegen (§§ 283 Nr 9, 170 Abs 1). Zugleich haben die geschäftsführungsbefugten Komplementäre einen Vorschlag über die Verwendung des Bilanzgewinns zu unterbreiten (§§ 283 Nr 9, 170 Abs 2). Soweit der Jahresabschluss zu prüfen ist (§§ 316 Abs 1, 267 Abs 1 HGB), leiten die Prüfer ihren Prüfbericht direkt dem Aufsichtsrat zu (§ 111 Abs 2 Satz 3, 4 iVm § 321 Abs 5 Satz 2 HGB). Der Aufsichtsrat prüft den Jahresabschluss und den Lagebericht sowie den Gewinnverwendungsvorschlag (§ 171 Abs 1). Über das Ergebnis der Prüfung hat der Aufsichtsrat schriftlich an die Hauptversammlung nach Maßgabe von § 171 Abs 2 zu berichten; ist der Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen (s Rdn 3), hat der Aufsichtsrat auch zu dem Ergebnis der Prüfung durch den Abschlussprüfer Stellung zu nehmen (§ 171 Abs 2 Satz 3). Die Billigung des Abschlusses durch den Aufsichtsrat nach § 171 Abs 2 Satz 4 führt allerdings, anders als bei der AG (§ 172), nicht dazu, dass der Abschluss als festgestellt gilt, denn die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt bei der KGaA durch Beschluss der Hauptversammlung unter Zustimmung aller (auch der nicht geschäftsführungsbefugten) Komplementäre (§ 286 Abs 1). Der aufgestellte (und ggf geprüfte) Jahresabschluss, der Gewinnverwendungsvor5 schlag und der Bericht des Aufsichtsrats sind daher der Hauptversammlung zuzuleiten. Mangels abweichender Satzungsregelung (su 8) genügt für den Beschluss der Hauptversammlung gemäß § 133 Abs 1 die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (zur Zustimmung der Komplementäre su 7).11 Erfolgt die Feststellung des Jahresabschlusses entgegen Abs 1 durch Aufsichtsrat und Geschäftsführung, fehlt es an der Mitwirkung des zuständigen Organs und damit schon an der Feststellung des Jahresabschlusses.12 Ändert die Hauptversammlung den ihr zur Billigung vorgelegten Jahresabschluss ab, so führt dies nur dann zur Feststellung des abgeänderten Abschlusses, wenn auch dieser nach neuerlicher Prüfung durch den Abschlussprüfer binnen zwei Wochen seit der Beschlussfassung den Bestätigungsvermerk erhält (§ 173 Abs 3)13 und die Komplementäre dem Änderungsbeschluss der Hauptversammlung zustimmen. Die Versäumung der Frist zur Erteilung des Bestätigungsvermerks oder die Verweigerung des Bestätigungsvermerks haben die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge (§ 173 Abs 3 Satz 2);14 die Erteilung des Bestätigungsvermerks führt zur Wirksamkeit des Beschlusses,15 doch ist der Jahresabschluss erst mit der Zustimmung der Komplementäre festgestellt (su Rdn 9 ff zu dem

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11 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 12; MünchKomm/Perlitt5 61; Schmidt/Lutter/Schmidt3 2. 12 Sethe DB 1998, 1044, 1045; KK/Mertens/Cahn3 22 sowie zur parallelen Problematik bei der AG Adler/Düring/Schmaltz6 § 256, 56; MünchKomm/Koch5 § 256, 45; Hüffer/Koch14 § 256, 17; Schmidt/Lutter/Schwab3 § 256, 29 ff. AA Heidel/Heidel5 § 256, 23; KK/Arnold3 § 256, 53 aE; Spindler/Stilz/Rölike § 256, 55; 4. Aufl Bezzenberger § 256, 205; 3. Aufl Barz, die Nichtigkeit des Jahresabschlusses annehmen. 13 Adler/Düring/Schmaltz6 11; MünchKomm/Perlitt5 62; Wichert S 123. 14 Adler/Düring/Schmaltz6 11; MünchKomm/Perlitt5 62. 15 Adler/Düring/Schmaltz6 11; MünchKomm/Perlitt5 62.

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Fall, dass die Komplementäre ihre Zustimmung zum abgeänderten Beschluss verweigern und es zwischen den Gesellschaftergruppen nicht zur Einigung über den Jahresabschluss kommt). Der durch Zustimmung beider Gesellschaftergruppen festgestellte Jahresabschluss 6 ist von allen16 (dh auch von den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen) persönlich haftenden Gesellschaftern zu unterzeichnen (§ 283 Nr 9 iVm §§ 264 Abs 1 Satz 1, 245 Satz 2 HGB).17 Hat zwischen dem Bilanzstichtag und der Aufstellung des Abschlusses ein Wechsel im Kreis der Komplementäre stattgefunden, müssen die zum Zeitpunkt der Aufstellung vorhandenen Komplementäre den Abschluss unterzeichnen; die Unterschrift der ausgeschiedenen Komplementäre ist nicht erforderlich.18 b) Form der Zustimmung der Komplementäre. Die Zustimmung der Komplemen- 7 täre kann in oder nach der Hauptversammlung erfolgen. Sie kann aber auch im Vorhinein und konkludent erteilt werden, denn sind alle Komplementäre geschäftsführungsbefugt und leiten diese den Abschluss ohne sachliche Einschränkungen der Hauptversammlung zu, ist hierin regelmäßig bereits ihre Zustimmung zu sehen.19 Haben sich die geschäftsführungsbefugten Komplementäre die Zustimmung ausdrücklich vorbehalten oder sind nicht alle Komplementäre geschäftsführungsbefugt, wird eine gesonderte ausdrückliche Zustimmung dieser Komplementäre zum Hauptversammlungsbeschluss notwendig. c) Satzungsautonomie. Die Feststellung des Jahresabschlusses durch Zustimmung 8 beider Gesellschaftergruppen nach Abs 1 Sätze 1 und 2 ist zwingend.20 Ein Vorrecht der Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses lässt sich aus der Formulierung des Gesetzes nicht ableiten.21 Die Satzung kann das Erfordernis der Zustimmung beider Gesellschaftergruppen nicht abbedingen, da es zum Kernbereich der Mitgliedschaft zählt. Sie kann aber die Anforderungen an die Zustimmung der Komplementäre näher regeln und bspw festlegen, dass die Komplementäre mit Mehrheit entscheiden oder dass nur einzelne oder nur die geschäftsführungsbefugten Komplementäre zustimmen müssen.22 Auch können die Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung durch

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16 Bürgers/Fett/Schießer § 6, 10; BeckBil-Komm/Störk/Schellhorn12 § 245 HGB, 2; MünchKomm/Perlitt5 49; MünchKommHGB/Ballwieser3 § 245, 5; MünchKommHGB/Reiner3 § 264, 17; Schmidt/Lutter/Schmidt3 2; Winnefeld5 Rdn H 147. 17 Maßgebend ist der festgestellte Abschluss: BGH 28.1.1985 – II ZR 79/84, AG 1985, 188, 189; OLG Stuttgart 1.7.2009 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521, 1522; Baumbach/Hopt/Merkt39 § 245, 1; BeckBil-Komm/ Störk/Schellhorn12 § 245 HGB, 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Böcking/Gros4 § 245, 2; MünchKommHGB/ Ballwieser3 § 245, 5; MünchKommHGB/Reiner3 § 264, 17; Winnefeld5 Rdn H 145. Nach aA ist der aufgestellte Jahresabschluss zu unterzeichnen Bürgers/Fett/Schießer § 6, 10; inzident auch 4. Aufl Assmann/Sethe 3 (Ansicht wird aufgegeben); offen gelassen bei MünchKomm/Perlitt5 49. 18 Bürgers/Fett/Schießer § 6, 10; BeckBil-Komm/Störk/Schellhorn12 § 245 HGB, 2, § 264 HGB, 14; Sethe DB 1998, 1044. 19 Adler/Düring/Schmaltz6 16; BeckBil-Komm/Grottel/H Hoffmann12 Vor § 325 HGB, 85; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 12; MünchKomm/Perlitt5 46, 63; Spindler/Stilz/Bachmann4 2; Sethe DB 1998, 1044, 1045; Winnefeld5 Rdn L 1325. 20 Adler/Düring/Schmaltz6 2, 17; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 30; Happ/Pühler5 1.03, 30.1; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 12; Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 21, 27, § 285, 35, 38; Schlitt S 222; Sethe S 126, 183; ders DB 1998, 1045. 21 Unstr, vgl etwa BeckBil-Komm/Grottel/H Hoffmann12 Vor § 325 HGB, 85; MünchKomm/Perlitt5 47; Wichert S 122; Winnefeld5 Rdn L 1325. 22 HM; s Happ/Pühler5 1.03, 27.4 und 30.1; Hüffer/Koch14 1; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 12; KK/Mertens/ Cahn3 27; MünchKomm/Perlitt5 61; Philbert S 218; Schlitt S 222; Spindler/Stilz/Bachmann4 2; Sethe DB 1998, 1044, 1045.

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eine Satzungsregelung verschärft werden (vgl § 133 Abs 1 aE).23 Eine Übertragung des Zustimmungsrechts der Komplementäre oder der Hauptversammlung auf ein anderes Organ (zB Aufsichtsrat) ist dagegen unzulässig.24 3. Uneinigkeit über den Jahresabschluss 9

a) Problemlage. Lehnt die Hauptversammlung den von den geschäftsführungsbefugten Komplementären vorgelegten Jahresabschluss in ihrem Beschluss nach Abs 1 Satz 1 ab oder kommt der Zustimmungsbeschluss der Komplementäre, etwa weil die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre ihre Zustimmung verweigern oder weil die Komplementäre einem durch die Hauptversammlung abgeänderten Jahresabschluss ihre Zustimmung verweigern, nicht zustande, so fehlt es an der Feststellung des Jahresabschlusses. Die geschäftsführenden Komplementäre sind unter diesen Umständen kraft ihrer Organstellung verpflichtet, alle rechtlich möglichen Schritte zu ergreifen, um die Feststellung des Jahresabschlusses herbeizuführen.25 10 Für vergleichbare Fälle der Uneinigkeit über den Jahresabschluss einer AG sieht das Gesetz ein Verfahren zur Klärung der Differenzen zwischen den Beteiligten vor: Konnten sich Vorstand und Aufsichtsrat nicht über den Jahresabschluss einigen, steht der Hauptversammlung das Recht zu, den von der Geschäftsführung vorgelegten Jahresabschluss zu beschließen und ggf zu ändern (§ 173 Abs 1 und 2). Diese Regelung stellt eine Notzuständigkeit26 dar, die sich nicht ohne Weiteres auf die KGaA übertragen lässt, da dort die Hauptversammlung immer für die Feststellung des Jahresabschlusses mitzuständig ist. § 173 Abs 1 und 2 werden mithin durch § 286 Abs 1 verdrängt,27 da beide Gesellschaftergruppen gleichrangig für die Feststellung zuständig sind und eine Abänderung nur im Zusammenwirken beider Gesellschaftergruppen erfolgen kann. Auf die KGaA übertragen lässt sich dagegen § 173 Abs 3: Ändert die Hauptversammlung den Jahresabschluss ab und stimmen die persönlich haftenden Gesellschafter dem diesbezüglichen Beschluss der Hauptversammlung zu, haben die Abschlussprüfer die Änderungen zu prüfen und über den Bestätigungsvermerk zu entscheiden (s Rdn 5). Da der Jahresabschluss der Zustimmung aller Komplementäre und der Hauptver11 sammlung bedarf, kann die Situation eintreten, dass keine Einigung zwischen den Gesellschaftergruppen der KGaA zustande kommt. Anders als bei der AG ist bei der KGaA keinem der Organe der Gesellschaft ein Letztentscheidungsrecht zugewiesen, weshalb für diesen Konfliktfall aus den Grundsätzen des allgemeinen Gesellschaftsrechts eine Lösung zu entwickeln ist, die den Besonderheiten der KGaA gerecht wird. Außer Frage steht, dass die Komplementäre die Möglichkeit haben, einen ablehnenden Hauptversammlungsbeschluss nach § 283 Nr 13 anzufechten.28 Mit der Anfechtung allein kann jedoch die Zustimmung der Hauptversammlung zum Jahresabschluss und damit seine Feststellung nicht erreicht werden. War die Anfechtung erfolgreich, muss

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23 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 12. Zu Einzelheiten vgl Hüffer/Koch14 § 131, 15. 24 Happ/Pühler5 1.03, 27.4 und 30.1; Hüffer/Koch14 1; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 12. 25 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 66. 26 Adler/Düring/Schmaltz6 § 173, 12; Hüffer/Koch14 § 173, 1 sowie oben die Kommentierung bei Vetter § 173, 4. 27 Bürgers/Fett/Schießer § 6, 28 aE; KK/Mertens/Cahn3 19, 29; Spindler/Stilz/Bachmann4 2; Sethe DB 1998, 1044, 1045 sowie in Bezug auf § 173 Abs 2 Satz 2 Adler/Düring/Schmaltz6 § 173, 27; Theisen, DBW 1989, 137, 143. AA, aber ohne die Anwendbarkeit der Norm auf die KGaA eingehender zu prüfen, Baumbach/Hueck13; KK/Claussen2 § 173, 5; Werther AG 1966, 305, 307. Teilweise aA Hüffer/Koch14 1, § 173, 1 aE, der § 173 Abs 2 anwenden will. 28 MünchKomm/Perlitt5 67; Spindler/Stilz/Bachmann4 4.

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erneut eine Hauptversammlung einberufen werden, die über die Feststellung des Jahresabschlusses entscheidet. Lehnt sie ihn abermals ab, besteht die Pattsituation fort. b) Problemlösungsvorschläge. Über den Weg zur Überwindung von Uneinigkeiten zwischen den Gesellschaftergruppen über den Jahresabschluss im allgemeinen und zur Beseitigung einer möglichen Pattsituation zwischen den Gruppen im besonderen herrscht Uneinigkeit: Eine Ansicht lehnt, einer Entscheidung des Reichsgerichts folgend,29 jede Klagemöglichkeit unter den Gesellschaftern ab und hält eine Gesellschaft für auflösungsreif,30 wenn sich ihre Gesellschafter nicht auf einen Jahresabschluss einigen können. Die als Grundlage dieser Ansicht herangezogene Entscheidung des Reichsgerichts betraf eine GmbH. Unabhängig davon, ob man das Urteil in Bezug auf die GmbH für zutreffend hält, lässt es sich jedenfalls nicht auf die KGaA übertragen. Die GmbH hat nur eine Gesellschaftergruppe, weshalb das Reichsgericht eine wesentlich größere Homogenität der Gesellschafterinteressen voraussetzen konnte als dies bei der KGaA der Fall ist. Bei letzterer stellt der Jahresabschluss nämlich zugleich die Basis für die Gewinnverteilung zwischen den Gesellschaftergruppen dar, was durchaus zur Uneinigkeit führen kann.31 Darüber hinaus wird die geschilderte Ansicht auch abgelehnt, weil sie dem Rechtsschutzinteresse der Kommanditaktionäre als Anleger nicht hinreichend Rechnung trägt. Sie wird daher ganz überwiegend als nicht interessengerecht abgelehnt.32 Es entspricht deshalb ganz herrschender Meinung, dass die Überwindung von Uneinigkeiten über den Jahresabschluss im Klagewege zu erreichen ist. Die Frage, welches das hierfür gebotene Klagemodell sei, wird im Schrifttum jedoch unterschiedlich beantwortet. Im älteren Schrifttum fand sich der Vorschlag, der Jahresabschluss werde auf mitgliedschaftlicher Ebene durch eine Klage der einen Gesellschaftergruppe gegen die jeweils andere auf Feststellung der Richtigkeit des Abschlusses erreicht;33 dabei vertrete der Aufsichtsrat die Gesamtheit der Kommanditaktionäre (vgl § 287 Abs 2). Die Klage stütze sich auf die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht, die eine Zustimmung gebiete, wenn der aufgestellte Jahresabschluss richtig ist. Die Richtigkeit festzustellen, sei Sache des Gerichts. Diese Ansicht übersah jedoch, dass eine Feststellungsklage ein Feststellungsinteresse voraussetzt (§ 256 Abs 1 ZPO), an dem es vorliegend fehlt.34 Darüber hinaus vermag ein Feststellungsurteil nicht die Feststellung des Jahresabschlusses zu ersetzen. Deshalb befürwortete ein anderer Teil des Schrifttums35 eine Leistungsklage der einen gegen die jeweils andere Gesellschaftergruppe auf Zustimmung zum Jahres-

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29 RG 28.10.1901 – I 208/01, RGZ 49, 141, 145 f. 30 Aus dem Schrifttum zur KGaA namentlich noch Hüffer11 1 sowie Spindler/Stilz/Bachmann4 4 für den Fall, dass das Gericht bei keinem Beteiligten ein treuwidriges Verhalten feststellen kann. Zur GmbH entsprach dies lange der hM: etwa Hachenburg/Hüffer GmbHG8 § 46, 16 f mwN. Das jüngere Schrifttum zur GmbH befürwortet demgegenüber eine der positiven Beschlussfeststellungsklage vergleichbare Prozedur, vgl Scholz/K Schmidt GmbHG11 § 46, 21; Michalski/Römermann3 § 46, 49. 31 Ebenso Knur FS Flume Bd II 1978, S 173, 193. 32 Ausdrücklich ablehnend Adler/Düring/Schmaltz6 23; Bürgers/Fett/Göz § 5, 640; Bürgers/Körber/ Förl/Fett4 4; Heidel/Wichert5 5; KK/Mertens/Cahn3 29; MünchKomm/Perlitt5 69; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 14 Fn 43; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 32, 4; Wichert S 132; im Ergebnis auch Henssler/Strohn/ Arnold4 1; Schmidt/Lutter/Schmidt3 3. 33 3. Aufl Barz 3; Voges S 18; Schreiber S 166, der die Klage als actio pro socio bezeichnet. 34 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 72; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 35 Schlegelberger/Quassowski3 § 228, 1; ebenso wohl Staub/Pinner HGB12/13 § 320, 101.

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abschluss.36 Wird der Klage stattgegeben, weil das Gericht den von den Komplementären aufgestellten Jahresabschluss für richtig hält, sollte das Urteil die Zustimmung der Hauptversammlung ersetzen (§ 894 Abs 1 ZPO). Diese Ansicht berücksichtigte aber nicht die mittlerweile herrschende Auslegung des § 287 Abs 2, der zufolge die Parteirolle nicht bei der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, sondern bei der Gesellschaft liegt.37 Auch im neueren Schrifttum finden sich noch recht unterschiedliche Vorstellungen über die klageweise Beseitigung von Uneinigkeiten der Gesellschaftergruppen über den Jahresabschluss: – Der fehlenden Parteifähigkeit der Gesamtheit der Kommanditaktionäre Rechnung tragend, wird die Ansicht vertreten, die Feststellung des Jahresabschlusses sei durch eine Leistungsklage der Gesellschaft gegen die Komplementäre auf Zustimmung zum (abgeänderten) Beschluss der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses herbeizuführen. Sofern dies von Vertretern dieser Ansicht angesprochen wird, bejahen sie auch umgekehrt die Möglichkeit einer Leistungsklage der Komplementäre auf Zustimmung der Hauptversammlung.38 – Eine weitere, recht ähnliche Ansicht39 unterscheidet danach, ob die Hauptversammlung die Billigung des von den Komplementären vorgelegten Jahresabschlusses grundlos oder mit Grund verweigerte: Im ersteren Fall komme eine Leistungsklage der Komplementäre gegen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre (vertreten durch den Aufsichtsrat) auf Zustimmung in Betracht, in letzterem eine solche der Kommanditaktionäre (vertreten durch den Aufsichtsrat) gegen die Komplementäre. Ob die Verweigerung der Zustimmung durch die Hauptversammlung mit oder ohne Grund erfolgte, ist jedoch eine Frage, die sich erst im Rechtsstreit klären lässt; der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers auch für den geänderten Jahresabschluss ist dafür kein Indiz. – Eine andere Gruppe von Vorschlägen hat ihre Gemeinsamkeit darin, dass sie den Jahresabschluss als einen Streit unter den Gesellschaftern betrachtet, der unter dem Gesichtspunkt wechselseitiger Treuepflichten und eines daraus folgenden Anspruchs auf Zustimmung der (jeweils) anderen Gesellschaftergruppe zu entscheiden sei, der im Wege einer Klage vor der bzw gegen die Gesellschaft geltend gemacht werde.40 Dabei wird teilweise noch differenziert zwischen Bilanzierungsmaßnahmen, die der Darstellung der Lage des Unternehmens dienen, und Bilanzierungsentscheidungen, die sich der Sache nach als Entscheidungen über die Ergebnisverwendung darstellen.41 Erstere lägen im Ermessen der geschäftsführenden Komplementäre, die gegen die insoweit treuwidrige (rechtsmissbräuchliche) Zustimmungsverweigerung der Hauptversammlung im Wege der Anfechtungsklage, verbunden mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage vorgehen könnten.42 Im zweiten Fall oblägen zwar

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36 Diesem Ansatz stand auch noch MünchHdBAG/Herfs2 § 79, 13 nahe. Herfs bejahte eine auf ein Urteil gemäß § 894 ZPO gerichtete Klage der Kommanditaktionäre auf Zustimmung der Komplementäre zum abgeänderten Hauptversammlungsbeschluss, es sei denn, es geht um Bilanzierungsfragen, bei denen den Komplementären ein Bilanzierungsermessen zusteht (wie zB bei der Rückstellungsdotierung). Verweigert umgekehrt die Hauptversammlung aus gesellschaftsfremden Erwägungen die Feststellung des vorgelegten Jahresabschlusses, bejahte er eine Klage der Komplementäre gegen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre auf Zustimmung. 37 So zutreffend jetzt MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 14. S dazu unten 287 Rdn 62. 38 Arnold S 148 f; Geßler/Semler1 42; KK/Mertens1 3; Henssler/Strohn/Arnold4 § 286, 1. 39 Adler/Düring/Schmaltz6 22 f. 40 Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 23; MünchKomm/Perlitt5 71; Spindler/Stilz/Bachmann4 4; Wichert S 134 ff. 41 Wichert S 135 ff; ähnlich auch MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 14. 42 Wichert S 135 f.

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keiner der Gesellschaftergruppen treuepflichtbegründete Zustimmungspflichten, doch habe jeder Gesellschafter einen vorgreiflichen mitgliedschaftlichen Anspruch auf Gewinnbeteiligung, den die Gesellschafter, Komplementäre wie Kommanditaktionäre, durch eine Gestaltungsklage (entsprechend § 315 Abs 3 BGB) gegen die Gesellschaft geltend machen könnten.43 c) Stellungnahme. Es ist zu unterscheiden zwischen den Fragen, woraus sich materiell ein Anspruch auf Zustimmung ergeben kann, wer ihn geltend macht, welche Klageart in Betracht kommt, was (erfolgreich) gerichtlich gerügt werden kann und wie einzelne Gesellschafter im Fall der unterlassenen Feststellung des Jahresabschlusses geschützt sind: (1) Die Feststellung des Jahresabschlusses betrifft die dem Personengesellschaftsrecht entstammende, durch Absatz 1 aber speziell geordnete mitgliedschaftliche Ebene und setzt ein Zusammenwirken beider Gesellschaftergruppen voraus. Diese sind bei ihrer Entscheidung über die Feststellung des Jahresabschlusses der Treuepflicht44 unterworfen, aus der sich im Einzelfall auch ein Anspruch auf Zustimmung ergeben kann. (2) Bei der Frage, wie der Anspruch gerichtlich geltend gemacht wird, ist zu berücksichtigen, dass die Kompetenzen der Kommanditisten bei der KGaA der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zugewiesen sind; sie werden von der Hauptversammlung wahrgenommen.45 Der Gesamtheit der Kommanditaktionäre fehlt jedoch die rechtliche Selbständigkeit und damit die Parteifähigkeit.46 Wie § 287 Abs 2 zeigt, liegt die Parteirolle bei der Gesellschaft, für die der Aufsichtsrat als Organ handelt. Der aus der Treuepflicht abgeleitete Anspruch der Gesamtheit der Kommanditaktionäre auf Zustimmung wird demnach mittels einer Klage der Gesellschaft gegenüber den Komplementären geltend gemacht. Die Treuepflicht bindet umgekehrt auch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegenüber den Komplementären. Letztere haben aus ihrer mitgliedschaftlichen Stellung einen Anspruch auf Feststellung des Jahresabschlusses und können deshalb die Gesellschaft verklagen.47 Die Klage der einzelnen Gesellschaftergruppen gegeneinander wird bei der KGaA demnach durch eine Klage zwischen Gesellschaft und Komplementären ersetzt. (3) (a) Haben die Kommanditaktionäre einen ablehnenden Hauptversammlungsbeschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses gefasst, können (bzw im Falle der geschäftsführungsbefugten Komplementäre müssen48) die Komplementäre gegenüber der KGaA eine Anfechtungsklage kombiniert mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage49 auf Feststellung des Jahresabschusses erheben.50 Die KGaA wird vom Auf-

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43 Wichert S 137 f. 44 Zur Treuepflicht bei der KGaA s § 278, 56 ff sowie Sethe S 120 ff. 45 Sethe AG 1996, 299 f. 46 Vgl § 285 Rdn 73, § 287 Rdn 57 ff. 47 S § 287 Rdn 57, 62 und § 285 Rdn 73. 48 Diese sind verpflichtet, alle für einen ordnungsgemäßen Jahresabschluss notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. 49 S die Erläuterungen von 4. Aufl K Schmidt zu § 248 Rdn 18–20, § 246 Rdn 101, wonach die „positive Beschlussfeststellungsklage“ der Sache nach eine Gestaltungsklage darstellt. Der Wortbestandteil „Feststellung“ bezieht sich nicht auf die Klageart, sondern auf das materielle Recht, also die Feststellung des Hauptversammlungsbeschlusses. 50 Bürgers/Fett/Göz § 5, 642; Heidel/Wichert5 8; Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 32; MünchHdBAG/ Herfs4 § 81, 14; MünchKomm/Perlitt5 72; Schmidt/Lutter/Schmidt3 2; Spindler/Stilz/Bachmann4 4; Wichert S 135 f; aA (Leistungsklage) Adler/Düring/Schmaltz6 22 f; Arnold S 148 f; Henssler/Strohn/Arnold4 1. Keine Klageart benennend Bürgers/Körber/Förl/Fett4 4.

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sichtsrat vertreten (§§ 283 Nr 13, 246 Abs 2 Satz 3).51 Sofern unter den Komplementären Uneinigkeit herrscht, muss der klagende Komplementär seine Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage mit einer solchen auf Zustimmung gegen die nicht zustimmenden anderen Komplementäre verbinden. (b) Neben den Komplementären können auch die unterlegenen Kommanditaktionäre diesen Klageweg beschreiten. Den Komplementären ist wegen Absatz 1 Satz 2 der Streit zu verkünden,52 soweit sie nicht bereits vor der Hauptversammlung ihre Zustimmung zur Feststellung des Jahresabschlusses erteilt haben. Denn der Einzelaktionär kann – anders als die Gesamtheit der Kommanditaktionäre – die nicht zustimmenden Komplementäre nicht auf Zustimmung verklagen. (c) Im umgekehrten Fall (Verweigerung der Zustimmung der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre zum aufgestellten Jahresabschluss oder Verweigerung der Zustimmung eines oder aller Komplementäre zu einem von der Hauptversammlung abgeänderten Abschluss) erhebt die KGaA für die Gesamtheit der Kommanditaktionäre eine Leistungsklage gegen die verweigernden Komplementäre.53 Die Klageerhebung der KGaA setzt einen entsprechenden Beschluss der Gesamtheit der Kommanditaktionäre in der Hauptversammlung voraus. Eine Beschlussfeststellungklage scheidet hier aus,54 denn die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist nicht berechtigt, ablehnende Beschlüsse der Komplementäre anzufechten (was Voraussetzung einer Beschlussfeststellungklage wäre55). Die Vertretung der Gesellschaft wird vom Aufsichtsrat oder besonderen Vertretern der Hauptversammlung wahrgenommen (§ 287 Abs 2).56 (4) Die Klage ist begründet, wenn die Ablehnung der Feststellung des Jahresab22 schlusses treuwidrig war. Da es um einen testierten Abschluss geht57 und den geschäftsführungsbefugten Komplementären bei der Ausübung der Ansatz- und Bewertungswahlregeln ein Bilanzierungsermessen zusteht, kann sich der Prozess in der Sache regelmäßig nur um die Frage drehen, ob dieses Ermessen im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben ausgeübt wurde und sachlich gerechtfertigt war. Ist dies der Fall, kann die Hauptversammlung nicht verlangen, dass ihr Ermessen bzw das Ermessen des Gerichts an die Stelle der zur Aufstellung des Jahresabschlusses zuständigen Geschäftsführung gesetzt wird.58 Weiterhin denkbar ist, dass der Verweigerung der Zustimmung ein Streit um die Verwendung des Jahresüberschusses zugrunde liegt. Stellt sich im Prozess heraus, dass sowohl der von der Hauptversammlung befürwortete als auch der von den

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51 AA MünchKomm/Perlitt5 Rdn 73, der ohne nähere Begründung § 287 Abs 2 anwenden will. Da auch den nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären die Anfechtungsbefugnis zusteht (§ 283 Rdn 37), ist für § 287 Abs 2 kein Bedarf. 52 Bürgers/Fett/Göz § 5, 642; Heidel/Wichert5 8; MünchKomm/Perlitt5 72. Ebenso Schmidt/Lutter/Schmidt3 Rdn 2, der aber daran zweifelt, ob die Streitverkündigung notwendig ist, denn der Komplementär nehme als Vertreter der Gesellschaft ohnedies an dem Prozess teil. Er ist jedoch nicht selbst Partei, sondern Vertreter der KGaA, so dass mE die Streitverkündung sinnvoll und geboten ist. In Rdn 3 geht Schmidt dagegen davon aus, dass die Zustimmung der Komplementäre inzident in der Beschlussfeststellungsklage mitgeprüft werden könne, was zwingend die Streitverkündung voraussetze. 53 Adler/Düring/Schmaltz6 23; Arnold S 148 f; Heidel/Wichert5 8; Henssler/Strohn/Arnold4 1; Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 32; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 14; MünchKomm/Perlitt5 72; Schmidt/Lutter/Schmidt3 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 4; Wichert S 136. 54 AA MünchKomm/Perlitt5 72; wohl auch Bürgers/Fett/Göz § 5, 642. 55 Vgl im Einzelnen Hüffer/Koch14 § 246, 42 f. 56 Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 32; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 14; MünchKomm/Perlitt5 72; Schmidt/Lutter/Schmidt3 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 57 Zu Recht weisen Adler/Düring/Schmaltz6 24 und MünchKomm/Perlitt5 71 darauf hin, dass es in den seltensten Fällen um die Rechtmäßigkeit der Aufstellung des vom Abschlussprüfer geprüften Jahresabschlusses geht, sondern vielmehr um die Frage, ob der Jahresabschluss „interessengerecht“ sei. 58 Adler/Düring/Schmaltz6 24; Heidel/Wichert5 7; KK/Mertens/Cahn3 32; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 14.

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Komplementären favorisierte Jahresabschluss dem Unternehmensinteresse entspricht und vertretbar ist, steht derjenigen Gesellschaftergruppe die Letztentscheidungskompetenz zu, die nach der Satzung die langfristige Geschäftspolitik bestimmt. Fehlt eine solche Regelung, steht sie den Komplementären zu.59 (5) Abschließend anzusprechen ist der Fall, dass die Feststellung des Jahresab- 22a schlusses gänzlich unterbleibt, ohne dass hiergegen Maßnahmen von Seiten der geschäftsführungsbefugten Komplementäre oder der Gesellschaft ergriffen würden. Die oben geschilderte Möglichkeit einer Anfechtungsklage kombiniert mit einer Beschlussfeststellungsklage nützt dem nicht geschäftsführungsbefugten Komplementär bzw einem Einzelaktionär nichts, weil kein anzufechtender Beschluss vorliegt. Da der Gesellschafter in diesem Fall um sein gesetzliches Recht auf Teilhabe am Unternehmenserfolg (§ 58 Abs 4) gebracht werden würde, kann er nach Ablauf der Frist des § 175 Abs 1 Satz 2 gegen die Gesellschaft auf Herbeiführung des Gewinnverwendungsbeschlusses klagen; bei einem obsiegendem Urteil erfolgt die Vollstreckung gemäß § 888 ZPO.60 4. Auskunftsrecht. Die persönlich haftenden Gesellschafter haben den Komman- 23 ditaktionären auf deren Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben (§§ 278 Abs 3, 131 Abs 1, 2, 4). Das Auskunftsrecht der Kommanditaktionäre umfasst auch den in der Gewinn- und Verlustrechnung sowie im Anhang zum Jahresabschluss nicht gesondert auszuweisenden (Abs 3 und 4) Gewinn und Verlust der persönlich haftenden Gesellschafter sowie die auf die Kapitalanteile entfallenden Gewinne und Verlustabschreibungen.61 Den Komplementären stehen die in § 131 Abs 3 Satz 1 Nrn 1, 2, 5 und 6 angeführten Auskunftsverweigerungsrechte zu. Da die Hauptversammlung über den Jahresabschluss mitentscheidet (Abs 1 Satz 1), sind die Auskunftsverweigerungsrechte des § 131 Abs 3 Satz 1 Nrn 3 und 4 bei der KGaA nicht anwendbar.62 Handelt es sich bei der KGaA um ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut63, ist hiervon wiederum eine Ausnahme im Hinblick auf Auskünfte über die nach § 340f Abs 1–3 HGB gebildeten stillen Reserven zu machen (vgl § 340 f Abs 4):64 Einerseits gilt es Rechtsformnachteile in Bezug auf die KGaA zu vermeiden, da die fraglichen Auskünfte in der Rechtsform der AG ohne Weiteres nach § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 6 verweigert werden dürften und zum anderen liefe der Regelungszweck des § 340f HGB leer, würde man die nach dieser Bestimmung möglichen Vorsorgemaßnahmen zum Gegenstand eines Auskunftsrechts machen. Vgl im Übrigen auch § 285 Rdn 7. Während dem Einzelaktionär das Auskunftsrecht nach §§ 278 Abs 3, 131 zusteht, können die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre und die Gesamtheit der Kommanditak-

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59 Bürgers/Fett/Göz § 5, 642; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 4; MünchHdBAG/Herfs § 81, 14; MünchKomm/Perlitt5 71. Teilweise – nämlich in Bezug auf Bilanzierungsmaßnahmen, die der Darstellung der Lage des Unternehmens dienen – auch Heidel/Wichert5 7 f; Wichert S 135. AA Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 60 Heidel/Wichert5 9; Hüffer/Koch14 § 58, 26; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 14; MünchKomm/Bayer5 § 58, 100; MünchKomm/Perlitt5 72; Wichert S 137. 61 Adler/Düring/Schmaltz6 § 286, 14, 46; KK/Mertens/Cahn3 25; MünchKomm/Perlitt5 76 f, 91; Spindler/Stilz/Bachmann4 3; Sethe DB 1998, 1044, 1045; sa unten Rdn 48. 62 Vgl § 285 Rdn 7 mwN. 63 Bei den §§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 6, § 176 Abs 1 Satz 4 werden die Finanzdienstleistungsinstitute nicht erwähnt. Beide Normen erfassen die Erleichterungen für die Rechnungslegung der Institute, die in §§ 340– 340g HGB niedergelegt sind. § 340 Abs 4 HGB bezieht sich jedoch ausdrücklich auch auf Finanzdienstleistungsinstitute. Der Nachvollzug dieser Regelung im AktG wurde vergessen. Die Normen sind daher entsprechend ihrem Zweck erweiternd auszulegen. 64 Ebenso Adler/Düring/Schmaltz6 15 (sinngemäße Anwendung des § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 6); KK/Mertens/Cahn3 24; MünchKomm/Perlitt5 78.

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tionäre ihre aus dem Personengesellschaftsrecht folgenden Auskunfts- und Einsichtsrechte geltend machen (§ 278 Abs 2 iVm §§ 166, 118 HGB, vgl § 278 Rdn 53, 101). Dabei sind die Auskunftsverweigerungsrechte des § 131 nicht anzuwenden.65 5. Bildung anderer Gewinnrücklagen im Jahresabschluss. Das AktG enthält keine spezielle Vorschrift zur Rücklagenbildung bei der KGaA, so dass über § 278 Abs 3 die allgemeinen Vorschriften anzuwenden und bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen sind (gesetzliche Rücklage gemäß § 150 AktG, Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs 2 HGB, Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen gemäß § 272 Abs 4 HGB sowie satzungsmäßige Rücklagen). Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass für die Kapitalanteile der Komplementäre keine anteilige gesetzliche Rücklage zu dotieren ist.66 Fraglich ist, ob auch die Bestimmung über andere Gewinnrücklagen anzuwenden ist. Die in § 58 Abs 2 enthaltene Regelung lässt sich schon deshalb nicht direkt anwenden, weil ihre Tatbestandsvoraussetzungen (Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat) nicht mit § 286 Abs 1 in Einklang stehen. Die in § 58 Abs 1 getroffene Regelung orientiert sich an der AG, bei der der Jahresabschluss nur ausnahmsweise von der Hauptversammlung festgestellt wird. Wollte man § 58 Abs 1 auf die KGaA anwenden, würde dies bedeuten, dass bei der KGaA freie Rücklagen überhaupt nur dann gebildet werden können, wenn die Satzung dies vorsieht, und in diesem Fall auch nur bis zu 50% des Jahresüberschusses. Zur Schließung dieser offensichtlichen Regelungslücke wird deshalb vorgeschla25 gen, § 58 Abs 1 modifiziert anzuwenden. Sofern die Satzung eine allgemein gehaltene Satzungsermächtigung zur Rücklagenbildung enthalte, stehe der Hauptversammlung ein weiter Ermessensspielraum zu. Bei der KGaA könne sogar auf die bei der AG teilweise geforderte prozentuale oder betragsmäßige Festlegung der Rücklagenhöhe verzichtet werden.67 Diese Ansicht übersieht, dass sich § 58 Abs 1 auf eine gesetzliche Ausnahme bezieht, 26 nämlich die Feststellung durch die Hauptversammlung anstelle der dafür vorgesehenen regulären Organe. Nur vor diesem Hintergrund werden die Beschränkungen verständlich, die der Hauptversammlung in § 58 Abs 1 auferlegt sind (Starrheit der Thesaurierungspflicht).68 Bei der Suche nach einer lückenfüllenden Regelung für die KGaA ist daher am gesetzlichen Regelfall anzusetzen und § 58 Abs 2 entsprechend auf die KGaA anzuwenden.69 Ohne Satzungsbestimmung können daher bis zu 50% des Jahresüberschusses in die Rücklagen eingestellt werden (§ 58 Abs 2 Satz 1). Die Satzung kann dazu ermächtigen, entweder mehr als die Hälfte (bis zu 100%70) oder weniger als die Hälfte

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65 OLG Hamm 11.4.1969 – 8 W 22/69, AG 1969, 295 f; KK/Mertens/Cahn3 25; MünchKomm/Perlitt5 77. 66 BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 340; Bürgers/Fett/Schließer § 6, 14; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 33; MünchKomm/Perlitt5 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 67 BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 341 f; KK/Mertens1 5; Gail WPg 1966, 425, 428 f; Werther AG 1966, 305, 307; 3. Aufl Barz 2. 68 Ablehnend daher auch Adler/Düring/Schmaltz6 § 58, 71; BeckBil-Komm/Grottel/H Hoffmann12 Vor § 325 HGB, 58; KK/Mertens/Cahn3 19; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 32; MünchKomm/Perlitt5 53 f; offen gelassen OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 779. 69 Adler/Düring/Schmaltz6 § 58, 72; offen § 286, 67 f; Ammenwerth S 69 ff; BeckBilKomm/Grottel/H Hoffmann12 Vor § 325 HGB, 58; 4. Aufl Henze § 58, 120; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 32; MünchKomm/Perlitt5 54 f; H P Müller WPg 1969, 245, 246; Sethe DB 1998, 1044 f; Theisen DBW 1989, 137, 143; Wichert S 126 f. Offen Schaumburg/Schulte Rdn 32, die eine Satzungsregelung unter besonderer Berücksichtigung des Umstands empfehlen, dass auf dem Gewinnanteil der Komplementäre die Ertragsteuer lastet. Offen auch OLG Stuttgart 14.5.2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 779. 70 HM; vgl Hüffer/Koch14 § 58, 12.

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des Überschusses einzustellen.71 Eine über 50% hinausgehende Einstellung ist nur zulässig, wenn die Rücklage einschließlich der geplanten Zuweisung 50% des Grundkapitals nicht übersteigt (§ 58 Abs 2 Satz 3). Vor Ermittlung des Zuweisungsbetrags ist der Jahresüberschuss um die Pflichteinstellungen in die gesetzliche Rücklage und einen etwaigen Verlustvortrag zu kürzen (§ 58 Abs 2 Satz 4). § 58 Abs 2a ist ebenfalls anzuwenden. Aus den angeführten Gründen (s Rdn 10) ist auch § 173 nur eingeschränkt auf die 27 KGaA anzuwenden, was bedeutet, dass § 173 Abs 1 und 2 nicht eingreifen.72 6. Gewinnverwendungsbeschluss. Der festgestellte Jahresabschluss bildet die 28 Grundlage für den Gewinnverwendungsbeschluss. Da der auf die Komplementäre entfallende Gewinn im Jahresabschluss bereits als Aufwand der Gesellschaft berücksichtigt ist,73 betrifft der Gewinnverwendungsbeschluss nur den unter den Kommanditaktionären zu verteilenden Gewinn. Dieser Beschluss unterfällt nicht § 286 Abs 1, wird folglich allein von der Hauptversammlung gefasst (§§ 278 Abs 3, 174) und bedarf keiner Zustimmung der Komplementäre.74 Die Satzung kann den Komplementären kein Zustimmungsrecht (Vetorecht) einräumen.75 Die Hauptversammlung kann vom Bilanzgewinn weitere Beträge in die Gewinn- 29 rücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen (§§ 278 Abs 3, 58 Abs 3 Satz 1). Die Komplementäre können durch die Satzung ermächtigt werden, mit der Zustim- 30 mung des Aufsichtsrats den Kommanditaktionären für das abgelaufene Geschäftsjahr eine auf der Grundlage eines vorläufigen Abschlusses zu ermittelnde Abschlagsdividende auszuzahlen (§ 59).76 III. Besonderheiten des Jahresabschlusses der KGaA 1. Vorbemerkung. Für den Jahresabschluss der KGaA gelten die auf die AG an- 31 wendbaren Inhalts-, Gliederungs- und Bewertungsvorschriften des Aktiengesetzes (s §§ 150, 152, 158, 160, 161) und des Handelsgesetzbuchs (§§ 238 ff, 252 ff, 264 ff HGB). Zu deren Erläuterung ist auf die einschlägige Kommentarliteratur zu verweisen. Die Absätze 2 bis 4 enthalten die bei der KGaA notwendigen Ergänzungen dieser Regelungen bzw Abweichungen von denselben, welche sich aus der besonderen Struktur der KGaA (insbesondere der Existenz zweier Gesellschaftergruppen) ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Kommentierung dieser Besonderheiten. 2. Besonderheiten der Bilanz (Abs 2). Abs 2 der Vorschrift regelt den Ausweis der 32 Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter in der Bilanz, den Ausweis ihrer Verlustanteile und die Bilanzierung der ihnen von der Gesellschaft gewährten Kredite.

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71 Adler/Düring/Schmaltz6 69. Enger KK/Mertens/Cahn3 19 (nur bis zu 50%). Es ist streitig, ob die Satzung die genaue Höhe festsetzen muss. Die Angabe einer Obergrenze verlangen MünchKomm/Bayer5 § 58, 47; Hüffer/Koch143 § 58, 11 mwN. AA Adler/Düring/Schmaltz6 68, 69; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 32; KK/Drygala3 § 58, 31. 72 S Fn 27 mwN. 73 Vgl im Einzelnen die Kommentierung zu § 288. 74 So 1 mwN; Sethe S 187; BeckBil-Komm/Grottel/H Hoffmann12 Vor § 325 HGB, 58, 98; BeckBil-Komm/ Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 321. 75 S dazu näher § 285 Rdn 90 ff mwN. 76 S Schlitt S 227 (mit entsprechendem Satzungsmuster S 225 f).

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a) Der Kapitalanteil der Komplementäre (Abs 2 Satz 1). Abs 2 Satz 1 trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Komplementäre mit nicht auf das Grundkapital zu leistenden Einlagen (sog Sondereinlagen) an der Gesellschaft beteiligen können oder, falls die Satzung dies vorsieht, müssen.77 Diese Kapitalanteile (s Rdn 34) der Komplementäre sind nach dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ auf der Passivseite der Bilanz (s § 266 Abs 3 A I HGB) unter „II. Kapitalanteil der persönlich haftenden Gesellschafter“ gesondert auszuweisen.78 Die Bilanzierung der Kapitalanteile auf der Passivseite dient dem Gläubigerschutz. Die Kapitalanteile aller persönlich haftenden Gesellschafter können, soweit sie alle positiv sind,79 in einem Bilanzposten zusammengefasst werden.80 Sind Komplementäre mit positivem und negativem Kapitalanteil vorhanden, können jeweils die positiven und die negativen Kapitalanteile zusammengefasst werden, doch muss ihr Ausweis getrennt nach positiven und negativen Anteilen erfolgen; eine Saldierung der positiven und der negativen Kapitalanteile ist nicht gestattet (s ausführlich Rdn 41f). Eine Zusammenfassung der Kapitalanteile mit anderen Bilanzposten nach § 265 Abs 7 HGB ist unzulässig,81 da sie in der Bilanz nicht mit arabischen Zahlen auszuweisen sind. Sofern die Komplementäre keinen Kapitalanteil halten, braucht in der Bilanz kein Leerposten eingesetzt zu werden. Da Abs 2 nur die Kapitalanteile betrifft, sind die den Komplementären gehörenden Aktien nicht gesondert auszuweisen.82 34 Der Begriff des Kapitalanteils bezeichnet eine Rechnungsziffer, mit der die jeweilige Beteiligung der Komplementäre am Gesellschaftsvermögen beschrieben wird;83 aus dem Verhältnis der Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter zueinander ergibt sich die Gewinn- und Verlustverteilung unter denselben (§ 278 Abs 2 iVm §§ 167 f, 120f HGB), die Zulässigkeit von Entnahmen (§ 288 Abs 1) sowie der Umfang ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen (§§ 290, 278 Abs 2 iVm § 155 Abs 1 HGB). Die Umschreibungen des Kapitalanteils im Schrifttum sind nicht einheitlich, meinen aber im Wesentlichen dasselbe.84 Der Kapitalanteil bemisst sich nach dem Verhältnis der von den Gesellschaftern vereinbarten und eingebrachten Einlagen, soweit die Satzung nichts Abweichendes bestimmt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nicht alles, was iSv § 281 Abs 2 einlagefähig ist, auch als bilanzierungsfähig angesehen werden kann.85 Soweit Bar- und Sacheinlagen geleistet wurden, ist deren Bilanzierung möglich, während das Einbringen von Dienstleistungen nicht als Einlage bilanziert werden kann.86 Die Einla-

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77 Vgl § 281 Rdn 14. 78 Im Schrifttum herrscht Uneinigkeit, ob die Kapitalanteile mit „II.“ auszuweisen sind und sich die Ziffern der weiteren Bilanzposten abweichend von § 266 Abs 3 HGB um eine römische Ziffer vergrößern (so MünchKomm/Perlitt5 83) oder ob hier eine Ziffer „Ia.“ einzufügen ist (KK/Mertens/Cahn3 36). Weder § 286 Abs 2 Satz 1 AktG noch § 265 Abs 5 Satz 2 HGB machen hierzu Vorgaben, sodass beide Vorgehensweisen erlaubt sind. 79 Zu negativen Kapitalanteilen unten Rdn 42. 80 Adler/Düring/Schmaltz6 30; BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 330; Hüffer/Koch14 3; KK/Mertens/Cahn3 36; MünchKomm/Perlitt5 83; Sethe DB 1998, 1044, 1046; Wichert S 127. 81 Sethe DB 1998, 1044, 1046. 82 S die Kommentierung bei 4. Aufl Brönner § 152, 8 sowie Sethe DB 1998, 1044, 1046. 83 RG 14.6.1927 – II 394/26, RGZ 117, 238, 242. 84 Ausführlich zum Begriff des Kapitalanteils Huber ZGR 1988, 1, 4, und ders Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S 199 f, 218 f, 228. Sa Adler/Düring/Schmaltz6 28 aE; Baumbach/Hopt/Roth39 § 120, 12 ff; Hüffer/Koch14 2. 85 Hüffer/Koch14 2; MünchKomm/Perlitt5 84. 86 Hüffer/Koch14 2; MünchKomm/Perlitt5 84; Sethe DB 1998, 1044, 1046. Sa § 281, 27 mit Fn 78 und der dort genannten Ausnahme.

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gen der persönlich haftenden Gesellschafter unterliegen der Gründungsprüfung;87 bei Einbringung in eine bestehende KGaA sind sie analog § 183 zu prüfen.88 Bei der Bewertung von Sacheinlagen sind die Grundsätze des Kapitalaufbringungsschutzes zu beachten. Der Komplementär hat die versprochenen Werte in Höhe des in der Satzung festgesetzten Nennbetrags zu leisten. Bleibt der Wert der Sacheinlage89 hinter dem Betrag der versprochenen Einlage zurück, ist die Differenz in bar auszugleichen. Liegt der Wert dagegen über dem in der Satzung versprochenen Betrag, bestehen für die Bewertung folgende Möglichkeiten: (1) Die Bewertung erfolgt zum versprochenen Nennwert. Soweit der Wert der Sache diesen Betrag übersteigt, entsteht eine stille Reserve, deren Bildung im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zulässig ist.90 Allerdings nimmt eine solche stille Reserve nicht an der Gewinn- und Verlustverteilung teil, da ein Komplementär ansonsten über die Einbringung höherwertiger Sachen entgegen § 281 Abs 2 einseitig seinen Kapitalanteil erhöhen könnte. (2) Wird die Sacheinlage von einem bilanzierenden Unternehmen eingebracht, kann die Bewertung zum Buchwert erfolgen, wobei der Buchwert nicht über dem Tageswert der Sache liegen darf und das Verbot der Unterpariemission beachtet werden muss.91 Der auf diese Weise festgestellte Wert der Sacheinlagen ist Ausgangspunkt für die spätere Bewertung in der Bilanz der Gesellschaft. Ausstehende Einlagen der Komplementäre unterfallen nicht § 272 Abs 1 HGB, da die Einlagen nicht auf das gezeichnete Kapital erfolgen. Sie werden daher nicht als „Eingefordertes Kapital“ (§ 272 Abs 1 Satz 2 HGB), sondern wie ausstehende Einlagen der Personengesellschaft bilanziert.92 Es ist wie folgt zu unterscheiden: – Eingeforderte ausstehende Einlagen sind auf der Aktivseite als gesonderter Posten („Eingeforderte ausstehende Einlage“) zu bilanzieren.93 Eine Verrechnung mit anderen Gesellschafterkonten ist unzulässig.94 Auch darf keine Zusammenfassung mit anderen Bilanzposten nach § 265 Abs 7 HGB erfolgen, da die ausstehenden Einlagen in der Bilanz nicht mit arabischen Zahlen auszuweisen sind. – Noch nicht eingeforderte ausstehende Einlagen können auf der Passivseite als vom Eigenkapital abzusetzender Posten aktiviert werden.95 Voraussetzung ist, dass sich der Gesellschafter unbedingt zur Zahlung verpflichtet hat; der Anspruch muss jedoch nicht notwendigerweise fällig sein.96 Wird der Anspruch auf ausstehende Einlagen nicht aktiviert, weist das Kapitalkonto nur den tatsächlich einbezahlten Betrag aus.

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87 Str, s § 281 Rdn 24 f. 88 Vgl § 281 Rdn 26. 89 Als Höchstwert ist bei Anlagevermögen der Zeitwert (am Tag der Einlage), bei Gegenständen des Umlaufvermögens deren Börsen- oder Marktpreis und, soweit ein solcher Preis nicht existiert, ebenfalls der Zeitwert maßgebend. S etwa MünchKomm/Perlitt5 § 281, 26. S dazu im Einzelnen die Kommentierung zu §§ 253, 255 HGB. 90 Adler/Düring/Schmaltz6 § 255 HGB, 97; BeckBil-Komm/Schmidt/K Hoffmann12 § 247 HGB, 190. AA Geßler/Kropff1 § 150, 13; Hüffer/Koch14 § 27, 19; Schall § 27, 193. 91 Statt vieler Hüffer/Koch14 § 27, 19 (zur AG). 92 BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 325; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 90; KK/Mertens/Cahn3 37. 93 Adler/Düring/Schmaltz6 § 247 HGB, 69; BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 325 unter Verweis auf BeckBil-Komm/Schmidt/K Hoffmann12 § 264c HGB, 20; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 90. 94 Adler/Düring/Schmaltz6 § 247 HGB, 69. 95 Adler/Düring/Schmaltz6 § 247 HGB, 69; BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 325 unter Verweis auf BeckBil-Komm/Schmidt/K Hoffmann12 § 264c HGB, 20; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 90 f. 96 MünchKomm/Perlitt5 86.

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b) Der Gewinn- und Verlustanteil der Komplementäre (Abs 2 Sätze 2 und 3). Während Gewinne und Verluste das gezeichnete Kapital der KGaA (Grundkapital iSv § 6) grundsätzlich nicht berühren, dieses also ein festes Kapitalkonto darstellt, ist der (nach § 278 Abs 2) dem Personengesellschaftsrecht unterfallende Kapitalanteil der Komplementäre, wie Abs 2 verdeutlicht, variabel. Entfällt auf den/die Komplementär(e) ein Verlustanteil, ist dieser zwingend von den Kapitalanteilen abzuschreiben (Abs 2 Satz 2). Dieses Erfordernis der Verlustabschreibung unterscheidet die KGaA von der KG, bei der § 120 Abs 2 Hs 2 HGB dispositiv ist.97 Mit der Regelung des Abs 2 Satz 2 untersagt das Gesetz bei der KGaA außerdem eine Bilanzierung eines Verlustsonderkontos auf der Aktivseite,98 das bei der KG zulässig ist.99 Entfällt auf den/die Komplementär(e) ein Gewinn, ist dieser, ohne dass das Gesetz 40 dies ausdrücklich bestimmen müsste, dem Kapitalanteil gutzuschreiben. Da das Gesetz nur in Bezug auf den Verlustanteil zwingende Vorgaben enthält, gilt für die Bilanzierung des Gewinns die Satzungsautonomie nach § 278 Abs 2.100 Deshalb können Gewinne beispielsweise zu einem bestimmten Prozentsatz in die Rücklagen eingestellt werden. 41 Soweit der Verlust den Kapitalanteil eines Komplementärs übersteigt und dieser Gesellschafter nicht zur Einzahlung des Fehlbetrags verpflichtet ist, wird dieser Betrag gesondert am Ende der Aktivseite mit großem Gliederungsbuchstaben als „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter“ ausgewiesen (§ 286 Abs 2 Satz 3 iVm § 268 Abs 3 HGB).101 Eine Zusammenfassung mit anderen Bilanzposten nach § 265 Abs 7 HGB ist unzulässig,102 da der Verlustanteil in der Bilanz nicht mit arabischen Zahlen auszuweisen ist. Besteht dagegen aufgrund der Satzung103 eine Einzahlungsverpflichtung, wird der Betrag auf der Aktivseite unter den Forderungen als „Einzahlungsverpflichtung persönlich haftender Gesellschafter“ bilanziert.104 Hier ist eine Einordnung vor den sonstigen Vermögensgegenständen (B.II.4.) zweckmäßig.105 § 268 Abs 4 Satz 1 HGB ist zu beachten,106 demzufolge der Betrag der Forderungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr bei jedem gesondert ausgewiesenen Posten vermerkt werden muss. Abs 2 schreibt die getrennte Verlustabschreibung in Bezug auf das Kapitalkonto 42 eines jeden Komplementärs vor. Sind mehrere Komplementäre vorhanden und übersteigt der Verlustanteil eines Gesellschafters seinen Kapitalanteil, muss dieser entsprechend den in der vorigen Randnummer genannten Grundsätzen ausgewiesen werden; eine Saldierung mit positiven Konten anderer Komplementäre ist unzulässig.107 Haben mehrere Komplementäre einen negativen Kapitalanteil, dürfen diese Forderungen (nach Einzahlungspflichtigen und Nicht-Einzahlungspflichtigen getrennt) in einem Posten

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97 Hüffer/Koch14 4; KK/Mertens/Cahn3 38; Kropff AktG, 1965, S 370; Wichert S 128; Baumbach/Hopt/ Roth39 § 120, 10, 12. 98 Adler/Düring/Schmaltz6 32; KK/Mertens/Cahn3 38; Kropff AktG, 1965, S 370; MünchKomm/Perlitt5 87. 99 Adler/Düring/Schmaltz6 32. 100 Godin/Wilhelmi4 6; Sethe DB 1998, 1044, 1047. 101 Adler/Düring/Schmaltz6 34; BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 331; KK/Mertens/Cahn3 39; Hüffer/Koch14 4; MünchKomm/Perlitt5 88. 102 Sethe DB 1998, 1044, 1046. 103 Das Gesetz sieht nur die persönliche Haftung der Komplementäre vor; eine Nachschusspflicht kann nur aufgrund der Satzung festgelegt werden, vgl Sethe DB 1998, 1044, 1047 Fn 55. 104 BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 331; KK/Mertens/Cahn3 39. 105 Adler/Düring/Schmaltz6 35; BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 331. 106 Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 § 268 HGB, 96. 107 Adler/Düring/Schmaltz6 30; BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 331; Gail WPg 1966, 425, 426; KK/Mertens/Cahn3 36; MünchKomm/Perlitt5 89; Sethe DB 1998, 1044, 1047.

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zusammengefasst werden.108 Eine Zusammenlegung dieses Postens mit anderen Einzelforderungen innerhalb der durch die römische Ziffer überschriebenen Bilanzgruppe darf nach § 265 Abs 7 HGB nur erfolgen, wenn es sich absolut und relativ um jeweils sehr geringe Beträge handelt.109 c) Kredite an Komplementäre (Abs 2 Satz 4). Aufgrund von § 283 Nr 5 ist auf Kre- 43 dite an persönlich haftende Gesellschafter, deren Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder sowie an Dritte, die für Rechnung dieser Personen handeln, § 89 entsprechend anwendbar. Zusätzlich ist die Kreditbegrenzungsregelung des § 288 Abs 2 zu beachten. Die unter §§ 283 Nr 5, 89 fallenden Kredite sind nach Abs 2 Satz 4 gesondert auf der Aktivseite zu bilanzieren. Als Bilanzposten kommen je nach Sachlage A.III.6, B.II.4. oder B.II.1. (Warenkredit) in Betracht.110 Sie sind jeweils als „davon an persönlich haftende Gesellschafter und deren Angehörige“ zu kennzeichnen, wobei die Kredite als Gesamtsumme angegeben werden dürfen, da keine Aufgliederung der Posten nach Empfängern vorgeschrieben ist.111 Darüber hinaus ist § 268 Abs 4 Satz 1 HGB (s Rdn 41 aE) zu berücksichtigen.112 Die nicht unter §§ 283 Nr 5, 89 fallenden Kredite, dh solche mit einem Volumen, 44 das ein Bruttomonatsgehalt nicht übersteigt (vgl § 89 Abs 1 Satz 5), Gehalts- und Reisekostenvorschüsse oder sonstige Vorschüsse sind unter dem Posten „Sonstige Vermögensgegenstände“ (B.II.4.) zu bilanzieren.113 Auch insoweit ist § 268 Abs 4 Satz 1 HGB (s Rdn 41 aE) zu beachten.114 Alle gewährten Kredite sind aufgrund von § 285 Nrn 9 lit c), 21 HGB im Anhang zu 45 erläutern. Diese Verpflichtung besteht neben der nach § 286 Abs 2 Satz 4.115 3. Besonderheiten der Gewinn- und Verlustrechnung (Abs 3). Abs 3 bestimmt, 46 dass der auf die einzelnen Komplementäre entfallende Gewinn und Verlust nicht für jeden Komplementär gesondert, sondern nur als Gesamtsumme ausgewiesen zu werden braucht.116 Die Komplementäre sollen nicht gezwungen sein, ihre Gewinne und Verluste offenzulegen, zumal ein kundiger Leser der Bilanz ohnehin aus der Veränderung der Kapitalkonten Rückschlüsse ziehen kann117 (sofern keine Entnahmen oder Einlagen getätigt wurden). In der GuV sind daher die Gewinnanteile der Komplementäre als „sonstige betriebliche Aufwendungen“ (§ 275 Abs 2 Nr 8, Abs 3 Nr 7 HGB) und Verlustan-

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108 Adler/Düring/Schmaltz6 35; BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 331; MünchKomm/Reiner/Haußer3 § 266 HGB, 88. 109 MünchKomm/Störk/Büssow3 § 265 HGB, 17. 110 Adler/Düring/Schmaltz6 36; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 5 Fn 14; Hüffer/Koch14 5. 111 Adler/Düring/Schmaltz6 36; Hüffer/Koch14 5; Schlitt S 220; Spindler/Stilz/Bachmann4 10. Vgl aber sogleich Rdn 45. 112 Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 § 268 HGB, 96; MünchKomm/Reiner/Haußer3 § 268 HGB, 29 f; MünchKomm/Perlitt5 90. 113 Adler/Düring/Schmaltz6 § 266 HGB, 134. 114 Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 § 268 HGB, 96. 115 Adler/Düring/Schmaltz6 § 285 HGB, 205; § 286, 38; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 98; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 5; MünchKomm/Perlitt5 90; Schlitt S 220; Sethe DB 1998, 1044, 1048 mwN. 116 Das hindert, da es sich um ein Wahlrecht handelt, freilich nicht den freiwilligen gesonderten Ausweis. Adler/Düring/Schmaltz6 42; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 110; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 7; MünchKomm/Perlitt5 91. In diesem Falle sind die Anteile nach dem Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag gesondert und unter entsprechender Bezeichnung in das in § 158 Abs 1 vorgeschriebene Gliederungsschema aufzunehmen; Adler/Düring/Schmaltz6 § 286, 45; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 116; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 7. 117 Vgl Kropff AktG, 1965, S 370; Adler/Düring/Schmaltz6 42; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 110 Fn 192; KK/Mertens/Cahn3 43 aE; Möhring NJW 1966, 87, 92; Sethe DB 1998, 1044, 1048.

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teile als „sonstige betriebliche Erträge“ (§ 275 Abs 2 Nr 4, Abs 3 Nr 6 HGB) anzugeben.118 Davon unberührt bleibt allerdings die Pflicht, negative Kapitalkonten nach Abs 2 zu bilanzieren.119 Ungeachtet der bilanziellen Sonderregelung des Abs 3 haben die Kommanditaktionäre in der Hauptversammlung einen Anspruch auf Auskunftserteilung über den auf die einzelnen Komplementäre entfallenden Gewinn oder Verlust (s Rdn 23 und 48). 47

4. Besonderheiten des Anhangs (Abs 4). Der Anhang (§§ 284 ff HGB) ist bei Kapitalgesellschaften gemäß § 264 Abs 1 Satz 1 HGB integraler Bestandteil des Jahresabschlusses. Nach Abs 4 iVm § 285 Nr 9 HGB sind die Bezüge für aktive und ehemalige Organmitglieder und deren Hinterbliebene (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art sowie Ruhegehälter, Abfindungen, Hinterbliebenenbezüge und ähnliche Leistungen) sowie an die Organmitglieder und deren Angehörige gewährte Kredite zu erläutern. Dabei ist gleichgültig, ob die Bezüge auf Gesetz, Satzung oder Gesellschafterbeschluss beruhen oder freiwillig sind, ob sie einmalig oder regelmäßig erfolgen.120 Zweck des Absatz 4 ist eine Klarstellung.121 Danach sind die auf die Komplementäre entfallenden Gewinne nicht Teil der Gesamtbezüge des Leitungsorgans der Gesellschaft, die nach § 285 Nr 9 lit a) und b) HGB im Anhang anzugeben sind. Denn der Gewinnanteil wird vom Gesetzgeber nicht als Vergütung für die Tätigkeit der Komplementäre in der Geschäftsführung angesehen,122 sondern ist Teil ihrer mitgliedschaftlichen Rechtsstellung. Somit müssen im Anhang nur diejenigen Bezüge der Komplementäre angegeben werden, die mit Tätigkeitsvergütungen eines Vorstands der AG vergleichbar sind. Erhalten die Komplementäre also Gewinnbeteiligungen, die über den auf ihren Kapitalanteil entfallenden Gewinn hinausgehen, sind diese anzugeben. Aufgrund einer späteren Änderung des § 285 Nr 9 lit a) HGB (Einfügung der Sätze 5–8, so Rdn 1) stellte sich die Frage, ob diese Regelung, die die individualisierte Offenlegung der Vorstandsvergütung für börsennotierte Gesellschaften regelte, auch für die KGaA galt.123 Der Umstand, dass Absatz 4 auf diese Norm Bezug nahm, sprach für eine dynamische Verweisung,124 die Entstehungsgeschichte von Absatz 4 sowie der Wortlaut von § 285 Nr 9 lit a) HGB, der ausdrücklich nur von „Aktiengesellschaften“ und „Vorstandsmitglied“ sprach, dagegen.125 § 278 Abs 3 half in diesem Fall nicht weiter, weil er nicht auf das HGB verweist. Der Streit hat sich inzwischen erledigt, da durch das ARUG II (Vor § 278 Rdn 41a) die Sätze 5–8 in § 289 Nr 9 lit a) HGB wieder aufgehoben wurden. Das Vergütungssystem der Unternehmensleitung börsennotierter Aktiengesellschaften ist nun in §§ 87a, 113 Abs 3, 120a, 162 geregelt. Während die Regelung der §§ 87a, 120 Abs 1 bis 3 auf die Komplementäre der KGaA nicht passt und daher nicht anzuwenden ist (s § 278 Rdn 77), gelten die §§ 113 Abs 3, 120a Abs 4 und 5, 162 über § 278 Abs 3 auch für den Aufsichtsrat der börsennotierten KGaA (s § 287

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118 Adler/Düring/Schmaltz6 43, 48; Gail WPg 1966, 425, 427; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 7; MünchKomm/Perlitt5 91; Schlitt S 221; Sethe DB 1998, 1044, 1048. AA Ammenwerth S 56 f und KK/Mertens/Cahn3 11 f, der darin eine Verletzung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit sieht. 119 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 7; Sethe DB 1998, 1044, 1048. 120 Sethe DB 1998, 1044, 1048. 121 Kropff AktG, 1965, S 370; Adler/Düring/Schmaltz6 § 286, 50. 122 Kropff AktG, 1965, S 370; MünchKomm/Perlitt5 93. 123 Sehr anschaulich zur Diskussion Vollertsen S 404 ff. 124 KK/Mertens/Cahn3 46; MünchKomm/Perlitt5 96; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 27; Schmidt/Lutter/Schmidt3 14. 125 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 9; Leuering/Simon NZG 2005, 945, 946; Spindler/Stilz/Bachmann4 12; Vollertsen S 404 ff.

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Rdn 23).126 Die Transparenz wird zum einen durch die Publikation auf der Internetseite des Unternehmens gewährleistet (§ 162 Abs 4), zum anderen durch die Darstellung im Lagebericht (§ 289f Abs 2 Nr 1a HGB), der ausdrücklich die KGaA als Regelungsadressaten nennt (§ 289f Abs 3 HGB). Die Ausnahmeregelung der Absätze 3 und 4127 bedeutet nicht, dass die Komplemen- 48 täre in der Hauptversammlung die Auskunft über die auf sie entfallenden Gewinne und Verluste verweigern könnten.128 Auskunftspflicht und Rechnungslegung sind insoweit völlig selbständig. IV. Konzernrechnungslegung (§§ 290 ff HGB) 1. Konzernrechnungslegung der KGaA. Über die Pflicht zur Aufstellung des Jah- 49 resabschlusses und ggf eines Lageberichts nach § 283 Nr 9 iVm §§ 242, 264 Abs 1 HGB hinaus kann eine KGaA zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichtet sein. Dies ist der Fall, wenn sie auf ein anderes Unternehmen beliebiger Rechtsform (Tochterunternehmen) unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (§ 290 Abs 1 HGB), was zu bejahen ist, wenn einer der drei in § 290 Abs 2 HGB aufgeführten Kontrolltatbestände129 erfüllt ist.130 Eine solche Kontrolle liegt vor, wenn (1) der KGaA als Mutterunternehmen die Mehrheit der Stimmrechte bei einem Tochterunternehmen zusteht (§ 290 Abs 2 Nr 1 HGB), (2) das Mutterunternehmen das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Tochterunternehmens zu bestellen oder abzuberufen und es gleichzeitig Gesellschafter der Tochtergesellschaft ist (§ 290 Abs 2 Nr 2 HGB) oder (3) das Mutterunternehmen über das Recht verfügt, einen auf einem Beherrschungsvertrag mit dem Tochterunternehmen beruhenden oder sich aus einer Satzungsbestimmung dieses Unternehmens ergebenden beherrschenden Einfluss auf das Tochterunternehmen auszuüben (§ 290 Abs 2 Nr 3 HGB) oder es bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen eines Unternehmens trägt, das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient (§ 290 Abs 2 Nr 4 HGB). Es ist eine Eigentümlichkeit des in § 290 Abs 2 HGB niedergelegten Control-Konzepts, dass es auf die aus der formalen Rechtsposition des Mutterunternehmens folgende Möglichkeit zur Kontrollausübung abstellt und die tatsächliche Wahrnehmung der Kontrolle ebenso wenig verlangt, wie eine Beteiligung nach § 271 HGB.131 Konzernabschluss und Konzernlagebericht sind in den ersten fünf Monaten des 50 Konzerngeschäftsjahrs132 für das vergangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen (§ 290 Abs 1 HGB). Zur darüber hinausgehenden Verpflichtung der KGaA, im Falle der Abhängigkeit der Gesellschaft von einem anderen Unternehmen einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen (§ 312), s Vor § 278 Rdn 82 und § 283 Rdn 34.

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126 Vgl Backhaus AG 2020, 462, 464 ff. 127 Kritisch zu den Ausnahmeregelungen Wichert S 130. 128 OLG Hamm 11.4.1969 – 8 W 22/69, AG 1969, 295 f; Adler/Düring/Schmaltz6 46; MünchKomm/Perlitt5 91; Sethe DB 1998, 1044, 1045; Wichert S 130 mit Fn 37. Sa oben Rdn 23. 129 Ausführlich zum Control-Konzept des § 290 Abs 2 s Adler/Düring/Schmaltz6 § 290 HGB, 27 ff. 130 Übersicht zur Konzernrechnungslegung s Vor § 278 Rdn 87 ff. Zur Verpflichtung der geschäftsführungsbefugten Komplementäre, in diesem Falle den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht nach Maßgabe der §§ 290 ff HGB aufzustellen und gemäß § 316 Abs 2 HGB durch einen Abschlussprüfer prüfen zu lassen, s § 283 Rdn 33. 131 Adler/Düring/Schmaltz6 § 290 HGB, 29; Krause in: FS Winter, 2011, S 351, 359. 132 Vgl aber die Ausnahme in § 290 Abs 1 Satz 2 HGB.

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Die Verpflichtung einer KGaA zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichtes nach § 290 Abs 1 HGB kann allerdings entfallen, wenn einer der Ausnahmetatbestände der §§ 291–293 HGB eingreift. Unter diesen kommt die größte Bedeutung den größenabhängigen Befreiungsregelungen in § 293 HGB zu. Die Verpflichtung, einen Konzernabschluss nach HGB aufzustellen, entfällt auch 52 dann, wenn es sich um eine kapitalmarktorientierte KGaA handelt, die als Mutterunternehmen gemäß Art 4 der Verordnung (EG) Nr 1606/2002133, § 315e Abs 1 oder 2 HGB der Pflicht zur Bilanzierung nach internationalen Rechnungslegungsstandards unterliegt.134 Gemäß § 315e Abs 3 HGB kann sie diese Standards auch freiwillig wählen. 2. Konzernrechnungslegung der Komplementärgesellschaft einer KGaA. Die in § 290 Abs 2 HGB aufgeführten Kontrollkriterien vermögen regelmäßig keine Pflicht der Komplementärgesellschaft zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts zu begründen. Fraglich ist schon, ob § 290 HGB überhaupt auf typengemischte, aber einheitliche und rechtlich selbständige Gesellschaften wie die Kapitalgesellschaft & Co KGaA anzuwenden ist. Das wird man jedoch zu bejahen haben. Denn es sind über die sich aufgrund der Typenvermischung in der KGaA ergebenden Machtverhältnisse hinaus Konstellationen denkbar, in denen Satzungsgestaltungen die Herrschaftsmöglichkeiten der Komplementärgesellschaft so verstärken, dass eine Unternehmenskontrolle erreicht wird, welche nach der zu respektierenden Wertung des Gesetzes eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts nach sich ziehen soll. Insoweit ist also dem gegenüber dem Konzernrecht erweiterten Konzernrechtsbegriff des Bilanzrechts Rechnung zu tragen, auch wenn sich der materielle Sinn einer Konzernrechnungslegung in einer durch Typenmischung geprägten atypisch ausgestalteten KGaA nicht eben leicht erschließt. Dessen ungeachtet vermag die Anwendung des § 290 Abs 2 Nrn 1–4 HGB nur in Aus54 nahmefällen eine Konzernrechnungslegungspflicht für die Komplementärgesellschaft einer KGaA zu begründen: 55 – Eine solche Pflicht ergäbe sich aus § 290 Abs 2 Nr 1 HGB, wenn der Komplementärgesellschaft (in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland) die Mehrheit der Stimmen an der KGaA zustünde. Eine Kontrollmöglichkeit durch Stimmenmehrheit wäre jedoch nur dann möglich, wenn die Komplementärgesellschaft, über die ihr bereits durch das dispositive Gesetzesrecht und die Satzung eröffneten Möglichkeiten zur Leitung der Gesellschaft hinaus, eine solche Mehrheit der Stimmen in der Hauptversammlung besäße, dass ihr auf diesem Wege eine Kontrolle der Entscheidungen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre eröffnet würde. Aber auch in diesem Falle wäre der Tatbestand des § 290 Abs 2 Nr 1 HGB nur dann erfüllt, wenn nicht weitere Komplementäre vorhanden wären, die Hauptversammlungsbeschlüssen zuzustimmen hätten. In der Praxis dürfte deshalb dem Kontrollkriterium der Stimmenmehrheit keine Bedeutung zukommen.135 56 – Nach dem Kontrolltatbestand des § 290 Abs 2 Nr 2 HGB ist ein Mutterunternehmen (dh eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland) zur Konzernrechnungslegung verpflichtet, wenn es das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Lei53

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133 Verordnung (EG) Nr 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, Abl EU Nr L 243 vom 11.9.2002, S 1. Maßgebend ist nach § 315 Abs 1 HGB die jeweils gültige Fassung. 134 Einzelheiten zur Bilanzierung nach IFRS bei Bürgers/Fett/Schießer § 6, 123 ff. 135 S zum Ganzen auch Ammenwerth S 94. IE ebenso MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 116; Spindler/Stilz/Bachmann4 14.

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Jahresabschluß. Lagebericht | § 286





tungs- oder Aufsichtsorgans des Tochterunternehmens zu bestellen oder abzuberufen und es gleichzeitig Gesellschafter der Tochtergesellschaft ist. Weil die Komplementärgesellschaft als Komplementärin das geborene Leitungsorgan der KGaA ist (§ 278 Rdn 104), scheidet die Anwendung dieses Kontrollkriteriums auf die KGaA aus.136 Die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA ist als Einheit zu begreifen und die Stellung der Komplementärgesellschaft wird zu Recht als reine „Binnenherrschaft“ bezeichnet.137 Eine Konzernrechnungslegung ergibt keinen Sinn, wenn sich die Funktion der Komplementärgesellschaft auf die Leitung der KGaA beschränkt. 138 Sicherlich nicht ausreichend zur Bejahung von Nr 2 ist es, wenn das Zustimmungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre nach § 278 Abs 2 iVm § 164 HGB abbedungen wird und die Kapitalgesellschaft ihre einzige Komplementärin ist.139 Die Nr 2 stellt gerade nicht darauf ab, welchen Zustimmungsvorbehalten die Mitglieder des Leitungsorgans unterliegen. Zudem erscheint es fraglich, warum man ausgerechnet auf das Zustimmungsrecht der Kommanditaktionäre für außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen abstellen will, um zu bejahen, dass die Komplementärgesellschaft das Leitungsorgan bestellen könne.140 Der Kontrolltatbestand des § 290 Abs 2 Nr 3 HGB ist dann erfüllt, wenn ein Mutterun- 57 ternehmen (dh eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland) über das Recht verfügt, einen auf einem Beherrschungsvertrag mit dem Tochterunternehmen beruhenden oder sich aus einer Satzungsbestimmung dieses Unternehmens ergebenden beherrschenden Einfluss auf das Tochterunternehmen auszuüben. Ob die Satzungsbestimmung der Komplementärgesellschaft einen beherrschenden Einfluss einräumt, um die Finanz- und Geschäftspolitik zu bestimmen, erscheint sehr fraglich. Denn das Mittel, um der Komplementärgesellschaft genau dies zu ermöglichen, ist ihre Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis; diese steht ihr jedoch schon kraft Gesetzes und nicht auf Grund einer Bestimmung in der Satzung zu. Erst recht kann Nr 3 nicht deshalb bejaht werden, weil es sich bei der betreffenden KGaA um eine atypisch ausgestaltete Gesellschaft handelt. Auch die Zurückdrängung des Einflusses der Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegenüber der ihr nach dem dispositiven Gesetzesrecht eingeräumten Stellung auf breiter Ebene (etwa indem die Zustimmungsrechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäften abbedungen werden) oder im Hinblick auf einzelne Angelegenheiten rechtfertigt noch nicht die Annahme, die Komplementärgesellschaft könne einen umfassenden beherrschenden Einfluss auf die KGaA ausüben. Nr 3 ist daher nicht einschlägig.141 Der Tatbestand von § 290 Abs 2 Nr 4 HGB bejaht eine Beherrschungsmöglichkeit, 58 wenn das Mutterunternehmen bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen eines Unternehmens trägt, das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient (Zweckgesell-

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136 Ammenwerth S 95; Bürgers/Fett/Fett § 12, 52 f; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 27; Krause in: FS Winter, 2011, S 351, 361 f; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 116; aA Spindler/Stilz/Bachmann4 14 (erst-recht-Schluss). 137 Krause in: FS Winter, 2011, S 351, 361. 138 Krause in: FS Winter, 2011, S 351, 361. 139 So aber MünchKomm/Perlitt5 116. Ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 13, der sich zu Unrecht auf Ammenwerth S 93 beruft, denn dieser hat zu § 290 Abs 1 HGB aF Stellung bezogen. In Bezug auf § 290 Abs 2 lehnt Ammenwerth, S 94 f eine Kontrollmöglichkeit gerade ab; ebenso Krause in: FS Winter, 2011, S 351, 363. 140 Ammenwerth S 95; Krause in: FS Winter, 2011, S 351, 363. 141 Ammenwerth S 95; zurückhaltend auch Krause in: FS Winter, 2011, S 351, 364 f; aA Adler/Düring/ Schmaltz6 § 290 HGB, 59; MünchKomm/Perlitt5 116.

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Vor § 287 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

schaft). Der zur Erfassung der Special Purpose Vehicles dienende Tatbestand passt auf die Kapitalgesellschaft & Co KGaA regelmäßig nicht.142 V. Straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit 59

Während Verstöße gegen die aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften seit dem BiRiLiG143 und dem BaBiRiLiG144 keiner straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Bewehrung nach §§ 408, 399 ff unterliegen,145 sind Verstöße gegen die handelsrechtlichen Rechnungslegungsbestimmungen nach §§ 331 ff, 340m ff HGB straf- und bußgeldrechtlich sanktioniert.

Vorbemerkung zu § 287 Mitbestimmung Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Vorbemerkung Vor § 287 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-034

Schrifttum (Auswahl) Badura/Rittner/Rüthers Mitbestimmungsgesetz 1976 und Grundgesetz, 1977; Bayer Der Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes, ZGR 1977, 172; Bayreuther Die Kapitalgesellschaft & Co KGaA, JuS 1999, 651; Becker Unternehmerische Freiheit in deutscher KGaA und britischer PLC: Eignet sich die PLC als Rechtsformalternative für börsenwillige Familienunternehmen in Deutschland?, 2017; Begemann Die SE & Co. KGaA als Rechtsform für Familienunternehmen, 2018; Behme Die Berücksichtigung ausländischer Arbeitnehmer für die Berechnung der Schwellenwerte im Recht der Unternehmensmitbestimmung, AG 2018, 1; Benze ua Mitbestimmungsgesetz ‘76, ohne Jahr (1978); Bundesministerium der Justiz (Hrsg) Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980; Fabricius ua Gemeinschaftskommentar zum Mitbestimmungsgesetz, 1976 ff; L Fischer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien nach dem Mitbestimmungsgesetz, 1982; Giehl Mitbestimmung in der Komplementärin einer kapitalistischen KGaA, MittBayNot 2016, 285; Gralla Vermeidung der Unternehmensmitbestimmung – Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen, 2016; Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl 2018; Hanau/Wackerbarth Mitbestimmung im Teilkonzern mit abhängiger KG oder KGaA, in: FS Lutter, 2000, S 425; Henssler Die Unternehmensmitbestimmung, in: FS 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, S 387; Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg) Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl 2018; Hoffmann-Becking/Herfs Struktur und Satzung der Familien-KGaA, in: FS Sigle, 2000, S 273; Hoffmann/Lehmann/Weimann Mitbestimmungsgesetz, 1978; Hölters Satzungsgestaltung und Organisationsstruktur von Unternehmen bei der Einführung der qualifizierten Mitbestimmung, BB 1975, 797; Joost Mitbestimmung in der kapitalistischen KGaA, ZGR 1998, 334; Kallmeyer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien – eine interessante Rechtsformalternative für den Mittelstand?, DStR 1994, 977; Kessler Mitbestimmungsrechtliche Privilegierung der GmbH & Co. KGaA, GWR 2014, 527; Knur Unternehmensform und Betriebsverfassungsgesetz, DNotZ 1953, 6; ders Die Eignung der Kommanditgesellschaft auf Aktien für Familienunternehmen, in: FS Flume Bd II, 1978, S 173; Latzel Gleichheit in der Unternehmensmitbestimmung, 2010, veröffentlicht unter https://www.zaar.uni-muenchen.de/verlag/ download/zsr_22.pdf; Martens Paritätische Mitbestimmung und Aufsichtsratssystem, BB 1973, 1118; ders Mitbestimmung, Konzernbildung und Gesellschaftereinfluß, ZHR 138 (1974) 179; ders Allgemeine Grundsätze zur Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes, AG 1976, 113; ders Das Bundesverfassungsgericht und das Gesellschaftsrecht, ZGR 1979, 493; Meilicke/Meilicke Kommentar zum Mitbestimmungsgesetz, 2. Aufl 1976; Müller-Glöge/Preis/Schmidt Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl 2020; Pütz Die Unternehmensmitbestimmung nach dem „Company Law Package“ der EU – Erste Überlegungen zur Umsetzung der neugefassten Mobilitäts-Richtlinie (EU) 2017/1132 in das deutsche Recht, AG 2020, 117; Raiser/ Veil/Jacobs Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteiligungsgesetz, 6. Aufl 2015; Rehbinder Das Mitbestim-

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Auch MünchKomm/Perlitt5 116 aE sieht ihn nur in Extremfällen als einschlägig an. Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19.12.1985, BGBl I 2355. Bankbilanzrichtlinien-Gesetz vom 30.11.1990, BGBl I 2570. S dazu auch 4. Aufl Otto Vor § 399, 94 ff, § 400, 1.

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mungsurteil des Bundesverfassungsgerichts aus unternehmensrechtlicher Sicht, ZGR 1979, 471; Reuter Der Einfluß der Mitbestimmung auf das Gesellschafts- und Arbeitsrecht, AcP 179 (1979) 509; Reuter/Körnig Mitbestimmung und gesellschaftsrechtliche Gestaltungsfreiheit, ZHR 140 (1976) 494; Schnorbus Gestaltungsfragen fakultativer Aufsichtsorgane der KGaA, in: FS Winter, 2011, S 627; Schöpfe Gewillkürte Unternehmensmitbestimmung, 2003; Schubert Unternehmensmitbestimmung in der SE & Co. KGaA, 2018; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996, S 101 ff; Sigle Zur Mitbestimmung bei der Kapitalgesellschaft & Co. KG – Altes und Neues, in: FS Peltzer, 2001, S 539; Steindorff Kommanditgesellschaft auf Aktien und Mitbestimmung, in: FS Ballerstedt, 1975, S 127; Theisen Die KGaA auf dem Prüfstand, DBW 1989, 137; Ullrich Unternehmensmitbestimmung in der kapitalistischen Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2002; Widmann Der Aufsichtsrat in der mitbestimmten Einpersonen-Gesellschaft, 2004; Wißmann/ Kleinsorge/Schubert (Hrsg) Mitbestimmungsrecht, 5. Aufl 2017; Zacharopoulou Kommanditgesellschaft auf Aktien und Mitbestimmungsgesetz, 2000. S im Übrigen das Schrifttum zu § 278.

Rechtsprechung BGH (24.2.1997) II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 (Vorinstanz OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, s 278) = AG 1997, 370 = BB 1997, 1220 = DB 1997, 1219 = NJW 1997, 1923 = WM 1997, 1098 = ZIP 1997, 1027 = LM H. 8/1997 § 278 AktG 1965 Nr 1 (Roth) = WuB II B § 278 AktG 1.97 (Hein): Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA und Mitbestimmungsrecht; OLG Celle (9.10.2014) 9 W 116/14, AG 2015, 205 = GmbHR 2015 = GWR 2014, 527 (Kessler) = ZIP 2015, 123: Mitbestimmung in der GmbH & Co. KGaA.

I. II.

Systematische Übersicht Überblick | 1 Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 | 2–19 1. Die Sonderstellung der KGaA | 2 2. Der Umfang der Mitbestimmung im Einzelnen | 6

3.

III.

Mitbestimmung bei der Kapitalgesellschaft & Co KGaA | 9 4. Mitbestimmung und „Geschäftsführer-Komplementär“ | 16 Das Drittelbeteiligungsgesetz | 20–22

I. Überblick Die KGaA unterliegt als Kapitalgesellschaft dem MitbestG 19761 und dem Drit- 1 telbG2. Vom Montanmitbestimmungsgesetz3 und Mitbestimmungsergänzungsgesetz4 ist die KGaA dagegen nicht erfasst,5 da sich ohnehin nie ein Unternehmen des Montanbereichs dieser Rechtsform bediente und der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Gesetze deshalb entsprechend begrenzte (§ 1 Abs 2 MontanMitbestG bzw § 1 MontanMitbestGErgG). Eine im Wege der Satzungsautonomie eingeführte Mitbestimmung wird für unzulässig gehalten, da die Regeln zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats der KGaA zwingend sind (§§ 278 Abs 3, 23 Abs 5).6

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1 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4.5.1976, BGBl I 1153. Vgl Zacharopoulou S 77 ff. 2 Art 1 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18.5.2004, BGBl I 974. 3 Gesetz vom 21.5.1951, BGBl I 347. 4 Gesetz vom 7.8.1956, BGBl I 707. 5 S Joost ZGR 1998, 334, 336 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 69; Schaumburg/Schulte Rdn 81; Zacharopoulou S 75. 6 Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 664 f.

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II. Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 1. Die Sonderstellung der KGaA. Die §§ 1 Abs 1, 5 MitbestG unterwerfen Unternehmen in der Rechtsform einer KGaA, die allein oder im Konzern mehr als 2000 Arbeitnehmern beschäftigen,7 der paritätischen Mitbestimmung. Ausgenommen sind allein Tendenzunternehmen iSd § 1 Abs 4 MitbestG. Die KGaA genießt jedoch im Vergleich zu den anderen Kapitalgesellschaften in zweifacher Hinsicht eine Sonderstellung: 3 – Gemäß § 31 Abs 1 Satz 2 MitbestG ist der Aufsichtsrat der KGaA nicht für die Bestellung der Unternehmensleitung (dh der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre) zuständig. Damit hat der Gesetzgeber der besonderen Struktur der Rechtsform Rechnung getragen. Die Komplementäre sind allein kraft ihrer Stellung als Komplementäre und für die Dauer ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaftergruppe Geschäftsführer und Vertreter der Gesellschaft („geborene, nicht gekorene Geschäftsführung“8). Eine Änderung dieser Art der Bestellung hätte die Aufgabe des Grundsatzes der Selbstorganschaft bedeutet. Da Ziel des Gesetzgebers allein die Einführung der Mitbestimmung war, lehnte die Bundesregierung ausdrücklich Eingriffe in gesellschaftsrechtliche Strukturmerkmale ab;9 man wollte keine grundlegende Reform des Gesellschafts- oder Unternehmensrechts verwirklichen.10 Aus dieser gesetzgeberischen Selbstbeschränkung folgt, dass der Grad der Mitbestimmung erstens von den gesellschaftsrechtlichen Kompetenzen des Aufsichtsrats der jeweiligen Rechtsform und zweitens von in der Satzung zulässigerweise getroffenen Regelungen zur Organisationsverfassung abhängig ist. Das Ausmaß der Mitbestimmung ist also gleich doppelt rechtsformabhängig.11 4 – Bei der KGaA entfällt die Pflicht zur Bestellung eines Arbeitsdirektors (§ 33 Abs 1 Satz 2 MitbestG). Die Bestellung eines Arbeitsdirektors bei der KGaA hätte sich nur unter Durchbrechung des Grundsatzes der Selbstorganschaft verwirklichen lassen.12 Zudem hätte der Gesetzgeber eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Haftung aller Mitglieder der Geschäftsführung der KGaA vorsehen müssen, da andernfalls nur schwerlich Kandidaten für das Amt eines Arbeitsdirektors zu finden gewesen wären. Beide Maßnahmen hätten schwerwiegende Eingriffe in die rechtliche Struktur der KGaA bedeutet. Um seiner Vorgabe zu genügen, grundlegende Prinzipien des Gesellschaftsrechts unangetastet zu lassen (s Rdn 3), musste der Gesetzgeber auf derartige Eingriffe verzichten. 2

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Diese doppelte Sonderstellung der KGaA bezeichnen manche Autoren als Privilegierung13 oder gar als Versuch der Wiederbelebung der Rechtsform der KGaA durch den Gesetzgeber.14 Diese Sichtweise ist, wie bereits dargelegt,15 unzutreffend, da das Ziel dieses Regelungskonzepts nicht in der Bevorzugung der KGaA lag. Die vermeintliche mitbe-

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7 Zur Frage, ob auch ausländische Arbeitnehmer einzuberechnen sind, Behme AG 2018, 1 ff. 8 Dazu Kallmeyer ZGR 1983, 57, 66 mwN. Sa § 278 Rdn 104. 9 BT-Drucks 7/2172, S 28 (zu § 28). 10 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22.2.1974, BR-Drucks 200/74 S 16, 19 (zu § 4); auch abgedruckt in BT-Drucks 7/2172, S 17 und 20. 11 L Fischer S 40 ff; Hölters BB 1975, 797 ff; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 75. 12 Zu den Materialien und zur ratio legis s Sethe S 102 f. 13 Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 278; Kessler GWR 2014, 527; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 73; Reuter/Körnig ZHR 140 (1976) 494, 514; Schaumburg/Schulte Rdn 82; Schlitt S 163; Zacharopoulou S 186 ff. 14 Binz/Sorg BB 1988, 2041, 2042. 15 S vorstehend Rdn 3 und Vor § 278 Rdn 38.

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stimmungsrechtliche Privilegierung stellt nichts anderes dar als die Berücksichtigung und Respektierung der personengesellschaftsrechtlichen Elemente der KGaA. 2. Der Umfang der Mitbestimmung im Einzelnen. Der Umfang der Mitbestim- 6 mung bei der KGaA ist vor dem Hintergrund der beschriebenen (s Rdn 3) doppelten Rechtsformabhängigkeit der Mitbestimmung zu sehen: Diese hat zur Folge, dass der Einfluss der Arbeitnehmer sowohl von der gewählten Rechtsform als auch von der Ausgestaltung der Organkompetenzen durch die Satzung abhängt: – Dem Aufsichtsrat der KGaA stehen im Vergleich zum Aufsichtsrat der AG oder der 7 mitbestimmungspflichtigen GmbH nur geringe organschaftliche Kompetenzen zu. Seine Funktion beschränkt sich auf die Kontrolle der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Komplementären (§ 278 Abs 3 iVm §§ 111, 111a ff, 112),16 umfasst aber weder Personalentscheidungen, Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs 4 Satz 2 noch die Kompetenzen zur Feststellung des Jahresabschlusses oder zum Erlass einer Geschäftsordnung.17 Aufgrund ihrer an das Personengesellschaftsrecht angelehnten Organisationsstruktur der KGaA ist das Ausmaß der Mitbestimmung bei dieser Gesellschaftsform schon von Gesetzes wegen geringer als bei den anderen vom MitbestG erfassten Rechtsformen.18 Allerdings sind dem Aufsichtsrat auch zwei Aufgaben zugewiesen, welche die auf mitgliedschaftlicher Ebene betreffen, nämlich die Ausführung der Beschlüsse der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und deren Vertretung gegenüber den Komplementären (§ 287 Abs 1 und 2). Diese unterliegen daher auch der Mitbestimmung, obwohl es sich nicht um unternehmerische Entscheidungen handelt.19 Zur mitbestimmungsrechtlichen Zulässigkeit von Sonderorganen (Beirat, Aktionärsausschuss, Gesellschafterausschuss uä) s § 287 Rdn 94. – Darüber hinaus kann die Organisationsverfassung der KGaA aufgrund der weitrei- 8 chenden Satzungsautonomie20 stark von den gesetzlichen Vorgaben abweichen. Die KGaA kann als hauptversammlungs-, beirats-, aufsichtsrats- oder komplementärdominierte Gesellschaft ausgestaltet werden.21 So kann der Einfluss der Arbeitnehmer im Unternehmen dadurch weiter eingeschränkt werden, dass die Aufsichtsratskompetenzen in der Satzung auf das gesetzlich zwingende Maß reduziert werden. Auf der anderen Seite lässt sich die Mitbestimmung auch erweitern, indem die Kompetenzen der anderen Organe zugunsten des Aufsichtsrats beschränkt werden.22

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16 S § 287 Rdn 25 ff. 17 Dazu im Einzelnen bei § 287 Rdn 37 ff. S auch KK AktG/Mertens/Cahn3 Vorb § 278, 21. Der Gedanke einer möglichst breiten Verwirklichung der Mitbestimmung ist de lege lata auch keine Rechtfertigung, die gesetzliche Zuständigkeitsordnung zu ignorieren, vgl Joost ZGR 1998, 334, 343. 18 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 73. 19 Zu Recht kritisch daher KK/Mertens/Cahn3 § 287, 3. 20 Wegen der Satzungsabhängigkeit der Mitbestimmung (s Rdn 3) befürwortet Zacharopoulou (S 200 ff) eine Einschränkung der Satzungsautonomie unter dem Gesichtspunkt der Umgehung des MitbestG. Unzulässig seien Satzungsmaßnahmen, die unter keinem sachlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt werden könnten (S 201). 21 S Vor § 278 Rdn 65, 142, § 278 Rdn 147 ff. Diese Einteilung orientiert sich an juristischen Kategorien. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird eine Zweiteilung vorgenommen in personalistische und kapitalistische Gesellschaften (s Vor § 278 Rdn 140 f). Die personalistische KGaA ist komplementärdominiert, während die kapitalistische Variante hauptversammlungs-, beirats- oder aufsichtsratsdominiert ist, vgl Claussen in: FS Heinsius, 1991, S 65 ff mit Fn 15. 22 Zweifelnd aber Kallmeyer ZGR 1983, 57, 58 f, 61.

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3. Mitbestimmung bei der Kapitalgesellschaft & Co KGaA. Die Sonderstellung der KGaA in der Mitbestimmung beruht auf der Politik des Gesetzgebers, grundlegende Prinzipien des Gesellschaftsrechts soweit wie möglich unangetastet zu lassen (s Rdn 3). Das hatte ua zur Folge, dass Rechtsformen, welche die persönliche Haftung aller oder einzelner Gesellschafter vorsehen, von der Mitbestimmung ausgenommen wurden: Gesellschafter, die die Risiken der persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernehmen, sollten auch in der Lage bleiben, die Geschicke der Gesellschaft weitgehend selbst zu bestimmen. Schon geraume Zeit vor der Anerkennung der Kapitalgesellschaft & Co KGaA durch den Beschluss des BGH vom 24.2.199723 wurde daraus der Schluss gezogen, der bei den Kommanditgesellschaften auf Aktien vom Gesetzgeber geschaffene mitbestimmungsfreie Raum verliere seine Grundlage und damit auch seine Berechtigung, wenn der KGaA mittels Typenvermischung eine Gestalt verliehen werde, in der keine natürliche Person mehr für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich hafte.24 Die zu beobachtende „Flucht aus der Mitbestimmung“ (s Vor § 278 Rdn 47, 49) durch die Wahl der Rechtsform der KGaA stelle aber nur solange keine unzulässige Umgehung des MitbestG dar, als die Gesellschafter bereit seien, die mit dieser Organisationsform verbundenen Strukturelemente der persönlichen Haftung und des Grundsatzes der Selbstorganschaft in Kauf zu nehmen.25 Sei dies, wie bei der Kapitalgesellschaft & Co KGaA, nicht der Fall, müsse die insoweit auftretende Lücke im MitbestG im Wege geeigneter Maßnahmen geschlossen werden. Zur Schließung der als verdeckt und planwidrig diagnostizierten „Mitbestim10 mungslücke“ in Bezug auf die Kapitalgesellschaft & Co KGaA wurden im Wesentlichen drei Vorschläge unterbreitet: 11 – Der erste, am weitaus häufigsten vertretene Vorschlag befürwortet eine analoge Anwendung des die Kapitalgesellschaft & Co KG betreffenden § 4 MitbestG.26 Diese hätte zur Folge, dass die Arbeitnehmer der KGaA der Komplementär-Gesellschaft, bei der ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden wäre, zugerechnet würden. Diesen Ansatz noch weiterführend, wird teilweise auch eine zusätzliche analoge Anwendung der Konzernvorschrift des § 5 MitbestG befürwortet,27 was allerdings (selbst von den Befürwortern der Schließung der Mitbestimmungslücke im Wege der Analogiebildung) überwiegend und zu Recht mit dem Argument abgelehnt wird, § 4

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23 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 24 S dazu unten Rdn 11 und die Nachw unten Fn 25, 26. 25 Eine Beseitigung dieser Möglichkeit zur Flucht aus der Mitbestimmung ließe sich nur über einen Rechtsformzwang für Unternehmen über 2000 Arbeitnehmer bewerkstelligen, vgl Martens ZHR 138 (1974) 179, 215 mwN. 26 S oben Oetker § 4 MitbestG, 4 sowie Arnold S 114 ff (der die analoge Anwendung aber für praktisch bedeutungslos hält, da in der Praxis regelmäßig die Beteiligungsidentität von Komplementärgesellschaft und KGaA fehle); Benze ua MitbestG § 30, 49; Binz/Sorg BB 1988, 2041, 2050; dies DB 1997, 313, 315 f; ErfK/Oetker20 470. MitbestG, § 4, 1; L Fischer S 135 ff, 141; Habersack/Henssler/Habersack MitbestR4 § 1 MitbestG, 40a; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 190; MünchKomm/Annuß5 § 4 MitbestG3; Naendrup in: Fabricius ua, GK MitbestG § 25, 129; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 13; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser6 § 4, 6, § 31, 46; Rehbinder ZGR 1979, 471, 480; Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 127, 138 f; Theisen BB 1982, 1124; mit eingehender Prüfung der analogen Anwendung Ullrich S 87 ff, 170 ff; Wißmann/ Kleinsorge/Schubert/Schubert Mitbestimmungsrecht5 § 4 MitbestG, 34; de lege ferenda auch Bayer ZGR 1977, 173, 193. Früher auch Sethe S 106, 172 f; ders ZIP 1996, 2053, 2057; ders AG 2001, 55, 56 (Ansicht wurde aufgegeben). Zu den ablehnenden Stimmen s Fn 34. 27 Binz/Sorg DB 1997, 313, 315 f; Habersack/Henssler/Habersack MitbestR4 § 1 MitbestG, 40a; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 13; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser6 § 31, 46 und wohl auch § 5, 20 f; Kessler GWR 2014, 527; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 669 f; Wißmann/Kleinsorge/Schubert/Schubert Mitbestimmungsrecht5 § 31, 131; wohl auch Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 190; früher auch noch Sethe S 106, 173; ders ZIP 1996, 2053, 2057; ders AG 2001, 55, 56 (Ansicht wurde aufgegeben).

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MitbestG stelle eine (abschließende) Spezialregelung gegenüber § 5 MitbestG dar.28 Jedenfalls ist § 5 MitbestG kein selbständiger Mitbestimmungstatbestand in dem Sinne, dass er zur Einbeziehung nicht bereits durch §§ 1, 4 MitbestG erfasster Rechtsformen in die Mitbestimmung führen würde. In der Sache würde § 5 MitbestG für das „Ob“ der Mitbestimmung jedoch auch keine über die analoge Anwendung von § 4 MitbestG hinausgehende Wirkung entfalten.29 Ein zweiter, wegen seiner eindeutigen Eingriffe in das Recht der KGaA vereinzelt 12 gebliebener Vorschlag30 teilt zwar die Prämissen des vorgenannten. Er spricht sich jedoch gegen eine analoge Anwendung von § 4 MitbestG aus, weil dies über den verfolgten Zweck hinausgehe. Wegen der damit verbundenen Verdopplung von Aufsichtsrat und Mitbestimmung in der KGaA einerseits und der KomplementärGesellschaft andererseits führe dies „zu unpraktischen Organisationsstrukturen“. Vielmehr gelte es lediglich, das im Vergleich mit der Kapitalgesellschaft & Co KG bestehende Mitbestimmungsdefizit auszugleichen. Das könne am einfachsten dadurch erreicht werden, dass die Befugnisse des in der KGaA bereits vorhandenen Aufsichtsrats erweitert würden und zwar auf das Ausmaß, das sie gemäß § 4 MitbestG im Aufsichtsrat der Komplementär-Gesellschaft haben müssten. Das hätte insbesondere zur Konsequenz, dass eine satzungsmäßig vorgesehene Bestellung von Geschäftsführern oder eine Benennung und Abberufung von Komplementären durch die Komplementär-Gesellschaft von Rechts wegen dem Aufsichtsrat der KGaA zustünde. Diese Ansicht widerspricht der gesetzlichen Konzeption des Mitbestimmungsgesetzes, wonach Eingriffe in das Gesellschaftsrecht möglichst weitgehend unterbleiben sollten.31 Aus dem gleichen Grund ist die Ansicht abzulehnen, die zur Überwindung der fehlenden Mitbestimmung in der Komplementärgesellschaft stattdessen die Vorschrift des § 111 Abs 4 Satz 2 auf die Kapitalgesellschaft & Co KGaA anwenden will, um so den Einfluss der Arbeitnehmer im mitbestimmten Aufsichtsrat der KGaA zu stärken.32 § 111 Abs 4 Satz 2 dient bei der AG dazu, die fehlende Macht der Hauptversammlung auszugleichen. Da auf die KGaA die §§ 164 Satz 1 Hs 2, 161 Abs 2, 116 Abs 2, 109 Hs 1 HGB Anwendung finden, entscheidet die Hauptversammlung der KGaA über außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen

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28 OLG Celle 9.10.2014 – 9 W 116/14, AG 2015, 205; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 287, 14; von Eiff/Otte GWR 2015, 248; Graf S 226 („abschließende Regelung“) 224 (Fehlen einheitlicher Leitung); HoffmannBecking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 279; Joost ZGR 1998, 334, 346 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 74; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 87; Zacharopoulou S 339 f, mit zusätzlichen Einwänden S 337 f; aA Giehl MittBayNot 2016, 285, 288; Habersack/Henssler/Habersack MitbestR4 § 1 MitbestG, 40a; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser6 § 5, 20 f; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 13 – jeweils mwN Ausführlich dazu Ullrich S 145 ff, 162 f. 29 Im Hinblick auf die Anwendung der einzelnen Vorschriften des MitbestG würden bei der Berechnung der Zahl der Arbeitnehmer der Komplementär-Gesellschaft bzw der herrschenden Konzerngesellschaft die Arbeitnehmer der Komplementär-Kapitalgesellschaft (§ 4 MitbestG analog) und/oder etwaiger abhängiger Konzerngesellschaften der KGaA (§ 5 MitbestG) und der Komplementär-Kapitalgesellschaft (§ 5 MitbestG analog) einberechnet. Je nach Zahl der so ermittelten Arbeitnehmer umfasst der zu bildende Aufsichtsrat zwischen 6 und 10 Mitgliedern (§ 7 Abs 1 MitbestG). Deren Bestellung richtet sich nach den Vorschriften der §§ 8 ff MitbestG. 30 Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 127, 139; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 287, 5. Ablehnend Begemann S 38 f; L Fischer S 135 f; Habersack/Henssler/Habersack MitbestR4, § 1 MitbestG, 40a; Hennerkes/May BB 1988, 2393; 2399; Henssler in: FS 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, S 387, 406; Joost ZGR 1998, 334, 343 f; KK AktG/Mertens/Cahn3 Vorb § 278, 20; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 298; Sethe S 172 Fn 88; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 85; Zacharopoulou S 336 f. 31 Ebenso etwa Hanau/Wackerbarth in: FS Lutter, 2000, S 425, 444 f; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 298 mwN. 32 Hanau/Wackerbarth in: FS Lutter, 2000, S 425, 447 ff.

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und Grundlagengeschäfte. Eine Anwendung von § 111 Abs 4 Satz 2 würde diese gesetzliche Wertung missachten (s § 287 Rdn 39). Der dritte Vorschlag, der Problematik durch die ausschließliche und direkte Anwendung von § 5 MitbestG gerecht zu werden,33 ist aus den schon (oben Rdn 11) angeführten Gründen abzulehnen. Ein Teil des Schrifttums folgt ihm freilich mehr oder weniger unbewusst, indem er, nach der Ablehnung der Analogie zu § 4 MitbestG durch den BGH (s Rdn 14), § 5 MitbestG heranzieht und die Anwendung dieser Bestimmung erst am fehlenden Konzernverhältnis scheitern lässt.34

Gegen die analoge Anwendung des § 4 MitbestG auf die Kapitalgesellschaft & Co KGaA bzw gegen den (auf den gleichen Vorüberlegungen basierenden) Vorschlag der Erweiterung der Kompetenzen des Aufsichtsrats der KGaA sind zahlreiche Einwände erhoben worden.35 So wird geltend gemacht, es fehle an einer verdeckten Lücke, weil das MitbestG eine planmäßig punktuelle Regelung darstelle36, da die KGaA ja grundsätzlich vom MitbestG erfasst sei und der Mitbestimmungsgesetzgeber die Kapitalgesellschaft & Co KGaA bewusst von der Mitbestimmungsregelung ausgenommen habe.37 Darüber hinaus sei auch die in § 4 MitbestG geregelte Kapitalgesellschaft & Co KG mit der atypischen Ausgestaltung der KGaA nicht vergleichbar;38 angezweifelt wird auch das Argument, die Vermeidung der persönlichen Haftung einer natürlichen Person rechtfertige die Unterstellung der Kapitalgesellschaft & Co KGaA unter die Mitbestimmung.39 Auch der BGH hat in seinem Beschluss vom 24.2.199740 den Versuchen der Erweiterung der Mitbestimmung auf die Kapitalgesellschaft & Co KGaA durch eine analoge Anwendung von § 4 MitbestG eine Absage erteilt,41 weil er dies als außerhalb der Rechtsfortbildungsmöglich-

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33 Bayer ZGR 1977, 173, 193; Giehl MittBayNot 2016, 285, 288 f; aA etwa Heidel/Wichert5 § 5 MitbestG, 13 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 74; Schubert 412 ff; sowie die Nachw in Fn 34. 34 Etwa Arnold S 119 ff; Begemann S 39 f; Schlitt S 164; Kessler GWR 2014, 527; Latzel Rdn 290. 35 Ablehnend BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 400; OLG Celle 9.10.2014 – 9 W 116/14, AG 2015, 205; Bayreuther JuS 1999, 651, 656; Begemann S 35 ff; Bürgers/Fett/Hecht § 5, 532; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 287, 14; von Eiff/Otte GWR 2015, 248; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 216 ff; Giehl MittBayNot 2016, 285, 287 f; Graf S 209 ff; Gralla S 86 ff; Hanau/Wackerbarth in: FS Lutter, 2000, S 425, 445 ff; Heidel/Wichert5 § 4 MitbestG, 11 ff; Henssler in: FS 50 Jahre BGH, Bd II, 2000, S 387, 406; Henssler/Willemsen/Kalb/Seibt Arbeitsrecht Kommentar8 § 4 MitbestG, 2; Hennerkes/May StbJb 1988/89, 303, 317; dies BB 1988, 2393, 2399; dies DB 1988, 537, 541; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 279; Hoffmann/Lehmann/Weimann MitbestG § 1, 10, § 33, 47; Jaques NZG 2000, 401, 404 f; Kessler S 236; ders GWR 2014, 527; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 278, 20; Latzel Rdn 287 ff; Lutter ZGR 1977, 195, 200 f; MarschBarner in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 791; Meilicke/Meilicke MitbestG § 4, 5, §§ 30/31, 8; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 304 ff; Reuter/Körnig ZHR 140 (1976) 494, 517; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 668 f; Schubert S 409 ff; Sigle in: FS Peltzer, 2001, S 539, 553; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 85; Zacharopoulou S 327 ff (insbesondere S 331 ff). 36 Lutter ZGR 1977, 195, 200 f; Graf S 209, 213 ff; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 668; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 304; Zacharopoulou S 333. 37 Graf S 209, 213 ff; Hoffmann/Lehmann/Weimann MitbestG § 1, 10; Zacharopoulou S 331 f. 38 Ausführlich dazu Latzel Rdn 287 ff. 39 Graf S 201 ff, insbesondere 209 ff; Zacharopoulou S 334. Der dagegen früher erhobene Einwand (MünchKomm/Semler/Perlitt2 § 278, 305), auf die Unterschiede zwischen der atypischen KG und der atypischen KGaA komme es mitbestimmungsrechtlich nicht an, geht jedenfalls an der Sache der analogen Übertragbarkeit des mitbestimmungsrechtlichen Regelungsmodells für eine Rechtsform auf eine andere vorbei. 40 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 41 So die Deutung des Beschlusses durch Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1378; Goette DStR 1997, 1012, 1015; Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1392; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 73; Schaumburg/Schulte Rdn 83; Schlitt S 164. Zögernd, aber wohl ähnlich MünchKomm/Perlitt5 § 278, 296; aA aber Hanau/Wackerbarth in: FS Lutter, 2000, S 425, 445 f.

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keiten der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegend betrachtet.42 Trotz dieses deutlichen Hinweises des BGH sah sich der Gesetzgeber in seiner 1998 erfolgten Reaktion auf das Urteil (Angabe der Haftungsbeschränkung in der Firma der KGaA, vgl § 279 Rdn 4) nicht veranlasst, § 4 MitbestG auf die KGaA auszudehnen. Auch nutzte er sich später bietende Gelegenheiten, wie das Betriebsverfassungs-Reformgesetz,43 das zweite Vereinfachungsgesetz44 und das SE-Beteiligungsgesetz45 und das MgVG46, nicht, um die Kapitalgesellschaft & Co KGaA mitbestimmungsrechtlich zu erfassen. Das bereits vor der Entscheidung des BGH geltend gemachte Argument, es fehle an einer für eine Analogie nötigen planwidrigen Regelungslücke,47 gilt nun erst recht.48 Dem Standpunkt des BGH ist in der Sache zu folgen. Die auch vom Gesetzgeber 15 des Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetzes vom 24.2.200049 in Bezug auf die Unternehmenspublizität und Rechnungslegung nachvollzogene Wertung des Mitbestimmungsgesetzgebers, die Kapitalgesellschaft & Co KG nicht als Personengesellschaft, sondern als Kapitalgesellschaft zu betrachten, muss nicht zwangsläufig auch zur Folgerung führen, das Mitbestimmungsmuster der als Kapitalgesellschaft schon per se der Mitbestimmung unterfallenden KGaA sei im Falle ihrer atypischen Ausgestaltung demjenigen der Kapitalgesellschaft & Co KG anzupassen. Daran, dass dies zwangsläufig und gar sinnvollerweise so sein müsse, haben schon die Ausführungen Steindorffs (so Rdn 12) bei der Begründung seines Vorschlags zur Ansiedlung der Mitbestimmung allein in der KGaA Zweifel geweckt. Darüber hinaus verbänden sich mit der Übertragung des Mitbestimmungsmusters der Kapitalgesellschaft & Co KG auf die atypisch ausgestaltete KGaA zweifellos Verformungen des Rechtsformtypus der KGaA. So bestünde eine der Konsequenzen der analogen Anwendung des § 4 MitbestG darin, dass den Arbeitnehmern mit der Möglichkeit zur Mitwirkung bei der Geschäftsführerbestellung und bei Geschäftsführungsmaßnahmen Rechte eingeräumt werden, die den Kommanditaktionären, zumal nach den Ausführungen des BGH zur Einflussnahme dieser Gesellschaftergruppe auf die Bestellung der Geschäftsführer der Komplementär-Gesellschaft, so nicht ohne Weiteres zustehen. Wie auch immer man zu einer mitbestimmungsrechtlichen Sondererfassung der Kapitalgesellschaft & Co KGaA (über diejenige der gesetzestypischen KGaA hinaus) steht, ist dem BGH in dem entscheidenden Punkt Recht zu geben: Er wollte sich angesichts der zahlreichen hierzu zu beantwortenden Fragen auf die mit einer analogen Anwendung des § 4 MitbestG verbundene schematische Lösung nicht einlassen und hält eine Antwort des Gesetzgebers für geboten. 4. Mitbestimmung und „Geschäftsführer-Komplementär“. Da die Ausgestaltung 16 der Organisationsverfassung und der Komplementärstellung weitgehend der Satzungs-

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42 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 400. Zu den Konsequenzen des Urteils für die Möglichkeit der Umwandlung mitbestimmungspflichtiger Gesellschaften, wie etwa einer Kapitalgesellschaft oder einer GmbH & Co KG, in eine Kapitalgesellschaft & Co KGaA, s näher Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1378 f. 43 Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23.7.2001, BGBl I 1852. 44 Zweites Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18.5.2004, BGB I 974. 45 Das SE-Beteiligungsgesetz wurde durch Art 2 des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 22.12.2004, BGBl I 3675, eingeführt. 46 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung vom 21.12.2006, BGBl I 3332. 47 Vgl Fn 35. 48 OLG Celle 9.10.2014 – 9 W 116/14, AG 2015, 205; von Eiff/Otte GWR 2015, 248; Heidel/Wichert5 § 4 MitbestG, 13; Kessler GWR 2014, 527. 49 BGBl I 154.

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autonomie unterfällt (so Rdn 3, 8), ist auch die aus dem Personengesellschaftsrecht bekannte Figur des „Geschäftsführer-Komplementärs“ (auch „Gesellschafter-Geschäftsführer“ oder „angestellter Komplementär“ genannt; s schon § 278 Rdn 69) erlaubt und in der Praxis anzutreffen.50 Hierunter versteht man einen Komplementär, der keine Vermögensbeteiligung an der Gesellschaft übernimmt und dem beim Ausscheiden deshalb auch kein Auseinandersetzungsanspruch zusteht. Im Außenverhältnis übernimmt er die persönliche Haftung, im Innenverhältnis wird er freigestellt. Seine Entlohnung erfolgt über eine Tätigkeitsvergütung und eine Risikoprämie für die Übernahme der persönlichen Haftung.51 Grund für die Wahl einer solchen Gestaltung kann etwa der Wunsch nach Aufnahme eines familienfremden Managers sein. Dieser muss jedoch wegen des Grundsatzes der Selbstorganschaft die Gesellschafterstellung übernehmen, um Organ der KGaA sein zu können. 17 Soweit man eine solche Gestaltung nicht schon für unzulässig hält,52 ist umstritten, ob diese „Ernennung“ eines angestellten Komplementärs nach § 4 MitbestG mitbestimmungspflichtig ist. Hierfür wird angeführt, die Sonderregelung der KGaA im MitbestG habe ihre Rechtfertigung verloren; ein Komplementär ohne Vermögensbeteiligung und mit der Zusage des Ersatzes bei persönlicher Inanspruchnahme habe materiellrechtlich nicht mehr die Stellung eines geborenen Geschäftsführers inne. Vielmehr sei seine Stellung der eines Vorstands der AG angenähert. Dies gelte vor allem dann, wenn er bei Verlust des Vertrauens des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung abberufen werden könne. In diesem Fall müsse konsequenterweise auch der Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung des Komplementärs zuständig sein.53 Einige Autoren54 wollen hierüber noch hinausgehen und bei derartigen Gestaltungen § 84 unmittelbar anwenden. Damit wäre dessen Fünfjahresgrenze einschlägig und eine Abberufung nicht entsprechend der Satzung, sondern nur aus wichtigem Grund zulässig. Beide Ansichten überzeugen nicht. Gegen die Analogie zu § 84 spricht, dass zur Si18 cherung des MitbestG eine solch weitgehende Beschränkung der bei der KGaA bestehenden Satzungsautonomie auf keinen Fall erforderlich ist. Wenn man die Gesetzesumgehung nicht als Frage eines vorwerfbaren Handelns, sondern der Normanwendung begreift,55 wäre es völlig ausreichend, zur Sicherstellung des Gesetzeszwecks die Zuständigkeit des Aufsichtsrats als zwingend anzusehen. Aber auch diejenigen, die eine zwingende Bestellung angestellter Komplemen19 täre durch den Aufsichtsrat fordern, übersehen, dass der angestellte Komplementär in jedem Fall mit der persönlichen Haftung belastet ist. Daran ändert die Erstattungszusage nichts, da dem Komplementär über §§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 110 HGB schon von

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50 K Schmidt in: FS Forstmoser, 2003, S 95 f; Sethe S 138 ff. 51 Zur KGaA: Knur in: FS Flume, 1978 Bd II, S 173, 186; zur KG: K Schmidt GesR4, S 1381 f; ders Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, 1972, S 193 f; U Huber Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S 289. 52 Dies vertritt, soweit ersichtlich, allerdings nur Reuter AcP 179 (1979) 509, 549. Er widerspricht sich damit selbst, vgl Reuter/Körnig ZHR 140 (1976) 494, 515. Dort ist diese Gestaltung nur als Umgehung des MitbestG eingeordnet. Die Ansicht von der Unzulässigkeit vermochte sich nicht durchzusetzen, vgl Sethe S 139 ff mwN. 53 Naendrup in Fabricius ua, GK MitbestG § 25, 128; Benze ua MitbestG § 30, 49; Rehbinder ZGR 1979, 471, 480; wohl auch Ballerstedt ZGR 1977, 133, 155 Fn 34; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser6 § 31, 47; Habersack/Henssler/Habersack MitbestR4 § 1 MitbestG, 39; Wißmann/Kleinsorge/Schubert/Schubert Mitbestimmungsrecht5 § 31, 132. 54 Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 127, 136; Reuter/Körnig ZHR 140 (1976) 494, 515. AA Kallmeyer ZGR 1983, 57, 66 f; Sethe S 140 f. 55 Zu dieser modernen Sichtweise A Teichmann Die Gesetzesumgehung, 1962, S 67 ff; zur Geschichte der Umgehungslehre J Schröder Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985.

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Gesetzes wegen ein Erstattungsanspruch zusteht,56 so dass eine schuldrechtliche Erstattungszusage der Gesellschaft daneben keine eigenständige Bedeutung mehr haben wird.57 Die persönliche Haftung des Komplementärs realisiert sich ohnehin nur im Fall der Unternehmenskrise.58 Die Erstattungszusage im Innenverhältnis berührt also die Haftung im Außenverhältnis nicht. Solange der Gesetzgeber an der Unvereinbarkeit von persönlicher Haftung und Mitbestimmung festhält, muss diese auch für den angestellten Komplementär gelten.59 Im Übrigen wäre auch fraglich, wo genau die Grenze liegen soll zwischen einem Komplementär, der noch materiell als geborener Geschäftsführer einzuordnen, und einem solchen, der als angestellter Komplementär zu qualifizieren ist. Die Gegenansicht beantwortet diese Frage erst gar nicht. Die Rechtsfigur des angestellten Komplementärs ist daher zulässig und nicht der Mitbestimmung zu unterwerfen. Dieses Ergebnis ist die konsequente Fortsetzung der vom Gesetzgeber vorgesehenen doppelten Rechtsformabhängigkeit der Mitbestimmung. III. Das Drittelbeteiligungsgesetz Eine KGaA, die nicht unter das MitbestG fällt, in der Regel aber mehr als 500 Arbeit- 20 nehmer60 hat und kein Tendenzunternehmen betreibt (§ 1 Abs 2 Nr 2 DrittelbG), unterliegt der Mitbestimmung nach § 4 Abs 1 DrittelbG. Das DrittelbG löst die §§ 76 ff BetrVG 195261 zur Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ab, die vor Inkrafttreten des DrittelbG über § 129 BetrVG 197262 fortgalten.63 Vorgesehen ist eine Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (§ 4 Abs 1 DrittelbG). Die Wahl der Arbeitnehmervertreter richtet sich nach §§ 5 ff DrittelbG. Aufgrund des vorrangigen MitbestG 1976 kommt der Regelung allerdings nur noch Bedeutung bei Gesellschaften bis zu 2000 Arbeitnehmer zu (§ 1 Abs 2 Nr 1 DrittelbG). Für Gesellschaften, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes „für kleine Aktiengesell- 21 schaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“,64 dh vor dem 10.8.1994, ins Handelsregister eingetragen wurden,65 gilt die damals gültige Regelung fort, so dass eine

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56 MünchKommHGB/Langhein4 § 110, 11; Grafmüller S 165; sa H P Westermann in: FS Beusch, 1993, S 871 ff. 57 Von einer Erstattungszusage der Gesellschaft ist eine solche der Kommanditaktionäre zu unterscheiden. Einzelne Aktionäre können ohne Weiteres (als schuldrechtliche Vereinbarung außerhalb der Satzung) eine solche Zusage abgeben; zu den Hintergründen einer solchen Zusage H P Westermann in: FS Beusch, 1993, S 871 ff (allerdings bezogen auf Fälle der organschaftlichen Verantwortlichkeit, nicht auf die persönliche Haftung der Komplementäre). Dagegen wäre eine Satzungsbestimmung, wonach die Kommanditaktionäre zur Erstattung verpflichtet werden, als Verstoß gegen §§ 54 f AktG einzuordnen, vgl Joens S 93 f. 58 Zu diesem Ergebnis kommen auch KK AktG/Mertens/Cahn3 Vorb § 278, 20; Burbach BB 1993, 310 ff. 59 Martens AG 1976, 113, 119 Fn 33; Bayer ZGR 1977, 173, 194; Badura/Rittner/Rüthers Mitbestimmungsgesetz 1976 und Grundgesetz, S 89; Kallmeyer DStR 1994, 977, 978 f; Sethe S 138 ff; Wiedemann ZGR 1977, 160, 168; L Fischer S 111, der diese Gestaltung nicht als Beeinträchtigung der Mitbestimmung einordnet. 60 Zur Berechnung der Zahl der Arbeitnehmer im Konzern vgl § 2 DrittelbG. Zur Frage, ob auch ausländische Arbeitnehmer einzuberechnen sind, Behme AG 2018, 1 ff. 61 Gesetz vom 11.10.1952, BGBl I 681; dazu Knur DNotZ 1953, 6, 15 ff; Zacharopoulou S 76 f. 62 Gesetz vom 15.1.1972, BGBl I 13. 63 Rechtsprechung und Literatur zu §§ 76 ff BetrVG 1952 können weiterhin herangezogen werden, da das DrittelbG die §§ 76 BetrVG mit Ziel der Rechtsbereinigung und Vereinfachung lediglich redaktionell neugefasst hat, Begr RegE, BT-Drucks 15/2542, S 10; ErfK/Oetker20 260. DrittelbG, Einführung, 2. 64 Gesetz vom 2.8.1994, BGBl I 1961. 65 Wurde die KGaA vor dem Stichtag gegründet oder in eine solche umgewandelt, dies aber erst nach dem Stichtag ins Handelsregister eingetragen, ist neues Recht anwendbar, ErfK/Oetker20 260. DrittelbG, § 1, 5.

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solche Gesellschaft auch mit weniger als 500 Arbeitnehmern der Mitbestimmung unterliegt (§ 1 Abs 1 Nr 2 Satz 2 iVm Nr 1 Satz 2 DrittelbG).66 Ausgenommen sind nur Familiengesellschaften mit bis zu 500 Arbeitnehmern (§ 1 Abs 1 Nr 2 Satz 2 iVm Nr 1 Sätze 2 und 3 DrittelbG). Die Definition des Tatbestandsmerkmals „Familiengesellschaft“ ist jedoch so eng, dass der Ausnahmebestimmung kaum Bedeutung zukommt. Erforderlich ist, dass alle Aktionäre untereinander und mit dem/den persönlich haftenden Gesellschafter/n verwandt oder verschwägert iSd § 15 Abs 1 Nr 2–8, Abs 2 AO sind.67 Dabei muss nicht jeder mit jedem verwandt oder verschwägert sein. Ausreichend ist eine solche Beziehung zu jeweils einem anderen Aktionär oder Komplementär.68 Das Tatbestandsmerkmal der Familiengesellschaft ist also entweder erfüllt, wenn eine natürliche Person Komplementär ist und alle Kommanditaktien hält oder wenn zwischen den Komplementären und Kommanditaktionären Angehörigenverhältnisse bestehen. Ist eine juristische Person – gleich ob allein oder zusammen mit anderen persönlich haftenden Gesellschaftern – Komplementärin, so kommt es für die Beurteilung der Verwandtschaft oder Verschwägerung auf die Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft an.69 Es ist streitig, ob es auf die Eigenschaft als Familiengesellschaft nur zum Zeitpunkt des Stichtags am 10.8.1994 ankommt und spätere Veränderungen unbeachtlich sind oder nicht.70 Ebensowenig wie der Aufsichtsrat der dem MitbestG unterliegenden KGaA (§ 31 22 Abs 1 Satz 2 MitbestG, so Rdn 3, 7) hat derjenige einer nach § 4 DrittelbG mitbestimmten KGaA eine Personalkompetenz, dh eine Zuständigkeit für die Bestellung der Unternehmensleitung.71

§ 287 Aufsichtsrat Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Aufsichtsrat § 287 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-035

(1) Die Beschlüsse der Kommanditaktionäre führt der Aufsichtsrat aus, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. (2) 1In Rechtsstreitigkeiten, die die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegen die persönlich haftenden Gesellschafter oder diese gegen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre führen, vertritt der Aufsichtsrat die Kommanditaktionäre, wenn die Hauptversammlung keine besonderen Vertreter gewählt hat. 2Für die Kosten des Rechtsstreits, die den Kommanditaktionären zur Last fallen, haftet die Gesellschaft unbeschadet ihres Rückgriffs gegen die Kommanditaktionäre. (3) Persönlich haftende Gesellschafter können nicht Aufsichtsratsmitglieder sein.

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66 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser6 § 1 DrittelbG, 5; Hahn DB 1994, 1659, 1665; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 70; Joost ZGR 1998, 334, 335; Planck GmbHR 1994, 501, 504; Schlitt S 163. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Differenzierung erhebt Habersack/Henssler/Henssler MitbestR4 Einl DrittelbG 2. 67 S oben Oetker § 1 DrittelbG, 24; Ammenwerth S 98 f; L Fischer S 34; ErfK/Oetker20 260. DrittelbG, § 1, 11; Grafmüller S 194 mit Fn 2; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 188 mit Fn 82; MünchKomm/Perlitt5 Vor § 278, 62, § 287, 23; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 70; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser6 § 1 DrittelbG, 8; Schaumburg/ Schulte Rdn 79; Spindler/Stilz/Bachmann4.§ 287, 3. 68 Raiser/Veil/Jacobs/Raiser6 § 1 DrittelbG, 8. 69 Bürgers/Fett/Hecht § 5, 541; Habersack/Henssler/Habersack MitbestR4 § 1 DrittelbG, 21; MünchKomm/ Perlitt5 Vor § 278, 62; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 70; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser6 § 1 DrittelbG, 8; Theisen DBW 1989, 137, 152. 70 Zum Streitstand ErfK/Oetker20 260. DrittelbG, § 1, 9. 71 Hennerkes/May DB 1988, 537, 539; Haase GmbHR 1997, 917, 921; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 73.

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Schrifttum Zum Aufsichtsrat: Backhaus/Brouwer Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats bei Geschäften mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions) bei der KGaA – HGB sticht AktG, AG 2019, 287; Durchlaub Mitwirkung der Hauptversammlung und des Aufsichtsrates bei Geschäftsführungsmaßnahmen in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, BB 1977, 1581; Ek/Schiemzik Zur Frage der Angreifbarkeit einer fehlerhaften Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern mit einer allgemeinen Feststellungsklage, BB 2006, 456; Emmerich/Doehner Die Beratungstätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, in: FS Georgiades, 2006, S 625; Fiebelkorn Der Zustimmungsvorbehalt zu related party transactions in der börsennotierten KGaA nach ARUG II, ZIP 2020, 953; L Fischer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien nach dem Mitbestimmungsgesetz, 1982; Grafmüller Die Kommanditgesellschaft auf Aktien als geeignete Rechtsform für börsenwillige Familienunternehmen, 1994; Häger/Schlosser Die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern, WM 2020, 7; Hasselbach Der Aufsichtsrat in der KGaA: Effiziente Aufsichtsratsstrukturen bei eingeschränkter Mitbestimmung, Der Aufsichtsrat 2015, 104; Hennemann Einfluss und Kontrolle in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZHR 182 (2018) 157; Herfs Vereinbarungen zwischen der KGaA und ihren Komplementären, AG 2005, 589; Heusermann Möglichkeiten der Verbesserung der Risikoberichterstattung unter Berücksichtigung der Verantwortung von Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, Der Konzern 2011, 621; Hommelhoff Anlegerschutz in der GmbH & Co KGaA, in Ulmer (Hrsg) Die GmbH & Co KGaA nach dem Beschluß BGHZ 134, 392, Beihefte der ZHR, Heft 67, 1998, S 9 ff; Ihrig/Schlitt Die KGaA nach dem Beschluß des BGH vom 24.2.1997, in Ulmer (Hrsg) Die GmbH & Co KGaA nach dem Beschluß BGHZ 134, 392, Beihefte der ZHR, Heft 67, 1998, S 33 ff; JohannsenRoth/Kießling Die unzureichende Beachtung der rechtsformspezifischen Besonderheiten der KGaA in der jüngeren Gesetzgebung und im Corporate Governance Kodex, in: FS Marsch-Barner, 2018, S 273; Kallmeyer Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZGR 1983, 57; ders Die Kommanditgesellschaft auf Aktien – eine interessante Rechtsformalternative für den Mittelstand?, DStR 1994, 977; Klausmann Entsendungsrechte in der Aktiengesellschaft, 2016; Kling Der besondere Vertreter im Aktienrecht, ZGR 2009, 190; Kort Risikomanagement nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, ZGR 2010, 440; Lutter Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl 2006; Lutter/Krieger/Verse Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl 2020; Marsch-Barner Doppelte Überwachung der Geschäftsführung in der AG & Co KGaA, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 777; Mertens Zur Reichweite der Inkompatibilitätsregelung des § 287 Abs 3 AktG, in: FS Ulmer, 2003, S 419; Neumann-Duesberg Die Besetzung des Aufsichtsrats der atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2015; Passow Die Entstehung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, ZHR 64 (1909) 27; Reichert/Schlitt Konkurrenzverbote für Aufsichtsratsmitglieder, AG 1995, 241; Roth Die Tätigkeit des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Marburg 1910; Semler Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl 1996; Saenger/Kessler Ausschluss von Anteilsbesitzer einer KGaA von Aufsichtsratsmitgliedschaft, EWiR 2003, 1167; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996; ders Aufsichtsratsreform mit Lücken – Die Einbeziehung der Kommanditgesellschaft auf Aktien in die gegenwärtige Reformdiskussion, AG 1996, 289; Singhof Die Amtsniederlegung durch das Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft, AG 1998, 318; Strieder Zur Frist der Prüfungs- und Berichtspflicht des Aufsichtsrats hinsichtlich des Jahresabschlusses einer AG oder KGaA, AG 2006, 363; Theusinger/Guntermann Wann vertritt der Aufsichtsrat die AG? – Neues vom BGH zu § 112 AktG, AG 2017, 798; Wardenbach Niederlegung des Aufsichtsratsmandats bei Interessenkollisionen, AG 1999, 74; Werner Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern, ZGR 1989, 369; Wollburg Zur Ausdehnung der Inkompatibilitätsregelung des § 287 Abs 3 AktG in der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 1425; Zacharopoulou Kommanditgesellschaft auf Aktien und Mitbestimmung, 2000. S im Übrigen die Angaben zu § 278 und Vor § 287. Zum Beirat (Auswahl): Assmann/Sethe Der Beirat der KGaA, FS Lutter, 2000, S 251; Cahn Die Änderung der Satzungsbestimmungen nach § 281 AktG bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, AG 2001, 579; Gaugler/Heimburger Beiräte mittelständischer Unternehmen, 1985; Habersack Der Gesellschafterausschuss der KGaA, in: FS Hellwig, 2010, S 143; Hennerkes/Binz/May Die Steuerungsfunktion des Beirates in der Familiengesellschaft, DB 1987, 469; Hölters Der Beirat der GmbH und GmbH & Co. KG, 1979; Kallmeyer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien – eine interessante Rechtsformalternative für den Mittelstand?, DStR 1994, 977; Martens Der Beirat in der Kommanditgesellschaft auf Aktien, AG 1982, 113 ff; Rinze Die Haftung

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von Beiratsmitgliedern einer personalistischen GmbH & Co. KG, NJW 1992, 2790; Robertz Der Beirat als freiwilliges Organ der Gesellschaft, MittRhNotK 1991, 239; Rohleder Die Übertragbarkeit von Kompetenzen auf GmbH-Beiräte, 1990; Sigle Beiräte, NZG 1998, 619; Schnorbus Gestaltungsfragen fakultativer Aufsichtsorgane der KGaA, in: FS Winter, 2011, S 627; Schnorbus/Ganzer Haftung fakultativer Gesellschaftsorgane in der GmbH und KGaA, BB 2017, 1795; Steding Der Unternehmensbeirat – Rechtsstellung, Funktion und Zusammensetzung, BuW 1999, 381; Turner Aufsichtsrats- und Beiratsgremien im Gesellschaftsrecht – Zusammensetzung und Rekrutierung, BuW 1995, 198; Vollmer Der unternehmensleitende Beirat, WiB 1995, 578; Voormann Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl 1990; Wiedemann Verbandssouveränität und Außeneinfluß – Gedanken zur Errichtung eines Beirats in einer Personengesellschaft, in: FS Schilling, 1973, S 105. Sa die Angaben zu § 278 und Vor § 287.

Rechtsprechung RG (24.10.1910) I 80/10, RGZ 74, 301: Notgeschäftsführung im Falle der rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung; RG (6.6.1913) II 99/13, RGZ 82, 360: Umwandlung einer KGaA gegen den Willen des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters in eine AG; RG (11.6.1931) II 389/29, RGZ 133, 90: Zulässigkeit schuldrechtlicher Vereinbarungen über die Wahl bestimmter Personen in den Aufsichtsrat; RG (30.3.1942) II 96/41, RGZ 169, 65: im Gesellschaftsvertrag der GmbH darf eine Satzungsänderung nicht von der Zustimmung eines Nichtgesellschafters abhängig gemacht werden; BGH (26.10.1964) II ZR 127/62, GmbHR 1965, 194 = WM 1964, 1320: GmbH-Geschäftsführer und Geschäftschancenlehre; BGH (30.10.1967) VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 = BB 1968, 10 = NJW 1968, 391 = LM § 31 BGB Nr 14: Begriff des „verfassungsmäßigen Vertreters“; BGH (14.4.1975) II ZR 147/73, BGHZ 64, 238 = WM 1975, 767 = BB 1975, 804 = MDR 1975, 824 = NJW 1975, 1318: Innenhaftung des in einer Publikums-KG gebildeten mit Geschäftsführungs- und Überwachungsaufgaben betrauten Aufsichtsrats; BGH (4.7.1977) II ZR 150/75, BGHZ 69, 207 = BB 1977, 1472 = DB 1977, 2088 = MDR 1978, 33 = NJW 1977, 2311 = WM 1977, 1221: keine Beschränkung der Haftung des die Geschäftsführung überwachenden Verwaltungsratsmitglieds einer Publikumsgesellschaft; BGH (9.7.1979) II ZR 118/77, BGHZ 75, 96 = BB 1979, 1625 = MDR 1979, 1000 = NJW 1979, 1823 = WM 1979, 878: Verletzung der Konkursantragspflicht des Aufsichtsrats; BGH (22.10.1979) II ZR 151/77, DB 1980, 71 = BB 1980, 546 = MDR 1980, 206 = WM 1979, 1425 = ZGR 1981, 348 = LM § 161 HGB Nr 59: Rechte und Pflichten des Beirats einer Publikums-KG; BGH (11.5.1981) II ZR 126/80, WM 1981, 759 = BB 1981, 1232 = DB 1981, 1661 = NJW 1981, 2748 = ZIP 1981, 858 = LM § 112 AktG 1965 Nr 1: Auslegung des § 112 AktG – Unbefangenheit der Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat; BGH (21.2.1983) II ZR 128/82, WM 1983, 555: Haftung der Mitglieder des Kontrollausschusses einer KG gegenüber dem Kommanditisten; BGH (7.3.1983) II ZR 11/82, BGHZ 87, 84 = BB 1983, 1688 = DB 1983, 1249 = MDR 1983, 560 = NJW 1983, 1675 = WM 1983, 472 = ZIP 1983, 563 = LM § 161 HGB Nr 82a (Brandes): Verjährung der Ansprüche auf Schadensersatz gegen die Mitglieder des Beirats einer Publikums-KG; BGH (13.6.1984) VIII ZR 125/83, BGHZ 91, 334 = BB 1984, 1316 = DB 1984, 1921 = GmbHR 1985, 79 = NJW 1984, 2085 = WM 1984, 998 = ZIP 1984, 1358: Anwendung des § 181 BGB auf einen Vertragsschluss zwischen einem durch ein alleinvertretungsbefugtes Vorstandsmitglied und gleichzeitig Geschäftsführer einer GmbH vertretenen e.V. und dieser GmbH, die durch einen Prokuristen vertretenen wird;

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BGH (22.10.1984) II ZR 2/84, WM 1984, 1640 = BB 1985, 81 = DB 1985, 165 = NJW 1985, 1900 = ZIP 1985, 31 = EWiR § 161 HGB 1/85, 109 (Hommelhoff) = LM § 161 HGB Nr 87: Inanspruchnahme des Beirats einer KG wegen Verletzung von Aufsichts- und Kontrollpflichten; BGH (9.10.1986) II ZR 284/85, WM 1986, 1411 = AG 1987, 19 = BB 1986, 2229 = DB 1986, 2592 = NJW 1987, 254 = ZIP 1986, 1381 = WuB 1987, II A § 112 AktG 1.87 (Sonnenhol): Vertretung einer AG durch den Aufsichtsrat; BGH (7.12.1987) II ZR 206/87, ZIP 1988, 568 = BB 1988, 290 = DB 1988, 387 = NJW-RR 1988, 420 = WM 1988, 298 = EWiR § 611 BGB 1/88, 342 (Groß): Einhaltung fest vereinbarter Dienstzeiten und teilweise Nichterbringung geldwerter Dienste durch den Geschäftsführer einer GmbH; BGH (8.2.1988) II ZR 159/87, BGHZ 103, 213 WM 1988, 413 = AG 1988, 168 = BB 1988, 576 = DB 1988, 696 = NJW 1988, 1384 = ZIP 1988, 367 = LM § 112 AktG 1965 Nr 3 = WuB II A. § 112 AktG 1.88 (Kleindiek): Vertretung der AG durch den Aufsichtsrat auch bei Erlöschen des Organverhältnisses des Vorstandsmitglieds vor Klageerhebung durch Zeitablauf durch Zeitablauf; BGH (13.2.1989) II ZR 209/88, WM 1989, 637 = AG 1989, 247 = BB 1989, 866 = DB 1989, 971 = MDR 1989, 717 = NJW 1989, 2055 = ZIP 1989, 497 = LM § 112 AktG 1965 Nr 4 = WuB II C § 112 AktG 1.89 (Werner): Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat im Schadensersatzprozess gegen ausgeschiedenes Vorstandsmitglied; BGH (12.6.1989) II ZR 334/87, GmbHR 1989, 365 = AG 1989, 354 = BB 1989, 1637 = DB 1989, 1762 = NJW-RR 1989, 1255 = WM 1989, 1335 = ZIP 1989, 1390 = LM § 43 GmbHG Nr 16 = EWiR § 43 GmbHG 1/89, 779 (Gravenhorst) = WuB II C § 43 GmbHG 1.90 (Teichmann): Haftung des GmbH-Geschäftsführers aus Verletzung des Geschäftsführungsvertrags; BGH (5.3.1990) II ZR 86/89, WM 1990, 630 = AG 1990, 359 = BB 1990, 729 = DB 1990, 930 = MDR 1990, 803 = NJW-RR 1990, 739 = EWiR § 52 GmbHG 1/90, 909 (Meyer-Landrut) = WuB II C § 52 GmbHG 1.90 (Soehring): Vertretung der GmbH durch den Aufsichtsrat und Befangenheit des neuen Geschäftsführers im Prozess gegen die frühere Geschäftsführung; BGH (22.4.1991) II ZR 151/90, WM 1991, 941 = AG 1991, 269 = BB 1991, 1071 = DB 1991, 1216 = MDR 1991, 732 = NJW-RR 1991, 926 = ZIP 1991, 796 = LM H. 3/1992 § 112 AktG 1965 Nr 6 = EWiR § 112 AktG 1/91, 631 (MeyerLandrut) = WuB II A § 112 AktG 1.91 (Peterhoff): gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern vertritt der Aufsichtsrat die AG gerichtlich; BGH (17.5.1993) II ZR 89/92, BGHZ 122, 342 = AG 1993, 464 = BB 1993, 1468 = DB 1993, 1609 = NJW 1993, 2307 = WM 1993, 1330 = ZIP 1993, 1079 = LM H. 11/1993 § 107 AktG 1965 Nr 7 = EWiR § 25 MitbestG 1/93, 809 (Rittner) = WuB II A § 107 AktG 1.93 (Rellermeyer): Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse; BGH (26.6.1995) II ZR 122/94, = BGHZ 130, 108 = WM 1995, 1716 = ZIP 1995, 1331 = BB 1995, 1868 = DB 1995, 1759 = NJW 1995, 2559 = LM H. 11/1995 § 39 GenG Nr 3 (Noack) = WuB II D § 39 GenG 1.95 (Schaffland): Aufsichtsrat als Vertreter der Genossenschaft in Prozessen gegen Vorstandsmitglieder; BGH (9.12.1996) II ZR 240/95, GmbHR 1997, 163 = DB 1997, 321 = NJW 1997, 741 = WM 1997, 224 = ZIP 1997, 199 = LM GmbHG § 43 Nr 22 (3/1997) = EWiR § 43 GmbHG 2/97, 303 (Zimmermann) = WuB II C § 48 GmbHG 1.97 (Teichmann): Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für einen für das Unternehmen nachteiligen Beratungsvertrag; BGH (24.2.1997) II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 (Vorinstanz OLG Karlsruhe 29.7.1996 – 11 Wx 20/96, s 278) = AG 1997, 370 = BB 1997, 1220 = DB 1997, 1219 = NJW 1997, 1923 = WM 1997, 1098 = ZIP 1997, 1027 = LM H. 8/1997 § 278 AktG 1965 Nr 1 (Roth) = WuB II B § 278 AktG 1.97 (Hein): Zulässigkeit der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA; BGH (5.3.1998) III ZR 183/96, NJW 1998, 1854 = BB 1998, 917 = DB 1998, 1324 = NJW-RR 1998, 1111 = WM 1998, 819 = LM § 167 BGB Nr 39 (Reuter) = WuB IV A § 170 BGB 1.98 (Koller): Haftung einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft für einen als Handelsvertreter tätigen Außendienstmitarbeiter;

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BGH (29.11.2004) II ZR 364/02, AG 2005, 239 = BB 2005, 514 = DB 2005, 490 = NJW-RR 2005, 682 = NZG 2005, 276 = WM 2005, 330 = ZIP 2005, 348 = EWiR § 112 AktG 7/05, 285 (Hasselbach/Spengler) = WuB II B § 112 AktG 1.05 (Kersting): Vertretung der KGaA gegenüber ehemalige Komplementäre durch den Aufsichtsrat; BGH (5.12.2005) II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 = AG 2006, 117 = BB 2006, 453 = DB 2006, 266 = NJW 2006, 510 = NZG 2006, 138 = WM 2006, 138 = ZIP 2006, 177 = EWiR § 278 AktG 7/06, 193 (Dürr) = WuB II B § 287 AktG 1.06 (Kersting): Klage eines Kommanditaktionärs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds; BGH (17.3.2008) II ZR 239/06, AG 2008, 894 DB 2008, 1314 = MDR 2008, 868 = NJW-RR 2008, 1488 = NZG 2008, 471 = WM 2008, 1021 = ZIP 2008, 1114 = EWiR § 39 GenG 20/08, 621 (Rohde) = WuB II D § 39 GenG 1.08 (Schöpflin): Vertretung des Aufsichtsrats einer Genossenschaft durch den Aufsichtsratsvorsitzenden bei Abschluss oder Änderung des Dienstvertrags mit einem Vorstandsmitglied; BGH (16.3.2009) II ZR 280/07, AG 2009, 404 = BB 2009, 1207 = DB 2009, 948 = NJW 2009, 2454 = NZG 2009, 550 = ZIP 2009, 860 = WM 2009, 851 = EWiR § 64 GmbHG 16/09, 493 (Kiem/Giershausen) = WuB II C § 64 GmbHG 1.09 (Bitter): Unterlassen des Aufsichtsrats einer AG, auf die Stellung eines Insolvenzantrags durch den Vorstand hinzuwirken; BGH (15.1.2019) II ZR 392/17, WM 2019, 542 = BGHZ 220, 377 = BB 2019, 910 (Stöber) = NJW 2019, 1677 = NZG 2019, 420 = ZIP 2019, 564 = EWiR § 112 AktG 7/19, 199 (Schatz) = WuB 2019 Heft 6, 290 (Wentz): AG vertreten durch den Aufsichtsrat bei Rechtsgeschäften mit einer Ein-Personen-Gesellschaft eines Vorstandsmitglieds; BGH (21.4.2020) II ZR 56/18, ZIP 2020, 1118 = AG 2020, 540 = WM 2020, 1263 = EWiR § 78 AktG 13/20, 389 (Bachmann): eine nach Ausscheiden des Komplementärs führungslose KGaA wird durch den Aufsichtsrat vertreten; KG (5.2.1925) 1 X 19/25, JW 1926, 598: Übertragung von Struktur- und Grundlagenentscheidungen an Nichtgesellschafter; OLG Brandenburg (14.1.2015) 7 U 68/13, AG 2015, 428 = DStR 2015, 1877 = RNotZ 2015, 582: das gesetzliche Verbot des § 112 AktG führt zur Nichtigkeit eines vom Vorstand mit einem Vorstandsmitglied geschlossenen Vertrags; OLG Frankfurt (28.5.2013) 5 U 126/12 (juris): Vorstandsmitglied der Alleingesellschafterin der persönlich haftenden Gesellschafterin einer KGaA als Mitglied des Aufsichtsrats der KGaA; OLG Frankfurt (8.9.2014) 20 W 148/14, NZG 2015, 1154 = AG 2015, 247 = ZIP 2015, 170 = EWiR § 104 AktG 4/15, 103 (Bachmann) = GWR 2015, 229 (Haßler): der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA als Antragsbefugter im Sinne des § 104 Abs 1 und 2 AktG; OLG Hamburg (6.3.1992) 11 U 134/91, AG 1992, 197 = BB 1992, 2312 = DB 1992, 774 = WM 1992, 1278 = ZIP 1992, 1310 = EWiR § 243 AktG 1/92, 421 (Bork) = WuB II A § 107 AktG 1.92 (Butzke): Parteifähigkeit des Aufsichtsrats; OLG Karlsruhe (13.10.1995) 10 U 51/95, WM 1996, 161 = AG 1996, 224 = EWiR § 112 AktG 1/96, 581 (Sethe) = WuB II A § 112 AktG 1.96 (Hirte/Hasselbach): Vertretungsmacht des Aufsichtsratsvorsitzenden einer AG für den Abschluss eines Vertrags im Namen der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied; OLG Köln (5.5.1977) 14 U 46/76, AG 1978, 17: satzungsmäßig angeordnete Weisungsrechte der Kommanditaktionäre gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA; OLG München (26.7.1995) 7 U 5169/94, WM 1996, 782 = AG 1996, 86 = DB 1995, 2364 = WuB II B § 287 AktG 1.96 (Friedrich): Befugnis des persönlich haftenden Gesellschafters ohne Vermögeneinlage zur Vertretung einer KGaA; OLG München (13.8.2003) 7 U 2927/02 (Vorinstanz LG München I 5.4.2002 – 5 HKO 2178/01, s 285), NZG 2004, 521 = AG 2004, 151 = ZIP 2004, 214 (Gabriel Sedlmayr/Spaten Franziskaner Bräu): bestimmender

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Aufsichtsrat | § 287

Einfluss auf die Willensbildung der persönlich haftenden Gesellschafterin einer KGaA als Ausschlussgrund für eine Aufsichtsratsmitgliedschaft; OLG Stuttgart (20.3.1992) 2 U 115/90, AG 1993, 85 = BB 1992, 1669: Nichtigkeit von Willenserklärungen der AG bei einem Rechtsgeschäft mit ihrem Vorstand; OLG Stuttgart (28.7.2004) 20 U 5/04, NZG 2004, 1002 = AG 2004, 678 = DB 2004, 1768 = ZIP 2004, 2004: die an der Tätigkeitsvergütung orientierte Abschlagszahlung des persönlich haftenden Gesellschafters ist eine Kreditgewährung und bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats; OLG Stuttgart (29.2.2012) 20 U 3/11, ZIP 2012, 625 = AG 2012, 298 = NZG 2012, 660 (Selter); GWR 2012, 156 (Lorenz) = EWiR § 111 AktG 10/12, 303 (Lieder): Verletzung der organschaftlichen Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder; LG Köln (13.7.1976) 3 O 121/76, AG 1976, 329 = WM 1977, 986: Reichweite der Zulässigkeit eines organschaftlichen Beirats bei der AG.

I. II.

III.

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Systematische Übersicht Übersicht und Normentwicklung | 1–2 Grundsätzliche Geltung der aktienrechtlichen Bestimmungen | 3–24 1. Bestellung (Wahl) und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern | 4 a) Anwendbare Vorschriften | 4 b) Bestellung (Wahl) und Entsendungsrechte | 5 c) Persönliche Voraussetzungen und Inkompatibilitäten | 9 d) Abberufung | 12 2. Beschränkungen der Komplementäre in Bezug auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats | 13 3. Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsrats | 19 4. Innere Ordnung, Einberufung, Beschlussfassung und Vertretung | 21 5. Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern | 22 6. Vergütung und Vergütungsbericht | 23 7. Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeit | 24 Funktionen des Aufsichtsrats in der KGaA | 25–78 1. Überblick | 25 2. Der Aufsichtsrat als Kontrollorgan (Kontrollkompetenz) | 32 a) Anwendbares Recht | 32 b) Überwachung der Geschäftsführung | 35 c) Möglichkeiten und Grenzen abweichender Satzungsgestaltung | 44 d) Related Party Transactions und Kreditgewährung an die Komplementäre | 47

3.

4.

Der Aufsichtsrat als Ausführungsorgan | 49 a) Die einzelnen Beschlussarten | 49 b) Interessenwahrungspflicht | 50 c) Möglichkeiten und Grenzen der Satzungsgestaltung | 55 Der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan | 57 a) Die Prozessvertretung nach Abs 2 | 57 aa) Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und den Komplementären (Abs 2 Satz 1) | 57 bb) Beschluss über die Klageerhebung und Vertretung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Abs 2 Satz 1) | 60 cc) Haftung für die Kosten des Rechtsstreits (Abs 2 Satz 2) | 63 dd) Wahrzunehmende Interessen | 65 b) Die Vertretung der Gesellschaft nach § 112 | 67 aa) Grundsatz | 67 bb) Reichweite von § 112 | 71 cc) Anwendung auf nicht geschäftsführungsbefugte oder ausgeschiedene Komplementäre | 72 dd) Vertretung gegenüber einer Komplementärgesellschaft sowie deren Geschäfts-

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§ 287 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

IV.

führern und Gesellschaftern | 73 ee) Rechtsfolgen | 74 c) Die Vertretung der Gesellschaft bei Führungslosigkeit | 74a 5. Kompetenzen des Aufsichtsrats aufgrund der Satzung | 75 a) Reichweite der Satzungsautonomie | 75 b) Satzungsautonomie im Rahmen der Geschäftsführung | 76 c) Satzungsautonomie auf mitgliedschaftlicher Ebene | 78 Der Beirat | 79–142 1. Gründe für die Schaffung eines Beirats | 79 2. Zulässigkeit eines Beirats | 89 a) Der Beirat in einer gesetzestypischen KGaA | 90 aa) Zulässigkeit schuldrechtlicher und organschaftlicher Beiräte | 90 bb) Grenzen aufgrund der gesetzlichen Kompetenzzuweisung | 96 cc) Allgemeine gesellschaftsrechtliche Schranken der Kompetenzübertragung auf den Beirat | 99 dd) Kompetenzübertragungen auf den Beirat zu Lasten einer Gesellschaftergruppe | 105 b) Der Beirat in einer atypisch ausgestalteten KGaA | 109

3.

4.

5.

Einzelfragen zur Errichtung und zur Tätigkeit von Beiräten | 111 a) Bestellung und Zusammensetzung des Beirats | 111 b) Kompetenzen und innere Ordnung des Beirats | 115 c) Wettbewerbsverbot | 117 d) Überwachung des Beirats | 118 Außenhaftung für schuldhaftes Fehlverhalten des Beirats bzw der Beiratsmitglieder | 119 a) Haftung der Beiratsmitglieder | 119 b) Haftung der Gesellschaft | 120 aa) Beirat der Gesellschaft | 120 bb) Beirat einer Gesellschaftergruppe | 125 cc) Schuldrechtlicher Beirat | 126 Innenhaftung von Beiratsmitgliedern | 127 a) Schuldrechtliche Beiräte | 128 b) Organschaftliche Beiräte | 130 aa) Organschaftliche Innenhaftung | 130 bb) Deliktische Innenhaftung | 137 c) Beirat einer Gesellschaftergruppe | 138 d) Die Haftung von Beiratsmitgliedern aus §§ 278 Abs 3, 117 | 142

I. Übersicht und Normentwicklung 1

Gegenstand der Bestimmung ist die Stellung des Aufsichtsrats, die wegen der Besonderheiten der KGaA (namentlich dem Fehlen eines Vorstandes) in verschiedenen Punkten von der für den Aufsichtsrat der AG geltenden Regelung (§§ 95 ff) abweicht. Als Kontroll- und Exekutivorgan ist er einerseits für die – dem Aktienrecht zuzurechnende – Überwachung der Geschäftsführung und Vertretung der KGaA gemäß § 112 zuständig und andererseits für die – dem Personengesellschaftsrecht zuzurechnenden – Aufgaben der Ausführung der Beschlüsse der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und deren Vertretung gegenüber den Komplementären. Darüber hinaus können ihm kraft Satzung weitere Aufgaben zugewiesen werden (su Rdn 75 ff). Die gesetzlichen und die kraft Satzung übertragenen Kompetenzen übt er als Organ der Gesellschaft aus (su Rdn 31). Da ihm kein Recht zur Wahl des Leitungsorgans (Personalkompetenz) zusteht (s Rdn 30, 38), ist Sethe

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Aufsichtsrat | § 287

der Umfang seiner Kompetenzen (s Rdn 25 ff) im Vergleich zum Aufsichtsrat der AG geringer.1 Die Vorschrift entspricht § 229 AktG 1937.2 Lediglich dessen Abs 3, der die Verant- 2 wortlichkeitsklage des Aufsichtsrats gegen die Komplementäre regelte, ist entfallen (entsprechend der Streichung des § 97 Abs 2 AktG 1937 bei dessen Überführung in § 112 AktG 1965). Die Vorschrift ist seit 1965 unverändert. II. Grundsätzliche Geltung der aktienrechtlichen Bestimmungen Jede KGaA hat zwingend3 einen Aufsichtsrat. Auf ihn finden über § 278 Abs 3 die 3 Vorschriften Anwendung, die für den Aufsichtsrat der AG gelten (§§ 95 ff), soweit sich nicht aus dem Fehlen des Vorstands ein anderes ergibt (s Rdn 37 ff). 1. Bestellung (Wahl) und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern a) Anwendbare Vorschriften. Die Bestellung (Wahl) und Abberufung der Auf- 4 sichtsratsmitglieder richtet sich nach den Bestimmungen der §§ 30 Abs 1–3, 101 ff; die Vorschriften in §§ 124 ff über die Einberufung der Hauptversammlung und des § 137 betreffend die Abstimmung über Wahlvorschläge von Aktionären sind zu beachten. Fragen der Dauer der Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder sind nach Maßgabe von § 102 zu beantworten. Für die (gesetzlich nicht geregelte) Niederlegung des Amtes sind die hierzu entwickelten aktienrechtlichen Grundsätze heranzuziehen, nach denen die Amtsniederlegung grundsätzlich zulässig ist; erfolgt sie zur Unzeit, kann dies Schadensersatzansprüche zur Folge haben.4 Für den Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied vor dem Ablauf seiner Amtszeit ausscheidet, kann für jedes Mitglied ein Ersatzmitglied bestellt werden (§ 101 Abs 3). b) Bestellung (Wahl) und Entsendungsrechte. Die Aufsichtsratsmitglieder werden 5 von den Gründern bzw der Hauptversammlung gewählt (§§ 30 Abs 1, 101 Abs 1). Wenn die Satzung keine anderweitigen Regelungen enthält, erfolgt die Wahl mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 133 Abs 1, 2). Die Wahl wird wirksam, wenn der Gewählte die Annahme der Wahl (vor oder nach derselben) gegenüber der Hauptversammlung oder gegenüber den vertretungsbefugten Komplementären als gesetzlichen Vertretern der KGaA erklärt oder auf andere Weise konkludent, insbesondere durch Amtsaufnahme, zu erkennen gibt.5 Zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder in der mitbestimmten KGaA s Rdn 20. Die Satzung kann jedoch nach §§ 278 Abs 3, 101 Abs 2 bestimmten Aktionären oder 6 den Inhabern bestimmter Aktien ein Entsendungsrecht einräumen.6 Entsendungsrechte zugunsten von Komplementären (einschließlich Komplementärgesellschaften) der KGaA sind allerdings, selbst wenn diese zugleich Kommanditaktionäre sind, unzu-

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1 Zur Übersicht über die Stellung des Aufsichtsrats in der KGaA sa Vor § 278 Rdn 67. 2 Vgl hierzu und zum folgenden Kropff AktG, 1965, S 370. 3 De lege ferenda für einen fakultativen Aufsichtsrat bei Gesellschaften mit bis zu 500 Arbeitnehmern Sethe AG 1996, 289, 301. 4 S etwa, jeweils mwN, MünchHdBAG/Hoffmann-Becking4 § 30, 80; Hüffer/Koch14 § 103, 17; Schlitt S 170; Singhof AG 1998, 318, 321 f; Wardenbach AG 1999, 74, 75 f. 5 HM. Vgl MünchHdBAG/Hoffmann-Becking4 § 30, 46; Hüffer/Koch14 § 101, 8; KK/Mertens/Cahn3 § 101, 36. 6 Beispiele bei Schlitt S 162 mit Erläuterungen S 165 f. Generell zum Entsendungsrecht Klausmann Entsendungsrechte, passim.

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lässig.7 Dies folgt einerseits aus dem Verbot des § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1, demzufolge Komplementäre bei der Wahl und der Abberufung des Aufsichtsrats kein Stimmrecht haben, und andererseits aus dem Gebot des Abs 3, nach dem Komplementäre nicht Aufsichtsratsmitglieder sein können. Dementsprechend kann ein Komplementär auch nicht dadurch ein Entsendungsrecht erlangen, dass er Aktien erwirbt, für die oder für deren Inhaber ein Entsenderecht besteht,8 oder ein Entsendungsberechtigter ihm sein Entsendungsrecht zur Ausübung überträgt. Kann einem Komplementär kein Entsendungsrecht zustehen, so lässt sich dies auch nicht in der Weise „heilen“, dass die Wahrnehmung desselben durch einen Kommanditaktionär erfolgt oder der Komplementär die mit dem Entsenderecht verknüpften Aktien an eine Person überträgt, die seinen Weisungen unterliegen.9 Schließlich darf die Satzung die Wahl des zu Entsendenden aus den vorstehend angeführten Gründen auch nicht von der Zustimmung der Komplementäre abhängig machen.10 Fraglich ist, ob diese Grundsätze auch auf die Geschäftsführer einer Komplemen7 tärgesellschaft sowie auf die an dieser maßgeblich beteiligten Gesellschafter zu übertragen sind. Das ist aus mehreren Gründen zu bejahen:11 Die Einschaltung einer Komplementärgesellschaft wäre ein probates Mittel, um das Stimmverbot des § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und das Gebot des Abs 3 (s Rdn 6) zu umgehen. Dass Entsendungsrechte für Aktionäre, die Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder sind, in der AG nach hM nicht für unzulässig erachtet werden,12 stellt kein Gegenargument dar, da dem Aufsichtsrat in der KGaA nicht nur die Rolle eines Aufsichtsorgans (zur Kontrolle der Geschäftsführung) zukommt, sondern auch die Funktion einer von jeglichem Einfluss der Komplementäre unabhängigen Vertretung der Kommanditaktionäre. Die damit zugleich angestrebte Machtverteilung unter den Gesellschaftergruppen wäre nachhaltig gestört, wenn der der Komplementärgesellschaft versagte Einfluss auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats mittelbar durch deren Geschäftsführer oder durch an der Gesellschaft maßgeblich beteiligte Gesellschafter wahrgenommen werden könnte. 8 Wirksam begründete Entsenderechte sind Sonderrechte iSd § 35 BGB und können nur durch Satzungsänderung und mit Zustimmung des Betroffenen entzogen werden.13 Nach § 101 Abs 2 Satz 4 dürfen die Entsendungsrechte insgesamt höchstens für ein Drittel der sich aus dem Gesetz oder der Satzung ergebenden Zahl der Aufsichtsratsmitglieder (der Kommanditaktionäre) eingeräumt werden. Der Entsandte ist, dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder entsprechend, den Gesellschaftsin-

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7 S § 285 Rdn 38. Ihrig/Schlitt S 45; KK/Mertens/Cahn3 § 285, 13; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 58; MünchKomm/Habersack5 § 100, 91, § 101, 32, 45; MünchKomm/Perlitt5 18, 20, § 278, 322, § 285, 26; Schlitt S 165. Ein Verstoß wird im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht, vgl BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Leitsatz 1; zustimmend Ek/Schiemzik BB 2006, 456 f; Heidel/Wichert5 7; Saenger/Kessler EWiR 2003, 1167 f. 8 Unstr; vgl § 285 Rdn 38 sowie KK/Mertens/Cahn3 § 285, 13; MünchKomm/Perlitt5 20. 9 Ausführlich vgl § 285 Rdn 38. 10 KK/Mertens/Cahn3 § 101, 58 (in Bezug auf ein dem Zustimmungsrecht eines Komplementärs entsprechendes Zustimmungsrecht des Vorstands); Lutter/Krieger/Verse7 § 18, 1302; MünchKomm/Perlitt5 20. 11 Ebenso Binz/Sorg DB 1997, 313, 319; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 58; Ihrig/Schlitt S 45; Schlitt S 165 f. MünchKomm/Perlitt5 324. Bedenken äußerten noch MünchKomm/Semler/Perlitt2 § 278, 335, doch hielten sie „eine Abwägung der gesamten Satzung und der von ihr geregelten Machtverteilung“ für geboten, um Geschäftsführern einer Komplementärgesellschaft oder den an dieser maßgeblich beteiligten Gesellschaftern ein Entsendungsrecht zu versagen. 12 KK/Mertens/Cahn3 § 101, 58; MünchKomm/Habersack5 § 101, 32; für ein Ruhen des Entsenderechts plädieren dagegen zu Recht Hopt/Roth oben § 101, 129. 13 Hüffer/Koch14 § 101, 10; KK/Mertens/Cahn3 § 101, 51; Schlitt S 166.

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teressen verpflichtet und folglich an damit nicht im Einklang stehende Weisungen des Entsendungsberechtigten nicht gebunden,14 kann aber von diesem jederzeit abberufen und durch eine andere Person ersetzt werden (§ 103 Abs 2 Satz 1). c) Persönliche Voraussetzungen und Inkompatibilitäten. Aufsichtsratsmitglied 9 kann nur sein, wer die Voraussetzungen des § 100 erfüllt.15 § 100 Abs 4 erlaubt es den Gesellschaftern, in der Satzung weitere Qualifikationsvoraussetzungen (wie etwa Alter, Staatsangehörigkeit, bestimmter Wohnsitz, berufliche Qualifikation, geordnete Vermögensverhältnisse) aufzustellen. Dagegen kann die Familienzugehörigkeit (Zugehörigkeit zu einem bestimmten Familienstamm) nicht Qualifikationsvoraussetzung sein, da eine solche Regelung, obschon statutarisch verankert, ein verkapptes Entsendungsrecht darstellen würde, für das § 101 Abs 2 entsprechende und ausreichende Möglichkeiten (s Rdn 6 ff) eröffnet.16 Bei kapitalmarktorientierten KGaA und bestimmten Finanzdienstleistern muss mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats und – sofern vorhanden – des Prüfungsausschusses über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen; die Aufsichtsratsmitglieder müssen zudem in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein (§§ 100 Abs 5, 107 Abs 4). In Bezug auf die Wählbarkeit einzelner Personen zum Aufsichtsrat sind zudem die 10 Einschränkungen des Absatz 3 und des § 105 Abs 1 zu beachten, die zur Folge haben, dass Komplementäre, Handlungsbevollmächtigte und Prokuristen nicht Mitglieder des Aufsichtsrats werden können. Das Verbot gilt unabhängig davon, ob der jeweilige Komplementär geschäftsführungsbefugt ist oder nicht, denn die Funktion des Aufsichtsrats bei der KGaA umfasst nicht nur die Überwachung der Geschäftsführung, sondern auch die Vertretung der Interessen der Kommanditaktionäre gegenüber den Komplementären.17 Gleiches gilt nach der ratio dieser Vorschriften für die Mitglieder der Unternehmensleitung der Komplementärgesellschaften (Vorstände, Geschäftsführer, Mitglieder des SE-Verwaltungsrats und deren geschäftsführende Direktoren), auf die Abs 3 analog anzuwenden ist.18 Die Komplementärgesellschaft selbst kann nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein, weil sie – neben dem Verbot aus Absatz 3 – auch von §§ 278 Abs 3, 100 Abs 1 Satz 1 erfasst wird.

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14 S etwa, jeweils mwN, Gaul AG 2019, 405, 410; Hopt/Roth § 101, 168 f; Hüffer/Koch14 § 101, 12; KK/Mertens/Cahn3 § 101, 69, 73; MünchKomm/Habersack5 § 101, 52. 15 Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 149. S dazu im Einzelnen die Erläuterungen zu § 100. 16 Str. Wie hier Hopt/Roth § 100, 218; Frodermann/Janott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 185; Hüffer/Koch14 § 23, 38, § 100, 20; KK/Mertens/Cahn3 § 100, 46; MünchKomm/Habersack5 § 100, 58; Spindler/Stilz/Spindler4 § 100, 47. AA MünchKomm/Pentz5 § 23, 169; Röhricht/Schall § 23, 246 sowie zuvor bereits Godin/Wilhelmi4 § 100, 6; Geßler/Geßler1 § 100, 46. Differenzierend Lutter/Krieger/Verse7 § 1, 24 (im Einzelfall unzulässig, wenn die HV keine Auswahl hat, sondern die Satzungsbestimmung auf die Wahl eines Familienmitglied hinausläuft). 17 OLG München 13.8.2003 – 7 U 2927/02, NZG 2004, 521,523; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 449; Heidel/ Wichert5 8; Hüffer/Koch14 4; KK/Mertens/Cahn3 10; MünchKomm/Perlitt5 28; Neumann-Duesberg S 61 mwN; soweit ersichtlich aA allein Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 165. 18 Inzwischen unstr, vgl BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 (noch vorsichtig: „mag es … geboten sein“); OLG München 13.8.2003 – 7 U 2927/02, NZG 2004, 521,523; Bachmann AG 2019, 581, 582; von Eiff/Otte GWR 2015, 246, 248 f; Habersack ZIP 2019, 1453, 1458 f; Heidel/Wichert5 8; Hüffer/Koch14 4; KK/Mertens/Cahn3 10; MünchKomm/Perlitt5 29; Otte S 145 mwN; Neumann-Duesberg S 69 ff mwN; Spindler/Stilz/Bachmann4 4; Wollburg in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 1125, 1429 f. Str ist, ob dies bei der monistischen SE nur für die geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder gelten soll, so Seibt/von Rimon AG 2019, 753, 756; aA Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 180; von Eiff/Otte GWR 2015, 246, 248 f.

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Umstritten ist dagegen, ob sich das Verbot auch auf die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft erstreckt. Der BGH hat sich in dieser Frage nicht endgültig festgelegt, aber immerhin eine Tendenz angedeutet.19 Im Schrifttum lassen sich vier Standpunkte unterscheiden: (1) Einige Autoren sehen alle Gesellschafter der Komplementärgesellschaft als erfasst an.20 Es soll damit bereits der Anschein der Befangenheit bei der Überwachung der Geschäftsführung vermieden und die unabhängige Vertretungsfunktion gesichert werden, die der Aufsichtsrat für die Kommanditaktionäre wahrnimmt. (2) Ähnlich streng sind diejenigen, die Abs 3 auf alle Gesellschafter anwenden, sofern diese mehr als nur unwesentlich beteiligt sind.21 (3) (a) Die wohl herrschende Meinung erstreckt die Inhabilitätsvorschrift auf deren maßgeblich beteiligte Gesellschafter (bzw nach anderer Formulierung auf deren beherrschende/n Gesellschafter/Gesellschaftergruppe).22 (b) Teilweise werden aber auch hier die Aktionäre einer Komplementär-AG oder Komplementär-SE mangels Weisungsmöglichkeit gegenüber dem Vorstand ausgenommen.23 Die Gegenansicht weist zu Recht darauf hin, dass es auf die Weisungsfreiheit des Vorstands nicht ankommen kann, da auch in der AG und der SE die Unternehmensleitung das Vertrauen des Mehrheitsaktionärs benötige.24 (c) Teilweise wird weiterhin danach differenziert, ob die beherrschenden Gesellschafter natürliche Personen sind25 oder nicht26. Für letzteren Fall wird eine Erstreckung von Abs 3 auf die Leitungsorgane dieser juristischen Person bejaht.27 (4) Ein Teil des Schrifttums lehnt aus Gründen der Rechtssicherheit die Erstreckung von Abs 3 auf die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft gänzlich ab, gleichgültig, ob es sich um natürliche oder juristische Personen handelt.28

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19 BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 14 („allenfalls diejenigen Gesellschafter der Komplementärgesellschaft einzubeziehen, welche in ihr eine organähnliche Leitungsfunktion tatsächlich ausüben oder an der Komplementärgesellschaft maßgeblich beteiligt sind und deshalb bestimmenden Einfluss auf deren Geschäftsleitung ausüben können“). 20 Generell Neumann-Duesberg S 79 ff. Jeweils zur Komplementär-GmbH Halasz/Kloster/Kloster GmbHR 2002, 77, 85; Kölling S 161; Wichert AG 2000, 268, 273. 21 Heidel/Wichert5 8; Kiefer S 142 (mehr als nur unwesentlich ist für ihn jede Beteiligung über 10%); MünchKomm/Semler/Perlitt2 § 278, 332 (mit dem Vorbehalt, eine Einzelfallbetrachtung sei angemessen und ausreichend); Schaumburg DStZ 1998, 526, 528; Schütz/Bürgers/Riotte/Bürgers § 5, 452 (Ansicht in der Folgeaufl aufgegeben); ebenso noch 4. Aufl Assmann/Sethe 10 (Ansicht wird aufgegeben). Nach Ihrig/Schlitt S 44 und Schlitt S 168 f sind lediglich „nicht unternehmerische Bagatellbeteiligungen“ ausgenommen. 22 OLG Frankfurt 28.5.2013 – 5 U 126/12, Rdn 33 f (juris); Arnold S 107; Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 266; Fett/Stütz NZG 2017, 1125; Grigoleit/Servatius2 9; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 160 ff; Henssler/Strohn/Arnold4 2; Kersting WuB II B § 287 AktG 1.06; Kessler NZG 2005, 145, 150; MünchKomm/Perlitt5 28, § 278, 321; K Schmidt in: FS Priester, 2007, S 691, 705; Schmidt/Lutter/Schmidt3 9; ebenso noch Spindler/Stilz/Bachmann4 5b (Ansicht wurde inzwischen aufgegeben, su Fn 28). 23 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 452 aE; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 10; von Eiff/Otte GWR 2015, 246, 249; Hüffer/Koch14 4; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 59; Otte S 146 f. 24 Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 174 ff; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 321; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 285, 26; Schnülle NZG 2017, 1057. 25 MünchKomm/Perlitt5 29, § 278, 321. 26 Unentschieden MünchKomm/Perlitt5 110 ff. 27 OLG Frankfurt 28.5.2013 – 5 U 126/12, Rdn 33 f (juris); Schmidt/Lutter/Schmidt3 9; Fett/Stütz NZG 2017, 1121, 1125; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 169 ff, 177; aA etwa Hüffer/Koch14 4; Bachmann AG 2019, 581, 589; Habersack ZIP 2019, 1453, 1461. 28 Hölters/Müller-Michaels3 4; KK/Mertens/Cahn3 10; Wollburg in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 1425 ff; ebenso jetzt Bachmann AG 2019, 581 ff (unter Aufgabe seiner bisherigen Ansicht) und Habersack ZIP 2019, 1453, 1458 ff. Tendenziell auch Reichert ZIP 2014, 1957, 1961.

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Als überzeugend erweist sich die Ansicht, die Absatz 3 auf die Gesellschafter an- 10b wendet, die maßgeblich an der Komplementärgesellschaft beteiligt sind (bzw nach anderer Formulierung diese einzeln oder als Gruppe beherrschen); die Rechtsform spielt dabei keine Rolle (s ausführlich auch § 285 Rdn 26 ff).29 (1) Ausgangspunkt der Überlegungen muss der Zweck der Regelung sein. Der Aufsichtsrat der KGaA nimmt nicht nur Funktionen auf organschaftlicher Ebene (Überwachung der Geschäftsführung und Vertretung der KGaA gegenüber den Komplementären) wahr, sondern kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in den Absätzen 1 und 2 auch Vertretungsaufgaben auf mitgliedschaftlicher Ebene. Dass Organe der Gesellschaft zur Wahrung mitgliedschaftlicher Rechte verpflichtet sein können und sind, ist unstreitig, wie etwa das Beispiel von § 53a zeigt. Wenn der BGH rein formal argumentiert, der Aufsichtsrat sei ein Organ der Gesellschaft und nicht ein solches einer Gesellschaftergruppe und ihm könne daher keine Vertretungsfunktion der Kommanditaktionäre zukommen, übersieht er dies. Der Gesetzgeber hat dem Aufsichtsrat als Organ der KGaA besondere Aufgaben zugewiesen (Absätze 1 und 2), die man bei der Bestimmung des Zwecks von Absatz 3 nicht ignorieren kann. (2) Dies verkennend, vergleicht die Gegenansicht isoliert Absatz 3 mit § 105.30 Weiterhin vernachlässigt sie den Umstand, dass die AG bei der Wahl des Aufsichtsrats gerade keine § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 vergleichbare Bestimmung kennt. Beide Unterschiede zwischen AG und KGaA sprechen gegen eine Gleichstellung der Inhabilitätsvorgaben für den Aufsichtsrat bei AG und KGaA. (3) Zudem folgt die Gegenansicht der nicht überzeugenden Argumentation des BGH, eine Gegnerfreiheit des Aufsichtsrats könne es deshalb nicht geben, weil dieser ja uU mitbestimmt sei und Entsenderechten unterliege. Hier wird Gegnerfreiheit mit Einflussfreiheit verwechselt (s § 285 Rdn 28). (4) Absatz 3 dient auch der Verhinderung von Interessenkonflikten zwischen den Gesellschaftergruppen. Der im Schrifttum vorgenommene Vergleich mit § 105 überzeugt nicht, denn die AG kennt nur eine Gesellschaftergruppe.31 Es geht bei der Interessenkonfliktvermeidungsfunktion in Abs 3 also nicht nur um die organschaftliche Ebene der KGaA (Organisationsgefälle), sondern auch um die mitgliedschaftliche Ebene. Wie erwähnt, kann man diesen Aspekt nicht unter Hinweis darauf, der Aufsichtsrat sei ein Organ der KGaA, überwinden, denn ihm kommen – wie die Absätze 1 und 2 zeigen – besondere Aufgaben auf mitgliedschaftlicher Ebene zu. Eine vergleichbare Interessenlage fehlt bei der AG und folglich fehlen dort auch den Absätzen 1 und 2 vergleichbare Bestimmungen. (5) Bei der AG wird argumentiert, dass derjenige, der die Geschäftsführung beeinflussen könne, im Aufsichtsrat vertreten sein dürfe; die gegenteilige Position widerspreche den Grundvorstellungen des deutschen Aktienrechts, weil sie das Aktieneigentum des kontrollierenden Aktionärs vernachlässige.32 Wie dargelegt (§ 285 Rdn 36), ist die Mehrheitsherrschaft der Kapitalgeber in der Tat eines der tragenden Prinzipien der AG, aber eben nicht der KGaA. Dort ist die Herrschaft der Komplementäre und als Ausgleich für die fehlende Personalkompetenz ein Schutz der kapitalgebenden Kommanditaktionäre über Absatz 3 und § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 vorgesehen. (6) Auch wird eingewandt, eine Ausdehnung von Absatz 3 auf die Gesellschafter der Komplementärgesellschaft vertrage sich nicht mit der konzernrechtlichen Sonderordnung, welche die Einflussnah-

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29 Im Folgenden werden der Übersichtlichkeit des Fußnotenapparats halber die beiden Aufsätze von Bachmann AG 2019, 581 ff und Habersack ZIP 2019, 1453, 1458 ff als Ausgangspunkt genommen, da sie die in der bisherigen Diskussion vertretenen Argumente umfassend aufgearbeitet haben. 30 Bachmann AG 2019, 581, 583, 584, 587; Habersack ZIP 2019, 1453, 1459. 31 Gleiches gilt für den von Bachmann AG 2019, 581, 587 f, angestellten Vergleich zu einer dem DrittelbG unterliegenden GmbH. Auch diese hat eben nur eine Gesellschaftergruppe. 32 Bachmann AG 2019, 581, 587.

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me eines Kontrollaktionärs (in den Grenzen der §§ 311 ff AktG) gerade zulasse.33 Auch dieser Einwand überzeugt nicht, denn das Argument lässt sich ohne Weiteres umdrehen: Das Konzernrecht erfasst unstreitig auch die KGaA, sieht aber gerade keine Ausnahme von Absatz 3 im Falle der Beherrschung vor.34 Zudem greift der von der Gegenansicht als Ausgleich ins Feld geführte konzernrechtliche Schutz gerade in den Fällen nicht, die die Gegensicht als Beispiel nimmt, nämlich wenn die Komplementärgesellschaft sich auf die Leitung der KGaA beschränkt (zu Einzelheiten Vor § 278 Rdn 76 f; § 285 Rdn 30). Wer sowohl die Unternehmensleitung als auch den Aufsichtsrat beherrschen will, muss folglich eine andere Rechtsform wählen. (7) Schließlich wird darauf hingewiesen, dass im Abwicklungsstadium bei AG und KGaA juristische Personen zu Abwicklern bestellt werden dürften (§ 265 Abs 2 Satz 3) und hier die Inkompatibilitätsregel des § 105 nicht gelte.35 Was verschwiegen wird, ist der Umstand, dass die Kommanditaktionäre im Stadium der Abwicklung ihre Interessen dadurch schützen, dass sie eigene Abwickler bestellen dürfen (§ 290 Abs 1). Hier zeigt sich erneut, dass der Gesetzgeber den Schutz der zweiten Gesellschaftergruppe auch im Stadium der Abwicklung ernst nimmt. Die Regelung der Abwicklung spricht also nicht gegen, sondern für die hier vertretene Position. (8) Schließlich wird auf ein methodisches Argument hingewiesen, wonach Inhabilitätsvorschriften eng auszulegen seien.36 Als Begründung wird auf die punktuelle Änderung von § 105 hingewiesen. Aus der bloßen Änderung eines einzigen unklaren Tatbestandsmerkmals lässt sich mE nicht auf einen Auslegungsgrundsatz für alle Inhabilitätsvorschriften schließen. Solche Vorschriften sind weder eng noch weit, sondern ihrem Zweck entsprechend auszulegen.37 Wenn überhaupt, kann als Begründung für eine enge Auslegung nur der Gedanke der Rechtssicherheit angeführt werden. Unsicherheit kann nämlich im Hinblick auf die Frage entstehen, wer im Einzelfall beherrschender Gesellschafter ist. Diese gleiche Unsicherheit hat aber auch die Gegenansicht zu tragen, die den Schutz der beherrschten KGaA über §§ 311 ff gewährleisten will und daher ebenfalls die Beherrschungssituation darlegen muss. Beide Ansichten sind damit gleich „rechtsunsicher“, so dass dieses Argument von keiner Ansicht erfolgreich in Anspruch genommen werden kann. (9) Es wird darauf hingewiesen, dass Absatz 3 zumindest nicht für solche Gesellschafter der Komplementärgesellschaft gelten dürfe, die maßgeblich am Aktienkapital beteiligt seien.38 Eine solche Person dürfe sich wegen § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 zwar nicht an der Wahl beteiligen, wohl aber gewählt werden. Überzeugender ist es, die Beschränkungen des aktiven und des passiven Wahlrechts als Einheit anzusehen, um den Schutz außenstehender Kommanditaktionäre zu erreichen (§ 285 Rdn 36). Wer eine seiner Kapitalbeteiligung entsprechende Einflussnahmemöglichkeit möchte, muss – wie dargelegt – als Rechtsform die AG wählen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Wahl eines Gesellschafters der Komplementärgesellschaft in den Aufsichtsrat der KGaA auch im Interesse der außenstehenden Kommanditaktionäre sein könne, weil sie auf diese Weise eine Person im Aufsichtsrat haben, die – vermittelt über ihren Einfluss in der Komplementärgesellschaft – doch eine Personalkompetenz habe.39 Dies unterstellt

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33 Bachmann AG 2019, 581, 587; Habersack ZIP 2019, 1453, 1460 f; Hüffer/Koch14 4. 34 Zudem hat sich der Gesetzgeber bei der mit dem ARUG II 2019 erfolgten Einführung von § 311 Abs 3 nicht veranlasst gesehen, eine solche Ausnahme bei der KGaA zu schaffen. Im Gegenteil, es wurden die Aufgaben des Aufsichtsrats gestärkt. 35 Bachmann AG 2019, 581, 587. 36 Bachmann AG 2019, 581, 588. 37 Ebenso Fett/Stütz NZG 2017, 1121, 1125. 38 Bachmann AG 2019, 581, 589. 39 Bachmann AG 2019, 581, 586 f.

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aber, dass diese Person auch bei allen übrigen Entscheidungen des Aufsichtsrats der KGaA stets die Interessen der außenstehenden Kommanditaktionäre und nicht diejenigen der Komplementärgesellschaft vertritt, was kaum der Fall sein dürfte. Allein aus einer möglichen Abberufungssituation, die einen seltenen Ausnahmefall darstellt, lässt sich nicht auf einen generellen Interessengleichlauf des Gesellschafters der Komplementärgesellschaft und der außenstehenden Kommanditaktionäre schließen. Sicherlich ist auch diese Person am Wohlergehen der KGaA interessiert, aber in einem Konflikt zwischen den Gesellschaftergruppen nützt dieses generelle Interesse nichts. Hier ist sich dann jede Gesellschaftergruppe selbst am nächsten. Dies hat nicht zuletzt der Konflikt innerhalb der Gesellschaftergruppen der Spaten-Bräu gezeigt, der seinerzeit zu der erwähnten BGH-Entscheidung geführt hat. (10) Im Ergebnis führt die obiter dictum geäußerte Ansicht des BGH zu einer Entrechtung der Kommanditaktionäre und schwächt den Anlegerschutz bei der Kapitalgesellschaft & Co KGaA. (11) Schließlich ist rechtspolitisch zu bedenken, dass die KGaA im deutschen Recht als Mischform ausgestaltet ist und aufgrund ihrer besonderen Konzeption eine Daseinsberechtigung für besondere Interessenlagen (starke Unternehmensleitung kombiniert mit einer Finanzierung durch Anleger) hat (Vor § 278 Rdn 57a). Eine immer stärkere Annäherung an das Recht der AG hätte zur Folge, dass sie über kurz oder lang zum Aussterben verurteilt wäre, wie etwa die Entwicklung in der Schweiz zeigt, wo die Kommanditaktiengesellschaft als Sonderform der AG ausgestaltet ist.40 Eine maßgebliche Beeinflussung ist indes für die Kommanditisten einer Komple- 10c mentär-KG oder Komplementär-GmbH & Co KG auszuschließen, wenn diese weder aufgrund gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen noch faktisch aufgrund ihrer Beteiligung oder auf andere Weise einen Einfluss auf die Geschäftsführung der Komplementärgesellschaft haben.41 Hat die Komplementärgesellschaft ein gemäß Gesellschafts- oder Mitbestimmungsrecht vorgeschriebenes (zB AG, mitbestimmte GmbH oder dualistisch verfassten SE) oder kraft Satzung freiwillig errichtetes Aufsichtsorgan, unterfallen dessen Mitglieder nicht Absatz 3.42 Sie können folglich auch Mitglieder des Aufsichtsrats der KGaA werden, so dass eine (teilweise) Personenidentität bestehen kann (doppelte Aufsichtsräte in der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA).43 Hiervon ausgenommen sind jedoch Mitglieder des Aufsichtsorgans, die vorübergehend Aufgaben der Geschäftsleitung in der Komplementärgesellschaft gemäß § 105 Abs 2 bzw Art 39 Abs 3 Satz 2, § 15 SEAG wahrnehmen (vgl sogleich Rdn 11). Auch eine zeitweilige Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern zu stellvertre- 11 tenden Komplementären in sinngemäßer Anwendung des § 105 Abs 2 scheidet bei der KGaA aus, weil die Komplementäre nicht vom Aufsichtsrat bestellt werden und, weitaus gewichtiger, die Anwendung dieser Vorschrift gegen das Verbot des Abs 3 verstieße. Aus

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40 Sethe in: Honsell (Hrsg), Kurzkommentar Obligationenrecht, 2014, Art 764, 5 ff. Derzeit existieren noch 10 Gesellschaften. 41 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 454 (maßgeblich beteiligte Kommanditisten); enger, da nur geschäftsführungsbefugte Kommanditisten erfassend MünchKomm/Perlitt5 29; Schlitt S 169. Unentschieden Heidel/Wichert5 8. 42 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 10; von Eiff/Otte GWR 2015, 248 f; MünchKomm/Perlitt5 29, 115; Otte Die AG & Co. KGaA, S 148 f mwN; Spindler/Stilz/Bachmann4 5; Wollburg in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 1125, 1431; zweifelnd aber Heidel/Wichert5 8. Zur Nichtanwendbarkeit von Abs 3 auf die Mitglieder des Aufsichtsorgans einer dualistischen SE, Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 180. 43 Sinnvoll kann auch die zeitgleiche Abhaltung der Sitzungen beider Aufsichtsorgane sein; dabei sind allerdings die unterschiedlichen Aufgabenkreise zu beachten, vgl Marsch-Barner in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 777 ff.

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letzterem folgt, dass § 105 Abs 2 selbst dann unanwendbar ist, wenn der Aufsichtsrat nach der Satzung für die Bestellung der Komplementäre zuständig ist.44 12

d) Abberufung. Die Abberufung der gewählten oder entsandten Mitglieder richtet sich nach § 103. Zur Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung bedarf es, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen (§ 103 Abs 1 Sätze 2 und 3). Die Satzung kann die Abberufung eines Aufsichtsrats von weiteren Erfordernissen, etwa dem Vorliegen eines wichtigen Grunds, abhängig machen (§ 103 Abs 1 Satz 3). Ist ein wichtiger Grund gegeben, kann das betreffende Aufsichtsratsmitglied auf Antrag des Aufsichtsrats durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden (§ 103 Abs 3). Sofern der Aufsichtsrat nicht beschlussfähig oder unterbesetzt ist, müssen die Komplementäre die ergänzende Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 beantragen (§§ 283 Nr 4, 104).45 Jeder Wechsel von Aufsichtsratsmitgliedern ist unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen und die Bekanntmachung ist zum Handelsregister einzureichen (§ 106).

2. Beschränkungen der Komplementäre in Bezug auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Um eine Interessenkollision auszuschließen, unterliegen die Komplementäre bei der Wahl des sie überwachenden Organs in dreifacher Hinsicht Beschränkungen: 14 – Bei der von der Hauptversammlung vorzunehmenden Wahl oder Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern gilt für die Komplementäre das sich aus § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ergebende Stimmverbot, dh sie können weder für ihre eigenen noch für fremde Aktien das Stimmrecht ausüben.46 15 – Auch im Übrigen steht den Komplementären bei der Wahl oder Abberufung des Aufsichtsrats keinerlei Mitwirkungsbefugnis zu. Eine solche kann ihnen auch die Satzung nicht einräumen, da es sich bei der Wahl und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern nicht um eine gemeinsame Angelegenheit der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und der Komplementäre iSd §§ 278 Abs 2, 285 Abs 2 Satz 1 handelt. Erwirbt also der Komplementär Aktien, die ein Entsendungsrecht nach § 101 Abs 2 begründen, darf er dieses nicht ausüben oder ausüben lassen.47 Verhindert werden soll zudem eine indirekte Einflussnahme, so dass es auch unzulässig wäre, Aktien mit Entsenderecht auf eine Person zu übertragen, die den Weisungen des Komplementärs untersteht. 16 – Gem Abs 3 können Komplementäre nicht Aufsichtsratsmitglieder sein (s schon oben 10 ff). Die Norm ist zwingend, da insoweit § 278 Abs 3 anzuwenden ist und deshalb § 23 Abs 5 eingreift.48 Das Verbot gilt unabhängig davon, ob der jeweilige Komplementär geschäftsführungsbefugt ist oder nicht.49 Entsprechend seinem Zweck ist 13

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44 Heidel/Wichert5 10; KK/Mertens/Cahn3 12; MünchKomm/Perlitt5 30; Schlitt S 168; Schmidt/Lutter/ Schmidt3 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 45 Teilweise wird davon ausgegangen, dass § 104 von § 283 Nr 4 nicht in Bezug genommen wird. IE wird er dennoch angewendet, so OLG Frankfurt 8.9.2014 – 20 W 148/14, NZG 2015, 1154, 1155; Spindler/Stilz/ Bachmann4 § 283, 2; ders EWiR 2015, 103 f. 46 S § 285 Rdn 24 ff. Zur Geltung der Stimmverbote bei der Einpersonen-KGaA, Einheits-KGaA und einer KGaA, bei der die Komplementäre alle Aktien halten, s § 285 Rdn 32 ff. 47 S § 285 Rdn 38; sa oben Rdn 6 f. 48 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 59; MünchKomm/Perlitt5 27. 49 OLG München 13.8.2003 – 7 U 2927/02, NZG 2004, 521,523; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 449; Hüffer/ Koch14 4; KK/Mertens/Cahn3 10; MünchKomm/Perlitt5 28; Spindler/Stilz/Bachmann4 4; aA Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 165.

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das Verbot auszudehnen auf gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter der Komplementäre bzw der Komplementärgesellschaft sowie für deren beherrschende Gesellschafter (s Rdn 10 ff);50 es kommt nicht auf die formale Stellung, sondern auf die Vermeidung von Interessenkollisionen an.51 Es gilt auch dann, wenn es sich um eine Einpersonen-KGaA handelt, um die Überwachung der Geschäftsführung zu gewährleisten. Denn – anders als das Stimmverbot des § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 (§ 285 Rdn 32) – ist hier eine teleologische Reduktion nicht erforderlich, da Dritte zu Mitgliedern des Aufsichtsrats gewählt werden können.52 Eine Satzungsbestimmung, die gegen Abs 3 verstößt, ist ebenso nichtig, wie eine Wahl, bei der diese Norm nicht beachtet wurde. Ein Teil des Schrifttums leitet dieses Ergebnis aus §§ 278 Abs 3, 283 Nr 13, 241 Nr 3 her53, ein anderer aus §§ 278 Abs 3, 283 Nr 13, 250 Abs 1 analog.54 Diese Einschränkungen der Rechte der Komplementäre lässt ihre Befugnis zur Gel- 17 tendmachung von Beschlussmängeln bei der Aufsichtsratswahl unberührt (s § 283 Nr 13, §§ 241 Nr 3, 243 Abs 1, 245 Nrn 4 und 5, 250 f). Rein schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen den Kommanditaktionären und 18 den Komplementären über die Wahl bestimmter Personen in den Aufsichtsrat sind möglich.55 Ihre Nichteinhaltung vermag die Gültigkeit der gefassten Beschlüsse allerdings nicht zu beeinträchtigen, da die schuldrechtliche von der mitgliedschaftlichen und organschaftlichen Ebene strikt zu trennen ist.56 3. Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Für die Ermittlung der Zahl 19 der Aufsichtsratsmitglieder ist § 95 maßgeblich. Danach besteht der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine bestimmte höhere Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern festsetzen. Die höchst zulässige Zahl der Aufsichtsratsmitglieder bestimmt sich bei der KGaA, wie bei der AG, nach den in § 95 Satz 4 angegebenen, von der Höhe des Grundkapitals abhängigen Grenzen; etwaige Sondereinlagen werden nicht mit einberechnet.57 Hiervon unberührt bleiben abweichende Vorschriften des MitbestG (s § 95 Satz 5). 20 Dieses findet Anwendung, wenn die KGaA mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigt (s Vor § 287 Rdn 2). Die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder richtet sich in diesem Fall nach § 7 MitbestG (iVm §§ 3, 5 MitbestG), die Wahl derselben nach §§ 8 ff MitbestG. Eine KGaA mit weniger als 2000 aber mehr als 500 Arbeitnehmern58 unterliegt der Mitbestimmung nach dem DrittelbG (s Vor § 287 Rdn 20 ff). Die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder bestimmt sich hier nach den Vorschriften des AktG (s Rdn 19), doch muss der Aufsichtsrat nach § 4 Abs 1 DrittelbG zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen, weshalb die

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50 Ausgenommen den herrschenden Gesellschafter in einer Einheits-KGaA, Spindler/Stilz/Bachmann4 5b. 51 MünchKomm/Perlitt5 28. 52 Spindler/Stilz/Bachmann4 5b. 53 MünchKomm/Perlitt5 32. 54 S 4. Aufl K Schmidt § 250, 25; Heidel/Wichert5 7; Hennemann ZHR 182 (2018), 157, 182 f; Hüffer/Koch14 § 250, 11; KK/Kiefner3 § 250, 53; J Schröder Mängel und Heilung der Wählbarkeit bei Aufsichtsrats- und Betriebsratswahlen, 1979, S 36 Fn 85; Wollburg in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S 1125, 1436 ff. 55 RG 11.6.1931 – II 389/29, RGZ 133, 90, 92; Noack Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994, S 278. 56 Vgl im Einzelnen dazu Staudinger/Schwennicke, 2019, § 32 BGB, 105; Hüffer/Koch14 § 133, 26, § 243, 9 f mwN. Auch Hüffer/Koch trennt beide Ebenen, bejaht aber die Anfechtbarkeit der Aufsichtsratswahl nach § 243 Abs 1 für den Fall, dass die Stimmbindungsvereinbarung in der Satzung enthalten war. 57 MünchKomm/Perlitt5 17; KK/Mertens/Cahn3 5 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 58 Zur Regelung bei Altgesellschaften, die vor dem 10.8.1994 eingetragen wurden, so Vor § 287 Rdn 21.

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Zahl der Aufsichtsratssitze durch drei teilbar sein muss (§ 95 Satz 3). Die Wahl der Arbeitnehmervertreter richtet sich nach §§ 5 ff DrittelbG; die Wahl der Vertreter der Kommanditaktionäre erfolgt, soweit keine Entsendungsrechte nach § 101 Abs 2 bestehen (s Rdn 6 ff), durch die Hauptversammlung nach den hierfür geltenden allgemeinen Regeln (s Rdn 3, 4). Für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gilt die Regelung des § 96 Abs 1, die auf die verschiedenen Mitbestimmungsgesetze verweist und mit der Selbstverständlichkeit endet, dass – sofern keine mitbestimmungsrechtliche Regelung eingreift – der Aufsichtsrat nur aus Aktionärsvertretern besteht.59 Die KGaA wird von der 2015 eingeführten Regelung über Geschlechterquoten er20a fasst. Verschiedene Fragenkreise sind zu unterscheiden: (1) Bei einer KGaA, die börsennotiert ist und der (quasi)paritätischen Mitbestimmung unterliegt, muss im Aufsichtsrat eine Geschlechterquote von mindestens 30% eingehalten werden (§§ 278 Abs 3, 96 Abs 2 und 3).60 (2) Ist eine Gesellschaft „lediglich“ börsennotiert oder mitbestimmt (wobei für diese Vorgabe bereits die Drittelmitbestimmung ausreicht61), definiert der Aufsichtsrat eine Zielgröße für den Geschlechteranteil im Aufsichtsrat. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgröße noch unter 30%, darf die Zielgröße den bereits erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig ist eine Frist zur Erreichung der Zielgröße zu bestimmen, die nicht länger als fünf Jahre sein darf (§§ 278 Abs 3, 111 Abs 5).62 (3) Auf die KGaA nicht anwendbar ist dagegen die Verpflichtung, auch eine Zielgröße für den Geschlechteranteil im Vorstand festzulegen, da die KGaA über keinen Vorstand, sondern über geborene geschäftsführungsbefugte Komplementäre verfügt. Mangels Personalkompetenz würde daher eine durch den Aufsichtsrat festzulegende Zielgröße keinen Sinn ergeben.63 Anders ist dies jedoch dann, wenn die KGaA aufgrund von Satzungsregelungen aufsichtsratsdominiert ist und der Aufsichtsrat die Personalkompetenz besitzt (su Rdn 78). Denn in diesem Fall ist die für die KGaA geltende Ausnahme (§ 278 Abs 3: „soweit sich … aus dem Fehlen des Vorstands nicht ein anderes ergibt“) teleologisch zu reduzieren; die Unternehmensführung besteht gerade nicht aus geborenen Organmitgliedern.64 (4) Wiederum anzuwenden dagegen die Regelung des § 76 Abs 4 über Zielgrößen für die beiden obersten Management-Ebenen (vgl § 278 Rdn 138a). (5) Hat die börsennotierte oder mitbestimmte KGaA eine Komplementärgesellschaft, ist für diese eigenständig zu prüfen, unter welche Regelung zur Geschlechterquote sie fällt. Ist diese weder börsennotiert noch mitbestimmt, sind die Regelungen über das Geschlechterverhältnis auf sie nicht anzuwenden.65 Die Gegenansicht66 führt zwar den Sinn und Zweck von § 111 Abs 5 für eine Ausdehnung der Norm ins Feld, zeigt aber selbst so viele rechtspraktische Probleme bei ihrer Anwendung auf die Komplemen-

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59 Dazu im Einzelnen Hopt/Roth § 96, 1 ff. 60 Zu Einzelheiten Hopt/Roth § 96, 83 ff, 129 ff. Die Regelung gilt für Neuwahlen oder Neuentsendungen seit dem 1.1.2016, vgl §§ 26, 25 Abs 2 und 3 EGAktG nF. 61 Hopt/Roth § 111, 773 f. 62 Die erste Festlegung der Zielgröße hatte bis zum 30.9.2015 zu erfolgen; die Frist zu deren Erreichung durfte nicht länger als bis zum 30.6.2017 dauern, vgl §§ 26, 25 Abs 1 EGAktG nF. 63 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 18/4227, S 22; oben Hopt/Roth § 111, 775; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 478a; Fromholzer/Simons AG 2015, 459; Grobe AG 2015, 299; Hüffer/Koch14 § 111, 56; MünchKomm/Habersack5 § 111, 152; Schulz/Ruf BB 2015, 1159 Fn 43; Stüber DStR 2015, 952; Vollertsen 481 f mwN. IE auch Schmidt/Lutter/Drygala3 § 111, 67c (der allerdings anstelle einer teleologischen Reduktion des Tatbestands die für Schuldverhältnisse geltende Unmöglichkeitsregel des § 275 BGB analog heranziehen will). 64 Die Gesetzesmaterialien schweigen zu diesem Fall. 65 Ebenso Fromholzer/Simons AG 2015, 459; Hüffer/Koch14 § 111, 56; Johannsen-Roth/Kießling in: FS Marsch-Barner, 2018, S 279 f; Vollertsen 486 ff. 66 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 40b, 40c; Frodermann/Janott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 189.

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tärgesellschaft auf, dass sich die Problematik nur durch ein gesetzgeberisches Eingreifen lösen lässt. Zudem fehlt es an der für eine Analogie notwendigen planwidrigen Gesetzeslücke, da der Gesetzgeber sich inhaltlich mit der Thematik des Anwendungsbereichs auf die KGaA befasst hat. (6) Die notwendige Transparenz über die Ziele und ihre Erreichung wird über § 289f Abs 3, Abs 2 Nrn 4, 5 HGB erreicht. (7) Für große börsennotierte KGaA gilt zudem die Pflicht zur Erstellung eines Diversitätskonzepts. Es muss aufzeigen, wie die Aspekte Alter, Geschlecht, Bildungs- oder Berufshintergrund etc. bei der die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (nicht aber – aus den genannten Gründen – bei der Zusammensetzung der Geschäftsleitung) berücksichtigt werden. Weiterhin sind die Ziele dieses Diversitätskonzepts, die Art und Weise seiner Umsetzung und die im Geschäftsjahr erreichten Ergebnisse darzustellen. Wird kein Diversitätskonzept verfolgt, ist dies zu erläutern (§ 289f Abs 3, Abs 2 Nr 6, Abs 5 HGB). Ein Teil des Schrifttums will diese Pflicht unter Hinweis auf den effet utile bei der Umsetzung der zugrunde liegenden CSRRichtlinie67 auch auf die Komplementärgesellschaft einer KGaA ausdehnen und auch von dieser ein Diversitätskonzept verlangen.68 Da die CSR-Richtlinie eine Änderungsrichtlinie zur Bilanzrichtlinie69 ist, kommt es auf deren Anwendungsbereich an. Sie erfasst Typenkombinationen jedoch nur in Form einer OHG oder KG mit Komplementären, die ausschließlich juristische Personen sind (Art 1 Abs 1 lit b, Anhang II der Richtlinie). Die GmbH & Co KGaA wird nicht genannt und Deutschland hat von seinem Recht, sie nachzumelden (Art 1 Abs 2 der Richtlinie), nie Gebrauch gemacht. Diese Tatsache kann man nicht mit dem Hinweis auf den effet utile überspielen. 4. Innere Ordnung, Einberufung, Beschlussfassung und Vertretung. Die innere 21 Ordnung70 des Aufsichtsrats, seine Einberufung,71 die Befugnis zur Teilnahme an seinen Sitzungen72 sowie seine Beschlussfassung73 richten sich nach §§ 107 ff. Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung und entsprechende Satzungsermächtigung ist der Aufsichtsrat berechtigt, sich zur Gestaltung seiner inneren Ordnung eine Geschäftsordnung zu geben.74 Er ist darüber hinaus befugt, Ausschüsse zu bilden.75 Gemäß § 112 ist der Aufsichtsrat für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Komplementären zuständig (dazu näher unten Rdn 67 ff). 5. Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern. Auf Verträge der Gesellschaft mit 22 Aufsichtsratsmitgliedern finden die §§ 114 f Anwendung: Da die Gesellschaft bei einem Vertrag mit den Aufsichtsratsmitgliedern durch die geschäftsführungsbefugten Kom-

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67 Richtlinie 2014/95/EU vom 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl EU L 330 vom 15.11.2014, 1 ff. 68 Johannsen-Roth/Kießling in: FS Marsch-Barner, 2018, S 281 f. 69 Richtlinie 2013/34/EU vom 26.6. 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG, ABl EU L 182 vom 29.6.2013, 19 ff. 70 Zur Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters sowie zur Gestaltung ihrer Rechtsstellung finden sich Satzungsvorschläge bei Schlitt S 171 mit Erläuterungen S 171 ff. 71 Satzungsvorschläge hierzu sowie zu Fragen der Tagesordnung und Sitzungsleitung finden sich bei Schlitt S 179 f mit Erläuterungen S 180 ff. 72 Satzungsvorschläge zur Teilnahme anderer Personen neben den Aufsichtsratsmitgliedern bei Schlitt S 180 mit Erläuterungen S 182. 73 Diesbezüglicher Satzungsvorschlag bei Schlitt S 182 f mit Erläuterungen S 183 ff. 74 S Schlitt S 186 mit entsprechendem Satzungsvorschlag ebd. 75 Dazu näher Schlitt S 187 f mit entsprechendem Satzungsvorschlag S 186.

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plementäre vertreten wird, muss deren Einverständnis und gemäß §§ 114 f auch die Zustimmung des Aufsichtsrats vorliegen.76 Der Aufsichtsrat kann seine Kompetenz auf einen Ausschuss übertragen (arg e contr aus § 107 Abs 3 Satz 7). Ohne Zustimmung des Aufsichtsrats ist ein Vertrag schwebend unwirksam. 23

6. Vergütung und Vergütungsbericht. Die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder richtet sich nach § 113. Mit der Vergütung werden die Mitglieder des Aufsichtsrats für sämtliche Aufgaben entlohnt, die sie als Organmitglieder wahrnehmen.77 Nicht als Bestandteil der Vergütung anzusehen sind die Prämien für eine D&O Versicherung (s § 283 Rdn 22).78 Allein die Tatsache, dass der Aufsichtsrat der KGaA Funktionen wahrnimmt, die über die des Aufsichtsrats der AG hinausgehen (s § 287 Abs 1 und 2) und ihm sogar aufgrund der Satzung weitere Funktionen zugewiesen werden können (su Rdn 75 ff), rechtfertigt es nicht, den Verweis auf § 113 nur dahingehend zu verstehen, dass die Vergütung allein für die Überwachung gezahlt wird und Tätigkeiten für die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gesondert abgegolten werden müssten. Ein solches Verständnis widerspräche der Einheitlichkeit des Organs Aufsichtsrat.79 Auch erscheint es nicht überzeugend, allein aus den Unterschieden zwischen den Aufgaben des Aufsichtsrats der AG und denen der KGaA (keine Geltung von § 111 Abs 4 Satz 2 und § 77 Abs 2 Satz 1; keine Mitwirkung an der Feststellung des Jahresabschlusses) abzuleiten, dass die Aufsichtsratsmitglieder der KGaA keinerlei Beratungsfunktion gegenüber den geschäftsführungsbefugten Komplementären hätten, weshalb eine Beratungsleistung nicht unter die Vergütung nach §§ 278 Abs 3, 113 falle und daher – in den Grenzen von § 114 – separat erfolgen dürfe.80 Selbstverständlich kann und muss (vgl unten Rdn 42 f) der Aufsichtsrat auch die Geschäftsleitung der KGaA beraten. Die Vergütung des Aufsichtsrats der börsennotierten KGaA richtet sich nach §§ 278 Abs 3, 113 Abs 3, 87a Abs 1 Satz 2).81 Zudem gilt die Pflicht zur Vorlage eines Vergütungsberichts (§§ 278 Abs 3, 162, 120a Abs 4 und 5). Dieser bezieht sich sowohl auf die Vergütung des Aufsichtsrats als auch auf die den Komplementären für ihre Tätigkeit als Geschäftsführungsorgan gewährte Vergütung.82 Handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft & Co KGaA, ist die Vergütung von deren Organmitgliedern erfasst.83 Wie die Wertung des § 286 Abs 3 und 4 zeigt (s § 286 Rdn 47), sind hingegen Zahlungen auf mitgliedschaftlicher Ebene (ein auf den Kapitalanteil entfallender Gewinn und Verlust oder eine Entschädigung für die Übernahme der persönlichen Haftung) nicht offenzulegen.84 Die Pflicht zur Vorlage des Vergütungsberichts gilt ausnahmslos, weil die in §§ 286 Abs 5 aF, 314 Abs 3 Satz 1 HGB gewährte Möglichkeit eines begrenzten Opting-out durch das ARUG II ersatzlos gestrichen wurde. Nichtbörsennotierte KGaA haben die Möglichkeit, die Pflicht zur Erstellung

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76 MünchKomm/Perlitt5 35; Schlitt S 191. Die Beschlussfassung des Aufsichtsrats muss ausdrücklich erfolgen, Emmerich/Doehner in: FS Georgiades, 2006, S 632, 633; MünchKomm/Habersack5 § 114, 31. Zu Krediten an Komplementäre su Rdn 48. 77 MünchKomm/Perlitt5 34; Schlitt S 189 (bei diesem auch, S 188, ein Satzungsvorschlag zur Vergütungsregelung mit Erläuterungen S 189 ff). 78 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 474 f mwN auch zur aA. 79 S dazu unten Rdn 31; ebenso MünchKomm/Perlitt5 34. 80 So aber Emmerich/Doehner in: FS Georgiades, 2006, S 631. 81 Vgl Backhaus AG 2020, 462, 464. Zu Einzelheiten s die Kommentierung dort. 82 Letzteres ist – soweit ersichtlich – bislang unstr, Backhaus AG 2020, 462, 465; Orth/Oser/Philippsen/Sultana DB 2019, 2814, 2815; Vollertsen S 418 f. 83 Detailliert dazu Backhaus AG 2020, 462, 467; Orth/Oser/Philippsen/Sultana DB 2019, 2814, 2815 f. 84 Backhaus AG 2020, 462, 467.

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eines Vergütungsberichts und Beschlussfassung über diesen kraft Satzungsregelung einzuführen.85 7. Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeit. Im Hinblick auf die Sorgfalts- 24 pflichten und Verantwortlichkeiten der Aufsichtsratsmitglieder finden die §§ 278 Abs 3, 116, 93 bzw § 117 Abs 2 Anwendung.86 III. Funktionen des Aufsichtsrats in der KGaA 1. Überblick. Als Organ der Gesellschaft (s Rdn 31) kommt dem Aufsichtsrat der KGaA eine vierfache Funktion zu: – Er überwacht als notwendiges Organ der Gesellschaft (s Rdn 3) im Unternehmensinteresse87 die Geschäftsführung (Einzelheiten unten Rdn 32 ff). Diese Kontrollkompetenz (synonym: Überwachungskompetenz), die dem Aufsichtsrat nicht entzogen werden kann (s Rdn 44), ergibt sich nicht aus dem Wortlaut von § 287, sondern nur aus dem Verweis in § 278 Abs 3. Für den Aufsichtsrat der KGaA gelten deshalb im Wesentlichen die gleichen Vorschriften wie für den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft (§§ 95 ff; so Rdn 3). – Er führt die Beschlüsse der Gesamtheit der Kommanditaktionäre aus (Abs 1). Diese Ausführungskompetenz betrifft das Innenverhältnis (Einzelheiten unten Rdn 49 ff). – Nach Abs 2 vertritt er die Gesamtheit der Kommanditaktionäre in Rechtsstreitigkeiten mit den Komplementären. Daneben ist er nach § 112 für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Komplementären zuständig. Beide Vertretungskompetenzen betreffen das Außenverhältnis (Einzelheiten unten Rdn 57 ff, 67 ff). – Neben die dem Aufsichtsrat von Gesetzes wegen zugewiesene Kontroll-, Vertretungs- und Ausführungskompetenz kann ein vierter Aufgabenbereich treten, sofern die Satzung dem Aufsichtsrat, abweichend von der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung, weitere Kompetenzen zuweist (Einzelheiten unten Rdn 75 ff). Dies ergibt sich aus § 278 Abs 2, der über den Verweis auf das Personengesellschaftsrecht eine weitgehende Satzungsautonomie in Bezug auf die mitgliedschaftliche und organschaftliche Stellung der Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre eröffnet. Auf mitgliedschaftlicher Ebene kann dem Aufsichtsrat etwa die Entscheidung über die Aufnahme neuer Komplementäre zugewiesen werden, auf organschaftlicher Ebene etwa (Mit-)Entscheidungsrechte in Bezug auf die Geschäftsführung (wie bspw die Kompetenz zur Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen nach § 278 Abs 2 iVm §§ 164 Satz 1 Hs 2, 161 Abs 2, 116 Abs 2 HGB). Auch bei der Wahrnehmung der ihm von der Satzung zugewiesenen Aufgaben unterliegt der Aufsichtsrat der Mitbestimmung, sofern die Gesellschaft aufgrund ihrer Größe unter eine der Mitbestimmungsregelungen fällt. Dies ergibt sich aus der doppelten Rechts-formabhängigkeit der Mitbestimmung.88

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85 Hüffer/Koch14 § 120a, 1. 86 Ebenso etwa Spindler/Stilz/Bachmann4 19. Zu den Einzelheiten s die Kommentierung zu §§ 116, 117 und unten Rdn 53, 66. 87 MünchKomm/Perlitt5 37, 57; Semler Leitung2 Rdn 49. Das heißt vor allem, dass er bei der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgaben nicht nur die Interessen der Kommanditaktionäre zu berücksichtigen hat. 88 S Vor § 287 Rdn 3. Vgl auch MünchKomm/Perlitt5 6.

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Im Gegensatz zum Aufsichtsrat der AG hat derjenige der KGaA keine Personalkompetenz, dh keine Befugnis zur Wahl des Leitungsorgans der Gesellschaft (sa Rdn 38 und Vor § 278 Rdn 67). 31 Alle dem Aufsichtsrat zugewiesenen Funktionen (Kompetenzen) übt dieser als Organ der Gesellschaft aus. Das ältere Schrifttum89 leitete aus dem Wortlaut von Abs 2 ab, der Aufsichtsrat sei auch Organ der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Diese Auffassung kann mit der heute hM90 vor allem deshalb nicht aufrecht erhalten werden, weil die Gesamtheit der Kommanditaktionäre keinen eigenständigen Personenverband darstellt und deshalb als solche nicht parteifähig ist (su Rdn 62).91 Das ist indes spätestens mit der Einordnung der KGaA als juristische Person durch das AktG 1937 sowie aufgrund des Umstands anzunehmen, dass dem deutschen Recht die Parteifähigkeit von Organen einer juristischen Person fremd ist.92 Nicht jede Rechtszuständigkeit mehrerer Personen hat zwingend die Annahme einer parteifähigen Einheit zur Folge. Die Verwendung des Begriffs der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ in §§ 278, 287 dient dazu, der Hauptversammlung die Rechte eines Kommanditisten der KG (s § 285 Abs 2 Satz 1) zuzuweisen, nicht aber, dieser Gesamtheit auch die Eigenschaft eines parteifähigen Verbandes innerhalb der KGaA zuzuordnen. Abs 2 ist daher eine reine Kompetenzzuweisung. Der Aufsichtsrat vertritt die Gesellschaft in Angelegenheiten der Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegen die Komplementäre. 2. Der Aufsichtsrat als Kontrollorgan (Kontrollkompetenz)

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a) Anwendbares Recht. Die zwingende (su 44) Kompetenz des Aufsichtsrats der KGaA zur Überwachung der Geschäftsführung entspricht im Wesentlichen der des Aufsichtsrats einer AG.93 Zwar nennt § 287 die Kontrollkompetenz nicht ausdrücklich, doch finden die §§ 95 ff über § 278 Abs 3 Anwendung,94 soweit sich nicht aus dem Fehlen des Vorstands etwas anderes ergibt. Dass der Aufsichtsrat auch bei der KGaA eine Kontrollkompetenz innehat, ergibt sich im Übrigen auch aus § 283 Nr 4. Nach dieser Norm

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89 Etwa 3. Aufl Barz 4 und 5; Baumbach/Hueck13 2; Elschenbroich S 131 f; Godin/Wilhelmi4 1; Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 127, 133. Ausführlich zur Geschichte der Ansicht, der Aufsichtsrat der KGaA sei ein Doppelorgan, Zacharopoulou S 99 ff mwN auch zur heutigen gegenteiligen hM. 90 Zu Recht gegen die Doppeltheorie etwa BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 13; L Fischer S 59 ff; Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 2; Mertens in: FS Barz, 1974, S 253, 255 ff; MünchKomm/Perlitt5 6; Sethe AG 1996, 289, 300; Spindler/Stilz/Bachmann4 1; Zacharopoulou S 102 ff. 91 Ammenwerth S 22 Fn 69; Hüffer/Koch14 2; KK/Mertens/Cahn3 2, § 278, 37; Mertens in: FS Barz, 1974, S 253, 255 f; Sethe S 56 mit Fn 97, S 114 mit Fn 23; ders AG 1996, 289, 299 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 1, 24; Würdinger ZAkDR 1940, 314, 315; v Godin DR 1940, Ausgabe A, 1444, 1445 f. AA noch 3. Aufl Barz 8; Baumbach/Hueck13 3; Godin/Wilhelmi4 4; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 59; MünchKomm/Semler/Perlitt2 74; Schlegelberger/Quassowski3 § 229, 4. 92 BGH 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 344 f; OLG Hamburg 6.3.1992 – 11 U 134/91, AG 1992, 197. Aus dem Schrifttum, jeweils mwN, Flume Die juristische Person, 1983, § 11 V (S 405 ff); Hüffer/Koch14 § 90, 17 ff mwN; K Schmidt GesR4, S 421 ff; Zöllner ZGR 1988, 392, 423. AA Bork ZGR 1989, 1 ff; Hommelhoff ZHR 143 (1979) 288 ff; Th Raiser ZGR 1989, 44 ff; Spindler/Stilz/Fleischer4 § 90, 69 ff mwN. Die von 3. Aufl Barz 8, zitierte Entscheidung RG 24.10.1910 – I 80/10, RGZ 74, 301, 303, bezieht diesen Gedanken schon ein und beschränkt deshalb den Wortlaut der Norm auf die actio pro socio des gemeinen Rechts. 93 Deshalb kann auf die Erläuterungen zu § 111 verwiesen werden. An dieser Stelle werden daher nur die Grundzüge der Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats der KGaA und Abweichungen zum Recht der AG behandelt. 94 Die historische Auslegung bestätigt dies. Nach Art 193 ADHGB diente der Aufsichtsrat der Überwachung der Geschäftsführung. Die Reform von 1897 wollte hieran nichts ändern, sondern nur eine Entschlackung der Vorschriften erreichen, vgl Denkschrift I, S 173; Denkschrift II, in Hahn/Mugdan, S 336.

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unterliegen die Komplementäre denselben Pflichten, die für den Vorstand der AG gegenüber dem Aufsichtsrat gelten. Die Komplementäre sind daher gegenüber dem Aufsichtsrat zur Berichterstattung (§ 90; näher unten Rdn 33), zur Vorlage des Jahresabschlusses und des für mittlere und große Gesellschaften zu erstellenden Lageberichts (§§ 283 Nr 9, 170) sowie ggf zur Vorlage des Konzernabschlusses und -lageberichtes (§§ 283 Nr 11 iVm §§ 290 ff HGB) und des Abhängigkeitsberichts (§§ 312, 314) verpflichtet.95 Aus der Anwendung von § 90 kann darüber hinaus abgeleitet werden, dass dem Aufsichtsrat insgesamt und seinen einzelnen Mitgliedern die dort genannten Kompetenzen (Berichtspflicht der Komplementäre auf Verlangen des Aufsichtsrats sowie Informationsrechte innerhalb des Aufsichtsrats) zustehen. Die Berichtspflicht der Komplementäre gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 90) ent- 33 spricht der des Vorstands der AG, da der Aufsichtsrat seiner Aufgabe nur bei umfassender Information nachkommen kann. Die besondere Struktur der KGaA und die im Vergleich zur AG geringeren Kompetenzen ihres Aufsichtsrats rechtfertigen keine Abweichungen vom Recht der AG,96 da die reine Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats von diesen Abweichungen nicht unmittelbar berührt wird. Der Aufsichtsrat ist zur Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts be- 34 rechtigt und hat der Hauptversammlung schriftlich zu berichten (§§ 278 Abs 3, 171 Abs 1 und 2).97 Diese Kompetenz steht dem Aufsichtsrat trotz der Tatsache zu, dass er nicht an der Feststellung des Jahresabschlusses mitwirkt: § 286 Abs 1 schließt den Aufsichtsrat nur von der Billigung des Jahresabschlusses (§ 172), nicht aber auch von dessen Prüfung (§ 171) aus.98 b) Überwachung der Geschäftsführung. Um seiner Überwachungsaufgabe zu 35 genügen, muss sich der Aufsichtsrat ein Bild von den tatsächlichen Vorgängen innerhalb der Geschäftsführung machen.99 Die Überwachungsaufgabe ist allerdings auf die Geschäftsführung durch das Leitungsorgan der KGaA, dh die geschäftsführungsbefugten Komplementäre, beschränkt und erstreckt sich nicht auf zulässigerweise oder unzulässigerweise100 anderen Personen überlassene oder auf andere Organe (wie etwa die Hauptversammlung oder einen Beirat) übertragene Geschäftsführungsmaßnahmen.101 Was hierdurch oder im Übrigen durch die Satzung der Geschäftsführung entzogen ist, unterliegt nicht der Überwachung durch den Aufsichtsrat. Hierin ist keine Umgehung der Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats zu sehen.102 Es bestehen indes keine Bedenken, dass die Satzung die Überwachungsaufgabe auf die einem Beirat zugewiesenen Geschäftsführungsmaßnahmen erweitert (su Rdn 45). Der Aufsichtsrat hat sich davon zu überzeugen, dass die Geschäftsführung mit der 36 gebotenen Sorgfalt wahrgenommen wird. Aufgabe des Aufsichtsrats ist es zu kontrollie-

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95 Vgl § 283 Rdn 31 ff mwN. 96 Ganz hM. S etwa Kallmeyer ZGR 1983, 57, 72 f; MünchKomm/Perlitt5 40. AA Elschenbroich S 152, der die Berichtspflichten einschränken will. 97 Hierzu ausführlich Strieder AG 2006, 363 ff. 98 Kallmeyer ZGR 1983, 57, 68; Sethe DB 1998, 1044, 1045. 99 Hierzu und zum folgenden etwa MünchKomm/Perlitt5 37 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 7 f; Semler Leitung2 Rdn 85 ff, 141 ff, 235 ff (letztere zur AG). 100 In diesem Falle ist allerdings auf die Komplementäre im Rahmen des Möglichen (su Rdn 43) einzuwirken, diesen Zustand zu beseitigen; MünchKomm/Perlitt5 47 mwN. 101 Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 267; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 489; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 64; Kallmeyer ZGR 1983, 57, 70 mit Fn 55; Martens AG 1982, 113, 117 f; MünchKomm/Perlitt5 47 f, 51; Schlitt S 175 f; Semler Leitung2 Rdn 115 ff, 122 ff, 128 ff; Zacharopoulou S 135. AA L Fischer S 111 ff; Theisen DBW 1989, 137, 145. 102 Ausführlich Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 490.

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ren, ob die Geschäfte nach Gesetz und Satzung rechtmäßig sind und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen. Er bedient sich dazu der Berichte der geschäftsführungsbefugten Komplementäre und kann sich zusätzliche Informationen durch Fragen an die Geschäftsführung oder durch das Verlangen eines weiteren Berichts nach Maßgabe von § 90 Abs 3 verschaffen. Zudem ist er befugt, ggf mit Hilfe von Sachverständigen, die Bücher und Kassen der Gesellschaft zu prüfen. Die Überwachung einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen gehört nur ausnahmsweise zu seinen Aufgaben.103 Die Stellung der geschäftsführungsbefugten Komplementäre wird maßgeblich vom 37 Personengesellschaftsrecht geprägt. Sie leiten das Unternehmen aufgrund ihrer auf der Satzung gegründeten Stellung als „geborene“ Geschäftsführer, bestimmen also die Geschäftspolitik und beschließen über die laufende Geschäftsführung allein. Wichtige Entscheidungen treffen sie gemeinsam mit den nicht geschäftsführungsbefugten Komplementären und den Kommanditaktionären (s § 278 Abs 2 iVm §§ 164 Satz 1 Hs 2, 161 Abs 2, 116 Abs 2 HGB; §§ 285 Abs 2 Satz 1, 286). Dieser personengesellschaftsrechtlichen Prägung der Rechtsform trägt das Gesetz Rechnung, indem es die Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats der KGaA auf die Geschäftsführung im Vergleich zu denjenigen des Aufsichtsrats der AG deutlich reduziert: 38 – Anders als der Aufsichtsrat der AG hat derjenige der KGaA keine Personalkompetenz, da die Geschäftsführung aus dem Kreis der Komplementäre bestellt wird (s schon oben Rdn 30). Dies gilt auch für Gesellschaften, die der Mitbestimmung unterliegen oder die einen Komplementär als sog Gesellschafter-Geschäftsführer beschäftigen.104 Damit zusammenhängend fehlt dem Aufsichtsrat auch die Befugnis, (entsprechend dem für den Aufsichtsrat der AG geltenden § 84 Abs 3) einen Komplementär abzuberufen oder ihm die Geschäftsführungsbefugnis zu entziehen; dies ist vielmehr nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung nach § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 117, 127 HGB möglich. 39 – Des Weiteren ist es dem Aufsichtsrat aus eigener Kompetenz nicht möglich, bestimmte Geschäfte von seiner Zustimmung105 abhängig zu machen (§ 111 Abs 4 Satz 2).106 Der Verweis in § 278 Abs 3 reicht nur soweit, als dies mit den Vorschriften der KGaA im Übrigen vereinbar ist. Da auf die KGaA die §§ 164 Satz 1 Hs 2, 161 Abs 2, 116 Abs 2, 109 Hs 1 HGB Anwendung finden, entscheidet die Hauptversammlung der KGaA über außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen und Grundlagengeschäfte. Diese ist also im Gegensatz zur Hauptversammlung der AG im Bereich der Geschäftsführung nicht weitgehend rechtlos. Die Kompetenz aus § 111 Abs 4 Satz 2

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103 MünchKomm/Perlitt5 38; Semler Leitung2 Rdn 86. 104 So Vor § 287 Rdn 16 ff. Auch MünchKomm/Perlitt5 4 mwN. 105 Die Kompetenz aus § 111 Abs 4 Satz 1 ist sowohl Überwachungsaufgabe als auch Teilhabe an der Unternehmensleitung. Vgl Sethe S 149; KK/Mertens/Cahn3 17. AA Mutter Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S 55 ff, 150 ff. 106 RegE ARUG II, BT-Drucks 19/9739, S 79; Baumann ZHR 142 (1978) 567 f; Binz/Sorg DB 1997, 313, 315; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 479; Durchlaub BB 1977, 1581 f; Emmerich/Doehner in: FS Georgiades, 2006, S 629; L Fischer S 69 f; Grafmüller S 125; Hoffmann/Lehmann/Weimann MitbestG § 30, 24; Hölters BB 1975, 800; Hüffer/Koch14 § 278, 15; Kallmeyer ZGR 1983, 57, 68 f; KK/Mertens/Cahn3 14, 17, § 278, 72; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 188; ders DNotZ 1953, 6, 15 ff; Kübler/Assmann Gesellschaftsrecht6 S 258; Martens AG 1982, 113, 116; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 61; MünchKomm/Perlitt5 43, 46, Vor § 278, 58, § 278, 211; Raiser/Veil/Jacobs/Raiser6 § 25, 88; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 10; Sethe S 149; ders AG 1996, 289, 297 f; Habersack/Henssler/Habersack MitbestR4 § 25 MitbestG, 68, § 30 MitbestG, 16; Würdinger AktR4 S 260. AA Baumbach/Hueck13 2; Benze ua MitbestG § 30, 53; Godin/Wilhelmi4 2; Joens S 69 (zu § 95 Abs 5 Satz 2 AktG 1937); Theisen DBW 1989, 137, 144. Flämig in: FS Peltzer, 2001, S 103 f, geht ohne Begründung davon aus, dass § 111 Abs 4 auf die KGaA anzuwenden, aber satzungsdispositiv sei.

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lebt dann nicht automatisch wieder auf, wenn das Zustimmungsrecht der Hauptversammlung zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen kraft Satzungsbestimmung abbedungen wird.107 Dies bedarf vielmehr einer entsprechenden Satzungsregelung (s Rdn 44). Je nach Interessenlage kann jedoch auch das Zustimmungsrecht der Hauptversammlung in Bezug auf außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen durch entsprechende Satzungsregelung auf den Aufsichtsrat übertragen oder abbedungen werden (s § 278 Rdn 113, 150). Dem Aufsichtsrat fehlt darüber hinaus die Kompetenz zum Erlass einer Geschäfts- 40 ordnung für den Vorstand,108 da § 283 nicht auf § 77 Abs 2 Satz 1 verweist und ein solches Recht einen Eingriff in die Leitungsmacht der Komplementäre darstellen würde. Der Aufsichtsrat kann also nicht auf das Zusammenwirken der Komplementäre in der Geschäftsführung Einfluss nehmen. Nur wenn ihm die Satzung ein solches Recht einräumt, kann der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung erlassen.109 Schließlich ist der Aufsichtsrat nicht an der Feststellung des Jahresabschlusses 41 beteiligt (§ 286 Abs 1), so dass er von der Planung der langfristigen Finanzpolitik des Unternehmens ausgeschlossen ist.

Die geringeren Kompetenzen des Aufsichtsrats der KGaA führen im Ergebnis dazu, 42 dass die Komplementäre die langfristige Unternehmensentwicklung allein bestimmen, während diese bei der AG regelmäßig im Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat festgelegt wird.110 Hält der Aufsichtsrat die Politik der Komplementäre aufgrund sachlich nachvollziehbarer Erwägungen für falsch, kann er sie aufgrund der Beschränkung seiner Aufgaben auf eine reine Überwachungstätigkeit trotzdem nicht blockieren. Ist der Aufsichtsrat der Ansicht, dass die Komplementäre die Geschäfte nicht ordnungsgemäß führen, kann und muss (s § 116) er versuchen, entsprechende Verbesserungen durch ein Gespräch mit der Geschäftsführung zu erreichen.111 Dabei stehen ihm keine unmittelbaren Befugnisse oder gar Druckmittel gegenüber den Komplementären zur Verfügung. Erweist sich das Gespräch als fruchtlos, muss der Aufsichtsrat die Hauptversammlung einberufen, um ihr Bericht zu erstatten (s Rdn 43). Diese hat die Möglichkeit zum Entzug der Geschäftsführungsbefugnis, wenn die Voraussetzungen des § 117 HGB vorliegen. Die Einberufungs- und Berichtsbefugnis nach § 111 Abs 3 ist demnach bei der KGaA für das Kräftegleichgewicht zwischen Geschäftsführung, Hauptversammlung und Aufsichtsrat ungleich wichtiger als bei der AG. Umstritten ist, ob dem Aufsichtsrat neben dem Versuch, die Geschäftsführung von 43 seiner Ansicht zu überzeugen (su Rdn 42), auch die Möglichkeit eröffnet ist, die Hauptversammlung einzuberufen, um dieser über seine abweichenden Vorstellungen einen Bericht zu erstatten (§§ 278 Abs 3, 111 Abs 3).112 Gegen die Einberufungsmöglichkeit spricht zwar, dass die Unternehmenspolitik in der alleinigen Verantwortung der Komplementäre

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107 Kübler/Assmann Gesellschaftsrecht6 S 258; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 61. 108 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 480; Emmerich/Doehner in: FS Georgiades, 2006, S 629; MünchHdBAG/ Herfs4 § 79, 62; Hüffer/Koch14 § 278, 12, 15; Kallmeyer ZGR 1983, 57, 67; KK/Mertens/Cahn3 14; MünchKomm/ Perlitt5 43, § 278, 78, 213; Schlitt S 175; Sethe S 153. 109 KK/Mertens/Cahn3 14; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 78, 213; Sethe S 153. 110 MünchKomm/Perlitt5 45 f. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Aufsichtsrat der AG nicht die Oberleitung der Gesellschaft innehat, vgl KK/Mertens/Cahn3 § 111, 38; Kallmeyer ZGR 1983, 57, 70 Fn 58 mwN. 111 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 486; KK/Mertens/Cahn3 15; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 63; MünchKomm/ Perlitt5 42; Schlitt S 175; Semler Leitung2 Rdn 217 ff. 112 So Lutter Information3, S 285; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 63; MünchKomm/Perlitt5 46; Spindler/Stilz/ Bachmann4 7. AA Kallmeyer ZGR 1983, 57, 71 f.

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liegt, für eine solche Lösung spricht jedoch die Kompetenzordnung der KGaA. Der Hauptversammlung steht über § 278 Abs 2 iVm § 164 Satz 1 Hs 2 HGB das Recht zu, außergewöhnlichen Geschäften die Zustimmung zu versagen. Eine sinnvolle Beschlussfassung setzt die Information der Kommanditaktionäre voraus. Diese wiederum ist nur gewährleistet, wenn die Hauptversammlung nicht nur einseitig von den Komplementären informiert wird. Dem Aufsichtsrat kommt die Funktion eines Gegengewichts zu, der deshalb auch Einwände gegen den Standpunkt der Komplementäre formulieren darf, um die Entscheidung der Hauptversammlung vorzubereiten. Der Bericht des Aufsichtsrats bedeutet im Übrigen auch keinen Eingriff in das Recht der Komplementäre, die Unternehmenspolitik zu bestimmen, da dem Aufsichtsrat die Mittel fehlen, seine Ansicht durchzusetzen. Der Aufsichtsrat ist daher zur Einberufung und Unterrichtung der Hauptversammlung in diesen Fällen befugt und im Rahmen seines pflichtgemäß ausgeübten Ermessens auch verpflichtet. Dies gilt selbst dann, wenn die Satzung den Komplementären das Recht zugesteht, auch über außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen zu entscheiden. Für die Kommanditaktionäre ist auch in diesem Fall die Information wichtig und sei es nur, um die Frage zu entscheiden, ob sie weiterhin Aktionäre dieses Unternehmens bleiben. Über die Unterrichtung der Hauptversammlung steht dem Aufsichtsrat also ein mittelbarer Einfluss auf die Geschäftsführung zu.113 Keinesfalls darf er seine im Vergleich zur AG eingeschränkten Befugnisse nutzen, um sich aus der Verantwortung zu stehlen und untätig zu bleiben.114 44

c) Möglichkeiten und Grenzen abweichender Satzungsgestaltung. Da die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats zu den von § 278 Abs 3 erfassten Bereichen zählt, findet § 23 Abs 5 AktG Anwendung, so dass die Überwachungsaufgabe als solche nicht der Satzungsautonomie unterliegt (su Rdn 75).115 Dagegen ist es zulässig, dem Aufsichtsrat über seine Überwachungsaufgabe hinausgehende Kompetenzen (etwa in Gestalt von Mitwirkungsbefugnissen bei der Geschäftsführung) zuzuweisen116 oder seine Überwachungskompetenzen zu erweitern.117 Dies darf allerdings nur in einem Umfang geschehen, der dem Aufsichtsrat weiterhin die Überwachung der Geschäftsführung erlaubt und ihn nicht selbst zu einem Organ der Geschäftsführung macht.118 Unbedenklich ist es etwa, dem Aufsichtsrat in der Satzung das Recht aus § 111 Abs 4 Satz 2 zuzugestehen, bestimmte Arten von Geschäften zustimmungspflichtig zu machen, oder selbst einen Katalog derartiger Geschäfte aufzustellen.119 Denkbar sind auch mittelbare Veränderungen des Umfangs der Überwachungs45 aufgabe des Aufsichtsrats. So kann seine Überwachungstätigkeit dadurch beschränkt werden, dass die Satzung bestimmte Geschäftsführungsbefugnisse auch auf die Hauptversammlung oder einen Beirat delegiert,120 denn die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats erstreckt sich nach dem Gesetz nur auf die zur Geschäftsführung berufenen Komplementäre und damit nicht unmittelbar auf die Hauptversammlung oder den Bei-

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113 Dies übersehen Binz/Sorg DB 1997, 313, 315 f, die den Aufsichtsrat als „kastriert“ bezeichnen. Auch Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 486 aE misst der Unterrichtung der Hauptversammlung faktisch keine Bedeutung zu. 114 MünchKomm/Perlitt5 45 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 19. 115 MünchKomm/Perlitt5 7; Schlitt S 176; Schmidt/Lutter/Schmidt3 13; Spindler/Stilz/Bachmann4 16. 116 Dazu näher unten 75 ff. 117 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 53, 57; Schlitt S 176. 118 Vgl KK/Mertens/Cahn3 § 278, 92; MünchKomm/Perlitt5 56. 119 KK/Mertens/Cahn3 25, § 278, 92; MünchKomm/Perlitt5 54; Schlitt S 176; Sethe S 149 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 16. 120 S unten Rdn 89 ff und § 278 Rdn 148 ff.

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rat, soweit diese aufgrund des Gesetzes bzw der Satzung Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen (s Rdn 35). Möglich ist allerdings eine Satzungsbestimmung, die die Überwachung durch den Aufsichtsrat auf die, an einen Beirat verlagerten Geschäftsführungsmaßnahmen ausdehnt (sa Rdn 35).121 Fehlt eine solche Regelung, sind allein die Komplementäre berichtspflichtig; handeln sie auf Weisung der Hauptversammlung oder des Beirats, müssen sie über diese Weisungen berichten. Dem Aufsichtsrat steht daher zumindest eine mittelbare Kontrolle zu. Die soeben dargestellte Abhängigkeit der Überwachungsaufgabe des Aufsichts- 46 rats von der Ausgestaltung der Stellung der Komplementäre gilt auch umgekehrt. Wird die Geschäftsführungsbefugnis der Komplementäre erweitert, bedeutet dies zugleich eine Ausdehnung des Überwachungsauftrags des Aufsichtsrats.122 d) Related Party Transactions und Kreditgewährung an die Komplementäre. 47 Bei den in § 111a umschriebenen Geschäften oder Maßnahmen besteht die Gefahr von unausgewogenen oder für die Gesellschaft bzw deren Minderheitsaktionäre nachteiligen Vermögensverlagerungen auf nahestehende Personen (insbesondere auf Mitglieder der Unternehmensleitung oder kontrollierende Aktionäre). Um sie zu verhindern, ist bei einer börsennotierten AG ab einer bestimmten Relevanzschwelle die Zustimmung des Aufsichtsrats oder eines Aufsichtsratsausschusses (vgl § 107 Abs 3 Sätze 4 bis 6) zu den Geschäften oder Maßnahmen erforderlich; vorgeschrieben ist zudem die anschließende Veröffentlichung der Angaben zu diesen Geschäften (vgl im Einzelnen §§ 111b, 111c).123 Diese, durch das ARUG II (Vor § 278 Rdn 41a) eingeführte, Regelung ist auch auf börsennotierte KGaA anwendbar. Der Regierungsentwurf124 ging davon aus, dass sich dies aus § 278 Abs 3 ergebe. Im Schrifttum wurde die Ansicht geäußert, es handele sich bei Related Party Transactions um außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen iSv § 164 Satz 1 Hs 2 HGB, so dass § 278 Abs 2 einschlägig sei und die Geschäfte der Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, also der Hauptversammlung, bedürften.125 Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ließ in Kenntnis dieser Kontroverse offen, ob § 278 Abs 2 oder Abs 3 anzuwenden sei. In beiden Varianten werde die Richtlinie korrekt umgesetzt, die entweder eine Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung verlange.126 Sollte der Hauptversammlung die Zuständigkeit kraft Satzung entzogen werden, führe dies zu keiner Lücke, denn die Zuständigkeit gehe dann auf den Aufsichtsrat über. Würde das Zustimmungserfordernis ausgeschlossen (dies ist zulässig, s § 278 Rdn 113 ff), müsste nach Ansicht des Rechtsausschusses bei Related Party Transactions die Regelung des § 111b subsidiär eingreifen. Dogmatisch überzeugend ist diese „Auffangzuständigkeit“ nicht, denn der Gesetzgeber wollte keineswegs in die Vertragsfreiheit des HGB eingreifen. Zudem sieht § 278 vor, dass entweder Absatz 2 oder Absatz 3 anzuwenden ist. Auch leitet der Rechtsausschuss die Anwendung der übrigen Regeln der Reform, also die §§ 107 Absatz 3, 111a, 111c aus § 278 Abs 3 ab. Viel entscheidender ist freilich die teleologische Auslegung. Das neu eingeführte Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats zu Related Party Transactions ist keineswegs Teil der Geschäftsführung, sondern dient der – aktienrechtlich zwingend dem Aufsichtsrat zugewiesenen

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121 Heidel/Wichert5 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 122 MünchKomm/Perlitt5 49, 53. 123 Zum umfangreichen Schrifttum zu diesem Thema vgl die Angaben Vor § 278 Rdn 41a. 124 RegE ARUG II, BT-Drucks 19/9739, S 79. 125 Backhaus/Brouwer AG 2019, 287, 289 ff; Fiebelkorn ZIP 2020, 953, 955 ff; offen gelassen Hüffer/Koch14 § 111a, 1. 126 BT-Drucks. 19/15153, S 53 f.

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– Kontrolle der Geschäftsführung.127 Im Schrifttum wird weiterhin darauf hingewiesen, dass es bei der Zuständigkeit des Aufsichtsrats, vergleichbar der Regelung in §§ 112, 284, 89 Abs 3, um die Unabhängigkeit der Vertretung der KGaA geht und nicht primär um die Ausprägung eines – § 111 Abs 4 Satz 2 nachempfundenen – Zustimmungsvorbehalts zur Geschäftsführung.128 Hieran bestehen allerdings Zweifel. Die Regelung zu Related Party Transactions erfolgte systematisch im Zusammenhang zu § 111; zudem geht es – wie bei § 111 Abs 4 Satz 2 – um eine Zustimmung des Aufsichtsrats und die §§ 111a ff lassen § 112 gerade unberührt. Gemäß §§ 283 Nr 5, 89 setzt die Kreditgewährung an die Komplementäre die Zu48 stimmung des Aufsichtsrats voraus. Da die Kreditgewährung ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft und den Komplementären darstellt, wird die Gesellschaft ohnehin nach § 112 vom Aufsichtsrat vertreten. Die eigentliche Bedeutung des Verweises auf § 89 liegt denn auch in den detaillierten Voraussetzungen der Kreditgewährung und in der Einbeziehung von Krediten an Familienmitglieder der Komplementäre, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte.129 Das Gesetz bezweckt insoweit eine Missbrauchskontrolle und ordnet die Befugnis damit als Teil der Überwachungsaufgabe ein.130 Entgegen dem Wortlaut von § 89 soll nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht131 über die Kreditgewährung nicht der Aufsichtsrat, sondern die Hauptversammlung oder ein nach der Satzung bestimmtes Organ entscheiden. Diese Auffassung beruht auf der Prämisse, dass die Normen des Ersten Buchs nur sinngemäß gelten können. Da bei der KGaA zwischen Gesellschaft und Geschäftsführung kein Anstellungsvertrag geschlossen werde und die Tätigkeitsvergütung der Komplementäre daher entweder von der Hauptversammlung oder einem in der Satzung bestimmten Organ festgesetzt werde, müssten diese auch kraft Sachzusammenhangs über die Kreditgewährung beschließen. Gegen diese Ansicht spricht zunächst, dass nach dem Gesetz eine Tätigkeitsvergütung gezahlt werden kann, nicht aber muss (§ 281 Rdn 34f). Begnügen sich die Komplementäre mit den ihnen zustehenden Anteilen am Gewinn, wird die Vergütungsfrage von keinem Organ beschlossen. Die fragliche Ansicht erfasst diesen Fall nicht, womit die Zuständigkeit für die Kreditgewährung offenbliebe. Zudem fehlt in § 288 Abs 3 Satz 1 eine Aussage darüber, wer die Tätigkeitsvergütung der Komplementäre festlegt. Dies bleibt der Satzung überlassen. Die Annahme der Zuständigkeit der Hauptversammlung entbehrt damit jeder Grundlage. Selbst wenn man unterstellt, dass die Satzung die Frage der Tätigkeitsvergütung regelt und insoweit die Hauptversammlung für zuständig erklärt, sprechen weitere schwerwiegende Gründe gegen die vorstehend geschilderte Ansicht. Die in § 89 angeordnete Kompetenz ist gerade nicht eine solche kraft Sachzusammenhangs mit der Vergütung. Vielmehr dient die Norm der Missbrauchskontrolle, so dass die Überwachungs- und Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats im Vordergrund steht. Der Aufsichtsrat hat nicht nur Missbräuche zu verhindern, sondern muss auch die Einhaltung der Grenze des § 288 Abs 2 überwachen. Insoweit haftet der Aufsichtsrat für sorgfältiges Verhalten, während die Hauptversammlung weder der Haftung noch der Aufsicht durch den Aufsichtsrat unterläge. Aus diesen Gründen vermag die Annahme einer Kompetenz der Hauptversammlung kraft Sachzusammenhangs nicht zu überzeugen. § 89 ist deshalb auf

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127 MünchKomm/Perlitt5 129; Spindler/Seidel AG 2017, 169, 171; Vetter ZHR 179 (2015), 273, 308. 128 Vollertsen S 476, 595; ihm folgend MünchKomm/Perlitt5 129. 129 Diesbezüglich ist auf die Erläuterungen zu § 89 zu verweisen. 130 Hüffer/Koch14 § 89, 1 mwN zu den Materialien und zur Rspr. So auch die systematische Einordnung bei MünchKomm/Perlitt5 § 283, 24. 131 Kallmeyer ZGR 1983, 57, 74 f.

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die KGaA ohne weitere Modifikationen anzuwenden.132 Eine vergleichbare gesetzliche Vorsorge ist für eine Kreditgewährung an Mitglieder des Aufsichtsrats in § 115 getroffen worden.133 3. Der Aufsichtsrat als Ausführungsorgan a) Die einzelnen Beschlussarten. Beschlüsse der Hauptversammlung führen die 49 geschäftsführungsbefugten Komplementäre aus. Abweichend von diesem Grundsatz bestimmt Absatz 1, dass der Aufsichtsrat solche Beschlüsse der Hauptversammlung (soweit diese ausführungsbedürftig sind) ausführt, die diese in ihrer Eigenschaft als Gesamtheit der Kommanditaktionäre fasst. Dies sind Beschlüsse über solche Rechte, die bei der KG den Kommanditisten gegenüber den Komplementären oder der Gesellschaft zustehen.134 Gemeint sind damit (1) diejenigen Beschlüsse, die nach Personengesellschaftsrecht135 des Zusammenwirkens der Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre bedürfen,136 und (2) Beschlüsse, die die Gesamtheit der Kommanditaktionäre in eigenen Angelegenheiten trifft (zB im Hinblick auf Prozesse gegen die Komplementäre oder in Bezug auf die kraft Satzung zugewiesenen Kompetenzen). Alle sonstigen Beschlüsse der Hauptversammlung sind dagegen wie die Beschlüsse der Hauptversammlung einer AG zu behandeln, dh sie werden von den Komplementären ausgeführt, da es um Maßnahmen der Geschäftsführung geht.137 In der Hauptsache handelt es sich dabei um Anmeldungen und Erklärungen zum Handelsregister (etwa §§ 181, 184, 294 Abs 1, 319 Abs 4). Diesbezüglich ist § 283 Nr 1 zu beachten, der auf das Erste Buch des AktG verweist. b) Interessenwahrungspflicht. Die Ausführungskompetenz ist dem Aufsichtsrat 50 nicht als besonderes Organ der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zugewiesen; er handelt vielmehr als Organ der Gesellschaft mit besonderen Kompetenzen (s Rdn 31). Dass der Aufsichtsrat hierbei die Interessen der Kommanditaktionäre zu wahren hat, steht dem nicht entgegen, da ein Organ der Gesellschaft bei der Wahrnehmung unterschiedlicher Kompetenzen durchaus gehalten sein kann, dabei jeweils unterschiedliche Interessen wahrzunehmen.138

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132 OLG Stuttgart 28.7.2004 – 20 U 5/04, NZG 2004, 1002, 1003; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 5; Hüffer/Koch14 § 283, 2; MünchKomm/Perlitt5 § 283, 24; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 283, 13. 133 Sa Rdn 22. Wegen der Einzelheiten ist auf die Kommentierung zu § 115 zu verweisen. 134 Ebenso Godin/Wilhelmi4 3; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 65; Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 2; MünchKomm/Perlitt5 58 f; Schlitt S 176; Zacharopoulou S 174 f. 135 Zu weitgehend und damit missverständlich ist die von 4. Aufl Assmann/Sethe 49; KK/Mertens/Cahn3 2; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 491, verwendete Formulierung („alle Beschlüsse, die der Zustimmung nach § 285 Abs 2 Satz 1 bedürfen“), da manche dieser Beschlüsse gem § 283 Nr 1 von den geschäftsführungsbefugten Komplementären ausgeführt werden. Zutreffend daher die Kritik von Spindler/Stilz/Bachmann4 21. 136 Dies sind etwa das Auskunftsbegehren gem § 166 HGB, die Zustimmung zur Aufnahme neuer Komplementäre, die Billigung außergewöhnlicher Geschäfte, die Entziehung der Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis, die Klage auf Erteilung der Zustimmung gem § 285 Abs 2 Satz 1 oder § 286 Abs 1 und die Auflösungsklage, vgl MünchKomm/Perlitt5 58; Spindler/Stilz/Bachmann4 21. 137 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 65; KK/Mertens/Cahn3 2; MünchKomm/Perlitt5 59; Schlitt S 176; Zacharopoulou S 175. 138 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 62. KK/Mertens/Cahn3 19 meint dagegen, dass sich die Frage, ob die Interessen der Gesamtheit oder die der Gesellschaft Vorrang genießen, schon deshalb nicht stelle, weil der Aufsichtsrat immer als Organ für die Gesellschaft handele.

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Bei der Ausführung der Beschlüsse hat der Aufsichtsrat die Interessen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu wahren,139 denn die Ausführungskompetenz betrifft eigennützige Rechte dieser Gesellschaftergruppe. Dies gilt auch für den mitbestimmten Aufsichtsrat. Sofern die Interessen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und der Gesellschaft 52 nicht gleichgerichtet sind, also Interessenkonflikte bestehen, stellt sich die Frage, welches Interesse Vorrang genießt. Zunächst sind die für die Ausübung von Gesellschafterrechten maßgeblichen Schranken, insbesondere die Treuepflicht, zu beachten (s § 278 Rdn 56 ff, 87 ff), so dass letztlich keine gesellschaftsschädigenden Beschlüsse ausgeführt werden dürfen, selbst wenn sie dem Willen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre entsprächen. Diese Schranke wird insbesondere dann relevant, wenn ein Beschluss der Gesamtheit der Kommanditaktionäre Minderheiteninteressen betrifft.140 Verletzt der Beschluss die Treuepflicht, muss der Aufsichtsrat die Ausführung des Beschlusses verweigern.141 Gleiches gilt, wenn der Aufsichtsrat den Beschluss für nichtig hält (§ 249 Abs 1 Satz 2).142 Unterhalb dieser Schwelle wird man den Aufsichtsrat dagegen immer als verpflichtet ansehen müssen, die Beschlüsse auszuführen, da ihm kein eigenes Ermessen zusteht. Insoweit kann es auch nicht zu einer Kollision zwischen den Interessen der Gesellschaft und denen der Gesamtheit kommen, da die Kommanditaktionäre als eine der beiden Gesellschaftergruppen das Gesellschaftsinteresse mitbestimmen und der Aufsichtsrat insoweit keine „Oberzuständigkeit“ innehat.143 Insbesondere steht ihm kein Recht zu, aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen eine Ausführung zu verweigern.144 Will man vermeiden, dass der Aufsichtsrat in einer Interessenkonfliktsituation gezwungen ist, Entscheidungen zu treffen, muss die Satzung für solche Fälle vorsehen, dass die Gesamtheit der Kommanditaktionäre einen Vertreter bestellt, wie es Absatz 2 für die Prozessvertretung bereits gesetzlich vorsieht (su Rdn 66).145 Da die Ausführungskompetenz Teil seiner Aufgaben ist, haftet der Aufsichtsrat ge53 genüber der Gesellschaft für die sorgfältige Erfüllung dieser Pflicht gemäß §§ 116, 93.146 54 Sieht sich der Aufsichtsrat nicht zur Ausführung des Beschlusses der Gesamtheit der Kommanditaktionäre in der Lage, muss er die Kommanditaktionäre sofort davon in Kenntnis setzen, damit diese die neue Situation prüfen können.147 55

c) Möglichkeiten und Grenzen der Satzungsgestaltung. Da die Ausführungskompetenz der personengesellschaftsrechtlichen Seite der KGaA entstammt, unterliegt

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139 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 493; MünchKomm/Perlitt5 60; Schlitt S 176; Spindler/Stilz/Bachmann4 22; aA aber BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 15, der sich zu Unrecht auf 4. Aufl Assmann/Sethe 50 beruft. 140 MünchKomm/Perlitt5 61; Spindler/Stilz/Bachmann4 22. 141 MünchKomm/Perlitt5 61. Enger Spindler/Stilz/Bachmann4 22; KK/Mertens/Cahn3 19, die verlangen, dass die Minderheit (so Bachmann) bzw der Aufsichtsrat (so Mertens/Cahn) den Beschluss anficht und der Aufsichtsrat nur dann treuwidrige Beschlüsse nicht ausführen dürfe, wenn offensichtlich eine Schädigung der Gesellschaft zu befürchten sei. 142 KK/Mertens/Cahn3 19; MünchKomm/Perlitt5 61. 143 MünchKomm/Perlitt5 60 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 22; Schlegelberger/Quassowski3 § 229, 2 sehen ebenfalls das Interesse der Kommanditaktionäre als vorrangig an. 144 KK/Mertens/Cahn3 19; Spindler/Stilz/Bachmann4 22. 145 Ähnlich der Vorschlag von Otte S 137, der für die Schaffung eines Gesellschafterausschusses plädiert. 146 MünchKomm/Perlitt5 63; Spindler/Stilz/Bachmann4 22 aE. AA, lediglich eine Haftung gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, nicht aber gegenüber der Gesellschaft annehmend, Schlegelberger/Quassowski3 § 229, 2. Godin/Wilhelmi4 2, lehnen eine Haftung völlig ab, weil der Aufsichtsrat als Organ der Gesamtheit der Kommanditaktionäre handele. 147 MünchKomm/Perlitt5 62; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 68.

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sie in vollem Umfang der Satzungsautonomie, so dass die Kompetenz auch einem Beirat oder einer bestimmten Person (zB dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder einem Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat) überantwortet werden kann.148 Eine Übertragung der Ausführungskompetenz auf die Komplementäre ist dagegen ausgeschlossen.149 Bei ihnen besteht die Gefahr einer Interessenkollision, da die unter § 287 Abs 1 fallenden Beschlüsse das Verhältnis zu den Komplementären berühren können. Die Satzung kann auch festlegen, dass die Kompetenz zur Ausführung in jedem Einzelfall von der Hauptversammlung festgelegt wird150 oder die Hauptversammlung die Beschlüsse selbst ausführt,151 was bei einem kleinen Aktionärskreis sinnvoll erscheint. Zur Vorsorge gegen Interessenkonflikte sa Rdn 52 aE. Eine Satzungsregelung, die die Ausführungskompetenz einer bestimmten Per- 56 son oder einem Organ zuweist, ist bindend,152 auch wenn diese Kompetenz aus dem Personengesellschaftsrecht stammt, dessen Flexibilität an sich Durchbrechungen im Einzelfall erlauben würde. Denn die Satzung der KGaA ist einheitlich anzuwenden (ebenso oben § 278 Rdn 181 zur Frage der Satzungsänderung) und man kann daher hinsichtlich der Bindungswirkung nicht zwischen den aktienrechtlichen und den personengesellschaftsrechtlichen Bestandteilen unterscheiden. Findet sich zur Frage der Ausführungskompetenz also in der Satzung eine Regelung über die Person oder das Organ des Ausführenden, ist die Gesamtheit der Kommanditaktionäre hieran gebunden. Will sie von der Regelung abweichen, muss zuvor die Satzung geändert werden.153 Ein Verstoß gegen eine solche Satzungsbestimmung führt zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (§§ 278 Abs 3, 243 Abs 1). Ist die Satzungsregelung dagegen offen ausgestaltet und sieht ein Auswahlermessen vor, kann die Gesamtheit der Kommanditaktionäre im Einzelfall entscheiden (s Rdn 55).154 4. Der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan a) Die Prozessvertretung nach Abs 2 aa) Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre 57 und den Komplementären (Abs 2 Satz 1). Gemäß Abs 2 Satz 1 vertritt der Aufsichtsrat die Gesamtheit der Kommanditaktionäre in Rechtsstreitigkeiten mit den Komplementären.155 Diese Norm, die keine Parallele im Recht der AG findet, ist dem Umstand geschuldet, dass die KGaA zwei Gesellschaftergruppen kennt. Da die Gesamtheit der Kommanditaktionäre die Stellung eines Kommanditisten der KG innehat, handelt es sich bei den von Absatz 2 erfassten Klagen um Rechtsstreitigkeiten aus der Gesellschafterstellung. Die Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre nimmt die Hauptver-

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148 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6; Godin/Wilhelmi4 3; Heidel/Wichert5 5; Hüffer/Koch14 1, § 278, 19a; KK/Mertens/Cahn3 18; MünchKomm/Perlitt5 9 f, 58, Schlitt S 177; Schmidt/Lutter/Schmidt3 19; Spindler/Stilz/Bachmann4 23. 149 Heute allgemeine Ansicht. S etwa KK/Mertens1 10 (nicht mehr angesprochen bei KK/Mertens/Cahn3 18); MünchKomm/Perlitt5 10; Schlitt S 177; Spindler/Stilz/Bachmann4 23. AA noch Schlegelberger/Quassowski3 § 229, 3; unklar Godin/Wilhelmi4 3. 150 KK/Mertens/Cahn3 18; MünchKomm/Perlitt5 11. 151 Ebenso Elschenbroich S 136; MünchKomm/Perlitt5 11. AA, soweit ersichtlich, nur Ritter § 229, 3. 152 MünchKomm/Perlitt5 12. AA noch 4. Aufl Assmann/Sethe 56. 153 MünchKomm/Perlitt5 12; Schlitt S 177. 154 Schlegelberger/Quassowski3 § 229, 3; ebenso Spindler/Stilz/Bachmann4 23 („Auslegungsfrage“). 155 Zur Möglichkeit der Bestellung besonderer Vertreter und abweichender Satzungsgestaltung s Rdn 61.

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sammlung wahr (s § 285 Rdn 15). So kann die Gesamtheit der Kommanditaktionäre im Wege einer Klage beispielsweise die Zustimmung der Komplementäre zum Jahresabschluss verlangen (s § 286 Rdn 20 ff), mittels actio pro socio die Beiträge der Komplementäre einfordern (s § 278 Rdn 86), eine unter Verstoß gegen § 288 Abs 1 geplante Entnahme verhindern oder die Ausschließung eines Komplementärs (s § 289 Rdn 91 ff) erwirken.156 Da Absatz 2 nur die Klagen zwischen den Gesellschaftergruppen betrifft, ist in dieser Norm keine Zulassung des im Aktienrecht umstrittenen Organstreits157 zu sehen. Sofern also die Komplementäre organschaftliche Kompetenzen der Hauptversammlung nicht beachten, sind nicht die Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre betroffen und § 287 Abs 2 ist nicht einschlägig.158 Die Differenzierung zwischen Rechtsstreitigkeiten unter den Gesellschafter58 gruppen einerseits und Organstreitigkeiten andererseits fällt nicht immer leicht. Einen Grenzfall stellt die Klage auf Unterlassung solcher Maßnahmen dar, die die geschäftsführungsbefugten Komplementäre ohne die nach § 285 Abs 2 Satz 1 bzw § 278 Abs 2 iVm § 164 Satz 1 Hs 2 HGB erforderliche Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre159 vornehmen wollen. Zwar stellt die Mehrzahl der Akte, die der Zustimmung der Gesamtheit bedürfen, organschaftliches Handeln dar. Die Rechtsstellung der Gesamtheit entspricht jedoch der eines Kommanditisten der KG, so dass die ihr zustehenden Mitspracherechte nicht auf der organschaftlichen, sondern auf der mitgliedschaftlichen Ebene anzusiedeln sind. Das einem organschaftlichen Handeln vorausgehende Zustimmungserfordernis selbst ist also nicht Teil des organschaftlichen Akts, sondern nur dessen Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Betroffen ist dadurch allein die mitgliedschaftliche Rechtstellung der Gesamtheit, so dass Absatz 2 einschlägig ist. Absatz 2 stellt keinen Ausschlusstatbestand dar, so dass auch die Gesellschaft 59 gegen die Komplementäre Klage erheben kann. Für derartige Prozesse gilt § 112 (s Rdn 67 ff); sie sind parallel zu denen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zulässig, sofern auch die Gesellschaft in eigenen Rechten betroffen ist.160 Nicht ausgeschlossen werden auch Prozesse einer Kommanditaktionärsminderheit nach § 148.161 bb) Beschluss über die Klageerhebung und Vertretung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Abs 2 Satz 1). Die Gesamtheit der Kommanditaktionäre fasst den Beschluss über die Klageerhebung nach Absatz 2 in der Hauptversammlung. Soweit es um die Geltendmachung von oder den Verzicht auf Ersatzansprüche(n) gegen die Komplementäre geht, steht den aktienbesitzenden Komplementären kein Stimmrecht zu (§ 285 Abs 1 Nrn 4, 5).162 Gleiches gilt für die Prozesse nach §§ 117, 127, 140 HGB.163 Die Gesamtheit der Kommanditaktionäre wird durch den Aufsichtsrat vertreten (s 61 Rdn 57), es sei denn, die Gesamtheit hat in dem Beschluss über die Klageerhebung einen besonderen Vertreter ernannt. Diese Ernennung kann selbst noch im Laufe des Rechts-

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156 RG 6.6.1913 – II 99/13, RGZ 82, 360; MünchKomm/Perlitt5 72; 3. Aufl Barz 8. AA Godin/Wilhelmi4 4, die diese Klage nicht als Streit zwischen den Gesellschaftergruppen einordnen und daher Abs 2 nicht anwenden wollen. 157 S dazu Hüffer/Koch14 § 90, 16 ff mwN; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 76, 3 ff; Sethe AG 1996, 289, 299 f. 158 Insoweit kann § 147 in Betracht kommen. Zur Frage, ob in diesen Fällen auch eine Aktionärsklage möglich ist vgl 4. Aufl Assmann Einl 261, 264; Hüffer/Koch14 § 83, 6. 159 Ebenfalls notwendig ist die Zustimmung der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre (§ 116 Abs 2 HGB), auf die im vorliegenden Zusammenhang aber nicht näher einzugehen ist. 160 Dies übersieht Kessler S 13, der meint, neben § 112 komme § 287 Abs 2 keinerlei Bedeutung zu. 161 KK/Mertens/Cahn3 24. 162 AA Godin/Wilhelmi4 4. 163 KK/Mertens/Cahn3 § 285, 27; s § 285 Rdn 48.

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streits gefasst werden. Auch im Stadium der Abwicklung gilt die Zuständigkeit des Aufsichtsrats bzw des ernannten Vertreters fort.164 In Bezug auf die Frage, ob eine Satzungsregelung zur Prozessvertretung zwingend und ausschließlich ist, gilt das zur Ausführungskompetenz Gesagte (s Rdn 55 f).165 Trotz des Wortlauts von Absatz 2 ist die Gesamtheit der Kommanditaktionäre 62 weder aktiv noch passiv parteifähig.166 Vielmehr stellt Absatz 2 eine reine Kompetenznorm dar. Die Parteirolle liegt folglich bei der Gesellschaft.167 Vorbeugend empfiehlt sich jedoch eine Parteibezeichnung im Klageantrag (§ 253 Abs 2 Nr 1 ZPO), die alle Angaben enthält und selbst den von der früher herrschenden Meinung aufgestellten Erfordernissen gerecht wird: die Gesamtheit der Kommanditaktionäre der X-KGaA, vertreten durch den Aufsichtsrat.168 cc) Haftung für die Kosten des Rechtsstreits (Abs 2 Satz 2). Gemäß Absatz 2 Satz 2 63 haftet die Gesellschaft für die Kosten des Rechtsstreits, die der Gesamtheit der Kommanditaktionäre auferlegt werden. Diese Haftungsnorm hat, wenn man als Partei ohnehin die Gesellschaft ansieht,169 nur klarstellende Funktion.170 Die Gesellschaft kann die Erstattung der Kosten von den Aktionären verlangen, wobei die Aktionäre nach bislang herrschender Meinung pro rata, dh im Verhältnis ihrer Vermögensbeteiligung haften. Da die Aktionäre nicht nachschusspflichtig sind, kann die Gesellschaft ihren Anspruch nur im Wege des Einbehalts von Dividendenzahlungen bzw im Stadium der Liquidation durch Einbehalt des Liquidationserlöses verwirklichen.171 Angesichts dieser umständlichen Art der Geltendmachung ist das Rückgriffsrecht 64 praktisch wertlos. Zu Recht bezeichnen es Mertens/Cahn als rechtspolitisch verfehlt. Sie legen deshalb das Rückgriffsrecht einschränkend aus. Es stehe der Gesellschaft nicht generell gegen alle Kommanditaktionäre zu, sondern könne nur gegen diejenigen Kommanditaktionäre geltend gemacht werden, die pflichtwidrig die Interessen der Gesellschaft verletzt und die für die Einleitung des Rechtsstreits gestimmt hätten.172 Diese Einschränkung ist deshalb sinnvoll, weil die Gesamtheit der Kommanditaktionäre mit Verfahren gegen die Komplementäre regelmäßig nicht nur eigene Interessen verfolgt, sondern zumindest mittelbar auch die Interessen der KGaA im Auge haben wird, zumal das Klagerecht der Gesamtheit der Erhaltung der Machtbalance im Unternehmen dient. Nur wenn die Klageerhebung offenkundig gegen die Interessen der Gesellschaft verstößt, erscheint daher eine Kostentragungspflicht angezeigt,173 wobei diese keiner Ein-

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164 RG 24.10.1910 – I 80/10, RGZ 74, 301. 165 Zur Zulässigkeit abweichender Satzungsgestaltungen sa MünchKomm/Perlitt5 13 ff; Schlitt S 177 f. 166 So Rdn 31 mit Fn 91 und § 286 Rdn 21. AA aber MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 59 unter unzutreffender Bezugnahme auf 4. Aufl Assmann/Sethe 57. 167 Anders noch MünchKomm/Semler/Perlitt2 74, die ohne nähere Begründung den einzelnen Kommanditaktionären die Parteirolle zuweisen, obwohl sie in Rdn 5 der Ansicht folgen, der Aufsichtsrat handele insoweit als Organ der Gesellschaft. Die Ansicht wurde aufgegeben, MünchKomm/Perlitt5 74. 168 Ebenso Hüffer/Koch14 2; Lutter/Krieger/Verse7 § 18, 1322; MünchKomm/Perlitt5 74; Schlitt S 177; Schmidt/Lutter/Schmidt3 20. 169 So Rdn 31, 62. 170 Vor 1937, als die Anerkennung der KGaA als juristische Person noch streitig war, kam ihr dagegen eine konstitutive Bedeutung zu, so Rdn 31 mwN. 171 So die früher hM, Baumbach/Hueck13 3; Godin/Wilhelmi4 5; MünchKomm/Semler/Perlitt2 76; 3. Aufl Barz 8. 172 KK/Mertens/Cahn3 23. Zustimmend Bürgers/Körber/Förl/Fett4 8; Heidel/Wichert5 6; Hüffer/Koch14 3; MünchKomm/Perlitt5 77; Sethe AG 1996, 289, 300; Schmidt/Lutter/Schmidt3 21; Spindler/Stilz/Bachmann4 27 f. 173 Heidel/Wichert5 6; KK/Mertens/Cahn3 23; Hüffer/Koch14 3 aE; Sethe AG 1996, 289, 300.

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schränkung unterliegt und die Prozesskosten deshalb unmittelbar von den betroffenen Kommanditaktionären eingefordert werden können.174 Der Wortlaut „unbeschadet“ zeigt an, dass der Gesetzgeber in Absatz 2 Satz 2 keine eigene Anspruchsgrundlage gesehen hat, aber den Rückgriff nach anderen Vorschriften (§§ 117 AktG, 826 BGB) nicht verschließen wollte. Dies entspricht im Übrigen auch der gesetzlichen Wertung, die sich in § 148 Abs 6 Satz 5 findet.175 dd) Wahrzunehmende Interessen. Bei der Wahrnehmung der Kompetenz aus Abssatz 2 handelt der Aufsichtsrat als Organ der KGaA. Er hat dabei allerdings die Interessen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu wahren, die ihn beauftragt und deren Interessen er gegenüber den Komplementären zu vertreten hat (sa Rdn 50 ff).176 Sofern die Interessen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und diejenigen der 66 Gesellschaft nicht gleichgerichtet sind, dh ein Interessenkonflikt vorliegt, stellt sich die Frage, welchem Herrn der Aufsichtsrat dienen soll. Mertens, der von dem Grundsatz ausgeht, dass niemand zwei Herren gleichzeitig dienen könne, hält in diesem Fall die Interessen der Gesellschaft für maßgeblich, da der Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft handele.177 Wie bereits oben (Rdn 50 ff) festgestellt, ist der Aufsichtsrat ein Organ der Gesellschaft und nicht einer Gesellschaftergruppe. Gleichwohl muss er bei der besonderen Kompetenz, die ihm Absatz 2 einräumt, die Interessen der Kommanditaktionäre vertreten.178 Zwar ist auch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet, doch können im Einzelfall Konflikte auftreten, wenn sie ihre eigennützigen Rechte als Gesellschaftergruppe wahrnimmt. Sofern die Gesamtheit der Kommanditaktionäre einen Prozess führen will, den der Aufsichtsrat als gegen die Interessen der Gesellschaft gerichtet einordnet, kann die Gesamtheit – notfalls auch im laufenden Verfahren – einen besonderen Vertreter bestellen. Das Gesetz selbst gibt damit eine Lösungsmöglichkeit vor, die es erlaubt, dass der Aufsichtsrat einerseits immer als Interessenwahrer der Kommanditaktionärsgesamtheit fungieren kann, ohne dass andererseits die Gesellschaftsinteressen dadurch beeinträchtigt würden. Sobald der Aufsichtsrat einen Interessenkonflikt feststellt, muss er dies der Gesamtheit der Kommanditaktionäre mitteilen, so dass diese reagieren und einen besonderen Vertreter bestellen kann. Für den Fall der Verletzung der Mitteilungspflicht haftet der Aufsichtsrat gegenüber der Gesellschaft nach §§ 116, 93179 bzw § 117. Da ein Schaden der Gesellschaft nur schwer zu begründen sein dürfte, ist vor allem die Haftung aus § 117 Abs 1 Satz 2, Abs 2 relevant, über die ein Schaden einzelner Aktionäre geltend gemacht werden kann. 65

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174 KK/Mertens/Cahn3 23; Hüffer/Koch14 3 aE. 175 Hierauf weist Spindler/Stilz/Bachmann4 28, hin. 176 MünchKomm/Perlitt5 78. 177 KK/Mertens1 17. Die Gegenposition hierzu vertrat namentlich Geßler/Semler1 45, 37, doch hat dieser die Grundlage seiner Ansicht, nämlich das Bestehen eines Konflikts zwischen Interessen der Gesellschaft und Interessen der Kommanditaktionäre, zwischenzeitlich zugunsten der Annahme aufgegeben, der Aufsichtsrat handele bei der Prozessvertretung ausschließlich für die Gesamtheit der Kommanditaktionäre; s MünchKomm/Semler/Perlitt2 78; ebenso MünchKomm/Perlitt5 78. 178 Anders noch 4. Aufl Assmann/Sethe 66. 179 KK/Mertens/Cahn3 27; MünchKomm/Perlitt5 79; Spindler/Stilz/Bachmann4 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 19. Enger noch MünchKomm/Semler/Perlitt2 79, die eine Haftung gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre bejahten. Godin/Wilhelmi4 2 lehnen eine Haftung ganz ab.

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b) Die Vertretung der Gesellschaft nach § 112 aa) Grundsatz. Der Aufsichtsrat vertritt die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften 67 und Rechtsstreitigkeiten mit den Komplementären180 gerichtlich und außergerichtlich. Dies ist nicht unstreitig, entspricht aber der ganz herrschenden Meinung,181 die es aus den §§ 278 Abs 3, 112 herleitet. § 112 dient der Verhinderung von Interessenkollisionen und der Schaffung von Rechtssicherheit.182 Bei der Vertretung der KGaA nach § 112 hat der Aufsichtsrat das Unternehmensinteresse als Richtschnur zu nehmen. Der Aufsichtsrat haftet der Gesellschaft für die sorgfältige Wahrnehmung seiner Vertretungskompetenz nach §§ 116, 93.183 Es liegt in der Konsequenz dieser Ableitung, die Kompetenz des Aufsichtsrats zur ge- 68 richtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft als ausschließlich und zwingend anzusehen.184 Dies gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft mehrere einzelgeschäftsführungsbefugte Komplementäre hat, so dass ein jeder von ihnen die Gesellschaft gegenüber einem anderen Komplementär vertreten könnte.185 Das Gesetz will insoweit Interessenkollisionen vorbeugen. Diese ließen sich nicht ausreichend verhindern, wenn man über den Verweis in § 278 Abs 2 das Personengesellschaftsrecht und damit letztendlich auch § 181 BGB zur Anwendung brächte. Diese Norm wird zwar heute nicht mehr als rein formale Ordnungsvorschrift angesehen, die nur eingreift, wenn auf beiden Seiten eines Geschäfts identische Personen handeln. Aber auch mit einem weit verstandenen Anwendungsbereich, der bestimmte materielle Interessenkollisionen einbezieht, erfasst die Norm die vorliegende Konstellation nicht sachgerecht, denn der Bundesgerichtshof wendet § 181 BGB nicht auf einen Vertragsschluss zwischen Komplementär und Gesellschaft an, bei dem diese durch einen Prokuristen vertreten war, da der Prokurist eigenverantwortlich für die Gesellschaft handele.186 Auch die Vertretung der Gesellschaft durch einen anderen einzelvertretungsbefugten Komplementär wird von der herrschenden Meinung nicht unter § 181 BGB subsumiert.187 § 181 BGB lässt sich zudem durch eine Befreiung in der Satzung von vornherein abbedingen, so dass den anderen Organen der KGaA keinerlei Einflussmöglichkeiten auf Geschäfte zwischen Gesellschaft und Kom-

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180 Zur Vertretung gegenüber den Geschäftsführern und Gesellschaftern einer Komplementärgesellschaft s Rdn 73. 181 So § 278 Rdn 157 sowie BGH 29.11.2004 – II ZR 364/02, AG 2005, 239; BGH 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 Rdn 15; Arnold S 129 f; 3. Aufl Barz 6; Baumbach/Hueck13 2; Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1384; Förl S 19 f; Gaibler S 8; Godin/Wilhelmi4 1, 4; Grigoleit/Servatius2 4; Heidel/Wichert5 3; Henssler/Strohn/Arnold4 3; Hüffer/Koch14 § 278, 16; Ihrig/Schlitt S 55; Kersting WuB II B § 112 AktG 1.05; Kessler S 13; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 31, 11; Ritter § 219, 5; Schlegelberger/Quassowski3 § 229, 1; Schlitt S 178; Schmidt/Lutter/Schmidt3 20; Sethe AG 1996, 289, 298 f; Wichert AG 2000, 268, 273 f; Vollertsen S 101; Zacharopoulou S 181. IE auch Bürgers/Körber/Förl/Fett4 4; Habersack ZIP 2019, 1453, 1455; MünchKomm/Habersack5 § 112, 6; MünchKomm/Perlitt5 66 ff, 69, § 278, 260; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 66; Hasselbach/Spengler EWiR 2005, 85 f; Otte S 138 f; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 647, die allerdings davon ausgehen, dass § 112 bei der KGaA der Satzungsautonomie unterliege. Bedenken äußern Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 496 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 12; ders AG 2019, 581, 590, die aber aus Rechtssicherheitsgründen die Anwendung von § 112 hinnehmen. Zur aA s Rdn 69. 182 Zuletzt Jenne/Miller ZIP 2019, 1052 f mwN. 183 Ebenso KK/Mertens/Cahn3 27; MünchKomm/Perlitt5 79; Schmidt/Lutter/Schmidt3 12; Spindler/Stilz/ Bachmann4 19. 184 Vgl statt vieler Heidel/Wichert5 3; Ihrig/Schlitt S 55 f; Schlitt S 179; Vollertsen S 101 f. AA OLG München 26.7.1995 – 7 U 5169/94, WM 1996, 782; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 4; MünchKomm/Perlitt5 69; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 66; Hasselbach/Spengler EWiR 2005, 85 f; Otte S 138 f. 185 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 66. 186 BGH 3.6.1984 – VIII ZR 125/83, BGHZ 91, 334, 336. 187 Baumbach/Hopt/Roth39 § 126, 9; MünchKommBGB/Schubert8 § 181, 23 ff jeweils mwN.

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plementären zustehen. Teilweise wird darauf hingewiesen,188 die Schwäche des § 181 BGB (Abdingbarkeit) lasse sich durch die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht lösen, doch übersieht diese Ansicht, dass von vornherein kein Verkehrsgeschäft vorliegt, so dass diese Grundsätze gar nicht zur Anwendung gelangen können. Schließlich besteht die Gefahr, dass wichtige Geschäfte der Gesellschaft mit den Komplementären gar nicht oder nicht rechtzeitig zur Kenntnis des Aufsichtsrats gelangen. Die Anwendung von § 112 AktG im Wege des Verweises aus § 278 Abs 3 ist daher sachgerecht. Einige Vertreter dieser Ansicht ordnen ihn aber als dispositiv ein.189 Sie argumentieren, die Übertragung der Zuständigkeit auf einen Beirat würde ebenfalls die Gefahr einer Interessenkollision vermeiden. Das ist in der Sache richtig, doch ist es dogmatisch schwer zu begründen, weil man dann im Rahmen von § 278 Abs 3190 plötzlich § 23 Abs 5 außer Betracht lässt. Diese Ansicht ist daher abzulehnen. Fasst man die Problematik zusammen, muss man sich also zwischen drei Übeln entscheiden. Entweder man wendet § 278 Abs 2 an und muss den schwachen Schutz vor Interessenkonflikten durch § 181 BGB in Kauf nehmen. Oder man wendet §§ 278 Abs 3, 112 an, hält die Regelung aber für dispositiv, so dass eine Übertragung auf einen Beirat möglich ist. Dies geht nur um den Preis, dass man mit der Verweisungssystematik in § 278 bricht. Oder man wendet §§ 278 Abs 3, 112 an und setzt sich dem Vorwurf der Inkonsequenz aus, denn an sich sei die Vertretung der KGaA eine Angelegenheit, die durch das Personengesellschaftsrecht geregelt sei. Das zuletzt geschilderte Vorgehen ist überzeugend, bietet es doch den Vorteil der Rechtssicherheit und steht im Einklang mit der Regelung aller Gesellschaften, die einen Aufsichtsrat kennen. Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Gesetzgebungsgeschichte von § 111b (s Rdn 47). Der Gesetzgeber wollte bei Geschäften mit den Komplementären die Zuständigkeit des Aufsichtsrats, allenfalls auch noch die Zuständigkeit der Hauptversammlung, aber keinesfalls die Zuständigkeit der Komplementäre. Eine Satzungsbestimmung, die die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Komplementären einem anderen Organ oder einer anderen Person als dem Aufsichtsrat zuweist, ist folglich zwangsläufig als nichtig anzusehen.191 Entgegen der hM (s Rdn 67 f) nimmt Mertens eine Doppelzuständigkeit an: der Auf69 sichtsrat sei neben den Komplementären zur Vertretung der Gesellschaft befugt.192 Noch weiter geht Hachenburg, der eine ausschließliche Vertretungsmacht der Komplementäre annimmt.193 Diese Ansichten stützen sich auf § 278 Abs 2, wonach die Vertretung der KGaA ausschließlich den Komplementären zusteht. Denn bei Rechtsgeschäften mit der Gesellschaft stünden die Komplementäre der Gesellschaft als Dritte gegenüber. Auch spreche die Gesetzessystematik für eine solche Auslegung, da § 278 Abs 2 gegenüber Abs 3 vorrangig sei und die Vertretungsregelung des Abs 2 einen Rückgriff auf Abs 3 iVm

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188 Etwa KK/Mertens/Cahn3 21. 189 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 4; MünchKomm/Perlitt5 69, MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 66; Hasselbach/ Spengler EWiR 2005, 85 f; Otte S 138 f; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 647; wohl auch Habersack ZIP 2019, 1453, 1455. 190 Gegen eine Durchbrechung der Verweisungssystematik in § 278 spricht sich auch Spindler/Stilz/ Bachmann4 12; ders AG 2019, 581, 590, aus. 191 Ebenso Ihrig/Schlitt S 55 f; Schlitt S 179. Zur AA s Fn 184, 192. 192 Mertens in: FS Barz, 1974, S 253, 260 mit Fn 26, 262 mit Fn 30; KK/Mertens/Cahn3 20 f. Ähnlich OLG München 26.7.1995 – 7 U 5169/94, WM 1996, 782, das grundsätzlich § 112 anwendet, es aber ohne nähere Begründung für zulässig erachtet, dass die Satzung eine Vertretung durch die Komplementäre vorsieht. Dem OLG München folgend MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 66 (anderweitige Satzungsregelung zulässig). 193 Düringer/Hachenburg HGB3 § 328, 30, der hiervon nur eine Ausnahme in Bezug auf vorstandsähnliche Komplementäre machen wollte, bei denen die Satzung den Aufsichtsrat zur Vertretung ermächtigen könne. Diese Ansicht lässt sich auf das AktG 1965 übertragen, da dessen § 278 Abs 2 und 3 der Regelung des § 320 HGB entsprechen.

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§ 112 ausschließe. Gegen diese Argumentation spricht jedoch, dass der Gesetzgeber bei Gesellschaften, soweit sie über einen Aufsichtsrat verfügen (zB AG, eG und mitbestimmte GmbH) die Vertretung gegenüber der Geschäftsführung nie dem Komplex des allgemeinen Vertretungsrechts zugerechnet hat, sondern sie als Teil der Regelungsmaterie Aufsichtsrat begriff. Die aus dem Verhältnis von § 278 Abs 2 und Abs 3 abgeleiteten systematischen Bedenken überzeugen deshalb nicht. Gestützt wird das Ergebnis der herrschenden Meinung durch die historische Ausle- 70 gung. Zwar findet sich in den Materialien keine ausdrückliche Stellungnahme.194 Die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats von AG und KGaA war jedoch bereits im ADHGB parallel geregelt. Der den Aufsichtsrat der AG regelnde Art 226 ADHGB verwies auf die Bestimmungen zur KGaA (Art 194 und Art 195 ADHGB). Mit dem HGB von 1897 erfolgte eine Umkehrung des Regelungsmodells; die AG lehnte sich nicht mehr an die KGaA an. Vielmehr wurde der wirtschaftlichen Realität entsprochen und die KGaA unter weitgehendem Verweis auf das Recht der AG geregelt. Dass mit dieser gesetzestechnischen Umkehrung eine inhaltliche Änderung einhergehen sollte, lässt sich nicht nachweisen.195 Für die Beibehaltung der Parallelität spricht auch, dass mit dem AktG 1965 die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats bei Verantwortlichkeitsklagen gegen die Geschäftsleitung ohne den oder gegen den Beschluss der Hauptversammlung abgeschafft wurde (§§ 97 Abs 2, 229 Abs 3 AktG 1937) und zwar sowohl bei der AG als auch bei der KGaA.196 bb) Reichweite von § 112. Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats, die Gesellschaft bei 71 Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten mit den Komplementären zu vertreten, erfasst keine Massnahmen auf rein mitgliedschaftlicher Ebene (wie etwa die Aufnahme neuer Komplementäre oder die Zustimmung gem § 286 Abs 1197), die durch Satzungsänderung oder aufgrund einer Ermächtigung in der Satzung vorgenommen werden. Hierbei handelt es sich gerade nicht um Geschäfte, die mit der KGaA selbst abgeschlossen werden. Zudem bedarf es im Regelfall keines Schutzes der Kommanditaktionäre, da die Gesamtheit der Kommanditaktionäre der Satzungsänderung bzw der Ermächtigung in der Satzung zugestimmt hat.198 Die Ausnahme wird teilweise als inkonsequent kritisiert199 und die Aufnahme neuer Komplementäre daher § 112 unterworfen. Dabei wird übersehen, dass auch bei der AG für Änderungen auf mitgliedschaftlicher Ebene nicht der Aufsichtsrat zuständig ist (vgl zu Veränderungen im Bestand der Mitglieder der Gesellschaft etwa §§ 68 Abs 2 Satz 2, 204 Abs 1200) und dass § 112 nur auf die organschaftliche Vertretung der AG201 und nicht auf Vorgänge anwendbar ist, für welche die Regeln der Satzung bzw Satzungsänderung und deren Durchführung gelten.

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194 Vgl Denkschrift I, S 177; Denkschrift II, in Hahn/Mugdan, S 339. 195 Vergleichbar ist die Argumentation des BGH 26.6.1995 – II ZR 122/94, BGHZ 130, 108 = ZIP 1995, 1331, 1332, in Bezug auf das Verhältnis von § 39 GenG und § 112 AktG. 196 KK/Mertens1 11. 197 § 286 Rdn 21 aE. 198 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 70; Vollertsen S 107 f. In diesem Sinne scheint auch Mertens in: FS Barz, 1974, S 253, 262, die von ihm befürwortete konkurrierende Zuständigkeit von Aufsichtsrat und Komplementären zu verstehen, auch wenn seine Formulierung weiter gefasst ist. 199 Spindler/Stilz/Bachmann4 14. 200 Vgl dazu etwa MünchKomm/Bayer4 § 204, 22 „beim genehmigten Kapital [wird] in aller Regel jedoch der Beschluss der Hauptversammlung keine konkrete und ausdrückliche Bestimmung zur Person des Bezugsberechtigten treffen. Daher wird es nicht selten eintreten, dass dem Vorstand auch bei Beachtung des Zwecks des Bezugsrechtsausschlusses ein gewisser Spielraum verbleibt…“. 201 So ausdrücklich MünchKomm/Habersack5 § 112, 1.

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cc) Anwendung auf nicht geschäftsführungsbefugte oder ausgeschiedene Komplementäre. Wegen Einzelheiten zu § 112 kann auf die diesbezüglichen Erläuterungen verwiesen werden. Der Erwähnung bedarf an dieser Stelle jedoch die typisierende Betrachtungsweise, die der Bundesgerichtshof bei der Auslegung des § 112 anwendet, wenn es um die Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit des Vorstands bei der Begründung oder (ggf streitigen) Abwicklung von Rechtsverhältnissen geht, an denen einzelne seiner Mitglieder beteiligt sind.202 Dieser methodische Ansatz hat zur Folge, dass das Gericht die Norm über ihren Wortlaut hinaus auch in Bezug auf Auseinandersetzungen mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern der AG (etwa im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit ihres Ausscheidens oder in Bezug auf Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Ausgeschiedenen) anwendet. Diese typisierende, auf die abstrakte Gefährdung von Unternehmensinteressen abstellende Betrachtungsweise ist bei der KGaA ebenfalls angebracht, da die Gefahr einer Interessenkollision innerhalb der Komplementäre gleich groß ist. Die Norm findet daher auch auf Rechtsgeschäfte oder Rechtsstreitigkeiten mit nicht geschäftsführungsbefugten oder ehemaligen Komplementären Anwendung.203

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dd) Vertretung gegenüber einer Komplementärgesellschaft sowie deren Geschäftsführern und Gesellschaftern. Der Aufsichtsrat vertritt die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten mit den Komplementären (s Rdn 67). Das gilt auch für den Fall, dass es sich bei einem von mehreren oder dem einzigen Komplementär um eine Gesellschaft handelt. Bei Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten der KGaA mit den Geschäftsführern der Komplementärgesellschaft204 wird die KGaA ebenfalls zwingend vom Aufsichtsrat vertreten.205 Das entspricht dem bei der AG geltenden Grundsatz, dass die Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats nach § 112 keine abschließende Regelung darstellt206 und deshalb eine Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat geboten ist, wenn zwischen einem Dritten und dem Vorstand wirtschaftliche Identität und damit die Besorgnis der Befangenheit besteht.207 Der BGH geht hier eher extensiv vor. Er hat entschieden, dass § 112 auch auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts zwischen einer AG und einer Gesellschaft anzuwenden ist, deren Alleingesellschafter der Vorstand ist.208 Bei typisierender Betrachtung (s Rdn 72) der Umstände im Hinblick auf die Gefährdung der Gesellschaftsinteressen, wie sie durch § 112 ausgeschlossen werden soll, wird folglich eine Befangenheit der Komplementäre als regelmäßiges Vertretungsorgan der KGaA auch dann anzunehmen sein, wenn es um Rechtsgeschäfte oder Rechtsstreitigkeiten der KGaA mit Gesellschaftern der Komplementärgesellschaft geht, sofern diese einen beherrschenden Einfluss auf die Komple-

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202 BGH 11.5.1981 – II ZR 126/80, WM 1981, 759; BGH 9.10.1986 – II ZR 284/85, WM 1986, 1411, 1412; BGH 8.2.1988 – II ZR 159/87, BGHZ 103, 213, 216 = WM 1988, 413, 414; BGH 13.2.1989 – II ZR 209/88, WM 1989, 637, 638; BGH 5.3.1990 – II ZR 86/89, WM 1990, 630, 631 (zur GmbH); BGH 22.4.1991 – II ZR 151/90, WM 1991, 941; BGH 26.6.1995 – II ZR 122/94, WM 1995, 1716 (zur Genossenschaft). Vgl auch Hüffer/Koch14 § 112, 2; Häger/Schlosser WM 2020, 7 ff, Theusinger/Guntermann AG 2017, 798 ff. 203 BGH 29.11.2004 – II ZR 364/02, AG 2005, 239 (zur KGaA); dazu Herfs AG 2005, 589 ff. Ebenso im Ausgangspunkt (s dazu oben Fn 192) OLG München 26.7.1995 – 7 U 5169/94, WM 1996, 782. Zustimmend auch MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 66; Schlitt S 178; Sethe AG 1996, 289, 299; Spindler/Stilz/Bachmann4 13. 204 Beispiel bei Ihrig/Schlitt S 56; Schlitt S 178. 205 Arnold S 129; Ihrig/Schlitt S 56; Hüffer/Koch14 § 278, 16; MünchKomm/Perlitt5 65; Schlitt S 178; Spindler/Stilz/Bachmann4 15; Wichert AG 2000, 268, 273 f. AA Dirksen/Möhrle ZIP 1998, 1377, 1384. 206 Vgl Hüffer/Koch14 § 112, 1. 207 Werner ZGR 1989, 369, 373 f. 208 BGH 15.1.2019 – II ZR392/17, WM 2019, 542 (zur AG).

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mentärgesellschaft ausüben bzw ausüben können.209 Ist dies der Fall, liegt die Vertretungskompetenz zwingend beim Aufsichtsrat. Gegen die Erfassung von Geschäften mit Gesellschaftern der Komplementärgesellschaft hat sich jüngst Widerstand geregt.210 Insbesondere das Argument, die Erstreckung von § 112 auf Gesellschafter der Komplementärgesellschaft überfordere den Aufsichtsrat im Konzern bzw das Konzernrecht reiche als Schutz vor den negativen Folgen eines Handels der Komplementärgesellschaft aus, hat dabei Gefolgschaft erfahren.211 Die erhobenen Einwände überzeugen mich gerade vor dem Hintergrund der Neuregelung der Related Party Transactions nicht. Der Regierungsentwurf zum ARUG II belässt es – in Kenntnis der Kontroverse um die Anwendbarkeit des § 112 – bei der Zuständigkeit des Aufsichtsrats der KGaA nach §§ 278 Abs 3, 112 und auch der Rechtsausschuss geht letztlich davon aus, dass – selbst wenn die Zuständigkeit des Aufsichtsrats disponibel sei – jedenfalls nicht die Geschäftsführung mit den außergewöhnlichen Geschäften beauftragt werden dürfe (s Rdn 47). Auch der Einwand, das Konzernrecht sei als spezielleres Schutzinstrumentarium vorrangig anzuwenden,212 überzeugt nicht, denn dann müsste man bei der Anwendung von § 112 danach differenzieren, ob die Komplementärgesellschaft neben ihrer Aufgabe als Komplementärin weitere unternehmerische Aktivitäten entfaltet und damit das Konzernrecht anwendbar ist oder nicht. Eine solche Differenzierung sieht § 112 aber nicht vor und sie wird auch von den Vertretern der Gegenansicht nicht gefordert. Zudem hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der §§ 111a ff darauf verzichtet, einen Gleichlauf von Innen- und Außenverhältnis herzustellen dergestalt, dass gegenüber Vorstandsmitgliedern, ehemaligen Vorstandsmitgliedern und von diesen beherrschten Gesellschaften § 112 nur in den gleichen Grenzen wie denen von §§ 111a Abs 3, 111b Abs 1 anzuwenden ist und im Übrigen nicht. § 112 gilt trotz der Einführung der Regelung zu Related Party Transactions unverändert fort und dies ist zu respektieren.213 Die Anwendung von § 112 dient nicht nur dem Schutz der KGaA, sondern auch dem Schutz der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre und der Kommanditaktionäre vor nachteiligen Geschäften der Geschäftsführung mit der Komplementärgesellschaft und deren beherrschenden Gesellschaftern, zumal wenn die Gesamtheit der Kommanditaktionäre kraft Satzungsbestimmung nicht an Entscheidungen über außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen zu beteiligen ist. Ein solcher Schutz wird von der Gegenansicht nicht für notwendig befunden, wobei die dazu vorgebrachten Argumente bereits im Zusammenhang mit §§ 287 Abs 3, 285 Abs 1 Satz Nr 1 widerlegt wurden (s Rdn 10b, § 285 Rdn 28). Ein vergleichbarer Schutz wird im Übrigen auch nicht durch die §§ 111a ff gewährleistet, sofern die KGaA nicht börsennotiert ist oder die Relevanzschwelle des § 111b Abs 1 nicht erreicht wird. Es ist daher daran festzuhalten, dass § 112 auf Geschäfte der KGaA mit beherrschenden Ge-

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209 Ihrig/Schlitt S 56 und Schlitt S 178; MünchKomm/Perlitt5 65; Spindler/Stilz/Bachmann4 15; Wichert AG 2000, 268, 274. Weiter noch 4. Aufl Assmann/Sethe 73 (auch eine nicht nur unwesentliche Beteiligung oder eine Beherrschungsmöglichkeit). Enger Otte S 142, der die AG mangels Weisungsmöglichkeit des Aktionärs ausnehmen will. 210 Bachmann AG 2019, 581, 590 ff; Habersack ZIP 2019, 1453, 1454 ff. Vgl auch MünchKomm/Habersack5 § 112, 9 und Jenne/Miller ZIP 2019, 1052, 1056 ff zur Reichweite von § 112 bei Verträgen der AG mit von Vorstandsmitgliedern beherrschten Gesellschaften. 211 Hüffer/Koch14 § 278, 16; MünchKomm/Perlitt5 122. 212 Bachmann AG 2019, 581, 594; Habersack ZIP 2019, 1453, 1457 f. 213 Bemerkenswert ist im Übrigen, dass nach Ansicht des Gesetzgebers im Hinblick auf die Zustimmung des Aufsichtsrats bereits der Anschein der Befangenheit bei Entscheidungen des Aufsichtsrats mit nahestehenden Personen zu vermeiden sei, RegE ARUG II, BT-Drucks 19/9739, S 77 (zu § 107 Abs 3 Sätze 4 bis 6). Dies müsste erst recht gelten, wenn – folgt man der Gegenansicht – die Zuständigkeit bei den geschäftsführungsbefugten Komplementären läge.

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sellschaftern der Komplementärgesellschaft anzuwenden ist.214 Eine KGaA mit außenstehenden Kommanditaktionären eignet sich folglich nur bedingt für eine Konzernierung. Allein der Wunsch, die Strukturen der KGaA für den Konzern „passend zu machen“, rechtfertigt es nicht, den Schutz außenstehender Kommanditaktionäre aufzugeben. Eine teleologische Reduzierung der §§ 278 Abs 3, 112 kommt daher nur bei der EinpersonenKGaA und der Einheits-KGaA in Betracht, sofern keine weiteren, nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre vorhanden sind. 74

ee) Rechtsfolgen. Ob es sich bei § 112 um ein gesetzliches Verbot iSv § 134 BGB215 oder um eine Vertretungsregelung handelt,216 hat der BGH offengelassen.217 Die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB wäre nur gerechtfertigt, wenn der Schutzzweck des § 112 AktG bei Gültigkeit des Geschäfts vereitelt würde. Für die Nichtigkeit wird ins Feld geführt, dass es an einer unbefangenen Vertretung der Gesellschaft fehle, der Aufsichtsrat keine Nachverhandlungen mehr vornehmen könne und er an die von der Unternehmensleitung geschaffenen Fakten gebunden sei.218 Damit wird jedoch unterstellt, dass der Aufsichtsrat letztlich seine Pflichten nicht ausreichend wahrnimmt. Er ist gerade verpflichtet, eine ergebnisoffene Diskussion über die Frage zu führen, ob das Geschäft genehmigt werden soll oder nicht und muss ggf Nachverhandlungen führen. Nur so holt der Aufsichtsrat die ihm zugewiesene Entscheidungsaufgabe nach. Damit aber wird dem Schutzzweck von § 112 AktG ausreichend Rechnung getragen. 219 Folglich kann ein Rechtsgeschäft, das unter Verstoß gegen § 112 vorgenommen wurde, vom Aufsichtsrat der KGaA genehmigt werden,220 wenn es den Interessen der KGaA entspricht. Aufgrund der zwingenden Geltung von § 112 (s Rdn 68) ist die Hauptversammlung – weder kraft Gesetzes noch kraft Satzung – für eine Genehmigung zuständig und sie kann den Aufsichtsrat auch nicht zur Genehmigung anweisen. Allerdings bleibt es ihr unbenommen, mit Zustimmung der anderen Komplementäre das Rechtsgeschäft durch eine Änderung bzw Ergänzung der Satzung zu heilen.221

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214 Hinzuweisen ist auf die Passage im ARUG II, BT-Drucks 19/9739, S 78, wonach schädliche geschäftliche Beziehungen in der Regel bereits dann vorliegen, wenn die Entscheidung über das zustimmungspflichtige Geschäft Auswirkungen auf die Geschäftsverbindung haben kann. Dies ist bei Rechtsgeschäften oder Rechtsstreitigkeiten der KGaA mit beherrschenden Gesellschaftern der Komplementärgesellschaft regelmäßig der Fall, denn in Bezug auf den Begriff der nahestehenden Person (§ 111a Abs 1) sieht der Gesetzgeber gesellschaftsrechtliche Bindungen mit Beherrschungsmöglichkeit als ausreichend an, RegE ARUG II, BT-Drucks 19/9739, S 80: „Ein Nahestehen begründen können demnach insbesondere gesellschaftsrechtliche Verbindungen, wie die Beherrschung, die gemeinschaftliche Führung, der maßgebliche Einfluss auf dieselbe oder die Zugehörigkeit zu derselben Unternehmensgruppe. Da nach IAS 28 widerleglich vermutet wird, dass ab einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung von 20 Prozent der Stimmrechte ein maßgeblicher Einfluss besteht, kann ab diesem Schwellenwert in der Regel von einem Nahestehen im Sinne dieser Vorschrift ausgegangen werden.“ Würde man der Gegenansicht folgen, müsste man also die §§ 111a ff bei Geschäften zwischen einer börsennotierten KGaA und dem beherrschenden Gesellschafter der Komplementärgesellschaft ab Erreichen des Schwellenwerts anwenden. Eine pauschale Konzernausnahme für Geschäfte mit der beherrschenden Gesellschafterin sieht § 111a Abs 3 Nr 1 gerade nicht vor. 215 So etwa OLG Brandenburg 14.1.2015 – 7 U 68/13, AG 2015, 428; OLG Stuttgart 20.3.1992 – 2 U 115/90, AG 1993, 85; KK/Mertens/Cahn3 § 112, 11; MünchKomm/Semler2 § 112, 80; Stein AG 1999, 28, 35 ff. 216 OLG Karlsruhe 13.10.1995 – 10 U 51/95, WM 1996, 161; Hüffer/Koch14 § 112, 12; Jenne/Miller ZIP 2019, 1052, 1058 f; MünchKomm/Habersack5 § 112, 33 f mwN. 217 BGH 29.11.2004 – II ZR 364/02, AG 2005, 239, 240 (zur KGaA); sowie BGH 16.3.2009 – II ZR 280/07, AG 2009, 404, 406; BGH 17.3.2008 – II ZR 239/06, AG 2008, 894, 895. 218 Stein AG 1999, 28, 41. 219 Sethe EWiR § 112 AktG 1/96, 58. 220 MünchKomm/Perlitt5 71. 221 MünchKomm/Perlitt5 71.

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c) Die Vertretung der Gesellschaft bei Führungslosigkeit. Ist eine KGaA nach 74a Ausscheiden des einzigen Komplementärs führungslos, wird sie durch den Aufsichtsrat allein vertreten. Dieses unstreitige Ergebnis wird unterschiedlich begründet. Der BGH und die herrschende Meinung begründen dies mit §§ 278 Abs 3, 78 Abs 1 Satz 2.222 Da sich das Vertretungsrecht nach Personengesellschaftsrecht richtet, folgt die Zuständigkeit mE bereits aus dem dort anerkannten Notgeschäftsführungsrecht des Kommanditisten beim Wegfall des letzten Komplementärs. Seine Aufgaben werden bei der KGaA von der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und folglich vom Aufsichtsrat wahrgenommen (s § 278 Rdn 157a). Für diese Lösung spricht, dass es hier – anders als bei der Anwendung von § 112 auf die KGaA – gerade nicht um die Vermeidung von Interessenkonflikten geht, was einen zwingenden Rückgriff auf § 278 Abs 3 gebieten würde. Gleichgültig, welcher Begründung man folgt, überwindet die Notzuständigkeit im Zusammenhang mit einem Prozess nur die fehlende Empfangsvertretung und erleichtert eine rechtswirksame Zustellung der Klageschrift. Die Vorschrift ermöglicht aber keine Prozessführung gegen eine unzureichend vertretene Gesellschaft. Diese KGaA bleibt bis zur Aufnahme eines neuen persönlich haftenden Gesellschafters oder eines Notgeschäftsführers analog § 29 BGB (vgl § 289 Rdn 139 ff) oder der Bestellung eines Prozesspflegers prozessunfähig, so dass bis dahin kein Sachurteil gegen sie ergehen kann.223 5. Kompetenzen des Aufsichtsrats aufgrund der Satzung a) Reichweite der Satzungsautonomie. Der Aufgabenkreis des Aufsichtsrats un- 75 terliegt in gewissen Grenzen der Satzungsautonomie. Sieht man einmal von den ohnehin zwingenden Normen der gesetzlichen Regelung der KGaA in §§ 278 ff ab (zB §§ 279–283), ist zur Bestimmung der Satzungsautonomie danach zu unterscheiden, ob der Aufsichtsrat Aufgaben aufgrund von § 278 Abs 3 wahrnimmt oder ob seine Tätigkeit auf der Kommanditkomponente der KGaA beruht. Im Rahmen von § 278 Abs 3 gilt der Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs 5), während bei der Kommanditkomponente der im Personengesellschaftsrecht maßgebliche Grundsatz der Vertragsfreiheit Anwendung findet. Wendet man dieses Unterscheidungskriterium an, hat dies zur Folge, dass weder die Vertretungskompetenz nach § 112 noch die Überwachungsaufgabe nach § 111 eingeschränkt werden dürfen (s auch Rdn 68 bzw Rdn 44). Die Überwachungsaufgabe lässt sich jedoch erweitern (Rdn 44). b) Satzungsautonomie im Rahmen der Geschäftsführung. Der Aufsichtsrat kann 76 an der Unternehmensleitung beteiligt werden.224 Denkbar sind mehrere Abstufungen.225 So kann die Satzung § 111 Abs 4 Satz 2 für anwendbar erklären (s Rdn 39, 44) oder dem Aufsichtsrat das Recht einräumen, eine Geschäftsordnung für die Komplementäre zu erlassen (s Rdn 40). Ihm können (Personal-)Kompetenzen in Bezug auf die Bestellung der Geschäftsführung und den Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis eingeräumt werden. Zudem können dem Aufsichtsrat die Rechte aus § 278 Abs 2 iVm

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222 Vgl die Nachw bei § 278 Rdn 157a. 223 BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, ZIP 2020, 1118 Rdn 63. 224 AA, soweit ersichtlich, nur Joens S 56, der unter Bezugnahme auf die § 111 Abs 4 Satz 1 AktG 1965 entsprechende Vorschrift des § 95 Abs 5 AktG 1937 eine Zuständigkeit des Aufsichtsrats für unzulässig hält und daher nur eine Übertragung der Rechte auf die Hauptversammlung für möglich erachtet. Warum jedoch § 95 Abs 5 AktG 1937 anwendbar sein soll, begründet er nicht. Die Auslegung durch Joens widersprach schon der zum AktG 1937 bestehenden hM; vgl 1. Aufl Weipert § 229, 15. 225 Sethe S 150 f.

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§§ 164 Satz 1 Hs 2, 161 Abs 2, 116 Abs 2 HGB zugewiesen werden, so dass er für außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen zuständig ist. Darüber hinaus kann die Satzung ihm auch Rechte in Bezug auf einzelne ge77 wöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen zugestehen oder ihm gar bestimmte Weisungs- oder Letztentscheidungsrechte gegenüber den Komplementären in Fragen der Grundsätze der Geschäftspolitik einräumen.226 Allerdings darf diese Weisungsbefugnis nicht dazu führen, dass der Aufsichtsrat das gesamte Tagesgeschäft mitentscheidet, da dies mit seiner Funktion als Überwachungsorgan unvereinbar wäre.227 Für den Fall der Weisungsgebundenheit in Bezug auf die Grundsätze der Geschäftspolitik kann auch das Vetorecht der persönlich haftenden Gesellschafter abbedungen werden.228 Eine solch weitgehende Einschränkung der Rechte der Komplementäre ist trotz ihrer persönlichen Haftung zulässig, soweit die Satzung die Rechtsstellung des Aufsichtsrats ausreichend deutlich umschreibt und solange den Komplementären die Erfüllung der ihnen nach § 283 obliegenden oder im öffentlichen Interesse bestehenden Pflichten möglich ist.229 Auch bleiben sie stets berechtigt, ihre Anfechtungsbefugnis auszuüben oder Nichtigkeitsklage zu erheben. 78

c) Satzungsautonomie auf mitgliedschaftlicher Ebene. Die Satzung kann dem Aufsichtsrat Kompetenzen im Hinblick auf die Gesellschafterstellung der Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (nicht dagegen der einzelnen Aktionäre) einräumen, etwa die ausschließliche Kompetenz oder ein Mitspracherecht bei der Aufnahme oder dem Ausscheiden von Komplementären.230 Da die Ausführungs- und die Vertretungskompetenz nach § 287 Abs 1 und Abs 2 auf dem Personengesellschaftsrecht beruht, unterliegt sie ebenfalls der Satzungsautonomie (s Rdn 55 bzw Rdn 61) in den Grenzen des Grundsatzes der Verbandssouveränität (s Rdn 103). IV. Der Beirat

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1. Gründe für die Schaffung eines Beirats. Die Gründe dafür, in einer KGaA – neben dem Aufsichtsrat als obligatorischem Organ (s Rdn 3) – einen Beirat einzurichten,231

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226 BGH 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 106 und OLG Köln 5.5.1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18 (jeweils Herstatt); MünchKomm/Perlitt5 § 278, 234 f; Habersack/Henssler/Habersack MitbestG4 § 25, 68; Sethe S 150. AA wohl MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 67 aE, der – irreführend – die (vorstehend angeführte) ganz hM für seine gegenteilige Annahme („Dem Aufsichtsrat können … keine Geschäftsführungs- bzw Weisungsbefugnisse eingeräumt werden“, Hervorhebung hinzugefügt) anführt. Enger auch KK/Mertens/Cahn3 § 278, 92 (kein Weisungsrecht in Bezug auf gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen). 227 OLG Köln 5.5.1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 92; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 236 f; Sethe S 150. 228 Sethe S 150. 229 OLG Köln 5.5.1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18; Grafmüller S 125; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 186; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 236 f; Sethe S 150 f. Noch weitergehende Weisungsrechte will offenbar Martens ZHR 138 (1974) 179, 214, und ders AG 1982, 113, 117, zulassen. Koenig S 18 hält nach den §§ 320, 325 HGB aF sogar den völligen Entzug der Geschäftsführungsbefugnis unter Übertragung auf den Aufsichtsrat für möglich, eine Ansicht, die wegen § 283 Nr 3 AktG heute überholt ist. Dagegen wollen Reuter/Körnig ZHR 140 (1976) 494, 516, angesichts der persönlichen Haftung der Komplementäre bei zu weitgehenden Weisungsrechten § 138 Abs 1 BGB anwenden. 230 Godin/Wilhelmi4 3; MünchKomm/Perlitt5 55; § 278, 234; Sethe S 128; aA KK/Mertens/Cahn3 26. 231 S dazu etwa Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 551 ff; Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 146; KK/Mertens/Cahn3 28; MünchKomm/Perlitt5 80 ff; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 629; Sigle NZG 1998, 619, 621 f; Steding BuW 1999, 381, 382; Turner BuW 1995, 198, 199 f; Vollmer WiB 1995, 578; Voormann Beirat2, S 6 ff.

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sind ebenso vielfältig wie seine Erscheinungsformen und die ihm, in Abhängigkeit von seinen jeweiligen Aufgaben, gegebenen Bezeichnungen (wie etwa Aktionärsausschuss, Gesellschafterausschuss oder Verwaltungsrat). Mehr noch als bei der GmbH, bei der die Schaffung von Beiräten weit verbreitet ist, variieren bei der KGaA die einem Beirat sinnvollerweise zuzuweisenden Aufgaben mit den verschiedenen Typenausprägungen dieser Rechtsform. Bei der Familien-KGaA dienen Beiräte insbesondere der Sicherung des Familieneinflusses auf das Unternehmen: – Da dem Aufsichtsrat bei der gesetzestypischen KGaA keine Personalkompetenz zusteht (s Rdn 30, 38), kann den zur Familie gehörenden und an der Gesellschaft lediglich als Kommanditaktionäre beteiligten Personen über den Beirat ein Mitsprache- oder Entscheidungsrecht eingeräumt werden. Zwar ließe sich eine solche Kompetenz kraft Satzungsregelung auch dem Aufsichtsrat zuweisen232, doch würde dies den Einfluss der Familie nicht auf Dauer sichern. Denn eine bei zunehmender Unternehmensgröße oft zu beobachtende Zersplitterung des Gesellschafterkreises oder die mangelnde Repräsentation der Familie im Kommanditaktionärskreis haben zur Folge, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht mehr von der Familie gesteuert werden kann. Sobald das Unternehmen die jeweiligen Schwellenwerte der Drittelbeteiligung oder Mitbestimmung erreicht (s Vor § 287 Rdn 2, 20 f), wird der Aufsichtsrat zudem nicht mehr nur von den Gesellschaftern gewählt. Viele Unternehmen nutzen deshalb von vornherein die weitreichende Satzungsautonomie und schaffen ein Sonderorgan, dessen Besetzung unabhängig von der Mitbestimmung ist und in den Händen der Familie verbleibt. – Für die Einrichtung eines Beirats in der Familien-KGaA spricht weiterhin, dass den Familienstämmen mittels eines solchen Sonderorgans ein besonderer Einfluss auf die Entscheidungen der geschäftsführungsbefugten Komplementäre eingeräumt werden kann. Denkbar ist es auch, das den Komplementären zustehende Zustimmungsrecht aus § 285 Abs 2 Satz 1 auf einen Beirat zu delegieren. – Bisweilen ist der Beirat auch als unabhängiger Beraterkreis, als gesellschaftsinterne Schiedsstelle bei Uneinigkeiten zwischen den beiden Gesellschaftergruppen bzw unter den Komplementären oder als Gremium zur Abstimmung der Interessen der KGaA mit denjenigen einer Komplementärgesellschaft konzipiert. Was für die Familiengesellschaft gilt, lässt sich fraglos auch auf Unternehmen übertragen, in denen bestimmte Gesellschafterkreise ihren Unternehmenseinfluss perpetuieren wollen, ohne auf die Chancen der Kapitalmarktfinanzierung verzichten zu müssen. Das ist namentlich bei den zahlreichen neuen, an die Kapitalmärkte drängenden „innovativen“ und zunächst in Gründerhand befindlichen Unternehmen der Fall. Aber auch für andere Gesellschaften, die den Status einer Familien-KGaA längst abgelegt haben oder für Publikumsgesellschaften bietet die Einrichtung eines Beirats manche Vorteile: – So lässt sich durch die Schaffung eines als (unabhängiges) Beratungsgremium233 konzipierten Beirats der fachliche Sachverstand von Personen nutzen, für die eine Tätigkeit in dem ggf mitbestimmten Aufsichtsrat nicht in Betracht kommt. – Auch kann durch einen Beirat das eine oder andere Funktionsproblem des Aufsichtsrats der KGaA kompensiert werden. Zu diesen gehört etwa, dass der Auf-

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232 Sethe S 128. 233 Vgl Handelsblatt Nr 8 vom 23./24.2.1996, S K1: „Beiräte in mittelständischen Unternehmen – Die sich ihre Meinung nicht abkaufen lassen“.

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sichtsrat als von der Hauptversammlung gewähltes Kontrollorgan, verglichen mit dem Aufsichtsrat der AG, nur über geringere und schwerfälligere Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung verfügt. Zudem muss er in seiner Kontroll-, Ausführungs- und Vertretungskompetenz, obwohl von den Kommanditaktionären und im mitbestimmten Aufsichtsrat auch von den Arbeitnehmern gewählt, jeweils unterschiedliche Interessen wahrnehmen. In dieser Lage ist es eine probate Möglichkeit, den Aufsichtsrat – im Rahmen des Zulässigen (s Rdn 89 ff) und der Gewährleistung seiner zentralen Funktion der Geschäftsführungskontrolle – von Teilen seiner Aufgaben zu entlasten und diese einem Beirat zu übertragen. Umgekehrt kann der Versuch der verstärkten Beteiligung des Aufsichtsrats an der Geschäftsführung seine Kontrolltätigkeit nicht nur verbessern, sondern auch gefährden, weil er nun an Aufgaben mitzuwirken vermag, die er zu kontrollieren hat. Zur Vermeidung diesbezüglicher Konflikte vermag die Auslagerung gewisser Funktionen auf den Beirat sowohl der Entlastung wie der Unterstützung des Aufsichtsrats dienen. 2. Zulässigkeit eines Beirats

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Die Zulässigkeit der Bildung eines Beirats in der KGaA hängt von den diesem Gremium zugewiesenen Aufgaben und Befugnissen ab, wobei namentlich zwischen dem Beirat eröffneten nicht-organschaftlichen und organschaftlichen Kompetenzen zu unterscheiden ist (schuldrechtliche und organschaftliche Beiräte, s Rdn 90 f). Die Übertragung organschaftlicher Kompetenzen auf den Beirat ist stets dann anzunehmen, wenn es sich bei den dem Beirat zugewiesenen Aufgaben um solche handelt, die kraft Gesetzes von einem der Organe der KGaA zu erfüllen sind.234 Des Weiteren ist die Zulässigkeit der Einrichtung eines Beirats und der diesem gewährten Kompetenzen, zumal nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24.2.1997,235 aber auch danach zu beurteilen, ob es sich bei der jeweiligen Gesellschaft um eine gesetzestypische (s Rdn 90 ff) oder gesetzesatypische (s Rdn 109f) KGaA handelt. a) Der Beirat in einer gesetzestypischen KGaA

aa) Zulässigkeit schuldrechtlicher und organschaftlicher Beiräte. Kommt dem Beirat nur die Funktion eines Beraterkreises ohne organschaftliche Kompetenzen (s Rdn 89) zu (sog Beirat auf schuldrechtlicher Grundlage; synonym: schuldrechtlicher Beirat), ist seine Errichtung ohne Weiteres zulässig.236 Umstritten ist dagegen, ob einem Beirat auch organschaftliche Kompetenzen er91 öffnet werden können (organschaftliche Beiräte). Die ganz herrschende Meinung hält derartige Beiräte bei der KGaA nicht generell für unzulässig, sondern differenziert zu Recht danach, ob es sich bei den dem Beirat im Einzelfall gewährten Kompetenzen um

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234 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 86. 235 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392. 236 Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 256; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 558; KK/Mertens/Cahn3 29; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 86; MünchKomm/Perlitt5 86; Robertz MittRhNotK 1991, 239, 240; Spindler/Stilz/Bachmann4 29; Voormann Beirat2, S 51 ff; Wiedemann in: FS Schilling, 1973, S 105, 107; wohl auch Martens AG 1982, 113, 114. Bei der AG wird differenziert zwischen einem Beirat als Beratungsgremium des Vorstands und einem Beratungsgremium des Aufsichtsrats; nur ersteres ist zulässig. Vgl MünchHdBAG/Hoffmann-Becking4 § 29, 22 f; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 76, 18, § 111, 63, 116 ff; Voormann Beirat2, S 51 ff.

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solche handelt, die freier Gestaltung zugänglich sind oder nicht.237 Es kommt also entscheidend darauf an, ob die dem Beirat zugewiesenen Aufgaben in den durch § 278 Abs 2 oder in den durch § 278 Abs 3 sowie § 283 eröffneten Regelungsbereich fallen. – Ist letzteres der Fall, dh § 278 Abs 3 einschlägig, so gilt in der Tat das Prinzip der 92 Satzungsstrenge nach § 23 Abs 5, welches der Übertragung der von diesem erfassten Kompetenzen auf einen Beirat entgegensteht, solange das Gesetz nicht ausdrücklich abweichende Gestaltungen erlaubt. – Ist dagegen von ersterem auszugehen, dh § 278 Abs 2 anzuwenden, kann aufgrund 93 der das Personengesellschaftsrecht beherrschenden Vertragsfreiheit die Kompetenzordnung der KGaA entsprechend ausgestaltet werden, so dass Beiräte mit organschaftlichen Kompetenzen in den von § 278 Abs 2 erfassten Regelungsfeldern zulässig sind.238 Zu diesen Regelungsfeldern gehört, wie auch der BGH in seinem Beschluss vom 24.2.1997 festgestellt hat, 239 namentlich die Führungsstruktur der KGaA. Auch aus mitbestimmungsrechtlicher Sicht bestehen gegen einen Beirat keine 94 Bedenken,240 da das MitbestG an die gesellschaftsrechtlich zulässigen Gestaltungen anknüpft und das Ausmaß der Mitbestimmung, wie § 25 Abs 2 MitbestG zeigt, doppelt rechtsformabhängig ist (s Vor § 287 Rdn 3). Aufgrund der Tatsache, dass das MitbestG die gesellschaftsrechtliche Gestaltungsfreiheit voraussetzt, können dem Beirat also auch bei einer mitbestimmten KGaA dispositive Zuständigkeiten des Aufsichtsrats zugewiesen werden. Klärungsbedürftig ist damit allein die Frage nach den Grenzen, die der Übertragung 95 organschaftlicher Kompetenzen auf den Beirat nach den Grundsätzen der gesetzlichen Kompetenzzuweisung (s Rdn 96 ff) sowie den allgemeinen (s Rdn 99 ff) und KGaAspezifischen (s Rdn 105 ff) Schranken der Kompetenzübertragung auf den Beirat gesetzt sind. bb) Grenzen aufgrund der gesetzlichen Kompetenzzuweisung. Eine eindeutige 96 Grenze der Übertragung organschaftlicher Kompetenzen an den Beirat bilden zwingende gesetzliche Kompetenzzuweisungen. Diese ergeben sich vor allem daraus, dass ein wesentlicher Teil der Organisationsverfassung der KGaA und ihrer Kompetenzordnung von nicht dispositivem Gesetzesrecht erfasst ist (§§ 278 Abs 3, 283). Von diesem betroffen sind etwa die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats,241 die der Hauptversammlung

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237 Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 257 f; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 559; Kallmeyer DStR 1994, 977, 979 f; ders GmbHR 1995, 888; Henssler/Strohn/Arnold4 § 278,5; Hölters/Müller-Michaels3 § 278, 8; KK/Mertens/Cahn3 29; Martens AG 1982, 113, 114 ff; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 77; MünchKomm/Perlitt5 87 ff; Schlitt S 216; Schmidt/Lutter/Schmidt3 23 f; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 631; Spindler/Stilz/Bachmann4 29 f. Ähnlich auch Theisen DBW 1989, 137, 146; Grafmüller S 145 ff; Friedewald Die personalistische Aktiengesellschaft, 1991, S 97 f. IE auch Baumbach/Hueck13 2; Hommelhoff S 18; Hüffer/Koch14 1; Ihrig/Schlitt S 40, 68; K Schmidt GesR4, S 418. 238 Gestützt wird dieses Ergebnis durch den Vergleich mit der GmbH & Co KG, bei der außer Zweifel steht, dass die Errichtung von Beiräten zulässig ist. Gleiches muss daher auch für die Errichtung von Beiräten der KGaA gelten. 239 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 396. 240 Ausführlich Assmann/Sethe in: FS Lutter 2000, S 251, 264 f mwN sowie Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 147; Habersack/Henssler/Habersack MitbestG4 § 25, 142; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 78; Joost ZGR 1998, 334, 340, 343; Martens AG 1982, 113, 116 ff; MünchKomm/Perlitt5 87; Schlitt S 216; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 631 f. AA Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 127, 133 f. 241 Spindler/Stilz/Bachmann4 29.

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als Organ zustehenden Kompetenzen242 sowie die Anforderungen an eine Satzungsänderung, soweit die Hauptversammlung nicht durch zulässige Satzungsregelung von der Mitwirkung ausgeschlossen ist. Als weitere, gleichsam immanente Grenze ist die Funktionsfähigkeit der übrigen Organe anzuerkennen.243 Dies bedeutet etwa, dass den Komplementären ein Mindesteinfluss in der Gesellschaft verbleiben muss.244 Neben den aktienrechtlichen Schranken (s Rdn 96) ergeben sich zusätzliche Gren97 zen aus dem Personengesellschaftsrecht (§ 278 Abs 2). Die dem Beirat übertragenen Aufgaben müssen die Grundsätze der Selbstorganschaft und der Verbandssouveränität respektieren, so dass eine Differenzierung zwischen Beiräten, die ausschließlich oder überwiegend mit Gesellschaftern besetzt sind, und solchen, die mit gesellschaftsfremden Mitgliedern besetzt sind, geboten ist. Deshalb nimmt die hM an, ein mit gesellschaftsfremden Mitgliedern besetzter Beirat dürfe nicht ausschließlich für die Geschäftsführung und Vertretung der KGaA zuständig oder mit umfassenden Zustimmungs- oder Weisungsrechten ausgestattet sein, da dies einen Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft und gegebenenfalls gar der Verbandssouveränität darstelle.245 Dies hat zur Folge, dass die Komplementäre für die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft zuständig bleiben oder bei einem Beirat mit derart weiten Kompetenzen zumindest ein Recht zur Überstimmung des Beirats oder ein jederzeitiges Abberufungsrecht der Beiratsmitglieder haben müssen.246 Unbedenklich sind Zustimmungs- und Weisungsrechte bei Geschäftsführungsmaßnahmen dann, wenn der Beirat überwiegend247 mit Komplementären besetzt ist (zB ein Zustimmungsvorbehalt nach dem Vorbild von § 111 Abs 4 Satz 2).248 Ist er überwiegend mit gesellschaftsfremden Personen besetzt, wird teilweise die Zulässigkeit von Weisungs- oder Zustimmungsrechten bejaht, wenn die jederzeitige Abberufung des Beirats möglich ist.249 Dies ist aus den in Rdn 103 genannten Gründen abzulehnen. Unbedenklich ist es, dem Beirat ein Entscheidungsrecht in Patt-

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242 Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 632, 640. 243 MünchKomm/Perlitt5 89 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 29. Sa § 278 Rdn 151 aE, § 283 Rdn 21. 244 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 77; Martens AG 1982, 113, 115 f; MünchKomm/Perlitt5 89; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 649; Sethe S 144; iE auch K Schmidt GesR4, S 418 f. 245 Zur KGaA KK/Mertens/Cahn3 30; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 77; Spindler/Stilz/Bachmann4 31. Allgemein Konzen NJW 1989, 2977, 2980, 2983; Reuter in: FS Steindorff, 1990, S 229, 240 f; Rinze NJW 1992, 2790, 2791 mit Fn 2; Robertz MittRhNotK 1991, 239, 249; Wiedemann in: FS Schilling, 1973, S 105, 112, 119 f. IE auch Schlegelberger/Martens HGB5 § 164, 25, mit dem Hinweis, die Komplementäre dürften nicht zu einem bloßen Ausführungsorgan degradiert werden. Vom Ansatz her abweichend Sethe S 116, 146 f, der aufgrund der inzwischen von der hM zugelassenen Ausnahmen den Grundsatz der Selbstorganschaft als überholt ansieht und stattdessen den Grundsatz der Verbandssouveränität betont. Gesellschaftsfremden können nach dieser Ansicht auch Geschäftsführungsaufgaben übertragen werden, sofern die Gesellschafter ein jederzeitiges Widerrufsrecht der Bestellung haben. Diesen Ansatz scheint auch Wiedemann in: FS Schilling, 1973, S 105, 112 unten, für gangbar zu halten. Den gegenteiligen Standpunkt vertritt Reuter in: FS Steindorff, 1990, S 229, 232 ff, allerdings unter Vermischung des Grundsatzes der Verbandssouveränität mit demjenigen der Selbstorganschaft. 246 Spindler/Stilz/Bachmann4 31. 247 Nicht zu folgen ist der bisweilen vertretenen These, ein Beirat dürfe nur aus Gesellschaftern bestehen, Dritte seien von der Wahl ausgeschlossen. So etwa noch Fitting/Wlotzke/Wißmann MitbestG2 § 25, 64; Hommelhoff ZGR 1978, 119, 153 mit Fn 108. Begründet wird diese Behauptung mit einer andernfalls drohenden Umgehung des MitbestG. Da dieses jedoch an die gesellschaftsrechtlich zulässigen Gestaltungen anknüpft (s Rdn 94), bleibt die Gestaltungsfreiheit insoweit erhalten. 248 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 580; KK/Mertens/Cahn3 31, 34; Spindler/Stilz/Bachmann4 30 aE. Enger Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 278, 24, der dies nur zulassen will, wenn der Beirat von der Hauptversammlung gewählt wurde. 249 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 79; Spindler/Stilz/Bachmann4 31. Enger dagegen Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 589 ff (Zustimmungsrechte ja, Weisungsrechte nein).

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situationen einzuräumen, um eine Lähmung der Willensbildung der Gesellschaft zu verhindern.250 Nicht berührt werden die oben (in Rdn 97) angeführten personengesellschaftsrecht- 98 lichen Grundsätze dagegen, wenn dem Beirat Auskunfts- und Einsichtsrechte zugestanden werden oder er ausschließlich mit Beratungsaufgaben betraut wird.251 Auch die Zuweisung von Kontrollrechten an den Beirat ist solange unschädlich, als sie neben die zwingenden Kontrollrechte anderer Organe treten.252 Daher ist es auch zulässig, wenn zusätzlich zum Aufsichtsrat eine Kontrolle durch einen Beirat erfolgt, der aus den nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre besteht.253 Schließlich kann der Beirat auch als Schiedsorgan bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Geschäftsführern eingerichtet werden.254 In diesen Fällen bestehen auch dann keine Bedenken, wenn der Beirat überwiegend mit gesellschaftsfremden Mitgliedern besetzt ist.255 cc) Allgemeine gesellschaftsrechtliche Schranken der Kompetenzübertragung 99 auf den Beirat. Sehr weit ist der Regelungsspielraum hinsichtlich der Übertragung von Rechten auf mitgliedschaftlicher Ebene. Da das Verhältnis der Komplementäre zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre dispositiv ist (§ 278 Abs 2), kann eine von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung abweichende Machtverteilung erfolgen. Dies schließt die Übertragung mitgliedschaftlicher Kompetenzen auf den Beirat ein. Hierbei sind allerdings die im Personengesellschaftsrecht anerkannten Grenzen der Vertragsfreiheit (s Vor § 278 Rdn 60) zu beachten. Einschlägig sind insbesondere der Grundsatz der Verbandssouveränität, das Abspaltungsverbot und die Lehre vom Kernbereich der Mitgliedschaft.256 Für das Personengesellschaftsrecht besteht Einigkeit, dass, selbst wenn der Beirat 100 ausschließlich mit Gesellschaftern besetzt ist, diesen ein Kernbereich an Rechten verbleiben muss.257 Zu diesem gehören alle Rechte, deren Wahrnehmung erforderlich ist, damit der Gesellschafter seine Mitgliedschaft in ihrem Bestand erhalten kann (wie etwa das Recht zur Mitwirkung bei Gesellschaftsvertragsänderungen oder seine individuellen Kontrollrechte). Diese Grenzziehung lässt sich entsprechend auf die personengesellschaftsrechtliche Komponente der KGaA übertragen. Die den Komplementären und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zustehenden Kompetenzen können demnach einem Beirat nur in dem Umfang übertragen werden, als damit nicht in den Kernbereich der Mitgliedschaft der Komplementäre eingegriffen wird oder der Entzug wesentlicher, aus dem Personengesellschaftsrecht folgender Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre verbunden ist. Jenseits dieser Grenze ist eine Übertragung mitgliedschaftlicher Kompetenzen auf den Beirat zulässig.

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250 Schlegelberger/Martens HGB5 § 161, 119. 251 Spindler/Stilz/Bachmann4 30. 252 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 586; Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 148; KK/Mertens/Cahn3 34; MünchKomm/Perlitt5 90; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 644 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 29. 253 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 586; Spindler/Stilz/Bachmann4 29; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 653. 254 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 587; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 80; Spindler/Stilz/Bachmann4 30. 255 Ebenso Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 587; KK/Mertens/Cahn3 29; Spindler/Stilz/Bachmann4 30; Wiedemann in: FS Schilling, 1973, S 105, 119 f. 256 S dazu Sethe S 115 ff mwN. 257 Schlegelberger/Martens HGB5 § 161, 116; Robertz MittRhNotK 1991, 239, 249; Großfeld/Brondics AG 1987, 293, 295 (zur GmbH).

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Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die auf den Beirat übertragenen Kompetenzen, durch welche in die Rechte der einzelnen Mitglieder eingegriffen wird, eindeutig zu benennen sind. Ist dies nicht der Fall und bestehen deshalb Zweifel am Umfang der Befugnisse des Beirats, ist eine restriktive Auslegung der fraglichen Satzungsbestimmung geboten.258 Vor allem bei Familiengesellschaften in der Rechtsform der KGaA steht die Frage im 102 Vordergrund, ob die Entscheidung über die Aufnahme neuer Komplementäre einem von Gesellschaftern besetzten Beirat übertragen werden darf. Da es unstreitig ist, dass dem Aufsichtsrat der KGaA diesbezügliche Kompetenzen gewährt werden können (s Rdn 78), ist dies auch im Hinblick auf die Übertragung entsprechender Befugnisse auf den Beirat der KGaA zu bejahen.259 Übt der Beirat die ihm übertragene Befugnis zur Aufnahme neuer Komplementäre aus, muss ein überstimmter oder von der Entscheidung ausgeschlossener Komplementär bzw die Gesamtheit der Kommanditaktionäre diese Entscheidung grundsätzlich hinnehmen. Nur wenn der Beschluss missbräuchlich war, in der Person des eintretenden Komplementärs Gründe vorliegen, die zu einem Vorgehen nach §§ 133, 140 HGB berechtigen würden, oder die Gefahr einer Schädigung der Gesellschaft besteht, können die Gesellschafter dem Eintritt widersprechen. In diesem Fall muss die Aufnahme unterbleiben, bis diese Frage (ggf gerichtlich) geklärt ist.260 Weitaus enger ist der Kompetenzrahmen des Beirats, wenn dieser überwiegend oder 103 ganz mit gesellschaftsfremden Mitgliedern besetzt wurde, da in diesem Fall der Grundsatz der Verbandssouveränität261 berührt ist. Danach darf die einer Gesellschaft vom Staat verliehene Autonomie nicht dazu benutzt werden, sich selbst „substanziell zu untergraben“.262 Letztlich liegt diesem Grundsatz eine ähnliche Rechtfertigung zugrunde, wie derjenigen für die Existenz des Kartellrechts. Die Vertragsfreiheit darf nicht dazu benutzt werden, die Vertragsfreiheit abzuschaffen. Grundlagen- und Strukturentscheidungen dürfen deshalb keinesfalls an Personen übertragen werden, die Nichtgesellschafter sind.263 Hieraus wird zu Recht abgeleitet, dass gesellschaftsfremd besetzten Beiräten keine Strukturentscheidungen zugewiesen werden dürfen. Dies gilt selbst dann, wenn die Gesellschafter nach der Satzung einen Beiratsbeschluss durch einen Gesellschafterbeschluss überstimmen oder die Beiratsmitglieder jederzeit abberufen könnten, denn bis zu einem solchen gegenteiligen Beschluss können die Beiräte ihre Entschei-

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258 S Vor § 278 Rdn 60. Vgl auch Sethe S 119 f (zu dem vom BGH aufgegebenen Bestimmtheitsgrundsatz). 259 Gaibler S 69 f; Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 148; KK/Mertens/Cahn3 32; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 80; Spindler/Stilz/Bachmann4 31; Sethe S 128 f mwN (zur KGaA); wohl auch Cahn AG 2001, 579, 582 f. AA Schlegelberger/Martens HGB5 § 161, 118 (zur KG). Abweichend auch Voormann Beirat2, S 91 f, der dem Beirat nur das Recht zugesteht, aus einem vorher eingegrenzten Kreis von Kandidaten (zB Familienmitgliedern) einen Komplementär auszuwählen. Noch restriktiver Reuter in: FS Steindorff, 1990, S 229, 243 (zur KG), der den Kreis auf Mitgesellschafter einengt. 260 S § 278 Rdn 50 mwN. 261 Grundlegend hierzu Schubel Verbandssouveränität und Binnenorganisation der Handelsgesellschaften, 2003, S 553 ff; Chr Weber Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, 2000, S 205 ff, 302 ff. 262 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG22 § 53, 3. 263 Für das Recht der KGaA Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 583; aA Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 657 f. Für das GmbH-Recht Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG22 § 46, 97; § 53, 3; Michalski/Heidinger/ Leible/Schmidt/Römermann GmbH-Gesetz3 § 45, 24; Scholz/K Schmidt11 § 45,15; Lutter/Hommelhoff/ Bayer20, § 45, 9; MünchKomm GmbHG/Liebscher3 § 45, 48; Ulmer in: FS Werner, 1984, S 911 ff, vgl auch RG 30.3.1942 – II 96/41, RGZ 169, 65, 80 f; aA etwa noch KG 5.2.1925 – 1 X 19/25, JW 1926, 598; BGH 26.10.1964 – II ZR 127/62, GmbHR 1965, 194, 195; Hammen WM 1994, 765, 766; Lutter/Hommelhoff/Lutter/ Hommelhoff16, § 46, 11 mwN. Für das Personengesellschaftsrecht Baumbach/Hopt/Roth39 § 163, 16 (anders aber § 105, 67); Wiedemann Gesellschaftsrecht I S 332 f, 371. Vgl auch die Nachw bei Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 633, 656.

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dung bereits umgesetzt und Schaden für die Gesellschafter verursacht haben.264 Auch eine Entscheidung über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises kann dem gesellschaftsfremd besetzten Beirat nicht übertragen werden.265 Allerdings herrscht im Schrifttum eine terminologische Unklarheit beim Ausdruck „gesellschaftsfremd besetzter Beirat“, da teilweise die Frage, wer den Beirat (Gesellschafter oder Dritte) besetzt, nicht klar von der Frage, mit welchen Personen der Beirat besetzt ist (Gesellschafter oder Dritte), getrennt wird. Aus diesem Grund wird die Ansicht vertreten, der Beirat sei gesellschaftsintern besetzt, wenn die Beiratsmitglieder von der Hauptversammlung gewählt worden seien.266 Denn es könne keine Rolle spielen, ob die neuen Komplementäre vom Aufsichtsrat (der bei der AG ja auch den Vorstand wählen dürfe) oder von einem, durch die Gesellschafter gewählten, aber mit Nichtgesellschaftern besetztem Beirat bestellt würden. Der Grundsatz der Verbandssouveränität verbiete nämlich nicht die Fremdorganschaft. Hier werden zwei Ebenen vermischt, denn die Komplementäre sind gerade nicht lediglich Organmitglieder, sondern Mitgesellschafter. Anders als bei der Wahl des Vorstands der AG handelt es sich bei der Aufnahme neuer Komplementäre um einen Grundlagenbeschluss auf mitgliedschaftlicher Ebene. Die Wahl des Beirats durch die Hauptversammlung reicht folglich nicht aus, um dem Grundsatz der Verbandssouveränität zu genügen. Entscheidend ist allein seine Zusammensetzung. Daher muss man verlangen, dass der Beirat mehrheitlich aus Gesellschaftern besteht, wenn er für Entscheidungen über strukturverändernde Maßnahmen zuständig sein soll. Dies gilt im Übrigen entsprechend auch für die Wahl neuer Komplementäre durch den Aufsichtsrat in einer aufsichtsratsdominierten KGaA (s § 278 Rdn 47). Im Gegensatz zum dispositiven Rechtsverhältnis zwischen den Komplementären 104 und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre unterliegen die Rechte des einzelnen Kommanditaktionärs ohnehin weitgehend zwingenden aktienrechtlichen Bestimmungen (§§ 278 Abs 3, 23 Abs 5), so dass die Übertragung solcher Rechte auf einen Beirat nicht in Betracht kommt. dd) Kompetenzübertragungen auf den Beirat zu Lasten einer Gesellschafter- 105 gruppe. Bei der Beantwortung der Frage, welche Grenzen der Verlagerung von Kompetenzen auf den Beirat zu Lasten einer Gesellschaftsgruppe zu ziehen sind, geht es nicht mehr darum, in welchem Umfang Dritten Einfluss auf die Gesellschaft eingeräumt werden kann, sondern um die Machtbalance zwischen den beiden Gesellschaftergruppen. Die hierzu geführte Diskussion hatte zunächst das Problem zum Gegenstand, inwieweit die personengesellschaftsrechtlich begründete Vertragsfreiheit dazu genutzt werden darf, um (beispielsweise über einen von den Komplementären bestellten Beirat) den Einfluss der Kommanditaktionäre zurückzudrängen. Kann man bei einem Familienunternehmen oder bei einem Unternehmen mit kleinem Gesellschafterkreis davon ausgehen, dass die Machtverteilung im Unternehmen zumindest auf entsprechende Vertragsverhandlungen der Gründer zurückgeht und auch später noch Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen sein kann, so ändert sich die Sachlage mit zunehmendem Umfang

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264 Ebenso Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 261; Voormann Beirat2, S 123. AA Schlegelberger/Martens HGB5 § 161, 119; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 633, 657. 265 Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 261; Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 585; Gaibler S 69; KK/Mertens/Cahn3 32; MünchKomm/Perlitt5 92; Spindler/Stilz/Bachmann4 31, § 278, 49; aA noch 3. Aufl Barz 9 sowie Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 278, 18; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 241; Kessler S 233; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 6; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 633, 656 f mwN. Die Problematik wird nicht angesprochen von Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 148. 266 So Kessler S 233; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 241.

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des Gesellschafterkreises und erst recht für den Fall, dass eine Börsenzulassung angestrebt wird und breite Publikumskreise angesprochen werden. Die Zeichner der angebotenen Aktien müssen ihre Gesellschafterstellung so hinnehmen, wie sie in der Satzung festgelegt ist. Dabei sind für den Kommanditaktionär nachteilige Satzungsregelungen von den potentiellen Anlegern nicht immer ohne Weiteres erkennbar und offenbaren ihr Konfliktpotential oftmals erst im konkreten Streitfall. 106 Die Problematik trat erstmals im Zuge der Diskussion um das MitbestG 1976 auf,267 wurde dann erneut anlässlich der Börsenzulassung einer Kapitalgesellschaft & Co KGaA virulent268 und fand schließlich Eingang in den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24.2.1997.269 Dieser betont die prinzipielle Gültigkeit des Grundsatzes der Vertragsfreiheit für Satzungen einer KGaA. Gegenüber den Kommanditaktionären bestehe eine Treuepflicht der Komplementäre bzw der Komplementär-GmbH, die ein ausreichendes Schutzinstrument darstelle. Das Gericht überantwortet die Akzeptanz der GmbH & Co KGaA und die Ausgestaltung ihrer Satzung dem Markt270 und will nur dann im Wege der Inhaltskontrolle eingreifen, wenn es zu einer einseitigen Benachteiligung der Kommanditaktionäre und damit zu einem „Marktversagen“ kommt. In diesem Fall sollen die Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Publikumskommanditgesellschaft entwickelt hat, anwendbar sein.271 Dass diese Rechtsprechung, die die Marktkräfte betont, die Billigung des Gesetzgebers gefunden hat, zeigt die Einführung des § 279 Abs 2,272 mit der der Gesetzgeber die sich bei der Kapitalgesellschaft & Co KGaA ergebenden Fragen der Firmierung im Sinne des BGH-Beschlusses regelte. Mit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz ging der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter und verpflichtete Emittenten, Abweichungen von der gesetzestypischen Ausgestaltung der KGaA offenzulegen273 und damit die notwendige Transparenz als Mittel des Selbstschutzes der Anleger zu schaffen. Ein weiterer Schutz der Kommanditaktionäre wird dadurch erreicht, dass emissionsbegleitende Kreditinstitute auf eine ausgewogene Rechtsstellung der Kommanditaktionäre achten,274 da sie andernfalls Gefahr laufen, für die Aktien keine Abnehmer zu finden. Den vorstehend beschriebenen marktbezogenen Kontroll- und Schutzmecha107 nismen ist gegenüber der richterlichen oder gar Börsenzulassungsstellen275 überlassenen Inhaltskontrolle von Satzungen der KGaA der Vorzug zu geben (s dazu schon § 278 Rdn 7, 38).276 Die vom Bundesgerichtshof (s Rdn 106) für den Fall einer einseitigen Benachteiligung der Kommanditaktionäre angedeutete Möglichkeit der Inhaltskontrolle der Satzung ist als ultima ratio zu verstehen, falls die erwähnten tatsächlichen oder rechtlichen Schutzmechanismen der Transparenz, der Treuepflicht und des Einflusses der emissionsbegleitenden Kreditinstitute versagen. Ob eine solche unangemessene Be-

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267 Steindorff in: FS Ballerstedt, 1975, S 127, 137 f; ihm folgend Reuter AcP 179 (1979) 509, 550. 268 Vgl die Darstellung der Diskussion bei Sethe AG 1996, 289, 291 ff; Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1391. 269 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399 f. 270 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 401. Ebenso Mayer in Hommelhoff/Röhricht (Hrsg), Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S 263, 268; Sethe AG 1996, 289 ff; ders EWiR § 278 AktG 2/97, 1061 f. 271 BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399. 272 Art 8 Nr 5 des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998, BGBl I 1474. 273 Art 25 Nr 6 und Art 26 Nr 4 des Gesetzes zur weiteren Entwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 24.3.1998, BGBl I 529. Dieser Bestimmung kam lediglich klarstellende Bedeutung zu, da die geforderten Angaben schon vor der Reform zu den für Anleger wesentlichen Informationen zählten und damit angabepflichtig waren; vgl Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1392 f; Sethe S 184 f mit Fn 36; ders AG 1996, 289, 294 mit Fn 43. 274 So Vor § 278 Rdn 157. Sa Sethe S 183 f; ders AG 1996, 289, 294. 275 Hommelhoff S 27 f. 276 Ebenso Wichert AG 2000, 268, 269.

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nachteiligung vorliegt, wird entscheidend davon abhängen, wie die Organisationsverfassung der KGaA ausgestaltet und die Kompetenzen verteilt sind. Aufgrund der hohen Flexibilität ihres Innenverhältnisses kann die Gesellschaft als hauptversammlungs-, aufsichtsrats-, beirats- oder komplementärdominierte KGaA ausgestaltet werden. Die Frage der Benachteiligung der Kommanditaktionäre hängt also entscheidend davon ab, welchen Einfluss die Satzung den Kommanditaktionären in diesem Koordinatensystem einräumt. Verengt man diese Fragestellung auf den Beirat, hängt die Benachteiligung der 108 Kommanditaktionäre davon ab, wie der Beirat bestellt wird und welche Kompetenzen ihm zustehen. Haben die Kommanditaktionäre bei der Besetzung ausreichenden Einfluss, erscheint auch ein mit großen Befugnissen ausgestatteter Beirat unproblematisch. Wird der Beirat dagegen allein durch die Komplementäre oder die Unternehmerfamilie besetzt, ohne dass für die außenstehenden Kommanditaktionäre eine diesbezügliche Einflussmöglichkeit bestünde, hängt die Beantwortung der Frage nach einer einseitigen Benachteiligung der Kommanditaktionäre davon ab, welche Kompetenzen dem Beirat eingeräumt wurden und wie die Organisation im Übrigen ausgestaltet ist. Haben etwa die Aktionäre die Möglichkeit der Einflussnahme über einen Aufsichtsrat, dessen Kompetenzen über den gesetzlichen Regelfall weit hinausgehen, wird man schwerlich von einer Benachteiligung sprechen können. Grundsätzliche Bedenken gegen einen Beirat lassen sich hieraus nicht ableiten. Vielmehr kann ein von den Kommanditaktionären bestellter Beirat mit Zustimmungs- und Weisungsrechten gegenüber der Geschäftsführung bei der Kapitalgesellschaft & Co KGaA sogar ein möglicher Weg sein, um eine aufgrund der übrigen Satzung ansonsten bestehende unangemessene Benachteiligung der Kommanditaktionäre zu beheben.277 b) Der Beirat in einer atypisch ausgestalteten KGaA. Im Fall einer KGaA mit einer 109 Gesellschaft als Komplementärin, namentlich einer Kapitalgesellschaft oder einer GmbH & Co KG, kann der Beirat bei jeder der beteiligten Gesellschaften eingerichtet werden. Die Zulässigkeit richtet sich nach den für die jeweilige Rechtsform geltenden Regeln. Daraus folgt, dass bei einer AG & Co KGaA ein organschaftlicher Beirat bei der AG ausscheidet278 und nur bei der KGaA errichtet werden kann. Handelt es sich um eine GmbH & Co KGaA, kann ein Beirat sowohl bei der Komplementärgesellschaft als auch bei der KGaA eingerichtet werden. Ist eine GmbH & Co KG Komplementärin der KGaA, kommt gar noch die Möglichkeit hinzu, den Beirat bei der Komplementärin der KomplementärKG, dh bei der GmbH, anzusiedeln. Denkbar ist auch, bei jeder der beteiligten Gesellschaften einen Beirat einzurichten und ihn personengleich und mit vergleichbaren Kompetenzen auszustatten, um einen Gleichlauf der Interessen herzustellen.279 Wie der

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277 Das belegt auch der Vorschlag von Hommelhoff S 18 und Ihrig/Schlitt S 68, die Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre aus § 164 HGB in deren Interesse auf einen Beirat zu übertragen. 278 Bei der AG ist ein mit organschaftlichen Kompetenzen ausgestatteter Beirat unzulässig. Vgl Röhricht/Schall § 23, 246; MünchHdBAG/Hoffmann-Becking4 § 29, 21 ff; Hüffer/Koch14 § 23, 38, § 76, 6; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 76, 18; Lippert Zulässigkeit und Aufgaben von Beiräten in den Aktiengesellschaften, JuS 1978, 90, 91; Robertz MittRhNotK 1991, 239, 250; Voormann Beirat2, S 52. Gleiches gilt für ein ständiges Beratergremium auf Satzungsgrundlage, dem bestimmte Auskunfts- und Anhörungsrechte eingeräumt werden, s etwa MünchHdBAG/Hoffmann-Becking4 § 29, 23; KK/Mertens/Cahn3 Vor § 76, 18. Für die Zulässigkeit von Beiräten in den Grenzen der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung dagegen LG Köln 13.7.1976 – 3 O 121/76, AG 1976, 329, 330; Baumbach/Hueck13 Vor § 76, 8; Geßler/Geßler1 § 111, 94; Hommelhoff/Timm (Anm zu LG Köln AG 1976, 329), AG 1976, 330, 331. 279 Voormann Beirat2, S 16 f. Die Zweckmäßigkeit einer solchen Gestaltung bezweifelt Robertz MittRhNotK 1991, 239, 250 mwN.

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Beirat in die Organisationsverfassungen der beteiligten Gesellschaften einzubinden ist, lässt sich nicht generell beantworten, sondern ist eine Frage der Zweckmäßigkeit und hängt von den Aufgaben ab, die dem Beirat zugewiesen werden sollen. 110 Für die Zulässigkeit eines bei der KGaA angesiedelten Beirats in der im Übrigen atypisch ausgestalteten KGaA gelten die zur gesetzestypischen KGaA ausgeführten Grundsätze und Grenzen (s Rdn 90 ff). Die Verlagerung von Kompetenzen auf den Beirat zu Lasten einer Gesellschaftergruppe ist auch bei der atypisch ausgestalteten KGaA, namentlich bei einer Kapitalgesellschaft & Co KGaA grundsätzlich zulässig (s Rdn 105 ff, insbes Rdn 108). 3. Einzelfragen zur Errichtung und zur Tätigkeit von Beiräten 111

a) Bestellung und Zusammensetzung des Beirats. Die Wahl, die Zusammensetzung und die Größe eines organschaftlichen Beirats regelt die Satzung. Selbst wenn der Beirat mit Aufgaben der Geschäftsführung betraut ist, gilt für ihn nicht der gelegentlich behauptete280 Grundsatz, dass ein Beirat nur aus Gesellschaftern bestehen dürfe und Dritte von der Wahl in den Beirat ausgeschlossen seien. Begründet wird diese Behauptung mit einer andernfalls drohenden Umgehung des MitbestG. Da dieses jedoch an die gesellschaftsrechtlich zulässigen Gestaltungen anknüpft, bleibt die bestehende Gestaltungsfreiheit insoweit erhalten.281 Auch der Grundsatz der Selbstorganschaft vermag, will man ihn überhaupt anerkennen,282 kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen: Er gilt nur für die Komplementäre, denen die genannten Mindestbefugnisse verbleiben müssen und die weiterhin für die Vertretung der Gesellschaft zuständig sind. Die Funktion des Beirats beschränkt sich dagegen auf die interne Mitwirkung an der Geschäftsführung. Gegen die Besetzung des Beirats mit Dritten bestehen daher – abgesehen von den genannten Grenzen für Strukturentscheidungen (s Rdn 103) – keine Einwände.283 Fraglich ist, ob die Stimmverbote nach § 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und Nr 2 (Wahl, Ab112 berufung und Entlastung des Aufsichtsrats) und die Inhabilitätsregelung des § 287 Abs 3 analog für Beiräte gelten. Da der Beirat nicht notwendigerweise eine Überwachungsfunktion in Bezug auf die Komplementäre wahrnimmt, kann man die Vorschriften nicht in jedem Fall analog anwenden.284 Vielmehr muss auf die konkrete Funktion des Beirats abgestellt werden: Hat er Schlichtungs- oder Beratungsfunktion, können ihn beide Gesellschaftergruppen besetzen.285 Nimmt er dagegen eine Überwachungsfunktion für die KGaA wahr oder vertritt ausschließlich die Interessen der Kommanditaktionäre, müssen die Stimmverbote286 und die Inhabilitätsregelung287 auf die Bestellung der Beiratsmitglieder erstreckt werden und dies kann nicht mit dem Argument widerlegt werden, die Geschäftsführung werde ohnehin noch vom Aufsichtsrat überwacht.288 Denn es

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280 So Rdn 97 mit Nachw in Fn 247. 281 So Rdn 94 und Vor § 287 Rdn 3. Ebenso MünchKomm/Perlitt5 87. 282 Kritisch insoweit Sethe S 116, 146 f. 283 IE ebenso MünchKomm/Perlitt5 92. Zu weiteren Einzelheiten der Diskussion, insbesondere zum Grundsatz der Verbandssouveränität, vgl Voormann Beirat2, S 110 ff. 284 Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 149. Ebenso jetzt auch MünchKomm/Perlitt5 98, § 285, 27, 29 (aA noch in der Voraufl). 285 Spindler/Stilz/Bachmann4 32. 286 Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 266; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 81; iE wohl auch Schlitt S 217; Reuter in: FS Steindorff, 1990, S 229, 245 (zur Personengesellschaft). 287 Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 149; aA MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 82 aE; Spindler/Stilz/ Bachmann4 32. 288 So aber Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 569; Spindler/Stilz/Bachmann4 32. Dieses Argument findet sich auch bei Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 152 im Hinblick auf § 100 Abs 2 Satz 1 Nr 3.

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kann für die Funktionsfähigkeit des Beirats nicht darauf ankommen, ob noch ein zweites Organ zur Überwachung vorhanden ist. Wenn die Gesellschafter dem Beirat nur eine Überwachungsaufgabe „zweiter Klasse“ zukommen lassen wollen, müssen sie in der Satzung die Anwendung von §§ 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1, 287 Abs 3 ausschließen. Tun sie dies nicht, muss er seiner Aufgabe vollumfänglich nachkommen können. Nimmt der Beirat die Vertretung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre wahr, gelten die Stimmverbote (s § 285 Rdn 37) und die Inhabilitätsregelung.289 Vertritt der Beirat die Interessen der nichtgeschäftsführungsbefugten Komplementäre gegenüber der Geschäftsführung, sind sowohl die Kommanditaktionäre als auch die geschäftsführungsbefugten Komplementäre vom Stimmrecht ausgeschlossen. Die Bestellungshindernisse von §§ 278 Abs 3, 100 Abs 2 Satz 1 Nrn 1 und 4 finden dagegen auf den Beirat keine Anwendung290 und es bleibt den Gesellschaftern überlassen, ob sie solche Bestellungshindernisse in die Satzung aufnehmen wollen. In Bezug auf § 100 Abs 2 Satz 1 gelten die zu § 287 Abs 3 angestellten Überlegungen entsprechend, so dass es auf die Funktion ankommt, die dem Beirat zukommen soll.291 Das Bestellungshindernis des § 100 Abs 2 Satz 1 Nr 3 dient der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats und ist folglich nur anwendbar, wenn dem Beirat eine solche Funktion zukommen soll.292 Handelt es sich bei der Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft & Co KGaA, sind 113 die §§ 285 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und Nr 2, 287 Abs 3 ihrem Zweck entsprechend auch auf Kommanditaktionäre zu erstrecken, die zugleich Geschäftsführer und/oder beherrschende Gesellschafter der Komplementärgesellschaft sind.293 Sie dürfen ebenfalls nicht mitstimmen bzw Mitglied eines überwachenden Beirats sein. Die Mitglieder des Beirats haben kein Stimmrecht in Fragen, in denen eine Inte- 114 ressenkollision möglich ist, wie etwa bei Abstimmungen über die eigene Entlastung, bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen oder dem Verzicht auf entsprechende Ansprüche gegen Mitglieder des Beirats oder bei der Bestellung von Sonderprüfern zur Überprüfung der Beiratstätigkeit.294 b) Kompetenzen und innere Ordnung des Beirats. Die Kompetenzen und sons- 115 tige Fragen grundsätzlicher Bedeutung sind in der Satzung festzulegen. Mangelt es an einer entsprechenden Satzungsregelung, beschränkt sich die Aufgabe eines mit Überwachungspflichten betrauten Beirats auf die Kontrolle der Geschäftsführung.295 Fehlen in der Satzung inhaltliche oder kompetentielle Regelungen über eine Geschäftsordnung für den Beirat, ist dieser befugt, sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben.296 Vom Beirat, der kraft Satzung zugunsten einer Gesellschaftergruppe (Komplementä- 116 re oder Kommanditaktionäre) bestellt ist (Gruppenorgan; synonym: gruppenorgan-

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289 Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 570. 290 Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 149 ff; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 82. 291 Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 149 f. 292 Tendenziell aA Habersack in: FS Hellwig, 2010, S 143, 150 ff, da der Beirat ja neben dem Aufsichtsrat kontrolliere, der Zweck des Überkreuzverflechtungsverbots diffus sei und „dies doch eher gegen dessen Erstreckung auf fakultative Organe“ spreche. Dies überzeugt nicht, denn die Kontrolle des Beirats soll keine solche zweiter Klasse sein. 293 Ihrig/Schlitt S 43 f, 45 f. Für eine KGaA, deren Aktien von der GmbH gehalten werden, gilt dies allerdings nicht. 294 MünchKomm/Perlitt5 99. 295 S dazu im Einzelnen 35. Ebenso MünchKomm/Perlitt5 88. 296 Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 267; Schlitt S 218; Spindler/Stilz/Bachmann4 32; Voormann Beirat2, S 168.

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schaftlicher Beirat), muss die sog Gruppenvertretung unterschieden werden,297 bei der die Stimmrechte einer Gesellschaftergruppe gebündelt werden, um eine einheitliche Stimmabgabe zu erreichen. Der Beirat kann die Funktion eines solchen Vertreters innehaben, muss es aber nicht. 117

c) Wettbewerbsverbot. Die Beurteilung der Frage, ob Beiratsmitglieder einem Wettbewerbsverbot unterliegen, hängt vor allem von den Kompetenzen des Beirats ab. Beschränken sich diese auf Überwachungs- und Beratungsaufgaben, so sollten sie keinem weiteren Wettbewerbsverbot ausgesetzt sein, als dies beim Aufsichtsrat einer AG der Fall ist. Für diesen besteht grundsätzlich kein Wettbewerbsverbot,298 vielmehr verbietet ihm seine organschaftliche Treuepflicht299 nur die Benachteiligung der Gesellschaft unter Ausnutzung der in seinem Amt erlangten Informationen.300 Das ist auf Beiratsmitglieder in entsprechender Funktion übertragbar. Anders verhält es sich, wenn dem Beirat Geschäftsführungskompetenzen oder Mitwirkungsrechte in Bezug auf die Geschäftsführung eingeräumt werden. Hier liegen die Parallelen zum Beirat in der GmbH näher, da der Aufsichtsrat in der AG, anders als die Beiräte einer GmbH, nur mittelbar und pauschal über die (zudem einem Mehrheitsentscheid unterliegende) Personalkompetenz Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen vermag. Für Aufsichtsräte (und entsprechend Beiräte) der GmbH entspricht es mittlerweile der herrschenden Meinung, sie jedenfalls für den Fall einem aus ihrer Treuepflicht folgenden Wettbewerbsverbot zu unterwerfen, dass sie auf die laufende Geschäftsführung der Gesellschaft Einfluss nehmen können.301 Dementsprechend lässt sich für Beiräte der KGaA mit entsprechenden Möglichkeiten sowohl aus dem der Beiratstätigkeit zugrunde liegenden Vertragsverhältnis als auch, bei organschaftlichen Beiräten, aus den den Beiratsmitgliedern auferlegten Treuepflichten ein Wettbewerbsverbot selbst für den Fall herleiten, dass die Beiratsmitglieder nur mittelbar über ihr Stimmrecht im Beirat Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen können.302 Angesichts der in diesem Bereich gleichwohl noch bestehenden Unsicherheiten ist eine klarstellende Regelung in der Satzung der KGaA ratsam. Zu den hierbei zu beachtenden Grenzen s § 284 Rdn 25 ff.

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d) Überwachung des Beirats. Die Tätigkeit des Beirats wird nicht vom Aufsichtsrat überwacht, es sei denn, die Satzung sähe eine entsprechende Kompetenz vor. Der Aufsichtsrat nimmt daher nur dann an den Sitzungen des Beirats in beratender oder überwachender Funktion teil, wenn es die Satzung vorsieht. Ein gesetzliches Recht auf Teilnahme an den Beiratssitzungen analog § 118 Abs 2 steht ihm nicht zu.303

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297 Ausführlich dazu K Schmidt GesR4, S 621 ff; ders ZHR 146 (1982) 525 ff. 298 KK/Mertens/Cahn3 § 116, 31; Ulmer NJW 1980, 1603, 1606 (li Sp). Zur davon zu trennenden Frage der Unvereinbarkeit eines Aufsichtsratsamts mit anderen Ämtern (Inhabilität), namentlich bei konkurrierenden Unternehmen s Lutter/Krieger6 Rdn 21 ff; zum Meinungsstand Hüffer/Koch14 § 103, 13b. 299 Die organschaftliche Treuepflicht von Aufsichtsratsmitgliedern ist allgemein anerkannt; s etwa, jeweils mwN, OLG Stuttgart 29.2.2012 – 20 U 3/11, ZIP 2012, 625, 630; Hüffer/Koch14 § 116, 7; KK/Mertens/Cahn3 § 116, 24 ff. 300 S Fleck in: FS Heinsius, 1991, S 89, 92 ff (Aufsichtsrat als Geschäftspartner der Gesellschaft), 100 ff (Drittgeschäfte). Hüffer/Koch14 § 116, 7; KK/Mertens/Cahn3 § 116, 31 f; Ulmer NJW 1980, 1603, 1605 ff. 301 S etwa Scholz/Uwe H Schneider GmbHG11 § 52, 59 iVm 506 (mit Nachw zur aA bei Rdn 505), der sogar von einem generellen Wettbewerbsverbot für Aufsichtsräte ausgeht; Armbrüster ZIP 1997, 1269, 1278. 302 Ebenso jetzt Bürgers/Fett/Bürgers § 5, 594; Spindler/Stilz/Bachmann4 32. 303 MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 85; Martens AG 1982, 113, 118 ff; MünchKomm/Perlitt5 93, 96; Schlitt S 218.

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4. Außenhaftung für schuldhaftes Fehlverhalten des Beirats bzw der Beiratsmitglieder a) Haftung der Beiratsmitglieder. Schädigen der Beirat oder einzelne seiner 119 Mitglieder einen Dritten durch ein schuldhaftes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Beiratstätigkeit, so kommt gegenüber den Dritten nur eine individuelle Außenhaftung der einzelnen Mitglieder in Betracht, die sich nach den allgemeinen und besonderen vertragsrechtlichen, quasivertraglichen oder quasideliktischen und deliktischen Haftungstatbeständen richtet. Die eventuelle Haftung der Gesellschaft für das Verhalten des Beirats bzw der Beiratsmitglieder nach § 31 BGB – in unmittelbarer oder analoger Anwendung (dazu unten Rdn 122 ff) – schließt die persönliche Haftung der einzelnen Beiratsmitglieder nicht aus.304 b) Haftung der Gesellschaft aa) Beirat der Gesellschaft. Eine Haftung der Gesellschaft für drittschädigendes Verhalten des Beirats oder einzelner seiner Mitglieder setzt voraus, dass ihr deren Verhalten nach § 31 BGB zuzurechnen ist. Dabei steht außer Frage, dass § 31 BGB auf organschaftliche Beiräte (s Rdn 89, 91) Anwendung findet, die kraft Satzungsbestimmung errichtet wurden und die eine Tätigkeit mit Außenfunktion wahrnehmen. Fraglich ist dagegen eine Zurechnung des Beiratsverhaltens, wenn der Beirat nicht ausschließlich Vertretungsfunktionen wahrnimmt, mithin als „gemischtes Organ“ oder als reines Innenorgan konzipiert ist. Als Innenorgan kann er entweder Aufgaben für die Gesellschaft im Ganzen wahrnehmen (Beirat als Aufsichtsorgan) oder er vertritt die Interessen nur einer der beiden Gesellschaftergruppen, wird also als sogenanntes Gruppenorgan tätig. Die herrschende Meinung zur Haftung der AG für das Verhalten ihrer Innenorgane sieht in diesen zwar keine „verfassungsmäßig berufenen Vertreter“, bejaht aber eine analoge Anwendung von § 31 BGB,305 in dem sie eine allgemeine Repräsentantenhaftung verwirklicht sieht: Wenn die Gesellschaft schon für ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter haften müsse, gelte dies erst recht für das drittschädigende Verhalten ihrer Innenorgane.306 Nach anderer Ansicht kommt eine Haftung der Gesellschaft für Innenorgane grundsätzlich nicht und nur ausnahmsweise für den Fall in Betracht, dass diese im Rahmen ihrer Zuständigkeiten eine Handlung mit Außenwirkung vornehmen.307 Auch die Rechtsprechung zur Innenhaftung des Beirats in der KG308 legt den Schluss nahe, die Gesellschaft hafte für das Verhalten eines Beirats nur unter der Voraussetzung, dass er nach außen als Organ der Gesamtgesellschaft auftrete, während er ansonsten lediglich der Gesellschaftergruppe, die er vertritt, verantwortlich sei. Dem Ansatz der herrschenden Meinung zur Haftung der Gesellschaft für ihre Innenorgane ist zu folgen. Sie bejaht eine Haftung der Gesellschaft nach § 31 BGB für das Ver-

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304 S etwa MünchKommBGB/Leuschner8 § 31, 35; Soergel/Hadding BGB13 § 31, 28. 305 Die streitige Frage, ob die Norm direkt oder analog gilt, kann hier offen bleiben, da dies in der Sache keine Konsequenzen mit sich bringt; ebenso K Schmidt GesR4, S 278 f. 306 KK/Mertens/Cahn3 § 116, 83; Soergel/Hadding BGB13 § 31, 11. 307 MünchKommBGB/Leuschner8 § 31, 19; Staudinger/Schwennicke, 2019, § 31BGB, 39 f. 308 BGH 22.10.1984 – II ZR 2/84, WM 1984, 1640, 1641. Sa K Schmidt GesR4, S 1674 f. Zur Qualifizierung eines Beirats, der allein die Interessen der Kommanditisten vertritt, als Gruppenorgan, mit der Folge, dass dieser nur der Gruppe, nicht aber der Gesellschaft haftet, s etwa BGH 14.4.1975 – II ZR 147/73, WM 1975, 767 f (insoweit in BGHZ 64, 238 nicht abgedruckt); BGH 1.2.1983 – II ZR 128/82, WM 1983, 555, 556 f. Näher hierzu Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 269.

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halten eines Innenorgans – unabhängig von der diesem übertragenen Funktion und unabhängig davon, ob das Innenorgan für die Gesellschaft oder eine Gesellschaftergruppe tätig wird. Unterzieht man die Tatbestandsmerkmale des § 31 BGB näherer Betrachtung, scheidet der Versuch, die Haftung der Gesellschaft für einen Beirat nach der diesem jeweils zukommenden Funktion sowie seiner Konzeption als Innen- oder Außenorgan zu differenzieren, schon aus Gründen der systematischen Auslegung der Vorschrift aus. Die Frage, welche Funktion der Beirat innehat, ist nicht in erster Linie eine solche der Bestimmung seiner Eigenschaft als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“, sondern gewinnt erst in dem Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage Bedeutung, ob der Beirat sich „bei den ihm zustehenden Verrichtungen“ drittschädigend verhalten hat. Dieses Merkmal wird zutreffend als der eigentliche Prüfstein zur Klärung der Frage angesehen, ob das fehlerhafte Verhalten lediglich bei Gelegenheit der Organtätigkeit oder in Ausfüllung derselben begangen wurde. Gerade diese Frage aber lässt sich nicht ohne eine Prüfung der Vorfrage, welche Aufgaben dem Organ zukommen, klären. Es ist daher konsequent, wenn Rechtsprechung und herrschende Meinung das Tatbestandsmerkmal des „verfassungsmäßigen Vertreters“ zunächst weit auslegen, um erst im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „bei den ihm zustehenden Verrichtungen“ eine Eingrenzung vorzunehmen. Zu Recht definiert daher die herrschende Meinung als verfassungsmäßigen Vertreter jede Person (oder jede Personengruppe), der durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentiert.309 Dabei ist es unerheblich, ob die Tätigkeit dieser Person oder Personengruppe in der Satzung festgelegt ist. Ebenso unbeachtlich ist, ob die Betreffenden über eine rechtsgeschäftliche Vollmacht für die juristische Person verfügen. Wäre dies anders, könnte die juristische Person darüber disponieren, für wen sie zu haften oder nicht zu haften bereit ist. Wendet man diese Grundsätze etwa auf einen Beirat an, der Beschlüsse der Hauptversammlung auszuführen hat, ist ein drittschädigendes Verhalten des Beirats der Gesellschaft zuzurechnen. Für die Außenhaftung einer Gesellschaft kann es keinen Unterschied machen, ob der Aufsichtsrat, für dessen Handeln die Gesellschaft nach § 31 BGB zweifelsfrei haften würde, mit der Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses betraut wurde oder ein Beirat. Die Unterscheidung zwischen Außen- und Innenorgan erweist sich damit als ungeeignet, um den Anwendungsbereich des § 31 BGB einzugrenzen. 124 Hinsichtlich der Zurechnungsfrage ist damit als Ergebnis festzuhalten, dass § 31 BGB grundsätzlich auf organschaftliche Beiräte Anwendung findet. Die Funktion des Beirats wird erst bei der Prüfung der Frage relevant, ob das schädigende Verhalten bei den ihm zustehenden Verrichtungen erfolgte. Bei reinen Innenorganen wird ein drittschädigendes Verhalten einzelner Beiratsmitglieder deshalb nur „bei Gelegenheit der Verrichtung“ erfolgt sein. Maßt sich der als Innenorgan konzipierte Beirat innerhalb seines Aufgabengebiets eine Vertretungsfunktion an, wird der Gesellschaft dieses Verhalten dagegen zugerechnet. 125

bb) Beirat einer Gesellschaftergruppe. Fraglich ist des Weiteren, ob der Beirat auch dann als verfassungsmäßig berufener Vertreter der Gesellschaft zu gelten hat, wenn er nach seiner in der Satzung festgelegten Funktion lediglich eine der beiden Gesellschaftergruppen repräsentiert. Gegen eine Zurechnung könnte sprechen, dass

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309 BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19, 21; BGH 5.3.1998 – III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1856; MünchKommBGB/Leuschner8 § 31, 14 f; Palandt/Ellenberger BGB79 § 31, 6; iE auch Staudinger/Schwennicke, 2019, § 31 BGB, 23 f, der aber eine Analogie zu § 31 BGB annimmt.

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der Beirat in diesem Fall kein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Gesellschaft ist. Legt man die vorstehend (Rdn 123) ausgeführte und begründete weite Definition des verfassungsmäßigen Vertreters zugrunde, ist ein gruppenorganschaftlich konzipierter Beirat als ein Organ der Gesellschaft anzusehen, wenn ihm eine bedeutsame, wesensmäßige Funktion der juristischen Person310 zukommt. Das bestätigt auch der Vergleich mit dem Aufsichtsrat der KGaA: Dieser kann allein ein Organ der Kommanditaktionäre sein und mit Außenwirkung handeln (s § 287 Abs 2 Satz 1). Trotzdem steht hier außer Frage, dass in diesem Fall § 31 BGB grundsätzlich Anwendung findet und erst bei der Frage der ihm übertragenen Aufgaben zu prüfen ist, ob die wahrgenommene Tätigkeit innerhalb seines Wirkungskreises lag. Der Gesellschaft ist – das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 31 BGB unterstellt – folglich im Verhältnis zu Dritten auch das Verhalten ihrer Gruppenorgane zuzurechnen. cc) Schuldrechtlicher Beirat. Auch wenn der schuldrechtliche Beirat (s Rdn 89, 126 90) lediglich aufgrund eines Vertrags mit der Gesellschaft oder einzelnen ihrer Organe tätig wird, kann er bzw einzelne seiner Mitglieder im Einzelfall eine wesentliche Funktion für die KGaA wahrnehmen und nach den vorstehend ausgeführten Grundsätzen als verfassungsmäßig berufener Vertreter der KGaA anzusehen sein. Dass er nicht in die körperschaftliche Organisation der Gesellschaft eingegliedert ist, ist unerheblich. 5. Innenhaftung von Beiratsmitgliedern. Wie bei der Außenhaftung (s Rdn 119) 127 kommt auch bei der Innenhaftung von Beiratsmitgliedern nur eine persönliche Haftung der einzelnen Mitglieder in Frage. Die Innenhaftung eines Beiratsmitglieds kommt in Betracht, wenn es seine Pflichten verletzt und hierdurch der Gesellschaft oder den Gesellschaftern ein Schaden entsteht. Wenn die Gesellschaft für das Verhalten ihres Beirats Dritten gegenüber haften muss, stellt sich die Frage eines Regresses. a) Schuldrechtliche Beiräte. Die Mitglieder schuldrechtlicher Beiräte (s Rdn 89, 90) 128 haften für Pflichtverletzungen aus positiver Forderungsverletzung (§ 280 Abs 1 BGB) des Vertrags, mit dem der Beirat errichtet wurde.311 Anspruchsberechtigter ist der Gläubiger der vertraglich geschuldeten Leistung. Hat die Geschäftsführung im Namen der Gesellschaft einen derartigen Vertrag mit externen Beiratsmitgliedern geschlossen, steht der Anspruch der Gesellschaft zu. Hat dagegen nur eine der beiden Gesellschaftergruppen einen entsprechenden Vertrag mit externen Beratern geschlossen, kann der Anspruch nur von dieser Gesellschaftergruppe geltend gemacht werden.312 Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen Mitglieder eines 129 schuldrechtlichen Beirats kann sich aufgrund der gegenüber der jeweils anderen Gesellschaftergruppe bestehenden gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht zu einer Rechtspflicht verdichten. Das ist etwa anzunehmen, wenn der eingetretene Schaden einen solchen Umfang erreicht, dass die Gesellschaft zum Erhalt ihrer wirtschaftlichen Existenz auf die Geltendmachung des Anspruchs angewiesen ist. Eine aus der Treuepflicht resultierende Pflicht zur Geltendmachung von Schadensersatz ist auch dann anzunehmen, wenn der durch die Pflichtverletzung verursachte Schaden nicht ausschließlich bei der „auftraggebenden“ Gesellschaftergruppen auftritt, sondern sich auch als Schaden der anderen Gesellschaftergruppe und/oder der Gesellschaft insgesamt niederschlägt. Die

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310 BGH 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19, 21. 311 Statt vieler Martens AG 1982, 113, 114. 312 Zu beachten ist jedoch, dass die Gesamtheit der Kommanditaktionäre nicht parteifähig ist, sondern die Parteirolle bei der Gesellschaft liegt, vgl oben Rdn 31, 62.

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anspruchsberechtigte Gesellschaftergruppe muss in diesem Fall den Schadensersatzanspruch an die Gesellschaft abtreten oder erhaltene Zahlungen abführen. b) Organschaftliche Beiräte aa) Organschaftliche Innenhaftung. Auf die Frage, nach welcher Anspruchsgrundlage sich die organschaftliche Innenhaftung der Mitglieder organschaftlicher Beiräte zu richten hat, sind unterschiedliche Antworten möglich: Zum einen ist denkbar, die für die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat der KGaA geltenden Haftungsvorschriften (§§ 283 Nr 3, 93, 116) analog anzuwenden. Weiterhin kommt eine Haftung aus positiver Forderungsverletzung (§ 280 Abs 1 BGB) wegen einer Verletzung des Anstellungsvertrags, der zwischen Gesellschaft und Beirat besteht, in Betracht. Ist das Beiratsmitglied Gesellschafter, könnte die Verletzung von Beiratspflichten schließlich zugleich eine Verletzung des Gesellschaftsvertrags darstellen und Schadensersatzansprüche der Mitgesellschafter aus positiver Forderungsverletzung nach sich ziehen. 131 Eindeutig abzulehnen ist die letztgenannte Möglichkeit der Haftung aus Verletzung des Gesellschaftsvertrags. Mitglieder eines organschaftlichen Beirats sind der Gesellschaft als Ganzes oder allenfalls der jeweils vertretenen Gesellschaftergruppe verantwortlich. Während Gesellschafterrechte eigennützig wahrgenommen werden können, ist die Organstellung fremdnützig auszuüben. Dieser Unterschied spricht auch gegen die Ansicht, diejenigen Beiratsmitglieder, die zugleich Gesellschafter sind, bei der Verletzung von Organpflichten aus positiver Forderungsverletzung des Gesellschaftsvertrags haften zu lassen oder sie lediglich dem Sorgfaltsmaßstab des § 708 BGB zu unterwerfen.313 Der Umfang der Organpflichten und die daran geknüpfte Haftung müssen an der Organstellung ansetzen und unterscheiden sich daher von gesellschaftsvertraglichen Pflichten.314 Dies gilt selbst dann, wenn der Beirat die Aufgabe hat, eigennützige Rechte der einzelnen Gesellschafter zu bündeln und wahrzunehmen. Das Organ erlangt bei der gebündelten Wahrnehmung von Individualrechten immer eine besondere Pflichtenstellung, die über die Summe der Einzelrechte hinausreicht. So kann sich etwa ein fremdnützig tätiges Organ nie auf Gleichgültigkeit oder Unwissenheit berufen, was indes dem einzelnen Gesellschafter bis zur Grenze der Treuepflichtverletzung möglich wäre. Aus einer bloßen Funktionsübertragung kann mithin nicht gefolgert werden, damit würden auch die Haftungsgrundlagen und -maßstäbe, die für den einzelnen Gesellschafter gelten, mitübertragen.315 Nur wenn der Beirat eine konkrete Weisung der Gesellschafter umsetzt, steht ihm das Privileg zu, von der Haftung frei zu werden, da in diesem Fall seine eigene Entscheidungsgewalt und dementsprechend auch seine Überprüfungspflicht ausgeschaltet sind. Damit kommen als denkbare Anspruchsgrundlagen nur eine positive Forderungs132 verletzung des Anstellungsvertrags und eine Gesamtanalogie zu den Organhaftungsvorschriften (§§ 116, 93 AktG; §§ 43, 52 GmbHG; §§ 34, 41 GenG) in Betracht. Welche Anspruchsgrundlage man als vorzugswürdig betrachtet, hängt davon ab, welche Bedeutung man dem Anstellungsverhältnis neben der organschaftlichen Stellung der

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313 So aber Schlegelberger/Martens HGB5 § 164, 26 und Rinze NJW 1992, 2790, 2793 f, der unmittelbar kraft Gesellschaftsvertrags bestellte Beiratsmitglieder aufgrund einer positiven Forderungsverletzung des Gesellschaftsvertrags haften lassen will, während dies nicht für gewählte Beiratsmitglieder gelte. Reuter in: FS Steindorff, 1990, S 229, 244, will Gesellschafter wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrags haften lassen, gesellschaftsfremde Beiratsmitglieder aber nicht. Deren Haftung lässt er offen. 314 Statt vieler Voormann Beirat2, S 188 f mwN. 315 Rohleder S 138 ff; Voormann Beirat2, S 188; anders aber Mertens in: FS Stimpel, 1985, S 417, 418; hieran zweifelnd wiederum Großfeld/Brondics AG 1987, 293, 305 (zur GmbH).

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Organmitglieder beimisst. Aufsichtsräte und Beiräte erlangen ihre Organstellung mit dem im Gesetz bzw in der Satzung vorgeschriebenen Bestellungsakt und der Zustimmung der betreffenden Person. Ob es über den Bestellungsakt und die Zustimmung hinaus noch zum Abschluss eines entsprechenden Anstellungsvertrags kommt, muss für die Begründung der Organstellung als solcher als unerheblich angesehen werden. Aus diesem Umstand folgern manche Autoren, dass es der Annahme eines ge- 133 sonderten Anstellungsvertrags überhaupt nicht bedürfe, vielmehr die gesamte Rechtsstellung des Organmitglieds aus dem Gesellschaftsrecht (Gesetz, Satzung und Gesellschafterbeschlüsse) abzuleiten oder ein Rechtsverhältnis mit einer Doppelnatur aus korporationsrechtlichem und schuldrechtlichem Inhalt zu unterstellen sei.316 An dieser Ansicht befremdet bereits, dass sie demgegenüber in Bezug auf die Mitglieder der Geschäftsführung den Abschluss eines Anstellungsvertrags annimmt,317 da sie anders nicht erklären könnte, wie es zur Regelung der Entlohnung, der Altersversorgung, von Kündigungsfristen sowie von Wettbewerbsverboten nach Beendigung der Organstellung kommen soll. Dem Bestellungsakt als solchem lassen sich jedenfalls keine diesbezüglichen Ausfüllungen des Rechtsverhältnisses zwischen Gesellschaft und Organmitgliedern entnehmen. Auch ein Gesellschafterbeschluss über die Entlohnung oder die Dauer der Beiratstätigkeit wäre nur ein einseitiger Akt der Gesellschaft, der das betroffene Organmitglied nicht binden würde. Die unterschiedliche rechtliche Einordnung von Geschäftsführung einerseits und Aufsichtsrats- und Beiratstätigkeit andererseits erscheint darüber hinaus auch deshalb als inkonsequent, weil sich der Vorgang der Bestellung sowohl von Geschäftsführungsorganen als auch von Aufsichts- und Beratungsorganen äußerlich nach dem gleichen Muster vollzieht und damit auch rechtlich gleich zu behandeln ist. Da es im Einzelfall durchaus Situationen geben wird, in denen einzelne Aufsichtsratsmitglieder mit dem Unternehmen eine besondere Vereinbarung werden treffen wollen, ist auch die Grundannahme dieser Ansicht, alles für die Organstellung Notwendige ergebe sich immer und automatisch aus dem Gesetz, unzutreffend. Von weitaus größerem Gewicht ist aber der Umstand, dass die Ansicht, der Bestellungsakt begründe nicht etwa zwei getrennte Rechtsverhältnisse, sondern weise eine Doppelnatur mit korporationsund schuldrechtlichem Inhalt auf, den Geltungsgrund der schuldrechtlichen Komponente nicht zu erklären, geschweige denn zu rechtfertigen vermag: Wollte sie ihn in der Zustimmungserklärung des Organs suchen, müsste sie auf eine Vertrags- und Willenserklärungskonstruktion zurückgreifen, von der sie erklärt, dass sie als „fiktive“318 gerade zu vermeiden sei. Wollte sie ihn dagegen in einer Art gesetzlichem Schuldverhältnis sehen, so käme es zur systemsprengenden Annahme eines durch den korporationsrechtlichen einseitigen Akt begründeten Schuldverhältnisses mit vertragsähnlichen Rechten und Leistungspflichten. Vorzugswürdig ist daher die Ansicht, die zwischen Bestellungsakt und Anstel- 134 lungsverhältnis trennt. Innerhalb dieses Meinungslagers bestehen graduelle Unterschiede in Bezug auf die Beantwortung der Frage, welche Beziehung zwischen Organstellung und Anstellungsvertrag besteht und wie letzterer zustande kommt. Hefermehl nimmt ein Nebeneinander von organschaftlicher und vertraglicher Rechtsbeziehung an.319 Zöllner/Noack sind der Auffassung, bei fakultativen Organen könne neben dem

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316 Jeweils zum Aufsichtsrat etwa Hüffer/Koch14 § 101, 2; Geßler/Geßler1, § 101, 54; Hachenburg/Schilling GmbHG7 § 52, 133. 317 Hüffer/Koch14 § 84, 2, 14; Geßler/Geßler1 § 101, 54. 318 Namentlich Hüffer/Koch14 § 101, 2 aE. 319 Geßler/Hefermehl1 § 93, 8.

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Bestellungsakt ein Anstellungsvertrag treten, müsse aber nicht.320 Mertens vertrat die Ansicht, mit dem Eintritt in die Organstellung verbinde sich zugleich ein „schuldrechtliches Anstellungsverhältnis“. Hierzu bedürfe es keiner besonderen, auf die Schaffung eines schuldrechtlichen Anstellungsverhältnisses gerichteten Willenserklärung, vielmehr liege sein Inhalt durch Gesetz und Satzung fest.321 Die Nähe dieser Ansicht zu derjenigen von der Doppelnatur des Bestellungsakts ist unübersehbar, unterscheidet sich von dieser aber dadurch, dass sie die Existenz eines Anstellungsverhältnisses als Zuordnungspunkt persönlicher Rechte und Pflichten des Organs anerkennt. Mehr noch als die Theorie von der Doppelnatur des Bestellungsakts liefe diese Ansicht, welche das Anstellungsverhältnis als Dienstverhältnis qualifiziert,322 allerdings auf die systemfremde Vorstellung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses mit vertragsrechtlichem Inhalt hinaus. Hält man die Annahme eines selbständigen Anstellungsverhältnisses (aus den dargelegten Gründen) für sinnvoll, so ist es, solange keine anderweitigen systemverträglichen Konstruktionen für die Begründung eines solchen gefunden sind, noch immer vorzugswürdig, einen Anstellungsvertrag in Gestalt eines entgeltlichen Dienstvertrags oder eines unentgeltlichen Auftrags323 anzunehmen. Dieser kommt konkludent mit der Zustimmung zur Organbestellung zum Abschluss. Sollte es hierbei zur Anwendung von Vorschriften des Dienstvertrags- oder Auftragsrechts kommen, welche in ihren Rechtsfolgen für die jeweilige Organtätigkeit als „unpassend“ anzusehen wären,324 so ließe sich dem ohne Weiteres und konsequenterweise dadurch Rechnung tragen, dass man die fraglichen Bestimmungen, soweit sie dispositives Recht enthalten, als stillschweigend abbedungen zu betrachten hätte. Keine Einigkeit besteht schließlich auch hinsichtlich der haftungsrechtlichen Fol135 gen, die sich aus dem hier vertretenen Nebeneinander von organschaftlichem Rechtsverhältnis und Anstellungsvertrag ergeben. Eine Ansicht geht davon aus, es bestünden damit zwei in Anspruchskonkurrenz stehende Anspruchsgrundlagen, wobei für das organschaftliche Rechtsverhältnis die gesetzlichen Haftungstatbestände der §§ 116, 93 AktG, § 52 GmbHG und für das vertragliche Verhältnis die positive Forderungsverletzung heranzuziehen seien.325 Um einen Gleichlauf beider Ansprüche herzustellen, bemüht diese Ansicht den Gedanken der einwirkenden Anspruchskonkurrenz.326 Nach der Gegenauffassung nimmt die gesetzliche Haftung stets auch Pflichtverletzungen des Anstellungsvertrags „in sich auf“.327 Eine dritte Meinung bejaht vertragliche Ansprüche nur in dem Umfang, in dem die Parteien bestimmte vertragliche, über das Gesetz hinausgehende Pflichten (wie etwa ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot) vereinbart haben, deren Verletzung einen Schaden bei der Gesellschaft auszulösen vermag.328 Letztlich kom-

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320 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG22 § 52, 59; ebenso K Schmidt GesR4, S 416 f (bezogen nicht nur auf fakultative Organe). 321 KK/Mertens2 § 101, 5 ff. Anders nun KK/Mertens/Cahn3 § 101, 5 f. 322 KK/Mertens2 § 101, 7 (Dienstverhältnis, auf das die Vorschriften des BGB über den Geschäftsbesorgungsvertrag des Typs Dienstvertrag – bei Unentgeltlichkeit über den Auftrag – entsprechend anwendbar sein sollen). 323 Baumbach/Hueck13 § 101, 2, 7; Rinze NJW 1992, 2790, 2794; in der Sache auch KK/Mertens2 § 101, 7. 324 Hüffer/Koch14 § 101, 2 aE (in den Rechtsfolgen „unpassende Vertragskonstruktion“). 325 BGH 7.12.1987 – II ZR 206/87, ZIP 1988, 568 ff; K Schmidt GesR4, S 1077 f; Großfeld/Brondics AG 1987, 293, 306; Fleck ZIP 1991, 1269, 1270; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus GmbHG6 § 43, 2. 326 K Schmidt GesR4, S 1078; Baumbach/Hueck/Beurkens GmbHG22 § 43, 111. 327 BGH 12.6.1989 – II ZR 334/87, GmbHR 1989, 365; BGH 9.12.1996 – II ZR 240/95, GmbHR 1997, 163, 164, jeweils zur GmbH; Hachenburg/Mertens GmbHG8 § 43, 4; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG20 § 43, 6; ebenso noch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG21 § 43, 4. 328 Scholz/Uwe H Schneider GmbHG8 § 43, 208 (anders jetzt aber Scholz/Uwe H Schneider GmbHG11 § 43, 286 unter Anschluss an die erstgenannte Ansicht, s Fn 325); wohl auch Geßler/Hefermehl1 § 83, 8.

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men aber alle angeführten Ansichten zu den gleichen Ergebnissen. Rechtsdogmatisch vorzugswürdig ist die Auffassung, die eine Anspruchskonkurrenz von organschaftlichen und vertraglichen Ansprüchen annimmt, da sich aus dem Anstellungsvertrag durchaus besondere Pflichten ergeben können, die für das Gesamtorgan gerade nicht existieren. Die beiden anderen Ansichten vermögen in derartigen Fällen nicht zu erklären, wie gerade die gesetzliche Haftung diese vertraglich vereinbarten Besonderheiten „in sich aufnehmen“ soll oder warum die Anspruchskonkurrenz nur in einigen wenigen Fällen besteht, in anderen jedoch nicht. Betrachtet man das dem Zivilrecht in vielen Bereichen bekannte Nebeneinander von gesetzlichen und vertraglichen Ansprüchen, wird auch dort nur mit den Instrumenten der Anspruchskonkurrenz, der Spezialität oder des ausnahmsweisen Vorliegens einer einwirkenden Anspruchskonkurrenz gearbeitet. Überträgt man diese Grundsätze auf den Beirat, richten sich die Rechtsfolgen von 136 Pflichtverletzungen329 seiner Mitglieder nach den gesetzlichen Haftungsbestimmungen. Die heute ganz herrschende Ansicht wendet daher auf Beiräte in Kapitalgesellschaften und in der Publikums-KG im Wege der Gesamtanalogie die §§ 116, 93 AktG, §§ 43, 52 GmbHG und §§ 34, 41 GenG analog an.330 Dem folgt zwischenzeitlich auch die Rechtsprechung, die nur anfänglich offen ließ, ob sie eine analoge Anwendung der fraglichen Bestimmungen vornimmt oder nur deren Rechtsfolgen bemüht.331 Parallel dazu kann, je nach den mit den Beiratsmitgliedern vereinbarten Pflichten, eine positive Forderungsverletzung des Anstellungsvertrags vorliegen. Aufgrund der einwirkenden Anspruchskonkurrenz unterfällt der vertragliche Anspruch dem Sorgfaltsmaßstab der Organhaftung und deren gesetzlicher Verjährung.332 Das Beiratsmitglied trägt die Beweislast dafür, dass es die Organfunktionen sorgfältig wahrgenommen hat.333 Dabei ist es unerheblich, ob man dieses Ergebnis auf die entsprechende Anwendung des § 93 AktG oder des § 282 BGB stützt.334 bb) Deliktische Innenhaftung. Neben der organschaftlichen Haftung kommt auch 137 eine deliktische Haftung eines Beiratsmitglieds in Betracht. Da das Fehlverhalten eines Beiratsmitglieds regelmäßig nur in Vermögensschäden der Gesellschaft resultieren wird, dürfte deliktischen Ansprüchen in der Praxis nur geringe Bedeutung zukommen. Soweit

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329 Sehr instruktiv ist die Aufstellung der von der Rechtsprechung bejahten Pflichtverletzungen bei Schnorbus/Ganzer BB 2017, 1795, 1796 ff mwN. 330 Hölters DB 1980, 2225, 2228; Lutter/Hommelhoff /Hommelhoff GmbHG20 § 52, 123; K Schmidt GesR4, S 1650, 1678; Reuter in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S 631, 653 f; Rohleder S 138 ff; Schnorbus/Ganzer BB 2017, 1795; Voormann Beirat2, S 187 ff; Wiedemann in: FS Schilling, 1973, S 105, 123; Yanli DStR 1991, 1352, 1354. AA aber Rinze NJW 1992, 2790, 2791 ff, der (bei der GmbH und Co KG) die Voraussetzungen der Gesamtanalogie verneint. Dagegen wollen Mertens in: FS Stimpel, 1985, S 417, 419, Konzen NJW 1989, 2977, 2986, Hölters S 48 und ders BB 1977, 105, 110, die Anspruchsgrundlage von der wahrgenommenen Funktion abhängig machen, also § 93 AktG und § 43 GmbHG bzw § 116 AktG und § 52 GmbHG anwenden. Da die Differenzierung nach der wahrgenommenen Funktion jedoch beim Pflichtenstandard ohnehin berücksichtigt wird, bietet diese Lösung keinen wirklichen Vorteil gegenüber der Gesamtanalogie. 331 Deutlich BGH 7.3.1983 – II ZR 11/82, BGHZ 87, 84, 87, mit zustimmender Anm von Brandes LM Nr 82a zu § 161 HGB; offen noch BGH 14.4.1975 – II ZR 147/73, BGHZ 64, 238, 244; BGH 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207, 213. 332 BGH 7.3.1983 – II ZR 11/82, BGHZ 87, 84, 87 mwN, mit zustimmender Anm von Brandes LM Nr 82a zu § 161 HGB. 333 BGH 7.3.1983 – II ZR 11/82, BGHZ 87, 84, 87, mit zustimmender Anm von Brandes LM Nr 82a zu § 161 HGB; BGH 22.10.1979 – II ZR 151/77, DB 1980, 71, 73; Schnorbus/Ganzer BB 2017, 1795, 1796. 334 Wiedemann in: FS Schilling, 1973, S 105, 124.

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im Einzelfall auf sie zurückgegriffen werden kann, stehen sie zu den zuvor angeführten Anspruchsgrundlagen im Verhältnis der Anspruchskonkurrenz.335 c) Beirat einer Gesellschaftergruppe. Aufgrund der Tatsache, dass die KGaA zwei Gesellschaftergruppen kennt, kann der Beirat die Funktion haben, nur eine dieser beiden Gruppen zu vertreten oder zu beraten (Gruppenorgan, so Rdn 116). Befolgt der Beirat in einem solchen Fall die Weisungen der Gesellschaftergruppe pflichtwidrig nicht oder hat der Beirat durch eigenmächtige Handlungen oder schuldhaft falsche Beratung einen Schaden verursacht, stellt sich auch hier die Frage nach seiner Haftung. 139 Da der Beirat keine gesamtgesellschaftlichen Aufgaben wahrnimmt, sondern nur zugunsten einer Gesellschaftergruppe tätig wird, ist bei der Suche nach der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage die Vorfrage zu klären, ob der Beirat nur in einem Rechtsverhältnis zur fraglichen Gruppe oder auch zur Gesellschaft steht.336 Betrachtet man ihn lediglich als „Organ der Gruppe“, so haftet er nur aus dem der Beauftragung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis.337 Sieht man in dem Gruppenbeirat dagegen zugleich auch ein Organ der Gesellschaft, dann kommen als Anspruchsgrundlagen wiederum die Normen zur Organhaftung und die positive Forderungsverletzung des Anstellungsvertrags in Betracht.338 140 Da bei körperschaftlich strukturierten Gesellschaften die Organisation von den persönlichen Gesellschafterrechten losgelöst ist, muss man dem kraft Satzung errichteten Beirat Organqualität zusprechen. Dies unterscheidet organschaftliche Beiräte gerade von schuldrechtlichen Beiräten und Gruppenvertretungen, denen die Funktion einer bloßen Stimmrechtsvertretung einer Gesellschaftergruppe zukommt.339 Gestützt wird die Einordnung des Beirats als Organ der Gesellschaft durch einen Vergleich mit dem eine Vertretung nach § 287 Abs 2 Satz 1 wahrnehmenden Aufsichtsrat der KGaA. Auch in diesem Fall wird der Aufsichtsrat lediglich zugunsten einer Gesellschaftergruppe tätig, verliert dabei aber nicht seine Stellung als Organ der Gesellschaft. Nur soweit es um die Beantwortung der Frage geht, wessen Interessen der Aufsichtsrat in seiner Vertreterrolle zu wahren hat, wird die Tatsache, dass er für eine der Gesellschaftergruppen handelt, relevant. Daraus folgt, dass der aus dem Fehlverhalten des Beirats resultierende Anspruch der Gesellschaft zusteht.340 Die Gegenansicht, die den Anspruch allein der Gruppe und nicht der Gesellschaft 141 zuweisen will,341 stützt dies auf eine Übertragung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Publikumskommanditgesellschaft342 auf die KGaA. Hierbei lässt sie aller138

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335 Scholz/Uwe H. Schneider GmbHG11 § 43, 286; zu den sich hieraus ergebenden internationalprivatrechtlichen Fragen Ahrens IPRax 1986, 355, 359. 336 Einen Überblick über die hierzu vertretenen Positionen gibt Voormann Beirat2, S 63 ff. 337 So Reuter in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S 631, 655; Uwe H Schneider DB 1973, 953, 957. 338 Voormann Beirat2, S 207. 339 Voormann Beirat2, S 64 f, 207; Hölters BB 1977, 105, 106. 340 Assmann/Sethe in: FS Lutter, 2000, S 251, 278; Hölters BB 1977, 105, 111; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 84; Schnorbus in: FS Winter, 2011, S 627, 657. 341 Zur KGaA noch MünchHdBAG/Herfs2 § 77, 63; allgemein K Schmidt GesR4, S 1674 f; Reuter in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S 631, 655; wohl auch Wiedemann in: FS Schilling, 1973, S 105, 109. 342 BGH 14.4.1975 – II ZR 147/73, WM 1975, 767, 768 (insoweit in BGHZ 64, 238 nicht abgedruckt); BGH 1.2.1983 – II ZR 128/82, WM 1983, 555, 556 f, jeweils zur Publikums-KG. In beiden Urteilen lehnte der BGH die Einordnung des Beirats als Gruppenorgan ab. Bemerkenswert auch BGH 22.10.1984 – II ZR 2/84, WM 1984, 1640, 1641, mit zustimmender Anm Hommelhoff EWiR § 161 HGB 1/85, 109: Hier wird der Beirat als Organ der Gesellschaft angesehen, weil er im Gesellschaftsvertrag als solches bezeichnet wurde und neben der bloßen Wahrnehmung der Kontrollrechte der Kommanditisten auch noch andere Aufgaben erfüllte.

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Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung | § 288

dings den strukturellen Unterschied zwischen der Personengesellschaft und der Körperschaft unberücksichtigt. Darüber hinaus vermeidet sie es, auf die sich nach dem Sachverhalt und den Entscheidungsgründen der einschlägigen Urteile aufdrängende Frage einzugehen, ob der Bundesgerichtshof mit seinen Ausführungen nicht lediglich die sog Gruppenvertreter erfassen wollte. Im Ergebnis dürfte aber auch diese Auffassung letztlich zu dem Schluss gelangen, dass der der Gruppe zustehende Schadensersatzanspruch der Gesellschaft insgesamt zugutekommen muss, denn die Treuepflicht, der die Gruppe unterliegt, wird es dieser gebieten, den Anspruch gegen den Beirat zu verfolgen, wenn nicht gar von vornherein an die Gesellschaft abzutreten. Dies hätte zur Folge, dass der Gesellschaft zumindest mittelbar ein solcher Anspruch zustünde.343 Dann aber erscheint es einfacher, den Anspruch gleich der Gesellschaft zuzubilligen. d) Die Haftung von Beiratsmitgliedern aus §§ 278 Abs 3, 117. Ungeachtet der 142 Konzeption des Beirats unterliegen seine Mitglieder der Haftung nach § 117. Die Vorschrift, die über § 278 Abs 3 auch für die KGaA gilt, löst eine Haftung eines Beiratsmitglieds für den Fall aus, dass es vorsätzlich seinen Einfluss auf die Unternehmensleitung, den Aufsichtsrat oder die Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten nutzt, um die in diesen Positionen tätigen Personen zu einem das Unternehmen schädigenden Verhalten zu bestimmen. Eine besondere gesellschaftsrechtlich eingeräumte Einflussmöglichkeit setzt das Gesetz nicht voraus. Bei § 117 genügt vielmehr jeder tatsächliche Einfluss, der nach Art und Intensität geeignet ist, die Führung des Unternehmens zu einem schädlichen Verhalten zu veranlassen.344 Deshalb kann sowohl das schuldrechtlich bestellte wie das organschaftliche Beiratsmitglied in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen.

§ 288 Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung § 288 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-036

(1) 1Entfällt auf einen persönlich haftenden Gesellschafter ein Verlust, der seinen Kapitalanteil übersteigt, so darf er keinen Gewinn auf seinen Kapitalanteil entnehmen. 2Er darf ferner keinen solchen Gewinnanteil und kein Geld auf seinen Kapitalanteil entnehmen, solange die Summe aus Bilanzverlust, Einzahlungsverpflichtungen, Verlustanteilen persönlich haftender Gesellschafter und Forderungen aus Krediten an persönlich haftende Gesellschafter und deren Angehörige die Summe aus Gewinnvortrag, Kapital- und Gewinnrücklagen sowie Kapitalanteilen der persönlich haftenden Gesellschafter übersteigt. (2) 1Solange die Voraussetzung von Absatz 1 Satz 2 vorliegt, darf die Gesellschaft keinen unter § 286 Abs 2 Satz 4 fallenden Kredit gewähren. 2Ein trotzdem gewährter Kredit ist ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren. (3) 1Ansprüche persönlich haftender Gesellschafter auf nicht vom Gewinn abhängige Tätigkeitsvergütungen werden durch diese Vorschriften nicht berührt. 2 Für eine Herabsetzung solcher Vergütungen gilt § 87 Abs 2 Satz 1 und 2 sinngemäß.

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343 So in der Tat Reuter in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S 631, 655, der allerdings die Gegenauffassung vertritt (vgl Fn 341). 344 KK/Mertens/Cahn3 § 117, 16; Hüffer/Koch14 § 117, 3.

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Schrifttum Bachmann Die Haftung des Geschäftsleiters für die Verschwendung von Gesellschaftsvermögen, NZG 2013, 1121; Backhaus Die Auswirkungen der Neuregelungen zur Vorstandsvergütung im ARUG II auf die börsennotierte Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), AG 2020, 462; M Fischer Die Besteuerung der KGaA und ihrer Gesellschafter, DStR 1997, 1519; Gail Auswirkungen des Aktiengesetzes 1965 auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien, WPg 1966, 425; Herfs Vereinbarungen zwischen der KGaA und ihren Komplementären, AG 2005, 589; Kopec/Schade Der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA vs. der atypisch stille Gesellschafter, FR 2017, 811; Schlütter Handelsrechtliche und steuerrechtliche Behandlung der Gewinnanteile der Komplementäre einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, StuW 1978, 295; Schönemann Die Vergütung der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften, 2012; Sethe Die Besonderheiten der Rechnungslegung bei der KGaA, DB 1998, 1044; Voges Die Bilanz der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Göttingen 1928; Wichert Die Finanzen der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999. S im Übrigen das zu §§ 278, 286 angeführte Schrifttum.

Rechtsprechung BFH (21.6.1989) X R 14/88, BFHE 157, 382 = NJW 1990, 1812 = AG 1990, 32 = BB 1989, 2087 = DB 1989, 2203: Ermittlung des Gewinnanteils des Komplementärs einer KGaA; BFH (7.9.2016) I R 57/14, DStR 2017, 193 = AG 2017, 782 = BFHE 255, 427 = BB 2017, 559 = DB 2017, 160 = ZIP 2017, 865: Ansatz zusätzlicher Anschaffungskosten im Zusammenhang mit der Übernahme einer Beteiligung des Komplementärs einer KGaA in die Ergänzungsbilanz; BGH (21.4.1955) II ZR 227/53, BGHZ 17, 130 = WM 1955, 802: Spielraum der Gesellschafter einer OHG bei Bewertung von Gesellschaftereinlagen; BGH (24.11.1958) II ZR 77/57, BB 1959, 92 = DB 1959, 199 = WM 1959, 137: unterbewertete Sacheinlage in der Auseinandersetzung einer OHG; BGH (29.5.1967) VII ZR 66/65, BGHZ 48, 70 = BB 1967, 857 = NJW 1967, 1905 = MDR 1967, 754 = LM § 812 BGB Nr 76 (Rietschel): Durchgriff bei Doppelmangel in der Bereicherungskette; BGH (16.12.1971) II ZR 38/69, WM 1972, 213: Bei Auseinandersetzung einer KG stehen Erlös und Gewinn aus dem Verkauf eines von einem Gesellschafter dem Wert nach eingebrachten Grundstücks allen Gesellschaftern zu; BGH (24.1.1974) II ZR 128/71, AG 1974, 187 = BB 1974, 522 = DB 1974, 572 = WM 1974, 276: Vermögensverteilung im Falle des Ausscheidens der Komplementäre anlässlich der Umwandlung einer KGaA in eine AG; BGH (30.9.1974) II ZR 148/72, WM 1974, 1151: Recht zur Erhöhung der Kaptalanteile durch Mehrheitsbeschluss; BGH (5.12.1974) II ZR 24/73, WM 1975, 325 = BB 1975, 852: Bewertung von Gesellschaftereinlagen; BGH (24.3.1980) II ZR 88/79, BGHZ 76, 338 = BB 1980, 695 = DB 1980, 1116 = MDR 1980, 650 = NJW 1980, 1689 = WM 1980, 526 = ZIP 1980, 447: Zustimmung aller Gesellschafter zur Wahl des Abschlussprüfers; BGH (6.4.1981) II ZR 186/80, BGHZ 80, 357 = BB 1981, 1541 = DB 1981, 2021 = NJW 1981, 2563 = WM 1981, 1074 = ZIP 1981, 1090 = LM § 197 BGB Nr 13 (Brandes): der gesellschaftsrechtliche Gewinnanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist; BGH (6.4.1987) II ZR 101/86, WM 1987, 689 = BB 1987, 1276 = DB 1987, 1246 = NJW 1987, 3124 = ZIP 1987, 909 = EWiR § 714 BGB 1/87, 673 (Schmidt) = WuB II J § 714 BGB 1.87 (Sonnenhol): persönliche Haftung der Gesellschafter nach Umwandlung einer KG in eine GmbH; BGH (19.2.1990) II ZR 268/88, BGHZ 110, 342 = BB 1990, 980 = DB 1990, 980 = KTS 1990, 480 = NJW 1990, 1725 = LM § 161 HGB Nr 108 = EWiR § 30 GmbHG 3/90, 479 (Bergmann) = WuB II G § 30 GmbHG 3.91 (Werner): Anspruch der GmbH & Co. KG gegen den Kommanditisten auf Erstattung verbotener Vermögensauszahlungen;

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BGH (29.3.1996) II ZR 263/94, BGHZ 132, 263 = BB 1996, 1105 = DB 1996, 926 = NJW 1996, 1678 = ZIP 1996, 750 = LM H. 8/1996 § 119 HGB Nr 34 (Müller) = WuB II F § 166 HGB 1.96 (Hennrichs): Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter zur Feststellung der Jahresbilanz einer KG; BGH (15.1.2007) II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 = AG 2007, 493 = BB 207, 1128 = DB 2007, 564 = NJW 2007, 1685 = WM 2007, 501 = ZIP 2007, 475 (Otto): Feststellung der Bilanz einer KG durch Mehrheitsbeschluss; OLG Hamburg Hans RGZ 1930, B 196, 208: Zulässigkeit einer Ermächtigung zur Festsetzung der Höhe der Vergütung durch den Aufsichtsrat oder ein anderes Organ; OLG Hamm (11.4.1969) 8 W 22/69, AG 1969, 295: Bekanntgabe des Gewinnanteils der persönlich haftenden Gesellschafter in der Hauptversammlung.

I. II.

III.

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Systematische Übersicht Normzweck und Normentwicklung | 1–4 Ermittlung und Verteilung von Gewinn und Verlust | 5–42 1. Einleitung | 5 2. Anknüpfungspunkt bei der Gewinnermittlung | 6 a) Entwicklung der Diskussion | 6 b) Vorzugswürdigkeit der getrennten („dualistischen“) Gewinnermittlung | 15 aa) Systematische Auslegung | 15 bb) Teleologische Auslegung | 17 cc) Historische Auslegung | 18 dd) Praktikabilität | 22 3. Ermittlung des Komplementärgewinns | 23 a) Feststellung und Prüfung der fiktiven Ergebnisrechnung | 23 b) Maßgebliches Recht für die Aufstellung der fiktiven Ergebnisrechnung | 24 4. Berechnung und Verteilung des Gewinns und Verlusts | 31 a) Berechnung und Verteilung des Gewinns | 31 b) Berechnung und Verteilung des Verlusts | 35 c) Auswirkung auf die Bilanz der KGaA | 36 5. Satzungsautonomie | 37 a) Bedarf für Satzungsregelungen | 37 b) Gewinnermittlung und Gewinnverteilung | 38 c) Verlustbeteiligung | 42 Entnahmen (Abs 1) | 43–72 1. Entnahmerecht (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 122 HGB) | 43

IV. V.

a) Kommanditaktionäre | 43 b) Komplementäre | 44 2. Entnahmesperren (Abs 1) | 51 a) Entnahmesperre bei negativem Kapitalanteil (Abs 1 Satz 1) | 52 b) Entnahmesperre bei Gefährdung der Kapitalgrundlagen (Abs 1 Satz 2) | 54 c) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt und Reichweite der Entnahmesperren | 56 3. Gesetzwidrige Entnahmen | 58 4. Satzungsregelungen | 61 a) Allgemeine Modifikationen des Entnahmerechts | 62 b) Erweiterungen des Entnahmerechts | 66 c) Begrenzungen des Entnahmerechts | 69 Unzulässige Kredite (Abs 2) | 73–75 Tätigkeitsvergütungen (Abs 3) | 76–95 1. Überblick | 76 2. Tätigkeitsverträge | 78 3. Vergütungsschranken | 86 a) Auszahlungssperre für gewinnabhängige Tätigkeitsvergütungen | 86 aa) Ratio legis und der Begriff der Tätigkeitsvergütung | 86 bb) Einzelne Ausgestaltungen | 89 cc) Auszahlungsverbot | 92 b) Herabsetzung der Tätigkeitsvergütung (Abs 3 Satz 2) | 93 aa) Voraussetzungen | 93 bb) Zuständigkeit | 95

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I. Normzweck und Normentwicklung Die Gewinn- und Verlustbeteiligung der Komplementäre richtet sich nach Personengesellschaftsrecht (über § 278 Abs 2 iVm §§ 168, 161 Abs 2, 121 Abs 1, 2 HGB). Dieses sieht die persönliche Haftung als ausreichenden Gläubigerschutz an und überlässt daher die Gewinn- und Verlustbeteiligung einer weitgehenden Satzungsautonomie. Bei der KGaA hingegen reichte dem Gesetzgeber der so vermittelte Gläubigerschutz und Schutz der Mitgesellschafter1 nicht aus2 und er schränkte die Satzungsautonomie daher ein. Absatz 1 beschränkt das Entnahmerecht der Komplementäre und Absatz 2 eine Kreditgewährung an die Komplementäre. Von diesen Schranken unberührt bleibt freilich eine Tätigkeitsvergütung, die jedoch nach den für den Vorstand geltenden Vorschriften herabgesetzt werden kann (Absatz 3). Nicht geregelt wird die Art der Gewinnermittlung. 2 Mit dem AktG 1965 trat § 288 an die Stelle von § 230 AktG 1937. Absatz 1 der Bestimmung regelt das Entnahmerecht der persönlich haftenden Gesellschafter und enthält zahlreiche Änderungen des § 230 AktG 1937. Dessen Absatz 1 hatte jede Gewinnauszahlung oder Entnahme für den Fall verboten, dass die Bilanz der Gesellschaft einen Verlust aufwies, der höher war als die Summe der Sondereinlagen aller Komplementäre. Die Neuregelung durch § 288 Abs 1 enthält eine doppelte Entnahmesperre, die jedoch gegenüber der Altregelung teilweise abgeschwächt ist. So stellt Absatz 1 Satz 1 darauf ab, ob der Verlustanteil des einzelnen Komplementärs seinen Kapitalanteil übersteigt. Somit kann ein geringfügiger Bilanzverlust bei der Gesellschaft nicht mehr automatisch dazu führen, dass den Komplementären jede Entnahme verwehrt ist. Der Gesetzgeber trug mit dieser Neuregelung Bedenken aus der Praxis Rechnung.3 Neu eingeführt wurde Absatz 1 Satz 2. In diesem wird auf die Summe der Zahlungsverpflichtungen aller Komplementäre an die Gesellschaft abgestellt. Insoweit hat die Entnahmesperre auch heute noch eine „kollektive Perspektive“. Die in § 230 Abs 2 AktG 1937 enthaltene Regelung wurde 1965 gestrichen. Sie be3 gründete die Pflicht, aus den Gewinnanteilen der Komplementäre die gesetzliche Rücklage zu dotieren. Die Änderung wurde damit begründet, dass aufgrund der persönlichen Haftung der Komplementäre das Bedürfnis der Gesellschaftsgläubiger nach Auffüllung der Rücklage durch die persönlich haftenden Gesellschafter nicht geboten sei.4 Hinzu kam, dass die Altregelung zu erheblichen Abrechnungsschwierigkeiten bei der Liquidation und Auseinandersetzung geführt hatte. Die Gesetzesänderung hat zur Folge, dass die Komplementäre nicht mehr an Rücklagen beteiligt sind, es sei denn, diese wurden vor 1965 gebildet.5 Dessen ungeachtet ist es nach wie vor möglich, in der Satzung eine Beteiligung der Komplementäre an der Rücklagenbildung vorzusehen.6 Die Absätze 2 und 3 des § 288 wurden 1965 neu eingeführt. Absatz 1 Satz 2 wurde durch Art 2 Nr 64 des Bilanzrichtliniengesetzes7 neu gefasst: 4 Der Passus „solange die Summe aus … nicht durch Einlagen gedeckten Verlustanteilen 1

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1 Enger Spindler/Stilz/Bachmann4 1, der von „Kapitalschutz“ spricht, obwohl die Komplementäre nicht am Grundkapital beteiligt sind und auch nicht zwingend Sondereinlagen leisten müssen (s § 281 Rdn 14). Auch dient Absatz 3 Satz 2 nicht ausschließlich dem Gläubigerschutz, sondern auch dem Schutz der Gesellschaft und der Mitgesellschafter, vgl MünchKomm/Spindler5 § 87, 1. 2 Ebenso Schmidt/Lutter/Schmidt3 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 1. 3 Kropff AktG, 1965, S 371. 4 Kropff AktG, 1965, S 371. Zu Recht kritisch zur Begründung der Streichung (es entfiel eine „zusätzliche Sicherheit“) MünchKomm/Perlitt5 2. 5 3. Aufl Barz 1; MünchKomm/Perlitt5 2. 6 Gail WPg 1966, 425, 427. 7 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BilanzrichtlinienG) vom 19.12.1985, BGBl I 2355.

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persönlich haftender Gesellschafter …“ wurde durch die Formulierung „solange die Summe aus … Einzahlungsverpflichtungen, Verlustanteilen persönlich haftender Gesellschafter …“ ersetzt und damit an § 286 Abs 2 Satz 3 angepasst. Durch Art 1 Nr 8 des Vorstandsvergütungsgesetzes8 wurde § 288 Abs 3 Satz 2 um einen zusätzlichen Verweis auf Satz 2 von § 87 Abs 2 ergänzt. II. Ermittlung und Verteilung von Gewinn und Verlust 1. Einleitung. Die Gewinnermittlung und Gewinnverteilung ist in den §§ 278–290 5 keiner speziellen Regelung unterworfen worden und beurteilt sich deshalb nach § 278. Die Regelung der diesbezüglichen Fragen durch Verweis hat dazu geführt, dass die Gewinnermittlung und -verteilung in zahlreichen Punkten umstritten ist. Da die KGaA über zwei Gesellschaftergruppen verfügt, lassen sich die für die Aktiengesellschaft maßgeblichen Grundsätze der Gewinnermittlung und -verteilung nicht ohne Weiteres auf die KGaA übertragen. Der Anknüpfungspunkt bei der Gewinnermittlung, die Bewertung, die Bilanzierung, die Gewinnverteilung sowie die Reichweite der Satzungsautonomie sind deshalb Bereiche, die einer KGaA-spezifischen Beurteilung bedürfen. 2. Anknüpfungspunkt bei der Gewinnermittlung a) Entwicklung der Diskussion. Die Diskussion zur Gewinnermittlung war durch 6 verschiedene Parameter gekennzeichnet, nämlich ob man die Gewinnermittlung über § 278 Abs 2 oder dessen Abs 3 vornimmt, ob im Rahmen der Bilanzierung die Regeln zu Personen- oder zu Kapitalgesellschaften zur Anwendung kommen und ob bzw wie das so gefundene Ergebnis zu korrigieren ist, um den Besonderheiten der Rechtsstellung der Komplementäre Rechnung zu tragen. Die Diskussion lässt sich grob in vier Ansichten unterteilen:9 (1) Gemäß der bislang herrschenden Meinung10 ist der auf die Komplementäre entfallende Gewinnanteil nach Personengesellschaftsrecht zu ermitteln, da die Gewinnermittlung zum Rechtsverhältnis zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre gehört (§ 278 Abs 2). Die Gewinnermittlung erfolgt in zwei Stufen (sog dualistische Gewinnermittlung): Vor der eigentlichen Aufstellung des Jahresabschlusses nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln ist nach dieser Ansicht daher eine fiktive Bilanz11 anzufertigen. Diese bedarf keiner geson-

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8 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.7.2009, BGBl I 2509. 9 Die Entscheidung des Meinungsstreits wurde offen gelassen in BFHE 157, 382, 391 = NJW 1990, 1812, 1814 f; BFH 7.9.2016 – I R 57/14, DStR 2017, 193 Rdn 14; ebenso von Drüen/van Heek DStR 2012, 541, 543 f (vielfach auch für die Gegenansicht reklamiert). 10 OLG Hamm 11.4.1969 – 8 W 22/69, AG 1969, 295; Baumbach/Hueck13 5; Bödefeld in: FS Rädler, 1999, S 33, 51; Bogenschütz in: FS Widmann, 2000, S 163, 171; Elschenbroich S 88 ff; L Fischer S 66; M Fischer DStR 1997, 1519, 1521; Gail WPg 1966, 425, 427; Godin/Wilhelmi4 3; Graf S 55 ff; Hesselmann GmbHR 1988, 472, 476; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 192; MünchKomm/Perlitt5 6 f, § 286, 20 ff; Ritter § 219, 4c; Schaumburg DStZ 1998, 525, 529; Schaumburg/Schulte Rdn 27 f; Schlegelberger/Quassowski3 § 230, 1, 3; Schlitt S 223 f; Sethe S 187; ders DB 1998, 1044, 1045; 4. Aufl Assmann/Sethe 6 ff; Teichmann/Koehler3 § 230, 1; Theisen DBW 1989, 137, 154 (vielfach auch für die Gegenansicht reklamiert); Würdinger AktR4 S 256. Ebenso schon Voges S 26 ff, dessen Ausführungen zeigen, wie kontrovers die Frage bereits vor dem AktG 1937 diskutiert wurde. 11 Vielfach wird an Stelle des Begriffs der „fiktiven Bilanz“ derjenige der „internen Sonderbilanz“ (zuletzt etwa Wichert S 140 ff) verwandt, doch ist Letzterer bereits für die steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften (Sonderbetriebsvermögen) reserviert (vgl etwa Schmidt/Wacker EStG39, § 15, 506 ff, 475) und sollte deshalb, zur Vermeidung von Irrtümern, nicht verwendet werden.

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derten Prüfung, sondern wird im Rahmen der regulären Abschlussprüfung mitgeprüft,12 da ihre Ergebnisse in die (externe) Bilanz der KGaA einfließen. Mit Hilfe dieser fiktiven Bilanz wird der auf die Komplementäre und auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre entfallende Gewinn nach personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen ermittelt. Anschließend ist die Bilanz der KGaA nach aktienrechtlichen Grundsätzen aufzustellen. Schließlich erfolgte die Gewinnverteilung wie folgt: Der auf die Komplementäre entfallende Gewinn wurde dem Kapitalanteil zugeschrieben, ein Verlust von ihm abgeschrieben.13 Die Ermittlung des auf die einzelnen Kommanditaktionäre entfallenden Gewinns richtet sich demgegenüber nach § 278 Abs 3, da insoweit das Rechtsverhältnis der Einzelaktionäre betroffen ist.14 Damit ist die (externe) Bilanz der KGaA Anknüpfungspunkt bei der Ermittlung des auf die Kommanditaktionäre entfallenden Gewinns. (2) Innerhalb dieser Ansicht bestand Uneinigkeit, ob für den fiktiven Abschluss die Bewertungsregeln für Personengesellschaften oder für Kapitalgesellschaften gelten.15 (3) Die Gegenansicht16 spricht sich für einen einheitlichen Anknüpfungspunkt für die Gewinnberechnung beider Gesellschaftergruppen aus (sog monistische Gewinnermittlung). Für sie ist der in der Bilanz nach aktienrechtlichen Grundsätzen ermittelte Jahresüberschuss auch für den auf die Komplementäre entfallenden Gewinnanteil maßgeblich, was zur Folge hat, dass eine interne fiktive Bilanz als nicht erforderlich angesehen wird. Die Gewinnermittlung unterliegt nach dieser Ansicht den nach § 278 Abs 3 anwendbaren Regeln; erst die Gewinnverteilung soll sich nach Personengesellschaftsrecht (§ 278 Abs 2) richten. Eine zweifache Bilanzierung, so wird argumentiert, widerspreche den Grundprinzipien der aktienrechtlichen Bilanzierung und dem Grundsatz der Kapitalerhaltung. Diese Vorgehensweise hat vor allem drei Konsequenzen: In die Gewinnberechnung der Komplementäre fließen nicht nur die Geschäftsvorfälle des laufenden Jahres ein; noch nicht ausgeglichene Verluste früherer Jahre mindern folglich den Gewinn. Auch Zuweisungen zu den Rücklagen mindern den Jahresüberschuss und damit den Gewinn der Komplementäre. Außerdem kann man einem Komplementär in Jahren, in denen die KGaA nach der externen Bilanz keinen Gewinn ausweisen kann, die fiktive Bilanz aber einen solchen aufweist, keine Entschädigung für die Übernahme der persönlichen Haftung zukommen lassen. Nach Personengesellschaftsrecht wäre es hingegen möglich, eine solche Entschädigung auf den Kapitalanteil zu buchen. Der Gläubigerschutz würde durch die Entnahmesperre sichergestellt. (4) Innerhalb der Ansicht, die eine einzige Bilanz zur Gewinnermittlung zugrunde legt, wird weiterhin die Ansicht vertreten, dass man – um der hybriden Natur der KGaA Rechnung zu tragen – vor der Gewinnverteilung eine Korrektur der ermittelten Bilanz im Wege einer Zwischenrechnung vornehmen müsse.17

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12 MünchKomm/Perlitt5 § 286, 26. 13 Vgl § 286 Rdn 39 ff. 14 Vgl Vor § 278 Rdn 57. 15 Für Letzteres bereits Baumbach/Hueck13 5 sowie MünchKomm/Perlitt5 § 286, 25. 16 Namentlich KK/Mertens/Cahn3 § 286, 5 ff; ders in: FS Barz, 1974, S 253, 256 ff. Ebenso Adler/Düring/Schmaltz6 § 286, 55 ff; Ammenwerth S 51 ff; BeckBil-Komm/Störk/Kliem/Meyer12 § 272 HGB, 322; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 52; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 1, § 286, 1; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 144; Geßler BB 1973, 1080; Happ/Pühler5 1.03, 31.1; Heidel/Wichert5 1 ff; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 11; Hüffer/Koch14 2; Otte S 211; Philbert S 212 ff; Schlütter StuW 1978, 295, 296; Schmidt/Lutter/Schmidt3 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 286, 5; Wichert S 141 ff; Winnefeld5 Rdn L 1258; früher auch Würdinger AktR3 S 231. 17 Vgl etwa Adler/Düring/Schmaltz6 § 286, 58; Bürgers/Fett/Schießer § 6, 49; Heidel/Wichert5 1 ff; KK/Mertens/Cahn3 § 286, 5 ff.

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Auf den ersten Blick erscheint die Bedeutung dieses Meinungsstreits überbewertet.18 In der Tat hat er zunächst nur Bedeutung für Gesellschaften, die nicht bereits im Wege einer Satzungsregelung eine Rechtslage hergestellt haben, bei der es auf den Streit über die Art der Gewinnermittlung nicht mehr ankommt.19 Dies wäre etwa der Fall, wenn die Komplementäre einen Anteil am Jahresüberschuss oder einen von der ausgeschütteten Dividende abhängigen Gewinnanteil erhalten (s Rdn 38, 39 aE). Fehlt eine solche Satzungsregelung, zeitigen die beiden Ansichten jedoch unterschiedliche Rechtsfolgen, die sich an sechs Stellen zeigen: – Die Vertreter der dualistischen Gewinnermittlung halten eine separate (interne) Bilanz für erforderlich, um der besonderen Rechtsstellung des Komplementärs Rechnung zu tragen. Demgegenüber versuchten die Vertreter der monistischen Gewinnermittlung, dieses Ergebnis durch eine Korrektur des für die KGaA ermittelten Jahresüberschusses zu erreichen. Beide Ansichten sehen sich also zu einer Korrektur genötigt. Denn – und hier sind sich alle Ansichten einig – weder die Gewinnermittlung rein nach Personengesellschaftsrecht noch diejenige rein nach Aktienrecht führt zu einem Ergebnis, das die Interessen der beiden Gesellschaftergruppen gleichermaßen berücksichtigt. Unterschiedlich beurteilt wird nur, auf welchem Weg diese Korrektur vorgenommen werden muss. Die dualistische Vorgehensweise verlangt dafür eine gesonderte fiktive Bilanz nach Personengesellschaftsrecht. Der so ermittelte, auf die Komplementäre entfallende Gewinn wird in der externen Bilanz der KGaA als Aufwand verbucht und mindert deren Überschuss. Die monistische Auffassung bilanziert nur einmal und korrigiert diese Bilanz zum Zwecke der Ermittlung des Komplementärgewinns mittels einer Zwischenrechnung. Diese betrifft lediglich die Posten „Gewinn- und Verlustvortrag“, „Rücklagenbildung“ und „Körperschaftssteuer“.20 Sie kann für sich die Unkompliziertheit und Klarheit des Vorgehens ins Feld führen. – Gravierend weichen beide Ansichten jedoch im Hinblick auf die Satzungsautonomie ab. Folgt man der hier vertretenen Ansicht, dass die Ermittlung des Gewinns der Komplementäre dem Personengesellschaftsrecht unterliegt, greift die Satzungsautonomie ein (278 Abs 2). Daher könnten die Komplementäre sowohl untereinander als auch im Verhältnis zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre Abreden in der Satzung hinsichtlich der fiktiven Bilanzierung treffen (s Rdn 28, 38). Die Gegenansicht ist widersprüchlich. Ausgehend allein von einer externen Bilanz lässt sie diesbezüglich keine Satzungsautonomie zu,21 erlaubt aber Abreden hinsichtlich der von ihr angestellten Zwischenrechnung,22 obwohl sie diese als Teil der nach §§ 278 Abs 3, 23 Abs 5 zwingend geregelten Gewinnermittlung ansieht und nicht als Teil der Gewinnverteilung. – Das von der Gegenansicht teilweise vertretene Argument, die Komplementäre hätten mit der Beteiligung an der KGaA auf die Satzungsautonomie verzichtet,23 ist ein Zirkelschluss, denn es ist erst noch zu prüfen, ob der KGaA in diesem Bereich Satzungsautonomie zukommt. Auch verhalten sich einige Vertreter der Gegenansicht widersprüchlich. Sie wollen bei § 281 Abs 2 eine Vereinbarung über die Abschrei-

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18 So der Befund von MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 10; MünchKomm/Perlitt5 § 286, 20, 25. 19 MünchKomm/Perlitt5 § 286, 25, 42. Das setzt allerdings voraus, dass man von der Zulässigkeit einer solchen Regelung ausgeht, dazu Fn 20. 20 KK/Mertens/Cahn3 § 286, 6, 8, 9; Heidel/Wichert5 3. 21 KK/Mertens/Cahn3 § 286, 13. 22 KK/Mertens/Cahn3 § 286, 14. 23 Etwa Adler/Düring/Schmaltz6 § 286, 57 aE.

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bung von Sondereinlagen erlauben und müssten diese dann auch in den Folgejahren fortschreiben, was sie im Rahmen der monistischen Gewinnermittlung aber gerade nicht tun.24 Bejaht man die Satzungsautonomie und haben die Vereinbarungen Folgewirkungen auf mehrere Geschäftsjahre (zB bei den erwähnten Abschreibungen), verlangen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung einen besonderen internen Jahresabschluss nach Personengesellschaftsrecht, in dem die Bilanzposten fortgeschrieben werden.25 Dies kann die Gegenansicht nicht leisten, da sie immer nur innerhalb eines Geschäftsjahrs Korrekturen vornimmt. Schließlich ist es nach Personengesellschaftsrecht den Gesellschaftern erlaubt, eine Entschädigung für die Übernahme der persönlichen Haftung zu vereinbaren. Eine solche findet in der Zwischenrechnung der Vertreter der monistischen Ansicht keinen Platz. Unterschiede zwischen beiden Vorgehensweisen können sich dann ergeben, wenn die Bilanz nach Personengesellschaftsrecht einen Überschuss, die nach Aktienrecht aber einen Verlust ausweist und dieser auf Faktoren beruht, die auch durch die Anwendung der von der monistischen Theorie befürworteten internen Zwischenrechnung nicht beseitigt werden. Solche Unterschiede konnten bis 2009 vor allem deshalb auftreten, weil das HGB noch unterschiedliche Bewertungsregeln für Personengesellschaften einerseits (§§ 252 ff HGB) und Kapitalgesellschaften andererseits (§§ 279 ff HGB aF) enthielt. Seit dem BilMoG von 2009 folgt die Bewertung der fiktiven und der externen Bilanz nach einheitlichen Grundsätzen,26 so dass dieser Fall nicht mehr auftreten wird.27 Aber auch heute sind Abweichungen zwischen beiden Bilanzen weiterhin möglich, wenn die Gesellschafter in der Satzung Regelungen für das Innenverhältnis treffen, die von den Bilanzierungsregeln der (externen) Bilanz abweichen. Die hier vertretene Ansicht erlaubt dies, solange sie keine versteckte Gewinnverschiebung zulasten der Kommanditaktionäre darstellen (su Rdn 27 f).28 Die Gegenansicht verneint teilweise die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen; sie lässt daher nur bestimmte Posten in der Zwischenrechnung zur Ermittlung des Komplementärgewinns zu.29 Andere Vertreter der Gegenansicht lassen Satzungsregelungen zur Gewinnermittlung zu,30 obwohl sich ihrer Ansicht nach die Gewinnermittlung nach § 278 Abs 3 richtet. Diese Ansicht ist wegen § 23 Abs 5 dogmatisch nicht haltbar.31 Dies wird von Vertretern der Gegenansicht nicht immer anerkannt, da sie teilweise Fragen der Gewinnermittlung als solche der Gewinnverteilung behandeln.32 Es bestehen also auch unterschiedliche Vorstellungen darüber, wo die Grenze zwischen Gewinnermittlung und Gewinnverteilung verläuft.33

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24 Heidel/Wichert5 § 281 13 einerseits und § 288, 2 f andererseits. 25 MünchKomm/Perlitt5 286, 27. 26 Zu den wenigen noch fortbestehenden Wahlrechten MünchKomm/Priester4 § 120, 26. 27 Die oben in Rdn 6 unter Punkt (2) geschilderte Kontroverse hat sich damit erledigt. 28 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 43. 29 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 10 f. 30 Bürgers/Fett/Schießer § 6, 54 ff; Happ/Pühler5 1.03, 29.4; KK/Mertens/Cahn3 § 286, 14; Schmidt/Lutter/ Schmidt3 § 286, 4. 31 Dies verkennt Happ/Pühler5 1.03, 31.1, wenn er meint, die Unterscheidung von § 278 Abs 2 und Abs 3 sei für die Satzungsautonomie „ohne Bedeutung“. Bürgers/Fett/Schießer § 6, 57, der der monistischen Theorie folgt, will die Satzungsautonomie im Hinblick auf die externe Bilanzierung der KGaA zulassen. 32 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 20 hält im Rahmen der Gewinnverteilung eine Satzungsregelung für zulässig, wonach der Gewinn der Komplementäre im Wege einer Sonderbilanz ermittelt wird. 33 Grundlegend dazu MünchKomm/Priester4 § 120, 2 ff; Großkomm HGB/Schäfer5 § 120, 34 ff.

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Es lässt sich daher folgendes Zwischenfazit ziehen: Die Bewertungsregeln wurden 14 gesetzlich vereinheitlicht. Beide Ansichten sind sich einig, dass es einer Korrektur der externen Bilanz der KGaA bedarf, sei es durch eine fiktive Bilanz, sei es durch eine interne Zwischenrechnung. Der seit Jahrzehnten geführte Streit dreht sich also vor allem um eine Frage, nämlich ob Satzungsregelungen hinsichtlich der Ermittlung des auf die Komplementäre entfallenden Gewinns zulässig sind34 oder nicht.35 Solche Abreden können beispielsweise sinnvoll sein, wenn einzelnen Komplementären ein einseitiges Recht auf Erhöhung der Sondereinlage im Wege der Sacheinlage eingeräumt wird und zum Schutz des Gewinnanspruchs der übrigen Komplementäre und/oder der Kommanditaktionäre die Abschreibungsdauer begrenzt werden soll. Andernfalls könnten dies die geschäftsführungsbefugten Komplementäre im Rahmen ihrer Befugnis zur Aufstellung der Bilanz einseitig bestimmen. Folgt man der hier vertretenen Ansicht, die § 278 Abs 2 auf die Gewinnermittlung anwendet, ist dies möglich. Der mit dieser Auffassung verbundene Nachteil besteht lediglich darin, dass man statt einer, auf ein Einzelgeschäftsjahr bezogenen Zwischenrechnung eine fiktive Bilanz anfertigen muss, die auch Abschreibungen über mehrere Jahre erlaubt. Der Zusatzaufwand ist, da die Posten für die externe Bilanz und für die Berechnung der auf die Komplementäre gem § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 3 EStG entfallenden Gewinne (Besteuerung als Mitunternehmer) benötigt werden, ohnehin notwendig und angesichts der heutigen Möglichkeiten der EDV zu vernachlässigen. Auch ist der Einwand, eine solche fiktive Bilanz sei künstlich,36 nicht überzeugend (s Rdn 22). Das Festhalten an der bereits seit der Vorauflage vertretenen Ansicht beruht also nicht auf schlichtem „Beharrungsvermögen“37, sondern auf Überlegungen zur Herleitung und Reichweite der Satzungsautonomie. b) Vorzugswürdigkeit der getrennten („dualistischen“) Gewinnermittlung aa) Systematische Auslegung. Unstreitig unterliegt die Gewinnverteilung zwischen 15 den Gesellschaftergruppen dem Personengesellschaftsrecht (§ 278 Abs 2). Das Gesetz enthält dagegen weder in § 278 noch in §§ 286, 288 Anhaltspunkte dafür, ob sich die Gewinnermittlung für die Komplementäre und damit auch für den auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre entfallenden Gewinnanteil nach Aktienrecht oder Personengesellschaftsrecht richtet. In Ermangelung eines solchen Hinweises gelten die allgemeinen Grundsätze, die zur Auslegung von § 278 Abs 2 und 3 entwickelt wurden.38 Die mitgliedschaftliche Stellung der Komplementäre richtet sich nach Personengesellschaftsrecht, soweit § 283 im speziellen oder die §§ 279 ff im allgemeinen keine Einschränkung enthalten. Die systematische Auslegung spricht daher gegen die einheitliche – aktienrechtliche – Anknüpfung bei der Gewinnermittlung. Folglich ist das Personengesellschaftsrecht auch auf die Gewinnermittlung des auf die Komplementäre entfallenden Gewinnanteils

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34 Eine Satzungsregelung kann folglich die Komplementäre verpflichten, bilanzielle Wahlrechte auf eine bestimmte Art auszuüben, vgl etwa das Aktivierungswahlrecht für selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs 2 Satz 1 HGB), die Möglichkeit außerplanmäßiger Abschreibungen bei Finanzanlagen (§ 253 Abs 3 Satz 6 HGB) oder die Wahlrechte zur Berücksichtigung der Kosten der allgemeinen Verwaltung und von Sozialaufwendungen (§ 255 Abs 2 Satz 3 HGB) sowie bestimmter Fremdkapitalzinsen bei der Berechnung der Herstellungskosten (§ 255 Abs 3 Satz 2 HGB). 35 Zur Klarstellung sei nochmals betont, dass Satzungsregelungen keine versteckte Gewinnverschiebung zulasten der Kommanditaktionäre bewirken dürfen, s Rdn 12, 27 f. 36 Am pointiertesten Philbert S 214, der von einer „Absurdität“ spricht. 37 So aber die Andeutung von Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 286, 4. 38 S Vor § 278 Rdn 54 ff.

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anzuwenden. Dieser wird dann als Aufwand in der externen Bilanz gebucht, die den für Kapitalgesellschaften geltenden Regeln folgt. Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man auf das von der Problemlage her ver16 gleichbare Beispiel der Ermittlung des Liquidationsüberschusses zurückgreift. Auch dort wird für die Ermittlung des auf die Komplementäre einerseits und die Gesamtheit der Kommanditaktionäre andererseits entfallenden Anteils das Personengesellschaftsrecht herangezogen und erst bei der Verteilung unter den Kommanditaktionären Aktienrecht angewandt. Diese Vorgehensweise wird selbst von denjenigen befürwortet,39 die bei § 288 die gegenteilige Position vertreten.40 17

bb) Teleologische Auslegung. Zur Rechtfertigung ihres Standpunkts verweist die Gegenansicht auf den Grundsatz der Kapitalerhaltung, der es gebiete, den Komplementärgewinn nur auszuweisen, wenn ein Jahresüberschuss nach aktienrechtlichen Grundsätzen ermittelt worden sei. Dieser Einwand übersieht, dass die Entnahmebeschränkung des Absatz 1 nur bei einer personengesellschaftsrechtlichen Berechnung des Gewinns erforderlich ist. Denn im Kapitalgesellschaftsrecht können Gewinne ohnehin nur ausgewiesen werden, wenn ein Überschuss erwirtschaftet wurde. Eine ordnungsgemäß ausgewiesene Dividende unterliegt deshalb gerade keinen Entnahmebeschränkungen. Wollte man der Gegenansicht folgen und den Komplementärgewinn auf Grundlage des Aktienrechts ermitteln, wäre die Entnahmebeschränkung des § 288 Abs 1 überflüssig. Gerade ihre Existenz spricht also für die Anwendung des Personengesellschaftsrechts auch bei der Gewinnermittlung.

cc) Historische Auslegung. Ein weiteres Argument für die herrschende Meinung ist die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzgeber von 1897 ging bei § 329 HGB, dem Vorläufer von § 230 AktG 1937 und von § 288 AktG 1965, ausdrücklich von der Anwendung des Personengesellschaftsrechts aus.41 Die Norm verbot jede Gewinnauszahlung bzw Entnahme, wenn die Bilanz der Gesellschaft insgesamt einen Verlust aufwies, der höher war als die Summe der Sondereinlagen aller Komplementäre. Diese Regelung empfand der Gesetzgeber von 1965 als unbillig, da schon ein geringer Bilanzverlust dazu führen konnte, dass die Komplementäre ihren Gewinn nicht entnehmen durften.42 Deshalb wurde die doppelte Schranke in § 288 Abs 1 eingeführt und teilweise liberalisiert, so dass ein Bilanzverlust der Gesellschaft nicht gleichsam automatisch zu einer Entnahmesperre für die Komplementäre führt. Die Komplementäre sollten Gewinne auf ihre, im Vergleich zum Grundkapital oft niedrigen, Sondereinlagen entnehmen dürfen, solange die Eigenkapitalsituation nicht so extrem schlecht ist, dass die Entnahmesperre von Abs 1 Satz 2 greift. Der Gesetzgeber ging also bei der Neuregelung des Satzes 1 von dem Fall aus, dass auf die Komplementäre ein Gewinn entfällt, während die Gesellschaft insgesamt einen Bilanzverlust aufweist. Wollte man – der Gegenansicht folgend – den Komplementärgewinn vom Jahresüberschuss berechnen, wäre ein solcher Fall gar nicht denkbar. Die Formulierung von Abs 1 Satz 2 bestätigt dieses Ergebnis. Denn die neu einge19 führte doppelte Schranke berücksichtigt ebenfalls den Fall, dass auf die Komplementäre ein Gewinn entfällt, während die Gesellschaft insgesamt einen Bilanzverlust aufweist.

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Heidel/Wichert5 § 290, 4; Hüffer/Koch14 § 278, 6, MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 47. Heidel/Wichert5 § 288, 2 f; Hüffer/Koch14 § 288, 2; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 11. Denkschrift I S 177 f; Denkschrift II, in Hahn/Mugdan S 339 f. Kropff AktG, 1965, S 371.

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Die Gegenansicht müsste diesen Satz dahingehend interpretieren, dass der Regelung ab sofort nur noch Bedeutung für Entnahmen von stehengelassenen Gewinnen früherer Jahre zukommt, wofür in den Materialien jeder Hinweis fehlt.43 § 329 HGB und § 230 AktG 1937 bezogen sich, nicht anders als der auf die KGaA anwendbare § 122 HGB, ausdrücklich nur auf Grund- und Gewinnentnahmen im letzten Geschäftsjahr (su Rdn 47). Daran wollte man 1965 nichts ändern. Gestützt wird die Vorgehensweise der hier vertretenen Ansicht durch ein weiteres 20 Indiz aus der Entstehungsgeschichte. Die Berechnungsmethode nach Personengesellschaftsrecht führt dazu, dass der Gewinn der Komplementäre vorab ermittelt wird und Rücklagen nur aus dem auf die Kommanditaktionäre entfallenden Teil des Unternehmensertrags gebildet werden. Die Gegenansicht berechnet demgegenüber den Komplementärgewinn erst nach Aufstellung des Jahresabschlusses und folglich erst nach Bildung der Rücklagen. Die Komplementäre sind damit an der Rücklagenbildung beteiligt, obwohl der Gesetzgeber bei der Aktienrechtsreform von 1965 § 230 Abs 2 AktG 1937 gestrichen hat, der eine Pflicht zur Beteiligung der Komplementäre an den Rücklagen vorsah. Diese Streichung erfolgte, weil die Vermengung zu erheblichen Abrechnungsschwierigkeiten führte und die Komplementäre ohnehin den Gläubigern unmittelbar hafteten,44 so dass eine Beteiligung an den Rücklagen nicht als dringend angesehen wurde. Eine Berechnung anhand der Methode der Mindermeinung würde dieser gesetzgeberischen Entscheidung zuwiderlaufen. Wenn von der Gegenansicht behauptet wird, § 230 Abs 2 AktG 1937 habe ohnehin wegfallen müssen,45 so übersieht sie den mit der Änderung verfolgten und ausdrücklich erklärten Zweck. Schließlich zeigt § 286 Abs 2 Satz 2 und Satz 3, dass der Gesetzgeber einen variablen 21 Kapitalanteil vorgesehen hat und damit in Bezug auf den Gewinn und Verlust der Komplementäre Personengesellschaftsrecht für einschlägig hält. Dem würde es widersprechen, wenn man die Gewinnberechnung nach Aktienrecht vornähme. dd) Praktikabilität. Wenn für den Vorschlag der Gegenansicht ins Feld geführt 22 wird, er sei – im Gegensatz zu demjenigen der bislang herrschenden Meinung – besonders praktikabel, so stehen dem zwei Einwände entgegen: Zum einen gehören Praktikabilitätsgesichtspunkte nicht zum anerkannten Kanon von Auslegungsgrundsätzen und können allenfalls dann entscheidend werden, wenn diese, anders als im vorliegenden Fall, zu keinem eindeutigen Ergebnis führen. Zum anderen ist der Auffassung entgegenzutreten, die hier vertretene Vorgehensweise sei systemwidrig und kompliziert. Gerade das Aktienrecht kennt mehrere Fälle, in denen vor Erstellung der eigentlichen Bilanz vorab fiktive Ergebnisrechnungen notwendig sind. So erfordert die Gewinnbeteiligung von Organmitgliedern der AG eine vorherige Berechnung ihrer Bezüge anhand der maßgeblichen Bilanzposten,46 da die den Vorstandsmitgliedern bezahlte Vergütung später als Aufwand in der Bilanz erscheint. Auch in Bezug auf Genussscheininhaber wird zumeist eine solche gesonderte Berechnung notwendig. Denn Genussscheine sind regelmäßig so ausgestaltet, dass die Genussscheinausschüttungen als Aufwand der Gesellschaft berücksichtigt werden können47 und daher vor der Feststellung des eigentli-

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43 Kropff AktG, 1965, S 371. 44 Kropff AktG, 1965, S 371. 45 KK/Mertens1 15. 46 BGH 24.1.1974 – II ZR 128/71, AG 1974, 187 f; Spindler/Stilz/Fleischer4 § 86, 2; Hüffer/Koch14 § 87, 5. 47 Frantzen, Genußscheine, 1993, S 100 ff; Sethe AG 1993, 293, 298.

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chen Bilanzgewinns errechnet werden. Im Übrigen unterfällt die Gewinnberechnung der Satzungsautonomie, so dass die Gesellschafter es selbst in der Hand haben, eine ihren Bedürfnissen und Praktikabilitätsgesichtspunkten angepasste Regelung zu finden.48 Die Ansicht, die bislang herrschende Meinung generiere eine systemwidrige und komplizierte Regelung, ist deshalb unberechtigt.49 3. Ermittlung des Komplementärgewinns 23

a) Feststellung und Prüfung der fiktiven Ergebnisrechnung. Für die Aufstellung der fiktiven Bilanz sind die geschäftsführungsbefugten Komplementäre zuständig. Auch die fiktive Ergebnisrechnung muss festgestellt werden. Maßgebend hierfür sind die Grundsätze des Personengesellschaftsrechts, dh die des Kommanditrechts. Bei der KG ist mittlerweile anerkannt, dass sämtliche Gesellschafter die Bilanz feststellen,50 da es sich um ein Grundlagengeschäft handelt. Übertragen auf die KGaA bedeutet dies, dass sämtliche (auch die nicht geschäftsführungsbefugten) Komplementäre und die Hauptversammlung (Gesamtheit der Kommanditaktionäre) zustimmen müssen.51 Die Feststellung der Ergebnisrechnung wird im Regelfall konkludent mit der Feststellung des Jahresabschlusses nach § 286 Abs 1 erfolgen,52 da der auf die Komplementäre entfallende Gewinn oder Verlust in deren Kapitalanteil eingeht und damit in der Bilanz der Gesellschaft berücksichtigt ist. Den Kommanditaktionären steht in der Hauptversammlung ein Auskunftsanspruch in Bezug auf die Berechnung der auf die Komplementäre entfallenden Gewinne/Verluste zu.53

b) Maßgebliches Recht für die Aufstellung der fiktiven Ergebnisrechnung. Innerhalb der bislang herrschenden Meinung war umstritten, ob die Aufstellung der fiktiven Bilanz (s Rdn 6) den personengesellschaftsrechtlichen oder den (strengeren) kapitalgesellschaftsrechtlichen Bewertungsregeln zu folgen hatte. Die sich daraus ergebenden Unterschiede waren allerdings nicht sonderlich gravierend.54 Dieser Streit hat sich mit der Reform des Bilanzrechts erledigt. Beide Bilanzen folgen nun einheitlichen Bewertungsregeln.55 25 Zur Ermittlung des auf die Komplementäre entfallenden Gewinns finden die handelsrechtlichen Vorschriften, die für die Bilanzen von Personengesellschaftsrechten

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48 Vgl etwa § 24 des Satzungsmusters bei Happ/Pühler5 1.03; Hesselmann GmbHR 1988, 472, 476; Schlitt S 223. Sa die Satzungsgestaltungshinweise bei Schaumburg/Schulte Rdn 28 ff. 49 Ebenso Sethe S 538; Voges S 67 ff. 50 BGH 24.3.1980 – II ZR 88/79, BGHZ 76, 338, 342 (zur KG); BGH 6.4.1981 – II ZR 186/80, BGHZ 80, 357, 358 (zur GbR); BGH 29.3.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263, 266 f (zur KG); BGH 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rdn 6; Baumbach/Hopt/Roth39 § 164, 3; Großkomm HGB/Casper5 § 167, 6 ff; Großkomm HGB/Pöschke5 § 242, 20 mwN; Ulmer in: FS Hefermehl, 1976, S 207 ff; Schulze-Osterloh BB 1980, 1402, 1404; Priester in: FS Quack, 1991, S 380 f. AA Heymann/Horn HGB2 § 167, 2; Huber Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S 341 bei Fn 73. Der von Hüffer/Koch14 2 gegen die bislang hM erhobene Einwand, ihr gehe es darum, die Komplementäre allein entscheiden zu lassen, trifft daher nicht zu. 51 Dies wird sowohl von den Vertretern der monistischen (Hüffer/Koch14 2) wie der dualistischen Gewinnermittlung (MünchKomm/Perlitt5 § 286, 26; Voges S 18) anerkannt. 52 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 § 286, 26. 53 S § 286, 23, 48. OLG Hamm 11.4.1969 – 8 W 22/69, AG 1969, 295 f. 54 Einzelheiten bei 4. Aufl Assmann/Sethe 18 ff. Wohl deshalb ließ der BFH in BFHE 157, 382, 391 ff (= AG 1990, 32, 33 f; NJW 1990, 1812, 1814 f) diese Frage offen. 55 MünchKomm/Perlitt5 28.

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gelten, Anwendung.56 Diese sind allerdings aufgrund der hybriden Struktur der KGaA in mehrfacher Hinsicht anzupassen: – Bestimmte Positionen, die in die fiktive Ergebnisrechnung einzustellen sind, 26 kommen in der Bilanz der Personengesellschaft nicht vor und sind folglich entsprechend den für die AG geltenden Regeln einzustellen. So wird bei der Gewinnverteilung zwischen den Gesellschaftergruppen der jeweilige Kapitalanteil als Maßstab herangezogen. Der Kapitalanteil der Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist das Grundkapital,57 das deshalb entsprechend § 272 Abs 1 HGB festzustellen ist. – Auch bei der Feststellung des Kapitalanteils der Komplementäre ist eine Beson- 27 derheit zu berücksichtigen. Sacheinlagen auf den Kapitalanteil der Komplementäre sind nach den zwingenden handelsrechtlichen Grundsätzen zu bewerten, um eine versteckte Gewinnverschiebung zulasten der Kommanditaktionäre zu verhindern. Die Vereinbarung eines bestimmten Werts durch die Gesellschafter kann, auch mit bloßer Wirkung im Innenverhältnis,58 aus den bei § 281 genannten Gründen (vgl § 281 Rdn 24 ff) nicht maßgebend sein. Die bei Einbringung der Einlage erfolgte Bewertung ist Ausgangspunkt für die Einstellung in die fiktive Ergebnisrechnung. – Vereinbarungen der Gesellschaftergruppen über die Bewertung sind nur zuläs- 28 sig, wenn ihnen lediglich interne Wirkung im Hinblick auf die fiktive Bilanz zukommt59 und sie sich nicht negativ auf die Außen- und Haftungsverhältnisse auswirken. In Bezug auf Letztere sind die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften zwingend.60 Da sich die an die Komplementäre ausgeschütteten Gewinne ergebnismindernd auf die KGaA auswirken und damit die Haftung berühren, sind solche internen Vereinbarungen nur zulässig, wenn sie nicht eine Gewinnverschiebung zu Lasten der Kommanditaktionäre oder der Gläubiger zur Folge haben.61 Das mit solchen Vereinbarungen regelmäßig verfolgte Ziel, die Veränderung der Gewinnverteilung, lässt sich bei Gewinnverschiebungen zu Lasten der Kommanditaktionäre also nur über eine in der Satzung festgelegte Veränderung des Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssels, nicht aber über die Vereinbarungen in Bezug auf die Bewertung erreichen. Zulässig sind daher folgende Satzungsregelungen im Hinblick auf die fiktive Bilanz: Es kann vorgesehen werden, dass im Verhältnis der Gesellschaftergruppen zueinander bestimme Vermögenswerte rascher als im KGaA-Abschluss abgeschrieben werden. Auch können bestimmte Forderungen verstärkt wertberichtigt oder bestimmte Risiken durch höhere Rückstellungen gedeckt werden. Auch können

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56 Zur Berechnung des zu verteilenden Gewinns aus der Sicht derjenigen, die von der Maßgeblichkeit einer nach kapitalgesellschaftlichen Grundsätzen zu erstellenden Bilanz ausgehen s Adler/Düring/Schmaltz6 § 286, 58. 57 MünchKomm/Perlitt5 13; Schlitt S 224. 58 Im Personengesellschaftsrecht steht den Gesellschaftern die Bewertung der Einlagen mit Wirkung im Innenverhältnis frei, bei der Aufstellung der Bilanz sind sie dagegen an die gesetzlichen Vorgaben gebunden; vgl Baumbach/Hopt/Roth39 § 120, 17; Heymann/Hoffmann/Barlitz HGB3 § 120, 19. 59 Solche im Innenverhältnis wirkenden Vereinbarungen sind im Personengesellschaftsrecht zulässig, BGH 21.4.1955 – II ZR 227/53, BGHZ 17, 130; BGH 24.11.1958 – II ZR 77/57, BB 1959, 92; BGH 16.12.1971 – II ZR 38/69, WM 1972, 213, 214; BGH 30.9.1974 – II ZR 148/72, WM 1974, 1151, 1152; BGH 5.12.1974 – II ZR 24/73, WM 1975, 325, 327; Baumbach/Hopt/Roth39 § 120, 17; MünchKommHGB/Priester4 § 120, 94; Westermann/Wertenbruch/Sassenrath Handbuch Personengesellschaften (Stand 2/2020), § 26, 578a. 60 MünchKomm/Perlitt5 § 286, 42 f; Baumbach/Hopt/Roth39 § 120, 10, 17, § 171, 6; Heymann/Emmerich HGB2 § 120, 13. 61 MünchKomm/Perlitt5 § 286, 29. Teilweise aA MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 20 (aus der Sicht eines Vertreters der monistischen Gewinnermittlung: Vereinbarung von Bewertungsgrundsätzen grds zulässig, allerdings nicht im Hinblick auf schnellere Abschreibung oder Wertansätze für Aktiva und Passiva über die aktienrechtlichen Grenzen hinaus).

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die Gesellschafter vereinbaren, dass bestimmte Vorsorgeaufwendungen von den persönlich haftenden Gesellschaftern, nicht aber von der Gesamtheit der Kommanditaktionäre getragen werden sollen. Derartige Satzungsbestimmungen reduzieren in der fiktiven Bilanz den Gewinn und damit auch den Gewinnanteil der Komplementäre. In der externen Bilanz der KGaA, die ohne diese Unterbewertungen, Wertberichtungen etc aufzustellen ist, sinkt der „Ergebnisanteil der Komplementäre“ und der Bilanzgewinn der Gesellschaft steigt.62 Bei der Ermittlung des für die fiktive Ergebnisrechnung maßgeblichen Jahresgewinns sind nur die Geschäftsvorfälle des laufenden Jahres einzubeziehen; Verluste früherer Jahre bleiben selbst dann unberücksichtigt, wenn sie noch nicht ausgeglichen sind.63 Auch Zuweisungen zu den Rücklagen sind unbeachtlich, da die Rücklagen seit 1965 allein den Kommanditaktionären zustehen64. Abweichendes kann nur aufgrund einer Satzungsbestimmung festgeschrieben werden.65 Steuern dürfen nach Kommanditrecht den Jahresüberschuss nicht mindern. Die Gewinnanteile der Komplementäre sind daher bei der KGaA Betriebsaufwendungen und unterliegen erst auf Ebene der Komplementäre der Besteuerung (§ 15 Abs 1 Satz 1 Nr 3 EStG).66 Gleiches gilt für Tätigkeitsvergütungen, soweit sie von der Satzung als Aufwand der Gesellschaft behandelt werden.67 Dagegen mindert die Gewerbesteuer den auf die persönlich haftenden Gesellschafter entfallenden Gewinn. Schließlich bleiben bestimmte Passivposten außer Betracht, die das Aktienrecht erlaubt, die aber das Kommanditrecht nicht als abzugsfähig anerkennt.68 30 Abzulehnen ist der Vorschlag, der im Rahmen der fiktiven Ergebnisrechnung ermittelte Gewinn der Komplementäre dürfe den aktienrechtlich ermittelten Bilanzgewinn nicht übersteigen.69 Da der aktienrechtlich ermittelte Bilanzgewinn um die Rücklagen und Verlustvorträge gekürzt wird, ist er als Höchstgrenze untauglich. Eine solche Höchstgrenze würde indirekt dazu führen, dass die Ansprüche der Komplementäre doch durch Rücklagen und Verlustvorträge gekürzt würden, obwohl das Gesetz dies nicht vorsieht.70 Außerdem liegt der eigentliche Schutz der Kapitalerhaltung in den Entnahmesperren des § 288 Abs 1, die gerade auf die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft abstellen. 29

4. Berechnung und Verteilung des Gewinns und Verlusts 31

a) Berechnung und Verteilung des Gewinns. Maßgeblich für die Berechnung und Verteilung des auf die Komplementäre entfallenden Gewinns sind die § 278 Abs 2 iVm §§ 168, 121 Abs 1 und 2 HGB. Bezugspunkt ist der sich aus der fiktiven Bilanz ergebende Jahresüberschuss und nicht der in der KGaA-Bilanz ausgewiesene Bilanzgewinn. Von dem so ermittelten Jahresgewinn wird zunächst ein Vorzugsgewinnanteil von 4% auf

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62 MünchKomm/Perlitt5 29. 63 MünchKomm/Perlitt5 § 286, 32. 64 So 3. KK/Mertens/Cahn3 § 286, 17; MünchKomm/Perlitt5 § 286, 33. 65 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 288, 3, hält die satzungsmäßige Einbeziehung der Komplementäre in die Rücklagenbildung für sinnvoll, um ihnen die problemlose Umwandlung der Sondereinlagen in Kommanditaktien (und umgekehrt) zu ermöglichen. Ebenso Happ/Pühler5 1.03, 29.4 und 31.1 f. 66 KK/Mertens/Cahn3 § 286, 15; MünchKomm/Perlitt5 § 286, 35 ff. 67 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 § 286, 38 f. 68 ZB die Kosten der Abfindung der Komplementäre und Rückstellungen für die Umwandlung der KGaA in eine AG. Vgl BGH 24.1.1974 – II ZR 128/71, AG 1974, 187 f; MünchKomm/Perlitt5 41. 69 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 § 286, 30. AA Godin/Wilhelmi4 3. 70 S Rdn 3.

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den Kapitalanteil der Komplementäre (vgl § 286 Rdn 33 f) und 4% auf das Grundkapital (als Einlage der Kommanditaktionäre) berechnet (§§ 168 Abs 1, 121 Abs 1 Satz 1 HGB).71 Anspruch auf den Vorzugsgewinnanteil hat ein Komplementär nur mit positivem Kapitalanteil, da es allein auf das der Gesellschaft effektiv zur Verfügung stehende Kapital ankommt. Wird der Kapitalanteil während des laufenden Geschäftsjahrs durch nach der Satzung zugelassene Einlagen erhöht oder durch befugte Entnahmen gemindert,72 gelten §§ 168 Abs 1, 121 Abs 2 HGB. Reicht der Jahresgewinn der Gesellschaft nicht aus, um den Vorzugsgewinnanteil voll zu bedienen, wird der maßgebliche Prozentsatz ggf bis auf null gekürzt (§§ 168 Abs 1, 121 Abs 1 Satz 2 HGB).73 Ein (teilweise) ausgefallener Vorzugsgewinnanteil muss nicht in späteren Geschäftsjahren nachgezahlt werden. Übersteigt der im Rahmen der fiktiven Ergebnisrechnung ermittelte Jahresgewinn 32 den Vorzugsgewinnanteil von 4%, wird der verbleibende Betrag gemäß § 168 Abs 2 HGB in einem angemessenen Verhältnis zwischen den Kommanditaktionären und unter den Komplementären verteilt.74 Anders als bei der OHG (vgl § 121 Abs 3 HGB) erfolgt bei der KG und KGaA keine Verteilung nach Kopfteilen, da die beiden Gesellschaftergruppen ein unterschiedlich hohes Risiko tragen. Angemessen ist daher ein Gewinnvoraus der Komplementäre wegen der Übernahme der persönlichen Haftung und ein ebensolches Voraus für vergütungslos tätige geschäftsführende Komplementäre.75 Der restliche Gewinn wird unter beiden Gruppen im Verhältnis ihrer Kapitalanteile verteilt (es sei denn, das diese aufgrund der Nichtleistung eines Agios angepasst wurden, s § 278 Rdn 186 aE). Im Zweifel sind dabei Verlustabbuchungen früherer Jahre nicht zu berücksichtigen, da ansonsten der Kapitalanteil nicht wieder aufgefüllt würde und der Komplementär auf Dauer vom Gewinn ausgeschlossen bliebe.76 Zur Klarstellung sei betont, dass die vorstehend angeführten Gewinnberechnungs- 33 und -verteilungsgrundsätze auch (und gerade) für den Fall gelten, dass mehrere Komplementäre vorhanden sind. Dies ergibt sich aus § 168 HGB, der als Verteilungsschlüssel nur die angemessene Verteilung erwähnt und gerade nicht auf § 121 Abs 3 HGB verweist. Der auf die Komplementäre entfallende Anteil bemisst sich daher idR (zur Satzungsautonomie su Rdn 34 ff) nach den Kapitalanteilen,77 nicht nach Kopfteilen. Der nach dieser internen Berechnung auf die Kommanditaktionäre entfallende 34 Gewinn wird nicht etwa an die Kommanditaktionäre ausgeschüttet. Vielmehr dient die Berechnung des Vorzugsgewinnanteils und die Verteilung des danach verbleibenden Überschusses nur dazu, den auf die Komplementäre entfallenden Gewinn zu ermitteln,

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71 Hierzu und zum Folgenden Baumbach/Hopt/Roth39 § 168, 1 ff, § 121, 1 ff; Großkomm HGB/Casper5 § 168, 1 ff; MünchKomm/Perlitt5 7, 9, 11 ff, 17; MünchKomm/Priester4 § 120, 2 ff, § 121 15 ff; MünchKomm/Grunewald4 § 168, 2 ff. 72 Eine einseitige, nicht durch die Satzung zugelassene Erhöhung oder Verminderung des Kapitalanteils ist ausgeschlossen; Schlegelberger/Martens HGB5 § 121, 4. Gleiches gilt für die einseitige Schaffung eines Kapitalanteils durch Stehenlassen von Gewinnen, MünchKomm/Perlitt5 37. 73 Diese Kürzung darf nicht mit einer Entnahmesperre verwechselt werden; so aber in Verkennung der hier vertretenen Position MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 23 Fn 83. 74 Zwischenzeitlich nahezu unstreitig. Baumbach/Hopt/Roth39 § 168, 2; Baumbach/Hueck13 6; Großkomm HGB/Casper5 § 168, 2, 9 ff, 15 ff; Happ/Pühler5 1.03, 32.3; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 17; MünchKomm/Perlitt5 9, 15, 18; Ritter § 219, 4c; Schlegelberger/Martens HGB5 § 168, 6; Schlegelberger/Quassowski3 § 230, 3; Schlitt S 225; Wichert S 144 f; Würdinger AktR4 S 256. AA noch Nirk in Nirk/Reuter/Bächle, Handbuch der Aktiengesellschaft3 Rdn I 1966 (Stand: Lfg 28/1998); Adler/Düring/ Schmaltz6 § 286, 61, die §§ 120 Abs 2, 121 HGB anwenden. 75 Zu den weiteren Kriterien der Angemessenheit Großkomm HGB/Casper5 § 168, 9 ff; MünchKomm/ Grunewald4 § 168, 3 f. 76 Heymann/Horn HGB2 § 168, 4. 77 Großkomm HGB/Casper5 § 168, 14.

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der in die aktienrechtlich zu erstellende Bilanz (als Kapitalanteil der Komplementäre) eingeht. Nur sofern diese Bilanz einen nach aktienrechtlichen Grundsätzen ermittelten Jahresüberschuss aufweist, darf gemäß §§ 278 Abs 3, 286 Abs 1, 174, 60 ff eine Dividende an die Kommanditaktionäre ausgeschüttet werden. 35

b) Berechnung und Verteilung des Verlusts. Ergibt sich im Rahmen der fiktiven Ergebnisrechnung ein Verlust, ist dieser ebenfalls in einem angemessenen Verhältnis auf die beiden Gesellschaftergruppen und unter den Komplementären zu verteilen (§ 168 Abs 2 HGB).78 Insoweit kommt es vor allem auf das Verhältnis der jeweiligen Kapitalanteile an. Der auf die Komplementäre entfallende Verlust ist zwingend von ihrem Kapitalanteil abzuschreiben (§ 286 Abs 2 Satz 2). Sofern die Satzung nichts Abweichendes regelt, ist ein Komplementär während des Bestehens der Gesellschaft nicht verpflichtet, Verluste auszugleichen, unterliegt insoweit also keiner Nachschusspflicht.79 Ein negativer Kapitalanteil fließt allerdings in die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens bei der Liquidation der Gesellschaft oder dem Ausscheiden eines Komplementärs ein. In diesen Fällen ergibt sich eine Nachschusspflicht, wenn das Auszahlungsguthaben negativ ist.

36

c) Auswirkung auf die Bilanz der KGaA. Der im Rahmen der fiktiven Ergebnisrechnung ermittelte Gewinn oder Verlust der Komplementäre wird den Kapitalanteilen der Komplementäre zu- oder abgeschrieben. Die Bilanzierung eines positiven sowie eines negativen Kapitalanteils mit und ohne Ausgleichspflicht regelt § 286 Abs 2, auf dessen Kommentierung zu verweisen ist. Der im Rahmen der fiktiven Ergebnisrechnung ermittelte Gewinn oder Verlust der Kommanditaktionäre wird weder unmittelbar ausgezahlt noch in der Bilanz unter einem eigenen Posten verbucht; seine Berechnung erfolgt nur, um den Jahresüberschuss zwischen den beiden Gesellschaftergruppen aufzuteilen. Der auf die Kommanditaktionäre entfallende Betrag ist also eine bloße Rechnungsgröße; die den Kommanditaktionären auszuschüttende Dividende wird nach aktienrechtlichen Grundsätzen ermittelt (s Rdn 34). 5. Satzungsautonomie

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a) Bedarf für Satzungsregelungen. Da sich die Verteilung des Gewinns und Verlusts nach Personengesellschaftsrecht richtet, unterliegt sie der Satzungsautonomie (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 109 HGB).80 Die vorstehend (Rdn 31 ff, 35) behandelten Grundsätze der Gewinn- und Verlustverteilung sind wenig praxistauglich, da die Bestimmung einer „angemessenen Beteiligung“ an Gewinn und Verlust zu Konflikten Anlass geben kann. Eine Satzungsregelung betreffend die Gewinn- und Verlustverteilung ist daher dringend anzuraten. Drei Bereiche kommen für Satzungsregelungen in Betracht: (1) der Anknüpfungspunkt der Berechnung, (2) die Gewinn- und Verlustvertei-

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78 Baumbach/Hopt/Roth39 § 168, 3; Großkomm HGB/Casper5 § 168, 15; Happ/Pühler5 1.03, 33.3; KK/Mertens/Cahn3 10, 16; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 17 f; MünchKomm/Grunewald4 § 168, 5; MünchKomm/Perlitt5 9, 16; Ritter § 219, 4c; Schlitt S 225; Wichert S 146. AA Gail WPg 1966, 425, 427; Geßler/Semler1 7, 13; Schlegelberger/Quassowski3 § 230, 3, die entgegen § 168 HGB eine Verteilung nach Köpfen unter den Komplementären annehmen. 79 Godin/Wilhelmi4 3; KK/Mertens/Cahn3 16; MünchKomm/Perlitt5 37a; Sethe DB 1998, 1044, 1047 Fn 55. 80 Im Ausgangspunkt unstr. S etwa Hüffer/Koch14 3; KK/Mertens/Cahn3 14; MünchKomm/Perlitt5 20; Schaumburg/Schulte Rdn 28; Schlitt S 224 f; Sethe S 187; Wichert S 147.

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lung zwischen den Gesellschaftergruppen und (3) die Gewinn- und Verlustverteilung unter den Komplementären. Bei der diesbezüglichen Satzungsgestaltung ist zu bedenken, dass sie zugleich die Verteilung des Liquidationsüberschusses beeinflusst. b) Gewinnermittlung und Gewinnverteilung. Die Gesellschafter können verein- 38 baren, dass keine fiktive Ergebnisrechnung aufgestellt wird, sondern der aktienrechtlich ermittelte Jahresüberschuss maßgeblicher Ausgangspunkt für die Gewinnverteilung zwischen den Gesellschaftergruppen sein und anhand welcher Positionen81 sie berechnet werden soll. Wird dagegen eine fiktive Ergebnisrechnung ausdrücklich gewünscht, ist es zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit ohne Zweifel möglich, eine solche in der Satzung anzuordnen82 und im Rahmen der Satzungsautonomie auszugestalten. So kann die Satzung festlegen, welche Positionen des Jahresabschlusses bei der Gewinnberechnung berücksichtigt werden oder außer Betracht bleiben sollen. Die Gesellschafter können den Anspruch auf den Vorzugsgewinnanteil (Kapital- 39 verzinsung) erweitern, beschränken, eliminieren oder seine Berechnung modifizieren.83 Außerdem kann die Satzung regeln, wie ein den Vorzugsgewinnanteil übersteigender Überschuss zwischen den Gesellschaftergruppen und/oder innerhalb der Komplementäre verteilt und ob und zu welchem Prozentsatz eine Tätigkeitsvergütung angerechnet werden soll. Die Satzung kann auch eine von § 121 HGB völlig losgelöste Art der Gewinnberechnung und -verteilung vorsehen, wie zB einen festen oder an das Jahresergebnis der KGaA gekoppelten Betrag.84 Bei der Verteilung des Gewinns unter den Komplementären kann als Maßstab 40 eine Quote, der jeweilige Kapitalanteil (in Bezug auf das Gesamtkapital)85 oder die Verteilung nach Köpfen gewählt werden. Des Weiteren kann die Satzung den Komplementären das Recht vorbehalten, die Verteilung untereinander in einer (schuldrechtlich wirkenden) Vereinbarung zu regeln.86 Auch kann die Satzung vorsehen, dass der Aufsichtsrat oder ein anderes dafür vorgesehenes Organ (wie etwa ein Beirat) die Gewinnverteilung mit den Komplementären vereinbart.87 Die früher herrschende Meinung88 hielt es für unzulässig, Komplementäre ganz vom Gewinn auszuschließen, selbst wenn sie keinen Kapitalanteil halten und eine Tätigkeitsvergütung beziehen. Demgegenüber wird heute der Gewinnanspruch einhellig nicht mehr zu den unabdingbaren Elementen der Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters in der KGaA gezählt.89 Nach dieser Auffassung ist es deshalb zulässig, einzelne Komplementäre oder eine Gruppe von Komplementären ganz von der Gewinnbeteiligung auszuschließen. Dem ist zuzustimmen, (1) weil Rechtsprechung und überwiegendes Schrifttum zum Personengesellschaftsrecht die Gewinnbeteiligung persönlich haftender Gesellschafter längst nicht

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81 So offenbar der Sachverhalt bei BGH 24.1.1974 – II ZR 128/71, AG 1974, 187, bei dem das Gericht ohne Wesiteres von der Zulässigkeit der Satzungsbestimmung ausging. 82 So auch diejenigen, die eine fiktive Ergebnisrechnung zur Ermittlung des auf die Komplementäre entfallenden Gewinns ablehnen; s etwa Heidel/Wichert5 8; MünchHdBAG/Herfs2 § 81, 20; Wichert S 148. 83 MünchKomm/Perlitt5 21 f, 26 f. 84 Unüblich, aber möglich. S MünchKomm/Perlitt5 § 286, 42; Schlitt S 224. 85 S den Satzungsvorschlag bei Schlitt S 223, mit Erläuterung S 224 f. Sa MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 20; Hoffmann-Becking/Herfs in: FS Sigle, 2000, S 273, 290. 86 KK/Mertens/Cahn3 14; MünchKomm/Perlitt5 26; Wichert S 150. 87 MünchKomm/Perlitt5 26; Wichert S 149 f. 88 3. Aufl Barz 6; Geßler/Semler1 21; Happ1 1.04, 30; MünchHdBAG/Herfs2 § 79, 18; KK/Mertens1 6. 89 Bürgers/Fett/Reger § 5, 254; Happ/Pühler5 1.03, 32.5; KK/Mertens/Cahn3 15; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 20; MünchKomm/Perlitt5 28; Schlitt S 126; Spindler/Stilz/Bachmann4 3; Wichert S 149.

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mehr zu den essentialia ihrer Gesellschafterstellung zählen,90 (2) Grenzziehungen durch die Anwendung von § 138 BGB möglich sind und (3) tatsächlich auch ein Bedürfnis für den Ausschluss von Komplementären von der Gewinnbeteiligung besteht, wenn man an die Existenz von sog Geschäftsführer-Komplementären denkt, deren Komplementärstellung regelmäßig befristet, von Einlagepflichten frei, typischerweise mit einer Haftungsfreistellungszusage (s § 278 Rdn 69, 138) verbunden ist und durch eine Tätigkeitsvergütung kompensiert wird. Möglich ist auch die Einrichtung eines Privatkontos, auf das Gewinne gutge41 schrieben und von dem Entnahmen getätigt werden.91 42

c) Verlustbeteiligung. Zulässig ist es, in der Satzung die Höhe des von den Komplementären anteilig zu tragenden Verlusts zu begrenzen oder die Komplementäre ganz von der Verlustbeteiligung auszunehmen.92 Das ist etwa im Hinblick auf Komplementäre, die keine Sondereinlage eingebracht haben, üblich. Naheliegend ist dies auch in Bezug auf sog Geschäftsführer-Komplementäre (s Rdn 37 und § 278 Rdn 69, 138). Unzulässig ist dagegen die Einrichtung eines Verlustsonderkontos.93 III. Entnahmen (Abs 1) 1. Entnahmerecht (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 122 HGB)

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a) Kommanditaktionäre. Da sich das Rechtsverhältnis der Kommanditaktionäre nach Aktienrecht richtet (§ 278 Abs 3), steht ihnen kein Entnahmerecht nach § 169 HGB zu, sondern allenfalls eine Abschlagszahlung gemäß § 59.94

b) Komplementäre. Für die Komplementäre gilt dagegen gemäß § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 122 HGB95 die (nach § 109 HGB) dispositive (näher dazu unten Rdn 61) personengesellschaftliche Regelung. Zu unterscheiden sind die sog Grundentnahme und die sog Gewinnentnahme: 45 – Jeder Komplementär darf 4% seines für das letzte Jahr (nach Gewinngutschrift bzw Verlustabzug) festgestellten Kapitalanteils entnehmen (Grundentnahme, mitunter auch als Kapitalentnahme bezeichnet). Dieser Anspruch setzt einen positiven Kapitalanteil voraus96 (näher unten Rdn 49 f), ist im Übrigen aber unabhängig davon, ob auf den Komplementär im letzten Geschäftsjahr ein Gewinn entfiel oder der Kapitalanteil des Komplementärs durch frühere Verluste oder Entnahmen gemindert wurde.97 Für § 122 HGB (s zu § 288 Abs 1 aber Rdn 52 ff) unerheblich ist auch, ob die Gesellschaft für das laufende Geschäftsjahr Gewinne oder Verluste erwartet.98 Auch

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90 BGH 6.4.1987 – II ZR 101/86, WM 1987, 689, 690; MünchKomm/Grunewald4 § 168, 14 f; Großkomm HGB/Schäfer5 § 121, 19; Wiedemann WM 1990, Sonderbeilage 8, S 13. 91 MünchKomm/Perlitt5 40; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 20. 92 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 4; Godin/Wilhelmi4 3; Happ/Pühler5 1.03, 33.2; KK/Mertens/Cahn3 17; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 20; MünchKomm/Perlitt5 25; MünchKomm/Grunewald4 § 168, 15. 93 Vgl § 286 Rdn 39; Happ/Pühler5 1.03, 31. 94 Schmidt/Lutter/Schmidt3 9. 95 Im Mauracher Entwurf ist vorgesehen, das Entnahmerecht deutlich zu vereinfachen, vgl Vor § 278 Rdn 42a. 96 MünchKomm/Perlitt5 33, 47; KK/Mertens/Cahn3 29; Schlegelberger/Martens HGB5 § 122, 10; Wichert S 152. 97 Barz Voraufl 7; MünchKomm/Perlitt5 32. 98 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 23; MünchKomm/Perlitt5 32; iE auch Bürgers/Fett/Reger § 5, 257.

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wenn in diesem Jahr Verluste erwirtschaftet werden, sind die Entnahmen nicht zurückzuzahlen.99 Darüber hinaus darf der Komplementär seinen Anteil am Gewinn des Vorjahrs ent- 46 nehmen (Gewinnentnahme), sofern er 4% (als der Höchstgrenze des Grundentnahmerechts für das laufende Geschäftsjahr) übersteigt, es sei denn, die Entnahme würde der Gesellschaft zum Schaden gereichen.100 Der Komplementär ist auch bei Gewinnentnahmen nicht verpflichtet, getätigte Entnahmen zurückzuzahlen, wenn sich im laufenden Geschäftsjahr ein Verlust ergibt.101

Weitergehende Entnahmen der Komplementäre zu Lasten ihres Kapitalanteils sind unzulässig (§ 122 Abs 2 HGB), es sei denn, die Satzung erlaubt dies im Rahmen des Zulässigen (s Rdn 57 ff). Unberechtigte Entnahmen sind zurückzuerstatten (s Rdn 58 ff). Die Entnahmesperren nach § 122 HGB beschränken (ebenso wie die aus Abs 1, s Rdn 51 ff) nicht den Gewinnbeteiligungsanspruch des Komplementärs, sondern begründen lediglich ein Verbot der Gewinnauszahlung im Wege der Entnahme.102 Gewinnunabhängige Tätigkeitsvergütungen werden von der Entnahmesperre nicht erfasst. Die Grund- und die Gewinnentnahme werden durch die Treuepflicht begrenzt.103 Diese kann im Einzelfall gebieten, dass der Gesellschafter auch auf die Grundentnahme verzichtet, sofern er über ausreichende Privatmittel verfügt und die Gesellschaft dringend auf die Finanzmittel angewiesen ist. Umgekehrt kann die Gesellschaft aufgrund der Treuepflicht gehalten sein, einem in Finanznot befindlichen Komplementär eine höhere als die gesetzliche oder in der Satzung vorgesehene Grundentnahme zu erlauben, wenn die finanzielle Situation der Gesellschaft dies gestattet. Die Grundentnahme setzt einen Kapitalanteil voraus. Deshalb darf ein Komplementär ohne Kapitalanteil keine Grundentnahmen, wohl aber Gewinnentnahmen tätigen.104 Das Entnahmerecht entsteht mit der Feststellung des für die KGaA maßgeblichen Jahresabschlusses des letzten Geschäftsjahrs.105 Es erlischt nicht bereits zum Ende des laufenden Geschäftsjahrs,106 sondern erst mit der zeitlich späteren Feststellung der Bilanz für das laufende Geschäftsjahr.107 Andernfalls könnte bei verzögerter Bilanzfeststellung für das vorangegangene Jahr die Situation eintreten, dass der Anspruch bereits erloschen ist, bevor er geltend gemacht werden kann. Stehen gelassene Gewinne frü-

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99 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 32. 100 KK/Mertens/Cahn3 26 f; MünchKomm/Perlitt5 35; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. Für enge Auslegung des § 122 Abs 1 HGB Wichert S 153. 101 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 23; MünchKomm/Perlitt5 32. AA noch 3. Aufl Barz 7, doch wird hier verkannt, dass Entnahmen auf den Kapitalanteil des Vorjahres bezogen sind und keine Vorschüsse auf den im laufenden Jahr erwirtschafteten Gewinn darstellen. 102 Wichert S 154. 103 Hierzu und zum Folgenden Schlegelberger/Martens HGB5 § 122, 7, 11; Röhricht/Graf v Westphalen/ Haas/Haas HGB5 § 122, 6 sowie Bürgers/Fett/Reger § 5, 257; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. Enger dagegen MünchKommHGB/Priester5 § 122, 41, der meint, der Treuepflicht komme neben dem einschränkenden Tatbestandsmerkmal der Schädigung der Gesellschaft keine eigenständige Bedeutung zu. 104 MünchKomm/Perlitt5 34, 35; Schlitt S 227. 105 S Rdn 56. Vgl auch Baumbach/Hopt/Roth39 § 122, 4; MünchKomm/Perlitt5 31; Spindler/Stilz/ Bachmann4 5. 106 So aber MünchKomm/Perlitt5 36. 107 Baumbach/Hopt/Roth39 § 122, 10; Röhricht/Graf v Westphalen/Haas/Haas HGB5 § 122, 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 5; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7.

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herer Geschäftsjahre dürfen nicht nachgeholt werden,108 erhöhen aber den Kapitalanteil. 51

2. Entnahmesperren (Abs 1). In Ergänzung zu § 122 HGB führt § 288 Abs 1 zwei zwingende109 Entnahmesperren in das Recht der KGaA ein. Wie die Entnahmesperren nach § 122 HGB (s Rdn 45 ff) beschränken diejenigen aus Abs 1 nicht den Gewinnbeteiligungsanspruch des Komplementärs, sondern begründen lediglich ein Verbot der Gewinnauszahlung im Wege der Entnahme (s Rdn 47). Gewinnunabhängige Tätigkeitsvergütungen fallen nicht unter die Entnahmesperre des Abs 1 (Abs 3 Satz 1; s Rdn 76). Zur Verhinderung einer geplanten, gesetzwidrigen Entnahme s § 287 Rdn 57.

a) Entnahmesperre bei negativem Kapitalanteil (Abs 1 Satz 1). Nach Abs 1 Satz 1 darf der Komplementär keine Gewinnentnahme tätigen, solange sein Kapitalanteil aufgrund früherer Verluste oder Entnahmen negativ ist oder durch die Entnahme negativ würde.110 Die Entnahmesperre bezieht sich nach ihrem Wortlaut nur auf die Gewinnentnahme. Eine Grundentnahme bei negativem Kapitalanteil ist schon nach § 122 Abs 1 HGB unzulässig und ist deshalb durch Absatz 1 Satz 1 nicht eigens anzuordnen.111 Ist der Gewinn des Vorjahres höher als der negative Kapitalanteil, ist zunächst 53 der Verlust auszugleichen und nur der dann übrige Betrag für eine Grund- und Gewinnentnahme zu verwenden. Das verdeutlicht nachfolgendes Beispiel: Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Kapitalanteil am 1.1.2019 – 150000,– EUR Grundentnahme 2019 0,– EUR Gewinnentnahme 2019 0,– EUR Gewinnanteil 2019 200000,– EUR Kapitalanteil am 1.1.2020 50000,– EUR 52

Kapitalanteil am 1.1.2020 Grundentnahme 2020 von 4% Gewinnentnahme 2020 Gewinn 2020 Kapitalanteil am 31.12.2020

50000,– EUR – 02000,– EUR – 48000,– EUR 120000,– EUR 120000,– EUR

Der im Jahr 2020 angefallene Gewinnanteil kann erst im Jahr 2021 entnommen werden. 54

b) Entnahmesperre bei Gefährdung der Kapitalgrundlagen (Abs 1 Satz 2). Nach der zusätzlich geltenden Regelung des Abs 1 Satz 2 sind Grund- und Gewinnentnahmen (und, soweit in der Satzung vorgesehen, auch Sachentnahmen112) unzulässig, solange die Kapitalgrundlagen der Gesellschaft gefährdet sind. Dies ist der Fall, wenn die Gesamtsumme der – auf sämtliche Komplementäre entfallenden Verlustanteile (§ 286 Abs 2 Satz 2 AktG) – auf sämtliche Komplementäre entfallenden Einzahlungsverpflichtungen (§ 286 Abs 2 Satz 3 AktG)

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108 MünchKomm/Perlitt5 36; Schlegelberger/Martens HGB5 § 122, 6. 109 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 45; Schlitt S 229; Schmidt/Lutter/Schmidt3 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 110 KK/Mertens/Cahn3 29; Schmidt/Lutter/Schmidt3 13. 111 KK/Mertens/Cahn3 29. 112 KK/Mertens/Cahn3 31.

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Forderungen aus Krediten an die Komplementäre, ihre Angehörigen und für sie handelnde Dritte113 (§ 286 Abs 2 Satz 4 AktG) sowie – einem Bilanzverlust der KGaA (§ 266 Abs 3 A. V. HGB) die Summe aus – Gewinnvortrag (§ 266 Abs 3 A. IV. HGB) – Kapital- und Gewinnrücklagen (§ 266 Abs 3 A. II. und III. HGB) und – Kapitalanteilen aller persönlich haftenden Gesellschafter (§ 286 Abs 2 Satz 1 AktG) übersteigt. Nicht in die Berechnung einzubeziehen sind solche Konten, über die die Komple- 55 mentäre jederzeit verfügen können, wie etwa ein aufgrund der Satzung vorgesehenes Privatkonto (Gewinnsonderkonto, Entnahmekonto, Tätigkeitsvergütungskonto).114 c) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt und Reichweite der Entnahmesperren. 56 Grundlage einer Entnahmesperre gem Absatz 1 Satz 2 ist eine Berechnung anhand des letzten festgestellten Jahresabschlusses.115 Die Entnahmesperre greift jedoch bereits vorzeitig ein, wenn sich die wirtschaftliche Lage während des Geschäftsjahres im tatbestandsmäßigen Ausmaß verschlechtert. Zeichnet sich dies ab, muss die Geschäftsführung eine Zwischenbilanz erstellen oder die Eigenkapitalsituation pflichtgemäß schätzen.116 Das vorzeitige Eingreifen der Entnahmesperre lässt sich zum einen mit dem Gedanken der Kapitalerhaltung rechtfertigen, der ein Zuwarten bis zur nächsten Bilanz verbietet. Zum anderen kann als Begründung auf die parallele Regelung des § 122 Abs 1 HGB („offenbarer Schaden der Gesellschaft“) und die sich aus der Treuepflicht ergebenden Einschränkungen verwiesen werden (s Rdn 45 f, 48). Das Entnahmerecht der Komplementäre lebt jedoch wieder auf, sobald keine Gefährdung der Kapitalgrundlagen der Gesellschaft mehr vorliegt.117 Mertens und Cahn wollen offenbar die für Grund- und Gewinnentnahme geltende 57 Sperre des Abs 1 Satz 2 nicht nur anwenden, wenn die Kapitalgrundlagen der KGaA insgesamt gefährdet sind, sondern auch dann, wenn eine Zwischenbilanz oder Schätzung ergibt, dass der Kapitalanteil einzelner Komplementäre im laufenden Jahr negativ zu werden droht.118 Das ergibt sich weder aus dem Wortlaut, noch ist es mit dem Sinn der Entnahmesperre zu vereinbaren. Die Grundentnahme nach § 122 Abs 1 Hs 1 HGB soll ein laufendes Einkommen für Komplementäre sicherstellen. Diese Entnahme unterliegt daher nicht einmal der Schranke des § 122 Abs 1 Hs 2 HGB, wonach eine Auszahlung bei drohender Schädigung der Gesellschaft zu unterbleiben hat. Ist der Kapitalanteil nach der letzten Bilanz positiv, darf folglich die Grundentnahme noch erfolgen, auch wenn er voraussichtlich im laufenden Jahr negativ werden wird. Erst wenn der Kapitalanteil mit Feststellung der nächsten Bilanz tatsächlich negativ wird, greift Absatz 1 Satz 1 ein. Die Gewinnentnahme hingegen unterliegt der Schranke drohender Schädigung der Ge-

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113 Dass auch Dritte erfasst sind, zeigt der Wortlaut von § 286 Abs 2 Satz 4 (vgl § 286 Rdn 43). Dass § 288 Abs 1 sie nicht ausdrücklich nennt, dürfte ein Redaktionsversehen sein, zumal § 288 Abs 2 Satz 1 voll inhaltlich auf § 286 Abs 2 Satz 4 Bezug nimmt; ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 26; MünchKomm/Perlitt5 51 f; KK/Mertens/Cahn3 31. AA Godin/Wilhelmi4 5; Baumbach/Hueck13 8. 114 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 26; KK/Mertens/Cahn3 31; MünchKomm/Perlitt5 54. 115 MünchKomm/Perlitt5 55; Schmidt/Lutter/Schmidt3 14. 116 Ebenso Bürgers/Fett/Reger § 5, 257 aE; MünchKomm/Perlitt5 56; Schmidt/Lutter/Schmidt3 14; Spindler/Stilz/Bachmann4 6 aE. Teilweise aA KK/Mertens/Cahn3 33 und Fn 46, der die Pflicht zur Erstellung der Zwischenbilanz auch bei Absatz 1 Satz 1 anwenden will. 117 So bereits 3. Aufl Barz 9. 118 Hierauf deutet die Formulierung von Fn 46 bei KK/Mertens/Cahn3 33 hin.

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sellschaft (§ 122 Abs 1 Hs 2 HGB), so dass hier eine Zwischenbilanz oder Schätzung angezeigt ist, um einen Entnahmestopp nach § 122 HGB zu prüfen. § 288 Abs 1 Satz 1 greift anschließend ein, wenn der Kapitalanteil mit der nächsten Bilanzfeststellung negativ wird. Ein Entnahmestopp für Grundentnahme und Gewinnentnahme erfolgt gem Absatz 1 Satz 2, wenn die Gesamtbetrachtung der genannten Bilanzpositionen (s Rdn 54) ergibt, dass die Eigenkapitalsituation der KGaA gefährdet ist. Er ist nicht bereits dann zulässig, wenn ein einzelner Kapitalanteil negativ zu werden droht. Ist die Gesamtsituation der KGaA so schlecht, dass die Voraussetzungen der Entnahmesperre des Absatz 1 Satz 2 vorliegen, verbietet diese natürlich auch Entnahmen von Komplementären, deren Kapitalanteil positiv ist.119 3. Gesetzwidrige Entnahmen. Erfolgt eine Entnahme entgegen der Entnahmesperre des § 122 Abs 1 Hs 2 HGB oder entgegen § 288 Abs 1 Satz 1 oder Satz 2, verstößt der entnehmende Komplementär gegen ein gesetzliches Verbot120 (§ 134 BGB) und ist daher gemäß § 812 Abs 1 Satz 1 BGB zur Rückzahlung verpflichtet. Er genießt keinen Gutglaubensschutz analog § 62 Abs 1 Satz 2.121 Gesetzeswidrige Entnahmen sind daher umgehend zurückzuzahlen und bis zur Rückzahlung zu verzinsen (§ 111 Abs 1 HGB). Gleiches gilt für satzungswidrige Entnahmen. 59 § 288 Abs 2 und § 89 stehen in einem Spezialitätsverhältnis (zu Einzelheiten s § 283 Rdn 25 mwN), so dass – trotz der Einordnung unzulässiger Entnahmen als Kredit (vgl § 89 Abs 1 Satz 3)122 – eine unzulässige Entnahme nicht vom Aufsichtsrat gem §§ 283 Nr 5, 89 Abs 5 genehmigt werden kann.123 Daher kann die Rückzahlung des entnommenen Betrags nicht im Wege des § 488 Abs 1 Satz 2 BGB gefordert werden. Gleiches gilt für den Fall, dass die Satzung einen bestimmten Mindestbetrag als Einlage vorschreibt und der Gesellschafter dies missachtet; auch in diesem Fall fehlt es an der Genehmigungsmöglichkeit.124 Hiergegen lässt sich nicht einwenden, die zusätzliche Beschränkung der Entnahmemöglichkeit beruhe auf einer freiwilligen Regelung der Gesellschafter, denn die Gläubiger verlassen sich auf eine Einhaltung auch satzungsmäßiger Beschränkungen. Darüber hinaus haften die auszahlenden Komplementäre der Gesellschaft gem 60 §§ 283 Nr 3, 93 auf Schadensersatz.125 Auch kommt eine Haftung nach § 117 in Betracht.126 Umstritten ist, ob gegen die auszahlenden oder gegen die entnehmenden Komplementäre ein Anspruch aus § 823 Abs 2 BGB iVm Absatz 1 besteht.127 Dies ist zu bejahen. Zwar hat der BGH die sachlich vergleichbare Vorschrift des § 30 Abs 1 Satz 1 GmbH als nicht gläubigerschützend eingeordnet, um das Konzept der Binnenhaftung in der GmbH nicht zu stören.128 Wenn der Anspruch aber von der Gesellschaft selbst geltend gemacht wird, bleibt dieses Konzept gerade unangetastet. Eine solche Haftung kann sich als sinnvoll 58

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119 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 27. 120 3. Aufl Barz 10; KK/Mertens/Cahn3 35; MünchKomm/Perlitt5 58. 121 Hüffer/Koch14 4; MünchKomm/Perlitt5 57; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 122 Hieraus wird teilweise abgeleitet, dass jede unzulässige Entnahme zugleich einen Kredit darstellt, MünchKomm/Perlitt5 57; aA KK/Mertens/Cahn3 34. 123 KK/Mertens/Cahn3 34; MünchKomm/Perlitt5 57. 124 Ob eine gesetzes- oder satzungswidrige Entnahme einen Kredit darstellt, ist str. Bejahend MünchKomm/Perlitt5 43; 4. Aufl Assmann/Sethe 64 (Ansicht wird aufgegeben); widersprüchlich KK/Mertens/Cahn3 22 und 34. 125 MünchKomm/Perlitt5 58; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 126 Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 127 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 8; Heidel/Wichert5 12; Hölters/Müller-Michaels3 3; Hüffer/Koch14 4; MünchKomm/Perlitt5 58; aA Grigoleit/Servatius2 2; KK/Mertens/Cahn3 35; Spindler/Stilz/Bachmann4 7. 128 BGH 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 359 f (zu § 30 GmbHG).

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erweisen, wenn die KGaA gegen Mittäter des Auszahlenden vorgehen will, die keiner Haftung nach §§ 283 Nr 3, 93 oder 117 unterliegen. 4. Satzungsregelungen. Einer Satzungsregelung zugänglich ist nur das Recht zur 61 Grund- und zur Gewinnentnahme nach § 122 HGB (s § 109 HGB). Die Entnahmeverbote des § 288 Abs 1 sind zwingend (s Rdn 51).129 a) Allgemeine Modifikationen des Entnahmerechts. Die Satzung kann die Unterscheidung in Grund- und Gewinnentnahme aufheben und durch eine einheitliche Entnahmeregelung ersetzen. Sie kann darüber hinaus Voraussetzungen und Umfang der Entnahmen regeln (dazu näher unten Rdn 66 ff und Rdn 69 ff). Darunter fällt auch die Möglichkeit, einen Mindest- und Höchstbetrag festzusetzen, innerhalb dessen Entnahmen (und Einzahlungen) in beliebiger Höhe jederzeit erlaubt sind. In der Sache bedeutet dies nichts anderes als eine Erweiterung oder Beschränkung des Entnahmerechts nach § 122 HGB. Die Grenze einer entsprechenden Satzungsregelung bilden allerdings auch die zwingenden Sperren des Abs 1. Möglich ist auch eine Regelung des Entnahmerechts, der zufolge Beträge, die nicht zum Ausgleich von Verlusten benötigt werden, auf einem Verrechnungskonto gutgeschrieben und in voller Höhe entnommen werden können.130 Die Satzung kann auch besondere Entnahmerechte vorsehen, wie etwa im Hinblick auf die zur Deckung der mit ihrer Beteiligung zusammenhängenden Steuerverpflichtungen der Komplementäre131 oder die Gewährung von Vorschüssen auf zu erwartende Gewinne.132 In beiden Fällen können Höchstgrenzen festgelegt werden. Die Ausübung der Entnahmerechte unterliegt allerdings wieder den Sperren des Abs 1.

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b) Erweiterungen des Entnahmerechts. Zulässig ist es, eine Grundentnahme mit 66 einem höheren Prozentsatz als 4% vorzusehen.133 Da § 122 HGB dispositiv ist, liegt hierin keine Kreditgewährung, die nur unter den Voraussetzungen der §§ 283 Nr 5, 89 zulässig wäre.134 Weiterhin kann die Satzung vorsehen, dass die Komplementäre ihre Kapitaleinlage 67 der Gesellschaft nicht auf Dauer zu überlassen haben, sondern sie nach näherer Maßgabe der Satzungsregelung in bestimmten zeitlichen Grenzen und Beträgen ganz oder teilweise entnehmen können. Nicht zulässig ist dagegen die satzungsmäßige Einräumung eines Entnahme- 68 rechts bei negativem Kapitalanteil.135 Das folgt aus Abs 1 Satz 1.136 Unzulässig sind Sat-

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129 Schmidt/Lutter/Schmidt3 12. 130 S Schlitt S 228 mit entsprechendem Satzungsvorschlag S 225 f. Zu einer ähnlichen Gestaltung s Rdn 67. Sa MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 24. 131 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 24; MünchKomm/Perlitt5 41; Schlitt S 228 (mit Satzungsgestaltungsvorschlag S 225 f). 132 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 24; MünchKomm/Perlitt5 41; Schlitt S 228 (mit Satzungsgestaltungsvorschlag S 225 f). Vorschüsse auf Entnahmen müssen zurückgezahlt werden, wenn die Vorschussvoraussetzungen oder -bedingungen nicht vorlagen, nicht eingetreten oder weggefallen sind. Der Anspruch richtet sich nach Vertragsrecht und nicht nach Bereicherungsrecht, BGH 29.5.1967 – VII ZR 66/65, BGHZ 48, 70, 74; Baumbach/Hopt/Roth39 § 122, 11. 133 KK/Mertens/Cahn3 22; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 24; MünchKomm/Perlitt5 43; Schlitt S 228. 134 MünchKomm/Perlitt5 43. Anders bei einem negativen Kapitalanteil, KK/Mertens/Cahn3 22. Sa oben Rdn 58. 135 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 24; KK/Mertens/Cahn3 25; MünchKomm/Perlitt5 42; Schlitt S 228. 136 Nicht möglich ist die Genehmigung einer solchen Entnahme über § 89 Abs 5 (so Rdn 58, 65).

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zungsregelungen, die Komplementären ohne Kapitalanteil ein Recht auf Grundentnahmen einräumen, denn Grundentnahmen erfordern ihrer Natur nach einen positiven Kapitalanteil (§ 122 Abs 1 HGB, so Rdn 52). Zulässig ist es dagegen, den Komplementären ein Gewinnentnahmerecht zu gewähren,137 da dieses nicht zwingend einen Kapitalanteil voraussetzt, sondern auch für die Übernahme der persönlichen Haftung und/oder der Geschäftsführung gewährt werden kann (s Rdn 49). c) Begrenzungen des Entnahmerechts. So wie die Satzung eine höhere Grundentnahme als 4% vorsehen kann (s Rdn 66), kann sie auch einen niedrigeren Prozentsatz bestimmen oder das Entnahmerecht auf andere Weise (zeitlich, sachlich und vom Umfang her) beschränken. Gleiches gilt für die Begrenzungen der Gewinnentnahmerechte. Unabhängig davon, ob man es für zulässig erachtet, den Gewinnanspruch von Komplementären ganz auszuschließen (s Rdn 40), ist es jedenfalls möglich, Grund- und Gewinnentnahmerechte, die keinen Einfluss auf den Gewinnbeteiligungsanspruch als solchen haben, zu beschränken. 70 Eine zulässige Form der (Grund- und Gewinn-)Entnahmebeschränkung besteht etwa darin, dem einzelnen Komplementär erst für den Fall ein Entnahmerecht zuzugestehen, dass dessen Kapitaleinlage die in der Satzung festgelegte Höhe erreicht hat, was einen Komplementär zwingen kann, mit den auf ihn entfallenden Gewinnen zunächst seinen Kapitalanteil aufzufüllen, bevor er (Grund- oder Gewinn-)Entnahmen zu tätigen vermag.138 Überschießende Beträge werden in diesem Fall auf einem Gewinn- und Entnahmekonto verbucht, von dem Entnahmen zulässig sind. Denkbar ist auch, dass für jedes Geschäftsjahr bestimmte Teile der Gewinne dem 71 Entnahmerecht entzogen werden und zur Bildung einer besonderen Rücklage verwandt werden müssen, die etwa der Deckung eventueller Verlustschmälerungen oder zur Erhöhung der Kapitaleinlage der Komplementäre zu dienen bestimmt sind.139 Schließlich ist es auch möglich, über Abs 1 hinausgehende Entnahmesperren 72 vorzusehen.140

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IV. Unzulässige Kredite (Abs 2) Über die sich aus §§ 283 Nr 5, 286 Abs 2 Satz 4, 89 ergebenden Beschränkungen hinaus enthält Abs 2 eine weitere Kreditsperre: Die Vorschrift verbietet die Kreditgewährung an Komplementäre, ihre Angehörige und für diese handelnde Dritte („Mittelspersonen“)141 für den Fall, dass die Voraussetzung des Abs 1 Satz 2 vorliegen, dh die Kapitalgrundlagen der Gesellschaft gefährdet sind (s Rdn 54 f). Ein solches Geschäft kann auch nicht durch Zustimmung des Aufsichtsrats „geheilt“ werden, denn § 89 Abs 5 ist nicht einschlägig.142 Unzulässig ist sowohl der Abschluss eines neuen Darlehensvertrags als auch die 74 Auszahlung der Valuta aufgrund eines Darlehensvertrags, der vor dem Eingreifen der 73

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137 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 44. 138 Schlitt S 229. 139 MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 24; MünchKomm/Perlitt5 41; Schlitt S 228. 140 Schlitt S 229 am Bsp einer Gewinnthesaurierungsverpflichtung mit Entnahmesperre parallel zu entsprechenden Beschlüssen der Hauptversammlung zur Verwendung des auf die Kommanditaktionäre entfallenden Gewinns. Sa oben Fn 65. 141 Zum betroffenen Personenkreis und zur Kreditgewährung gegenüber demselben sa die Erläuterungen in § 283 Rdn 25, § 287 Rdn 47 f. 142 KK/Mertens/Cahn3 37; MünchKomm/Perlitt5 59.

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Kreditsperre geschlossen wurde.143 Liegen sowohl der Vertragsschluss als auch die Auszahlung des Darlehens vor dem Eintritt der Kreditsperre, begründet Abs 2 jedoch keine sofortige Rückzahlungspflicht.144 Die Norm will nur eine weitere Gefährdung der Kapitalgrundlagen verhindern, nicht aber diese ipso iure wiederherstellen. Abs 2 besteht im öffentlichen Interesse und ist damit zwingend.145 Das schließt es 75 allerdings nicht aus, die sich aus Abs 2 ergebende Kreditsperre entsprechend § 23 Abs 5 Satz 2 zu erweitern, indem eine Kreditgewährung generell untersagt wird. Gegen Absatz 2 verstoßende Auszahlungen lösen die sofortige Rückzahlungspflicht und ggf Schadensersatzpflichten aus (s Rdn 58 ff). V. Tätigkeitsvergütungen (Abs 3) 1. Überblick. Abs 3 Satz 1 nimmt gewinnunabhängige Tätigkeitsvergütungen 76 der persönlich haftenden Gesellschafter von den in Absatz 1 und Abs 2 enthaltenen Sperren aus. Vom Gewinn unabhängige Tätigkeitsvergütungen unterliegen mithin weder den Entnahmebeschränkungen des Absatz 1 noch stellen sie einen Kredit iSd Absatz 2 dar. Sie können einem Komplementär deshalb auch für den Fall gewährt werden, dass sein Kapitalanteil negativ ist.146 Gewinnunabhängige Tätigkeitsvergütungen dürfen damit auch in Verlustphasen der Gesellschaft bezahlt werden. Es handelt sich bei Absatz 3 Satz 1 nicht lediglich um eine gesetzliche Klarstellung, denn Tätigkeitsvergütungen sind definitionsgemäß etwas anderes als die von Absatz 1 Satz 2 erfassten Gewinnentnahmen oder die von Absatz 2 geregelten Kredite.147 Abs 3 Satz 2 erklärt die Regelung des § 87 Abs 2 Satz 1 für anwendbar, erlaubt also 77 eine Herabsetzung der Tätigkeitsvergütung, wenn sich die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft verschlechtert hat und eine Weiterbezahlung der Vergütung in bisheriger Höhe für die Gesellschaft grob unbillig wäre. 2. Tätigkeitsverträge. Die Komplementäre der KGaA nehmen die Geschäftsführung 78 als „geborene“ Mitglieder wahr (s Vor § 278 Rdn 65, § 278 Rdn 104), so dass nach dem Gesetz eine Entlohnung für ihre Geschäftsführungstätigkeit allein auf der Basis mitgliedschaftlicher Gewinnansprüche vorgesehen ist. Abs 3 zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber diese aus dem Personengesellschaftsrecht stammende Vorstellung nicht ohne Weiteres auf die KGaA übertragen wollte, sondern die abweichende Praxis zur Kenntnis genommen hat. Diese berücksichtigt, dass die Geschäftsführung eine Aufgabe darstellt, die die gesamte Arbeitskraft der geschäftsführungsbefugten Komplementäre umfasst, so dass die mitgliedschaftlichen Gewinnansprüche kein ausreichendes Äquivalent für ihre Tätigkeit darstellen. Dies gilt insbesondere für Verlustphasen, in denen das Management weiterhin angemessen entlohnt werden muss. Da jedoch der für die Komplementäre gesetzlich vorgesehene Gewinnanspruch nur in „guten“ Geschäftsjahren anfällt, sehen die gesetzlichen Vorgaben keine konstante Entlohnung der Geschäftsführung vor. Aus diesem Grund wird bei den meisten Gesellschaften in der Rechtsform der KGaA parallel zu den Gewinnansprüchen der Komplementäre ein Tätigkeitsvertrag geschlossen, der die laufende Entlohnung der geschäftsführungsbefugten Komplemen-

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143 Godin/Wilhelmi4 7; Hüffer/Koch14 5; KK/Mertens/Cahn3 36; MünchKomm/Perlitt5 59. 144 Godin/Wilhelmi4 7; KK/Mertens/Cahn3 36; MünchKomm/Perlitt5 61; Spindler/Stilz/Bachmann4 8. 145 Unstr; vgl Hüffer/Koch14 5; MünchKomm/Perlitt5 61; Schmidt/Lutter/Schmidt3 12. 146 Unstr; vgl MünchKomm/Perlitt5 67. 147 Heidel/Wichert5 14; Hüffer/Koch14 6; MünchKomm/Perlitt5 62; aA Grigoleit/Servatius2 6; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 28; Schmidt/Lutter/Schmidt3 18 und auch noch Hüffer/Koch11 6 (jeweils Klarstellung).

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täre, ihre Pensionsansprüche uÄ regelt (sa § 278 Rdn 74 ff, 145 f, § 281 Rdn 32 ff). Handelt es sich um einen sog Geschäftsführer-Komplementär ohne Kapitalanteil (s Rdn 40 und § 278 Rdn 69, 138), wird seine rechtliche Stellung sogar ganz überwiegend durch einen solchen Vertrag geprägt. Der Tätigkeitsvertrag ist im Kern als schuldrechtliche Nebenabrede zum Gesellschaftsvertrag einzuordnen, hat aber auch mehr oder weniger starke dienstvertragliche Züge.148 Je mehr die rechtliche Stellung der Komplementäre der des Vorstands einer AG angenähert ist, wie etwa beim Geschäftsführer-Komplementär (s Rdn 40 und § 278 Rdn 69, 74, 138), desto stärker ausgeprägt ist das dienstvertragliche Element. Zwar könnten die in einem Tätigkeitsvertrag enthaltenen Regelungen auch unmittelbar in der Satzung niedergelegt werden, doch würden spätere Änderungen und Anpassungen stets eine Satzungsänderung erforderlich machen. Es ist daher weitaus einfacher, wenn die Satzung nur die detaillierte Ermächtigung zum Abschluss solcher Verträge enthält und die Einzelheiten flexibel im Tätigkeitsvertrag festgelegt werden können. Vertragspartner eines Tätigkeitsvertrags sind der jeweilige Komplementär und die Gesellschaft. Die Gesellschaft wird bei Verträgen mit den Komplementären nach §§ 278 Abs 3, 112 durch den Aufsichtsrat vertreten (s § 278 Rdn 76, § 287 Rdn 67 ff). Dabei ist der Aufsichtsrat auch zwingend inhaltlich zuständig für die Festlegung der Art und Höhe, soweit sich diese nicht bereits aus der Satzung ergibt (s § 278 Rdn 76). Gegenstand des Tätigkeitsvertrags können Einzelfragen der Geschäftsführung, Vergütung149 und eventueller Versorgungszusagen sein (s § 278 Rdn 77 ff). Im Vertrag kann außerdem die Beendigung der Stellung als geschäftsführungsbefugter Komplementär oder die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis geregelt werden. Aufgrund von § 26 Abs 1 setzt der Abschluss eines Tätigkeitsvertrags eine entsprechende Ermächtigung in der Satzung voraus.150 Diesbezüglich sind zwei Regelungsbereiche zu unterscheiden: – Bei Leistungen an die Komplementäre ist eine Festlegung der einzelnen Vergütungsbestandteile dem Grunde nach ausreichend; die genaue Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen kann durch späteren Beschluss der Gesellschafter erfolgen.151 Der hiergegen mögliche Einwand, den Kommanditaktionären und Gläubigern bliebe so die Höhe der Vergütung verborgen, überzeugt vor dem Hintergrund der bilanziellen Transparenzpflichten nicht. Die Gesamtbezüge der persönlich haftenden Gesellschafter müssen im Anhang zum Jahresabschluss angegeben werden (§ 285 Nr 9 HGB). Möglich ist auch eine Ermächtigung, wonach der Aufsichtsrat oder ein anderes Organ die Höhe der Vergütung festsetzt.152 Die festen Tätigkeitsvergütungen können im Verhältnis zur Gesellschaft und zu den übrigen Gesellschaftern nur dann als Aufwand der Gesellschaft behandelt werden, wenn dies die Satzung ausdrücklich bestimmt.153

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148 Ebenso Bürgers/Fett/Reger § 5, 261; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 40; MünchKomm/Perlitt5 81; Spindler/Stilz/Bachmann4 9; Hölters/Müller-Michaels3 5. 149 Zu Vergütungsart und -höhe und zur Frage der Anwendbarkeit von §§ 87, 87a su 93 ff und § 278 Rdn 76. 150 Vgl § 281 Rdn 35. 151 Happ/Pühler5 1.03, 14.2; MünchKomm/Perlitt5 § 281, 47, 49; Spindler/Stilz/Bachmann4 11. Missverständlich Vollertsen S 311, der zwischen „Festsetzung dem Grunde nach“ und „allgemeiner Ermächtigungsgrundlage“ unterscheidet. Gemeint ist das Gleiche, nämlich dass die Details später ausgefüllt werden. 152 OLG Hamburg Hans RGZ 1930, B 196, 208; Godin/Wilhelmi4 § 281, 4; Knur in: FS Flume Bd II, 1978, S 173, 193; MünchKomm/Perlitt5 82, § 281, 47; iE wohl auch L Fischer S 66 f. AA Ritter § 222, 3. 153 Happ/Pühler5 1.03, 14.2.

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Soweit der Vertrag andere Fragen regelt (wie etwa die Geschäftsführung und die 84 Abberufung von Geschäftsführern), muss die Satzung ebenfalls eine entsprechende Ermächtigung enthalten, da eine bloße schuldrechtliche Vereinbarung eine gesetzliche oder in der Satzung enthaltene Regelung nicht verdrängen kann.154 Unzulässig ist die Übertragung von Kompetenzen, die zwingend einem anderen Organ zugewiesen sind.155 Zulässig ist dagegen die Zusage einer Haftungsfreistellung (s § 278 Rdn 69). Erlaubt ist auch ein den Komplementären auferlegtes Verbot, Aktien der Gesellschaft zu erwerben.156 Möglich ist umgekehrt auch eine Regelung, wonach die Komplementäre Aktien der Gesellschaft erwerben und halten müssen, solange sie der Geschäftsführung angehören. In diesem Zusammenhang kann auch die Frage der Ausübung des Stimmrechts für solche Aktien Gegenstand der Vereinbarung sein (sa § 285 Rdn 46).

Enthält die Satzung keine Ermächtigung zum Abschluss eines Tätigkeitsver- 85 trags mit den Komplementären, greift § 26 Abs 3 ein, so dass die abgeschlossenen Verträge der Gesellschaft gegenüber unwirksam sind und auch durch nach Eintragung der Gesellschaft erfolgte Satzungsänderung nicht geheilt werden können.157 3. Vergütungsschranken a) Auszahlungssperre für gewinnabhängige Tätigkeitsvergütungen aa) Ratio legis und der Begriff der Tätigkeitsvergütung. Absatz 3 Satz 1 nimmt 86 Tätigkeitsvergütungen von den Entnahmesperren nach Absatz 1 und 2 aus. Hierunter sind nur solche Leistungen zu verstehen, die für die Übernahme der Geschäftsführung zugesagt werden und die nicht in irgendeiner Form vom Unternehmenserfolg abhängig sind (sa Rdn 89).158 Es kommt also nicht darauf an, ob die Vergütung marktüblich ist,159 denn das Gesetz knüpft gerade an die besondere Stellung an, die Komplementäre im Vergleich zum Vorstand einer AG haben, weshalb sich Wertungen der Vorstandsvergütung nicht ohne Weiteres übertragen lassen (sa Rdn 87, sa § 278 Rdn 77). Das Gesetz verwendet für die KGaA in Absatz 3 daher auch einen anderen Begriff der 87 Vergütung als für die AG in § 87 Abs 1. Aus dieser Unterscheidung folgt, dass nicht alle der in § 87 Abs 1 genannten möglichen Bestandteile der Bezüge auch mögliche Bestandteile der Tätigkeitsvergütung iSd Absatz 3 sind. Die gesetzliche Unterscheidung zwischen § 87 Abs 1 einerseits und § 288 Abs 3 andererseits beruht auf der Überlegung, dass für die KGaA der Grundsatz der Selbstorganschaft gilt und die Geschäftsführung damit enger mit dem unternehmerischen Erfolg der KGaA verbunden ist. Im Gegensatz dazu wird der Vorstand der AG über eine Gewinnbeteiligung für den Erfolg des Unternehmens belohnt. Aufgrund seiner engeren Verbundenheit mit dem Unternehmenserfolg muss es ein Komplementär daher eher als ein Vorstand hinnehmen, dass in Verlustphasen die gewinnabhängigen Bestandteile seiner Vergütung nicht ausbezahlt werden. Deshalb hat der Gesetzgeber alle vom Gewinn abhängigen Leistungen an Komplementäre von der

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154 IE ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 24. 155 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 84. 156 Vgl § 285 Rdn 45. Ebenso hierzu und zum Folgenden MünchKomm/Perlitt5 85. 157 S die Erläuterungen von Röhricht/Schall zu § 26, 39 ff und 62 ff; Vollertsen S 310. 158 Bürgers/Fett/Reger § 5, 265; Heidel/Wichert5 14; KK/Mertens/Cahn3 38; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 26; MünchKomm/Perlitt5 63; Spindler/Stilz/Bachmann4 13. 159 So aber Grigoleit/Servatius2 6, der den Tatbestand des Absatz 3 Satz 1 teleologisch reduzieren will.

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Privilegierung des Abs 3 Satz 1 ausgeschlossen. Dies gilt selbst für den Fall, dass die gewinnabhängigen Bestandteile der Vergütung nur den geschäftsführungsbefugten Komplementären zugesagt werden und die übrigen Komplementäre nicht in den Genuss solcher Leistungen kommen sollen. Eine solche Ausgestaltung belegt zwar, dass die fragliche Leistung eine echte Geschäftsführervergütung darstellt, sie unterfällt aber gleichwohl nicht Abs 3 Satz 1. 88 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Privilegierung iSd Abs 3 Satz 1 als eng auszulegende Ausnahme versteht. Eine Tätigkeitsvergütung iSd Abs 3 Satz 1 liegt damit nur vor, wenn – kumulativ – zwei Kriterien erfüllt sind: Zum einen die gewinnunabhängige Ausgestaltung der Vergütung und zum anderen der mit der Leistung verfolgte Zweck der Gewährung einer Vergütung für die Übernahme der Geschäftsführung. 89

bb) Einzelne Ausgestaltungen. Unter den Begriff der Tätigkeitsvergütung fallen in jedem Fall feste Vergütungen sowie Aufwandsentschädigungen, Versicherungsprämien uÄ, die im Zusammenhang mit der Geschäftsführung stehen und zu dem Zweck der Entlohnung für die Geschäftsführung gezahlt werden.160 Unter den Begriff fällt auch eine zu diesem Zweck gewährte Entlohnung, die am Umsatz,161 nicht aber am Gewinn des Unternehmens ausgerichtet ist. Am Gewinn ausgerichtet sind Vergütungen oder Vergütungsbestandteile (s Rdn 91), die sich nach dem Erfolg des Unternehmens bemessen, indem sie an den Jahresüberschuss, den Gewinn vor Steuern, die ausgeschüttete Dividende, den Börsenkurs uÄ anknüpfen.162 Gleiches gilt für die Anbindung der Vergütung an gewinnbezogene Teilergebnisse der Gesellschaft sowie an die gewinnbezogenen Ergebnisse oder Teilergebnisse eines Teilbetriebs des Unternehmens.163 Nicht gewinnbezogen, sondern lediglich anreizorientiert sein sollen nach hM164 Aktienoptionen, die daher nicht unter die Zahlungsverbote fielen. Aktienbezugsrechte belasten der hM zufolge das Vermögen der Gesellschaft nicht und eine Entnahmesperre zum Gläubigerschutz sei daher nicht erforderlich. Diese Begründung überzeugt nicht. Die Ausübung (und teilweise auch die Gewährung) von Aktienoptionen ist regelmäßig an den Börsenkurs gekoppelt und damit an den Erfolg des Unternehmens. Auch wird der Gläubigerschutz tangiert, denn wenn zur Bedienung der Optionen eigene Aktien gewährt werden, vermindert sich das Gesellschaftsvermögen. Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft zur Erfüllung der Optionen Aktien schafft und damit auf ein am Markt erzielbares Agio verzichtet. Aus Sicht der Gläubiger spielt es folglich keine Rolle, ob ein gewinnabhängiger Bonus oder eine börsenkursabhängige Aktienoption gewährt oder ausgeübt wird. Aktienoptionen fallen folglich nicht unter die Ausnahme des Absatz 3 Satz 1 und können daher von der Entnahmesperre erfasst sein. Dies gilt etwa für den Fall, dass die Aktienoptionen vorzeitig165 oder über das als Vergütung vereinbarte Maß hinausgehend ge-

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160 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 69. 161 Bürgers/Fett/Reger § 5, 265; KK/Mertens/Cahn3 38 (sie weisen darauf hin, dass die Vereinbarung von Umsatztantiemen gegen §§ 93, 116 verstoßen kann); MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 28; Wichert S 155. Teilweise abweichend da nach Art der Umsatzberechnung differenzierend MünchKomm/Perlitt5 71. 162 Ebenso KK/Mertens/Cahn3 38; MünchKomm/Perlitt5 70. 163 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 70. 164 KK/Mertens/Cahn3 39; MünchKomm/Perlitt5 70 aE; Schmidt/Lutter/Schmidt3 18; Spindler/Stilz/ Bachmann4 13. 165 Als Entnahme iSd § 89 Abs 1 ist die Inanspruchnahme von dem Vorstandsmitglied geschuldeten Leistungen der Gesellschaft vor Fälligkeit anzusehen, vgl OLG Stuttgart 28.7.2004 – 20 U 5/04, NZG 2004, 1002; MünchKomm/Spindler5 § 89, 15 mwN.

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währt werden, was wirtschaftlich einem Kredit gleichkommt (§§ 89 Abs 1 Satz 4, 286 Abs 2 Satz 4, 288 Abs 2). Sind Leistungen zugesagt, die zu einem anderen Zweck als der Übernahme der 90 Geschäftsführung gezahlt werden, handelt es sich nicht um eine Tätigkeitsvergütung iSd Abs 3 Satz 1.166 So fallen ein Gewinnvoraus und ein Risikozuschlag für die Übernahme der persönlichen Haftung nicht unter Abs 3 Satz 1 und können damit der Entnahmesperre unterliegen, selbst wenn monatlich genau festgelegte Beträge gezahlt werden. Gleiches gilt für eine regelmäßig erfolgende, feste Vorauszahlung auf künftige Gewinne, da es nicht allein auf die Berechnung und den Auszahlungsmodus ankommt, sondern auch der mit der Zahlung verfolgte Zweck maßgeblich ist (s Rdn 88). Dies gilt auch für den Fall, dass die Vergütung ausdrücklich als Geschäftsführervergütung bezeichnet ist, sich aber in der Sache am Unternehmensgewinn orientiert.167 Setzt sich die Vergütung aus mehreren Bestandteilen zusammen, so ist jeder Ver- 91 gütungsbestandteil isoliert darauf zu prüfen, ob er gewinnabhängig oder gewinnunabhängig und zum Zwecke der Tätigkeitsvergütung gezahlt wird.168 Ist etwa eine feste Vergütung vereinbart, die eine Entlohnung sowohl für die Übernahme der Geschäftsführung als auch für die Übernahme der persönlichen Haftung darstellt, unterfällt der gewinnabhängige Vergütungsbestandteil Abs 3 Satz 1 und damit den Bestimmungen in Abs 1 und Abs 2. Der auf die Übernahme der persönlichen Haftung entfallende Teil der Vergütung ist mithin nicht nach Abs 3 Satz 1 privilegiert.169 Wollte man den gesamten Betrag privilegieren, würde man auf diese Weise die geschäftsführungsbefugten Komplementäre gegenüber den übrigen Komplementären bevorzugen, deren Entlohnung für die Übernahme der Haftung in keinem Fall unter Absatz 3 Satz 1 fällt.170 Anhaltspunkte über die prozentuale Verteilung der Vergütung auf die unterschiedlichen mit ihr verfolgten Zwecke lassen sich im Einzelfall der Satzung, dem Tätigkeitsvertrag und dem Gesellschafterbeschluss über die Höhe der Vergütung entnehmen. Enthalten diese keine Hinweise, muss die prozentuale Verteilung geschätzt werden, wobei auf üblicherweise für eine vergleichbare Tätigkeit gezahlte Beträge zurückgegriffen werden kann und der Schutz der Kapitalerhaltung eine eher niedrigere Bewertung des auf die Geschäftsführung entfallenden Teils gebietet. Den Gesellschaftern ist wegen der mit Schätzungen verbundenen Unsicherheiten in jedem Fall anzuraten, diese Frage ausdrücklich zu regeln, um Konflikte zu vermeiden. cc) Auszahlungsverbot. Gewinnabhängige Vergütungen oder Vergütungsbe- 92 standteile unterliegen nach Abs 3 Satz 1 den Entnahme- und Kreditsperren aus Abs 1 und Abs 2 und dürfen deshalb, solange eine der Sperren (das ist idR diejenige aus Abs 1 Satz 2) eingreift, nicht ausbezahlt werden. Die Auszahlungssperren in § 288 Abs 1 und 2 dürfen in ihrer Rechtsfolge nicht mit der Herabsetzung nach § 288 Abs 3 Satz 2 verwechselt werden. Greift eine der Sperren ein, lässt dies den Anspruch auf die gewinnabhängige Vergütung oder den gewinnabhängigen Vergütungsbestandteil nicht verfallen.171 Er kann deshalb durch Auszahlung erfüllt werden, sobald die Voraussetzungen für

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166 Baumbach/Hueck13 10; MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 28; KK/Mertens/Cahn3 38; MünchKomm/Perlitt5 65, 68; Schlitt S 229. 167 Auf die Bezeichnung kommt es nicht an; ebenso MünchKomm/Perlitt5 70. 168 Statt vieler MünchHdBAG/Herfs4 § 81, 28. 169 Baumbach/Hueck13 10; Godin/Wilhelmi4 6; KK/Mertens/Cahn3 38 aE; MünchKomm/Perlitt5 68; Wichert S 156. AA noch 3. Aufl Barz 11. 170 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 68. 171 Bürgers/Fett/Reger § 5, 265; Hüffer/Koch14 6; KK/Mertens/Cahn3 40; MünchKomm/Perlitt5 73; Spindler/Stilz/Bachmann4 13.

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die Entnahme- und Kreditsperren aus Abs 1 und Abs 2 nicht mehr vorliegen und zwischenzeitlich keine Herabsetzung nach Absatz 3 Satz 2 erfolgt ist. b) Herabsetzung der Tätigkeitsvergütung (Abs 3 Satz 2) aa) Voraussetzungen. Nach Abs 3 Satz 2 ist § 87 Abs 2 Satz 1 auf die Tätigkeitsvergütung entsprechend anzuwenden. Sie kann deshalb herabgesetzt werden, wenn die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sich seit Vereinbarung der Vergütung wesentlich verschlechtert hat und die Weitergewährung der Vergütung in vereinbarter Höhe für die Gesellschaft eine schwere Unbilligkeit darstellt. Inwieweit diese Voraussetzungen gegeben sind, unterliegt der Beurteilung im Einzelfall.172 Die Vorschrift lässt sich nicht analog anwenden, um die Tätigkeitsvergütung der Organmitglieder einer Komplementärgesellschaft herabzusetzen.173 Ebenso wenig wie es einen Abberufungsdurchgriff geben darf (§ 278 Rdn 172), kann es einen Reduzierungsdurchgriff geben. Es ist also Sache der Komplementärgesellschaft selbst, für eine Reduktion der Saläre zu sorgen. Wenn allerdings die KGaA der Komplementärgesellschaft die Bezüge erstattet (s § 278 Rdn 76 aE), kann die KGaA über § 87 Abs 2 Satz 1 analog den Erstattungsanspruch reduzieren. Nach dem Wortlaut des Absatz 3 Satz 2 („solche Vergütungen“) werden von der Kür94 zungsmöglichkeit nur gewinnunabhängige Tätigkeitsvergütungen erfasst, obwohl sich § 87 selbst auch auf die Herabsetzung gewinnabhängiger Bezüge bezieht. Sinn und Zweck des Absatz 3 Satz 2 legen es auf den ersten Blick nahe, diese Bestimmung dahingehend auszulegen, dass auch gewinnabhängige Tätigkeitsvergütungen dem Verweis auf § 87 Abs 2 Satz 1 unterliegen und nach Maßgabe dieser Vorschrift herabgesetzt werden können.174 Da die den Komplementären mitgliedschaftlich zustehenden Gewinne bereits der Entnahmesperre unterliegen, besteht insoweit kein Bedürfnis für eine Herabsetzung. Daher wurde in der Vorauflage bereits die Ansicht vertreten, dass mitgliedschaftlich zustehenden Gewinne nicht herabgesetzt werden können. Klärungsbedürftig ist daher allein, ob Geschäftsführerbezüge, soweit sie vom Gewinn der KGaA abhängen, reduziert werden können. Dies ist abzulehnen. Hierfür spricht nicht nur der eindeutige Wortlaut der Norm. Eine solche Kürzung kann auch zu Ungerechtigkeiten führen, wenn sich das Unternehmen erholt hat. Dann müsste die Geschäftsführung weiterhin zu niedrigeren Bezügen arbeiten, dadurch würde der Gewinn der Gesellschaft steigen und die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre erhielten deshalb einen höheren Gewinn. Daher wurde in der Vorauflage vorgeschlagen, dass sich im Falle der Erholung des Unternehmens aus der Treuepflicht eine Pflicht zur Wiedererhöhung der Bezüge ergebe. Angesichts des Wortlauts der Norm ist es überzeugender, dieses Regel-/Ausnahmeverhältnis umzudrehen. Gewinnabhängige Geschäftsführerbezüge (zB Tantiemen, Entschädigung für die Übernahme der persönlichen Haftung) können folglich nicht gem Absatz 3 Satz 2 gekürzt werden, aber die Treuepflicht kann in der Unternehmenskrise deren Stundung bis zum Ende der Krise gebieten. 93

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172 Zu den Einzelheiten vgl die Kommentierungen zu § 87. 173 Spindler/Stilz/Bachmann4 14; Vollertsen S 349. 174 3. Aufl Barz 11; 4. Aufl Assmann/Sethe 90 (Ansicht wird aufgegeben); Baumbach/Hueck13 11; Bürgers/Fett/Reger § 5, 267; Grigoleit/Servatius2 7; Godin/Wilhelmi4 6; Henssler/Strohn/Arnold4 4; Hüffer10 6; Schmidt/Lutter/Schmidt3 19. AA Bürgers/Körber/Förl/Fett4 11; L Fischer S 67; Heidel/Wichert5 15; Hüffer/Koch14 6; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 26; MünchKomm/Perlitt5 75 ff; Schlitt S 229; Schönemann S 145; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 14; Vollertsen S 348; wohl auch KK/Mertens/Cahn3 42.

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bb) Zuständigkeit. Für die Herabsetzung der Bezüge ist der Aufsichtsrat zustän- 95 dig.175 Die Tatsache, dass der Aufsichtsrat der KGaA nicht für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung verantwortlich ist, ändert hieran nichts. Die Kompetenz kann nicht auf ein anderes Organ übertragen werden.176

§ 289 Auflösung Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Auflösung § 289 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-037

(1) Die Gründe für die Auflösung der Kommanditgesellschaft auf Aktien und das Ausscheiden eines von mehreren persönlich haftenden Gesellschaftern aus der Gesellschaft richten sich, soweit in den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft. (2) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien wird auch aufgelöst 1. mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird; 2. mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel der Satzung festgestellt worden ist; 3. durch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. (3) 1Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kommanditaktionärs wird die Gesellschaft nicht aufgelöst. 2Die Gläubiger eines Kommanditaktionärs sind nicht berechtigt, die Gesellschaft zu kündigen. (4) 1Für die Kündigung der Gesellschaft durch die Kommanditaktionäre und für ihre Zustimmung zur Auflösung der Gesellschaft ist ein Beschluß der Hauptversammlung nötig. 2Gleiches gilt für den Antrag auf Auflösung der Gesellschaft durch gerichtliche Entscheidung. 3Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. 4Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (5) Persönlich haftende Gesellschafter können außer durch Ausschließung nur ausscheiden, wenn es die Satzung für zulässig erklärt. (6) 1Die Auflösung der Gesellschaft und das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters ist von allen persönlich haftenden Gesellschaftern zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. 2§ 143 Abs 3 des Handelsgesetzbuchs gilt sinngemäß. 3In den Fällen des Absatzes 2 hat das Gericht die Auflösung und ihren Grund von Amts wegen einzutragen. 4Im Falle des Absatzes 2 Nr 3 entfällt die Eintragung der Auflösung.

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175 Vgl § 287 Rdn 67 ff. Ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 26; L Fischer S 67; KK/Mertens/Cahn3 41; MünchKomm/Perlitt5 79; Schönemann S 146. AA Kallmeyer ZGR 1983, 57, 74 (Hauptversammlung oder das nach der Satzung für die Bezüge der Komplementäre zuständige Organ). 176 Schönemann S 146. AA MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 26.

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Schrifttum Blanke Das Recht zur Ausschließung aus der Personengesellschaft ohne Angabe von Gründen, 1994; Bork/Jacoby Das Ausscheiden des einzigen Komplementärs nach § 131 Abs 3 HGB, ZGR 2005, 611, Brenner Die vorläufige gerichtliche Bestellung von Mitgliedern des gesetzlichen Vertretungsorgans bei eingetragenen Vereinen, Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, Diss Tübingen 1995; Buchwald Nichtgesellschafter als Geschäftsführer bei der OHG und KG?, DB 1957, 109; ders Ausschluß und Entziehung der Vertretungsmacht des einzigen vertretungsberechtigten Gesellschafters einer Personengesellschaft?, BB 1961, 1342; Durchlaub Fortsetzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien mit den Erben des Komplementärs, BB 1977, 875; Bunnemann Das Ausscheiden des letzten Komplementärs aus der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2008; Frey Tod des einzigen Komplementärs, ZGR 1988, 281; Frey/v Bredow Der Wegfall des einzigen Komplementärs nach der HGB-Reform, ZIP 1998, 1621; v Godin Aktienauslosung bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien zugunsten der persönlich haftenden Gesellschafter, DR 1940, Ausgabe A, 1444; Grunewald Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987; U Huber Der Ausschluß des Personengesellschafters ohne wichtigen Grund, ZGR 1980, 177; Linden Kann Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis dem einzigen Komplementar der Kommandit-Aktien-Gesellschaft entzogen werden, und hat dieser im Falle der Entziehung einen Anspruch auf Auflösung?, Diss Erlangen 1910; Marcuse Auflösung und Nichtigkeit der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Erlangen 1928; Mertens Die Auflösung der KGaA durch Kündigung der Kommanditaktionäre, AG 2004, 333; Partikel Gesellschafter minderen Rechts im Recht der Personenhandelsgesellschaften, 1993; Poertzgen Die systematische Berechtigung der Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO), ZInsO 2014, 165; Richartz Die Auflösung und Liquidation der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1934; Riegger Die Rechtsfolgen des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personalgesellschaft, 1969; K Schmidt Ausschließungs- und Entziehungsklagen gegen den einzigen Komplementär, ZGR 2004, 227; Schöne Gesellschafterausschluß bei Personengesellschaften, 1993; Schrick Überlegungen zur Gründung einer kapitalistischen KGaA aus dem Blickwinkel der Unternehmerfamilie, NZG 2000, 409; Seeger Das Ausscheiden des einzigen Komplementärs, 2010; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996; ders Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer KGaA, ZIP 1998, 1138; Siebert Die Kommanditgesellschaft auf Aktien in der Insolvenz, Diss Jena 2003; ders Insolvenzeröffnung bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZInsO 2004, 773 (I.) 831 (II.); Timm Der Mißbrauch des Auflösungsbeschlusses durch den Mehrheitsgesellschafter, JZ 1980, 667; Veil Die Kündigung der KGaA durch persönlich haftende Gesellschafter und Kommanditaktionäre, NZG 2000, 72; Wiedemann Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Wiesner Die Enthaftung ausgeschiedener persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA, ZHR 148 (1984), 56. S im Übrigen das zu § 278 angeführte Schrifttum.

Rechtsprechung BVerfG (7.8.1962) 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 (Feldmühle) = NJW 1962, 1667 = MDR 1962, 793 = WM 1962, 877: Inhalt und Schranken des Eigentums – Verfassungsmäßigkeit einer Mehrheitsumwandlung; BVerfG (23.8.2000) 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97 (Motor Meter-AG; vorgehend OLG Stuttgart 21.12.1993 – 10 U 48/93 und OLG Stuttgart 4.12.1996 – 8 W 43/93, s dort), AG 2001, 42 = NJW 2001, 279 = WM 2000, 1948 = ZIP 2000, 1670: Vereinbarkeit von Art 14 Abs 1 GG mit der übertragenden Auflösung einer AG; RG (27.6.1888) I 160/88, RGZ 21, 93: zeitweiliger Aufschub des Rechts zur Kündigung durch einen Gesellschafter; RG (15.6.1900) II 155/1900, JW 1900, 566: Erfordernis der Zustimmung aller Komplementäre zur Auflösung der KGaA; RG (18.2.1905) I 468/04, RGZ 60, 155: Befreiung von Gesellschaftsschulden; RG (22.5.1909) I 464/08, RGZ 71, 254: Zulässigkeit der Schiedsabrede der Gesellschafter über die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für das Verfahren über die Entziehung der Vertretungsmacht; RG (24.10.1910) I 79/10, RGZ 74, 297: Entzug der Vertretungsmacht des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA;

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RG (18.1.1911) I 313/10, LZ 1911, 298: Ausreichen der Bestimmbarkeit der in der Satzung angeführten Zeitdauer einer GbR; RG (21.6.1912) II 223/12, RGZ 79, 418: Grenzen der Auslegung des Gründungsvertrags einer GmbH; RG (6.6.1913) II 99/13, RGZ 82, 360: Bestellung eines Notorgans analog § 29 BGB bei Wegfall des einzigen vertretungsbefugten Komplementärs; RG (14.3.1919) II 393/18, RGZ 95, 147: Anforderungen an die Bestimmtheit der satzungsmäßig festgelegten Zeitdauer der Gesellschaft und Unzulässigkeit der Kündigung innerhalb gewisser Zeit; RG (21.10.1924) II 606/23, RGZ 109, 80: zur Ausschließung eines Komplementärs durch Satzungsbestimmung; RG (15.10.1926) II 119/26, RGZ 114, 393: durch Satzungsbestimmung geregelte Mehrheitsentscheidung innerhalb der Komplementäre; RG (11.2.1927) II 129/26, RGZ 116, 116: gesetzliche Vertretung der OHG in Liquidation in einem Rechtsstreit der Gesellschafter-Liquidatoren gegen die Liquidationsgesellschaft; RG (13.11.1928) II 131/28, RGZ 122, 253: dem Tod eines Gesellschafters ist die Auflösung der Komplementärgesellschaft durch Vollbeendigung gleichzustellen; RG (3.5.1932) II 438/31, RGZ 136, 236: Verlängerung einer auf Zeit eingegangenen GbR durch Beschluss der Mehrheit ihrer Mitglieder; RG (23.10.1934) II 129/34, RGZ 145, 289: Zulässigkeit des satzungsmäßigen Ausschlusses des Abfindungsanspruchs des Erben eines verstorbenen Komplementärs; RG (11.12.1934) II 148/34, RGZ 146, 169: Anforderungen an die Zulässigkeit der Ausschließung von Gesellschaftern; RG (20.10.1937) II 58/37, RGZ 156, 129: Aufschub des Kündigungsrechts in einer stillen Gesellschaft; RG (13.9.1943) II 65/43, RGZ 171, 345: Beteiligung des Erben am Geschäftsgewinn der mit ihm fortgesetzten Gesellschaft aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter; BGH (14.5.1952) II ZR 40/51, BGHZ 6, 113 = BB 1952, 478 = DB 1952, 507 = MDR 52, 480 = NJW 1952, 875: Zulässigkeit der Klage auf Ausschließung des alleinigen persönlich haftenden Gesellschafters; BGH (12.11.1952) II ZR 260/51, BGHZ 8, 35 = BB 1952, 1023 = DB 1952, 1035 = NJW 1953, 102: Zulässigkeit der Umwandlung einer aufgelösten, aber nicht abgewickelten Gesellschaft wieder in eine werbende Gesellschaft durch Mehrheitsbeschluss; BGH (1.4.1953) II ZR 235/52, BGHZ 9, 157 = BB 1953, 332 = NJW 1953, 780: Ausschluss des Aktionärs aus einem in seiner Person gegebenen wichtigem Grund; BGH (17.6.1953) II ZR 205/52, BGHZ 10, 91 = DB 1953, 591 = MDR 1953, 546 = NJW 1953, 1217: zeitweiliger Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts bei einer auf unbestimmte Zeit eingegangene OHG; BGH (28.4.1954) II ZR 8/53, BGHZ 13, 179 = BB 1954, 486 = DB 1954, 494 = NJW 1954, 1155: Abtretung eines Gesellschaftsanteils an einer KG; BGH (6.7.1954) I ZR 38/53), BGHZ 14, 163 = DB 1954, 801 L = JZ 1954, 747 = NJW 1954, 1682: Im Stadium der Liquidation verliert eine Gesellschaft weder ihre Rechtspersönlichkeit noch ihre Handlungsfähigkeit und besteht eine bis dahin gegebene Wiederholungsgefahr fort; BGH (27.10.1955) II ZR 310/53, BGHZ 18, 350 = BB 1955, 1038 = JZ 1956, 248 = NJW 1955, 1919 = WM 1955, 1547: Möglichkeit der Ausschließung eines Gesellschafters aus einer KG erst mangels Vorliegens milderer Mittel; BGH (22.11.1956) II ZR 222/55, BGHZ 22, 186 = DB 1956, 1227 = NJW 1957, 180 = WM 1957, 24: satzungsmäßiger Ausschluss des Abfindungsanspruchs der Erben eines verstorbenen Gesellschafters einer OHG;

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§ 289 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

BGH (11.4.1957) II ZR 182/55, BGHZ 24, 106 = BB 1957, 523 = DB 1957, 477 = NJW 1957, 1026 = WM 1957, 705: treuhänderische Übertragung des Kommanditanteils des Erben nach Umwandlung der AG in eine KG auf den Testamentsvollstrecker; BGH (23.5.1957) II ZR 250/55, BGHZ 24, 279 = BB 1957, 523 = NJW 1957, 1279 = WM 1957, 808: Durchführung der vor Auflösung einer AG beschlossenen Kapitalerhöhung noch im Stadium der Liquidation; BGH (3.10.1957) II ZR 150/56, WM 1957, 1406 = BB 1957, 1086 = LM § 140 HGB Nr 6: Zulässigkeit einer Regelung im Gesellschaftsvertrag für den Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund durch Beschluss der Gesellschafter; BGH (14.10.1957) II ZR 109/56, WM 1958, 49 = BB 1958, 57 = DB 1958, 105: Zustimmungsbedürftigkeit der Abtretung eines Gesellschaftsanteils selbst und Gesellschafterwechsel durch Eintritt des Ehegatten anstelle der bisherigen Gesellschafterin; BGH (13.1.1958) II ZR 136/56, NJW 1958, 418 = BB 1958, 213 = JZ 1958, 406 = MDR 1958, 218 = WM 1958, 216: Anforderungen an die Beteiligung der Gesellschafter an einer Klage auf Auflösung der Gesellschaft durch gerichtliche Entscheidung; BGH (15.6.1959) II ZR 44/58, BGHZ 30, 195 = BB 1959, 718 = DB 1959, 827 = NJW 1959, 1683 = WM 1959, 903: Kündigung eines Privatgläubigers auf arglistige Veranlassung durch einen Gesellschafter; BGH (17.12.1959) II ZR 32/59, BGHZ 31, 295 = BB 1960, 150 = DB 1960, 143 = NJW 1960, 625 = WM 1960, 106: Ausschließung eines Gesellschafters aus in seiner Person liegendem wichtigem Grund; BGH (11.7.1960) II ZR 260/59, BGHZ 33, 105 = BB 1960, 917 = DB 1960, 1006 = NJW 1960, 1997 = WM 1960, 1005: Folgen des Ausschlusses des einzigen geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafters einer OHG; BGH (14.11.1960) II ZR 55/59, WM 1961, 303 = BB 1961, 347 = DB 1961, 403: Pflicht der Gesellschafter einer GbR zur Zustimmung zu einem gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Gesellschafterwechsel; BGH (15.4.1965) II ZR 189/64, WM 1965, 765 = DB 1965, 1438: Anspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters auf Beteiligung an den schwebenden Geschäften; BGH (19.1.1967) II ZR 27/65, WM 1967, 315 = BB 1967, 309 = DB 1967, 501 = MDR 1967, 384: Wegfall der Geschäftsgrundlage im Falle der Vereinbarung einer auf unbestimmte Zeit unkündbaren stillen Gesellschaft; BGH (9.12.1968) II ZR 33/67, BGHZ 51, 198 = JZ 1969, 469 = NJW 1969, 507 = WM 1969, 118: Entziehung von Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des einzigen Komplementärs einer KG; BGH (9.12.1968) II ZR 42/67, BGHZ 51, 204 = DB 1969, 342 = NJW 1969, 793 = WM 1969, 180: Ausschluss des Übernahmerechts eines Gesellschafters durch die Satzung; BGH (16.1.1969), II ZR 115/67, WM 1969, 494 = BB 1969, 773 = DB 1969, 787: Anspruch des ausscheidenden Gesellschafters auf Beteiligung aus den schwebenden Geschäften; BGH (12.11.1970) II ZR 23/69, WM 1971, 130: der ausgeschiedene Gesellschafter kann ohne abgeschlossene Auseinandersetzungsrechnung über das ihm Zustehende nichts von den Mitgesellschaftern verlangen; BGH (21.12.1970) II ZR 258/67, BGHZ 55, 267 = NJW 1971, 1268 = WM 1971, 556: jedem von mehreren Miterben des Komplementärs einer KG stehen die Befugnisse aus § 139 HGB zu und haftet ein Erbe nur beschränkt für in der Übergangszeit des § 139 Abs 3 HGB entstandene Gesellschaftsschulden; BGH (14.7.1971) III ZR 91/70, WM 1971, 1338 = DB 1971, 2209 = FamRZ 1971, 645: Vorrang des entschädigungslosen Rechts des verbleibenden Gesellschafters auf Übernahme des Gesellschaftsanteils des verstorbenen Gesellschafters gegenüber Ansprüche der Erben; BGH (20.9.1971) II ZR 157/68, WM 1971, 1450 = BB 1971, 1531 = VersR 1971, 1144: der Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters richtet sich nach dem Wert, der beim Verkauf des Unternehmens erzielt würde;

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Auflösung | § 289

BGH (7.12.1972) II ZR 131/68, NJW 1973, 1602 = MDR 1973, 833 = WM 1973, 990: Beschränkte Zulässigkeit einer Verlängerung des Gesellschaftsvertrags durch Mehrheitsbeschluss; BGH (24.1.1974) II ZR 128/71, AG 1974, 187 = BB 1974, 522 = DB 1974, 572 = WM 1974, 276: Vermögensverteilung bei Ausscheiden der Komplementäre anlässlich der Umwandlung einer KGaA in eine AG; BGH (14.2.1974) II ZR 83/72, NJW 1974, 899 = BB 1974, 811 = DB 1974, 770 = WM 1974, 308: Anspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters gegen die Gesellschaft auf Befreiung von den gemeinschaftlichen Schulden; BGH (28.11.1974) II ZR 176/72, NJW 1975, 212 = BB 1975, 110 = DNotZ 75, 569 = MDR 1975, 209 = WM 1975, 9: der gesetzlich erforderlichen qualifizierten Mehrheit des vertretenen Grundkapitals für Satzungsänderungen steht eine Satzungsbestimmung über die Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit nicht entgegen; BGH (12.6.1975) II ZB 12/73, BGHZ 65, 22 = DB 1975, 1886 = NJW 1975, 1835 = WM 1975, 913 = LM § 34 GmbHG Nr 6 (Fleck): Wirksamkeit der Einziehung eines gepfändeten Geschäftsanteils; BGH (20.1.1977) II ZR 217/75, BGHZ 68, 212 = BB 1977, 768 = DB 1977, 1132 = MDR 1977, 732 = NJW 1977, 1292 = WM 1977, 685: Recht der Gesellschafterversammlung zur Ausschließung eines Gesellschafters ohne wichtigen Grund; BGH (10.2.1977) II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 = BB 1977, 809 = BB 1977, 812 = DB 1977, 1129 = NJW 1977, 1339 = WM 1977, 680: gesellschaftsvertragliche Klausel über die Nachfolge in die Mitgliedschaftsrechte des persönlich haftenden Gesellschafters einer KG; BGH (23.11.1978) II ZR 20/78, NJW 1979, 1705 = DB 1979, 585 = DNotZ 1979, 354 = GmbHR 1979, 138 = WM 1979, 327: Vorrang der ergänzenden Auslegung von Gesellschaftsverträgen vor dem dispositivem Recht; BGH (8.10.1979) II ZR 257/78, BGHZ 75, 178 = BB 1980, 11 = DB 1980, 73 = GmbHR 1980, 83 = NJW 1980, 233 = WM 1979, 1387 = ZIP 1980, 44: keine Auflösung einer KG bei Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse; BGH (28.1.1980) II ZR 124/78, BGHZ 76, 352 = BB 1980, 550 = DB 1980, 870 = MDR 1980, 559 = NJW 1980, 1278 = WM 1980, 378 = ZIP 1980, 275: Anfechtbarkeit eines Auflösungsbeschlusses wegen missbräuchlicher Stimmrechtsausübung einer GmbH-Mehrheitsgesellschafterin; BGH (30.6.1980) II ZR 219/79, BGHZ 77, 392 = BB 1980, 1440 = MDR 1981, 27 = NJW 1980, 2708 = WM 1980, 1082 = ZIP 1980, 771: treuhänderische Sicherungsabtretung eines Kommanditanteils; BGH (24.11.1980) II ZR 265/79, NJW 1981, 822 = BB 1981, 200 = DB 1981, 638 = MDR 1981, 385 = WM 1981, 174 = ZIP 1981, 181: Mitwirkung des Konkursverwalters bei der Anmeldung des Ausscheidens eines OHGGesellschafters zur Eintragung in das Handelsregister; BGH (15.12.1980) II ZR 52/80, BGHZ 79, 374 = BB 1981, 629 = DB 1981, 933 = NJW 1981, 1213 = WM 1981, 359 = ZIP 1981, 289: vollmachtlose Vertretung eines GmbH-Gesellschafters beim Abschluss eines Vertrags zur Änderung eines von der GmbH abgeschlossenen Vertrags und anschließende Abtretung der Geschäftsanteile durch diesen Gesellschafter; BGH (29.6.1981) II ZR 142/80, BGHZ 81, 82 = BB 1981, 1483 = DB 1981, 2019 = MDR 1981, 911 = NJW 1981, 2747 = WM 1981, 841 = ZIP 1981, 981 = LM § 171 HGB Nr 21a (Huber): Haftung bei Abtretung eines Kommanditanteils; BGH (13.7.1981) II ZR 56/80, BGHZ 81, 263 = BB 1981, 1727 = DB 1981, 1974 = LM § 140 HGB Nr 17a (Brandes) = NJW 1981, 2565 = WM 1981, 1023 = ZIP 1981, 978: Wirksamkeit einer Klausel im Gesellschaftsvertrag einer KG zum Ausschluss eines Gesellschafters nach freiem Ermessen der persönlich haftenden Gesellschafter; BGH (3.5.1982) II ZR 78/81, BGHZ 84, 11 = BB 1982, 1196 = DB 1982, 1866 = LM § 242 (A) BGB Nr 60 (Brandes) = MDR 1982, 824 = NJW 1982, 2303 = WM 1982, 760 = ZIP 1982, 839: Wirksamkeit einer Klausel im Gesellschaftsvertrag einer Publikums-KG zum Optionsrecht der Komplementär-GmbH auf Übernahme der Kommanditanteile;

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§ 289 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

BGH (28.6.1982) II ZR 233/81, NJW 1982, 2773 = BB 1982, 1324 = DB 1982, 1867 = MDR 1983, 32 = WM 1982, 841 = ZIP 1982, 1072: Recht des Privatgläubigers eines Gesellschafters zur Kündigung der Gesellschaft; BGH (15.11.1982) II ZR 62/82, BGHZ 85, 350 = AG 1983, 224 = BB 1983, 722 = MDR 1983, 376 = NJW 1983, 1056 = GmbHR 1983, 297: Satzungsbestimmung über das Umwandlungsrecht der Gesellschafter zur Umwandlung der Personengesellschaft; BGH (31.1.1983) II ZR 288/81, BGHZ 86, 367 = BB 1983, 660 = MDR 1983, 467 = NJW 1983, 1110 = WM 1983, 358 = ZIP 1983, 436: Formfreiheit der Übertragung von Mitgliedschaftsrechten an einer Personengesellschaft; BGH (4.5.1983) IV a ZR 229/81, NJW 1983, 2376 = BB 1983, 2138 = DB 1983, 1700 = MDR 83, 1003 = WM 1983, 672: Vererbung der Mitgliedschaft in einer OHG; BGH (24.9.1984) II ZR 256/83, NJW 1985, 192 = BB 1984, 2082 = DB 1985, 167 = WM 1984, 1506: Zulässigkeit einer Buchwertklausel über die Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters; BGH (25.3.1985) II ZR 240/84, NJW 1985, 2421 = BB 1985, 1558 = DB 1985, 1736 = WM 1985, 772 = ZIP 1985, 737 = WuB II F §§ 140 HBG, 138 BGB 1.85 (Messer): gesellschaftsvertraglich eingeräumtes Recht eines Gesellschafters zur Kündigung der KG nach freiem Ermessen; BGH (24.10.1985) VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151 = MDR 1986, 311 = NJW 1986, 850 = WM 1986, 57 = ZIP 1986, 25 = EWiR § 51 ZPO 1/86, 203 (Crezelius) = WuB VII A § 51 Abs 1 ZPO 1.86 (Bülow): Zulässigkeit der Prozessstandschaft einer überschuldeten, vermögenslosen GmbH; BGH (14.5.1986) IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48 = BB 1986, 2084 = DB 1986, 1515 = EWiR 1986, 1117 (Koch) = NJW 1986, 2431 = WM 1986, 832 = ZIP 1986, 912 = WuB IV A § 2209 BGB 1.87 (Voltz): Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers bezüglich eines im Wege der Erbfolge auf den Gesellschaftererben übergegangenen Gesellschaftsanteil; BGH (1.6.1987) II ZR 259/86, BGHZ 101, 123 = BB 1987, 1984 = DB 1987, 2301 = MDR 1988, 29 = NJW 1987, 3184 = WM 1987, 1161 = ZIP 1987, 1254 = WuB II F § 167 HGB 1.88 (Blaurock): Bewertung und Bilanzierung eines in mehrere Kommanditistenanteile umgewandelten Komplementäranteils; BGH (1.2.1988) II ZR 75/87, BGHZ 103, 184 (Linotype) = AG 1988, 135 = BB 1988, 577 = DB 1988, 593 = NJW 1988, 1579 = WM 1988, 325 = ZIP 1988, 301 = WuB II A § 262 AktG 2.88 (Baums): Anfechtbarkeit eines Mehrheitsbeschlusses über die Auflösung einer KG wegen Absprachen zwischen Vorstand und Mehrheitsaktionär; BGH (21.3.1988) II ZR 135/87, BGHZ 104, 50 = BB 1988, 1270 = NJW 1988, 1903 = NJW-RR 1988, 1060 = WM 1988, 939 = ZIP 1988, 906 = EWiR § 242 BGB 4/88, 655 (Blaurock) = WuB II F § 161 HGB 2.88 (Baums): Inhaltskontrolle von Gesellschaftsvertrag und Treuhandabrede; BGH (27.6.1988) II ZR 143/87, NJW 1989, 166 = BB 1988, 1698 = DB 1988, 1893 = WM 1988, 1367 = ZIP 1988, 1117 = EWiR § 125 BGB 1/88, 861 (Fleck) = WuB II C. § 13 GmbHG 1.89 (Deuchler): Treuepflichten eines GmbH-Gesellschafters; BGH (19.9.1988) II ZR 329/87, BGHZ 105, 213 = BB 1989, 102 = DB 1989, 219 = NJW 1989, 834 = WM 1989, 133 = ZIP 1989, 36 = WuB II G § 140 HGB 1.89 (Kübler/Klose): nach freiem Ermessen ausgeübtes und an festem Tatbestandsmerkmal anknüpfendes Kündigungsrecht; BGH (14.11.1988) II ZR 77/88, NJW 1989, 1030 = BB 1989, 104 = DB 1989, 169 = MDR 1989, 329 = WuB II E § 142 HGB 1.89 (Blaurock): Anspruch des aus einer OHG ausscheidenden Teilhabers auf Vergütung für Nutzung eines bisher unentgeltlich zur Verfügung gestellten Grundstücks; BGH (5.6.1989) II ZR 227/88, BGHZ 107, 351 = BB 1989, 1499 = DB 1989, 1668 = NJW 1989, 2681 = WM 1989, 1093 = ZIP 1989, 849 = WuB II F. § 140 HGB 1.89 (von Feldmann): Teilnichtigkeit einer gesellschaftsvertraglichen Klausel über Gesellschafterausschluss; BGH (9.7.1990) II ZR 194/89, BGHZ 112, 103 = BB 1990, 1578 = DB 1990, 1709 = NJW 1990, 2622 = WM 1990, 1457 = ZIP 1990, 1057 = EWiR § 16 GmbHG 1/90, 1209 (Priester) = WuB II C § 34 GmbHG 2.90 (Teichmann): Sethe

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Auflösung | § 289

gesellschaftsvertraglich eingeräumtes Recht eines GmbH-Gesellschafters zum Ausschluss von Mitgesellschaftern; BGH (16.12.1991) II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = BB 1992, 448 = DB 1992, 622 = NJW 1992, 892 = WM 1992, 264 = ZIP 1992, 237 = WuB II C § 34 GmbHG 2.92 (Kleindieck) = LM H. 6/1992 § 34 GmbHG Nr 15 (Heidenhain): Anforderungen an Klausel zur Abfindung der Gesellschafter bei Ausscheiden aus der GmbH; BGH (22.6.1992) II ZR 178/90, NJW 1992, 3167 = AG 1993, 28 = BB 1992, 2163 = DB 1992, 2284 = LM H. 2/1993 § 183 AktG 1965 Nr 4 (Roth) = WM 1992, 1812 = ZIP 1992, 1464 = WuB II A § 185 AktG 1.93 (Drygala): Treuepflichten des Aktionärs einer AG; BGH (7.12.1992) II ZR 248/91, NJW 1993, 1194 = BB 1993, 401 = DB 1993, 832 = LM BGB H. 8/1993 § 740 Nr 5 = WM 1993, 693 = ZIP 1993, 195: Abfindungsbilanz bei Ausscheiden des Gesellschafters einer GbR; BGH (11.1.1993) II ZR 227/91, NJW 1993, 1002 = BB 1993, 450 = DB 1993, 529 = EWiR § 725 1/93, 243 (Henssler) = LM H. 8/1993 § 725 BGB Nr 4 = WM 1993, 460 = ZIP 1993, 261: Wirksamkeitsanforderungen an Kündigung der Gesellschaft durch Privatgläubiger eines Gesellschafters; BGH (20.9.1993) II ZR 104/92, BGHZ 123, 281 = BB 1993, 2265 = DB 1993, 2275 = NJW 1993, 3193 = WM 1993, 2008 = ZIP 1993, 1611 = LM H. 2/1994 § 157 (D) BGB Nr 60 (Roth) = WuB II E § 738 BGB 1.94 (Schöne): ergänzende Auslegung gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln bei grobem Missverhältnis von Abfindungs- und tatsächlichem Anteilswert; BGH (7.2.1994) II ZR 191/92, BGHZ 125, 74 = BB 1994, 592 = DB 1994, 829 = NJW 1994, 1156 = WM 1994, 593 = ZIP 1994, 455 = LM H. 7/1994 § 230 HGB Nr 4 = WuB II H § 230 HGB 1.95 (Schöne): Wirksamkeit einer Klausel über die Hinauskündigung der kapitalanlegenden Gesellschafter; BGH (13.6.1994) II ZR 38/93, BGHZ 126, 226 = AG 1994, 503 = BB 1994, 1807 = DB 1994, 1863 = LM H. 12/1994 § 138 (Bb) BGB Nr 71 = NJW 1994, 2536 = WM 1994, 1523 = ZIP 1994, 1173: Recht der Mitglieder einer Schutzgemeinschaft von Anteilseignern an einer Kapitalgesellschaft als GmbH ohne Gesamthandsvermögen auf Übernahme der Anteile eines ausscheidenden Gesellschafters; BGH (7.10.1994) V ZR 58/93, NJW 1995, 196 = BB 1994, 2378 = DB 1995, 368 = WM 1994, 2200 = ZIP 1994, 1685 = LM H. 2/1995 § 161 HGB Nr 117 = WuB VI B § 204 KO 1.95 (Bälz): Einstellung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer KG mangels Masse; BGH (29.3.1996) II ZR 124/95, BGHZ 132, 278 = AG 1996, 318 = BB 1996, 1074 = DB 1996, 1172 = NJW 1996, 1753 = WM 1996, 856 = ZIP 1996, 830 (Schiedsfähigkeit I) = LM H. 8/1996 § 248 AktG 1965 Nr 3 (Jänich) = WuB II C § 248 AktG 1.96 (Westermann): Schiedsfähigkeit von Gesellschafterbeschlüssen; BGH (15.9.1997) II ZR 97/96, NJW 1998, 146 = BB 1997, 2339 = DB 1997, 2373 = LM H. 3/1998 § 133 HGB Nr 18 = WM 1997, 2169 = ZIP 1997, 1919 = EWiR § 140 HGB 1/98, 181 (Strohn): außergerichtliche und bindende Erklärung des Einverständnisses mit Ausschließung eines Gesellschafters vor Erhebung der Ausschließungsklage; BGH (16.12.1999) VII ZR 53/97, NZG 2000, 474 = BB 2000, 268 = DB 2000, 365 = MDR 2000, 340 = NJW 2000, 1119 = WM 2000, 490 = ZIP 2000, 229 = LM H. 6/2000 § 239 ZPO Nr 14 (Wilhelm): Ausscheiden der Komplementärin einer GmbH & Co. KG; BGH (17.12.2001) II ZR 31/00, NJW-RR 2002, 538 = DB 2002, 523 = WM 2002, 293 = ZIP 2002, 710 = LM H. 8/2002 § 138 HGB Nr 15 (Wolf) = WuB II J § 738 BGB 2.02 (de Vries): Berücksichtigung der letztwilligen Verfügung bei der Auslegung einer gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeklausel; BGH (19.9.2005) II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 (Managermodell) = BB 2005, 2430 = DB 2005, 2401 = DNotZ 2006, 137 = NJW 2005, 3641 = NZG 2005, 968 = WM 2005, 2043 = ZIP 2005, 1917 = WuB II C. § 34 GmbHG 1.06 (Zimmermann): Pflicht des ausscheidenden Geschäftsführers zur Rückübertragung seiner Geschäftsanteile; BGH (19.9.2005) II ZR 342/03, BGHZ 164, 107 (Mitarbeitermodell) = BB 2005, 2427 = DB 2005, 2404 = DNotZ 2006, 140 = NJW 2005, 3644 = NZG 2005, 971 = WM 2005, 2046 = ZIP 2005, 1920 = WuB II C 34 GmbG 1.06

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§ 289 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

(Zimmermann): Pflicht des ausscheidenden Arbeitnehmers zur Rückübertragung seiner Geschäftsanteile; BGH (6.4.2009) II ZR 255/08, BGHZ 180, 221 = AG 2009, 496 = BB 2009, 1260 = DB 2009, 1171 = NJW 2009, 1962 = WM 2009, 991 = ZIP 2009, 1003 (Schiedsfähigkeit II) = WuB II C § 248 AktG 1.10 (Kilian): Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten über Beschlussmängel; BGH (23.9.2014) II ZB 4/14, NJW 2014, 3779 = DB 2014, 2701 = NZG 2014, 1302 = WM 2014, 2167 = ZIP 2014, 2344 = EWiR §§ 29, 709 BGB 2/15, 37 (Wertenbruch): Keine Notgeschäftsführung für eine GbR; BGH (6.4.2017) I ZB 23/16, NJW-RR 2017, 876 = DB 2017, 1138 = WM 2017, 961 = ZIP 2017, 1024 (Schiedsfähigkeit III): Mindestanforderungen an gesellschaftsvertragliche Schiedsvereinbarungen; BGH (21.4.2020) II ZR 56/18, ZIP 2020, 1118 = AG 2020, 540 = EWiR § 78 AktG 13/20, 389 (Bachmann) = WM 2020, 1263: Rechtsschutzinteresse des Insolvenzverwalters für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses gegen eine KGaA und Führungslosigkeit der KGaA aufgrund Ausscheidens des Komplementärs; BayObLG (9.12.1974) BReg. 2 Z 57/74, BB 1975, 249 = DB 1975, 295 = GmbHR 1975, 62 = WM 1975, 634: gesellschaftsvertraglich bestimmtes Recht des GmbH-Gesellschafters zum Austritt aus der GmbH; KG (1.7.1926) 1 X 410/26, JW 1927, 720: Zeitpunkt der Auflösung mit Vorliegen der letzten Zustimmungserklärung; OLG Frankfurt (19.2.1991) 5 U 5/86, AG 1991, 208 = NJW-RR 1991, 805 = WM 1991, 681 = ZIP 1991, 657: Nichtigkeit des Beschlusses zur Auflösung einer AG; OLG Hamburg (28.1.1983) 11 U 156/82, ZIP 1983, 573 = GmbHR 1983, 70: Rückzahlung eines Kommanditisten-Darlehens mit Eigenkapitalcharakter; OLG Hamm (1.12.1998) 15 W 404/98, NZG 1999, 344 = DB 1999, 272 = NJW-RR 1999, 760 = ZEV 1999, 113: Auslegung einer qualifizierten gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeklausel; OLG Hamm (30.3.2007) 30 U 13/06, ZIP 2007, 1233 = NZI 2007, 584 = EWiR §§ 93, 315 ff InsO 17/07, 527 (Herchen): Gleichstellung von Auflösung der Komplementär-GmbH und Tod eines Komplementärs für den Zeitpunkt der Vollbeendigung der Komplementärgesellschaft; OLG Karlsruhe (12.7.1923) OLGE 43, 309: kein Ausschluss des Aktionärs aus wichtigem Grund; OLG Saarbrücken (21.4.1977) 5 W 25/77, OLGZ 1977, 291: Bestellung eines Notvertreters für eine beklagte KG; OLG Stuttgart (21.12.1993) 10 U 48/93, AG 1994, 411 = DB 1994, 205 = ZIP 1995, 1515 (MotoMeter): Nichtanfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses über die Auflösung der AG und die Vermögensübernahme durch eine Tochter-GmbH des Mehrheitsaktionärs; OLG Stuttgart (4.12.1996) 8 W 43/93, AG 1997, 136 = DB 1997, 266 = ZIP 1997, 362 (MotoMeter II): Anspruch der Aktionärsminderheit auf Abfindung im Spruchstellenverfahren bei Auflösung der AG und Vermögensübertragung auf die Tochtergesellschaft des Mehrheitsaktionärs; LG Düsseldorf (30.12.2008) 41 O 102/07 (juris): Verlängerung der in der Satzung bestimmten Laufzeit der Gesellschaft vor Ablauf durch satzungsändernden Beschluss; LG Göttingen (6.9.2012) 3 O 105/10, DZWIR 2012, 484: das Ausscheiden des einzigen Komplementärs einer KGaA führt zur Auflösung der Gesellschaft; LG Stuttgart (22.1.1993) 2 KfH O 113/92, ZIP 1993, 514 = AG 1993, 471 = DB 1993, 472: Auflösung einer AG und Übertragung des Vermögens auf die Tochtergesellschaft des Mehrheitsgesellschafters

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Auflösung | § 289

I. II. III.

IV.

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Systematische Übersicht Normentwicklung | 1–5 Übersicht | 6–13 Auflösung der KGaA | 14–68 1. Personengesellschaftsrechtliche Auflösungsgründe (Abs 1) | 14 a) Übersicht | 14 b) Zeitablauf | 15 c) Beschluss der Gesellschafter | 18 aa) Beschlusserfordernisse | 19 bb) Inhalts- und Missbrauchskontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses | 29 cc) Form der Zustimmung und Zeitpunkt der Auflösung | 36 dd) Fortsetzungsbeschluss | 37 d) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft | 38 aa) Antrag und Gründe | 39 bb) Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse | 43 cc) Fortsetzungsbeschluss | 44 e) Auflösung durch gerichtliche Entscheidung | 45 2. Aktienrechtliche Auflösungsgründe (Abs 2) | 52 3. Anderweitige Auflösungsgründe | 57 4. Keine Auflösungsgründe | 62 5. Satzungsautonomie hinsichtlich der Auflösungsgründe | 65 Ausscheiden von Gesellschaftern | 69–136 1. Ausscheiden von Kommanditaktionären | 69 2. Ausscheiden der Gesamtheit der Kommanditaktionäre | 72 3. Ausscheiden von Komplementären | 77 a) Übersicht: Der Regelungsgehalt von Abs 1 und Abs 5 | 77 b) Ausscheiden ohne Satzungsregelung aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen | 81 aa) Ausscheiden nach § 131 Abs 3 Satz 1 HGB | 81

V.

bb) Ausschließung nach § 140 HGB | 91 c) Das Ausscheiden eines Komplementärs als Gegenstand von Satzungsregelungen | 94 aa) Übersicht | 94 bb) Vereinbarung über das Ausscheiden | 98 cc) Zeitablauf oder NichtVerlängerung der Mitgliedschaft | 104 dd) Ordentliche Kündigung | 107 ee) Außerordentliche Kündigung | 108 ff) Ausschließung und Hinauskündigung eines Komplementärs | 109 gg) Beschluss der Gesellschaft | 113 hh) Zulassung des Gesellschafterwechsels | 114 d) Satzungsregelungen in Bezug auf das Ausscheiden eines Komplementärs nach § 131 Abs 3 Satz 1 HGB | 118 aa) Tod eines Komplementärs und Fortsetzung mit dem/den Erben | 119 bb) Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters | 130 cc) Kündigung durch einen Gesellschafter | 132 dd) Kündigung durch einen Privatgläubiger | 136 Wegfall des einzigen Komplementärs | 137–165 1. Überblick | 137 2. Die organschaftliche Ebene: Fehlen eines Geschäftsführungsorgans | 139 a) Gesetzliche Regelung | 139 b) Handlungsalternativen und Satzungsregelungen | 142 3. Die mitgliedschaftliche Ebene: Fehlen eines Komplementärs | 146 a) Rechtsfolgen bei fehlender Satzungsregelung | 146 b) Satzungsregelungen | 149 aa) Nachfolgeklausel | 149 bb) Auflösung statt Umwandlung | 150

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§ 289 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

cc)

4.

Keine automatische Umwandlung kraft entsprechender Satzungsbestimmung | 151 dd) Vorkehrungen für die Neuaufnahme eines Komplementärs oder die Erteilung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis an einen verbliebenen Komplementär | 152 Treuepflichten als Hindernis des Ausscheidens | 153 a) Grundsätzliche Überlegungen | 153 b) Unfreiwilliges Ausscheiden auf Veranlassung durch Gesellschafter oder Dritte | 155 c) Freiwilliges Ausscheiden des Komplementärs | 160 d) Sonstige Fälle | 165

Folgen des Ausscheidens | 166–178 1. Übersicht | 166 2. Auseinandersetzung | 168 a) Gesetzliche Regelung | 168 aa) Rückgabe von der Gesellschaft überlassenen Gegenständen | 169 bb) Befreiung von gemeinschaftlichen Schulden | 170 cc) Anteil am Ergebnis schwebender Geschäfte | 171 dd) Auseinandersetzungsguthaben | 172 b) Satzungsautonomie und Vereinbarungen anlässlich des Ausscheidens | 176 VII. Anmeldung der Auflösung und des Ausscheidens (Abs 6) | 179–182

VI.

I. Normentwicklung 1

Von wenigen redaktionellen Änderungen abgesehen entspricht die Vorschrift § 231 AktG 1937, der wiederum inhaltlich mit § 330 HGB 1897 übereinstimmte. Im Zuge der Umsetzung der Ersten Gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie1 wurde parallel zu § 262 Abs 1 Nr 5 der Auflösungsgrund des Abs 2 Nr 2 eingefügt. Aufgrund des Art 47 Nr 14a) bis d) des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung 2 (EGInsO2 wurden mit Wirkung zum 1.1.1999 (s Art 110 Abs 1 EGInsO) teils redaktionelle Anpassungen teils Ergänzungen vorgenommen: In Absatz 2 Nr 1 und Absatz 3 Satz 1 wurde der Begriff „Konkursverfahren“ durch die Bezeichnung „Insolvenzverfahren“ ersetzt. In Absatz 2 Nr 1 trat an Stelle der Formulierung „einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse“ die sprachlich knappere Formulierung „Masse“. Absatz 2 wurde darüber hinaus mit Nr 3 ein weiterer Auflösungsgrund (Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit) hinzugefügt. Absatz 6 wurde um zwei neue Sätze (Sätze 3 und 4) ergänzt. Mit dem Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.19983 hat sich zwar nicht der Wort3 laut, wohl aber der Regelungsgehalt des § 289 verändert. Sein Absatz 1 verweist im Hin-

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1 Richtlinie vom 9.3.1968, ABl EG Nr L 65 vom 14.3.1968, S 8, umgesetzt durch das Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15.8.1969, BGBl I 1146. 2 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994, BGBl I 2911. Zugleich wurde durch Art 2 der EGInsO das Löschungsgesetz aufgehoben. 3 Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG) vom 22.6.1998, BGBl I 1474; einschlägig sind die Änderungen gemäß Art 3 Nrn 29–32, 36. Materialien: Referentenentwurf (RefE), ZIP 1996, 1401 (Kaufmannsbegriff), 1445 (Firmenrecht) und 1485 (Recht der Personengesellschaften); Regierungsentwurf, BR-Drucks 340/97 vom 23.6.1997 und BT-Drucks 13/8444 vom 29.8.1997 (= ZIP 1997, 942 (I), 997 (II)); Stellungnahme des Bundesrats und Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks 13/ 8444 vom 29.8.1997 (= ZIP 1997, 2025); Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, BT-Drucks 13/10332 vom 1.4.1998 (= ZIP 1998, 712). Aus dem Schrifttum: Krebs DB 1996, 2013; Henssler ZHR 161 (1997) 13, 44; Jung 1998, 677; Kögel BB 1997, 793; Lamprecht ZIP 1997, 919;

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Auflösung | § 289

blick auf die Auflösung der Gesellschaft und das Ausscheiden von Gesellschaftern auf das von der Reform betroffene Recht der Kommanditgesellschaft (§ 289 Abs 1 iVm §§ 161 Abs 2, 131 ff HGB). Die Praxis hatte die bis dahin als gesetzlichen Regelfall vorgesehene Auflösung der Gesellschaft (§ 131 HGB aF, insbes Nrn 4–6) so weit wie möglich vermieden. Stattdessen vereinbarte man für den Fall, dass in der Person eines Gesellschafters ein Auflösungsgrund verwirklicht wurde, dessen Ausscheiden.4 Unternehmenskontinuität wurde von der Praxis deutlich höher bewertet als Personenkontinuität. Mit der Handelsrechtsreform gab der Gesetzgeber den vielfach geäußerten Forderungen nach, die Vorschrift diesen Bedürfnissen der Praxis anzupassen,5 indem er das gesetzliche Regel/Ausnahme-Verhältnis in § 131 HGB umkehrte. Umstände, die in der Person eines Gesellschafters begründet sind (Tod eines Gesellschafters, Kündigung durch einen Gesellschafter oder dessen Gläubiger, Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters) führen – mangels anderweitiger gesellschaftsvertraglicher Regelung – nicht mehr regelmäßig zur Auflösung der Gesellschaft, sondern zum Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters unter Fortsetzung der Gesellschaft (§ 131 Abs 3 Satz 1 HGB nF). Regelmäßige Auflösungsgründe sind damit nur noch der Ablauf der Zeit, für welche die Gesellschaft eingegangen wurde, der Auflösungsbeschluss der Gesellschafter, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft und eine gerichtliche Entscheidung über die Auflösung der Gesellschaft. Konsequenterweise waren aufgrund dieser Änderung §§ 136–138, 141, 142 HGB aufzuheben.6 Der Referentenentwurf des UMAG7 sah eine Korrektur von § 289 Abs 4 vor, um eine übersehene (unerwünschte) Folge der Handelsrechtsreform für die KGaA zu korrigieren, indem Absatz 4 Satz 1 wie folgt gefasst werden sollte: „Für die Zustimmung der Kommanditaktionäre zur Auflösung der Gesellschaft ist ein Beschluss der Hauptversammlung nötig.“ Man wollte damit im Gesetz festschreiben, dass die Gesamtheit der Kommanditaktionäre nicht zur Kündigung der Gesellschaft berechtigt sein sollte. Aufgrund einer Kritik aus dem Schrifttum8, wonach die geplante Korrektur ihrerseits nicht durchdacht sei, wurde dieser Vorschlag jedoch nicht weiterverfolgt. Durch das FGG-Reformgesetz9 wurde das FGG durch das FamFG ersetzt; Art 74 4 Nr 24 des Reformgesetzes passte die Verweise in Absatz 2 Nr 2 und 3 an die veränderte Gesetzeslage an. Der vom Bundesjustizministerium am 20.4.2020 in die Anhörung gegebene sog 5 Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (s Vor § 278 Rdn 42a) enthält nur einen Änderungsvorschlag, der das Recht der KGaA direkt betrifft. Man möchte den in § 289 Abs 6 Satz 2 enthaltenen Querverweis auf § 143

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K Schmidt DB 1994, 515; ders ZIP 1997, 909; Schlitt NZG 1998, 580; Sethe JZ 1997, 989; Weber/Jacob ZRP 1997, 152. 4 RegE HRefG, BT-Drucks 13/8444 vom 29.8.1997, S 41 (S 41: „Umkehrung des Grundsatzes ‚Auflösung der Gesellschaft durch Austritt eines Gesellschafters‘ in die Regel ‚Fortführung der Gesellschaft und Ausscheiden des Gesellschafters‘“). 5 S die Hinweise und Nachw im RefE, ZIP 1996, 1485, 1487; Sethe S 540. 6 Art 41 EGHGB sah eine inzwischen bedeutungslos gewordene Übergangsregelung vor und wurde durch Art 209 Abs 6 Nr 1 des Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19.4.2006, BGBl I, 866, aufgehoben. 7 Art 1 Nr 33 des Entwurfs eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 19.1.2004, http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/umag/refe.pdf. 8 Mertens AG 2004, 333 ff. 9 Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom 17.12.2008, BGBl I 2586.

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§ 289 | Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien

Abs 3 HGB an die geänderte Zählung im HGB anpassen (Art 25 Nr 2). Der Verweis würde künftig auf § 129 Abs 2 HGB-E lauten. Inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden. Indirekt ist das Recht der KGaA von den Änderungen im HGB über den Verweis in § 278 Abs 2 und § 289 Abs 1 betroffen (s Vor § 278 Rdn 42a). Sofern die Satzung Mehrheitsentscheidungen der Komplementäre vorsieht, soll der Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln erfordern; gleiches gilt für den Fortsetzungsbeschluss (§§ 128, 130 Abs 2 E-HGB). Diese Vorgabe würde über § 289 Abs 1 auch im Rahmen der Satzungsautonomie in Bezug auf die Auflösung der KGaA Bedeutung erlangen (su Rdn 21, 24). Zugleich würde damit die streitige Frage geklärt, ob die Komplementäre über die Auflösung im Wege der Mehrheit entscheiden können (su Rdn 21). II. Übersicht § 289 betrifft zwei unterschiedliche Sachverhalte, nämlich die Auflösung der Gesellschaft (einschlägig sind insoweit Abs 1–4 und 6) einerseits und das Ausscheiden von persönlich haftenden Gesellschaftern (einschlägig sind insoweit Abs 1, 5 und 6) andererseits. 7 Durch die Auflösung geht die Gesellschaft nicht unter, sondern tritt unter Wahrung ihrer Identität in das Stadium der Liquidation, dh sie besteht als Abwicklungsgesellschaft fort.10 Der von der werbenden Gesellschaft bislang verfolgte Gesellschaftszweck wird durch denjenigen der Abwicklung der Gesellschaft verdrängt bzw nach neuerer Ansicht überlagert.11 Es finden daher die für werbende Gesellschaften geltenden Vorschriften weiterhin Anwendung, soweit §§ 262 ff nichts Abweichendes bestimmen. Die KGaA bleibt Kaufmann und Handelsgesellschaft und tritt weiter unter ihrer Firma auf. Sie hat in der Firmenbezeichnung allerdings den Zusatz „in Liquidation“ oder „i.L.“ zu führen (§§ 278 Abs 3, 269 Abs 6). Fehler bei der Zeichnung berühren Wirksamkeit von Rechtsgeschäften für und gegen die Gesellschaft nicht,12 können aber haftungsrechtlich (zB aus culpa in contrahendo oder § 823 Abs 2 BGB iVm § 269 Abs 6) relevant sein,13 etwa wenn der Fortbestand der Gesellschaft für den Vertragspartner wegen der Langfristigkeit der Vertragsbeziehung wichtig war. Die Abwicklung besorgen, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, alle persönlich haftenden Gesellschafter und ggf eine oder mehrere von der Hauptversammlung gewählte Personen (§ 290 Abs 1). 8 Von der Auflösung zu unterscheiden ist das Erlöschen der Gesellschaft (auch Beendigung genannt), womit der Untergang der juristischen Person umschrieben wird. Das Erlöschen tritt ein mit Verteilung des Vermögens der Gesellschaft an die Gesellschafter. Ist kein zu verteilendes Vermögen vorhanden, fallen Auflösung und Beendigung zusammen. Das Erlöschen bezeichnet einen materiell-rechtlichen Vorgang, von dem die Löschung im Handelsregister zu unterscheiden ist. Bei letzterer ist streitig, ob ihr nur deklaratorische oder konstitutive Bedeutung zukommt. Für die konstitutive Wirkung spricht die Tatsache, dass die KGaA auch erst mit Eintragung ins Handelsregister zur 6

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10 BGH 6.7.1954 – I ZR 38/53, BGHZ 14, 163, 168; BGH 23.5.1957 – II ZR 250/55, BGHZ 24, 279, 286. Heute unstr. Zu den Einzelheiten in Bezug auf die Liquidation und zur Möglichkeit der Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft s die Erläuterungen zu § 290. 11 T Meyer Liquidatorenkompetenzen und Gesellschafterkompetenzen in der aufgelösten GmbH, 1996, S 24 ff mwN zu beiden Ansichten. 12 Hüffer/Koch14 § 269, 8. 13 Zu den Haftungsfolgen bei Verletzung dieser gesetzlichen Vorgabe Bürgers/Fett/Schulz § 8, 3; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 269, 14.

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juristischen Person wird (s § 41 Abs 1 Satz 1). Die Umkehrung dieses Vorgangs muss dogmatisch gleichbehandelt werden.14 Gemäß Abs 1 richten sich die Gründe für die Auflösung der KGaA nach den Vor- 9 schriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft. Maßgeblich sind diesbezüglich §§ 177, 161 Abs 2, 131 ff HGB: § 131 HGB (1) Die offene Handelsgesellschaft wird aufgelöst: durch den Ablauf der Zeit, für welche sie eingegangen ist; durch Beschluß der Gesellschafter; durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft; durch gerichtliche Entscheidung. (2) … (3) 1Folgende Gründe führen mangels abweichender vertraglicher Bestimmung zum Ausscheiden eines Gesellschafters: 1. Tod des Gesellschafters, 2. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters, 3. Kündigung des Gesellschafters, 4. Kündigung durch den Privatgläubiger des Gesellschafters, 5. Eintritt von weiteren im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Fällen, 6. Beschluss der Gesellschafter. 2 Der Gesellschafter scheidet mit dem Eintritt des ihn betreffenden Ereignisses aus, im Falle der Kündigung aber nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist.

1. 2. 3. 4.

§ 132 HGB Die Kündigung eines Gesellschafters kann, wenn die Gesellschaft für unbestimmte Zeit eingegangen ist, nur für den Schluß eines Geschäftsjahrs erfolgen; sie muss mindestens sechs Monate vor diesem Zeitpunkte stattfinden. § 133 HGB (1) Auf Antrag eines Gesellschafters kann die Auflösung der Gesellschaft vor dem Ablaufe der für ihre Dauer bestimmten Zeit oder bei einer für unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft ohne Kündigung durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. (2) Ein solcher Grund ist insbesondere vorhanden, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird. (3) Eine Vereinbarung, durch welche das Recht des Gesellschafters, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen, ausgeschlossen oder diesen Vorschriften zuwider beschränkt wird, ist nichtig. § 134 HGB Eine Gesellschaft, die für die Lebenszeit eines Gesellschafters eingegangen ist oder nach dem Ablaufe der für die ihre Dauer bestimmten Zeit stillschweigend fortgesetzt wird, steht im Sinne der Vorschriften der §§ 132 und 133 einer für unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft gleich. § 135 HGB Hat ein Privatgläubiger eines Gesellschafters, nachdem innerhalb der letzten sechs Monate eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesell-

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14 Ebenso, jeweils mwN, Bürgers/Fett/Schulz § 8, 3; Hüffer/Koch14 § 262, 4, 23, 23a, § 273, 7 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 90 ff.

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schafters ohne Erfolg versucht ist, auf Grund eines nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuldtitels die Pfändung und Überweisung des Anspruchs auf dasjenige erwirkt, was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommt, so kann er die Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob sie für bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangen ist, sechs Monate vor dem Ende des Geschäftsjahrs für diesen Zeitpunkt kündigen. §§ 136–138 HGB (aufgehoben) § 139 HGB (1) Ist im Gesellschaftsvertrage bestimmt, dass im Falle des Todes eines Gesellschafters die Gesellschaft mit dessen Erben fortgesetzt werden soll, so kann jeder Erbe sein Verbleiben in der Gesellschaft davon abhängig machen, dass ihm unter Belassung des bisherigen Gewinnanteils die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt und der auf ihn fallende Teil der Einlage des Erblassers als seine Kommanditeinlage anerkannt wird. (2) Nehmen die übrigen Gesellschafter einen dahingehenden Antrag des Erben nicht an, so ist dieser befugt, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist sein Ausscheiden aus der Gesellschaft zu erklären. (3) Die bezeichneten Rechte können von dem Erben nur innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in welchem er von dem Anfalle der Erbschaft Kenntnis erlangt hat, geltend gemacht werden. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften des § 210 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Ist bei dem Ablaufe der drei Monate das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren, so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der Ausschlagungsfrist. (4) Scheidet innerhalb der Frist des Absatzes 3 der Erbe aus der Gesellschaft aus oder wird innerhalb der Frist die Gesellschaft aufgelöst oder dem Erben die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt, so haftet er für die bis dahin entstandenen Gesellschaftsschulden nur nach Maßgabe der die Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten betreffenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. (5) Der Gesellschaftsvertrag kann die Anwendung der Vorschriften der Absätze 1 bis 4 nicht ausschließen; es kann jedoch für den Fall, dass der Erbe sein Verbleiben in der Gesellschaft von der Einräumung der Stellung eines Kommanditisten abhängig macht, sein Gewinnanteil anders als der des Erblassers bestimmt werden. § 140 HGB (1) 1Tritt in der Person eines Gesellschafters ein Umstand ein, der nach § 133 für die übrigen Gesellschafter das Recht begründet, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen, so kann vom Gericht anstatt der Auflösung die Ausschließung dieses Gesellschafters aus der Gesellschaft ausgesprochen werden, sofern die übrigen Gesellschafter dies beantragen. 2Der Ausschließungsklage steht nicht entgegen, dass nach der Ausschließung nur ein Gesellschafter verbleibt. (2) Für die Auseinandersetzung zwischen der Gesellschaft und dem ausgeschlossenen Gesellschafter ist die Vermögenslage der Gesellschaft in dem Zeitpunkte maßgebend, in welchem die Klage auf Ausschließung erhoben ist. § 177 HGB Beim Tod eines Kommanditisten wird die Gesellschaft mangels abweichender vertraglicher Bestimmung mit den Erben fortgesetzt. 10

Ergänzend hierzu führt Absatz 2 weitere Auflösungsgründe an. Absatz 3 stellt klar, was ohnehin aus der Anwendung von Absatz 1 iVm §§ 161 Abs 2, 131 Abs 1, Abs 3 Satz 1 Nr 2 HGB folgt. Sethe

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Aufgrund der Bestimmung in Abs 1 ist auch das Ausscheiden von persönlich haf- 11 tenden Gesellschaftern der KGaA nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft, dh nach §§ 161 Abs 2, 131 Abs 3 HGB, zu beurteilen. Darüber hinaus können Komplementäre auch dergestalt aus der Gesellschaft ausscheiden, dass sie bei Vorliegen eines wichtigen Grunds aufgrund einer Ausschließungsklage und entsprechender gerichtlicher Entscheidung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden (Abs 1 iVm §§ 161 Abs 2, 140, 133 HGB). Außer durch Ausscheiden nach den in § 131 Abs 3 Satz 1 HGB angeführten Gründen und durch gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 140, 133 HGB können persönlich haftende Gesellschafter nur ausscheiden, wenn es die Satzung für zulässig erklärt (Abs 5; zu dessen Regelungsgehalt su Rdn 78 ff). Nach Abs 6 sind alle Komplementäre – auch der ausscheidende – verpflichtet, die 12 Auflösung der Gesellschaft und das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Nicht in § 289 angesprochen ist die Nichtigkeit der Gesellschaft. Sie richtet sich 13 nach §§ 278 Abs 3, 275 ff AktG, 397 Satz 1 FamFG. Eine KGaA ist nichtig, wenn sie durch rechtskräftiges Urteil oder durch eine Entscheidung des Registergerichts für nichtig erklärt worden ist. Die Abwicklung erfolgt in diesem Fall nach Maßgabe von §§ 278 Abs 3, 277 Abs 1. Eine Klage auf Nichtigkeit kann von jedem Aktionär und jedem Komplementär, gleichgültig, ob geschäftsführungsbefugt oder nicht, erhoben werden.15 Die geschäftsführungsbefugten Komplementäre sind verpflichtet, eine beglaubigte Abschrift der Klage und des Urteils zum Handelsregister einzureichen (§§ 283 Nr 1, 275 Abs 4 Satz 2).16 Die Heilungsmöglichkeit des § 276 gilt auch für die KGaA. Der diesbezüglich erforderliche satzungsändernde Beschluss der Hauptversammlung bedarf der Zustimmung der Komplementäre in der Form des § 285 Abs 3 Satz 2. Im Übrigen ist auf die Erläuterungen zu §§ 275 ff zu verweisen. III. Auflösung der KGaA 1. Personengesellschaftsrechtliche Auflösungsgründe (Abs 1) a) Übersicht. Das aufgrund von Abs 1 anwendbare Personengesellschaftsrecht sieht 14 in §§ 161 Abs 2, 131 Abs 1 HGB folgende Auflösungsgründe vor: – den Ablauf der Zeit, für den die Gesellschaft eingegangen wurde (§ 131 Abs 1 Nr 1 HGB), – einen Auflösungsbeschluss der Gesellschafter (§ 289 Abs 4 iVm § 131 Abs 1 Nr 2 HGB), – die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen (§ 131 Abs 1 Nr 3 HGB) sowie – eine die Auflösung anordnende gerichtliche Entscheidung (§ 131 Abs 1 Nr 4 HGB). b) Zeitablauf. Die Gesellschaft wird mit Ablauf der in der Satzung festgelegten 15 Zeit aufgelöst (Abs 1 iVm §§ 161 Abs 2, 131 Abs 1 Nr 1 HGB). Die in der Satzung angeführte Zeitdauer der Gesellschaft muss nicht nach dem Kalender bestimmt sein; es reicht, wenn sie bestimmbar ist.17 Möglich ist weiterhin, die Dauer der Gesellschaft an ein Ereignis zu

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15 MünchKomm/Perlitt5 39. 16 MünchKomm/Perlitt5 39. 17 RG 14.3.1919 – Rep. II. 393/18, RGZ 95, 147, 150 (zur GbR); RG 18.1.1911 – I 313/10, RG LZ 1911, 298 (zur GbR); BayObLG 9.12.1974 – BReg 2 Z 57/74, BB 1975, 249 f (zur GmbH); Hüffer/Koch14 § 262, 8; KK/Winnen3

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knüpfen, dessen Eintritt in der Zukunft gewiss ist, aber dessen Zeitpunkt noch nicht feststeht (zB Tod eines Komplementärs).18 Vor Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit kann diese durch satzungsän16 dernden Beschluss verlängert werden.19 Denkbar ist auch, dass die Satzungsbestimmung zur Laufzeit der Gesellschaft im Wege der Satzungsänderung aufgehoben wird.20 Nach Ablauf der Zeit lässt sich die Fortsetzung der Gesellschaft nur im Wege eines 17 Fortsetzungsbeschlusses erreichen (s § 290 Rdn 33, 43 ff).21 Eine stillschweigende Fortsetzung, wie sie bei der KG nach §§ 161 Abs 2, 134 HGB in Betracht kommt, ist bei der KGaA ausgeschlossen:22 Absatz 1 ordnet die Geltung des Personengesellschaftsrechts nur für die Gründe der Auflösung, nicht aber für deren Folgen an,23 so dass insoweit über § 278 Abs 3 die zwingende Bestimmung des § 274 zur Anwendung kommt. Im Übrigen ist auf die Erläuterungen zu § 262 Abs 1 Nr 1 zu verweisen. 18

c) Beschluss der Gesellschafter. Die Gesellschafter können jederzeit die Auflösung der Gesellschaft beschließen (Abs 1 iVm §§ 161 Abs 2, 131 Abs 1 Nr 2 HGB).

aa) Beschlusserfordernisse. Erforderlich ist die Zustimmung beider Gesellschaftergruppen. Liegt diese vor, ist die Gesellschaft aufgelöst; die Eintragung in das Handelsregister hat lediglich deklaratorische Bedeutung (s Rdn 36). Die Zustimmung der Kommanditaktionäre erfolgt nach Absatz 4 durch einen Be20 schluss der Hauptversammlung, der einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bedarf (Abs 4 Satz 3). Die Satzung kann eine größere Mehrheit und weitere Erfordernisse vorsehen (Abs 4 Satz 4). Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung (su Rdn 29).24 Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse festsetzen. In Bezug auf die weiteren Einzelheiten kann auf die Erläuterungen zu § 262 Abs 1 Nr 2 verwiesen werden. Aktienbesitzende Komplementäre unterliegen keinem Stimmverbot.25 Die Zustimmung der Komplementäre richtet sich nach § 119 HGB. Danach ist die 21 Zustimmung aller, auch der nicht geschäftsführungsbefugten, Komplementäre erforderlich.26 Die herrschende Meinung hält eine Satzungsregelung über eine Mehrheitsentscheidung innerhalb der Komplementäre für zulässig.27 Sie räumt allerdings ein, dass 19

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§ 262, 21; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 131, 12 (mit zahlreichen Beispielen); Marcuse S 23. AA noch Schlegelberger/Quassowski3 § 203, 2; Schlegelberger/Geßler HGB4 § 131, 10. 18 KK/Mertens/Cahn3 8; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 131, 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 2; iE auch Schmidt/Lutter/Schmidt3 6. 19 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 5; MünchKomm/Perlitt5 13; vgl das Beispiel LG Düsseldorf 30.12.2008 – 41 O 102/07, juris. 20 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 5. 21 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 6; MünchKomm/Perlitt5 5, 14; Spindler/Stilz/Bachmann4 2. 22 Baumbach/Hueck13 3; Godin/Wilhelmi4 2a); KK/Mertens/Cahn3 10; MünchKomm/Perlitt5 14; Spindler/Stilz/Bachmann4 2; wohl auch Marcuse S 24. 23 So schon Denkschrift I, S 179; Denkschrift II, in Hahn/Mygdan, S 341. 24 AA aber jetzt Spindler/Stilz/Bachmann4 3 aE. 25 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 10; Hüffer/Koch14 6; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 26 KK/Mertens/Cahn3 13; Spindler/Stilz/Bachmann4 3. 27 RG 15.10.1926 – II 119/26, RGZ 114, 393, 394; RG 15.6.1900) II 155/1900, JW 1900, 566; BGH 15.11.1982 – II ZR 62/82, BGHZ 85, 350, 355 obiter dictum. 3. Aufl Barz 5; Bürgers/Fett/Schulz § 8, 14; Happ/Pühler5 1.03, 38.1; KK/Mertens/Cahn3 14; Löffler NJW 1989, 2656, 2659 f mit Fn 56; Marcuse S 25 f; MünchKommHGB/ K Schmidt4 § 131, 15; MünchKomm/Perlitt5 17; Richartz S 20; Schlitt S 232; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 3. Kritisch Reuter Gutachten B zum 55. DJT, S B 72. Wie hier dagegen Heidel/Wichert5 14.

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diese nur innerhalb der Grenzen der personengesellschaftsrechtlich gewährleisteten Vertragsfreiheit erfolgen kann, so dass insbesondere der Bestimmtheitsgrundsatz und der Kernbereich der Mitgliedschaft beachtet werden müssten. Nimmt man die hM mit diesem Vorbehalt beim Wort, so zeigt sich, dass deren Ansicht von der Zulässigkeit einer Mehrheitsentscheidung in Bezug auf den Zustimmungsbeschluss der Komplementäre nicht gefolgt werden kann. Dabei liegt das Problem nicht bei der Anwendung des (vom BGH aufgegebenen28) Bestimmtheitsgrundsatzes, dem ohne Weiteres dadurch Rechnung getragen werden kann, dass die Umstände, unter denen eine Auflösung durch Mehrheitsbeschluss erfolgen dürfen, hinreichend deutlich umschrieben werden. Nicht erfüllt werden dagegen die Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz des Kernbereichs der Mitgliedschaft ergeben. Dabei sei vorab betont, dass man diese Bedenken nicht mit dem Argument entkräften kann, der BGH habe die Kernbereichslehre aufgegeben,29 denn es ist sehr fraglich, ob er dies in der Sache wirklich getan hat. Auch wäre eine solche Aufgabe nicht überzeugend, da die Kernbereichslehre inhaltlich ihre Berechtigung hat (s Vor § 278 Rdn 60): – Im Personengesellschaftsrecht wird ein Stimmrechtsverzicht dann für unzulässig gehalten, wenn der betroffene Regelungsgegenstand von grundlegender Bedeutung für das Rechtsverhältnis ist,30 insbesondere wenn Struktur und Bestand der Gesellschaft verändert werden. Dies trifft für die Frage der Auflösung ohne Weiteres zu, denn die Zerschlagung der Gesellschaft ist wohl der gravierendste unter den denkbaren Eingriffen in die Struktur und den Bestand der Gesellschaft. Wenn man schon die Änderung des Gesellschaftszwecks einer werbenden Gesellschaft zum Kernbereich der Mitgliedschaft zählt,31 muss dies auch recht für die Änderung des Gesellschaftszwecks von einer werbenden in eine Liquidationsgesellschaft gelten.32 – Dass ein Schutz der Minderheit geboten ist, zeigen auch folgende Überlegungen: Bei der Abstimmung über die Auflösung wird das Abstimmungsverhalten nicht allein durch die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft geprägt, sondern auch durch die konkrete Situation der einzelnen Gesellschafter im Zeitpunkt der Abstimmung. Die diesbezüglich maßgeblichen und der Veränderung unterliegenden Umstände – wie etwa andere Einkommensquellen oder die Einbringung der gesamten Arbeitskraft in die Geschäftsführung – lassen sich im Voraus nicht genau bestimmen, so dass ein in der Satzung festgelegter Stimmrechtsverzicht bzw eine dort vorgesehene Mehrheitsentscheidung einen Gesellschafter uU in einer Situation bindet, in der er der Auflösung niemals zugestimmt hätte. Nicht überzeugen kann auch der Hinweis, die Auflösung sei weniger einschneidend als andere Strukturentscheidungen, denn immerhin würden alle Gesellschafter abgefunden.33 Gerade wenn die Gesellschaft die Existenzgrundlage der Komplementäre ist, hilft diesen der Hinweis nicht. Dagegen könnte man einzuwenden versuchen, den Gesellschaftern müsste, ohne dass dies am Veto eines Gesellschafters scheitern dürfte, die Möglichkeit zur

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28 S Vor § 278 Rdn 60. 29 So aber Spindler/Stilz/Bachmann4 3, der allein die Treuepflicht als Schranke anerkennt. 30 GroßkommHGB/Caspar5 § 163, 7; Schlegelberger/Martens HGB5 § 119, 29; Sethe S 118 f. 31 MünchKommHGB/Enzinger4 § 119, 64; Mecke ZHR 153 (1989) 35, 44; Löffler NJW 1989, 2656, 2659; unklar MünchKommBGB/Schäfer7 § 709, 93. 32 Für den umgekehrten Fall, nämlich einer Verlängerung einer auf Zeit eingegangenen Gesellschaft durch die Mehrheit war dies im Übrigen schon lange anerkannt, vgl RG 3.5.1932 – II 438/31, RGZ 136, 236, 243; BGH 7.12.1972 – II ZR 131/68, NJW 1973, 1602; Heymann/Emmerich HGB2 § 119, 36. 33 So aber Spindler/Stilz/Bachmann4 3.

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Desinvestition bleiben, doch können sie diese jederzeit im Wege der gesetzlich vorgesehenen Kündigungsmöglichkeit nach §§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 3, 132 HGB verwirklichen. Aber auch daraus ließe sich ein Gegenargument schmieden: Wenn schon der einzelne Gesellschafter kündigen könne, müsse erst recht die Mehrheitsentscheidung zulässig sein.34 Doch vermag auch dieser denkbare Einwand nicht zu verfangen, denn er lässt sich ebenso gut in ein Argument für die hier vertretene Ansicht umkehren: Wenn der Gesetzgeber jedem Gesellschafter die Möglichkeit eröffnet, die Gesellschaft im Wege der Kündigung zu verlassen, können und müssen an die Möglichkeit, die werbende Gesellschaft insgesamt und mit Wirkung für alle Gesellschafter zu zerschlagen, höhere Anforderungen gestellt werden. Dies zeigt auch der mit dem Handelsrechtsreformgesetz vollzogene Wandel in den Auflösungsgründen (s Rdn 3); der Gesetzgeber wertet die Unternehmenskontinuität höher als den Wunsch einzelner Gesellschafter nach Auflösung der Gesellschaft. Diese können kündigen. Die Entscheidung über die Auflösung kann nach alledem nicht im Wege der Mehrheitsentscheidung getroffen werden.35 Diese Feststellung bedarf allerdings der Ergänzung. Im Einzelfall kann die Treuepflicht gebieten, dass ein Gesellschafter dem Auflösungsbeschluss zustimmt. Kernbereichslehre und Treuepflicht sind zwei Seiten einer Medaille, mit der die Ausübung der Herrschafts- und Vermögensrechte im Personengesellschaftsrecht begrenzt wird. Dies anerkennt implizit auch die Gegenansicht, wenn sie im Einzelfall einen Mehrheitsbeschluss der Komplementäre am Maßstab der Treuepflicht prüft.36 Dass die herrschende Meinung Bedenken gegen eine leichtfertige Zerschlagung des Unternehmens hegt, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass ihre Vertreter teilweise eine sachliche Rechtfertigung für die Auflösung verlangen.37

Die Kernbereichslehre findet auch zugunsten der Gesamtheit der Kommanditaktionäre Anwendung. Deshalb wäre eine Satzungsregelung unzulässig, wonach für den Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft allein die Komplementäre zuständig sind.38 Wenn man nicht schon Absatz 4 als zwingend ansieht, so ist die Zustimmung der Hauptversammlung doch schon deshalb erforderlich, weil die Auflösung die Mitgliedschaft der Gesamtheit der Kommanditaktionäre in ihrem Bestand betrifft und daher zum unverzichtbaren Kernbereich gehört. Auch der umgekehrte Fall einer Auflösung der Gesellschaft allein durch die Hauptversammlung ist deshalb unzulässig. Aus Vorstehendem folgt, dass ein Gesellschafter, der bei der Abstimmung über die 28 Auflösung unterliegt, die Möglichkeit haben muss, aus der Gesellschaft auszuscheiden (su Rdn 72 ff, 85). 27

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bb) Inhalts- und Missbrauchskontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses. Im Gegensatz zu anderen Bereichen, in denen Hauptversammlungsbeschlüsse auf ihre sachliche Rechtfertigung hin kontrolliert werden, halten die Rechtsprechung und die

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34 So in der Tat Löffler NJW 1989, 2656, 2659 Fn 56. 35 Baumbach/Hueck13 4; Mecke ZHR 153 (1989) 35, 44; ders BB 1988, 2258; GK HGB-Schilling4 § 163, 6; im Ergebnis auch Sethe S 125 mit Fn 65. 36 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 15; MünchKomm/Perlitt5 17; Spindler/Stilz/Bachmann4 3. 37 Spindler/Stilz/Bachmann4 3 aE. 38 Heidel/Wichert5 14; Richartz S 20; Sethe S 125 Fn 65. Im Ergebnis auch Bürgers/Fett/Schulz § 8, 8; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 57; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7. AA 3. Aufl Barz 5.

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ganz herrschende Meinung39 dies beim Auflösungsbeschluss richtigerweise für nicht erforderlich: Einer Rechtfertigung bedürfe es nicht, da ein solcher Beschluss die Rechtfertigung in sich trage. Anders als bei dem Zustimmungsbeschluss der Komplementäre (so Rdn 21 ff) bedarf es bei dem Auflösungsbeschluss der Gesamtheit der Kommanditaktionäre weder des Schutzes von Minderheitsinteressen noch des Schutzes von Interessen der Gesellschaft.40 Unterschiedlich beurteilt wird dagegen die Fallgestaltung, in der der Mehrheitsge- 30 sellschafter (entsprechendes muss für eine Gruppe von Gesellschaftern gelten, die zusammen eine Mehrheit bilden) das Vermögen der Gesellschaft komplett übernimmt, um es anschließend in eine neue Gesellschaft einzubringen und mit dieser den Unternehmenszweck der aufgelösten Gesellschaft weiterzuverfolgen. Der Bundesgerichtshof hält dies grundsätzlich für zulässig. Eine Ausnahme soll 31 nur für den Fall gelten, dass der Mehrheitsgesellschafter bereits vor dem Auflösungsbeschluss Maßnahmen ergreift, um die Vermögenswerte der Gesellschaft zu übernehmen oder um sich diese zu sichern.41 Der nachfolgende Auflösungsbeschluss sei unter diesen Umständen genauso präjudiziert wie die spätere Verwertung des Vermögens, die dann nicht an den meistbietenden Interessenten verkauft werden könne. Ein derartiges Verhalten des Mehrheitsaktionärs verstoße gegen die Treuepflicht, da sich der Gesellschafter Sondervorteile verschaffe. Der Auflösungsbeschluss könne deshalb gemäß § 243 Abs 2 angefochten werden. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung folgt dem allerdings nicht vorbehaltlos,42 weil sie den Handlungsspielraum des Mehrheitsgesellschafters durch die Rechtsprechung des BGH unangemessen eingeschränkt sieht: Wolle der Mehrheitsgesellschafter die Übernahme des gesamten Gesellschaftsvermögens (§ 179a) erreichen, müsse er diese rechtzeitig vorbereiten und bereits vor dem Auflösungsbeschluss den Kaufpreis, die Vertragsgestaltung und die Finanzierung klären. Die vom BGH in der Linotype-Entscheidung aus der Treuepflicht entwickelten Grenzen berücksichtigten diese Gegebenheiten nicht ausreichend und seien deshalb auf diese Fallgruppe nicht zu übertragen. Vorbereitungshandlungen zur Vermögensübernahme sollen deshalb zulässig sein.43 Auch die anschließende Vermögensverwertung darf nach der in dieser Hinsicht 32 einheitlichen Rechtsprechung nicht treuwidrig durchgeführt werden: Wenn ein Mehrheitsaktionär die Gesellschaft auflöst, um anschließend die Geschäfte der Gesellschaft allein weiterzuführen, könne dieses Verhalten missbräuchlich sein, wenn die Minderheit

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39 BVerfG 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 280 ff – Feldmühle; BVerfG 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, BVerfG AG 2001, 42 ff; BGH 28.1.1980 – II ZR 124/78, BGHZ 76, 352 ff (zur GmbH); BGH 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 190 mwN (Linotype); OLG Frankfurt 19.2.1991 – 5 U 5/86, AG 1991, 208, 210; OLG Stuttgart 21.12.1993 – 10 U 48/93, AG 1994, 411, 413; OLG Stuttgart 4.12.1996 – 8 W 43/93, AG 1997, 136, 137 (li Sp); Friedrich BB 1994, 89 ff; Henze ZIP 1995, 1473, 1475 ff; ders FS Boujong 1996, S 233, 239 ff; Hüffer/Koch14 § 262, 11, § 243, 28 mwN; KK/Zöllner1 Einl 55; Grunewald S 299; Lutter ZGR 1981, 171, 176; MünchKomm/Perlitt5 16; Semler BB 1983, 1566, 1569; Timm JZ 1980, 665, 668 f. Weitergehend aber Wiedemann Gesellschaftsrecht I, S 384, 435, 445; ders ZGR 1980, 147, 156 ff; ders JZ 1989, 447, 448 (alle Grundlagenbeschlüsse bedürfen der sachlichen Rechtfertigung, die Kontrolldichte hängt vom Beschlussinhalt ab). Vermittelnd Martens FS Fischer 1979, S 437, 446; ders GmbHR 1984, 265, 269 f (Kontrolldichte hängt von Intensität des Eingriffs ab). 40 KK/Mertens/Cahn3 12; MünchKomm/Perlitt5 16. AA aber Spindler/Stilz/Bachmann4 3 aE; § 262, 31 ff. 41 BGH 28.1.1980 – II ZR 124/78, BGHZ 76, 352, 355 ff; BGH 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 193 f (Linotype). Zustimmend Henze ZIP 1995, 1473 ff. Anders Friedrich BB 1994, 89, 93 f. Generell gegen die Zulässigkeit der übertragenden Auflösung Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 36 mwN, der auf den Squeezeout als zulässigen Weg hinweist. 42 Vgl etwa OLG Stuttgart 21.12.1993 – 10 U 48/93, AG 1994, 411, 413. Sa Henze ZIP 1995, 1473, 1478 f. 43 Ebenso Friedrich BB 1994, 89, 93 f.

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nicht angemessen abgefunden werde. Der Minderheit stünden deshalb Schadensersatzansprüche gegen den Liquidator oder die Mehrheit zu, wenn dieser sich beim Erwerb des Gesellschaftsvermögens ungerechtfertigte Vorteile verschaffe.44 Der von der Rechtsprechung, namentlich dem Bundesgerichtshof, entwickelte An33 satz wird kritisiert, weil die Auflösung der Gesellschaft mit anschließender Vermögensübernahme durch einen Mehrheitsgesellschafter in der Sache eine Hinauskündigung der Minderheit oder eine Umgehung des Umwandlungsrechts darstelle. Es bestehe die Gefahr, dass der Mehrheitsgesellschafter sich die Liquidationsmasse zu einem günstigen Preis sichere und faktisch jeden Marktmechanismus außer Kraft setze. Dies könne etwa durch eine Vermögensübertragung von der Gesellschaft an den Mehrheitsgesellschafter erfolgen, die auf den Eintritt in das Stadium der Liquidation aufschiebend bedingt sei.45 Sachlich komme es zu einem Vorgang, der mit einem In-sich-Geschäft verglichen werden könne.46 Die für Eingliederungen, Vermögensübertragungen und Verschmelzungen vorgesehenen Mechanismen des Minderheitenschutzes ließen sich im Wege einer solchen „gewillkürten Singularsukzession“ umgehen.47 Um dem zu begegnen, ordnet eine Ansicht48 in der Literatur die Auflösung mit anschließender Vermögensübernahme als Hinauskündigung der Minderheitsgesellschafter ein, die der sachlichen Rechtfertigung, dh eines wichtigen Grundes, bedürfe. Dies gelte selbst dann, wenn sich die Absicht der Übernahme erst nach dem Auflösungsbeschluss herausstelle.49 Letzteres erweist sich jedoch als problematisch, wenn sich erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist herausstellt, dass die Mehrheit die Absicht der Weiterführung hatte. Hier kämen nur Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Mitgliedschaftsrechte der Minderheit in Betracht. Beruht die Hinauskündigung der Aktionärsminderheit auf einem sachlichen Grund 34 oder folgt man der Gegenansicht, die keinen solchen fordert, stellt sich aus Sicht dieser Minderheit die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Liquidation, insbesondere der Zulässigkeit einer Vermögensübernahme.50 Diesbezüglich sind verschiedene Lösungswege denkbar: Zum einen kann man der Rechtsprechung folgen, die eine faktische Vorwegnahme der Liquidation als Verstoß gegen die Treuepflicht einordnet und Schadenser-

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44 BGH 28.1.1980 – II ZR 124/78, BGHZ 76, 352, 354 f; BGH 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 189 (Linotype); OLG Stuttgart 4.12.1996 – 8 W 43/93, AG 1997, 136, 138 (Moto-Meter). Zustimmend Henze ZIP 1995, 1473 ff. Zu den Anforderungen an die Bemessung der vermögensrechtlichen Ansprüche der Minderheit s BVerfG 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, AG 2001, 42, 44. 45 Das halten LG Stuttgart 22.1.1993 – 2 KfH O 113/92, ZIP 1993, 514, 516 und OLG Stuttgart 21.12.1993 – 10 U 48/93, AG 1994, 411 ff für zulässig. Dieser Weg würde allerdings die von BGH 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 189 f (mwN) aufgestellten Hürden umgehen. Der BGH hatte darauf abstellt, ob zum Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses die Erwerbsangebote Dritter in Bezug auf die Liquidationsmasse von vornherein ausgeschlossen waren und sich der Mehrheitsgesellschafter Sondervorteile verschafft hat. 46 Timm JZ 1980, 665, 669 f, will dies dadurch unterbinden, dass er die Vermögensübertragung an den Mehrheitsgesellschafter oder dessen Konzernunternehmen untersagt. Das geht zu weit, da diese Ansicht auch die Fälle einbezieht, in denen der faktisch gewollte Ausschluss der Minderheit auf sachlichen Gründen beruht. 47 Würde man der seinerzeit von Nirk/Brezing/Bächle/Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft2 Rdn I 733 (Lfg 10/1982) vertretenen Ansicht folgen, wäre dies sogar noch leichter möglich. Nirk zufolge sei § 179a (= § 361 aF) nur auf die werbende AG und nicht auf die AG iL anzuwenden, da die Vermögensübertragung gerade dem Ziel der Abwicklung diene. AA KK/Winnen3 § 268, 10; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 268, 9 jeweils mwN. 48 Lutter ZGR 1981, 171, 181 f; Lutter/Lutter UmwG2 § 13, 39 (nicht mehr angesprochen bei Lutter/Drygala UmwG6 § 13, 39 f); Hirte Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, 150 ff; Grunewald S 298 ff; Martens GmbHR 1984, 265, 269. 49 Lutter ZGR 1981, 171, 182. 50 Nach überwiegender Ansicht bedarf ein solcher Beschluss keiner sachlichen Rechtfertigung. Vgl jeweils mwN Hüffer/Koch14 § 179a, 10; Windbichler AG 1981, 169, 174; Henze FS Boujong 1996, S 233 ff.

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satzansprüche gewährt.51 Des Weiteren kann man das Verhalten des Mehrheitsgesellschafters als auf die Erlangung eines Sondervorteils zugunsten desselben qualifizieren und eine Anfechtung nach § 243 Abs 2 zulassen.52 Schließlich ist denkbar, die Minderheit über eine analoge Anwendung von §§ 305 Abs 5 Satz 2, 320b Abs 2, 327f zu schützen,53 wenn der Verdacht einer nicht ausreichenden Abfindung der Minderheit besteht.54 Diese letzte Ansicht, die der Sache nach eine Wertkontrolle des Liquidationsanspruchs in analoger Anwendung des SpruchG vornimmt, hat sich mittlerweile zu Recht durchgesetzt.55 Sie bietet den Vorteil, dass die Minderheit nicht schutzlos bleibt und die Mehrheit die von ihr beabsichtigte Vermögensübernahme ohne das Risiko einer dagegen erhobenen Anfechtungsklage verfolgen kann. Die vorstehend behandelte Kontroverse hat allerdings durch die Reform des Um- 35 wandlungsrechts einiges von ihrer Brisanz verloren. Die Verschmelzung einer KGaA mit einer GmbH erfordert seitdem keine einstimmige Entscheidung mehr (so noch § 33 Abs 3 KapErhG iVm § 369 Abs 2 AktG aF). Ausreichend ist vielmehr eine Dreiviertel-Mehrheit, so dass die Blockade durch einige wenige Aktionäre der Verschmelzungslösung, die sich bei gleichem Erfolg zur Vermeidung der geschilderten Unsicherheiten anbietet, nicht im Wege steht. cc) Form der Zustimmung und Zeitpunkt der Auflösung. Die Auflösung der Ge- 36 sellschaft ist in das Handelsregister einzutragen (Abs 6). Der Auflösungsbeschluss der Hauptversammlung bedarf deshalb der Zustimmung der Komplementäre in der durch § 285 Abs 3 Satz 2 vorgeschriebenen Form. Die Gesellschaft ist in dem Zeitpunkt aufgelöst, in dem die letzte Zustimmungserklärung – sei es diejenige der Hauptversammlung oder sei es diejenige der Komplementäre – vorliegt.56 Der Beschluss ist anzumelden (Abs 6); seine Eintragung ins Handelsregister hat nur deklaratorische Bedeutung.57 dd) Fortsetzungsbeschluss. Nach Auflösung der Gesellschaft kann unter den in 37 § 274 Abs 1 genannten Voraussetzungen die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen werden (s § 290 Rdn 33, 43 ff). d) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. 38 Gemäß Abs 1 iVm § 131 Abs 1 Nr 3 HGB wird die KGaA durch die Eröffnung des Insol-

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51 So 32 mit Fn 44. Sa Winter Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S 160 f; Timm NJW 1988, 1582. 52 Bommert JR 1988, 509, 510; Hüffer/Koch14 § 179a, 10, 21 f; Lutter ZHR 153 (1989) 446, 457. 53 De lege ferenda gefordert von Hüffer4 § 179a, 12a. De lege lata bejaht von BGHZ 82, 188, 193 (Hoesch/Hoogovens). Offen gelassen von OLG Stuttgart 21.12.1993 – 10 U 48/93, AG 1994, 411, 413; Wiedemann, ZGR 1978, 477, 491 (zur Verschmelzung). AA OLG Stuttgart 4.12.1996 – 8 W 43/93, AG 1997, 136, 137; Henze ZIP 1995, 1473, 1479 f. Das BVerfG 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, AG 2001, 42, 44 hat deshalb die Entscheidung des OLG Stuttgart zu Recht als verfassungsrechtlich bedenklich kritisiert. 54 Das OLG Stuttgart 21.12.1993 – 10 U 48/93, AG 1994, 411, 414, lässt dagegen ein von der Gesellschaft und damit von der beherrschenden Mehrheitsaktionärin in Auftrag gegebenes Wertgutachten ausreichen, um einen Sondervorteil zu verneinen, ohne dass allerdings der Minderheit Einsicht gewährt worden wäre. Zu Recht kritisch deshalb BVerfG 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, AG 2001, 42, 44. 55 Vgl statt vieler BVerfG 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, AG 2001, 42 ff; Emmerich/Habersack/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht9 § 1 SpruchG, 7; Hüffer/Koch14 § 179a, 22 mwN; Spindler/Stilz/Holzborn4 § 179a, 44 f jeweils mwN. AA Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 36 mwN, der auf den Squeeze-out als zulässigen Weg hinweist. 56 KG 1.7.1926 – 1 X 410/26, JW 1927, 720; MünchKomm/Perlitt5 18. 57 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 3; Godin/Wilhelmi4 2b); KK/Mertens/Cahn3 15; MünchKomm/Perlitt5 18, 111; Spindler/Stilz/Bachmann4 33. Sa unten Rdn 181.

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venzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft aufgelöst. § 131 Abs 1 Nr 3 HGB entspricht inhaltlich § 262 Abs 1 Nr 3, auf dessen Erläuterung – ergänzend zu den nachfolgenden Ausführungen – verwiesen werden kann.58 aa) Antrag und Gründe. Nach § 15 Abs 1 Satz 1 InsO sind – neben den Gläubigern – auch die persönlich haftenden Gesellschafter (gleichgültig, ob geschäftsführungsbefugt oder nicht59) berechtigt, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (s § 283 Rdn 38). Im Falle der Führungslosigkeit sind auch die einzelnen Kommanditaktionäre antragsberechtigt (s § 283 Rdn 39). Bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der KGaA ist jeder der geschäftsführungsbefugten Komplementäre verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern – spätestens aber drei Wochen nach diesem Zeitpunkt – einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (§ 15a Abs 1 Satz 1 InsO, dazu § 283 Rdn 41). Befindet sich die Gesellschaft im Stadium der Abwicklung, sind die Abwickler zur Stellung des Antrags verpflichtet (§ 15a Abs 1 Satz 1 InsO). Die Hauptversammlung und der Aufsichtsrat haben weder eine Antragsbefugnis noch eine solche Pflicht und zwar auch nicht im Fall der Führungslosigkeit (s § 283 Rdn 42 mwN auch zur Gegenansicht). Gründe für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens, die zu einem Insolvenzan40 trag verpflichten bzw berechtigen, sind die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und die Überschuldung der Gesellschaft (§ 19 Abs 1 und 2 InsO). Die geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter und ggf die Abwickler können (nach näherer Maßgabe von § 18 Abs 1, 3 InsO) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit beantragen (zur Antragsberechtigung s § 283 Rdn 40). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zur Auflösung der Gesellschaft. An 41 die Stelle der Liquidation der Gesellschaft tritt das Insolvenzverfahren (§§ 278 Abs 3, 264 Abs 1 Hs 2). Gemeinschuldnerin ist allein die KGaA. Die Insolvenz der Gesellschaft macht die 42 persönlich haftenden Gesellschafter nicht zu Gemeinschuldnern. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KGaA kann die persönliche Haftung eines Komplementärs für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 93 InsO). Die Kommanditaktionäre haften nur mit ihrer Einlage (§§ 278 Abs 3, 54 Abs 1). Ansprüche auf den Liquidationserlös (und damit auf Rückgewähr der Einlage) haben diese erst in dem Zeitpunkt, in dem die Verbindlichkeiten der Gesellschaft getilgt sind. Gleiches gilt im Hinblick auf Sondereinlagen der Komplementäre, die zum Vermögen der KGaA gehören (s § 281 Rdn 20) und damit Teil der Insolvenzmasse sind. Haben Kommanditaktionäre oder persönlich haftende Gesellschafter noch Forderungen gegen die Gesellschaft, können sie diese nicht als Insolvenzgläubiger geltend machen. Ansprüche auf ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben bestehen erst, wenn sämtliche Gesellschaftsgläubiger befriedigt sind. Anders ist dies bei einem vor Insolvenzeröffnung ausgeschiedenen Komplementär, dessen Auseinandersetzungsforderung eine einfache Insolvenzforderung darstellt.60 Auch der ausgeschiedene Komplementär haftet für die bis zu seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten gem §§ 128, 160 HGB. 39

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bb) Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse. Im Personengesellschaftsrecht entspricht es der herrschenden Meinung, dass die Gesellschaft

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Vgl außerdem Siebert ZInsO 2004, 773 ff, 831 ff. Bürgers/Körber/Förl/Fett4 § 283, 20; MünchKomm/Perlitt5 20; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 283, 20. MünchKomm/Perlitt5 23.

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nicht aufgelöst wird, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde.61 Auf die KGaA kann diese Ansicht nicht übertragen werden. Absatz 2 Nr 1 ordnet bei rechtskräftiger Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse die Auflösung der Gesellschaft an. Nicht ausreichend ist jedoch die Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen, der vorläufigen Insolvenzverwaltung oder des Schutzschirmverfahrens (§§ 21, 270a, 270b InsO). cc) Fortsetzungsbeschluss. Nach § 274 Abs 2 Nr 1 kann die Fortsetzung der Ge- 44 sellschaft beschlossen werden (s § 290 Rdn 33, 43 ff), wenn das eingeleitete Insolvenzverfahren auf Antrag der Gesellschaft eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben wurde.62 e) Auflösung durch gerichtliche Entscheidung. Gemäß Absatz 1 iVm §§ 131 Abs 1 45 Nr 4, 133 HGB können die Gesellschafter einer KGaA die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grund beantragen. Der Antrag kann von jedem persönlich haftenden Gesellschafter63 und von der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (vertreten durch den Aufsichtsrat),64 nicht aber von einzelnen Kommanditaktionären gestellt werden.65 Gegen das Antragsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre wird eingewandt, diese seien nicht parteifähig. Ihr stehe daher kein Recht zur Auflösungsklage nach § 133 HGB zu, so dass nur die Möglichkeit eines Auflösungsbeschlusses nach Absätzen 1 und 4 iVm § 131 Abs 1 Nr 2 HGB in Betracht komme.66 Diese Ansicht kommt auf Umwegen daher zu demselben Ergebnis wie die hM. Gegen diesen Umweg spricht zum einen, dass diese Ansicht das materielle Recht mit dessen prozessualen Geltendmachung gleichsetzt und die Bestimmung des § 287 Abs 2 übersieht. Zum anderen zeigt der Wortlaut von Absatz 4 Satz 2, dass auch der Gesetzgeber von einem Antragsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre ausging.67 Die Auflösungsklage richtet sich, da es sich bei dieser nicht um einen Organstreit 46 handelt, gegen die übrigen Gesellschafter. Dies bedeutet im Einzelnen: (1) Klagt einer der Komplementäre, so sind die übrigen Komplementäre und die Gesamtheit der Kommanditaktionäre, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 287), zu verklagen. Zum Zwecke der einheitlichen Entscheidung über das Gesellschaftsverhältnis müssen alle Komplementäre am Prozess beteiligt sein, weshalb ggf alle Komplementäre zu verklagen sind. Doch genügt es, den Komplementären die Gelegenheit zur Abgabe einer außergerichtlichen, dem Gericht nachzuweisenden bindenden Erklärung des Einverständnisses zur Auflösung der Gesellschaft zu geben; ein nachträglicher Widerspruch des Erklärenden wäre unbeachtlich.68 (2) Ist nur ein Komplementär vorhanden, so ist Klage gegen

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61 BGH 8.10.1979 – II ZR 257/78, BGHZ 75, 178, 179 f; BGH 24.10.1985 – VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, 154; BGH 7.10.1994 – V ZR 58/93, NJW 1995, 196; Baumbach/Hopt/Roth39 § 131, 13; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 131, 22. Sehr kritisch dagegen noch Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 131, 21. 62 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 20; MünchKomm/Perlitt5 24. 63 Unstr, vgl Schmidt/Lutter/Schmidt3 10. 64 HM, Bürgers/Fett/Schulz § 8, 23; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 276; Henssler/Strohn/Arnold4 2; Hüffer/Koch14 6; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 38; MünchKomm/Perlitt5 26; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 65 Unstr, vgl MünchHdBAG/Herfs4 § 40; Schmidt/Lutter/Schmidt3 10. 66 KK/Mertens/Cahn3 17; Heidel/Wichert5 7. 67 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6. 68 RG 11.12.1934 – II 148/34, RGZ 146, 169, 171 ff (zu § 140 HGB); BGH 13.1.1958 – II ZR 136/56, NJW 1958, 418; BGH 15.9.1997 – II ZR 97/96, NJW 1998, 146; BGH 17.12.2001 – II ZR 31/00, NJW-RR 2002, 538, 539; Baumbach/Hopt/Roth39 § 133, 13; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 38; MünchKomm/Perlitt5 28; Schmidt/Lutter/ Schmidt3 9 („nicht zustimmende Mitgesellschafter“); s im Übrigen auch Ulmer FS Geßler 1971, S 269 ff.

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die Gesamtheit der Kommanditaktionäre, vertreten durch den Aufsichtsrat, zu erheben. Da die Gesamtheit der Kommanditaktionäre nicht rechtsfähig ist, liegt in beiden Fällen die Parteirolle bei der Gesellschaft (su Rdn 48). Soll die Auflösungsklage von der Gesamtheit der Kommanditaktionäre erhoben werden, setzt dies einen entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung voraus. Dieser bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (Abs 4 Sätze 2 und 3) bzw der nach der Satzung ggf erforderlichen größeren Mehrheit (Abs 4 Satz 4).69 Da § 285 Abs 1 Satz 2 den persönlich haftenden Gesellschaftern, die zugleich Kommanditaktionäre sind, kein Stimmverbot auferlegt, können diese bei der Beschlussfassung über die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grund mitstimmen.70 Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf nicht der Zustimmung der Komplementäre nach § 285 Abs 2 Satz 1.71 Denn bei der Erhebung einer Auflösungsklage handelt es sich, anders als bei einem Auflösungsbeschluss iSv § 131 Abs 1 Nr 2 HGB, nicht um eine Angelegenheit, für die bei einer KG das Einverständnis der Komplementäre und der Kommanditisten erforderlich ist.72 Bei der anschließenden Klage gegen die der Auflösung nicht zustimmenden Komplementäre wird die Gesamtheit der Kommanditaktionäre – mangels anderweitiger Satzungsregelung – durch den Aufsichtsrat oder einen von ihr gewählten oder kraft Satzungsregelung bestimmten Vertreter repräsentiert (§ 287 Abs 2 Satz 1).73 Die Parteirolle liegt bei der Gesellschaft und nicht bei der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (s § 287 Rdn 62). Den diesbezüglichen Unsicherheiten lässt sich aus dem Wege gehen, wenn im Klageantrag eine Parteibezeichnung gewählt wird (§ 253 Abs 2 Nr 1 ZPO), die sämtliche der nach den unterschiedlichen Ansichten ggf erforderlichen Angaben enthält: die Gesamtheit der Kommanditaktionäre der X-KGaA, vertreten durch den Aufsichtsrat (s schon § 287 Rdn 62). Denkbar und je nach den Umständen sogar sinnvoll ist die Fassung eines Beschlusses zur Auflösung der Gesellschaft iSv § 131 Abs 1 Nr 2 HGB, welcher der Zustimmung der Komplementäre bedarf.74 (Ein solcher Auflösungsbeschluss der Gesellschafter schließt die Möglichkeit eines in Abs 4 Satz 2 vom Gesetzgeber anerkannten parallelen Vorgehens der Gesamtheit der Kommanditaktionäre nach §§ 131 Abs 1 Nr 4, 133 HGB nicht aus). Liegt ein wichtiger Grund (§ 133 HGB) zur Auflösung der Gesellschaft vor, sind die Komplementäre aufgrund der Treuepflicht verpflichtet, dem Auflösungsbeschluss zuzustimmen, und die Gesellschaft kann sie hierauf verklagen. Die Auflösung einer Gesellschaft durch gerichtliche Entscheidung iSv § 131 Abs 1 Nr 4 HGB setzt einen wichtigen Grund (§ 133 HGB) voraus. Auf die diesbezüglichen Erläuterungen zu § 133 HGB in der einschlägigen Kommentarliteratur kann verwiesen werden.

_____ Enger dagegen Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6, wonach zwingend alle Komplementäre zu verklagen seien, die nicht auf Klägerseite stünden. Kritisch auch MünchKommHGB/K Schmidt4 § 133, 48, der aber den Weg der hM „im Interesse der Prozessökonomie als Ergebnis einer rechtsfortbildenden Praxis“ hinnimmt. 69 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 23; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 38; MünchKomm/Perlitt5 28; Schmidt/Lutter/Schmidt3 10. 70 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 23; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 71 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 23; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 276; Grigoleit/Servatius2 7; MünchKomm/Perlitt5 28; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 72 Vgl den Wortlaut von § 133 Abs 1 HGB („Antrag eines Gesellschafters“). 73 MünchKomm/Perlitt5 27; Schmidt/Lutter/Schmidt3 10; aA allein BeckHdbAG/Schmidt-Hern3 § 18, 89. Es handelt sich bei § 287 Abs 2 nicht um einen Fall der Prozessstandschaft, Schmidt/Lutter/Schmidt3 10; aA aber Bürgers/Körber/Förl/Fett4 6 aE. 74 So Rdn 18 ff.

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Wird der durch einen persönlich haftenden Gesellschafter oder durch die ordnungs- 51 gemäß vertretene Gesamtheit der Kommanditaktionäre erhobenen Auflösungsklage stattgegeben, erfolgt die Auflösung der Gesellschaft durch Gestaltungsurteil.75 Mit der Rechtskraft des Urteils ist die Gesellschaft aufgelöst.76 2. Aktienrechtliche Auflösungsgründe (Abs 2). Neben den in § 131 Abs 1 HGB angeführten und aufgrund von Abs 1 auch für die KGaA maßgeblichen Auflösungsgründe, führt Abs 2 weitere Tatbestände an, die zur Auflösung der Gesellschaft führen: – Die Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse gemäß § 26 InsO abgelehnt wird (Abs 2 Nr 1). Die Vorschrift entspricht § 262 Abs 1 Nr 4. – Die Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 FamFG ein Mangel der Satzung festgestellt wird (Abs 2 Nr 2). Die Vorschrift entspricht § 262 Abs 1 Nr 5. Weiterhin führt die Nichtigkeit gem §§ 278 Abs 3, 275 ff zur Auflösung der Gesellschaft. – Die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG (Abs 2 Nr 3). Die Vorschrift entspricht § 262 Abs 1 Nr 6.

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Die in Absatz 2 angeführten Auflösungsgründe sind zwingend. Nach § 274 Abs 2 56 Nr 2 kann die Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft (s § 290 Rdn 33, 43 ff) zusammen mit der Behebung des Satzungsmangels beschlossen werden. 3. Anderweitige Auflösungsgründe. Über die in Abs 1 iVm § 131 Abs 1 HGB und die in Abs 2 angeführten Auflösungsgründe hinaus finden sich innerhalb und außerhalb des Aktienrechts weitere Tatbestände, die zur Auflösung der Gesellschaft führen: – die Auflösung der Gesellschaft wegen Gefährdung des Gemeinwohls (§ 396), – ein Vereinsverbot (§§ 3 Abs 1 Satz 1, 2 Abs 1, 17 VereinsG),77 – die Rücknahme der Erlaubnis zur Führung eines Bankgeschäfts (§ 38 KWG).78 Im Falle der Rücknahme der Erlaubnis zur Führung des Bankgeschäfts und des Vereinsverbots kommt ein Fortsetzungsbeschluss (s § 290 Rdn 33, 43 ff) in Betracht, wenn die zur Auflösung führende Verfügung aufgehoben ist.79 Gleiches gilt für den Widerruf der Erlaubnis nach § 39 Abs 4 KAGB iVm § 38 KWG für AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften iSv § 44 Abs 1 Nr 7 KAGB. Für andere Finanzdienstleistungen und für das Versicherungsgeschäft ist die KGaA keine zugelassene Rechtsform (s Vor § 278 Rdn 51), so dass § 289 für sie keine Bedeutung entfaltet.

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Seit der Reform von § 5 verlangt das Aktienrecht keinen inländischen Verwaltungs- 61 sitz mehr, so dass dessen Verlegung ins Ausland keinen Auflösungsgrund mehr darstellt: Innerhalb der EU muss der Zuzugsstaat die Niederlassungsfreiheit respektieren und die in Deutschland wirksame gegründete Gesellschaft anerkennen. 80 Folgt der Nicht-EU-Zuzugsstaat der Gründungstheorie, bleibt die KGaA eine solche deutschen Rechts. Folgt er der Sitztheorie, entsteht ein Statutenkonflikt. Das deutsche Recht rea-

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MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 37; MünchKomm/Perlitt5 30. MünchKomm/Perlitt5 30, 34a. Hüffer/Koch14 § 262, 24; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 62. Vgl Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fischer/Müller KWG, CRR-VO5 § 38, 1 ff. Vgl zu den Einzelheiten die Kommentierung zu § 274. KK/Mertens/Cahn3 30.

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giert hierauf aber nicht mit der Rechtsfolge der Auflösung.81 Die Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland verstößt gegen § 5 und ist daher nichtig. Sie stellt aber ebenfalls keinen Auflösungsgrund dar.82 4. Keine Auflösungsgründe. Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel nach dem UmwG stellen keine Gründe für die Auflösung der Gesellschaft dar, auch wenn in der Formulierung des § 5 Satz 2 UmwG aF von der „Auflösung“ die Rede war. Die Verwendung dieses Begriffs war schon unter dem alten Recht ungenau83 und ist mit dem neuen Umwandlungsrecht endgültig überholt. Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung führen zu einer Übertragung des Vermögens kraft Gesamtrechtsnachfolge.84 Auch der im UmwG geregelte Formwechsel bewirkt keine Auflösung, sondern lediglich einen Wechsel der Rechtsform ohne Vermögensbewegung.85 Des Weiteren führen folgende Vorgänge nicht zur Auflösung: 63 – Ausscheiden des letzten Komplementärs (su Rdn 146 ff); – Kündigung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (su Rdn 72 ff); – Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kommanditaktionärs (Abs 3) (su Rdn 70); – Kündigung durch einen Privatgläubiger eines Kommanditaktionärs (su Rdn 70); – Uneinigkeit über die Feststellung des Jahresabschlusses (s § 286 Rdn 13 mwN); – Vereinigung aller Aktien in der Hand von Komplementären oder eines einzigen Komplementärs (§ 278 Rdn 18; § 280 Rdn 10 f);86 – Vermögensübertragung einer werbenden Gesellschaft87 und – Verlust der Geschäftsfähigkeit eines Komplementärs (s § 278 Rdn 22 ff).88 62

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Durch das Handelsrechtsreformgesetz (so Rdn 3) wurden auch die im Folgenden aufgezählten Auflösungsgründe abgeschafft; nach neuer Rechtslage führen diese Tatbestände zum Ausscheiden des jeweils betroffenen Gesellschafters (dazu Rdn 69 ff): – Tod eines Komplementärs (Abs 1 iVm § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 1 HGB), – Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Komplementärs (Abs 3 Satz 1, Abs 1 iVm § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 2 HGB), – Kündigung der Gesellschaft durch einen Komplementär (Abs 1 iVm § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 3 HGB) und – Kündigung durch den Privatgläubiger eines Komplementärs (Abs 3 Satz 2, Abs 1 iVm § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 4 HGB).

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5. Satzungsautonomie hinsichtlich der Auflösungsgründe. Indem Absatz 1 auf das Personengesellschaftsrecht verweist, nimmt er auch auf dessen Gestaltungsspiel-

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81 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 76 mwN; aA Schmidt/Lutter/Schmidt3 22. 82 KK/Mertens/Cahn3 30; Schmidt/Lutter/Schmidt3 18; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 75 mwN auch zur Gegenansicht. 83 Dazu Geßler/Hüffer1 § 262, 8. 84 Lutter/Bayer UmwG6 Einl I 50; Lutter/Grunewald UmwG6 § 20, 6 ff (Verschmelzung); Lutter/Lieder UmwG6 § 123, 14 ff (Spaltung); Lutter/H Schmidt UmwG6 § 176, 12 (Vermögensübertragung). An der alten Begrifflichkeit festhaltend MünchKomm/Perlitt5 36. 85 Lutter/Bayer UmwG6 Einl I 50; Lutter/Hoger UmwG6 § 190, 1 („Der wirtschaftlichen Identität des Rechtsträgers entspricht die rechtliche Identität.“), § 202, 7 (keine Vermögensübertragung). 86 Sa Sethe S 132 mit Fn 101; MünchKomm/Perlitt5 41. 87 Hüffer/Koch14 § 179a, 20, 25. Anders noch § 303 Abs 2 HGB 1897. 88 Sa Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 131, 58.

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raum Bezug. Dennoch oder gerade deshalb besteht Unklarheit darüber, wie weit dieser reicht. Ein Teil des Schrifttums geht davon aus, die Auflösungsgründe seien im HGB, im AktG und den anderen oben genannten Normen abschließend aufgeführt,89 um dann fortzufahren, man könne lediglich klarstellende und die gesetzlichen Auflösungsgründe ergänzende oder modifizierende Satzungsregelungen treffen.90 Zutreffend ist sicherlich, dass die aktienrechtlichen Auflösungsgründe des Absatzes 2 zwingend und abschließend sind (§§ 278 Abs 3, 23 Abs 5, so Rdn 56).91 In Bezug auf die personengesellschaftsrechtlichen Auflösungsgründe überzeugt diese pauschale Aussage dagegen nicht.92 Es sind drei Fallgruppen zu unterscheiden: Die Gesellschafter können die Auflösungsgründe des § 131 Abs 1 HGB innerhalb 66 bestimmter Grenzen umgestalten: – Nr 1: Sie können den Ablauf der Zeit, für den die Gesellschaft eingegangen ist (§ 131 Abs 1 Nr HGB), näher umschreiben und etwa statt eines Datums den Eintritt eines mit großer Wahrscheinlichkeit eintretenden Ereignisses festlegen, dessen Eintrittszeitpunkt aber noch unklar ist (s Rdn 16).93 – Nr 2: Die Mehrheitserfordernisse für den Beschluss der Kommanditaktionäre können erhöht werden (Abs 4 Satz 4). Des Weiteren hält die herrschende Meinung eine Satzungsregelung über eine Mehrheitsentscheidung innerhalb der Komplementäre für zulässig, was mE nicht überzeugt (s Rdn 21 ff). Ausgeschlossen ist dagegen eine Regelung, wonach die Auflösung allein durch die Komplementäre oder allein durch die Kommanditaktionäre entschieden wird.94 – Nr 3: Der Auflösungsgrund ist zwingend, denn die Wirkungen der Insolvenzeröffnung können nicht im Belieben der Gesellschafter stehen. – Nr 4: Das dem einzelnen Gesellschafter zustehende Recht, die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grund zu beantragen (§§ 131 Abs 1 Nr 4, 133 HGB, so Rdn 45 ff), kann nicht gänzlich abbedungen werden (§ 133 Abs 3 HGB).95 Darüber hinaus schreibt Absatz 4 Satz 4 vor, dass die Beschlussfassung in der Hauptversammlung gegenüber dem Erfordernis der Dreiviertel-Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (Abs 4 Satz 3) nur – in Gestalt höherer Mehrheitsanforderungen oder weiterer Erfordernisse – erschwert, nicht aber erleichtert werden darf.96 Innerhalb dieser Grenzen sind folgende Satzungsregelungen zulässig: (1) Die Gesellschafter können den wichtigen Grund in der Satzung näher umschreiben.97 (2) Im Personengesellschaftsrecht ist anerkannt, dass im Gesellschaftsvertrag statt der Auflösungsklage eine außerordentliche Kündigung der Gesellschaft aus wichtigem Grund vorgesehen werden kann.98 Für eine Übertragung dieser Lösung auf die KGaA spricht der Verweis in Absatz 1 auf das Personengesellschaftsrecht und dessen Gestaltungsfreiheit. Hiergegen wird jedoch einge-

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89 MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 44 f; 4. Aufl Assmann/Sethe 66. 90 MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 44 f. 91 Heute unstr, vgl o Rdn 56 sowie statt vieler Hüffer/Koch14 § 262, 7; KK/Mertens/Cahn3 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 9, § 262, 71 mwN. 92 So auch Schmidt/Lutter/Schmidt3 23. 93 Schmidt/Lutter/Schmidt3 6. 94 So Rdn 27 und Schmidt/Lutter/Schmidt3 7. 95 Schmidt/Lutter/Schmidt3 12; Spindler/Stilz/Bachmann4 6. 96 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 12. 97 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 12; Grigoleit/Servatius2 7; KK/Mertens/Cahn3 18. Einzelheiten bei Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 133, 69 f. 98 BGH 17.12.1959 – II ZR 32/59, BGHZ 31, 295, 298, 300; BGH 3.10.1957 – II ZR 150/56, WM 1957, 1406; Baumbach/Hopt/Roth39 § 133, 18.

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wandt, einer außerordentlichen Kündigung fehle die erforderliche Rechtssicherheit im Vergleich zu einem Gestaltungsurteil. Ein opponierender Gesellschafter könne uU langwierige Auseinandersetzungen über die Wirksamkeit einer solchen Kündigung herbeiführen, was sich mit der Rechtsstellung der Kommanditaktionäre nicht vertrage. Dies überzeugt nicht. Wenn ein Gesellschafter opponiert, ist die durch die Kündigungslösung verursachte Rechtsunsicherheit genauso groß wie diejenige bei einer streitigen Auflösungsklage. Im Konfliktfall kann man die Auflösung der Gesellschaft gerichtlich feststellen lassen. Kommt es dagegen nicht zum Streit, ist die Kündigungslösung für alle Beteiligten deutlich unkomplizierter. Daher ist eine solche Satzungsregelung bei der KGaA zulässig.99 (3) Zulässig ist auch eine Gestaltung, die einzelnen Gesellschaftern ein außerordentliches Kündigungsrecht einräumt, so dass sie sich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von der Gesellschaft lösen können.100 Hiergegen spricht auf den ersten Blick der Wortlaut von § 133 Abs 3 HGB. Jedoch hat es der Gesetzgeber bei dem mit der Handelsrechtsreform erfolgten Paradigmenwechsel (statt Auflösung Ausscheiden des Gesellschafters, so Rdn 3 f) versäumt, § 133 HGB an dieses neue Regel-/Ausnahmeverhältnis anzupassen. Wenn schon die ordentliche Kündigung nicht mehr zur Auflösung führt, muss dem Komplementär erst recht eine außerordentliche Kündigung möglich sein.101 Voraussetzung ist allerdings, dass die Satzung ihn bei der Berechnung seines Abfindungsguthabens im Vergleich zu einem ihm zustehenden Anteil am Liquidationsüberschuss nicht benachteiligt.102 (4) Keine Einwände bestehen auch gegen eine Übertragung der Streitigkeit auf ein Schiedsgericht,103 da Absatz 1 auf das Personengesellschaftsrecht verweist, bei dem dies unstreitig möglich ist.104 Der gegen die Schiedsfähigkeit aktienrechtlicher Streitigkeiten ins Feld geführte § 23 Abs 5105 spielt aufgrund des Verweises in Absatz 1 also keine Rolle. Aber selbst wenn man der Ansicht sein sollte, die Frage richte sich nach Aktienrecht, ist auch dort die Zulässigkeit schiedsgerichtlicher Verfahren anerkannt. (5) Schließlich kann die Satzung einen besonderen Vertreter der Kommanditaktionäre bestimmen (§ 287 Abs 2 Satz 1).

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99 KK/Mertens/Cahn3 19; Spindler/Stilz/Bachmann4 6; wohl auch Godin/Wilhelmi4 2h); aA Grigoleit/Servatius2 7; Heidel/Wichert5 15; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 42; MünchKomm/Perlitt5 33; Schmidt/Lutter/Schmidt3 13; 4. Aufl Assmann/Sethe 53 (Ansicht wird aufgegeben). 100 Su Rdn 108. Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 278; KK/Mertens/Cahn3 19; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 38; MünchKomm/Perlitt5 31 aE; wohl auch Spindler/Stilz/Bachmann4 9. AA MünchKomm/Perlitt5 32. Weitergehend Pfeiffer S 222 f, der eine solche Kündigung auch ohne Satzungsregelung anerkennen will. 101 Zur KGaA BeckHdbAG/Schmidt-Hern3 § 18, 89. Zur Personengesellschaft Baumbach/Hopt/Roth39 § 133, 1, 19; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 133, 70 – jeweils mwN. 102 Baumbach/Hopt/Roth39 § 133, 20; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 133, 70. 103 In der zur GmbH ergangenen Entscheidung BGH 29.3.1996 – II ZR 124/95, BGHZ 132, 278, hatte der BGH die Zulässigkeit noch abgelehnt. Dies änderte sich mit der Entscheidung BGH 6.4.2009 – II ZR 255/08, BGHZ 180, 221, wonach eine Schiedsvereinbarung bei Beschlussmängelstreitigkeiten zulässig ist, wenn die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Mindeststandards der Mitwirkungsrechte und Rechtsschutzgewährung für alle ihr unterworfenen Gesellschafter eingehalten werden. Schließlich wurde diese Rechtsprechung auf die Personengesellschaften übertragen, BGH 6.4.2017 – I ZB 23/16, NJW-RR 2017, 876. Dazu etwa Borris NZG 2017, 761 ff; Heinrich ZIP 2018, 411 ff; Nolting ZIP 2017, 1641 ff; Otto ZGR 2019, 1082 ff. 104 Zur Zulässigkeit bei der KGaA: Grigoleit/Servatius2 7; Heidel/Wichert5 15; KK/Mertens/Cahn3 19; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 37; Schmidt/Lutter/Schmidt3 12; unentschieden MünchKomm/Perlitt5 33; aA noch 4. Aufl Assmann/Sethe 53 (Ansicht wird aufgegeben); Marcuse S 42. Zur Zulässigkeit im Personengesellschaftsrecht s Fn 103 sowie RG 22.5.1909 – I 464/08, RGZ 71, 254, 256; Baumbach/Hopt/ Roth39 § 133, 19 – jeweils mwN. 105 S Fn 103. Generell ablehnend zur Schiedsfähigkeit aktienrechtlicher Streitigkeiten aber Hüffer/Koch14 § 246, 18 f; aA K Schmidt AG 1995, 551 (für die kleine AG).

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Sie können die in § 131 Abs 3 Satz 1 HGB genannten Ausscheidensgründe zu Auflö- 67 sungsgründen umgestalten.106 Ist beispielsweise die Gesellschaft mit der Person des Komplementärs so eng verbunden, dass sie mit ihm „stehen und fallen“ soll, kann die Satzung dies berücksichtigen. Ereignisse, wie der Tod eines Komplementärs, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Komplementärs, die Kündigung der Gesellschaft durch einen Komplementär oder Kündigung durch den Privatgläubiger eines Komplementärs führen dann jeweils zur Auflösung der KGaA. Ob eine derartige Satzungsregelung sinnvoll ist, muss bezweifelt werden, da uU ein funktionierendes Unternehmen zerschlagen wird. Auch kann man zum Zeitpunkt der Schaffung der Satzungsklausel zumeist noch nicht absehen, wie sich die Gesellschaft und das Verhältnis zu dem oder den Komplementären entwickeln wird. Gleichwohl wäre die Satzungsregelung zulässig. Die Gesellschafter können auch neue Auflösungsgründe schaffen. Da Absatz 1 auf 68 das Personengesellschaftsrecht und dessen Gestaltungsspielraum verweist, kann die Satzung Fallgestaltungen zu Auflösungsgründen erklären, die gemäß Personengesellschaftsrecht bislang eine andere Rechtsfolge nach sich ziehen. Dies gilt für das Ausscheiden des letzten Komplementärs (su Rdn 146 ff),107 die Kündigung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (su Rdn 72 ff) oder den Verlust der Geschäftsfähigkeit eines einzigen Komplementärs (s § 278 Rdn 22 ff).108 Denkbar (wenn auch nicht anzuraten) ist auch, die unüberwindliche Uneinigkeit über die Feststellung des Jahresabschlusses (s § 286 Rdn 13 mwN) zu einem eigenen Auflösungsgrund (oder zu einem wichtigen Grund iSv § 131 Nr 4 HGB) zu erklären. Schließlich können sie die Auflösung der Komplementärgesellschaft zu einem Auflösungsgrund auch für die KGaA erklären. IV. Ausscheiden von Gesellschaftern 1. Ausscheiden von Kommanditaktionären. Soweit § 289 Fragen des Ausschei- 69 dens eines Gesellschafters anspricht, behandelt die Vorschrift nur das Ausscheiden aufgrund personengesellschaftsrechtlicher Gründe. Das Ausscheiden von einzelnen Kommanditaktionären wird von der Bestimmung allenfalls mittelbar in Gestalt von Regelungen über die Kündigung der Gesellschaft durch die Kommanditaktionäre bzw ihre Gläubiger angeschnitten (Abs 4 bzw Abs 3 Satz 2). Für das Ausscheiden von einzelnen Kommanditaktionären ist damit das Erste Buch des AktG maßgebend (§ 278 Abs 3). Die Kommanditaktionäre verlieren ihre mitgliedschaftliche Stellung durch Übertragung ihrer Aktien. Dieser – wenn man ihn so nennen will – „freiwillige“ Gesellschafterwechsel ist nach dem Aktienrecht ohne Weiteres möglich, es sei denn, die Aktien sind vinkuliert. Eine Ausschließung von Kommanditaktionären ist nur in Ausnahmefällen möglich. Das Aktiengesetz sieht insoweit lediglich die Kaduzierung (§§ 278 Abs 3, 64) und die Einziehung (§§ 278 Abs 3, 237 ff) von Aktien sowie den Squeeze-out (§§ 327a ff) vor. Streitig ist, ob darüber hinaus ein Ausschluss des Aktionärs aus wichtigem Grund möglich ist. Rechtsprechung und früher herrschende Meinung lehnen dies ab.109

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106 Bürgers/Körber/Förl/Fett4 12; KK/Mertens/Cahn3 8; MünchKomm/Perlitt5 35; Spindler/Stilz/ Bachmann4 9. 107 Diejenigen, die der Gegenansicht folgen und die Gesellschaft mit dem Ausscheiden des letzten Komplementärs als aufgelöst betrachten, können eine solche Regelung als Klarstellung betrachten. 108 Sa Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 131, 58. 109 Ablehnend etwa BGH 1.4.1953 – II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 163 obiter dictum; BGH 27.10.1955 – II ZR 310/53, BGHZ 18, 350, 365 obiter dictum; OLG Karlsruhe 12.7.1923, OLGE 43, 309; 4. Aufl Brändel § 11, 42; Flume Juristische Person, S 273; MünchKomm/Heider5 § 11, 52; KK/Winnen3 § 274, 22, 63; Spindler/Stilz/ Bachmann4 32. AA Becker ZGR 1986, 383; Friedewald Die personalistische AG, 1991, S 145 ff; Grunewald

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Diesen Standpunkt wird man nicht aufrechterhalten können, jedenfalls nicht für den Fall einer personalistisch geprägten KGaA mit kleinem Aktionärskreis. Denn es geht in der Sache nicht darum, ob man die Ausschließung für zulässig hält oder nicht, sondern darum, was man als wichtigen Grund zur Ausschließung anerkennt. Bei einer Publikums-AG und Publikums-KGaA ist der Aktionärskreis sehr groß, so dass im Falle eines den Gesellschaftsfrieden störenden Einzelaktionärs mit geringer Beteiligung kein wichtiger Grund vorliegen wird, da die Störung aufgrund der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises marginal ausfallen dürfte. Ein gesellschaftsschädigender Aktionär in einer personalistisch geprägten Gesellschaft kann dagegen erheblichen Schaden anrichten, so dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes wesentlich eher anzunehmen sein wird. Der Tod eines Kommanditaktionärs löst die Gesellschaft nicht auf (§§ 278 Abs 3 70 iVm 262 Abs 1; § 289 Abs 1 iVm § 177 HGB). Selbst der Tod aller Kommanditaktionäre führt nicht zur Auflösung der Gesellschaft (§ 278 Abs 2 iVm § 177 HGB). Die Erben eines Kommanditaktionärs erwerben dessen mitgliedschaftliche Stellung entsprechend ihrer erbrechtlichen Stellung. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kommanditaktionärs lässt den Bestand der Gesellschaft unberührt (Abs 3 Satz 1) und führt auch nicht zum Ausscheiden des Kommanditaktionärs, da Gesellschafter iSd § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 2 HGB in der KGaA nur Komplementäre und die (nicht insolvenzfähige) Gesamtheit der Kommanditaktionäre sind. Die Privatgläubiger eines Kommanditaktionärs sind zur Kündigung der Gesellschaft nicht befugt (Abs 3 Satz 2). 71 Dem einzelnen Kommanditaktionär steht kein Kündigungsrecht zu.110 Gesellschafter iSd §§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 3, 132 HGB und § 723 BGB sind in der KGaA nur die Komplementäre und die Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Im Anschluss an eine Entscheidung des Reichsgerichts zur GmbH111 wird es im älteren Schrifttum allerdings teilweise für zulässig gehalten, dass dem einzelnen Kommanditaktionär in der Satzung das Recht eingeräumt wird, die Gesellschaft zu kündigen112 und damit die Auflösung der Gesellschaft herbeizuführen. Diese Ansicht übersieht jedoch, dass § 23 Abs 5 Satz 2, auf den sie sich berufen könnte, eine derartige Regelung nur zulässt, wenn die Auflösungsgründe ergänzungsbedürftig sind. Davon kann aber regelmäßig nicht ausgegangen werden. Selbst die Kündigung der Gesellschaft durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln des bei Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals möglich (Abs 4 Sätze 1 und 3), wobei das Gesetz allenfalls die Verschärfung der Mehrheitserfordernisse, nicht aber ihre Herabsetzung erlaubt. Ein dem einzelnen Kommanditaktionär gewährtes Kündigungsrecht würde der darin zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzes widersprechen.113

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S 50 ff, 116 ff; MünchHdBAG/Scholz4 § 63, 56; KK/Lutter2 § 237, 118 ff; Reinisch Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S 35 ff; 4. Aufl Sethe § 237, 27. Offen gelassen in BGH 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 192 (Linotype). 110 Unstr, Heidel/Wichert5 3; Hüffer/Koch14 3; KK/Mertens/Cahn3 20; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 40; Spindler/Stilz/Bachmann4 31; Schmidt/Lutter/Schmidt3 28; Veil NZG 2000, 72, 76 f. 111 RG 21.6.1912 – II 223/12, RGZ 79, 418, 422. 112 Baumbach/Hueck13 § 262, 9; 3. Aufl Wiedemann § 262, 39. Ebenso wohl Veil NZG 2000, 72, der in seinem Beitrag nicht immer ausreichend zwischen dem Einzelaktionär und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre differenziert. Seine Formulierung auf S 77 Fn 45 aE meint offenbar nur eine kraft Satzung eingeräumte Möglichkeit der Kündigung durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre. 113 So bereits Geßler/Hüffer1 § 262, 11 ff; Schlegelberger/Quassowski3 § 203, 47 sowie Hüffer/Koch14 § 262, 7; KK/Winnen3 § 262, 121 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 262, 71.

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2. Ausscheiden der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Aufgrund des Verwei- 72 ses in § 278 Abs 2 stehen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre die Rechte eines Kommanditisten in der KG und damit auch das Recht zur Kündigung der Gesellschaft (§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 3 HGB) zu. Fraglich ist, ob die Kündigung der Gesellschaft durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Abs 4 Satz 1) zulässig ist und ob sie zu einer Auflösung der KGaA führt oder nicht. Hierzu werden folgende Ansichten vertreten: (1) Die inzwischen hM schließt eine Kündigung der Gesellschaft durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre aus.114 Die Gesamtheit könne daher weder die Auflösung der Gesellschaft herbeiführen, noch könne sie aus der KGaA austreten. Innerhalb dieser Ansicht wird teilweise vertreten, eine Kündigung mit der Folge der Auflösung der KGaA kraft Satzungsregelung sei möglich.115 Auf diese Weise lasse sich der Rechtszustand von vor der Reform wiederherstellen. Die hM begründet ihre Ansicht damit, dass der Gesetzgeber bei der Handelsrechtsreform die KGaA übersehen habe. Vor der Reform habe die Kündigung nach § 131 Nr 6 HGB aF die Folge einer Auflösung der Gesellschaft gehabt. Entsprechendes habe auch für die (zustimmungsfreie) Kündigung der KGaA durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegolten.116 Nun sei in § 131 Abs 3 HGB keine Auflösung mehr vorgesehen, sondern das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters. Bei einer KGaA sei das Ausscheiden der begriffsnotwendigen zweiten Gesellschaftergruppe aber systemwidrig (sog „Massenaustritt“). Absatz 4 gehe folglich ins Leere und gewähre kein Kündigungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre auf Auflösung oder gar auf Ausscheiden. Selbst wenn man Absatz 4 so verstehen wolle, wie vor der Reform, dürfe es keine Austrittskündigung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre geben. Eine ohne Zustimmung der Komplementäre erfolgte, also einseitige Auflösung der KGaA widerspreche § 131 Abs 1 Nr 2 HGB. Die Kommanditaktionäre werden von der hM daher auf den Auflösungsbeschluss oder die Auflösungsklage verwiesen, die deutlich höhere Hürden aufweisen als die Kündigung. (2) Gegen diese Ansicht wird eingewandt, dass – selbst wenn man davon ausgehe, dass der Gesetzgeber bei der Handelsrechtsreform § 289 Abs 4 übersehen habe – zumindest die frühere Rechtslage weitergelten müsse. Danach war eine Kündigung durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre mit der Rechtsfolge der Auflösung der KGaA möglich und bedurfte keiner Zustimmung der Komplementäre. Diese Ansicht greift nicht auf Absatz 1 iVm § 131 Abs 3 Nr 3 HGB zurück, sondern leitet ihr Ergebnis direkt aus § 289 Abs 4 ab. Diesen ordnet sie als eigenständigen zwingenden Auflösungstatbestand ein, so dass folglich auch keine Satzungsregelungen möglich sind.117 (3) Eine weitere Ansicht geht – im Ansatz zu Recht – davon aus, dass der Gesamtheit der Kommanditaktionäre – ebenso wie in der KG dem Kommanditisten – das Recht zur Kündigung zusteht mit der Folge des Ausscheidens der Gesamtheit aus der KGaA: – Schon nach bisherigem Recht (§ 131 Nr 6 HGB aF iVm dem unverändert gebliebe- 73 nen § 132 HGB) entsprach es allgemeiner Ansicht, dass mit der zur Auflösung der Gesellschaft führenden „Kündigung eines Gesellschafters“ (§ 132 HGB) nur die

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114 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 52; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 9; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 284; Happ/Pühler5 1.03, 15.1; Heidel/Wichert5 12 f; Henssler/Strohn/Arnold4 3, 5; Hüffer/Koch14 6; MünchKomm/Perlitt5 37 f, 92; Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 33, 2; Schmidt/Lutter/Schmidt3 28; Spindler/Stilz/Bachmann4 13 ff, 31; Veil NZG 2000, 72, 77. 115 Grigoleit/Servatius2 25; Schmidt/Lutter/Schmidt3 29 („theoretisch“); Raiser/Veil Kapitalgesellschaften6 § 33, 2; Spindler/Stilz/Bachmann4 13 aE, 15aE; Veil NZG 2000, 72, 77 Fn 45 aE; aA Happ/Pühler5 1.03, 15.1. 116 So in der Tat die damalige einhellige Ansicht, 3. Aufl Barz 11; Geßler/Semler1 36; KK/Mertens1 19; Sethe S 114 (§ 289 sei klarstellend). 117 Mertens AG 2004, 333, 337 f; KK/Mertens/Cahn3 20; Schlitt S 233.

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Kündigung durch einen Komplementär und/oder die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gemeint war, so dass die Kündigung durch einen einzelnen Kommanditaktionär ohnehin nie zur Auflösung der Gesellschaft führen konnte. § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 3 HGB nF ordnet aber zweifelsfrei an, dass die Kündigung durch einen Gesellschafter, worunter ebenfalls nur die Kündigung durch Komplementäre und durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre verstanden werden kann, nicht zur Auflösung der Gesellschaft führt. Zudem statuiert § 289 Abs 4 Satz 1 keinen Auflösungsgrund, sondern besagt lediglich, dass die Kündigung durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre eines Hauptversammlungsbeschlusses bedarf, der nach Abs 4 Satz 3 iVm Satz 4 mindestens einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bedarf. Diese Regelung ist auch durch die Reform des § 131 HGB nicht gegenstandslos geworden, denn eine Kündigung durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist nach wie vor möglich. Der Gesetzgeber des UMAG plante – unter Hinweis auf die von der hM vertretene Position – die Kündigung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu untersagen (so Rdn 3). Aufgrund der Kritik von Mertens verzichtete er hierauf. Dies spricht klar gegen die Position der hM. Er hat sich aber interessanterweise auch nicht die Position von Mertens zu eigen gemacht, wonach Absatz 4 die Kündigung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre mit dem Ziel der Auflösung der KGaA regele. Vor diesem Hintergrund wird man davon ausgehen müssen, dass der Wortlaut von § 289 Abs 1 (weiterhin) gilt: Die Gründe für die Auflösung und das Ausscheiden richten sich nach Personengesellschaftsrecht, die Kündigung durch die Gesellschafter folglich nach § 289 Abs 1 iVm § 131 Abs 3 Nr 3 HGB. § 289 Abs 4 regelt, welche Anforderungen für den dazu notwendigen Beschluss der Hauptversammlung gelten. Da die Kündigung durch einen Gesellschafter nach § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 3 HGB nF nicht mehr die Auflösung der Gesellschaft, sondern das Ausscheiden des Gesellschafters nach sich zieht, entsprechen die Rechtsfolgen vielmehr denen der Kündigung eines Gesellschafters einer zweigliedrigen Personenhandelsgesellschaft. Bei einer KG hat dies zur Folge, dass die Gesellschaft ohne Liquidation erlischt und der verbleibende Gesellschafter, dh der Komplementär Gesamtrechtsnachfolger wird.118 Handelt es sich um mehrere Komplementäre, würde sich die Gesellschaft kraft Gesetzes in eine OHG (und bei Fehlen eines Handelsgewerbes in eine GbR) umwandeln. 119 Dem ausgeschiedenen Kommanditisten steht ein Abfindungsanspruch zu.120 Diese Rechtsfolgen überträgt die dritte vertretene Auffassung auf die KGaA.121

(4) Diese Rechtsfolge ist bei der KGaA allerdings zu modifizieren, um ihrem Charakter als juristischer Person Rechnung zu tragen. Sie weist zwei Besonderheiten im Unterschied zur KG auf. Für die KGaA gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft nicht. Ein Gesellschafter darf sich sowohl als Komplementär als auch als Kommanditak-

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118 MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 40 f. (Für den umgekehrten Fall des Ausscheidens des letzten Komplementärs nimmt MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 31, § 78, 48 ff allerdings die Auflösung der KGaA an. Dies erscheint inkonsequent, da es sich um eine zweigliedrige Gesellschaft handelt, bei der man eine Gesamtrechtsnachfolge der anderen Gesellschaftergruppe annehmen muss, dazu unten Rdn 146 ff). 119 Das UmwG steht Fällen der Umwandlung kraft Gesetzes nicht entgegen, Lutter/Drygala § 1 UmwG6 51; Lutter/Hoger § 190 UmwG6, 12 ff. 120 Baumbach/Hopt/Roth39 § 131, 35. 121 4. Aufl Assmann/Sethe 73 ff (Ansicht wird modifiziert); BeckHdbAG/Schmidt-Hern3 § 18, 92; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 40 f.

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tionär beteiligen. Mit Zulassung der Einpersonengründung hat der Gesetzgeber dies auch klargestellt (s § 280 Rdn 1). Da das Vermögen der juristischen Person zusteht, kommt es auch nicht zu einer An- oder Abwachsung bei einem Wechsel im Aktionariat. Trägt man diesen beiden Besonderheiten Rechnung, erlischt die KGaA bei einer Kündigung durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre nicht. Vielmehr bleibt die juristische Person bestehen und mit dem Ausscheiden der Gesamtheit der Kommanditaktionäre gehen die Aktien auf die Komplementäre über. Die ausscheidende Gesamtheit der Kommanditaktionäre hat Anspruch auf deren wirtschaftlichen Wert. Es ist weder eine Änderung des Handelsregisters notwendig noch wird der Gläubigerschutz beeinträchtigt. Wirtschaftlich betrachtet ergeben sich folgende Konsequenzen: Besteht das Gesellschaftsvermögen überwiegend aus Werten, die mit Mitteln des Grundkapitals angeschafft wurden, werden die Komplementäre faktisch gezwungen sein, die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft durchzuführen.122 Um dies zu erreichen, werden sie ebenfalls kündigen (Anschlusskündigung) und so die Auflösung der KGaA gem § 131 Abs 1 Nr 2 HGB herbeiführen.123 Anders ist dies jedoch, wenn das überwiegende Gesellschaftsvermögen in Form einer Sondereinlage (etwa in Gestalt eines Unternehmens) eingebracht wurde, was insbesondere bei der GmbH & Co KGaA anzutreffen ist. Hier gewinnt die in § 131 Abs 3 Nr 3 HGB nF angeordnete Übernahme der Aktien durch den verbleibenden Komplementär durchaus praktische Bedeutung. Die Komplementärgesellschaft dürfte trotz der Abfindung, die an die ausscheidende Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu zahlen ist, zumeist über die finanzielle Basis für eine Fortführung der Geschäfte verfügen, so dass – nach der hier vertretenen Ansicht weder aus rechtlichen – noch aus tatsächlichen Gründen eine Auflösung und Liquidation der KGaA erfolgen muss. Gegen diese Lösung könnte man den Einwand erheben, dass auf diese Weise eine Mehrheit von 75% der Minderheit die Aktionärsstellung nehmen kann, während dies beim Squeeze-Out immerhin erst möglich sei, wenn 95% der Aktionäre dies wollen.124 Die Minderheit ist jedoch faktisch nicht gehindert, dem Komplementär den Verbleib in der KGaA anzubieten, was dessen finanzielle Belastung in Bezug auf die Abfindung mindert. Im Übrigen sollte man sich fragen, ob nicht bei einer Rechtsform, bei der die Aktionäre gerade keine Personalkompetenz haben, andere Maßstäbe gelten müssen. Wenn 75% der Aktionäre mit der Unternehmensleitung dauerhaft unzufrieden sind, haben sie keine andere Möglichkeit, sich von einem ihnen nicht mehr genehmen Management zu trennen, als durch einen „Austritt“. Der Einwand Bachmanns, es stehe für diese Fälle der Weg über eine Auflösungsklage aus wichtigem Grund offen,125 überzeugt nur bedingt. Er setzt voraus, dass die Schwelle der Unfähigkeit des Managements erreicht wird, das Gericht dies erkennt und als so schwerwiegend einordnet, dass die Hürde des wichtigen Grunds überwunden wird. Anders formuliert: Allein die Existenz der außerordentlichen Kündigung rechtfertigt nicht die Abschaffung der ordentlichen Kündigung, sondern nur, wenn es die Parteien vereinbaren. Es steht den Gesellschaftern frei, durch Satzungsregelung mit der or-

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122 Die ehemalige Gesamtheit der Kommanditaktionäre unterliegt dabei einer nachwirkenden Treuepflicht, so dass sie das Abfindungsguthaben erst verlangen kann, wenn die verbliebenen Gesellschafter ausreichend Gelegenheit zur Liquidation hatten. 123 So im Ergebnis auch Bork/Jacoby ZGR 2005, 611, 653 aE für die OHG/KG. 124 Am Rande sei erwähnt, dass der Vergleich zum Squeeze-Out hinkt. Genauso gut könnte man argumentieren, dass bei börsennotierten Gesellschaften, bei denen die Aktien sich sogar noch leichter veräußern lassen als bei geschlossenen Gesellschaften, bereits ab dem Schwellenwert von 30% die Möglichkeit zum Ausstieg aus der Gesellschaft besteht. Zudem führt die Lösung der hM dazu, dass die Komplementäre 100% der Aktionäre bei einem nicht liquiden Markt „einsperren“ können, so ausdrücklich Mertens AG 2004, 333, 339. 125 Spindler/Stilz/Bachmann4 15.

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dentlichen Kündigung die Rechtsfolge der Auflösung zu verbinden oder die ordentliche Kündigung auszuschließen.126 Wählt man diesen Weg, erzielt man zwar dasselbe Ergebnis wie die hM. Im Unterschied zu ihr bietet aber die hier vertretene Lösung den Vorteil, dass sie dogmatisch stimmiger ist (was sich am spiegelbildlichen Fall des Ausscheidens des letzten Komplementärs zeigt, s Rdn 137 ff), sie den Wortlaut von § 289 Abs 1 und 4 respektiert und sie den Gesellschaftern mehr Vertragsfreiheit gewährt. Letzteres ist bedeutsam für die erwähnte Konstellation einer KGaA, bei der die Komplementäre den Großteil des Vermögens beigesteuert haben. Die hM übergeht die hybride Struktur der Rechtsform, der es aber – wie § 289 Abs 1 zeigt – Rechnung zu tragen gilt. Vor der Handelsrechtsreform war es unstreitig, dass der Gesamtheit der Kommanditaktionäre die Kündigungsmöglichkeit (mit Auflösungsfolge) zusteht und die Komplementäre nach Übernahme der Aktien die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen konnten. Der Gesetzgeber hat dieses Regel-/Ausnahmeverhältnis mit der Reform lediglich umgekehrt, aber keineswegs das Kündigungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre ausgeschlossen (so die hM) oder § 289 Abs 4 von einer bloßen Verfahrensvorschrift zu einem eigenständigen Auflösungstatbestand umgestaltet (so die andere Gegenansicht). Hierfür fehlt jeder Anhaltspunkt. Als Fazit ist daher festzuhalten, dass die Gesellschafter im Wege der Satzungsregelung die für sie passende Lösung wählen sollten (was die Gegenauffassungen überwiegend nicht ermöglichen). Eine Kündigung durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre erfolgt durch 76 Hauptversammlungsbeschluss. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (Abs 4 Sätze 1 und 3); Abs 4 Satz 4 erlaubt nur die Heraufsetzung dieser Mehrheit und die Einführung weiterer Erfordernisse. Eine Zustimmung der Komplementäre zu diesem Beschluss ist nicht erforderlich. Sind die Komplementäre in der Hauptversammlung anwesend, ist die Kündigung zugegangen. Ansonsten muss sie den Komplementären gegenüber erklärt werden. Die Kündigungsfrist beträgt, sofern die Satzung keine anderweitige Regelung enthält, sechs Monate zum Ende des Geschäftsjahrs (§ 132 HGB). Für die Einhaltung der Frist kommt es auf den rechtzeitigen Zugang der Kündigungserklärung an. Da die Kündigung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre der personengesellschaftsrechtlichen Komponente der Rechtsform zuzurechnen ist, unterliegt sie der Satzungsautonomie. Die zum Komplementär gemachten Ausführungen (s Rdn 132 ff) gelten entsprechend. 3. Ausscheiden von Komplementären 77

a) Übersicht: Der Regelungsgehalt von Abs 1 und Abs 5. Scheidet ein Komplementär aus einer Personengesellschaft aus, besteht diese Gesellschaft im Übrigen unverändert fort.127 Die Gründe für das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters richten sich, ungeachtet des Fehlens entsprechender Satzungsbestimmungen (su Rdn 78, 80), nach den diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen, dh aufgrund des Verweises in Abs 1 nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft. Maßgebliche Norm ist § 131 Abs 3 Satz 1 HGB (iVm Abs 1, § 161 Abs 2 HGB). Sie benennt sechs Fälle, die mangels abweichender Bestimmung in der Satzung zum Ausscheiden eines Komplementärs führen: (1) Tod eines Gesellschafters, (2) Eröffnung

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126 Zu einer solchen Vorgehensweise raten einige Vertreter der hM, die dies – von ihrer Warte aus konsequent – als Klarstellung betrachten, vgl Happ/Pühler5 1.03, 15.1; Spindler/Stilz/Bachmann4 15. Folgt man Mertens AG 2004, 333, 337 f; KK/Mertens/Cahn3 20; Schlitt S 233, steht dieser Weg nicht offen, da sie § 289 Abs 4 als zwingende und abschließende Regelung der Kündigung betrachten. 127 Zum Sonderfall des Ausscheidens des einzigen Komplementärs su Rdn 137 ff.

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des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters, (3) Kündigung des Gesellschafters, (4) Kündigung durch den Privatgläubiger des Gesellschafters, (5) Eintritt von weiteren im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Fällen und (6) Beschluss der Gesellschafter. Abs 5,128 demzufolge persönlich haftende Gesellschafter außer durch Ausschließung 78 nur ausscheiden können, wenn es die Satzung für zulässig erklärt, steht dem nicht entgegen: Die Vorschrift besagt zunächst, dass die Ausschließung eines Komplementärs selbst dann zulässig ist, wenn die Satzung hierzu keine Regelung enthält. Ihr lässt sich des Weiteren entnehmen, dass Satzungsregeln über das Ausscheiden eines Komplementärs möglich sind. Sie besagt aber nicht, dass das Ausscheiden eines Komplementärs auch in Bezug auf die gesetzlichen Bestimmungen des Ausscheidens eines Gesellschafters allein aufgrund einer entsprechenden Satzungsregelung möglich ist, dh die Satzung die in § 131 Abs 3 Satz 1 HGB angeführten Gründe für das Ausscheiden eines Gesellschafters ausdrücklich aufnehmen müsste. Dagegen spricht nicht nur der Verweis des Abs 1 auf dispositives Gesetzesrecht in Gestalt von § 131 Abs 3 Satz 1 HGB, sondern auch der Umstand, dass dispositives Gesetzesrecht mangels abweichender Satzungsvereinbarung das Gesellschaftsverhältnis mitbestimmt und damit implizit Satzungsbestandteil ist. Hinzu kommt, dass vor der Änderung des § 131 HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz (s Rdn 3) zahlreiche der heute (gemäß § 131 Abs 3 Satz 1 HGB) nicht mehr zur Auflösung der Gesellschaft führenden Gründe noch die Auflösung der Gesellschaft nach sich zogen. Dies hatte zur Folge, dass nahezu alle Gesellschaftsverträge von Personenhandelsgesellschaften und Satzungen von Kommanditgesellschaften auf Aktien die Möglichkeit nutzten, von der gesetzlichen Regelung abzuweichen. Damit waren die wesentlichen Ausscheidensbedingungen in der Satzung einer KGaA enthalten und ermöglichten das Ausscheiden von Gesellschaftern ohne jegliche Kollision mit Abs 5. Seit der Änderung des § 131 HGB sind Satzungsbestimmungen, die die Auflösung einer KGaA in den in § 131 HGB aF genannten Fällen verhindern sollten, nicht mehr erforderlich. Weshalb sollte die Reform zur Folge haben, dass Gesellschafter nach den von Auflösungsgründen zu Ausscheidensgründen gewordenen Fällen des § 131 Abs 3 Satz 1 HGB nur dann sollen ausscheiden können, wenn die Satzung es ausdrücklich vorsieht? Dies entspricht ohnehin schon dispositivem Gesetzesrecht. Treibt man den Gedanken auf die Spitze, ergibt sich folgende kuriose Frage: Warum sollte der Gesetzgeber etwas anordnen, was ohnehin selbstverständlich ist, nämlich, dass dispositives Recht dispositiv ist und Gründe, die eine klarstellende Regelung erforderten, nicht ersichtlich sind. Bei der fehlenden Anpassung von Abs 5 im Handelsrechtsreformgesetz handelt es sich somit um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers.129 Über seinen vorstehend (Rdn 78) dargelegten Regelungsgehalt hinaus zwingt Abs 5 79 nur zur Unterscheidung zwischen einem Ausscheiden mit und ohne Satzungsregelung. Bisweilen findet sich auch die Formulierung, nach Abs 5 sei zwischen einem freiwilligen und unfreiwilligen Ausscheiden zu differenzieren. Das widerspricht vorstehender Deutung nicht: Haben sich die Gesellschafter einer Regelung in der Satzung unterworfen, handelt es sich um freiwilliges Ausscheiden, in den übrigen Fällen um unfreiwilliges. Wenn Abs 5 von einem Ausscheiden „durch Ausschließung“ spricht, meint die Vorschrift dementsprechend die Fälle des unfreiwilligen Ausscheidens.

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128 Zum rechtshistorischen Hintergrund der Vorschrift su Rdn 94. 129 So auch Bürgers/Fett/Reger § 5, 301; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 13; Hüffer/Koch14 8; Kessler NZG 2005, 145, 146 f; MünchKomm/Perlitt5 118, 44 f, 73, 84; Spindler/Stilz/Bachmann4 20; Veil NZG 2000, 72, 74 ff; aA Schmidt/Lutter/Schmidt3 26, § 278, 29; Schlitt S 140, die daher ein Kündigungsrecht für Komplementäre verneinen.

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Für die Bestimmung des Regelungsgehalts des Abs 1 und des Abs 5 folgt aus alledem, dass ein Komplementär unter den in § 131 Abs 3 Satz 1 HGB angeführten Voraussetzungen aus der Gesellschaft ausscheidet, es sei denn die Satzung sieht Anderweitiges vor (so Rdn 77). Aus anderen als aus den in § 131 Abs 3 Satz 1 HGB angeführten Gründen kann ein Komplementär dagegen nur dann – „freiwillig“ – ausscheiden, wenn die Satzung Entsprechendes vorsieht. Darüber hinaus kann ein Komplementär nur noch in der Weise – „unfreiwillig“ – aus der Gesellschaft ausscheiden, dass er ausgeschlossen wird. Die diesbezüglichen gesetzlichen Ausschlusstatbestände sind anwendbar, auch ohne dass die Satzung ihre Anwendbarkeit ausdrücklich erklären muss (so Rdn 78). Der Systematik des Abs 5 folgend, ist im Weiteren zwischen Fällen des Ausscheidens eines Komplementärs ohne entsprechende Satzungsregelung (Ausscheiden aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen, dazu Rdn 81 ff) und mit Satzungsregelung (dazu Rdn 94 ff) zu unterscheiden. b) Ausscheiden ohne Satzungsregelung aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen

aa) Ausscheiden nach § 131 Abs 3 Satz 1 HGB. Ein Komplementär scheidet nach Abs 1 iVm §§ 161 Abs 2, 131 Abs 3 HGB aus der Gesellschaft aus, wenn einer der in § 131 Abs 3 Satz 1 HGB angeführten Gründe vorliegt und die Satzung nichts Anderweitiges regelt (so Rdn 77). Abs 5 steht dem nicht entgegen (so Rdn 78).130 Die Satzung kann weitere Tatbestände vorsehen, unter denen ein Komplementär aus der Gesellschaft ausscheidet (§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 5 HGB). Sein Ausscheiden hat aber keine Auswirkungen auf den Fortbestand der Gesellschaft. Zum Sonderfall, dass der ausscheidende persönlich haftende Gesellschafter der einzige geschäftsführungs- und vertretungsbefugte oder der letzte Komplementär ist, su Rdn 137 ff. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage erörtert, ob der letzte Komplementär oder der einzige geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Komplementär im Hinblick auf sein Ausscheiden besonderen Treuepflichten unterliegt, die Auswirkungen auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens haben können (su Rdn 153 ff). Stirbt ein Komplementär führt dies zum Ausscheiden des Gesellschafters bei Fort82 setzung der Gesellschaft (§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 1 HGB) mit den übrigen Gesellschaftern, ohne die Erben des Verstorbenen. Dessen Gesellschaftsanteil wächst den übrigen Gesellschaftern zu (§ 738 Abs 1 Satz 1 BGB). Die Erben haben einen erbrechtlichen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben (Abfindungsanspruch), dh auf das, was der Verstorbene bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft im Zeitpunkt seines Todes erhalten hätte (§ 738 Abs 1 Satz 2 BGB). Haben die Komplementäre keine Sondereinlagen (dh Vermögenseinlagen, die nicht auf das Grundkapital erbracht wurden, § 281 Abs 2) eingebracht und sieht die Satzung auch keine Beteiligung an den Rücklagen der Gesellschaft vor, verfügen sie über keinen Kapitalanteil. In diesem Fall steht ihnen auch kein Abfindungsanspruch zu. Im umgekehrten Fall richtet sich die Höhe des Abfindungsanspruchs nach dem Wert des Unternehmens (zur Bewertung su Rdn 173), der nach dem Verhältnis von Kapitalbeteiligung des Komplementärs zu den Kapitalanteilen der anderen Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Grundkapital) berechnet wird, wobei offene Rücklagen außer Betracht bleiben, sofern die Komplementäre 81

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130 Für die Anwendbarkeit von § 131 Abs 3 Satz 1 HGB auch ohne entsprechende Satzungsregelung vgl die Nachw in Fn 129.

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an ihnen nicht beteiligt sind. Im Einzelnen berechnet sich das Auseinandersetzungsguthaben, mangels anderweitiger Satzungsregelung, nach §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, 738–740 BGB. Anspruchsgegner ist die Gesellschaft,131 da die KGaA juristische Person und keine Gesamthand ist. Zu abweichenden Satzungsregelungen (Ausschluss des Abfindungsanspruchs, Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben etc) su Rdn 119 ff. Handelt es sich bei der KGaA um eine solche, die eine juristische Person als (uU einzige) Komplementärin hat, stellt sich die Frage, ob deren Auflösung dem Tod eines Komplementärs gleichzustellen ist. Rechtsprechung und ganz herrschende Meinung bejahen dies für den Zeitpunkt der Vollbeendigung der Komplementärgesellschaft (zu möglichen Satzungsregelungen s Rdn 68 aE).132 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Komplementärs hat auf den Bestand der Gesellschaft keine Auswirkungen, sondern führt nur zum Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters (§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 2 HGB). Die Satzung kann Abweichendes regeln. Zu weiteren Einzelheiten su Rdn 130 f. Das Kündigungsrecht steht jedem Komplementär zu, sofern die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit eingegangen ist (§ 723 BGB, §§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 3, 132 HGB). Die Kündigung eines Komplementärs führt, ohne den Fortbestand der Gesellschaft zu beeinträchtigen, zum Ausscheiden des Gesellschafters (§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 3 HGB). (Zum Wegfall des einzigen Komplementärs su Rdn 137 ff). Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber den übrigen Gesellschaftern, dh den übrigen Komplementären und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (vertreten durch den Aufsichtsrat), abzugeben ist.133 Kündigt ein Komplementär in der Hauptversammlung, ist seine Erklärung in die Niederschrift aufzunehmen. Sie ist den Kommanditaktionären und den anwesenden Komplementären damit zugegangen. Kündigt der Komplementär außerhalb der Hauptversammlung, muss er die Erklärung gegenüber den anderen Komplementären und dem Aufsichtsrat abgeben, der die Gesamtheit der Kommanditaktionäre vertritt. Die Erklärung gegenüber einem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats ist ausreichend (§§ 112 Satz 2, 78 Abs 2 Satz 2). Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate zum Ende des Geschäftsjahrs (§ 132 HGB). Für die Einhaltung der Frist kommt es auf den rechtzeitigen Zugang der Kündigungserklärung an. Mit dem Wirksamwerden der Kündigung zum Ende des Geschäftsjahrs und dem Ablauf der Kündigungsfrist scheidet der Kündigende aus der Gesellschaft aus. Die Satzung kann Abweichendes regeln. Zu weiteren Einzelheiten s deshalb Rdn 132 ff. Zum Kündigungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre s Rdn 72 ff. Die Kündigung durch einen Privatgläubiger eines Komplementärs führt zum Ausscheiden des Gesellschafters (§§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 4, 135 HGB).

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131 BGH 24.1.1974 – II ZR 128/71, AG 1974, 187; KK/Mertens/Cahn3 69; MünchKomm/Perlitt5 190; Spindler/Stilz/Bachmann4 29; Wichert S 228. 132 RG 13.11.1928 – II 131/28, RGZ 122, 253, 257. Für die GmbH & Co KG BGH 8.10.1979 – II ZR 257/78, BGHZ 75, 178; BGH 24.10.1985 – VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, 154; OLG Hamm 30.3.2007 – 30 U 13/06, ZIP 2007, 1233, 1237; Baumbach/Hopt/Roth38 § 131, 20 mwN, § 177, 1, Anh § 177a, 45; Happ/Pühler5 1.03, 17.4; MünchKomm/Perlitt5 69; Schlitt S 14; Spindler/Stilz/Bachmann4 28. AA (Auflösung der Komplementärgesellschaft ist ausreichend) K Schmidt BB 1980, 1497 ff; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 131, 28, 31 f; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 131, 68. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die Abwickler der Komplementärgesellschaft nicht zwingend geeignet sein müssen, die KGaA zu steuern, weshalb eine Satzungsregelung angeraten ist. 133 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 38; MünchKomm/Perlitt5 85. Wirksam ist auch eine Kündigung, die zwar gegenüber der Gesellschaft erklärt wurde, aber noch innerhalb der Kündigungsfrist zur Kenntnis sämtlicher Gesellschafter gelangte; RG 27.6.1888 – I 160/88, RGZ 21, 93, BGH 11.1.1993 – II ZR 227/91, NJW 1993, 1002; Marcuse S 35.

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Nicht zu den Privatgläubigern des Komplementärs gehören Gläubiger, die eine Forderung gegen die Gesellschaft haben und diese nach § 128 HGB gegen den Komplementär geltend machen.134 Das Kündigungsrecht ist unabhängig davon, ob die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit geschlossen ist oder nicht. Das Kündigungsrecht nach § 135 HGB setzt voraus, dass der Anspruch des Komplementärs auf das Auseinandersetzungsguthaben gepfändet und überwiesen wurde. Es steht deshalb allein den Gläubigern solcher Komplementäre zu, die einen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben haben.135 Nur dann kann der Zweck der Kündigung durch Pfändung und Überweisung dieses Guthabens erreicht werden. Hat der Komplementär keine Kapitaleinlage geleistet und steht ihm kein Anteil an den Rücklagen zu, scheidet eine Kündigung durch den Privatgläubiger aus. Dieser kann nur die Gewinnansprüche des Komplementärs pfänden (§ 717 Satz 2 BGB). Ein Kündigungsrecht hat der Privatgläubiger im Übrigen nur dann, wenn er über einen nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Titel verfügt. Weiterhin muss der Gläubiger dartun, dass von ihm oder einem anderen Gläubiger136 innerhalb der letzten sechs Monate ein vergeblicher Zwangsvollstreckungsversuch in das bewegliche Vermögen des Schuldners unternommen wurde. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate zum Ende des Geschäftsjahrs (§ 132 HGB). Für die Einhaltung der Frist kommt es auf den rechtzeitigen Zugang der Kündigungserklärung gegenüber allen Gesellschaftern, dh gegenüber sämtlichen Komplementären und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, an.137 Dabei ist der Aufsichtsrat Vertreter der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und es reicht die Zustellung gegenüber einem ihrer Mitglieder (§§ 112 Satz 2, 78 Abs 2 Satz 2). Zu Satzungsregelungen su Rdn 136 ff.

Schließlich kann auch ein Beschluss der Gesellschafter, dh der Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, nach § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 6 HGB zum Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters führen. Der Beschluss bedarf keiner Satzungsermächtigung, wenn er einstimmig, dh mit der Zustimmung des betroffenen Komplementärs, ergeht.138 Der Grund, Nr 6 in den Kreis der in § 131 Abs 3 Satz 1 HGB enthaltenen Ausscheidensgründe aufzunehmen, bestand nämlich allein darin, es den Gesellschaftern zu gestatten, das Ausscheiden eines Gesellschafters in der gleichen Weise zu ermöglichen, wie ihnen die Auflösung der Gesellschaft nach § 131 Abs 1 Nr 2 HGB erlaubt ist.139 Die Zustimmung der Kommanditaktionäre erfolgt durch einen Beschluss mit einer satzungsändernder Mehrheit (Abs 4 Sätze 3 und 4). Soll die Gesellschaft auch ohne Zustimmung des betroffenen Komplementärs über dessen Ausscheiden entscheiden können, ist hierfür eine ausdrückliche Satzungsregelung erforderlich, die allerdings den unten (Rdn 113) genannten engen Grenzen unterliegt.

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134 Baumbach/Hopt/Roth39 § 135, 4; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 135, 6; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 135, 8. 135 Bürgers/Fett/Reger § 5, 307; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 39; MünchKomm/Perlitt5 101. 136 BGH 28.6.1982 – II ZR 233/81, BGH NJW 1982, 2773; MünchKomm/Perlitt5 103; MünchKommHGB/ K Schmidt4 § 135, 19. 137 MünchKomm/Perlitt5 104. Vgl auch oben Fn 133 zur Zustellung der Erklärung an die falschen mit anschließender Kenntnis der richtigen Adressaten. 138 Was der Vorstellung des Gesetzgebers zu § 131 Abs 1 Satz 1 Nr 6 entspricht, RegE HRefG, BT-Drucks 13/8444 vom 29.8.1997, Begründung S 65. Ebenso KK/Mertens/Cahn3 58; MünchKomm/Perlitt5 107. 139 RegE HRefG, BT-Drucks 13/8444 vom 29.8.1997, Begründung S 65.

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bb) Ausschließung nach § 140 HGB. Nach Abs 1 iVm §§ 161 Abs 2, 131 Abs 1 Nr 4, 91 133 HGB steht den Gesellschaftern die Möglichkeit offen, die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft zu beantragen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (so Rdn 45 ff). Liegt der wichtige Grund in der Person eines Komplementärs,140 können die übrigen Gesellschafter anstelle der Auflösungsklage auch die Klage auf Ausschließung des Komplementärs erheben (§ 140 HGB). Die Ausschließungsklage ist ultima ratio,141 da sie den Ausgeschlossenen ungleich härter trifft als die übrigen Gesellschafter, die weiterhin in der werbenden Gesellschaft verbleiben, während der Ausgeschlossene nur sein Abfindungsguthaben erhält. Die Ausschließung kommt daher nur in Betracht, wenn mildere Mittel fehlen oder in ihrer Wirkung keinen gleichwertigen Erfolg versprechen.142 Als milderes Mittel käme etwa der Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis in Betracht.143 Lehnt der Betroffene das mildere Mittel ab, ist der Klage auf Ausschließung stattzugeben.144 Die Ausschließung ist selbst dann möglich, wenn die Gesellschaft nur über einen Komplementär verfügt.145 Handelt es sich bei diesem um eine Kapitalgesellschaft, muss sie sich bei der Bestimmung des wichtigen Grunds das Verhalten ihrer Organe zurechnen lassen. Will sie ihre eigene Ausschließung verhindern, muss die Komplementärgesellschaft die fehlbare Person austauschen. Ein Abberufungsdurchgriff von der KGaA auf die Organmitglieder der Komplementärgesellschaft kommt nicht in Betracht und zwar selbst mit Satzungsregelung nicht (s § 278 Rdn 172 ff). Die Klage auf Ausschließung ist eine solche der übrigen Gesellschafter gegen den 92 Komplementär, in dessen Person oder Verhalten der wichtige Grund liegt. Die der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zustehenden Rechte nimmt der Aufsichtsrat wahr (so Rdn 85 und § 287 Rdn 57 ff). Die Klage setzt einen Beschluss der übrigen Gesellschafter voraus. Die Gesamtheit der Kommanditaktionäre entscheidet in der Hauptversammlung mit der nach § 179 Abs 2 erforderlichen Mehrheit.146 Wird der Komplementär ausgeschlossen, steht ihm das Abfindungsguthaben zu (su Rdn 172 ff). Die Satzung kann die Ausschließung abweichend regeln. Zu weiteren Einzelheiten 93 su Rdn 109 ff. c) Das Ausscheiden eines Komplementärs als Gegenstand von Satzungsregelungen aa) Übersicht. Nach Abs 5 ist ein freiwilliges Ausscheiden des Komplementärs nur 94 aufgrund einer Satzungsregelung zulässig. Diese Einschränkung ist ein Überbleibsel der früher viel engeren Bindung der Komplementäre an die KGaA.147 So bestimmte Art 199

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140 Insoweit kann auf die Kommentierung zu §§ 133, 140 HGB verwiesen werden. Vgl auch die Auflistung bei Bürgers/Fett/Reger § 5, 330. 141 Godin/Wilhelmi4 3; KK/Mertens/Cahn3 59; MünchKomm/Perlitt5 120. 142 Vgl etwa RG 11.12.1934 – II 148/34, RGZ 146, 169, 180 f; BGH 27.10.1955 – II ZR 310/53, BGHZ 18, 350, 362; Bürgers/Fett/Reger § 5, 329; Godin/Wilhelmi4 3; KK/Mertens/Cahn3 59; MünchKomm/Perlitt5 120; Sethe S 170 f. 143 3. Aufl Barz 22; Godin/Wilhelmi4 3; MünchKomm/Perlitt5 120. Weitere Beispiele für mildere Mittel bei Baumbach/Hopt/Roth39 § 140, 6. 144 Baumbach/Hopt/Roth39 § 140, 6, 23. 145 MünchKomm/Perlitt5 182 f; Baumbach/Hueck13 12. Zu den Rechtsfolgen des Wegfalls des einzigen Komplementärs su Rdn 137 ff. 146 Dazu im Einzelnen unten 99 und § 278, 99 sowie Bürgers/Fett/Reger § 5, 326; KK/Mertens/Cahn3 59; MünchKomm/Perlitt5 125; Spindler/Stilz/Bachmann4 19. Nach aA bestimmt sich das Mehrheitserfordernis nach Abs 4 Sätze 3 und 4, wonach nur eine Verschärfung des Mehrheitserfordernisses erlaubt ist: Hüffer/Koch14 6 f. AA auch Ihrig/Schlitt S 33, 71 (zwingende einfache Mehrheit bei der Publikums-KGaA). 147 Zum folgenden Sethe S 58, 62 mwN.

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Abs 1 ADHGB zum Schutze der Gläubiger, dass die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters nicht übertragen werden durfte. Dies hatte zur Folge, dass ein Komplementär nur unter Auflösung der Gesellschaft ausscheiden oder abberufen werden konnte (Art 199 Abs 3 ADHGB). Mit der Ersten Aktienrechtsnovelle von 1870 wurde diese praxisfremde Bestimmung durch die bis heute gültige Regelung ersetzt (Art 199 Abs 3 ADHGB). Nach heutigem Verständnis des Abs 5 (so Rdn 78 f und zusammenfassend Rdn 80) besagt die Vorschrift, dass ein Komplementär aus anderen als den in §§ 131 Abs 3 Satz 1, 140 HGB angeführten Gründen nur dann – freiwillig – aus der Gesellschaft ausscheiden kann, wenn die Satzung Entsprechendes vorsieht. 95 Die Satzungsregelung über das Ausscheiden eines Komplementärs, deren Zulässigkeit sich sowohl aus Abs 5 als auch aus Abs 1 iVm §§ 161 Abs 2, § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 5 HGB ergibt, kann entweder schon in der ursprünglichen Satzung enthalten sein oder durch Satzungsänderung aus Anlass des beabsichtigten Ausscheidens eines Gesellschafters in die Satzung gelangen.148 Ohne ausreichende Satzungsgrundlage ist das Ausscheiden eines Komplementärs unwirksam, es sei denn, der Beschluss über das Ausscheiden wird mit einer entsprechenden Satzungsänderung verbunden.149 Zum Fall des Ausscheidens des einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten oder des letzten Komplementärs sowie zur Frage, ob unter diesen Umständen Treuepflichten den Komplementär, ungeachtet des Vorliegens der in der Satzung festgelegten Ausscheidensgründe, am Ausscheiden hindern können, su Rdn 137 ff, 153 ff. Gegenstand von Satzungsvereinbarungen über das Ausscheiden eines Komple96 mentärs können sein: – Die Zulassung von Vereinbarungen über das Ausscheiden eines Komplementärs (su Rdn 98 ff); – der Zeitablauf oder die Nichtverlängerung der Mitgliedschaft eines Komplementärs (su Rdn 104 ff), einschließlich der Festlegung einer Altersgrenze für Komplementäre; – das Recht eines Komplementärs zur ordentlichen Kündigung, dh zur Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist (su Rdn 107); – das Recht eines Komplementärs zur außerordentlichen Kündigung, dh zur Kündigung aus einem – in der Satzung näher bestimmbaren – wichtigen Grund ohne die Notwendigkeit zur Einhaltung einer Kündigungsfrist (su Rdn 108); – Ausschließung eines Komplementärs (su Rdn 109 ff); – die Zulassung eines Beschlusses der Gesellschaft über das Ausscheiden eines Komplementärs (su Rdn 113); – die Zulassung des Gesellschafterwechsels durch Übertragung der mitgliedschaftlichen Stellung eines Komplementärs an einen neu eintretenden Gesellschafter (su Rdn 114 ff) sowie – Regelungen in Bezug auf das Ausscheiden eines Komplementärs aufgrund des dispositiven Gesetzesrechts nach § 131 Abs 3 Satz 1 HGB durch Abbedingung der sich aus dieser Vorschrift ergebenden Ausscheidensgründe oder durch Änderungen der Modalitäten des Ausscheidens des betroffenen Komplementärs (su Rdn 118 ff). 97

Eine auf der Grundlage einer Satzungsregelung erfolgende Änderung im Kreis der Komplementäre bedarf keiner Änderung der Satzung (s § 281 Rdn 9). Insoweit gilt § 179 Abs 1 Satz 2. Dessen ungeachtet ist die Geschäftsführung verpflichtet, Veränderungen im Bestand der Komplementäre zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 282).

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3. Aufl Barz 20; Sethe S 138 Fn 120. AA nur Pallenbach S 115. Geßler/Semler1 85.

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bb) Vereinbarung über das Ausscheiden. Die Satzung kann das Ausscheiden eines Komplementärs durch Abschluss einer diesbezüglichen Vereinbarung zulassen. Die Satzung sollte, muss aber nicht notwendigerweise eine Regelung der Frage enthalten, wer zum Abschluss der Ausscheidensvereinbarung mit dem Komplementär befugt sein soll. Fehlt eine solche Kompetenzregelung, ist die Zustimmung aller übrigen Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre notwendig. Fraglich ist, ob die Hauptversammlung mit der in Abs 4 Satz 3 und 4 festgelegten Mehrheit150 oder mit der in § 179 Abs 2 bestimmten Mehrheit zu entscheiden hat. Zwar verlangen beide Vorschriften eine qualifizierte Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, doch hat die Frage insofern Bedeutung, als § 179 Abs 2 sowohl die Erhöhung als auch die Verringerung des Mehrheitserfordernisses gestattet,151 wohingegen Abs 4 Satz 4 lediglich erlaubt, eine größere Kapitalmehrheit und/oder weitere Erfordernisse festzulegen. Der Wechsel im Bestand der Komplementäre stellt grundsätzlich eine Satzungsänderung dar, so dass § 179 einschlägig ist. Nur soweit die Gesellschaft aufgelöst werden soll, stellt das Gesetz in Abs 4 erhöhte Anforderungen. Abs 4 ist daher eine Ausnahmeregelung, die auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden kann. Sinnvollerweise wird die Satzung nicht nur die Möglichkeit des Ausscheidens durch eine diesbezügliche Vereinbarung eröffnen, sondern auch eine Kompetenzregelung zum Abschluss der Ausscheidensvereinbarung enthalten. – Solange die Vereinbarung nur die Beendigung seiner mitgliedschaftlichen Stellung, also das Rechtsverhältnis zu den übrigen Gesellschaftern, betrifft, ist der Aufsichtsrat nicht zwingend zuständig. Enthält die Vereinbarung dagegen auch Zusagen der Gesellschaft an den Ausscheidenden, etwa Vergütungs- und Pensionsansprüche, vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft (vgl §§ 278 Abs 3, 112). Da das Ausscheiden eines Komplementärs oftmals die Regelung beider Bereiche erfordert, sollte der Aufsichtsrat vorsorglich bereits in der Satzung mit der Ausscheidensvereinbarung betraut werden. Andernfalls müssten zwei getrennte Verträge geschlossen werden. – Neben dieser formalen Zuständigkeit sollte die Satzung die weitere Frage klären, ob das Ausscheiden von der Zustimmung der anderen Gesellschafter oder bestimmter Organe abhängen soll oder nicht: So kann die Satzung etwa vorsehen, dass der Aufsichtsrat oder ein besonderes Organ der Kommanditaktionäre diese Frage allein entscheidet. In diesem Fall liegt in der Satzungsbestimmung zugleich die Zustimmung der übrigen Gesellschafter. Das Ausscheiden kann aber auch von der Zustimmung eines Beirats und/oder der Zustimmung aller oder einzelner Komplementäre und/ oder der Hauptversammlung abhängig gemacht werden.

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Lässt die Satzung das Ausscheiden eines Komplementärs auf der Grundlage einer 103 Ausscheidensvereinbarung zu, so darf diese nicht gegen zwingendes Recht oder gegen die Satzung verstoßen. Im Übrigen sind die Ausscheidensbedingungen frei verhandelbar. So kann der Zeitpunkt des Ausscheidens frei vereinbart werden, es sei denn, mit der Vereinbarung würde gegen eine in der Satzung festgelegte Altershöchstgrenze verstoßen. Eine solche Abrede wäre unwirksam; das Schicksal der Vereinbarung bestimmt sich in diesem Fall nach § 139 BGB. cc) Zeitablauf oder Nicht-Verlängerung der Mitgliedschaft. Die Satzung kann die 104 Mitgliedschaft eines Komplementärs durch die Festlegung eines bestimmten Zeitpunkts

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MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 44; MünchKomm/Perlitt5 130. BGH 28.11.1974 – II ZR 176/72, NJW 1975, 212 f; Hüffer/Koch14 § 179, 19 f.

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oder auf den Ablauf einer bestimmten Zeit befristen152 und/oder in ihrem Bestand von einer auflösenden Bedingung abhängig machen.153 Diese Möglichkeiten bestehen sowohl bei Komplementären, die mit einem Kapitalanteil beteiligt sind, als auch bei solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Insbesondere bei sog Geschäftsführer-Komplementären – dh Komplementären, 105 deren Komplementärstellung von Einlagepflichten frei und typischerweise mit einer Haftungsfreistellungszusage verbunden ist und deren Tätigkeit durch eine Tätigkeitsvergütung honoriert wird (so § 278 Rdn 69, 138)154 – findet man in der Praxis eine Befristung der Komplementärstellung von zumeist fünf Jahren mit der Option einer Verlängerung. Die Satzung sollte das für die Verlängerung maßgebliche Verfahren, insbesondere das zuständige Gremium, festlegen. Fehlt eine ausdrückliche Kompetenzregelung in der Satzung, entscheiden die übrigen Komplementäre und die Gesamtheit der Kommanditaktionäre mit der nach § 179 Abs 2 notwendigen Mehrheit über die Verlängerung.155 Im Wege der Befristung oder auflösenden Bedingung lässt sich auch eine Alters106 grenze für Komplementäre einführen. Eine solche Regelung bietet sich insbesondere dann an, wenn die Gesellschafter Vorsorge dafür treffen wollen, dass die Nachfolgefrage rechtzeitig geklärt wird. 107

dd) Ordentliche Kündigung. Jedem Komplementär steht das Recht zu, durch ordentliche Kündigung aus der Gesellschaft auszuscheiden (s Rdn 85). Die Satzung kann einen frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt und/oder Kündigungsfristen festlegen. Mangels diesbezüglicher Satzungsbestimmungen gilt § 132 HGB. Schweigt die Satzung zur Frage, wem gegenüber die Kündigung zu erklären ist, muss sie an die übrigen Komplementäre und die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gerichtet werden. Letztere wird außerhalb der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat vertreten. Zu weiteren Möglichkeiten, das Kündigungsrecht von Gesellschaftern, abweichend von der gesetzlichen Regelung (s Rdn 85) zum Gegenstand von Satzungsregelungen zu machen, su Rdn 132 ff.

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ee) Außerordentliche Kündigung. Nach der gesetzlichen Konzeption fraglich ist Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung. Da §§ 133 HGB bei der Handelsrechtsreform unverändert blieb, ist ungeklärt, ob neben der in § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 3 geregelten ordentlichen Kündigung und der Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grund (§ 133 HGB) auch eine außerordentliche Kündigung des ausscheidungswilligen Gesellschafters erlaubt ist.156 Hiervon ist auszugehen, wenn die Satzung generell die Kündigung der Mitgliedschaft zulässt oder die außerordentliche Kündigung gar ausdrücklich erlaubt (so Rdn 66). Gegen die Einräumung eines außerordentlichen Kündigungsrechts in der Satzung bestehen keine Bedenken, weil damit – selbst im Falle einer Auseinandersetzung über das Vorliegen eines wichtigen Grunds – keine Rechtsunsicherheit über den Bestand der Gesellschaft einhergeht.157 Fehlen diesbezügliche Satzungsbestimmungen, sind die Komplementäre auf den Weg der gerichtlichen Auflösungsklage nach § 133 HGB (so Rdn 45 ff) verwiesen. In Bezug auf den Erklärungsempfänger gilt das oben (Rdn 107) zur ordentlichen Kündigung Ausgeführte. Eine Kündigungsfrist ist nur einzuhalten,

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152 MünchKomm/Perlitt5 132 ff; Sethe S 138. 153 Sethe S 138. 154 BGH 19.9.2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 („Managermodell“); BGH 19.9.2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107 („Mitarbeitermodell“). 155 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 134. 156 Dazu etwa Baumbach/Hopt/Roth39 § 133, 1. 157 MünchKomm/Perlitt5 138.

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wenn dies die Satzung vorschreibt. Die Frist muss angemessen und zumutbar sein. Dies kann bedeuten, dass trotz vorgesehener Kündigungsfrist bei Vorliegen besonders schwerwiegender Umstände ein sofortiges Ausscheiden gerechtfertigt sein kann.158 Ein Verstoß gegen § 133 Abs 3 HGB wird nur dann anzunehmen sein, wenn die Kündigung mit einer unangemessen niedrigen Abfindung gekoppelt ist.159 ff) Ausschließung und Hinauskündigung eines Komplementärs. Die Satzung 109 kann die Ausschließung eines Komplementärs nach § 140 Abs 1 HGB abweichend regeln, sie aber nicht völlig abbedingen.160 Die Mitgesellschafter müssen die Möglichkeit haben, sich von einem gesellschaftsschädigenden Komplementär zu trennen. Wäre § 140 HGB abzubedingen, müssten die Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft beantragen. Da die Auflösung einen so gravierenden Eingriff in die Rechte der Mitgesellschafter darstellt, dass diese sie solange wie möglich meiden, würde eine solche Klausel praktisch zum dauerhaften Verbleib des gesellschaftsschädigenden Gesellschafters in der KGaA führen. Die Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund muss jedoch möglich sein und darf nicht durch übermäßige Hürden faktisch ausgeschlossen werden. Eine solche Hürde kann darin gesehen werden, dass die übrigen Gesellschafter, um sich aus wichtigem Grund von einem Mitgesellschafter zu trennen, ihr florierendes Unternehmen zerschlagen müssten. Insbesondere wenn das Unternehmen die Existenzgrundlage der übrigen Komplementäre bildet, werden sie die Auflösung der Gesellschaft um jeden Preis vermeiden wollen. Der Ausschluss eines Komplementärs aus wichtigem Grund muss daher möglich bleiben. Die Satzung kann die Ausschließung erleichtern, indem das gerichtliche Verfahren 110 abbedungen und ein Gesellschafterbeschluss für ausreichend erklärt wird (Ausschließungsbeschluss).161 Teilweise wird eine solche Satzungsregelung allerdings als unzulässig eingestuft.162 Sie verursache eine nicht akzeptable Rechtsunsicherheit. Dies überzeugt nicht, denn wenn schon eine außerordentliche Kündigung in Bezug auf die Gesellschaft anstelle einer Auflösungsklage für zulässig gehalten wird (so Rdn 66 mwN), gilt dies erst recht für die Ausschließung. Hier geht es gerade nicht darum, ob die Gesellschaft insgesamt aufgelöst ist. Nur die Rechtsposition des Ausgeschlossenen ist im Streit. Drittinteressen werden also nicht berührt. Der Ausschließungsbeschluss ist deshalb als zulässig anzusehen. Ob in der Satzungsregelung das Erfordernis eines wichtigen Grundes abbedun- 111 gen werden kann (man spricht bei solchen Klauseln auch von Hinauskündigungsklauseln), ist streitig. Eine Ansicht hält dies für zulässig, da der Betroffene sich der Satzung unterworfen163 und damit selbst zu einem „Gesellschafter minderen Rechts“ gemacht

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158 MünchKomm/Perlitt5 140. 159 Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 138, 17. 160 Bürgers/Fett/Reger § 5, 331; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 159; Grunewald S 237 ff; Heidel/Wichert5 29; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 140, 89 (ausgenommen bei personalistisch strukturierten Personengesellschaften); Nitschke Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, S 392 f; Otte S 165; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Haas HGB5 § 140, 22 (zweifelhaft und jedenfalls nicht bei der Publikumsgesellschaft); Teichmann Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S 249; Sethe S 141 f; 3. Aufl Barz 22. AA RG 21.10.1924 – II 606/23, RGZ 109, 80, 82; BGH 9.12.1968 – II ZR 42/67, BGHZ 51, 204, 205; Baumbach/Hopt/Roth39 § 140, 28; GroßkommHGB/Schäfer5 § 140, 52 (ausgenommen Publikumsgesellschaften); KK/Mertens/Cahn3 61; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 41; MünchKomm/Perlitt5 123; Spindler/Stilz/Bachmann4 19. 161 Baumbach/Hopt/Roth39 § 140, 30; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 41; Huber ZGR 1980, 177 ff; KK/Mertens/Cahn3 62; MünchKomm/Perlitt5 122; Sethe S 142. 162 3. Aufl Barz 22, 13; Baumbach/Hueck13 12. 163 So etwa Pallenbach S 121; Partikel S 125 ff, 218 f.

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habe. Mit der herrschenden Meinung ist die Hinauskündigungsklausel dagegen für unzulässig anzusehen,164 da der Betroffene sonst der Willkür der Mitgesellschafter ausgesetzt ist. Die Möglichkeit einer grundlosen Hinauskündigung kann von den verbleibenden Gesellschaftern dazu genutzt werden, einen für sie günstigen Zeitpunkt abzuwarten, um sich eines Mitgesellschafters zu entledigen. Eine Ausschließung ist deshalb nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes oder bei Vorliegen von in der Satzung umschriebenen sachlichen Gründen zulässig. Vermittelnde Auffassungen stimmen entweder der herrschenden Meinung im Grundsatz zu, bejahen aber (anders als die Rechtsprechung) in einigen Fallkonstellationen einen sachlichen Grund,165 oder sie lassen die Hinauskündigung zu, unterwerfen sie aber einer Missbrauchskontrolle.166 Da der Ausschluss eines Komplementärs ohne wichtigen Grund insbesondere in Bezug auf die Trennung von sog Geschäftsführer-Komplementären (so Rdn 105) Bedeutung erlangen kann, ist aus Vorstehendem die Konsequenz zu ziehen, entweder eine Befristung bzw eine exakt beschriebene Bedingung zur Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses vorzunehmen oder für eine genaue Umschreibung des wichtigen Grundes Sorge zu tragen, um so den Betroffenen nicht schutzlos zu stellen167 und andererseits eine Trennung von ihm zu ermöglichen. In der Satzung kann bestimmt werden, welche Umstände als wichtige Gründe 112 anzusehen sind.168 113

gg) Beschluss der Gesellschaft. Die Gesellschaft kann, auch ohne entsprechende Satzungsregelung, jederzeit einstimmig – dh durch Zustimmung der Hauptversammlung und aller Komplementäre, einschließlich des Betroffenen – das Ausscheiden eines Komplementärs beschließen (so Rdn 90). Soll die Gesellschaft über das Ausscheiden eines Komplementärs auch in der Weise entscheiden können, dass es der Zustimmung des Komplementärs, um dessen Ausscheiden es geht, nicht bedarf, so ist hierfür eine ausdrückliche Satzungsregelung erforderlich. Da der betroffene Komplementär auf diese Weise auch gegen seinen Willen zum Ausscheiden aus der Gesellschaft gezwungen werden könnte, handelt es sich hierbei in der Sache um einen Ausschluss des Gesellschafters, für den die Satzung wichtige Gründe benennen muss. Die Voraussetzungen, unter denen es möglich ist, durch Beschluss der Gesellschafter über das Ausscheiden eines Gesellschafters auch gegen seinen Willen zu entscheiden, sind damit nicht anders zu beurteilen als diejenigen, unter denen ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann. Zur Frage, welche Freiheiten bei der Umschreibung dessen zustehen, was als wichtiger Grund anzusehen ist, oder inwieweit die Satzung gar das Er-

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164 BGH 20.1.1977 – II ZR 217/75, BGHZ 68, 212, 215; BGH 13.7.1981 – II ZR 56/80, BGHZ 81, 263, 269 f; BGH 3.5.1982 – II ZR 78/81, BGHZ 84, 11; BGH 21.3.1988 – II ZR 135/87, BGH 21.3.1988 – II ZR 135/87, BGHZ 104, 50, 57 ff; BGH 19.9.1988 – II ZR 329/87, BGHZ 105, 213; BGH 5.6.1989 – II ZR 227/88, BGHZ 107, 351, 353; BGH 25.3.1985 – II ZR 240/84, NJW 1985, 2421; BGH 7.2.1994 – II ZR 191/92, BGHZ 125, 74; ebenso zur GmbH BGH 9.7.1990 – II ZR 194/89, BGHZ 112, 103. Aus dem Schrifttum Baumbach/Hopt/Roth39 § 140, 30 f; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 41; Flume Die Personengesellschaft, S 138; MünchKomm/Perlitt5 124; Schlegelberger/Martens HGB5 § 119, 25; Schöne insb S 35 ff, 160. Ausführliche Darstellung des Streitstands bei Grunewald S 216 ff. 165 Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 140, 79 ff; Heymann/Emmerich HGB2 § 140, 35 ff; Grunewald S 216 ff. Sie folgt der hM, soweit dem Gesellschafter keine vollwertige Abfindung zusteht und keine gesellschaftsinterne Beschlussfassung über den Ausschluss unter Anhörung des Betroffenen vorausgeht. 166 Blanke S 159, der die Position des BGH ebenso ablehnt wie die Annahme eines Gesellschafters minderen Rechts. 167 Schöne S 101 ff. 168 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 41; MünchKomm/Perlitt5 124; Sethe S 142.

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fordernis eines wichtigen Grundes abbedingen kann, ist deshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Gesellschafterausschluss (in Rdn 109 ff) zu verweisen. hh) Zulassung des Gesellschafterwechsels. Die Satzung kann den Komplementären erlauben, ihre mitgliedschaftliche Stellung an einen neu eintretenden Gesellschafter zu veräußern und zu übertragen.169 Die Frage, ob es sich bei einem solchen Vorgang um eine Übertragung der Mitgliedschaft oder um einen zeitgleich erfolgten Austritt und Eintritt handelt, ist eine Frage der Auslegung der Vereinbarung.170 Soll dem neuen Komplementär dieselbe Rechtsstellung wie dem Ausscheidenden eingeräumt werden, handelt es sich um einen Gesellschafterwechsel. Der Wechsel erfordert die Zustimmung der übrigen Komplementäre und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, es sei denn, die Satzung bestimmt Abweichendes.171 Es sind etwa folgende Gestaltungen möglich: Die Entscheidung kann auf eine der beiden Gesellschaftergruppen übertragen werden. Auch ist es zulässig, hinsichtlich der Zustimmung der Komplementäre eine Mehrheitsentscheidung vorzusehen.172 Des Weiteren kann die Satzung die Geschäftsführung, den Aufsichtsrat oder den Beirat (hierbei ist der Grundsatz der Verbandssouveränität zu beachten, vgl § 287 Rdn 103) für zuständig erklären.173 Ebenfalls denkbar ist eine Gestaltung, wonach die Satzung den Komplementären das grundsätzliche Recht zur Übertragung ihres Anteils einräumt und den Mitgesellschaftern eine Ablehnung aus genau festgelegten Gründen oder aus wichtigem Grund erlaubt. In diesem Fall hat der übertragende Komplementär einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung und es obliegt den Mitgesellschaftern, den Versagungsgrund darzulegen und zu beweisen.174 Soweit die persönlich haftenden Gesellschafter über den Wechsel mit Mehrheit entscheiden oder diese Entscheidung einem anderen der Organe der KGaA übertragen wurde, kann ein überstimmter bzw kraft Satzungsbestimmung von der Entscheidung ausgeschlossener Komplementär widersprechen, wenn er in dem Beitritt Gefahren für die ordnungsgemäße Geschäftsführung oder die Gesellschaft sieht, die einen wichtigen Grund iSv §§ 133, 140 HGB darstellen würden. Die Aufnahme ist dann bis zur (gerichtlichen) Klärung ausgesetzt.175 Die Anteilsübertragung als solche bedingt nicht die Übertragung der organschaftlichen Befugnisse. Sollen diese ebenfalls auf den neuen Komplementär übergehen, bedarf es einer Regelung in der Satzung. Ohne eine solche Regelung müssen die Gesellschafter diese Frage nach dem Eintritt des neuen Komplementärs entsprechend den dafür in der Satzung vorgegebenen Regeln neu entscheiden.176

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169 BGH 28.4.1954 – II ZR 8/53, BGHZ 13, 179, 186 (zur KG); BGH 11.4.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106, 114 (zur KG); BGH 30.6.1980 – II ZR 219/79, BGHZ 77, 392, 394 f (zur KG); BGH 15.12.1980 – II ZR 52/80, BGHZ 79, 374, 378 f (zur GbR); BGH 29.6.1981 – II ZR 142/80, BGHZ 81, 82, 84 (zur KG); BGH 31.1.1983 – II ZR 288/81, BGHZ 86, 367, 369 (zur KG); BGH 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48 (zur OHG). Ebenso die ganz hM: Baumbach/Hopt/Roth39 § 105, 67 ff; MünchKomm/Perlitt5 141; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 105, 184, 186; Schlitt S 142; Sethe S 138; 3. Aufl Barz 20. 170 Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 105, 182; sa Flume FS Larenz 1973, S 769 ff mwN. 171 MünchKomm/Perlitt5 141; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 105, 194. Anders wohl Schlitt S 142, der eine Zustimmung der übrigen Gesellschafter nur anzunehmen scheint, wenn die Satzung dies vorsieht. 172 Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 105, 194. 173 BGH 14.10.1957 – II ZR 109/56, WM 1958, 49 f; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 105, 194. 174 Großkomm HGB/Schäfer5 § 105, 295; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 105, 194. 175 S 278, 50 sowie BGH 14.11.1960 – II ZR 55/59, WM 1961, 303. Großkomm HGB/Fischer3 § 130, 7; MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 80; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 27 f; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 70, § 281, 15; Sethe S 129. Sa § 278, 50. 176 So jetzt auch MünchKomm/Perlitt5 141.

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d) Satzungsregelungen in Bezug auf das Ausscheiden eines Komplementärs nach § 131 Abs 3 Satz 1 HGB. Die gesetzlichen Bestimmungen über das Ausscheiden eines Komplementärs nach § 131 Abs 3 Satz 1 HGB (so 81 ff), die auch ohne entsprechende Satzungsregelung eingreifen (so Rdn 77 f, 80), sind abweichender Satzungsregelung zugänglich. Diese kann sowohl in der Abbedingung der fraglichen Ausscheidensgründe bestehen oder sich auf Modalitäten des Ausscheidens des betroffenen Komplementärs beschränken.

aa) Tod eines Komplementärs und Fortsetzung mit dem/den Erben. Der Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters führt zum Ausscheiden des Gesellschafters aus der KGaA, die mit den übrigen Gesellschaftern und – mangels anderweitiger Satzungsbestimmung – ohne die Erben des Verstorbenen fortgesetzt wird (sa oben Rdn 82). Der den Erben für diesen Fall zustehende Abfindungsanspruch kann durch die Satzung ausgeschlossen werden, um die Gesellschaft vor daraus entstehenden finanziellen Belastungen zu bewahren.177 Die Satzung kann bestimmen, dass beim Tod eines Komplementärs die Gesellschaft 120 mit den Erben (einfache Nachfolgeklausel) oder mit einem bestimmten Erben (qualifizierte Nachfolgeklausel)178 des Verstorbenen fortgesetzt werden soll. Liegt eine Nachfolgeklausel vor, richtet sich die Fortsetzung der Gesellschaft nach der zwingenden (§ 139 Abs 5 HGB) Vorschrift des § 139 HGB. Im Falle der einfachen Nachfolgeklausel geht die Mitgliedschaft kraft Erbrechts auf den oder die Erben über;179 jeder Erbe wird persönlich haftender Gesellschafter. Im Falle der qualifizierten Nachfolgeklausel gilt dasselbe, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der in der Satzung benannte Erbe tatsächlich Erbe des verstorbenen Gesellschafters geworden ist. Geht die Mitgliedschaft auf mehrere Erben über, so erwerben sie die Mitgliedschaft nicht gemeinschaftlich (als Erbengemeinschaft), sondern jeder für sich anteilig im Wege der Sondererbfolge. Eine ungeteilte Erbengemeinschaft kann nicht Komplementär einer werbenden Gesellschaft werden.180 Ein etwaiger Kapitalanteil des verstorbenen Gesellschafters wird unter den Erben aufgeteilt. Dem einzelnen Erben, der kraft Sondererbfolge persönlich haftender Gesellschafter 121 geworden ist, stehen im Hinblick auf seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft die sich aus § 139 HGB ergebenden Wahlmöglichkeiten offen. Sind mehrere Erben vorhanden, steht das Wahlrecht jedem Einzelnen zu; es muss nicht einheitlich ausgeübt werden.181 Zum einen kann sich der jeweilige Erbe für die endgültige Übernahme der Kom122 plementärstellung entscheiden. Ob er damit zugleich eine organschaftliche Stellung in der Gesellschaft einnehmen soll, ist durch Auslegung der Satzung zu ermitteln. Ist er der einzige Komplementär, ist dies anzunehmen. 119

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177 RG 23.10.1934 – II 129/34, RGZ 145, 289; RG 13.9.1943 – II 65/43, RGZ 171, 345, 350; BGH 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, 194; BGH 14.7.1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338; Baumbach/Hopt/Roth39 § 131, 62; § 139, 63; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 131, 161 (ganz hM); s etwa für KGaA Hüffer/Koch14 8; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 36 aE; Schlitt S 141. 178 Eine qualifizierte Nachfolgeklausel soll nach OLG Hamm 1.12.1998 – 15 W 404/98, NZG 1999, 344, nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte auch für die persönlich haftenden Gesellschafter ohne Kapitalanteil maßgeblich sein. 179 BGH 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, 191; BGH 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225, 229; BGH 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48, 50; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 139, 16 ff mwN zu den erbrechtlichen Fragen. 180 BGH 4.5.1983 – IV a ZR 229/81, NJW 1983, 2376; MünchKomm/Perlitt5 54; sa § 278, 42. 181 BGH 21.12.1970 – II ZR 258/67, BGHZ 55, 267; Baumbach/Hopt/Roth39 § 139, 37.

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Zum anderen kann der Erbe das Wahlrecht aus § 139 Abs 1 HGB ausüben (innerhalb 123 der Frist des § 139 Abs 3 HGB). Da die KGaA im Gegensatz zur KG keine Kommanditisten kennt, ist § 139 Abs 1 HGB sinngemäß anzuwenden.182 Somit kann er verlangen, dass ihm die Stellung eines Kommanditaktionärs eingeräumt und der Abfindungsanspruch (Auseinandersetzungsguthaben) des verstorbenen Gesellschafters als Sacheinlage gegen junge Aktien eingebracht wird. Hierfür bedarf es einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts (su Rdn 124). Für die Geltendmachung dieses Verlangens bedarf es keiner besonderen Form.183 Das Recht, die Stellung eines Kommanditaktionärs eingeräumt zu bekommen, steht dem Erben auch dann offen, wenn der verstorbene Komplementär einen negativen oder keinen Kapitalanteil hatte:184 (1) Hatte der Erblasser keinen Kapitalanteil, muss der Erbe eine Einlage auf das Grundkapital erbringen, um die Stellung eines Kommanditaktionärs erlangen zu können.185 Dazu bedarf es einer Satzungsregelung über die Bestimmung oder Bestimmbarkeit der Einlagenhöhe. Denkbar ist auch eine Festlegung durch Beschluss im Rahmen der Kapitalerhöhung. Will er dies nicht oder ist er mit der durch Beschluss festgelegten Höhe der Einlage nicht einverstanden, bleibt ihm nur die Wahl zwischen der Übernahme der Komplementärsstellung und dem Ausscheiden aus der Gesellschaft186 gegen Zahlung des auf ihn entfallenden Auseinandersetzungsguthabens (su Rdn 126). (2) War der Kapitalanteil beim Tode des Erblassers negativ, ist im Personengesellschaftsrecht streitig, welcher Betrag als Einlage des Erben einzusetzen ist.187 Die insoweit entwickelten Lösungen lassen sich nicht auf die KGaA übertragen, weil sie den Grundsatz der Kapitalaufbringung und -erhaltung nicht ausreichend berücksichtigen. Da bei der Übernahme der Stellung eines Kommanditaktionärs das Auseinandersetzungsguthaben als Sacheinlage eingebracht wird (dazu näher Rdn 124), erfolgt ohnehin eine Bewertung. Bei dieser ist der objektive Wert des Auseinandersetzungsguthabens (inklusive stiller Reserven) anzusetzen. Ist dieses gleich null, kann der Erbe die Stellung des Kommanditaktionärs nur erhalten, wenn er die Einlage auffüllt; Obergrenze ist der Wert, der für die Sondereinlage des Komplementärs in der Satzung bedungen war oder den die übrigen Gesellschafter bei Fehlen einer Satzungsregelung durch Beschluss festgelegt haben. Um dem Erben die Stellung eines Kommanditaktionärs einräumen und die dazu er- 124 forderlichen Aktien bereitstellen zu können, muss die Gesellschaft durch Hauptversammlungsbeschluss und Zustimmung der übrigen Komplementäre eine Kapitalerhöhung iSv § 183 (Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen) durchführen. Es sind folgende Schritte erforderlich: (1) Der auf den Erben entfallende Anteil am Kapitalanteil des Erb-

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182 Durchlaub BB 1977, 875; Godin/Wilhelmi4 2e); Hüffer/Koch14 8; MünchKomm/Perlitt5 48; Richartz S 21; Ritter § 231, 1e); auch Marcuse S 29 f, der allerdings die Kommanditaktionäre noch als Kommanditisten bezeichnet. Missverständlich Baumbach/Hueck13 6, wie hier allerdings dies § 278, 4. Sa § 278, 15. 183 Baumbach/Hopt/Roth39 § 139, 37. 184 BGH 1.6.1987 – II ZR 259/86, BGHZ 101, 123, 125; BGH 21.12.1970 – II ZR 258/67, BGHZ 55, 267, 269. HM. S, jeweils mwN, Baumbach/Hopt/Roth39 § 139, 7, 42; Heymann/Emmerich HGB2 § 139, 38a, 45 ff; MünchKomm/Perlitt5 51; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 139, 63. AA Godin/Wilhelmi4 2e); Heidel/Wichert5 32; KK/Mertens/Cahn3 41; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 34 (ohne ererbten Kapitalanteil kann der Erbe nur die Komplementärstellung übernehmen oder ausscheiden). 185 MünchKomm/Perlitt5 51; aA KK/Mertens/Cahn3 38, 41. 186 3. Aufl Barz 9c; Baumbach/Hopt/Roth39 § 139, 40. 187 Nach Baumbach/Hopt/Roth39 § 139, 42; GroßkommHGB/Schäfer5 § 139, 111 beträgt sie 1,– EUR, nach Heymann/Emmerich HGB2 § 139, 45a und Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 139, 77 ff, MünchKommHGB/K Schmidt4 § 139, 79a, soll der Erbe so behandelt werden, als sei der Erblasser bereits Kommanditist gewesen. Maßgeblich sei daher die im Gesellschaftsvertrag festgelegte Einlage des Komplementärs, wobei Einzahlungsverpflichtungen zu erfüllen seien.

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lassers188 wird als Sacheinlage auf die jungen Aktien eingebracht. Zum Teil wird vertreten, Gegenstand der Sacheinlage sei die Sondereinlage.189 Dies ist unpräzise, denn der Wert der Sondereinlage (zB wenn dieser aus einem Grundstück bestand) kann zwischenzeitlich gestiegen, der Kapitalanteil aber durch Verluste der Gesellschaft insgesamt gesunken sein. Würde man also allein auf den Wert der geleisteten Sondereinlage abstellen, käme es zu einer Überbewertung des Anspruchs des Erben. Nicht ausschlaggebend kann auch das Abfindungsguthaben sein,190 denn dieses kann aufgrund von Satzungsbestimmungen niedriger ausfallen als der Kapitalanteil oder gar auf null reduziert sein, um das Vermögen der KGaA zu schonen (so Rdn 119). Entscheidend ist daher der Kapitalanteil.191 (2) Der Ausgabekurs der jungen Aktien ist nach deren innerem Wert zu bemessen, also nicht zwingend nach dem Nennwert, denn in die Wertbestimmung fließen Rücklagen, stille Reserven, Gewinn- oder Verlustvorträge etc. ein. Sodann wird dem Erben eine seinem Anteil am Kapitalanteil entsprechende Anzahl an Aktien zugeteilt. (3) Sofern der Erblasser kraft Satzungsbestimmung ausnahmsweise an stillen Reserven, Rücklagen, Gewinn- oder Verlustvorträgen der KGaA im gleichen Umfang wie die Kommanditaktionäre beteiligt war, kann die Aktienausgabe zu pari erfolgen.192 (4) Um das Bezugsrecht der Kommanditaktionäre nicht zu schmälern, kann eine gemischte Bar- und Sachkapitalerhöhung vorgenommen werden.193 Stand dem verstorbenen Komplementär eine besondere Art der Gewinnbeteiligung zu, kann die Schaffung einer neuen Aktiengattung (§ 11) notwendig sein.194 (5) Die Satzung kann für den Fall, dass der Erbe die Stellung eines Kommanditaktionärs wählt, eine andere Art der Gewinnbeteiligung vorsehen (§ 139 Abs 5 Hs 2 HGB). Dies ist vor allem dann naheliegend, wenn dem verstorbenen Komplementär ein Voraus für die Übernahme der persönlichen Haftung oder eine Tätigkeitsvergütung als Geschäftsführer zustand, die nun ihre Berechtigung verlieren. Eine solche Satzungsregelung kann darüber hinaus auch deshalb sinnvoll sein, um zu vermeiden, dass anlässlich eines Erbfalls eine neue Aktiengattung geschaffen werden muss, was später die Beschlussfassung in der Hauptversammlung kompliziert. 125 Die Entscheidung über die Einräumung der Stellung eines Kommanditaktionärs treffen die übrigen Gesellschafter, dh die übrigen Komplementäre und die Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Letztere trifft ihre Entscheidung in der Hauptversammlung. Erforderlich ist eine Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, da die Einräumung der Kommanditaktionärsstellung nur möglich ist, wenn mit dieser Mehrheit (§ 186 Abs 3 Sätze 2 und 3) auch eine Kapitalerhöhung unter teilweisem Bezugsrechtsausschluss beschlossen wird (s im Folgenden). Der Erbe kann aufgrund der drohenden persönlichen Haftung wegen nicht fristgemäßen Ausscheidens (vgl § 139 Abs 4 iVm Abs 3 HGB) den übrigen Gesellschaftern eine Frist zur Entscheidung setzen, muss dabei aber berücksichtigen, dass die Gesellschaft die Forma-

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188 So auch KK/Mertens/Cahn3 39. 189 Hüffer/Koch14 8; MünchKomm/Perlitt5 55 Fn 62; Spindler/Stilz/Bachmann4 21. Offen gelassen bei Durchlaub BB 1977, 875. 190 So noch 4. Aufl Assmann/Sethe 124. 191 Daher teile ich die Ansicht von MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 35 Fn 101 nicht, der meint, es komme auf den Meinungsstreit nicht an, denn am Ende müsse ja die Sacheinlage ohnehin bewertet werden. Dies mag vom wirtschaftlichen Endergebnis her zutreffen, wenn nur ein Erbe existiert. Sind aber mehrere Erben vorhanden, von denen einzelne sich für ein Ausscheiden aus der KGaA entscheiden, muss deren Abfindungsanspruch eigenständig nach eventuell vorhandenen Vorgaben der Satzung berechnet werden und entspricht dann uU nicht dem Wert des Kapitalanteils. 192 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 35. 193 Dazu Hennerkes/Binge AG 1996, 119 ff. 194 Godin/Wilhelmi4 2e); MünchKomm/Perlitt5 57.

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lien zur Einberufung einer Hauptversammlung einzuhalten hat. Die Entscheidung über den Antrag des Erben kann inzident in dem erforderlichen Beschluss über die Durchführung einer Kapitalerhöhung unter (teilweisem) Bezugsrechtsausschluss erfolgen. Der Beschluss der Hauptversammlung erfolgt mit der Mehrheit des § 186 Abs 3 Sätze 2 und 3 und bedarf der Zustimmung der übrigen Komplementäre.195 Verfehlt der Beschluss über die Kapitalerhöhung die erforderliche Mehrheit oder stimmen die Komplementäre nicht zu, bedeutet dies zugleich die Ablehnung des Antrags des Erben. Die Ablehnung des Antrags des Erben, Kommanditaktionär zu werden, berechtigt diesen, sein Ausscheiden aus der Gesellschaft zu erklären, ohne dabei an die gesetzliche oder in der Satzung festgelegte Kündigungsfrist gebunden zu sein (§ 139 Abs 2 HGB). Ihm steht dann nur das Abfindungsguthaben zu, sofern ein diesbezüglicher Anspruch nicht durch die Satzung ausgeschlossen wurde (so Rdn 119). Die Erklärung eines kraft Nachfolgeklausel und Erbrechts zum persönlich haftenden Gesellschafter gewordenen Erben, aus der Gesellschaft auszuscheiden, ist unwirksam, wenn nicht zuvor der Antrag auf Einräumung der Stellung eines Kommanditaktionärs gestellt und abgelehnt wurde.196 Handelte es sich bei dem Verstorbenen um den einzigen Komplementär und lehnen dessen Erben die Übernahme der Komplementärsstellung ab, fehlt der KGaA ein notwendiges Mitglied und Organ. Zu den Rechtsfolgen des Wegfalls des einzigen Komplementärs su Rdn 137 ff. Scheidet der Erbe innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 139 Abs 3 HGB aus der Gesellschaft aus, wird er innerhalb dieser Frist Kommanditaktionär oder wird die Gesellschaft vor Ablauf dieser Frist aufgelöst, richtet sich die Haftung des Erben für die bis dahin begründeten Gesellschaftsschulden nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften der Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten (§ 139 Abs 4 HGB, §§ 1967–2017 BGB). Unter den Voraussetzungen von § 1975 BGB kann der Erbe die persönliche Haftung für Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 Abs 1 BGB) auf den Nachlass beschränken. Die Satzung kann auch kombinierte Nachfolge- und Umwandlungsklauseln enthalten,197 die beispielsweise vorsehen, dass die Erben des Komplementärs nur die Stellung eines Kommanditaktionärs einnehmen können. Das Wahlrecht des § 139 HGB wird damit abbedungen.

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bb) Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters. Mangels an- 130 derweitiger Satzungsregelung führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters zum Ausscheiden des Gesellschafters und der Fortsetzung der Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern (so Rdn 84). Die Satzung kann jedoch vorsehen, dass die Fortsetzung der Gesellschaft im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters von einem Gesellschafterbeschluss abhängig gemacht werden soll. Enthält die Satzung eine solche Bestimmung, führt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters allerdings nicht zur Auflösung der Gesellschaft. Diese bleibt vielmehr bis zum Beschluss der Gesellschafter, die Gesellschaft nicht fortzusetzen, als werbende Gesellschaft bestehen. Der Beschluss über die Fortsetzung der Gesellschaft muss, da er die Auflösung der Gesellschaft zur Folge haben kann, den Anforderungen eines Auflösungsbeschlusses genügen (so Rdn 18 ff). Wird die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen, so bedarf dieser Beschluss weder einer Eintragung ins Handelsregister noch einer Einreichung bei

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195 Die Satzung kann eine Mehrheitsentscheidung vorsehen. Die Zustimmung bedarf der Form des § 285 Abs 3 Satz 2, vgl § 285 Rdn 94. 196 Baumbach/Hopt/Roth39 § 139, 43. 197 Ausführlich dazu MünchKommHGB/K Schmidt4 § 139, 131 ff; Sethe JZ 1997, 989, 990.

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demselben.198 Für eine Erklärung des Fortsetzungsbeschlusses gegenüber dem Insolvenzverwalter durch die vertretungsberechtigten Gesellschafter entsprechend § 141 Abs 2 HGB aF besteht in diesem Falle kein Bedarf, da der Gesellschafter bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Gesellschaft ausscheidet. Die Satzung kann des Weiteren bestimmen, dass die Eröffnung des Insolvenzver131 fahrens über das Vermögen eines Gesellschafters nicht zum Ausscheiden des Gesellschafters nach § 131 Abs 3 Satz 1 Nr 2 HGB führt.199 Das hindert allerdings nicht den Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Auseinandersetzungsguthaben. Dieser kann jedoch nur erfolgen, wenn überhaupt ein Abfindungsanspruch des betroffenen Gesellschafters für den Fall seines Ausscheidens besteht (so Rdn 88), weshalb man daran denken könnte, diesen Anspruch in der Satzung auszuschließen. Dies wäre jedoch nicht zielführend: Der generelle Ausschluss eines Abfindungsanspruchs für alle kündigenden Gesellschafter unterfällt regelmäßig dem Nichtigkeitsverdikt nach §§ 138, 242, 723 Abs 3 BGB. Wollte man den Ausschluss des Abfindungsanspruchs auf den Fall der Kündigung durch einen Insolvenzverwalter (oder einen Privatgläubiger) beschränken, so wäre eine solche Vereinbarung als gezielte Gläubigerbenachteiligung anzusehen und damit, ganz ungeachtet der insolvenzrechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten (§§ 129 ff InsO, § 3 AnfG), ebenfalls nach § 138 BGB nichtig. Denkbar sind lediglich Beschränkungen des Abfindungsanspruchs, die auch in den übrigen Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters aus wichtigem Grund eingreifen.200 Eine Satzungsregelung, der zufolge die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters nicht zum Ausscheiden des Gesellschafters führt, kann mit dem Erfordernis eines Fortsetzungsbeschlusses durch die Gesellschafter verbunden werden; dazu gilt das oben zu Rdn 130 Ausgeführte. Denkbar ist auch, das Ausscheiden des Gesellschafters für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 2 HGB) abzubedingen und seinen weiteren Verbleib in der Gesellschaft zum Gegenstand eines Gesellschafterbeschlusses zu machen. In diesem Falle scheidet der betroffene Gesellschafter erst mit der Wirksamkeit des Beschlusses aus der Gesellschaft aus. cc) Kündigung durch einen Gesellschafter. Neben Regelungen über die ordentliche und außerordentliche Kündigung eines Gesellschafters (s Rdn 107, 108) kann die Satzung weitere Bestimmungen über das Kündigungsrecht, die Voraussetzungen der Kündigung durch einen Gesellschafter, die Kündigungsfristen und die Folgen der Kündigung enthalten. Unzulässig ist allerdings ein völliger Ausschluss des Kündigungsrechts (§ 723 133 Abs 3 BGB), sei es durch ausdrückliche Regelung in der Satzung oder sei es dadurch, dass die Gesellschaft zwar nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde, die in der Satzung festgelegte Dauer der Gesellschaft aber faktisch einer Gesellschaft auf unbestimmte Zeit gleichkommt.201 134 Zulässig ist ein zeitweiliger Aufschub des Kündigungsrechts (Bindung auf Zeit)202 oder eine Verlängerung der Kündigungsfrist, sofern sie nicht faktisch zu einem Aus132

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198 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 78. 199 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 37 aE. 200 BGH 12.6.1975 – II ZB 12/73, BGHZ 65, 22, 26; Schlitt S 144 (mit entsprechenden Satzungsvorschlägen, jeweils in Abs 4 der Muster S 42, 135 ff). 201 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 96; 3. Aufl Barz 11. 202 RG 27.6.1888 – I 160/88, RGZ 21, 93, 94; RG 20.10.1937 – II 58/37, RGZ 156, 129, 133 f; BGH 17.6.1953 – II ZR 205/52, BGHZ 10, 91, 98; BGH 19.1.1967 – II ZR 27/65, WM 1967, 315, 316; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 132, 23.

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schluss des Kündigungsrechts führt (§ 723 Abs 3 BGB).203 Zulässig ist auch die Festlegung von Zeitpunkten, zu denen ein Gesellschafter kündigen kann sowie die Bestimmung von Kündigungsfristen. Dabei können unterschiedlich lange Kündigungsfristen für die Komplementäre und die Gesamtheit der Kommanditaktionäre vorgesehen werden,204 da deren Interessenlagen unterschiedlich sein können. Ebenfalls möglich ist die Einräumung weiterer Kündigungsgründe. Schließlich kann sich die Satzung der Kündigungsfolgen annehmen. Denkbar ist 135 etwa eine Regelung, der zufolge die Kündigung eines Gesellschafters, der früheren Rechtslage nach § 131 Nr 6 HGB aF entsprechend, zur Auflösung der Gesellschaft führt. Weiter können die Bemessung, der Zeitpunkt der Fälligkeit und die Modalitäten der Auszahlung des Abfindungsanspruchs Gegenstand von Satzungsregelungen sein, doch dürfen die Beschränkungen wirtschaftlich nicht einem Kündigungsverbot gleichkommen (§§ 138, 242, 723 Abs 3 BGB). Davon ist allerdings in der Regel beim völligen Ausschluss des Abfindungsanspruchs auszugehen205 (s schon oben Rdn 131). dd) Kündigung durch einen Privatgläubiger. Das Ausscheiden eines Gesellschaf- 136 ters aufgrund der Kündigung durch einen Privatgläubiger (§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 4 HGB) kann in der Satzung ausgeschlossen werden, nicht aber das Recht des Privatgläubigers zur Kündigung (§ 135 HGB). Die Kündigungsmöglichkeit des Privatgläubigers nach § 135 HGB ist nicht abdingbar; allerdings kann die Satzung vorsehen, dass die Gesellschaft mit dem betroffenen Gesellschafter fortgesetzt wird und nur das Auseinandersetzungsguthaben auszuzahlen ist (so Rdn 131). An die Regelungen der Satzung im Hinblick auf die Bemessung, Fälligkeit und Auszahlungsmodalitäten eines Abfindungsguthabens ist allerdings auch der Privatgläubiger gebunden,206 es sei denn, diese Regelungen sind wegen Verstoßes gegen §§ 138, 242, 723 Abs 3 BGB nichtig (so Rdn 131, 135). V. Wegfall des einzigen Komplementärs 1. Überblick. Entstehung und Bestand der KGaA setzen zwei Gesellschaftergruppen 137 – Komplementäre und Kommanditaktionäre – voraus.207 Darüber hinaus braucht die KGaA ein geschäftsführungs- und vertretungsbefugtes Organ, das sie in Gestalt der Komplementäre als „geborene“ Geschäftsführungsorgane hat. Sind mehrere Komplementäre vorhanden, von denen nur einer geschäftsführungs- und vertretungsbefugt ist, geht die organschaftliche Befugnis zur Unternehmensleitung im Falle von dessen Ausscheiden auf die noch vorhandenen anderen Komplementäre über. Scheidet jedoch der einzige Komplementär aus der Gesellschaft aus, so fehlt es ihr an einem notwendigen Gesellschafter. Darüber hinaus fehlt es ihr mit dem Wegfall des einzigen Komplementärs aber auch an einem notwendigen Organ, da keine zur Geschäftsführung und Vertretung befugte Person mehr vorhanden ist (organschaftliche Ebene). Das Fehlen eines notwendigen Organs kann aber auch isoliert – dh ohne den Wegfall des letzten Komple-

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203 Marcuse S 35; KK/Mertens/Cahn3 54; MünchKomm/Perlitt5 96; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 132, 25. 204 RG 20.10.1937 – II 58/37, RGZ 156, 129, 134 f; KK/Mertens/Cahn3 55; MünchKomm/Perlitt5 97; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 132, 26. 205 IE auch Baumbach/Hopt/Roth39 § 131, 63. 206 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 105. 207 Anders als bei der KG gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft für die KGaA nicht. Ein Gesellschafter darf sich sowohl als Komplementär als auch als Kommanditaktionär beteiligen (s 280 Rdn 1).

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mentärs – auftauchen, etwa wenn der einzige Komplementär seine Geschäftsführungsund Vertretungsbefugnis niederlegt oder sie ihm entzogen wird (§ 278 Abs 2 iVm §§ 117, 127 HGB)208 und er damit nur noch seine mitgliedschaftliche, nicht aber sein organschaftliche Stellung beibehält. Ob sich die diesbezüglich zum Recht der KG entwickelten Regeln ohne Modifikatio138 nen auf die KGaA übertragen lassen, ist streitig.209 Dies rührt daher, dass in der Diskussion organschaftliche und mitgliedschaftliche Argumente zumeist vermischt werden. Schichtet man sie ab, ergibt sich eine klare und praktikable Lösung. 2. Die organschaftliche Ebene: Fehlen eines Geschäftsführungsorgans a) Gesetzliche Regelung. Ist noch ein Komplementär vorhanden, fehlt diesem aber die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis,210 oder fällt der letzte zur Geschäftsführung und Vertretung befugte Komplementär weg, besteht aus organschaftlicher Sicht keine Notwendigkeit, die Auflösung der Gesellschaft anzunehmen211 (zur mitgliedschaftlichen Perspektive sogleich Rdn 147). Vielmehr kann die Gesellschaft für diesen Fall die vorübergehende gerichtliche Bestellung eines Notorgans beantragen,212 mit dessen Bestellung die organschaftliche Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zunächst gesichert zu werden vermag. Sind in der Zwischenzeit gegenüber der KGaA Willenserklärungen abzugeben oder Schriftstücke zuzustellen, wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten (s § 278 Rdn 157a). 140 Rechtsgrundlage für die Bestellung eines Notorgans ist die analoge Anwendung von § 29 BGB,213 den das Reichsgericht und große Teile des Schrifttums auch für direkt anwendbar halten.214 Nach anderer Ansicht soll § 85 AktG analog heranzuziehen 139

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208 Dies ist zulässig, vgl RG 24.10.1910 – I 79/10, RGZ 74, 297, 301; Bürgers/Fett/Reger § 5, 179; Hüffer/Koch14 9, § 278, 13; MünchKomm/Perlitt5 § 278, 257; KK/Mertens/Cahn3 § 278, 84; Sethe S 152; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 76. AA Godin/Wilhelmi4 § 278, 13; einschränkend auch MünchHdBAG/Herfs4 § 79, 12 (es müsse gleichzeitig die Umwandlung in eine AG beschlossen werden). Die entgegenstehende Entscheidung BGH 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198, 200 zur KG ist unzutreffend (ebenso Hüffer/Koch14 9), zumal der BGH 11.7.1960 – II ZR 260/59, BGHZ 33, 105, 109 ff auch den Ausschluss des einzigen Komplementärs zugelassen hat, was ebenfalls zur Folge hat, dass kein Organ mehr vorhanden ist. 209 Vgl die Wiedergabe des Streitstands vor Inkrafttreten des HRefG (so Rdn 3) bei Sethe S 133 ff, 152. Seit der Neuregelung ist das Meinungsbild noch diffuser. 210 Entsprechendes gilt selbstredend für den Fall, dass noch mehrere Komplementäre vorhanden sind, die aber keine Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis haben. 211 Hüffer/Koch14 9. AA MünchKomm/Perlitt5 147; Schmidt/Lutter/Schmidt3 16. Der Meinungsunterschied ist erheblich, da bei Annahme einer Auflösung ein Beschluss zur Rückumwandlung der Abwicklungsgesellschaft in eine KGaA erforderlich ist, wenn ein zur Übernahme der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis bereiter Komplementär gefunden ist. 212 Für diesen Fall gehen auch MünchKomm/Perlitt5 156; Grigoleit/Servatius2 10, davon aus, dass mit dem Wegfall des letzten geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementärs keine Auflösung der Gesellschaft verbunden ist; widersprüchlich dagegen Schmidt/Lutter/Schmidt3 16 (trotz § 29 BGB immer Auflösung der KGaA) dagegen § 283, 3 (Auflösung, sofern nicht für einen neuen vertretungsbefugten Komplementär gesorgt wird). 213 Arnold S 76 f; Bürgers/Fett/Schulz § 8, 28, 35; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 8; Heidel/Wichert5 22; Sethe S 135 ff; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 48; Schmidt/Lutter/Schmidt3 § 283, 3, § 289, 16; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 278, 82. 214 RG 24.10.1910 – I 79/10, RGZ 74, 297, 301; RG 6.6.1913 – II 99/13, RGZ 82, 360, 362; RG 11.2.1927 – II 129/26, RGZ 116, 116, 119; OLG Saarbrücken 21.4.1977 – 5 W 25/77, OLGZ 1977, 291 (zur KG); Grigoleit/Servatius2 10; Hüffer/Koch14 9; Palandt/Ellenberger BGB79 § 29, 1; Soergel/Hadding BGB13 § 29, 2; Staudinger/Schwennicke, 2019, § 29 BGB, 69. Wohl auch Erman/H P Westermann BGB15 § 29, 1; Linden S 45 mwN und 50; sie wenden die Norm auf alle juristischen Personen des Handelsrechts an.

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sein.215 Wieder andere lehnen sowohl die Anwendung von § 29 BGB (direkt oder analog) als auch die von § 85 AktG analog ab: Gegen § 29 BGB spreche der Grundsatz der Selbstorganschaft, gegen die Analogie zu § 85 AktG die Regelung des § 283.216 Stattdessen schließt sich diese Ansicht einem Urteil des BGH an, der für die Personenhandelsgesellschaften aus § 146 Abs 2 HGB einen zeitweisen Verzicht auf den Grundsatz der Selbstorganschaft bei der KG ableitet.217 Kraft des Verweises aus § 278 Abs 2 würde dieser Weg auch für die KGaA offen stehen. Einer Auseinandersetzung mit den geschilderten Standpunkten bedarf es vorliegend nicht, weil alle Ansichten im Ergebnis die Bestellung eines Notorgans für die KGaA zulassen. Die Bestellung des Notorgans darf nur vorübergehend erfolgen,218 dh bis zur Behe- 141 bung des Mangels. Die zum Vertreter der KGaA bestellte Person haftet nicht persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, da sie durch die Bestellung nicht zum Komplementär der Gesellschaft wird. Vielmehr hat sie nur für die sorgfältige Durchführung der übernommenen Aufgabe einzustehen. b) Handlungsalternativen und Satzungsregelungen. Es kann versucht werden, 142 den verbleibenden, bislang aber von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementär zur Übernahme der Geschäftsführung und Vertretung zu gewinnen und ihm durch Beschluss der Hauptversammlung und seiner Zustimmung Geschäftsführungsund Vertretungsmacht zu erteilen. Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf, mangels einer anderweitigen Regelung in Bezug auf die Entziehung oder Erteilung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, einer satzungsändernden Mehrheit (§ 179). Denkbar ist aber auch, einen neuen Komplementär zu finden, der sich zur Geschäftsführung und Vertretung bereit erklärt, um ihm sodann die entsprechende Stellung als Komplementär und geschäftsführendes Organ durch Beschluss der Hauptversammlung und Zustimmung des verbliebenen Komplementärs zu verschaffen. Der diesbezügliche Beschluss der Hauptversammlung muss, mangels anderweitiger Satzungsregelung für die Aufnahme von Komplementären, ebenfalls mit satzungsändernder Mehrheit (§ 179) gefasst werden. Weigert sich der noch vorhandene Komplementär, die Geschäftsführung und Vertre- 143 tung zu übernehmen und findet sich kein neuer Komplementär, der hierzu bereit wäre, können die Gesellschafter nur die Auflösung der KGaA oder deren Umwandlung in eine AG (§§ 238 ff UmwG) beschließen. Dazu bedarf es eines Umwandlungsbeschlusses der Hauptversammlung (§ 240 Abs 1 UmwG), dem der verbliebene Komplementär zustimmen muss (§ 240 Abs 3 UmwG). Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 240 Abs 1 UmwG). Treuepflichten (s Rdn 153 ff) können unter den gegebenen Voraus-

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215 KK/Mertens/Cahn3 § 278, 84; Schrick NZG 2000, 409, 412 (beide jeweils: Analogie zu § 29 BGB und § 85 AktG); Martin S 31; Pallenbach S 101 f (für den Fall des Entzugs der Vertretungsmacht des einzigen Komplementärs). 216 MünchKommBGB/Arnold7 § 29, 1, 4 f; Bergmann Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft als Problem des allgemeinen Verbandsrechts, 2002, S 96 f; Brenner S 19 ff. Diese Ansicht kann sich nicht auf BGH 23.9.2014 – II ZB 4/14, NJW 2014, 3779 Rdn 12 (zur GbR) berufen, da der BGH sein Urteil auf Nichtpublikumsgesellschaften beschränkt hat. 217 BGH 11.7.1960 – II ZR 260/59, BGHZ 33, 105, 109 ff. Zustimmend MünchKommBGB/Arnold7 § 29, 5. Ebenso Nitschke Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, S 232 ff; Schlegelberger/ K Schmidt HGB5 § 127, 29; Baumbach/Hopt/Roth38 § 117, 7, § 127, 8; A Hueck Das Recht der OHG4 S 302; ders JZ 1961, 90. Ablehnend Buchwald DB 1957, 109 f; ders BB 1961, 1342, 1343. Unklar KK/Mertens/Cahn3 64 f, der die Frage der Geschäftsführung nach Auflösung der KGaA offenlässt. 218 Linden S 46.

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setzungen die Zustimmung des verbliebenen Komplementärs gebieten. Hauptversammlungsbeschluss und Zustimmung des Komplementärs bedürfen der Beurkundung (§ 193 Abs 3 UmwG), wobei dem Erfordernis aus § 285 Abs 3 Satz 2 AktG iVm § 199 UmwG zu genügen und die Zustimmung des Komplementärs in der Verhandlungsniederschrift (zur Hauptversammlung) oder in einem Anhang zur Niederschrift zu beurkunden ist. Eine automatische Umwandlung der KGaA für den Fall des Wegfalls des letzten geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementärs kann die Satzung nicht vorsehen. Dies war nach § 366 AktG aF noch möglich, da die zur Umwandlung notwendige Zustimmung der Gesellschafter nach § 366 AktG aF bereits in der Satzung enthalten sein durfte, sofern die Satzungsbestimmung selbst dem Bestimmtheitsgrundsatz genügte. Die Umwandlung erfolgte dann automatisch ohne entsprechenden Beschluss der Gesellschafter.219 Seit der Neufassung des UmwG von 1994 ist die Satzungsautonomie auf eine Regelung über die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter beschränkt; insoweit kann die Satzung eine Mehrheitsentscheidung vorsehen (§ 240 Abs 3 UmwG). Die zuvor erlaubte antizipierte Zustimmung in der Satzung ist damit nicht mehr zulässig.220 Dies beruht darauf, dass der Beschluss der Gesellschafter auf dem Umwandlungsbericht basiert (§ 192 UmwG). Die dazu erforderlichen Informationen müssen aktuell sein, so dass eine antizipierte Zustimmung zur Umwandlung ausscheidet.221 § 193 Abs 1 Satz 2 UmwG verlangt konsequenterweise die Zustimmung aller Anteilsinhaber in einer Versammlung. Die zur alten Regelung entwickelte Zustimmungspflicht eines ohnehin aus der Gesellschaft ausscheidenden Komplementärs aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gilt jedoch unverändert fort (s Rdn 165).222 Die Satzung kann für den Fall, dass der noch vorhandene Komplementär die Ge144 schäftsführung und Vertretung nicht übernimmt, vorsorgliche Regelungen für das eventuelle Erfordernis der Umwandlung der Gesellschaft in eine AG treffen. Sie kann vorsehen, dass für den Fall des Ausscheidens des letzten geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementärs eine Umwandlung in Betracht kommt, um für diesen Beschluss der Hauptversammlung geringere Mehrheitserfordernisse in der Satzung festzulegen (§ 240 Abs 1 Satz 2 UmwG). Erforderlich – dh nicht abdingbar – ist die Zustimmung der verbliebenen Komplementäre (§ 240 Abs 3 UmwG), doch kann die Satzung für den Fall des Wegfalls des einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementärs bestimmen, dass verbliebene, nicht geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Komplementäre dem Beschluss der Hauptversammlung über die Umwandlung der Gesellschaft in eine AG zustimmen müssen,223 weil darin nicht mehr als die Konkretisierung der allgemeinen Treuepflicht des Komplementärs für die hier in Frage stehenden besonderen Umstände zu sehen ist (s Rdn 165). Wenn die Komplementäre nicht bereit sind, die Organfunktion zu übernehmen, müssen sie zumindest daran mitwirken, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft auf Dauer wiederherzustellen. Zulässig ist auf jeden Fall eine Satzungsregelung, welche für die Zustimmung der verbliebenen Komplementäre eine Mehrheitsentscheidung vorsieht (§ 240 Abs 3 Satz 2 UmwG).

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219 So zu § 366 AktG aF 3. Aufl Barz 12, 20; Godin/Wilhelmi4 3; Sethe S 133 f. AA KK/Mertens1 35. Offengelassen bei KK/Zöllner1 § 366, 4. 220 Sethe S 134. Zustimmend MünchKomm/Perlitt5 164; Lutter/Göthel UmwG6 § 240, 15, § 252, 10; Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Westerburg UmwG8 § 240, 5; Goutier/Knopf/Tulloch/Laumann UmwG § 233, 31; Spindler/Stilz/Bachmann4 26. 221 Sethe S 134. 222 Bei einer Klage auf Ausschließung des letzten Komplementärs kann dies mit einer Klage auf Zustimmung zur Umwandlung in eine AG verbunden werden, Spindler/Stilz/Bachmann4 29. 223 Ebenso MünchKomm/Perlitt5 163.

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Bei der in Rdn 143 f erörterten Gestaltung handelte es sich um eine KGaA, bei der 145 zwar noch ein Komplementär vorhanden, dieser aber zur Übernahme von Geschäftsführung und Vertretung nicht bereit ist. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der letzte Komplementär ausscheidet. In diesem Fall fehlt der Gesellschaft sowohl ein notwendiges Organ als auch ein notwendiges Mitglied. Die Lücke auf organschaftlicher Ebene lässt sich – wie oben (Rdn 140 f) dargelegt – durch die Bestellung eines Notorgans analog § 29 BGB schließen. Auch die Lücke auf mitgliedschaftlicher Ebene wirft keine unüberbrückbaren Hindernisse auf. Es bieten sich die im Folgenden aufgezeichneten Lösungswege an. 3. Die mitgliedschaftliche Ebene: Fehlen eines Komplementärs a) Rechtsfolgen bei fehlender Satzungsregelung. Zeichnet sich das Ausschei- 146 den des einzigen Komplementärs ab, können die Gesellschafter noch bei Zeiten einen neuen Komplementär aufnehmen und ihn mit der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ausstatten (so Rdn 142). Zeit für ein solches Vorgehen bleibt etwa im Fall der Kündigung des Komplementärs oder eines Privatgläubigers, da zwischen deren Kündigung und ihrem Wirksamwerden, mangels anderweitiger Satzungsbestimmungen, ein halbes Jahr liegt. Auch im Falle einer bereits gerichtsanhängigen Auseinandersetzung um die Ausschließung des einzigen Komplementärs durch gerichtliche Entscheidung muss mit dessen Ausscheiden gerechnet werden, so dass für diesen Fall Vorsorge getroffen werden kann. Bleibt die Suche nach einem neuen Komplementär erfolglos oder entscheiden sich die Kommanditaktionäre gegen die Aufnahme eines neuen Komplementärs, kommt statt der Auflösung die Umwandlung der Gesellschaft in eine AG in Betracht (so Rdn 143 f). Weitaus größere Komplikationen ergeben sich, wenn der Wegfall des einzigen 147 Komplementärs überraschend kommt, etwa durch den plötzlichen Tod des Gesellschafters oder eine außerordentliche (und damit zumeist fristlose) Kündigung des Komplementärs. Der BGH hat diese Frage bislang offen gelassen.224 Das bislang überwiegende Schrifttum nimmt an, die Gesellschaft wandele sich nicht automatisch in eine AG um, sondern werde aufgelöst225 (mitgliedschaftliche Ebene) und könne bis zum Beginn der Verteilung des Gesellschaftsvermögens durch Aufnahme eines neuen Komplementärs wieder in eine werbende KGaA umgewandelt werden.226 Diese Ansicht widerspricht der Neukonzeption des § 131 HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz (s Rdn 3). § 131 Abs 3 Satz 1 HGB nF sieht im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters einer zweigliedrigen Personengesellschaft die kraft Gesetzes angeordnete Übernahme des Geschäfts durch den verbleibenden Gesellschafter vor.227 Bei der KGaA bedeutet dies den gesetzlichen

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224 BGH 21.4.2020 – II ZR 56/18, ZIP 2020, 1118 Rdn 52. 225 LG Göttingen 6.9.2012 – 3 O 105/10, DZWIR 2012, 484, 485; Bürgers/Fett/Schulz § 8, 29 f; Bürgers/Fett/Sparfeld/Schütz § 11, 173; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 8; BeckHdbAG/Schmidt-Hern3 § 18, 93; Grigoleit/Servatius2 10; Henssler/Strohn/Arnold4 5; Hüffer/Koch14 9; Kessler NZG 2005, 145, 146; KK/Mertens/Cahn3 63; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 48, § 77, 31; MünchKomm/Perlitt5 143; Schlitt S 145; Schmidt/Lutter/Schmidt3 3, 15; Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Westerburg UmwG8 § 226, 5; Schrick NZG 2000, 409, 412; Seeger S 161 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 26; Widmann/Mayer/Vossius UmwG § 226, 18. So auch vor Erlass des HRefG BGH 14.5.1952 – II ZR 40/51, BGHZ 6, 113, 116; BGH 12.11.1952 – II ZR 260/51, BGHZ 8, 35, 37 f; BGH 23.11.1978 – II ZR 20/78, BGH NJW 1979, 1705, 1706; Rötelmann NJW 1956, 1617, 1620; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 131, 43; ders Gesellschaftsrecht3, S 1528; Schlitt S 145. 226 Vgl Hüffer/Koch14 9; MünchKomm/Perlitt5 148, 152; Schlitt S 145. 227 Baumbach/Hopt/Roth39 § 131, 35, § 139, 43. Sa BGH 16.12.1999 – VII ZR 53/97, NZG 2000, 474 (zur GmbH & Co KG mit entsprechender gesellschaftsvertraglicher Regelung). Keine derartige Übernahme wird vorgesehen bei der KG, um eine persönliche Haftung der Kommanditisten zu vermeiden, vgl K Schmidt

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Übergang des Geschäfts auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre, in der Sache also eine kraft Gesetzes erfolgende Umwandlung der KGaA in eine AG.228 Die Rechtsfolge der automatischen Umwandlung in eine AG bedeutet jedoch, dass die Kommanditaktionäre eine Rückumwandlung in eine KGaA vornehmen müssten, sollten sie an der KGaA als Rechtsform festhalten wollen. Diese Rückumwandlung müsste nach den speziellen Regeln des UmwG erfolgen, da keiner der personengesellschaftsrechtlich anerkannten Tatbestände einer Umwandlung kraft Gesetzes gegeben ist. Diese Vorgehensweise erscheint aufgrund der Erfordernisse des Register- und Umwandlungsrechts aufwendig, umständlich und kostenträchtig. Angemessen ist daher eine analoge Anwendung von § 139 Abs 3 Satz 1 HGB, so dass den verbleibenden Gesellschaftern der KGaA eine dreimonatige Frist ab dem Bekanntwerden des Ausscheidens des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters zusteht, in der sie einen neuen Komplementär finden können.229 Denn der Gesetzgeber hat mit § 139 HGB zu erkennen gegeben, dass im Personenhandelsgesellschaftsrecht das vorübergehende Fehlen eines Komplementärs nicht automatisch zum Rechtsformwechsel führen soll, sondern dem Rechtsverkehr ein Schwebezustand von bis zu drei Monaten zumutbar ist. Eine Umwandlung kraft Gesetzes soll erst nach der Entscheidung des Erben erfolgen und auch nur dann, wenn es den Gesellschaftern nicht gelungen ist, in der Zwischenzeit einen anderen Komplementär zu finden. Diese Erwägungen lassen sich ohne Weiteres auch auf die KGaA mit fehlendem Komplementär übertragen. Der Gläubiger- und der Anlegerschutz werden durch eine solche Lösung nicht beeinträchtigt, denn weder werden die Haftungsverhältnisse verändert noch ist die Gesellschaft führungslos, da während des Schwebezustands eine Notgeschäftsführung bestellt wird. Zudem würde jeder andere denkbare Lösungsweg, nämlich eine Umwandlung mit anschließender Rückumwandlung oder ein selbst nur vorübergehender Eintritt in das Auflösungsstadium eine erhebliche Verunsicherung der Kommanditaktionäre und Gläubiger verursachen und dem Unternehmen Schaden zufügen.230 Der hier vorgeschlagene Lösungsweg ist interessengerechter als eine Gefährdung oder Zerschlagung eines funktionierenden Unternehmens. Er entspricht im Übrigen der in zahlreichen anderen Rechtsordnungen ausdrücklich vorhandenen Gesetzeslage.231 Festzuhalten ist damit, dass sich die KGaA erst mit fruchtlosem Ablauf der Dreimonatsfrist in eine AG umwandelt oder wenn die Gesellschafter schon vorher mit der Mehrheit des § 240 Abs 1 UmwG analog beschließen, auf einen Komplementär verzichten zu wollen. In diesen Fällen hat der Aufsichtsrat unverzüglich einen Vorstand zu bestellen, der die während der Dreimonatsfrist tätige Notgeschäftsführung ablöst und die erforderlichen registerrechtlichen Anmeldungen vornimmt. Zusätzlich empfehlen sich Satzungsregelungen, mit denen weitere Vorsorge für 148 das Ausscheiden des einzigen Komplementärs getroffen wird. Solche Regelungen greifen

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ZGR 2004, 227, 237. Dieser Aspekt spielt bei der KGaA keine Rolle, denn die Gesamtheit der Kommanditaktionäre haftet ohnehin für die Verbindlichkeiten der KGaA. 228 So schon vor Erlass des HRefG Kallmeyer ZIP 1994, 1746, 1751 und jetzt Kallmeyer/Meister/Klöcker7 § 190, 14; Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 281; Heidel/Wichert5 22; Philbert S 231 ff; Bunnemann S 54 ff. Unter der Voraussetzung einer Fortsetzung der Gesellschaft auch Semler/Stengel/Schwanna UmwG4, § 190, 26; Lutter/Hoger UmwG6, § 190, 13; aA die in Fn 225 Genannten. 229 Auch MünchKomm/Perlitt5 152, der Vertreter der Ansicht ist, die die Auflösung und nicht die Umwandlung der KGaA in eine AG befürwortet, wendet die Dreimonatsfrist an, um einen neuen Komplementär aufzunehmen. Erst danach trete die Wirkung der Auflösung ein. Bunnemann S 48 ff, folgt zwar der hier vertretenen Position einer Umwandlung der KGaA kraft Gesetzes in eine AG, lehnt aber die dreimonatige Übergangsfrist ab. 230 Dies berücksichtigt Schmidt/Lutter/Schmidt3 15 nicht, wenn er die Analogie zu § 139 Abs 3 HGB ablehnt mit dem Argument, man könne ja einfach die Fortsetzung beschließen. 231 Sethe S 540 mwN.

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sowohl beim absehbaren wie beim plötzlichen Ausscheiden des Komplementärs. Es kommen verschiedene Satzungsregelungen in Betracht, die einzeln oder kombiniert in die Satzung aufgenommen werden können. b) Satzungsregelungen aa) Nachfolgeklausel. Für den Fall des Todes des einzigen Komplementärs können 149 die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft mit den jeweiligen Erben oder bestimmten Erben vereinbaren (Nachfolgeklausel, § 139 HGB).232 Falls der Erbe nicht sofort die Komplementärsstellung übernimmt, sondern die Ausübung des Wahlrechts nach § 139 Abs 1 HGB in Erwägung zieht, ist die Gesellschaft vorübergehend ohne Komplementär. Während dieser Zeit wird sie weder aufgelöst233 noch kraft Gesetzes in eine AG umgewandelt, doch muss die Gesamtheit der Kommanditaktionäre unter diesen Umständen die gerichtliche Bestellung einer Notgeschäftsführung (analog § 29 BGB) beantragen. Entscheiden sich alle Erben gegen die Übernahme der Komplementärstellung, fehlt es – gleich ob ihnen die Stellung eines Kommanditaktionärs eingeräumt wird oder sie aufgrund der Ablehnung ihres diesbezüglichen Antrags ihr Ausscheiden aus der Gesellschaft erklären (§ 139 Abs 2 HGB) – an einem Komplementär. Bei einer zweigliedrigen Personengesellschaft sieht das Gesetz in diesem Fall die Übernahme des Geschäfts durch den verbleibenden Gesellschafter vor.234 Da der verbleibende Gesellschafter die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist, wandelt sich die KGaA also kraft Gesetzes in eine AG um. Das UmwG steht Fällen der Umwandlung kraft Gesetzes nicht entgegen.235 Um eine Umwandlung zu vermeiden, kann der verbleibende Gesellschafter in Gestalt der Gesamtheit der Kommanditaktionäre in der Zeit bis zur Ausübung des Wahlrechts einen neuen Komplementär aufnehmen oder die Auflösung der Gesellschaft für den Fall der Ablehnung der Komplementärsstellung durch den/die Erben beschließen. bb) Auflösung statt Umwandlung. Hat die KGaA keinen Komplementär mehr und 150 gelingt es nicht, innerhalb der Dreimonatsfrist (§ 139 Abs 3 Satz 1 HGB analog) einen solchen zu finden, wird die Gesellschaft kraft Gesetzes in eine AG umgewandelt (so Rdn 147). Wollen die Gesellschafter dieses Ergebnis vermeiden, können sie in der Satzung bestimmen, dass die Gesellschaft in diesem Fall aufgelöst wird. cc) Keine automatische Umwandlung kraft entsprechender Satzungsbestim- 151 mung. Hat die KGaA noch einen Komplementär, der jedoch nicht bereit ist, die Organfunktion zu übernehmen, scheidet die in Rdn 147 erörterte Umwandlung kraft Gesetzes aus, da es sich gerade nicht um einen Fall der zweigliedrigen Gesellschaft handelt, bei der ein Gesellschafter wegfällt. Wenn für diesen Fall eine Umwandlung in eine AG gewünscht wird, kann diese nur nach dem UmwG erfolgen. Eine automatische Umwandlung der KGaA in eine AG kraft Satzungsbestimmung ist heute unzulässig (so Rdn 143). Einer Satzungsregelung zugänglich sind jedoch bestimmte Fragen der Beschlussfassung (auch dazu oben Rdn 144). dd) Vorkehrungen für die Neuaufnahme eines Komplementärs oder die Er- 152 teilung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis an einen verbliebenen

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So Rdn 120 ff. So Rdn 147 sowie iE auch Baumbach/Hopt/Roth39 § 139, 7, 43 (zur Personenhandelsgesellschaft). Baumbach/Hopt/Roth39 § 139, 43. So Fn 119 mwN.

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Komplementär. Für den Fall des Ausscheidens des einzigen oder des letzten geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementärs kann die Satzung die Neuaufnahme eines Komplementärs erleichtern, indem sie eine geringere Mehrheit als die gesetzlich vorgesehene (§ 179) für erforderlich erklärt (s § 278 Rdn 99). Eine gleichartige Regelung kann für die Erteilung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis an den neuen Komplementär vorgesehen werden. Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass sich eine solche Herabsetzung des Mehrheitserfordernisses nach § 179 Abs 2 Satz 2 richtet und daher nicht nur in dem hier behandelten Fall zulässig ist. 4. Treuepflichten als Hindernis des Ausscheidens a) Grundsätzliche Überlegungen. Von der vorstehend erörterten Frage, wie durch entsprechende Satzungsgestaltungen Vorsorge für den Fall des Ausscheidens des einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten oder des letzten Komplementärs getroffen wird, ist diejenige zu unterscheiden, ob das Ausscheiden des betroffenen Komplementärs überhaupt wirksam geworden ist oder, wenn es noch bevorsteht, wirksam werden kann. Eine Antwort hierauf hat zunächst unter Beachtung der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Ausscheidens eines Gesellschafters zu erfolgen. 154 Darüber hinaus ist zu erwägen, ob gesellschaftliche Treuepflichten dem Ausscheiden des einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten oder des letzten Komplementärs entgegenstehen. Es ist davon auszugehen, dass keine allgemeine Treuepflicht des einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten oder des letzten Komplementärs zur Vermeidung der für die Gesellschaft und die verbleibenden Gesellschafter negativen Folgen seines Ausscheidens besteht. Für eine solche ist schon deshalb kein Raum, weil das Ausscheiden des Gesellschafters auf der Initiative der Gesellschafter oder Dritter (zB Kündigung durch einen Privatgläubiger, Insolvenz der Komplementärgesellschaft der KGaA) beruhen kann, so dass dem betroffenen Komplementär in Bezug auf sein Ausscheiden keine Handlungsalternativen zur Verfügung stehen, unter denen er nach dem Gesichtspunkt von Treuepflichten auswählen könnte. Ausscheidensbezogene Treuepflichten des Komplementärs kommen deshalb nur für den Fall in Betracht, dass ihm, ggf im Zusammenwirken mit den übrigen Gesellschaftern, Handlungsmöglichkeiten zur Vermeidung negativer Folgen seines Ausscheidens offenstehen und diese für ihn, in Ansehung berechtigter eigener Interessen,236 auch zumutbar sind. Vor allem letzteres verlangt es, Treuepflichten des einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten oder des letzten Komplementärs in Bezug auf sein Ausscheiden nach einzelnen Anlässen seines Ausscheidens zu beurteilen. Dabei sei an dieser Stelle zur Klarstellung nochmals darauf hingewiesen, dass das Ausscheiden des letzten Komplementärs nicht die Auflösung der KGaA zur Folge hat, wie es Teile des Schrifttums vertreten, sondern – nach Ablauf der Dreimonatsfrist von § 139 Abs 3 Satz 1 HGB – die Umwandlung in eine AG. Die Rechtsfolgen sind damit für die Gesellschaft nicht so existentiell, wie Teile des Schrifttums im Zusammenhang mit der Erörterung der Treuepflicht des ausscheidenden letzten Komplementärs unterstellen. Negative Folgen können sich allerdings in wirtschaftlicher Hinsicht ergeben (Auszahlung des Abfindungsguthabens sowie Einbuße an Renommee, falls es sich bei dem Komplementär um eine Unternehmerpersönlichkeit handelte, die das Image der Firma prägte, etc). 153

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236 BGH 27.6.1988 – II ZR 143/87, NJW 1989, 166, 167 f; BGH 22.6.1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167, 3171; OLG Hamburg 28.1.1983 – 11 U 156/82, ZIP 1983, 573, 576.

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b) Unfreiwilliges Ausscheiden auf Veranlassung durch Gesellschafter oder Dritte. Keine Treuepflichten bestehen nach vorstehend (Rdn 154) ausgeführten Grundsätzen für die Fälle, in denen das Ausscheiden des Komplementärs auf die zulässige237 Initiative von Gesellschaftern oder von Dritten zurückzuführen ist.238 Muss der Gesellschafter in solchen Fällen kraft gesetzlicher Vorschriften oder Satzungsbestimmungen unfreiwillig aus der Gesellschaft ausscheiden, bleibt ihm kein Verhaltensspielraum, der durch Treuepflichten begrenzt werden könnte. Unter diesen Umständen stellt sich lediglich die Frage, ob der ausgeschiedene oder nach Ablauf einer Frist ausscheidende Gesellschafter nach Treu und Glauben verpflichtet sein kann, einer Wiederaufnahme in die Gesellschaft oder – im Falle des Laufes einer Ausschlussfrist – einem Beschluss über die Fortsetzung der Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern zuzustimmen. Dabei ist zu differenzieren: – Beruht das Ausscheiden des Gesellschafters auf dem Betreiben von Gesellschaftern, ist ihm die Zustimmung zu seiner Wiederaufnahme aus einer nunmehr allenfalls nachwirkenden Treuepflicht unter Berücksichtigung seiner eigenen Interessen idR nicht zumutbar. – Anders verhält es sich in dem Fall, dass sein Ausscheiden auf der Kündigung durch einen Privatgläubiger beruht und in der Satzung keine Vorkehrungen getroffen wurden, um das Ausscheiden des Gesellschafters (§ 131 Abs 3 Satz 1 Nr 4 HGB) nach der in § 135 HGB bestimmten Frist für einen solchen Fall zu verhindern.239 Können die Gesellschafter für den Fall der Kündigung eines Privatgläubigers uU sogar nach Treu und Glauben verpflichtet sein, den ausgeschiedenen Gesellschafter wieder aufzunehmen,240 so kann auch umgekehrt der letzte geschäftsführungs- und vertretungsbefugte oder einzige Komplementär nach Treu und Glauben grundsätzlich als verpflichtet betrachtet werden, der (ggf befristeten) Wiederaufnahme zuzustimmen. Dafür spricht der Umstand, dass die negativen gesellschaftsbezogenen Folgen seines Ausscheidens aus seiner Sphäre stammen und, anders als bei seinem Ausscheiden auf Betreiben von Gesellschaftern, nicht auf Auseinandersetzungen in der Gesellschaft zurückzuführen sind. – Nicht anders verhält es sich für den Fall, dass das Ausscheiden des Komplementärs auf der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beruht, sei es auf Antrag der Gläubiger des Gesellschafters oder auf Antrag des Gesellschafters selbst als Schuldner (§ 13 InsO).241

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237 Auch der Ausschluss des einzigen oder des letzten geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementärs durch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist aus wichtigem Grund zulässig, so Rdn 91 aE. 238 Für den Fall des Betreibens des Ausschlusses des einzigen geschäftsführungsbefugten Komplementärs durch die übrigen persönlich haftenden Gesellschafter oder die Gesamtheit der Kommanditaktionäre ebenso MünchKomm/Perlitt5 166. 239 MünchKomm/Semler/Perlitt2 177 gingen diesbezüglich offenbar davon aus, dass die Kündigung durch einen Privatgläubiger nur dann zum Ausscheiden des Gesellschafters führt, wenn die Kommanditaktionäre für den Eintritt eines neuen geschäftsführungsbefugten und vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafters sorgen oder eine Umwandlung der Gesellschaft in eine AG beschließen. In der aktuellen Aufl wird diese Position nicht mehr vertreten. 240 Etwa für den Fall, dass die Kündigung durch den Privatgläubiger auf arglistige Veranlassung durch einen Gesellschafter zurückgeht: BGH 15.6.1959 – II ZR 44/58, BGHZ 30, 195, 200 ff. 241 Auch (so Fn 239) im Hinblick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Komplementärs gingen MünchKomm/Semler/Perlitt2 177 offenbar davon aus, dass dies nur dann zum Ausscheiden des Gesellschafters führt, wenn die Kommanditaktionäre für den Eintritt eines neuen geschäftsführungsbefugten und vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafters sorgen oder eine Umwandlung der Gesellschaft in eine AG beschließen. Auch dieser Standpunkt wurde aufgegeben.

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c) Freiwilliges Ausscheiden des Komplementärs. Beruht das Ausscheiden des einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten oder des letzten Komplementärs auf einer Vereinbarung zwischen dem Komplementär und den übrigen Gesellschaftern, so stellt dies, auch wenn die Satzung allgemein das Ausscheiden eines Komplementärs auf vertraglicher Grundlage gestattet, eine beiderseitige Verletzung der fremdnützigen gesellschaftlichen Treuepflicht zur Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen dar. Die Vereinbarung ist deshalb wegen Verstoßes gegen § 242 BGB nichtig.242 Zulässig ist eine solche Vereinbarung nur dann, wenn aufgrund einer entsprechenden Satzungsregelung oder eines satzungsändernden Beschlusses mit dem vertraglich begründeten Ausscheiden des Komplementärs zugleich ein neuer persönlich haftender Gesellschafter in die Gesellschaft eintritt243 oder gleichzeitig beschlossen wird, die Gesellschaft in eine AG umzuwandeln.244 Ist die Mitgliedschaft des Komplementärs eine auf einen bestimmten Zeitpunkt 161 (etwa das Erreichen eines bestimmten Lebensalters) oder den Ablauf einer bestimmten Zeit (etwa den Ablauf von fünf Jahren) befristet, so scheidet der Gesellschafter mit Ablauf der Frist aus. Unter den angeführten Umständen konnten die verbliebenen Gesellschafter den Zeitpunkt des Ausscheidens genau bestimmen und hatten genügend Zeit, für eine Nachfolge zu sorgen. Grundsätzlich unterliegt der betroffene und zu einer Verlängerung seiner Mitgliedschaft nicht bereite Komplementär deshalb keiner Treuepflicht, die ihn am Ausscheiden hindert.245 Der Anerkennung einer auch gesellschaftsbezogenen Treuepflicht und besondere Umstände des Einzelfalls können jedoch eine Pflicht zur (befristeten) Verlängerung der Mitgliedschaft gebieten. Das wird man etwa für den (freilich wenig wahrscheinlichen) Fall annehmen können, dass ein weiterer geschäftsführungs- und vertretungsbefugter Gesellschafter kurz vor dem Ablauf der befristeten Mitgliedschaft des austrittswilligen Komplementärs unvorhergesehen (etwa durch Tod bei fehlender Nachfolgeklausel in der Satzung) ausgeschieden ist und der vor dem Ausscheiden stehende Komplementär keinen anderweitigen vertraglichen Bindungen unterliegt, die ihn an einer befristeten Fortsetzung seiner Gesellschafterstellung hindern. Aber auch in solchen Fällen ist der Austrittswillige allenfalls zur Verlängerung seiner Mitgliedschaft um einen Zeitraum verpflichtet, der den übrigen Gesellschaftern erlaubt, einen Nachfolger zu finden. Eine – hier nachwirkende – Treuepflicht, der Wiederaufnahme als Gesellschafter für 162 einen angemessenen Zeitraum zuzustimmen, wird man grundsätzlich auch dem Komplementär auferlegen können, der aufgrund des von keinem Gesellschafter beeinflussten Eintritts einer in der Satzung festgelegten Bedingung ausscheidet. Aber auch diesbezüglich können besondere Umstände des Einzelfalls ein Abweichen von diesem Grundsatz rechtfertigen. Das ist etwa für den Fall zu erwägen, dass der zum Wiedereintritt nicht bereite Komplementär über einen längeren Zeitraum der einzige geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Komplementär war und die übrigen Gesellschafter damit Anlass gehabt hätten, Vorkehrungen für das eventuelle, nicht beeinflussbare Ausscheiden des fraglichen Komplementärs zu treffen. Eine auf die Zustimmung zur Neuaufnah-

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242 IE ebenso 3. Aufl Barz 20 und MünchKomm/Perlitt5 169, die von einer „grundsätzlichen Unzulässigkeit“ einer solchen Vereinbarung ausgehen. 243 3. Aufl Barz 20; KK/Mertens/Cahn3 66. 244 KK/Mertens/Cahn3 66; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 50; MünchKomm/Perlitt5 169. 245 IE ebenso MünchKomm/Perlitt5 170 f, die allerdings in Bezug auf Zeitablauf (ebd, 170) das Verhältnis von Grundsatz und Ausnahme eher umgekehrt sehen. MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 51 bejaht ganz generell, und damit zu pauschal, eine Treuepflicht zur Verlängerung des Gesellschaftsverhältnisses bei Zeitablauf.

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me gerichtete Treuepflicht wird man hier vollends ablehnen, wenn der Komplementär seinerseits auf die Notwendigkeit einer solchen Vorsorge hingewiesen oder gar erfolglos hingewirkt hat. Würde der austrittswillige Komplementär aufgrund einer ausgesprochenen ordent- 163 lichen Kündigung ausscheiden, so ist in erster Linie auf die einzuhaltende Kündigungsfrist zu verweisen, da die Berücksichtigung einer Treuepflicht auch hier im Regelfall nur darauf hinauslaufen kann, den übrigen Gesellschaftern einen angemessenen Zeitraum zur Suche eines Nachfolgers oder zur Vornahme einer Umwandlung der Gesellschaft in eine AG zu gewähren. Kann die Kündigungsfrist hierfür als ausreichend angesehen werden, ist der Komplementär bei der Kündigung nicht durch Treuepflichten gebunden. Ist die Kündigungsfrist hierfür nicht ausreichend – was bei Satzungsregelungen mitunter der Fall sein kann – so hindert die Treuepflicht den Komplementär nicht an der Kündigung, verpflichtet ihn aber, sich auf eine von den übrigen Gesellschaftern vorgeschlagene Fristverlängerung einzulassen oder von sich aus eine solche anzubieten. Hinzu kommt, dass – je nach den Umständen des Einzelfalls – auch eine ordentliche Kündigung als zur Unzeit ausgesprochen angesehen werden kann.246 Das dürfte etwa dann anzunehmen sein, wenn der letzte Komplementär kurz nach dem Ausscheiden eines anderen Komplementärs seine Kündigung ausspricht. Kündigt der letzte oder der letzte geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Kom- 164 plementär aus wichtigem Grund fristlos, so liegt hierin kein willkürlicher (also gänzlich freiwilliger) Akt des Gesellschafters. Denn einer solchen Kündigung müssen gravierende Ereignisse vorausgegangen sein, welche die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses als unzumutbar erscheinen lassen. Gleichwohl kann es die Treuepflicht gebieten, mit der fristlosen Kündigung – die auszusprechen der Gesellschafter zur Wahrung seiner Rechte im zeitlichen Zusammenhang mit dem fraglichen Grund gezwungen ist – das Angebot eines befristeten Verbleibens in der Gesellschaft zu verbinden, um einen geordneten Übergang innerhalb der Gesellschaft zu ermöglichen. Ob der Komplementär ein solches Angebot machen muss, ist vom Anlass der Kündigung und den Zuständen in der Gesellschaft abhängig. So sind durchaus Gründe denkbar, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen können, die aber nicht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zurechenbar sind.247 In einem solchen Fall muss eine fristlose Kündigung mit dem Angebot eines befristeten Verbleibens in der Gesellschaft verbunden werden, es sei denn, dem Komplementär ist aus anderen Gründen jedes weitere, auch kurzfristige Verbleiben in der Gesellschaft unzumutbar. d) Sonstige Fälle. Weigert sich der einzig verbleibende Komplementär, die Ge- 165 schäftsführung und Vertretung zu übernehmen und findet sich kein neuer Komplementär, der hierzu bereit wäre, ist der einzig verbleibende Komplementär unter Treuepflichtgesichtspunkten verpflichtet, jedenfalls der Umwandlung in eine AG oder der Auflösung zuzustimmen (so Rdn 143). Gleiches gilt für einen ohnehin aus der Gesellschaft ausscheidenden Komplementär. VI. Folgen des Ausscheidens 1. Übersicht. Scheidet ein Komplementär aus der Gesellschaft aus, findet im In- 166 nenverhältnis zwischen dem Komplementär und den übrigen Gesellschaftern die Au-

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246 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 51 (Treuepflicht bei Ausübung). 247 Auch MünchKomm/Perlitt5 173 weisen auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Treuepflichten gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre hin.

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seinandersetzung statt (su Rdn 168 ff), die sich (aufgrund der Verweiskette aus § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 105 Abs 3 HGB) nach den für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts geltenden Vorschriften der §§ 738–740 BGB richtet. Nach sinngemäßer Anwendung des § 738 Abs 1 BGB wächst der Anteil des ausgeschiedenen Komplementärs den übrigen Gesellschaftern zu. Im Gegenzug stehen dem ausgeschiedenen Komplementär verschiedene Ansprüche gegen die Gesellschaft (s Rdn 168) zu, in deren Mittelpunkt der Abfindungsanspruch des Ausscheidenden steht. Die gesetzliche Regelung der Auseinandersetzung kann in den durch die Rechtsprechung gezogenen Grenzen durch die Satzung der KGaA abgewandelt werden. 167 Im Außenverhältnis unterliegt der ausgeschiedene Komplementär nach zwingender gesetzlicher Regelung der Haftung für die vor oder während seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten (sog Nachhaftung; §§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 160 HGB). Im Zuge der Auseinandersetzung ist der Ausscheidende jedoch nach § 738 Abs 1 Satz 2 BGB von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien. Soweit diese noch nicht fällig sind, ist dem Ausscheidenden nach § 738 Abs 1 Satz 3 BGB Sicherheit zu leisten. 2. Auseinandersetzung 168

a) Gesetzliche Regelung. Nach dem Ausscheiden eines Komplementärs findet zwischen diesem und den Gesellschaftern die Auseinandersetzung statt, aus der dem Komplementär verschiedene Ansprüche erwachsen, die sich – da es sich bei der KGaA, anders als bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nicht um eine Gesamthand handelt – gegen die Gesellschaft richten.248 Im Einzelnen stehen dem Komplementär Ansprüche – auf Rückgabe der Gesellschaft überlassener Gegenstände, – auf die Befreiung von gemeinschaftlichen Schulden, – auf seinen Anteil am Ergebnis schwebender Geschäfte und va – auf das Auseinandersetzungsguthaben (sog Abfindung) zu.

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aa) Rückgabe von der Gesellschaft überlassenen Gegenständen. Nach § 738 Abs 1 Satz 2 BGB ist die Gesellschaft verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft überlassen hat, nach Maßgabe des § 732 BGB zurückzugeben. Der Verweis auf § 732 BGB hat zur Folge, dass der Ausgeschiedene für durch Zufall untergegangene oder verschlechterte Gegenstände keinen Ersatz verlangen kann. Nachwirkende Treuepflichten können den Ausgeschiedenen dazu verpflichten, der Gesellschaft die fraglichen Gegenstände vorübergehend zu angemessenen Bedingungen249 zu belassen.

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bb) Befreiung von gemeinschaftlichen Schulden. Gleichsam im Gegenzuge zur sog Nachhaftung der ausscheidenden Komplementäre nach § 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 160 HGB steht diesen nach § 738 Abs 1 Satz 2 BGB ein Anspruch auf Befreiung von den gemeinschaftlichen Schulden zu. Soweit diese noch nicht fällig sind, ist dem Ausscheidenden nach § 738 Abs 1 Satz 3 BGB Sicherheit zu leisten. Die Verpflichtung ist vor der Aufstellung der Abschichtungsbilanz, die zum Zwecke der Ermittlung des Abfindungsguthabens des Ausgeschiedenen zu erstellen ist (su Rdn 173), zu erfüllen.250 Vom

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248 BGH 24.1.1974 – II ZR 128/71, AG 1974, 187; KK/Mertens/Cahn3 69; MünchKomm/Perlitt5 190; Spindler/Stilz/Bachmann4 29; Wichert S 228. 249 BGH 14.11.1988 – II ZR 77/88, NJW 1989, 1030 ff (zur OHG). 250 BGH 14.2.1974 – II ZR 83/72, NJW 1974, 899 f (zur OHG).

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Ausgeschiedenen gestellte Sicherheiten für Verbindlichkeiten der Gesellschaft sind von dieser abzulösen.251 Streitige Forderungen252 und Forderungen gegen den Ausscheidenden für dessen Haftung auf den sog Fehlbetrag nach § 739 BGB (su Rdn 174)253 gehören nicht zu den fälligen Forderungen, für die Sicherheit zu leisten ist, doch kann der Ausgeschiedene die Zahlung des sog Fehlbetrags solange nach § 273 BGB verweigern, als die Gesellschaft ihrer Verpflichtung zur Rückgabe der überlassenen Gegenstände und der Befreiung von gemeinschaftlichen Schulden nicht nachgekommen ist.254 cc) Anteil am Ergebnis schwebender Geschäfte. Nach § 740 BGB nimmt der Aus- 171 geschiedene am Gewinn und Verlust teil, der sich aus den zur Zeit seines Ausscheidens schwebenden Geschäften ergibt. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, die Berechnung des Abfindungsanspruchs (su Rdn 172 ff) aufgrund der Abfindungsbilanz zu erleichtern, die ggf im Wege der Schätzung des Werts des Gesellschaftsvermögens erfolgen kann (§ 738 Abs 2 BGB). Schwebende Geschäfte sind alle bei Ausscheiden des Komplementärs durch die Vertragsparteien begründeten, aber noch nicht vollständig erfüllten Umsatzgeschäfte. Der Anspruch des Gesellschafters (auf die Gewinnbeteiligung) bzw der Gesellschaft (bezüglich der Verlustbeteiligung) im Hinblick auf inzwischen beendigte Geschäfte kann, entsprechend der diesbezüglichen Rechnungslegungspflichten der Gesellschaft, mit Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahrs, unabhängig von Stand der Auseinandersetzung, geltend gemacht werden (§ 740 Abs 2 BGB).255 dd) Auseinandersetzungsguthaben. Der regelmäßig bedeutendste Auseinander- 172 setzungsanspruch des ausgeschiedenen Komplementärs gegen die Gesellschaft ist derjenige auf das Auseinandersetzungsguthaben (Abfindungsanspruch). Danach steht dem Ausgeschiedenen für seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen dasjenige zu, was er bei Auflösung und Liquidation der Gesellschaft erhalten würde. War der ausgeschiedene Komplementär nicht mit einer Sondereinlage (dh einer nicht auf das Grundkapital erbrachten Einlage) an der Gesellschaft beteiligt, wird sich idR die Ermittlung eines Abfindungsguthabens erübrigen,256 es sei denn, der Gesellschafter war kraft entsprechender Satzungsbestimmung an den während der Dauer seiner Mitgliedschaft gebildeten Rücklagen beteiligt.257 Das Auseinandersetzungsguthaben berechnet sich nach § 278 Abs 2 iVm §§ 161 173 Abs 2, 105 Abs 3 HGB, 738–740 BGB, sofern die Satzung keine Sonderregeln enthält. Die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens erfordert die Aufstellung einer Abschichtungsbilanz. Maßgebend ist der wahre Wert des Gesellschaftsvermögens am Tag des Ausscheidens. Dies ist der Verkehrswert des werbenden Unternehmens inklusive der stillen Reserven und des Goodwill.258 Die Rechtsprechung nimmt als Wert den Preis an, der bei einer Veräußerung des Unternehmens erzielt werden würde,259 doch hilft dieser

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251 BGH 14.2.1974 – II ZR 83/72, NJW 1974, 899. Dazu gehören nach der unverständlichen Entscheidung BGH 9.12.1968 – II ZR 42/67, BGHZ 51, 204, 207 allerdings keine Bürgschaften. 252 RG 18.2.1905 – I 468/04, RGZ 60, 155, 158. 253 BGH 14.2.1974 – II ZR 83/72, NJW 1974, 899, 900. 254 MünchKommBGB/Schäfer7 § 739, 3a. 255 BGH 15.4.1965 – II ZR 189/64, WM 1965, 765, 766; BGH 16.1.1969 – II ZR 115/67, WM 1969, 494, 495; BGH 12.11.1970 – II ZR 23/69, WM 1971, 130, 131; BGH 7.12.1992 – II ZR 248/91, BGH NJW 1993, 1194 f. 256 3. Aufl Barz 23; MünchKomm/Perlitt5 198; Schlitt 145. 257 3. Aufl Barz 23; MünchKomm/Perlitt5 198. 258 Vgl BGH 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 370 (zur GmbH). 259 BGH 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 370 (zur GmbH); BGH 20.9.1971 – II ZR 157/68, WM 1971, 1450; BGH 24.9.1984 – II ZR 256/83, NJW 1985, 192 f.

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Anknüpfungspunkt, außer bei konkreten Verkaufsabsichten, selten weiter. Deshalb ist regelmäßig eine Bewertung des Unternehmens260 erforderlich. Maßgeblich ist nach heute herrschender Meinung der Ertragswert des Unternehmens auf der Grundlage einer Prognose über die künftigen Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben unter Abzinsung.261 Da die Komplementäre (ohne gegenteilige Regelung in der Satzung) an den freien Rücklagen der KGaA (s § 288 Rdn 3) nicht beteiligt sind, bleiben diese auch bei der Berechnung des Abfindungsguthabens unberücksichtigt.262 Ergibt sich ein negativer Unternehmenswert, deckt also das Gesellschaftsvermö174 gen die Verbindlichkeiten der Gesellschaft und die Einlagen der Gesellschafter (dh nicht auf das Grundkapital geleistete Einlagen der Komplementäre zuzüglich des bilanzierten Eigenkapitals der Gesellschaft) nicht, so hat der Ausgeschiedene der Gesellschaft den Fehlbetrag, entsprechend des auf ihn entfallenden Verlustanteils, zu erstatten (§ 739 BGB). Wurde mit oder nach dem Ausscheiden des Komplementärs die Umwandlung der 175 Gesellschaft in eine AG beschlossen, ist die Abfindung des Ausgeschiedenen eine von der (künftigen) AG zu erbringende Leistung. Andernfalls müssten die Komplementäre ihre eigene Abfindung mitbezahlen. Hat die KGaA Rückstellungen gebildet, um die künftige Abfindung ausgeschiedener Komplementäre begleichen zu können, darf sich dies nicht mindernd auf den Abfindungsanspruch der Komplementäre auswirken. Eine gegenteilige Vereinbarung muss der Komplementär nur gegen sich gelten lassen, wenn er ihr zugestimmt hat.263 b) Satzungsautonomie und Vereinbarungen anlässlich des Ausscheidens. Die gesetzliche Regelung der Auseinandersetzung kann durch die Satzung oder durch Vereinbarungen anlässlich des Ausscheidens eines Komplementärs anders gestaltet werden. Insbesondere kann die Satzung die der Abschichtungsbilanz zugrunde zu legende Bewertung, die Fälligkeit des Abfindungsanspruchs und die Verzinsung desselben (für den Zeitraum zwischen Ausscheiden und Fälligkeit) abweichend von den diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen regeln. Möglich ist des Weiteren, die sich aus §§ 738 Abs 1 Sätze 2 und 3, 740 BGB ergebenden Ansprüche auf Befreiung von den Gesellschaftsverbindlichkeiten264, auf Sicherheitenbestellung und auf Beteiligung an schwebenden Geschäften265 abzubedingen. Eher klarstellender Natur (s Rdn 172) ist eine Regelung, der zufolge persönlich haftende Gesellschafter ohne Kapitalanteil (Sondereinlage und Beteiligung an Rücklagen) keinen Auseinandersetzungsanspruch haben. Um Kapitalabflüsse zu vermeiden, kann die Satzung Beschränkungen des Abfin177 dungsanspruchs vorsehen. Dabei sind indes die von Gesetz (§§ 138, 242, 723 Abs 3 BGB) und Recht gezogenen Grenzen zu beachten (so Rdn 119, 131, 135, 136). Ein völliger Ausschluss eines Abfindungsanspruchs kommt idR nur in Bezug auf den Abfindungsanspruch der Erben des durch Tod ausgeschiedenen Gesellschafters in Betracht (so Rdn 119). Der Ausschluss eines Abfindungsanspruchs ist grundsätzlich unzulässig in Bezug auf das Ausscheiden bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (so Rdn 131) und das Ausscheiden aufgrund der Kündigung durch den Gesellschafter (so Rdn 135) oder den

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_____ 260 138 ff. 261 262 263 264 265

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Ausführlich dazu Baumbach/Hopt/Hopt39 Einl Vor § 1, 34 ff; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 131, S die Nachw in Fn 260. 3. Aufl Barz 23; MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 54; MünchKomm/Perlitt5 194. Dazu im Einzelnen BGH 24.1.1974 – II ZR 128/71, AG 1974, 187 f. MünchKomm/Perlitt5 202 und Schlitt S 145. Entsprechende Satzungsvorschläge bei Schlitt S 135 ff, jeweils in Abs 4 der Muster.

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Privatgläubiger (so Rdn 136). Buchwertklauseln und vergleichbare Abreden sind mit der heute herrschenden Meinung grundsätzlich als zulässig anzusehen.266 Das gilt namentlich, wenn die Satzung mit Wirkung für alle Komplementäre vorsieht, dass sich der Abfindungsanspruch der Erben im Falle des Todes eines Gesellschafters nach dem Buchwert (oder einer anderen Wertvereinbarung) richten soll.267 Dabei sind die von der Rechtsprechung entwickelten Grenzen zu beachten: Eine Satzungsbestimmung, die die Höhe der Abfindung regelt, ist nichtig, wenn bereits bei Vertragsschluss ein grobes Missverhältnis zwischen der Abfindung und dem Verkehrswert der Anteile besteht. Ist die Satzungsbestimmung bei Vertragsschluss angemessen, kommt es aber später zu einem erheblichen Missverhältnis von wahrem Wert und Buchwert (oder einer anderen Wertvereinbarung) unterliegt die fragliche Satzungsbestimmung der ergänzenden Vertragsauslegung; die Gesellschaft hat eine an die veränderten Umständen gem §§ 157, 242 BGB angepasste Abfindung zu bezahlen. Für deren Ermittlung kann der von den Parteien bei Vertragsschluss der Bemessung zugrunde gelegte Maßstab ein wesentlicher Anhaltspunkt sein.268 Ebenfalls zur Vermeidung von Kapitalabflüssen ist denkbar, dass der Abfindungs- 178 anspruch des Ausscheidenden in Aktien der Gesellschaft, die durch Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts zu schaffen sind, zu begleichen ist.269 Allerdings empfiehlt sich eine Regelung, der zufolge der Ausscheidende ein Recht auf Barabfindung hat, falls die zur Ablösung des Abfindungsanspruchs zu schaffenden Kommanditaktien nicht zur Verfügung stehen.270 Bedenklich ist dagegen eine Regelung, welche die Ablösung des Barabfindungsanspruchs durch einen Anspruch auf Abfindung in vinkulierten Namensaktien vorsieht. Selbst wenn man hier eine Pflicht der Gesellschaft annimmt, bei der Veräußerung dieser Aktien durch den Ausgeschiedenen zustimmen zu müssen,271 sind solche Papiere, zumal bei einer nicht börsennotierten KGaA, ungleich schwerer zu veräußern als nichtvinkulierte Aktien, so dass dies zu einer nicht zumutbaren weiteren Bindung an die Gesellschaft führen kann.272 VII. Anmeldung der Auflösung und des Ausscheidens (Abs 6) Die Auflösung der KGaA und das Ausscheiden von Komplementären ist – in Über- 179 einstimmung mit § 143 Abs 1 HGB und abweichend von § 263 – von allen persönlich haftenden Gesellschaftern, dh auch den nicht geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementären sowie dem Ausscheidenden bzw Ausgeschiedenen,273 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (Abs 6 Satz 1). Wird die Gesellschaft, aufgrund einer entsprechenden Satzungsbestimmung, durch den Tod eines Gesellschafters aufge-

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266 S etwa, mwN, K Schmidt GesR4, S 1485 ff, 1486. Zu weiteren Abfindungsklauseln ebd, S 1481 ff. Zu beidem auch MünchKommBGB/Schäfer7 § 740, 8 f. 267 BGH 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, 194. Str. 268 BGH 24.9.1984 – II ZR 256/83, NJW 1985, 192, 193; BGH 20.9.1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281; BGH 13.6.1994 – II ZR 38/93, BGHZ 126, 226, 242. 269 Ebenso MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 55; MünchKomm/Perlitt5 200 f; Wichert S 231 f. 270 Dazu Schlitt S 144, doch ist eine solche Ergänzung, entgegen dessen Ansicht, keine notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit einer Klausel, welche die Ersetzung der Barabfindung durch eine solche in Aktien vorsieht. So auch MünchKomm/Perlitt5 201; Wichert S 232. 271 So die diesbezüglichen Erwägungen bei MünchKomm/Perlitt5 201 und Wichert S 233. 272 Entsprechende Bedenken äußert auch Wichert S 233. 273 Hüffer/Koch14 10; Spindler/Stilz/Bachmann4 33. Bei Gesellschafterinsolvenz tritt an die Stelle des Ausgeschiedenen der Insolvenzverwalter; BGH 24.11.1980 – II ZR 265/79, NJW 1981, 822 f. Zum Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters durch Tod sogleich.

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löst oder scheidet ein Gesellschafter durch Tod aus der Gesellschaft aus, kann die Anmeldung und die Eintragung auch ohne Mitwirkung der Erben vorgenommen werden, falls einer solchen besondere Hindernisse entgegenstehen (Abs 6 Satz 2, § 143 Abs 3 HGB).274 Die Eintragung des Ausscheidens eines Komplementärs hat keine konstitutive Wir180 kung,275 doch ist die Eintragung wegen der sich aus § 15 Abs 1 HGB ergebenden Publizitätswirkungen und wegen des Fristbeginns von § 160 Abs 1 Satz 2 HGB von Bedeutung. Die Gegenansicht verweist darauf, dass es sich beim Ausscheiden des Komplementärs um eine Satzungsänderung handele, so dass § 181 Abs 3 einschlägig sei. Dies überzeugt nicht, wie allein der Fall des Todes eines Komplementärs zeigt. Dieser scheidet im Moment seines Ablebens aus und nicht erst mit der Kundgabe dieses Umstands im Handelsregister. Auch sei darauf hingewiesen, dass es auch andere Fälle des Wechsels im Gesellschafterbestand außerhalb des Handelsregisters gibt, bei denen die Eintragung nur noch deklaratorische Wirkung hat (s § 278 Rdn 47). Wurde die Auflösung durch einen Hauptversammlungsbeschluss mit Zustim181 mung der Komplementäre bewirkt, ist die Form des § 285 Abs 3 Satz 2 zu beachten. Die Anmeldung des Beschlusses und seine Eintragung ins Handelsregister haben nur deklaratorische Bedeutung.276 Auch hier zieht allerdings eine unterbliebene Eintragung die Folgen des § 15 Abs 1 HGB nach sich. Die Eintragung ist zudem für den Fristbeginn von § 159 Abs 2 HGB von Bedeutung. Die Auflösung der Gesellschaft nach Abs 2 Nrn 1 und 2, dh aufgrund eines rechts182 kräftigen Beschlusses über die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse oder aufgrund der Feststellung eines Satzungsmangels durch rechtskräftige Verfügung des Registergerichts nach § 399 FamFG, ist gem Abs 6 Satz 3 von Amts wegen, unter Anführung des Grundes der Auflösung, in das Handelsregister einzutragen. Bei der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen nach § 394 FamFG bedarf es keiner weiteren Eintragung der Auflösung der Gesellschaft (iSv Abs 2 Nr 3) aus diesem Grunde (Abs 6 Satz 4). In allen vorgenannten Fällen entfällt mithin eine Anmeldepflicht iSv Abs 6 Satz 1.

§ 290 Abwicklung Zweites Buch – Kommanditgesellschaft auf Aktien Abwicklung § 290 Sethe https://doi.org/10.1515/9783110294248-038

(1) Die Abwicklung besorgen alle persönlich haftenden Gesellschafter und eine oder mehrere von der Hauptversammlung gewählte Personen als Abwickler, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. (2) Die Bestellung oder Abberufung von Abwicklern durch das Gericht kann auch jeder persönlich haftende Gesellschafter beantragen. (3) 1Ist die Gesellschaft durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst, so findet eine Abwicklung nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, daß Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt. 2Die Abwickler sind auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht zu ernennen.

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274 Hüffer/Koch14 10; Spindler/Stilz/Bachmann4 33. 275 MünchHdBAG/Herfs4 § 78, 56; Spindler/Stilz/Bachmann4 32; aA Cahn AG 2001, 579, 583 ff; KK/Mertens/Cahn3 67. 276 Hüffer/Koch14 § 263, 3; KK/Winnen3 § 262, 42; KK/Mertens/Cahn3 67; Marcuse S 28; MünchKomm/Perlitt5 187.

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Schrifttum Hillers Personengesellschaft und Abwicklung, 1988; Joens Die persönlich haftenden Gesellschafter, Diss Hamburg 1962; Marcuse Auflösung und Nichtigkeit der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Erlangen 1928; Meyer Liquidatoren-Kompetenzen und Gesellschafter-Kompetenzen in der aufgelösten GmbH, 1996; Paura Abwicklung und Abwicklungspflichten, Diss Hamburg 1996; Richartz Die Auflösung und Abwicklung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Diss Köln 1934; K Schmidt, Zur Gläubigersicherung im Abwicklungsrecht der Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Vereine, ZIP 1981, 1; Scholz Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaft, ZHR 93 (1929) 73; Sethe Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer AG, ZIP 1998, 770; ders Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer KGaA, ZIP 1998, 1138; ders Aktien ohne Vermögensbeteiligung?, ZHR 162 (1998) 474; Siebert Die Kommanditgesellschaft auf Aktien in der Insolvenz, Diss Jena 2003; Wichert Die Finanzen der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999; Wimpfheimer Die Gesellschaften des Handelsrechts und bürgerlichen Rechts im Stadium der Abwicklung, 1908. S im Übrigen das zu §§ 264, 278 angeführte Schrifttum.

Rechtsprechung RG (15.11.1905) I 198/05, RGZ 62, 56: Zustimmungserfordernis aller von einer ungleichen Verteilung von Sacheinlagen betroffenen Kommanditaktionäre; RG (13.5.1929) II 313/28, RGZ 124, 279: Zulässigkeit einer Satzungsregelung über die Teilung des Gesellschaftsvermögens in Natur; BGH (17.11.1955) II ZR 42/54, BGHZ 19, 42 = BB 56, 18 = NJW 1956, 300 = WM 1955, 1670: Verteilung eines infolge der Auflösung stiller Reserven anfallenden Gewinns auf die Gesellschafter; BGH (24.1.1974) II ZR 128/71, AG 1974, 187 = BB 1974, 522 = DB 1974, 572 = WM 1974, 276: Vermögensverteilung im Falle des Ausscheidens der Komplementäre anlässlich der Umwandlung einer KGaA in eine AG; BGH (10.10.1994) II ZR 18/94, WM 1994, 2244 = BB 1994, 2372 = DB 1995, 90 = MDR 1995, 162 = NJW 1995, 194 = ZIP 1994, 1942 = LM H. 3/1995 § 119 HGB Nr 32 (Roth) = WuB II G § 119 HGB 1.95 (Ott): Keine Entziehung des dem Kommanditisten zustehenden mehrheitsfesten Informationsrechts durch Änderung des Gesellschaftsvertrags mangels Ausschöpfung weniger belastender Mittel; BGH (20.9.2004) II ZR 334/02, NZG 2005, 69 = AG 2004, 670 = BB 2004, 2597 = DB 2004, 2523 = WM 2004, 2207 = ZIP 2004, 2186 = EWiR § 42 LwAnpG 23/04, 1189 (Bayer): Übertragung des Vermögens einer Landwirtschaftlichen Produktionsgesellschaft auf eine KG durch Mehrheitsbeschluss.

I. II. III. IV.

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Systematische Übersicht Normentwicklung | 1–2 Übersicht | 3 Anwendbares Recht | 4–8 Abwickler | 9–23 1. Komplementäre als geborene Abwickler | 10 2. Von der Hauptversammlung gekorene Abwickler | 11 3. Gerichtliche Bestellung und Abberufung der Abwickler | 14 4. Vertretungsmacht der Abwickler | 18 5. Eintragung der Abwickler in das Handelsregister | 22 6. Vergütung der Abwickler | 23

V.

VI.

Das Abwicklungsverfahren | 24–32 1. Aufgaben der Abwickler während des Sperrjahres | 24 2. Verteilung des Abwicklungsüberschusses unter den Gesellschaftergruppen | 26 3. Verteilung des Abwicklungsüberschusses innerhalb der Gesellschaftergruppen | 31 a) Verteilung unter den Komplementären | 31 b) Verteilung unter den Kommanditaktionären | 32 Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft | 33

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VII. Satzungsautonomie | 34–46 1. Bestellung der Abwickler | 34 2. Abwicklungsverfahren einschließlich der Verteilung des Vermögens | 38

3.

Fortsetzung einer aufgelösten KGaA | 43 VIII. Nachtragsabwicklung (Abs 3) | 47

I. Normentwicklung Sieht man von einer folgenlosen sprachlichen Änderung, mit der die Formulierung „sämtliche“ durch „alle“ ersetzt wurde, ab, so entsprach die Vorschrift in der ihr durch die Aktienrechtsreform 1965 gegebenen Fassung derjenigen des § 232 AktG 1937. Diese wiederum stimmte mit § 331 HGB 1897 überein. Mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 1.1.1999 (Art 110 Abs 1 EGInsO1) wurde die Vorschrift um Abs 3 ergänzt (Art 47 Nr 15 EGInsO). Die von der damaligen EG geplante sog Abwicklungsrichtlinie2 hätte auch die 2 KGaA erfassen sollen, doch ist sie nie über einen überarbeiteten Vorentwurf aus dem Jahre 1987 hinausgekommen. 1

II. Übersicht 3

Eine aufgelöste KGaA ist nach den Vorschriften der §§ 290, 278 Abs 2 und 3, 264 ff abzuwickeln (synonym: zu liquidieren), wenn nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (§§ 278 Abs 3, 264 Abs 1 aE). In diesem Fall tritt an die Stelle der Abwicklung (synonym: Liquidation) das Insolvenzverfahren. Sind nach dem Ende des Insolvenzverfahrens noch Abwicklungsmaßnahmen erforderlich, erfolgen sie nach den Bestimmungen der §§ 290, 264 ff. Für die Abwicklung sind, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, die persönlich haftenden Gesellschafter sowie eine oder mehrere von der Hauptversammlung gewählte Person(en) zuständig (Abs 1). Stellt sich nach der Löschung und Auflösung einer Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit (§ 289 Abs 2 Nr 3 iVm § 394 FamFG) heraus, dass noch Vermögen vorhanden ist, findet eine sog Nachtragsabwicklung (synonym: Nachtragsliquidation) statt (Abs 3). Besondere Regeln gelten für die Abwicklung von Finanzintermediären in der Rechtsform der KGaA, so etwa für Kreditinstitute oder Finanzdienstleister § 38 Abs 2 KWG. III. Anwendbares Recht

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Die Abwicklung der KGaA gehört zu den am wenigsten durchdrungenen Regelungsbereichen dieser Rechtsform. Kaum behandelt ist va die Frage, welches Recht im Einzelnen auf die Abwicklung der KGaA anzuwenden ist.3 Ausgangspunkt diesbezüglicher Überlegungen muss der Ablauf der Abwicklung sein. Diese vollzieht sich in drei Stufen: (1) Zunächst werden die bekannten Forderungen beglichen bzw Rückstellungen für noch nicht fällige, streitige oder unbekannte Forderungen gebildet. (2) Nach Ablauf des Sperrjahres (§ 272 Abs 1) kann der verbleibende Abwicklungsüberschuss zwischen den beiden Gesellschaftergruppen verteilt werden. (3) Schließlich wird der jeweilige An-

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1 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994, BGBl I 2911. 2 Überarbeiteter Vorentwurf einer Richtlinie über die Auflösung und Abwicklung von Gesellschaften von 1987 betreffend Gesellschaften in der Rechtsform der AG, der KGaA und GmbH, abgedruckt und erläutert bei Lutter Europäisches Unternehmensrecht4 S 299 ff. 3 Meinungsstand bei Sethe ZIP 1998, 1138 ff.

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teil innerhalb der beiden Gruppen unter deren Gesellschaftern aufgeteilt. Um das auf der jeweiligen Stufe anwendbare Recht ermitteln zu können, ist auf § 278 Abs 2 und 3 zurückzugreifen, da § 290 zur Frage des anwendbaren Rechts keine Aussage enthält. Als Maßstab kann das bereits an früherer Stelle4 erläuterte Kriterium der „schützenswerten Drittinteressen“ herangezogen werden: Soweit Drittinteressen berührt sind, findet nach § 278 Abs 3 zwingendes Aktienrecht Anwendung. Wendet man das Abgrenzungskriterium „schützenswerter Drittinteressen“ auf die Abwicklung der KGaA an, muss diese auf der Abwicklungsstufe 1, dh bis zur Begleichung der bekannten Verbindlichkeiten und dem Ablauf des Sperrjahres (§ 272 Abs 1), zwingendem Aktienrecht unterliegen, denn in diesem Stadium berührt die Abwicklung den gläubigerschützenden Grundsatz der Kapitalerhaltung. Im Gegensatz dazu gilt bei der KG für die gesamte Abwicklung der Grundsatz der Vertragsfreiheit,5 da die Gläubiger durch die weiterbestehende persönliche Haftung der Komplementäre sowie die wiederauflebende persönliche Haftung der Kommanditisten (§ 172 Abs 4 HGB, § 735 BGB) geschützt sind. Da in der KGaA Kommanditaktionäre an die Stelle der Kommanditisten der KG treten, erstere aber gerade keiner persönlichen Haftung oder Nachschusspflicht (§ 54 Abs 1) unterliegen, lässt sich der Schutz von Drittinteressen in Gestalt des Gläubigerschutzes nur dadurch verwirklichen, dass auf die KGaA das auf Abwicklungsstufe 1 zwingende aktienrechtliche Abwicklungsverfahren angewendet wird. Mit Beginn der Verteilung des Restvermögens nach Befriedigung bekannter Forderungen und Ablauf des Sperrjahres (§ 272 Abs 1) und dem Beginn der Abwicklungsstufe 2 ändert sich die Schutzrichtung der Abwicklung: Ab diesem Zeitpunkt stehen nicht mehr die Gläubiger,6 sondern die Gesellschafter im Mittelpunkt der Abwicklung. Da über § 278 Abs 2 für das Innenverhältnis beider Gesellschaftergruppen das flexiblere Personengesellschaftsrecht zur Anwendung kommt, richtet sich die Verteilung des Vermögens zwischen den beiden Gesellschaftergruppen nunmehr nach den Regelungen der Satzung bzw § 155 HGB.7 Auf der nachfolgenden Abwicklungsstufe 3, der Verteilung des Vermögens innerhalb der beiden Gesellschaftergruppen, ist zu differenzieren:8 In Bezug auf die Vermögensverteilung innerhalb der Gruppe der Komplementäre gilt Personengesellschaftsrecht. Die Vermögensverteilung innerhalb der Gruppe der Kommanditaktionäre richtet sich dagegen nach § 271, da die Rechtsstellung des einzelnen Kommanditaktionärs unter § 278 Abs 3 fällt. Für den Abschluss des Abwicklungsverfahrens gilt § 273. Die Unterscheidung in Bezug auf das anwendbare Recht in der Abwicklungsstufe 3 erweckt den Eindruck, sie würde gravierende Unterschiede in Bezug auf das Verteilungsverfahren nach sich ziehen. Dies ist jedoch nicht der Fall: Die Verteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Komplementären ist dispositiv. Gleiches gilt im Ergebnis für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Kommanditaktionären, denn das aktienrechtliche Verteilungsverfahren ist nicht abschließend geregelt und unterliegt

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4 Vor § 278 Rdn 54 ff; Sethe S 110 ff. 5 Teilweise abweichend noch Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 155, 42, der § 155 Abs 1 HGB insofern für gläubigerschützend und daher zwingend hielt, als vor der Schlussverteilung zunächst die Gläubigerbefriedigung erfolgen müsse (diese Ansicht hat er inzwischen aufgegeben, vgl MünchKommHGB/K Schmidt4 § 155, 42). 6 Wird der Gesellschaft während der Verteilung des Vermögens eine weitere Forderung bekannt, muss die Verteilung ausgesetzt und die Forderung befriedigt werden; vgl K Schmidt ZIP 1981, 1, 2. 7 Hiervon geht auch BGH 24.1.1974 – II ZR 128/71, AG 1974, 187, 188, für den vergleichbaren Fall des Ausscheidens der Komplementäre anlässlich einer Umwandlung aus. Ebenso Bürgers/Fett/Schulz § 8, 64; KK/Mertens/Cahn3 2; MünchKomm/Perlitt5 7; Spindler/Stilz/Bachmann4 10. 8 KK/Mertens/Cahn3 2; Spindler/Stilz/Bachmann4 10.

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deshalb (vgl § 23 Abs 5 Satz 2) nach § 271 der Disposition der Kommanditaktionäre im Wege der Satzungsregelung oder aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses (s dazu unten Rdn 42). Satzungsregelungen in Bezug auf die Art der Umsetzung des Vermögens in Geld (Versteigerung des Gesellschaftsvermögens statt Verkauf) und die Vermögensverteilung (Teilung in Natur, Rückgewähr von Sacheinlagen etc) sind deshalb nach § 155 HGB genauso zulässig wie nach § 271. Sowohl im Aktienrecht als auch im Personengesellschaftsrecht unterliegt die Dispositionsbefugnis gewissen Grenzen, die zwar nicht in der Herleitung, wohl aber im Ergebnis deckungsgleich sind. So lässt sich das aktienrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung und des Entzugs von Sonderrechten ohne Zustimmung der Betroffenen auch im Personengesellschaftsrecht finden. In diesem wird es aus dem Grundsatz des Kernbereichs der Mitgliedschaft und dem Gleichbehandlungsgrundsatz9 hergeleitet. Der einzige wesentliche sachliche Unterschied zwischen den beiden anwendbaren Normenkomplexen besteht damit in Bezug auf die Beschlussfassung: Im Personengesellschaftsrecht gilt, soweit nichts anderes vereinbart wurde, der Grundsatz der Einstimmigkeit (§ 119 Abs 1 HGB), während im Aktienrecht für Beschlüsse die (uU qualifizierte) Mehrheitsentscheidung vorgesehen ist. Dieser Unterschied wirkt sich zum einen bei einer Änderung des Gesellschaftsvertrags, zum anderen bei Ad-hocBeschlüssen während der Abwicklung aus. IV. Abwickler 9

Nach der Art ihrer Bestellung unterscheidet die Vorschrift drei Gruppen von Abwicklern (synonym: Liquidatoren), nämlich geborene, gekorene und gerichtlich bestellte Abwickler.

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1. Komplementäre als geborene Abwickler. Nach Abs 1, der § 265 modifiziert, sind alle, dh auch die nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre,10 zu Abwicklern bestellt. Indem das Gesetz sie zu geborenen Abwicklern erklärt, trägt es der mitgliedschaftlichen Stellung der Komplementäre, insbesondere ihrer persönlichen Haftung, Rechnung. Ist die Gesellschaft als Kapitalgesellschaft & Co KGaA ausgestaltet, ist die als Komplementärin bestellte juristische Person Abwicklerin.11 An die Stelle eines nicht voll geschäftsfähigen Komplementärs tritt dessen gesetzlicher Vertreter.12 In Bezug auf die persönlich haftenden Gesellschafter als geborene Abwickler bedarf es keines gesonderten Bestellungsaktes, vielmehr werden alle Komplementäre mit Eintritt in das Abwicklungsstadium ohne zusätzlichen Bestellungsakt zu Abwicklern, sofern sie ihre Bestellung nicht ablehnen.13

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2. Von der Hauptversammlung gekorene Abwickler. Der Hauptversammlung steht es frei, 14 zusätzlich zu den als Abwicklern fungierenden Komplementären (s Rdn 10) einen oder mehrere Abwickler als gekorene Abwickler zu bestellen (Abs 1). Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Kommanditaktionäre bei der Abwicklung

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9 Zu beidem Sethe S 117 ff, 122 mwN; ders ZIP 1998, 1138, 1143. 10 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 57; KK/Mertens/Cahn3 5; MünchKomm/Perlitt5 17; Schlitt S 234. 11 KK/Mertens/Cahn3 5. Wie § 265 Abs 2 Satz 3 zeigt, ist die früher streitige Frage, ob juristische Person überhaupt zu Abwicklern bestellt werden können, vom Gesetzgeber bejaht worden. Wenn dies bei gekorenen Abwicklern zulässig ist, muss dies erst recht für geborene Abwickler gelten. 12 Baumbach/Hopt/Roth39 § 146, 2; Baumbach/Hueck13 2; KK/Mertens/Cahn3 5; Sethe S 129 f. AA Ritter § 232, 2; offen gelassen bei MünchKomm/Perlitt5 17. 13 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 57; MünchKomm/Perlitt5 17; Schmidt/Lutter/Schmidt3 9. 14 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 58 f; KK/Mertens/Cahn3 6; MünchKomm/Perlitt5 18.

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angemessen vertreten sind. Gekorene Abwickler können auch juristische Personen sein (§ 265 Abs 2 Satz 3).15 Bei der Wahl der Abwickler dürfen Komplementäre, die Aktien der Gesellschaft be- 12 sitzen, mitstimmen, da das Stimmverbot des § 285 Abs 1 Satz 2 den vorliegenden Fall nicht erfasst.16 Die Wahl der Abwickler durch die Hauptversammlung bedarf nicht der Zustimmung der Komplementäre (nach § 285 Abs 2 Satz 1),17 da Abs 1 keine solche Anordnung enthält und Sinn der Regelung die Bestellung eines Vertreters der Aktionäre unter den Abwicklern ist. Stünde den Komplementären ein Vetorecht zu, könnten sie die Wahl eines den Interessen der Aktionäre verpflichteten Abwicklers verhindern. Da Abs 1 jedoch den Bestellungsvorgang insgesamt für dispositiv erklärt, besteht diesbezüglich eine weitreichende Satzungsautonomie (su Rdn 34 ff). Für die Abwicklung der AG bestimmt § 265 Abs 5, dass die Hauptversammlung je- 13 derzeit befugt ist, alle nicht gerichtlich bestellten Abwickler abzuberufen. Diese Regelung kann auf die KGaA nur eingeschränkt Anwendung finden, so dass die Gesamtheit der Kommanditaktionäre lediglich in der Lage ist, die von ihr bestellten Abwickler abzuberufen.18 In Bezug auf die Abberufung der persönlich haftenden Gesellschafter als Abwickler ist sie auf eine gerichtliche Abberufung angewiesen (Abs 2 iVm § 265 Abs 3). Für die Abberufung der von der Hauptversammlung bestellten Vertreter ist allein diese (§ 265 Abs 5) bzw das Gericht (§ 265 Abs 3) zuständig. Einer Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter zum Abberufungsbeschluss der Hauptversammlung bedarf es nicht.19 3. Gerichtliche Bestellung und Abberufung der Abwickler. Bei der gerichtlichen 14 Bestellung und Abberufung der Abwickler ist zwischen den geborenen Abwicklern (Komplementären) und anderen Abwicklern zu unterscheiden: Da die Komplementäre geborene Abwickler sind, kommt ihre gerichtliche Bestel- 15 lung ohnehin nicht in Betracht. Ihre Abberufung richtet sich nach Abs 2, der auf § 265 Abs 3 Bezug nimmt;20 notwendig ist ein wichtiger Grund. Antragsbefugt ist neben den in § 265 Abs 3 Genannten auch jeder Komplementär (Abs 2). Dieser braucht – anders als ein Kommanditaktionär (§ 265 Abs 3 Satz 2) – keinen dreimonatigen Anteilsbesitz glaubhaft zu machen.21 Das Antragsrecht jedes unbeschränkt haftenden Gesellschafters kann nicht durch Satzungsregeln ausgeschlossen werden (s Rdn 35).22 Andere Abwickler können vom Gericht gem § 265 Abs 3 sowohl bestellt als auch 16 abberufen werden, letzteres allerdings nur, wenn hierzu ein wichtiger Grund vorliegt. Antragsberechtigt sind (nach § 265 Abs 3 Sätze 2 und 3) der Aufsichtsrat oder eine Minderheit von Aktionären, deren Anteile zusammen 5% des Grundkapitals oder 500.000 € erreichen. Die Aktionäre müssen – notfalls im Wege der eidesstattlichen Versicherung – glaubhaft machen, dass sie seit mindestens drei Monaten Aktionäre der Gesellschaft

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15 Schmidt/Lutter/Schmidt3 5. 16 Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 6; MünchKomm/Perlitt5 19. 17 Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 6; MünchKomm/Perlitt5 19. 18 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 59; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7. 19 Vgl KK/Mertens/Cahn3 10; MünchKomm/Perlitt5 18; Schmidt/Lutter/Schmidt3 7; Sußmann S 75. 20 Heidel/Wichert5 2; KK/Mertens/Cahn3 10; Schmidt/Lutter/Schmidt3 8; Spindler/Stilz/Bachmann4 5. AA Bürgers/Fett/Schulz § 8, 59; Godin/Wilhelmi4 1; Joens S 83; Marcuse S 49; MünchKomm/Perlitt5 20. Sie alle wenden ohne nähere Begründung § 147 HGB an, obwohl sie für das Amt des Abwicklers die §§ 278 Abs 3, 268 ff anwenden, vgl etwa Bürgers/Fett/Schulz § 8, 55; MünchKomm/Perlitt5 2. Widersprüchlich Bürgers/Körber/Förl/Fett4 4, die einerseits § 265 Abs 3 für die Abberufung auch der Komplementäre anwenden, in Bezug auf das anzuwendende Verfahren aber auf §§ 375 Nr 1 FamFG, 146, 147 HGB verweisen. 21 Schmidt/Lutter/Schmidt3 6. 22 KK/Mertens/Cahn3 8; Schmidt/Lutter/Schmidt3 6; Sethe, ZIP 1998, 1138, 1140.

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sind. Zusätzlich zu diesen Antragsberechtigten gesteht Abs 2 auch jedem Komplementär ein Antragsrecht zu. Dass es sich nur um ein Antragsrecht, nicht aber um ein Vetorecht handelt, ergibt sich schon aus dem Wortlaut. Das Gericht darf also auch dem Antrag eines Komplementärs nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes stattgeben.23 Für den Komplementär gelten im Übrigen die Sätze 2 und 3 von § 265 Abs 3 nicht. Das Gericht entscheidet im Verfahren nach § 375 Nr 3 FamFG. Gegen die Bestellung 17 oder Abberufung kann jeder Antragsberechtigte die sofortige Beschwerde erheben (§ 265 Abs 3 Satz 4). 18

4. Vertretungsmacht der Abwickler. Nach § 269 vertreten die Abwickler die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Sind mehrere Abwickler bestellt, sieht § 269 Abs 2 als gesetzlichen Regelfall die Gesamtvertretung vor. Die Satzung oder die zuständige Stelle (dh die Hauptversammlung nach § 265 Abs 2 und 5 bzw das Registergericht nach § 265 Abs 3) können anderes bestimmen (s Rdn 20). Der Spielraum der Satzung zu anderweitigen Regelungen bezieht sich nur auf die 19 nicht gerichtlich bestellten Abwickler.24 Die Satzung kann gem § 269 Abs 3 Satz 1 Einzelvertretung oder die verschiedenen Formen der Gesamtvertretung (echte und unechte Gesamtvertretung) vorsehen.25 20 Wie sich § 269 Abs 2 entnehmen lässt, kann die Vertretungsregelung nicht nur in der Satzung, sondern auch durch die Hauptversammlung festgelegt werden. Der Hauptversammlungsbeschluss geht einer abweichenden Satzungsregelung vor. Dies ergibt sich aus dem in § 265 Abs 5 zum Ausdruck kommenden Vorrang von Hauptversammlungsbeschlüssen in Bezug auf die Abwickler. Wenn schon die Hauptversammlung bei der Bestellung der Abwickler das Vorrecht vor der Satzung genießt (§ 265 Abs 5), muss dies erst recht für deren Kompetenzen gelten.26 Allerdings bedarf der Beschluss der Zustimmung der Komplementäre (§ 285 Abs 2 Satz 1), da es sich um eine Angelegenheit handelt, die bei der einfachen KG der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfte27 und damit auch die Kompetenzen der Komplementäre als geborene Abwickler verändert werden. Weiterhin kann der Aufsichtsrat zur Festlegung der Vertretungsregelung er21 mächtigt werden (§ 269 Abs 3 und 2). Die Ermächtigung erfolgt im Wege einer Satzungsregelung oder durch Beschluss der Hauptversammlung (§ 269 Abs 3 Satz 2), wobei auch ein solcher Ermächtigungsbeschluss der Zustimmung der Komplementäre bedarf. Eine Ermächtigung des Aufsichtsrats erweist sich immer dann als sinnvoll, wenn der Aktienbesitz breit gestreut ist und ein Beschluss der Hauptversammlung nicht ohne größeren Aufwand herbeigeführt werden kann. In der Praxis wird die Ermächtigung oft auch ad hoc erteilt werden, wenn sich die Hauptversammlung nicht auf eine Vertretungsregelung zu einigen vermag. 22

5. Eintragung der Abwickler in das Handelsregister. Die geborenen und gekorenen Abwickler sowie deren Vertretungsmacht sind von einem geschäftsführungsbefugten Komplementär gem §§ 283 Nr 1, 266 zum Handelsregister anzumelden. Spätere Änderungen melden die Abwickler an. Gerichtlich bestellte Abwickler werden von Amts wegen eingetragen.

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MünchKomm/Perlitt5 21 aE. Spindler/Stilz/Bachmann4 10. MünchKomm/Perlitt5 27. Bürgers/Fett/Schulz § 8, 56; Sethe ZIP 1998, 1138, 1140 f. Baumbach/Hopt/Roth39 § 150, 4.

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6. Vergütung der Abwickler. Die Vergütung und der Auslagenersatz gerichtlich 23 bestimmter Abwickler richten sich nach § 265 Abs 4. Die Entlohnung der sonstigen Abwickler lässt das Gesetz offen, so dass dies im Wege der Satzungsregelung oder des Hauptversammlungsbeschlusses unter Zustimmung der Komplementäre zu regeln ist.28 V. Das Abwicklungsverfahren 1. Aufgaben der Abwickler während des Sperrjahres. Gem §§ 290, 278 Abs 3, 24 264 ff obliegt den Abwicklern der Aufruf der Gläubiger (§ 267), die Beendigung der laufenden Geschäfte (§ 268), die Einziehung aller Forderungen (§ 268), die Umsetzung des Gesellschaftsvermögens in Geld (§ 268) und die Erstellung der Abwicklungsbilanzen (§ 270). Aus den vorhandenen und eingezogenen Mitteln sind alle der Gesellschaft bekannten Forderungen zu befriedigen. Für noch nicht fällige oder streitige Forderungen oder solche Forderungen, bei denen der Gläubiger unbekannt ist, sind Reserven zu bilden. Des Weiteren sind die Abwickler im Interesse der Gläubiger und der übrigen Gesellschafter auch verpflichtet, für den Ausgleich negativer Kapitalkonten (§ 735 BGB) zu sorgen, denn das Abwicklungsverfahren ist nicht auf die Verteilung des tatsächlich vorhandenen Vermögens beschränkt.29 Die anschließende Verteilung des verbleibenden Gesellschaftsvermögens darf nicht vor Ablauf des Sperrjahres (§ 272) erfolgen (su Rdn 27 ff). Nach Ablauf des Sperrjahres ist die Verteilung nur zulässig, soweit das Vermögen voraussichtlich nicht zur Gläubigerbefriedigung benötigt wird.30 Die Beendigung der Abwicklung ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 273). Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass – wenn Gesetz oder Satzung keine 25 zwingenden Vorgaben enthalten – die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit31 und unter Zustimmung der Komplementäre die Art der Abwicklung32 oder nach anderer Formulierung die Rahmenbedingungen der Abwicklung festlegen dürfe.33 Hiergegen wird eingewandt, die Hauptversammlung sei mit unternehmerischen Entscheidungen überfordert und dürfe daher keine Weisungen erteilen34 Folgt man der ersten Ansicht, bedürfen allerdings alle Beschlüsse, die zu einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes führen oder in Sonderrechte einzelner Aktionäre/Aktionärsgruppen eingreifen, der Zustimmung der Betroffenen.35 2. Verteilung des Abwicklungsüberschusses unter den Gesellschaftergruppen. 26 Die Verteilung des Abwicklungsüberschusses zwischen den Gesellschaftergruppen richtet sich nach den Vorschriften des Personengesellschaftsrechts. Fehlt eine besondere Vereinbarung, ist für die Verteilung das Verhältnis der Kapitalanteile der beiden Gesellschaftergruppen maßgeblich (§ 155 HGB). Der Kapitalanteil der Gesamtheit der Kommanditaktionäre bemisst sich nach dem Grundkapital und den Rücklagen.36 Haben die

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28 Zur fortbestehenden Gewinnbeteiligung der Komplementäre unten Rdn 30. 29 Zutreffend Bürgers/Fett/Schulz § 8, 63; MünchKomm/Perlitt5 13; Schmidt/Lutter/Schmidt3 14; Spindler/Stilz/Bachmann4 9; Wichert S 225. 30 Geßler/Hüffer1 § 264, 54. 31 Vgl etwa 3. Aufl Wiedemann § 268, 5, § 271, 1. 32 Vgl den Meinungsüberblick zur AG bei Sethe, ZIP 1998, 770, 772 f. 33 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 268, 20 f. 34 Statt vieler Hüffer/Koch14 § 268, 6 mwN. 35 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 271, 6; Sethe ZIP 1998, 770, 773; ders ZHR 162 (1998), 474, 487. 36 Die Komplementäre sind an Rücklagen seit 1965 nicht mehr beteiligt, vgl § 288 Rdn 3. Die Rücklagen sind daher bei der Berechnung des Kapitalanteils der Kommanditaktionäre einzubeziehen, es sei denn, die

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Komplementäre keine Sondereinlagen (dh Vermögenseinlagen, die nicht auf das Grundkapital erbracht wurden, § 281 Abs 2) eingebracht und sieht die Satzung auch keine Beteiligung an den Rücklagen der Gesellschaft vor, verfügen sie über keinen Kapitalanteil. Auf die Gesellschaftergruppe der Komplementäre entfällt dann auch kein Anteil am Abwicklungsüberschuss.37 Haben die Komplementäre dagegen eine Vermögenseinlage erbracht38 oder sind an den Rücklagen beteiligt, entscheidet das Verhältnis von Kapitalbeteiligung der Komplementäre zum Grundkapital über die Verteilung des Abwicklungsüberschusses zwischen beiden Gesellschaftergruppen. Umstritten ist die Frage, ob der auf die Komplementäre entfallende Abwicklungs27 überschuss bereits vor Ablauf des Sperrjahres verteilt werden darf. Ein Teil des Schrifttums39 lässt dies aus zwei Gründen zu: Zum einen betreffe § 272 nur das Grundkapital und zum anderen bestehe die persönliche Haftung fort (§§ 128, 159 HGB), durch die die Gläubiger ausreichend gesichert seien. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man das anwendbare Recht entsprechend der Betroffenheit von Drittinteressen, dh hier Schutzbedürftigkeit der Gläubiger, bestimmt und dementsprechend von einer Dreistufigkeit des Abwicklungsverfahrens ausgeht (dazu oben Rdn 4 ff). Danach richtet sich der äußere Ablauf des Abwicklungsverfahrens nach zwingendem Aktienrecht, weshalb § 272 anzuwenden ist. Dem Sperrjahr unterliegt das gesamte Vermögen der Gesellschaft, da § 272 gerade nicht nach der Herkunft des Vermögens der Gesellschaft differenziert. Zudem wird sich vor Ablauf des Sperrjahres nicht genau feststellen lassen, wie hoch die auf die Komplementäre entfallende Quote ist, da der Abwicklungsüberschuss erst nach Ablauf des Sperrjahres und der Befriedigung/Sicherung aller bekannten Forderungen errechnet werden kann. Wenn überhaupt, könnte also nur ein Abschlag gezahlt werden. 28 Unzutreffend ist va die Argumentation, der Gläubigerschutz werde durch die fortdauernde persönliche Haftung sichergestellt. Diese Argumentation übersieht, dass die KGaA im Gegensatz zur KG juristische Person mit selbständigem Vermögen ist und eine vorzeitige Auszahlung des Abwicklungsüberschusses deshalb das Gläubigerrisiko erhöht: Wird der Anteil der Komplementäre sofort nach Auflösung der Gesellschaft ausgezahlt, könnten diese das Geld weiterverwenden. Das Risiko einer nachfolgenden Vermögenslosigkeit der Komplementäre träfe in voller Höhe die Gläubiger. Wendet man dagegen § 272 auch auf die Einlagen der Komplementäre an, besteht ein solches zusätzliches Risiko nicht. Da die Gläubiger im ersten Jahr der Abwicklung keinen geringeren Schutz genießen dürfen als bei einer werbenden Gesellschaft, unterfallen auch die Einlagen der Komplementäre dem Sperrjahr. Denn die Komplementäre könnten ihre Einlagen auch nicht sofort aus der werbenden Gesellschaft abziehen. Zudem zeigt ein Vergleich mit dem Personengesellschaftsrecht, dass auch dort trotz der fortbestehenden persönlichen Haftung keine sofortige und vollständige Auszahlung des Abwicklungsüberschusses verlangt werden kann und Entnahmen untersagt sind (§ 155 Abs 2 HGB). 29 Für die hier vertretene Ansicht spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 272. Art 202 ADHGB bestimmte, dass das Vermögen der KGaA dürfe nicht vor Ablauf des

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Satzung sieht eine Beteiligung der Komplementäre ausdrücklich vor oder es handelt sich um eine Gesellschaft, die vor 1965 Rücklagen gebildet hat. 37 MünchKomm/Perlitt5 6; Schlitt S 234; Schmidt/Lutter/Schmidt3 15; Wichert S 224. 38 Zur praktischen Bedeutung der Sondereinlagen, vgl § 281, 15 Fn 29 mwN. 39 Baumbach/Hueck13 2; Bürgers/Fett/Schulz § 8, 67; Bürgers/Körber/Förl/Fett4 1; Godin/Wilhelmi4 3; MünchKomm/Perlitt5 8 f; Schlegelberger/Quassowski3 § 232, 3; Schlitt S 234 f; Schreiber S 252. AA bereits 1. Aufl Weipert § 232, 12; 3. Aufl Barz 7 sowie Frodermann/Jannott/Nicolas/v. Eiff 9 17, 292; Heidel/Wichert5 5; Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 3; MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 47; Marcuse S 51; Richartz S 32; Schmidt/Lutter/Schmidt3 13; Sethe ZIP 1998, 1138, 1139 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 8; Wichert S 226 f.

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Sperrjahres unter die Gesellschafter verteilt werden dürfe. Mit dem HGB von 1897 erfolgte eine Umkehrung des Regelungsmodells: Entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung beider Rechtsformen wurde die KGaA nun unter weitgehendem Verweis auf das Recht der AG geregelt. Die Vorschriften zur Abwicklung fanden sich nun im Abschnitt zur AG. Dass mit dieser gesetzestechnischen Umkehrung eine inhaltliche Änderung im Recht der Abwicklung einer KGaA einhergehen sollte, lässt sich nicht nachweisen. Denn die Materialien erläutern nur diese Umkehrung der Verweisungstechnik, weisen aber gerade nicht auf zusätzlich intendierte Änderungen hin.40 Da der Gesetzgeber die in anderen Bereichen vorgenommenen sachlichen Änderungen bei der KGaA immer offengelegt hat, lässt dies den Schluss zu, dass das Sperrjahr weiterhin für das gesamte Vermögen der Gesellschaft und in Bezug auf alle Gesellschafter gelten sollte. Gleichgültig, ob den Komplementären ein Anteil am Abwicklungsüberschuss zu- 30 steht oder nicht, nehmen sie an den während der Abwicklung anfallenden Gewinnen im selben Verhältnis teil, wie zuvor bei der werbenden Gesellschaft.41 Die Abgrenzung von Gewinnen, die während der Abwicklung erzielt wurden, von solchen, die sich aus stillen Reserven ergeben, die im Zuge der Abwicklung aufgelöst wurden, kann Schwierigkeiten bereiten. Diese entbinden jedoch nicht von der Pflicht, die Komplementäre an den im Verlauf der Abwicklung realisierten Gewinnen zu beteiligen. Die auf die Komplementäre entfallenden Gewinne können jedoch während der Abwicklung nicht entnommen werden (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 155 Abs 2 Satz 3 HGB).42 3. Verteilung des Abwicklungsüberschusses innerhalb der Gesellschaftergruppen a) Verteilung unter den Komplementären. Die Verteilung des Vermögens unter 31 den Komplementären richtet sich nach Personengesellschaftsrecht, so dass sich die vorstehend (Rdn 26 ff) dargestellten Verteilungsgrundsätze auf die Verteilung innerhalb der Gesellschaftergruppe entsprechend übertragen lassen. Entscheidend für die Verteilung des Abwicklungsüberschusses ist der Kapitalanteil der einzelnen Komplementäre (§ 155 HGB). Dieser wird zumeist durch die Satzung näher bestimmt, da sich die Regelung der §§ 120 ff HGB als wenig praxisnah erwiesen hat. Keinen Anspruch auf einen Anteil am Abwicklungsüberschuss haben die besonders in Familiengesellschaften anzutreffenden sog Geschäftsführer-Komplementäre, dh Personen, denen wegen des Grundsatzes der Selbstorganschaft formal die Stellung eines Komplementärs eingeräumt wird, die aber materiell keine mitgliedschaftliche Stellung erhalten sollen und deshalb von der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen ausgeschlossen sind (s § 278 Rdn 69, 138). b) Verteilung unter den Kommanditaktionären. Die Verteilung innerhalb der 32 Kommanditaktionäre richtet sich nach § 271, auf dessen Erläuterung verwiesen werden kann. Da diese Norm nicht abschließend ist, kann die Satzung ergänzende Regelungen zum Verteilungsverfahren enthalten (su Rdn 42).

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40 Denkschrift I, S 180; Denkschrift II, in Hahn/Mugdan, S 341 f. 41 BGH 17.11.1955 – II ZR 42/54, BGHZ 19, 42, 48; Baumbach/Hopt/Roth39 § 154, 3; MünchKomm/Perlitt5 5. AA Marcuse S 51. Bei der AG wird überwiegend die Ansicht vertreten, es dürfte im Hinblick auf § 272 kein Gewinn mehr ausgeschüttet werden; vgl Happ/Stucken5 11.01, 4.1 mwN. 42 Richartz S 31 f.

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VI. Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft 33

Eine bereits aufgelöste Gesellschaft kann fortgesetzt werden (§ 274), sofern mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens noch nicht begonnen wurde. Dazu bedarf es eines Fortsetzungsbeschlusses der Hauptversammlung, dem die Komplementäre nach § 285 Abs 2 Satz 1 zustimmen müssen43 und der in das Handelsregister einzutragen ist. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Die Satzung kann eine größere Mehrheit und weitere Erfordernisse vorsehen (su Rdn 43 ff). VII. Satzungsautonomie

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1. Bestellung der Abwickler. Abs 1 lässt Satzungsregelungen über die Auswahl der Abwickler und den Vorgang ihrer Bestellung zu. Die in § 265 Abs 2 enthaltenen Einschränkungen44 (zwingende Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Bestellung der Abwickler, namentliche Nennung der Abwickler in der Satzung) gelten daher für die KGaA nicht. Die Satzung kann den Komplementären ein Vetorecht bei der Bestellung der durch 35 die Hauptversammlung gewählten Abwicklern einräumen45 oder die für Wahlen geltenden Stimmverbote nach § 285 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 und 6 auf die Wahl der Abwickler erstrecken.46 Ebenso zulässig wäre eine Bestimmung, wonach eine Gesellschaftergruppe allein die Abwickler bestellt oder der Aufsichtsrat die Abwicklung vornimmt.47 Das bedeutet, dass sowohl die Komplementäre als auch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre von der Mitwirkung bei der Abwicklung ausgeschlossen werden können. Zulässig sind auch Regelungen zur Abberufung der Abwickler.48 Nicht abbedungen werden kann die Möglichkeit der gerichtlichen Bestellung und Abberufung von Abwicklern (§§ 290 Abs 2, 265 Abs 3).49 36 Der Gesamtheit der Kommanditaktionäre steht es frei, die in der Satzung bestimmten oder durch die Hauptversammlung ernannten Abwickler jederzeit abzuberufen und andere zu ernennen (§ 265 Abs 5). Der Vorrang des Hauptversammlungsbeschlusses vor der Satzung (sa Rdn 20) kann abbedungen werden, etwa um ein in der Satzung verankertes Recht einer Aktionärsminderheit auf „ihren“ Abwickler vor einer Aushöhlung durch eine nachträgliche Mehrheitsentscheidung der aktienbesitzenden Komplementäre zu schützen. Zulässig ist es des Weiteren, in der Satzung zu regeln, ob die Abwickler einzel- oder 37 gesamtvertretungsbefugt sein sollen (so Rdn 18 f). Auch diese Satzungsregelung kann durch einen Beschluss der Hauptversammlung unter Zustimmung der Komplementäre verdrängt werden.50

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43 KK/Mertens/Cahn3 4; MünchKomm/Perlitt5 23; Schlitt S 235; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 289, 17 f. 44 Dazu Sethe ZIP 1998, 1138, 1140. 45 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 62. 46 Hüffer/Koch14 1; KK/Mertens/Cahn3 8; Sethe ZIP 1998, 1138, 1140; wohl auch Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 47 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 62; Joens S 82; KK/Mertens/Cahn3 8; MünchKomm/Perlitt5 26; Sethe ZIP 1998, 1138, 1140. 48 Bürgers/Fett/Schulz § 8, 62. 49 KK/Mertens/Cahn3 8; MünchKomm/Perlitt5 26; Spindler/Stilz/Bachmann4 4. 50 Sethe ZIP 1998, 1138, 1141; MünchKomm/Perlitt5 27.

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2. Abwicklungsverfahren einschließlich der Verteilung des Vermögens. Der zweite Bereich, in dem Satzungsautonomie herrscht, ist das Abwicklungsverfahren, dh die Art der Abwicklung und die Verteilung des Restvermögens.51 So kann die Satzung die Pflichten der Abwickler aus § 268 konkretisieren oder ergänzen sowie die Verteilung des Restvermögens regeln. Wollen die Komplementäre das Unternehmen als Ganzes erhalten, kann die Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch die Komplementäre mit Barabfindung der Kommanditaktionäre vorgesehen werden.52 Auch können die Gesellschafter statt der gesetzlich vorgesehenen Veräußerung des Vermögens eine Teilung in Natur oder eine Versteigerung vereinbaren.53 Ebenso zulässig ist die Übertragung des Vermögens auf eine neu zu gründende Gesellschaft oder einen Dritten (gegen entsprechende Abfindung).54 Bei Regelungen in Bezug auf die Verteilung des Restvermögens ist zwischen der Verteilung unter den beiden Gesellschaftergruppen und der anschließenden Verteilung innerhalb dieser Gruppen zu differenzieren. Die Verteilung des Vermögens zwischen den Gesellschaftergruppen richtet sich nach Personengesellschaftsrecht, so dass die Gesellschafter auch die Möglichkeit haben, die genaue Verteilungsquote festzulegen (etwa durch Bestimmung des Verhältnisses der Kapitalanteile der Komplementäre zum Grundkapital). Unzulässig ist ein grundloser, einseitiger Ausschluss einer Gesellschaftergruppe von der Verteilung.55 Ohne Weiteres zulässig wäre dagegen ein Verzicht beider Gesellschaftergruppen auf den Abwicklungsüberschuss, um diesen zugunsten einer gemeinnützigen Organisation (zB einer Familienstiftung) zu verwenden.56 Die Verteilung des Vermögens innerhalb der Gesellschaftergruppe der Komplementäre richtet sich nach Personengesellschaftsrecht, so dass sich die vorstehend (s Rdn 40) dargestellten Grundsätze zur Verteilung innerhalb der Gesellschaftergruppen entsprechend übertragen lassen. Entscheidend für die Verteilung ist der Kapitalanteil der einzelnen Komplementäre (§ 155 HGB). Dieser sollte durch die Satzung näher bestimmt werden, da sich die Regelung der §§ 120 ff HGB als wenig praxisnah erwiesen hat. Die Verteilung innerhalb der Kommanditaktionäre richtet sich nach § 271. Dabei sieht das Gesetz keine Einzelheiten zum Verteilungsverfahren vor, so dass gem § 23 Abs 5 Satz 2 Raum für ergänzende Bestimmungen in der Satzung ist.57 Maßstab einer solchen Regelung ist das Leitbild eines ordentlichen und gewissenhaften Abwicklers (§§ 93 Abs 1, 268 Abs 2 Satz 1). Für eine Satzungsregelung kommen hauptsächlich die Bereiche Aufruf und Feststellung der Berechtigten, Kontrolle der Zahlungsvorgänge und Behandlung nicht geltend gemachter Forderungen sowie die Verwendung nicht verteilungsfähiger

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51 KK/Mertens/Cahn3 2; MünchKomm/Perlitt5 25; Spindler/Stilz/Bachmann4 11. 52 MünchHdBAG/Herfs4 § 77, 47; KK/Mertens/Cahn3 2; MünchKomm/Perlitt5 25; Sethe ZIP 1998, 1138, 1142. 53 Zum Streit, ob dies nach Aktienrecht zulässig ist su Rdn 42. 54 Vgl Bürgers/Fett/Schulz § 8, 68; MünchKommHGB/K Schmidt4 § 145, 31 ff. Zu beachten sind aber die in § 289, 32 f genannten Einschränkungen. 55 Wenn schon ein grundloser Ausschluss einzelner Gesellschafter unzulässig ist (vgl etwa MünchKommHGB/K Schmidt4 § 140, 98 mwN), gilt dies erst recht für die Abwicklung, vgl Sethe ZIP 1998, 1138, 1142. 56 Bei der Abwicklung einer AG ist die Zulässigkeit eines solchen Verzichts umstritten; befürwortend etwa Sethe ZIP 1998, 770, 772 mwN; ders ZHR 162 (1998) 474, 482 ff; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 271, 4 ff. AA MünchKomm/J Koch4 § 271, 6. 57 Hüffer/Koch14 § 271, 4; MünchKomm/J Koch4 § 271, 12; MünchKomm/Perlitt5 28; Sethe ZIP 1998, 1138, 1142; ders ZIP 1998, 770 und 772; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 271, 8.

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Restbeträge (Spitzen) in Betracht. Umstritten ist, ob eine Satzungsregelung zulässig ist, die statt des Verkaufs des Gesellschaftsvermögens dessen Teilung in Natur58 oder dessen Versteigerung vorsieht. Die heute herrschende Auffassung steht dem sehr kritisch gegenüber und verlangt eine Regelung in der Ursprungssatzung oder die Zustimmung aller Aktionäre.59 Entsprechend ist der Meinungsstand hinsichtlich der Frage, ob Sacheinlagen in natura zurückgegeben werden können. Sollen Kommanditaktionäre (der gleichen Gattung) bei der Verteilung ungleich behandelt werden, ist jedoch die Zustimmung aller Betroffenen erforderlich.60 Möglich sind auch Regelungen in Bezug auf die Verwendung des Abwicklungsüberschusses und in Bezug auf die Verjährung und den Ausschluss der Ansprüche der Kommanditaktionäre.61 Die Zahl denkbarer Gestaltungen des Verteilungsverfahrens ist groß und von den Verhältnissen der jeweiligen Gesellschaft (Unternehmensgröße, Streuung des Aktienbesitzes etc) abhängig. 3. Fortsetzung einer aufgelösten KGaA. Zulässig ist auch eine Regelung in Bezug auf die Fortsetzung der Gesellschaft. Der für die Fortsetzung einer aufgelösten KGaA erforderliche Fortsetzungsbeschluss bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 274). Die Satzung kann eine größere Mehrheit und weitere Erfordernisse vorsehen, also zB Einstimmigkeit. Unzulässig ist es dagegen, die Fortsetzung der Gesellschaft schon in der Satzung gänzlich auszuschließen;62 § 274 Abs 1 Satz 3 erlaubt nur Erschwerungen des Fortsetzungsbeschlusses, nicht aber den Ausschluss der Fortsetzung. Sieht die Satzung Einstimmigkeit vor, bedeutet dies oft einen faktischen Ausschluss der Fortsetzung der Gesellschaft. Gelingt es jedoch, den einstimmigen Beschluss herbeizuführen, spricht nichts gegen die Fortsetzung der Gesellschaft. Der Wille der ursprünglichen Gründer kann nicht den Willen der heutigen Aktionäre überlagern, da ein Fortsetzungsbeschluss auf den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten fußt. Die Möglichkeit, schon vor Auflösung der Gesellschaft deren spätere Fortsetzung generell auszuschließen, ist nach dem Wortlaut und Sinn der Norm damit unzulässig. Da das Erfordernis der Zustimmung beider Gesellschaftergruppen aus dem KG44 Recht stammt, unterliegt es grundsätzlich der Satzungsautonomie,63 so dass die Zustimmungsbedürftigkeit und Abstimmungserfordernisse unter den Komplementären (su Rdn 45 f) grundsätzlich einer Satzungsregelung zugänglich sind. Allerdings sind die vom Personengesellschaftsrecht anerkannten Grenzen der gesellschaftsrechtlichen Vertragsfreiheit zu beachten.64 In Bezug auf den Fortsetzungsbeschluss ist dies vor allem der Grundsatz des Kernbereichs der Mitgliedschaft. Nach dem früher vom BGH angewandten Bestimmtheitsgrundsatz konnten die Ge45 sellschafter grundsätzlich auf das Erfordernis einstimmiger Beschlussfassung innerhalb der Gesellschaftergruppe der Komplementäre verzichten. Wurde das Mehrheitsprinzip für Änderungen des Gesellschaftsvertrags vereinbart, waren nur übliche Vertragsände43

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58 So noch RG 15.11.1905 – I 198/05, RGZ 62, 56, 58 f; RG 13.5.1929 – II 313/28, RGZ 124, 279, 300; 3. Aufl Wiedemann § 268, 5, § 271, 2; Baumbach/Hueck13 § 268, 5; Godin/Wilhelmi4 § 268, 4, § 271, 2; KK/Kraft2 § 268, 7; Wimpfheimer S 22 f. AA Geßler/Hüffer1 § 268, 19 f, § 271, 4; Schlegelberger/Quassowski3 § 209, 7. 59 Spindler/Stilz/Bachmann4 § 271, 8. Strenger MünchKomm/J Koch4 § 268, 20. Offen gelassen bei BGH 20.9.2004 – II ZR 334/02, NZG 2005, 69, 70. 60 RG 15.11.1905 – I 198/05, RGZ 62, 56, 60 f; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 271, 8. 61 Dazu im Einzelnen Sethe ZIP 1998, 770, 773 sowie die Erläuterungen zu § 271. 62 MünchKomm/J Koch4 § 274, 5; Sethe ZIP 1998, 770, 773; Spindler/Stilz/Bachmann4 § 274, 2. AA 3. Aufl Wiedemann § 274, 4. 63 Sethe S 122 ff; ders ZIP 1998, 1138, 1141. 64 Dazu Sethe S 115 ff.

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rungen erfasst, nicht aber solche mit ungewöhnlichem Inhalt. Die Fortsetzung der Gesellschaft fiel in die zuletzt genannte Kategorie, so dass die Zulassung der Mehrheitsherrschaft innerhalb der Gesellschaftergruppe der Komplementäre eine explizite Satzungsregelung erforderte. Der BGH hat den Bestimmtheitsgrundsatz aufgegeben und wendet heute zur Bestimmung des Satzungsinhalts „nur“ noch die gewöhnlichen Auslegungsmethoden an. Es gibt daher keine Tendenz zu einer von vornherein engen Auslegung mehr. Die neue Auslegungsregel kann auch dann eine Mehrheitsentscheidung für legitimiert ansehen, wenn sich im Gesellschaftsvertrag keine ausdrückliche entsprechende Regel findet, wohl aber im Verhalten der Parteien (zu Einzelheiten s Vor § 278 Rdn 60). Dem Grundsatz des Kernbereichs der Mitgliedschaft kommt die Funktion zu, den 46 Gesellschaftern ein unverzichtbares Minimum an Rechten in der Gesellschaft zu garantieren, ohne das die Mitgliedschaft völlig entwertet würde.65 Eine Regelung, die beim Fortsetzungsbeschluss die Mehrheitsentscheidung innerhalb der Gesellschaftergruppe der Komplementäre vorsähe, ist zum mehrheitsfesten Kernbereich zu zählen, der jede Änderung im Bestand der Gesellschaft erfasst. Mehrheitsfeste Rechte können zwar im Gesellschaftsvertrag abbedungen oder modifiziert werden, jedoch nicht gegen den Willen des Betroffenen.66 Da die Komplementäre persönlich haften, ist es notwendig, dass ein Komplementär, der die Fortsetzung nicht mittragen will, aus der Gesellschaft ausscheiden kann, denn ein Komplementär darf nicht gegen seinen Willen in eine bereits aufgelöste Gesellschaft „zurückgezwungen“ werden.67 VIII. Nachtragsabwicklung (Abs 3) Abs 3 ist an sich überflüssig, denn er wiederholt nur den Wortlaut von § 264 Abs 2, 47 der nach § 278 Abs 3 ohnehin auf die KGaA Anwendung finden würde.68 Die Löschung einer KGaA wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG (sa § 289, 182) führt zur Auflösung der Gesellschaft (§ 289 Abs 2 Nr 3). Eine Abwicklung der wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft findet grundsätzlich nicht statt, es sei denn, es stellt sich nach der Löschung heraus, dass doch noch verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist (Abs 3 Satz 1). Die in diesem Fall erforderliche Abwicklung (Nachtragsabwicklung) wird durch Abwickler besorgt, die ausschließlich durch das Gericht und nur auf Antrag eines Beteiligten bestellt werden (zu weiteren Einzelheiten vgl die Kommentierung zu §§ 264, 273). Für anderweitige Satzungsgestaltungen ist kein Raum.

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65 Vor § 278 Rdn 60 sowie im Einzelnen K Schmidt GesR4, S 470 ff (allgemein); Sethe S 117 ff (zur KGaA). 66 BGH 10.10.1994 – II ZR 18/94, WM 1994, 2244, 2245. K Schmidt GesR4, S 471 f; Sethe S 117 ff; teilweise abweichend Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd 1/1, Die Personengesellschaft, 1977, S 213 ff, der Mehrheitsentscheidungen nur für Gesellschaftsvertragsänderungen mit korporativem Charakter zulassen will. 67 Sethe ZIP 1998, 1138, 1141. 68 Hüffer/Koch14 3; MünchKomm/Perlitt5 29; Spindler/Stilz/Bachmann4 12.

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Sachregister Sachregister https://doi.org/10.1515/9783110294248-039 Die fetten Zahlen verweisen auf die Paragraphen, Vor = Vorbemerkung, die mageren Zahlen verweisen auf die Randnummern. A Abberufung – Abberufungsdurchgriff 278 172 ff, sa dort – Abwickler 265 44 ff, 290 14 – Aufsichtsrat 287 12 – Bekanntmachung 287 12 – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 170 ff – Gesellschaftsblätter 287 12 – Sonderprüfer 258 161 ff – Stimmrechtsausschlüsse 285 36 ff – Zustimmungsrecht 285 64 Abberufungsdurchgriff – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 172 ff – GmbH & Co KGaA 278 172 ff – Satzung 278 173 – Unzulässigkeit 278 174 – Verwaltungsrechte 278 174 Abfindungsanspruch – Auseinandersetzung 289 172 – Ausscheiden 289 82 – Beschränkungen 289 177 – Buchwertklauseln 289 177 – Formwechsel in andere Rechtsform Vor 278 113 – Kündigungsrecht 289 135 Abhängigkeitsbericht 286 50 – faktischer Konzern Vor 278 85 – Jahresabschluss 256 31 – persönlich haftender Gesellschafter 283 24, 283 33 Abschlagsdividende 286 30 abschließende Feststellungen – Auflösung der stillen Reserven 261 1 ff, sa dort – gerichtliche Entscheidung 260 1 ff – Sonderprüfung 259 62 ff, 259 69 – Überprüfung der ~ 260 2 ff, sa dort – Unterbewertung 260 2 Abschlussprüfer – Anhörungen 258 165 f, 258 169 – Befangenheit des Prüfers 256 153 ff, sa dort – Bilanzsitzung 256 194 – fehlende Prüferbefähigung 256 140 ff, sa dort – fehlerhafte Prüferbestellung 256 145 ff, sa dort – Hauptversammlung 257 13 – Jahresabschluss 286 3 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 15a – Prüfungsmängel 256 132 ff, sa dort 895 https://doi.org/10.1515/9783110294248-039

Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren 256 156a, 256 157 ff – Bekanntmachung 256 159 – Beschwerde 256 162 – Entscheidung des Gerichts 256 159 – gerichtlich bestellter Abschlussprüfer 256 158 – Rechtsmittel 256 161, 256 163 – wirksame Bestellung 256 157 Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz 256 143b Abschlussprüfung – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 217 f – Sonderprüfung 258 41 – Stimmrechtsausschlüsse 285 43 Abschlussprüfungsreformgesetz – Befangenheit des Prüfers 256 156 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 15a Abschreibungen – Folgeabschlüsse 261 29 f – Überbewertung 256 90 Abschreibungsmethoden 259 59 Abspaltung Vor 278 97 Abwickler 265 1 ff, 290 9 ff – Abberufung 265 44 ff, 272 12, 290 14 – Abwicklerpflichten 268 1 ff, sa dort – Abwicklungsüberschuss 290 26 ff, sa dort – Amtsdauer 265 15 – Amtsniederlegung 265 48 – Anmeldung 266 1 ff, sa Abwickleranmeldung – Anstellungsverhältnis 265 16 – Arbeitsdirektor 265 49 – atypische Liquidationsstrategien 268 3 – Aufbewahrung von Büchern/Schriften 273 10 – aufgelöste AG 265 3 – außerordentliche Liquidatorenbestellung 265 28 – Beginn des Amts 265 36 – Bekanntgabe 265 35 – Diskontinuitatsmodell 265 10 – Eigenverwaltung 265 4 – Eintragung 290 22 – Entlastung 270 16 – Funktionszuweisung kraft Gesetzes 265 12 – geborene ~ 265 11 ff, 290 10 – gekorene ~ 290 11 – gerichtliche Bestellung 265 28 ff, 290 14 ff – gerichtlicher Bestellungsbeschluss 265 34 – gerichtliches Bestellungsverfahren 265 30 ff – Gläubigeraufruf 267 1 ff, sa dort – Handelsregister 290 22 – Hauptversammlung 290 11 ff

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– Hauptversammlungsbeschluss 265 23 ff – Insolvenzeröffnung 265 4 – juristische Person 265 17 – KGaA 265 6, 290 9 ff – Komplementär 290 10 – Kontinuität der Leitungsstruktur 265 8 ff – Kreditinstitute 265 7 – Leitungsstruktur 265 8 ff – Liquidationspflicht 264 10 – Minderheitenschutz 265 28 – natürliche Personen 265 17 – Notbestellung 265 42 f – Organisationskontinuität 265 9 – qualifizierte Aktionärsminderheit 265 31 – Rechnungslegung 270 1 – Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder 265 13 ff – Rechtsverhältnis 265 37 ff – Satzungsautonomie 290 34 ff – Satzungsbestellung 265 18 ff – Schlussrechnung 273 6 – Schlussrechnungslegung 270 19 – Sperrjahr 290 24 – Vergütung 265 37, 290 23 – Vermögensverteilung 271 13 – Versicherungsunternehmen 265 7 – Verteilung des Abwicklungsüberschusses 290 26 ff – Vertretung durch die Abwickler 269 1 ff, sa dort – Vertretungsmacht 290 18 ff – Vor-AG 265 5 – Vorstand 264 34 – Vorstandsmitglieder 265 11 ff – Wahl 290 12 – Wettbewerbsverbot 268 8 f – wichtiger Bestellungsgrund 265 29 – Wirksamkeit der Bestellung 265 35 – zuständiges Gericht 265 33 Abwickleranmeldung 266 1 ff – Abwicklerwechsel 266 4 – Adressat 266 12 – Amtseintragung 266 19 f – Änderungen 266 9 – Anlagen 266 13 – Anmeldepflichtige 266 8 ff – Anmeldung 266 11 ff – Anmeldungspflicht 266 3 ff – Anmeldungsverfahren 266 8 ff – Bekanntmachung 266 17 – Eintragung 266 16 – Form 266 13 – im Namen der Gesellschaft 266 11 – Inhalt 266 14 – Prüfung 266 15 – Publizität 266 1 – Registerpublizität 266 1

– Registerzwang 266 10 – Vertrauensschutz 266 18 – Vertretungsbefugnis 266 5 – Vertretungsbefugnisänderung 266 6 – Vorstand 266 8 Abwicklerpflichten 268 1 ff – Aufsichtsrat 268 3 – business judgment rule 268 5 – Einforderung von Einlagen 268 7 – Geschäftsbriefe 268 10 – Geschäftskreis 268 6 f – Haftung 268 5 – Hauptversammlung 268 3 – Leitungsorgan 268 3 – Organhaftung 268 5 – Pflichtverletzung 268 11 ff – Schadensersatzhaftung 268 12 – Sorgfaltspflicht 268 5 – Strukturentscheidungen 268 7 – Überwachung 268 3 – Vertrauenshaftung 268 11 – Vorstandspflichten 268 3 – Weisungsrecht der Hauptversammlung 268 3 – Wettbewerbsverbot 268 8 f Abwicklung – Abwickler 264 34, 265 1 ff, 290 9 ff, sa dort – Abwicklungsschluss 273 1 ff, sa dort – Abwicklungsstufe 1 290 5 – Abwicklungsstufe 2 290 6 – Abwicklungsstufe 3 290 7 f – Abwicklungsverfahren 290 24 ff – Aktiengesellschaft 264 1 ff – anwendbares Recht 290 4 ff – anzuwendende Bestimmungen 264 21 ff – Aufbringung des Grundkapitals 264 29 – aufgelöste KGaA 290 3 – Auflösung 264 1 – Auflösungsstichtag 270 5 ff – Aufsichtsrat 264 34 – Ausschüttungssperre 264 33 – Eigenverwaltung 264 12 – Einforderung von Einlagen 264 29 – Einlagen 264 29 – Erläuterungsbericht 270 8 – Fortbestand der Gesellschaft 264 2 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 1 ff, sa dort – Gläubigeraufruf 267 1 ff, sa dort – Gläubigersicherung 272 6 ff, sa dort – Grundkapital 264 29 – Gründungshaftung 264 33 – Hauptversammlung 264 34 – Insolvenzeröffnung 264 2 f, 290 3 – Insolvenzverfahren 264 11 ff – Insolvenzverwalter 264 12 – Jahresabschluss 256 32

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– Jahresrechnungslegung 270 9 ff, sa dort – KGaA Vor 278 72, 290 1 ff – Konzernrechnungslegung 270 17 – Lehre vom Doppeltatbestand 264 16 – Liquidations-Rechnungslegung 270 3 f – Liquidationsbeteiligung 271 1 ff, sa dort – Liquidationseröffnungsbilanz 270 7 – Liquidationspflicht 264 8 ff – Liquidationsstadium 264 2 – Löschung wegen Vermögenslosigkeit 264 15 ff – Mantelverwendung 264 30 – nach Löschung wegen Vermögenslosigkeit 264 17 f – nachfolgende Vermögenslosigkeit 290 28 – Nachtragsabwicklung 290 47 – Nachtragsliquidation 273 12 ff, sa dort – Rechnungslegung 270 1 – Satzung 290 34 ff – Schlussrechnungslegung 270 18 f – Sitzverlegung 264 32 – Sperrjahr 272 1 ff, sa dort – Squeeze-out 264 34 – stille Liquidation 264 8 – Unternehmens-Rechnungslegung 270 3 – Verteilung des Vermögens 290 38 ff – Vorgesellschaft 264 30 – Wettbewerbsverbot 284 20 Abwicklungsmaßnahmen 273 14 Abwicklungsschluss 273 1 ff – Aufbewahrung von Büchern/Schriften 273 9 – Bücher 273 9 – Einsichtsrecht 273 11 – ersatzloses Erlöschen 273 3 – laufende Prozesse 273 3 – Lehre vom Doppeltatbestand 273 2 – Löschung 273 2, 273 4 ff – Nachtragsliquidation 273 12 ff, sa dort – Rechtsmittel 273 21 – Vermögenslosigkeit 273 2 – Vollbeendigung 273 2 Abwicklungsstufe 1 290 5 Abwicklungsstufe 2 290 6 Abwicklungsstufe 3 290 7 f Abwicklungsüberschuss 290 26 ff – Gesellschaftergruppen 290 31 f – Kommanditaktionär 290 32 – Komplementär 290 31 – Sperrjahr 290 27 – vorzeitige Verteilung 290 27 Abwicklungsverfahren – Insolvenzablehnung mangels Masse 262 50 – Löschung wegen Vermögenslosigkeit 264 19 f – vorhandenes Aktivvermögen 264 20

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actio pro socio 278 62 – Kommanditaktionär 278 86 – persönlich haftender Gesellschafter 283 30 ad-hoc-Mitteilung – Auflösung 263 1 – KGaA Vor 278 118 – Sonderprüfungsbericht 259 21 ADHGB Vor 278 17 ff AG & Co. KG 267 5 AIFM-Umsetzungsgesetz 258 26 Aktien besonderer Gattung 285 53 Aktiengesellschaft – Abwicklung 264 1 ff, sa dort – Amtslöschung 263 16 f – Auflösung 262 1 ff, sa dort – Beendigung 262 5 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 1 ff, 275 6, sa dort – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 1 ff, sa dort – Sonderprüfung 258 1 ff, sa dort – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 23 f Aktiengesetz 1965 – Auflösung der stillen Reserven 261 3 – KGaA Vor 278 35 – Sonderprüfung 258 18 f – Sonderprüfungsbericht 259 6 f Aktienoptionen 288 89 Aktienprinzip 278 8 Aktienrecht – Aufsichtsrat 287 3 ff – Hauptversammlung 285 4 ff – KGaA 278 196 – Stimmrechtsausschlüsse 285 44 ff Aktienrechtsnovelle Vor 278 23 f Aktionäre – Antragsberechtigung Sonderprüfung 258 122, 258 124, 258 125 – Liquidationsbeteiligung 271 1 ff, sa dort – Liquidationspflicht 264 9 – Nichtigkeitsklage 275 23 – Sonderprüfung 258 4 – Sonderprüfungsbericht 259 2 f – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 23, 260 25 – Vermögensverteilung 271 14 Aktionärsforum 285 4 Alleinentscheidungsrecht – Geschäftsführung 278 132 – Kommanditaktionär 285 74 ff Alleingesellschafter – Stimmrechtsausschlüsse 285 31 – Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats 287 73 Alleinvertretungsmacht 269 10 f

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Altersversorgung 281 34 Amtseintragung – Abwickleranmeldung 266 19 f – Auflösung 263 11 ff Amtsermittlungsgrundsatz – Bestellung von Sonderprüfern 258 110, 258 146 – Sonderprüfungsbericht 259 45 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 18 Amtslöschung 263 16 f Amtsniederlegung – Abwickler 265 48 – Aufsichtsrat 287 4 – Bestellung von Sonderprüfern 258 164 – Geschäftsführung 278 179 f – Vertretung 278 179 f Anerkennungsbeschluss 258 150 Anfechtung 257 1 ff – Abschlussprüferteilnahme 257 13 – Anfechtungsgründe 257 4 ff – Anfechtungsklage 257 15 ff, sa dort – Aufsichtsratsbericht 257 12 – Auskunftsverlangen 257 6 – Ausschluss 257 2 f – Einberufung 257 5 – Erläuterungspflichten 257 11 – Hauptversammlung 257 1 ff – Hauptversammlungsbeschluss 257 4 ff – IFRS-Einzelabschluss 256 40a – Informationsmängel 257 6 – Inhaltsmängel 257 2 – Konzernabschluss 256 40a – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 4 – Prüfungsmängel 257 3 – rechtswidrige Beschlusszwecke 257 14 – Teilnahmerecht 257 5 – Uneinigkeit über den Jahresabschluss 286 11 – Unterlagenzugänglichkeit 257 10 – Verfahrensfehler 257 1, 257 4 ff, 257 8 ff – Verfahrensfehlerrelevanz 257 7 – Verfahrensregeln 257 4 Anfechtungsklage 257 15 ff – allgemeine Regeln 257 16 – Anfechtungsfrist 257 18 f – Begriff 257 15 – Enforcement-Prüfung 257 17 – fehlerhafte Prüferbestellung 256 148 ff – Gestaltungsklage 257 15 – Heilung 257 15 – Nachtragsprüfung 257 18 f – Nachtragstestat 257 18 – Sonderprüfung 258 46 – Vorrang 257 17 – Wirkung 257 15

Anhang – Abgang von Gegenständen 261 38 – Berichterstattung 258 5 – besondere Vermerke 261 36 f – Folgeabschlüsse 261 36 f – Gliederungsmängel 256 69a – Inhalt 258 82 – Jahresabschluss 286 2 – Jahresrechnungslegung 270 13 – KGaA-Besonderheiten 286 47 f – kleine/mittelgroße AGs 258 84 – Konzernanhang 258 85 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 258 88 – Schutzklauseln 258 83 – Sonderprüfungsbericht 259 15 – Sonderrechnung 261 37 – unvollständige Berichterstattung 258 82 ff – Vervollständigung des ~s 259 63 – zusätzliche Angaben 258 83 Anhörungen 258 165 ff – Abschlussprüfer 258 165 f, 258 169 – Aufsichtsrat 258 166 – Form 258 167 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 35 – Vertreter der Aktiengesellschaft 258 166 – Vorstand 258 166, 258 168 Anmeldung – Form 282 4 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 21 – Inhalt 282 5 – persönlich haftender Gesellschafter 283 13 – Sacheinlage 282 6 – Sondereinlage 282 7 – zuständiges Gericht 282 4 Ansatzregeln – Unterbewertung 256 92 – Verstöße gegen Bewertungsvorschriften 256 77 f Ansatzverbot 258 70 Ansatzwahlrechte 256 255 Anschlussbeschwerde 258 170 Antragsberechtigung Sonderprüfung 258 122 ff – Aktionäre 258 122, 258 124 – Aktionäre des herrschenden Unternehmens 258 125 – eidesstattliche Versicherung 258 131 – Genussrechtsinhaber 258 124 – Glaubhaftmachung der Aktienbesitzzeit 258 131 – Hauptversammlungsbeschluss 258 132 – Nachrangdarlehensinhaber 258 126 – Nachweis 258 129 – Nießbraucher 258 127 – Optionsinhaber 258 124 – Pfandrechtsinhaber 258 127 – Schuldverschreibungsinhaber 258 126

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– stille Gesellschafter 258 126 – Teilgewinnabführungsvertrag 258 126 – Treuhandverhältnisse 258 127 – Versicherung des depotführenden Instituts 258 129 – Vorbesitzzeit 258 130 – vorherigen Befassung in der Hauptversammlung 258 132 – Wandelschuldverschreibunginhaber 258 124 Arbeitsdirektor – Abwickler 265 49 – Mitbestimmung Vor 287 4 Arbeitsverteilungsabsprachen 278 128 ARUG – KGaA Vor 278 41a – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 15b Aufklärungen durch Sonderprüfer 258 180 Auflösung 262 1 ff – Abwicklung 264 1 ff, sa dort – Abwicklungsverfahren 262 4 – ad-hoc-Mitteilung 263 1 – Amtseintragung 263 11 ff – Amtslöschung 263 16 f – Anmeldepflicht 263 2 – Anmeldepflichtiger 263 4 – Anmeldung, unverzügliche 263 5 – Anmeldungssanktionen 263 6 f – Anmeldungsverfahren 263 8 ff – aufgelöste AG 262 7 – Auflösungsgründe 262 8 ff, 289 3, 289 9, 289 14 ff, sa dort – Auflösungsklage 289 46 ff, sa dort – Auflösungsreife 262 2 – Beendigung 289 8 – Begriff 262 3, 289 7 – eingetragene AG 262 6 – Eintragung 289 12, 289 36, 289 179, 289 181 – Eintragung von Amts wegen 263 11 ff – Erlöschen der Gesellschaft 289 8 – Firma 279 31 – Fortsetzung der Gesellschaft 289 37, 290 33 – Gegenstand des Unternehmens 264 7 – gerichtliche Entscheidung 289 45 ff – Handelsregister 263 1 ff, 263 11 ff, 289 12, 289 36, 289 179 – Insolvenzablehnung mangels Masse 262 49 – Insolvenzantrag 289 39 – Insolvenzeröffnung 289 38 – Insolvenzeröffnungsablehnung 289 43 – Insolvenzgründe 289 40 – Insolvenzverfahren 262 13, sa dort – KGaA Vor 278 71, 289 1 ff – körperschaftliche Verfassung der AG 264 6 – Löschung wegen Vermögenslosigkeit 262 13, 290 47

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– Masselosigkeit 262 13 – Nichtigkeit der Gesellschaft 289 13 – persönlich haftender Gesellschafter 283 13 – Publizität 263 1 – Registerpublizität 263 1 – Umwandlung 262 12 – Vermögensübertragung 262 12 – Vor-AG 262 7 – Vorgründungsgesellschaft 262 7 – Wegfall des einzigen Komplementärs 289 143, 289 147, 289 150 – Wettbewerbsverbot 284 20 – Zustimmungsrecht 285 82 Auflösung der stillen Reserven 261 1 ff – Aktiengesetz 1965 261 3 – Bereichsausnahme 261 5 – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz 261 4 – Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz 261 5 – Bilanzrichtliniengesetz 261 3 – Enforcement-Prüfung 261 11 – Ertragsverwendung 261 47 ff – Europäische Aktiengesellschaft 261 8 – europäisches Recht 261 7 f – European Model Companies Act 261 7 – Feststellungen des Gerichts 261 46 – Folgeabschlüsse 261 25 ff, sa dort – Korrektur des Jahresabschlusses 261 13 ff – Rücklagen 261 48 – Transparenz-/Publizitätsgesetz 261 4 – Zweck 261 2 Auflösungsgründe 262 8 ff, 289 3, 289 9, 289 14 ff – aktienrechtliche ~ 289 52 ff – andere ~ 262 11, 262 68 – anderweitige ~ 289 57 ff – Auflösungsanlässe 262 14 – Auflösungsbeschluss 289 18 ff, sa Gesellschafterbeschluss – Ausscheidensgründe 289 67 – Formwechsel 289 62 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 4 – Fusionskontrolle 262 15 – Gesellschafterbeschluss 289 18 ff, sa dort – Handelsrechtsreformgesetz 289 64 – Hauptversammlungsbeschluss 262 21 ff – Inhaltskontrolle 289 29 ff – Insolvenzeröffnung 262 27 ff, sa dort – Keinmann-AG 262 68 – KGaA Vor 278 71 – Konkurrenz 262 9 – Kündigungsklauseln 262 20 – Kündigungsrecht 289 66 – Löschung wegen Vermögenslosigkeit 262 63 ff, 289 55, sa dort – neue ~ 289 68 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 3 ff, 277 3

Sachregister

– Nichtigkeitsurteil 262 68 – numerus clausus 262 8 – personengesellschaftsrechtliche ~ 289 14 ff – Rücknahme der Geschäftserlaubnis 262 68 – Satzung 262 8 – Satzungsänderung 262 23 – Satzungsmangel 262 51 ff, 289 54, sa dort – satzungsmäßige ~ 262 10 – Sitzverlegung ins Ausland 262 22, 262 68 – Spaltung 289 62 – Umgestaltung 289 66 – Verbot der Gesellschaft 262 68 – Vereinsverbot 289 59 – Verlegung ins Ausland 289 61 – Vermögensübertragung 289 62 – Verschmelzung 289 62 – Zeitablauf 262 16 ff, 289 15 ff Auflösungsklage 289 46 ff – Auflösungsbeschluss 289 49 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 289 47 – Gestaltungsurteil 289 51 – Komplementär 289 46 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 3 – Treuepflicht 289 49 – wichtiger Grund 289 50 Auflösungsreife – Fortsetzung der Gesellschaft 274 5 – Uneinigkeit über den Jahresabschluss 286 13 Auflösungsstichtag 270 5 ff Aufsichtsrat – Abberufung 287 12 – Abwicklerpflichten 268 3 – Abwicklung 264 34 – Aktienrecht 287 3 ff – Amtsniederlegung 287 4 – Anhörungen 258 166 – Anzahl der Mitglieder 287 19 – Aufsichtsratsbericht 257 12 – Aufsichtsratswahl 287 4 ff, sa dort – Ausführungskompetenz des ~s 287 27, 287 49 ff, sa dort – Ausschüsse 287 21 – Beschlussfassung 287 21 – Beschränkungen der Komplementäre 287 13 ff – Bestellung 287 4 ff – D&O Versicherung 287 23 – Diversitätskonzept 287 20a – doppelter ~ 287 10c – Einberufung 287 21 – Einpersonen-KGaA 287 16 – Entsendungsrechte 287 5 ff – Ersatzmitglied 287 4 – Familienzugehörigkeit 287 9 – Funktionen 287 25 ff – Geschäftsführung Vor 278 67

– Geschäftsordnung 287 21 – Geschlechterquote 287 20a – Gesellschafter der Komplementärgesellschaft 287 10a ff – Größe 287 19 – Handlungsbevollmächtigte 287 10 – Hauptversammlung Vor 278 67 – innere Ordnung 287 21 – Interessenkollision 287 13 – Jahresabschluss 286 4 – KGaA Vor 278 67, 287 1 ff – Kompetenzen aufgrund der Satzung 287 75 ff – Komplementär 287 10 – Komplementärgesellschaft 287 10 ff – Kontrollkompetenz des ~s 287 26, 287 32 ff, sa dort – Mehrheitsherrschaft der Kapitalgeber 287 10b – Mitbestimmung Vor 287 3, Vor 287 7, 287 20, 287 29 – Nichtigkeitsklage 275 23 – Organ der Gesellschaft 287 1, 287 31 – Personalkompetenz 287 30, 287 38 – Personenidentität 287 10c – persönlich haftender Gesellschafter 283 24 – persönliche Voraussetzungen 287 9 – Prokuristen 287 10 – Prüfungsbericht 256 138 – Qualifikationsvoraussetzungen 287 9 – Sachverstand 287 9 – Satzungsautonomie 287 75 ff – Sonderprüfungsbericht 259 51 – Sorgfaltspflicht 287 24 – Stimmrechtsausschlüsse 285 25, 285 36 ff, 287 7 – Verfahrensfehler 256 171, 256 180 ff – Vergütung 287 23 – Vergütungsbericht 287 23 – Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern 287 22 – Vertretung 278 157, 287 21 – Vertretung durch die Abwickler 269 4 – Vertretungskompetenz des ~s 287 28, 287 57 ff, sa dort – Wettbewerbsverbot 284 14 – Zusammensetzung 287 20 – Zustimmungsrecht 278 150, 285 64 Aufsichtsratsausschüsse 287 21 Aufsichtsratswahl 287 4 ff – Beschlussmängel 287 17 – Stimmrechtsausschlüsse 285 36 ff – Zustimmungsrecht 285 64 Aufspaltung Vor 278 97 Aufwandsentschädigungen 288 89 Aufwendungsersatz – Komplementär 278 81 – persönliche Haftung 278 68 Auseinandersetzung 289 168 ff

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Sachregister

– Abfindungsanspruch 289 172 – Aktien der Gesellschaft 289 178 – Ansprüche 289 168 – Auseinandersetzungsguthaben 289 172 ff – Befreiung von Schulden 289 170 – Buchwertklauseln 289 177 – Gewinn-/Verlustbeteiligung 289 171 – negativer Unternehmenswert 289 174 – Rückgabe von Gegenständen 289 169 – Satzung 289 176 ff Auseinandersetzungsguthaben 289 172 ff Ausführungskompetenz des Aufsichtsrats 287 27, 287 49 ff – Beschlussarten 287 49 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 287 49 – Interessenkollision 287 52 – Interessenwahrungspflicht 287 50 ff – Satzungsautonomie 287 55 f – Treuepflicht 287 52 – Zuständigkeitszuweisung 287 56 Ausgabe von Aktien 283 35 Ausgliederung Vor 278 97 Auskunftserzwingungsverfahren 258 45 Auskunftsrecht – Beirat 287 98 – Kommanditaktionär Vor 278 66, 278 83, 286 23 – Nichtigkeitsklage 256 232 Auskunftsverlangen 257 6 Auskunftsverweigerungsrecht – Komplementär 286 23 – Sonderprüfer 258 180 Ausscheiden – Abfindungsanspruch 289 82, 289 119 – Auseinandersetzung 289 168 ff, sa dort – Ausscheidensfolgen 289 166 ff, sa dort – Ausscheidensvereinbarung 289 98 ff – Ausschließung 289 91 ff – außerordentliche Kündigung 289 108 – Eintragung 289 180 – Erbenfortsetzung 289 120 ff, sa dort – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 289 72 ff – Gesamtrechtsnachfolger 289 75 – Geschäftsführer-Komplementär 289 105 – Gesellschafter 289 69 ff – Gesellschafterbeschluss 289 90 – Gesellschafterwechsel 289 114 ff – Gesellschaftsbeschluss 289 113 – gesetzliches ~ 289 118 ff – Handelsregister 289 179 – Hinauskündigung 289 111 – Insolvenzeröffnung 289 84, 289 130 f – Kommanditaktionär 289 69 ff – Komplementär 278 51, 278 181, 289 77 ff – Kündigung durch Privatgläubiger 289 136

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– Kündigungsrecht 289 85 ff, 289 107 ff, 289 132 ff – Nachfolgeklausel 289 120 – ohne Satzungsregelung 289 81 ff – ordentliche Kündigung 289 107 – persönlich haftender Gesellschafter 283 13, 289 77 ff – Satzung 289 81 ff – Satzungsregelung 289 94 ff, 289 118 ff – Satzungsvereinbarungen 289 96 – Sondereinlage 281 21 – Tod eines Komplementärs 289 82, 289 119 ff – Treuepflicht 289 81 – Wegfall des einzigen Komplementärs 289 137 ff, sa dort – Wettbewerbsverbot 284 23 f – Zeitablauf 289 104 ff – Zulässigkeit 289 78 Ausscheidensfolgen 289 166 ff – Auseinandersetzung 289 168 ff, sa dort – Außenverhältnis 289 167 – Innenverhältnis 289 166 – Nachhaftung 289 167 – Satzung 289 176 ff Ausscheidensvereinbarung 289 98 ff – Ausscheidensbedingungen 289 103 – Kompetenzregelung 289 99 f – Zustimmung 289 102 Ausschließung – Klage 289 92 – Komplementär 289 91 ff – Satzung 289 93, 289 109 – Wettbewerbsverbot 284 39 Ausschlussfrist – Bestellung von Sonderprüfern 258 116 – Nichtigkeitsklage 275 26 Ausschüttungsbemessungsfunktion – Jahresabschluss 256 19 – Verletzung gläubigerschützender Vorschriften 256 49 ausschüttungsoffene Gewinnrücklagen 256 122 f Ausschüttungsrückgewähr 256 210 Ausschüttungssperre 264 33 Ausschüttungsspielraum 256 88 Ausschüttungsverbot – Darlehens-Rückzahlungsansprüche 272 4 – Dividendenauszahlungen 272 5 – Drittgläubigeransprüche 272 4 – Einlagenrückgewähr 272 3 – Kreditausreichungen an Gesellschafter 272 3 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 209 – Verbotsinhalt 272 3 – Vermögensverteilung 272 1, 272 3

Sachregister

Außen-GbR 278 42 Außenhaftung des Beirats 287 119 ff – bei Gelegenheit der Organtätigkeit 287 123 – drittschädigendes Verhalten 287 122 – Gesellschaftergruppen 287 125 – Haftung der Gesellschaft 287 120 ff – individuelle ~ 287 119 – schuldhaftes Fehlverhalten 287 119 – Zurechnung 287 120 ff außergewöhnliche Geschäfte – Hauptversammlung Vor 278 66, 285 17 – Zustimmungsrecht 285 61, 285 63 außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen 278 110 ff – Anlegerschutz 278 117 – Ausschluss des Zustimmungsrechts 278 115, 278 116 ff – Begriff 278 112 – Emissionsprospekt 278 118 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 278 113, 278 116 ff – Satzungsautonomie 285 95 – Treuepflicht 278 120 – Verlagerung des Zustimmungsrechts 278 114 – Zulassungsprospekt 278 118 – Zustimmung 278 111 – Zustimmung der Komplementäre 278 111 außerordentliche Erträge 256 67a außerordentliche Liquidatorenbestellung 265 28 Auszahlungssperre 288 86 ff, 288 92 B Bankbilanzrichtlinie-Gesetz – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 14 – Sonderprüfung 258 21 Barabfindung Vor 278 113 bedeutende Beteiligungen Vor 278 89 Beendigung 289 8 Befangenheit des Prüfers 256 153 ff – Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren 256 156a, 256 157 ff, sa dort – Abschlussprüfungsreformgesetz 256 156 – besondere Ausschlussgründe 256 153a – Bilanzrechtsreformgesetz 256 156 – Bilanzrichtlinien-Gesetz 256 154 – erfasste Fälle 256 153 – Hauptversammlung 256 155 Beherrschungsvertrag Vor 278 79 Beirat 287 79 ff – Abstimmung der Interessen 287 83 – atypische KGaA 287 109 f – Aufnahme neuer Komplementäre 287 102 – Auskunftsrecht 287 98 – Außenhaftung des ~s 287 119 ff, sa dort

– Benachteiligung der Kommanditaktionäre 287 108 – Beraterkreis 287 83 – Bestellung 287 111 – Einsichtsrechte 287 98 – Entscheidungsrecht im Patt 287 97 – Familien-KGaA 287 80 ff – Geschäftsordnung 287 115 – gesellschaftsfremde Mitglieder 287 103 – gesetzliche Kompetenzzuweisung 287 96 ff – Grenzen der Vertragsfreiheit 287 99 – Gründe 287 79 ff – Gruppenorgan 287 116 – Gruppenvertretung 287 116 – Inhabilitätsregelung 287 112 – Innenhaftung des ~s 287 127 ff, sa dort – Kapitalgesellschaft & Co KGaA 287 113 – Kernbereich der Mitgliedschaft 287 100 – Kompetenzen 287 115 – Kompetenzübertragung zu Lasten einer Gesellschaftergruppe 287 105 – Kontrollrechte 287 98 – Mitbestimmung 287 94 – organschaftlicher ~ 287 91 – Personalkompetenz 287 81 – Publikumsgesellschaften 287 85 – Satzungsstrenge 287 92 – Schiedsstelle 287 83 – Schranken der Kompetenzübertragung 287 99 ff – schuldrechtlicher ~ 287 90 – Sicherung des Familieneinflusses 287 80 ff – Stimmrecht 287 114 – Stimmrechtsausschlüsse 287 112 – Strukturentscheidungen 287 103, 287 111 – typische KGaA 287 90 ff – Überwachung des ~s 287 118 – Verbandssouveränität 287 103 – Wahl 287 111 – Wettbewerbsverbot 287 117 – Zulässigkeit 287 89 ff, 287 110 – Zusammensetzung 287 111 – Zustimmungsrecht 278 150 Bekanntmachung – Abberufung 287 12 – Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren 256 159 – Abwickleranmeldung 266 17 – Gläubigeraufruf 267 7, 267 10 – Heilung 256 272 – persönlich haftender Gesellschafter 283 15 – Sonderprüfungsbericht 259 69 f – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 33 f, 260 47 f Beraterkreis 287 83

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Sachregister

Berichterstattung – Anhang 258 5 – besondere Prüfpflicht 37 31 ff – Einschränkung durch das Gericht 37 41 – Negativerklärung 259 67 – Sonderprüfung 258 1 – unvollständige ~ 258 3 – Vervollständigung der ~ 259 68 – Vollständigkeit 258 1 Berichtspflicht 283 24 Berufsregister 256 143 ff Beschlussfeststellungsklage 286 21 Beschlussmängelklage 256 246 Beschwerde – Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren 256 162 – Bestellung von Sonderprüfern 258 170 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 49 Beseitigungsaufforderung 275 28 f Bestätigungsvermerk – eingeschränkter ~ 256 218 – fehlende Prüfung 256 139 f – Nichtigkeitsklage 256 233 – uneingeschränkter ~ 256 210a – Versagung des ~s 256 218 Bestellung von Sonderprüfern 258 107 ff – Abberufung 258 161 ff – Amtsermittlungsgrundsatz 258 110, 258 146 – Amtsniederlegung 258 164 – Änderung des Jahresabschlusses 258 107 – Anerkennungsbeschluss 258 150 – Anhörungen 258 165 ff, sa dort – Anschlussbeschwerde 258 170 – Antragsbegründung 258 136 – Antragsberechtigung Sonderprüfung 258 122 ff, sa dort – Antragsform 258 115 – Antragsfrist 258 116, 258 121 – Antragsfristbeginn 258 118 – Antragsfristende 258 120 – Antragsinhalt 258 133 ff – Antragsprüfung 258 142 – Antragsrücknahme 258 149 – Antragsvoraussetzungen 258 115 ff – Ausschlussfrist 258 116 – Auswahl 258 158 – Beschlussformel 258 152 – Beschwerde 258 170 – Beweisaufnahme 258 148 – Doppelsitz der AG 258 172 – Dualismus des Verfahrensgegenstands 258 114 – Durchführung der Sonderprüfung 258 193 ff – eidesstattliche Versicherung 258 107 – Entscheidung des Gerichts 258 152 – Ermessen 258 153

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– Ermittlung des Sachverhalts 258 111 – Ersatzansprüche 258 191 – Ersatzbestellung 258 164 – Folgen 258 188 ff – Freiwillige Gerichtsbarkeit 258 108 – gerichtliche Ermittlungen 258 145 ff – gerichtliches Verfahren 258 141 ff – Gerichtskosten 258 182 – Gesellschaftswohl 258 139 – Hinweise des Gerichts 258 143 f – Kosten 258 182 ff – Kostentragung 258 184 f – Landgericht 258 172 – mehrere Sonderprüfer 258 160 – mehrtägige Hauptversammlung 258 119 – missbräuchliche Antragstellung 258 138 – Mitteilung an die BaFin 261a 1 ff – Nachschieben von Gründen 258 143 – Nachtragsprüfung 258 121 – Niederschrift 258 115 – Prüfungsbericht des Abschlussprüfers 258 147 – Publizität 258 192 – qualifizierte Aktionärsminderheit 258 107 – Rechtsanwaltskosten 258 183 – Rechtsbeschwerde 258 171 – Rechtsmittel 258 170 f – Rechtsschutzbedürfnis 258 137 – Sachverständige 258 148 – Sonderprüfer 258 173 ff, sa dort – Sonderprüfung 258 193 ff, sa dort – Stimmrechtsausschlüsse 285 41 – Teilrücknahme 258 149 – Unabhängigkeitserklärung 258 159 – unvollständige Berichterstattung 258 155 – unzulässige Unterbewertung 258 154 – Verfahrensart 258 108 – Verfahrensbeteiligte 258 113 – verfahrensgestaltende Erklärungen 258 149 ff – Verfahrensgrundsätze 258 109 ff – Verfahrensleitung 258 112 – Vergleich 258 151 – Vorbesitz 258 107 – Wegfall der Antragsvoraussetzungen 258 140 – Wegfall der Bestellungsvoraussetzungen 258 176 – Zeugen 258 148 – Zurückweisung 258 156 – zuständiges Gericht 258 172 Bestimmtheitsgrundsatz – Fortsetzung der Gesellschaft 290 45 – Gesellschafterbeschluss 289 22 – Satzungsautonomie Vor 278 60 Beurkundungsgesetz 258 20 Beurkundungsmängel 256 199

Sachregister

Beweisaufnahme – Bestellung von Sonderprüfern 258 148 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 38 Beweislast der Nichtigkeitsklage 256 231 ff Bewertung 281 24, 281 27 Bewertungsausgleich – Sonderprüfungsbericht 259 56 – unzulässige Unterbewertung 258 73 – Verstöße gegen Bewertungsvorschriften 256 74 ff Bewertungsdifferenz 259 54 Bewertungsmethoden 259 59 Bewertungsstetigkeit 258 72 Bewertungsvereinbarungen 288 28 Bewertungsvorschriften 258 9 Bewertungswahlrechte 256 255 Bezugsbasis 256 73 Bezugsrecht – Grundkapital 278 186 – Sondereinlage 281 28 Bieterpflichten Vor 278 128 Bilanz 256 30, 286 2 Bilanzeid 256 179 Bilanzexperten 256 192 Bilanzfälschung – IFRS-Einzelabschluss 256 40a – Konzernabschluss 256 40a Bilanzgewinn – Gewinnermittlung 288 30 – Rücklagenfehler 256 114 bilanzielle Sonderprüfung s. Sonderprüfung Bilanzkontinuität 261 26 Bilanzkontrollgesetz – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 15b – Sonderprüfung 258 23 Bilanzposten 256 73 Bilanzrecht – Gliederungsmängel 256 57 – Rechtsnatur 256 41a Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – Auflösung der stillen Reserven 261 4 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 15 – Sonderprüfung 258 26 Bilanzrechtsreformgesetz – Befangenheit des Prüfers 256 156 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 15a – Sonderprüfung 258 23 Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz 261 5 Bilanzrichtlinien-Gesetz – Auflösung der stillen Reserven 261 3 – Befangenheit des Prüfers 256 154 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 15 – Sonderprüfungsbericht 259 8 Bilanzsitzung 256 194

Bilanzstichtag 270 11 Bilanzverknüpfung 256 277 f, 256 280, 256 283 Börsenfolgepflichten Vor 278 118 ff Börsengang Vor 278 52, Vor 278 116 Börsennotierung Vor 278 50 Börsenzulassungsstellen Vor 278 116 Bücher – Abwicklungsschluss 273 9 – Sonderprüfer 258 180 Buchwertklauseln 289 177 business judgment rule – Abwicklerpflichten 268 5 – Fehlerbegriff 256 46 – persönlich haftender Gesellschafter 283 17 – Sonderprüfung 261 20 C Code de Commerce Vor 278 11 f Corporate Governance Kodex Vor 278 123 D D&O Versicherung – Aufsichtsrat 287 23 – persönlich haftender Gesellschafter 283 22 Darlehens-Rückzahlungsansprüche 272 4 Delisting-Erwerbsangebot Vor 278 117 Delisting, kaltes Vor 278 91 Diskontinuitatsmodell 265 10 Dispositionsmaxime 260 18 Diversitätskonzept 287 20a Dividende – Komplementär 286 30 – Unterbewertung 258 79 Dividendenauszahlungen 272 5 Dividendenerhöhung/-reduzierung 260 32 Drittelbeteiligungsgesetz Vor 287 20 ff Drittgläubigeransprüche 272 4 E Effizienzmarkthypothese 258 10 EHUG – KGaA Vor 278 42b – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 15b eidesstattliche Versicherung – Antragsberechtigung Sonderprüfung 258 131 – Bestellung von Sonderprüfern 258 107 Eigenkapital 256 83 Eigenkapitalspiegel 286 2 Eigenverwaltung – Abwickler 265 4 – Abwicklung 264 12 Einberufung – Anfechtung 257 5 – Aufsichtsrat 287 21 – Einberufungsmängel 256 188

904

Sachregister

– Hauptversammlung 256 198, 283 26 ff, 285 4, 287 43 Eingliederung Vor 278 75a Einheits-Kapitalgesellschaft & Co KGaA 278 18, 278 41 Einheits-KGaA – Gründung der KGaA 280 11 – Stimmrechtsausschlüsse 285 32 Einlagen – Abwicklerpflichten 268 7 – Abwicklung 264 29 – ausstehende ~ 271 11, 286 36 ff – Gewinnverteilung Vor 278 68 – Grundkapital 281 14 – Kapitalmaßnahmen 278 184 – KGaA Vor 278 68 – Komplementär 278 29, Vor 278 68 – Liquidationsquote 271 8 f – Nichtigerklärung der Gesellschaft 277 8 ff – Sondereinlage 281 14 ff, sa dort – uneinbringliche ~ 271 12 – Vermögenseinlagen der Komplementäre 281 14 ff Einlagenrückgewähr – Ausschüttungsverbot 272 3 – Kommanditaktionär 278 92 – Sondereinlage 281 21 Einpersonen-Kapitalgesellschaft & Co KGaA 280 11 Einpersonen-KGaA 278 18 – Aufsichtsrat 287 16 – Stimmrechtsausschlüsse 285 32 – Wettbewerbsverbot 284 8 Einpersonengründung 280 1, 280 4 Einsichtsrecht – Abwicklungsschluss 273 11 – Beirat 287 98 – Geschäftsführung 278 142 einstweilige Verfügungen – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 167 – Nichtigkeitsklage 275 31 – Sonderprüfer 258 181 Eintragung – Abwickler 290 22 – Abwickleranmeldung 266 16, 266 19 f – Auflösung 263 11 ff, 289 12, 289 36, 289 179, 289 181 – Ausscheiden 289 180 – fehlende Prüferbefähigung 256 143 ff – Formwechsel Vor 278 105 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 20 – Gründung der KGaA 280 9 – KGaA 282 7 – Löschung 273 7

905

– Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 37 – persönlich haftender Gesellschafter 282 8 ff – Vertretung 278 161 – Vertretungsbefugnis 282 11 ff Eintrittsklauseln 278 48 Eintrittsrecht 284 36 Einwendungen 278 64 Einwilligung 284 31 ff Einzahlungsverpflichtung 286 41 Einzelabschluss 256 30 – persönlich haftender Gesellschafter 283 34 Einzelvertretung 278 159 Emissionsprospekt 278 118 Enforcement-Prüfung – Anfechtungsklage 257 17 – Auflösung der stillen Reserven 261 11 – Konzernabschluss 256 37 – Nichtigkeitsklage 256 239 ff – Sonderprüfung 258 14, 258 43 – Sonderprüfungsbericht 259 20 Entlastung – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 246 – Stimmrechtsausschlüsse 285 39 f Entnahmerecht – Begrenzungen 288 69 ff – besonderes ~ 288 65 – Entnahmesperre 288 51 ff, sa dort – Erweiterungen 288 66 ff – Gewinnentnahme 288 46 – Grundentnahme 288 45 – Kapitalanteil 288 68 – Kommanditaktionäre 288 43 – Komplementär 288 43 ff – Kreditsperre 288 73 ff – negativer Kapitalanteil 288 68 – Satzung 288 62 ff – Treuepflicht 288 48 – unberechtigte Entnahmen 288 47 – unzulässige Kredite 288 73 ff – weitergehende Entnahmen 288 47 Entnahmesperre 288 51 ff – Anknüpfungspunkt 288 56 – Gefährdung der Kapitalgrundlagen 288 54 f – gesetzwidrige Entnahmen 288 58 ff – Gewinn-/Verlustbeteiligung 288 2 – Gewinnentnahme 288 57 – Grundentnahme 288 57 – Kapitalanteil 288 52 f – Kapitalgrundlagen 288 54 f – negativer Kapitalanteil 288 52 f – Reichweite 288 57 – Tätigkeitsvergütung 288 76 ff – Zustimmungsrecht 285 91 Entsendungsrecht – Aufsichtsrat 287 5 ff

Sachregister

– Komplementär 278 48 – Stimmrechtsausschlüsse 285 38 Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 165 ff – Abberufung des Organs 278 170 – Abberufungsdurchgriff 278 172 ff – Abberufungsrecht, schuldrechtliches 278 177 – Antrag 278 165 – einstweilige Verfügungen 278 167 – einziger Komplementär 278 168 – Ersatzkomplementär 278 168 – gerichtliche Entscheidung 278 165 – juristische Person 278 170 ff – neuer Komplementär 278 168 – Personengesellschaften 278 170 ff – Satzung 278 178 – Umwandlung 278 168 – Verhältnismäßigkeit 278 166 – Voraussetzungen 278 165 ff – wichtiger Grund 278 165 – Zumutbarkeit 278 166 Erbenfortsetzung 289 120 ff – Kapitalerhöhung 289 124 – Kommanditaktionär 289 123 ff – Nachfolge-/Umwandlungsklauseln 289 129 – Sondererbfolge 289 120 – Übernahme der Komplementärstellung 289 122 – Wahlrecht 289 121 Erfüllungstheorie 278 65 Erheblichkeit der Unterbewertung 258 80 Erläuterungsbericht 270 8 Ermessen – Bestellung von Sonderprüfern 258 153 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 42 Eröffnungsbilanz 256 32 Ersatzbestellung von Sonderprüfern 258 164 Ertragsverwendung – Auflösung der stillen Reserven 261 47 ff – Hauptversammlung 261 49 ff Erzwingung 271 17 EU-Abschlussprüfungsverordnung 256 15a Euroeinführungsgesetz – KGaA Vor 278 41 – Sonderprüfung 258 22 Europäische Aktiengesellschaft – Auflösung der stillen Reserven 261 8 – KGaA Vor 278 42c – Sonderprüfung 258 32 – Sonderprüfungsbericht 259 13 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 10 europäisches Recht – Auflösung der stillen Reserven 261 7 f – KGaA Vor 278 36 ff

– Sonderprüfung 258 30 ff – Sonderprüfungsbericht 259 11 ff – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 9 European Model Companies Act – Auflösung der stillen Reserven 261 7 – Sonderprüfung 258 31 – Sonderprüfungsbericht 259 12 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 9 F faktischer Konzern Vor 278 81 ff – Abhängigkeitsbericht Vor 278 85 – atypische KGaA Vor 278 82 – Beherrschung Vor 278 81 f – Einfluss eines Kommanditaktionärs Vor 278 86 – Gruppenbildungskontrolle Vor 278 84 – KGaA Vor 278 81 ff – Komplementär Vor 278 81 – Nachteilsausgleich Vor 278 85 – nachträgliche Abhängigkeit Vor 278 84 – Satzung Vor 278 83 – typische KGaA Vor 278 82 Familiengesellschaften – Aufsichtsrat 287 9 – Beirat 287 80 ff – KGaA Vor 278 137 Fehlanzeige 258 90 fehlende Nachtragsprüfung 256 164 ff fehlende Prüferbefähigung 256 140 ff – Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz 256 143b – Berufsregister 256 143 ff – Eintragung im Berufsregister 256 143 ff – Eintragungszeitpunkt 256 143c – gemeinnützige Wohnungsunternehmen 256 144 – Genossenschaften 256 144 – gerichtliche Prüferbestellung 256 143e – Prüfungsverband 256 144 – Verschweigen der ~ 256 143d – Wirtschaftsprüfer-Status 256 141 f fehlende Prüfung 256 133 ff – Bestätigungsvermerk 256 139 f – gesetzliche Prüfungspflicht 256 133 – Lagebericht 256 134 f – Mindestprüfungshandlungen 256 134 f – Prüfung 256 134 – Prüfungsbericht 256 136 ff – Prüfungshandlungen 256 134 f – unzulänglicher Prüfungsbericht 256 136 ff – Versagungsvermerk 256 139 f fehlendes Nachtragstestat 256 167 ff Fehlerbegriff 256 41a ff – Abschlussnichtigkeit 256 43 – Auslegung von Rechtsnormen 256 44a f

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Sachregister

– bilanzrechtliche Gestaltungsspielräume 256 46 – business judgment rule 256 46 – erkennbare Unrichtigkeit 256 42 – normativ-subjektiver ~ 256 42 – Steuerbilanzrecht 256 42a – subjektiver ~ 256 42 – tatsächliche Verhältnisse 256 43 f – Verstöße gegen Bewertungsvorschriften 256 80 – Vertrauens-/Bestandsschutz 256 44b – Wertaufhellungszeitraum 256 42 – Zeitpunkt 256 45 fehlerhafte Prüferbestellung 256 145 ff – Anfechtungsklage 256 148 ff – Befangenheit des Prüfers 256 153 ff, sa dort – gerichtliche Bestellung 256 152 – Hauptversammlung 256 147 f – Zeitpunkt 256 146 – zweiter Abschlussprüfer 256 151 Feingliederung 256 56, 256 63 Feststellungsbefugnis 256 7 Feststellungsinteresse 256 244 Feststellungsklage – allgemeine ~ 256 243 ff – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 243 ff – Nichtigkeitsklage 256 222, sa dort – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 16 – Uneinigkeit über den Jahresabschluss 286 15 FGG-Reformgesetz 258 25 Finanzdienstleistungsinstitute 258 15, 258 44, 258 102 Finanzierungsinstrumente Vor 278 69 Finanzverfassung Vor 278 68 ff Firma – Auflösung 279 31 – bestimmte Gewerbearten 279 27 – Firmenbildung 279 5 ff – Firmenkern 279 6 ff – Firmenunterscheidbarkeit 279 8 – Formwechsel 279 26 – Geschäftsbriefe 279 28 ff – Haftungsbeschränkungszusatz 279 5, 279 15 ff – Irreführungsverbot 279 9 f – KGaA 279 1 ff – Phantasiename 279 10 – Rechtsformzusatz 279 5, 279 11 ff, sa dort – Sachfirma 279 10 – Sanktionen 279 31 f – Satzungsmangel 262 56 – Verschmelzung 279 26 – Zweigniederlassung 279 23 ff Firmenmissbrauchsverfahren 262 55 Folgeabschlüsse 256 275 ff – Abgang von Gegenständen 261 38 – Abschreibungen 261 29 f

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– abweichende Eröffnungsbuchung 256 289 – Änderung von Bewertungsvorschriften 261 32 – Anhang 261 36 f – Auflösung der stillen Reserven 261 25 ff – Ausweis als Ertrag 261 44 – Bereinigung früherer Inhaltsmängel 256 286 ff – Bilanzkontinuität 261 26 – Bilanzverknüpfung 256 277 f, 256 280, 256 283 – Gewinnverwendungsbeschluss 256 284 – Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 261 28, 261 33 – kleine Kapitalgesellschaften 261 45 – Korrektur von Vorjahresfehlern 256 288 – Nichtigkeit der ~ 256 281, 256 282 ff – Rückstellungen 261 31 – schwebend unwirksame ~ 256 279, 256 281, 256 282 ff – Sonderprüfung 261 25 ff – Unterschiedsbetrag 261 40 ff – veränderte Verhältnisse 261 28 ff – Wechsel der Bewertungsmethoden 261 34 Form – Abwickleranmeldung 266 13 – Anhörungen 258 167 – Gläubigeraufruf 267 7 – Prüfungsbericht 256 136 – Zustimmung 285 68 Formblätter – Gliederungsmängel 256 70 – Sonderprüfungsbericht 259 33 Formkaufmann 278 12 Formwechsel – Auflösungsgründe 289 62 – Eintragung Vor 278 105 – Firma 279 26 – Gründungsbestimmungen Vor 278 105 – KGaA Vor 278 62, Vor 278 103 ff – Komplementär Vor 278 106 ff – Umwandlungsbericht Vor 278 105 – Umwandlungsbeschluss Vor 278 105 Formwechsel in andere Rechtsform Vor 278 108 ff – Abfindungsanspruch Vor 278 113 – Barabfindung Vor 278 113 – Genossenschaft Vor 278 112 – Hauptversammlungsbeschluss Vor 278 109 – Komplementär Vor 278 110 – Nachhaftung Vor 278 115 – Personengesellschaften Vor 278 111 – widersprechende Anteilsinhabern Vor 278 113 – Zustimmung Vor 278 109 Fortsetzung der Gesellschaft 274 1 ff – Anmeldung 274 21 – Auflösung 289 37, 290 33

Sachregister

– Auflösung durch Kündigung 274 13 – Auflösung durch Zeitablauf/Beschluss 274 12 – Auflösungsgründe 274 4 – Auflösungsreife 274 5 – Bestimmtheitsgrundsatz 290 45 – Eintragung 274 20 – Fortsetzungsbeschluss 274 4, 274 6 ff, 290 43, sa dort – Grunderfordernisse 274 4 – Insolvenzeröffnung 274 14 f, 289 130 – Katalog 274 12 ff – Kernbereich der Mitgliedschaft 290 46 – KGaA 290 33, 290 43 ff – Lehre vom Doppeltatbestand 274 4 – Mantelverwendung 274 11 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 276 4, 277 12 ff – numerus clausus 274 3 – Satzungsmangel 274 16 – sonstige Fortsetzungsfälle 274 17 ff – Überschuldung 274 11 – unzulässige ~ 274 19 – Vermögensverteilung 274 10 f – Wettbewerbsverbot 284 22 – zulässige ~ 274 18 – Zustimmung 290 44 Fortsetzungsbeschluss – ausdrücklicher ~ 274 8 – fehlerhafter Auflösungsbeschluss 274 9 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 4 – Fortsetzungswille 274 8 – Hauptversammlung 274 6 – Satzungsänderung 274 7 Fortsetzungswille 274 8 Freiheit der Beweiswürdigung 260 40 Freistellung 284 31 ff Freistellungsvereinbarung 278 69 Freiwillige Gerichtsbarkeit 258 108 Fremdgeschäftsführung 278 137 Führungslosigkeit 287 74a Fusionskontrolle 262 15 G Gefährdung der Kapitalgrundlagen 288 54 f Gegnerfreiheit 285 28 Geheimhaltungspflicht 283 17 Geldeinlage 281 19 Geldwert 281 23 Geltendmachung der Nichtigkeit 256 5 gemeinnützige Wohnungsunternehmen 256 144 Genossenschaften – fehlende Prüferbefähigung 256 144 – Formwechsel in andere Rechtsform Vor 278 112

Genussrechte – Antragsberechtigung Sonderprüfung 258 124 – Kapitalmaßnahmen 278 195 – Zustimmungsrecht 285 81 Gerichtskosten – Bestellung von Sonderprüfern 258 182 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 55 Gesamtheit der Kommanditaktionäre 278 93 ff – Auflösungsklage 289 47 – Ausführungskompetenz des Aufsichtsrats 287 49 – Ausscheiden 289 72 ff – außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen 278 99b, 278 113, 278 116 ff – Beschlussfassung 278 99a – Geschäftsführung 278 99b, 278 104 – Gewinn-/Verlustbeteiligung 278 102 – Grundlagenbeschlüsse 278 99a – Hauptversammlung 278 93 ff – Kernbereich der Mitgliedschaft 289 27 – Kompetenzebene 278 99 – Kompetenzen 278 96 ff – Mitwirkung der Kommanditisten 278 100 – Prozessvertretung 287 57, 287 62 – Satzungsautonomie 278 94 – Vertretung 278 95, 278 156 – Willensbildung 278 95 – Zuständigkeiten 278 96 – Zustimmung 285 71 – Zustimmungsrecht 285 16 Gesamtrechtsnachfolger 289 75 Gesamtsteuerbelastung Vor 278 146 Gesamtvertretung 278 160 Gesamtvertretungsmacht 269 9 Geschäftsbriefe – Abwicklerpflichten 268 10 – Firma 279 28 ff Geschäftschancenlehre 284 2 Geschäftsfähigkeit 278 22 ff Geschäftsführer 287 73 Geschäftsführer-Komplementär 278 138 – Ausscheiden 289 105 – Mitbestimmung Vor 287 16 ff Geschäftsführung – Alleinentscheidungsrecht 278 132 – Amtsniederlegung 278 179 f – anwendbares Recht 278 103 – Arbeitsverteilungsabsprachen 278 128 – Aufsichtsrat Vor 278 67 – aufsichtsratsdominierte KGaA 278 150 f – Ausschluss eines Komplementärs 278 105 – außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen 278 110 ff, sa dort – Beschlussfassung 278 130 ff

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Sachregister

– Dritte 278 104 – Einsichtsrecht 278 142 – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 165 ff, sa dort – Fremdgeschäftsführung 278 137 – Funktionsfähigkeit 278 154 – geborene Mitglieder 278 104 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 278 99b, 278 104 – Geschäftsführer-Komplementäre 278 138 – Geschäftsführungsbefugnis 278 106 – Geschäftsführungsbefugnis, Umfang 278 107 ff – Geschäftsführungszuständigkeit 278 104 ff – Geschäftsordnung 278 133, 278 135 f – Geschlechterquote 278 138a – Gestaltungsgrenzen 278 154 – gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen 278 108 f – Grundlagengeschäfte 278 122 ff, sa dort – Hauptversammlung 285 5, 285 21 – hauptversammlungsdominierte KGaA 278 148 f – KGaA 278 103 ff – Komplementär Vor 278 65 – komplementärdominierte KGaA 278 152 – Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats 287 32 – Kontrollrechte 278 139 ff – Organisationsverfassung 278 147 ff – persönlich haftender Gesellschafter 283 6 ff – Prokura 278 125 f – Ressorts 278 128, 278 133 – Satzungsautonomie 278 154 – Satzungsinhalt 281 10 – Selbstkontrolle 278 143 – Selbstorganschaft 278 137 – Tätigkeitsvertrag 278 145 – Überwachung der Geschäftsführung 287 35 ff, sa dort – Vergütung 278 146 – Vertretungsmacht 278 153 – Vollmachten 278 138 – Vorabinformation 278 128 – Widerspruchsrecht 278 127 ff, sa dort – Zustimmungsrecht 278 111, 278 113 ff, 278 116 ff Geschäftsführungsbefugnis 287 46 Geschäftskreis 268 6 f Geschäftsordnung – Aufsichtsrat 287 21 – Beirat 287 115 – Geschäftsführung 278 133, 278 135 f – Überwachung der Geschäftsführung 287 40 Geschäftsunfähige 278 26 Geschäftszweig der Gesellschaft 284 15 f Geschlechterquote – Aufsichtsrat 287 20a – Geschäftsführung 278 138a

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– Komplementär 278 28 – oberste Management-Ebenen 287 20a Gesellschafter – Ausschüttungsverbot 272 3 – Gesellschafterdarlehen Vor 278 70 ff, sa dort – Gesellschaftergruppen 278 14 ff, sa dort – KGaA Vor 278 63 f, 278 10, 278 17 f – Kreditausreichungen 272 3 – persönlich haftender ~ 278 19 ff, 283 1 ff, sa dort – stille ~ 258 126, 278 16 – Wettbewerbsverbot 284 12 Gesellschafter der Komplementärgesellschaft – Aufsichtsrat 287 10a ff – Stimmrechtsausschlüsse 285 26 ff – Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats 287 73 – Wettbewerbsverbot 284 12 Gesellschafterbeschluss 289 18 ff – anschließende Vermögensverwertung 289 32 – Ausscheiden 289 90 – Beschlusserfordernisse 289 19 ff – Bestimmtheitsgrundsatz 289 22 – Kernbereich der Mitgliedschaft 289 23 ff – Kommanditaktionär 289 20 – Komplementär 289 21 – Mehrheitsentscheidung 289 21 – Mehrheitsgesellschafterübernahme 289 30 – Minderheitenschutz 289 25 – Missbrauchskontrolle 289 29 ff – Treuepflicht 289 26 – Zustimmung 289 19 ff Gesellschafterdarlehen Vor 278 70 ff – KGaA Vor 278 70 – Kleinbeteiligungsprivileg Vor 278 70c – Leistungsverweigerungsrecht Vor 278 70d – Sanierungsprivileg Vor 278 70c Gesellschaftergruppen – Abwicklungsüberschuss 290 31 f – Außenhaftung des Beirats 287 125 – Gesellschaftergruppenidentität 285 33 ff – Innenhaftung des Beirats 287 138 ff – Interessengegensatz der ~ 285 28 – KGaA 278 14 ff – Kompetenzübertragung zu Lasten von ~ 287 105 – Stimmrechtsausschlüsse 285 28, 285 33 ff – Uneinigkeit über den Jahresabschluss 286 11 – Zusammenwirken der ~ 278 97 f, 285 2 Gesellschaftergruppenidentität 285 33 ff Gesellschafterwechsel – Ausscheiden 289 114 ff – persönlich haftender Gesellschafter 289 116 – Zustimmung 289 115 Gesellschaftsblätter – Abberufung 287 12 – Gläubigeraufruf 267 8 – Nichtigkeitsklage 275 32

Sachregister

– Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 33, 260 48 Gesetz zur Unternehmensintegrität – Sonderprüfung 258 24 – Sonderprüfungsbericht 259 9 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 6 Gestaltungsklage – Anfechtungsklage 257 15 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 20 Gewerbesteuer Vor 278 147 ff Gewinn-/Verlustbeteiligung 288 1 ff – Auseinandersetzung 289 171 – Entnahmerecht 288 43 ff, sa dort – Entnahmesperre 288 2 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 278 102 – Gewinnermittlung 288 5 ff, sa dort – Gewinnverteilung 288 5 – Gläubigerschutz 288 1 – Kapitalanteil 288 36 – Komplementär 278 73, 288 1 ff – Satzungsautonomie 288 37 ff – Tätigkeitsvergütung 288 76 ff, sa dort – Verlustbeteiligung 288 42 Gewinn-/Verlustrechnung – Gliederungsmängel 256 67 – Jahresabschluss 256 30, 286 2, 286 46 Gewinnabführung 256 212 Gewinnanspruch 258 4 Gewinnausschüttung – Überwindung der Nichtigkeit 256 260 ff – Wettbewerbsverbot 284 41 Gewinnbeteiligung 278 92 Gewinnentnahme 288 46 – Entnahmesperre 288 51 ff, 288 57, sa dort Gewinnermittlung 288 5 ff – Anknüpfungspunkt 288 6 ff – Auslegung 288 15 ff – Berechnung 288 31 ff – Bewertungsvereinbarungen 288 28 – Bilanzgewinn 288 30 – dualistische ~ 288 6, 288 15 ff – Entschädigung für persönliche Haftung 288 11 – fiktive Ergebnisrechnung 288 23 f – getrennte ~ 288 15 ff – Kapitalanteil der Komplementäre 288 27 – Kapitalerhaltungsgrundsatz 288 17 – mehrere Komplementäre 288 33 – monistische ~ 288 6 – Nachschusspflicht 288 35 – Praktikabilität 288 22 – Rücklagen 288 29 – Satzungsautonomie 288 9, 288 38 ff – Steuern 288 29 – Tätigkeitsvergütung 288 29

– Verlustverteilung 288 35 – Vorzugsgewinnanteil 288 31 Gewinnrücklagen 286 24 ff Gewinnteilhabe der Aktionäre 256 20 Gewinnteilhabe von Nichtaktionären 256 213 Gewinnverteilung – angemessenes Verhältnis 288 32 – Einlagen Vor 278 68 – Gewinn-/Verlustbeteiligung 288 5 – mehrere Komplementäre 288 33 – Satzungsautonomie 288 38 ff – Zustimmungsrecht 285 90 ff Gewinnverwendungsbeschluss – Folgeabschlüsse 256 284 – Hauptversammlung 286 1, 286 28 ff – Heilung 256 261b, 256 267 – Jahresabschluss 286 28 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 209, 256 246 – Überwindung der Nichtigkeit 256 249, 256 260 ff – Zustimmungsrecht 285 90 ff, 286 28 Gewinnverwendungsvorschlag – Jahresabschluss 286 4 – persönlich haftender Gesellschafter 283 31 Gewinnvoraus 288 90 gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen 278 108 f gezeichnetes Kapital 258 66 Glaubhaftmachung der Aktienbesitzzeit 258 131 Gläubigeraufruf 267 1 ff – AG & Co. KG 267 5 – Bekanntmachung 267 7 – Bekanntmachung, einmalige 267 10 – Bekanntmachungsmedium 267 8 – Form 267 7 – Gesellschaftsblätter 267 8 – Inhalt 267 7 – Insolvenzverfahrensverschleppung 267 12 – KGaA 267 3 – Nachtragsliquidation 267 3 – Rechtsfolgen 267 11 ff – unterlassener ~ 267 12 – unzulässige Vermögensverteilung 267 13 – Verfahren 267 6 ff – Verpflichtete 267 6 – Zeitfolge 267 9 f Gläubigerschutz – Gewinn-/Verlustbeteiligung 288 1 – Jahresabschluss 256 19 – Kapitalrücklage 256 119 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 14 – Verletzung gläubigerschützender Vorschriften 256 49 f, sa dort – Verstöße gegen Bewertungsvorschriften 256 71

910

Sachregister

Gläubigersicherung 272 6 ff – Abwicklerabberufung 272 12 – bekannte Forderungen 272 8 – Direktansprüche 272 16 – Gläubigergruppen 272 6 f – Hinterlegung 272 10 – Individualschutz 272 14 ff – leer ausgehende Gläubiger 272 17 – präventive Ansprüche/Rechtsbehelfe 272 15 – Rückzahlungsansprüche 272 13 – Sanktionen 272 12 f – Schutz des Gesellschaftsvermögens 272 12 f – Sicherheitsleistung 272 11 – übergangene Gläubiger 272 16 gleichartige Gesellschaft 284 17 f Gleichbehandlungsgebot – Kommanditaktionär 278 59 – Komplementär 278 58 f Gliederungsmängel 256 54 ff – Aktivseite 256 66 – Anhang 256 69a – außerordentliche Erträge 256 67a – Beispiele 256 66 ff – bestimmte Geschäftszweige 256 70 – Bilanzrecht 256 57 – Einzelfall 256 69 – Erleichterungen 256 61 – Feingliederung 256 56, 256 63 – Formblätter 256 70 – Gewinn-/Verlustrechnung 256 67 – Gliederungsvorschriften 256 56 – Grobgliederung 256 56, 256 62 – Kapitalgesellschaften 256 58 – Klarheit 256 68 – Lagebericht 256 69a – Passivseite 256 66 – Rücklagenfehler 256 65 – Sonderregeln 256 70 – tatsächliche Verhältnisse 256 59 – Übersichtlichkeit 256 68 – Verrechnungsverbot 256 63 – Verstöße gegen Bewertungsvorschriften 256 64 – Wesentlichkeit 256 68 ff – Wesentlichkeitsschwelle 256 69a GmbH 258 51 GmbH & Co KGaA 278 172 ff GmbH-Einführung Vor 278 26 GmbH-Reform Vor 278 39 Grobgliederung 256 56, 256 62 Größenklassen Vor 278 48 Grundentnahme 288 45 – Entnahmesperre 288 57 – Kapitalanteil 288 49 Gründer 280 12 f

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Grundkapital – Abwicklung 264 29 – Bezugsrecht 278 186 – Einlagen 281 14 – Erhöhung 278 185 – Größenklassen Vor 278 48 – Herabsetzung 278 185 – Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 278 187 – Kapitalmaßnahmen 278 184 – KGaA Vor 278 68 – Kommanditaktien 278 188 – Komplementär 278 70 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 10 f – Option 278 186 – Satzung 278 186 – Satzungsmangel 262 58 – Sondereinlage 278 184 – Zustimmungsrecht 278 185 Grundlagengeschäfte 278 122 ff – Begriff 278 123 – Holzmüller-Entscheidung 278 123 – Satzungsautonomie 285 94 – strukturverändernde ~ 278 123 – Treuepflicht 278 124 – Zustimmungsrecht 278 122, 278 124, 285 61 f Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung – Folgeabschlüsse 261 28, 261 33 – unzulässige Unterbewertung 258 72 Gründung der KGaA 280 1 ff – Einheits-KGaA 280 11 – Einpersonen-Kapitalgesellschaft & Co KGaA 280 11 – Einpersonengründung 280 1, 280 4 – Eintragung 280 9 – Gründer 280 4, 280 12 f – Gründungsbericht 280 15 – Gründungsprüfung 280 15 – gründungsrelevante Vorschriften 280 14 f – mehrere Komplementäre 280 5 – Nachgründungsvorschriften 280 3 – notarielle Beurkundung 280 7 – Satzungsangaben 280 6 – Satzungsfeststellung 280 3 ff – Stückaktiengesetz 280 1 – Übernahme aller Aktien 280 8 ff Gründungsbericht 280 15 Gründungshaftung 264 33 Gründungsprüfung – Gründung der KGaA 280 15 – persönlich haftender Gesellschafter 283 16 – Sondereinlage 281 24, 286 34 Gruppenbildungskontrolle Vor 278 84 Gruppenorgan 287 116 Gruppenvertretung 287 116

Sachregister

H Haftung – Abwicklerpflichten 268 5 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 215 Haftungsbeschränkungszusatz – & Co. 279 20 – Firma 279 5, 279 15 ff – Form 279 17 ff – mehrere Rechtsformzusätze 279 19 – mehrstufige Personengesellschaft 279 16 – typengemischte Gesellschaft 279 21 Haftungstheorie 278 65 Handelsgesellschaft 278 12 f Handelsgesetzbuch Vor 278 27 Handelskompanien Vor 278 3 Handelsrechtsreformgesetz – Auflösungsgründe 289 64 – KGaA Vor 278 42 Handelsregister – Abwickler 290 22 – Auflösung 263 1 ff, 263 11 ff, 289 12, 289 36, 289 179 – Ausscheiden 289 179 – Hauptversammlung 285 97 ff – Hauptversammlungsbeschluss 285 97 ff – Insolvenzeröffnung 263 12 f – Löschung 273 7 – persönlich haftender Gesellschafter 283 13 ff – Sonderprüfungsbericht 259 49 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 46 – Vertretung 278 161 Handlungsbevollmächtigte 287 10 Hauptversammlung 285 1 ff – Abschlussprüfer 257 13 – Abwickler 290 11 ff – Abwicklerbestellung 265 23 ff – Abwicklerpflichten 268 3 – Abwicklung 264 34 – Aktienrecht 285 4 ff – Aktionärsforum 285 4 – Anfechtung 257 1 ff, sa dort – atypische Liquidationsstrategien 268 3 – Aufsichtsrat Vor 278 67 – Auskunftsrecht 286 23 – ausschließliche Zuständigkeit 285 19 – außergewöhnliche Geschäfte Vor 278 66, 285 17 – Befangenheit des Prüfers 256 155 – Durchführung 285 4 – Einberufung 283 26 ff, 285 4 – eintragungspflichtige Beschlüsse 285 100 – Ertragsverwendung 261 49 ff – fehlerhafte Prüferbestellung 256 147 f – Fortsetzungsbeschluss 274 6 – Funktionen 285 3

– Gesamtheit der Kommanditaktionäre 278 93 ff – Geschäftsführung 285 5, 285 21 – Gewinnverwendungsbeschluss 286 1, 286 28 ff – Handelsregister 285 97 ff – Hauptversammlungsbeschluss 285 10 ff – Holzmüller-Entscheidung 285 9 – Jahresabschluss 285 9, 286 5 – Kommanditaktionär Vor 278 66, 278 93 ff, 285 3 – Kompetenzen 285 9, 285 15 – Kompetenzordnung 285 18 ff – Komplementär 285 5 ff – Kreditgewährung 287 48 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 9 – Personengesellschaftsrecht 285 15 ff – persönlich haftender Gesellschafter 283 26 ff – Registerrecht 285 97 ff – Satzungsautonomie 285 21 – Sonderprüfer 258 199 f – Sonderprüfung 258 54 – Sonderprüfungsbericht 259 51 – Stimmrecht 285 8, 285 22 ff, sa dort – Strukturentscheidungen 285 9 – Unterbewertung 256 98 – unvollständige Berichterstattung 258 94 ff – Verfahrensfehler 256 171, 256 196 ff – Vertretung durch die Abwickler 269 4 – Zusammenwirken der Gesellschaftergruppen 285 2 – Zustimmungsrecht 278 148, 285 16 Hauptversammlungsbeschluss – Abwicklerbestellung 265 23 ff – Alleinentscheidungsrecht 285 74 ff – Anfechtung 257 1 ff, 257 4 ff, 285 10 ff, sa dort – Anfechtungsbefugnis 285 12 ff – Anfechtungsklage 257 15 ff, sa dort – Antragsberechtigung Sonderprüfung 258 132 – Auflösungsgründe 262 21 ff – Formwechsel in andere Rechtsform Vor 278 109 – Gewinnverwendungsbeschluss 286 28 ff – Handelsregister 285 97 ff – Hauptversammlung 285 10 ff – Kapitalerhöhung 278 192 – Klagemöglichkeiten 285 13 – kompetenzwidriger ~ 257 7a – Nichtigkeit 285 10 ff – persönlich haftender Gesellschafter 283 36 f – Zustimmungsrecht 285 59 ff, sa dort Heilung 256 265 ff – Anfechtungsklage 257 15 – Begriff 256 265 – Bekanntmachung 256 272 – fehlender Jahresabschluss 256 271 – Gewinnverwendungsbeschluss 256 261b, 256 267 – Heilungsfrist 256 268 f

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Sachregister

– Heilungsfristbeginn 256 273 – Heilungsfristberechnung 256 272 – Inhaltsmängel 256 268 f – Nachtragstestat 256 271 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 276 1 ff, 276 6 f – Nichtigkeitsklage 256 234, 256 274 – Prüfungsmängel 256 268 f – rückwirkende ~ 256 267 – Satzungsmangel 262 62 – Überwindung der Nichtigkeit 256 247, 256 248a, 256 265 ff – unmögliche ~ 256 270 – unwirksamer Jahresabschluss 256 271 – Verfahrensfehler 256 268 – Vorwegnahme von Kapitalmaßnahmen 256 130 – Wiedereinsetzung 256 273 – Wirkung 256 265a – Zeitablauf 256 265, 256 267 Hinauskündigung 289 111 Hinterlegung – Gläubigersicherung 272 10 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 27 f, 260 50 Höchststimmrechte 285 53 Holding Vor 278 77, Vor 278 80 Holzmüller-Entscheidung – Grundlagengeschäfte 278 123 – Hauptversammlung 285 9 – KGaA Vor 278 102 I IAS/IFRS 258 69 IFRS-Einzelabschluss 256 40 – Anfechtung 256 40a – Bilanzfälschung 256 40a Informationsfunktion – Jahresabschluss 256 21 – Kapitalrücklage 256 119 – Rücklagenfehler 256 115 – Überbewertung 256 88a – Unterbewertung 256 93 – Verletzung gläubigerschützender Vorschriften 256 50 Informationsinteresse des Kapitalmarkts 258 10 Informationsmängel 257 6 Inhaltsmängel 256 2, 256 41a ff, 256 47 ff – Anfechtung 257 2 – Beseitigung 256 27 – Fehlerbegriff 256 41a ff, sa dort – Gliederungsmängel 256 54 ff, sa dort – Heilung 256 268 f – informationelle Mängel 256 28 – nachträgliche Korrektur 256 29 – Rücklagenfehler 256 110 ff, sa dort 913

– Überwindung der Nichtigkeit 256 249a, 256 254 ff – Verletzung gläubigerschützender Vorschriften 256 47 ff, sa dort – Verstöße gegen Bewertungsvorschriften 256 71 ff, sa dort – Vorwegnahme von Kapitalmaßnahmen 256 126 ff, sa dort Innenhaftung des Beirats 287 127 ff – Anstellungsverhältnis 287 134 ff – Bestellungsakt 287 134 – deliktische ~ 287 137 – Gesellschaftergruppenbeirat 287 138 ff – Organhaftung 287 132 – organschaftliche ~ 287 130 ff – positive Forderungsverletzung 287 128 – Schadensersatz 287 129 – schuldrechtliche Beiräte 287 128 f – Verletzung des Anstellungsvertrags 287 132 – Verletzung des Gesellschaftsvertrags 287 131 innere Ordnung des Aufsichtsrats 287 21 Insichgeschäfte – Vertretung 278 163 – Vertretung durch die Abwickler 269 8 Insiderhandelsverbot Vor 278 122 Insolvenzablehnung mangels Masse 262 44 ff – Ablehnungsbeschluss 262 45, 262 47 f – Abwicklungsverfahren 262 50 – Auflösung 262 49 – Masselosigkeit 262 46 – Rechtsfolge 262 49 f Insolvenzeröffnung – Abwickler 265 4 – Abwicklung 264 2 f, 290 3 – Antrag 262 28 – Auflösung 289 38 – Auflösungsgründe 262 27 ff – Ausscheiden 289 84, 289 130 f – Eröffnungsbeschluss 262 31 – Eröffnungsgründe 262 29 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 14 f, 289 130 – Handelsregister 263 12 f – Insolvenzplan 262 37 ff, sa dort – Rechnungslegungspflichten 262 35 – Überschuldung 262 29 – vorläufige Sicherungsmaßnahmen 262 30 – Zahlungsunfähigkeit 262 29 Insolvenzmasse 264 14 Insolvenzordnung Vor 278 41 Insolvenzplan 262 37 ff – bedingter ~ 262 39 – darstellender Teil 262 37 – gestaltender Teil 262 37 – Verfahren 262 38

Sachregister

Insolvenzverfahren – Abwicklung 264 11 ff – Auflösung 262 13 – Beendigung 262 40 ff – Fortsetzung der Gesellschaft 262 43 – Gegenstand 264 14 – Insolvenzablehnung mangels Masse 262 44 ff, sa dort – Insolvenzmasse 264 14 – Insolvenzplan 262 37 ff, sa dort – Insolvenzverwalter 264 12 – Nachtragsverteilung 262 42 – persönlich haftender Gesellschafter 283 38 ff – Sonderprüfung 258 52 – Vertretung durch die Abwickler 269 1 Insolvenzverfahrensverschleppung 267 12 Insolvenzverwalter – Abwicklung 264 12 – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 211 f – Nichtigkeitsklage 256 227a – Vertretung durch die Abwickler 269 1 Interessenkollision – Aufsichtsrat 287 13 – Ausführungskompetenz des Aufsichtsrats 287 52 – Komplementär 285 23, 287 13 – Prozessvertretung 287 66 – Stimmrecht 285 23 – Stimmrechtsausschlüsse 285 51 Interessenwahrungspflicht 287 50 ff Irreführungsverbot – Firma 279 9 f – Rechtsformzusatz 279 13 J Jahresabschluss 256 30 ff – Abänderung 286 5 – Abhängigkeitsbericht 256 31 – Abschlussprüfer 286 3 – Abwicklung 256 32 – Anfechtung 257 1 ff, sa dort – Anhang 286 2, 286 47 f, sa dort – Aufsichtsrat 286 4 – Aufstellung 286 2 – Ausschüttungsbemessungsfunktion 256 19 – ausstehende Einlagen 286 36 ff – Bestandteile 286 2 – Bilanz 256 30, 286 2 – Eigenkapitalspiegel 286 2 – Einzahlungsverpflichtung 286 41 – Einzelabschluss 256 30 – Eröffnungsbilanz 256 32 – Fehlerbegriff 256 42 – Feststellung 286 4 – Folgeabschlüsse 256 275 ff, sa dort

– Gewinn-/Verlustanteil der Komplementäre 286 39 ff – Gewinn-/Verlustrechnung 256 30, 286 2, 286 46 – Gewinnteilhabe der Aktionäre 256 20 – Gewinnverwendungsbeschluss 286 28 – Gewinnverwendungsvorschlag 286 4 – Gläubigerschutz 256 19 – Gliederungsmängel 256 54 ff, sa dort – Hauptversammlung 257 1 ff, 285 9, 286 5 – Heilung 256 265 ff, sa dort – IFRS-Einzelabschluss 256 40 – Informationsfunktion 256 21, sa dort – Kapitalanteil der Komplementäre 286 33 ff – Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 256 33 – Kapitalflussrechnung 286 2 – KGaA-Besonderheiten 286 31 ff – Komplementär 286 2 ff – Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats 287 34 – Konzernabschluss 256 35 ff, sa dort – Konzernrechnungslegung 286 49 ff, sa dort – Kredite an Komplementäre 286 43 ff – Lagebericht 256 31, 286 2, sa dort – Nichtigkeit des ~es 256 1 ff, sa dort – Nichtigkeitsklage 256 220 ff, sa dort – persönlich haftender Gesellschafter 283 24, 283 31 – Prüfung durch den Aufsichtsrat 286 4 – Prüfungsmängel 256 132 ff, sa dort – Rücklagen 286 24 ff – Sacheinlage 286 35 – Satzungsautonomie 286 8 – Segmentberichterstattung 286 2 – Sondereinlage 286 33 – Sonderprüfung 258 1 ff, sa dort – Uneinigkeit über den ~ 286 9 ff, sa dort – Unterzeichnung 286 6 – Verfahrensfehler 256 171 ff, sa dort – Verlustabschreibung 286 42 – Verlustsonderkonto 286 39 – Verschmelzung 256 34 – Zustimmung 286 7 Jahresrechnungslegung – Anhang 270 13 – Bilanzgliederung 270 12 – Bilanzstichtag 270 11 – Feststellung des Jahresabschlusses 270 15 – handelsrechtliche ~ 270 9 f – Lagebericht 270 13 – Offenlegung 270 14 – Prüfung 270 14 Jahresüberschuss/-fehlbetrag – Sonderprüfungsbericht 259 55 – unzulässige Unterbewertung 258 66

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Sachregister

juristische Person – Abwickler 265 17 – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 170 ff – KGaA 278 9 ff – Komplementär Vor 278 64, 278 30 ff – persönlich haftender Gesellschafter 283 18 – persönliche Haftung 278 66 – Vertretung 278 159 K kaltes Delisting Vor 278 91 Kapitalanteil 286 34 – Entnahmerecht 288 68 – Entnahmesperre 288 52 f – Gewinn-/Verlustbeteiligung 288 36 – Gewinnermittlung 288 27 – Grundentnahme 288 49 – Herabsetzung des ~s 278 189 – Jahresabschluss 286 33 ff – Komplementär 286 33 ff Kapitalausstattung Vor 278 47 Kapitalerhaltung – Gewinnermittlung 288 17 – Überbewertung 256 82 – Verletzung gläubigerschützender Vorschriften 256 47, 256 49 Kapitalerhöhung – aus Gesellschaftsmitteln 278 187 – bedingte ~ 278 190 – Erbenfortsetzung 289 124 – genehmigte ~ 278 190 – Grundkapital 278 185 – Hauptversammlungsbeschluss 278 192 – ordentliche ~ 278 190 – Prüfung 278 191 – Rechtfertigung 278 191 – Sondereinlage 281 30 – Umwandlung Sondereinlage-Kommanditaktien 278 190 – Zustimmungsrecht 285 81 Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 256 33 Kapitalflussrechnung 286 2 Kapitalgesellschaft & Co KGaA – Beirat 287 113 – Mitbestimmung Vor 287 9 ff Kapitalgesellschaften – Gliederungsmängel 256 58 – KGaA 278 11 Kapitalgrundlagen 288 54 f Kapitalherabsetzung 256 126 f Kapitalkonto 281 22

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Kapitalmaßnahmen 278 183 ff – Aktionärsdarlehen 278 195 – Einlagen 278 184 – Genussrechte 278 195 – Grundkapital 278 184 – Grundkapitalveränderung 278 184 ff – Komplementärdarlehen 278 195 – Schuldverschreibungen 278 195 – Sondereinlage 278 183 – stille Beteiligungen 278 195 – Umwandlung Kommanditaktien-Sondereinlage 278 194 – Umwandlung Sondereinlage-Kommanditaktien 278 188 ff, sa dort Kapitalrücklage 256 110 – Gläubigerschutz 256 119 – Informationsfunktion 256 119 – Rücklagenfehler 256 118 ff – Zuzahlungen in das Eigenkapital 256 120 Kapitalsammelstellen Vor 278 10 Kapitalverwaltungsgesellschaften 258 15, 258 102 Keinmann-AG 262 68 Kernbereich der Mitgliedschaft – Beirat 287 100 – Fortsetzung der Gesellschaft 290 46 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 289 27 – Gesellschafterbeschluss 289 23 ff KGaA Vor 278 1 ff – abhängiges Unternehmen Vor 278 78 – Abwickler 265 6, 290 9 ff – Abwicklung Vor 278 72, 290 1 ff, sa dort – ad-hoc-Mitteilung Vor 278 118 – ADHGB Vor 278 17 ff – Aktiengesetz 1937 Vor 278 31 – Aktiengesetz 1965 Vor 278 35 – Aktienprinzip 278 8 – Aktienrecht 278 196 – Aktienrechtsnovelle Vor 278 23 f – Anmeldung 282 3 ff – anwendbare Vorschriften 278 6 – ARUG Vor 278 41a – atypische ~ Vor 278 70b – Auflösung Vor 278 71, 289 1 ff, sa dort – Auflösungsgründe Vor 278 71, sa dort – Aufsichtsrat Vor 278 67, 287 1 ff, sa dort – aufsichtsratsdominierte ~ Vor 278 134, 278 150 f – Außen-GbR 278 42 – bedeutende Beteiligungen Vor 278 89 – Beherrschungsvertrag Vor 278 79 – Beirat 287 79 ff, sa dort – Besteuerung Vor 278 144 – Bieterpflichten Vor 278 128 – Börsenfolgepflichten Vor 278 118 ff – Börsengang Vor 278 52, Vor 278 116

Sachregister

– Börsennotierung Vor 278 50 – Börsenzulassungsstellen Vor 278 116 – branchenspezifische Verwendbarkeit Vor 278 51 – Code de Commerce Vor 278 11 f – Corporate Governance Kodex Vor 278 123 – Delisting-Erwerbsangebot Vor 278 117 – Directors Dealings Vor 278 119 – dispositives Recht Vor 278 56, 278 4 – EHUG Vor 278 42b – eigenständige Rechtsform Vor 278 1, 278 3 – Eingliederung Vor 278 75a – Einheits-Kapitalgesellschaft & Co KGaA 278 18, 278 41 – Einlagen Vor 278 68 – Einpersonen-KGaA 278 18 – Eintragung 282 7 – Entstehung Vor 278 5 – Entwicklung des Rechts Vor 278 6 – Euroeinführungsgesetz Vor 278 41 – Europäische Aktiengesellschaft Vor 278 42c – europäisches Recht Vor 278 36 f – faktischer Konzern Vor 278 81 ff, sa dort – fakultative Organe Vor 278 65, Vor 278 67 – Familiengesellschaften Vor 278 137 – Finanzierungsinstrumente Vor 278 69 – Finanzverfassung Vor 278 68 ff – Firma 279 1 ff, sa dort – Formkaufmann 278 12 – Formwechsel Vor 278 62, Vor 278 103 ff – Formwechsel in andere Rechtsform Vor 278 108 ff, sa dort – Fortsetzung der Gesellschaft 290 33, 290 43 ff – Frankreich Vor 278 8 – Gesamtsteuerbelastung Vor 278 146 – Geschäftsführung 278 103 ff, sa dort – Geschichte Vor 278 2 ff – Gesellschafter Vor 278 63 f, 278 10, 278 17 f – Gesellschafterdarlehen Vor 278 70 ff, sa dort – Gesellschaftergruppen 278 14 ff – gesetzes(a)typische ~ Vor 278 138 – Gesetzessystematik Vor 278 54 ff – Gewerbesteuer Vor 278 147 ff – Gläubigeraufruf 267 3 – GmbH-Einführung Vor 278 26 – GmbH-Reform Vor 278 39 – Größenklassen Vor 278 48 – Grundkapital Vor 278 68 – Grundstruktur 278 8 – Gründung Vor 278 62 – Gründung der ~ 280 1 ff, sa dort – Gründungsverhalten Vor 278 46 – Gruppenbildungskontrolle Vor 278 84 – Handelsgesellschaft 278 12 f – Handelsgesetzbuch Vor 278 27 – Handelskompanien Vor 278 3

– Handelsrechtsreformgesetz Vor 278 42 – Hauptversammlung 285 1 ff, sa dort – hauptversammlungsdominierte ~ Vor 278 134, 278 148 f – herrschendes Unternehmen Vor 278 78 – Holding Vor 278 77, Vor 278 80 – Holzmüller-Entscheidung Vor 278 102 – Insiderhandelsverbot Vor 278 122 – Insolvenzordnung Vor 278 41 – Italien Vor 278 7 – juristische Person 278 9 ff – Kapitalausstattung Vor 278 47 – Kapitalgesellschaften Vor 278 46, 278 11 – kapitalistische ~ Vor 278 140 – Kapitalmaßnahmen 278 183 ff, sa dort – Kapitalsammelstellen Vor 278 10 – Kategorien Vor 278 136 – Kommanditaktionär Vor 278 63, 278 14, sa dort – Kommanditprinzip Vor 278 4, 278 8 – Komplementär Vor 278 63, 278 14, sa dort – komplementärdominierte ~ Vor 278 134, 278 152 – Kontrollbegriff Vor 278 125 – Konzernrechnungslegung Vor 278 87 f, 286 49 ff, sa dort – Konzernrecht Vor 278 75 ff – konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft Vor 278 76 ff – Konzessionszwang Vor 278 18 – Körperschaft 278 9 – Körperschaftsteuer Vor 278 145 – Listing Vor 278 116 – Mauracher Entwurf Vor 278 42a – Mehrheitsgesellschafter Vor 278 77, Vor 278 80 – mehrstöckige ~ 278 43 – Mischform 278 3, 278 8 – Missbrauchsvorkehrungen Vor 278 19 – Mississippi-Gesellschaft Vor 278 9 – Mitbestimmung Vor 278 73 f, Vor 287 1 ff, sa dort – Mitbestimmungsgesetz Vor 278 38, Vor 287 1 – Nachhaftungsbegrenzungsgesetz Vor 278 42 – Nichtigkeitsklage 256 227 – Ordonnance de Commerce Vor 278 8 – Organisationsverfassung Vor 278 55, Vor 278 65 ff – personalistische ~ Vor 278 140 – Personengesellschaften 278 42 – persönlich haftender Gesellschafter 278 19 ff, 283 1 ff, sa Komplementär, sa dort – Pflichtangebot Vor 278 127 – Preußische Konkursordnung Vor 278 14 – Publikumsgesellschaften Vor 278 137 – Publizität Vor 278 21, Vor 278 118 – Realtypen Vor 278 136 ff – Rechtsform auf Zeit Vor 278 49 – Rechtsformwahl Vor 278 51 f

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Sachregister

– Rechtspersönlichkeit 278 9 – Rechtsvergleichung Vor 278 150 – Reformvorschläge Vor 278 151 ff – Satzungsautonomie Vor 278 58 ff, sa dort – Satzungsinhalt 281 1 ff, sa dort – Schutz Dritter 278 4 – Selbstorganschaft Vor 278 65 – Sonderrecht 278 7 – Spaltung Vor 278 97 ff – Squeeze-out Vor 278 75b – Steuerrecht Vor 278 143 ff – stille Gesellschafter 278 16 – Strafvorschriften Vor 278 135 – Struktur der ~ 278 4 – Strukturmerkmale 278 8 ff – Stückaktiengesetz Vor 278 41 – supranationale Rechtsformen Vor 278 42c – Transparenzregister sa dort – TransPuG Vor 278 41a – typengemischte Rechtsformen 278 43 – typische ~ Vor 278 70a – Übergangsrechtsform Vor 278 49 – Übernahmerecht Vor 278 124 ff – Umwandlung Vor 278 103 ff, sa Formwechsel – Umwandlungsgesetz Vor 278 90 – Unternehmensvertrag Vor 278 78 – verbundenes Unternehmen Vor 278 75 ff – Vermögensübertragung Vor 278 101 f – Verschmelzung Vor 278 91 ff, sa dort – Vertragskonzernrecht Vor 278 78 ff – Vertretung 278 103 ff, 278 155 ff, sa dort – wechselseitige Beteiligungen Vor 278 89 – Wegfall des einzigen Komplementärs 289 137 ff, sa dort – wirtschaftliche Bedeutung Vor 278 44 ff – Zahl der Gesellschafter 278 17 f – zwingende Regelungen Vor 278 58 ff, Vor 278 61, 278 4 Klagebefugnis 275 23 Klagerecht der Aktionäre 256 8, 256 24 Klagezulassungsverfahren 261 21 Klarheit 256 68 Kleinbeteiligungsprivileg Vor 278 70c Kommanditaktien 278 188 Kommanditaktionär Vor 278 63, 278 14, 278 82 ff – Abschlagszahlung 288 43 – Abwicklungsüberschuss 290 32 – actio pro socio 278 62, 278 86 – Alleinentscheidungsrecht 285 74 ff – Anfechtungsbefugnis 285 14 – Anzahl 278 18 – Auskunftsrecht Vor 278 66, 278 83, 286 23 – Ausscheiden 289 69 ff – Einlagenrückgewähr 278 92 – Erbenfortsetzung 289 123 ff

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– faktischer Konzern Vor 278 86 – Freistellungsvereinbarung 278 69 – Gesamtheit der ~e 278 93 ff, sa dort – Gesellschafterbeschluss 289 20 – Gewinnbeteiligung 278 92 – Gleichbehandlungsgebot 278 59 – Gründer 280 13 – Hauptversammlung Vor 278 66, 278 93 ff, 285 3 – Kündigungsrecht 289 71 – mitgliedschaftliche Stellung 278 82 – mittelbar beherrschender ~ 285 31 – persönliche Haftung 278 91 – Rechtsstellung Vor 278 57, 278 4 – Satzungsautonomie Vor 278 59, 278 94, 289 76 – Sozialansprüche 278 62 – Stimmrecht 285 22 – Tod 289 70 – Transparenzregister Vor 278 133 – Treuepflicht Vor 278 63, 278 87 ff – Vermögensbeteiligung 278 91 f – Vermögensrechte Vor 278 57 – Verwaltungsrechte Vor 278 57, 278 83 f – Wettbewerbsverbot 284 13 Kommanditprinzip Vor 278 4, 278 8 Komplementär Vor 278 63, 278 14 – Abschlagsdividende 286 30 – Abwickler 290 10 – Abwicklungsüberschuss 290 31 – actio pro socio 278 62 – Aktienbesitz 285 23 – Altersversorgung 281 34 – Anfechtungsbefugnis 285 13 – Anzahl 278 17 – Auflösungsklage 289 46 – Aufnahme 278 181 – Aufsichtsrat 287 10, 287 13 ff – Aufwendungsersatz 278 81 – Auskunftsverweigerungsrechte 286 23 – Ausscheiden 278 51, 278 181, 289 77 ff – Ausschließung 289 91 ff – außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen 278 111, sa dort – Beschlüsse 278 53 f – beschränkt Geschäftsfähige 278 26 – Eignung 278 21 ff – Einlagen Vor 278 68, 278 29 – Eintrittsklauseln 278 48 – Entnahmerecht 288 43 ff, sa dort – Entsendungsrechte 278 48 – Erwerb der ~stellung 278 44 – Erwerb von Aktien 278 78 – faktischer Konzern Vor 278 81 – Formwechsel Vor 278 106 ff – Formwechsel in andere Rechtsform Vor 278 110 – Geschäftsfähigkeit 278 22 ff

Sachregister

– Geschäftsführer-Komplementäre 278 138 – Geschäftsführung Vor 278 65 – Geschäftsführungsbefugnis 278 106 – Geschäftsführungszuständigkeit 278 104 – Geschäftsunfähige 278 26 – Geschlechterquote 278 28 – Gesellschafterbeschluss 289 21 – Gewinn-/Verlustanteil 286 39 ff – Gewinn-/Verlustbeteiligung 278 73, 288 1 ff, sa dort – Gleichbehandlungsgebot 278 58 f – Grundkapital 278 70 – Gründung 278 44 – Hauptversammlung 285 5 ff – Interessenkollision 285 23, 287 13 – Jahresabschluss 286 2 ff – juristische Person Vor 278 64, 278 30 ff – Kapitalanteil 286 33 ff – Kaufmann 278 13 – Kontrollrechte 278 139 ff – Kredite an ~e 286 43 ff – Kreditgewährung 287 47 f – Leitungsorgan Vor 278 65 – Letztentscheidungsrecht 278 54 – Nachhaftung 289 170 – Neuaufnahme 278 46, 278 168, 289 146, 289 152 – Organ 278 20 – Pensionszusagen 278 78 – Personenhandelsgesellschaft Vor 278 64 – persönliche Haftung 278 21, 278 63 ff, sa dort – Pflichten 278 52 – Prozessvertretung 287 57 – Rechte 278 52 – Rechtsbeziehungen Vor 278 56 – Rechtsverhältnis untereinander 278 53 – Sacheinlage 278 71 – Satzung 278 29, 278 46 f – Satzungsänderung 278 181 f – Satzungsautonomie Vor 278 59 – Sondereinlage 278 70 ff, 281 14 ff, sa dort – Sondervorteile 278 80, 281 33 – Sorgfaltspflicht 278 55 – Sozialansprüche 278 62 – Stimmrecht 278 54, 285 22 – Stimmrechtsausschlüsse 285 24 ff, sa dort – Tätigkeitsvergütung 278 75 – Tätigkeitsvergütungshöhe 278 77 – Tätigkeitsvertrag 278 74 f, 278 79, 278 145 f, 288 78 ff, sa dort – Tod 289 119 ff – Transparenzregister Vor 278 134 – Treuepflicht Vor 278 63, 278 56 ff – Umwandlung 278 44 – Verantwortlichkeit 278 55a – Vergütung 281 34

– Vermögensbeteiligung 278 70 – Vermögenseinlagen der ~e 281 14 ff – Verschmelzung Vor 278 94 – Vertretung Vor 278 65, 278 156, 278 159 – Verwaltungsrechte 278 53 – Vorschlagsrechte 278 48 – Wegfall des einzigen ~s 289 137 ff, sa dort – weiterer ~ 278 45 – Wettbewerbsverbot 278 78, 284 5 ff, sa dort – Zustimmung Vor 278 66, 278 111 – Zustimmungsrecht 285 16, 285 59 ff, sa dort Komplementärgesellschaft – Aufsichtsrat 287 10 ff – Konzernrechnungslegung 286 53 ff – Stimmrechtsausschlüsse 285 25 – Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats 287 73 – Wettbewerbsverbot 284 9 ff Kontinuität der Leitungsstruktur 265 8 ff Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats 287 26, 287 32 ff – Berichtspflicht der Komplementäre 287 33 – Erweiterung 287 44 – Geschäftsführung 287 32 – Geschäftsführungsbefugnis 287 46 – Jahresabschluss 287 34 – Kreditgewährung 287 47 f – Prüfung des Jahresabschlusses 287 34 – Related Party Transactions 287 47 f – Satzungsautonomie 287 44 – Überwachung der Geschäftsführung 287 35 ff, sa dort – zwingende ~ 287 32 Kontrollrechte – Beirat 287 98 – Geschäftsführung 278 139 ff – Komplementär 278 139 ff Konzernabschluss 286 49 – Anfechtung 256 40a – Bilanzfälschung 256 40a – Enforcement-Prüfung 256 37 – Feststellungsklage 256 38 – Jahresabschluss 256 35 ff – Nichtigkeit 256 38 – Nichtigkeitsklage 256 36 – unzulässige Unterbewertung 258 59 Konzernanhang 258 85 Konzernlagebericht 286 49 Konzernrechnungslegung 286 49 ff – Abhängigkeitsbericht 286 50 – Abwicklung 270 17 – internationale Rechnungslegungsstandards 286 52 – KGaA Vor 278 87 f – Komplementärgesellschaft 286 53 ff – Konzernabschluss 286 49

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Sachregister

– Konzernlagebericht 286 49 – Leitungsorgan 286 58 – Mutterunternehmen 286 58 – Satzung 286 59 – Zweckgesellschaft 286 60 Konzernrecht Vor 278 75 ff Konzessionszwang Vor 278 18 Körperschaft 278 9 Körperschaftsteuer Vor 278 145 Kosten – Bestellung von Sonderprüfern 258 182 ff – Prozessvertretung 287 63 f – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 54 ff Kreditgewährung – Hauptversammlung 287 48 – Komplementär 287 47 f – Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats 287 47 f – persönlich haftender Gesellschafter 283 25 – Zustimmung des Aufsichtsrats 287 48 Kreditinstitute – Abwickler 265 7 – Sonderprüfung 258 15, 258 44, 258 102 ff Kreditsperre 288 73 ff Kündigungsklauseln 262 20 Kündigungsrecht – Abfindungsanspruch 289 135 – Auflösungsgründe 289 66 – Ausscheiden 289 85 ff, 289 107 ff, 289 132 ff – Ausschluss 289 133 – Kommanditaktionär 289 71 – Kündigungsfristen 289 134 – Satzung 289 132 ff – zeitweiliger Aufschub 289 134 L Lagebericht – fehlende Prüfung 256 134 f – Gliederungsmängel 256 69a – Jahresabschluss 256 31, 286 2 – Jahresrechnungslegung 270 13 – persönlich haftender Gesellschafter 283 24, 283 32 – unvollständige Berichterstattung 258 86 – Verfahrensfehler 257 8, 257 9a Lehre vom Doppeltatbestand – Abwicklung 264 16 – Abwicklungsschluss 273 2 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 4 Lehre vom fehlerhaft bestellten Organmitglied 256 189a Leistungsklage – Uneinigkeit über den Jahresabschluss 286 15, 286 21 – Vermögensverteilung 271 17

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Leitungsorgan – Abwicklerpflichten 268 3 – Komplementär Vor 278 65 – Konzernrechnungslegung 286 58 – persönlich haftender Gesellschafter 283 20 – Stimmrechtsausschlüsse 285 25 – Überwachung der Geschäftsführung 287 35 Leitungsstruktur 265 8 ff Letztentscheidungsrecht – Komplementär 278 54 – Satzungsautonomie 287 77 – Uneinigkeit über den Jahresabschluss 286 22 Liquidation sa Abwicklung – atypische Liquidationsstrategien 268 3 – Liquidations-Rechnungslegung 270 3 f – Liquidationsbeteiligung 271 1 ff, sa dort – Liquidationseröffnungsbilanz 258 59, 270 7, 270 15 – Liquidationspflicht 264 8 ff, 264 10 – Liquidationsquote 271 8 f – Liquidationsstadium 264 2 – Nachtragsliquidation 267 3, 273 12 ff, sa dort – stille ~ 264 8 Liquidations-Rechnungslegung 270 3 f Liquidationsbeteiligung 271 1 ff – ausstehende Einlagen 271 11 – Liquidationsquote 271 7 ff, sa dort – Mitgliedschaftsrecht 271 3 – Nachrangprinzip 271 1 – Satzung 271 5 f – Stammrecht 271 3 – uneinbringliche Einlagen 271 12 – Unterdeckung 271 10 ff – Vermögensverteilung 271 13 ff, sa dort – Verteilungsanspruch 271 3 – vertretbare Sachen 271 4 – Zahlungsanspruch 271 4 Liquidationseröffnungsbilanz – Abwicklung 270 7 – Feststellung des Jahresabschlusses 270 15 – unzulässige Unterbewertung 258 59 Liquidationspflicht 264 8 ff Liquidationsquote 271 7 ff – gleichmäßige Einlageleistung 271 8 – unterschiedliche Einlageleistung 271 9 Listing Vor 278 116 Löschung – Abwicklungsschluss 273 4 ff – Anmeldungsinhalt 273 5 – Anmeldungszeitpunkt 273 6 – Anmeldungszuständigkeit 273 4 – Eintragung 273 7 – Handelsregister 273 7 – konstitutive Wirkung 273 8 – Nichtigkeitsklage 275 38 ff, 275 42 ff

Sachregister

– Rechtsmittel 273 21 – Schlussrechnung 273 6 Löschung wegen Vermögenslosigkeit – Abwicklung 264 15 ff – Abwicklungsverfahren 264 19 f – Auflösung 262 13, 290 47 – Auflösungsgründe 262 63 ff, 289 55 – Entscheidung 262 67 – Löschung einer unzulässigen ~ 262 67 – Löschungsverfahren 262 66 – Vermögenslosigkeit 262 64 – Vollbeendigung 262 63 – Ziel 262 63 – zuständiges Gericht 262 66 M Mantelverwendung – Abwicklung 264 30 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 11 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 18 Marleasing-Entscheidung 275 15 ff Masselosigkeit – Auflösung 262 13 – Insolvenzablehnung mangels Masse 262 46 Mauracher Entwurf Vor 278 42a Mehrheitsgesellschafter Vor 278 77, Vor 278 80 Mehrheitsherrschaft der Kapitalgeber 287 10b Meldepflichten 256 239 ff Minderheitenschutz – Abwickler 265 28 – Gesellschafterbeschluss 289 25 – Sonderprüfung 258 6 Mindestvermögen 274 11 Mischform 278 3, 278 8 Missbrauchsvorkehrungen Vor 278 19 Mississippi-Gesellschaft Vor 278 9 Mitbestimmung – Arbeitsdirektor Vor 287 4 – Aufsichtsrat Vor 287 3, Vor 287 7, 287 20, 287 29 – Beirat 287 94 – Drittelbeteiligungsgesetz Vor 287 20 ff – Geschäftsführer-Komplementär Vor 287 16 ff – Kapitalgesellschaft & Co KGaA Vor 287 9 ff – KGaA Vor 278 73 f, Vor 287 1 ff – Mitbestimmungslücke Vor 287 10 ff – paritätische ~ Vor 287 2 – Satzungsautonomie Vor 287 8 – Spaltung Vor 278 100 – Umfang Vor 287 6 ff – Unternehmensleitung Vor 287 3 Mitbestimmungsgesetz Vor 278 38, Vor 287 1 Mitgliedschaftsrecht 271 3

Mitwirkungsmängel des Aufsichtsrats 256 180 ff – Aufsichtsratsausschuss 256 184 – Beschlussfassung 256 185 – Beschlussunfähigkeit 256 189 – Bezugspunkt 256 180 – Bilanzexperten 256 192 – Bilanzsitzung 256 194 – Billigung des Jahresabschlusses 256 180 ff – Einberufungsmängel 256 188 – einzelne Verfahrensfehler 256 188 ff – fehlerhaft bestellte Mitglieder 256 189a ff – Informationsmängel 256 190 ff – Lehre vom fehlerhaft bestellten Organmitglied 256 189a – Nichtigkeitsklage 256 187 – Sektorenkompetenz 256 192 – Teilnahme des Abschlussprüfers 256 194 – Zuständigkeit 256 184 Mitwirkungsmängel des Vorstands 256 172 ff – Aufstellungsfrist 256 179 – Beschlussfassung 256 175 – Bilanzeid 256 179 – fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglieder 256 178 – Gesamtheit des Vorstands 256 173 f – Nichtigkeitsklage 256 175 – unterbesetzter Vorstand 256 176 f – Unterzeichnung 256 179 – Zusammenstellung des Zahlen-/Erläuterungswerks 256 172 Mutterunternehmen 286 58 N Nachfolgeklausel – Ausscheiden 289 120 – Erbenfortsetzung 289 129 – Wegfall des einzigen Komplementärs 289 149 Nachhaftung – Ausscheidensfolgen 289 167 – Formwechsel in andere Rechtsform Vor 278 115 – Komplementär 289 170 Nachhaftungsbegrenzungsgesetz Vor 278 42 Nachrangdarlehensinhaber 258 126 Nachrangprinzip – Liquidationsbeteiligung 271 1 – Sperrjahr 272 1 Nachschieben von Gründen 258 143 Nachschusspflicht 288 35 Nachteilsausgleich Vor 278 85 nachträgliche Korrektur – Inhaltsmängel 256 29 – Nichtigkeitsklage 256 237 – Überbewertung 256 89 – Überwindung der Nichtigkeit 256 249a – Unterbewertung 256 96

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Sachregister

Nachtragsabwicklung 290 47 Nachtragsliquidation 273 12 ff – Abwicklungsmaßnahmen 273 14 – echte ~ 273 13 – Gesellschaft in ~ 273 18 f – Gläubigeraufruf 267 3 – Nachtragsabwicklerbestellung 273 15 ff – Rechtsmittel 273 21 – Rechtsstellung der Nachtragsabwickler 273 20 – Restvermögen 273 13 – unechte ~ 273 14 – Varianten 273 12 Nachtragsprüfung 256 164 ff – Anfechtungsklage 257 18 f – Bestellung von Sonderprüfern 258 121 Nachtragstestat – Anfechtungsklage 257 18 – fehlendes ~ 256 167 ff – Heilung 256 271 – Prüfungsmängel 256 167 ff Nachtragsverteilung 262 42 Nachweise – Antragsberechtigung Sonderprüfung 258 129 – Sonderprüfer 258 180 natürliche Personen 265 17 Nebenintervenient 256 229 Negativerklärung – Sonderprüfung 259 67 – Sonderprüfungsbericht 259 60 nichtfinanzieller Bericht 283 32 Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 1 ff – Abwicklung 277 5 – Aktiengesellschaft 275 6 – aufgelöste AG 275 6 – Auflösungsgründe 275 3 ff, 277 3 – Auflösungsklage 275 3 – Einlagenleistung 277 8 ff – Eintragung 275 37 – fehlende Bestimmung über Unternehmensgegenstand 275 12 f – Fortsetzung der Gesellschaft 276 4, 277 12 ff – Gestaltungsklage 275 20 – Grundkapitalbestimmung, fehlende 275 10 f – Heilung 276 1 ff, 276 6 f – Heilungsverfahren 276 8 ff – Heilungswirkung 276 10 f – Kasuistik 275 18 – Löschung 275 38 ff, 275 42 ff – Mantelverwendung 275 18 – Marleasing-Entscheidung 275 15 ff – nichtige Bestimmung über Unternehmensgegenstand 275 14 ff – Nichtigkeitsgründe 275 7, 275 9 ff – Nichtigkeitsklage 275 19 ff, sa dort – numerus clausus 275 7, 275 9

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– Satzungsänderung 276 5, 276 8 f – Satzungsmangel 275 8 – Vorratsgründung 275 18 – Wirksamkeit von Rechtsgeschäften 277 6 – Zweck 275 1 Nichtigkeit 256 4a, 256 207 Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 1 ff – Abschlussprüfer 256 15a – Abschlussprüfung 256 217 f – Abschlussprüfungsreformgesetz 256 15a – allgemeine Feststellungsklage 256 243 ff – Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen 256 214 – Anfechtung 256 4 – Anhang 258 88 – ARUG 256 15b – Ausschüttungsrückgewähr 256 210 – Ausschüttungsverbot 256 209 – Bankbilanzrichtlinie-Gesetz 256 14 – Beschlussmängelklage 256 246 – Bestätigungsvermerk 256 210a, 256 218 – Bilanzkontrollgesetz 256 15b – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz 256 15 – Bilanzrechtsreformgesetz 256 15a – Bilanzrichtlinien-Gesetz 256 15 – EHUG 256 15b – Entlastung 256 246 – EU-Abschlussprüfungsverordnung 256 15a – Feststellungsbefugnis 256 7 – Feststellungsinteresse 256 244 – Folgeabschlüsse 256 275 ff, sa dort – Geltendmachung der ~ 256 220 ff – Geltendmachung der Nichtigkeit 256 5 – Gewinnabführung 256 212 – Gewinnteilhabe von Nichtaktionären 256 213 – Gewinnverwendungsbeschluss 256 209, 256 246 – Gläubigerschutzregeln 256 14 – Haftung der Abschlussverantwortlichen 256 215 – Hauptversammlung 256 9 – IFRS-Einzelabschluss 256 40 – Informationsfunktion 256 21 – Inhaltsmängel 256 2, 256 27, 256 41a ff, sa dort – Insolvenzverwalter 256 211 f – Jahresabschluss 256 30 ff, sa dort – Klagebefugnis 256 244 – Klagerecht der Aktionäre 256 8, 256 24 – Konzernabschluss 256 35 ff – korporationsrechtliches Rechtsgeschäft 256 207 – Nichtigkeit 256 4a, 256 207 – Nichtigkeitsgründe 256 2, 256 8, 256 12, 256 41a ff, 256 132 ff, 256 171 ff – Nichtigkeitsklage 256 220 ff, sa dort – Offenlegung des Jahresabschlusses 256 219 – Prüfungsmängel 256 2, 256 23, 256 132 ff, sa dort – rechtsgeschäftliche Feststellung 256 1

Sachregister

– Schutzzweck der Norm 256 16 ff – Strafbarkeit 256 216 – Überwindung der Nichtigkeit 256 5, 256 247 ff, sa dort – Verfahrensfehler 256 171 ff, sa dort – Verfahrensmängel 256 2, 256 23, sa dort – Verlustausgleich 256 212 – Vertragskonzern 256 212 – Zeitpunkt 256 3 Nichtigkeitsklage – Aktionäre 275 23 – Aufsichtsrat 275 23 – Auskunftsrecht 256 232 – Ausschlussfrist 275 26 – Ausübungsschranken 256 235 ff – Beklagte 275 24 – Beseitigungsaufforderung 275 28 f – Bestätigungsvermerk 256 233 – Beweislast 256 231 ff – einstweilige Verfügungen 275 31 – Enforcement-Prüfung 256 239 ff – Feststellungsklage 256 222 – Frist 275 26, 275 28 – Fristwahrung 275 27 – Gesellschaftsblätter 275 32 – Gestaltungsklage 275 20 – Heilung 256 234, 256 274 – Insolvenzverwalter 256 227a – KGaA 256 227 – Klageantrag 256 226, 275 21 – Klagebefugnis 256 222, 256 227 f, 275 23 – Konzernabschluss 256 36 – Löschung 275 38 ff, 275 42 ff – Meldepflichten 256 239 ff – Mitwirkungsmängel des Aufsichtsrats 256 187 – Mitwirkungsmängel des Vorstands 256 175 – nachträgliche Korrektur 256 237 – Nebenintervenient 256 229 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 19 ff – Nichtigkeit des Jahresabschlusses 256 220 ff – Prozessstoff 275 34 – Prozessverlauf 275 31 ff – Rechtskraftwirkung 256 223 f – rechtsmissbräuchliche ~ 256 235 – Rechtsschutzbedürfnis 256 237 f – Rechtsschutzinteresse 275 25 – Schiedsgericht 275 22 – Sonderprüfung 256 232, 256 238, 258 47 – Streitgegenstand 256 225, 275 31 – Streitgenossen 256 228 – Streitwert 275 31 – Unterbewertung 256 238 – Urteilsformel 256 226, 275 35 – Veräußerung der Anteile 256 230 – Verbindung von ~n 275 33

– Verfahrensbeteiligte 256 227 – Verwirkung 256 235 – Vorrang 256 239, 256 241 – Vorsatznachweis 256 233 – Vorstand 275 23 – Widerklage 275 21 – zeitliche Grenzen 256 234 – zuständiges Gericht 275 22 Nichtigkeitsschwelle – Sonderprüfung 261 16 f – Überwindung der Nichtigkeit 256 263 f Nichtigkeitsurteil 262 68 Niederschrift – Bestellung von Sonderprüfern 258 115 – unvollständige Berichterstattung 258 94, 258 97 Nießbraucher 258 127 Notbestellung 265 42 f Notorgan 289 139 ff O Optionsinhaber 258 124 Ordonnance de Commerce Vor 278 8 Organhaftung – Abwicklerpflichten 268 5 – Innenhaftung des Beirats 287 132 Organisationskontinuität 265 9 Organisationsverfassung – Geschäftsführung 278 147 ff – KGaA Vor 278 65 ff Österreich 258 33 P Passivvertretung 269 9 Pensionszusagen 278 78 Personalkompetenz – Aufsichtsrat 287 30, 287 38 – Beirat 287 81 Personengesellschaften – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 170 ff – Formwechsel in andere Rechtsform Vor 278 111 – Haftungsbeschränkungszusatz 279 16 – KGaA 278 42 – Komplementär Vor 278 64 – Sonderprüfung 258 51 Personenidentität 287 10c persönlich haftender Gesellschafter 283 1 ff – Abhängigkeitsbericht 283 24, 283 33 – actio pro socio 283 30 – Anmeldung 283 13 – Auflösung 283 13 – Aufsichtsrat 283 24 – Ausgabe von Aktien 283 35 – Ausscheiden 283 13, 289 77 ff – Bekanntmachung 283 15

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Sachregister

– Berichtspflicht 283 24 – business judgment rule 283 17 – D&O-Versicherung 283 22 – Eintragung 282 8 ff – Einzelabschluss 283 34 – Ersatzansprüche wegen der Geschäftsführung 283 30 – Geheimhaltungspflicht 283 17 – Geschäftsführung 283 6 ff – Gesellschafterwechsel 289 116 – Gewinnverwendungsvorschlag 283 31 – Gründer 280 13 – Gründungsprüfung 283 16 – Handelsregister 283 13 ff – Hauptversammlungsbeschluss 283 36 f – Hauptversammlungseinberufung 283 26 ff – Insolvenzantragspflicht 283 41 f – Insolvenzantragsrecht 283 38 ff – Jahresabschluss 283 24, 283 31 – juristische Person 283 18 – Kompetenzordnung 283 21 – Kreditgewährung 283 25 – Lagebericht 283 24, 283 32 – Leitungsorgan 283 20 – nichtfinanzieller Bericht 283 32 – Organe 283 19 – Rechtsbeziehungen 283 3 – Satzungsinhalt 281 7 – Schadensersatz 283 17 – Schutz öffentlicher Interessen 283 5 – Sonderprüfung 283 29 – Sorgfaltspflicht 283 17 ff, 283 19a ff – Verantwortlichkeit 283 17 ff – Verantwortlichkeit, straf-/ordnungswidrigkeitsrechtliche 283 23 – Vertretungsbefugnis 283 6 ff – Wettbewerbsverbot 284 1 ff, sa dort – Zahlungsverbot 283 43 – Zustimmung 285 67 persönliche Haftung – akzessorische ~ 278 64 – Aufwendungsersatz 278 68 – ausgeschiedene Komplementäre 278 67 – Durchgriff auf die Gesellschafter 278 66 – eintretende Komplementäre 278 67 – Einwendungen 278 64 – Erfüllungstheorie 278 65 – Freistellungsvereinbarung 278 69 – Gesamtschuldner 278 67 – Haftungstheorie 278 65 – Inhalt 278 65 – juristische Person 278 66 – Kommanditaktionär 278 91 – Komplementär 278 21, 278 63 ff – primäre ~ 278 64

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– unbeschränkbare ~ 278 64 – unbeschränkte ~ 278 64 – unmittelbare ~ 278 64 Pfandrechtsinhaber 258 127 Pflichtangebot Vor 278 127 Phantasiename 279 10 Posten 258 61 ff Preußische Konkursordnung Vor 278 14 Prokuristen – Aufsichtsrat 287 10 – Geschäftsführung 278 125 f – Vertretung durch die Abwickler 269 12 Prozessvertretung 287 57 ff – Beschluss über die Klageerhebung 287 60 ff – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 287 57, 287 62 – Interessenkollision 287 66 – Komplementär 287 57 – Kosten des Rechtsstreits 287 63 f – wahrzunehmende Interessen 287 65 Prüfungsanlass 258 55 ff Prüfungsbericht – Aufsichtsrat 256 138 – Entwurf 256 138a – fehlende Prüfung 256 136 ff – Form 256 136 – Prüfungsergebnis 256 136 Prüfungsergebnis 256 136 Prüfungsmängel 256 2, 256 23, 256 132 ff – Anfechtung 257 3 – fehlende Nachtragsprüfung 256 164 ff – fehlende Prüferbefähigung 256 140 ff, sa dort – fehlende Prüfung 256 133 ff, sa dort – fehlendes Nachtragstestat 256 167 ff – fehlerhafte Prüferbestellung 256 145 ff, sa dort – Heilung 256 268 f – Katalog 256 132 – Nachtragsprüfung 256 164 ff – Nachtragstestat 256 167 ff – schwere Verstöße 256 132 – Überwindung der Nichtigkeit 256 257 – Wesentlichkeit 256 132 Prüfungsverband 256 144 Publikumsgesellschaften – Beirat 287 85 – KGaA Vor 278 137 Publizität – Abwickleranmeldung 266 1 – Auflösung 263 1 – Bestellung von Sonderprüfern 258 192 – KGaA Vor 278 21, Vor 278 118 – Sonderprüfung 258 8 – Sonderprüfungsbericht 259 16, 259 21

Sachregister

Q Quorum – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 6, 260 12 – Zustimmung 285 70 R Realisationsprinzip 256 90a Rechnungslegungspflichten 262 35 rechtliches Gehör 260 36 Rechtsanwaltskosten – Bestellung von Sonderprüfern 258 183 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 55 Rechtsbeschwerde 260 53 Rechtsformzusatz – Abkürzungen 279 11 f – Firma 279 5, 279 11 ff – Irreführungsverbot 279 13 – Rechtsscheinhaftung 279 32 – Sanktionen 279 31 f – Übergangsfristen 279 14 – übernommene Firma 279 13a – zulässiger ~ 279 12 Rechtskraft – Insolvenzablehnungsbeschluss 262 47 f – Nichtigkeitsklage 256 223 f – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 45 Rechtsmittel – Abschlussprüfer-Ersetzungsverfahren 256 161, 256 163 – Abwicklungsschluss 273 21 – Bestellung von Sonderprüfern 258 170 f – Löschung 273 21 – Nachtragsliquidation 273 21 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 49 ff Rechtspersönlichkeit 278 9 Rechtsschutzbedürfnis – Bestellung von Sonderprüfern 258 137 – Nichtigkeitsklage 256 237 f Rechtsschutzinteresse 275 25 Rechtsvergleichung Vor 278 150 Rederecht 258 200 Registerpublizität – Abwickleranmeldung 266 1 – Auflösung 263 1 Registerzwang 266 10 Related Party Transactions – Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats 287 47 f – Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats 287 73 Ressorts 278 128, 278 133 Restvermögen 273 13 Risikozuschlag 288 90

Rücklagen 256 110 – Auflösung der stillen Reserven 261 48 – Gewinnermittlung 288 29 – Jahresabschluss 286 24 ff – unzulässige Unterbewertung 258 66 Rücklagenfehler 256 110 ff – Anteile an einer Obergesellschaft 256 124 f – ausschüttungsoffene Gewinnrücklagen 256 122 f – Bilanzgewinn 256 114 – Einstellung von Beträgen 256 110a – Entnahme von Beträgen 256 110a – gebundene Rücklagen 256 113 – gesetzliche Regeln 256 111 – Gliederungsmängel 256 65 – Informationsfunktion 256 115 – Inhaltsmängel 256 110 ff – Kapitalrücklage 256 118 ff, sa dort – Rücklagen 256 110 – Satzungsregeln 256 111a – stille Reserven 256 110a – Wesentlichkeit 256 116 Rücknahme der Geschäftserlaubnis 262 68 Rückstellungen – Folgeabschlüsse 261 31 – Überbewertung 256 90 – Unterbewertung 256 99 – unzulässige Unterbewertung 258 66 Rückübertragungsrecht 285 38 S Sacheinlage – Anmeldung 282 6 – Jahresabschluss 286 35 – Komplementär 278 71 – Sondereinlage 281 19 – Umwandlung Sondereinlage-Kommanditaktien 278 189 Sachfirma 279 10 Sachverstand 287 9 Sachverständige 258 148 Sanierungsprivileg Vor 278 70c Satzung – Abberufungsdurchgriff 278 173 – Abwicklerbestellung 265 18 ff – Abwicklung 290 34 ff – Auflösungsgründe 262 8 – Auseinandersetzung 289 176 ff – Ausscheiden 289 81 ff, 289 94 ff – Ausschließung 289 93 – Börsenzulassungsstellen Vor 278 116 – Entnahmerecht 288 62 ff – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 178 – faktischer Konzern Vor 278 83 – Grundkapital 278 186

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Sachregister

– Gründung der KGaA 280 3 ff – Inhaltskontrolle Vor 278 116 – Komplementär 278 29, 278 46 f – Konzernrechnungslegung 286 59 – Kündigungsfolgen 289 135 – Kündigungsfristen 289 134 – Kündigungsrecht 289 132 ff – Liquidationsbeteiligung 271 5 f – Satzungsänderung 278 46, 278 99 f, sa dort – Satzungsautonomie Vor 278 58 ff, sa dort – Satzungsfeststellung 280 3 ff – Satzungsinhalt 281 1 ff, sa dort – Satzungsmangel 262 51 ff, sa dort – Satzungsstrenge 287 92 – Sondereinlage 281 14 ff, sa dort – Tätigkeitsvergütung 288 82 f – Tätigkeitsvertrag 288 82 ff – Verfahrensfehler 256 171 – Vermögenseinlagen der Komplementäre 281 14 ff – Wegfall des einzigen Komplementärs 289 148 ff – Wettbewerbsverbot 284 25 ff – Widerspruchsrecht 278 127 Satzungsänderung 278 46, 278 99 f – Auflösungsgründe 262 23 – Fortsetzungsbeschluss 274 7 – Komplementär 278 181 f – Nichtigerklärung der Gesellschaft 276 5, 276 8 f – Satzungsinhalt 281 13 – Sondereinlage 281 19 – Zustimmungsrecht 278 182, 285 61, 285 79 Satzungsautonomie Vor 278 58 ff – Abwickler 290 34 ff – Abwicklungsverfahren 290 38 ff – Aufsichtsrat 287 75 ff – Ausführungskompetenz des Aufsichtsrats 287 55 f – außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen 285 95 – Beschlussgegenstände 285 93 – Bestimmtheitsgrundsatz Vor 278 60 – Einschränkung Vor 278 60 – formelle Legitimation Vor 278 60 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 278 94 – Geschäftsführung 278 154, 287 76 – Gewinn-/Verlustbeteiligung 288 37 ff – Gewinnermittlung 288 9, 288 38 ff – Gewinnverteilung 288 38 ff – gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen 285 96 – Grenzen der Vertragsfreiheit Vor 278 60 – Grundlagengeschäfte 285 94 – Hauptversammlung 285 21 – Jahresabschluss 286 8

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– KGaA Vor 278 58 ff – Kommanditaktionär Vor 278 59, 278 94, 289 76 – Komplementär Vor 278 59 – Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats 287 44 – Letztentscheidungsrecht 287 77 – materielle Legitimation Vor 278 60 – Mitbestimmung Vor 287 8 – Schutz Dritter Vor 278 61 – Stimmrechtsausschlüsse 285 52 ff – Struktur der KGaA Vor 278 61 – Zustimmung 286 8 – Zustimmungsrecht 285 77 ff Satzungsinhalt 281 1 ff – Abreden außerhalb der Satzung 281 12 – Geschäftsführung 281 10 – identifizierende Angaben 281 7 f – Mindestinhalt 281 4 ff – mitgliedschaftliche Stellung 281 11 – Nennung der Komplementäre 281 9 – notwendiger ~ 281 4 ff – persönlich haftender Gesellschafter 281 7 – Satzungsänderung 281 13 – Sondereinlage 281 14 ff, sa dort – Sondervorteile 281 32 ff – Umwandlung Sondereinlage-Kommanditaktien 281 31 – Vermögenseinlagen der Komplementäre 281 14 ff – Vertretung 281 10 Satzungsmangel 262 51 ff – Aktienangaben 262 59 – Auflösungsgründe 289 54 – Auflösungswirkung 262 62 – Firma 262 56 – Firmenmissbrauchsverfahren 262 55 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 16 – Grundkapital 262 58 – Heilung 262 62 – Nichtigerklärung der Gesellschaft 275 8 – Nichtigkeit 262 53 – Rechtskraft der registergerichtlichen Verfügung 262 51 – Sitz der Gesellschaft 262 57 – Verfahren 262 61 – Vorstandsmitgliederzahl 262 60 Satzungsstrenge 287 92 Schadensersatz – Abwicklerpflichten 268 12 – Innenhaftung des Beirats 287 129 – persönlich haftender Gesellschafter 283 17 – Stimmrechtsausschlüsse 285 56 – Wettbewerbsverbot 284 36 Schiedsgericht 275 22 Schiedsstelle 287 83

Sachregister

Schlussrechnungslegung – Abwicklung 270 18 f – Löschung 273 6 Schriften 258 180 Schuldverschreibungen – Kapitalmaßnahmen 278 195 – Zustimmungsrecht 285 81 Schuldverschreibungsinhaber 258 126 Schutzklauseln – Anhang 258 83 – unvollständige Berichterstattung 258 91 Schweiz 258 33 Segmentberichterstattung 286 2 Sektorenkompetenz 256 192 Selbstkontrahieren s. Insichgeschäfte Selbstkontrolle 278 143 Selbstorganschaft – Geschäftsführung 278 137 – KGaA Vor 278 65 – Vertretung 278 159 Sicherheitsleistung 272 11 Sitz der Gesellschaft 262 57 Sitzverlegung 264 32 Sitzverlegung ins Ausland 262 22, 262 68 Sondereinlage 281 14 ff – Anmeldung 282 7 – Anpassung 281 30 – Ausscheiden 281 21 – Begriff 281 14 – Bewertung 281 24, 281 27 – Bezugsrecht 281 28 – Bilanzierung der ~ 281 27 – Einforderung der ~ 281 20 – Einlagefähigkeit 281 15 – Einlagenrückgewähr 281 21 – Einlagepflicht 281 16 f – Entnahmen 281 21 – Erbringungsfolgen 281 18 – Erhöhung 281 19, 281 29 – fehlende Regelung 281 16 – Festsetzung der Art/Höhe 281 16 – Geldeinlage 281 19 – Geldwert 281 23 – Gesamtkapital 278 184 – Grundkapital 278 184 – Gründungsprüfung 281 24, 286 34 – Jahresabschluss 286 33 – Kapitalerhöhung 281 30 – Kapitalkonto 281 22 – Kapitalmaßnahmen 278 183 – Komplementär 278 70 ff, 281 14 ff – Sacheinlage 281 19 – Satzungsänderung 281 19 – Satzungsinhalt 281 14 ff – Stimmrecht 285 22

– Überbewertung 281 26 – Umwandlung Kommanditaktien-Sondereinlage 278 194 – Umwandlung Sondereinlage-Kommanditaktien 278 188 ff, sa dort – Vermögen der KGaA 281 20 Sonderprüfer 258 173 ff – Aufklärungen 258 180 – Auskunftsverweigerungsrecht 258 180 – Befangenheit, allgemeine 258 174 – Befangenheit, erweiterte 258 175 – Bücher 258 180 – einstweiliger Rechtsschutz 258 181 – Hauptversammlung 258 199 f – Nachweise 258 180 – Prüfungshandlungen 258 179 – Qualifikationsanforderungen 258 173 – Rechte der ~ 258 179 ff – Rechtsstellung 258 189 f – Rederecht 258 200 – Schriften 258 180 – Sonderprüfungsbericht 259 1 ff, sa dort – Teilnahmerecht 258 199 – Verantwortlichkeit 258 186 f – Vergütung 258 177 f – Verschwiegenheitspflicht 258 187 – Wegfall der Bestellungsvoraussetzungen 258 176 – Wirtschaftsprüfer 258 173 Sonderprüfung 258 1 ff, 258 193 ff – abschließende Feststellungen 259 62 ff, 259 69, sa dort – Abschlussprüfung 258 41 – AIFM-Umsetzungsgesetz 258 26 – Aktiengesellschaft 258 50 – Aktiengesetz 1965 258 18 f – Aktionäre 258 4 – allgemeine ~ 258 42 – Anfangsverdacht 258 56 – Anfechtungsklage 258 46 – Anhang 261 36 f – Anlass 258 57 ff – Anwendungsbereich 258 50 ff – Auflösung der stillen Reserven 261 1 ff, sa dort – aufsichtsrechtliche Prüfungen 258 44 – Auskunftserzwingungsverfahren 258 45 – Ausschlusstatbestände 258 104 ff – außerordentliche Hauptversammlung 261 18 f – Bankbilanzrichtlinie-Gesetz 258 21 – Bedeutung 258 27 – Begriff 258 1 – Berichterstattung 258 1, sa dort – Beschränkung 258 15 – Bestellung von Sonderprüfern 258 107 ff, sa dort – Beurkundungsgesetz 258 20 – Bewertungsvorschriften 258 9

926

Sachregister

– Bilanzkontrollgesetz 258 23 – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz 258 26 – Bilanzrechtsreformgesetz 258 23 – business judgment rule 261 20 – Dualismus des Verfahrensgegenstands 258 114 – Durchführung 258 195 ff – Effizienzmarkthypothese 258 10 – Enforcement-Prüfung 258 14, 258 43 – Euroeinführungsgesetz 258 22 – Europäische Aktiengesellschaft 258 32 – europäisches Recht 258 30 ff – European Model Companies Act 258 31 – externe ~ 258 201 – FGG-Reformgesetz 258 25 – Finanzdienstleistungsinstitute 258 15, 258 44, 258 102 – Folgeabschlüsse 261 25 ff – freiwillige ~ 258 201 ff, 259 71 – Gericht 258 1 – gerichtliche Anordnung 258 54, 258 107 ff – Gesetz zur Unternehmensintegrität 258 24 – Gewinnanspruch 258 4 – GmbH 258 51 – Hauptversammlung 258 54 – Informationsinteresse des Kapitalmarkts 258 10 – informelle ~ 258 201 ff, 259 71 – Insolvenzverfahren 258 52 – interne ~ 258 201 – Kapitalverwaltungsgesellschaften 258 15, 258 102 – Klagezulassungsverfahren 261 21 – Kompensation 258 13 – Konzept 258 3 – Korrektur des Jahresabschlusses 261 15 – Kreditinstitute 258 15, 258 44, 258 102 ff – Minderheitenschutz 258 6 – Mitteilung an die BaFin 261a 1 ff, 261a 5 – Nachbereitung 258 198 – Negativerklärung 259 67 – Nichtigkeitsklage 256 232, 256 238, 258 47 – Nichtigkeitsschwelle 261 16 f – Österreich 258 33 – Personengesellschaften 258 51 – persönlich haftender Gesellschafter 283 29 – präventive Wirkung 258 28 – Prüfung durch Vorstand/Aufsichtsrat 258 40 – Prüfungsanlass 258 55 ff – Prüfungsgründe 258 58 ff – Prüfungsumfang 258 98 ff – Publizität 258 8 – Rechtsfolgen 261 13 ff – Schutz der Aktiengesellschaft 258 11 – Schweiz 258 33 – Sonderposten für allgemeine Bankrisiken 258 105

927

– Sonderprüfer 258 1, sa dort – Sonderprüfungsbericht 259 1 ff, sa dort – stakeholder-Interessen 258 8 – Standards der Abschlussprüfung 258 195 – Stärkung des Abschlussprüfers 258 12 – Stichtagsprinzip 259 57 f – stille Reserven 258 3 – Stückaktiengesetz 258 22 – unvollständige Berichterstattung 258 81 ff, 258 197, sa dort – unzulässige Unterbewertung 258 59 ff, 258 196, sa dort – Versicherungsunternehmen 258 103 – vertragliche Bezugnahmen auf Gewinn/Verlust 261 22 f – Vervollständigung des Anhangs 259 63 – Voraussetzungen 258 53 ff – Vorbereitung 258 194 – Vorstandsgewinnbeteiligung 261 23 – Wirtschaftsprüfer 258 1 Sonderprüfungsbericht 259 1 ff – Abschreibungsmethoden 259 59 – Abschrift 259 50 – Abweichungen von Ansatz-/Bewertungsmethoden 259 65 f – Ad-hoc-Publizität 259 21 – Aktiengesetz 1965 259 6 f – Amtsermittlungsgrundsatz 259 45 – andere Veröffentlichungspflichten 259 19 ff – Anhangsangaben 259 15 – Aufnahme nachteiliger Tatsachen 259 48 – Aufsichtsrat 259 51 – Bekanntmachung 259 69 f – Berichterstattungspflicht 259 1, 259 23 – besondere Prüfpflicht 37 31 ff, 259 31 ff – Bewertungsausgleich 259 56 – Bewertungsdifferenz 259 54 – Bewertungsmethoden 259 59 – Bilanzrichtliniengesetz 259 8 – Einschränkung der Berichterstattung 259 41 ff – Enforcement-Prüfung 259 20 – Erweiterung des Prüfungsauftrags 259 34 – Europäische Aktiengesellschaft 259 13 – europäisches Recht 259 11 ff – European Model Companies Act 259 12 – Formblätter 259 33 – Gesetz zur Unternehmensintegrität 259 9 – Handelsregister 259 49 – Hauptversammlung 259 51 – Jahresüberschuss/-fehlbetrag 259 55 – mehrere Sonderprüfer 259 25 – Mitteilung an die BaFin 261a 1 ff, 261a 8 – negative Publizität 259 16 – Negativerklärung 259 60

Sachregister

– nicht unwesentliche Unterbewertung 259 52 ff – notwendige Angaben 259 27 – Publizität 259 16, 259 21 – schriftlicher ~ 259 24, 259 47 – Stichtagsprinzip 259 57 f – Überbewertung 259 30 ff – Unterbewertung 259 52 ff – Unterrichtung der Aktionäre 259 2 f – Veröffentlichung 259 17 – Verständlichkeit 259 28 – Verwendung der Informationen 259 4 – Vorlage an den Aufsichtsrat 259 51 – Wahlrechte 259 58 – Zufallsfunde 259 35 – Zweck 259 2 Sonderregeln – Gliederungsmängel 256 70 – Verstöße gegen Bewertungsvorschriften 256 109 Sondervorteile – Altersversorgung 281 34 – Komplementär 278 80, 281 33 – Satzungsinhalt 281 32 ff – Vergütung 281 34 Sorgfaltspflicht – Abwicklerpflichten 268 5 – Aufsichtsrat 287 24 – Komplementär 278 55 – persönlich haftender Gesellschafter 283 17 ff, 283 19a ff Spaltung – Abspaltung Vor 278 97 – Auflösungsgründe 289 62 – Aufnahme Vor 278 98 – Aufspaltung Vor 278 97 – Ausgliederung Vor 278 97 – KGaA Vor 278 97 ff – Mitbestimmung Vor 278 100 – Neugründung Vor 278 99 Sperrjahr 272 1 ff – Abwickler 290 24 – Abwicklungsüberschuss 290 27 – Ausschüttungsverbot 272 3, sa dort – Fristlauf 272 2 – Nachrangprinzip 272 1 – Vorrang der Gläubigerbefriedigung 272 1 Squeeze-out – Abwicklung 264 34 – KGaA Vor 278 75b stakeholder-Interessen 258 8 Stammrecht 271 3 sternförmige Kapitalgesellschaft & Co KGaA Vor 278 76 Steuerbilanzrecht 256 42a Steuererstattungsansprüche 256 90b

Steuerrecht – KGaA Vor 278 143 ff – Wettbewerbsverbot 284 40 ff Stichtagsprinzip – Sonderprüfungsbericht 259 57 f – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 41 stille Beteiligungen 278 195 stille Gesellschafter – Antragsberechtigung Sonderprüfung 258 126 – KGaA 278 16 stille Liquidation 264 8 stille Reserven – Auflösung der stillen Reserven 261 1 ff, sa dort – Rücklagenfehler 256 110a – Sonderprüfung 258 3 Stimmrecht 285 22 ff – Aktien besonderer Gattung 285 53 – Beirat 287 114 – für fremde Aktien 285 54 – Hauptversammlung 285 8, 285 22 ff – Höchststimmrechte 285 53 – Interessenkollision 285 23 – Kommanditaktionär 285 22 – Komplementär 278 54, 285 22 – Sondereinlage 285 22 – Stimmrechtsausschlüsse 285 24 ff, sa dort – Stimmrechtsbeschränkungen 285 53 – verbotswidrige Stimmabgabe 285 55 ff – Vorzugsaktien 285 53 Stimmrechtsausschlüsse 285 24 ff – Abschlussprüferwahl 285 43 – aktienrechtliche ~ 285 44 ff – Alleingesellschafter 285 31 – Aufsichtsrat 285 25, 287 7 – Aufsichtsratswahl/-abberufung 285 36 ff – Beirat 287 112 – Bestellung von Sonderprüfern 285 41 – Einheits-KGaA 285 32 – Einpersonen-KGaA 285 32 – einzelne ~ 285 36 ff – Entlastung 285 39 f – Entsendungsrecht 285 38 – Ersatzansprüche 285 42 – Gegnerfreiheit 285 28 – Gesellschafter der Komplementärgesellschaft 285 26 ff – Gesellschaftergruppenidentität 285 33 ff – Interessengegensatz der Gesellschaftergruppen 285 28 – Interessenkollision 285 51 – Komplementär 285 24 ff – Komplementärgesellschaft 285 25 – Leitungsorgan 285 25

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Sachregister

– maßgeblich beteiligte Gesellschafter 285 26, 285 31 – mittelbar beherrschender Kommanditaktionär 285 31 – personengesellschaftsrechtliche ~ 285 47 ff – Rechtsfolgen 285 55 – Rückübertragungsrecht 285 38 – Satzungsautonomie 285 52 ff – Schadensersatz 285 56 – verbotswidrige Stimmabgabe 285 55 ff – Wahl des Aufsichtsorgans 285 37 – zwingende ~ 285 24 Streitgenossen 256 228 Streitwert – Nichtigkeitsklage 275 31 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 56 Strukturentscheidungen – Abwicklerpflichten 268 7 – Beirat 287 103, 287 111 – Hauptversammlung 285 9 – Satzungsautonomie Vor 278 61 Stückaktiengesetz – Gründung der KGaA 280 1 – KGaA Vor 278 41 – Sonderprüfung 258 22 supranationale Rechtsformen Vor 278 42c T Tätigkeitsvergütung 288 76 ff – Aktienoptionen 288 89 – Aufwandsentschädigungen 288 89 – Ausgestaltungen 288 89 – Auszahlungssperre 288 86 ff, 288 92 – Begriff 288 86 – Entnahmesperre 288 76 ff – feste ~ 288 89 – Gewinnermittlung 288 29 – gewinnunabhängige ~ 288 76 – Gewinnvoraus 288 90 – Herabsetzung 288 77, 288 93 ff – Komplementär 278 75 – mehrere Bestandteile 288 91 – Risikozuschlag 288 90 – Satzung 288 82 f – Tätigkeitsvertrag 288 78 ff, sa dort – Vergütungsschranken 288 86 ff – Versicherungsprämien 288 89 – Wiedererhöhung 288 94 Tätigkeitsvertrag 288 78 ff – Abschluss 288 82 ff – Gegenstand 288 81 – Komplementär 278 74 f, 278 79, 278 145 f – Nebenabrede zum Gesellschaftsvertrag 288 79

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– Satzung 288 82 ff – Vertragspartner 288 80 Teilgewinnabführungsvertrag 258 126 Teilnahmerecht 257 5 Transparenz-/Publizitätsgesetz 261 4, Vor 278 41a Transparenzregister Vor 278 129 ff – Angabepflicht Vor 278 129 – KGaA Vor 278 129 ff – Kommanditaktionär Vor 278 133 – Komplementär Vor 278 134 – Kontrolle Vor 278 130 – Mitteilungspflicht Vor 278 129 – mittelbare Kontrolle Vor 278 131 – wirtschaftlich Berechtigte Vor 278 129 f Treuepflicht – Anspruch auf Zustimmung 285 73 – Auflösungsklage 289 49 – Ausführungskompetenz des Aufsichtsrats 287 52 – Ausscheiden 289 81 – außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen 278 120 – Entnahmerecht 288 48 – Geschäftschancenlehre 284 2 – Gesellschafterbeschluss 289 26 – Grundlagengeschäfte 278 124 – Kommanditaktionär 278 87 ff – Komplementär 278 56 ff – Umwandlung Sondereinlage-Kommanditaktien 278 189 – Uneinigkeit über den Jahresabschluss 286 19, 286 20a – Wegfall des einzigen Komplementärs 289 143, 289 153 ff, 289 160 ff – Wettbewerbsverbot 284 2, 284 4 Treuhandverhältnisse 258 127 U Überbewertung 256 71, 256 82 ff – Abschreibung 256 90 – Ausschüttungsspielraum 256 88 – Begriff 256 82 ff – Bewertungsausgleich 256 74 – Eigenkapital 256 83 – Fallgestaltungen 256 90 ff – geringfügige Mängel 256 85 ff, 256 88 – Informationsfunktion 256 88a – Kapitalerhaltung 256 82 – langfristige Bau-Auftragsfertigung 256 90b – nachträgliche Korrektur 256 89 – Passivposten 256 83 – Prognosefragen 256 90 – quantitatives Element 256 86 – Realisationsprinzip 256 90a – Rechtsprechung 256 87

Sachregister

– Rückstellung 256 90 – Sondereinlage 281 26 – Sonderprüfungsbericht 259 30 ff – Steuererstattungsansprüche 256 90b – Unternehmensgruppe 256 91 – unzulässige Aktivierung 256 84 – Vergütung in Raten 256 90a – Verhältnismäßigkeit 256 85, 256 89 Übergangsrechtsform Vor 278 49 Übernahmerecht Vor 278 124 ff Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 2 ff – Aktiengesellschaft 260 23 f – Aktionäre 260 23, 260 25 – Amtsermittlungsgrundsatz 260 18 – Anhörungen 260 35 – Antrag 260 14 ff – Antrag der Aktiengesellschaft 260 31 – Antragsbekanntmachung 260 33 f – Antragsberechtigung 260 23 ff – Antragsbestimmtheit 260 29 f – Antragsform 260 21 – Antragsfrist 260 22 – Antragsinhalt 260 26 – Antragstellung 260 20 ff – Auflösung der stillen Reserven 261 1 ff, sa dort – Bekanntmachung 260 47 f – Beschluss 260 43 f – Beschränkung des Antragsrechts 260 32 – Beschwerde 260 49 – Beschwerdefrist 260 51 – Beweisaufnahme 260 38 – Dispositionsmaxime 260 18 – Dividendenerhöhung/-reduzierung 260 32 – Entscheidung des Gerichts 260 33 ff – entscheidungserhebliche Tatsachen 260 37 – Ermessen 260 42 – Europäische Aktiengesellschaft 260 10 – europäisches Recht 260 9 – European Model Companies Act 260 9 – Feststellungsklage 260 16 – Freiheit der Beweiswürdigung 260 40 – Gerichtskosten 260 55 – Gesellschaftsblätter 260 33, 260 48 – Gesetz zur Unternehmensintegrität 260 6 – Handelsregister 260 46 – Hinterlegung der Aktien 260 27 f, 260 50 – Hinweise des Gerichts 260 35 – Kosten 260 54 ff – Mitteilung an die BaFin 261a 1 ff – Quorum 260 6, 260 12 – Rechnungslegungsvorschriften 260 16 – rechtliches Gehör 260 36 – Rechtsanwaltskosten 260 55 – Rechtsbeschwerde 260 53

– Rechtskraft 260 45 – Rechtsmittel 260 49 ff – Stichtagsprinzip 260 41 – Streitwert 260 56 – Unterbewertung 260 2, 260 32 – unvollständige Berichterstattung 260 3 – Verfahrensablauf 260 33 ff – Verfahrensgrundsätze 260 17 f – Verfahrenskosten 260 54 ff – Vorbesitz 260 27 f – zuständiges Gericht 260 20 Überschuldung – Fortsetzung der Gesellschaft 274 11 – Insolvenzeröffnung 262 29 Überschuldungsbilanz 258 69 Übersichtlichkeit 256 68 Überwachung der Geschäftsführung 287 35 ff – Einberufung der Hauptversammlung 287 43 – Einwirkungsmöglichkeiten 287 37 ff – Feststellung des Jahresabschlusses 287 41 – Geschäftsführungsmaßnahmen 287 36 – Geschäftsordnung 287 40 – Leitungsorgan 287 35 – Sorgfalt 287 36 – Zustimmungsrecht 287 39 Überwindung der Nichtigkeit 256 5, 256 247 ff – Ansatzwahlrechte 256 255 – Berichtigung unterhalb der Nichtigkeitsschwelle 256 263 f – Bewertungswahlrechte 256 255 – Differenzierung nach Nichtigkeitsgründen 256 253 – Ermessensspielraum 256 248, 256 249 – erneute Feststellung 256 250 ff – Gerichtsurteil 256 249b – Gewinnausschüttungen 256 260 ff – Gewinnverwendungsbeschluss 256 249, 256 260 ff – Heilung 256 247, 256 248a, 256 265 ff, sa dort – Inhaltsmängel 256 249a, 256 254 ff – nachträgliche Korrektur 256 249a – Neuvornahme des Jahresabschlusses 256 248 ff, 256 250 – Pflichtenlage 256 247 – Prüfungsmängel 256 257 – punktuelle Fehlerkorrektur 256 251 f – Ungewissheit über die Gültigkeit 256 259a – Verfahrensfehler 256 258 f – Wertaufhellungszeitraum 256 251, 256 255a – zwischenzeitliche Gewinnausschüttungen 256 260 ff Umwandlung – Auflösung 262 12 – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 168

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Sachregister

– Komplementär 278 44 – Wegfall des einzigen Komplementärs 289 143, 289 150 f Umwandlung Kommanditaktien-Sondereinlage 278 194 – Satzungsinhalt 281 31 Umwandlung Sondereinlage-Kommanditaktien 278 188 ff – bedingte Kapitalerhöhung 278 190 – genehmigte Kapitalerhöhung 278 190 – Herabsetzung des Kapitalanteils 278 189 – Kapitalerhöhung 278 190, 278 190 ff, sa dort – klagbarer Anspruch 278 189 – Komplementärstellung 278 189 – ordentliche Kapitalerhöhung 278 190 – Prüfung 278 191 – Sacheinlage 278 189 – Satzungsinhalt 281 31 – Treuepflicht 278 189 Umwandlungsbericht Vor 278 105 Umwandlungsbeschluss Vor 278 105 Umwandlungsgesetz Vor 278 90 Unabhängigkeitserklärung 258 159 Uneinigkeit über den Jahresabschluss 286 9 ff – Abänderung 286 10 – Anfechtung 286 11 – Auflösungsreife 286 13 – Beschlussfeststellungsklage 286 21 – Feststellungsklage 286 15 – Gesellschaftergruppen 286 11 – Leistungsklage 286 15, 286 21 – Letztentscheidungskompetenz 286 22 – Treuepflicht 286 19, 286 20a – unterbliebener Jahresabschluss 286 22a – Verfahren zur Klärung 286 10 – Zustimmung 286 15 Unterbewertung 256 71, 256 92 ff – 10%-Schwelle 258 80 – Anfangsverdacht 258 56 – Ansatzregeln 256 92 – Begriff 256 92 – Bewertungsausgleich 256 74 – Bezugsgröße 258 78 – Dividende 258 79 – Erheblichkeit 258 80 – Fallgestaltungen 256 99 ff – gerichtliche Überprüfung 260 2 – Hauptversammlung 256 98 – informationelle Wesentlichkeit 256 94 – Informationsfunktion 256 93 – Kursrelevanz 258 77 – nachträgliche Korrektur 256 96 – nicht unwesentliche ~ 258 66 ff, 258 75 ff – Nichtigkeitsklage 256 238 – phasengleiche Gewinnaktivierung 256 102

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– Rückstellungen 256 99 – Sonderprüfung 258 1 ff, sa dort – Sonderprüfungsbericht 259 52 ff – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 2, 260 32 – unrichtige Wiedergabe 256 94 – Unternehmensgruppe 256 100 – unzulässige ~ 258 59 ff, 258 68 ff, sa dort – Vermögens-/Finanz-/Ertragslage 256 94 – Verschleierung 256 94 – Verstöße von besonderer Tragweite 256 95 – Vorsatz 256 97 – Wesentlichkeit 258 75 ff Unterdeckung 271 10 ff Unterlassen 284 36 Unternehmens-Rechnungslegung 270 3 Unternehmensgruppe – Überbewertung 256 91 – Unterbewertung 256 100 Unternehmensleitung Vor 287 3 Unternehmensvertrag Vor 278 78 unvollständige Berichterstattung 258 81 ff – Anhang 258 82 ff, sa dort – Bestellung von Sonderprüfern 258 155 – Fehlanzeige 258 90 – Fehlerhaftigkeit 258 87 ff – Hauptversammlung 258 94 ff – Korrektur in der Hauptversammlung 258 94 ff – Lagebericht 258 86 – Niederschrift 258 94, 258 97 – Prüfungsumfang 258 100 – Schutzklauseln 258 91 – Sonderprüfung 258 197 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 3 – unrichtige Angaben 258 89 – unvollständige Angaben 258 89 unzulässige Unterbewertung 258 59 ff, 258 68 ff – Ansatzverbot 258 70 – Bestellung von Sonderprüfern 258 154 – Bewertungsausgleich 258 73 – Bewertungsstetigkeit 258 72 – ergebniswirksame Fehlbewertungen 258 68 – fehlende Berücksichtigung 258 70 – gezeichnetes Kapital 258 66 – Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 258 72 – IAS/IFRS 258 69 – Jahresabschluss, festgestellter 258 59 f – Jahresüberschuss/-fehlbetrag 258 66 – Konzernabschluss 258 59 – Liquidationseröffnungsbilanz 258 59 – nicht unwesentliche ~ 258 66 ff, 258 75 ff – Posten 258 61 ff – Posten der Passivseite 258 66

Sachregister

– Prüfungsumfang 258 99 – Rücklagen 258 66 – Rückstellungen 258 66 – Sonderprüfung 258 196 – Überschuldungsbilanz 258 69 – Unterbewertung 258 68 ff – unterjährige Finanzberichte 258 59 – unternehmerische Fehlentscheidungen 258 72 – Verbindlichkeiten 258 66 – Wahlrechte 258 71 V Verantwortlichkeit – Komplementär 278 55a – persönlich haftender Gesellschafter 283 17 ff – Sonderprüfer 258 186 f – straf-/ordnungswidrigkeitsrechtliche ~ 283 23 Verbandssouveränität 287 103 Verbindlichkeiten 258 66 Verbot der Gesellschaft 262 68 Vereinsverbot 289 59 Verfahrensbeteiligte – Bestellung von Sonderprüfern 258 113 – Nichtigkeitsklage 256 227 Verfahrensfehler 256 171 ff – Anfechtung 257 1, 257 4 ff, 257 8 ff – Aufsichtsrat 256 171, 256 180 ff – Beurkundungsmängel 256 199 – fehlende Jahresabschlussfeststellung 256 201 ff – Gesetz 256 171 – Hauptversammlung 256 171, 256 196 ff – Hauptversammlungseinberufung 256 198 – Heilung 256 268 – Lagebericht 257 8, 257 9a – Mitwirkung unzuständiger Organe 256 205 f – Mitwirkungsmängel des Aufsichtsrats 256 180 ff, sa dort – Mitwirkungsmängel des Vorstands 256 172 ff, sa dort – Relevanz 257 7 – Satzung 256 171 – Überwindung der Nichtigkeit 256 258 f – Vorstand 256 171 ff Verfahrenskosten 260 54 ff Verfahrensmängel 256 2 Vergleich 258 151 Vergütung sa Tätigkeitsvergütung – Abwickler 265 37, 290 23 – Aufsichtsrat 287 23 – Geschäftsführung 278 146 – Gewinnermittlung 288 29 – Sonderprüfer 258 177 f – Sondervorteile 281 34 Vergütungsbericht 287 23 Verhältnismäßigkeit 278 166

Verjährung – Vermögensverteilung 271 16 – Wettbewerbsverbot 284 37 Verletzung gläubigerschützender Vorschriften 256 47 ff – Ausschüttungsbemessungsfunktion 256 49 – Gewicht des Abschlussmangels 256 52 – Informationsfunktion 256 50 – inhaltlicher Verstoß 256 51 – Kapitalerhaltung 256 47, 256 49 – Überwiegen des Gläubigerschutzes 256 49 f – Vorschriften 256 48 Verlustabschreibung 286 42 Verlustausgleich 256 212 Verlustbeteiligung 288 42 Verlustsonderkonto 286 39 Verlustverteilung 288 35 Vermögensbeteiligung – Kommanditaktionär 278 91 f – Komplementär 278 70 Vermögenseinlagen der Komplementäre 281 14 ff Vermögensgegenstand 256 79 Vermögenslosigkeit 262 64 – Abwicklungsschluss 273 2 Vermögensrechte Vor 278 57 Vermögensübertragung – Auflösung 262 12 – Auflösungsgründe 289 62 – KGaA Vor 278 101 f Vermögensverteilung 271 13 ff – Abwickler 271 13 – Ausschüttungsverbot 272 3 – Erzwingung 271 17 – fehlerhafte Auszahlungen 271 18 – Fortsetzung der Gesellschaft 274 10 f – Legitimation der Aktionäre 271 14 – Leistungsklage 271 17 – Sperrjahr 272 1 ff, sa dort – Verjährung 271 16 – Verteilungsansprüche 271 15 – Vollzug 271 13 F:, 271 13 f Verrechnungsverbot 256 63 Versagungsvermerk 256 139 f Versäumnisbeschluss 258 150 Verschleierung 256 94 Verschmelzung – Auflösungsgründe 289 62 – Firma 279 26 – Jahresabschluss 256 34 – kaltes Delisting Vor 278 91 – KGaA Vor 278 91 ff – Komplementär Vor 278 94 – Nachhaftung Vor 278 96 – Verschmelzungsprüfer Vor 278 93

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Sachregister

– Verschmelzungsvertrag Vor 278 93 – Verstöße gegen Bewertungsvorschriften 256 106 ff Verschwiegenheitspflicht 258 187 Versicherung des depotführenden Instituts 258 129 Versicherungsprämien 288 89 Versicherungsunternehmen – Abwickler 265 7 – Sonderprüfung 258 103 Verständlichkeit 259 28 Verstöße gegen Bewertungsvorschriften 256 71 ff – Ansatzregeln 256 77 f – bestimmte Geschäftszweige 256 109 – Bewertungsausgleich 256 74 ff – Bewertungsvorschriften 256 76 – Bezugsbasis 256 73 – Bilanzposten 256 73 – Fehlerbegriff 256 80 – Gläubigerschutz 256 71 – Gliederungsmängel 256 64 – inhaltliche ~ 256 80 f – Kartellrecht 256 103 ff – schwebende Fusionen 256 103 ff – Sonderregeln 256 109 – Überbewertung 256 71, 256 82 ff, sa dort – Unterbewertung 256 71, 256 92 ff, sa dort – verbotene Geschäfte 256 81 – Vermögensgegenstand 256 79 – Verschmelzung 256 106 ff – Zusammenschlusskontrolle 256 103 Verteilungsanspruch 271 3 Vertragsfreiheit 287 99, sa Satzungsautonomie Vertragskonzern 256 212 Vertragskonzernrecht Vor 278 78 ff Vertragsstrafenvereinbarung 284 27 Vertrauenshaftung 268 11 Vertretung 278 155 ff – Abwickler 269 1 ff, 290 18 ff – Amtsniederlegung 278 179 f – anwendbares Recht 278 103, 278 155 – Aufsichtsrat 278 157, 287 21 – Bevollmächtigung 278 158 – Einschränkungen der Vertretungsmacht 278 164 – Eintragung 278 161 – Einzelvertretung 278 159 – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 165 ff, sa dort – geborene Mitglieder 278 104 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 278 95, 278 156 – Gesamtvertretung 278 160 – Geschäftsführungsbefugnis 278 163 – Handelsregister 278 161

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– Insichgeschäfte 278 163 – juristische Person 278 159 – KGaA 278 103 ff – Komplementär Vor 278 65, 278 156, 278 159 – nachfolgende Änderungen 278 161 – passive ~ 278 157a – Prokura 278 125 f – Satzungsinhalt 281 10 – Selbstorganschaft 278 159 – Umfang der Vertretungsmacht 278 162 ff – Zustimmungsrecht 278 163 Vertretung durch die Abwickler 269 1 ff – Alleinvertretungsmacht 269 10 f – Aufsichtsrat 269 4 – Bevollmächtigte 269 5 – Ermächtigung zu Rechtshandlungen 269 13 – Gesamtvertretung mit Prokuristen 269 12 – Gesamtvertretungsmacht 269 9 – Hauptversammlung 269 4 – Insichgeschäfte 269 8 – Insolvenzverwalter 269 1 – Missbrauch der Vertretungsmacht 269 7 – organschaftliche ~ 269 1, 269 3 – Passivvertretung 269 9 – Prokuristen 269 12 – Vertretungsmacht 269 4, 269 6 ff – Zeichnung für die Gesellschaft 269 14 Vertretungsbefugnis – Abwickleranmeldung 266 5 f – Eintragung 282 11 ff – Entzug der Geschäftsführungs-/Vertretungsbefugnis 278 165 ff, sa dort – persönlich haftender Gesellschafter 283 6 ff Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats 287 28, 287 57 ff – Alleingesellschafter 287 73 – Doppelzuständigkeit 287 69 – ehemalige Komplementäre 287 72 – Führungslosigkeit 287 74a – Genehmigung 287 74 – Geschäftsführer 287 73 – Gesellschafter der Komplementärgesellschaft 287 73 – Komplementär 287 67 – Komplementärgesellschaft 287 73 – Missbrauch der Vertretungsmacht 287 68 – mitgliedschaftliche Maßnahmen 287 71 – Prozessvertretung 287 57 ff, sa dort – Rechtsgeschäfte 287 67 – Rechtsstreitigkeiten 287 57, 287 67 – Related Party Transactions 287 73 – Übertragung der Zuständigkeit 287 68 – Unternehmensinteresse 287 67 – Vertretung der Gesellschaft 287 67 ff, 287 74a – wahrzunehmende Interessen 287 65

Sachregister

Verwaltungsrechte – Abberufungsdurchgriff 278 174 – Kommanditaktionär 278 83 f, Vor 278 57 – Komplementär 278 53 Verwirkung 256 235 Vollbeendigung 273 2 Vor-AG – Abwickler 265 5 – Auflösung 262 7 Vorabinformation 278 128 Vorbesitz – Bestellung von Sonderprüfern 258 107 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 27 f Vorbesitzzeit 258 130 Vorgesellschaft 264 30 Vorgründungsgesellschaft 262 7 Vorratsgründung 275 18 Vorsatz 256 97 Vorschlagsrechte 278 48 Vorstand – Abwickler 264 34, 265 11 ff – Abwickleranmeldung 266 8 – Anhörungen 258 166, 258 168 – Anstellungsverhältnis 265 16 – Auflösungsanmeldung 263 4 – Gewinnbeteiligung 261 23 – Nichtigkeitsklage 275 23 – Übernahme des Abwickleramts 265 14 – Verfahrensfehler 256 171 ff Vorwegnahme von Kapitalmaßnahmen 256 126 ff – Heilung 256 130 – Kapitalerhöhung 256 128 – Kapitalherabsetzung 256 126 ff – rechtsgeschäftliche Ausweichmöglichkeiten 256 131 – schwebende Unwirksamkeit 256 129 Vorzugsaktien 285 53 Vorzugsgewinnanteil 288 31 W Wahlrechte – Sonderprüfungsbericht 259 58 – unzulässige Unterbewertung 258 71 Wandelschuldverschreibunginhaber 258 124 wechselseitige Beteiligungen Vor 278 89 Wegfall des einzigen Komplementärs 289 137 ff – antizipierte Zustimmung 289 143 – Auflösung 289 143, 289 147, 289 150 – freiwilliger ~ 289 160 ff – Geschäftsführungsorgan 289 139 – Hindernis 289 153 ff – mitgliedschaftliche Ebene 289 146 ff – Nachfolgeklausel 289 149

– neuer Komplementär 289 146, 289 152 – Notorgan 289 139 ff – organschaftliche Ebene 289 139 ff – Satzung 289 148 ff – Treuepflicht 289 143, 289 153 ff, 289 160 ff – Übernahme der Geschäftsführung/Vertretung 289 142 ff – überraschender ~ 289 147 – Umwandlung 289 143, 289 150 f – unfreiwilliger ~ 289 155 ff Wertaufhellungszeitraum – Fehlerbegriff 256 42 – Überwindung der Nichtigkeit 256 251, 256 255a Wesentlichkeit – Gliederungsmängel 256 68 ff – Prüfungsmängel 256 132 – Rücklagenfehler 256 116 – Unterbewertung 256 94, 258 75 ff Wettbewerbsverbot 284 1 ff – Abwickler 268 8 f – Abwicklung 284 20 – Auflösung 284 20 – Aufsichtsrat 284 14 – Ausscheiden 284 23 f – Ausschließung des Gesellschafters 284 39 – Beginn 284 19 – Beirat 287 117 – Einpersonen-KGaA 284 8 – Eintrittsrecht 284 36 – Einwilligung 284 31 ff – Einwilligungswiderruf 284 35 – einzelvertragliches ~ 284 30 – Erweiterung 284 26 – Fortsetzung der Gesellschaft 284 22 – Freistellung 284 31 ff – Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft 284 9 – Geschäftszweig der Gesellschaft 284 15 f – Gesellschafter der Komplementärgesellschaft 284 12 – Gewinnausschüttung 284 41 – gleichartige Gesellschaft 284 17 f – kapitalmäßige Beteiligung 284 18 – Kommanditaktionär 284 13 – Komplementär 278 78, 284 5 ff – Komplementärgesellschaft 284 9 ff – Organpflicht 284 3 – Satzung 284 25 ff – Schadensersatz 284 36 – Steuerrecht 284 40 ff – Treuepflicht 284 2, 284 4 – Umfang 284 15 ff – Unterlassen 284 36 – Verjährung 284 37 – Vertragsstrafenvereinbarung 284 27

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Sachregister

– zeitliche Grenzen 284 19 ff – Zustimmungsrecht 284 29 – Zuwiderhandlungsfolgen 284 36 ff – Zweck 284 2 ff Widerklage 275 21 Widerspruchsrecht – Arbeitsverteilungsabsprachen 278 128 – Geschäftsführung 278 127 ff – Ressorts 278 128 – Satzung 278 127 – Vorabinformation 278 128 – Widerspruchsfolge 278 129 Willensbildung 278 95 Wirtschaftsprüfer – Sonderprüfer 258 173 – Sonderprüfung 258 1 Z Zahlungsunfähigkeit 262 29 Zahlungsverbot 283 43 Zeitablauf – Auflösungsgründe 262 16 ff, 289 15 ff – Ausscheiden 289 104 ff – Heilung 256 265, 256 267 Zeugen 258 148 Zufallsfunde 259 35 Zulassungsprospekt 278 118 Zumutbarkeit 278 166 zuständiges Gericht – Abwickler 265 33 – Anmeldung 282 4 – Bestellung von Sonderprüfern 258 172 – Löschung wegen Vermögenslosigkeit 262 66 – Nichtigkeitsklage 275 22 – Überprüfung der abschließenden Feststellungen 260 20 Zustimmung 285 67 ff – Anspruch auf ~ 285 73 – antizipierte ~ 289 143 – Ausscheidensvereinbarung 289 102 – Begriff 285 67 – fehlende ~ 285 72 – Form 285 68 – Fortsetzung der Gesellschaft 290 44 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 285 71

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– Gesellschafterwechsel 289 115 – Jahresabschluss 286 7 – konkludente ~ 285 68 f – Leistungsklage auf ~ 286 15, 286 17 – Quorum 285 70 – Satzungsautonomie 286 8 – Verfahrensvorschriften 285 70 Zustimmungsrecht – Alleinentscheidungsrecht 285 74 ff – Anspruch auf Zustimmung 285 73 – Auflösung 285 82 – Aufsichtsrat 278 150 – Aufsichtsratswahl/-abberufung 285 64 – außergewöhnliche Geschäfte 285 61, 285 63 – Beirat 278 150 – Einschränkung 285 77 ff, 285 87 – Entnahmesperre 285 91 – Erweiterung 285 88 ff – fehlende Zustimmung 285 72 – Genussrechte 285 81 – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 285 16 – Geschäftsführung 278 111, 278 113 ff, 278 116 ff – Gewinnverteilung 285 90 ff – Gewinnverwendungsbeschluss 285 90 ff, 286 1, 286 28 – gewöhnliche Geschäftsführung 285 89 – Grundkapital 278 185 – Grundlagengeschäfte 278 122, 278 124, 285 61 f – Hauptversammlung 278 148, 285 16 – Hauptversammlungsbeschluss 285 59 ff – Kapitalerhöhung 285 81 – Komplementär 285 16, 285 59 ff – Satzungsänderung 278 182, 285 61, 285 79 – Satzungsautonomie 285 77 ff – Schuldverschreibungen 285 81 – Überwachung der Geschäftsführung 287 39 – Vertretung 278 163 – Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung 285 89 – Wettbewerbsverbot 284 29 – Zustimmung 285 67 ff, sa dort – zustimmungsbedürftige Beschlüsse 285 59 ff Zweckgesellschaft 286 60 Zweigniederlassung 279 23 ff

Sachregister

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