Actiones suas praestare debet: Die Last zur Klagenabtretung an den Ersatzpflichtigen und dessen Eigentumserwerb - Römischrechtliche Grundlagen des Zessionsregresses nach § 255 (1. Fall) BG [1 ed.] 9783428132928, 3428132920

Wer Schadensersatz für den Verlust einer Sache schuldet, kann gemäß Par. 255 Satz 1 BGB vom Ersatzberechtigten verlangen

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Der gesetzliche Ausgleich des Interessenkonflikts
II. Alternative Lösungswege
III. Offene Fragen
IV. Überblick über den Gang der Darstellung
V. Gegenwärtiger Stand der Forschung
1. Kapitel: Überblick über den Anwendungsbereich und die Funktion des § 255 BGB nach dem aktuellen Streitstand
§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich
I. Der erste Fall des § 255 BGB: Die Haftung für den Verlust fremder Sachen
1. Die engste Auslegung der Norm: Beschränkung auf den Besitzverlust bei Fortexistenz der Sache
2. Anwendbarkeit des § 255 BGB auch bei fortbestehenden Surrogatansprüchen
3. Anwendbarkeit des § 255 BGB auch hinsichtlich konkurrierender Schadensersatzansprüche
II. Der Anwendungsbereich der zweiten Variante von § 255 BGB
III. Analoge Anwendung der Vorschrift als Regreßregel
IV. Wichtige Urteile des BGH zum Anwendungsbereich des § 255 BGB
V. Zusammenfassung
§ 2 Zur Rechtsfolgenseite: Bewirkt die Abtretung einen (endgültigen) Übergang des Eigentums an der verlorenen Sache bzw. des beeinträchtigten Rechts auf den Entschädigenden?
I. Im Fall des Sachverlusts (§ 255 – 1. Fall – BGB)
1. Die Lehre von der schlichten Abtretung ohne Übereignungswirkung
2. Die Theorie von der Abtretung mit Übereignungswirkung nach § 931 BGB
a) Die Lehre vom endgültigen Abandon
b) Die Lehre vom vorläufigen Abandon
II. Die Abandonfrage bei § 255 Fall 2 BGB
III. Zusammenfassung
2. Kapitel: Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte, über partikularrechtliche Vorbilder und die gemeinrechtlichen Lehren
§ 3 Entstehungsgeschichte zu § 255 BGB
§ 4 Partikularrechtliche Vorbilder
§ 5 Die Lehren des gemeinen Rechts
I. MÜHLENBRUCH und VON VANGEROW
II. WINDSCHEID
III. FRIEDRICH MOMMSEN
IV. Die Lehre vom Anspruchsübergang auch ohne Zession
3. Kapitel: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung bei der Haftung für Sachverlust
§ 6 Plan der folgenden Darstellung
§ 7 Die Klagenabtretung an den Vindikationsbeklagten
I. Überblick
II. Paulus D. 6,1,21: Fahrlässiger Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft nach der litis contestatio
III. Keine Klagenzession bei dolosem Besitzverlust
1. Paulus D. 6,1,69
2. Weitere Quellen zum dolosen Besitzverlust
III. Papinian D. 6,1,63 (Anfang): Bestätigung des Unterschieds zwischen fahrlässigem und dolosem Besitzverlust
IV. Qui liti se optulit
1. Zur Frage nach dem Haftungsgrund bei der oblatio liti
2. Zur Frage nach einer Klagenzession an den liti se offerens
V. Zusammenfassung zur Klagenzession an den Vindikationsbeklagten
§ 8 Exkurs: Die Durchführung der Zession
§ 9 Keine Klagenzession im Rahmen der condictio furtiva?
I. Julian D. 13,1,14,1: Keine Pflicht des Klägers zur Sicherheitsleistung
II. Pomponius D. 47,2,9,1: Kein Verzicht des Klägers auf die konkurrierende rei vindicatio
III. Zusammenfassung
§ 10 Die Klagenabtretung im Rahmen der actio servi corrupti
§ 11 Klagenabtretung im Rahmen der Haftung des Reeders (D. 4,9,6,4)
I. Ermittlung der konkurrierenden Klagen für den Fall der Sachbeschädigung
II. Ermittlung der konkurrierenden Klagen im Fall des Diebstahls
III. Unterschiede der actio in factum adversus nautas zur zivilen actio furti bzw. damni iniuriae hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen
IV. Erläuterung der von Paulus erwähnten exceptiones
V. Zur Klagenzession selbst
VI. Abgrenzung des Fragments gegen die Fälle der Klagenzession bei der Haftung für Sachverlust
§ 12 Die Klagenabtretung bei der Haftung für Sachverlust aus der Führung fremder Geschäfte (insbesondere negotiorum gestio)
I. Paulus D. 47,2,54(53),3: Zur Haftung des Geschäftsführers, des Scheinvormunds und des Tutors
II. Papinian D. 47,2,81(80),7: Zur Haftung des Geschäftsherrn
§ 13 Exkurs: Übergang und Abtretung der actio furti an den Haftenden
I. Der Übergang der actio furti auf den Ersatzpflichtigen im Falle seiner Haftung für custodia
II. Kein Erwerb der actio furti bei eigenem dolosen Verhalten
III. Ablehnung der Aktivlegitimation eines bestohlenen Diebes
IV. Übergang der actio furti auf den Ersatzpflichtigen im Falles einer Haftung für culpa: eine spätklassische Entwicklung
1. (Julian-/Celsus-)Ulpian D. 47,2,14,10: Versagung der Aktivlegitimation zur actio furti von Hausvater und Bürgen des Kommodatars
2. Ulpian D. 47,2,14,11: Die actio furti des verklagten Prekaristen
3. Ulpian D. 47,2,14,12: Die actio furti des conductor
4. Weitere Argumente für die Aktivlegitimation des Haftenden zur actio furti bei Einstandspflicht für culpa
V. Bloßes Recht auf Abtretung der actio furti im Falle der berechtigten Detention sine voluntate domini: Paulus D. 47,2,86(85) und D. 47,2,54(53),3
VI. Keine Abtretung der actio furti an den Haftenden ohne vormalige Sachgewalt: Paulus D. 47,2,86(85) und Papinian D. 47,2,81(80),7
VII. Kann der Eigentümer dem zur actio furti aktivlegitimierten Haftenden das Recht auf die Strafsumme entziehen?
1. Erwerb der actio furti durch den Eigentümer vor der Einziehung der Strafsumme durch den Haftenden
a) Verzicht des Eigentümers auf die Ersatzpflicht vor der Inanspruchnahme des Haftenden
(1) Klassisches Recht
(2) Justinianisches Recht
b) Rückzahlung der Entschädigung nach der Inanspruchnahme des Haftenden?
(1) Justinianisches Recht
(2) Klassisches Recht
2. Anspruch des Eigentümers auf Auskehrung der durch den Haftenden eingezogenen Diebstahlsstrafe?
a) Klassisches Recht
(1) Die Rechtslage vor der Inanspruchnahme des Haftenden auf die Entschädigungsleistung
(2) Kein Anspruch auf Auskehrung der Strafsumme nach der Inanspruchnahme des Haftenden auf die Ersatzleistung
b) Justinianisches Recht
3. Zusammenfassung zum klassischen Recht hinsichtlich der Frage nach dem endgültigen Verbleib der poena furti
VIII. Zusammenfassung zur Übertragung der actio furti auf den Haftenden
§ 14 Die Klagenabtretung im Rahmen vertraglicher Haftung für den Verlust einer fremden Sache
I. Labeo D. 19,2,60,2
II. Gaius D. 19,2,25,8
III. Marcellus D. 42,1,12
IV. Zusammenfassung zur Klagenzession bei vertraglicher Haftung
§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner
I. Der Eigentumsübergang im Falle des reus contumax
II. Ein Eigentumsübergang auch bei der Haftung für Besitzverlust?
1. Folgerungen aus der Klageformel der actio Publiciana
2. Bestätigung durch Paulus D. 6,1,46 und 47
3. Keine zwingende Folgerung aus der dem Beklagten zu leistenden cautio de restituendo
4. Fragmente (außer Papinian D. 6,1,63), die das (Wieder)Auftauchen der Sache in der Hand des Gläubigers behandeln
5. Das Rätsel Papinian D. 6,1,63 (2. Teil)
III. Zusammenfassung zur Frage des Eigentumsüberganges
§ 16 Die Verweigerung der Klagenzession im Rahmen der Vindikation bei dolos herbeigeführtem Besitzverlust (erneut zu Paulus D. 6,1,69)
I. Paulus versus Marcellus: eine alte crux interpretationis
II. Zusammenfassung (zugleich Ergänzung der Zusammenfassung zu § 12)
§ 17 Zusammenfassung zum 2. und 3. Kapitel
I. Drei einflußreiche Lehrmeinungen im gemeinen Recht
II. Der Grundsatz der Klagenzession an den auf Schadensersatz haftenden Herausgabeschuldner und seine Ausnahmen im klassischen Recht
III. Weitere Fälle der Klagenzession bei Leistung von Wertersatz für eine verlorene Sache
IV. Die Durchsetzung des Zessionszwanges
V. Der Sonderfall der actio furti
VI. Zum Umfang der abzutretenden Klagen
VII. Der Erwerb prätorischen Eigentums durch den zessionsberechtigten Ersatzpflichtigen
VIII. Die Rückabwicklung zugunsten des zessionsberechtigten Ersatzpflichtigen beim Wiederauftauchen der Sache in der Hand des Entschädigten
IX. Die Rechtslage bei Entschädigungspflicht ohne ein Recht auf Klagenzession
4. Kapitel: Schluß
§ 18 Ausblicke auf das geltende Recht
I. Anwendungsbereich des § 255 (1. Fall) BGB
1. Untersuchung der Gesetzgebungsmaterialien zum BGB
2. Folgerungen aus den Lehren des gemeinen Rechts?
3. Aufschluß aus den Quellen des römischen Rechts?
4. Entscheidung aufgrund systematischer Erwägungen zur Abgrenzung zwischen § 255 BGB und der Gesamtschuld
II. Zur Frage des Eigentumsüberganges und des Abandon
1. Gesetzgebungsgeschichte
2. Indizwirkung des römischen Rechts für die Annahme einer endgültigen Übereignung im Regelfall
3. Im geltenden Recht begründete Argumente für die Annahme einer endgültigen Übereignung
4. Gibt es Ausnahmen von der Zessionspflicht?
III. Zusammenfassung des Interpretationsvorschlags zum geltenden Recht
Literaturverzeichnis
Ausgaben und Übersetzungen des Corpus iuris civilis
Ausgaben und Übersetzungen sonstiger Quellen
Quellenregister
Sachregister
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Actiones suas praestare debet: Die Last zur Klagenabtretung an den Ersatzpflichtigen und dessen Eigentumserwerb - Römischrechtliche Grundlagen des Zessionsregresses nach § 255 (1. Fall) BG [1 ed.]
 9783428132928, 3428132920

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Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 146

Actiones suas praestare debet Die Last zur Klagenabtretung an den Ersatzpflichtigen und dessen Eigentumserwerb – Römischrechtliche Grundlagen des Zessionsregresses nach § 255 (1. Fall) BGB

Von

Jan Ulrich Wacke

a Duncker & Humblot · Berlin

JAN ULRICH WACKE

Actiones suas praestare debet

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 146

Actiones suas praestare debet Die Last zur Klagenabtretung an den Ersatzpflichtigen und dessen Eigentumserwerb – Römischrechtliche Grundlagen des Zessionsregresses nach § 255 (1. Fall) BGB

Von

Jan Ulrich Wacke

a Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-13292-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen lieben Eltern in Dankbarkeit gewidmet

Vorwort Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der Abtretung der Forderungen des zu entschädigenden Eigentümers gegen Dritte an denjenigen, der ihm für den Verlust einer Sache haftet. Im geltenden deutschen Zivilrecht ist das Recht des Entschädigungspflichtigen, eine derartige Zession zu verlangen, in § 255 (Fall 1) BGB geregelt. Diese Vorschrift ist mit ihren Wurzeln und Vorbildern in partikularrechtlichen Regelungen und gemeinrechtlichen Lehren und schließlich in den Quellen des klassischen Römischen Rechts Gegenstand der Untersuchung. Auch wenn das Hauptaugenmerk den römischen Quellen gilt, soll sich die Arbeit jedoch nicht nur an den romanistisch bereits vorgebildeten Leser wenden, für den der Mittelteil der Arbeit (§§ 6–17) auch allein hätte stehen können. Vielmehr würde es mich freuen, wenn auch der eine oder andere am modernen Recht Interessierte über diese Studie Zugang zum Ideenreichtum der antiken Quellen bekäme. Jedenfalls halte ich es für nützlich, Gegenwart und Vergangenheit in ihrem Bezug zueinander zu sehen; deswegen habe ich die historischen Ausführungen in eine vergleichende Darstellung mit den Problemen des geltenden Rechts eingebettet (§§ 1–2 und § 18). Die Untersuchung entstand während meiner mehrjährigen Mitarbeit am Institut für Römisches Recht und Vergleichende Rechtsgeschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, dem ich zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Professor Horst Heinrich Jakobs und Professor Rolf Knütel und später, nach dem Abschluß meines in Baden-Württemberg absolvierten Referendardienstes bis zum Herbst 2001, als Wissenschaftlicher Assistent von Professor Rolf Knütel angehörte. An das offene, freundschaftliche und diskussionsfreudige Klima in diesem Institut denke ich mit Dankbarkeit zurück. Den beiden genannten Institutsdirektoren gebührt mein besonderer Dank, daß sie es mir ermöglichten, in dieser freien Atmosphäre meine Forschungen zu unternehmen. Auch dem späteren zeitweiligen Institutsdirektor Professor Wolfgang Ernst danke ich für seine Durchsicht eines Entwurfs und für anregende Diskussionen. Für zahllose fachliche Gespräche und ihre persönliche Unterstützung danke ich darüber hinaus von Herzen meinen früheren Institutskollegen Professor Ingo Reichard, Dr. Gerd Krämer, Dr. Meike Mues und Dr. Changfeng Tu sowie besonders Professor Thomas Rüfner, Dr. Sebastian Lohsse und Frau Professorin Iole Fargnoli, die mehrere Forschungsaufenthalte am Bonner Institut verbrachte. Herrn Professor Rolf Knütel danke ich außerdem für sein ausführliches und wohlwollendes Erstgutachten im Rahmen des Promotionsverfahrens und für manches aufmunternde Wort, Herrn Professor Martin Schermaier für die rasche

8

Vorwort

Erstellung seines Zweitgutachtens. Die Monographie wurde im Sommersemester 2008 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation angenommen. Über Teilergebnisse der Untersuchung referierte ich in italienischer Sprache anläßlich des 4. Seminario internazionale di diritto romano zu Soverato (Calabria).1 Im Rahmen des Wettbewerbs um den VII. Premio romanistico internazionale Gérard Boulvert wurde der Monographie im September 2007 in Catania eine Silbermedaille verliehen. Im Oktober 2009 wurde sie auf Vorschlag der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn mit dem Preis des Präsidenten der Italienischen Republik ausgezeichnet. Dem Verlag Duncker & Humblot danke ich für die Aufnahme in seine Reihe „Schriften zur Rechtsgeschichte“, dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT für die Bewilligung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Meinem Vater Professor Andreas Wacke danke ich schließlich für die zeitraubende Betreuung des Drucks der Arbeit. Die Literaturnachweise befinden sich weitgehend auf dem während meiner Institutstätigkeit erarbeiteten Stand. Wichtiges später erschienenes Schrifttum wurde nach Möglichkeit nachgetragen. Heidelberg, im April 2010

Jan Ulrich Wacke

1 Abgedruckt: JAN ULRICH WACKE, La cessione della rei vindicatio in favore del responsabile per la perdita della cosa, Iura 56 (2006/2008, pubbl. 2008) 137–153. Aus der Beschäftigung mit dem Generalthema sind überdies die folgenden weiterführenden Aufsätze hervorgegangen: JAN WACKE, Der originäre Regress des Kreditmandanten aus Auftrag oder negotiorum gestio, in: Orbis Iuris Romani [OIR] 10 (Trnava 2005) 243– 262; DERS., Der derivative Regress des Kreditmandanten mittels Klagenzession, ebenda (in Vorbereitung); DERS., Papinians Gutachten zur culpa in exigendo und zum derivativen Regress mittels Klagenzession, SZ 124 (2007) 113–144.

Inhaltsverzeichnis Einleitung I. II. III. IV. V.

............................................................... Der gesetzliche Ausgleich des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternative Lösungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über den Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenwärtiger Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 15 16 18 22 23

1. Kapitel Überblick über den Anwendungsbereich und die Funktion des § 255 BGB nach dem aktuellen Streitstand §1

§2

Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich I. Der erste Fall des § 255 BGB: Die Haftung für den Verlust fremder Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die engste Auslegung der Norm: Beschränkung auf den Besitzverlust bei Fortexistenz der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des § 255 BGB auch bei fortbestehenden Surrogatansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbarkeit des § 255 BGB auch hinsichtlich konkurrierender Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Anwendungsbereich der zweiten Variante von § 255 BGB . . . . . . III. Analoge Anwendung der Vorschrift als Regreßregel . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wichtige Urteile des BGH zum Anwendungsbereich des § 255 BGB . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Rechtsfolgenseite: Bewirkt die Abtretung einen (endgültigen) Übergang des Eigentums an der verlorenen Sache bzw. des beeinträchtigten Rechts auf den Entschädigenden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Im Fall des Sachverlusts (§ 255 Fall 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lehre von der schlichten Abtretung ohne Übereignungswirkung 2. Die Theorie von der Abtretung mit Übereignungswirkung nach § 931 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Lehre vom endgültigen Abandon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Lehre vom vorläufigen Abandon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abandonfrage bei § 255 Fall 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 26 26 30 31 36 37 38 47

48 48 48 52 52 54 55 56

10

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte, über partikularrechtliche Vorbilder und die gemeinrechtlichen Lehren

58

§3

Entstehungsgeschichte zu § 255 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

§4

Partikularrechtliche Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

§5

Die I. II. III. IV.

Lehren des gemeinen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MÜHLENBRUCH und VON VANGEROW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . WINDSCHEID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . FRIEDRICH MOMMSEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lehre vom Anspruchsübergang auch ohne Zession . . . . . . . . . . . . .

62 62 66 67 67

3. Kapitel Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung bei der Haftung für Sachverlust

69

§6

Plan der folgenden Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

§7

Die Klagenabtretung an den Vindikationsbeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 II. Paulus D. 6,1,21: Fahrlässiger Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft nach der litis contestatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Keine Klagenzession bei dolosem Besitzverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Paulus D. 6,1,69 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Weitere Quellen zum dolosen Besitzverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Papinian D. 6,1,63 (Anfang): Bestätigung des Unterschieds zwischen fahrlässigem und dolosem Besitzverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Qui liti se optulit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Zur Frage nach dem Haftungsgrund bei der oblatio liti . . . . . . . . . . 96 2. Zur Frage nach einer Klagenzession an den liti se offerens . . . . . . . 106 V. Zusammenfassung zur Klagenzession an den Vindikationsbeklagten . . 108

§8

Exkurs: Die Durchführung der Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

§9

Keine Klagenzession im Rahmen der condictio furtiva? . . . . . . . . . . . . . . . I. Julian D. 13,1,14,1: Keine Pflicht des Klägers zur Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pomponius D. 47,2,9,1: Kein Verzicht des Klägers auf die konkurrierende rei vindicatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114 115 119 121

§ 10 Die Klagenabtretung im Rahmen der actio servi corrupti . . . . . . . . . . . . . . 122

Inhaltsverzeichnis § 11 Klagenabtretung im Rahmen der Haftung des Reeders (D. 4,9,6,4) . . . . I. Ermittlung der konkurrierenden Klagen für den Fall der Sachbeschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ermittlung der konkurrierenden Klagen im Fall des Diebstahls . . . . . . III. Unterschiede der actio in factum adversus nautas zur zivilen actio furti bzw. damni iniuriae hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . IV. Erläuterung der von Paulus erwähnten exceptiones . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zur Klagenzession selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abgrenzung des Fragments gegen die Fälle der Klagenzession bei der Haftung für Sachverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 133 135 139 143 144 155 158

§ 12 Die Klagenabtretung bei der Haftung für den Sachverlust aus der Führung fremder Geschäfte (insbesondere negotiorum gestio) . . . . . . . . . 160 I. Paulus D. 47,2,54(53),3: Zur Haftung des Geschäftsführers, des Scheinvormunds und des Tutors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. Papinian D. 47,2,81(80),7: Zur Haftung des Geschäftsherrn . . . . . . . . . 163 § 13 Exkurs: Übergang und Abtretung der actio furti an den Haftenden . . . . I. Der Übergang der actio furti auf den Ersatzpflichtigen im Falle seiner Haftung für custodia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kein Erwerb der actio furti bei eigenem dolosen Verhalten . . . . . . . . . . III. Ablehnung der Aktivlegitimation eines bestohlenen Diebes . . . . . . . . . IV. Übergang der actio furti auf den Ersatzpflichtigen im Falle seiner Haftung für culpa: eine spätklassische Entwicklung . . . . . . . . . . 1. (Julian-/Celsus-)Ulpian D. 47,2,14,10: Versagung der Aktivlegitimation zur actio furti von Hausvater und Bürgen des Kommodatars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ulpian D. 47,2,14,11: Die actio furti des verklagten Prekaristen . . 3. Ulpian D. 47,2,14,12: Die actio furti des conductor . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Argumente für die Aktivlegitimation des Haftenden zur actio furti bei Einstandspflicht für culpa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bloßes Recht auf Abtretung der actio furti im Falle der berechtigten Detention sine voluntate domini: Paulus D. 47,2,86(85) und D. 47,2,54(53),3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Keine Abtretung der actio furti an den Haftenden ohne vormalige Sachgewalt: Paulus D. 47,2,86(85) und Papinian D. 47,2,81(80),7 . . . . VII. Kann der Eigentümer dem zur actio furti aktivlegitimierten Haftenden das Recht auf die Strafsumme entziehen? . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erwerb der actio furti durch den Eigentümer vor der Einziehung der Strafsumme durch den Haftenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verzicht des Eigentümers auf die Ersatzpflicht vor der Inanspruchnahme des Haftenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Klassisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Justinianisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 169 178 181 185

187 200 206 208

211 219 228 228 228 228 229

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Inhaltsverzeichnis b) Rückzahlung der Entschädigung nach der Inanspruchnahme des Haftenden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Justinianisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Klassisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch des Eigentümers auf Auskehrung der durch den Haftenden eingezogenen Diebstahlsstrafe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klassisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Rechtslage vor der Inanspruchnahme des Haftenden auf die Entschädigungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein Anspruch auf Auskehrung der Strafsumme nach der Inanspruchnahme des Haftenden auf die Ersatzleistung . . . b) Justinianisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung zum klassischen Recht hinsichtlich der Frage nach dem endgültigen Verbleib der poena furti . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zusammenfassung zur Übertragung der actio furti auf den Haftenden

§ 14 Die Klagenabtretung im Rahmen vertraglicher Haftung für den Verlust einer fremden Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Labeo D. 19,2,60,2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gaius D. 19,2,25,8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Marcellus D. 42,1,12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung zur Klagenzession bei vertraglicher Haftung . . . . . § 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner I. Der Eigentumsübergang im Falle des reus contumax . . . . . . . . . . . . . . . II. Ein Eigentumsübergang auch bei der Haftung für Besitzverlust? . . . . . 1. Folgerungen aus der Klagformel der actio Publiciana . . . . . . . . . . . 2. Bestätigung durch Paulus D. 6,1,46 und 47 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine zwingende Folgerung aus der dem Beklagten zu leistenden cautio de restituendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fragmente (außer Papinian D. 6,1,63), die das (Wieder)Auftauchen der Sache in der Hand des Gläubigers behandeln . . . . . . . . . . 5. Das Rätsel Papinian D. 6,1,63 (2. Teil) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung zur Frage des Eigentumsüberganges . . . . . . . . . . . . .

230 230 232 235 235 236 242 242 244 244 250 250 265 266 268 268 270 284 284 289 290 293 298 317

§ 16 Die Verweigerung der Klagenzession im Rahmen der Vindikation bei dolos herbeigeführtem Besitzverlust (erneut zu Paulus D. 6,1,69) . . . 320 I. Paulus versus Marcellus: eine alte crux interpretationis . . . . . . . . . . . . . 320 II. Zusammenfassung (zugleich Ergänzung der Zusammenfassung zu § 12) 333 § 17 Zusammenfassung zum 2. und 3. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 I. Drei einflußreiche Lehrmeinungen im gemeinen Recht . . . . . . . . . . . . . 334 II. Der Grundsatz der Klagenzession an den auf Schadensersatz haftenden Herausgabeschuldner und seine Ausnahmen im klassischen Recht . . . . 335

Inhaltsverzeichnis Weitere Fälle der Klagenzession bei Leistung von Wertersatz für eine verlorene Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Durchsetzung des Zessionszwanges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Sonderfall der actio furti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zum Umfang der abzutretenden Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Der Erwerb prätorischen Eigentums durch den zessionsberechtigten Ersatzpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Die Rückabwicklung zugunsten des zessionsberechtigten Ersatzpflichtigen beim Wiederauftauchen der Sache in der Hand des Entschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Die Rechtslage bei Entschädigungspflicht ohne ein Recht auf Klagenzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III.

338 338 339 341 342

344 345

4. Kapitel Schluß § 18 Ausblicke auf das geltende Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich des § 255 (1. Fall) BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Untersuchung der Gesetzgebungsmaterialien zum BGB . . . . . . . . . . 2. Folgerungen aus den Lehren des gemeinen Rechts? . . . . . . . . . . . . . 3. Aufschluß aus den Quellen des römischen Rechts? . . . . . . . . . . . . . . 4. Entscheidung aufgrund systematischer Erwägungen zur Abgrenzung zwischen § 255 BGB und der Gesamtschuld . . . . . . . . II. Zur Frage des Eigentumsüberganges und des Abandon . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Indizwirkung des römischen Rechts für die Annahme einer endgültigen Übereignung im Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Im geltenden Recht begründete Argumente für die Annahme einer endgültigen Übereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gibt es Ausnahmen von der Zessionspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung des Interpretationsvorschlags zum geltenden Recht

347 347 347 348 353 356 360 363 364 368 372 374 377

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Quellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Einleitung Wer für den Verlust einer Sache Schadensersatz zu leisten hat, ist nach § 255 (1. Fall) BGB nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund der Sache gegen Dritte zustehen. Die Vorschrift findet sich im BGB bei den Regelungen des Schadensrechts. Ein Schulbeispiel für die Anwendung dieser Norm ist folgender Fall: Jemand leiht sich vom Eigentümer ein Fahrrad. Durch mangelnde Sicherung oder fahrlässige Aufbewahrung ermöglicht der Entleiher, daß das Fahrrad gestohlen wird. Er haftet dem Verleiher daher gemäß §§ 598, 604, 280 BGB auf Schadensersatz. Bei der Ermittlung des zu ersetzenden Schadens ist jedoch zu berücksichtigen, daß das Fahrrad nicht endgültig verloren ist, sondern möglicherweise eines Tages bei dem Dieb oder einem anderen wiedergefunden wird. Die Regelung des § 255 BGB entscheidet sich für die einleuchtende Lösung, daß der Schuldner des Schadensersatzes den vollen Wert der Sache zu ersetzen habe, der Gläubiger ihm aber seine Ansprüche wegen derselben Sache gegen Dritte abtreten müsse.

I. Der gesetzliche Ausgleich des Interessenkonflikts Die Pflicht zur Abtretung löst das Grundproblem, daß in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger sein Schadensersatzverlangen erhebt, typischerweise noch ungewiß ist, ob sich Ansprüche gegen Dritte – in Betracht kommen Herausgabeansprüche, Ansprüche auf ein Surrogat oder wiederum auf Schadensersatz – je einmal werden realisieren lassen. Der Schadensersatz soll aber so bemessen werden, daß der Geschädigte einerseits jede Einbuße aus dem schadensstiftenden Ereignis ersetzt bekommt, er sich andererseits durch die Ersatzleistung aber auch nicht bereichert. Zwar ließe sich versuchen, die Chance, mit den Forderungen gegen Dritte durchzudringen, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten.1 In aller Regel wird es jedoch für eine solche Abschätzung schon an hinreichenden Anhaltspunkten fehlen. Ohnehin bliebe eine solche Methode nur eine Annäherung an das Ziel eines – im dargelegten Sinne – „gerechten“ Schadensausgleichs: Hat der Richter den Wert der Forderungen gegen Dritte geschätzt, wird sich dennoch irgendwann zeigen, ob sich die Ansprüche gegen den oder die Dritten verwirklichen lassen. Erweisen sie sich als realisierbar, hat 1 Vgl. zu dieser Erwägung JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 942/1076 zu § 192 des Vorentwurfs zum Sachenrecht des BGB (zur Bedeutung dieser Vorentwurfsvorschrift in der Entstehungsgeschichte des § 255 BGB s. noch u. S. 58 ff.); Motive II 25; SELB, FS Larenz (1973) 520.

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der Schuldner rückblickend zu viel bezahlt; fällt der Gläubiger gegen den oder die Dritten endgültig aus, hat er rückblickend nicht ersetzte Einbußen aus dem schadensstiftenden Ereignis erlitten, wenn der Richter einen positiven Wert für die bestehenden Forderungen gegen Dritte vom Schaden abgezogen hatte.

II. Alternative Lösungswege Will man sich nicht mit einer solchen Annäherung begnügen, kämen noch zwei Alternativen zu der Regelung des BGB in Betracht. Man könnte die Ungewißheit über die Realisierbarkeit der anderen Ansprüche (1.) zu Lasten des Schadensersatzgläubigers oder (2.) zu Lasten des Schadensersatzschuldners zu lösen versuchen. 1. Zu Lasten des geschädigten G l ä u b i g e r s fiele eine Regelung aus, die diesem den Nachweis auferlegt, daß andere durchsetzbare Ersatzmöglichkeiten nicht bestehen und auch nicht mehr entstehen werden. Der volle Nachweis hierüber wird aber nur äußerst selten zu führen sein. Man wird diesen Nachteil dem Gläubiger daher kaum aufbürden wollen. Um eine Annäherung an einen solchen umfassenden Beweis einzuführen, ließe sich allenfalls daran denken, dem Gläubiger den Nachweis aufzuerlegen, daß er im Zeitpunkt der Klage keine Kenntnis über Dritte hat, gegen die er Ansprüche wegen derselben Sache geltend machen könnte, und daß er sämtliche in Betracht kommende Dritte vor der Inanspruchnahme des Schadensersatzschuldners erfolglos verklagt hat. Kommen aktuell Dritte als Schuldner in Betracht, liefe diese Regelung also auf eine Einrede der Vorausklage des Schadensersatzschuldners hinaus, wie sie etwa der heutige § 771 BGB für den Regelfall bei der Bürgschaft vorsieht. Eine solche Obliegenheit des Gläubigers, zunächst die Dritten zu verklagen,2 wäre von 2 s. hierzu die Motive II 25 sowie die Erörterung von SELB, FS Larenz (1973) 520 sub II.1.a); 522 sub II.2.a). Vgl. aber auch schon die Regelung im Vindikationsrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts Erster Theil, Funfzehnter Titel (zitiert nach SCHERING, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, Im Auftrage des JustizMinisters mit Anmerkungen herausgegeben, II. Band Theil I, Titel 12–23, 2. Aufl., 1869, S. 137): „§ 13: Der Kläger ist also zwar schuldig, wegen der Sache selbst an den wahren Besitzer, in so fern dieselbe gegen diesen noch vindiciert werden kann, sich zu halten. § 14: Wenn aber auch dieses geschieht, so bleibt ihm dennoch der sich angebende falsche Besitzer, wegen alles aus dieser falschen Angabe erwachsenden Schadens, und entgehenden Gewinnes, verantwortlich.“ Diese Regelungen, die für denjenigen Nichtbesitzer formuliert sind, der „sich zum Schaden des Klägers für den Besitzer fälschlich ausgegeben hat“, (also für den im römischen Recht sogenannten liti se offerens; vgl. hierzu die Lage im klassischen Recht u. S. 95 ff.), galten nach §§ 15 und 16 auch für den unredlichen oder verklagten Besitzer, der die Sache veräußerte. Ob aus §§ 13 f. eine Obliegenheit des Vindikanten zur Vorausklage gegen den aktuellen Besitzer zu folgern war, war im Preußischen Recht umstritten; das Preußische Ober-Tribunal verneinte die Frage (Erk. v. 5. Juni 1871, Nr. 254 [S. 761 ff. sub b] in REHBEIN, Die Entscheidungen des vormali-

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vornherein auf diejenigen Dritten zu beschränken, deren Aufenthalt dem Gläubiger bekannt ist und die nicht wesentlich schwieriger zu verklagen sind als der Schadensersatzschuldner selbst: Eine Erschwerung der Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner durch Aufgabe des bisherigen Wohnorts befreit nämlich einen Gläubiger auch von der gegenüber einem Bürgen bestehenden Obliegenheit zur Vorausklage (§ 773 Nr. 2 BGB). Ist also dem Gläubiger eine Obliegenheit zur Vorausklage nur in engen Grenzen zumutbar, so läßt sich das Problem, wie die Ungewißheit der Realisierungschancen von Ansprüchen gegen Dritte bei der Ermittlung des Schadensersatzes zu berücksichtigen sind, durch eine Einrede der Vorausklage nicht umfassend lösen. Aber auch unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit einer Vorausklage löst diese das gestellte Problem nicht endgültig: Denn auch wenn durch die Vorausklage gegen den Dritten und einen anschließenden Zwangsvollstreckungsversuch beim Dritten nichts erlangt werden konnte, heißt dies nicht, daß er die Leistung nicht doch noch einmal wird erbringen können; auch ein zahlungsunfähiger Schuldner kann einmal wieder zahlungsfähig werden. Eine bloße Obliegenheit zur Vorausklage kann also nicht in befriedigender Weise ausschließen, daß sich der Gläubiger durch mehrfache Rechtsverfolgung bereichert.3 2. Zu Lasten des zum Ersatz verpflichteten S c h u l d n e r s ließe sich die Ungewißheit bewältigen, indem man ihn zur vollen Leistung verurteilt, ihm aber dann, wenn der Gläubiger durch Zufall oder infolge der Ansprüche gegen Dritte die Sache oder ein Surrogat von anderer Seite erlangt, ein Recht zur Rückforderung des (rückblickend zu viel) geleisteten Schadensersatzes gewährt.4 Diese Lösung hat allerdings ebenfalls Nachteile: Der zur „Vorleistung“ verpflichtete Schadensersatzschuldner trägt in der Schwebezeit ungesichert das Risiko, wegen (möglicherweise zwischenzeitlich eintretender) Zahlungsschwierigkeiten des Gläubigers seinen geleisteten Schadensersatz im Falle des Wiedergen Preußischen Ober-Tribunals auf dem Gebiete des Civilrechts II [1887]), s. dazu die Darstellung von JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 943/1077. 3 Auch bei der Bürgschaft steht der Einrede der Vorausklage daher die Legalzession in § 774 BGB zur Seite. Ist somit die Einführung einer Obliegenheit zur Vorausklage im Ergebnis keine echte Alternative zur Zession, so fragt sich, ob trotz der in § 255 BGB bestimmten Zessionsobliegenheit auch unter der Geltung des BGB Fälle denkbar sind, in denen eine Vorausklage durch den Schadensersatzgläubiger zu verlangen ist. Für das klassische römische Recht ist in Labeo D. 19,2,60,2 überliefert, daß der Schadensersatzgläubiger unter Umständen darauf verwiesen werden konnte, zunächst gegen den aktuellen Besitzer vorzugehen, vgl. dazu unten S. 250 ff. 4 s. auch hierzu die Motive II 25 sowie die Überlegungen von SELB, FS Larenz (1973) 521 sub II.1.b), 523 sub II.2.c). Schon JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 944/1078, der betonte, daß eine endgültige Lösung, die also den Betrag des zu leistenden Interesses „unabhängig von späteren Ereignissen – ob etwa die Sache von einem Dritten wieder zu erlangen ist –“ feststelle, vorzuziehen sei, denn „die Schaffung von schwebenden Verhältnissen, die zu ferneren Rechtsstreiten Anlaß geben,“ sei zu vermeiden.

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auftauchens der Sache oder der anderweitigen Leistung des Dritten nicht zurückerlangen zu können. Vor allem hat der Gläubiger, der weiß, daß er den Wertersatz im Falle der Realisierung eines anderen Anspruchs zurückzahlen muß, wirtschaftlich kein Interesse an der Geltendmachung der Forderung gegen den Dritten.5 Aus tatsächlichen Gründen wird der Dritte daher voraussichtlich nicht in Anspruch genommen werden, so daß der Dritte faktisch von der Zahlung des Ersatzschuldners ohne rechtfertigenden Grund profitiert.6 3. Demgegenüber scheint die Lösung des BGB nur Vorteile in sich zu vereinigen: Indem der Ersatzschuldner den vollen Sachwert ersetzt, aber die übrigen Ansprüche des Gläubigers wegen derselben Sache sich abtreten läßt, behält er nicht irgendeinen geschätzten Wert, der vom Sachwert abzuziehen wäre, sondern er erhält die Chance selbst, diese Forderungen zu realisieren. Der Ersatzschuldner, derjenige also, der für den Verlust der Sache verantwortlich gemacht wird, trägt damit – umgekehrt formuliert – auch das Risiko, daß die Forderungen ausfallen. Dem Gläubiger bleibt grundsätzlich ein näherer Nachweis der Uneinbringlichkeit erspart. Der Ersatzschuldner kann demgegenüber die Rechtsverfolgung gegen den oder die Dritten selbst in die Hand nehmen und ist vom weiteren Interesse des Gläubigers daran, aber auch von der weiteren Entwicklung der finanziellen Verhältnisse des Gläubigers unabhängig. Die Lösung des BGB verfolgt also in ideal scheinender Weise die Idee, die Ungewißheit über die Einbringlichkeit der Forderungen so auf den Ersatzschuldner zu übertragen, wie sie auch in der Person des Gläubigers besteht.

III. Offene Fragen Die gesetzliche Regelung wirft dennoch eine Reihe von Fragen auf, deren Lösung bis heute umstritten ist. 1. Umstritten ist insbesondere der A n w e n d u n g s b e r e i c h der Norm:7 So soll nach der e n g s t e n Auffassung8 die Vorschrift nur angewandt werden, wenn der Ersatzverpflichtete dem Ersatzberechtigten deswegen haftet, weil der Besitz der Sache verloren gegangen ist, und wenn die Sache selbst noch existiert. Die Regelung gelte dann nur für die Abtretung der auf die Herausgabe der Sache gerichteten Ansprüche. Nach einer etwas w e i t e r e n Auffassung9 findet die Regelung dagegen auch dann noch Anwendung, wenn an die Stelle 5

Diesen Aspekt betont zu Recht SELB, FS Larenz (1973) 521, 523. Freilich ist ein Anspruch auf Rückforderung des geleisteten Schadensersatzes auch unter der Geltung des BGB zu diskutieren; dazu sogleich im Text. 7 s. dazu u. S. 25 ff. 8 Insbesondere von H. SIBER, MÜNCHBACH, H. LANGE, RÜSSMANN und MERTENS; s. die Nachweise u. A. 38 bis 41. 9 Insbesondere von GOETTE, FIKENTSCHER und H. ROTH; s. die Nachweise u. A. 54. 6

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des Anspruchs auf Herausgabe der Sache selbst (etwa nach Verarbeitung oder Veräußerung durch den Dritten) ein Anspruch auf ein Surrogat entstanden ist. Nach der w e i t e s t e n Auffassung10 gilt die Vorschrift schließlich auch noch für die Konkurrenz mehrerer auf Geld gerichteter Schadensersatzansprüche wegen des tatsächlichen oder rechtlichen Verlusts einer Sache; die Norm sei eine generelle Regreßvorschrift für den Fall, daß Ansprüche wegen Sachverlusts gegen zwei Schuldner (in den Worten der Norm: gegen denjenigen, der „für den Verlust einer Sache . . . Schadensersatz zu leisten hat“, und gegen den „Dritten“) in einem Stufenverhältnis stünden. Der Grund für diese Meinungsverschiedenheiten liegt vor allem darin, daß das Verhältnis von § 255 BGB zu der Regelung des Gesamtschuldnerregresses in § 426 BGB unklar ist: Wie bei der Gesamtschuld stehen auch bei § 255 (1. Fall) BGB einem Gläubiger mehrere Schuldner zur Wahl, nämlich der Schadensersatzschuldner und der Dritte, etwa der noch unbekannte Dieb oder der jetzige Besitzer der Sache. Wie bei der Gesamtschuld erhält der Schadensersatzschuldner gegen seine Zahlung eine Forderung zu seinem Regreß abgetreten, die zuvor seinem Gläubiger zustand. Dem Haftenden steht damit für seine Wertersatzleistung ein Anspruch zu, mit dem er gegen einen Dritten Regreß nehmen kann und der nicht aus einem Rechtsverhältnis zu dem Dritten herrührt, sondern vom Gläubiger abgeleitet wird. Es handelt sich damit wie bei der Gesamtschuld um einen Fall des sogenannten Zessionsregresses, der auch als vom Gläubiger abgeleiteter, „derivativer“ Rückgriff bezeichnet wird.11 Anders als bei der Gesamtschuld, bei der die Vorschrift des § 426 Abs. 1 BGB ein originäres Regreßverhältnis zwischen den mehreren Schuldnern begründet, besteht bei § 255 (1. Fall) BGB zwischen dem Haftenden und dem Dritten kein unmittelbares (originäres) Innenverhältnis. Daher läßt § 255 BGB insbesondere keinen Raum für die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Haftenden zugunsten des Dritten. Auch gelten die Regelungen der §§ 422–425 BGB über die Auswirkungen von Änderungen in Bestand oder Umfang der Forderung gegen einen Gesamtschuldner auf die Verpflichtung der Mitschuldner nicht im Falle des § 255 BGB. Anders als bei der Gesamtschuld gemäß § 426 Abs. 2 BGB erhält schließlich der Haftende bei § 255 BGB die Forderung des Gläubigers nicht im 10

Insbesondere von SELB und LARENZ (u. A. 57). Der Begriff steht im Gegensatz zum „originären Rückgriff“ aus einem speziellen („originären“) Rechtsverhältnis zwischen Rückgriffsberechtigtem und Regreßverpflichtetem. Dieser ist zumeist ein Aufwendungsersatzanspruch (vor allem § 670 BGB i.V. m. §§ 662, 675 oder §§ 667, 683 BGB). Der derivative Regreß ist demgegenüber nicht am Aufwendungsersatz orientiert, sondern schöpft eher die Bereicherung ab, die bei einer Befreiung der anderen Verpflichteten diesen erwachsen würde. (Zugleich dient der derivative Regreß oft dazu, dem Regreßberechtigten die Sicherheiten zu verschaffen, die auch dem Gläubiger zur Sicherung seines Anspruchs gegen den regreßverpflichteten Mitschuldner zustanden.) Der Idee nach originär, inhaltlich aber mit dem derivativen Regreß verwandt ist daher die Rückgriffskondiktion. 11

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Wege der Legalzession. Vielmehr muß er die rechtsgeschäftliche Zession der Ansprüche durch den Entschädigungsberechtigten erzwingen. Diese Unterschiede zum Gesamtschuldnerregreß machen eine Abgrenzung zwischen beiden Regelungen erforderlich. Im Rahmen der Diskussion über diese Abgrenzung werden von verschiedenen Seiten rechtshistorische Argumente12 angeführt, die Anlaß zu der vorliegenden Untersuchung gaben. 2. Rechtspolitisch ist andererseits die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung hinsichtlich der R e c h t s f o l g e n des § 255 BGB umstritten. Nach dieser Vorschrift muß der Ersatzschuldner, wie soeben beschrieben, durch eine Zurückbehaltung erzwingen, daß der Gläubiger des Schadensersatzes den Übergang der übrigen Forderungen durch eine rechtsgeschäftliche Abtretung bewirkt. Damit unterscheidet sich die Regelung in augenfälliger Weise von anderen Bestimmungen, in denen ein Schuldner gegen seine Zahlung an den Gläubiger dessen Forderungen gegen einen Dritten erwerben soll: In den meisten Fällen, wenn nicht sogar in allen anderen Bestimmungen dieser Art (erwähnt seien §§ 268 Abs. 3, 426 Abs. 2, 774 Abs. 1, 1143 Abs. 1, 1225 BGB, aber auch einige spezialgesetzliche Vorschriften wie § 67 Versicherungsvertragsgesetz [VVG], § 6 Entgeltfortzahlungsgesetz [EFG]),13 ordnet das Gesetz einen Übergang der Forderungen o h n e rechtsgeschäftliches Tätigwerden des Gläubigers, eine sogenannte Legalzession, an. Gegenüber dieser eleganten Form der Forderungsübertragung erscheint die Regelung des § 255 BGB umständlich, altertümlich oder gar archaisch. In der Ablehnung einer Legalzession im Falle des § 255 BGB liegt aber eine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers; denn ursprünglich hatte die Ausgangsregelung des § 192 des Vorentwurfs zum Sachenrecht von JOHOW noch einen gesetzlichen Anspruchsübergang vorgesehen. Insoweit ist der Gesetzgeber zu derjenigen Rechtslage zurückgekehrt, die man für die Lage des römischen Rechts hielt; man ging davon aus, daß nach den römischen Quellen der Ersatzpflichtige eine rechtsgeschäftliche Zession durch den Ersatzberechtigten erzwingen konnte.14 Diese Entscheidung ist umso bemerkenswerter, als die Rechtslage im römischen Recht bei der Bürgschaft und in Fällen der Gesamtschuld nicht anders war; dennoch ordnete aber der Gesetzgeber hier Legalzessionen an. Auch bei Bürgschaft und Gesamtschuld konnte der Regreßberechtigte nach römischem Recht wie heute noch bei § 255 BGB durch Zurückbehal12 So von MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 16–20 (dazu u. S. 27 f.); SELB, FS Larenz (1973) 517 ff.; STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 1, 4; dazu u. S. 33 bei A. 67; vgl. u. S. 38 bei A. 89; s. noch u. S. 47 bei A. 123. 13 Einen Überblick – auf dem Stand von 1967 – über die geltenden Regelungen, die eine Legalzession enthalten, gibt HÜBENER, Der gesetzliche Forderungsübergang im System der Rechtsordnung (1968). Eine neuere Untersuchung verfaßte SCHIMS, Der gesetzliche Forderungsübergang (2006). 14 s. zur Gesetzgebungsgeschichte allgemein u. S. 58 ff. sowie S. 348 ff. und 364 ff.; speziell zur Frage des Legalüberganges s. u. S. 60 f. bei den A. 175 bis 180, S. 351 f. mit den A. 1362 bis 1367; S. 366 mit A. 1413 bis 1415; sowie schließlich u. A. 1418.

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tung der eigenen Leistung verlangen, daß ihm die Forderung des Gläubigers gegen die Mitschuldner rechtsgeschäftlich zediert werde.15 Die gemeinrechtliche Doktrin sprach in allen diesen Fällen von einer dem Schuldner gewährten Rechtswohltat, dem beneficium cedendarum actionum.16 Andererseits bot schon das Römische Recht in den Fällen, die heute dem § 255 BGB unterfallen würden, mit dem Übergang der actio furti auf den Ersatzpflichtigen 17 ein Beispiel für einen Forderungsübergang ipso iure, der freilich einer Legalzession nur nahekam, ihr aber nicht gleichzusetzen ist. Ferner kam in gemeinrechtlicher Zeit über Papinian D. 6,1,63 eine Lehre des Inhalts auf, daß im Falle der Haftung eines Vindikationsbeklagten für das Abhandenkommen der Sache die Vindikation des Klägers gegen den aktuellen Besitzer nach Art einer Legalzession übergehen könne.18 Daß sich dennoch der Gesetzgeber in § 255 BGB für die umständlichere Form des Zessionsregresses im Wege der Erzwingung einer rechtsgeschäftlichen Zession entschieden hat, wurde vielfach als nicht überzeugend kritisiert;19 eine Legalzession hat man stattdessen zuweilen de lege ferenda vorgeschlagen.20 Dennoch (und trotz der anderen offenen Fragen) sollte die Vorschrift nach dem Vorschlag HOHLOCHs von 1981 für die Schuldrechtsreform unverändert bleiben.21 In der Tat hat weder das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 200122 (welches ohnehin das gesamte Schadensersatzrecht ausklammert) noch das „Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften“ 23 die Vorschrift des § 255 BGB verändert. Die Beobachtung, daß sich in dieser Norm der Zessionsregreß in der archaischen Form des beneficium cedendarum actionum erhalten hat – und, wie es scheint, sich weiterhin erhalten wird – bietet daher einen weiteren Anlaß zur Beschäftigung mit der Rechtsgeschichte von § 255 (1. Fall) BGB. 3. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Norm besteht aber auch de lege lata eine vielbehandelte Streitfrage: Die Norm läßt offen, ob der Entschädigende 15 Zum beneficium cedendarum des Bürgen s. BRIGUGLIO, Fideiussoribus succurri solet (1999) 209 ff. 16 Zum Begriff s. u. S. 63 f. 17 s. dazu unten den Abschnitt über die actio furti (S. 168 ff.). Der Übergang der actio furti resultierte freilich daraus, daß diese Klage von vornherein nicht zwingend dem Eigentümer einer Sache zugestanden wurde, sondern demjenigen, der das Interesse daran hatte, daß die Sache nicht gestohlen wird. 18 s. dazu u. S. 67 mit den A. 222, 223; S. 307 ff. (dort auch zur Kritik an dieser Interpretation). 19 So F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907) 8; SELB, FS Larenz (1973) 525. 20 MünchKomm-OETKER, § 255 BGB Rz. 20; MünchKomm-BYDLINSKI, § 421 BGB Rz. 62. 21 HOHLOCH, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts I (1981) 475. 22 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3137), in Kraft seit 1.1.2002. 23 Vom 19.7.2002 (BGBl. I S. 2634), in Kraft seit 1.8.2002.

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durch die Abtretung der Ansprüche, die – wie es in § 255 (1. Fall) BGB heißt – „dem Ersatzberechtigten aufgrund des Eigentums an der Sache . . . gegen Dritte zustehen“, auch das Eigentum an der Sache erlangt, deretwegen er die Entschädigung zu zahlen hat. Des weiteren ist umstritten, ob dann, wenn die Entschädigung gegen Abtretung der Ansprüche gezahlt worden ist, später die Sache aber wieder auftaucht, erneut Ansprüche zwischen dem entschädigten Schadensersatzgläubiger und dem Schadensersatzschuldner entstehen, um eine Rückabwicklung der Schadensersatzleistung zu ermöglichen. Über beides schweigt sich das Gesetz aus. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sich die Wissenschaft des öfteren dieses Themas angenommen hat; als gelöst kann das Problem allerdings nicht betrachtet werden.24 Es ist auch verständlich, daß die Gesetzesgeschichte in dieser Diskussion eine besondere Rolle spielt. Die Beschäftigung mit ihr wird um so reizvoller durch die Beobachtung, daß die Rechtsgeschichte einschließlich des Römischen Rechts von einander widerstreitenden Positionen jeweils für sich in Anspruch genommen wird.25 4. Es besteht demnach genügend Anlaß, im einzelnen zu untersuchen, welche gemeinrechtlichen Vorbilder die Regelung des § 255 Fall 1 BGB hatte und in welchen Konstellationen insbesondere die römischen Juristen eine Klagenzession bei der Haftung für den Verlust einer Sache forderten; ferner, wie sie dieses Recht auf Klagenzession ausgestalteten und welche Wertungen der Gewährung oder Verweigerung dieses Rechts zugrunde lagen. Ein Vergleich dieser historischen Vorläufer mit dem modernen Rechtszustand verspricht auch Aufschlüsse für die heute noch nicht ausgetragenen Streitfragen; wenngleich stets zu prüfen sein wird, welche Gesichtspunkte heute noch berücksichtigt werden können und inwieweit der historische Rechtsstoff durch neuere Entwicklungen überholt ist.

IV. Überblick über den Gang der Darstellung Die vorliegende Arbeit unternimmt aus den genannten Motiven nach einer Bestandsaufnahme der Rechts- und Meinungslage zum geltenden Recht über die Regelung des § 255 BGB (in den §§ 1 und 2) einen historischen Rückblick, der – anders als bei historischen Arbeiten vielfach üblich – von der Gegenwart beginnend schrittweise in die uns entfernteren Zeiten vordringt. An die Darstel-

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Zum Meinungsstand s. u. S. 48 ff. So nimmt etwa SELB, FS Larenz (1973) 547; DERS., Mehrheiten (1984) § 8 II 1 j, l (S. 152 f.); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 14 f., 16 unter Berufung auf die historische Entwicklung f ü r ein Rückforderungsrecht des Entschädigenden bei Wiederauftauchen der Sache Stellung; dagegen argumentiert F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907) 108 mit einer gegensätzlich festgestellten historischen Entwicklung g e g e n eine Rückabwicklung argumentiert. 25

Einleitung

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lung des Gesetzgebungsverfahrens zum BGB (in § 3) schließt sich ein kurzer Überblick über die gesetzlichen Vorläufer (in § 4) an. Das BGB und seine gesetzlichen Vorläufer beruhten aber auf den Theorien der gemeinrechtlichen Wissenschaftler, die im Anschluß (in § 5) dargelegt werden. Da diese Theorien jedoch letztlich Systematisierungsversuche der überlieferten Fälle des römischen Rechts darstellen, wird schließlich ausführlich (in §§ 6 ff.) über diese zu sprechen sein. Die Diskussion der klassischen Quellen wird den Hauptteil der Untersuchung bilden. Am Ende soll in einem Schlußkapitel der Frage nachgegangen werden, inwieweit die historische Analyse Hilfestellung bei der Entscheidung der eingangs aufgeworfenen Fragen zum geltenden Recht bieten kann. Erst im Laufe der Gesetzgebungsgeschichte wurde zur Regelung der Forderungszession bei der Haftung für Sachverlust (dem ersten Fall des heutigen § 255 BGB) ein z w e i t e r Fall hinzugefügt: Danach kann derjenige, „der für den Verlust . . . eines Rechtes“ Schadensersatz zu leisten hat, verlangen, daß ihm die dem Entschädigungsberechtigten „auf Grund des Rechtes gegen Dritte“ zustehenden Ansprüche abgetreten werden. Nur zum Zwecke der vollständigen Darstellung des geltenden Rechts werden die Frage des Anwendungsbereichs dieses Teil der Vorschrift26 dargestellt sowie der Meinungsstreit27 darüber, welche Wirkung die Abtretung derjenigen Ansprüche hat, „die dem Ersatzberechtigten . . . auf Grund des Rechtes gegen Dritte zustehen.“ Eine Beschäftigung mit den Vorbildern für diese Regelung, insbesondere mit den zugrundeliegenden römischen Quellen, kann mit Rücksicht auf den Umfang der Arbeit hier nicht erfolgen.28 Dieser zweite Fall der Vorschrift steht in der wissenschaftlichen Diskussion und in der praktischen Anwendungshäufigkeit hinter der Bedeutung von § 255 (1. Fall) BGB weit zurück; die Haftung für einen Rechtsverlust weist (z. B. hinsichtlich der Frage des Eigentumsüberganges durch die Zession, die sich bei der Haftung für Rechtsverlust nicht stellt) nur eingeschränkt Parallelen mit Haftung für Sachverlust auf, so daß eine ausführliche Stellungnahme zum zweiten Falles von § 255 BGB für ein Verständnis des hier betrachteten ersten Falles der Vorschrift auch nicht unbedingt nötig ist.

V. Gegenwärtiger Stand der Forschung Zu den modernrechtlichen Streitfragen über § 255 BGB gibt es sehr viel Literatur.29 Eine umfassende Beschäftigung mit den historischen Grundlagen, insbesondere mit den römischen Quellen dieser Fallgruppe des Zessionsregres26

Dazu u. S. 36 ff. Dazu u. S. 55. 28 s. aber zur Gesetzgebungsgeschichte von § 255 (2. Fall) BGB und zu mutmaßlichen Vorbildern aus den römischen Quellen für diese Regelung u. S. 59 mit A. 173 und weit. Lit. 29 Aus neuester Zeit s. etwa die Arbeit von HERBERTH ROTH, in: FS Medicus (1999) 495 mit dem Titel „Zessionsregreß nach § 255 BGB und gesamtschuldnerischer Ausgleich“ sowie STAMM, Regreßfiguren im Zivilrecht (2000). STAMM 84 ff. geht zwar auf die Gesetzgebungsgeschichte, nicht aber auf die ältere Rechtsgeschichte ein. 27

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Einleitung

ses,30 nämlich der Forderungszession und des Anspruchsüberganges bei der Haftung für den Verlust einer fremden Sache, fehlt aber bislang. Einschlägig ist allerdings der förderliche Aufsatz von WALTER SELB31 zur „Entstehungsgeschichte und Tragweite des § 255 BGB“ in der Festschrift für Karl Larenz zum 70. Geburtstag,32 der auf zahlreiche Quellen eingeht. Wegen der gebotenen Kürze eines Festschriftbeitrages kann diese Arbeit das Thema aber nicht erschöpfen. Ferner lassen die Erläuterungen von SELB zu den Fällen des Römischen Rechts Wünsche offen, wie die vorliegende Abhandlung zeigen wird.33 Einige Arbeiten mit dem Schwerpunkt im modernen Recht gehen kurz auf die Rechtsgeschichte und die römischen Quellen ein. Zu erwähnen ist zunächst das Werk von OERTMANN aus dem Jahre 1901 über „Die Vorteilsausgleichung beim Schadensersatzanspruch im römischen und deutschen bürgerlichen Recht“, der auch die Regelung des § 255 BGB behandelt und 19 Seiten den römischen Quellen widmet.34 Eine rechtshistorische Einleitung enthält die Arbeit von HAUK, „Das Recht des Ersatzpflichtigen auf Abtretung der dem Ersatzberechtigten gegen Dritte zustehenden Ansprüche nach § 255 des Bürgerlichen Gesetzbuches“ von 1929; aber in seinen knappen Ausführungen zu den römischen Quellen (S. 2–14) nimmt HAUK zu häufig Interpolationen an. Eine sehr gründliche Untersuchung zu § 255 BGB schließlich stammt von WERNER MÜNCH35 BACH aus dem Jahre 1976; auch MÜNCHBACH geht in seiner Einleitung auf die historische Entwicklung ein, allerdings ebenfalls nur in aller Kürze und auch nur mit dem Ziel, seine Ansicht zum Geltungsbereich des § 255 BGB im modernen Recht36 zu untermauern. 30 Zum Zessionsregreß im allgemeinen sind noch immer grundlegend die Abhandlungen von FRITZ SCHULZ, Klagen-Cession im Interesse des Cessionars oder des Cedenten im klassischen Recht, SZ 27 (1906) 82 ff. (insbesondere S. 97 ff.) sowie DERS., Rückgriff und Weitergriff (1907). Aus der neuesten Literatur zu anderen Fällen des Zessionsregresses im römischen Recht sei – neben BRIGUGLIO (o. A. 15) – hingewiesen auf den „Beitrag zum Zessionsregreß“ von MISERA, Ulp. D. 24,2,32,5: Schenkung unter Ehegatten, Verpfändung des Geschenks und oratio Severi, in der FS Medicus (1999) 387 ff., der sich auf den Regreß des Eigentümers einer verpfändeten Sache bezieht. MISERA knüpft (auf S. 393 ff.) an den Beitrag „Der fingierte Klagenkauf als Denkhilfe für die Entwicklung des Zessionsregresses“ von MEDICUS in der FS Kaser (1976) 391 ff. an. 31 Weitere grundlegende Arbeiten von WALTER SELB zu § 255 BGB behandeln im Schwerpunkt das geltende Recht und gehen allenfalls am Rande auf die Rechtsgeschichte ein: SELB, Schadensbegriff und Regreßmethoden (1963) 21 ff.; DERS., Mehrheiten (1984) 137 ff. sowie die ausführliche Kommentierung zu § 255 BGB von SELB im von V. STAUDINGER begründeten Kommentar zum BGB (13. Bearb. 1995). 32 SELB, FS Larenz (1973) 517 ff. 33 s. insbesondere zu Papinian D. 6,1,63 (SELB, FS Larenz [1973] 527 ff.) unten A. 303 und 1151. 34 OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 256–274. 35 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen in Schadensfällen, Inhalt und Abgrenzung des § 255 BGB zur Gesamtschuld, Berlin 1976. 36 Dazu u. S. 26 ff.

1. Kapitel

Überblick über den Anwendungsbereich und die Funktion des § 255 BGB nach dem aktuellen Streitstand Zunächst soll die Vorschrift des § 255 BGB als Teil des geltenden Rechts in ihrem Anwendungsbereich und ihren Rechtsfolgen mit den über sie bestehenden Meinungsstreitigkeiten vorgestellt werden.

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich In der modernen Literatur sind sowohl die Voraussetzungen des § 255 BGB, der Anwendungsbereich der Norm, als auch ihre Rechtsfolgen, insbesondere die Wirkung der Abtretung, umstritten. Um zunächst einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Fälle von der Vorschrift erfaßt werden, folgt als erstes eine überblicksartige Darstellung des Meinungsspektrums37 zum Anwendungsbereich der Norm. Dabei steht in neuerer Zeit im Vordergrund der Diskussion die Abgrenzung des § 255 BGB von den Regelungen der Gesamtschuld (§§ 421–427, 431 BGB), insbesondere von der Regreßvorschrift für Gesamtschuldner in § 426 BGB. Die Abgrenzung ist deswegen notwendig, weil in beiden Fällen, bei § 255 BGB wie bei der Gesamtschuld, einem Gläubiger mehrere Schuldner zur Wahl stehen, er im Ergebnis aber nur einmal die Leistung zu behalten berechtigt ist. Bei der Gesamtschuld wird dieses Ergebnis dadurch erzielt, daß gemäß § 426 Abs. 2 BGB mit der Zahlung eines Schuldners die Forderung gegen die Mitschuldner kraft Gesetzes auf den Zahlenden übergeht, soweit er gemäß § 426 Abs. 1 BGB zum Regreß im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern berechtigt ist. Bei § 255 BGB kann dagegen einer der Schuldner die rechtsgeschäftliche Abtretung der Ansprüche gegen den (oder die) anderen Schuldner verlangen. Die Notwendigkeit einer Abgrenzung führt zu einer Untersuchung, welches die Ansprüche sind, die nach § 255 BGB abzutreten sind und dort umschrieben werden als „Ansprüche . . ., die dem Ersatzberechtigten aufgrund des Eigentums an der Sache oder aufgrund des Rechtes gegen Dritte zustehen“. Mit 37 Ausführlich zu den diversen Meinungen und deren Würdigung STAMM, Regreßfiguren (2000) 29 ff.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

der Entscheidung darüber, welche Ansprüche von dieser Formulierung umfaßt werden, wird zugleich der Anwendungsbereich der Regelung festgelegt, da sie nur dann eingreifen kann, wenn die Voraussetzungen der abzutretenden Forderungen vorliegen. Mit dieser Entscheidung wird also mit anderen Worten bestimmt, wann ein Schuldner „für den Verlust einer Sache oder eines Rechts“ i. S. d. § 255 BGB haftet. Der Vollständigkeit halber soll zum geltenden Recht nicht nur der im Vordergrund des Interesses stehende erste Fall des § 255 BGB dargestellt werden, sondern auch kurz auf den zweiten Fall der Vorschrift eingegangen werden, nämlich auf den Fall der Haftung eines Schadensersatzschuldners wegen des Verlusts eines fremden Rechts.

I. Der erste Fall des § 255 BGB: Die Haftung für den Verlust fremder Sachen Im Zentrum der rechtlichen Diskussion um den § 255 BGB steht seit jeher der erste Fall, also derjenige der Haftung für den Verlust einer fremden Sache. 1. Die engste Auslegung der Norm: Beschränkung auf den Besitzverlust bei Fortexistenz der Sache Die den Anwendungsbereich von § 255 (1. Fall) BGB im Hinblick auf die Abgrenzung zur Gesamtschuld und die abzutretenden Forderung am stärksten einschränkende Auslegung wurde in älterer Zeit bereits von HEINRICH SIBER38 vertreten; sie geht in jüngerer Zeit auf die ausführlichen Begründungen von WERNER MÜNCHBACH39 und HERMANN LANGE40 zurück.41 Ihnen zufolge sind mit den „Ansprüchen . . . wegen des Eigentums an der Sache . . . gegen Dritte“ nur Ansprüche auf H e r a u s g a b e der Sache gemeint.42 Die Regelung greife

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PLANCK-SIBER (4. Aufl. 1914) § 255 BGB A. 1 und 2. MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) passim. 40 H. LANGE, Schadensersatz, 2. Aufl. (1990) § 11 A II 2 a bb (S. 666 ff.), III (S. 671), B I u. II. (S. 682 ff.). 41 Ebenso RÜSSMANN, JuS 1974, 298; AK-RÜSSMANN, § 255 BGB Rz. 3–4; SOERGEL-MERTENS, § 255 BGB Rz. 3–6. Im Wesentlichen übereinstimmend jüngst STAMM, Regreßfiguren (2000) 68 ff.: Die Regelung des § 255 BGB sei nach Ansicht des Gesetzgebers nur notwendig geworden, um eine Eigentümergemeinschaft von von Entschädigendem und Entschädigten zu vermeiden. Daher sei § 255 BGB nur anzuwenden, soweit und solange ein Anspruch aus § 985 bestehe. 42 Dazu zählen neben der Vindikation auch schuldrechtliche Herausgabeansprüche, die Besitzkondiktion sowie Schadensersatzansprüche, sofern sie auf Naturalrestitution durch Herausgabe der Sache gerichtet sind, s. MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 106 ff. In diesem Punkte möglicherweise abweichend STAMM, Regreßfiguren (2000), der stets nur von der Abtretung des sachenrechtlichen Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB spricht. 39

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 27

daher nur ein, solange die Sache selbst noch existiere.43 Dementsprechend sei unter dem „Verlust der Sache“, dem in § 255 (1. Fall) BGB vorausgesetzten Haftungsgrund, nur der Verlust des B e s i t z e s zu verstehen. Soweit dagegen durch Umwandlung, Veräußerung oder Beschädigung bzw. Zerstörung der Sache (bei dem späteren Besitzer) an die Stelle des Herausgabeanspruchs ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf ein Surrogat44 oder ein echter Schadensersatzanspruch (welcher nicht durch Naturalrestitution im Wege der Herausgabe erfüllbar ist) getreten sei, sei nicht mehr § 255 BGB einschlägig. Vielmehr seien der Schuldner eines solchen Anspruchs und der wegen des Sachverlusts Haftende Gesamtschuldner mit der Regreßregelung des § 426 BGB. Auch wenn es von vornherein (also ohne einen vorherigen Besitzverlust) um einen Substanzverlust durch Beschädigung oder Zerstörung gehe oder wenn der Haftungsgrund der Verlust der Eigentümerstellung sei, sei niemals § 255 BGB einschlägig. MÜNCHBACH stützt seine Argumentation zunächst auf eine historische Betrachtung: Die Gegenansicht, die § 255 BGB als eine weitergehende Regreßvorschrift (etwa auch bei konkurrierenden Schadensersatzansprüchen) begreife, beruhe auf einem die Auslegung des BGB belastenden Erbe des römischen und gemeinen Rechts. Im römischen Recht habe nämlich eine generelle Regreßnorm für Gesamtschuldner gefehlt. Dagegen habe es bei der Haftung für den Besitzverlust schon im römischen Recht die Klagenzession gegeben. Im klassischen Recht sei bei der Erzwingung der Zession in diesen Fällen aber nur oder doch zumindest in erster Linie an Herausgabeklagen gedacht worden. Es seien also nur Klagen gemeint gewesen, die fortbestünden, solange die Sache noch existiere. Nur vereinzelt würden im klassischen Recht auch Klagen erwähnt, die auch ohne Fortbestand der Sache gegeben seien, wie die condictio furtiva oder gar die auf Buße gerichtete Diebstahlsklage (actio furti).45 Noch die Autoren des Usus modernus hätten in erster Linie an die Herausgabeansprüche bei fortexistierender Sache gedacht. Erst die späteren Pandektisten hätten diese Beschränkung aufgegeben und die römischen Quellen erweiternd so interpretiert, daß alle möglichen Klagen abzutreten seien, die mit der Sache zusammenhängen, insbesondere auch Klagen auf Ersatzleistung wegen Substanzverlusts.46

43 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 83 ff. u. passim; H. LANGE, Schadensersatz, 2. Aufl. (1990) § 11 A II 2 a bb (S. 668), III (S. 671). 44 Hierzu insbesondere MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 126–136, der diese Anspruchskonkurrenz als „Grenzproblematik“ bezeichnet, im Ergebnis aber auch für diesen Fall die Gesamtschuldlösung vorzieht; H. LANGE, Schadensersatz (2. Aufl. 1990) § 11 B II (S. 683 f.); SOERGEL-MERTENS, § 255 BGB Rz. 6. 45 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 19 f. erwähnt Gaius D. 19,2,25,8 für die condictio furtiva, Paulus D. 47,2,54,3 für die Abtretung der actio furti, ferner Paulus D. 4,9,6,4 für die actiones furti vel damni iniuria. 46 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 17–20.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

Grund für diese spätere extensive Interpretation sei gewesen, daß die römischrechtliche Gesamtschuld grundsätzlich keinen Regreß gewähre, aber diese Regreßlosigkeit als ungerecht empfunden worden sei.47 Diese weite Auslegung der römischen Quellen habe nach MÜNCHBACH dazu geführt, daß die überwiegende Meinung auch die entsprechende Regelung des § 255 BGB so verstanden habe, daß sie auch Ansprüche auf Ersatzleistung wegen der Sache sowie Surrogatsansprüche umfasse. Nachdem aber das BGB die Gesamtschuld mit einer eigenen Regreßregel ausgestaltet habe, sei der Grund für die extensive Auslegung entfallen, dem für den Sachverlust Haftenden hier überhaupt einen Regreß zu ermöglichen. Soweit die Sache nämlich untergegangen sei und deswegen Surrogat- oder Schadensersatzansprüche bestünden, könne man eine Gesamtschuld annehmen und damit die Regreßvorschrift des § 426 BGB zur Anwendung bringen. Die Anwendung des Gesamtschuldnerregresses sei auch inhaltlich zu rechtfertigen. Im Fall des Untergangs der Sache verwandele sich nämlich der Charakter der Schadensersatzhaftung des Obhutspflichtigen. Vor dem Sachuntergang hafte er nur für einen vorläufigen Schaden, dessen Ermittelung wegen der Ungewißheit schwierig sei, ob die Sache von dem derzeitigen Besitzer werde erlangt werden können. Zur Überwindung dieser Ungewißheit diene die Norm des § 255 BGB. Nach dem Sachuntergang sei aber ein endgültiger Substanzschaden eingetreten, für den der Obhutspflichtige neben demjenigen hafte, der unmittelbar die Sache zerstört habe.48 Die enge Auslegung des § 255 BGB rechtfertigt sich nach MÜNCHBACH auch daraus, daß nur im Hinblick auf einen fortbestehenden Herausgabeanspruch eine von § 426 BGB abweichende Regelung zugunsten des für den Besitzverlust haftenden Ersatzpflichtigen habe geschaffen werden müssen.49 Zum ersten diene nämlich die Abtretung des Herausgabeanspruches der Übereignung der 47

MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 20–23. H. LANGE, Schadensersatz (2. Aufl. 1990) § 11 A II 2 a bb (S. 667); SOERGELMERTENS, § 255 BGB Rz. 3; vgl. schon GOETTE, Gesamtschuldbegriff und Regreßproblem (1974) 158 sowie H. ROTH, FS Medicus (1999) 500 f. 49 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 117 ff., insbes. 119–121. Die von STAMM, Regreßfiguren (2000) 56 ff., 72 betonte Divergenz, nach seiner Auffassung sei § 255 BGB lex specialis gegenüber § 426 BGB, nach MÜNCHBACH regele § 255 BGB ein aliud gegenüber § 426 BGB, besteht in Wahrheit nicht: Einerseits spricht auch MÜNCHBACH, a. a. O., von einer „Auslagerung des § 255 BGB aus der Gesamtschuldregelung“, was für die Annahme einer Sonderregelung spricht. Andererseits gesteht auch STAMM, a. a. O., 62 wenn man der Abtretung gemäß § 255 BGB die Wirkung einer Übereignung beimesse, stelle die Regelung gegenüber § 426 ein aliud dar. MÜNCHBACH [s. sogleich A. 51] geht aber von einer Übereignungswirkung der Abtretung aus; STAMM schlägt eine solche de lege ferenda vor; die Position von Stamm zur Übereignungsfrage de lege lata wird dagegen nicht recht deutlich (vgl. STAMM, a. a. O., 62 gegen S. 92 und 94 a. E.). 48

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 29

Sache gemäß § 931 BGB an den Ersatzpflichtigen.50 Eine Übereignung hätte der Gesetzgeber aber durch die von § 426 Abs. 2 BGB angeordnete Legalzession nicht anordnen können, ohne einen Systemverstoß (gemeint ist in erster Linie ein Verstoß gegen das sachenrechtliche Publizitätsprinzip) zu begehen. Zum zweiten setze die Regelung des § 426 BGB mit dem Grundsatz der ProKopf-Teilung im Innenverhältnis voraus, daß es sich bei den konkurrierenden Ansprüchen um solche handelt, bei denen ein Teilregreß möglich sei. Bei der Konkurrenz eines Schadensersatzanspruches mit einem Herausgabeanspruch (nicht aber bei der Konkurrenz mit einem anderen Schadensersatzanspruch oder einem Surrogatanspruch) sei ein solcher Teilregreß jedoch undenkbar. Schließlich sei der Fall zu betrachten, daß der Schadensersatzpflichtige (etwa ein Dieb) dem Sachbesitzer (etwa einem Abkäufer des Diebes) im Innenverhältnis hafte: Dann müßte bei Anwendung der § 422 ff. BGB durch die Zahlung des Diebes der dingliche Herausgabeanspruch gegen den Sachbesitzer erlöschen, aber dies sei konstruktiv und im Ergebnis nicht tragbar. Bei Surrogat- oder Schadensersatzansprüchen ist die Anwendung der Gesamtschuldregeln nach MÜNCHBACH aber nicht nur möglich, sondern auch vorzugswürdig.51 Die in der Praxis einfachere Legalzession sei der Erzwingung einer rechtsgeschäftlichen Zession überlegen. Auch sei hier die Anwendung der flexiblen Regelung des Innenverhältnisses durch § 426 Abs. 1 BGB wünschenswert: Etwa wenn der für den Besitzverlust Haftende den Verlust provoziert habe, sei sein Regreßanspruch gegen denjenigen, der die Sache (z. B. in der Meinung, es sei seine eigene) beschädigt habe oder sie umgewandelt habe, nach § 254 BGB zu kürzen. Schließlich sei die so gefundene Abgrenzung zwischen § 255 BGB und den Gesamtschuldregeln klar und eindeutig.52 Sie verhindere, daß § 255 BGB zu einer konturenlosen generellen Regreßnorm ausufere. Namentlich bereite die Bestimmung der Regreßrichtung bei § 255 sonst Schwierigkeiten,53 welche die enge Interpretation des § 255 BGB vermeide: Wenn die Vorschrift auf den Fall des Besitzverlustes bei Fortbestand der Sache begrenzt werde, sei stets klar, daß nur der wegen des Besitzverlustes auf Schadensersatz Haftende Regreß nehmen könne gegen den aktuellen Besitzer.

50 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 106 ff., 113 ff.; dies ist allerdings umstritten, s. dazu noch unten S. 48 ff. 51 Ebenso STAMM, Regreßfiguren (2000) 65, 80 für den Fall des Surrogatanspruchs aufgrund Veräußerung. 52 Wenn unklar ist, ob die Sache noch existiert, hat kann nach dieser Auffassung der Ersatzschuldner dennoch – für den Fall der Fortexistenz der Sache – die Abtretung der Herausgabeansprüche verlangen. 53 Zu ihnen sogleich u. S. 32 ff.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

2. Anwendbarkeit des § 255 BGB auch bei fortbestehenden Surrogatansprüchen Eine etwas weitere Interpretation des § 255 BGB54 will im Grundsatz den Anwendungsbereich der Norm in ähnlicher Weise wie die soeben geschilderte Auffassung zugunsten der Gesamtschuldregelungen einschränken. Abzutreten seien also nach § 255 BGB grundsätzlich nur Herausgabeansprüche bei fortbestehender Sache. Insbesondere hinsichtlich der Schadensersatzansprüche nach einem Untergang der Sache sei hingegen eine Gesamtschuld zwischen demjenigen, der seine Obhutspflicht verletzte habe, und demjenigen anzunehmen, der die Sache unmittelbar zerstört oder beschädigt habe.55 Entgegen der zuerst genannten Auffassung sei aber § 255 BGB auch dann anwendbar, wenn die Sache selbst untergegangen oder das Eigentum an ihr auf einen Dritten übergegangen ist, dem Ersatzgläubiger aber noch ein Anspruch auf ein Surrogat zusteht. Insbesondere also bei einer wirksamen entgeltlichen Veräußerung der Sache, bei der der Eigentümer einen Bereicherungsanspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB (Eingriffskondiktion) auf den Erlös habe, oder bei ihrer Verarbeitung, bei der ihm ein Anspruch aus den §§ 951 Abs. 1, 812 ff. BGB zustehe, seien diese Surrogatansprüche dem für den Verlust Haftenden nach § 255 BGB abzutreten und gingen nicht nach § 426 Abs. 2 BGB über. Ein solcher Surrogatanspruch sei noch ein Anspruch „auf Grund des Eigentums an der Sache“ i. S. v. § 255 BGB. Der Anspruch aus Eingriffskondiktion stelle nämlich lediglich eine Erstreckung der Vindikation auf das Surrogat dar und müsse daher genauso behandelt werden wie die Vindikation selbst.56 Ein „Sachverlust“ i. S. d. § 255 BGB umfaßt nach dieser Interpretation also auch den Fall, daß die Sache untergegangen oder dem Ersatzberechtigten die Eigentümerstellung entzogen wurde, dem Geschädigten aber noch ein Surrogatanspruch gegen einen Dritten zusteht.

54 GOETTE, Gesamtschuldbegriff und Regreßproblem (1974) 154 ff.; FIKENTSCHER, Schuldrecht (9. Aufl. 1997) Rz. 567; H. ROTH, FS Medicus (1999) 495; weitgehend zustimmend auch STAUDINGER-BITTNER (Neubearb. 2004) § 255 BGB Rz. 19 ff. Bittner betrachtet allerdings (Rz. 23) auch (auf Geld gerichtete Schadenersatz-)Ansprüche aus §§ 989, 990 bzw. §§ 992, 823 ff. BGB wegen Weitergabe der (fortexistenten) Sache durch den Dritten als Ansprüche „auf Grund des Eigentums an der Sache“; diese Ansprüche seien daher nach § 255 BGB abzutreten (und gingen nicht etwa nach § 426 BGB auf den Ersatzpflichtigen über). 55 GOETTE, Gesamtschuldbegriff und Regreßproblem (1974) 154–159; H. ROTH (o. A. 48). STAUDINGER-BITTNER (Neubearb. 2004) § 255 BGB Rz. 29 ff. 56 So deutlich insbesondere GOETTE, Gesamtschuldbegriff und Regreßproblem (1974) 161.

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 31

3. Anwendbarkeit des § 255 BGB auch hinsichtlich konkurrierender Schadensersatzansprüche Nach der wohl noch herrschenden Meinung in der Literatur57 sind die Regelungen des § 255 BGB – und nicht die Vorschriften der §§ 421 ff. BGB – hingegen nicht nur im Hinblick auf Herausgabeansprüche und Surrogatansprüche, sondern auch auf konkurrierende Schadensersatzansprüche anwendbar. Gemeint sind hier – anders als bei der engen Auffassung von MÜNCHBACH und LANGE58 – nicht nur auf Naturalrestitution durch Herausgabe der Sache gerichtete Schadensersatzansprüche, sondern auch solche auf Geld. Auch wenn also im eingangs59 beschriebenen Schulfall der Dieb die Sache zerstört hat, kann dieser Ansicht zufolge der dem Verleiher ersatzpflichtige unsorgfältige Entleiher nach § 255 BGB die Abtretung der Schadensersatzansprüche gegen den Dieb verlangen. Die Erstreckung auf Schadensersatzansprüche rechtfertige sich zunächst daraus, daß auch sie Ansprüche „auf Grund des Eigentums an der Sache“ seien.60 Namentlich der Plural der gesetzlichen Formulierung lege es nahe, daß auch Schadensersatzansprüche mit umfaßt sein sollten.61 Wenn etwa der Ersatzpflichtige den Besitz der Sache an einen (bösgläubigen oder deliktischen) Besitzer verloren habe und anschließend62 bei dem aktuellen Besitzer die Sache zerstört werde, trete die Schadensersatzpflicht des bösgläubigen Besitzers (insbesondere aus §§ 989, 990 BGB) an die Stelle der Herausgabepflicht (etwa § 985 BGB); es sei nicht zu rechtfertigen, diese Sekundärleistungspflicht des Dritten anders als die Primärleistungspflicht zur Herausgabe zu behandeln. Daher würden derjenige, der die Sache zerstöre, und der wegen Verletzung seiner (typischerweise vertraglichen) Obhutspflicht Ersatzpflichtige grundsätzlich nicht Gesamtschuldner:63 Wenn die Sache bei dem Dieb noch vorhanden sei, dürfe ihm die Lei57 SELB, Mehrheiten (1984) § 8 II 2 (S. 142 ff.); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 18 ff.; ERMAN-KUCKUK, § 255 BGB Rz. 2, 4 f.; MünchKommOETKER, § 255 BGB Rz. 2, 10, 15; LARENZ, Lehrbuch des Schuldrechts I (14. Aufl. 1987) § 32 I (S. 557 ff.); PALANDT-HEINRICHS, § 255 BGB Rz. 2, 5; wohl auch ESSER / SCHMIDT, Schuldrecht I Teilband 2 (8. Aufl. 2000) § 33 V 2 b) (S. 250 f.). 58 s. o. unter 1. (S. 26 ff.) mit A. 42. 59 o. S. 15. 60 STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 10, 18. 61 PALANDT-HEINRICHS, § 255 BGB Rz. 2. 62 Ein Besitzverlust muß nach dieser Auffassung freilich der Zerstörung der Sache nicht vorausgegangen sein; zumindest dem Grundgedanken nach sei die Regelung des § 255 BGB auch dann einschlägig, wenn die Sache sogleich beim Entschädigungspflichtigen durch einen Dritten zerstört oder beschädigt werde, solange nur der Ersatzpflichtige den Verlust bloß „mittelbar“ zu verantworten habe; s. dazu noch u. A. 74. 63 Ausnahmsweise liege freilich gemäß § 840 Abs. 1 BGB eine Gesamtschuld vor, wenn die Verletzung der Obhutspflicht zugleich eine Eigentumsverletzung i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB darstelle, STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 Rz. 13.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

stung des Obhutspflichtigen unstreitig nicht zugute kommen. Daran ändere sich nichts, wenn der Dieb die Sache in haftungsbegründender Weise beschädigt. Auch dann nütze zwar die Schadensersatzzahlung des Diebes dem Obhutspflichtigen, nicht aber umgekehrt die des Obhutspflichtigen dem Dieb. Es liege also – auch wenn beide Ansprüche auf Geld gerichtet sind – nicht derselbe Leistungsgegenstand vor und damit keine Gesamtschuld mit dem Grundsatz der allseitigen Erfüllungswirkung (§ 422 BGB). Gegen die Annahme einer Gesamtschuld spreche auch, daß die für die Gesamtschuld geltende Regelung des § 424 BGB nicht passe: Nach § 424 wirkt der Verzug des Gläubigers gegenüber einem Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner. Wenn aber schon die Leistung des Obhutspflichtigen nicht dem für den Substanzschaden verantwortlichen Dieb zugute kommen soll, dürfe erst recht nicht der einen Annahmeverzug des Gläubigers verursachende Erfüllungsversuch des Obhutspflichtigen für den Dieb von Vorteil sein.64 Die Einbeziehung auch der auf Geld lautenden Schadensersatzansprüche bereitet jedoch einige zusätzliche Auslegungsschwierigkeiten. Zunächst fragt sich, wie bei mehreren Schuldnern eines Schadensersatzanspruchs festzustellen ist, wer Dritter (und damit Regreßpflichtiger) i. S. d. § 255 BGB ist und wer derjenige (regreßberechtigte) Ersatzpflichtige, der die Zession der Ansprüche gegen den anderen erzwingen kann. Bei rein auf den Wortlaut des § 255 BGB abstellender Argumentation könnte stets derjenige Schuldner die Abtretung des Anspruchs gegen den anderen verlangen, der zuerst in Anspruch genommen wird. Daß dies aber nicht der Sinn der Vorschrift sein kann, ist evident. Gewiß kann der Dieb, der die Sache zerstört hat, nicht die Abtretung des Anspruchs gegen den nachlässigen Obhutspflichtigen verlangen. Die Bestimmung der Regreßrichtung gilt bis heute auch unter den Anhängern dieser Ansicht noch nicht als befriedigend gelöst. Das Ergebnis läßt sich zwar formal damit begründen, daß der vom Dieb erlangte Schadensersatz auf die Pflicht des Obhutspflichtigen anzurechnen sei, während umgekehrt die Leistung des Obhutspflichtigen die Verbindlichkeit des Diebes nicht reduziere. Folglich würde sich der Gläubiger nur bei Zahlung durch den Obhutspflichtigen bereichern, wenn er den Anspruch gegen den Dieb nicht abtreten würde; bei Zahlung des Diebes hingegen käme eine Bereicherung des Gläubigers wegen der ipso iure eintretenden Minderung der Ersatzpflicht des Obhutspflichtigen gar nicht in Betracht. So ließe sich also die Regreßrichtung allein aus der Erkenntnis ableiten, daß die Regelung des § 255 BGB Ausdruck des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots sei.65 Bei einer solchen Betrachtung bliebe aber als entscheidende Frage zu klären, w a n n die vorausgesetzte einseitige Anrechnung bei konkurrierenden Schadensersatzpflichten erfolgen soll. 64 65

LARENZ, Lehrbuch des Schuldrechts I (14. Aufl. 1987) § 37 I (S. 634). Vgl. PALANDT-HEINRICHS, § 255 BGB Rz. 1.

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 33

Nur auf den ersten Blick führt die von WALTER SELB66 gefundene Formel weiter, nach der § 255 BGB nur bei einer auf das Liquidationsrisiko beschränkten Haftung Anwendung finde. SELB interpretiert den Grundfall, daß ein Dieb die Sache dem nachlässigen Obhutspflichtigen entwendet, wie folgt: Der Obhutspflichtige hafte – anders als wenn er selbst die Sache zerstört habe – nicht schlechthin auf den Wert der Sache; dieser Wert sei für den Gläubiger noch gar nicht endgültig verloren, er könne ihn vielmehr möglicherweise noch von dem Dieb erlangen. Daran ändere sich nichts, wenn der Dieb die Sache zerstöre oder durch Veräußerung bzw. Verarbeitung einen Eigentumsverlust herbeiführe und dadurch ein Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch gegen den Dieb entstehe. Zumal diese Vorgänge im Prozeß gegen den Obhutspflichtigen typischerweise unbekannt blieben, seien auch sie noch von demjenigen Risiko umfaßt, welches der Obhutspflichtige dem Entschädigungsberechtigten abzunehmen habe. Dieser vom Obhutspflichtigen zu tragende Schaden bestehe also von vornherein darin, daß der Entschädigungsberechtigte statt eines Herausgabeanspruchs gegen den Obhutspflichtigen nunmehr nur noch einen Herausgabe-, Surrogat- oder Schadensersatzanspruch gegen den Dieb mit ungewissen Realisierungschancen habe. Die Vorschrift des § 255 BGB regele nun, wie der Obhutspflichtige das Risiko der Liquidation (der Sache selbst, des Sachwerts oder eines Surrogats) bei dem Dritten zu übernehmen habe, nämlich indem er dem Ersatzberechtigten den Wert der Sache vorschieße und dann – nach der Abtretung – selbst in die Lage versetzt werde, die ungewissen Ansprüche einzuziehen. Diese Betrachtung verallgemeinert SELB zu der These, die Vorschrift des § 255 BGB sei stets dann einschlägig, wenn ein Schadensersatzschuldner dem Gläubiger nur beschränkt auf die Übernahme desjenigen Risikos hafte, bei einem Dritten zu liquidieren, unabhängig davon, ob der Dritte Schuldner eines Herausgabe-, eines Surrogat- oder eines Schadensersatzanspruchs sei. Die Verpflichtung des Haftenden zur Zahlung des vollen Wertersatzes gegen Abtretung der dem Entschädigungsberechtigten verbliebenen Ansprüche stelle also eine Technik zur Übernahme des Liquidationsrisikos durch den Haftenden dar. Und diese Technik sei schon seit der römischen Klassik bekannt gewesen.67 Insbesondere im Falle der Konkurrenz zweier Schadensersatzansprüche finde mithin die Vorschrift des § 255 BGB nur zugunsten desjenigen Anwendung, der lediglich für das Liquidationsrisiko einzustehen habe; dagegen könne sich derjenige, der wegen eines endgültigen Verlusts des Sachwerts hafte, nicht auf diese Vorschrift berufen.

66 SELB, Mehrheiten (1984) § 2 I (S. 8), § 8 I (S. 137 ff.), § 8 II 2 (S. 142 ff.); MünchKomm-SELB, § 421 BGB Rz. 8; STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 3 f.; weniger deutlich noch in SELB, Schadensbegriff und Regreßmethoden (1963) 24 f. 67 STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 1, 4; vgl. hierzu SELB, FS Larenz (1973) 527 ff.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

Auch SELB erkennt aber, daß nunmehr zu fragen ist, wann eine solche beschränkte Haftung vorliege. Diese sei nämlich Voraussetzung des § 255 BGB, werde aber nicht von der Vorschrift selbst definiert. Vielmehr sei nach normexternen Wertungsgesichtspunkten zu beurteilen, wann jemand nur für ein Liquidationsrisiko hafte und wann auf den Substanzwert selbst. Ein „Spiegel“ dieser von § 255 BGB v o r a u s g e s e t z t e n gestuften Haftung sei es aber, wie sich die Leistung auf eine der konkurrierenden Verbindlichkeit auf den anderen Anspruch auswirke: Bei nur einseitiger Anrechnung liege eine beschränkte Haftung vor.68 Daher bleibt auch nach der Auffassung von SELB letztlich zu klären, wann eine solche einseitige Anrechnung bei konkurrierenden Schadensersatzansprüchen aufgrund von normexternen Wertungsgesichtpunkten erfolgen soll. Diese Grundfrage gilt aber bis heute noch nicht als allgemeingültig beantwortet.69 Immerhin hat sich aber die Formulierung weitgehend durchgesetzt, daß die Ersatzpflicht desjenigen Schadensersatzschuldners durch die Leistung des anderen vermindert werde, der „dem Schaden ferner steht“,70 während umgekehrt die Leistung des dem Schaden ferner stehenden Schuldners den ihm näher stehenden Schuldner nicht befreit. Nach anderer Formulierung (die in der Sache nichts anderes meint) soll derjenige, der den Schaden nur mittelbar verursacht hat (indem er die unmittelbare Schädigung durch einen Dritten ermöglichte) Regreß nehmen dürfen gegen denjenigen, der ihn unmittelbar verursacht hat.71 Bei Einbeziehung auch einer Konkurrenz von mehreren auf Geld gerichteten Schadensersatzansprüchen in den Anwendungsbereich des § 255 BGB gestaltet sich schließlich die Abgrenzung zur Gesamtschuld schwieriger als bei Zugrundelegung der oben angeführten engeren Interpretationen dieser Norm. Nach den oben angeführten Meinungen72 ergab sich die Abgrenzung daraus, daß die nach § 255 BGB abzutretenden Ansprüche (entweder nur solche auf reale Heraus68

STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 7. ESSER /SCHMIDT, Schuldrecht I Teilband 2 (8. Aufl. 2000) § 33 V 2 b) (S. 250 bei A. 229). 70 STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 7; MünchKomm-SELB, § 421 BGB Rz. 8; MünchKomm-OETKER, § 255 BGB Rz. 19; ESSER /SCHMIDT (o. A. 69); PALANDT-HEINRICHS, § 255 BGB Rz. 2; ablehnend H. ROTH, FS Medicus (1999) 497, 498–500, 505. Eine Rangfolge der Nähe zum Schaden nach verschiedenen Haftungsgründen stellte schon F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907), insbes. S. 38, auf, zu § 255 BGB s. S. 36, 55 f. Auf ihn geht wohl auch die Formulierung zurück, daß derjenige Regreß nehmen dürfe, der dem Schaden ferner stehe (vgl. S. 38). Die Vieldeutigkeit dieser Formulierung zeigt aber etwa die zweifelhafte – weil vom jeweiligen Verschuldensgrad im Einzelfall abhängige – Annahme von REEB, JuS 1970, 215, daß stets derjenige dem Schaden näher stehe und sich daher auf § 255 BGB berufen könne, dessen Verhalten stärker zu mißbilligen sei. 71 So LARENZ, Lehrbuch des Schuldrechts I (14. Aufl. 1987) § 32 I (S. 560); vgl. auch REINICKE /TIEDKE, JZ 1984, 232 f. 72 Unter a) (S. 26 ff.) und b) (S. 30 ff.). 69

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 35

gabe oder auch solche auf ein Surrogat der Sache) dem Charakter nach nicht mit der Schadensersatzpflicht identisch waren. Daher läßt sich der Abtretungszwang von der Gesamtschuld nach den engeren Ansichten mit dem Argument abgrenzen, es liege erkennbar nicht derselbe Leistungsgegenstand vor. Die herrschende weitere Auffassung muß aber klären, wieso mehrere auf Geldersatz wegen derselben Sache gerichtete Schadensersatzansprüchen einmal unter die Gesamtschuldregeln, in anderen Fällen hingegen unter § 255 BGB fallen. Naheliegend wäre es zunächst, zur Abgrenzung von der Gesamtschuld die Vorschrift des § 255 BGB nur dann anzuwenden, wenn dem physischen oder rechtlichen Untergang der Sache ein Besitzverlust vorausgegangen ist.73 Diese Meinung ist jedoch vereinzelt geblieben. Gegen sie wird angeführt, daß es keine Rolle spielen könne, ob derjenige, der den endgültigen Untergang der Sache herbeiführt, sie zunächst in Besitz genommen habe oder nicht.74 Die überwiegende Anzahl der Autoren, die den weiten Anwendungsbereich des § 255 BGB auch bei der Konkurrenz mehrerer Schadensersatzansprüche befürworten, sieht dagegen den maßgeblichen Unterschied zwischen § 255 BGB und dem Gesamtschuldnerausgleich darin, daß § 255 BGB den Regreß nur in e i n e Richtung ermöglicht, § 426 BGB dagegen vom Grundsatz gleichmäßiger Aufteilung der Schuld im Innenverhältnis ausgeht. Daher hat sich als maßgebliches Kriterium für eine Abgrenzung beider Regreßwege innerhalb dieser herrschenden Meinung die Formulierung von SELB durchgesetzt, daß die Regelung des § 255 BGB eine g e s t u f t e Haftung zwischen dem „Dritten“ und dem für den Sachverlust Haftenden verlange.75 Die Vorschrift setze voraus, daß der „Dritte“ (der Schuldner der abzutretenden Ansprüche) im Ergebnis den Schaden allein zu tragen habe. Die Gesamtschuld verlange demgegenüber grundsätzlich eine g l e i c h s t u f i g e Haftung, bei der eine quotenmäßige Aufteilung des Schadens zumindest denkbar sei. Eine gestufte Haftung liege aber dann vor, wenn einer der beiden Schadensersatzschuldner nur für das Risiko der Liquidation bei dem anderen einzustehen habe. Gesamtschuld und Anspruchsabtretung nach § 255 BGB seien daher in ihrem Anwendungsbereich verschiedene Regreßwege. Nun ist allerdings auch bei der Gesamtschuld ein Innenverhältnis möglich, das einem von zwei Mitschuldnern die volle Last auferlegt. Gesetzlich ausdrücklich geregelte Beispiele sind die Vorschriften des § 840 Abs. 2 und 3 BGB. Nach § 840 Abs. 2 BGB sind etwa der schuldhaft handelnde Verrich73 So wohl THIELE, JuS 1968, 153 f.: § 255 BGB finde nur bei der Haftung für eine Wertverschiebung, nicht bei der Haftung für eine Wertvernichtung Anwendung. 74 Ausführlich gegen diese Ansicht STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 13, 18; vgl. Rz. 10. 75 STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 2; MünchKomm-SELB, § 421 BGB Rz. 8 f.; MünchKomm-OETKER, § 255 BGB Rz. 2; PALANDT-HEINRICHS, § 255 BGB Rz. 2.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

tungsgehilfe und sein nach § 831 BGB haftender Geschäftsherr zwar Gesamtschuldner, im Innenverhältnis haftet aber der Verrichtungsgehilfe allein. Daher ist – auch innerhalb dieser Ansicht – streitig, ob die Anwendungsbereiche des Gesamtschuldnerregresses und von § 255 BGB wirklich streng, sozusagen „ohne Schnittmenge“ voneinander getrennt sind76 oder ob es Überschneidungen gibt. Die herrschende Meinung geht von der Möglichkeit von Überschneidungen aus und gibt in diesen Fällen der Gesamtschuld als der spezielleren Lösung den Anwendungsvorrang.77 Eine Gegenauffassung geht umgekehrt davon aus, daß die Gesamtschuld die allgemeinere Regelung von Schuldnermehrheiten sei, bei Überschneidungen also die Anwendung des spezielleren § 255 BGB vorgehe.78 Zusammengefaßt meint also „Verlust einer Sache“ i. S. des § 255 BGB nach der herrschenden Auffassung eine breite Skala von Schadensereignissen, insbesondere neben dem Besitzverlust auch den physischen oder rechtlichen Untergang der Sache oder den Übergang der Inhaberschaft auf einen anderen Rechtsträger. Diesen Schadensereignissen ist aber gemein, daß dem Geschädigten ein Herausgabe-, Bereicherungs- oder Schadensersatzanspruch verbleibt, wobei der Schädiger nur für die dadurch eingetretene Vermögensverschlechterung, also auf das Liquidationsrisiko, haftet.79

II. Der Anwendungsbereich der zweiten Variante von § 255 BGB Der zweite Fall des § 255 BGB, die Haftung für den Verlust eines R e c h t e s , tritt seit jeher in seiner praktischen Bedeutung hinter den ersten Fall, der Haftung für den Verlust einer Sache, zurück.80 Auf ihn soll auch nur kurz der Vollständigkeit halber eingegangen werden. MÜNCHBACH verlangt81 – entsprechend seiner engen Auffassung von der Haftung für Sachverlust82 – auch hier, daß es sich bei dem verletzten Recht um ein 76 So wohl STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 6; MünchKommSELB, § 421 BGB Rz. 8 f. 77 In Anlehnung an BGHZ 59, 97 (102) – dazu noch unten S. 43: MünchKommOETKER, § 255 BGB Rz. 4; PALANDT-HEINRICHS, § 255 BGB Rz. 2, 5; offengelassen bei ERMAN-KUCKUK, § 255 BGB Rz. 4a. 78 So z. B. REEB, JuS 1970, 218. 79 STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 3. 80 Entgegen STAMM, Regreßfiguren (2000) 31 A. 3 („Es findet sich weder in den Motiven noch in Rechtsprechung und Literatur ein Hinweis auf einen Fall des Rechtsverlustes, bei dem § 255 zur Anwendung kommen soll“) ist § 255 (2. Fall) BGB freilich nicht gänzlich bedeutungslos; zu Recht kritisch daher STAUDINGER-BITTNER (Neubearb. 2004) § 255 BGB Rz. 33. Zur Gesetzgebungsgeschichte zu § 255 (2. Fall) BGB siehe u. S. 59 bei A. 173. 81 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 98–100; zustimmend wohl nur AKRÜSSMANN, § 255 BGB Rz. 5.

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 37

dingliches oder obligatorisches Recht handeln müsse, das zum Besitz einer Sache berechtige. Denn auch hier müsse der Rechtsverlust durch Besitzentzug herbeigeführt werden. Eine von § 426 BGB abweichende Sonderregel sei nämlich nur nötig, wenn das verletzte Recht die Herausgabe einer Sache ermögliche. Bei der Herbeiführung eines echten Rechtsverlusts ohne Besitzentziehung entstünden hingegen sowohl gegen den ursprünglichen Schuldner als auch gegen den jetzigen Schuldner Schadensersatzansprüche, zwischen denen eine Gesamtschuld anzunehmen sei. Die ganz herrschende Meinung läßt dagegen jedes dingliche oder obligatorische Recht genügen.83 Rechtsverlust umfaßt ihr zufolge jeden den Untergang oder den Übergang des Rechts auf einen Dritten, jede Beeinträchtigung ihrer Durchsetzbarkeit insbesondere durch eine Einrede, für die der Schadensersatzschuldner aufgrund anderer Vorschriften haftet (etwa weil er zur rechtzeitigen Einziehung verpflichtet war). Nach der überwiegenden Ansicht zählt aber auch die Entwertung des Rechts durch tatsächliche Hindernisse seiner Durchsetzung dazu, und zwar namentlich der Fall, daß der Schuldner des Rechts zahlungsunfähig geworden ist und der Schuldner des Schadenseratzanspruches für diesen tatsächlichen Verlust dem Gläubiger einstehen muß.84 Zum Teil wird dies jedoch nur als entsprechende Anwendung eingestuft.85

III. Analoge Anwendung der Vorschrift als Regreßregel Umstritten ist auch, ob § 255 BGB einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken im Sinne einer Regreßregel enthält. MÜNCHBACH etwa verneint diese Frage und läßt Analogien nur in eng begrenzten Fällen86 zu. Von anderen – allen voran von WALTER SELB – wird dagegen die Vorschrift zumindest analog als allgemeine Regreßregel für Fälle von auf das Liquidationsrisiko beschränkten Schadensersatzpflichten angesehen, ohne daß es auf den Tatbestand (Verlust einer S a c h e) noch ankommt.87 Noch weitergehend wird sie sogar auf andere beschränkte Leistungspflichten angewendet, also auf Pflichten zur Übernahme 82

s. o. S. 26 ff. SELB, Mehrheiten (1984) § 8 II 2 (S. 149 f.); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 11; Münchkomm-OETKER, § 255 BGB Rz. 8; ERMAN-KUCKUK, § 255 BGB Rz. 2; STAUDINGER-BITTNER (Neubearb. 2004) § 255 BGB Rz. 35. 84 s. die o. A. 83 genannten Nachweise. 85 H. LANGE, Schadensersatz (2. Aufl. 1990) § 11 B III (S. 685); SOERGEL-MERTENS, § 255 BGB Rz. 7; vgl. OLG Bamberg, Urt. v. 24.6.1976 – 2 U 9/76, OLGZ 1976, 447 (451 f.). 86 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 101 ff.; ablehnend hinsichtlich der Idee, § 255 BGB enthalte einen allgemeinen Regreßgedanken, auch AK-RÜSSMANN, § 255 BGB Rz. 3 f.; H. ROTH, FS Medicus (1999) 510. 87 SELB, Mehrheiten (1984) § 8 II 2 (S. 156 ff.); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 20 ff. 83

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

eines Liquidationsrisikos, die keine Schadensersatzpflichten sind.88 SELB beruft sich dafür u. a. darauf, daß die Vorschrift Ausdruck des gemeinrechtlichen beneficium cedendarum actionum sei, das aber einen weiteren Geltungsbereich gehabt habe, als er vom Wortlaut des § 255 BGB erfaßt werde.89

IV. Wichtige Urteile des BGH zum Anwendungsbereich des § 255 BGB In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage des Anwendungsbereichs von § 255 BGB läßt sich zunächst eine Tendenz ausmachen, den ursprünglich weit verstandenen Anwendungsbereich dieser Vorschrift zugunsten der Gesamtschuld einzuengen. 1. Dies gilt zunächst für die Konkurrenz eines Schadensersatzanspruches mit einem Bereicherungsanspruch. Die Entscheidung BGHZ 29, 157 (Urt. v. 8. Januar 1959 – VII ZR 26/58) betraf – vereinfacht – die folgende Konstellation: Aus dem Betrieb der klagenden E entwendete deren Lagerverwalter L Stoffe und veräußerte sie an die (gutgläubige) D. D wiederum veräußerte sie weiter an ihre Kunden. E ließ sich einen Teil des Schadens von L ersetzen und verzichtete auf weitergehende Ansprüche gegen L, ohne ihm aber irgendwelche Ansprüche nach § 255 BGB abzutreten. E genehmigte sodann die Veräußerungen durch D und verlangt nunmehr von D den erzielten Erlös aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB. Die beklagte D wendet ein, sie sei der E analog § 255 BGB nur gegen Abtretung der Ansprüche gegen L verpflichtet. Da aber E nach ihrem Verzicht die Ansprüche nicht mehr abtreten könne, sei das Zurückbehaltungsrecht zu einem dauernden Leistungsverweigerungsrecht erstarkt.

Auf die Idee einer analogen Anwendung des § 255 BGB kann man hier nur deswegen kommen, weil der bösgläubige Lagerverwalter L der Beklagten D aus dem Kaufvertrag wegen Rechtsmangels haftet und somit ein einseitiger Regreß in dieser Richtung zu erfolgen hat.90 Der VII. Zivilsenat91 lehnte indes die ana88 SELB, Mehrheiten (1984) § 8 II 3 (S. 161 ff.); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995).§ 255 BGB Rz. 42 f.; vgl. schon SELB, Schadensbegriff und Regreßmethoden (1963) 24 f. und passim. Andere, namentlich MünchKomm-OETKER, § 255 BGB Rz. 20; H. ROTH, FS Medicus (1999) 510 STAUDINGER-BITTNER (Neubearb. 2004) § 255 BGB Rz. 46, halten statt dessen eine Gesamtanalogie zu den Fällen der Legalzession (§§ 67 VVG, 116 SGB X etc.) für vorzugswürdig. 89 SELB, Mehrheiten (1984) § 8 II 2 (S. 142 ff., 155); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 1. 90 Diese Analogie befürwortet – im Rahmen seiner Anmerkung zu BGHZ 52, 39 – REEB, JuS 1970, 216 f. mit folgender Begründung: Das Recht auf Forderungsabtretung aus § 255 BGB stehe immer demjenigen zu, der dem Schaden ferner stehe (S. 215). Dies sei derjenige, dessen Verhalten relativ weniger zu mißbilligen sei, hier also die gutgläubige Beklagte gegenüber den unterschlagenden Lagerverwaltern. Zur Zweifelhaftigkeit dieser These s. bereits oben A. 70. 91 BGHZ 29, 162 f.

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 39

loge Anwendung des § 255 BGB zugunsten der aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichteten Beklagten D ab. Umgekehrt nämlich stehe dem Lagerverwalter L ein Recht aus § 255 BGB auf Abtretung der Ansprüche gegen die Beklagte zu. Denn zu den Ansprüchen, die nach § 255 BGB an den Schadensersatzschuldner abzutreten seien, gehöre auch derjenige aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, der an die Stelle des Herausgabeanspruches aus § 985 BGB getreten und daher nicht anders als dieser zu behandeln sei. Dann könne aber nicht auch in der umgekehrten Richtung ein Recht auf Anspruchsabtretung aus § 255 BGB gewährt werden. Außerdem hätte die Beklagte D vor der Veräußerung der Stoffe durch sie gegen die Vindikation der Klägerin nur Verwendungsersatzansprüche aus den §§ 994 ff. BGB geltend machen, jedenfalls aber nicht aus § 255 BGB Abtretung der Schadensersatzansprüche gegen den Lagerverwalter verlangen können. Schließlich sei die Beklagte D dem Lagerverwalter L gegenüber auch nicht schutzlos gestellt, sondern sie könne die Rechtsmängelhaftung geltend machen. Zur Rückforderung des an die Klägerin E insgesamt zuviel Gezahlten sei aber der Lagerverwalter L „gemäß § 812 BGB“ berechtigt. Damit hat sich der BGH hier für die Einbeziehung auch von Surrogatansprüchen in die nach § 255 BGB abzutretenden Ansprüche entschieden und damit jedenfalls eine Beschränkung des § 255 (1. Fall) BGB ausschließlich auf Herausgabeansprüche92 – inzident – abgelehnt. Diese Entscheidung kritisierte freilich VON CAEMMERER in einer Anmerkung.93 Seiner Ansicht nach hätten die Lagerverwalter bei ihrer Inanspruchnahme sich nicht auf § 255 BGB berufen können; diese als rein technischer Behelf zu verstehende Vorschrift setze das Bestehen eines Regreßverhältnisses voraus, welches die abzutretende Forderung nur bekräftigen solle. Vielmehr liege ein (echtes oder unechtes) Solidarverhältnis vor, so daß die von den Lagerverwaltern tatsächlich gezahlten Leistungen den Anspruch gegen die Beklagte verminderten. Diese Kritik hat der BGH aufgegriffen und in seinem vielbeachteten Urteil vom 27. März 1969 – VII ZR 165/6694 – seine Rechtsprechung g e ä n d e r t. Der (hier wieder stark vereinfachte) Sachverhalt entspricht im wesentlichen demjenigen von BGHZ 29, 157 mit vertauschten Parteirollen: Beim Beklagten E hat dessen Angestellter L Ware gestohlen und an einen gutgläubigen Abnehmer, den Kläger D, (für ca. 30.000 DM) veräußert. D hat sie in seinem Einzelhandel weiterverkauft. E hat von D nach Genehmigung der Veräußerungen durch D gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB die Herausgabe des Erlöses verlangt. E und D verglichen sich dahingehend, daß D an E zur Abgeltung 30.000 DM zu zahlen habe. Der Betrag wurde zunächst gestundet. Anschließend hat E von L Schadens92

Vgl. o. unter I.1. (S. 26 ff.). 1959, 463 A. 8. ff.); zum Urteil s. nur REEB, JuS 1970, 214 ff.; MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 63 ff., STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 19, 21 und zuletzt H. ROTH, FS Medicus (1999) 495 und 502 ff. 93 V. CAEMMERER, JR 94 BGHZ 52, 39 (42

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB ersatz verlangt und nach Vergleich ebenfalls ca. 30.000 DM erhalten. Sodann zahlte auch D die Vergleichssumme. Nunmehr verlangt D von E die Rückzahlung von 30.000 DM aus eigenem und aus von L abgetretenem Recht.

Der BGH verneinte einen von L abgeleiteten Anspruch aus § 255 BGB (der hier statt auf die Forderungsabtretung auf den erzielten Erlös ginge). L hätte nach Ansicht des Gerichts bei seiner Zahlung an E nicht gemäß § 255 BGB die Abtretung der Forderungen gegen D verlangen können. Er hätte diese nämlich ohnehin gegen seinen Abnehmer nicht mit Erfolg geltend machen können, da er diesem gegenüber nach §§ 433, 440 BGB a. F. für die Verschaffung des ungestörten Eigentums hafte und daher den E von solcher Inanspruchnahme freizuhalten habe. Dann aber sei eine Abtretung des Anspruchs sinnlos.95 Ob dem L nach der Zahlung durch D ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 (1. Fall) BGB (condictio ob causam finitam) zustand, ließ der BGH ausdrücklich offen.96 Er gewährte aber dem D einen eigenen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB:97 Auf das Verhältnis zwischen dem Schadensersatzschuldner (L) und dem Bereicherungsschuldner (D) seien die Gesamtschuldregeln zumindest analog anwendbar. Zwischen beiden Ansprüchen bestehe nämlich eine Zweckgemeinschaft:98 Beide Ansprüche dienten dazu, den Eigentümer für den Verlust der Sache zu entschädigen. Dies sei insbesondere daran zu erkennen, daß die Schuldner beider Ansprüche in einer Person zusammenfallen könnten und dann die Zahlung auf die eine Schuld auch die andere tilge, soweit sie sich inhaltlich deckten. Dann sei aber durch die Zahlung des L entsprechend § 422 Abs. 1 S. 1 BGB die Schuld des D erloschen, so daß dieser auf eine Nichtschuld geleistet habe und gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB einen eigenen Rückerstattungsanspruch habe. Die Entscheidung entspricht im Ergebnis der Meinung von MÜNCHBACH und LANGE,99 denen zufolge nur Ansprüche auf Herausgabe der Sache in Natur vom Abtretungszwang des § 255 BGB erfaßt sind, hingegen bei Umwandlung des Herausgabeanspruches in einen Bereicherungsanspruch eine Gesamtschuld anzunehmen ist. Doch ist die Entscheidung noch vorsichtig: Sie spricht von einer „wenigstens entsprechenden“ Anwendung der Gesamtschuldregeln. Auch betrifft die Entscheidung den besonderen Fall, daß dem Schadensersatzschuldner – anders als im Schulfall des Diebstahls beim Verwahrer – aufgrund des Innenverhältnisses zum Bereicherungsschuldner im Ergebnis kein Rückgriff zusteht.

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BGHZ 52, 42. BGHZ 52, 42 f. 97 BGHZ 52, 44 ff. 98 Das Bestehen einer Zweckgemeinschaft war nach der damaligen Ansicht des BGH eine über § 421 BGB hinausgehende, zusätzliche Voraussetzung für die Annahme einer Gesamtschuld. 99 o. A. 26 ff. 96

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 41

Darauf stellt der BGH bei der Ablehnung einer Anwendung von § 255 BGB – in Anlehnung an VON CAEMMERER – auch noch deutlich ab.100 Der BGH hat diese Ansicht noch vertieft in seinem Urteil vom 21.9.1983 – VIII ZR 163/82:101 Die Klägerin L hat dem Fuhrunternehmer R zwei Sattelschlepper unter Eigentumsvorbehalt verkauft. R hat sodann der Bank E zur Sicherung eines weiteren Kredits sein Anwartschaftsrecht an den Sattelschleppern abgetreten. Die Abtretung wurde der Klägerin mitgeteilt. Zur Begleichung des Restkaufpreises an die Klägerin akzeptierte R einen Wechsel zugunsten der Klägerin, den diese bei der beklagten Bank D einlösen wollte. R hatte bereits einen Kredit bei D aufgenommen; deswegen hätte die Einlösung des Wechsels durch D die Gewährung eines weiteren Kredits an R bedeutet. Daher war D zur Einlösung des Wechsels nur gegen Sicherungsübereignung der Sattelschlepper bereit. Die Klägerin übersandte daraufhin der D die Kfz-Briefe mit der Maßgabe, erst nach Zahlung der Wechselsumme darüber zu verfügen. D zahlte die Wechselsumme an die Klägerin; anschließend übereignete R der D die Sattelschlepper zur Sicherheit. Weder die Klägerin noch R hatten der Beklagten von der vorangegangenen Übertragung des Anwartschaftsrechtes an E berichtet. Erst später erhielt die D von der Klägerin einen Hinweis, aus dem sie hätte erkennen können, daß die Sattelschlepper zuvor an E übereignet worden waren. Dennoch veräußerte D, als R den Kredit nicht zurückzahlte, die Sattelschlepper zum Zwecke ihrer Befriedigung. R fiel in Konkurs, so daß E für ihren Kredit keine volle Befriedigung erlangte. Die Klägerin hat der E ihren Schaden ersetzt und sich dafür sämtliche Ansprüche wegen der Sattelschlepper von E abtreten lassen. Sie nimmt nunmehr die Beklagte D in Regreß.

Der BGH nahm hier an, durch die Zahlung des Wechsels sei der Eigentumsvorbehalt der Klägerin erloschen.102 Dadurch habe die E kraft des ihr von R abgetretenen Anwartschaftsrechts das Eigentum zur Sicherung ihres Kredits erworben. Die D habe das Eigentum nicht gutgläubig erworben, da sie den unmittelbaren Besitz der Sattelschlepper nicht erlangt habe. Erst indem D zur Verwertung des ihr vermeintlich zustehenden Sicherungseigentums unter Übergabe der Kfz-Briefe die Sattelschlepper an einen gutgläubigen Erwerber veräußerte, habe E das Eigentum an den Sattelschleppern verloren. Aufgrund der Veräußerung durch D sei ein Anspruch der E gegen die beklagte D aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB entstanden. Außerdem habe nach der Veräußerung durch D ein Anspruch der E aus § 823 Abs. 1 BGB gegen die Klägerin L bestanden: L habe durch die Herausgabe der Kfz-Briefe an die beklagte D das Eigentum der E 100 BGHZ 52,42. Wenig konsequent ist es auch, daß der BGH die Frage einer condictio ob causam finitam des D offenläßt: Soll sich E also möglicherweise von beiden Seiten (von der des L und von der des D) einer Kondiktion ausgesetzt sehen? 101 JZ 1984, 230 mit Anmerkung von REINICKE und TIEDTKE S. 232. Dazu auch H. ROTH, FS Medicus (1999) 509 f. 102 Genauer spricht der BGH von einem Verzicht der Klägerin auf das vorbehaltene Eigentum gegen Zahlung der Wechselsumme, weil die Wechselsumme etwas unterhalb des Restkaufpreises lag.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

verletzt, da die D mit dem Erhalt der Briefe in die Lage versetzt worden sei, die Sattelschlepper weiterzuveräußern. Die Eigentumsverletzung sei auch schuldhaft gewesen, weil der Klägerin die Abtretung des Anwartschaftsrechts an E angezeigt worden war. Der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen die Klägerin und der Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB gegen die Beklagte hätten in einem Verhältnis der G e s a m t s c h u l d gestanden. Dabei ließ der BGH offen, ob für die Annahme einer Gesamtschuld – zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 421 BGB – eine rechtliche Zweckgemeinschaft zwischen den Ansprüchen erforderlich sei, wie es die bisherige Rechtsprechung verlangt hatte,103 oder ob entsprechend der Lehre von SELB (und anderen) zu verlangen sei, daß die Ansprüche in einem Verhältnis der Gleichstufigkeit stünden.104 Denn im vorliegenden Fall sei beides gegeben: Eine Zweckgemeinschaft bestehe zwischen dem Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB und dem Bereicherungsanspruch aus § 816 BGB deswegen, weil beide Ansprüche der Entschädigung des Eigentümers für den Verlust des Eigentums dienten. Mit demselben Argument (beide Ansprüche stellten einen Ersatz für das untergegangene Eigentum dar) begründete der BGH aber auch die Gleichrangigkeit beider Ansprüche. Die Klägerin habe sich daher gegen ihre Inanspruchnahme durch E nicht auf § 255 BGB berufen können, um sich den Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB gegen D abtreten zu lassen. Vielmehr sei dieser Anspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB durch die Zahlung an E auf die Klägerin übergegangen. Im Rahmen des Gesamtschuldnerregresses könne der übergegangene Anspruch gemäß § 426 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 (letzter Halbsatz) BGB aber nur nach Maßgabe des Innenverhältnisses zwischen den Gesamtschuldnern geltend gemacht werden. Das Bestehen eines vertraglichen Verhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten prüfte der BGH hier nicht. Seiner Auffassung nach kam es aber entsprechend § 254 BGB darauf an, zu welchen Anteilen die Parteien für den Verlust des Eigentums verantwortlich seien. Dabei sei einerseits zu berücksichtigen, daß die Klägerin bei der Übersendung der Kfz-Briefe die Beklagte nicht über die vorherige Abtretung des Anwartschaftsrechtes informiert habe. Andererseits müsse aber auch Berücksichtigung finden, daß die Beklagte vor der Veräußerung von der Klägerin einen Hinweis erhalten habe, aufgrund dessen sie hätte erkennen können, daß die Sattelschlepper nicht in ihrem Eigentum standen.105 103

s. schon o. A. 98. Vgl. dazu o. S. 35. 105 Der Berücksichtigung des späteren Hinweises zugunsten der Klägerin widersprechen REINICKE /TIEDTKE in ihrer Anmerkung in JZ 1984 S. 232 ff., die § 255 BGB angewendet wissen wollen. Dem abgetretenen Anspruch stehe vielmehr § 242 BGB entgegen, weil die Klägerin bei Herausgabe der Kfz-Briefe und Empfangnahme der Wechselsumme bereits hätte offenbaren müssen, daß die E Eigentümerin sei. Eine spätere Kenntnisnahme hätte das Wechselgeschäft nicht mehr hindern können und dürfe der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten daher nicht mehr zugute kommen. 104

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 43

Der BGH hat also seine Rechtsprechungsänderung bestätigt, daß zwischen einem Schadensersatzanspruch wegen Sachverlusts und dem Surrogatanspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB eine G e s a m t s c h u l d anzunehmen sei. Dies nimmt er – im Unterschied zum zuvor beschriebenen Urteil von 1969 – nicht nur dann an, wenn ein vertragliches Verhältnis zwischen dem Schadensersatzschuldner und dem Bereicherungsschuldner den Regreß ganz ausschließt. Vielmehr liege auch dann eine Gesamtschuld vor, wenn der Schadensersatzschuldner wenigstens zu einem Teil regreßberechtigt ist. Ziel der Entscheidung ist es, ein Mitverschulden des Schadensersatzschuldners an der Veräußerung durch den Surrogatschuldner berücksichtigen zu können.106 Die Entscheidung erscheint daher verallgemeinerungsfähig für jede Konkurrenz zwischen einem Schadensersatz- und einem Surrogatanspruch wegen derselben Sache. Konsequenterweise müßte der BGH auch dann eine Gesamtschuld annehmen, wenn der Schuldner des Schadensersatzes gegen den Bereicherungsschuldner vollen Regreß nehmen will, wie im klassischen Fall, daß ein Dieb die Sache beim Verwahrer stiehlt, sie veräußert und der Eigentümer die Veräußerung später genehmigt. Insoweit stimmt der BGH also mit der engsten Auslegung des § 255 BGB durch MÜNCH107 überein. BACH und LANGE 2. Auch in der Konkurrenz mehrerer Schadensersatzansprüche wegen Sachverlusts hat die Anwendung des § 255 BGB eine Einschränkung zugunsten der Gesamtschuld erfahren vor allem durch das Urteil des BGH vom 29. Juni 1972 – VII ZR 190/71.108 Der – vom BGH nicht ganz verständlich wiedergegebene – Sachverhalt läßt sich in etwa wie folgt vereinfacht darstellen: Im Auftrag der Eigentümerin E verkaufte der Kommissionär K Wolle unter Eigentumsvorbehalt an D. Die Wolle lagerte bei einer Spedition und sollte nur portionsweise jeweils gegen Bezahlung der vorangehenden Lieferung109 an D ausgeliefert werden. Die Kontrolle über die Zahlungen des D und die Auslieferung der Wolle an D sollte die Hausbank B des D übernehmen; K wiederum sollte aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages mit E für die ordnungsgemäße Vertragsgestaltung mit B sorgen und B überwachen. E wies daraufhin die Spedition an, die Wolle nach näherer Weisung durch B herauszugeben. D vereinbarte mit B, daß die Erlöse aus der Verarbeitung und Veräußerung der Wolle der B zugeführt werden sollten.110 106 Gegen diese Berücksichtigung eines Mitverschuldens zugunsten des Bereicherungsschuldners s. aber u. vor A. 1398. 107 o. S. 26 ff. 108 BGHZ 59, 97; dazu etwa DILCHER, JZ 1973, 199; RÜSSMANN, JuS 1974, 292; MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 63 ff. STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 27 scheint den – schon vom BGH dunkel wiedergegebenen – Sachverhalt zu mißverstehen, wenn er davon ausgeht, der klagende Kommissionär habe die Verkaufserlöse veruntreut. 109 So dürfte der Sachverhalt wohl zu verstehen sein; der BGH spricht nur davon, daß die Bank „die Überwachung“ übernehmen sollte. 110 Es erstaunt, daß nicht ein Konto zugunsten der E eingerichtet wurde; das hätte den Interessen der E wohl am ehesten entsprochen.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB D veräußerte die Wolle. Das Guthaben von 40.000 DM auf dem Konto wurde später von D verbraucht.111

Nach Auffassung des BGH war hier die Bank B gegenüber der E wegen einer Eigentumsverletzung an der eingelagerten Wolle (oder an dem erzielten Erlös)112 aus § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Zugleich hafte K der E wegen unsorgfältiger Überwachung der B aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen K und E. Der Gerichtshof ließ hier dahinstehen, ob die Voraussetzungen einer Anwendung des § 255 BGB zugunsten des K vorlagen. Auf jeden Fall liege nämlich eine Gesamtschuld zwischen K und B vor: Die Schadensersatzansprüche gegen beide Schuldner stünden in einer „rechtlichen Zweckgemeinschaft“, wie sie auch dann angenommen würde, wenn ein vertraglich haftender Schuldner mit dem von ihm eingeschalteten Erfüllungsgehilfen konkurriere, gegen den nur ein Anspruch aus Delikt bestünde. Ebenso zog der BGH eine Parallele zu dem Fall, daß mehrere nicht miteinander in Verbindung stehende Personen selbständig denselben Schaden verursacht hätten. Auch solche „Nebentäter“ hafteten entsprechend § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner. Wenn aber eine Gesamtschuld vorliege, könnten zwar daneben möglicherweise auch die Voraussetzungen des § 255 BGB vorliegen. Die Regelungen der Gesamtschuld seien in einem solchen Fall aber die spezielleren. Sie seien wegen der Möglichkeit, das Innenverhältnis zwischen den mehreren Schuldnern „flexibel“ zu berücksichtigen, gegenüber der starren Regelung des § 255 BGB vorzugswürdig. Außerdem sei die Gesamtschuld die zugunsten des Regreßberechtigten weitergehende Regelung, indem sie ihm mit § 426 Abs. 1 BGB einen selbständigen Regreßanspruch gewähre.113 Der BGH schließt hier also die Anwendung des § 255 BGB – anders als die oben unter I. 1. und I. 2. aufgeführten engeren Ansichten zum Anwendungsbereich des § 255 BGB114 – bei der Konkurrenz mehrerer Schadensersatzschuldner nicht generell aus; er hält sie vielmehr explizit für möglich. Aber er drängt doch den Anwendungsbereich des § 255 BGB gegenüber den Gesamtschuldbe111 Der Fortgang des Falles ist für die hier behandelte Frage weniger wichtig: E schloß einen Vergleich mit B, in dem sich B zur Zahlung von 10.000 DM verpflichtete und E auf weitergehende Ansprüche gegen B verzichtete. Anschließend erlangte E von K weitere 40.000 DM. Nunmehr klagt K gegen E auf Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden sei, daß E auf weitergehende Ansprüche gegen B verzichtet habe; K ist nämlich der Ansicht, er hätte aus § 255 BGB einen Anspruch auf Abtretung dieser Ansprüche, wenn die E auf sie nicht verzichtet hätte. 112 Der BGH sagt nicht, an welcher Sache die „Eigentumsverletzung“ durch B stattgefunden haben soll. 113 Für die Lösung der konkreten Fallsituation (s. o. A. 111) nahm der BGH (BGHZ 56, 102 ff.) daher an, daß K (trotz des Vergleiches zwischen E und B) gegen B noch aus dem Gesamtschuldner-Innenverhältnis gemäß § 426 Abs. 1 BGB Regreß nehmen könne; deswegen resultiere aus dem Verzicht der E auf Ansprüche gegen B kein Schaden des K. 114 s. o. S. 26 ff. bzw. S. 30 ff.

§ 1 Das umstrittene Grundverständnis der Norm und ihr Anwendungsbereich 45

stimmungen deutlich – und wenig systematisch – zurück, indem er in verschiedenen Einzelfällen eine Analogie zu bereits anerkannten Fällen der Gesamtschuld vornimmt und diese Regelungen für vorrangig hält.115 Dafür verwendet er die Formulierung, eine Gesamtschuld liege dann vor, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 421 BGB die Ansprüche in rechtlicher Zweckgemeinschaft stünden. 3. Andererseits erkennt auch der BGH in § 255 BGB einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken für den Regreß bei ungleichstufigen Verbindlichkeiten, so etwa in seinem Urteil vom 26.1.1989 III ZR19/87.116 Der Kläger machte einen Entschädigungsanspruch aus §§ 1 ff. des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) wegen erlittener Untersuchungshaft geltend. Wegen seiner Inhaftierung kündigte die Bank B dem Unternehmen des Klägers, der C-GmbH, zu Unrecht die Kredite. Deswegen meldete der vom Kläger wegen seiner Untersuchungshaft bestellte Generalbevollmächtigte den Konkurs der C-GmbH an. Für den Wert seiner GmbH-Anteile verlangt der Kläger nunmehr Ersatz vom beklagten Land. Das Land beruft sich darauf, daß dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Bank B zustehe.

Der BGH bejahte hier noch einen hinreichenden Verursachungszusammenhang zwischen der Untersuchungshaft und dem Verlust der GmbH-Anteile. Fraglich war aber das Verhältnis des Entschädigungsanspruchs zum Schadensersatzanspruch gegen die Bank. Nach Ansicht des BGH wird der Anspruch aus §§ 1 ff. StrEG – anders als der Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB – zwar nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Entschädigungsberechtigte noch einen weiteren Anspruch wegen desselben Schadens (gegen einen Dritten) hat. Als ein Aufopferungsanspruch für rechtmäßiges staatliches Handeln sei der Entschädigungsanspruch aus §§ 1 ff. StrEG aber doch insoweit gegenüber einem Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten wegen einer rechtswidrigen und schuldhaften Handlung subsidiär, als daß der Staat für den Schadensersatzpflichtigen nur in Vorlage trete, dem Gläubiger also nur das Risiko abnehme, von dem anderen Schuldner keine Leistung erlangen zu können. Daher stünden beide Ansprüche nicht im Verhältnis einer Gesamtschuld, die voraussetzen würde, daß beide Schuldner für dieselbe Schuld gleichrangig hafteten.117 Vielmehr liege ein Fall gestufter Haftung vor. Bei einer gestuften Haftung sei aber, sofern das Gesetz nicht wie an anderer Stelle eine Legalzession vorsehe, auf

115 Zur Streitfrage, ob die Gesamtschuld gegenüber der Regelung des § 255 BGB die speziellere sei oder umgekehrt, s. bereits o. bei A. 76 bis 78. 116 BGHZ 106, 313. Dazu zuletzt H. ROTH, FS Medicus (1999) 510. Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung für die analoge Anwendung des § 255 BGB i. S. einer Regreßvorschrift bei verschiedenstufigen Schadensersatzpflichten s. STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 20 ff. 117 Das Kriterium der Zweckgemeinschaft taucht hier nicht mehr auf.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

den Grundsatz der angeordneten Abtretungspflicht zurückzugreifen, die in § 255 BGB eine allgemeine Regelung erfahren habe.118 Der BGH folgt also in dieser Entscheidung für die Konkurrenz eines Aufopferungsanspruches mit einem Schadensersatzanspruch der Lehre von SELB, indem er bei einer gestuften Haftung auch zugunsten eines Schuldners, der nicht (im strengen Sinne) auf Schadensersatz haftet, auf den Grundgedanken des § 255 zurückgreift.119 4. Die Rechtsprechung läßt sich mithin wie folgt z u s a m m e n f a s s e n: Der BGH hält sowohl § 426 BGB als auch § 255 BGB für Regreßregeln. Die Vorschrift des § 255 BGB enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken im Sinne einer Regreßvorschrift zugunsten eines subsidiär Verpflichteten. Auch im Hinblick auf die Konkurrenz mehrerer Schadensersatzansprüche könne § 255 BGB Anwendung finden; sogar eine analoge Anwendung zugunsten eines nachrangig haftenden Schuldners, der nicht Schadensersatz (im strengen Sinne) schuldet, hält der BGH für zulässig. Insoweit befindet sich die Rechtsprechung im Einklang mit SELB120. Die Judikatur hält aber die Gesamtschuldregelung für vorrangig. Zur Abgrenzung beider Regreßformen verlangte die Rechtsprechung in den früheren Entscheidungen für die Annahme einer Gesamtschuld als zusätzliche Voraussetzung über § 421 BGB hinaus, daß zwischen den beteiligten Ansprüchen eine Z w e c k g e m e i n s c h a f t bestehe. In der jüngeren Zeit121 geht die Rechtsprechung dagegen vorwiegend davon aus, daß für die Annahme einer Gesamtschuld die G l e i c h r a n g i g k e i t der Verpflichtungen entscheidend sei. Bei der Konkurrenz eines Schadensersatzanspruches mit einem Bereicherungsan118 Als ein Beispiel für eine weitere Vorschrift, die im Falle einer gestuften Haftung eine Pflicht zu rechtsgeschäftlicher Zession statuiert, erwähnt BGHZ 106, 313 (320) neben anderen Normen § 40 Abs. 3 des nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetzes. 119 Zur Lehre von WALTER SELB, auf den sich BGHZ 106, 313 (319, 321) mehrmals ausdrücklich beruft, s. o. S. 33 ff.; S. 37. 120 Vgl. o. S. 31 ff. 121 Neuerdings wird das Kriterium der Gleichrangigkeit besonders von BGHZ 155, 265 herangezogen (Urt. v. 26.6.2003 – VII ZR 126/02) = NJW 2003, 2980; dazu STAMM, NJW 2003, 2940 ff.; KAPPELMANN, IBR 2003, 468; JÄCKEL, JA 2004, 1 ff. Darin nahm der BGH eine Gesamtschuld zwischen zwei Bauunternehmern an, die zwar unterschiedliche Gewerke zu leisten hatten, deren fehlerhafte Handlungen aber zu e i n e m Baumangel führten, der nur einheitlich zu beseitigen war. (Abweichend wohl früher der BGH, Urt. v. 16.5.19974 – VII ZR 35/72, BauR 1975, 130 f. bezüglich einer Beweislastfrage). Im jüngeren Fall billigte der BGH eine Schadensquotelung von 1/4 zu 3/4 zwischen beiden Unternehmern entsprechend ihrer Verursachungsbeiträge zu dem nur einheitlich zu beseitigenden Mangel. STAMM, NJW 2003, 2942 schließt daraus zu Unrecht, daß dann eine gestufte Haftung angenommen werden müsse. Eine gestufte Haftung kommt aber nach h. M. überhaupt nur dann in Betracht, wenn im Innenverhältnis einer von mehreren Schuldnern zu 100 % haftet; s. o. bei A. 75.

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spruch wegen derselben Sache nehmen jüngere Urteile eine Gesamtschuld an (dies entspricht insoweit im Ergebnis der Auffassung von MÜNCHBACH und LANGE).122

V. Zusammenfassung Der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 255 BGB ist also höchst umstritten. Der Streit rührt maßgeblich daher, daß die Abgrenzung zu den Regelungen der Gesamtschuld unklar ist. Der Streit bezieht sich weniger auf den zweiten Fall der Regelung (der Haftung für den Verlust eines Rechts). Im Hinblick auf den ersten Fall besteht Einigkeit nur hinsichtlich eines Kernbereichs, daß die Norm jedenfalls Anwendung findet, solange die verlorene Sache noch vorhanden ist. Sobald aber an die Stelle der Sache ein Surrogat getreten ist, auf dessen Herausgabe der Entschädigungsberechtigte einen Bereicherungsanspruch hat, ist die Frage der Anwendung des § 255 BGB bereits umstritten. Noch zahlreicher sind die zweifelnden Stimmen für den Fall, daß zwei auf Schadensersatz lautende Ansprüche miteinander konkurrieren, insbesondere wenn die entwendete Sache bei einem späteren Besitzer zerstört wird. Von vielen, insbesondere auch von der Rechtsprechung, wird die Vorschrift andererseits sogar über ihren Wortlaut hinaus angewandt: (1.) unabhängig vom Verlust einer Sache, ja (2.) sogar ohne daß der begünstigte Schuldner ein Schadensersatzschuldner sein muß, weil in § 255 BGB der Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens für den Regreß bei gestufter Haftung mehrerer Schuldner gesehen wird. In diesem Zusammenhang spielt die historische Argumentation eine nicht unbedeutende Rolle.123 Daher erscheint die Hoffnung nicht unbegründet, daß ein historischer Rückblick bis zu den Quellen des römischen Rechts zu einer Grundlage auch für die Entscheidung dieser Auslegungsdifferenzen des geltenden Rechts beitragen könnte.124

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s. o. S. 26 ff. Einerseits MÜNCHBACH (s. o. S. 26 ff.), andererseits SELB, FS Larenz (1973) 517 ff. und sein Rückgriff auf das beneficium cedendarum actionum (o. A. 67, vgl. o. A. 89). 124 s. dazu das Resümee u. S. 347 ff. 123

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

§ 2 Zur Rechtsfolgenseite: Bewirkt die Abtretung einen (endgültigen) Übergang des Eigentums an der verlorenen Sache bzw. des beeinträchtigten Rechts auf den Entschädigenden? I. Im Fall des Sachverlusts (§ 255 – 1. Fall – BGB) Vom Inkrafttreten des BGB an bis heute ist im Hinblick auf die Rechtsfolgenseite der Vorschrift des § 255 BGB umstritten, welche Wirkung die Abtretung auf die Inhaberschaft des Rechts hat, dessentwegen der Schadensersatzgläubiger entschädigt wird. Möglich erscheint einerseits, daß mit der Abtretung die Rechtsinhaberschaft auf den Entschädigenden übergeht, daß dieser also Eigentümer der Sache wird.125 Der Wortlaut der Vorschrift läßt aber auch die Annahme zu, daß der Entschädigende nur die Ansprüche „wegen“ der Sache zur Geltendmachung im eigenen Namen erhält, ohne daß der Schadensersatzgläubiger seine Position als Eigentümer zugleich auf den Entschädigenden überträgt. Die Entscheidung dieser Frage erscheint wenig relevant, solange die Sache praktisch verloren bleibt. Die Frage stellt sich überhaupt nicht, wenn die Sache bereits untergegangen ist und nur noch schuldrechtliche Ersatzansprüche, nicht aber der dingliche Herausgabeanspruch abzutreten sind. Die Entscheidung in dieser Frage muß sich aber jedenfalls dann bewähren, wenn die Sache wieder auftaucht, wenn sie also in den Besitz des Entschädigenden oder des Entschädigten gelangt: Hier ist das Problem des Eigentumsübergangs eng verknüpft mit der Frage, wer nunmehr die Sache endgültig soll behalten dürfen. Deswegen ist mit der Frage, ob der Schadensersatzgläubiger mit der Abtretung auch seine Stellung als Eigentümer auf den Schadensersatzschuldner überträgt, zugleich zu erörtern, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn die Sache wieder auftaucht. 1. Die Lehre von der schlichten Abtretung ohne Übereignungswirkung Nach einer bereits um die Jahrhundertwende vertretenen Ansicht, die bis heute in der Minderheit geblieben ist, führt die Abtretung der Ansprüche n i c h t 125 Umstritten ist, wie eine Übereignung vollzogen werden kann, wenn der nicht besitzende Eigentümer außer der Vindikation keinen weiteren Herausgabeanspruch hat (was nur selten der Fall sein dürfte: STAUDINGER-WIEGAND, § 931 BGB Rz. 15). Nach älterer Ansicht ist dann die Vindikation selbst abzutreten; so bes. RGZ 52, 385 [394 f.]. Nach heute h. M. ist die stets mit dem Eigentum verbundene Vindikation gar nicht gesondert abtretbar. Ihr Übergang auf den Erwerber ist Folge der Übereignung, aber nicht deren Voraussetzung. Vollzogen wird die Übereignung nach dieser h. M. durch schlichte Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber; eine Abtretung ist unnötig. So STAUDINGER-WIEGAND § 931 BGB Rz. 13–15; BAUR /STÜRNER, Sachenrecht (17. Aufl. 1999) Rz. 51.37; ERMAN /MICHALSKI, § 931 BGB Rz. 3; MünchKomm./ QUACK, § 931 Rz. 8, 11, 18. Da beide Ansichten im Ergebnis eine Übereignung auch in diesem Falle zulassen, ist auf den Streit hier nicht weiter einzugehen.

§ 2 Zur Rechtsfolgenseite

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zur Übertragung des Eigentums an der Sache.126 Im Fall des Wiederauftauchens der Sache in der Hand des E n t s c h ä d i g t e n könne derjenige, der den Schadensersatz wegen des Abhandenkommens der Sache gezahlt hat, gegen ihn eine condictio ob causam finitam (§ 812 Abs. 1 S. 2 Fall 1 BGB)127 auf Rückzahlung des geleisteten Ersatzes erheben. Denn die Sache sei nunmehr keine „verlorene“ mehr, so daß der rechtliche Grund für die Leistung weggefallen sei.128 Freilich könne der Schadensersatzgläubiger denjenigen Teil des geleisteten Ersatzes einbehalten, der ihm durch die verzögerte Erfüllung der Rückgabepflicht endgültig entstanden sei.129 Von einem Teil der Autoren wird dem entschädigten Eigentümer außerdem ausdrücklich die Möglichkeit zugestanden, sich der Kondiktion insgesamt zu entziehen, indem er dem anderen nunmehr das Eigentum an der Sache übertrage.130 Entsprechendes gelte, wenn der S c h a d e n s e r s a t z s c h u l d n e r nach Leistung des Ersatzes in den Besitz der Sache gelange: Auch hier stehe ihm gegen das Anerbieten zur Herausgabe die condictio ob causam finitam zu; diesen Bereicherungsanspruch könne der Kondiktionsschuldner allerdings nach Ansicht einiger Autoren131 auch durch Übereignung der Sache kurzer Hand abwenden. Aber auch der entschädigte Eigentümer könne nunmehr gegen Rückzahlung der Ersatzleistung die Sache von dem vormaligen Schadensersatzschuldner herausverlangen.132 Im Ergebnis liegt es also nach dieser Meinung in beiden Fällen in der Macht des Entschädigten, sich nach dem Wiederauftauchen der Sache zu entscheiden, wer die Sache bekommen soll und wer den geleisteten Schadensersatz; der vor-

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SCHOLLMEYER, Recht der Schuldverhältnisse I (1900) § 255 BGB A. 3; OERTVorteilsausgleichung (1901) 300–302; PLANCK-SIBER (4. Aufl. 1914) § 255 BGB A. 3 u. 4; ERMAN-KUCKUK, § 255 BGB Rz. 5; MünchKomm-OETKER, § 255 BGB Rz. 14, 18; im Ergebnis auch SELB, Mehrheiten (1984) § 8 II 1 j (S. 152 f.); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 14. 127 Die Frage, ob dieser Anspruch anzuerkennen sei, hat BGHZ 29, 157 (163) noch beiläufig angenommen, BGHZ 52, 39, 43 aber wieder ausdrücklich offengelassen. 128 MünchKomm-OETKER, § 255 BGB Rz. 14 führt zur Begründung der Kondiktion außerdem an, der Fall sei nicht anders zu beurteilen, als wenn die Sache nur vermeintlich verloren gegangen war und sich beim angeblichen Schadensersatzgläubiger wiederfindet. 129 So deutlich MünchKomm-OETKER, § 255 BGB Rz. 14. Nach SCHOLLMEYER, Recht der Schuldverhältnisse I (1900) § 255 BGB A. 3 und PLANCK-SIBER (4. Aufl. 1914) § 255 BGB A. 4 sei u. U. nur ein Teil der Ersatzleistung zurückzugewähren. 130 So OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 301 f.; PLANCK-SIBER (4. Aufl. 1914) § 255 BGB A. 4, nicht erwähnt von SCHOLLMEYER, MünchKomm-OETKER, ERMANKUCKUK (alle o. A. 126). 131 s. o. A. 130. 132 Offenbar – trotz der Abtretung – mit der Vindikation; so PLANCK-SIBER (4. Aufl. 1914) § 255 BGB A. 4. ERMAN-KUCKUK, § 255 BGB Rz. 5; OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 301 f. erwähnen auch in diesem Fall nur die condictio ob causam finitam des früheren Ersatzpflichtigen; SCHOLLMEYER, MünchKomm-OETKER (beide o. A. 126) gehen auf diesen Fall nicht gesondert ein. MANN,

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

malige Schadensersatzschuldner kann diese Entscheidung mittels seiner Kondiktion erzwingen. Zur Begründung wird zunächst auf den Wortlaut der Vorschrift hingewiesen: Dieser sehe eben nur die Abtretung der „Ansprüche“ vor, die dem Ersatzberechtigten „aufgrund des Eigentums an der Sache“ zustehen. Damit statuiere § 255 BGB nur eine Zessionspflicht, nicht aber eine (weitergehende) Übereignungspflicht.133 Dies wird – vor allem in der älteren Literatur134 – mit sachenrechtlichen Argumenten vertieft. Die bloße Zession führe nämlich nicht zu einer Übereignung. Dies sei eindeutig bei Immobilien, bei denen ein Eigentümerwechsel nach § 925 BGB nur durch Auflassung und Eintragung in das Grundbuch herbeigeführt werden kann. Aber auch bei beweglichen Sachen sei nach § 931 BGB die Abtretung des Herausgabeanspruches allein nicht ausreichend; die Abtretung ersetze lediglich die nach § 929 BGB erforderliche Übergabe, nicht aber die ebenfalls notwendige Einigung über den Eigentumsübergang. Die Anordnung nur einer Zessionspflicht statt einer Übereignungspflicht sei auch nicht etwa reine Zufälligkeit, sondern eine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers.135 Eine Übereignungspflicht sei aber – worauf in der neueren Literatur nahezu ausschließlich abgestellt wird136 – auch inhaltlich unangebracht. Für den Eigentümer stelle es eine unangemessene Härte dar, wenn er sich bei unbekanntem Aufbewahrungsort der Sache entscheiden müßte, entweder auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu verzichten oder sich endgültig seiner Sache zu entledigen, an der er ein besonderes – und schützenswertes – Affektionsinteresse (oder ein sonstiges über das reine Vermögensinteresse hinausgehendes „Sachinteresse“) haben könne.137 Der Zweck des § 255 BGB, eine 133

s. etwa OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 301. SCHOLLMEYER, Recht der Schuldverhältnisse I (1900) § 255 BGB A. 3; OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 300; PLANCK-SIBER (4. Aufl. 1914) § 255 BGB A. 3. 135 Verwiesen wird von SCHOLLMEYER, Recht der Schuldverhältnisse I (1900) § 255 BGB A. 3, OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 301 auf Motive II 25. Dort heißt es in bezug auf den Vorläufer des § 255 BGB, nämlich den § 223 des Ersten Entwurfes, dem zufolge die Ansprüche noch kraft Gesetzes übergehen sollten: „Noch weiterzugehen und, . . . die Rechte selbst, in welchem die verbliebenen Ansprüche sich gründen, übergehen zu lassen, wäre bei beweglichen Sachen schon wegen des Traditionsprinzips anomal und überhaupt bedenklich, bei Grundstücken aber mit den Prinzipien des Grundbuchrechtes unvereinbar . . .“. 136 Vgl. die knappen Begründungen bei ERMAN-KUCKUK, § 255 BGB Rz. 5: „Das Eigentumsinteresse des Berechtigten ist höher zu bewerten als des Verpflichteten (z. B. des Diebes).“ Ebenso Münchkomm-OETKER, § 255 BGB Rz. 18: „Gegen einen Eigentumsübergang spricht die Erwägung, daß der Geschädigte ein Interesse daran haben kann, die Sache zurückzuerlangen.“ Vgl. A. WACKE, Das Affektionsinteresse: heute und in römischen Rechtsquellen, in: Ars iuris, Festschrift O. Behrends (Göttingen 2009) 555, 558 mit A. 11–12. 137 OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 301 A. 1 erwähnt etwa den Fall, daß einem Hofschulzen durch Nachlässigkeit des Dienstboten ein Schwert abhanden 134

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Bereicherung des Schadensersatzgläubigers zu verhindern, gebiete eine Verletzung dieses Interesses nicht; zur Erreichung dieses Zieles sei es vielmehr ausreichend, dem Entschädigenden im Falle des Wiederauftauchens der Sache eine condictio ob causam finitam zuzuerkennen.138 In jüngerer Zeit hat sich nach eingehender Auseinandersetzung auch SELB dieser Ansicht angeschlossen. Er argumentiert vor dem Hintergrund seiner Interpretation der ratio legis des § 255 BGB, die er darin sieht, daß der Schadensersatzschuldner nur das Liquidationsrisiko des Eigentümers übernehmen soll. Zum Zwecke der Übernahme des Liquidationsrisikos durch den Schadensersatzschuldner sei es nicht erforderlich, daß er auch Eigentümer der Sache werde; vielmehr genüge dafür die Abtretung der Herausgabeansprüche. Die Abtretung des Herausgabeanspruchs ohne Übereignung sei auch sachenrechtlich nicht zu beanstanden; die Trennung von Eigentum und (dinglichem) Herausgabeanspruch sei nach dem Vorbild der Trennung von Rechtsinhaberschaft und Befugnis zur Geltendmachung bei der Einziehungsermächtigung nach § 185 BGB anzuerkennen.139 Außerdem stützt sich SELB auf eine Analyse der historischen Entwicklung.140 Zwar sei der Gedanke, daß der Entschädigte zumindest teilweise und zumindest vorläufig enteignet werde, dem römischen Recht bekannt gewesen. Ob die Enteignung auch im Falle des Wiederauftauchens der Sache fortbestanden habe, sei aber bereits unter den römischen Juristen umstritten gewesen.141 Ohnehin sei die Frage, ob beim Wiederauftauchen der Sache demjenigen, der die Entschädigung gezahlt habe, eine Kondiktion auf Rückzahlung des geleisteten Ersatzes oder ein Anspruch auf Herausgabe der Sache zustehe, im römischen Recht wegen des Prinzips der Geldverurteilung von nachrangiger Bedeutung gewesen.142 Die weitere Rechtsentwicklung habe den Gedanken, daß der Entschädigte das Eigentum an der Sache verliere, verlassen wollen.143

kommt, von dem der Hofschulze annahm, es habe vormals Karl dem Großen gehört. PLANCK-SIBER (4. Aufl. 1914) § 255 BGB A. 3: „Es entspricht schwerlich dem Billigkeitsgefühl der Gegenwart (sc. im Gegensatz zum römischen Recht), daß der Eigentümer schon bei der Geltendmachung der Schadensersatzforderung vor die Wahl gestellt werden soll, . . . den Schadensersatzanspruch bis nach der Vorausklage gegen den vielleicht unbekannten Dritten zu vertagen . . . oder aber das Eigentum an der i h m v i e l l e i c h t b e s o n d e r s w e r t e n Sache schon jetzt dem Ersatzpflichtigen zu überlassen.“ (Hervorhebung nicht original). 138 So etwa SCHOLLMEYER; vgl. PLANCK-SIBER (beide o. A. 126). 139 SELB, Mehrheiten (1984) § 8 II 1 j (S. 152 f.); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 14. 140 Eingehend SELB, FS Larenz (1973) 517 ff. 141 SELB, FS Larenz (1973)528 mit A. 34 zu Papinian D. 6,1,63. 142 SELB, FS Larenz (1973) 543. 143 SELB, FS Larenz (1973) 517, 547.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

2. Die Theorie von der Abtretung mit Übereignungswirkung nach § 931 BGB Nach der herrschenden Meinung geht hingegen – zumindest bei beweglichen Sachen – mit der Abtretung des Herausgabeanspruches gemäß § 931 BGB das Eigentum an der Sache, für die Entschädigung geleistet wird, auf den Entschädigungspflichtigen über.144 Wie aber zu verfahren ist, wenn die Sache tatsächlich wieder in den Besitz des Schadensersatzschuldners oder des Ersatzberechtigten gelangt, ist innerhalb dieser Ansicht umstritten. a) Die Lehre vom endgültigen Abandon Nach der überwiegenden Meinung ist der Eigentumsverlust des Entschädigten endgültig.145 Gelange also derjenige, der den Ersatz geleitet habe, in den Besitz der Sache, so bestünden keine wechselseitigen Ansprüche. Werde aber der Entschädigte später wieder Besitzer der Sache, so könne der vormalige Ersatzschuldner nur die Sache vindizieren, nicht aber etwa mittels der condictio ob causam finitam146 seine Ersatzleistung kondizieren. Diesen vollständigen Eigentumsverlust nennt man nach dem Vorbild des Seeversicherungsrechts einen (endgültigen) Abandon.147 144 RGZ 59, 367, 371; PLANCK (1. und 2. Aufl. 1900) § 255 BGB A. 1; KIPP zu WINDSCHEID, Lehrbuch des Pandektenrechts II (9. Aufl. 1906) § 258 sub 7.a) (S. 72); F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907) 104–108; DERNBURG, Schuldverhältnisse I (4. Aufl. 1909) § 34 II (S. 94); COSACK, Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts I (15. Aufl. 1910) § 91 VII (S. 389); V. CAEMMERER, JR 1959, 463 f.; MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 113–116; H. LANGE, Schadensersatz, 2. Aufl. (1990) § 11 B I (S. 682) bei A. 106, 108; H. ROTH, FS Medicus (1999) 496 A. 9, S. 497 A. 17, S. 511; PALANDT-HEINRICHS, § 255 BGB Rz. 9; STAUDINGER-BITTNER (Neubearb. 2004) § 255 BGB Rz. 21 f., 43. Einschränkend ENNECCERUS, Recht der Schuldverhältnisse (15. Bearbeitung von LEHMANN 1958) § 17 II 2 (S. 87 A. 10): Bei einer beweglichen Sache sei der Wille einer Eigentumsübertragung nach § 931 BGB zu vermuten. 145 F. SCHULZ (o. A. 144); H. ROTH, FS Medicus (1999) 497 A. 17, S. 511. Grundsätzlich auch V. CAEMMERER, MÜNCHBACH (beide o. A. 144), die aber bei Sachen, die typischerweise Gegenstand von Affektionsinteressen sind (z. B. bei Gegenständen aus Sammlungen, Geschenk- und Erinnerungsstücken) eine Ausnahme machen wollen und einen Rückabwicklungsanspruch des Entschädigten aus § 242 BGB postulieren; so MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 116. 146 Die Anwendbarkeit dieser Kondiktion wird konsequent von den Anhängern dieser Auffassung verneint, z. B. KIPP zu WINDSCHEID (o. A. 144), F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907) 108, V. CAEMMERER (o. A. 144), H. ROTH, FS Medicus (1999) 507 m.w. N. in A. 51. Hat der Gläubiger den Schadensersatz erhalten, ohne die Ansprüche abzutreten und erlangt er später die Sache oder ein Surrogat wieder, soll nach KIPP zu WINDSCHEID daher der Entschädigte auch nicht aufgrund einer condictio ob causam finitam die Ersatzleistung, sondern gemäß § 281 BGB das aufgrund der Ansprüche Erlangte herausgeben, grundsätzlich ebenso ROTH, S. 503. 147 s. etwa SELB (o. A. 139 und 140). Die Bezeichnung dieser Lösung zu § 255 BGB geht offenbar zurück auf F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907) 104 ff., der die Parallele zum Seeversicherungsrecht als erster zog. Im Seeversicherungsrecht

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Der Eigentumsübergang auf den Ersatzleistenden wird damit begründet, daß nur er den Funktionen des § 255 BGB gerecht werde, eine Bereicherung des Gläubigers durch die Kumulation von Rechtsinhaberschaft und Interesseleistung bezieht sich die Bezeichnung „Abandon“ auf die heutigen §§ 861, 864 ff. HGB (vgl. SCHULZ, a. a. O., MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen [1976] 115). Danach muß der Versicherte in bestimmten Fällen, in denen ein Verlust des Schiffes naheliegt, aber noch nicht sicher ist, unwiderruflich (§ 866 Abs. 3 HGB) die ihm in Ansehung des versicherten Gegenstandes zustehenden Rechte abtreten, um die Versicherungssumme verlangen zu können (§ 861 HGB). Im Seeversicherungsrecht ist also – ähnlich wie bei § 255 BGB – die Abtretung der Rechte Voraussetzung für die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs des Eigentümers; die Abandonerklärung führt rechtlich einen Totalverlust herbei, der eigentlich erst den Versicherungsfall darstellt. Zur Geschichte des Abandon im Seeversicherungsrecht s. K. NEHLSEN-VON STRYK, Die venezianische Seeversicherung im 15. Jahrhundert (1986) 297 ff. Die Wurzeln reichen anerkanntermaßen jedenfalls bis 1538 zurück, dem Jahr der Ordonnanz von Burgos, die als erstes sicheres und anerkanntes Beispiel für eine seeversicherungsrechtliche Abandonregelung gilt; in einer französischen Übersetzung von Pardessus von 1845 des spanischen Originals taucht auch (zum ersten Mal?) die Bezeichnung „abandon“ auf, s. NEHLSENVON STRYCK S. 299 mit A. 7. Die Bezeichnung ,Abandon‘ im See v e r s i c h e r u n g s recht ist möglicherweise eine Anlehnung an ein Institut aus dem See f r a c h t recht. Dort heißt ,Abandon‘ eine Regelung, die (soweit bekannt) zum ersten Mal in einer Ratswillkür der Stadt Kampen von 1372 auftauchte, s. LANDWEHR, Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtverkehr, Rechtsverhältnisse bei Haverei und Schiffbruch in der Nord- und Ostseeschifffahrt vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, FS Kroeschell (1997) 606 f. Die Regelung besteht hier in einer Abschwächung der Haftung des Kaufmanns, der einen Frachtbeförderungsvertrag abgeschlossen hat, für den Frachtlohn bei Schiffbruch. Nach der Ratswillkür war der Kaufmann grundsätzlich verpflichtet, bei einem Schiffbruch für gerettetes Gut – in Abhängigkeit von dem bis zu dem Schiffbruch zurückgelegten Teil der Strecke – einen Teil des Frachtlohnes zu entrichten (sog. Distanzfracht, vgl. heute § 630 Abs. 1 HGB). Gemäß der Abandonregelung konnte sich aber der Kaufmann dieser Pflicht entziehen, indem er auf das gerettete Gut zugunsten des Schiffers verzichtete. Hier dient also der Abandon – anders als im Seeversicherungsrecht, wo er Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruchs ist – der Abwehr einer u. U. weitergehenden Pflicht des Eigentümers. Zur weiteren Entwicklung dieser Regelung im Seefrachtrecht s. LANDWEHR S. 613, vor allem S. 611: Der Abandon wurde seit dem ADHGB von 1861 (Art. 632) durch eine beschränkte persönliche Haftung des Befrachters mit dem W e r t des geretteten Gutes ersetzt (heute §§ 617, 630 – insbes. Abs. 2 – HGB). Die rechtliche Situation im Falle des Seefrachtrechts (nicht des seeversicherungsrechtlichen Abandon) entspricht auch derjenigen, in der man üblicherweise von Abandon oder „Preisgabe“ spricht. Der Begriff ,Preisgabe‘ als Sammelbezeichnung für bestimmte rechtliche Institute soll auf HEINRICH BRUNNER zurückgehen; vgl. HOLZHAUER im Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), hrsg. v. Erler und Kaufmann, III (1984) s. v. Preisgabe (Sp. 1896 ff.), worauf in Band I (1971) des HRG s. v. Abandon (Sp. 5) verwiesen wird (2. Aufl. 2004, Sp. 6). BRUNNER faßte verschiedene rechtliche Einrichtungen zusammen, u. a. die Begrenzung der Haftung des Herrn auf die Auslieferung des schuldigen Knechts, eine der römischen Noxalhaftung vergleichbare Erscheinung. Gemeinsam ist diesen Erscheinungen typischerweise, soweit sie das Zivilrecht betreffen (vgl. HOLZHAUER Nr. 3 und 4, aber auch die „Preisgabe“ des insolventen Schuldners an den Gläubiger, HOLZHAUER Nr. 5), daß sich ein Schuldner durch Preisgabe (einer Sache oder eines Knechts) von seiner Leistungspflicht (Haftung) befreien kann.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

zu verhindern.148 Die ältere Literatur scheint außerdem davon auszugehen, daß eine Abtretung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB ohne die Folge einer Übereignung nach § 931 BGB undenkbar sei.149 Die Endgültigkeit der Übereignung wird zum einen mit der Parallele zum Seeversicherungsrecht (§§ 861, 866 Abs. 3 HGB) begründet.150 Als Hauptvorzug dieser Lösung wird aber darauf abgestellt, daß sie einfacher und unkompliziert sei und für beide Parteien eine Rechtslage garantiere, die ihnen entsprechende endgültige Dispositionen ermögliche. Insbesondere könne der Entschädigte die erhaltene Zahlung in eine Ersatzanschaffung investieren, ohne einen späteren Herausgabeanspruch befürchten zu müssen.151 Für eine von der Gegenseite angeführte facultas alternativa des Entschädigten gegenüber dem Rückforderungsanspruch, statt der Sache die erhaltene Entschädigung herauszugeben, gebe es keine gesetzliche Grundlage.152 Für ein erneutes Wahlrecht des Entschädigten bestehe auch kein Bedürfnis, da sich dieser bereits bei der Geltendmachung seines Schadensersatzanspruches entschieden habe. Auch werde ein späterer Streit darüber vermieden, in welcher Höhe sich die Sache zwischenzeitlich (durch Abnutzung) verschlechtert habe oder in welcher Höhe ein Verzögerungsschaden eingetreten sei.153 Schließlich berief sich FRITZ SCHULZ154 auf eine angenommene historische Entwicklungstendenz, die auf eine endgültige Abwicklung des Schadensfalles dränge. b) Die Lehre vom vorläufigen Abandon Nach anderer Auffassung liegt dagegen in der Abtretung des Herausgabeanspruchs zwar eine Übereignung; sie könne aber bei Wiederauftauchen der Sache In diesem zuletzt genannten Sinne wird der Begriff „Abandon“ noch heute auf Regelungen in anderen Rechtsgebieten bezogen, etwa auf das Recht des GmbH-Gesellschafters, sich von einer Nachschußpflicht zu befreien, indem er seinen Geschäftsanteil der Gesellschaft zur Verfügung stellt (§ 27 Abs. 1 GmbHG), vgl. K. SCHMIDT, Gesellschaftsrecht (3. Aufl. 1997) § 37 II 6 b (S. 1128), § 35 III 1 a (a. E.) (S. 1056). Zum Begriff Abandon s. auch KÖBLER, Etymologisches Rechtswörterbuch (1995) und TILCH (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon I (2. Aufl. 1992), je s. h. v. 148 MÜNCHBACH (o. A. 144) S. 114. 149 So läßt sich etwa der Kommentar von PLANCK oder die Erläuterung von COSACK (beide o. A. 144) verstehen. 150 F. SCHULZ, MÜNCHBACH (o. A. 144). 151 KIPP zu WINDSCHEID, F. SCHULZ, H. LANGE (alle o. A. 144). KIPP sah hierin eine als „gesund“ bewertete Abweichung vom römischen Recht. 152 F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907) 108. 153 Z. B. F. SCHULZ, H. LANGE (o. A. 144). 154 s. o. A. 144. Gerade die umgekehrte Entwicklungstendenz (von einem endgültigen Abandon zur Rückabwicklungsmöglichkeit) nimmt dagegen SELB (o. bei A. 140) an. Demgegenüber bezweifelt MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 116 wegen der Vielfalt der geschichtlichen Lösungsvorstellungen den Wert historischer Argumentation in dieser Frage.

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durch den Entschädigten rückgängig gemacht werden. Der nach dieser Ansicht bewirkte Eigentumsübergang wird auch als vorläufiger Abandon155 bezeichnet. Diese Ansicht stellt es also in das Belieben des Ersatzberechtigten, ob er beim Wiederauftauchen das Eigentum an der Sache zurückerlangen und die empfangene Ersatzzahlung zurückgewähren möchte.156 Manche gewähren dem Entschädigten dieses Wahlrecht – zumindest expressis verbis – nur dann, wenn der Entschädigte selbst in den Besitz der Sache gelangt und nunmehr die Vindikation des Ersatzschuldners abwehren möchte.157 Andere gewähren dagegen konsequenterweise auch dann einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung gegen Rückzahlung der erhaltenen Entschädigung, wenn der Ersatz p f l i c h t i g e in den Besitz der Sache gelangt.158 Die Annahme, daß mit der Abtretung der Ansprüche gemäß § 255 (1. Fall) BGB auch das Eigentum an der Sache übergehe, wird damit begründet, daß eine Eigentumslage geschaffen werden müsse, die zumindest potentiell, d. h. falls der Entschädigte beim Wiederauftauchen der Sache die Entschädigung nicht wieder zurückzahlen möchte, endgültig sei. Ein Grund dafür, daß der Eigentümer es bei der Übereignung belassen möchte, könne etwa sein, daß die Sache inzwischen beschädigt wurde und der Entschädigte über die Höhe des Wertverlustes nicht erneut in einen Rechtsstreit mit demjenigen treten möchte, der ihn entschädigte.159 Für ein Recht des Entschädigten auf Rückabwicklung wird – wie von den Gegnern einer Übereignungswirkung der Abtretung160 – sein mögliches Interesse an der Sache selbst ins Feld geführt.

II. Die Abandonfrage bei § 255 Fall 2 BGB Bei der Haftung für den Verlust eines R e c h t s (dem zweiten Fall des § 255 BGB) besteht ein ähnlicher Streit um den Inhalt der Abtretung. Entsprechend der Lehre vom Abandon ist nach einer Ansicht das beeinträchtigte Recht selbst 155 So die Terminologie etwa bei SELB, Mehrheiten (1984) § 8 II 1 j (S. 152 f.); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 14. 156 Ohne eigene Stellungnahme zur Eigentumslage betont AK-RÜSSMANN § 255 BGB Rz. 2, daß dem Ersatzberechtigten bei Wiederauftauchen der Sache das Wahlrecht zustehen müsse. 157 So etwa DERNBURG, Schuldverhältnisse I (4. Aufl. 1909) § 34 II (S. 95); STAUDINGER-BITTNER (Neubearb. 2004) § 255 BGB Rz. 22, 43; nicht eindeutig SOERGELMERTENS, § 255 BGB Rz. 9. 158 PALANDT-HEINRICHS, § 255 BGB Rz. 9 a. E.; aber auch MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 116 für die „Ausnahme“, daß es sich um eine Sache handele, die „typischerweise“ Gegenstand von Affektionsinteressen sei. MÜNCHBACH nennt hier als Anspruchsgrundlage für den Anspruch auf Rückübereignung und Herausgabe gegen Rückzahlung der Ersatzleistung § 242 BGB. 159 Vgl. SOERGEL-MERTENS, § 255 BGB Rz. 9. 160 s. o. S. 48 ff.

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1. Kap.: Überblick über Anwendungsbereich und Funktion des § 255 BGB

abzutreten.161 SELB162 vertritt hingegen die Ansicht, die Abtretung der zur Rechtsverfolgung dienenden Ansprüche führe nicht zur Übertragung des Rechts selbst. In zwei Fällen stimmen beide Ansichten jedoch überein: Wenn das Recht selbst nicht übertragen werden kann (etwa beim Nießbrauch), sind nach allen Ansichten nur die aus ihm resultierenden Ansprüche abzutreten.163 Umgekehrt ist nach SELB164 dann, wenn das verletzte Recht letztlich auf eine Geldleistung gerichtet ist, dieses Recht selbst abzutreten, da dann Ersatzleistung und Inhalt des Rechts übereinstimmten, der Gläubiger also kein Interesse an einer Rückabwicklung habe.

III. Zusammenfassung Auch bezüglich der Rechtsfolgen ist § 255 BGB eine umstrittene Norm. Der Streit bezieht sich darauf, welche Wirkung die Abtretung im Hinblick auf den Gegenstand hat, dessentwegen der Inhaber Entschädigung verlangt. Fraglich ist, ob durch die Abtretung der Gegenstand dem Entschädigenden übertragen wird. Wenn dies bejaht wird, ist weiter umstritten, ob die Zuordnung des Gegenstandes zum Entschädigenden endgültig ist auch für den Fall, daß der Gegenstand wieder nutzbar wird, also die verlorene Sache wieder auftaucht (bzw. das beeinträchtigte Recht wieder durchsetzbar wird), oder ob der Geschädigte dann gegen Rückzahlung der empfangenen Entschädigung den Gegenstand zurückerwerben kann.165 In diesem Zusammenhang wird neben systematischen sachenrechtli161

s. nur STAUDINGER-BITTNER (Neubearb. 2004) § 255 BGB Rz. 34 ff. STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 16. 163 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 100 mit dem Beispiel des Anspruchs auf Gebrauchsüberlassung aus der Miete. Wahrscheinlich würde dann aber die Frage kontrovers behandelt, ob der Schadensersatzgläubiger das aus diesen Ansprüchen Erlangte gegen Rückzahlung der Entschädigung herausverlangen darf. 164 s. o. A. 162. 165 Wenig beachtet wird in der Diskussion, daß in § 424 Abs. 2–3 HGB ein solches Recht auf Rückabwicklung der Entschädigungsleistung gesetzlich bestimmt ist (zu einer vergleichbaren Regelung in § 35 der damaligen Eisenbahnordnung allerdings schon FRITZ SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff [1906] 108). Die Regelung in § 424 Abs. 2–3 HGB wurde in Anlehnung an Art. 20 des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr vom 19.5.1956 geschaffen (= CMR: BGBl. 1961 II S. 119; 1962 II S. 112; zum Verhältnis beider Vorschriften die Begründung in BT-Drucks. 13/8445, bes. S. 57 ff.). Die Vorschrift interessiert hier deswegen besonders, weil Abs. 4 nach einer (allerdings in der Minderheit befindlichen) Auffassung einen gesetzlichen Eigentumsübergang für diejenigen Sachen normiert, für die der Anspruchsberechtigte entschädigt wurde; so FREMUTH, in: Fremuth/ Thume, Kommentar zum Transportrecht, § 424 HGB Rz. 26; zu Art. 20 CMR ebenso MünchKommHGB-BASEDOW, Art. 20 CMR Rz. 12. Anderer Ansicht hingegen MERKT, in: Baumbach/Hopt, § 424 HGB Rz. 2; KOLLER, Transportrecht, § 424 HGB Rz. 29; MünchKommHGB-Aktualisierungsband TransportR/BASEDOW § 424 HGB Rz. 6; vgl. zu Art. 20 CMR auch HELM, in: Staub, HGB Großkommentar Art. 20 CMR Rz. 14. Im Einklang mit der Gesetzesbegründung zu § 424 HGB (BT-Drucks. 13/8445 S. 58) 162

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chen Argumenten und Wertungsgesichtspunkten auch eine historische Argumentation für verschiedene Ansichten geltend gemacht.166 Daher scheint auch zu dieser Frage der historische Rückblick bis zu den Quellen des römischen Rechts einen Erkenntnisgewinn zu versprechen.167

erhalte der Frachtführer nach der letztgenannten Ansicht bloß die Verfügungsbefugnis über die Sache. 166 Vgl. abermals SELB (o. A. 140) auf der einen, F. SCHULZ (o. bei A. 154) auf der anderen Seite. 167 s. dazu insbesondere u. S. 268 ff. und zum Resümee u. S. 363 ff.

2. Kapitel

Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte, über partikularrechtliche Vorbilder und die gemeinrechtlichen Lehren § 3 Entstehungsgeschichte zu § 255 BGB Der wichtigere und – wie gezeigt – wegen seiner sachenrechtlichen Besonderheiten im geltenden Recht im Vordergrund stehende Fall des § 255 BGB ist die Haftung für den S a c h verlust. Dieser Fall war auch der Ausgangspunkt für die Normierung der Vorschrift:168 § 192 (2. Fall) des Teilentwurfs zum Sachenrecht von JOHOW sah für den Vindikationsbeklagten, der den Eigentümer einer beweglichen Sache entschädigt, einen (gesetzlichen) Übergang des Eigentums und der Ansprüche gegen Dritte vor: „Läßt der Eigenthümer sich wegen der mitherauszugebenden169 Erzeugnisse und sonstigen Ausbeute von dem Besitzer entschädigen, oder läßt der Eigenthümer einer beweglichen Sache sich von demjenigen, gegen welchen der Eigenthumsanspruch auf deren Herausgabe begründet ist, wegen der von demselben veräußerten oder demselben sonst abhanden gekommenen Sache entschädigen, so g e h e n mit der Leistung der Entschädigung das Eigenthum jener Erzeugnisse und sonstigen Ausbeute, sowie in dem anderen Falle das Eigenthum der beweglichen Sache und die dem Eigenthümer in Betreff derselben gegen Dritte zustehenden Ansprüche auf den Entschädigenden ü b e r .“170

Mit diesem Vorschlag sollte das Problem, daß im Zeitpunkt der Erhebung der Vindikation die Realisierbarkeit von Ansprüchen des Eigentümers gegen Dritte 168 Weitere Details der Entstehungsgeschichte von § 255 (1. Fall) BGB werden u. S. 347 ff. im Hinblick auf die oben dargestellten Meinungsverschiedenheiten zum geltenden Recht dargestellt (über den Anwendungsbereich der Vorschrift [s. o. S. 25 ff.] sowie über die Wirkung der Abtretung [s. o. S. 48 ff.]). 169 In diesem ersten Fall der Entwurfsvorschrift geht es darum, daß eine unbewegliche Sache Gegenstand der Vindikation ist, mit der zusammen (bewegliche) Erzeugnisse oder eine sonstige Ausbeute herauszugeben sind. Ein Eigentumsübergang wird nur bezüglich der mitherauszugebenden beweglichen Sachen normiert, wenn der Vindikationsbeklagte den Eigentümer ihretwegen entschädigt, statt sie naturaliter herauszugeben. Bezüglich des Grundstücks selbst hielt JOHOW eine entsprechende Regelung für unnötig; vgl. JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 945/1079 (und dazu noch u. A. 1430). 170 s. JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 32 f./46 f.; Hervorhebungen sind nicht original.

§ 3 Entstehungsgeschichte zu § 255 BGB

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noch ungewiß ist, durch einen endgültigen Übergang des Eigentums und der Ansprüche auf den haftenden Vindikationsbeklagten gelöst werden.171 Diese sachenrechtliche Vorlage wurde zum Kristallisationspunkt für die heutige Regelung in § 255 BGB. Nach einem Antrag von VON WEBER sollte die Normierung ausgedehnt werden auf alle Fälle, in denen der Schuldner für den Sachverlust an einen Dritten haftet, also auch bei obligatorischen Haftungsgründen. Dieser Vorschlag wurde jedoch zurückgewiesen zugunsten einer noch weiteren Fassung, die auch den Rechtsverlust umfaßte. Dazu wurde die Vorschrift in den allgemeinen Teil des Schuldrechts aufgenommen. Daher lautete § 223 des Ersten Entwurfs:172 „Wird in Folge der Entziehung oder Vorenthaltung einer Sache oder eines Rechtes Schadensersatz für den Verlust der Sache oder des Rechtes selbst von dem Ersatzpflichtigen geleistet, so g e h e n auf den Letzteren mit der Ersatzleistung die Ansprüche ü b e r , welche dem Entschädigten auf Grund des Eigenthumes oder des sonstigen Rechtes gegen Dritte zustehen.“

Als Beispiel für einen Rechtsverlust dachte man dabei an den Fall, daß ein Verwalter eines Vermögens wegen eines der Verwaltung unterliegenden Rechts Schadensersatz zu leisten hat und sich später herausstellt, daß doch noch aus dem zu restituierenden Recht entspringende Ansprüche bei dem Entschädigten verblieben sind.173 Der Eigentumsübergang wurde in der Vorschrift des Ersten Entwurfs jedoch gestrichen, weil man ihn für einen Verstoß gegen das Publizitätsprinzip hielt.174 171 Begründung von JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I, 942 ff./1076 ff. 172 Zu allem JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 118–122; Hervorhebungen sind nicht original. Die Formulierung des § 223 des Ersten Entwurfs stimmt – von einer redaktionellen Änderung abgesehen – mit § 221a des Kommissionsentwurfs (KE) überein; dessen Text s. u. A. 1354. 173 JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 121. Vorbilder in den Quellen könnten Papinian D. 46,3,95,10; Papinian D. 27,3,20,1 mit Ulpian D. 26,7,25; ferner auch Papinian D. 26,7,39,14 gewesen sein. Es handelt sich durchweg um Fälle, in denen ein Vormund oder Pfleger einen Anspruch des Mündels bzw. Minderjährigen nicht rechtzeitig oder nicht mit der gebührenden Sorgfalt verfolgt hat; durch diese Nachlässigkeit des Vormunds bzw. Pflegers wurde die Durchsetzbarkeit des zum betreuten Vermögen gehörenden Anspruchs erschwert, sei es aus tatsächlichen Gründen, weil der Schuldner dieses Anspruchs später insolvent wurde (so wohl in Fällen von Papinian D. 46,3,95,10 und D. 26,7,39,14; vgl. hierzu Paulus D. 26,7,15), sei es aus rechtlichen Gründen, weil durch einen vom Pfleger nachlässig (in zu geringer Höhe) geführten Prozeß die Klage des Minderjährigen an sich verbraucht worden ist und ein zweites Mal allenfalls noch nach einer zugunsten des Minderjährigen erwirkten restitutio in integrum erhoben werden kann (so Papinian D. 27,3,20,1, zitiert von Ulpian D. 26,7,25). Zur Auslegung dieser Quellen eingehend JAN WACKE, Papinians Gutachten zur culpa in exigendo und zum derivativen Regress mittels Klagenzession, SZ 124 (2007) 113–144. 174 s. Protokolle I 4213 (zit. nach JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 121): Die Normierung eines gesetzlichen Eigentumsübergan-

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2. Kap.: Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte

SEUFFERT kritisierte daher an dem Entwurf, sie führe zu einer Trennung von Eigentümerstellung und Vindikationsberechtigung.175 Auch bei LABAND176 stieß der Entwurf auf Kritik: Bei einem gesetzlichen Übergang der Rechte sei der Zeitpunkt des Überganges nicht hinreichend klar auszumachen. Insbesondere wenn sich Entschädigender und Entschädigter darüber stritten, ob die geleistete Entschädigung ausreiche, könne der Dritte nicht erkennen, an wen er zu leisten habe. Wenn der Schaden nur zum Teil ersetzt würde, sei außerdem zu fragen, ob durch teilweisen Rechtsübergang gar ein dingliches Gemeinschaftsverhältnis an der Sache entstehen solle.177 Daher hielten beide Autoren den alten Rechtszustand des gemeinen Rechts für vorzugswürdig. Dieser habe vorgesehen, daß im Falle der Entziehung oder Vorenthaltung einer Sache der Entschädigte verpflichtet sei, dem Entschädigenden – rechtsgeschäftlich – diejenigen Ansprüche abzutreten, die ihm aufgrund des Eigentums gegen Dritte zustünden. Diese Kritik griff die Vorkommission des Reichsjustizamtes auf und formulierte nunmehr nur noch eine Zessionspflicht:178 „Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechtes Schadensersatz zu leisten hat, kann von dem Ersatzberechtigten gegen Leistung des Schadensersatzes Abtretung der Ansprüche v e r l a n g e n , welche diesem aufgrund des Eigenthums oder des Rechtes gegen Dritte zustehen.“179

ges sei „bei beweglichen Sachen schon wegen des Traditionsprinzips anomal und überhaupt bedenklich, bei Grundstücken aber mit den Grundbuchprinzipien unvereinbar.“ Ähnlich die Motive (s. o. A. 135), in denen aber weitergehend auch die Normierung einer Übereignungspflicht ausdrücklich abgelehnt wird. 175 SEUFFERT, Die allgemeinen Grundsätze des Obligationenrechts in dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (1889) 13 f. SEUFFERT ging also in Übereinstimmung mit der erklärten Absicht der Ersten Kommission (s. soeben A. 174) davon aus, daß der Anspruchsübergang nicht zu einem Eigentumsübergang führe, daß vielmehr das Eigentums beim Entschädigten bleibe, obwohl die Vindikation auf den Entschädigenden übergehe. 176 LABAND, Zum zweiten Buch des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. I. Abschnitt. Titel 1 bis 3, AcP 73 (1888) 161 (183–185 zu § 223 des Ersten Entwurfs). 177 LABAND sprach in AcP 73 (1888) 184 von einer „Gemeinschaft“ zwischen dem teilweise Entschädigten und dem Entschädigungspflichtigen. Unsicher ist, ob er damit nur die gemeinschaftliche Berechtigung hinsichtlich des Vindikationsanspruches meinte oder ob er – wie hier unterstellt wird – davon ausging, daß der Übergang der Vindikation mit einer Änderung der dinglichen Rechtslage hinsichtlich der Sache verbunden sei. 178 s. die Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs gefertigt im Reichs-Justizamt, Band II, Äußerungen zum Recht der Schuldverhältnisse, Neudruck der Ausgabe 1890 (1967) S. 23 f. – auch zu den sonstigen Stellungnahmen zu § 223 des Ersten Entwurfs – und JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 123. Zur Bedeutung der Kritik LABANDs s. noch ausführlicher u. bei den Anmerkungen 1365, 1367, 1408 bis 1415. 179 JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 123; Hervorhebungen sind nicht original.

§ 4 Partikularrechtliche Vorbilder

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Aus denselben Gründen entsprach die Zweite Kommission diesem Änderungsvorschlag der Vorkommission.180 Die weiteren redaktionellen Änderungen beschränkten sich im wesentlichen darauf, das Recht auf Abtretung klarer als Zurückbehaltungsrecht zu formulieren. Die Formulierung des Zweiten Entwurfs entsprach bereits derjenigen des heutigen § 255 BGB.181

§ 4 Partikularrechtliche Vorbilder Wie aber war der Rechtszustand des alten Rechts vor Inkrafttreten des BGB? Ein gesetzliches Vorbild für eine derart allgemeine schuldrechtliche Regel, die den Sach- und den Rechtsverlust umfaßt, gab es partikularrechtlich nicht.182 Aber auch gesetzliche Vorbilder für eine allgemeine Regel der Klagenzession bei der Haftung für Sachverlust gab es kaum. Lediglich das – auch von den Motiven erwähnte183 – Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863 (in Kraft ab 1. 3. 1865) enthielt unter der Überschrift: „Arten der Abtretung“ (§§ 953 ff.) in § 961 folgende Bestimmung: „Wer Schadensersatz wegen einer Sache zu leisten hat, kann von Demjenigen, welchem er Schadensersatz leistet, Abtretung der Forderungen verlangen, welche diesem auf Erlangung der Sache oder auf Schadenersatz gegen einen Dritten zustehen.“184

Andererseits enthielt das sächsische BGB in §§ 304 ff. Sonderbestimmungen für den Fall, daß die Entschädigung im Vindikationsprozeß zu zahlen ist, namentlich regelte § 305 einen gesetzlichen Eigentumsübergang für den Fall des fahrlässigen Besitzverlustes nach Klageerhebung.185 Diese letztgenannte Regelung für den Vindikationsprozeß nahm sich JOHOW für seinen Sachenrechtsentwurf zum Vorbild. Andere Gesetzbücher186 oder Entwürfe, insbesondere der 180

Gründe bei MUGDAN, Materialien II 519 f. und noch unten S. 352 f. JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 123. 182 Zum Folgenden vgl. insbesondere den Beitrag von SELB, FS Larenz (1973) 537 ff. 183 Motive II 25. 184 Zitiert nach der Ausgabe von E. SIEBENHAAR (5. Auflage 1883). s. zu dieser Norm SELB, FS Larenz (1973) 537 f. 185 § 305 des Sächs. BGB lautete: „Wenn der Beklagte nach Benachrichtigung von der Eigenthumsklage den Besitz der Sache durch Fahrlässigkeit verloren hat, so kann der Kläger von ihm Schadenersatz verlangen. Hat er diesen erhalten, so ist anzunehmen, daß der Beklagte die Sache vom Kläger durch Kauf und Uebergabe erworben hat.“ Zur Regelung des Sächs. BGB s. noch unten bei A. 211, 223, 1130 sowie S. 351 ff. insbesondere bei A. 1361. 186 Zur nur auf die Vindikation bezogenen und auch hier unvollständigen Regelung des Preußischen Allgemeinen Landrechts in Theil I Titel 15 §§ 13–16 s. schon in der Einleitung o. A. 2. Von einer Zessionspflicht des Klägers ist darin nicht die Rede. Im übrigen enthielt das ALR Theil I Titel 21 § 254 eine spezielle Regelung für die Leihe und nur für den Fall, daß die Sache wieder auftaucht: „Wird die verlorene und von 181

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2. Kap.: Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte

von JOHOW187 und den Motiven zum BGB188 im Hinblick auf das Vindikationsverfahren genannte Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern (aus den Jahren 1861–1864), enthielten nur verstreute Vorschriften, die danach divergierten, aus welchem Grunde der Beklagte für den Sachverlust haftet.189

§ 5 Die Lehren des gemeinen Rechts In der gemeinrechtlichen Literatur war ebenfalls noch keine allgemeine Regel entwickelt worden, die Sach- und Rechtsverlust umfaßt hätte. Auch bezogen auf den Sachverlust war die Zessionspflicht noch nicht als eine alle Haftungsgründe umfassende Regel allgemein erkannt worden. Allerdings gab es einige Versuche, hier einen generellen Satz aufzustellen:

I. MÜHLENBRUCH und

VON

VANGEROW

Die Motive zum BGB190 berufen sich auf VON VANGEROW,191 der seinerseits nur eine Einteilung der römischen Fälle durch MÜHLENBRUCH wiedergibt, wie VON VANGEROW selbst mitteilt. MÜHLENBRUCH wird daher wohl zu Recht für den

dem Leiher ersetzte Sache in der Folge wieder gefunden; so steht es in der Wahl des Verleihers: ob er die Sache zurücknehmen, und den dafür erhaltenen Werth herausgeben; oder letzteren behalten, und die Sache dem Leiher überlassen wolle.“ Dazu SELB, FS Larenz (1973) 540. Diese Regelung entspricht (Labeo-)Paulus D. 13,6,17,5 (dazu u. S. 294). 187 JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 943 f./1077 f. 188 s. o. A. 183. 189 Theil III Art. 160 des bayerischen Entwurfs sah für den Vindikationsprozeß einen gesetzlichen Rechtsübergang vor (zitiert nach der Ausgabe Scientia, Aalen 1973): „Mit der Ersatzleistung des Beklagten für die veräußerte oder zu Verlust gegangene bewegliche Sache gehen auf ihn die Rechte des Klägers wie durch Abtretung über“; Theil II Art. 654 formulierte dagegen ein Wahlrecht des Verleihers, die Sache oder den erhaltenen Schadensersatz zu behalten, wenn er nach Entschädigungsleistung wieder in den Besitz der Sache gelangt: „Hat der Entleiher den Werth der aus seinem Gewahrsam gekommenen Sache dem Verleiher ersetzt, und ist dieselbe später wieder in den Besitz des Verleihers gekommen, so kann dieser nach seiner Wahl entweder gegen Überlassung der Sache an den Entleiher den empfangenen Ersatz oder gegen Rückerstattung des Ersatzes die Sache behalten.“ Auf diese Regelung verwies auch Theil II Art. 678 für den Verwahrer; vgl. die entsprechende Vorschrift in Theil I Titel 21 § 254 des Preußischen Allgemeinen Landrechts (s. o. A. 186) und (Labeo-)Paulus D. 13,6,17,5 (dazu u. S. 294); zu diesen Vorschriften des bayerischen Entwurfs auch SELB, FS Larenz (1973) 538 sowie u. A. 1360 und 1402. 190 Motive II 24 A. 3. 191 K. A. VON VANGEROW, Lehrbuch der Pandecten III (7. Aufl. 1869) § 574 A. 4.4 (S. 113).

§ 5 Die Lehren des gemeinen Rechts

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ersten gehalten,192 der einen allgemeinen Satz für die Forderungsabtretung bei der Haftung für Sachverlust193 formulierte. Dieser findet sich in dem grundlegenden Werk von MÜHLENBRUCH über die Zession194 und lautet: „Wer Jemandem zum Schadensersatz wegen abhanden gekommener oder beschädigter Sachen verpflichtet ist, der kann verlangen, daß ihm die, diese Sachen betreffenden Klagen zur Entschädigung abgetreten werden.“

Zu dieser Formulierung gelangte MÜHLENBRUCH bei dem Versuch, die Fälle der sogenannten n o t w e n d i g e n Z e s s i o n in Gruppen zu ordnen. Die aus dem römischen Recht überlieferten Fälle einer Klagenabtretung teilt nämlich die Pandektenwissenschaft „seit alters“195 ohne begriffliches Vorbild in den Quellen nach dem Grund für die Abtretung ein in solche der freiwilligen Zession (cessio voluntaria) und solche der notwendigen Zession (cessio necessaria).196 Die freiwillige Zession ist eine Abtretung, die ausschließlich auf dem Willen des Zedenten beruht, deren causa also ein auf Veräußerung gerichtetes Rechtsgeschäft (Kauf, Schenkung etc.) ist. Bei der notwendigen Zession ist dagegen der Zedent ohne ein solches Rechtsgeschäft zur Abtretung verpflichtet. Eine wichtige Fallgruppe der notwendigen Zession stellt etwa der Anwendungsbereich des beneficium cedendarum actionum dar.197 Der ebenfalls nicht den Quellen entnommene Begriff des beneficium cedendarum actionum wurde allerdings im gemeinen Recht – anders als der der notwendigen Zes-

192

So SELB, FS Larenz (1973) 526. Der Satz von MÜHLENBRUCH erfaßt neben der Haftung für Sachverlust allerdings auch die Haftung für die Beschädigung einer Sache – und ist insoweit umfassender als die Regelung der § 255 BGB. 194 MÜHLENBRUCH, Lehre von der Cession der Forderungsrechte (3. Aufl. 1836) 409. Zur grundlegenden Bedeutung dieses Werkes für die gemeinrechtliche Zessionslehre s. LUIG, Zur Geschichte der Zessionslehre (1966) 47 ff.; A. WACKE, Übertragbarkeit des iuris vinculum mittels Zession?, Studi Talamanca VIII (2001) 333–380, 370 ff.; ferner HUWILER, Der Begriff der Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht (1975) 149, 155. 195 So F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 82. 196 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 399 ff.; PUCHTA, in: Weiske, Rechtslexikon II (1840) s. v. Cession, 639 f.; ARNDTS, Lehrbuch der Pandekten (14. Aufl. 1889) § 255 A. 3 (S. 516); vgl. noch WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts II (9. Aufl. 1906) § 330 A. 6 (S. 366). 197 Ein weiterer im BGB geregelter Fall einer notwendigen Zession neben § 255 ist insbesondere § 281, der dem Gläubiger einer auf Leistung eines Gegenstandes gerichteten Forderung einen Anspruch auf Abtretung von Ersatzansprüchen gewährt, die der Schuldner deswegen erlangt hat, weil ihm die Leistung des Gegenstandes unmöglich geworden ist (z. B. kann also der Käufer einer versicherten Sache, wenn sie vor Erfüllung zerstört wird, vom Verkäufer verlangen, daß er ihm den Anspruch gegen die Versicherung abtritt; zum römischen Recht vgl. etwa Ulpian D. 47,2,14pr.); zur Systematisierung der Fälle notwendiger Zession in Rückgriff, Weitergriff und Forderungsübergang wegen Zugehörigkeit zu einem Vermögen s. F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907) 1 ff. 193

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2. Kap.: Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte

sion – nicht einheitlich verwendet.198 Jedenfalls zählte hierzu das Recht eines Interzedenten, insbesondere eines Bürgen, im Falle seiner Inanspruchnahme im Wege des Zurückbehaltungsrechts zu verlangen, daß ihm der Gläubiger die Ansprüche gegen den Hauptschuldner sowie gegen Mitbürgen abtrete.199 Manche Autoren rechnen aber auch etwa das Ablösungsrecht des rechtmäßigen Besitzers einer verpfändeten Sache hierzu oder im Falle einer Solidarschuld das in den Quellen fallweise gewährte Recht, die Abtretung der Klagen gegen die Mitschuldner zu verlangen.200 Eine weite Definition traf deswegen FRITZ SCHULZ, dem zufolge man vom beneficium cedendarum actionum sprechen solle, wenn die Zession der Klagen gegen Dritte im Interesse des (dem Zedenten zu einer Leistung verpflichteten) Zessionars durch den iudex oder mittels exceptio doli erzwungen wird,201 zumindest wenn die zedierte Klage dem Rückgriff des Begünstigten für die an den Zedenten erbrachte Leistung dienen soll.202 Demnach fiele auch das Recht auf Klagenzession im Falle der Haftung für Sachverlust unter den Begriff des beneficium cedendarum actionum.203

198 SELB, Mehrheiten (1984) § 8 II 2 (S. 142 ff., 155); STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 1 scheint ihn schlicht mit dem der notwendigen Zession gleichzustellen. 199 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 413 mit A. 379 erwähnt den Begriff des beneficium cedendarum actionum nur in bezug auf Bürgen, worunter er jeden Interzedenten versteht. Auch HEIMBACH, in: Weiske, Rechtslexikon I (1839) s. v. beneficium cedendarum actionum, S. 871 ff. definiert das Benefizium als Rechtswohltat, „welche dem, welcher aus einer c u m u l a t i v e n I n t e r c e s s i o n zahlen muß, zusteht, um den Gegner, an den er zahlen muß, zur Abtretung der Klagen sowohl gegen den Hauptschuldner, als auch gegen etwaige Mitintercedenten, z. B. die Mitbürgen oder Mitmandatoren zu zwingen“ (Hervorhebung nicht original). HEIMBACH will also ebenfalls den Begriff des beneficium cedendarum actionum an sich auf Interzedenten, insbesondere Bürgen und Kreditmandanten beschränken. Seine Quellennachweise verweisen aber etwa auch auf den Fall, daß ein Pfleger wegen nachlässiger Prozeßführung gegen den Vormund haftet und ihm gegen Erstattung des Fehlbetrages die in integrum restituierte actio tutelae abzutreten ist (Ulpian-Papinian D. 26,7,25, bei HEIMBACH S. 872 A. 9). Dabei handelt es sich um einen Fall, in dem von Interzession nicht die Rede sein kann, der vielmehr der Haftung wegen Beeinträchtigung eines fremden Rechts (heute § 255 [2. Fall] BGB) zuzuordnen ist (s. dazu schon o. A. 173). 200 So verweisen in ihrem Register s. v. beneficium cedendarum actionum WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts III (S. 754) sowohl auf das Ablösungsrecht im Falle der Verpfändung (Band I § 235 S. 1190 A. 18) als auch auf den regreßberechtigten Solidarschuldner und den Rückgriff unter Mitbürgen (Band II § 294 a. E. S. 207 A. 5 u. 6; § 298 S. 220 bei A. 13) sowie den Regreß des Bürgen gegen den Hauptschuldner (Band II § 280 S. 1097 A. 10; § 481 S. 1105 A. 8). 201 F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 85–87, 97. 202 So die Präzisierung in F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907) 2. 203 F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 99; vgl. DENS., Rückgriff, 7 zu § 255 BGB [dort versehentlich als „§ 225“ bezeichnet]. Bezüglich des beneficium cedendarum actionum des Bürgen und des Solidarschuldners sei auf folgende neuere Untersuchungen verwiesen: MEDICUS, Der fingierte Klagenkauf als Denkhilfe für die Entwicklung des Zessionsregresses, FS Kaser (1976) 391; PROVERA, Riflessioni sul beneficium cedendarum actionum, Studi Sanfilippo IV (1983) 609 ff.; zuletzt BRIGUGLIO, „Fideiussoribus succurri solet“ (1999) 209 ff.

§ 5 Die Lehren des gemeinen Rechts

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Neben dieser Rubrik der Haftung für den Verlust oder die Beschädigung einer fremden Sache findet sich bei MÜHLENBRUCH eine weitere Fallgruppe der notwendigen Zession, die er wie folgt umschreibt: „Wer nach der Strenge des Rechts eine Schuld bezahlen muß, die gar nicht oder nur zum Theil als die seinige zu betrachten ist, kann auf Zession der Forderung gegen den wirklichen Schuldner, oder den Mitschuldner Anspruch machen.“204

Diese Beschreibung enthält eine Reihe von Subkategorien des Zessionsregresses; insbesondere erwähnte MÜHLENBRUCH hier den Zessionsregreß des Bürgen,205 aber auch den Regreß unter solidarisch Verpflichteten.206 Schon MÜHLENBRUCH unterschied also die Fälle der Klagenzession bei der Haftung für Sachverlust von den (sonstigen) Fällen des Zessionsregresses. Diese Unterscheidung wirkt in dem Nebeneinander von § 255 (1. Fall) BGB und Gesamtschuldnerregreß des § 426 BGB noch heute fort.207 Alle Fälle der notwendigen Zession unter einem Hauptgesichtspunkt zu erklären, hielt MÜHLENBRUCH für unmöglich. Er versuchte lediglich eine „Classification nach gewissen Hauptgründen [vorzunehmen], welche nicht nur die Übersicht erleichtert, sondern auch alle einzelnen Fälle in einem, wenigstens leidlichen Zusammenhang erscheinen läßt“.208 Der oben209 zitierte Lehrsatz von MÜHLENBRUCH zur Haftung bei Sachverlust oder Sachbeschädigung war also erstens ein Teil einer Fallgruppenbildung ohne Anspruch darauf, alle Fälle systematisch zu erfassen. Die Formulierung sollte zweitens den wesentlichen Zusammenhang der umfaßten Fälle umreißen und war nicht als eine abschließend alle Voraussetzungen enthaltende Regel gemeint.210 Dennoch hatte die von MÜHLENBRUCH vorgenommene Kategorisierung ersichtlichen Einfluß auf die erwähnte211 Bestimmung des § 961 des sächsischen BGB – und über VON VANGEROW auch auf § 255 BGB.

204

MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 412. MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 412–414. 206 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 414 f. 207 Zu den Schwierigkeiten der Abgrenzung von § 255 BGB und dem Regreß unter Gesamtschuldnern im geltenden Recht s. o. S. 25 ff.; ferner noch u. S. 347 ff. 208 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 402 f. – F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 82 f. kritisierte die Gruppenbildung von MÜHLENBRUCH daher als „eine ungeordnete und unvollständige Liste der hierher gehörigen und nicht gehörigen Fälle“; vgl. DENS., Rückgriff, 1. 209 s. o. bei A. 194. 210 Vgl. SELB, FS Larenz (1973) 526 f.: Die Lehrbuchüberschrift von MÜHLENBRUCH sei jedenfalls nicht als Regel formuliert, aus der man unmittelbar weitere Entscheidungen gewinnen könnte. Dies sei aber dadurch erzielt worden, daß man den Satz von MÜHLENBRUCH in § 255 BGB habe Gesetz werden lassen. Der Sinn der Formulierung bei MÜHLENBRUCH sei jedoch nur zu erfassen, wenn man die von ihm zusammengefaßten Fälle im einzelnen betrachte. 211 s. o. S. 61. 205

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2. Kap.: Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte

II. WINDSCHEID Eine andere Fallgruppenbildung, die Einfluß auf die Gesetzgebungsarbeiten zu § 255 BGB hatte, stammt von WINDSCHEID. Er wird sowohl von JOHOW im Rahmen seiner Begründung zu § 192 des Vorentwurfs Sachenrecht zum BGB212 zitiert als auch von den Motiven.213 Der von WINDSCHEID214 behandelte Zusammenhang ist die Frage, ob und wie dingliche Ansprüche übertragen werden können.215 Hierzu zählt WINDSCHEID diejenigen Fälle auf, in denen die Quellen von der Übertragung eines dinglichen Anspruchs sprächen. Die erste der Fallgruppen umreißt der Autor stichwortartig mit den Worten: „Übertragung der rei vindicatio an denjenigen, welcher die Sache herausgeben soll, aber nicht kann, und dafür Schadensersatz geben muß“ und nennt dafür die Quellen D. 6,1,63; 19,2,25,8; 42,1,12.216 Mit dem Fall des Herausgabeschuldners, der statt der Herausgabe Schadensersatz schuldet, weil ihm die Erfüllung in einer Weise unmöglich geworden ist, die er dem Eigentümer gegenüber zu vertreten hat, ist der Kernbereich der Anwendung des heutigen § 255 BGB angesprochen.217 Die Forderungszession ist für diese Fallgruppe bei WINDSCHEID aber noch nicht als Regel formuliert: Es heißt also nicht, daß unter den genannten Voraussetzungen der Eigentümer seine rei vindicatio zedieren müsse; vielmehr 212 JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 942/ 1076 A. 1; JOHOW zitiert dort neben WINDSCHEID noch BEKKER und WETZELL; zu beiden s. noch u. A. 215 und A. 1376. 213 Motive II 24 A. 3. 214 WINDSCHEID, Lehrbuch des Pandektenrechts II (6. Aufl. 1887) § 337 A. 1, 2 (S. 298) = WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts II (9. Aufl. 1906) § 337 A. 1, 2 (S. 395). 215 In ähnlichem Zusammenhang findet sich auch bei dem von den Materialien zum BGB hierzu nicht zitierten DERNBURG, System des Römischen Rechts I (= Pandekten, 8. Aufl. 1911) § 188 (S. 385) A. 2 eine Äußerung: Auch DERNBURG zählt beispielhaft diejenigen Quellen auf, in denen die Zession der Vindikation erwähnt wird; DERNBURG nennt hier neben D. 6,1,21; 63; 19,2,28,5 – die zu den hier zu besprechenden Texten gehören – aber auch D. 47,2,14pr. sowie C. 4,39,9. – Die Zession der Vindikation (insbesondere Fragen ihrer Zulässigkeit und Wirkung einschließlich der Abgrenzung zur Übertragung des dinglichen Rechts selbst) spielte in der gemeinrechtlichen Literatur immer wieder eine Rolle; vgl. z. B. auch MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 246 ff.; JHERING, Übertragung der Reivindicatio auf Nichteigenthümer (Cession derselben, reiv. utilis, Connossement), JheringsJahrb 1 (1857) 101 sowie den von JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 942/1076 A. 1 neben WINDSCHEID zitierten BEKKER, Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts 4 (1860) 205 ff. 216 Im übrigen nennt WINDSCHEID (o. A. 214) die folgenden Fallgruppen: „2. Übertragung der rei vindicatio an denjenigen, welchem das Eigentum verschafft werden soll, der aber, weil der Gegner ohne seine Schuld die Sache nicht mehr hat, weder die Sache selbst noch Schadensersatz erhält“ mit den Quellen D. 6,1,21; Inst. 3,23,3a; D. 18,1,35,4; 47,2,14pr.; 24,1,39 (vgl. dazu heute § 281 BGB); „3. Verkauf der actio in rem“ mit Hinweis auf C. 4,39,9. 217 Vgl. den o. S. 15 in der Einleitung angeführten „Schulfall“.

§ 5 Die Lehren des gemeinen Rechts

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läßt die Formulierung offen, ob es auch Fälle gibt, in denen trotz Vorliegens der genannten Umstände die Zession unterbleibt.218

III. FRIEDRICH MOMMSEN Ohne nachweisbaren Einfluß auf das Gesetzgebungsverfahren zum BGB hatte dagegen FRIEDRICH MOMMSEN219 die Zessionspflicht begründet, allerdings nur für eine enger umrissene Fallgruppe, die ein Delikt voraussetzt: Wenn ein zur Restitution einer Sache verpflichteter Schuldner die Gefahr eines von einem Dritten begangenen Delikts trägt, d. h. dafür dem Gläubiger haftet, könne er – allerdings erst dann, wenn der Gläubiger seine Ersatzansprüche gegen ihn geltend mache – die Zession der aus dem Delikt resultierenden Klagen gegen den Dritten verlangen. Dies beruhe auf der Regel, daß der Vorteil demjenigen gebühre, der die Gefahr zu tragen habe.220

IV. Die Lehre vom Anspruchsübergang auch ohne Zession Schließlich gab es schon im gemeinen Recht Stimmen, die einen Übergang der Ansprüche des Eigentümers auch ohne Zession im Fall der Haftung für Sachverlust annahmen. Namentlich ALBERT SCHMID verfocht in seinem Buch über die „Grundlehren der Cession“ von 1863 eine solche These – ohne sie deutlich als Regel zu formulieren: Derjenige, der zur Streitwertzahlung verurteilt worden sei, ohne die herausverlangte Sache zu besitzen, könne die Abtretung der dem klagenden Eigentümer zustehenden Ansprüche verlangen. Seit Papinian221 könne er aber auch ohne rechtsgeschäftliche Zession im Wege fingierter Zession die Herausgabeklage des Eigentümers als utilis in rem actio selbst geltend machen. Dies habe Papinian zwar nur in bezug auf den Vindikationsbeklagten ausgesprochen, für den Beklagten einer actio in personam gälten die einschlägigen Grundsätze jedoch ebenso.222 Verbreiteter war es allerdings im gemeinen Recht, einen Forderungsübergang (und zwar der rei vindicatio gegen den aktuellen Besitzer) im Wege fingierter (oder auch „gesetzlicher“) Zession 218 Vgl. zur Haftung des Vindikationsbeklagten WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts I (9. Aufl. 1906) § 193 (S. 988 f.) A. 12. 219 FR. MOMMSEN, Erörterungen über die Regel: Commodum ejus esse debet, cujus periculum est (1859) 89 f. 220 Inst. 3,23,3 i. f. Zur Bedeutung dieser Regel in unserem Zusammenhang s. noch u. S. 175 f. (bei A. 655–658) zur actio furti. 221 D. 6,1,63; dazu unten S. 307 ff. 222 A. SCHMID, Die Grundlehren der Cession nach römischem Recht dargestellt, Erster Theil, Die Cessionsformen [i. f. zitiert als „Cession I“] (1863) 259 ff.

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2. Kap.: Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte

nur dann anzunehmen, wenn der Eigentümer mit der rei vindicatio gegen einen Beklagten vorgeht und dieser verurteilt wird, obwohl er den Sachbesitz im laufenden Verfahren (ohne dolus) verloren hat.223

223 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 473 mit A.541; WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts I (9. Aufl. 1906) § 193 (S. 988 f.) A. 12; II § 337 (S. 395) A. 2; vgl. ferner den Übergang des Eigentums nach § 305 (im Unterschied zu § 961) des sächsischen BGB (dazu s. o. S. 61 f.) sowie, daran anknüpfend, § 192 des Vorentwurfs zum Sachenrecht des BGB von JOHOW (o. b. A. 170). Diese einflußreiche Ansicht geht auf eine (wohl unrichtige) Auslegung von Papinian D. 6,1,63 zurück; s. dazu u. S. 298 ff., insbesondere S. 307 ff.

3. Kapitel

Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung bei der Haftung für Sachverlust § 6 Plan der folgenden Darstellung Im folgenden Hauptteil der Arbeit sollen die den späteren Verallgemeinerungen zugrundeliegenden Einzelfälle der Haftung für Sachverlust aus dem römischen Recht untersucht werden. Dafür wird bei der Darstellung danach unterschieden, aus welchem Grund der Ersatzleistende dem Ersatzberechtigten haftet, ob aus einem dinglichen oder aus einem obligatorischen Verhältnis. Die Klagenabtretung an den Vindikationsbeklagten, die der Ausgangspunkt für die Normierung des § 255 BGB gewesen ist, wird zunächst behandelt (§ 7). Nach einem kurzen Exkurs über die technische Durchführung der Klagenzession in den untersuchten Fällen (§ 8) werden sodann die Fragmente zu den verschiedenen obligatorischen Klageverfahren untersucht. Behandelt wird jeweils die Frage, ob der Beklagte ein Recht auf Klagenzession hatte, wenn er aus der condictio ex causa furtiva (§ 9), aus der actio servi corrupti (§ 10), aus der actio (damni iniuriae oder furti) in factum adversus nautas (caupones stabularios) (§ 11), aus einer Geschäftsführungsklage (§ 12) oder aus einer auf Vertrag beruhenden Klage haftet (§ 14). Die Zession ist allerdings nicht der einzige Weg, über den der Haftende die Klagen des Entschädigungsberechtigten erhalten kann: Wenn der Sachverlust auf einem Diebstahl beruht, kommt außer den sachverfolgenden Klagen noch die rein strafende Diebstahlsklage (actio furti) zur Entstehung. Zu dieser Klage war aber in der klassischen Zeit derjenige aktivlegitimiert, der das Interesse daran gehabt hatte, daß die Sache nicht gestohlen werde. Wenn dem Eigentümer ein anderer auf Ersatz für den aus einem Diebstahl resultierenden Sachverlust haftete, stand die Diebstahlsklage demnach unter Umständen dem Haftenden ipso iure zu, also ohne daß es einer Abtretung bedurfte. Dennoch erwähnt eines der in § 12 besprochenen Fragmente zur Haftung aus einem Geschäftsführungsverhältnis eine Obliegenheit des Entschädigungsberechtigten zu einer rechtsgeschäftlichen Abtretung der actio furti an den Haftenden. Daher wird im Anschluß an die Erörterung der Klagenabtretung im Rahmen der Haftung aus einem Geschäftsführungsverhältnis in § 13 eine Untersuchung über das Schicksal der actio furti bei Haftung eines Dritten für den Sachverlust aus Diebstahl eingeschoben. Da die Fragmente zur Haftung aus Geschäftsführung die

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Behandlung dieses Themas gebieten, erfolgt die Erörterung der Aktivlegitimation zur actio furti an dieser Stelle, obwohl sich die Frage in jedem Fall der Haftung für einen Diebstahl (also bei jedem Haftungsgrund) stellt. Der folgende § 15 wendet sich der ebenfalls alle Klagearten betreffenden Frage zu, welche Rechtsfolgen die Abtretung im Hinblick auf das Eigentum an der Sache hat und ob eine Eigentumsübertragung an den Ersatzleistenden gegebenenfalls im Sinne eines Abandon endgültig ist. Diese Untersuchung ermöglicht eine Erklärung, warum bei dolos herbeigeführtem Besitzverlust im Rahmen der Vindikation im Hinblick auf ein Recht des Beklagten auf Klagenabtretung anders entschieden wurde als etwa bei einer Vertragsklage (§ 16). Abschließend folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse zum gemeinen und römischen Recht (§ 17).

§ 7 Die Klagenabtretung an den Vindikationsbeklagten I. Überblick Im Rahmen der Vindikation kommt eine Klagenzession an den Beklagten zunächst in dem Fall in Betracht, daß ein Dritter die Sache beschädigt und der Besitzer dem Eigentümer dafür aufkommen muß, obwohl der Eigentümer auch gegen den unmittelbaren Schädiger eine Klage (aus Delikt) hat. Eine solche Klagenzession ist für den Vindikationsbeklagten224 jedoch nicht durch Quellen bezeugt. 224 Anders allerdings für den Entleiher: Hier erwähnt Ulpian D. 13,6,7,1 die Zession der actio legis Aquiliae gegen den Mitentleiher, der die gemeinsam entliehene Sache beschädigt hat, wenn der an der Beschädigung nicht beteiligte Mitschuldner aus der actio commodati in Anspruch genommen wird: Sed si legis Aquiliae adversus socium eius habuit commodator actionem, videndum erit, ne cedere debeat, si forte damnum dedit alter, quod hic qui convenitur commodati actione sarcire compellitur: nam et si adversus ipsum habuit Aquiliae actionem commodator, aequissimum est, ut commodati agendo remittat actionem: nisi forte quis dixerit agendo eum e lege Aquilia hoc minus consecuturum, quam ex causa commodati consecutus est: quod videtur habere rationem. – Wenn aber dem Verleiher die Klage nach der lex Aquilia gegen den Mitschuldner des Entleihers zusteht, so ist zu untersuchen, ob er sie nicht [wenn er aus Leihe klagt] abtreten muß, sofern der andere einen Schaden verursacht hat, den derjenige, der mit der Klage aus Leihe belangt wird, zu ersetzen gezwungen ist. Denn auch wenn dem Verleiher gerade gegen ihn [den er aus Leihe verklagt] die Klage nach der lex Aquilia zustünde, wäre es doch höchst gerecht, daß er auf diese Klage verzichtet, wenn er mit der Klage aus Leihe vorgeht, es sei denn, man sagt, ihm werde bei der Klage aus der lex Aquilia das abgezogen, was er aufgrund der Klage aus Leihe [bereits] erhalten hat; dies erscheint [in der Tat] folgerichtig. – Zu diesem Text s. LEVY, Nachträge (1962) 20 f.; ferner noch u. A. 929. Der Abtretungszwang wird damit begründet, daß der Verleiher, wenn ihm die actio legis Aquiliae und die actio commodati wegen der Beschädigung der Leihsache gegen dieselbe Person zur Wahl stünden, zur Verurteilung aus der actio commodati auf die actio legis Aquiliae verzichten müßte (oder sich zumindest bei Erhebung der actio legis Aquiliae dasjenige anrechnen lassen müßte, was er bereis zuvor aus der Leihklage erlangt hat). D i e s e Situation

§ 7 Die Klagenabtretung an den Vindikationsbeklagten

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Eine Klagenzession wegen einer Haftung für Sachverlust scheint im Rahmen der rei vindicatio dagegen auf den ersten Blick auszuscheiden, galt hier doch der Grundsatz, daß der Beklagte zur Passivlegitimation im Besitz der Sache sein muß. Doch gab es von diesem Grundsatz Ausnahmen, in denen auch ein (im Urteilszeitpunkt) nicht besitzender Beklagter aus der rei vindicatio verurteilt wurde. In diesem Zusammenhang sind auch Quellen überliefert, in denen ein Vindikationsbeklagter nur gegen Abtretung der Klagen des Eigentümers verurteilt wird. In Betracht kommt zunächst der Fall des Besitzverlusts im laufenden Verfahren. Bis in die späte Republik hinein prüfte nur der Prätor bei der Formeleinsetzung die Passivlegitimation.225 Somit kam es zunächst nur für den Zeitpunkt der litis contestatio darauf an, daß der Beklagte im Besitz der Sache war. Wenn er den Besitz dagegen erst nach Abschluß der litis contestatio verlor, konnte dies der iudex ursprünglich nicht als einen Befreiungstatbestand berücksichtigen. Auf diese Weise konnte es vorkommen, daß der Beklagte, obwohl er im Urteilszeitpunkt die Sache nicht mehr innehatte, aus der rei vindicatio verurteilt wurde. Die Verurteilung trotz Besitzverlusts post litem contestatam wurde in der späteren Rechtsentwicklung zwar eingeschränkt, als die ausschließliche Zuständigkeit des Prätors für die Prüfung der possessio (genauer: der facultas restituendi) aufgegeben wurde und diese Prüfung auch dem iudex im Rahmen seines officium auferlegt wurde. Der genauere Umfang dieser Prüfung, namentlich für welchen Zeitpunkt der iudex den Besitz des Beklagten festzustellen hatte,226 scheint unter den römischen Juristen umstritten gewesen zu sein. Die Frage ist trotz zahlreicher Untersuchungen zu diesem Thema bis heute unklar;227 eine Klärung dieses Problems ist auch nicht Ziel dieser Abhandlung. Jedenfalls hat der Konkurrenz mit der actio legis Aquiliae gegen dieselbe Person wird aber in den Quellen auch für die Vindikation diskutiert und im wesentlichen identisch behandelt: Wenn ein Sklave von dem Besitzer verletzt worden ist, so daß er dem Eigentümer für die Wertminderung sowohl aus der Vindikation als auch aus der actio legis Aquiliae haftet, darf der Richter nach (Labeo-)Ulpian D. 6,1,13 den Besitzer nur dann wegen der Wertminderung aus der rei vindicatio verurteilen, wenn der Eigentümer Sicherheit dafür leistet, daß er nicht mehr mit der actio legis Aquiliae vorgehen werde. Daher ist auch bei der rei vindicatio zu vermuten, daß der vindizierende Eigentümer dann, wenn die Sachbeschädigung von einem Dritten vorgenommen wurde, der Besitzer sie aber in einer Weise, die die Haftung aus der Vindikation begründet, nicht verhindert hat, die Klage aus der lex Aquilia gegen den Schädiger abtreten muß, um die Verurteilung wegen der Wertminderung aus der Vindikation zu bewirken. 225 Hierzu und zum folgenden KASER /HACKL, RZ, 251 f. m.w. N.; aus neuerer Zeit instruktiv insbesondere der kurze Überblick über die Entwicklung bei PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 281 ff. Vgl. ferner WIMMER, Besitz und Haftung (1995) passim. 226 In Betracht kommen die Ansätze, es sei der Besitz nur zur Zeit der litis contestatio oder der Verurteilung oder zu beiden Zeitpunkten erforderlich gewesen; zu dem vielbehandelten Fragment Paulus D. 6,1,27,1, das den Besitz zu beiden Zeitpunkten verlangt, s. aus neuerer Zeit ausführlich WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 12 ff. 227 So etwa KUNKEL /SELB, Römisches Recht (4. Aufl.1987) 537 mit A. 10.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

es aber Fälle gegeben, in denen der iudex den Beklagten trotz Besitzverlusts im laufenden Verfahren verurteilte, weil man unter wertenden Gesichtspunkten eine Forthaftung befürwortete. Auch die Frage, welche Haftungskriterien hier zugrundegelegt wurden, kann hier nicht eingehend behandelt werden.228 Die Beurteilung hing jedenfalls davon ab, ob der Verlust der facultas restituendi auf Zufall oder auf einem (schuldhaften oder gar dolosen) Verhalten des Beklagten beruhte; möglicherweise spielte es für den Haftungsmaßstab auch eine Rolle, ob der Beklagte vor der Klageerhebung gut- oder bösgläubig war. Im Rahmen der vorliegenden Abhandlung ist dagegen nur zu zeigen, daß die römischen Juristen bei einer Forthaftung des Beklagten die Frage nach einer Zession der Klagen des Eigentümers bedachten – und sie ebenfalls unter wertenden Gesichtspunkten unterschiedlich beantworteten, je nach dem Grund des Besitzverlustes. Umstritten ist – über den Fall des Besitzverlusts im laufenden Prozeß hinaus –, inwieweit es im klassischen Recht auch Fälle gab, in denen ein Vindikationsbeklagter verurteilt werden konnte, ohne daß er zu irgendeinem Zeitpunkt im Verfahren die Sache in seinem Besitz hatte. Zwei Fälle werden hier diskutiert. Zum einen geht es um die Konstellation, daß der Beklagte zwar vor dem Prozeß den Besitz innehatte, ihn aber – in Erwartung des drohenden Prozesses – dolos aufgab (qui dolo fecit quo minus possideret). In den überlieferten Quellen findet sich hierzu insbesondere der Satz, daß derjenige, der absichtlich den Besitz an der Sache vor der Streitbefestigung aufgegeben hat, so zu verurteilen sei, als besitze er noch. Doch ist die Klassizität dieser Äußerungen, soweit sie die rei vindicatio betreffen, wegen des Grundsatzes, daß ein Beklagter zur Einlassung auf die Vindikation nicht gezwungen werden konnte,229 noch heute sehr umstritten.230 Da unklar ist, ob sich die Hauptquelle, die die Klagenzession bei Verurteilung wegen dolosen Besitzverlustes betrifft (Paulus D. 6,1,69), auf diesen Fall der Besitzaufgabe ante litem contestatam bezieht, kann die Frage der Authentizität der Passivlegitimation in diesem Fall aber letztlich offen bleiben. In Betracht kommt zum zweiten der Fall, daß der Beklagte bei der Prozeßbegründung – etwa um die Vollendung der Ersitzung durch den wahren Besitzer durch Zeitgewinn zu ermöglichen – arglistig vorgespiegelt hat, die Sache zu besitzen (qui liti se optulit). Auch hier scheinen sich manche Quellen für die Passivlegitimation des Beklagten zur dinglichen Klage auszusprechen. Die Interpretation dieser Fragmente ist aber ebenfalls sehr umstritten. Da die Vorfrage, aus welchem Klagegrund der Beklagte in diesem Fall verurteilt wird, für die Frage der Zession von Klagen des Klägers an den Beklagten eine Rolle 228

Dazu WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 1 ff. mit ausführlicher Meinungsüber-

sicht. 229 230

s. etwa KUNKEL /SELB, Römisches Recht (4. Aufl.1987) 536. s. dazu u. A. 275.

§ 7 Die Klagenabtretung an den Vindikationsbeklagten

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spielt, wird hier die Passivlegitimation zur rei vindicatio analysiert werden müssen.231

II. Paulus D. 6,1,21: Fahrlässiger Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft nach der litis contestatio Zunächst ist also die Klagenzession bei Sachverlust im laufenden Verfahren zu betrachten. In dem ersten – schon reichlich komplizierten – Text, der hier zu nennen ist, behält der Vindikationsbeklagte freilich im technischen Sinne seine possessio an dem vindizierten Gegenstand, er verliert aber seine tatsächliche Sachherrschaft: D. 6,1,21 (Paulus im 21. Buch ad edictum): Si a bonae fidei possessore fugerit servus, requiremus, an talis fuerit, ut et custodiri debuerit. nam si integrae opinionis videbatur, ut non debuerit custodiri, absolvendus est possessor, ut tamen, si interea eum usuceperat, actionibus suis cedat petitori et fructus eius temporis quo possidet praestet. quod si nondum eum usucepit, absolvendum eum sine cautionibus, ut nihil caveat petitori de persequenda ea re: [quo] ‹nihilo› (?) minus enim petitor eam rem persequi potest, quamvis interim, dum in fuga sit, usucapiat.232 nec iniquum id esse Pomponius libro trigensimo nono ad edictum scribit. Si vero custodiendus fuit, etiam ipsius nomine damnari debet, ut tamen, si usu eum non cepit, actor ei actionibus suis cedat. Iulianus autem in his casibus, ubi propter fugam servi possessor absolvitur, etsi non cogitur cavere de persequenda re, tamen cavere debere possessorem, si rem nanctus fuerit, ut eam restituat, idque Pomponius libro trigensimo quarto variarum lectionum probat: quod verius est. Wenn einem gutgläubigen Besitzer ein Sklave (nach Prozeßbegründung) entflohen ist, untersuchen wir, ob er von solcher Art war, daß er auch hätte bewacht werden müssen. Denn wenn er einen einwandfreien Ruf zu haben schien, so daß er nicht hätte bewacht werden müssen, ist der Besitzer freizusprechen, jedoch mit der Maßgabe, daß er dem Kläger seine Klagen abtritt, falls er den Sklaven zwischenzeitlich ersessen hatte, und außerdem die Nutzungen aus der Zeit, zu der er ihn besaß, zurückgewährt. Wenn er (der Beklagte) ihn noch nicht ersessen hat, sei er ohne Sicherheitsleistung freizusprechen, so daß er dem Kläger bezüglich der prozessualen Verfolgung der Sache nichts zu versprechen brauche: Um nichts weniger nämlich kann der Kläger diese Sache verfolgen, obschon er (der Besitzer) währenddessen, solange er (der Sklave) auf der Flucht ist, weiterhin ersitzt.233 Dies sei auch nicht 231

Dazu unten S. 95 ff. MOMMSEN /KRÜGER belassen es bei quo minus . . . und setzen hinter usucapiat ein Fragezeichen. Die hier vorgeschlagene Emendation befürwortete schon HALOANDER, zit. nach CUJAZ, Ad diversos titulos pandectarum recitationes, ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 294. 233 B/K/K/S [WOLLSCHLÄGER] übersetzen quo minus . . . usucapiat – ohne die hier vorgeschlagene Emendation und mit der Interpunktion von MOMMSEN /KRÜGER: „Denn soll der Kläger diese Sache nicht verfolgen können, auch wenn der Besitzer, während der Sklave auf der Flucht ist, die Ersitzung vollenden kann?“ 232

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung unbillig, schreibt Pomponius im 39. Buch zum Edikt. Wenn er (der Sklave) aber zu bewachen war, muß er (der Besitzer) auch wegen des Sklaven selbst verurteilt werden, jedoch mit der Maßgabe, daß der Kläger ihm seine Ansprüche abtritt, wenn er (der Beklagte) ihn noch nicht ersessen hat. Julian aber bemerkt zu den Fällen, in denen der Besitzer wegen der Flucht des Sklaven freigesprochen wird: Obwohl der Besitzer nicht gezwungen werde, wegen der prozessualen Verfolgung der Sache Sicherheit zu leisten, müsse er gleichwohl Sicherheit dafür leisten, daß er die Sache zurückgewähre, falls er sie erlange. Das billigt auch Pomponius im 34. Buch seiner Lesefrüchte, und es ist richtiger.234

Der gutgläubige Besitzer eines Sklaven wurde mit der rei vindicatio235 belangt. Ihm ist jedoch der Sklave entlaufen. Für die Frage der Haftung des Beklagten ist nach Paulus danach zu differenzieren, ob der Sklave nach dem, was man von seinem Verhalten wußte, hätte bewacht werden müssen. Wenn kein Anlaß für eine Bewachung des Sklaven bestand (Fall 1), ist der Beklagte im Grundsatz freizusprechen. Paulus unterscheidet hier zwei Stadien: Wenn der Beklagte den Sklaven zwischenzeitlich (interea) ersessen hat (Unterfall a), muß er – um von der Haftung auf den Sachwert freigesprochen zu werden – gezogene Nutzungen auskehren und die Klagen abtreten, die ihm wegen der Ersitzung gegen Dritte zustehen. Hat dagegen der Beklagte die Ersitzungsfrist noch nicht vollendet (Unterfall b), so ist er ohne Zession von Ansprüchen freizusprechen. In bezug auf diesen Fall ist der Text allerdings leicht widersprüchlich und die Darstellung auffällig ungeordnet: Zunächst heißt es – in einer von Paulus in indirekter Rede wiedergegebenen Aussage, deren Autor uns nicht überliefert ist –, der Beklagte müsse keine Sicherheiten leisten. Diese Aussage wird aber sofort ergänzt oder präzisiert mit dem Nachsatz, daß er nicht für die gerichtliche Verfolgung der Sache Sicherheit leisten müsse (de persequenda ea re). Demnach erscheint nun wieder möglich, daß eine Sicherheit anderen Inhalts zu leisten ist. Die nachfolgende Begründung quo minus enim . . . usucapiat bleibt (ohne die hier vorgeschlagene Emendation) dunkel und ist kaum zu übersetzen. Sodann wird Pomponius angeführt, der diese Ansicht als nicht ungerecht (nec iniquum) gebilligt habe. Daraufhin bespricht Paulus den Fall, daß der Beklagte seinen Überwachungspflichten hinsichtlich des fremden Sklaven nicht genügt hat (Fall 2, dazu sogleich), kommt aber anschließend auf die Fälle eines nicht bewachungsbedürftigen Sklaven zurück (Fälle 1a und 1b): Julian meine, hier müsse der Beklagte, auch wenn er keine Sicherheit de persequenda re zu leisten habe, dennoch Kaution dafür leisten, daß er den Sklaven restituiere, wenn 234 Die Übersetzungen von Quellen aus den Institutionen oder aus den Büchern 1–20 der Digesten in dieser Arbeit lehnen sich in der Regel an die Übersetzung von B/K/K/S an. Übereinstimmungen und Abweichungen sind nur kenntlich gemacht, wenn sie für die Interpretation von besonderer Bedeutung sind. 235 Das ergibt sich aus der Palingenesie – nach LENEL, Palingenesia I 1006 f. (Paulus Nr. 335) stand das Fragment bei Paulus im Abschnitt de rei vindicatione – und wird durch die Einordnung im Digestentitel de rei vindicatione bestätigt.

§ 7 Die Klagenabtretung an den Vindikationsbeklagten

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er ihn wiedererlange. Abermals wird Pomponius angeführt, der auch diese Ansicht (in einem anderen Werk)236 gebilligt haben soll. Abschließend stimmt ihr auch Paulus zu. Zwischendurch behandelt Paulus den Fall, der in dem hier gewählten Zusammenhang von eigentlichem Interesse ist (Fall 2): Wenn der Sklave hätte bewacht werden müssen (insbesondere weil seine Fluchtabsicht schon vorher erkennbar war), haftet der Beklagte dem Vindikanten auf den Wert des Sklaven. Um die Verurteilung in den Schätzwert zu erreichen, muß der Vindikant dem Beklagten jedoch noch im Erkenntnisverfahren seine Ansprüche gegen Dritte abtreten, sofern der Beklagte nicht bereits nach der litis contestatio den Sklaven ersessen hat. Manche Einzelheiten des von Paulus behandelten Sachverhalts lassen sich nur mittelbar erschließen, manche Eigentümlichkeiten des römischen Ersitzungsrechts läßt der Text implizit erkennen: Da Paulus von der Möglichkeit der Ersitzung ausgeht, muß der Beklagte nicht nur ein gutgläubiger Besitzer sein, wie es im Text ausdrücklich heißt. Er muß darüber hinaus den Ersitzungsbesitz haben, den Sklaven also von einem Nichtberechtigten gutgläubig erworben haben.237 Aus der Unterscheidung danach, ob der Vindikationsgegner den Sklaven hätte bewachen müssen oder nicht, läßt sich ferner erkennen, daß Paulus hier an eine Flucht nach Begründung des Vindikationsprozesses denkt. Denn die Unterscheidung wird hier daran geknüpft, ob der Besitzer seine Sorgfaltspflichten hinsichtlich des Sklaven erfüllt hat, ob ihn also an der Flucht des Sklaven eine culpa trifft.238 Dieser technische Begriff wird zwar im Text nicht genannt.239 236 Nämlich in den variae lectiones. Diese sind eine Sammlung von Exzerpten aus verschiedenen Juristenschriften, die Pomponius zur Vorbereitung seiner großen Schriften ad edictum (aus dieser Schrift stammt das erste Pomponius-Zitat des Paulus-Textes) und ad Sabinum angefertigt sowie mit eigenen Kommentaren versehen hat, s. F. SCHULZ, Geschichte (1961) 280 mit A. 2; LIEBS in HLL § 422, S. 149 f. 237 Ebenso WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 51; dagegen kann es sich nicht um den Fall handeln, daß der Sklave dem Beklagten vom Eigentümer verkauft und schlicht tradiert wurde; hier stünde dem Beklagten die exceptio rei venditae et traditae zu. 238 Ebenso schon CUJAZ, Ad diversos titulos pandectarum recitationes, ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 [Ed. FABROTUS 1658) Sp. 292, 295; CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 63; KASER, RP I 436 A. 50; DERS., FG v. Lübtow (1980) 297 A. 33 = DERS., Rechtsquellen (1986) 222 A. 33; DERS., SZ 98 (1981) 129 bei A. 199, S. 132 bei A. 212; A. WACKE, FS Niederländer (1991) 152 f. mit A. 44; WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 16 A. 99; S. 51 ff., 80; anderer Auffassung F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 83 f.: Der gutgläubige Besitzer hafte von der Litiskontestation ab für custodia, wie sich u. a. aus Paulus D. 6,1,21 ergebe. Wieder anders CANNATA, Richerche sulla responsabilità (1966) 46 ff.: Der verklagte Besitzer schulde custodia nur beim servus qui custodiri solet, also einem Sklaven, der aufgrund seiner geistigen Haltung, seines jungen oder hohen Alters oder aus anderem Grund überwachungsbedürftig sei. 239 Anders aber im Paralleltext (Julian-)Ulpian, D. 21,2,21,3 (dazu SCHIPANI, Responsabilità [1971] 56 ff.; A. WACKE, FS Niederländer [1991] 152 f.), in dem uns die-

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Daß aber die klassischen Juristen das Unterlassen einer Bewachung bei einem Sklaven, der wegen seines früheren Verhaltens zur Flucht zu neigen scheint,240 als culpa bewerten, ergibt sich etwa aus Gaius D. 6,1,36,1.241 Eine Haftung des gutgläubigen Besitzers für culpa kommt aber erst ab dem Zeitpunkt der Prozeßbegründung (litis contestatio) in Betracht.242 Anders als im geltenden deutschen Recht (§§ 941 f. BGB) unterbricht die Klageerhebung im römischen Recht die Ersitzung nicht: Der Beklagte kann, wie Paulus voraussetzt, noch im laufenden Prozeß243 die Ersitzungsfrist vollenden.244 Auch die Flucht des Sklaven verhindert nicht die Möglichkeit der Ersitzung. Der Beklagte verliert durch die Flucht des Sklaven nämlich nicht den Besitz im technischen Sinne. Die possessio soll nach römischer Vorstellung nicht durch die Eigenmacht des Sklaven aufgehoben werden und wird deshalb solange als fortbestehend angesehen, wie nicht ein Dritter den Besitz am Sklaven erlangt.245 Im vorliegenden Text ist dies schon daran erkennbar, daß der Beklagte trotz der Flucht des Sklaven noch als possessor bezeichnet wird. Die

selbe Unterscheidung begegnet: Flieht der Sklave culpa possessoris, wird der Besitzer zur litis aestimatio verurteilt, flieht der Sklave sine culpa possessoris, wird der Besitzer nach Leistung von Kautionen freigesprochen (cautionibus interpositis absolutus). 240 Als einen anderen Fall der Bewachungsbedürftigkeit nennt WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 52 unter Berufung auf KASER, SZ 96 (1979) 110 die Jugendlichkeit des Sklaven. Paulus denkt in D. 6,1,21 aber an einen Sklaven, der wegen seines (durch sein Vorverhalten erworbenen) schlechten Rufes bewachungsbedürftig ist. Zur Unterscheidung der überwachungsbedürftigen von den nicht überwachungspflichtigen Sklaven aus jüngerer Zeit CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 180 ff. 241 Culpae autem reus est possessor . . . (sed et) qui fugitivum a se petitum non custodit, si is fugit, . . . – Wegen Verschuldens haftet aber ein Besitzer, . . . der einen zur Flucht neigenden Sklaven, der von ihm herausverlangt wird, nicht bewacht, wenn er (der Sklave) entflieht . . .; vgl. auch Gaius D. 13,6,18pr. 242 Vgl. neben Gaius D. 6,1,31 nur Ulpian D. 6,1,45; ebenso A. SCHMID, Cession I (1863) 261 bei A. 11; B/K/K/S [WOLLSCHLÄGER] ad h. l. Im Paralleltext (Julian-)Ulpian D. 21,2,21,3 wird die litis contestatio ausdrücklich genannt. – Zum Meinungsstand darüber, welcher Verschuldensgrad den Vindikationsbeklagten trifft, s. WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 1 ff. sowie die Zusammenfassung der eigenen Stellungnahme 122 ff. WIMMER selbst geht ad h. l. (S. 51 mit A. 237) auch von einer Flucht während des Vindikationsprozesses aus, weist aber darauf hin, daß unter dem Gesichtspunkt der Passivlegitimation nicht auszuschließen ist, daß der Sklave bereits vor der Litiskontestation entflohen sei. 243 Interea meint also „während des Verfahrens“; hätte der Beklagte die Ersitzung bereits vor Prozeßbegründung vollendet, wäre er und nicht mehr der Vindikant ziviler Eigentümer, so daß die Vindikation abzuweisen wäre; ebenso KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 249. 244 (Julian-)Paulus D. 41,4,2,21; zur „Ersitzung während des Eigentumsprozesses“ KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 237 ff. 245 Gaius D. 41,2,15; Ulpian D. 41,2,13pr.; 44,3,8; vgl. (Julian-)Ulpian D. 47,2,17,3; CUJAZ, Ad diversos titulos pandectarum recitationes, ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 292 f.; KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 248 f.; WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 51 mit A. 238.

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Verurteilung des Beklagten steht also nicht deswegen in Frage, weil seine Passivlegitimation zweifelhaft sei, sondern wegen der verlorenen facultas restituendi.246 Wegen des unverschuldeten Verlusts der facultas restituendi wird dem Beklagten in den ersten Fällen (Fälle 1a und 1 b) eine Haftungserleichterung gewährt. Der Beklagte kann hier die Verurteilung in den Sachwert abwenden,247 wenn er eine andere (weniger einschneidende) Leistung erbringt; bei der Bestimmung dieser beschränkten Leistung wird danach unterschieden, ob der Beklagte noch während des Vindikationsprozesses die Ersitzung vollendet (Fall 1a) oder nicht (Fall 1 b). Im allgemeinen gilt: Vollendet ein Vindikationsbeklagter nach Klageerhebung noch im laufenden Verfahren die Ersitzung, so wird er zwar ziviler Eigentümer, er muß aber, da er rechtzeitig vor Ersitzung verklagt worden ist, den Sklaven restituieren, also ihn herausgeben und an den Vindikanten (mittels mancipatio) zurückübereignen. Ferner muß er zusätzlich eine cautio de dolo leisten, um insbesondere den Fällen vorzubeugen, daß er – für den iudex wie für den Kläger nicht erkennbar – den Sklaven zwischenzeitlich verpfändet oder freigelassen hat.248 Wenn – wie hier im Fall 1 a – der Sklave aber entflohen ist, kann der Beklagte ihn nicht herausgeben. Weil er jedoch bei einem servus non custodiendus für den Verlust nicht verantwortlich ist, genügt der Beklagte seiner Restitutionspflicht, wenn er dasjenige herausgibt, was er von dem Sklaven noch hat.249 Deswegen reicht es nach Paulus aus, wenn er die ihm (als jetzigem Eigentümer) zustehenden Klagen (also insbesondere die rei vindicatio, falls der Sklave in den Besitz eines Dritten gelangt)250 dem Vindikanten abtritt sowie den Wert gezogener Nutzungen erstattet. Nach der von Julian begründeten und von Pomponius und Paulus geteilten Auffassung, die am Ende des Fragments dargestellt wird, muß der Beklagte aber noch eine Sicherheit dafür leisten, daß er den Sklaven dem Kläger herausgibt, wenn er den Sklaven wieder in seine Gewalt bekommt (cautio de restituendo). Ob der Jurist, den Paulus mit absolvendum eum sine cautionibus für den Fall 1 b zitiert, für den Fall 1a

246 WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 51 f. mit A. 239. Deutlich ist etwa Ulpian D. 10,4,5,6: Item si quis facultatem restituendi non habeat, licet possideat, tamen ad exhibendum non tenebitur, ut puta si in fuga servus sit: ad hoc plane solum tenebitur, ut caveat se exhibiturum, si in potestatem eius pervenerit. 247 Der Beklagte wird also nicht etwa zur Abtretung bzw. Sicherheitsleitung verurteilt, sondern nur mit der Inaussichtstellung der Klageabweisung dazu veranlaßt. Druckmittel ist mithin die Verurteilung zum Sachwert, so daß also die Haftung des Beklagten im Grundsatz fortdauert; vgl. KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 251; WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 56 m.w. N. in A. 259; kritisch hierzu und deswegen für weitreichende Interpolationsannahmen CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 61 ff.; 70. 248 Genaueres bei KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 243 ff. 249 Nach KASER, SZ 98 (1981) 130 f. mit A. 205 handelt das ganze Stück von D. 6,1,13 bis 23 im wesentlichen von dem Gedanken, daß der Vindikationsbeklagte, gleich ob er für Verschulden hafte oder nicht, keine Bereicherung behalten dürfe. 250 Außer ihr die actio ad exhibendum – so CUJAZ, Ad diversos titulos pandectarum recitationes, ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 292 –, aber auch eine Klage aus der lex Aquilia, falls der Sklave nach der Ersitzung durch den Beklagten von einem anderen getötet worden ist, so der Paralleltext (Julian-)Ulpian D. 6,1,17,1; dazu KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 246 ff.

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dem Beklagten sogar eine cautio de persequenda re251 auferlegen wollte, wie KLIN252 meint, ist zweifelhaft.253 GENBERG Im Fall 1 b scheint der Beklagte freigesprochen zu werden, ohne daß er zur Abtretung der ihm durch eine nachträgliche (im Anschluß an den Freispruch noch vollendete) Ersitzung vielleicht noch zufallenden sachverfolgenden Klagen verpflichtet wurde.254 Auch hier lehnen Julian, Pomponius255 und Paulus eine cautio de persequenda re ab und befürworten stattdessen eine bloße cautio de restituendo.256 Die Ablehnung einer cautio de persequenda re gründet sich darauf, daß der Kläger wegen seiner eigenen Verfolgungsmöglichkeiten257 grundsätzlich258 nicht darauf angewiesen 251 Mit einer solchen Kaution verspricht der Beklagte nach dem typischen Sprachgebrauch der Quellen, den entlaufenen Sklaven selbst zu verfolgen und dem Kläger auszuliefern: Auch in anderen Fällen, in denen ein herauszugebender Sklave entflohen ist, wird dem Beklagten eine Pflicht zu aktiver Verfolgung des Sklaven auferlegt, die von einer bloßen Pflicht, den Sklaven im Falle der (selbst nicht geschuldeten) Wiedererlangung herauszugeben, deutlich unterschieden wird, vgl. etwa Ulpian D. 4,2,14,11 (im Unterschied zu D. 4,2,14,5: nur Restitutionskaution) zur actio quod metus causa; D. 30,69,5 zur Klage aus Vermächtnis; in unklarem Zusammenhang Inst. 3,18,1 (2. Fall im Gegensatz zum 3. Fall: cautio de pretio restituendo). In diesem Sinne einer Pflicht zur eigenen Verfolgung des Sklaven interpretieren die cautio de persequenda re auch KASER, SZ 94 (1977) 119 f. mit A. 60 ad h. l.; GIOMARO, „Cautiones iudiciales“ e „officium iudicis“ (1982) 71 ff. (allgemein zur cautio de persequendo servo qui in fuga est), insbesondere 102 ff. ad h. l., (dagegen 40 ff. zur cautio de restituendo); vgl. auch KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 251: Die Verpflichtung des Beklagten aus der cautio de re persequenda gehe – über die cautio de re restitutenda hinaus – „vor allem dahin, Schritte zur Wiedererlangung des servus zu setzen.“ – Zu den verschiedenen Kautionen, die der iudex dem Beklagten auferlegen kann, s. noch die bei KASER / HACKL, RZ, 338 A. 27 ff. angeführte Literatur. 252 KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 249 f. 253 Dafür läßt sich ein argumentum e contrario anführen, da dieser Jurist im Fall 1 b jedenfalls die cautio de persequenda re ablehnt und der Fall 1b mit der einen Gegensatz andeutenden Wendung quod si eingeleitet wird. Eine solche Pflicht des Beklagten, selbst die Verfolgung des Sklaven zu übernehmen, würde aber schlecht zu der im Fall 1a bestehenden Pflicht des Beklagten zur Zession seiner Ansprüche passen: Die Zession ermöglicht es dem Kläger, die Verfolgung selbst zu übernehmen. 254 Warum die Juristen nicht eine Zession dieser dem Beklagten möglicherweise in Zukunft zukommenden Klagen anordnen, bleibt nicht ganz verständlich. Diese Lösung wäre am gerechtesten; das Versprechen zukünftiger Zession war den Juristen an sich nicht fremd (vgl. Paulus D. 6,1,69). Vielleicht erschien ihnen aber der Eintritt dieses Falles zu unwahrscheinlich. Er setzt nämlich voraus, daß der Sklave nach Abschluß des Prozesses noch so lange in niemandes Gewalt gelangt, bis sich die Ersitzung des Beklagten vollendet, und erst danach ein Dritter die possessio am Sklaven erlangt. 255 Wenn man Pomponius nicht vorwerfen möchte, in dem Ediktskommentar eine andere Auffassung zu vertreten als in den diesen Kommentar vorbereitenden variae lectiones (s. o. A. 236), ist die Billigung des Pomponius mit nec iniquum id esse in der Mitte des Fragments so zu verstehen, daß er dem Voranstehenden nur insoweit zustimmt, als eine cautio de persequenda re abgelehnt wird, nicht auch in bezug auf eine Ablehnung jeder Kautionsleistung durch den Beklagten. 256 Vgl. auch Ulpian D. 10,4,5,6 (o. A. 246) für den Fall der Inanspruchnahme aus der actio ad exhibendum. 257 Der Kläger kann als Eigentümer insbesondere staatliche Hilfe zur Ergreifung des Sklaven in Anspruch nehmen (aus den Digesten s. hierzu insbesondere den Titel

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ist, daß der Beklagte, der schuldlos die facultas restituendo verloren hat, für ihn tätig wird.259 Die Ansicht des von Paulus zitierten unbenannten Juristen ist auch für diesen Fall nicht ganz klar: Mit absolvendum eum sine cautionibus (ut nihil caveat de perse11,4). Er hat vor allem selbst die rei vindicatio, um den Sklaven herauszuverlangen, wenn er in den Besitz eines Dritten gelangen sollte (und bedarf deswegen nicht einer Abtretung der dem Ersitzungsbesitzer zustehenden actio Publiciana; zu ihr in diesem Zusammenhang s. CUJAZ, Ad diversos titulos pandectarum recitationes, ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 [Ed. FABROTUS 1658] Sp. 294). Zu den Möglichkeiten des dominus, einen fugitivus zu verfolgen, s. im übrigen BELLEN, Studien zur Sklavenflucht im römischen Kaiserreich (1971) 5 ff. 258 Die Gewährung einer bloßen cautio de restituendo ist freilich nicht unproblematisch in dem o. A. 254 geschilderten Fall, daß die Ersitzungsfrist zugunsten des Vindikationsbeklagten erst nach Prozeßbeendigung vollendet wird und der Sklave daraufhin in den Besitz eines Dritten gelangt. Dann kann der (frühere) Vindikant selbst nicht mehr gegen den Dritten vorgehen, weil er nicht mehr ziviler Eigentümer des Sklaven ist. Andererseits kann er vom (früheren) Vindikationsbeklagten aus der cautio de restituendo grundsätzlich nicht die (gerichtliche) Verfolgung verlangen; der Wortlaut der Kautionsklausel si rem nanctus fuerit, ut eam restituat bezieht sich nämlich eigentlich nur auf den Fall, daß der Beklagte die tatsächliche Gewalt über den Sklaven wiedererlangt. Doch wird Julian für diesen Fall einen Ausweg gefunden haben: Wenn der Vindikant dem früheren Vindikationsbeklagten mitteilt, in wessen Besitz sich der Sklave befindet, und der Vindikationsbeklagte nur deswegen nicht gegen den Besitzer vorgeht, weil er den wiedererlangten Sklaven aufgrund der cautio de restituendo an den Vindikanten herausgeben müßte, so handelt der Beklagte arglistig. Wer aber arglistig den Eintritt einer Bedingung vereitelt, wird so behandelt, als sei die Bedingung eingetreten: Dieser Satz gilt nicht nur für die Testamentsauslegung, sondern auch bei den wortförmlichen Stipulationen (s. Julian D. 35,1,24 = Ulpian D. 50,17,161: In iure civili receptum est, quotiens per eum, cuius interest condicionem non impleri fiat quo minus impleatur, perinde haberi, ac si impleta condicio fuisset. quod ad libertatem et legata et ad heredum intitutiones perducitur. quibus exemplis stipulationes quoque committuntur, cum per promissorem factum esset, quo minus stipulator condicioni pareret. Dazu und zum heutigen § 162 [Abs. 1] BGB s. KNÜTEL, Stipulatio poenae [1976] 108, 211, vgl. auch das ursprünglich auf die Testamentsauslegung bezogene Fragment Paulus D. 50,17,15: Qui actionem habet ad rem recuperandam, ipsam rem habere videtur; dazu u. A. 958). Der Beklagte muß daher aus der Kaution den Sklaven restituieren, notfalls durch Zahlung des Geldwertes. 259 Daß der Eigentümer auf ein Tätigwerden des Ersitzungsbesitzers zur Verfolgung des Sklaven nicht angewiesen ist, ist – im Ergebnis wohl unstreitig – mutmaßlich der Sinn des schwer verständlichen quo minus-Satzes. Eine Emendation halten B/K/K/S (s. schon o. A. 233) nicht für nötig; ebenso bereits mit ausführlicher Begründung KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 250, der übersetzt: „Wodurch kann er (scil. der Kläger) diese Sache weniger verfolgen, auch wenn er (scil. der Beklagte) in der Zwischenzeit, während er (scil. der Sklave) auf der Flucht ist, weiterhin ersitzt?“ Wenn man den Satz aber mit der MOMMSEN’SCHEN Digestenausgabe als rhetorische Frage verstehen wollte, wäre quamvis die falsche Konjunktion: Der Nebensatz müßte dann kausalen, nicht konzessiven Charakter haben, es müßte also etwa heißen: „Um was weniger kann der Kläger die Sache [deswegen] verfolgen, weil der Beklagte . . . weiterhin ersitzt?“ Daher erscheint eine Emendation unumgänglich. GLÜCK, Pandecten VIII 1. Abt. (1807) 233 liest deswegen im Anschluß an FABER und POTHIER statt [quominus] ‹cominus› (mit der Bedeutung von recta via oder statim; eine Übersetzung lautete also etwa: „Sofort nämlich kann der Kläger die Sache verfolgen, obwohl der Beklagte unterdessen, solange er [= die Sache/der Sklave] auf der Flucht ist, weiterhin den Ersitzungsbesitz hat“; ähnlich SINTENIS, in: Otto/Schilling/

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quenda ea re) lehnt dieser jedenfalls eine Pflicht zur Leistung der cautio de persequanda re ab. Ob er darüber hinaus auch die Leistung jeglicher Kaution (also insbesondere auch der cautio de restituendo) für unnötig hält, bleibt fraglich; unklar ist nämlich, ob die Einschränkung ut nihil caveat de persequenda re noch Teil des Zitates ist oder schon ein Kommentar von Paulus. Am plausibelsten ist vielleicht die Annahme, daß es sich um einen gegenüber Julian älteren Juristen handelt, der noch jegliche Kautionsleistung in diesem Fall ablehnte, und erst Julian die cautio de restituendo einführte.260 Doch ist die Entwicklung des Meinungsstreites anhand dieses Textes kaum noch zu erkennen; der Kontroversenbericht scheint gekürzt zu sein.261

Für das hier zu behandelnde Thema ist aber eigentlich der Fall 2 von Interesse,262 in dem der Beklagte die Flucht des Sklaven schuldhaft nicht verhindert hat. Der Beklagte haftet wegen seines Verschuldens trotz des Verlustes der facultas restituendi auf den Wert des Sklaven. Der Kläger muß ihm aber, um die Verurteilung zu erreichen, seine Klagen zedieren; der iudex erzwingt also die Zession der Ansprüche an den Beklagten durch Vorenthaltung des kondemnierenden Urteils.263 Sintenis, Das Corpus Juris Civilis in’s Deutsche übersetzt I [2. Aufl. 1839] 642 ad h. l. mit der schwer verständlichen A. 13 zu den verschiedenen Lesarten). Diese Emendation ablehnend CUJAZ, Ad diversos titulos pandectarum recitationes, ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 294. Umständlicher als dieser Emendationsvorschlag ist die Lösung von WESTPHAL, System des Römischen Rechts über die Arten der Sachen, Besitz, Eigenthum, und Verjährung (1788) § 934 (S. 721 f., 724), der quominus als quid impedit quo minus liest und damit wie MOMMSEN die Erwägung als eine rhetorische Frage interpretiert. Ähnlich wie WESTPHAL auch CUJAZ, a. a. O., der ohne Emendation vor quo minus die Worte nihil vetat hineinliest. Am klarsten kommt der Sinn durch die hier (mit HALOANDER) vorgeschlagene Verbesserung von [quo] in ‹nihilo› zum Ausdruck (a. A. CUJAZ, a. a. O.). In Ergänzung zu quamvis ist nihilo minus am ehesten zu erwarten (vgl. HEUMANN /SECKEL, s. v. quamvis). Unbefriedigend ist jedenfalls die These, der Satz sei interpoliert; so aber V. BESELER, Beiträge III (1913) 180; CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 62. – Zu diesem Satz s. im übrigen noch GIOMARO, „Cautiones iudiciales“ e „officium iudicis“ (1982) 103 f. 260 Interessant ist jedenfalls der Plural des Wortes cautionibus: An welche verschiedenen Kautionen denkt der unbenannte Jurist hier, nachdem zuvor noch gar nicht explizit von Sicherheitsleistungen gesprochen worden war? Man könnte den Plural damit rechtfertigen, daß der Jurist nicht nur die cautio de persequenda und die cautio de restituendo ablehnt, sondern auch die cautio de dolo. Er läßt sich aber auch als Indiz dafür werten, daß die zuvor für den Fall 1a geschilderte Pflicht des Beklagten zur Zession seiner Klagen durch eine Kaution abgesichert wurde; s. dazu noch das Sonderkapitel u. S. 109 ff. 261 Eine Kürzung des Kontroversenberichts nimmt auch KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 249 an. 262 Vor allem zu diesem Fall s. OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 257; CARRELLI, L’acquisto (1934) 50 f. 263 Die Klagenzession halten auch in diesem Fall für interpoliert V. BESELER, Beiträge III (1913) 180; CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 56, 62, 65: Neben angeblichen formalen Kriterien führt CHIAZZESE an, die Klagenzession an den Beklagten sei in allen Fällen interpoliert, da dem zur Zahlung der litis aestimatio Verurteilten, der trotz Besitzverlustes hafte, eine eigene actio quasi Publiciana zustehe. Die An-

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Die zu zedierenden Ansprüche werden im Text nicht genauer bezeichnet. Das Fragment enthält aber die Einschränkung, die Klagen seien nur abzutreten, sofern der Beklagte noch nicht ersessen hat. Es geht also um Ansprüche, die bis zur Ersitzung durch den Beklagten dem Vindikanten zustehen, nach der Ersitzung aber auch ohne Abtretung dem Beklagten, also um Ansprüche aus dem Eigentum. Ein solcher ist in erster Linie die rei vindicatio,264 die nur voraussetzt, daß ein Dritter die possessio am Sklaven erlangt hat. Der klagende Eigentümer könnte nämlich, wenn er sie nicht zedieren müßte, ungeachtet der Inanspruchnahme des jetzigen Vindikationsbeklagten auch gegen Nachbesitzer des jetzigen Beklagten mit der rei vindicatio vorgehen, da die litis contestatio Konsumptionswirkung nur bei actiones in personam besitzt.265 Die rei vindicatio ist dem Beklagten zu zedieren, obwohl ihm – was Paulus hier nicht erwähnt – als Ersitzungsbesitzer eine eigene Klage (die actio Publiciana) gegen einen Dritten zusteht, der den Sklaven besitzt.266 Außer der Vindikation erwähnt die Literatur zu diesem Paulus-Text noch die actio ad exhibendum, die condictio furtiva, eine Klage nach der lex Aquilia oder die actio servi corrupti.267 Eine condictio furtiva kommt allerdings angesichts des Sachverhalts (si . . . servus fugerit) zumindest gegen den unmittelbaren nahme einer actio quasi Publiciana ist allerdings abzulehnen; wahrscheinlich gab es vielmehr aufgrund der Verurteilung zur Zahlung der litis aestimatio nur eine echte actio Publiciana. Diese setzte aber voraus, daß der Beklagte bei der litis aestimatio im Besitz der Streitsache war (s. zu allem ausführlich u. S. 298 ff.). Im konkreten Fall hat nun allerdings der Beklagte durch die Sklavenflucht die possessio nicht verloren. Ihm steht daher in der Tat eine actio Publiciana zu, sei es wegen des früheren Titels, aufgrund dessen er schon vor dem Prozeß Ersitzungsbesitzer war, oder aufgrund der litis aestimatio (s. zu diesem Problem der Konkurrenz zweier Titel noch sogleich A. 266). Doch bleibt auch hier die Zession der Klagen des zivilen Eigentümers sinnvoll: Zum einen kann es im Hinblick auf die Beweislage dem verurteilten Vindikationsbeklagten günstiger erscheinen, sich statt auf die eigene actio Publiciana auf die zedierte rei vindicatio zu berufen. Zum anderen stellt die Kaution, die vermutlich die Zession begleitete (dazu u. S. 109 ff.), sicher, daß der Kläger mit seiner rei vindicatio dem Beklagten nicht in die Quere kommt. 264 A. SCHMID, Cession I (1863) 260; WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 117 A. 514; die rei vindicatio übergeht dagegen KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 251. 265 KASER, RZ, 227 f., 229 ff. 266 Dazu noch u. S. 310 ff. (zu Papinian D. 6,1,63). Ob auch hier die Regel von (Julian-)Paulus D. 41,4,2,21 (dazu u. S. 313) gilt, daß nämlich die bislang aus dem Kauf vom Nichtberechtigten herrührende causa possessionis abgelöst wird durch die causa pro emptore wegen der Streitwertzahlung, kann hier dahinstehen. Dem Wortlaut (maluerim) nach betrifft D. 41,4,2,21 einen reus contumax, der es vorzieht, anstelle der (ihm möglichen) Sachrückgabe den Streitwert zu zahlen. Mit diesem Fall hat D. 6,1,21 gemeinsam, daß der Beklagte noch die possessio am Streitgegenstand hat; da der Sklave geflohen ist, trifft hier der Beklagte allerdings mangels facultas restituendi aber keine echte Wahl. 267 Die Erörterung der actio ad exhibendum und der actio servi corrupti geht auf das Basilikenscholion 77 zu Bas. 15,1,21 (Ed. HEIMBACH: Supplementum von ZACHARIAS V. LINGENTHAL [1846] 16) zurück, die sie aber in anderem Zusammenhang (nämlich zu Fall 1a) erwähnt.

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Nachbesitzer des Vindikationsbeklagten kaum in Betracht. Auch an eine actio servi corrupti wird der Verfasser des Fragments nicht in erster Linie gedacht haben, da der Sklave custodiendus war, also bereits zuvor erkennbar zur Flucht neigte,268 und es auch sonst keinen Anhalt dafür gibt, daß der Sklave zur Flucht angestiftet worden sein könnte. Auch für eine zwischenzeitliche Tötung oder Verletzung des Sklaven enthält der Sachverhalt keinen Hinweis, so daß im konkreten Fall eine actio legis Aquiliae weniger in Betracht kommt.269 Mit der Verwendung des Plurals actionibus wird Paulus daher in erster Linie an die rei vindicatio und die actio ad exhibendum gedacht haben, vielleicht auch noch daran, daß die rei vindicatio gegen verschiedene Passivlegitimierte in Betracht kommt, wenn der Sklave nach der Flucht noch mehrfach den Besitzer wechselt.

III. Keine Klagenzession bei dolosem Besitzverlust 1. Paulus D. 6,1,69 Eine auffällige Ausnahme vom Prinzip der Klagenzession enthält: D. 6,1,69 (Paulus im 13. Buch ad Sabinum) Is qui dolo fecit quo minus possideret hoc quoque nomine punitur, quod actor cavere ei non debet actiones, quas eius rei nomine habeat, se ei praestaturum. Derjenige, der absichtlich bewirkt hat, daß er nicht mehr besitzt, wird auch in der Weise gestraft, daß der Kläger ihm nicht Sicherheit dafür leisten muß, daß er ihm die Klagen, die er wegen dieser Sache hat, abtreten werde. Zu Fall 2 führt A. SCHMID, Cession I (1863) 260 alle genannten Klagen auf; nur die Klage aus der lex Aquilia und die actio servi corrupti KLINGENBERG, FS Wesener (1992) 251 b. A. 49; WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 117 A. 514. 268 Freilich schließt eine bereits vorhandene „schlechte Gesinnung“ des Sklaven eine actio servi corrupti nicht aus, Ulpian D. 11,3,1,4. Wenn daher der Sklave hier aufgrund der Anstiftung eines Dritten entflohen wäre, stünde die actio servi corrupti dem vindizierenden Eigentümer zu, und zwar wohl ohne aufgrund der Ersitzung durch den Beklagten ipso iure auf den Beklagten überzugehen (vgl. KLINGENBERG, FS Wesener [1992] 251 A. 48). Daher wäre auch noch nach der Ersitzung eine Zession dieser Klage sinnvoll. Paulus erwähnt die Klagenzession aber nur für den Fall, daß der Beklagte nicht während des Prozesses ersessen hat. Das wird eben daran liegen, daß Paulus an die actio servi corrupti im konkreten Fall nicht gedacht hat; nicht läßt sich daraus ableiten, daß Paulus dem Beklagten ggf. ein Recht auf die Abtretung dieser Klage verweigern wollte. Zwar geht die actio servi corrupti auf das Doppelte des Wertes des Sklaven (KASER, RP I 629), so daß der Beklagte aus ihr mehr erlangen könnte, als er selbst geleistet hat. Doch läßt Paulus dem Entschädigenden auch in anderen Quellenbelegen eine Klage abtreten, deren Klageziel ihm mehr als seine Entschädigungsleistung einbringen würde (vgl. dazu u. S. 133 ff. zu Paulus D. 4,6,9,4; und S. 160 ff. zu Paulus D. 47,2,54(53),3). 269 Auf die Abtretung einer actio legis Aquiliae paßt die Einschränkung des Abtretungszwanges si usu eum non cepit genauso wenig wie auf die Zession der actio servi corrupti (s. o. A. 268). Daß aber grundsätzlich die Zession der actio legis Aquiliae gegen den Schädiger bei einer Haftung des Vindikationsbeklagten für die Sachbeschädigung in Betracht kommt, wurde bereits o. A. 224 vermutet.

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Ein Vindikationsbeklagter270 hat absichtlich den Besitz an der eingeklagten Sache aufgegeben. Er wird wegen seines dolus auch als Nichtbesitzer zur Zahlung des Schätzwertes verurteilt. Nach Paulus wird er darüber hinaus271 dadurch „bestraft“, daß ihm der Kläger nicht für die Zession seiner Klagen Sicherheit leisten muß.272 Dem Text läßt sich nicht entnehmen, ob es sich um einen Besitzverlust vor oder während des Prozesses handelt. Nach klassischem Recht ist jedenfalls bei dolosem Besitzverlust post litem contestatam eine Verurteilung des Beklagten in den Schätzwert möglich.273 Es ist aber gerade auch von Paulus ein Text überliefert, in dem er die Passivlegitimation desjenigen qui ante litem contestatam dolo desiit possidere zur rei vindicatio nach dem Vorbild der hereditatis petitio bejaht (D. 6,1,27,3 Paulus im 21. Buch ad edictum). Nun sind zwar die Echtheit dieses Fragments und allgemein die Klassizität der Passivlegitimation zur rei vindicatio bei dolosem Besitzverlust vor der litis contestatio umstritten.274 Wenn man D. 6,1,27,3 aber nicht für kompilatorisch hält, zumindest Paulus also 270 So die einhellige Einordnung in der Literatur: A. SCHMID, Cession I (1863) 260 ff.; OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 258 f.; F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 99, 147 f. mit A. 1 von S. 148; LEVY, SZ 42 (1921) 506 ff. Dafür sprechen die Einordnung des Fragments unter de rei vindicatione durch die Kompilatoren sowie die Erwähnung der „possessio“ im Text. Bei Paulus stand das Fragment nach LENEL, Palingenesia I 1286 mit A. 3 (Paulus Nr. 1857) unter de iudiciis oder de stipulationibus praetoriis. 271 Es läßt sich nur spekulieren, worauf sich bei Paulus das Wort quoque bezog; in Betracht kommt insbesondere, daß er zuvor die Fortdauer der Passivlegitimation bei arglistiger Besitzaufgabe oder aber – was der von der Kompilation gewählte Zusammenhang nahelegt – das iusiurandum in litem des Vindikanten erörterte. 272 Auf die allein sprachlich korrigierende Interpolationskritik von CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 49 sei hier nur hingewiesen. Wenn sachliche Bedenken für eine Interpolationsannahme vorgebracht werden, so rühren diese letztlich aus dem „Widerspruch“ zu Marcellus D. 42,1,12. Daher wird auf die sachlich argumentierende Interpolationskritik erst unten b. A. 1242 eingegangen, wo das Verhältnis beider Fragmente zueinander ausführlich diskutiert wird. Hier sei nur bereits betont, daß angesichts der Übereinstimmung mit Papinian D. 6,1,63 die Zweifel an der sachlichen Echtheit von Paulus D. 6,1,69 nicht überzeugen. 273 Quellennachweise s. bei WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 8. 274 Vgl. (unentschieden) KASER, RP I 433 A. 15; RP II 294 A. 19, für Interpolation KUNKEL /SELB, Römisches Recht (4. Aufl. 1987) 537 mit A. 11; kritisch (allenfalls Sondermeinung des Paulus für die Vindikation von Sachgesamtheiten) PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 294–298; weniger kritisch hält etwa WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 39–47 die ficta possessio des dolo desinens possidere bei der Vindikation für „spätklassisch, aber nicht hochklassisch“; zustimmend HACKL in der Rezension des Buches von WIMMER, SZ 115 (1998) 567. Weitere Quellenbelege zur Passivlegitimation bei doloser Besitzaufgabe vor litis contestatio sind z. B. Gaius D. 6,1,36pr., auch (wobei aber der Zeitpunkt der Besitzaufgabe undeutlich bleibt) Marcian D. 20,1,16,3; vgl. ferner die regelhafte Formulierung von Paulus D. 50,17,131 (Qui dolo desierit possidere, pro possidente damnatur, quia dolus pro possessione est), die LENEL, Palingenesia I 1012 (Paulus Nr. 372) allerdings auf die Noxalhaftung aus der lex Aquilia bezieht.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

eine Sondermeinung zugesteht, könnte sich das Fragment D. 6,1,69 desselben Juristen auch auf eine vorprozessuale Besitzpreisgabe beziehen. Auch gibt der Text nicht unmittelbar zu erkennen, auf welche Weise der Beklagte den Besitz verloren hat. Die Umschreibung dolo fecit quo minus possideret kann nämlich zuweilen auch die Zerstörung, den Verderb oder den Verbrauch der Sache umfassen.275 Allerdings kommt hier nur ein solcher Vorgang in Betracht, der eine Klage gegen einen Dritten wahrscheinlich erscheinen läßt, also in erster Linie die Besitzaufgabe i. e. S. (ggf. zugunsten eines anderen).276 Da es sich um eine „Bestrafung“ desjenigen, der dolos den Besitz aufgegeben hat, also um eine belastende Ausnahmeregelung handelt, läßt sich dem Text im Umkehrschluß entnehmen, daß dem haftenden, aber nicht besitzenden Vindikationsbeklagten normalerweise, wenn er also nicht dolos den Besitzverlust herbeigeführt hat, für die Abtretung derjenigen Klagen, die der Eigentümer wegen dieser Sache hat, eine Sicherheit zu leisten ist. Der kurze Paulus-Text erwähnt nur die Sicherheitsleistung für eine künftige Zession und spricht nicht unmittelbar von der Zession selbst. Es wird aber noch ausführlicher zu zeigen sein, daß im klassischen Recht vermutlich jede (gerichtlich erzwungene Zession) von einer Kaution begleitet war.277 Im Fall der Haftung für eine abhanden gekommene Sache wird sogar die bloße Sicherheitsleistung typischerweise an die Stelle einer sofortigen Zession (i. S. einer Ermächtigung des Beklagten zum procurator oder cognitor in rem suam) getreten sein. Da hier nämlich regelmäßig der Schuldner der zedierten Klage (also der aktuelle Besitzer) unbekannt ist, ist eine sofortige Ermächtigung zum Prozeßvertreter nach klassischem Recht gar nicht möglich. Wenn Paulus hier von der Sicherheitsleistung statt – wie etwa in D. 6,1,21278 – von actionibus cedere spricht, so meinen also beide Redeweisen im wesentlichen dasselbe. Die hier im Fragment D. 6,1,69 überlieferte Beschreibung ist aber vermutlich die genauere, actionibus cedere dagegen eine abgekürzte Ausdrucksweise.279 Unter dieser Annahme läßt sich dem Fragment entnehmen, daß dem Vindikationsbeklagten, der vorsätzlich den Besitzverlust herbeigeführt hat, ein Recht auf eine Klagenzession verweigert wurde; diese Auslegung wird durch das sogleich280 zu behandelnde Papinian-Fragment 275 WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 40 f. mit Hinweis auf Ulpian D. 10,4, 9pr.;1; Ulpian D. 16,3,1,31; WIMMER (a. a. O., A. 196 mit Hinweis auf Ulpian D. 10,4, 9,3) zufolge kann dolo fecit quo minus possideret darüber hinaus noch den Fall der vorsätzlichen Verarbeitung erfassen. 276 Daß darin jedenfalls ein dolo facere quo minus possidere bestehen kann, belegt Ulpian D. 10,4,9,2: Si quis rem fecit ad alium pervenire, videtur dolo fecisse quo minus possideat, si modo hoc dolose fecit; vgl. WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 41 A. 198. 277 s. u. S. 109 ff. 278 Dazu o. S. 73 ff. 279 Zur anderen Auffassung von TREITZSCHKE s. u. b. A. 1201. 280 s. u. S. 89 ff.

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D. 6,1,63 bestätigt. Im Umkehrschluß läßt sich vermuten, daß grundsätzlich in den sonstigen Fällen, in denen der Beklagte trotz Besitzverlustes dem Eigentümer aus der rei vindicatio haftete, ihm die Klagen gegen Dritte abzutreten waren.281 Auch diese These wird durch Papinian D. 6,1,63 bestätigt. Der Frage, warum der arglistig den Besitz aufgebende Vindikationsbeklagte schlechter gestellt wurde, wird noch ein eigenes Kapitel zu widmen sein.282 Vermuten läßt sich aber schon hier, daß die römischen Juristen im Falle doloser Besitzaufgabe das Interesse des Eigentümers an einer Naturalrestitution seiner Sache höher bewerten als das Regreßinteresse des Entschädigenden. Wenn aber der Umkehrschluß zutrifft, ist dem kurzen Fragment zugleich eine Umschreibung derjenigen Klagen zu entnehmen, die normalerweise dem haftenden besitzlosen Vindikationsbeklagten zu zedieren sind. Es sind die actiones, quas eius rei nomine habeat. Auf deutsch nannte sie MÜHLENBRUCH in seinem verallgemeinernden Satz über diejenige Fallgruppe der notwendigen Zession, die den BGB-Gesetzgebern bei der Schaffung des § 255 BGB vor Augen stand,283 entsprechend „die, diese Sache betreffenden Klagen“; mit dieser Umschreibung von MÜHLENBRUCH ist die Formulierung des § 255 BGB (die „Ansprüche . . ., die dem Ersatzberechtigten aufgrund des Eigentums an der Sache . . . zustehen“)284 deutlich verwandt. Auch die Formulierung des Paulus läßt aber nicht eindeutig erkennen, ob nur die dinglichen Ansprüche, also vor allem die möglicherweise gegen mehrere Nachbesitzer zustehende rei vindicatio,285 oder auch persönliche (Schadensersatz-)Ansprüche286 gemeint sind. Jedenfalls dürfte neben der rei vindicatio auch die actio ad exhibendum von der Formulierung umfaßt sein. 281 Ablehnend EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 154 ff.: Eine Anspruchsabtretung bei Sachverlust sei im Rahmen der Vindikation generell nicht in Frage gekommen. Dafür erklärt EHRHARDT freilich Papinian D. 6,1,63 für gänzlich interpoliert und übersieht Paulus D.6,1,21; ebenso CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 50, der die Klagenzession an den Beklagten in D. 6,1,21 und in D. 6,1,63 für interpoliert hält – mit dem Argument, dem Beklagten stehe wegen der Bezahlung des Streitwertes nach Papinian D. 6,1,63 ohnehin eine eigene Klage (actio quasi Publiciana) zu. Dazu s. bereits o. A. 263. Die Annahme, bei der Vindikation habe es im klassischen Recht keine Klagenzession gegeben, erklärt außerdem nicht, warum sie von Paulus nur für den dolosen Besitzverlust negiert wird. 282 s. u. S. 320 ff. 283 s. o. S. 62 ff., insbesondere bei A. 194. 284 Vgl. auch die Formulierung bei Paulus D. 11,3,14,9 (dazu u. S. 122 ff.): cedere . . . de dominio servi actionibus. Welche Ansprüche unter die Formulierung des BGB fallen, ist noch heute – v. a. wegen der Abgrenzung zur Gesamtschuld – streitig, s. dazu o. S. 26 ff. 285 Dafür eher GLÜCK, Pandecten VIII 1. Abth. (1807) 210: „Recht an der Sache selbst“; schon die Glosse (Corpus Glossatorum Turin VII [1969] 259 sub a) erläutert zu actiones: „s. in rem“. 286 So z. B. PELLAT, Propriété (1853) 379 f. (actio legis Aquiliae); A. SCHMID, Cession I (1863) 260. Dafür spricht die o. A. 224 aufgestellte Vermutung.

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2. Weitere Quellen zum dolosen Besitzverlust Die von Paulus beschriebene Verweigerung des Rechts auf Klagenzession wird bestätigt durch das später zu besprechende Fragment D. 6,1,63 von Papinian.287 Nicht sicher ist, ob sich auch aus dem auf den bereits erörterten Paulus-Text D. 6,1,21 folgenden Fragment Ulpians ableiten läßt, daß dem Vindikationsbeklagten bei vorsätzlich herbeigeführtem Besitzverlust ein Recht auf Abtretung der Klagen des Vindikanten abgesprochen wurde: D. 6,1,22 (Ulpian im 16. Buch ad edictum) Quod si dolo possessoris fugerit, damnandum eum, quasi possideret. Wenn der Besitzer den Sklaven absichtlich entfliehen ließ, sei288 er zu verurteilen, wie wenn er ihn noch in Besitz hätte.

Der Verurteilung eines früheren Sklavenbesitzers aus der rei vindicatio steht die Flucht des Sklaven nicht entgegen, wenn der Besitzer sie vorsätzlich bewirkt hat; vielmehr ist er so zu verurteilen, als besäße er ihn noch. Fraglich ist, ob Ulpian an eine Flucht vor oder nach der Prozeßbegründung denkt. Wenn die Flucht der litis contestatio voranginge, wäre dieser Text ein weiterer Beleg für die Auffassung, daß zur rei vindicatio auch derjenige passivlegitimiert sei, der den Besitz an der Sache vor Verfahrenseröffnung dolos verloren hat.289 Indes spricht der Text unmittelbar von damnandum. Daraus läßt sich ableiten, daß es nicht mehr um die Frage geht, ob der Prätor hier eine Klagformel erteilen soll, sondern nur noch um die condemnatio durch den iudex im zweiten Verfahrensabschnitt. Auch aufgrund des kompilatorischen Zusammenhangs mit Paulus D. 6,1,21 ist zu vermuten, daß es sich bei Ulpian wie dort bei Paulus um eine Flucht nach der Prozeßbegründung handelt. Der Zusammenhang mit D. 6,1,21, wo die Kautionen und der Zessionszwang erörtert werden, wenn der Sklave durch culpa des Beklagten oder unverschuldet entflieht, spricht auch dafür, die Rechtsfolge damnare quasi possideret so zu interpretieren, daß der Beklagte kein Recht auf eine Klagenzession oder auf eine sonstige Sicherheitsleistung hat.290 Doch ist dies nicht sicher; möglicher-

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Dazu u. S. 89 ff., ferner u. S. 298 ff. Der Satz wird in indirekter Rede wiedergegeben; vermutlich zitierte Ulpian einen älteren Juristen. 289 Anders als bei der nur zufälligen oder nur fahrlässig ermöglichten Flucht, bei der dem Besitzer nicht die possessio, sondern nur die facultas restituendi abhanden kommt (s. o. A. 245), verliert der Besitzer seine possessio am fugitivus, wenn er die Flucht wie hier absichtlich herbeiführt (WIMMER, Besitz und Haftung [1995] 15 m.w. N. in A. 89). Das zeigt sich hier auch am Irrealis quasi possideret. 290 So schon CUJAZ, Ad diversos titulos pandectarum recitationes, zu D. 6,1,21 f. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 296; aus neuerer Zeit PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 318 A. 304. 288

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weise wollte Ulpian nur zum Ausdruck bringen, daß die Passivlegitimation bei vorsätzlicher Besitzaufgabe nach der Prozeßbegründung fortbesteht.291 Wieder deutlicher spricht der folgende Papinian-Text dafür, daß im Falle einer absichtlichen Aufgabe des Besitzes durch den Vindikationsbeklagten oder den Erbschaftsbesitzer eine Zession der Klage gegen den aktuellen Besitzer nicht in Betracht kam; dabei enthält der Text zugleich einen wichtigen Hinweis, wie sich die Verpflichtung des dolo desinens possidere zu der des aktuellen Besitzers verhält: D. 46,3,95,9 (Papinian im 28. Buch der quaestiones) Dolo fecisti, quo minus possideres quod ex hereditate ad alium pertinente adprehenderas: si possessor corpus aut litis aestimationem praestitit, ea res tibi proderit, quia nihil petitori interest: ceterum si tu ante conventus ex praeterito dolo praestiteris, nihil ea res possessori proderit. Du hast vorsätzlich bewirkt, daß Du nicht mehr besitzt, was Du aus der Erbschaft, die einem anderen zustand, an Dich genommen hast. Wenn der Besitzer die Sachen selbst oder ihren geschätzten Streitwert leistet, wird Dir dies zugutekommen, weil der Kläger kein (weitergehendes) Interesse hat; wenn aber Du zuvor verklagt worden bist und wegen Deines damaligen Vorsatzes geleistet hast, wird dies dem Besitzer nichts nützen.

Jemand (tu) hatte Sachen aus einer fremden Erbschaft in Besitz genommen. Später gab er den Besitz an ihnen dolos auf, und zwar offenbar noch bevor der wahre Erbe gegen ihn gerichtlich vorgeht.292 Papinian behandelt nun die Frage, wie sich die – offenbar wegen des dolus trotz des Besitzverlustes fortbestehende – Klage gegen den dolo desinens possidere zu derjenigen gegen den aktuellen Besitzer verhält. Dabei bleibt offen, ob Papinian bei beiden Klagen an die hereditatis petitio oder an die rei vindicatio denkt.293 Die Herausgabe der Gegenstände selbst oder die Zahlung der litis aestimatio294 durch den aktuellen Besitzer befreit den dolo desinens possidere, soweit nicht der Kläger ein über den 291 Eine weitere Deutung erwägt WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 15: Ulpian sei es vielleicht um die Frage gegangen, ob der Beklagte auch wegen der operae servi in der Zeit des Prozesses zu verurteilen sei. 292 Das ergibt sich aus ,ex praeterito dolo‘ am Schluß des Fragments. 293 So auch MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 276 A. 100; der Paralleltext (Marcellus-)Ulpian D. 5,3,13,14 bezieht sich jedenfalls auf das Konkurrenzverhältnis bei der Erbschaftsklage: Item si quis dolo fecerit, quo minus possideat, hereditatis petitione tenebitur. sed si alius nanctus possessionem, quam ego dolo malo amiseram, paratus sit iudicium pati, Marcellus libro quarto digestorum tractat, ne forte evanescat adversus eum qui desiit litis aestimatio: et magis evanescere ait, nisi petentis interest: certe, inquit, si rem paratus sit restituere, indubitatum erit evanescere. sed si is qui dolo desiit ante conveniatur, eum qui possidet non liberabit. Allgemein zur Haftung des dolo desinens possidere aus der Erbschaftsklage s. MÜLLER-EHLEN, a. a. O., nach Sachregister s. h. v. 294 Nach (Marcellus-)Ulpian D. 5,3,13,14 genügt vielleicht sogar schon die Einlassung des jetzigen Besitzers auf den Prozeß, jedenfalls aber die Restitution der res.

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Sachwert hinausgehendes Interesse hat.295 Umgekehrt gilt aber nicht dasselbe: Wenn der dolo desinens possidere geleistet hat, befreit dies nicht den jetzigen Besitzer. Dieser kann also noch in Anspruch genommen werden. Die Tilgungswirkung auf die Schuld des anderen ist also nur einseitig: Nur bei Leistung durch den aktuellen Besitzer wird der Mitschuldner mitbefreit.296 Der Text sagt zwar nicht aus, wer den jetzigen Besitzer verklagen kann; doch da von einer Zession an den dolo desinens possidere nicht die Rede ist (und für eine Kürzung des Textes in dieser Hinsicht kein Anhaltspunkt besteht), ist davon auszugehen, daß es der Eigentümer selbst ist, dem der aktuelle Besitzer trotz der Leistung des dolo desinens possidere forthaftet. Auf diese Weise behält der Eigentümer die Chance, (vom aktuellen Besitzer) die Sachen selbst wiederzuerlangen, und muß sich nicht endgültig mit der Zahlung der litis aestimatio durch den dolo desinens possidere begnügen.297 Das Sachinteresse des Eigentümers wird also als gewichtiger eingeschätzt als das Regreßinteresse desjenigen, der absichtlich den Besitz an der Sache aufgegeben hatte.298

295 Möglicherweise kann der Kläger zusätzliche Rechtsverfolgungskosten, sicher aber eine Wertminderung der Sache, wenn sie zwischen Entäußerung durch den Tu und Besitzergreifung durch den aktuellen Besitzer beschädigt worden ist, trotzdem vom dolo desinens possidere ersetzt verlangen. Deutlicher als der nur den typischen Fall (ohne weitergehendes Interesses des Eigentümers) erfassende Nebensatz quia nihil petitori interest bei Papinian D. 46,3,95,9 ist daher der Halbsatz nisi petentis interest bei Ulpian D. 5,3,15,14 (o. A. 293). 296 Die im Verhältnis zum Mitschuldner nur einseitige Tilgungswirkung sieht ein Teil der heutigen Zivilrechtslehre als Charakteristikum der Schuldnermehrheit an, auf die § 255 BGB Anwendung findet. Im Gegensatz dazu stehe die (in § 422 BGB angeordnete) allseitige Tilgungswirkung bei der Gesamtschuld (s. dazu o. S. 31 ff., insbesondere bei A. 68). Das klassische Recht kannte aber – wie hier beim dolo desinens possidere – ausnahmsweise auch den Fall einer Schuldnermehrheit mit einseitiger Tilgungswirkung, in dem die Pflicht des Gläubigers zur Klagenzession an denjenigen Schuldner, dessen Leistung den Mitschuldner nicht befreit, bewußt abgelehnt wurde. 297 Daß es in der Tat um das Interesse des Eigentümers geht, die Sache selbst wiederzuerlangen, zeigt auch die Hervorhebung in Marcellus-Ulpian D. 5,3,13,14 (o. A. 293): c e r t e , inquit, si r e m paratus sit restituere, i n d u b i t a t u m erit evanescere (gemeint ist, daß die Erbschaftsklage gegen den dolo desinens possidere unzweifelhaft erlöschen wird, wenn der aktuelle Besitzer bereit ist, die Sache selbst zurückzugeben). 298 Fraglich ist, wie sich der Fall auflöst, wenn der Eigentümer den aktuellen Besitzer erst nach Befriedigung durch den dolo desinens possidere verklagt und erneut Befriedigung erlangt. Da eine vorangehende Zahlung des jetzigen Besitzers den dolo desinens possidere befreit hätte, ist anzunehmen, daß ihm im Fall der nachträglichen Leistung des Besitzers die in (Cassius-)Ulpian D. 12,7,2 (dazu u. S. 293 ff.) diskutierte condictio auf Rückzahlung der geleisteten Zahlung zusteht, soweit der Eigentümer nicht ein die Leistung des Besitzers übersteigendes Interesse geltend machen kann, s. dazu noch unten 330 ff.; Zusammenfassungen u. S. 333 sowie S. 346 bei A. 1344. Zum umgekehrten Fall, daß nach Leistung des dolo desinens possidere dieser (zufällig) wieder den Besitz der Sache erlangt, vgl. u. A. 1259; Zusammenfassung S. 346 bei A. 1340.

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III. Papinian D. 6,1,63 (Anfang): Bestätigung des Unterschieds zwischen fahrlässigem und dolosem Besitzverlust Einen allgemeinen Grundsatz über die Klagenzession an den Vindikationsbeklagten, der die Sache verloren hat, deutet der folgende schwierige299 Text an: D. 6,1,63 (Papinian im 12. Buch der quaestiones) Si culpa, non fraude quis possessionem amiserit, quoniam pati debet aestimationem, audiendus erit a iudice, si desideret, ut adversarius actione sua cedat: cum tamen praetor auxilium quandoque laturus sit quolibet alio possidente, nulla captione adficietur. ipso quoque, qui litis aestimationem perceperit, possidente debet adiuvari: nec facile audiendus erit ille, si velit postea pecuniam, quam ex sententia iudicis periculo iudicati recepit, restituere. Wenn jemand fahrlässig, nicht aus Böswilligkeit den Besitz verloren hat, wird er, da er die Verurteilung in den Schätzwert erdulden muß, vom Richter zu hören sein, wenn er verlangt, daß [ihm] der Gegner seine Klage abtrete: Weil dennoch der Prätor stets Hilfe gewähren wird, wer auch immer der Besitzer sei, wird er300 keine Beeinträchtigung erleiden. Auch wenn derjenige selber, der den Schätzwert empfangen hat, den Besitz [wiedererlangt] hat, muß [dem Verurteilten] geholfen werden: Und schwerlich wird jener gehört werden, wenn er später das Geld, das er aufgrund des Urteils des Richters auf die Gefahr des Verurteilten empfangen hat,301 wieder zurückgeben will.

Der im Text nur farblos als „quis“ bezeichnete Beklagte hat fahrlässig – wahrscheinlich in Folge eines Diebstahls, den er hätte verhindern können302 – die Sache verloren, die von ihm herausverlangt wird. Ausdrücklich setzt Papinian voraus, daß der Beklagte den Besitz nicht absichtlich verloren hat. Weil der Beklagte auch den Nachteil der Verurteilung zu dem geschätzten Streitwert hinnehmen muß, erzwingt der Richter auf Antrag des Beklagten die Zession der Klage des Klägers an ihn.

299 s. schon CUJAZ, Commentaria in libros quaestionum Papiniani, ad h. l. = Opera postuma I (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 323 zu dieser lex: „quae tametsi non esset inscripta Papiniano, stylus ipse statim proderet esse Pap. nemo alius tam grauiter scribit, neque tam multa paucis complecitur.“ Das heißt: „Selbst wenn diese (lex) nicht durch die Überschrift Papinian zugeschrieben würde, würde allein der Stil verraten, daß sie von Papinian stammt. Niemand anderes schreibt so schwer und erfaßt so vieles mit so wenigen Worten.“ 300 Der Bezug ist – in der überlieferten Textfassung – auch im lateinischen Text unklar (erleidet der Kläger oder der Beklagte keinen Schaden?). Wegen des Fortganges (ipso quoque) spricht mehr dafür, daß es hier im Gegensatz zum Empfänger der litis aestimatio um den B e k l a g t e n geht. 301 B/K/K/S [WOLLSCHLÄGER] fügen ein: „[um die Sache behalten zu können]“. 302 Dafür spricht, daß das Fragment bei Papinian im Kapitel de furtis stand, s. LENEL, Palingenesia I 837 (Papinian Nr. 207); ebenso PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 318 f. bei A. 305.

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Der Text fährt fort, daß neben dieser Klagenzession der Prätor dem Verurteilten303 eine Hilfe gewährt gegen jeden Dritten, der die Sache besitzt. Diese prätorische Hilfe sei sogar dann zu gewähren, wenn (wohl später)304 der Kläger des jetzigen Verfahrens in den Besitz der Sache gelangt. Wenn der Verurteilte mittels dieser prätorischen Hilfe gegen den ehemaligen Kläger vorgeht, kann sich dieser nach Papinian der Klage in aller Regel nicht dadurch entziehen, daß er anbietet, lieber den empfangenen Streitwert zurückzuzahlen als die Sache herauszugeben. Soweit läßt sich nach der überwiegenden Ansicht der Sachverhalt aus dem überlieferten Text erschließen. Schwierigkeiten bereitet aber die Übersetzung des Satzteiles nulla captione adficietur. Hier soll es nach der herrschenden Interpretation darum gehen, daß der Verurteilte auch ohne die Zession der Ansprüche im Vindikationsprozeß keinen Schaden erleiden würde.305 Dafür ließe sich anführen, daß der Text unter genauer Einhaltung der Terminologie des klassischen Formularprozesses klar zwischen der Hilfe durch den iudex im Erstprozeß und der Hilfe durch den praetor im Zweit-

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So das ganz überwiegende Verständnis dieser Passage ab cum tamen. Anders übersetzt dagegen SELB, FS Larenz (1973) 527 f: „Da der Prätor nämlich [= tamen?; Anm. d. Verf.] gelegentlich Hilfe (die Vindikation) gewährt in Fällen, in denen ein Dritter besitzt, soll er keinen Nachteil erleiden.“ SELB sieht also die Hilfe des Prätors darin, daß dieser dem Kläger (!) die Vindikation trotz des Besitzverlustes beim Beklagten gewährt. Dagegen spricht jedoch, daß dann die „Hilfe“ einmal dem Kläger (auxilium), im nächsten, mit „quoque“ angeknüpften Satz (adiuvari debet) dem Beklagten zugute käme. Außerdem läßt sich von prätorischer Hilfe durch Überwindung des Mangels der Passivlegitimation nur sprechen, wenn „quis“ den Besitz schon vor der Klageerhebung verloren hat. Andernfalls wäre bei einmal bestehender Passivlegitimation ein weiteres Einschreiten des Prätors (!) nicht erforderlich. Papinian setzt aber einen Besitzverlust nach Klageerhebung voraus, dazu sogleich im Text. 304 So etwa schon CUJAZ, Ad diversos titulos pandectarum recitationes, zu D. 6,1, 21 f. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 296. Abweichend geht PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 316 bei A. 291, S. 318 f. davon aus, daß der Kläger bereits im Ausgangsverfahren gegen den Beklagten wieder den Besitz erlangt, dies aber verschwiegen hat, und stützt diese These auf die Verwendung des Wortes captio. Doch geht die Reihenfolge des Geschehens nicht klar aus dem Text hervor: ipso possidente, qui litis aestimatio p e r c e p e r i t läßt keine eindeutige Vorzeitigkeit erkennen; periculo iudicati läßt allenfalls vermuten, daß der Verbleib der Sache zum Zeitpunkt der Verurteilung unbekannt ist; dagegen stellt postea auf den Zeitpunkt ab, in dem der frühere Beklagte den früheren Kläger nunmehr seinerseits auf Herausgabe verklagt. Das ist daher auch mit der Auslegung von PENNITZ vereinbar, da der Verurteilte zunächst erfahren muß, daß sich die Sache in den Händen des früheren Klägers befindet. – Auf den genauen Zeitpunkt der Besitzerlangung kommt es aber nicht an. 305 So übersetzt SINTENIS, in: Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis in’s Deutsche übersetzt I (2. Aufl. 1839) 653 ad h. l. ab cum tamen: „da jedoch der Prätor ihm auf jeden Fall Hülfe verspricht, es mag Besitzer sein, wer da will, so läuft er keine Gefahr“ und erläutert in einer Anmerkung mit Hinweis auf GLÜCK: „D. h. es ist nicht einmal Cession nötig.“ B/K/K/S [WOLLSCHLÄGER] nehmen inhaltlich übereinstimmend mit Bezug auf die Erzwingung der Klagenzession durch den iudex eine Erläuterung in einem Klammerzusatz [] in die Übersetzung auf: „Weil jedoch der Prätor ihm stets Hilfe bietet, wer immer der Besitzer sei, erleidet er [auch ohnedies] keinen Schaden.“

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prozeß gegen den besitzenden Dritten unterscheidet: Während der iudex dem Beklagten zu Hilfe kommt, indem er den Kläger zur Abtretung seiner Klagen zwingt, besteht die Hilfe des praetor darin, dem früheren Beklagten gegen den aktuellen Besitzer eine (nicht zivilrechtliche) Klagformel zu erteilen. Die prätorische Hilfe ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der iudex die Abtretung nicht erzwungen hat, etwa weil der Beklagte es unterlassen hat, die Klagenabtretung beim iudex zu beantragen. Papinian könnte an diesen Fall gedacht haben, weil er im ersten Satz deutlich macht, daß die Erzwingung der Klagenabtretung von einem entsprechenden Begehren des Beklagten abhängig ist (si desideret). Aber daß er den zweiten Satz nur auf den Fall bezieht, daß die Zession im Ausgangsfall vergessen worden ist, geht jedenfalls nicht eindeutig aus dem Text hervor.306 Vorzuziehen wäre daher eine Interpretation, die diese Einschränkung nicht benötigt, die vielmehr aufzeigt, daß es allgemein (auch bei Durchführung der Klagenzession im ersten Prozeß) eine Benachteiligung des Beklagten darstellen würde, wenn man ihm die prätorische Hilfe nicht (wahlweise) gewähren würde. Eine solche Interpretation wird aber erst im Rahmen einer genaueren Analyse des gesamten Fragments möglich sein. Insbesondere ist dafür zu untersuchen, um welche honorarrechtliche Klage es sich bei der von Papinian erwähnten prätorischen Hilfe handelt; diese Frage hat jahrhundertelang Rätsel aufgeworfen. Vor allem weil man diese Klage nicht einzuordnen wußte, hat man in der Blüte der Interpolationenforschung sogar die gesamte lex für interpoliert gehalten.307 Wegen des Umfanges der Diskussion über die Begründung dieser Klage wird ihr noch ein eigener Abschnitt zu widmen sein,308 in dem auch auf die Bedeutung der Wendung nulla captione adficietur zurückzukommen sein wird.309

In welchem Verfahren der Beklagte belangt wurde, erfahren wir nicht. Da das Fragment bei Papinian im Kapitel de furtis stand,310 nahm SIBER311 an, der Beklagte sei mit der condictio ex causa furtiva verklagt worden. Dagegen spricht jedoch, daß Papinian ausdrücklich einen fahrlässigen Besitzverlust voraussetzt. Das wäre im Rahmen der condictio furtiva, deren Schuldner für Zufall haftet,312 nicht nötig gewesen. Die übrige Literatur geht daher ganz überwiegend – 306 Die o. A. 305 angeführten Übersetzungen halten deswegen auch eine Anmerkung oder Textergänzung für erforderlich. 307 s. dazu u. A. 1150. Mit anderer Begründung (wegen Zweifeln an der Passivlegitimation desjenigen, der unvorsätzlich den Besitz verloren hat) im Ergebnis ebenso SIBER, Römisches Recht II (1928) 100; HAUK, Das Recht des Ersatzpflichtigen (1929) 9 ff. – Umgekehrt hält CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 51 f. die bei Papinian erwähnte dingliche Klage für echt, meint aber, deswegen die Klagenzession an denjenigen, der zur Zahlung des Streitwertes verurteilt wird, für interpoliert halten zu müssen (in Papinian D. 6,1,63 also [audiendus erit . . . cedat]); s. dazu schon o. A. 263, 281; CHIAZZESE streicht außerdem [culpa non] – und verwandelt damit den Sachverhalt in einen dolosen Besitzverlust – sowie den Schlußsatz ab nec facile. 308 s. dazu u. § 15 II 5; S. 298 ff. 309 s. dazu u. S. 310 ff., insbesondere S. 311 mit A. 1158. 310 LENEL, Palingenesia I 837 (Papinian Nr. 207). 311 Passivlegitimation (1907) 144; anders aber DERS., Römisches Recht, Bd. 2 (1928) 100 dazu sogleich A. 307. 312 Tryphonin D. 13,1,20; vgl. Ulpian D. 13,1,8,1; KUNKEL /HONSELL, Römisches Recht (4. Aufl. 1987) 362.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

entsprechend dem Digestentitel – von einer Vindikation aus;313 das erscheint auch wegen der ausdrücklichen Erwähnung der (verlorenen) possessio, der im Rahmen der rei vindicatio für die Passivlegitimation besondere Bedeutung zukommt, sowie wegen der inhaltlichen Übereinstimmung mit Paulus D. 6,1,69314 am wahrscheinlichsten. Obwohl sich dies aus dem Fragment nur mittelbar ergibt, denkt Papinian an einen Besitzverlust nach Klageerhebung. Das geht daraus hervor, daß der Besitzer auf den Sachwert haftet, obwohl er den Besitz schuldhaft – ohne dolus – verloren hat. Mindestvoraussetzung für die Passivlegitimation zur rei vindicatio ist aber grundsätzlich, daß der Beklagte zur Zeit der litis contestatio im Besitz der Sache ist.315 Davon findet sich in manchen Quellen eine Ausnahme für denjenigen, der vor der Klageerhebung dolos seinen Besitz aufgegeben hat. Ob diese Texte freilich klassisches Recht wiedergeben, ist lebhaft umstritten.316 Erst recht scheidet eine Passivlegitimation dessen aus, der vor der Klageerhebung den Besitz nur fahrlässig verloren hat. Zwar ist für die hereditatis petitio eine culpa-Haftung des bösgläubigen Erbschaftsbesitzers vor der litis contestatio in Ansätzen und nur für bestimmte Fälle überliefert.317 Selbst wenn dies auf die rei vindicatio übertragen werden könnte, hätte Papinian aber, wenn er an einen Besitzverlust vor der Klageerhebung gedacht haben sollte, nicht einfach die Haftung des Beklagten voraussetzen dürfen (quoniam pati debet aestimationem). Daß Papinian gleich die aestimatio erwähnt, ohne zuvor ein Problem der Passivlegitimation zu erörtern, spricht vielmehr für einen Besitzverlust w ä h r e n d des Prozesses.318 Der Text selbst besagt – anders als Paulus D. 6,1,21 – nicht ausdrücklich, daß er einen bonae fidei possessor voraussetzt. Vielmehr stellt der überlieferte Text 313 Zur Argumentation gegen SIBER vor allem LEVY, SZ 43 (1922) 530 ff. und dazu wieder SCHIPANI, Responsabilità (1971) 122 A. 3; im Ergebnis ebenso SELB, FS Larenz (1973) 527 f.; WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 116 mit A. 508; vgl. auch schon F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 99. SCHIPANI, a. a. O. schließt dagegen auch einen Bezug auf die actio ad exhibendum nicht aus; KASER, SZ 98 (1981) 134 A. 220 hält die Frage für nicht mehr aufklärbar. 314 Dazu o. S. 82 ff. 315 Um einen Fall nachträglichen Besitzerwerbes geht es hier nicht, s. dazu nur Paulus D. 6,1,27,1 und dazu WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 12 ff. 316 s. o. A. 274. 317 So MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 324 ff. 318 s. schon Stephanos, Scholion 157 (ad l. 63 verb.: quum tamen praetor) zu Bas. 15,1,63 (Ed. HEIMBACH: Supplementum von ZACHARIAE A LINGENTHAL [1846] 30). Es lautet in lateinischer Übersetzung: . . . cum bonae fidei possessore litem contestatam . . . dig. 69 et 70 . . . omnino non . . . adversus dominum Publiciana utitur vel quasi Publiciana (in der Ausgabe von SCHELTEMA /HOLWERDA, BS, S. 875 Z. 12–14). Ebenso für einen Besitzverlust post litem contestatam CUJAZ, Commentaria in libros quaestionum Papiniani, ad h. l. = Opera postuma I (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 323 ff.; DERS., Ad diversos titulos pandectarum recitationes, ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 349.

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den Beklagten schlicht als ,quis‘ vor. Dennoch beziehen die älteren Interpreten seit Stephanos319 das Fragment lediglich auf einen bonae fidei possessor, also auf einen Besitzer, der beim Besitzerwerb gutgläubig war. Möglich ist, daß sich diese Charakterisierung des Beklagten aus dem ursprünglichen Zusammenhang bei Papinian ergeben hat. Dafür spricht die Erwähnung der culpa im Tatbestand, wenn man für die Haftung des Vindikationsbeklagten post litem contestatatam von der traditionellen Lehre ausgeht, daß der bonae fidei possessor für dolus und culpa, der malae fidei possessor dagegen auch für (zumindest niederen) Zufall haftet.320 So ist insbesondere von Paulus in D. 5,3,40pr. ein Kompromiß zwischen prokulianischer Zufallshaftung und sabinianischer culpa-Haftung des mit der hereditatis petitio Verklagten nach Klageerhebung überliefert. Nach diesem Zeitpunkt soll ein (bei Besitzerwerb) gutgläubiger (Erbschafts-)Besitzer nur für culpa, ein bösgläubiger dagegen auch für Zufall haften.321 Die Regeln für den Erbschaftsanspruch sind grundsätzlich auf die rei vindicatio übertragbar.322 Wenn schon Papinian den Kompromiß des Paulus vertreten hätte, wäre die Einschränkung auf den Besitzverlust durch culpa für den bösgläubigen Besitzer nicht erforderlich, für den gutgläubigen Besitzer dagegen verständlich. Jedoch ist dies angesichts der vielfältigen Streitigkeiten um die Haftung des Vindikationsbeklagten keine ganz sichere Stütze.323 Die Analyse des Fortganges des 319 Stephanos (o. A. 318) kommt in seinem Scholion zu dieser lex auf den gutgläubigen Besitzer zu sprechen; der Zusammenhang dieser Äußerung ist aber nicht überliefert. Ausdrücklich nur auf einen gutgläubigen Besitz bezieht das Fragment CUJAZ, Commentaria in libros quaestionum Papiniani, ad h. l. = Opera postuma I (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 323 ff. (die Rechtslage beim bösgläubigen Besitzer behandelt CUJAZ, a. a. O. Sp. 326); DERS., Ad diversos titulos pandectarum recitationes, zu D. 6,1,21 f. und ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 296, 349 und MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 410. 320 In dieser Kürze aus jüngerer Zeit etwa MAYER-MALY, Römisches Recht (2. Aufl. 1991) 84; vgl. im übrigen die vielen Nachweise bei WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 4 f. 321 So zu dieser Stelle zuletzt MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 376 ff. 322 So argumentiert auch Paulus im angegebenen Fragment D. 5,3,40pr. zum Erbschaftsanspruch mit Aussagen des Proculus und des Cassius zur Vindikation (in specialibus petitionibus – bei Vindikation einzelner Sachen, so die Übersetzung von B/K/ K/S [WIELING] ad h. l.). 323 Die neueren Auffassungen versuchen die verschiedenen in den Quellen vorkommenden Haftungsmaßstäbe weniger durch die Unterscheidung zwischen der Bös- und Gutgläubigkeit des Besitzers zu erklären als unter anderen Gesichtspunkten. So griff SIBER, Römisches Recht II (1928) 100 zu weitreichenden Interpolationsannahmen. Dagegen gehen modernere Autoren überwiegend davon aus, daß (neben dem weithin anerkannten Streit über die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Besitz für die Passivlegitimation erforderlich ist) unter den römischen Juristen eine Schulkontroverse auch über den Haftungsmaßstab im Rahmen der Vindikation bestanden habe, die sich vereinfacht so darstellen läßt (vgl. den genaueren Überblick bei WIMMER, Besitz und Haftung [1995] 6 f.): Den Sabinianern zufolge habe der Vindikationsbeklagte für dolus, z. T. auch für culpa gehaftet (s. dazu auch noch S. 203 f. bei A. 753 ff.). Die Prokulianer hätten dagegen eine weitere Haftung, nämlich auch für Zufall, befürwortet. Andere

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Fragments wird die Annahme aber weiter absichern, daß Papinian an einen bonae fidei possessor denkt.324 Selbst wenn aber von Papinian ein bonae fidei possessor vorausgesetzt worden ist, so ist dies für die Klagenzession selbst nicht notwendig. Die Zession begründet Papinian nämlich nur mit quoniam pati debet aestimationem: Als Kehrseite der Verurteilung auf den Schätzwert erhält der Beklagte die Möglichkeit, Klagenzession zu verlangen. Daraus läßt sich als Grundsatz ableiten, was wir bereits Paulus D. 6,1,69325 im Umkehrschluß entnommen haben: Wenn ein im Zeitpunkt der Verurteilung nicht mehr besitzender Vindikationsbeklagter auf Zahlung des Streitwertes haftet, erhält er im Regelfall auf Antrag die Klagen des Vindizierenden wegen derselben Sache abgetreten. Prozessual sind die Klagen dem Vindikationsbeklagten auch nach Papinian noch vor der Verurteilung im Verfahren vor dem iudex abzutreten; audiendus erit a i u d i c e , si desideret, ut adversarius actione sua cedat, sagt Papinian.326 Kraft des weiten Ermessens, das die auf restituere lautenden Klagen dem iudex bei der Bestimmung des Klageumfanges einräumen,327 kann der iudex die Klagenabtretung officio iudicis ohne Einschaltung einer exceptio (doli) erzwingen. Papinian erwähnt auch hier denselben Ausnahmefall vom Grundsatz der Klagenzession, den auch Paulus D. 6,1,69 benennt: Wenn der Vindikationsbeklagte den Besitz vorsätzlich aufgegeben hat, wird nicht zu seinen Gunsten die Klagenzession erzwungen. Über den Grund für diese Ausnahme wird noch zu handeln sein.328 Hier sei nur festgehalten, daß sich beide Fragmente auch insoweit wechselseitig bestätigen. Anders als bei Paulus329 ist hier von nur e i n e r zu zedierenden Klage die Rede. Üblicherweise wird angenommen, es handele sich dabei um die rei vindicatio.330 Dafür spricht, daß die Vindikation diejenige Klage ist, die nichts weiter voraussetzt, als daß die Sache mittlerweile in den Besitz eines Dritten gelangt ist. Auch in den näch-

Forscher wieder unterscheiden nach dem haftungsauslösenden Sachverhalt (so etwa SCHIPANI, Responsabilità [1971] passim; vgl. dazu WIMMER, a. a. O., S. 9 f.). Der Frage kann in diesem Zusammenhang nicht weiter nachgegangen werden. 324 Dazu u. § 15 II 5; S. 298 ff., insbes. S. 310 ff. 325 s. o. S. 85 mit A. 281. 326 s. dazu schon F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 147. 327 KASER /HACKL, RZ, 297 ff.; s. zur sogenannten restituere-Regel ferner noch unten S. 203 f. bei A. 753 ff. 328 s. u. S. 320 ff. 329 Die Texte D. 6,1,21 (o. S. 73); D. 6,1,69 (o. S. 82) sprechen beide von actionibus cedere bzw. von actiones praestare im Plural. 330 Mittelbar F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 98; „zweifellos“ LEVY, SZ 43 (1922) 531 A. 3; mit Hinweisen zur Interpretationsgeschichte SELB, FS Larenz (1973) 528 f.; deutlich B/K/K/S [WOLLSCHLÄGER] ad h. l. („seinen Eigentumsanspruch“); WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 116 („Vindikationszession“). Angesichts der palingenetischen Stellung im Kapitel de furtis ist zwar auch an die actio furti zu denken. Jedoch spricht der Fortgang des Textes gegen die Annahme, Papinian habe hier an diese Klage gedacht (s. dazu noch u. A. 801 sowie A. 1171).

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sten beiden Sätzen ist von einer prätorischen Hilfe gegen den j e w e i l i g e n Besitzer die Rede. Diese Hilfe kann nur in der Gewährung einer Herausgabeklage bestehen; da sie gegen den jeweiligen Besitzer gerichtet ist, muß es sich um eine dingliche Klage handeln. Daher wird das Interesse Papinians auch im ersten Satz auf die Zession der Vindikation gerichtet gewesen sein. Das bedeutet aber nicht, daß Papinian den Zessionszwang auf diese Klage habe einschränken wollen; vielmehr kam es ihm nicht darauf an, welche weiteren Klagen unter Umständen noch mitabzutreten sind.

IV. Qui liti se optulit In einer weiteren Fallkonstellation stellt sich die Frage – wie oben331 dargelegt – nach einer Zession der Klagen gegen den tatsächlichen Besitzer an den Beklagten im Rahmen eines Vindikationsverfahrens. In den Digesten wird in mehreren Fragmenten332 der Fall behandelt, daß ein Beklagter sich bewußt auf eine dingliche Herausgabeklage einläßt, obwohl er weiß, daß ihm der eigentlich für die Passivlegitimation erforderliche Sachbesitz fehlt. Er tut dies nicht ohne Hintergedanken, sondern in der dolosen Absicht, den wahren Besitzer vor einer Inanspruchnahme zu schützen,333 etwa weil er ihm die Vollendung der Ersitzung ermöglichen möchte.334 Dies kann zu einem Vermögensschaden des Eigentümers führen, etwa durch vermehrten Prozeßaufwand oder auch durch den Verlust der Klagemöglichkeit gegen den wahren Besitzer. Ein solcher Verlust kann zum einen rechtlich bedingt sein, wenn der wahre Besitzer die Sache zwischenzeitlich ersitzt, er kann aber auch auf rein tatsächlichen Gründen beruhen, wenn etwa der wahre Besitzer in der Zwischenzeit unerreichbar geworden ist. Jedenfalls besteht aus diesen Gründen ein Bedürfnis für eine Haftung des liti se offerens. Dieses Bedürfnis erkannten die römischen Juristen und gelangten zu einer Haftung desjenigen, der dolos seinen Besitz vorspiegelt. Allerdings bestanden, wie es scheint, über den Haftungsgrund335 unterschiedliche Auffassungen. Nach der Überlieferung ist aber zumindest von einigen klassischen Juristen die Lösung vertreten worden, daß der liti se offerens aufgrund der rei vindicatio (oder allgemeiner: aufgrund derjenigen actio in rem, auf die er sich eingelassen hat) zu verurteilen sei. Welcher Jurist welcher Meinung war, ist in der modernen Literatur umstritten; die Klärung dieser Frage (unten 1.) ist, wie sich zeigen wird, von Bedeutung auch für die Frage der Klagenzession (unten 2.). 331

s. o. S. 70 ff. Die wichtigsten sind: Gaius D. 4,3,39; (Celsus-)Ulpian D. 5,3,13,13; Celsus D. 5,3,45; (Pedius-)Paulus D. 6,1,7; Ulpian D. 6,1,25; Paulus D. 6,1,27pr.; zur vindicatio usufructus: Paulus D. 7,6,6. 333 Vgl. Paulus D. 6,1,27pr.: Sin autem cum a Titio petere vellem, aliquis dixerit se possidere et ideo liti se optulit, . . . 334 So ausdrücklich Gaius D. 4,3,39: Si te Titio optuleris de ea re quam non possidebas in hoc u t a l i u s u s u c a p i a t , . . . 335 Also über die Frage, aus welcher Klage der liti se offerens zu verurteilen ist. 332

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1. Zur Frage nach dem Haftungsgrund bei der oblatio liti Im Anschluß an KASER wird heute zum einen die Ansicht vertreten,336 daß über diese Frage ein Meinungsstreit zwischen den großen Rechtsschulen bestanden habe: Die Prokulianer – allen voran Celsus – hätten eine Haftung aus der actio in rem befürwortet; die Sabinianer dagegen hätten den liti se offerens von der Haftung aus der actio in rem freigesprochen und ihn aus der actio de dolo oder aus der actio ex stipulatu aufgrund der Prozeßkaution, einer cautio iudicatum solvi 337 verurteilt. Dieser Streit habe sich bis in die Spätklassik erhalten. Nach anderer Ansicht338 bestand zwar kein Schulenstreit über die Frage der Haftung des liti se offerens. Auch nach dieser Auffassung soll aber Celsus derjenige gewesen sein, der die Haftung unmittelbar aus der actio in rem entgegen 336

So KASER, SZ 98 (1981) 140 ff.; zuletzt PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 288 ff. Mit dieser cautio (oder satisdatio) verspricht nach KASER /HACKL, RZ, 279 ff. der Beklagte unter Bestellung von Bürgen vor der litis contestatio erstens, die Urteilsschuld zu erfüllen, und zweitens, die ordnungsgemäße Defension zu übernehmen (rem boni viri arbitratu defendi). Drittens garantiert der Beklagte mit der (auch in den Quellen so bezeichneten) clausula doli, daß er im Hinblick auf den Streitgegenstand dem Kläger gegenüber derzeit ohne Arglist sei und auch in Zukunft ihn nicht vorsätzlich schädigen werde (dolum malum abesse afuturumque esse; s. Venuleius D. 46,7, 19pr.; vgl. Papinian 45,1,121pr.). Diese Kaution wurde bei einem Beklagten, der suo nomine (und nicht für einen anderen) prozessierte, nur ausnahmsweise vom Prätor erzwungen. Ein solcher Fall aber, bei dem diese Sicherheitsleistung immer verlangt wurde, war es, wenn der Kläger eine actio in rem mit formula petitoria begehrte. Da der Beklagte nämlich aus dem dinglichen Recht allein nicht persönlich haftete (von der Möglichkeit abgesehen, ihn mit der actio ad exhibendum oder dem interdictum quem fundum zu belangen, dazu sogleich), wurde er erst durch die Bestellung der Kaution zu ordnungsgemäßer Sachdefension verpflichtet. Erst nach Bestellung der Kaution konnte es dann zur litis contestatio über die actio in rem kommen. Verweigerte dagegen der Beklagte die Bestellung der Kaution, ist zu unterscheiden (s. KASER /HACKL, RZ, 282 f., 274 ff.): Handelte es sich bei dem Streitgegenstand um eine bewegliche Sache oder einen Sklaven und war er vor dem Prätor anwesend, ermächtigte der Prätor den Kläger, den Gegenstand mitzunehmen (duci vel ferri iubere). Wenn die bewegliche Sache dagegen nicht vorgelegt worden war, erteilte der Prätor dem Kläger die actio ad exhibendum, die unter dem Einlassungszwang der actiones in personam stand, um die Vorlage der Sache zu erreichen. Legte der Beklagte nicht vor, konnte er aus der actio ad exhibendum auf dieselbe Geldsumme verurteilt werden, die der Kläger auch aus der rei vindicatio erlangt hätte, mit dem Unterschied, daß der Kläger dazu sein dingliches Recht nicht beweisen mußte. War der herausverlangte Gegenstand ein Grundstück, gewährte der Prätor dem Kläger das auf Restitution gerichtete interdictum quem fundum, das wie die actio ad exhibendum unter dem Einlassungszwang einer actio in personam stand und mit dem der Kläger ebenfalls, wenn der Beklagte nicht restituierte, ohne Prüfung des dinglichen Rechts die gleiche Urteilssumme erzielen konnte wie aus der Vindikation. 338 TALAMANCA, Osservazioni sulla legittimazione passiva alle „actiones in rem“, in: Studi Cagliari 43 (1964) 131 (insbes. S. 142 ff.); vgl. DENS., Note sulla oblatio liti, in: Maior viginti quinque annis, Essays in commemoration of the sixth lustrum of the Institute for Legal History of the University of Utrecht (1979) 167 (insbes. S. 169 ff.). Eine herausragende Rolle des Celsus in dieser Frage vermutet auch MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 316 f., 324, den geistigen Urheber des SC Iuventianum. 337

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einer früheren allgemeinen Rechtsauffassung durchgesetzt habe. Dieser alten Ansicht zufolge habe der liti se offerens nur aus der clausula doli der cautio iudicatum solvi in Anspruch genommen werden können.339 Beide Auffassungen halten einer kritischen Durchsicht der Quellenbasis nur teilweise stand. Für die Meinung des Sabinus läßt sich heranziehen: D. 4,3,39 (Gaius im 27. Buch ad edictum provinciale): Si te Titio optuleris de ea re quam non possidebas in hoc ut alius usucapiat, et iudicatum solvi satisdederis: quamvis absolutus sis, de dolo malo tamen teneberis: et ita Sabino placet. Wenn du dich gegenüber Titius wegen einer Sache, die nicht in deinem Besitz war, zu dem Zweck als Beklagter angeboten hast, daß ein anderer sie ersitzt, und wenn du die Sicherheit „daß das Urteil erfüllt wird“ geleistet hast, haftest du, obwohl du freigesprochen wirst, dennoch wegen Arglist; und so hat Sabinus entschieden.

Fraglich ist bei der Auslegung dieses Textes, von welcher Klage der liti se offerens freigesprochen und aus welcher er letztlich de dolo verurteilt wird. Nach ALBANESE340 meint Gaius im Anschluß an Sabinus, daß der Beklagte von der actio ex stipulatu freizusprechen sei,341 aber aus der actio de dolo hafte. ALBANESE stützt seine Argumentation unter anderem auf die Einordnung des Fragments in den Digestentitel de dolo malo sowie darauf, daß d e dolo malo teneri stets die Haftung aus der actio de dolo meine.342 Außerdem könne sich der Freispruch nur auf die actio ex stipulatu beziehen, da im Text ausschließlich von der Leistung der cautio iudicatum solvi die Rede sei; deswegen sei nämlich davon auszugehen, daß die litis contestatio über die rei vindicatio noch gar nicht erfolgt sei.343 Gegen diese Interpretation spricht jedoch, daß ihr zufolge, obwohl zunächst die rei vindicatio vom Kläger erhoben werden sollte und der Beklagte sich auf diese einlassen wollte (te . . . optuleris de ea re), Gaius zum Schicksal der rei vindicatio gar nichts aussagen würde. Außerdem läßt sich dem Text für die Annahme, er behandele den Sonderfall, daß der liti se offerens zwischen der Leistung der cautio iudicatum solvi und der litis contestatio seine Täuschung offenbart, nichts entnehmen. Wer sich zur Verteidigung der Sache erbietet, wird doch in der Regel auch die litis contestatio auf sich 339 Ferner hält KUNKEL /SELB, Römisches Recht (4. Aufl. 1987) 537 bei A. 9 die Passivlegitimation des liti se offerens zur rei vindicatio insgesamt für justinianisch. 340 ALBANESE, APal. 33 (1972) 349 ff. in seinem Aufsatz (S. 337 ff.) zum Thema Rei vindicationi se offerre e actio de dolo; ebenso KASER, SZ 98 (1981) 140 f. mit A. 241. 341 So ausdrücklich ALBANESE, APal. 33 (1972) 350: Die Worte quamvis absolutus sis bezögen sich auf die actio ex stipulatu. 342 Gegen dieses kaum zwingende Wortlautargument s. aber noch sogleich (u. S. 103). 343 Die cautio iudicatum solvi hatte der Beklagte vor der litis contestatio zu leisten, s. o. A. 337.

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nehmen. Vor allem aber ist dem Text kein Hinweis zu entnehmen, wieso der Beklagte – angesichts seines eindeutig dolosen Verhaltens – von der actio ex stipulatu aus der (mit der clausula doli versehenen) cautio iudicatum solvi freigesprochen werden sollte.344 Vorzuziehen ist deswegen die Interpretation, daß der Beklagte nach Sabinus und Gaius von der rei vindicatio freigesprochen werden soll, aber aus der Klausel dolum malum abesse afuturumque esse der cautio iudicatum solvi haftet.345 Die Ansicht, die Prokulianer hätten demgegenüber von Anfang an eine Haftung aus der actio in rem befürwortet, findet sich dagegen nicht in den Quellen bestätigt. Sie wird in erster Linie aus der „strengen Formelauslegung“ der Prokulianer abgeleitet, mit der diese Juristenfraktion die Frage behandelte, ob die possessio des Beklagten Voraussetzung für seine Verurteilung aus der rei vindicatio sei.346 Gegen diese Lehre spricht jedoch: D. 5,3,45 (Celsus im 4. Buch der digesta): Qui se liti optulit, cum rem non possideret, condemnatur, nisi si evidentissimis probationibus possit ostendere actorem ab initio litis scire eum non possidere: quippe isto modo non est deceptus.347 et qui se hereditatis petitioni optulit ex doli clausula tenetur: aestimari scilicet oportebit, quanti eius interfuit non decipi. Wer sich als Beklagter angeboten hat, obwohl er die Sache nicht besaß, wird verurteilt, falls er nicht mit ganz schlagenden Beweisen zeigen kann, der Kläger habe

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Die Argumentation von ALBANESE, APal. 33 (1972) 353 ff. hierzu überzeugt aus drei Gründen nicht: Erstens reicht es zur Erklärung des Textes nicht aus zu begründen, warum Sabinus und Gaius an der Gewährung einer actio ex stipulatu z w e i f e l t e n (so aber ALBANESE, a. a. O., 353 ff., 375 f.). Zwar mögen Zweifel an der Existenz einer anderen actio genügen, um das Bedenken der Subsidiarität gegen die Gewährung der actio de dolo auszuräumen (so ALBANESE, a. a. O., wegen [Labeo-]Ulpian D. 4,3,7,3). Zweifel würden jedoch den von Sabinus und Gaius für unumgänglich gehaltenen Freispruch des liti se offerens – wenn er nicht auf die rei vindicatio bezogen werden soll – nicht erklären (vgl. quamvis [und nicht etwa: etiamsi] absolutus sis). Zweitens vermag angesichts der von ALBANESE selbst angeführten entgegenstehenden Quellenbelege (insbes. Venuleius D. 46,7,19pr. und § 1) die These nicht zu überzeugen, die clausula doli habe (entgegen LENEL, EP [3. Aufl. 1927] 532) die Wendung afuturumque esse nicht enthalten, sondern sich ausschließlich auf den gegenwärtigen dolus bezogen. Drittens handelt es sich beim liti se offerens nicht um einen zukünftigen dolus, sondern schon das Anerbieten zur rei vindicatio ist dolos, mag sich der Nachteil zu Lasten des Klägers auch erst mit dem Freispruch von der rei vindicatio verwirklichen, worauf ALBANESE, a. a. O., 375 zu Unrecht abstellt. 345 Ebenso TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 174 ff.; B/K/K/S [KUPISCH] ad h. l.; unklar LENEL, Palingenesia I 233 A. 7 (Gaius Nr. 364); widersprüchlich PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 288 f. A. 176. 346 So PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 289. Außerdem wird diese These für Celsus auf Ulpian D. 5,3,13,13 gestützt (KASER, SZ 98 [1981] 141 ff.; PENNITZ, a. a. O., 289 A. 179); diese Quelle spricht aber eher für das Gegenteil, dazu noch sogleich oben im Text. 347 Inhaltlich ist an dieser Stelle ein Punkt erforderlich, den freilich MOMMSEN / KRÜGER ad h. l. nicht setzen.

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seit Beginn des Prozesses gewußt, daß er nicht besitzt. Denn in diesem Fall ist er in der Tat nicht getäuscht worden. Auch derjenige, der sich als Beklagter für die Erbschaftsklage angeboten hat, haftet aus der Arglistklausel; es muß, versteht sich, geschätzt werden, wie groß sein (des Klägers) Interesse daran war, nicht getäuscht zu werden.

Der Eingangssatz spricht sich für eine Verurteilung des liti se offerens aus, ohne daß deutlich wird, aufgrund welcher Klage sie erfolgen soll.348 Einen Interpolationsverdacht erweckt hier die Formulierung nisi si evidentissimis probationibus possit ostendere; auf diesen Passus ist hier jedoch nicht näher einzugehen.349 Eindeutig hinsichtlich des Klagegrundes ist aber der Schlußteil des Fragments: Nach Celsus haftet der liti se offerens (der sich hier der hereditatis petitio anerbietet) ex doli clausula, also aufgrund der Arglistklausel der cautio iudicatum solvi.350 Daß Celsus eine Verurteilung aus der actio ex stipulatu und nicht unmittelbar aus der hereditatis petitio befürwortet, läßt sich auch aus dem Umfang der Verurteilung schließen: Nach Celsus haftet der liti se offerens auf das Interesse des Eigentümers, nicht getäuscht zu werden. Eine solche Formulierung paßt schlecht zu der Annahme, der liti se offerens werde aus der – auf quanti ea res est gerichteten – actio in rem verurteilt;351 mit einer actio ex stipulatu ist dies hingegen gut zu vereinbaren. Die Gegenmeinung, der zufolge Celsus eine Haftung des liti se offerens aus der actio in rem selbst begründet haben soll, muß diese Quelle insgesamt wegen nisi si . . . probationibus sowie wegen eines vermeintlichen Widerspruches zwischen der condemnatio im ersten Satz, die auf die rei vindicatio bezogen wird, und der Verurteilung ex clausula doli als unglaubwürdig abwerten.352 Diese Ansicht überzeugt nicht: Jedenfalls ab et qui se hereditatis petitioni . . . besteht kein 348 Anders TALAMANCA, Studi Cagliari 43 (1964) 145; KASER, SZ 98 (1981) 142 f., denen zufolge der erste Satz sich auf eine Verurteilung aus der actio in rem beziehen muß und die so einen Widerspruch zum Schlußteil des Fragments konstruieren. Entweder einen Widerspruch oder aber eine sinnlose Wiederholung erblickt im Verhältnis zwischen Anfangs- und Schlußteil auch TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) A. 25 (S. 182 f.). Doch liegt auch nicht etwa eine bloße Wiederholung vor; vielmehr geht es im Schlußteil um einen anderen Gesichtspunkt als im Anfangsteil: Der Anfang behandelt den Fall, daß der Kläger wußte, daß der liti se offerens nicht Besitzer war; der Schluß ist der Frage nach dem Umfang der Verurteilung gewidmet. Den Haftungsgrund ex doli clausula erwähnt Celsus nicht zum Zwecke einer selbständigen Aussage, sondern nur zur Beantwortung der Frage nach dem Haftungsumfang. 349 Dazu ALBANESE, APal. 33 (1972) 413 f.; TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 169 f. mit A. 23, 25 (S. 182 f.); KASER, SZ 98 (1981) 143 A. 249 je m.w. N. Die Wendung muß nicht unecht sein: Wer von Anfang an gewußt hat, daß der Beklagte nicht der Besitzer war, ist nicht getäuscht. Das fügt sich bruchlos ein in den Gedankengang des Fragments. 350 Ebenso B/K/K/S [WIELING] ad h. l. 351 Anderer Auffassung PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 289 A. 179 m.w. N. 352 So TALAMANCA, Studi Cagliari 43 (1964) 144 ff.; DERS., Note sulla oblatio liti (1979) 169 f., 172; KASER, SZ 98 (1981) 142 f.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Anhalt für eine Interpolation; unwahrscheinlich wäre insbesondere die Vorstellung, die Kompilatoren hätten von sich aus die Erwähnung der clausula doli eingefügt.353 Die These, auch Celsus habe eine Verurteilung aus der dolus-Klausel – und nicht aus der actio in rem selbst – befürwortet, findet – wenn auch weniger eindeutig – eine Bestätigung in dem Zitat des soeben erörterten Celsus-Textes durch Ulpian in: D. 5,3,13,13 (Ulpian im 15. Buch ad edictum): Non solum autem ab eo peti hereditas potest, qui corpus hereditarium possidet, sed et si nihil. et videndum, si non possidens optulerit tamen se petitioni, an teneatur. et Celsus libro quarto digestorum scribit ex dolo eum teneri: dolo enim facere eum qui se offert petitioni. quam sententiam generaliter Marcellus apud Iulianum probat: omnem, qui se offert petitioni, quasi possidentem teneri. Aber nicht nur von demjenigen kann die Erbschaft herausverlangt werden, der einen körperlichen Erbschaftsgegenstand besitzt, sondern (unter Umständen) auch dann, wenn er (der Beklagte) nichts (körperlich) besitzt. Und es ist zu prüfen, ob er haftet, wenn er sich, ohne Besitzer zu sein, als Beklagter anbietet. Und Celsus schreibt im vierten Buch seiner Digesten, er hafte wegen Arglist; arglistig handele nämlich, wer (obwohl Nichtbesitzer) sich für die dingliche (Erbschafts-)Klage als Beklagter anbietet. Dieser Entscheidung stimmt Marcellus in seinen Anmerkungen zu Julian allgemein zu: Jeder, der sich für die dingliche (Erbschafts-)Klage als Beklagter anbietet, hafte so, als ob er besäße.

Im Eingangssatz des Fragments stellt Ulpian zunächst fest, daß zur hereditatis petitio jedenfalls derjenige passivlegitimiert ist, der (unter Berufung auf ein vermeintliches Erbrecht) eine Erbschaftssache in seinem Besitz hat. Der zweite Teil dieses Satzes sed et si nihil ist schwer verständlich; möglicherweise ist nach nihil etwas ausgefallen.354 Daß Ulpian generell auch denjenigen für pas353 Ebenso ALBANESE, APal. 33 (1972) 414. Daß bei Annahme einer Verfälschung durch die Kompilatoren die Erwähnung der clausula doli „difficilmente spiegabile“ ist, räumt TALAMANCA, Studi Cagliari 43 (1964) 146 ein. TALAMANCA selbst stellt die These auf, im zweiten Teil des Fragments behandele Celsus den Fall, daß es zu einer litis contestatio mit dem liti se offerens nicht gekommen, ein Schaden durch das arglistige Vorspiegeln des Besitzes aber bereits entstanden sei. Dafür spricht jedoch kein Anhalt im Text. 354 Welcher Fall dies gewesen sein könnte, ist heute nur noch schwer auszumachen: Den Fall des liti se offerens behandelt Ulpian gleich im Anschluß in fr. 13,13. Im folgenden Paragraphen (D. 5,3,13,14; Text s. o. A. 293) geht es sodann um den dolo desinens possidere. Einen Fall der quasi iuris possessio behandelt Ulpian in fr. 13,15: Hier geht es um einen Schuldner des Erblassers, der aufgrund eines vermeintlichen Erbrechts meint, von der Schuld frei geworden zu sein, und die Leistung verweigert. In fr. 13,13 könnte daher vielleicht allenfalls eine andere Konstellation der (quasi/veluti?) iuris possessio behandelt worden sein; dies kommt deswegen besonders in Betracht, weil es im Anfangsteil des Satzes (non solum . . . possidet) explizit um ein corpus hereditarium als Gegenstand der Erbschaftsklage ging, und der Gegensatz Sachund Rechtsbesitz naheliegt (vgl. die Gegenüberstellung z. B. auch in Ulpian D. 5,3, 18,1: Si quis, cum peteretur ab eo hereditas, neque r e i neque i u r i s velut posses-

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sivlegitimiert hielt, der nichts aus der Erbschaft besitzt, ist ausgeschlossen. MOMMSEN schlug vor, das et zu streichen und hinter nihil mit einem Komma fortzufahren:355 Doch stört daran, daß dann et si nihil und si non possidens (optulerit tamen se petitioni) eine unnötige Wiederholung darstellen würden; zweimal würde, unmittelbar aufeinanderfolgend, mitgeteilt, daß der Beklagte in diesem Fall keinen Erbschaftsgegenstand besitzt.356 Ohne Annahme eines Textausfalles könnte man den ersten Satz bis sed et si nihil allenfalls verstehen als einen Überleitungssatz: Nachdem bislang Fälle behandelt wurden, in denen es um die Frage ging, wann jemand einen der Erbschaft zuzurechnenden körperlichen Gegenstand besitzt, fragt sich nunmehr, ob man nicht auch ohne den Besitz eines körperlichen Gegenstandes zur Erbschaftsklage passivlegitimiert sein kann. Ulpian kleidet diese Überleitung nicht in eine Frage ein, sondern stellt sogleich fest, daß es eine Passivlegitimation auch ohne Besitz eines körperlichen Gegenstandes gibt.357 Dazu behandelt Ulpian zunächst358 im Fortgang des hier abgedruckten Paragraphen den Fall des liti se offerens. Nach der hier von Ulpian wiedergegebenen Meinung des Celsus haftet der liti se offerens wegen seiner Arglist (ex dolo). Die Formulierung ex dolo dürfte auch hier am ehesten so zu verstehen sein, daß der liti se offerens aus der Arglistklausel der cautio iudicatum solvi haftet.359 sor erat, . . .). Beispielsweise könnte Ulpian den Fall erwähnt haben, daß der Erbschaftsbesitzer an Stelle des Besitzes einer Erbschaftssache als Surrogat einen Anspruch gegen einen Dritten (z. B. das interdictum unde vi, die condictio indebiti oder eine Kaufpreisforderung) erworben hat (vgl. z. B. Ulpian D. 5,3,16,4; 18pr.; HEUMANN / SECKEL, s. v. possidere c) zur quasi iuris possessio; neuerdings hierzu MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio [1998] 224 ff., insbesondere 231 f. A. 41). Doch kann (und muß) die Frage hier nicht entschieden werden (immerhin spricht gegen diese Annahme, daß Ulpian in fr. 13,15 einen anderen Fall der quasi iuris possessio erörtert). 355 MOMMSEN nach MOMMSEN /KRÜGER ad h. l.; ebenso B/K/K/S [WIELING], die ab sed et si nihil übersetzen: „sondern man muß auch hinsichtlich dessen, d e r n i c h t s b e s i t z t , prüfen, ob er haftet, wenn er sich als Prozeßpartei anbietet, o b w o h l e r n i c h t b e s i t z t “ (zu den nicht originalen Hervorhebungen s. sogleich im Text bei A. 356). 356 s. die Übersetzung von B/K/K/S [WIELING] (o. A. 355). 357 In diesem Sinne bereits TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979), 183 (A. 26); KASER, SZ 98 (1981) 141 A. 244. Für dieses Verständnis muß man freilich in sed et si nihil eine Einschränkung (etwa „unter Umständen“, oder „zuweilen“ oder ähnliches) hineinlesen. Zur Genuinität des Fragments im übrigen vgl. etwa TALAMANCA, a. a. O., 170 f. 358 Sodann geht es um den dolo desinens possidere und um einen Fall der quasi iuris possessio (s. o. A. 354). 359 Ebenso ALBANESE, APal. 33 (1972) 404 ff.; a. A. TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 170: aus der actio in rem; ebenso KASER, SZ 98 (1981) 141 f., dem zufolge ex dolo auf die Regel dolus pro possessione est verweist; KASER folgend MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 316 f. A. 8. Doch sind die Anwendungsfälle dieser „Regel“ durchaus umstritten; vor allem findet sich die Gleichstellung der oblatio mit dem Besitz erst in der Wiedergabe der Begründung des Marcellus durch Ulpian, während Celsus ausschließlich der Nachweis des dolus genügt.

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Dann deckt sich das Zitat durch Ulpian genau mit dem Original D. 6,1,45, in dem Celsus von einer Haftung ex clausula doli spricht. Das Problem bei der Wiedergabe durch Ulpian besteht jedoch darin, daß Ulpian mit einem Marcellus-Zitat fortfährt, das nur nach Ulpians Überleitung die Meinung des Celsus teilt, tatsächlich aber einen abweichenden Inhalt hat: Nach Marcellus haftet der liti se offerens wie ein Besitzer (quasi possidentem), und das kann nur heißen: aus der actio in rem.360 Daß Ulpian hier beide Meinungen gleichsetzt, könnte daran liegen, daß es ihm nur darauf ankam, überhaupt eine Haftung des liti se offerens zu begründen (videndum . . . a n teneatur).361 Beide Meinungen decken sich aber insoweit, als nach beiden der litis se offerens tatsächlich haftet. Die Haftungsgründe allerdings differieren – und deswegen gibt Ulpian auch verschiedene Begründungen wieder.362 360 Daß jedenfalls Marcellus die Verurteilung aus der actio in rem befürwortete, wird in der modernen Literatur ganz überwiegend anerkannt, vgl. TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 170 ff.; KASER, SZ 98 (1981) 141 f. mit A. 245 (dort m.w. N.); PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 289; anderer Auffassung (für Interpolation) allerdings noch ALBANESE, APal. 33 (1972) 409 ff. 361 Noch wahrscheinlicher ist, daß hier eine Kürzung des Kontroversenberichts durch die Kompilatoren diese Ungenauigkeit verursacht hat, s. dazu die folgende Fn. 362 Die Gegenansicht, der zufolge Celsus die Verurteilung aus der actio in rem befürwortet hat (s. o. A. 352), beruft sich auf Ulpians Gleichsetzung der Ansichten von Marcellus und Celsus und erklärt Celsus D. 5,3,45 für unglaubwürdig. Doch vernachlässigt diese Argumentation nicht nur das ex dolo bei Celsus-Ulpian, sondern wertet das Zitat durch Ulpian höher als die Wiedergabe des Celsinischen Originals. Das ist methodisch zweifelhaft, sind doch bei der Inhaltswiedergabe durch Ulpian noch mehr Fehlerquellen denkbar als bei der Aufnahme des Originals in die Digesten. Nicht unwahrscheinlich ist insbesondere, daß die Kompilatoren einen ursprünglich längeren Kontroversenbericht des Ulpian (vgl. e‹s›t videndum, . . ., an teneatur) gekürzt und dadurch den Bezug von „quam sententiam“ verfälscht haben. Den Kompilatoren mag der Unterschied zwischen einer Haftung aus der actio in rem selbst und einer Inanspruchnahme aus der clausula doli noch eher vernachlässigbar erschienen sein als den Spätklassikern, unter denen der Streit noch virulent gewesen zu sein scheint (vgl. die abweichende Meinung von Gaius D. 4,3,39; dagegen vermutet TALAMANCA, Note sulla oblatio liti [1979] 184 [A. 34] die hier den Kompilatoren zugeschriebene Haltung schon bei Paulus aufgrund seiner Interpretation von D. 6,1,27pr.). Dafür, daß vor der Wiedergabe der Meinung des Marcellus etwas (vielleicht die Meinung Julians zu einem konkreten Fall, zu dem er erstmalig eine Haftung ex in rem actione annimmt? – vgl. zum Verhältnis von Marcellus zu Julian – freilich mit anderer Argumentationsrichtung – ALBANESE, APal. 33 [1972] 411 A. 59; TALAMANCA, Studi Cagliari 43 [1964] 144 f.; DENS., Note sulla oblatio liti, 171 f. mit A. 37 [S. 186 f.]) ausgefallen sein könnte, spricht auch das Wort „generaliter“, das im überlieferten Zusammenhang keinen rechten Bezug auf einen speziellen Fall findet. Wenig überzeugend ist hierzu die Auslegung von KASER, SZ 98 (1981) 142 mit A. 148 und PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 289 mit A. 179, Ulpian wolle aussagen, Marcellus habe die von Celsus nur für die hereditatis petitio ausgesprochene Haftung aus der actio in rem auf alle dinglichen Klagen (petitiones) erweitert: Es wird zwar wegen des Marcellus-Zitates in Ulpian D. 6,1,25 (dazu sogleich) sachlich richtig sein, daß Marcellus die Meinung für alle actiones in rem vertreten hat, dies wird aber von Ulpian hier nicht ausgesagt. Für diese Lesart müßte nämlich qui se offert petitioni bei der Celsus-Wiedergabe durch Ulpian sich ausschließlich auf die hereditatis petitio beziehen, während es beim Zitat der Mei-

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Nach dem Bisherigen gab es also keine Meinungsverschiedenheit zwischen Sabinus und Celsus; die Formulierungen, der liti se offerens hafte de dolo (so Sabinus bei Gaius 4,3,39), ex doli clausula (Celsus D. 5,3,45) oder ex dolo (Celsus nach Ulpian D. 5,3,13,13) meinen alle dasselbe, daß nämlich der liti se offerens mit der actio ex stipulatu aufgrund der Arglistklausel der cautio iudicatum solvi in Anspruch genommen werden kann. Erst Marcellus scheint allgemein für eine Haftung unmittelbar aus der hereditatis petitio plädiert zu haben. Daß Marcellus auch für die anderen actiones in rem vermutlich als erster den Schritt gewagt hat, statt aus der Arglistklausel der Prozeßkaution unmittelbar aus der actio in rem zu verurteilen, bestätigt D. 6,1,25 (Ulpian im 70. Buch ad edictum): Is qui se optulit rei defensioni sine causa, cum non possideret nec dolo fecisset, quo minus possideret: si actor ignoret, non est absolvendus, ut Marcellus ait: quae sententia vera est . . . Derjenige, der sich ohne Grund, weil er weder die Sache besaß noch absichtlich bewirkt hatte, daß er sie nicht mehr besaß, zur Verteidigung einer Sache als Beklagter angeboten hat, ist, wenn dies der Kläger nicht wußte, nicht freizusprechen, wie Marcellus sagt; diese Meinung ist zutreffend . . .

Nach Marcellus ist also – entgegen der Auffassung früherer Juristen, insbesondere von Sabinus und Celsus – der Beklagte gar nicht, auch nicht von der actio in rem, freizusprechen, sondern aus dieser zu verurteilen.363 Dieser einfacheren Lösung schließt sich der Spätklassiker Ulpian an.364 Dies ergibt sich nicht nur aus diesem Fragment (D. 6,1,25), das im ursprünglichen Zusammenhang bei Ulpian unter der Rubrik des Interdikts Quem fundum stand,365 sondern auch aus dem bereits zitierten Text D. 5,3,13,13.366 Dasselbe gilt aber auch für Paulus.367 Besonders deutlich wird dies in: D. 7,6,6 (Paulus im 21. Buch ad edictum): Qui de usu fructu iudicium acceperit, si desierit possidere sine dolo, absolvetur: quod si liti se optulit et quasi possessor actionem de usu fructu accepit, damnabitur. nung des Marcellus jede dingliche Klage meinen würde. Es wäre aber eine erhebliche sprachliche Ungeschicklichkeit Ulpians, wenn er zweimal in so engem Kontext dieselbe Formulierung für eine jeweils unterschiedliche Bedeutung verwendet haben sollte. 363 Vgl. – i. Erg. ebenso – TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 172 ff.; abweichend – für eine Verurteilung aus der actio ex stipulatu – allerdings ALBANESE, APal. 33 (1972) 392 ff. 364 Zu Ulpian ebenso PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 289 f. mit A. 179. 365 LENEL, Palingenesia II 822 f. (Ulpian Nr. 1549). 366 Für die vindicatio usufructus s. auch Ulpian D. 7,2,10 und D. 7,6,5,5 sowie dazu TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 168 f. mit A. 13, 18, 19 (S. 180–182), der stellenweise versehentlich D. 7,6,6,5 zitiert. 367 Vor allem aufgrund von D. 7,6,6, ebenso TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 168 f.; zu Paulus unentschieden dagegen PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 290 f.

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Wer sich auf einen Prozeß um einen Nießbrauch eingelassen hat, wird, wenn er den Besitz ohne Absicht verloren hat, (von der Klage gegen ihn) freigesprochen. Hat sich aber jemand als Beklagter angeboten und so, als wäre er Besitzer, auf die Klage eingelassen, wird er verurteilt.

Paulus behandelt hier die vindicatio usufructus, also die dingliche Klage des Nießbrauchers auf Einräumung eines dem dinglichen Recht entsprechenden Zustandes, insbesondere also auf Herausgabe, die schon im klassischen Recht gegen jeden Besitzer368 gerichtet werden konnte. Im ersten Fall geht es darum, daß der Besitzer nach der litis contestatio ohne dolus die Sache verliert; hier wird er von dem iudicium de usufructu freigesprochen. Im hiesigen Zusammenhang ist von Bedeutung der zweite Fall, daß sich ein Nichtbesitzer als Besitzer (quasi possessor) der Klage aufdrängt. Nach Paulus ist er zu verurteilen, wobei mangels anderer Angaben davon auszugehen ist, daß der liti se offerens als quasi possessor aus der Klage zu verurteilen ist, der er sich aufgedrängt hat und zu deren litis contestatio er zugestimmt hat (iudicium acceperit), also aus der dinglichen vindicatio usufructus selbst.369 Diese Annahme wird dadurch gestützt, daß dies die Klage ist, von der der Beklagte im ersten behandelten Fall freigesprochen wurde. Ähnlich, wenn auch weniger klar, spricht für eine Verurteilung aus der actio in rem auch D. 6,1,27pr. (Paulus im 21. Buch ad edictum): Sin autem cum a Titio petere vellem, aliquis dixerit se possidere et ideo liti se optulit, et hoc ipsum in re agenda testatione probavero, omnimodo damnandus est. Wenn aber, als ich gegen Titius mit einer dinglichen Klage vorgehen wollte, jemand anderes behauptete, selbst zu besitzen, und sich deshalb für den Rechtsstreit als Beklagter anbot und ich genau dieses im Prozeß durch Zeugenaussage bewiesen habe, ist er auf jeden Fall zu verurteilen.

Auch hier ist, da keine andere Klage außer (durch die Verwendung des Wortes petere)370 der dinglichen Klage auf Herausgabe erwähnt wird, davon auszugehen, daß der liti se offerens aus der rei vindicatio verurteilt wird.371 Die Verwendung des Wortes omnimodo ist dabei nicht so zu verstehen, als solle offenbleiben, aus welcher Klage er verurteilt werde, „jedenfalls“ sei er zu verurteilen.372 Vielmehr richtet sich diese Bestärkung (wie schon non est absolven368

So KASER, RP I 453 A. 60 mit Hinweis auf (Julian-)Ulpian D. 7,6,5,1. Ebenso ad h. l. TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 168 f.; PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 290 A. 179 und A. 183; auch ALBANESE, APal. 33 (1972) 403 f., der aber an der Vertrauenswürdigkeit des Fragments zweifelt. 370 Petere bedeutet im Gegensatz zum allgemeineren Verbum agere typischerweise die Erhebung einer dinglichen Klage, s. HEUMANN /SECKEL, s. v. petere 4)b). 371 Abweichend PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 291. 372 In diesem Sinne aber etwa PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 291 mit A. 188 (Paulus denke möglicherweise an eine actio ex stipulatu oder vielleicht auch de dolo), 369

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dus bei [Marcellus-]Ulpian D. 6,1,25) gegen die ältere – und von Gaius D. 4,3,39373 noch aufrecht erhaltene – Auffassung, die den liti se offerens von der dinglichen Klage freisprechen wollte. Besonders deutlich ist wiederum: D. 6,1,7 (Paulus im 11. Buch ad edictum): Si is, qui optulit se fundi vindicationi, damnatus est, nihilo minus a possessore recte petitur, sicut Pedius ait. Wenn derjenige, der sich (ohne Besitzer zu sein) für die Vindikation eines Grundstück als Beklagter angeboten hat, verurteilt worden ist, so wird das Grundstück trotzdem zu Recht vom Besitzer herausverlangt, wie Pedius sagt.

Nach Ansicht des Paulus ist derjenige, der sich dem Eigentümer als Besitzer aufdrängt, ohne es in Wahrheit zu sein, zu verurteilen. Da Paulus von v i n d i c a t i o n i se offere spricht und dann sofort zur damnatio übergeht, ist am ehesten anzunehmen, daß Paulus eine Verurteilung aus der Vindikation selbst befürwortet. Diese Deutung macht auch die Fragestellung plausibler, ob trotz der Verurteilung des liti se offerens noch die rei vindicatio (daß sie gemeint ist, ergibt sich aus dem Verbum petere) gegen den wahren Besitzer erhalten bleibt. Die Alternative wäre eine Konsumption der zweiten Klage gewesen, die Paulus aber ablehnt. Gegen diese Argumente für eine Verurteilung des liti se offerens aus der actio in rem, die sich aus dem Text selbst ergeben, fällt nicht ins Gewicht, daß der Text nach der Palingenesie LENELs bei Paulus unter der Rubrik de dolo malo stand:374 Daraus folgt nicht zwingend, daß Paulus hier von einer Verurteilung aus der actio de dolo spricht.375 Z u s a m m e n g e f a ß t ergibt sich also folgendes Bild: Sowohl Sabinus als auch Celsus haben eine Haftung des liti se offerens aus der actio in rem abgelehnt, aber eine Verurteilung aus der actio ex stipulatu aufgrund der Arglist-

der den Text überdies wegen des Indikativs optulit und wegen der Beweislastverteilung für überarbeitet und daher für weniger glaubwürdig hält. – Vgl. auch TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 184 A. 34 m.w. N. gegen STURM, SZ 90 (1973) 449 f. A. 50. TALAMANCA zieht aus dem Wort omnimodo ein Argument dafür, daß die Kompilatoren hier einen Kontroversenbericht unterdrückt hätten. Auch nach ALBANESE, APal. 33 (1972) 400 ff. soll der Text von tiefgreifenden kompilatorischen Veränderungen durchzogen sein. 373 s. o. S. 97. 374 LENEL, Palingenesia I 984 (Paulus Nr. 214). Auch die Erwähnung des Pedius ist für das Verständnis des Textes nicht aufschlußreich, da über diesen Juristen kaum etwas bekannt ist, s. KUNKEL, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen (2. Aufl. 1967) 168 f., der vermutet, daß es sich um einen Zeitgenossen Julians handelt. 375 So aber ALBANESE, APal. 33 (1972) 380 ff. und („mit großer Wahrscheinlichkeit“) PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 291 mit A. 186; für unergiebig in der Frage nach dem Haftungsgrund hält das Fragment TALAMANCA, Note sulla oblatio liti (1979) 172 mit A. 45 (S. 185) m.w. N.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

klausel der cautio iudicatum solvi befürwortet. Wahrscheinlich war Marcellus der erste Jurist, der – vielleicht im Anschluß an eine auf einen Einzelfall bezogene Äußerung eines anderen Juristen, der Julian gewesen sein könnte – allgemein die Haftung unmittelbar aus der actio in rem befürwortete, indem er wegen des dolosen Vorgehens den liti se offerens einem Besitzer gleichsetzte (quasi possessor). Diese einfachere Lösung setzt sich in der Spätklassik bei Ulpian und Paulus durch, während noch Gaius an der älteren Auffassung festhielt. 2. Zur Frage nach einer Klagenzession an den liti se offerens Auch in dieser Fallkonstellation stellt sich die Frage, ob der Kläger seine Klage gegen den wahren Besitzer an den liti se offerens abtreten muß, um die Verurteilung zu erreichen. Lediglich zwei, in verschiedene Richtungen weisende Indizien lassen sich dazu in den Quellen finden: Einen gewissen Anhalt gibt die Celsinische Lehre, nach der der liti se offerens auf quanti eius [= actoris] interfuit non decipi haftet (Celsus D. 5,3,45). Das Interesse kann zum einen nur in dem Mehraufwand wegen doppelter Prozeßführung bestehen, nämlich dann, wenn die Verzögerung zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung der Klage gegen den wirklichen Besitzer geführt hat. Dann scheidet eine Klagenzession aus.376 Auch wenn der wahre Besitzer die Sache aufgrund des Zeitgewinns durch die oblatio liti inzwischen ersitzen konnte, stellt sich die Frage der Klagenzession nicht, da der Kläger nicht mehr Eigentümer ist und keinen Anspruch mehr hat, den er zedieren könnte. Wenn aber die Verzögerung nur zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung der rei vindicatio gegen den wirklichen Besitzer geführt hat (weil dieser etwa zwischenzeitlich untergetaucht ist), spricht die Verwendung der Interesse-Formel eher dafür, daß Celsus dem Getäuschten den vollen Sachwert gegen Klagenzession zusprechen möchte.377 Für die spätklassische Lösung (von Marcellus, Ulpian und Paulus) läßt sich ein – freilich ebenso unsicheres – Indiz dem bereits zitierten378 Paulus-Text D. 6,1,7 entnehmen: Wenn Paulus davon ausgeht, daß der liti se offerens aus der rei vindicatio zu verurteilen ist, ist dies am ehesten so zu verstehen, daß er dem Kläger stets den vollen Wert der Sache (eventuell einschließlich von Früchten etc.) schuldet: Nach der Formel der rei vindicatio wird der Beklagte verurteilt 376 Vgl. die Entscheidung Labeo D. 19,2,60,2, falls der Eigentümer die Kleider noch vom Dieb in zumutbarer Weise erlangen kann (dazu u. S. 250 ff.). 377 Vgl. wiederum z. B. Labeo D. 19,2,60,2 (und dazu u. S. 250 ff.), falls die Verweisung auf den Anspruch gegen den Dieb unzumutbar erscheint. Aus der clausula doli resultiert nach Papinian D. 45,1,121pr. eine condictio incerti; die rei vindicatio geht dagegen auf quanti ea res erit (dazu sogleich). 378 s. o. S. 105.

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auf quanti ea res erit;379 der Umfang wird unter Umständen nach dem iusiurandum in litem des Klägers geschätzt. Paulus stellt sodann fest, daß durch die Inanspruchnahme des liti se offerens die rei vindicatio gegen den wirklichen Besitzer nicht (im Wege der Konsumption) untergeht. Offen bleibt zwar mit der passiven Formulierung (recte petitur) die Frage, wer die Vindikation gegen den wahren Besitzer soll erheben dürfen: der Eigentümer oder (nach einer Zession) der liti se offerens. So wie der Text überliefert ist, ist aber am ehesten davon auszugehen, daß die Klage beim Eigentümer verbleibt, weil eine Zession nicht erwähnt wird.380 Dies ließe sich damit begründen, daß dem Eigentümer – wie auch beim dolo desinens possidere – die Chance erhalten bleiben soll, die Streitsache (hier ein Grundstück) noch vom wirklichen Besitzer naturaliter erlangen zu können.381 Von dem liti se offerens, der mit seinem arglistigen Verhalten bereits versuchte, den Besitzer vor einer Inanspruchnahme zu schützen, ist dagegen ohnehin nicht zu erwarten, daß er die Klage gegen den Dritten nach einer Zession geltend machen würde. Das mag für die Spätklassiker die Rechtfertigung gewesen sein, – ähnlich wie beim dolo desinens possidere – das Interesse des Eigentümers an einer Naturalrestitution über das Regreßinteresse des Haftenden zu stellen. Die so verstandene spätklassische Lösung läßt freilich Raum für die Annahme, daß der liti se offerens seine Leistung mittels condictio382 zurückfordern kann, wenn der Eigentümer seine Sache vom wahren Besitzer tatsächlich zurückerhält.383

379 Vgl. KASER, RP I 435. Freilich beeinflußt die restituere-Regel (zu ihr s. noch unten S. 203 ff. bei A. 753 ff.) die Ermittlung des Urteilsumfanges insofern, als sie ergibt, welche Leistungen in Geld abzuschätzen sind. Das führt aber nicht zu einer vollen Angleichung an eine Schätzung des id quod interest, nach dem auf die Ermittlung von Naturalleistung verzichtet wird und nur der hypothetische Vermögensstand des Klägers ohne schädigendes Ereignis mit dem tatsächlichen Vermögensstand des Klägers verglichen wird; s. zur Frage, inwieweit sich auch bei den auf quanti ea res est (erit/fuit/fuerit) lautenden Klagen der Klageinhalt nach dem Interesse des Klägers (also dem Prinzip id quod interest) richtete, s. MEDICUS, Id quod interest (1962) 228 ff., speziell zu den Arbiträrklagen S. 245 ff., insbesondere S. 255. 380 Für dieses Ergebnis spricht auch die Formulierung des Marcellus in Ulpian D. 5,3,13,13, der liti se offerens werde quasi possidentem verurteilt; vgl. dazu die entsprechende (nicht zwingende) Argumentation zu derselben Formulierung beim dolo desinens possidere in Ulpian D. 6,1,22 o. A. 290. 381 Ganz sicher ist dies freilich nicht, denn der Text könnte im Original auch mit dem Inhalt weitergegangen sein, daß die aufrechterhaltene rei vindicatio dem liti se offerens abzutreten sei. Doch hätten dann die Kompilatoren eine einschneidende Kürzung vorgenommen. 382 Zu denken ist an die in (Cassius-)Ulpian D. 12,7,2 genannte Kondiktion, dazu s. u. S. 293 ff. 383 Dazu vgl. noch unten S. 330 ff.; Zusammenfassungen u. S. 333 sowie S. 346 bei A. 1344. Zum umgekehrten Fall, daß nach Leistung des liti se offerens dieser (zufällig) wieder den Besitz der Sache erlangt, vgl. u. A. 1259; Zusammenfassung u. S. 346 bei A. 1340.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Aus der Auswechselung des Haftungsgrundes in der späteren Klassik durch Marcellus, Ulpian und Paulus resultierte also wahrscheinlich ein Wandel auch in der Frage der Klagenzession.

V. Zusammenfassung zur Klagenzession an den Vindikationsbeklagten Verliert der Vindikationsbeklagte im Laufe des Verfahrens (also post litem contestatam) den Besitz an der Sache, ohne daß ihn der Besitzverlust von seiner Haftung aus der rei vindicatio befreit, so kann er grundsätzlich verlangen, daß ihm die Klagen des Vindikanten abgetreten werden (Papinian D. 6,1,63; Paulus D. 6,1,21 Fall 2; Paulus D. 6,1,69 im Umkehrschluß). Dies gilt dann nicht, wenn der Verlust des Besitzes auf eigenem dolus des Vindikationsbeklagten beruht (Paulus D. 6,1,69; Papinian D. 6,1,63). Offen blieb bei der Untersuchung die Frage, ob derjenige, der in Erwartung einer Inanspruchnahme mit der rei vindicatio den Besitz an der Sache vorsätzlich preisgibt (qui dolo fecit quo minus possideret) zur rei vindicatio passivlegitimiert ist. Hält man aber die Passivlegitimation in diesem Fall für klassisch, so ist wahrscheinlich, daß auch in diesem Fall der Vindikationsbeklagte wegen seines dolus keine Möglichkeit hatte, die Zession der Klagen des Eigentümers an sich zu erzwingen; auch für diesen Fall ergäbe sich die Verweigerung eines Rechts auf Abtretung aus Paulus D. 6,1,69. Spiegelt ein besitzloser Beklagter arglistig vor, Besitzer der Sache zu sein, und läßt er sich auf die dingliche Klage ein, so ist er nach der ursprünglichen Meinung (Sabinus, Celsus) und nach einem Teil der späteren Klassiker (Gaius) nicht aus der actio in rem, sondern nur aus der actio ex stipulatu zu verurteilen, die aus der clausula doli der cautio iudicatum solvi resultiert. Nach deren Ansicht ist der liti se offerens auf das Interesse des Klägers zu verurteilen, nicht getäuscht zu werden (so ausdrücklich Celsus D. 5,3,45). Wenn die Täuschung also dem Kläger aus tatsächlichen Gründen die Durchsetzung gegen den wirklichen Besitzer wesentlich erschwert hat, ist der Beklagte dieser Ansicht zufolge wahrscheinlich nur gegen Abtretung der Ansprüche gegen den wahren Besitzer (in der Regel auf den Sachwert) zu verurteilen. In der Spätklassik setzte sich im Anschluß an Marcellus aber eine Auffassung durch (zumindest bei Ulpian und Paulus), nach welcher der liti se offerens unmittelbar aus derjenigen actio in rem zu verurteilen ist, der er sich anerboten hat. Nach dieser Meinung wurde der liti se offerens wahrscheinlich im Ergebnis wie der dolo desinens possidere behandelt, d. h. er wurde verurteilt, ohne daß er die Zession der Klagen gegen den wahren Besitzer erzwingen konnte. Der Grund dieser Entscheidung ist – wie wohl auch beim dolo desinens possidere384 – mutmaßlich darin zu suchen, daß dem Eigentümer die Möglichkeit erhalten bleiben soll, die Sache naturaliter

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wiederzuerlangen; dieses Interesse wurde höher als das Regreßinteresse des Haftenden bewertet. Wenn der Vindikationsbeklagte die Zession von Klagen verlangen konnte, zählten zu den abzutretenden Klagen auf jeden Fall die rei vindicatio gegen den tatsächlichen Besitzer sowie die actio ad exhibendum. Auch die Abtretung der condictio furtiva ist gegebenenfalls wahrscheinlich. Ob bei einer Beschädigung der Sache oder bei sonstigem deliktischen Verhalten eines Dritten auch die Deliktsklagen (die actio legis Aquiliae oder die actio servi corrupti) zu zedieren waren, ist nach den Quellen nicht ausgeschlossen; es gibt aber auch keine diesen Fall sicher bestätigende Quelle.385 Paulus D. 6,1,69 (o. bei A. 270) umschreibt die abzutretenden Klagen als actiones, quas eius rei nomine [actor] habeat.

§ 8 Exkurs: Die Durchführung der Zession Nach diesem ersten Abschnitt von Fällen der Klagenzession bei der Haftung für Sachverlust ist in einem kurzen Exkurs darzustellen, auf welche Weise in diesen Fällen mutmaßlich die Klagenzession bewirkt wurde. Die Schwierigkeit, die die römischen Juristen hier zu überwinden hatten, bestand darin, daß das klassische Recht eine Abtretung im modernrechtlichen Sinne nicht kannte. Es gab also kein Rechtsgeschäft, mit dem der Veräußerer seine Forderung an einen Erwerber unter Aufgabe der eigenen Verfügungsmacht und ohne Mitwirkung des Drittschuldners überträgt. Um einen Gläubigerwechsel herbeizuführen oder diesem zumindest nahezukommen, verwendete man im klassischen Recht alternativ drei verschiedene Institute: die Aktivdelegation, die Bestellung des Erwerbers zum cognitor in rem suam oder seine Ermächtigung als procurator in rem suam.386 Von diesen Möglichkeiten scheidet in den Fällen der Haftung für Sachverlust die Aktivdelegation aus:387 Denn für sie bedarf es einer Mitwir384 Zum Grund der Verweigerung eines Rechts auf Klagenzession beim dolo desinens possidere s. aber noch ausführlich u. S. 320 ff. 385 s. freilich zur actio legis Aquiliae die Vermutung o. A. 224. 386 KASER, RP I, 653 f. Zu einem Überblick über die Entwicklung der Zession im klassischen und nachklassischen Recht s. auch LUIG, Zur Geschichte der Zessionslehre (1966) 2 ff.; HUWILER, Der Begriff der Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht (1975) 25 ff.; A. WACKE, u. A. 397. 387 F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 141 zieht sie daher auch gar nicht in Betracht; freilich kann sich derjenige, der auf Klagenzession haftet, a u c h durch Delegation von dieser Haftung befreien, wenn er sie erreicht. Dies dürfte der Sinn sein des Schlußsatzes von Scaevola D. 15,1,51: et in omnibus, quos idcirco teneri dicimus, quia habent actionem, delegatio pro iusta praestatione est. Doch ist auch hier die Delegation nicht der Weg zur Zession, an den in erster Linie zu denken wäre, sie wird nur als Leistung pro iusta praestatione angesehen; vgl. ad h. l. ohne Berücksichtigung des Schlußsatzes GIOMARO, „Cautiones iudiciales“ e „officium iudicis“ (1982) 215 f.

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kung des Drittschuldners; der Richter aber wird vom klagenden Entschädigungsberechtigten nicht eine Leistung verlangen, für die er auf die Mitwirkung eines Dritten angewiesen ist. Aber auch eine Abtretung durch Bestellung zum cognitor in rem suam war im Ausgangsprozeß über die Haftung wegen Sachverlust häufig noch nicht möglich: Sie setzte voraus, daß die abzutretenden Ansprüche konkret zu benennen sind und der Schuldner bekannt ist; zu der Kognitur mußte nämlich der Vertreter mit bestimmten Formeln vom Vertretenen sogar unter Anwesenheit des Schuldners eingesetzt werden.388 In den meisten Fällen der Haftung wegen Sachverlusts ist aber der Drittschuldner (hier also zumeist der aktuelle Sachbesitzer) typischerweise unbekannt: So etwa wenn die Sache gestohlen wurde und es um die Haftung desjenigen geht, der auf die Sache hätte besser aufpassen müssen.389 Aber auch wenn ein Sklave entflohen ist, weil der Besitzer seine Überwachungspflicht nicht erfüllt hat, wird man im Prozeß des Eigentümers gegen den nachlässigen Besitzer regelmäßig nicht wissen, wo sich der Sklave derzeit aufhält, insbesondere ob er sich inzwischen bereits im Besitz eines Dritten befindet. Dennoch spricht Paulus in D. 6,1,21390 (Fall 2) davon, daß der Eigentümer seine Klagen (gegen den aktuellen Besitzer) abtreten (actionibus suis cedere) müsse, um vom früheren Besitzer Schadensersatz erlangen zu können. Neben der Formulierung actiones oder actionibus cedere391 taucht in anderen Fragmenten über die Haftung wegen Sachverlustes die Bezeichnung actionem praestare392 auf,393 obwohl man in einigen der Fälle nach der Art des Sachver388 G. H. MAIER, FS Rabel II (1954) 215; KASER /HACKL, RZ, 210 f. Der procurator wird demgegenüber durch schlichtes Mandat (ohne notwendige Anwesenheit des Schuldners) zwischen Zedent und Zessionar bestellt; so Gaius 4,84; KASER /HACKL, RZ, 214. Ob hier der Drittschuldner schon zur Zeit der Bestellung feststehen muß, kann hier nicht untersucht werden; WETZELL und OERTMANN (u. A. 395) gehen zu D. 6,1,69 davon aus, ohne zwischen procurator und cognitor in rem suam zu unterscheiden. Da sich der Prozeßprokurator jedoch vermutlich aus dem vermögensverwaltenden procurator entwickelt hat, ist dies nicht unzweifelhaft. 389 Die Kenntnis des Diebes erscheint als besondere Ausnahme in Labeo-Javolen D. 19,2,60,2, dazu u. S. 250 ff. 390 s. o. S. 73. 391 Von vindicationem et condictionem cedere spricht Gaius D. 19,2,25,8, die Formulierung actione oder actionibus cedere verwenden neben Paulus D. 6,1,21 noch Paulus D. 11,3,14,9, Papinian D. 6,1,63; Papinian D. 47,2,54(53),3; bei Marcellus D. 42,1,12 ist möglicherweise zumindest dem Haftenden der Drittschuldner bekannt. 392 So Paulus D. 6,1,69; bei sicher oder auch nur wahrscheinlich bekanntem Drittschuldner auch Paulus D. 4,9,6,4; Papinian D. 47,2,81(80),7; Labeo D. 19,2,60,2. 393 Daneben gibt es für die Zession noch den Begriff actiones mandare. Vgl. hierzu die Zusammenstellung der Quellen bei F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 139 ff., der hinter den terminologischen Differenzen auch sachliche Bedeutungsunterschiede vermutet, insbesondere die Unterscheidung, ob der Zessionar zum cognitor oder zum procurator in rem suam bestellt wird. Den bei den einzelnen Juristen unterschiedlichen Sprachgebrauch sucht er sodann aus der Geschichte der Zession zu erklären; vgl. zu den Thesen von SCHULZ z. T. abweichend G. H. MAIER, FS Rabel II (1954) 210 ff.

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lustes vermutet, daß der aktuelle Besitzer nicht bekannt – und eine Ernennung zum Kognitor daher noch nicht möglich ist. Da dennoch die Verurteilung von einer vorherigen Zession abhängig gemacht wird, müssen die Juristen in diesen Fällen unter der Zession etwas anderes verstanden haben als die sofortige Bestellung zum Kognitor. Für die Lösung dieser Frage läßt sich dem bereits zitierten394 Paulus-Fragment D. 6,1,69 ein Anhalt entnehmen. Dem Text zufolge wird derjenige, der den Besitz einer Sache vorsätzlich aufgegeben hat, unter anderem dadurch schlechter gestellt (als im Falle von nur fahrlässigem Besitzverlust), daß ihm der Kläger keine Sicherheit leisten muß für eine künftige Zession derjenigen Klagen, die ihm wegen derselben Sache zustehen. Daraus ergibt sich in einem (schon oben vorgeschlagenen) Umkehrschluß, daß in anderen Fällen eine solche Sicherheit für eine zukünftige Zession geleistet werden mußte. Der Grund, weswegen die eigentliche Zession hier nicht sofort erfolgt, könnte auch hier darin zu finden sein, daß der Drittschuldner momentan nicht bekannt ist und eine Prozeßbevollmächtigung deswegen zumindest (in der Form der Kognitur) noch nicht erfolgen kann.395 Wenn aber die Juristen in anderen Fällen, in denen aus demselben Grunde eine sofortige Zession wahrscheinlich unmöglich ist, nur von einer Zessionspflicht sprechen, so führt das zu der Annahme, daß sie auch hier eigentlich an eine Sicherheit für eine künftige Bestellung zum Prozeßvertreter denken und diesen Gedanken mit der Redeweise actionibus bzw. actiones cedere oder actiones praestare verkürzt zum Ausdruck bringen. Dafür spricht noch eine weitere Überlegung: Auch wenn eine Bestellung zum Prozeßverteter – weil etwa wie in Labeo D. 19,2,60,2396 der Dieb bekannt ist – schon im Prozeß über die Haftung wegen Sachverlusts möglich ist, verschafft diese Ermächtigung dem Haftenden keine hinreichend sichere Stellung. Dieses Problem gilt für die Kognitur und den Prokurator im wesentlichen gleichermaßen. Denn die Bestellung zum cognitor oder procurator in rem suam hat – im Unterschied zur Aktivdelegation – auf der Rechtsfolgenseite eine weitere Schwäche: Bei Bestellung zum Prokurator in rem suam kann der Zedent noch weiterhin die Forderung selbst einklagen (sowie die Leistung mit befreiender Wirkung annehmen) und sogar die Ermächtigung widerrufen.397 Dies gilt bis zur Genehmigung der Prozeßführung des Prokurators gegen den Schuldner durch den Zedenten, in spätklassischer Zeit unter besonderen Umständen nur 394

s. o. S. 82 ff. So ohne Beschränkung auf die Kognitur WETZELL, Vindicationsproceß (1845) 227 ff.; OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 258 f. 396 Dazu u. S. 250 ff. 397 GEHRICH, Kognitur und Prokuratur in rem suam (1963) 71, 94; KASER in der Besprechung dieser Dissertation, SZ 81 (1964) 393; DERS., RP I 653 f.; vgl. auch KASER /HACKL, RZ, 215 f. Vor allem A. WACKE, Übertragbarkeit des iuris vinculum mittels Zession? in: Studi in onore di M. Talamanca VIII (2001) 333–380, 355 ff. 395

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bis zur Klageerhebung (d. h. Litiskontestation) durch den Zessionar.398 Auch bei der Kognitur kann – hier allerdings stets nur bis zur litis contestatio des Kognitors mit dem Schuldner399 – der Zedent den Anspruch noch selbst einklagen400 und nach heute herrschender Auffassung sogar die Bestellung widerrufen.401 Die Möglichkeit, die Ermächtigung zu widerrufen und die Forderung selber einzuklagen, ist für den Zedenten von Vorteil. Diese Befugnis erklärt, wieso nach der Mehrzahl der Quellen die Zession schon vor der Verurteilung des Haftenden erzwungen wird, zu einem Zeitpunkt also, in dem der Entschädigungsberechtigte noch nichts erlangt hat. Abgesehen vom Fall einer sofortigen Klageerhebung durch den Zessionar vor der eigenen Zahlung, besteht deshalb für den Zedenten nicht die Gefahr eines vorzeitigen Verlustes seiner Forderung. Die Lage des Beklagten hingegen ist wenig gesichert. Es erscheint sonderbar, daß ihm zwar ein Retentionsrecht zugestanden wird, dieses aber im Grunde leerzulaufen droht, da der Gläubiger den Erfolg der durch das Zurückbehaltungsrecht erzwungenen Handlung dem Beklagten sofort (nach der Verurteilung) wieder entziehen kann.402 Deswegen hat FRITZ SCHULZ zu Recht verallgemeinernd angenommen, daß die Zession in allen Fällen, in denen dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zur Erzwingung der Zession eingeräumt wird, verstärkt wurde durch eine Sicherheitsleistung dafür, daß der Zessionserfolg auch nicht vereitelt werde.403 Auch in diesen Retentionsfällen scheinen die Juristen bei der Erwähnung der Zession also eine Kaution ohne weiteres vorauszusetzen. Nun ist dieser Weg des Abtretungszwanges im Wege der Retention bei der Haftung für den Verlust einer fremden Sache (oder eines fremden Rechts) zwar der wichtigste, aber nicht der einzige: Unterbleibt die Zession bei der Zahlung des Ersatzpflichtigen, wird sie nach Möglichkeit nachträglich mittels einer K l a g e erzwungen.404 Auch bei einer auf Anspruchsabtretung gerichteten Klage muß aber sichergestellt werden, daß der Beklagte, wenn er zur Vermei398 GEHRICH, Kognitur und Prokuratur in rem suam (1963) 74 ff., 94 f.; KASER, SZ 81 (1964) 391 f.; KASER /HACKL, RZ, 215 f.; zur Entwicklung auch F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 143 ff.; G. H. MAIER, FS Rabel II (1954) 216. 399 GEHRICH, Kognitur und Prokuratur in rem suam (1963) 39 f., 93; KASER, SZ 81 (1964) 391; KASER /HACKL, RZ, 211. 400 GEHRICH, Kognitur und Prokuratur in rem suam (1963) 18 ff., 93; KASER, SZ 81 (1964) 393; DERS., RP I 653 f. 401 GEHRICH, Kognitur und Prokuratur in rem suam (1963) 24 ff. mit Gegenstimmen, 93; KASER, SZ 81 (1964) 393; KASER /HACKL, RZ, 211 bei A. 16; DERS., RP I, 653; zur Zession durch Bestellung zum Prozeßvertreter aus neuerer Zeit QUINTANA ORIVE /BLANCH NOUGUÉS, Nuevas consideraciones en torno al cognitor y al procurator in rem suam, RIDA 45 (1998) 321 ff. 402 Vgl. F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 146 ff. 403 So F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 147 f. ebenfalls unter Berufung auf unser PaulusFragment D. 6,1,69 sowie auf Ulpian D. 10,2,2,5; vgl. aber auch schon A. SCHMID, Cession I (1863) 260, ferner S. 263. 404 Dazu etwa Gaius D. 19,2,25,8 (s. u. S. 265 ff.).

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dung einer Geldkondemnation durch Realleistung erfüllen will, die Bestellung zum Prozeßvertreter nicht anschließend widerruft oder anderweitig hinfällig macht. Die Vermutung ist daher noch allgemeiner aufzustellen, daß nämlich Sicherheitsleistung hinter jeder (gerichtlich erzwungenen) Zession steht, also auch wenn die Zession der Abwendung einer weitergehenden Verurteilung des Beklagten dient oder von vornherein das Ziel einer Klage ist.405 Stets muß der Mangel der römischen Zession, daß sie im Außenverhältnis (zum Schuldner) nicht unmittelbar privativ wirkt, also dem Gläubiger die Verfügungsgewalt nicht sogleich entzieht,406 überwunden werden – vermutlich eben durch Sicherheitsleistung im Innenverhältnis.407 Ist die Zession (i. S. einer Bestellung zum cognitor oder procurator in rem suam) gar in dem Zeitpunkt, in dem sie erzwungen werden soll, nicht möglich, z. B. weil der Drittschuldner nicht bekannt ist, so wird der Zessionspflicht sogar durch die schlichte Kaution – wie sie in D. 6,1,69 405 Vgl. die Gruppenbildung bei F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 83 ff.; der von SCHULZ, S. 148 A. 2 selbst als Beleg für die Sicherheitsleistung zitierte Text Ulpian D. 10,2,2,5 dürfte seiner Fallgruppe I (Erzwingung der Zession durch Klage) nahestehen; für Gruppe III von SCHULZ (Klagenabtretung zur Haftungserleichterung) kann der von ihm nicht behandelte Text Paulus D. 6,1,21 mit dem ersten Fall des nicht zu bewachenden Sklaven angeführt werden: In dieser bereits o. S. 73 ff. besprochenen Quelle geht es darum, daß nach Erhebung der rei vindicatio der herausverlangte Sklave ohne ein haftungsbegründendes Verschulden des Beklagten entflohen ist. Paulus unterscheidet danach, ob der Beklagte zwischenzeitlich den Sklaven ersessen hat oder noch nicht. Im Falle vollendeter Ersitzung erfolgt ein Freispruch des Beklagten, wenn er die durch die Ersitzung erworbenen Ansprüche an den Vindikanten abtritt (und die gezogenen Früchte herausgibt). Für den Fall noch nicht vollendeter Ersitzung heißt es dagegen, der Beklagte werde sine cautionibus freigesprochen (und dies wird im folgenden Teil und am Ende des Fragments unter Andeutung eines Meinungsstreites präzisiert). Diese Gegenüberstellung (Freispruch nach Abtretung von Ansprüchen – Freispruch sine cautionibus) legt nahe, daß die Abtretung der Ansprüche (im Falle der Ersitzung) mit einer Sicherheitsleistung verbunden ist (s. schon o. A. 260); freilich ist dieser Gegenschluß nicht sicher, da der Text selbst nur die cautio de persequenda re und die cautio de restituendo ausdrücklich erwähnt und möglicherweise im Rahmen der Kürzung eines Kontroversenberichtes vor der Überleitung zum Fall noch nicht vollendeter Ersitzung mit der Wendung quod si etwas ausgefallen ist (vgl. o. A. 261). 406 In manchen Fällen, z. B. bei Papinian D. 47,2,81(80),7 (dazu u. S. 163 ff., insbes. S. 166 A. 619), zweifelhafter bei Paulus D. 4,9,6,4 (dazu u. S. 133 ff., insbes. S. 156 A. 570), scheint es zumindest wichtiger Nebenzweck der Erzwingung der Zession zu sein, dem Zedenten die Möglichkeit der Anspruchsverfolgung zu nehmen – ein Effekt, der ohne Kaution gar nicht erreicht werden könnte. Andere – hier nicht näher zu besprechende – Beispiele für eine Zession mit diesem Nebenzweck sind Papinian D. 47,2,81(80),5 (Text s. u. A. 418; allerdings bietet hier die abzutretende condictio furtiva dem Zessionar Titius gegenüber seiner eigenen actio negotiorum gestorum gegen den falsus procurator auch den Vorteil der schärferen Haftung; dazu LEVY, Nachträge [1962] 13 f.) und möglicherweise auch (Julian-)Ulpian D. 6,1,17,1 (so jedenfalls KLINGENBERG, FS Wesener [1992] 247). 407 Ebenso (zu Recht) sowohl für die „freiwillige“ als auch für die „notwendige“ Zession, G. H. MAIER, FS Rabel II (1954) 218 ff.; auch GIOMARO, „Cautiones iudiciales“ e „officium iudicis“ (1982) 211 ff.; vgl. KASER, RP I 654. Zu vorsichtig QUINTANA ORIVE /BLANCH NOUGUÉS, RIDA 45 (1998) 330 bei A. 23, vgl. S. 323: Zedent und Zessionar hätten eine solche Kaution abschließen k ö n n e n .

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

erwähnt wird – über die zukünftige Abtretung Genüge geleistet. Daß die Spuren dieser Sicherheitsleitung in den Quellen so rar408 sind, mag daran liegen, daß sie einem mit den Schwächen der nur prozessual möglichen Zession besser vertrauten römischen Juristen selbstverständlich erschien:409 Anders war eben (ohne Mitwirkung des Schuldners) ein cedere aus der Forderung nicht möglich. Z u s a m m e n f a s s e n d ist also festzuhalten, daß im Falle einer gerichtlich erzwungenen Zession im klassischen Recht mutmaßlich der Zedent zur Leistung einer Kaution veranlaßt wurde, die den Zessionserfolg absicherte. Die unmittelbare Bestellung des Zessionars zum Prozeßvertreter in rem suam konnte allenfalls dann – und zwar zusätzlich zur Kautionsleistung – erfolgen, wenn bereits im Zeitpunkt der Erzwingung der Zession die Person des Drittschuldners (und der Inhalt des zu zedierenden Anspruchs) bekannt war.

§ 9 Keine Klagenzession im Rahmen der condictio furtiva? Kondiktionen sind typischerweise nicht Klagen, aus denen der Schuldner auf Schadensersatz für den Verlust einer Sache haftet; sie sind auf Abschöpfung einer beim Schuldner eingetretenen Bereicherung gerichtet. Aus dem direkten Anwendungsbereich des § 255 BGB scheidet der Schuldner einer Kondiktion im modernrechtlichen Sinne daher regelmäßig aus.410 Dennoch sind auch beim Kondiktionsschuldner Situationen vorstellbar, die den bereits besprochenen Fällen der Haftung für Sachverlust etwa aus der rei vindicatio entsprechen. Das gilt insbesondere für den Schuldner aus einer condictio furtiva, der – anders als typischerweise der Schuldner aus einer anderen Kondiktion – wie der Vindika408 Außer Paulus D. 6,1,69 und D. 6,1,21 (s. o. A. 405), Ulpian D. 10,2,2,5 (dazu o. A. 403), s. noch Gaius 3, 252 (dazu QUINTANA ORIVE /BLANCH NOUGUÉS, RIDA 45 [1998] 330 A. 23). 409 Daß dies mit der späteren Fortentwicklung des Zessionsrechts durch eine actio utilis zusammen hinge (so G. H. MAIER, FS Rabel II [1954] 233; ähnlich GIOMARO, „Cautiones iudiciales“ e „officium iudicis“ [1982] 214) und die Kompilatoren deswegen die Hinweise auf die Kautionen gestrichen hätten, ist demgegenüber weniger wahrscheinlich: Auch bei Existenz einer actio utilis muß noch gewährleistet sein, daß der „Zedent“ nicht schon vorher mit der direkten Klage vorgeht, ohne die Zession offenzulegen, und dem Zessionar so die Klagebefugnis nimmt; die Kaution wurde also nicht entbehrlich (vgl. KASER, RP I 654). Dies gilt auch dann, wenn man mit G. H. MAIER, a. a. O., 216 aus Ulpian D. 2,14,16pr. schließt, daß dem Schuldner schon wegen der actio utilis des Zessionars eine exceptio doli gegen den Zedenten zustand (dagegen A. WACKE, o. A. 397): Für den Zessionar bleibt ungewiß, ob der Schuldner die Einrede (mit Erfolg) erhebt. 410 s. aber auch im modernen Recht die Haftung für Sachverlust des bösgläubigen oder verklagten Schuldners etwa der Kondiktion des Sachbesitzes aus §§ 818 Abs. 4, 819, 292, i.V. m. § 989 bzw. bei deliktischem Besitzerwerb i.V. m. §§ 992, 848 oder bei Verzug (§ 990 Abs. 2) i.V. m. § 287 BGB.

§ 9 Keine Klagenzession im Rahmen der condictio furtiva?

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tionsbeklagte nicht die Übereignung einer erlangten Sache schuldet, sondern nur deren Herausgabe. Der Dieb haftet aus dieser Kondiktion fort, wenn er die Sache verliert; er haftet sogar für Zufall. Auch dann stellt sich die Frage parallel zum Fall des Vindikationsbeklagten, der den Sachbesitz verliert, ob er die Zession der Klagen beanspruchen kann, welche dem Kläger wegen derselben Sache gegen einen anderen zustehen. Unmittelbar zu dieser Fallkonstellation ist uns keine Quelle überliefert.411 Es lassen sich aber aus zwei Texten Hinweise entnehmen, daß der aus einer condictio furtiva Verklagte eine Klagenzession nicht erzwingen konnte.

I. Julian D. 13,1,14,1: Keine Pflicht des Klägers zur Sicherheitsleistung Da eine bloße Ermächtigung zum Prozeßvertreter ohne Sicherheitsleistung nach klassischem Recht, wie soeben412 festgestellt, dem Zessionar keine hinreichend gesicherte Position verschafft, erhält zunächst der folgende kurze JulianText eine Bedeutung für die Frage der Klagenzession im Rahmen der condictio furtiva: D. 13,1,14,1 (Julian im 22. Buch seiner Digesten): Cavere autem ex hac actione petitor ei cum quo agitur non debebit. Sicherheit wird aber bei dieser Klage der Kläger zugunsten des Beklagten nicht leisten müssen.

Das Fragment steht im Digestentitel De condictione furtiva und stand auch in den Digesten Julians unter dieser Rubrik.413 Somit steht ex hac actione mit großer Wahrscheinlichkeit für die Diebstahlskondiktion.414 Wenn der Satz schon von Julian so allgemein aufgestellt wurde, wie er uns überliefert wurde, bedeutet er, daß der Kläger im Kondiktionsverfahren nicht dazu angehalten werden kann, zugunsten des Diebes ein Sicherungsversprechen – gleich welcher Art – abzugeben.415 Da aber eine Zession ohne Sicherheitsleistung im klassischen 411 Vgl. allerdings zum Diebstahl vom Dieb Pomponius D. 47,2,77,1 (Text s. u. S. 181), dessen – von LEVY, Konkurrenz I (1918) 481 f. für interpoliert gehaltener – Schlußsatz ab sed et aber nur besagt, daß dem Eigentümer gegen beide Diebe die condictio furtiva zustehe und eine Klagenkonsumption nicht stattfinde. 412 s. o. S. 109 ff. 413 LENEL, Palingenesia I 377 (Julian Nr. 349); anders LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 324 mit A. 4: actio furti nec manifesti. 414 Wie hier etwa LEVY, SZ 42 (1921) 489; CARRELLI, L’acquisto (1934) 55 f.; offenlassend, ob alternativ ein Bezug auf die actio furti nec manifesti in Frage kommt, EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 188. 415 In Betracht käme außer der die Zession von Klagen absichernden Kaution etwa auch eine cautio de re restituenda oder gar persequenda; vgl. LEVY, SZ 42 (1921) 489 mit A. 2; CARRELLI, L’acquisto (1934) 56.

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Recht wenig Sinn hat, würde daraus folgen, daß der mit der condictio furtiva belangte fur auch keine Klagenzession verlangen konnte, wenn er zur Leistung verurteilt wurde, obwohl er die Sache inzwischen wieder verloren hat.416 Der Grund dafür, daß der Kläger nicht zu einer Sicherheitsleistung gezwungen wurde, könnte zum einen darin zu suchen sein, daß die starre dare-Formel der Klage dem Richter kein hinreichendes Ermessen einräumte.417 Doch würde das nicht erklären, warum der Beklagte nicht – wie bei etwa bei der condictio indebiti 418 – mittels exceptio doli die Klagenzession erzwingen kann. Nimmt man an, daß auch diese Möglichkeit durch den Text ausgeschlossen wird,419 dann kann man in dem Ausschluß von Zurückbehaltungsrechten zur Erzwingung von Sicherheitsleistungen ein Bestreben der Jurisprudenz erkennen, die condictio furtiva zu einer Klage auszugestalten, mit der der bestohlene Eigentümer schnell und einfach den schlichten Sachwert vom Dieb erlangen kann, ohne daß 416 Ebenso CARRELLI, L’acquisto (1934) 56. Das paßt mit der Folgerung von LEVY, SZ 42 (1921) 488 ff. zusammen, die er durch andere Erwägungen abstützt, daß nämlich der Schuldner der condictio furtiva auch nicht das (prätorische) Eigentum durch die Zahlung des Streitwertes erwerben konnte (dazu u. S. 268 ff.). In diesem Punkt zustimmend („immerhin wahrscheinlich“) EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 140; abweichend aber PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 309. 417 Vgl. LEVY, SZ 36 (1915) 36 ff.; DERS., Konkurrenz II 1. Hälfte (1922) 90 f. zu Pomponius D. 47,2,9,1 (dazu sogleich). Eine compensatio gegen die condictio furtiva läßt aber Ulpian D. 16,2,10,2 in der überlieferten Fassung (vgl. allerdings LEVY / RABEL, Index Interpolationum I [1929] 265 ad h. l.) immerhin ausdrücklich zu. 418 Bei der condictio indebiti konnte der Schuldner unter Umständen mit der exceptio doli (aber auch nur mittels dieser Einrede) die Zession von Klagen des Kondiktionsgläubigers erzwingen, wie sich unzweifelhaft aus dem komplizierten Text Papinian D. 47,2,81(80),5 (dazu F. SCHULZ, SZ 27 [1906] 98; LEVY, Nachträge [1962] 12 ff.): ergibt: Si Titius, cuius nomine pecuniam perperam falsus procurator accepit, ratum habeat, ipse quidem Titius negotiorum gestorum aget, ei vero, qui pecuniam indebitam dedit, adversus Titium erit indebiti condictio, adverus falsum procuratorem furtiva durabit: electo Titio non inique p e r d o l i e x c e p e t i o n e m, uti praestetur ei furtiva condictio, desiderabitur. quod si pecunia fuit debita, ratum habente Titio furti actio evanescit, quia debitor liberatur. – „Wenn Titius, in dessen Namen ein (dolos handelnder) Vertreter ohne Vertretungsmacht (falsus procurator) nicht geschuldetes Geld angenommen hat, (die Annahme durch den falsus procurator) genehmigt, kann zwar Titius selbst (gegen den falsus procurator) wegen Geschäftsführung ohne Auftrag klagen. Demjenigen aber, der das nicht geschuldete Geld gezahlt hat, wird gegen Titius eine Kondiktion wegen Zahlung einer Nichtschuld (condictio indebiti) zustehen (und) gegen den falsus procurator die Diebstahlskondiktion erhalten bleiben: Wählt er aber Titius (als Klagegegner) aus, wird mit vollem Recht m i t t e l s d e r E i n r e d e d e r A r g l i s t verlangt werden, daß ihm die Diebstahlskondiktion abgetreten wird. Wenn aber das Geld geschuldet war, erlischt die Diebstahlsklage (actio furti!) mit der Genehmigung durch Titius, weil der Schuldner frei wird.“ – Der aus der condictio indebiti verklagte Scheingläubiger Titius haftet freilich nicht wegen Sachverlusts, so daß dieser Text hier nicht näher zu besprechen ist. 419 Freilich ließe sich der Text auch so interpretieren, daß nur die Erzwingung unmittelbar ex hac actione ausgeschlossen ist, nicht auch die per exceptionem. Mehr spricht jedoch dafür anzunehmen, daß insgesamt bei der Prozeßführung über diese Klage ein Zwang des Klägers zur Sicherheitsleistung ausgeschlossen wird.

§ 9 Keine Klagenzession im Rahmen der condictio furtiva?

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zugleich eine endgültige Lösung gefunden werden muß für den Fall, daß der tatsächliche Verbleib der Sache ermittelt wird.420 Demgegenüber will PENNITZ – ohne nähere Erläuterung – diesen Satz Julians ausschließlich auf den Fall des voranstehenden Prinzipiums beziehen.421 Dieses lautet: D. 13,1,14pr. (Julian im 22. Buch seiner Digesten): Si servus furtivus sub condicione legatus fuerit, pendente ea heres condictionem habebit.422 et si lite contestata condicio exstiterit, absolutio sequi debebit, perinde ac si idem servus sub condicione liber esse iussus fuisset et lite contestata condicio exstitisset: nam nec petitoris iam interest hominem recipere et res sine dolo malo furis eius esse desiit. quod si pendente condicione iudicaretur, iudex aestimare debebit, quanti emptorem invenerit. Wenn ein gestohlener Sklave unter einer Bedingung vermacht worden ist, wird der Erbe vor Eintritt der Bedingung die (Diebstahls-)Kondiktion haben. Und wenn nach der Prozeßbegründung die Bedingung eintritt, wird ein Freispruch erfolgen müssen, gleich wie wenn angeordnet worden wäre, daß derselbe Sklave unter einer Bedingung frei sein soll, und nach der Prozeßbegründung die Bedingung eingetreten wäre: Denn der Kläger hat kein Interesse mehr daran, den Sklaven zurückzuerlangen, und die Sache steht, ohne daß Vorsatz des Diebes mitgewirkt hat, nicht mehr in seinem (des Klägers) Eigentum. Wenn aber das Urteil bei noch schwebender Bedingung gefällt wird, wird der Richter zu schätzen haben, zu welchem Preis der Kläger einen Käufer finden würde.423 Hier wurde jemandem ein Sklave mit dinglicher Wirkung unter einer (aufschiebenden) Bedingung vermacht, der daraufhin (wohl noch vor dem Erbfall) gestohlen wurde. Vor Eintritt der Bedingung steht dem Erben eine Diebstahlskondiktion zu. Mit Eintritt der Bedingung verliert der Erbe das Eigentum und damit auch die Aktivlegitimation zur Diebstahlskondiktion.424 Der Eintritt der Bedingung ist auch dann zu be420 Dem widerspricht nicht die These von LEVY, der die Begründung darin sucht, daß die condictio furtiva dem Kläger generell kein iusiurandum in litem ermöglichte (dazu sogleich unter II.). Vielmehr ergänzen sich beide Überlegungen. 421 PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 317. – Anders wiederum LENEL (o. A. 413), der Julians Äußerung in Zusammenhang stellt mit Ulpian D. 6,2,7,1; dort legt Ulpian (unter Berufung auf Julian) dar, daß die litis aestimatio einem Kauf ähnlich sei. Das könnte zu dem Verständnis verleiten, daß Julian hier nur eine stipulatio duplae im Falle der Streitwertzahlung ablehnt. Dagegen läßt sich jedoch anführen, daß aus der litis aestimatio generell keine Eviktionshaftung des Klägers folgte (vgl. LEVY, SZ 42 [1921] 483), dies also keine Besonderheit ex hac actione war (ebenso LEVY, SZ 42, 489 A. 2; gegen einen Bezug auf die stipulatio duplae auch EHRHARDT, Litis aestimatio [1934] 188). 422 MOMMSEN /KRÜGER setzen hier kein Satzzeichen, stattdessen hinter dem folgenden et ein Komma. 423 Zu diesem Text – ohne auf einen eventuellen Zusammenhang mit dem nachfolgenden Paragraphen einzugehen – s. etwa BUCKLAND, The Roman Law of Slavery (1908) 287 f.; KASER, Quanti ea res est (1935) 122 f.; BUND, Untersuchungen zur Methode Julians (1965) 116; PIKA, Ex causa furtiva condicere (1988) 66 f. (dazu allerdings in seiner Rezension die berechtigte Kritik von VÖLKL, SZ 107 [1990] 629 [632]). 424 Ebenso Ulpian D. 13,1,10,3; sie geht aber nicht etwa auf den Vermächtnisnehmer über, sondern erlischt endgültig, weil sie nur demjenigen zusteht, der sowohl Ei-

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rücksichtigen, wenn es zu ihm erst im laufenden Verfahren kommt; die Klage ist dann abzuweisen. Dasselbe gilt, wenn der Sklave testamentarisch unter einer Bedingung freigelassen wurde (also ein statuliber425 ist). Wenn die Bedingung aber bis zum Urteilszeitpunkt nicht eintritt, ist der Dieb aus der condictio furtiva zu verurteilen, und zwar auf soviel, wie der Erbe durch seinen Verkauf erzielen könnte.426 Der Dieb ist also nicht schlechthin auf den Wert des Sklaven zu verurteilen, sondern nur auf den (wirtschaftlichen) Wert der beim Erben vorhandenen bedingten Rechtsposition. Wenn nun der Satz, demzufolge der Kläger der condictio furtiva hier keine Kaution an den Beklagten zu leisten hat, auf diesen Fall bezogen werden soll, fragt sich, an welche Kaution Julian denn in casu gedacht haben könnte. Zu denken wäre zum einen, dem Kläger eine Kaution zur Rückzahlung der erhaltenen Urteilssummme im Falle des nachträglichen Bedingungseintritts aufzuerlegen. Doch scheint eine solche Rückzahlungspflicht nicht gerechtfertigt, wenn – wie die von Julian angeführte Anweisung zur Wertermittlung nahelegt – schon bei der Festsetzung des Streitwertes berücksichtigt werden soll, daß die Position des Klägers nur eine bedingte ist. Auch bei einem rechtsgeschäftlichen Verkauf unter Offenlegung der bedingten Eigentümerstellung würde der Verkäufer dem Käufer für das von diesem übernommene Risiko des Bedingungseintritts nicht haften; daher kommt auch nicht in Frage, daß Julian hier – in Anlehnung an eine Verkäuferhaftung im Vergleichsfall des Verkaufs der bedingten Position – an eine stipulatio duplae zugunsten des Beklagten dachte. Wenn man einen Bezug des § 1 zum Prinzipium herstellen möchte, käme allenfalls in Betracht, daß Julian hier erörterte, warum der Dieb nicht zum vollen Wert des Sklaven gegen eine Garantie dafür verurteilt wird, daß weder der Kläger erneut noch der Vermächtnisnehmer mit der rei vindicatio vorgehen würden. Dann könnte Julian argumentiert haben, daß auch sonst vom bestohlenen Eigentümer, der aus der condictio furtiva klagt, ein Verzicht auf seine rei vindicatio nicht erzwungen werde,427 so daß auch hier eine solche Kaution nicht verlangt werden könne. Wäre dies der ursprüngliche Zusammenhang des § 1, dann wäre zwar nicht generell ausgeschlossen, daß der Kläger im Rahmen der condictio furtiva zu einer Kautionsleistung an den Beklagten gezwungen werden kann. Ein solcher Zusammenhang ist zwar vorstellbar, aber angesichts der Überlieferung des Fragments nicht nachweisbar. Zudem läßt sich umgekehrt auch bei Annahme eines solchen konkreten Bezuges nicht ausschließen, daß der Satz so allgemein galt, wie er überliefert ist. Schließlich spricht gerade der Umstand, daß der Kläger im Verfahren über die condictio furtiva nicht zum Verzicht auf seine rei vindicatio angehalten werden kann, für die Annahme, daß die condictio furtiva noch keine endgültige Regelung herbeiführen sollte und deswegen der Kläger auch die anderen Klagen wegen derselben Sache nicht abtreten mußte.428

gentümer ist als auch bestohlen wurde, oder dem Eigentümer und Erben des Bestohlenen, vgl. Paulus D. 13,1,11; dazu PIKA, Ex causa furti condicere (1988) 68. 425 Zum Begriff s. nur Gaius 2,200. 426 Dasselbe Ergebnis schildert Ulpian D. 47,2,52,29 für die actio furti. Nicht ganz deutlich spricht KASER (o. A. 423) vom „Kaufpreis, der für einen solchen Sklaven zu erzielen wäre“ oder vom „objektiven Wert“; ähnlich MEDICUS, Id quod interest (1962) 263 A. 7. 427 Vgl. Pomponius D. 47,2,9,1 und dazu sogleich im Text. 428 Dazu s. sogleich im Anschluß zu Pomponius D. 47,2,9,1.

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II. Pomponius D. 47,2,9,1: Kein Verzicht des Klägers auf die konkurrierende rei vindicatio Für die Annahme, daß im Rahmen der condictio furtiva eine Zession der Ansprüche des Eigentümers nicht erzwungen werden kann, läßt sich auch dem folgenden Pomponius-Text ein Argument entnehmen: D. 47,2,9,1 (Pomponius im 6.429 Buch ad Sabinum): Sed si eam [sc. rem subreptam, vgl. fr. 9pr.] a fure vindicassem, condictio mihi manebit. sed potest dici officio iudicis, qui de proprietate cognoscit, contineri, ut non aliter iubeat restitui, quam si condictionem petitor remitteret: quod si ex condictione ante damnatus reus litis aestimationem sustulerit, ut aut omnimodo absolvat reum aut (quod magis placet), si paratus esset petitor aestimationem restituere nec restituetur ei homo, quanti in litem iurasset, damnaretur ei possessor. Doch wenn ich ihretwegen (sc. wegen der gestohlenen Sache) gegen den Dieb die Vindikation erhoben habe, wird mir die Kondiktion erhalten bleiben. Doch kann man sagen, es stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Richters, der über das Eigentum erkennt, daß er nur dann anordnet, daß restituiert werde, wenn der Kläger auf die Kondiktion verzichtet. Wenn jedoch der Schuldner zunächst aus der Kondiktion verurteilt worden ist und den Schätzwert geleistet hat, (stehe es im pflichtgemäßen Ermessen des Richters, der über das Eigentum erkennt), daß er entweder ohne weiteres den Schuldner freispricht oder (was richtiger erscheint) daß der Besitzer, wenn der Kläger bereit ist, den Schätzwert zurückzuzahlen, und ihm der Sklave nicht herausgegeben wird, zu seinen (des Klägers) Gunsten in der Höhe verurteilt wird, in der der Kläger den Streitwert unter Eid angibt.

In diesem Text geht es um die Klagenkonkurrenz der beiden sachverfolgenden Klagen rei vindicatio und condictio furtiva, die nach einem Diebstahl dem Eigentümer gegen den Dieb zustehen, der die entwendete Sache noch besitzt. Nach Pomponius ist die Klagenkonkurrenz stets im Verfahren über die rei vindicatio – und nicht im Kondiktionsverfahren430 – vom Richter zu berücksichtigen, dem bei der Entscheidung über die actio in rem ein Ermessen (officium iudicis) zusteht: Das Fragment behandelt als ersten den Fall, daß der Eigentümer zunächst mit der rei vindicatio vorgeht (Fall 1). Dann soll der Richter schon in diesem ersten Verfahren gegen eine doppelte Inanspruchnahme des Beklagten vorsorgen, indem der iudex den Besitzer nur zur Restitution auffordert, wenn der Kläger auf die condictio verzichtet. Geht der Eigentümer umgekehrt zunächst mit der condictio furtiva vor (Fall 2), wird der Beklagte aus ihr ohne Einschränkung zum Schätzwert verurteilt; die rei vindicatio bleibt als sol429 So die Angabe in den Digesten; LENEL, Palingenesia II 105 A. 1 (Pomponius Nr. 512) vermutete dagegen das 16. Buch ad Sabinum. 430 Wenn zuerst die Kondiktion erhoben wird, verbleibt nämlich dem Kläger die Vindikation; wenn er dagegen zuerst die Vindikation erhebt, muß er schon in diesem Verfahren auf die Kondiktion verzichten. In keinem Fall findet also im Prozeß über die Kondiktion eine Berücksichtigung der Konkurrenz mit der rei vindicatio statt.

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che dem Eigentümer also erhalten. Wenn der Eigentümer aber anschließend den Dieb mit der rei vindicatio belangt, muß der Richter die vorherige Verurteilung aus der condictio furtiva und die daraufhin bewirkte Leistung berücksichtigen. Er könnte nun einfach den Beklagten wegen der bereits erfolgten Zahlung freisprechen. Einer solchen Entscheidung zieht Pomponius jedoch eine andere Lösung vor: Nach seiner Ansicht soll der Richter den Beklagten dann zur Restitution der Sache (von der wir hier erfahren, daß es sich um einen gestohlenen Sklaven handelt) auffordern, wenn der Kläger anbietet, den aufgrund der condictio furtiva empfangenen Schätzwert zurückzuzahlen. Kommt der Beklagte der Aufforderung nicht nach, sei er (wohl unter Anrechnung des bereits gezahlten Schätzwertes oder nach Sicherheitsleistung in derselben Höhe) in dem Umfang zu verurteilen, in dem der Kläger unter Ausübung seines iusiurandum in litem den Wert des Sklaven angibt. Das Fragment wurde schon früh der Interpolation verdächtigt,431 seine Klassizität hat jedoch LEVY432 überzeugend verteidigt. Dem Text läßt sich für das Kondiktionsverfahren zweierlei entnehmen: Zum einen scheint – wahrscheinlich wegen des starren Charakters der dare-Formel bei der condictio – der iudex hier nicht – wie bei der rei vindicatio – ein vergleichbares officium gehabt zu haben.433 In beiden Fällen wird nämlich die Konkurrenz nur im Vindikationsprozeß gelöst. Insbesondere die von Pomponius für den Fall 2 gleichsam als „zweitbeste Lösung“ abgelehnte Gegenansicht, die hier einen zweiten Prozeß für völlig überflüssig erachtet, hätte andernfalls – symmetrisch zur einhelligen Lösung im Fall 1 – den Kläger bereits im ersten Verfahren auf die rei vindicatio verzichten lassen können. Zum anderen ergibt die von Pomponius selbst bevorzugte Lösung nur Sinn, wenn nur das Vindikationsverfahren ein iusiurandum in litem des Klägers ermöglicht, im Kondiktionsverfahren der Streitwert dagegen stets nach richterlicher Schätzung festgelegt wird: Dem Kläger soll wenigstens einmal die Möglichkeit gegeben werden, den die Sache besitzenden Beklagten mit dem iusiurandum in litem zur Herausgabe des Sklaven zu bewegen.434

431 So schon FABER, zit. nach Mommsen/Krüger ad h. l.; vgl. i. ü. EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 60 f., 140 sowie LEVY /RABEL, Index interpolationum III (1935) 481 ad h. l. 432 LEVY, Konkurrenz II 1. Hälfte (1922) 90 ff., insbes. 93 f.; ferner DERS., SZ 42 (1921) 489 f.; ohne Beanstandung auch PIKA, Ex causa furtiva condicere (1988) 109 ff.; PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 309 A. 265. 433 Ebenso LEVY, Konkurrenz II 1. Hälfte (1922) 90 f. mit Hinweis auf den starren Charakter der dare-Formel bei der condictio. 434 Darüber hinaus ist die Schlußfolgerung LEVYs nachvollziehbar, daß erst mit dem Abschluß des Vindikationsverfahrens das (bonitarische) Eigentum auf den Beklagten übergeht; vgl. LEVY, SZ 42 (1921) 489 ff.; DERS., Konkurrenz II 1. Hälfte (1922) 92 f.; zustimmend („immerhin wahrscheinlich“) EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 140; dagegen PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 309 A. 265; s. dazu noch unten S. 270 ff.

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Dem Text läßt sich mit gewisser Plausibilität darüber hinaus entnehmen, daß der iudex mangels eines Ermessenspielraumes im Rahmen der condictio auch nicht die Klagenzession an den Beklagten erzwingen konnte. Das Fragment zeigt nämlich, daß dem Kläger auch nach Empfangnahme der kondizierten Summe die Vindikation erhalten bleibt; zumindest nach Ansicht des Pomponius soll er sie, wenn der Dieb noch im Besitz der Sache ist, gegen Rückzahlung des Empfangenen sogar noch durchsetzen können. Daher ist zu vermuten, daß die rei vindicatio auch dann nicht abzutreten gewesen wäre, wenn die Sache schon zum Zeitpunkt der Entscheidung über die zuerst erhobene condictio dem Dieb abhanden gekommen wäre.435

III. Zusammenfassung Wenn der Dieb die gestohlene Sache verloren hat, ist er der condictio ob causam furtivam wahrscheinlich ausgesetzt, ohne daß er vom klagenden Eigentümer die Zession seiner Ansprüche (insbesondere der rei vindicatio) verlangen kann. Ohne Einschaltung einer exceptio eröffnet die condictio dem Richter kein hinreichendes Ermessen, um eine Klagenzession zu erzwingen. Eine exceptio doli wurde aber zur Erzwingung der Klagenzession wahrscheinlich nicht gewährt: Da dem Kläger im Rahmen der condictio furtiva das iusiurandum in litem nicht zusteht, soll ihm diese Möglichkeit, die Herausgabe der Sache (vom Dieb oder einen Dritten) selbst zu erzwingen, nicht wegen der Empfangnahme des einfachen Streitwerts durch den Dieb genommen werden. Auch wird dem Dieb im Rahmen der condictio furtiva generell nicht das Recht gewährt, eine Sicherheitsleistung vom Kläger zu verlangen, so daß er weder die Leistung einer cautio de restituendo noch die einer die Klagenzession absichernde Kaution erreichen kann. So wird die Diebstahlskondiktion zu einer Klage ausgestaltet, mit der der bestohlene Eigentümer schnell den einfachen Sachwert erlangen kann, ohne daß bereits im Prozeß, wenn die res furtiva nicht herausgegeben wird, eine endgültige Regelung der Eigentumsfrage und des Verbleibs der Sache getroffen werden muß.

435 Möglicherweise kann der Dieb seine Leistung (aus einer weiteren condictio vgl. [Cassius-]Ulpian D. 12,7,2 und dazu u. S. 293 ff.) zurückverlangen, wenn der Eigentümer nach erfolgreicher condictio furtiva die Sache von einem anderen vindiziert; dazu vgl. noch unten S. 330 ff.; Zusammenfassungen u. S. 333 sowie S. 346 bei A. 1344.

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§ 10 Die Klagenabtretung im Rahmen der actio servi corrupti Eine andersartige Fallkonstellation, in der dem auf Schadensersatz und Strafe aus der actio servi corrupti haftenden Beklagten ein Recht auf Klagenzession zuerkannt wird, behandelt: D. 11,3,14,8–9 (Paulus im 19. Buch ad edictum): 8. Aestimatio autem habetur in hac actione, quanti servus vilior factus sit, quod officio iudicis expedietur. – 9. Interdum tamen ita436 inutilis fit,437 ut non expediat talem servum habere. utrum ergo et pretium cogitur dare sollicitator et servum dominus lucrifacit, an vero cogi debet dominus restituere servum et pretium servi accipere? et verius est electionem domino dari, sive servum detinere cupit et damnum, quanti deterior servus factus est, in duplum accipere, vel servo restituto, si copiam huius rei habeat, pretium consequi, quod si non habeat, pretium quidem simili modo accipere, cedere autem sollicitatori periculo eius de dominio servi actionibus. quod tamen de restitutione hominis dicitur, tunc locum habet, cum homine vivo agitur. quid autem si manumisso eo agatur? non facile apud iudicem audietur dicendo ideo se manumisse, quoniam habere noluerat domi, ut et pretium habeat et libertum. 8. Bei dieser Klage findet eine Schätzung statt, um wieviel der Sklave im Wert gemindert worden ist; sie hat der Richter im Rahmen seiner Amtspflicht vorzunehmen. – 9. Bisweilen wird er (der Sklave) aber auch so unbrauchbar, daß es nicht von Nutzen ist, einen solchen Sklaven zu haben. Deshalb fragt sich, ob dann der Anstifter gezwungen wird, den vollen Wert zu zahlen, und der Eigentümer um den Sklaven Gewinn macht – oder aber ob der Eigentümer gezwungen werden muß, den Sklaven herauszugeben und den vollen Wert des Sklaven entgegenzunehmen. Und es ist richtiger, dem Eigentümer die Wahl zu lassen, ob er entweder den Sklaven behalten und den Schadensbetrag, um den der Sklave verschlechtert worden ist, in doppelter Höhe bekommen will – oder ob er gegen Herausgabe des Sklaven (an den Beklagten), sofern er die Möglichkeit dazu hat, den vollen Wert des Sklaven verlangen will, beziehungsweise falls er sie (die Möglichkeit zur Herausgabe des Sklaven) nicht hat, ob er zwar gleichfalls den vollen Wert erlangen, dann aber dem Anstifter auf dessen Gefahr die Ansprüche aus dem Eigentum abtreten will. Was jedoch über die Herausgabe des Sklaven gesagt wird, gilt nur, wenn zu Lebzeiten des Sklaven geklagt wird. Was aber (gilt), wenn nach dessen Freilassung geklagt wird? Er (der Kläger) wird beim Richter schwerlich Gehör finden, wenn er sagt, er habe ihn deshalb freigelassen, weil er ihn nicht mehr habe im Haus behalten wollen, so daß er den (vollen) Wert hätte und (darüber hinaus noch) einen Freigelassenen.

436 Die Emendation von et in ita im Anschluß an die Basiliken (Bas. 60,6,14,9 = HEIMBACH, Basilicorum Libri LX, Band V [1850] 390) ist deutlicher, vgl. MOMMSEN / KRÜGER ad h. l. A. 16, die es selbst bei et belassen. 437 Emendation von sit in fit mit den libri deteriores, vgl. MOMMSEN /KRÜGER ad h. l. A. 17 und B/K/K/S ad h. l.

§ 10 Die Klagenabtretung im Rahmen der actio servi corrupti

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Die Haftung aus der actio servi corrupti 438 setzt voraus, daß der Beklagte arglistig den Sklaven des Klägers versteckt oder dadurch verschlechtert hat, daß er ihn zu einem Vergehen überredet hat, insbesondere zur Flucht, zu einem Diebstahl oder allgemein zum Ungehorsam gegenüber dem dominus.439 Der Anstifter haftet mit der prätorischen Strafklage servi corrupti auf das Doppelte440 des entstandenen Schadens, der typischerweise441 in der Wertminderung des Sklaven besteht.442 Die Schadenshöhe hat der Richter zu schätzen – wie der Anfang des zitierten Textes (§ 8) zeigt.443 Wenn nun ein Sklave von einem Anstifter so korrumpiert 444 worden ist, daß es für den Eigentümer kaum noch von Nutzen ist, einen solchen Sklaven zu haben, kann nach Paulus der dominus bei der Schadensermittlung im Rahmen 438 Zu ihr LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 175, BUCKLAND, The Roman Law of Slavery (1908) 33 ff.; KASER, Quanti ea res est (1935) 182 ff.; ALBANESE, Actio servi corrupti, APal. 27 (1959) 1 ff.; G. LONGO, D. 11,3, Bull. 64 (1961) 199 ff. und die bei KASER, RP II 606 A. 45 angegebene Literatur, insbesondere WITTMANN, SZ 91 (1975) 354 ff.; aus neuester Zeit BONFIGLIO, Corruptio servi (1998) und dazu die Rezension von VENTURINI, SDHI 66 (2000) 472 ff. 439 Weitere anschauliche Beispiele in Ulpian D. 11,3,1,5; Paulus D. 11,3,2. 440 Ulpian D. 11,3,9,2; Paulus D. eod. 14,5. 441 Aber nicht ausschließlich, s. Paulus 11,3,10; Ulpian D. 11,3,11,2; REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 62 mit A. 5. ALBANESE, APal. 27 (1959) 1 ff., 61 ff. u. (ad h. l.) 91 ff. vermutet, daß hierüber eine Klassikerkontroverse bestanden habe: Nach Ulpian und Neraz sei nur die Wertminderung des Sklaven zu berücksichtigen, Paulus habe dagegen auch den sonstigen Schaden einbezogen; Justinian habe die weite Auslegung bevorzugt. Doch kommt ALBANESE nicht ohne weitgehende Interpolationsannahmen aus. Kritisch G. LONGO, Bull. 64 (1961) 199 ff. 442 Ulpian D. 11,3,9,3; Paulus D. 11,3,14,8. 443 Die §§ 8 und 9 waren vermutlich schon in den libri ad edictum des Paulus zusammengehörig, vgl. LENEL, Palingenesia I 1000 (Paulus Nr. 307) und die Verbindung mit einem Doppelpunkt bei MOMMSEN /KRÜGER; kritisch zu der Überleitung FABER, Rationalia in pandectas II Teil 2 (Lugduni 1659) 532; eine direkte Verbindung wegen tamen ablehnend KASER, Quanti ea res est (1935) 186 A. 17. Der Text des § 8 wurde ferner – freilich kaum zu Recht – für interpoliert gehalten von ALBANESE, APal. 27 (1959) 91 ff., 100 f. und G. LONGO, Bull. 64 (1961) 212, 214; für die Echtheit von § 8 dagegen BONFIGLIO, Corruptio servi (1998) 139 f. 444 Zu Unrecht engen BONFIGLIO, Corruptio servi (1998) 142 f. und, ihr folgend, VENTURINI, SDHI 66 (2000) 483 f. den von Paulus behandelten Sachverhalt ein auf den Fall, daß der Sklave vom Anstifter zunächst versteckt worden sei (recipere). Vor der Klageerhebung sei der Sklave wieder an den Eigentümer zurückgelangt. Dafür stützen sich beide darauf, daß hier von einer „Restitution“ des Sklaven durch den Kläger an den Beklagten die Rede sei; diesen Begriff verstehen die genannten Autoren als „Zurückerstattung“ (hiergegen s. aber sogleich A. 445). Der Beklagte müsse den Sklaven also vorher einmal in seiner Gewalt gehabt haben. Doch läge selbst in dem von BONFIGLIO und VENTURINI gebildeten Fall keine echte Zurückerstattung vor: Sinn der Übertragung des Sklaven an den Beklagten ist die Verhinderung einer Bereicherung des Klägers; also muß der Beklagte letztlich das Eigentum an dem Sklaven erlangen. Das Eigentum hat der Anstifter aber auch in dem von BONFIGLIO und VENTURINI gebildeten Fall zuvor nicht gehabt. – Die von Paulus gefundene Lösung ist jedenfalls auf jede Art der corruptio servi anwendbar, wie VENTURINI, a. a. O., 484 zugibt.

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der actio servi corrupti wie folgt wählen: Er kann entweder den „kleinen“ Schadensersatz in doppelter Höhe verlangen, also die objektive Wertminderung, die sich als Differenz aus dem Wert des Sklaven vor der Schädigung und seinem verbliebenen objektiven Restwert errechnet. Stattdessen kann er gegen Restitution445 (Abandon) des ungehorsamen Sklaven den gesamten Wert, den der Sklave vor der Schädigung gehabt hat, als Schaden verlangen (also eine Art „großen Schadensersatz“). Für diese zweite Wahlmöglichkeit werden nun noch vier Fälle unterschieden: Wirklich den Sklaven restituieren (also herausgeben und übereignen) muß der Kläger nur dann, wenn er ihn noch hat (Fall 1). Wenn der Sklave dagegen im Besitz eines Dritten ist (Fall 2), genügt es für das Verlangen nach Wertersatz, daß der Kläger dem Anstifter diejenigen Klagen abtritt, die ihm aufgrund des Eigentums am Sklaven zustehen. Dabei übernimmt der Eigentümer keine Garantie für die Einbringlichkeit der Forderungen, vielmehr trägt der Anstifter die Gefahr des Ausfalls. Ist der Sklave inzwischen gestorben (Fall 4), findet keine Restitution mehr statt; hat der Eigentümer den Sklaven freigelassen, weil er mit ihm nichts mehr anzufangen wußte oder ihn gar in seinem Hause nicht mehr dulden wollte (Fall 5), wird ihm die Wahl des großen Schadensersatzes versagt. Zunächst ist das Wahlrecht des Eigentümers näher zu bestimmen für den Ausgangsfall, in dem er den Sklaven in seinem Besitz hat und noch ausliefern kann. Hier erscheint das Fragment auf den ersten Blick etwas unscharf. Es fragt sich zum einen, worin sich eigentlich der kleine und der große Schadensersatz unterscheiden, wenn der Sklave446 ohnehin ita inutilis ist, ut non expediat talem servum habere.447 Zum anderen fragt sich, ob der dominus bei Wahl des großen Schadensersatzes gegen Auslieferung des Sklaven den Wert doppelt oder einfach erhalten soll. Diese (vermeintlich unaufklärbaren) Fragen sind – neben

445 Anders als üblicherweise „restituiert“ hier nicht der Beklagte, sondern der Kläger; restituere meint hier also nicht (Rück-)Erstattung, sondern Auslieferung und Übereignung. Diese allgemeine Bedeutung von „übertragen“ hat restituere noch öfter, z. B. bei der restitutio hereditatis, der Übertragung einer Erbschaft an den Universalfideikomissar, s. HEUMANN /SECKEL s. v. restituere 2, ferner 4. 446 Abweichend bezieht BONFIGLIO, Corruptio servi (1998) 142 mit A. 98 und 143 inutilis auf die actio (servi corrupti), indem sie aus den Worten in hac actione des vorangehenden Paragraphen das Subjekt für den Eingangssatz von § 9 gewinnt. Doch ergibt dies erstens keinen Sinn; Bonfiglio selbst stellt auf S. 142 fest, daß der Eingangssatz nach dieser Auslegung schlecht zu dem folgenden Teil des Paragraphen paßt; zweitens liegt – wenn man von der Zusammengehörigkeit beider Paragraphen ausgeht (dazu s. o. A. 443) – auch grammatisch der Bezug auf das Subjekt servus des Nebensatzes in § 8 näher. 447 In diesem Sinne kritisiert etwa BUCKLAND, The Roman Law of Slavery (1908) 35 f. (zu ihm s. noch u. A. 450, 454) das Fragment: Da die Wertdifferenz gleich dem Wert des Sklaven vor Schädigung sei, habe der Eigentümer nur die (sinnlose) Wahl zwischen der Erlangung des (doppelten) Wertes unter Einbehaltung des Sklaven und dem Erhalt des (einfachen) Sachwertes gegen Restitution des Sklaven.

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sprachlichen Verdächtigungen448 – ein wichtiger Grund449 für die weitreichenden Interpolationsannahmen450 hinsichtlich dieses Fragments gewesen. Was die erste Frage anlangt, läßt sich der vermeintliche Widerspruch auflösen, wenn man lebensnah unterstellt, daß sich ein lebender Sklave, auch wenn er sich aufgrund seines Ungehorsams für bestimmte Aufgaben als zu unzuverlässig erwiesen hat, fast immer noch für andere Aufgaben einsetzen läßt und somit in aller Regel noch einen „Restwert“ aufweisen wird. Wenn etwa der Eigentümer den Sklaven zuvor in geschäftlich wichtiger Vertrauensposition verwendet hat, könnte er ihn nach seinem Ungehorsam wahrscheinlich noch für 448 KALB, Das Juristenlatein (2. Aufl. 1888) 59 A. 3 mit S. 5 A. 1 und 2 ist der Auffassung, das Verb cupere hätten die klassischen Juristen nicht mehr gekannt und nur noch in Verbindung mit alten Formeln (insbesondere beim Fideikommiß) verwendet, sie selbst hätten desiderare bevorzugt. Erst Justinian habe das Wort in sein „Kunstlatein“ wieder aufgenommen. Das Verb taucht aber – außer in der von KALB selbst erwähnten Anfrage an Papinian Coll. 4,8,1 – in den Digesten noch auf etwa in Ulpian D. 1,1,1,1; D. 24,2,11,2; ferner (als Fideicommiß) Ulpian D. 30,115; Paulus D. 40,7,4,5. LUSIGNANI, Bull. 11 (1898) 31 A. 1 meint, mit certum est, verius est und ähnlichen Formulierungen hätten die Kompilatoren versucht, Klassikerkontroversen zu überspielen. Doch erscheint dies kaum zwingend. F. SCHULZ, SZ 43 (1922) 246 (A. 6 von S. 245) zufolge ist die Verbindung von sive mit vel zwar nicht sprachwidrig, aber dem Juristenlatein der Klassiker fremd. KASER, Quanti es res est (1935) 185 f. und ALBANESE, APal. 27 (1959) 91 ff., 101 sowie neuerdings BONFIGLIO, Corruptio servi (1998) 141 f., 203 f. heben hervor, daß cogitur dare und cogi . . . restituere an die Zwangsvollstreckung manu militari erinnern würden, pretium an die actio redhibitoria, restitutere außerdem an die Klagen mit Arbiträrklauseln; auffällig sei schließlich auch die Bezeichnung sollicitator für den Verführer. KASER hält außerdem den Anfangssatz für „bis zur Sinnlosigkeit dunkel“. 449 Vgl. z. B. BUCKLAND (o. A. 447); KASER, Quanti ea res est (1935) 186. KASER bemängelt inhaltlich außerdem, die zweite Wahlmöglichkeit, die dem Kläger zugestanden wird, nämlich gegen Restitution des Sklaven dessen vollen Wert zu erlangen, sei mit einem nicht arbiträren Verfahren unvereinbar; ebenso BONFIGLIO, Corruptio servi (1998) 141, 204. Doch handelt es sich um eine nachvollziehbare Auslegung von quanti ea res erit. 450 KALB (o. A. 448) nimmt eine Überarbeitung von Tribonian hinsichtlich et verius est . . . vel servo restituto . . . pretium consequi an; ihm folgend LUSIGNANI (o. A. 448); F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 104 A. 3. LENEL, Palingenesia I 1001 A. 1 (Paulus Nr. 307) hält unter Berufung auf KALB, a. a. O., et verius . . . actionibus für interpoliert; ihm folgen KRÜGER, in: Mommsen/Krüger ad h. l.; V. BESELER, Beiträge III (1913) 182; F. SCHULZ, SZ 43 (1922) 246 (A. 6 von S. 245). LEVY, Konkurrenz II 1. Hälfte (1922) 35 A. 1 hält darüber hinaus den quod-tamen-Satz für interpoliert (s. dazu noch u. A. 476), HAYMANN, SZ 40 (1919) 332 A. 2 die gesamte lex, insbesondere aber cedere autem sollicitatori periculo eius de dominio servi actionibus (dazu s. aber u. A. 463). Auch BUCKLAND, The Roman Law of Slavery (1908) 35 f., KASER und ALBANESE (beide o. A. 448) sowie G. LONGO, Bull. 64 (1961) 212, 214 f. und neuerdings BONFIGLIO, Corruptio servi (1998) 140 ff., 203 f. – die allerdings einen klassischen Kern zu rekonstruieren versucht (dazu u. A. 458) – halten die gesamte lex für nachklassisch. Unbeanstandet lassen den Text dagegen KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte II 1. Teil (1901) 1346 f., OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 267, 307 f.; SELB, FS Larenz (1973) 531 f. Zum Text s. außerdem noch MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 410 f. mit A. 373.

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einfache Arbeiten einsetzen. Doch ist es dem Eigentümer unter Umständen nicht zumutbar,451 darauf verwiesen zu werden, etwa weil er keinen Bedarf an solchen Sklaven für niedere Tätigkeiten hat, aber einen zuverlässigen Sklaven zur Erledigung der Vertrauensaufgaben dringend benötigt.452 Dann erhebt sich aber genau die juristische Frage, wie man diesen Restwert in die Schadensberechnung einbezieht. Paulus erwägt in der Eingangsfrage zunächst zwei Möglichkeiten: Man könnte den objektiven Restwert des Sklaven vernachlässigen und den Beklagten auf Ersatz des vollen Wertes haften lassen. Dann aber würde man dem Eigentümer in Höhe des Restwerts zu einer Bereicherung verhelfen.453 Die andere Möglichkeit bestünde darin, den Beklagten nur dann zu verurteilen, wenn der Kläger ihm den ungehorsamen Sklaven ausliefert, um ihn so (durch Drohung mit Klageabweisung) zur Übereignung des Sklaven zu „zwingen“. Beide Lösungen stellt Paulus in rhetorischer Frage vor, die die Antwort jeweils in sich trägt: Denn klar ist, daß der Geschädigte sich durch die Entschädigung (von der Strafsumme, dem duplum, abgesehen) nicht bereichern darf, noch darf das Opfer der Schädigung gegen seinen Willen zu einer Aufgabe des Sklaven gezwungen werden (um überhaupt einen Schadensersatz zu erlangen). Paulus gibt dem Kläger deswegen vermittelnd einen Schadensersatzanspruch auch in dem Falle, daß er den wertgeminderten Sklaven trotz der mangelnden Brauchbarkeit behalten will: Auf diesen Anspruch muß sich der Kläger freilich den behaltenen objektiven Restwert anrechnen lassen, auch wenn er ihn nicht tatsächlich nutzt (Ersatz der objektiven Wertdifferenz). Paulus gibt dem Kläger aber auch das Recht, den vollen Wert des Sklaven ersetzt zu verlangen, wenn er zur Auslieferung des ungehorsamen Sklaven bereit ist. Zwischen beiden Berechnungsarten hat der Kläger die Wahl. Probleme bereitet aber nun der Umstand, daß die actio servi corrupti als zugleich strafende und sachverfolgende Klage auf das Doppelte des entstandenen Schadens geht. Ausdrücklich erwähnt Paulus die Verdoppelung in diesem Fragment nur für den Fall, daß der Eigentümer sich für die Wahl des „kleinen Schadensersatzes“ entscheidet: Dann sei ihm die objektive Wertminderung in dop451 Genauer zu der Frage, ab welcher Grenze der Tauglichkeitsminderung der Eigentümer den „großen Schadensersatz“ geltend machen kann, s. noch u. S. 258 ff. 452 Ähnlich schon Scholion Nr. 21 zu Bas. 60,6,14,9 (s. HEIMBACH, Basilicorum Libri LX, Band V [1850] 390); die Glosse (Corpus Glossatorum Turin VII [1969] 370 sub y) ad h. l. zu non expediat; CUJAZ, In libros Pauli ad edictum commentarii ad h. l. = Opera postuma II (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 269: inutilis, ut non expediat talem servum habere meine nur, daß der Sklave f ü r d e n E i g e n t ü m e r nicht mehr verwendbar sei, für einen anderen könne er dagegen noch von Nutzen sein. Abweichend FABER, Rationalia in pandectas II Teil 2 (Lugduni 1659) 532 ad h. l., der darauf abstellen möchte, daß der derzeit für jedermann wertlose Sklave später wieder wertvoll werden könnte. 453 Deutlich zeigt sich hier, daß Paulus trotz der Unbrauchbarkeit von einem Restwert des Sklaven ausgeht, indem er von lucrifacere spricht.

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pelter Höhe zu leisten. Bei Wahl des großen Schadensersatzes spricht Paulus hingegen nur davon, daß der Eigentümer gegen Restitution des Sklaven pretium consequi könne. Soll er – so stellt sich die Frage – den Wert des Sklaven nun in einfacher oder in doppelter Höhe erlangen? Sachlich wären beide Alternativen unbefriedigend: Wenn der Eigentümer nur den einfachen Wert erhalten würde,454 würde der durch die Verdoppelung beabsichtigte Strafcharakter der actio servi corrupti entfallen.455 Wenn der Wert des Sklaven dagegen doppelt zu entrichten wäre,456 müßte der Anstifter zuviel an Strafe zahlen, da von der zweiten Zahlung des vollen Wertes des Sklaven dessen Restwert nicht mehr abgezogen würde; diese Erhöhung der Strafe hätte der Eigentümer mit seinem Wahlrecht in der Hand. Deswegen aber die ganze lex für interpoliert zu halten,457 ist keine akzeptable Lösung, zumal ein nachvollziehbarer Grund für die Erfindung dieses Falles durch die Kompilatoren bislang nicht angegeben werden konnte.458 Sachlich richtig kann doch nur sein, daß sich die Strafzahlung nach der (objektiven) Wertminderung richtet und der Eigentümer nur hinsichtlich des sachverfolgenden Teils ein Wahlrecht erhält, ob er nur den kleinen Schadensersatz oder gegen Auslieferung des Sklaven den großen Schadensersatz verlangen möchte. Dieses Ergebnis wäre deutlicher zum Ausdruck gekommen, wenn Paulus etwa nach sive servum detinere cupit et damnum, quanti deterior servus factus est, in duplum accipere geschrieben hätte vel ‹solum in simplum et› servo restituto . . . pretium consequi.459 Möglicherweise war aber für den klassi454 Davon gehen z. B. BUCKLAND (o. A. 447) und CUJAZ (o. A. 452) aus; während BUCKLAND aber daraus ein argumentum ad absurdum gegen die Glaubwürdigkeit des Textes ziehen möchte (der Eigentümer habe nach dem überlieferten Text lediglich die – unsinnige – Wahl, den Wert des Sklaven zweimal oder nur einfach erstattet zu bekommen), hält CUJAZ die Verurteilung nur zum einfachen Wert für gerechtfertigt (s. u. A. 455). 455 Demgegenüber weist CUJAZ (o. A. 452) darauf hin, daß der volle Wert des Sklaven wesentlich höher sein könne als die doppelte Wertminderung (und daß die einfache Verurteilung zum vollen Wert daher Strafe genug sein könne). Doch erhält der Schädiger bei Wahl des großen Schadensersatzes den Sklaven, dessen Restwert er zu realisieren versuchen kann. Eine Strafe stellt der große Schadensersatz daher nicht dar. 456 So die Scholia 20 und 24 zu Bas. 60,6,14,9 (s. HEIMBACH, Basilicorum Libri LX, Band V [1850] 390 f.), die die Frage der Verdoppelung bereits problematisieren; im Anschluß daran ebenso VENTURINI, SDHI 66 (2000) 483 f. 457 Vgl. insbesondere BUCKLAND und KASER (o. A. 449) sowie die weiteren Nachweise o. A. 450. 458 Auch der Versuch einer Rekonstruktion eines angeblichen klassischen Kerns des Textes durch BONFIGLIO, Corruptio servi (1998) 143 (von der Autorin selbst S. 144 als „una mera congettura“ bezeichnet) erscheint willkürlich und durch nichts gestützt; er lautet: „Interdum tamen et inutilis sit actio, ut non expediat servum receptum habere. utrum ergo et poenam cogitur dare corruptor, an vero potest dominus restituere servum et pretium servi accipere? Et verius est, electionem domino dari.“ Hiergegen zu Recht VENTURINI in seiner Rezension, SDHI 66 (2000) 483 f. 459 Zu übersetzen wäre dieser Einschub etwa: „. . . dem Eigentümer die Wahl zu lassen, ob er entweder den Sklaven behalten und den Schadensbetrag, um den der Sklave verschlechtert worden ist, in doppelter Höhe bekommen will – oder ob er ‹(die

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schen Juristen auch ohne eine solche Ergänzung klar, daß aus der ausdrücklichen Erwähnung der Verdoppelung im ersten Fall im Umkehrschluß folgt, daß im zweiten Fall die Wertminderung (zusätzlich zum einfachen pretium servi) noch einfach zu entrichten sei. Daß Paulus zu der Frage der Verdoppelung auch bei Wahl des großen Schadensersatzes jedenfalls in irgendeiner Form eine Aussage treffen wollte, läßt sich daran noch erkennen, daß er für die Wahl des kleinen Schadensersatzes die Verdoppelung deutlich hervorhebt. Wenn der Kläger den Sklaven aus tatsächlichen Gründen nicht ausliefern kann, muß er zur Erlangung des „großen Schadensersatzes“ statt der vollständigen Restitution seine den Sklaven betreffenden Ansprüche abtreten. Das sagt Paulus mit den Worten quod si non habeat, pretium quidem simili modo accipere, cedere autem sollicitatori periculo eius de dominio servi actionibus. Die Berücksichtigung des Falles, daß der Eigentümer den Sklaven nicht herausgeben kann, überrascht, heißt es doch am Anfang, es sei unnütz geworden, talem servum habere; dies klingt so, als besitze der Geschädigte den Sklaven. Darin liegt jedoch kein Widerspruch, wenn man habere als „zum Eigentum haben“ versteht.460 Der Text teilt nicht mit, wie es zum Besitzverlust des Eigentümers gekommen ist. Aber es erscheint naheliegend, daß der Beklagte den Tatbestand der actio servi corrupti durch die Überredung des Sklaven zur Flucht erfüllte. Ein entflohener Sklave bleibt zwar formal im Besitz des Eigentümers,461 er kann ihn jedoch tatsächlich nicht herausgeben. Und wenn ein Dritter in den Besitz des Sklaven gelangt, erlischt die possessio des Eigentümers auch rechtlich. Es verbleiben dem Eigentümer aber nunmehr Klagen auf Wiedererlangung des Sklaven gegen den jetzigen Besitzer, namentlich die rei vindicatio und die actio ad exhibendum. Würde man diese Klagen dem Eigentümer belassen und den Schuldner zum Ersatz des vollen Wertes verurteilen, den der Sklave vor der Flucht hatte, wäre der Kläger um die Chance bereichert, wieder in den Besitz des (restwertbehafteten) Sklaven zu gelangen. Die Situation aber, daß der Eigentümer den vollen Wert erlangt und den Sklaven behält, soll – wie wir schon aus dem ersten Fall wissen – vermieden werden, da sich der Kläger (über die Verdoppelung zu Strafzwecken hinaus) nicht bereichern soll. Genau diese Bereicherung, die bei voller Ersatzleistung beim Kläger verbleiben würde, muß desWertdifferenz) nur einfach erlangen und› gegen Herausgabe des Sklaven . . . den vollen Wert des Sklaven verlangen will . . .“. Den Verlust der ergänzten Worte könnte man angesichts des ohnehin komplizierten Satzes dem Versehen entweder der Kompilatoren oder eines Abschreibers zuschreiben. 460 Das Verb habere kann sich sowohl auf das Eigentum als auch auf den Besitz oder die Detention einer Sache beziehen, s. HEUMANN /SECKEL, s. h. v. mit Hinweis insbesondere auf Ulpian D. 45,1,38,9. Zu compiam habere i. S. v. „in seiner Verfügungsgewalt haben“ speziell A. WACKE, Von copia zur Kopie: Copiam habere und copiam sui facere in den Digesten, in: Ex iusta causa traditum: Essays in honour of Eric Pool (Fundamina, Editio specialis, Pretoria 2005) 385–403, bes. S. 382 zu der Stelle. 461 s. dazu schon o. A. 245.

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wegen auf den Schädiger übertragen werden.462 Die Obliegenheit des Klägers soll aber nicht weitergehen als auf die Abschöpfung der Bereicherung; der Kläger muß nur herausgeben, was er bei voller Wertersatzleistung zuviel hätte, und zwar nur so, wie er es hat. Deswegen trifft ihn keine Pflicht zur Wiederbeschaffung des Sklaven. An die Stelle der echten Übereignung und Herausgabe des Sklaven tritt die Verpflichtung nur zur Abtretung der Klagen auf dessen Wiedererlangung. Auch muß er die Klagen nur ohne jede Garantie, zur Geltendmachung auf eigenes Risiko des Beklagten (periculo eius) zedieren.463 Sicherheit muß der Kläger also lediglich – wie für jede Zession im klassischen Recht erforderlich – dafür leisten, daß er den Beklagten zum Prozeßvertreter in rem suam bestellen werde, wenn der aktuelle Besitzer bekannt wird, und daß er selber dem Beklagten bei der Verfolgung des Anspruchs nicht in die Quere kommen werde.464 Für die Realisierbarkeit der Forderungen haftet der Eigentümer dagegen nicht. Der Anstifter, der dem Eigentümer den vollen Wert des Sklaven bezahlte, hat dann genau die Chance, mit den Klagen des Eigentümers465 den Sklaven wiederzuerlangen, um die sich der Eigentümer andernfalls bei voller Ersatzleistung bereichern würde.466 Die Klagenabtretung wird vom Richter kraft seiner Amtsgewalt veranlaßt,467 indem er den Beklagten nur dann auf den vollen Wert des Sklaven (nach der hier vertretenen Auslegung zusätzlich zur einfachen Wertdifferenz) verurteilt, wenn der Kläger ihm zuvor die genannten Klagen abtritt. Andernfalls erfolgt die Verurteilung nur in Höhe der doppelten Wertdifferenz (also des „kleinen 462 Daß es stets um Abschöpfung einer andernfalls entstehenden Bereicherung geht, zeigt auch die Verwendung des Wortes lucrifacere im Fragesatz. 463 HAYMANN (o. A. 450) bemängelt zur Begründung seiner radikalen Interpolationsannahme, daß sich periculo eius nicht etwa auf die Gefahr der Zession, also auf den Bestand der Forderungen, sondern auf die Gefahr, mit den Klagen auszufallen, also auf ihre Bonität beziehe. Doch scheint erstens dieser Sinn mit der Formulierung durchaus vereinbar. Außerdem dürfte im Zeitpunkt der Verurteilung des Anstifters vielfach noch nicht bekannt sein, ob der Sklave einem anderen zugelaufen ist; dann aber ist auch der Bestand der Forderungen ungewiß. Die Verwendung des Wortes periculum in dieser Hinsicht ist nicht ohne Parallele: Auch Papinian D. 6,1,63 (Text o. S. 89) spricht von periculum iudicati und meint damit das Risiko des Beklagten, die Sache überhaupt einmal wieder aufzufinden. 464 Ohne eine solche Kaution ist eine Zession im klassischen Recht nicht sinnvoll denkbar, s. dazu o. S. 109 ff. 465 Die Klagen de dominio servi sind hier also wieder (vgl. o. S. 85 zu actiones quas eius rei nomine habeat bei Paulus D. 6,1,69) in erster Linie die rei vindicatio und die actio ad exhibendum. 466 Mit der Erlangung des Besitzes am Sklaven erwirbt der Anstifter (prätorisches) Eigentum, vgl. u. S. 268 ff., so daß die Wahl des großen Schadensersatzes dann einen endgültigen Abandon (zum Begriff s. o. S. 52 ff., insbes. A. 147) des Sklaven bewirken wird; dafür spricht hier auch, daß die Klagenabtretung an die Stelle der Restitution (Herausgabe und Übereignung) des Sklaven tritt. 467 Vgl. dazu den vorangehenden § 8 des Fragments. Zum Zusammenhang der §§ 8 und 9 s. schon o. A. 443.

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Schadensersatzes“). Anders als etwa im Fall des fahrlässigen Besitzverlustes durch den Vindikationsschuldner468 wird der Eigentümer also nicht durch Drohung mit Klageabweisung zur Zession „gezwungen“. Dennoch ist bemerkenswert, daß dem Anstifter die Klagen abgetreten werden müssen, obwohl er den Besitzverlust, wie die Haftung mit actio servi corrupti voraussetzt, vorsätzlich herbeigeführt hat. Anders als beim dolosen Besitzverlust durch den Vindikationsbeklagten469 wird dem Beklagten also das Recht auf Klagenzession nicht generell abgesprochen; darauf ist zurückzukommen, wenn der Grund für die Verweigerung der Klagenzession beim dolosen Vindikationsbeklagten näher untersucht wird (s. u. S. 320 ff.).470 Die von Paulus behandelte Konstellation nimmt im Rahmen der hier zu besprechenden Fälle insofern eine Sonderstellung471 ein, als es sich im strengen Sinne nicht um einen Fall der Haftung „für den Verlust einer Sache“ handelt.472 Denn Haftungsgrund ist bei der actio servi corrupti nicht der schlichte Besitzverlust durch die Flucht. Vielmehr wird die Haftung begründet durch die Wertminderung, die der Sklave infolge der Flucht (oder des anderweitigen Ungehorsams) erfährt; nach der Wertminderung richtet sich auch der Umfang der Verurteilung. Dies zeigt sich insbesondere daran, daß der Eigentümer auch die Möglichkeit hat, den kleinen Schadensersatz zu wählen, sich also nur die Wertminderung erstatten zu lassen. Der Fall steht also eher einer Sachbeschädigung nahe, bei der zusätzlich zur Beschädigung auch der Besitz der Sache dem Eigentümer verloren geht. Schon MÜHLENBRUCH führte aber bei der Aufstellung seiner Fallgruppen zur notwendigen Zession unter der Rubrik, deren Formulierung mittelbar zu der Regelung § 255 BGB führte,473 auch diese Quelle auf. Für MÜHLENBRUCH ist die Einbeziehung dieser Quelle bei der Darstellung sei468

Dazu o. S. 70 ff. Der Vindikationsbeklagten, der den Besitz vorsätzlich aufgegeben hat, wird nach Paulus D. 6,1,69 (dazu schon o. S. 82) für seine Arglist „bestraft“, indem ihm ein Recht auf die Klagenzession verweigert wird. 470 Die Abtretung erfolgt auch schon im Erkenntnisverfahren und nicht erst im Vollstreckungsverfahren, anders als möglicherweise beim Entleiher oder Verwahrer, der den Verlust der Sache vorsätzlich herbeigeführt hat: Für diesen legt Marcellus D. 42,1,12 die (nicht ganz sichere) Interpretation nahe, daß er wegen seines dolus weniger schutzwürdig ist und die Klagen des Eigentümers ihm daher üblicherweise erst im Verfahren über die actio iudicati abzutreten sind (s. dazu u. S. 266). Ein solches Verfahren wäre aber hier kaum praktikabel: Im Fall der Sklavenkorruption ist die Abtretung nämlich schon für die Ermittlung der Schadenshöhe von Bedeutung (der Geschädigte könnte sich ja mit dem „kleinen Schadensersatz“ in doppelter Höhe begnügen wollen). Diese muß aber spätestens mit der Verurteilung durch den Richter festgelegt werden. 471 Ein wichtiger Unterschied zu den meisten übrigen Fällen ist auch darin zu sehen, daß der Besitz nicht dem Haftenden, sondern beim Kläger verloren geht; zu einer Auswirkung dieses Unterschieds s. u. b. A. 1252. 472 Vgl. aber die Formulierung des § 255 BGB. 473 s. dazu o. S. 63 ff. 469

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nes Lehrsatzes zum einen deswegen weniger problematisch, weil er – anders als die heutige Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches – bei der Formulierung seines Lehrsatzes auch den Fall berücksichtigt, daß jemand zum Schadensersatz wegen beschädigter Sachen verpflichtet ist.474 Der Fall ist aber zum anderen mit den Fällen der „reinen“ Haftung für Sachverlust zumindest sehr verwandt, weil es auch hier darum geht, dem Umstand gerecht zu werden, daß der Eigentümer mit den bei ihm verbliebenen Ansprüchen nicht mehr viel anfangen kann,475 sie aber schwer zu bewerten sind; hier wie bei der Haftung „für Sachverlust“ im strengen Sinne ist ein gerechter Schadensersatz zu finden, dessen Leistung nicht zu einer Bereicherung des Gläubigers dadurch führt, daß er den Wertersatz für die Sache und den Anspruch auf die Sache selbst erhält. Mittels einer Legalzession ließe sich das dem Geschädigten hier zugestandene Wahlrecht nicht verwirklichen. Zum Schluß des Fragments soll nur noch der Vollständigkeit halber Stellung genommen werden. Was zur Restitution des Sklaven gesagt worden sei, greife nur Platz, wenn der Sklave noch lebe. Dieser quod-tamen-Satz476 bedeutet wahrscheinlich, daß der Sklave nicht restituiert zu werden braucht, wenn der Sklave infolge der Tat (etwa durch Anstiftung zu einem gefährlichen Unterfangen, wie es eine Flucht darstellt) oder unabhängig von ihr (durch ein Unglück)477 gestorben ist. Denn ein toter Sklave hat keinen Wert mehr, so daß der volle Wert (in doppelter Höhe) auch ohne Restitution verlangt werden kann.478

474 Ein anderer von MÜHLENBRUCH behandelter Fall zur Sachbeschädigung ist Paulus D. 4,9,6,4 (dazu u. S. 133 ff.). Die Ulpianstelle D. 13,6,7,1 (dazu o. A. 224 und noch u. A. 929) erwähnt MÜHLENBRUCH dagegen nicht, obwohl der Text auch zur Klagenabtretung bei Haftung wegen Sachbeschädigung passen würde. 475 Der Grund für das mangelnde Interesse an der verbliebenen Position ist freilich leicht verschieden: Bei der reinen Haftung für Sachverlust ist es stets die Unsicherheit über die Durchsetzbarkeit der verbliebenen Ansprüche; erscheint ihre Durchsetzung dagegen sicher, kann der Eigentümer u. U. auf sie verwiesen werden (vgl. u. S. 250 ff., insbes. S. 257 ff. zu Labeo D. 19,2,60,2). Bei der Haftung aus der actio servi corrupti kann dagegen der Eigentümer auch bei durchsetzbarem Anspruch gegen den aktuellen Besitzer nicht auf diesen verwiesen werden, wenn er wegen der Tauglichkeitsminderung an dem fugitivus kein Interesse mehr hat. 476 LEVY (o. A. 450) kritisiert zur Rechtfertigung seiner Interpolationsannahme, daß in dem quod-tamen-Satz das Wort homo statt des ediktalen Wortes servus verwendet wird. Doch ist die Verwendung Wortes homo mit der Bedeutung „Sklave“ durchaus üblich; sie entspricht sogar technischem Sprachgebrauch, vgl. HEUMANN /SECKEL, s. v. homo 3). 477 Dagegen dürfte nicht an den Fall gedacht sein, daß der Eigentümer den Sklaven (etwa wegen der Tat) tötet. Dadurch würde er wahrscheinlich die zweite Wahlmöglichkeit verlieren. 478 So das Scholion 20 zu Bas. 60,6,14,9 (s. HEIMBACH, Basilicorum Libri LX, Band V [1850] 390). Der Tod läßt die actio servi corrupti nicht erlöschen, weil es für die Schadensberechnung auf den Wert des Sklaven zum Zeitpunkt der Korruption ankommt, s. z. B. Ulpian D. 11,3,5,4; Paulus D. 11,3,6 und BONFIGLIO, Corruptio servi (1998) 117 ff.

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Im letzten Fall hat der Kläger seinen Sklaven nach der Tat freigelassen, zu der ihn der Beklagte angestiftet hat. Zur Begründung beruft er sich darauf, daß er den korrumpierten Sklaven nicht mehr in seinem Haus habe behalten können. Durch die Freilassung erlischt die actio servi corrupti nicht etwa, da es für das Vorliegen der Klagevoraussetzungen und den Umfang der aestimatio auf den Zeitpunkt der Sklavenkorruption ankommt.479 Doch hat der Kläger durch die Freilassung die Patronatsrechte über den Sklaven erworben. Namentlich behält er die Zuchtgewalt über den Sklaven, ein der patria potestas ähnliches Herrschaftsrecht.480 Ferner wird er Vormund über den Freigelassenen im Falle seiner Unmündigkeit oder über dessen unmündige Kinder.481 Verstirbt der Freigelassene, ohne daß er sui hinterläßt, wird der Patron sein Erbe.482 Schließlich läßt sich der Eigentümer üblicherweise vor der Freilassung vom Sklaven für die Zeit nach der Freilassung eine ziffernmäßig begrenzte Zahl von Tagewerken (operae) eidlich versprechen.483 Diese Vorteile, die zumindest teilweise ideellen Wert, teilweise aber auch handfesten Vermögenswert484 haben, kann der Patron wahrscheinlich nicht abtreten. Das gilt sogar für die versprochenen operae, wenn der Freilasser sich die Dienste nicht noch zusätzlich versprechen ließ.485 Deswegen hat sich in dem von Paulus zuletzt behandelten Fall der Eigentümer nicht nur die Herausgabe des Sklaven als solche unmöglich gemacht, sondern sich darüber hinaus eine bleibende unabtretbare Wertposition geschaffen. Aus diesem Grunde versagt ihm der Jurist die Wahl des „großen Schadensersatzes“. Das zeigt, daß der Eigentümer zur Erlangung des vollen Wertersatzes zwar stets nur die ihm nach der Korruption verbliebene Position abtreten muß, weil sie ihm andernfalls als Bereicherung verbliebe; eine Obliegenheit zur aktiven Erhaltung dieser Position (etwa durch eigene Verfolgung der Klagen gegen Dritte) trifft ihn nicht. Er darf sich aber der Bereicherung nicht mutwillig zu 479

Ulpian D. 11,3,5,4; Alfenus Varus D. 11,3,16; s. im übrigen soeben A. 478. Dazu KASER, RP I 298 f. 481 KASER, RP I 356. 482 KASER, RP I 697, 701. 483 KASER, RP I 299 f. sowie insbesondere WALDSTEIN, Operae libertorum (1986) passim. Das Versprechen mußte nach der Freilassung entweder abermals unter Eid oder in Form einer Stipulation wiederholt werden. 484 Den Vermögenswert der Patronatsstellung betont in anderem Zusammenhang auch A. WACKE, TR 39 (1971) 263 ff., insbes. 268 f. 485 Das eidliche Versprechen verpflichtet nur zur Dienstleistung an den Patron selbst (bzw. nach dessen Tod an dessen Abkömmlinge); die Einfügung eines solutionis causa adiectus oder eine Delegation an einen Dritten war nicht möglich, vgl. KASER, RP I 300. s. allerdings Paulus D. 12,6,65,8: Danach kann derjenige, der einen unwissentlich ohne Rechtsgrund erlangten Sklaven freigelassen hat, aus der condictio indebiti wegen der operae und eventueller Erbschaften des Sklaven in Anspruch genommen werden (womit aber nicht die gesamte Patronatsposition erfaßt wird). Auf diese Quelle weist das Scholion Nr. 28 zu Bas. 60,6,14,9 (s. HEIMBACH, Basilicorum Libri LX, Band V [1850] 391) hin. Dem Scholion Nr. 20 zu Bas. 60,6,14,9 (HEIMBACH, a. a. O., 390) zufolge soll deswegen der Freilasser in casu zur Abtretung seiner Patronatsrechte gezwungen werden. Diese Deutung widerspricht jedoch dem vorangehenden Satz in Paulus D. 11,3,14,9, der Eigentümer dürfe schwerlich gehört werden, er habe den Sklaven deswegen freigelassen, weil er ihn nicht mehr habe im Hause dulden können: Daraus folgt, daß dem Eigentümer die Wahl des vollen Schadensersatzes versagt wird. Möglicherweise war den Verfassern der Scholien die Inzessabilität der Patronatsrechte nicht mehr gegenwärtig. 480

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Lasten des Schädigers entäußern, und zwar zumindest dann nicht, wenn er dadurch eine unabtretbare wertbehaftete Position erlangt.

§ 11 Klagenabtretung im Rahmen der Haftung des Reeders (D. 4,9,6,4) Als weiteres Beispiel für eine Klagenzession an denjenigen, der den Eigentümer wegen Verlusts (oder Beschädigung) einer Sache entschädigen muß, führt MÜHLENBRUCH486 in seiner Einteilung der Fälle der notwendigen Zession487 die folgende Quelle an, die von der Haftung des Reeders für die Beschädigung oder den Diebstahl von Gepäck oder Frachtgut durch die von ihm angestellten Seeleute handelt: D. 4,9,6,4 (Paulus im 22. Buch ad edictum): Possumus autem furti vel damni iniuriae actione uti cum nautis, ut certi hominis factum arguamus. sed una contenti esse debebimus:488 et si cum exercitore egerimus, praestare ei debemus actiones nostras, quamvis ex conducto actio adversus eos competat exercitori. sed si absolutus sit exercitor hac actione, deinde agatur cum nauta, exceptio dabitur, ne saepius de eiusdem hominis admisso quaeratur. et contra, si de admisso unius hominis actum sit, deinde in factum actione agatur, exceptio dabitur. Gegen die Seeleute können wir aber die Diebstahlsklage oder die Klage wegen widerrechtlichen Schadens unter der Voraussetzung erheben, daß wir die Handlung einer bestimmten Person nachweisen. Wir müssen uns jedoch mit e i n e r Klage begnügen: Und wenn wir gegen den Reeder klagen, müssen wir ihm unsere Klagen abtreten, obgleich dem Reeder die Klage aus dem Heuerverhältnis gegen diese (die Seeleute) zusteht. Wenn aber die Klage gegen den Reeder abgewiesen und daraufhin Klage gegen einen Seemann erhoben wird, wird eine Einrede erteilt, damit nicht wiederholt über das Vergehen einer und derselben Person prozessiert wird. Auch wenn umgekehrt wegen des Vergehens einer bestimmten Person geklagt worden ist und später mit der auf den Sachverhalt abgestellten Klage vorgegangen wird, wird eine Einrede erteilt.

Zunächst ist zu klären, welche Personen an dem Fall beteiligt sind. Paulus bezeichnet den Kontrahenten (pars) des Reeders, der als Befrachter Ware verschiffen läßt (oder als Fahrgast Reisegepäck mitgenommen hat), mit der ersten

486 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 410 unter 2 bei A. 371. In Anschluß an MÜHLENBRUCH bespricht auch SELB, FS Larenz (1973) 529 den Fall in unserem Zusammenhang. 487 Zur Bedeutung dieser Einteilung im Rahmen der Gesetzgebungsgeschichte zu § 255 BGB s. o. S. 63 ff. 488 MOMMSEN /KRÜGER setzen hinter arguamus einen Doppelpunkt und hinter debebimus ein Komma. Zur unzulässigen Klagenverdoppelung vgl. CHR. BALDUS, Una actione experiri debet, OIR 5 (1999) 20 ff. (bes. bei Sachmängeln, zu D. 50,17,43,1 s. S. 26 ff.).

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Person Plural. Als mögliche Klagegegner des Befrachters nennt der Text zum einen die Matrosen (nautae, oder einen nauta), zum anderen den exercitor, also den Reeder. Dabei werden die Klagen gegen die nautae in einen Gegensatz gestellt zu der Klage gegen den exercitor; es heißt sogar, daß der Vertragspartner in einem Fall seine Klagen gegen die nautae an den exercitor abtreten müsse, obgleich der exercitor gegen sie außerdem eine eigene Klage ex conducto habe. Daraus ergibt sich, daß nauta und exercitor hier verschiedene Personen sind. Obwohl nauta sowohl den einfachen Seemann, den Matrosen, als auch den Reeder selbst bezeichnen kann,489 bezieht sich der Begriff des nauta hier also ausschließlich auf die Seeleute, die der Reeder (exercitor) mit der Beförderung des Gutes betraut hat.490 Nach Paulus kann der Befrachter wegen seines Schadens gegen die Seeleute mit einer als actio furti oder actio damni iniuriae bezeichneten Klage vorgehen. Dafür muß er aber nachweisen, daß der einzelne beklagte Seemann am Diebstahl oder der Sachbeschädigung schuldig (zumindest an der Tat beteiligt) war.491 Der Text fährt fort, daß sich der Befrachter aber mit e i n e r Klage begnügen müsse. Dabei ist auf den ersten Blick nicht ganz klar, welche Klagenkonkurrenz gemeint ist. Im folgenden geht es nämlich nicht etwa um die Konkurrenz zwischen einer actio furti und einer actio damni iniuriae gegen die nautae, sondern um das Verhältnis zwischen den Klagen gegen die Seeleute auf der einen Seite und einer – bislang unerwähnten – Klage gegen den Reeder. Bei Geltendmachung dieser Klage gegen den Reeder heißt es, müsse ihm der Be489 s. insbesondere Ulpian D. 4,9,1,2 wo erläutert wird, daß nautae appellantur omnes qui navis navigandae causa in nave sint, daß aber von dem prätorischen Edikt über die Haftung aus dem receptum nur der exercitor erfaßt werde; s. außerdem HEUMANN /SECKEL, s. v. nauta. 490 Abweichend SARGENTI, Studi Albertario I (1953) 564 A. 1 und zumindest mißverständlich Teresa GIMÉNEZ-CANDELA, Los Llamados Cuasidelitos (1990) 148 f., die davon ausgehen, daß sich die im ersten Satz des Textes genannte Klagemöglichkeit cum nautis aus der actio furti oder damni iniuriae gegen den exercitor richte. Wie hier die berechtigte Kritik von BURDESE, SDHI 57 (1991) 458 in seiner Besprechung des Werks von GIMÉNEZ-CANDELA (S. 449 ff.). Auch ist trotz der mehrmaligen Verwendung des Wortes homine für den einzelnen nauta nicht wahrscheinlich, daß Paulus damit Sklaven meint, wie GIMÉNEZ-CANDELA annimmt. Zwar wurden in der Seefahrt vielfach Sklaven eingesetzt. Der Jurist spricht hier aber davon, daß gegen die nautae selbst und nicht gegen ihren Eigentümer geklagt werden könne. Aus der Erwähnung der actio conducti des exercitor gegen die nautae folgt zumindest, daß es sich nicht um Sklaven des Reeders handelt, wie GIMÉNEZ-CANDELA zu glauben scheint, wenn sie von einer möglichen Noxalhaftung des Reeders spricht. 491 Der Interpolationsverdacht von HUVELIN, Droit commercial romain (1929) 133 bezüglich des Nebensatzes [ut certi . . . arguatur] ist unbegründet. HUVELIN kritisiert, daß Paulus zunächst von den nautae im Plural spreche, im Nebensatz aber von der Tat eines einzelnen (homine, im Singular). Doch bezeichnet Paulus in Form einer allgemeinen Regel mit der Formulierung cum nautis nur die Passivlegitimation, um sodann die sachliche Voraussetzung zu nennen, daß die konkrete Tat eines einzelnen nachgewiesen werden muß; gegen HUVELIN zutreffend SERRAO, Bull. 73 (1970) 143 f.

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frachter seine Klagen gegen die Matrosen abtreten. Wenn der Reeder aber freigesprochen werde, scheitere auch eine spätere Klage gegen den Seemann, den der Befrachter des Delikts für schuldig hält: Der Seemann erhält hier eine exceptio, die damit motiviert wird, daß nicht zweimal wegen des Delikts einer und derselben Person geklagt werden soll. Aber auch im umgekehrten Fall, wenn der Befrachter zuerst gegen den Seemann klagte und anschließend gegen den Reeder vorgehen will, kann er im zweiten Prozeß über die nunmehr als actio in factum bezeichnete Klage gegen den Reeder keinen Erfolg haben, da dem Reeder eine (nicht näher bezeichnete) Einrede gewährt wird.

I. Ermittlung der konkurrierenden Klagen für den Fall der Sachbeschädigung Um welche Klagen es sich bei den erwähnten Ansprüchen gegen die Seeleute und den Reeder genau handelt, erschließt sich nicht ganz leicht. Hierfür ist danach zu unterscheiden, ob eine Sachbeschädigung oder ein Diebstahl begangen wurde; betrachtet werden soll zunächst der Fall der Sachbeschädigung: Gegen den Reeder kann dem Befrachter wegen der Sachbeschädigung zunächst eine Klage aus dem (entgeltlichen) Beförderungsvertrag zustehen, also aus locatio conductio, wenn der Befrachter den Vertrag mit dem Reeder persönlich geschlossen hat.492 Diese Klage kann hier jedoch nicht gemeint sein, weil es bei Paulus ausdrücklich um eine actio in factum geht. Hat der Befrachter den Beförderungsvertrag mit dem vom exercitor zum Vertragsabschluß ermächtigten magister navis geschlossen, steht dem Befrachter gegen den Reeder eine actio exercitoria zu.493 Auch diese kann unter Umständen auf eine Entschädigung wegen einer Sachbeschädigung durch die vom Reeder angeheuerten Seeleute gerichtet sein. Doch ist auch diese Klage von Paulus nicht gemeint: Von einem magister navis ist nicht die Rede; außerdem ist die Formel der actio exercitoria zumindest dann, wenn die primäre, gegen den magister navis gerichtete Klage – wie im Falle der actio locati conducti – eine formula in ius concepta besitzt, nicht in factum konzipiert.494 492 (Pomponius-)Ulpian D. 4,9,3,1; DE ROBERTIS, Receptum nautarum (1952) 6 f. mit A. 4; MEYER-TERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 150, 177 f. 493 MEYER-TERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 151–153, 184 A. 21, S. 186. Zu dieser Klage aus jüngerer Zeit A. WACKE, SZ 111 (1994) 280 ff., 298 ff. 494 Nach LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 260 ff. zur actio institoria, worauf er S. 258 auch im Hinblick auf die actio exercitoria verweist, waren die adjektizischen Klagen, also auch die actio exercitoria, stets in ius konzipiert; dort allerdings auch die Nachweise zur Gegenseite, die von einer actio in factum ausgeht. KASER, RP I 605 f. mit A. 4 und KASER /HACKL, RZ, 341 mit A. 3 zählen hingegen die adjektizischen Klagen zu einer Kategorie von „Klagen mit Subjektwechsel“ und scheinen davon auszugehen, daß sich die Frage, ob ihre Formel in ius oder in factum konzipiert war, nach dem Charakter der Klage gegen den magister navis gerichtet habe. Wenn die primäre Klage

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Zusätzlich zu der Klage aus dem Beförderungsvertrag bzw. der actio exercitoria kann dem Befrachter aber die Klage aus dem Rezeptum der Seeleute, Gast- und Stallwirte (nautae caupones stabularii) zustehen.495 Der unbefangene Leser der Digesten Justinians ist am ehesten geneigt zu glauben, daß Paulus hier von dieser Klage spreche. Ihr ist nämlich der Digestentitel 4,9 gewidmet.496 Es handelt sich um eine honorarrechtliche Klage in factum wegen unterbliebener oder unvollständiger Restitution der eingebrachten Sachen.497 Voraussetzung für diesen Anspruch war es (zumindest ursprünglich), daß der Reeder498 die Rückgabe der eingebrachten Sachen mit einem formlosen Versprechen (receptum) garantiert hatte.499 Die Klage stricti iuris ist sachverfolgend und auf eine Verurteilung in simplum zu quanti ea res erit gerichtet.500 Der Reeder haftete aus ihr ursprünglich wahrscheinlich für jeden Sachverlust und jede Sachbeschädigung; erst Labeo soll nach dem Zitat Ulpians in D. 4,9,3,1 dem Reeder eine Einrede gewährt haben, wenn der Schaden durch höhere Gewalt, insbesondere durch Schiffbruch oder einen Überfall von Seeräubern verursacht worden ist.501 eine formula in ius concepta habe, sei auch ihre Abwandlung in ius konzipiert (ebenso A. WACKE, SZ 111 [1994] 282 A. 8). 495 Zu dieser Klage KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte II 1. Teil (1901) 1315 ff.; LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 131; SOLAZZI, Rivista del diritto della navigazione 2 (1936) 113 ff., zitiert nach DERS., Scritti di diritto romano III (1960) 503 ff. (dort insbes. S. 509 ff.); DE ROBERTIS, Receptum nautarum (1952) passim; C. H. BRECHT, Zur Haftung der Schiffer im antiken Recht (1962) 1 ff., 83 ff.; MEYER-TERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 150 ff., 172, 185 ff.; KASER, RP I 585 f. 496 So auch tatsächlich SARGENTI, Studi Albertario I (1953) 564, der die Existenz einer actio legis Aquiliae in factum adversus nautas ablehnt; gegen ihn bereits SERRAO, Bull. 73 (1970) 143 f. A. 38. 497 Ulpian D. 4,9,1pr.; 4,9,3,1. 498 In diesem Zusammenhang bedeutet nauta Reeder, vgl. o. A. 489 sowie MEYERTERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 186, die sich deswegen der Auffassung anschließt, daß das Edikt über das Rezeptum in einer Zeit erlassen worden sei (im 2. oder 1. Jh. v. Chr.), in der das Wort exercitor noch nicht existiert habe. 499 Umstritten ist aber, ob es später eine Entwicklung dahingehend gab, den stillschweigenden Abschluß des Garantievertrages schon in der faktischen Übernahme der eingebrachten Sachen durch den Reeder zu sehen, so daß praktisch eine gesetzliche Garantiehaftung entwickelt wurde; so – ohne Datierung der Entwicklung – KASER, RP I 585 bei A. 29 mit Hinweis auf Ulpian D. 4,9,1,1;6;8. Manche Autoren halten die angenommene Entwicklung schon für spätklassisch (so D. LIEBS, Klagenkonkurrenz [1972] 109), andere für nachklassisch (so C. H. BRECHT, Zur Haftung der Schiffer im antiken Recht [1962] 112 ff., insbes. 119 ff. m.w. N.) bzw. justinianisch (so DE ROBERTIS, Receptum nautarum [1952] 61 ff. u. passim). Gegen beide Thesen wendet sich MEYER-TERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 201 ff. m.w. N., die (unter Hinweis auf Ulpian D. 47,5,1,4) die Auffassung vertritt, daß sowohl bei Ulpian als auch im justinianischen Recht noch ein zusätzlicher Vertrag für die Klage aus dem Rezeptum erforderlich gewesen sei. Mit Blick ausschließlich auf das klassische Recht bereits KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte II 1. Teil (1901) 1317 f. Dazu noch sogleich im Text (u. bei A. 529). 500 LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 131; MEYER-TERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 197, 215.

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Doch spricht die Palingenesie gegen die Annahme, Paulus meine die Klage ex recepto: Das Fragment stand bei Paulus nicht im 13. Buch zum Edikt, in dem die Haftung der nautae, caupones stabularii aus dem receptum behandelt wurde,502 sondern im 22. Buch zum Edikt, im Anschluß an die Erörterungen zur actio legis Aquiliae.503 Ähnlich ist es bei Ulpian: Er behandelte die Klage ex recepto im 14. Buch seines Ediktskommentars;504 das von den Kompilatoren an unseren Paulus-Text angehängte Ulpian-Fragment D. 4,9,7 stand aber im 18. Buch des Ediktskommentars,505 in dem sich auch die Erörterungen ad legem Aquiliam befinden.506 LENEL nimmt daher in überzeugender Weise an, daß beide Juristen in ihren Ediktskommentaren im Anschluß an die Erörterungen über die actio legis Aquiliae die an diese Klage angelehnte spezielle prätorische Deliktsklage actio (damni iniuriae) in factum adversus nautas caupones stabularios, also eine in factum konzipierte Klage gegen die Reeder, Gast- und Stallwirte wegen widerrechtlicher Schadenszufügung besprachen.507 Diese Klage, von der wir auch aus anderen Quellen wissen,508 war nur gegen die genannten Berufssparten gerichtet. Sie setzte im Falle des nauta509 voraus, daß einer seiner Seeleute dem Befrachter durch eine widerrechtliche Handlung auf dem Schiff einen Schaden zugefügt hat.510 Die – wie die Klage aus dem recep-

501 Hierzu KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte II 1. Teil (1901) 1319 f.; MEYERTERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 185 mit A. 11–13, S. 197 f. – Dieser Text gibt zugleich einen Grund dafür an, warum der Prätor überhaupt zusätzlich zur Haftung des Reeders aus der actio locati conducti (ggf. exercitoria) aufgrund des Beförderungsvertrages die actio ex recepto eingeführt hat: Der Reeder habe zuvor aus locatio conductio nur für culpa und dolus gehaftet, aus dem Rezeptum aber für Zufall (und zwar zunächst für jeden Zufall). Dazu noch sogleich im Text (u. bei A. 525). 502 Vgl. LENEL, Palingenesia I 992 (Paulus Nr. 256 f.) = D. 4,9,4 und D. 19,2,42. 503 LENEL, Palingenesia I 1012 f. (Paulus Nr. 374). 504 LENEL, Palingenesia II 490 f. (Ulpian 467 ff.). 505 LENEL, Palingenesia II 532 (Ulpian Nr. 629). 506 LENEL, Palingenesia II 522 ff. (Ulpian Nr. 612 ff.). 507 LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 205. LENEL vermutet, diese Klage sei zwar im Album proponiert gewesen, ein Edikt habe es zu ihr aber nicht gegeben. Dagegen für die Existenz eines entsprechenden Ediktes KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte II 1. Teil (1901) 1321. Zu dieser Klage ferner DE FRANCISCI, Synallagma II (1916) 71 f.; SOLAZZI, Scritti di diritto romano III (1960) 503 ff.; MEYER-TERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 186, 193 f. (A. 19–21); KASER, RP I 586 bei A. 36, S. 622 bei A. 44. Die Existenz dieser Klage in klassischer Zeit leugnet gänzlich SARGENTI, Studi Albertario I (1953) 558 ff., 564 ad h. l. 508 Insbesondere Ulpian D. 14,1,1,2; Paulus D. 9,4,19,2; aber auch D. 44,7,56 = Inst. 4,5,3 (dazu s. noch u. A. 531). 509 Nauta hat hier – wie bei der Klage aus dem Rezeptum – die Bedeutung „Reeder“; vgl. die Rekonstruktion der Formel bei LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 205 sowie Paulus D. 9,4,19,2 und das gesamte Fragment Ulpian D. 4,9,7(pr.-6), in dem der Schuldner durchgängig als exercitor bezeichnet wird. 510 Ulpian D. 4,9,7pr.

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tum – in factum konzipierte Klage ging auf das Doppelte des Sachwerts;511 die Rechtsfolgen gingen somit – offenbar zu Strafzwecken – weiter als die aus der Klage ex recepto.512 Man nimmt an, daß sie älter ist als die Haftung aus dem Rezeptum.513 Die Kompilatoren haben ihr keinen eigenen Digestentitel gewidmet, sondern die sie betreffenden Hauptquellen an das Ende des Titels 4,9 über die Klage aus dem Rezeptum gestellt. Anders verfuhren die Kompilatoren bei der im übrigen vergleichbaren actio furti adversus nautas caupones stabularios, die in D. 47,5 einen eigenen Digestentitel erhalten hat.514 Diese Klage wird dem Befrachter gegen den Reeder515 gewährt, wenn dieser oder einer der Seeleute516 an einer eingebrachten Sache ein furtum begangen hat. Auch bei ihr handelt es sich um eine honorarrechtliche actio in factum, die auf das Doppelte517 des Sachwertes gerichtet ist.518 Die Palingenesie ist also ein Indiz dafür, daß Paulus mit der actio in factum gegen den Reeder, soweit es um eine Sachbeschädigung geht, die actio (damni iniuriae) in factum adversus nautas caupones stabularios meint. Diese Vermutung wird unterstützt durch den Zusammenhang mit den vorangehenden Paragraphen desselben Fragments, in denen mehrmals von einer actio in factum wegen eines damnum iniuria factum gesprochen wird. Aber auch der Text selbst enthält eine Andeutung in dieser Richtung: Die Klage gegen die vom Reeder angestellten Seeleute wird als (furti vel) damni iniuriae, die Klage gegen den Reeder daraufhin schlicht als actio in factum bezeichnet. Es liegt nahe, daß hiermit diejenige Klage gemeint ist, die sich an die entsprechende zivile Klage gegen den angestellten Seemann anlehnt; ihr hervorhebenswerter Unterschied zu der Klage gegen den Seemann besteht darin, daß sie eine prätorische actio in factum ist. Die Klage gegen den nauta wegen damnum iniuria im Fall der Sach511

Ulpian D. 4,9,7,1; LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 205. Vgl. KASER, RP I 586 A. 38. 513 MEYER-TERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 186 m.w. N. in A. 21 (S. 194). Die Einführung der Rezeptumshaftung nach der pönalen Deliktsklage hatte demnach den Sinn, eine reipersekutorische Klage gegen den Reeder auch dann zu gewähren, wenn die Sache beschädigt oder verschwunden war, der Befrachter aber nicht nachweisen konnte, daß dies auf ein Delikt eines Besatzungsmitgliedes zurückzuführen war; vgl. MEYER-TERMEER, a. a. O., 194 A. 20. 514 Zu ihr KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte II 1. Teil (1901) 1320 ff.; LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 333 f.; ferner SOLAZZI, Scritti di diritto romano III (1960) 506 ff.; MEYER-TERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 186, 193 f. (A. 18, 20; 21); D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 108 f. mit A. 123; KASER, RP I 586 A. 37 f. 515 Nauta meint hier also wieder den Reeder, vgl. nur Ulpian D. 47,5,1pr. (in eos, qui naves cauponas stabulas e x e r c e b u n t), D. 47,5,1,3. 516 Ulpian D. 47,5,1,6 a. E.; vgl. Paulus D. 4,9,6,3 zur actio damni iniuriae adversus caupones, Ulpian D, 4,9,1,8 a. E. zur Klage ex recepto nautarum. 517 Ulpian D. 47,5,1,2. 518 Auch von ihr nimmt man an, daß sie älter als die Klage aus dem Rezeptum ist, s. o. A. 513. 512

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beschädigung ist somit die zivile actio legis Aquiliae,519 die Klage gegen den exercitor dagegen die actio damni iniuriae adversus nautas caupones stabularios.520

II. Ermittlung der konkurrierenden Klagen im Fall des Diebstahls Nun wird die Klage gegen den Seemann aber alternativ als furti vel damni iniuriae actio bezeichnet. Ob diese alternative Nennung zweier Klagen von Paulus stammt, ist Gegenstand unterschiedlicher Interpolationsverdachte.521 Gegen die Erwähnung der actio furti kommt zunächst ein sachlicher Einwand in Betracht: Fraglich ist, ob diese Klage wirklich dem Befrachter zusteht, wie es der Paulus-Text voraussetzt, oder ob nicht vielmehr der Reeder selbst anstelle des Befrachters zu ihrer Erhebung aktivlegitimiert ist. Gegen die Aktivlegitimation des Befrachters ließen sich Gaius 3, 203522; 205 ff.523 und andere Quellen anführen, aus denen hervorgeht, daß die Diebstahlsklage nicht stets dem Eigentümer zusteht, sondern demjenigen, der das Interesse daran hat, daß ein Diebstahl der Sache unterbleibt (cuius interest rem non perire).524 Das kann auch 519 Die actio legis Aquiliae ist identisch mit der actio damni iniuriae, vgl. Gaius 3,210; KASER, RP I 620 A. 6. 520 Unklar SELB, es gehe um die Haftung des exercitor „aufgrund einer honorarrechtlichen Garantiehaftung“. 521 Überwiegend wird angenommen, daß die Worte [furti vel] in nachklassischer Zeit eingefügt wurden, so MESSINA-VITRANO, zitiert nach LEVY /RABEL, Index interpolationum I (1929) 66 ad h. l.; SOLAZZI, Scritti di diritto romano III (1960) 505 f.; SARGENTI, Studi Albertario I (1953) 563; LEVY, Nachträge (1962) 23; SERRAO, Bull. 73 (1970) 143 („la menzione del furto (vel furti) è dovuta ai compilatori o, più probabilmente, alla completomania di un maestro postclassico“). Eine Minderheit hält dagegen umgekehrt [vel damni iniuriae] für interpoliert; so HUVELIN, Droit commercial romain (1929) 133 im Anschluß an PAMPALONI, Studi Senesi 17 (1900) 259, zitiert nach HUVELIN, a. a. O., 131. Da nach der palingenetischen Forschung jedoch das Fragment bei Paulus gerade im Abschnitt über die actio (damni iniuriae) in factum adversus nautas stand, erscheint jedenfalls diese These als allzu kühn (hiergegen schon DE FRANCISCI, Synallagma II [1916] 72). Für genuin halten die Erwähnung beider Klagen DE ROBERTIS, Receptum nautarum (1952) 120 ff.; TILLI, Labeo 23 (1977) 36; GIMÉNEZ-CANDELA, Los Llamados Cuasidelitos (1990) 148 f.; ohne Textkritik insoweit auch MARRONE, L’efficacia pregiudiziale (= APal. 24 [1955]) 243; SELB, FS Larenz (1973) 529. 522 Gaius 3, 203 (vgl. Inst. 4,1,13[15]): Furti autem actio ei conpetit, cuius interest rem saluam esse, licet dominus non sit. Itaque nec domino aliter conpetit, quam si eius intersit rem non perire. – Die Diebstahlsklage aber steht demjenigen zu, der ein Interesse daran hat, daß die Sache unversehrt bleibt, auch wenn er nicht der Eigentümer ist. Deswegen steht sie auch dem Eigentümer nur dann zu, wenn er ein Interesse daran hat, daß die Sache nicht verloren geht. 523 Vgl. Inst. 4,1,15(17) ff. 524 Zur Aktivlegitimation zur actio furti bei Haftung eines Nichteigentümers s. allgemein u. S. 168; weitere Quellen zur Interesse-Formel s. u. A. 636.

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ein anderer als der Eigentümer sein, wenn dieser dem Eigentümer wegen des Diebstahls haftet. Insbesondere steht nach Gaius 3, 206 f. jedenfalls dann die Klage nicht dem Eigentümer zu, wenn ihm ein anderer für custodia einstehen muß. Als Beispiele nennt Gaius 3, 205 den fullo und den sarcinator, die dem Eigentümer aus der actio locati für einen Sachverlust verantwortlich sind. Entnehmen wir daraus, daß die custodia stets der Haftungsmaßstab bei der locatio conductio sei, dann müßte eigentlich auch der exercitor aus dem Beförderungsvertrag zur Leistung von custodia verpflichtet sein und ihm deswegen anstelle des Eigentümers die Diebstahlsklage zustehen. Doch widerspricht diese Verallgemeinerung, daß im Rahmen einer locatio conductio stets eine Einstandspflicht für custodia gegolten habe, dem Pomponius-Zitat von Ulpian in D. 4,9,3,1. Nach der (mit Bezug auf den exercitor getroffenen) Aussage dieses Textes haftet man aus locatio conductio nur für culpa. Dies sei gerade der Grund gewesen für die Einführung der Rezeptumshaftung durch den Prätor: Der Prätor habe wegen der allgemeinen Unzuverlässigkeit der Seeleute und der Notwendigkeit für die Befrachter, ihnen trotzdem Vertrauen entgegenzubringen, die Haftung der Reeder verschärfen wollen, indem er mit der Klage ex recepto eine Haftung auch für Zufall (und zwar zunächst für jeden Zufall) begründet habe.525 Somit scheinen die klassischen Juristen die Frage des Haftungsmaßstabes für die locatio conductio nicht einheitlich entschieden, sondern nach einzelnen Fallkonstellationen unterschieden zu haben (fullo und sarcinator haften für custodia, der exercitor haftet nur für culpa).526 Die Annahme, daß der Reeder ohne Übernahme eines Rezeptums aus der schlichten locatio conductio nicht für custodia einstehen mußte, deckt sich auch mit: D. 47,5,1,3–4 (Ulpian im 38. Buch ad edictum): 3. Cum enim in caupona vel in navis res perit, ex edicto praetoris obligatur exercitor navis vel caupo ita, ut in potestate sit eius, cui res subrepta sit, utrum mallet cum exercitore honorario iure an cum fure iure civili experiri. – 4. Quod si receperit salvum fore caupo vel nauta, furti actionem non dominus rei subreptae, sed ipse habet, quia recipiendo periculum custodiae subit. 3. Wenn nämlich in einem Gasthof oder auf einem Schiff eine Sache (durch Diebstahl) verloren geht, haftet nach dem Edikt des Prätors527 der Reeder oder der Gast525 Doch sind die Echtheit dieses Textes (zu ihm s. schon o. b. A. 501) und deswegen auch die angesprochenen Sachfragen umstritten. Ausführlich hierzu DE ROBERTIS, Receptum nautarum (1952) 106 ff.; C. H. BRECHT, Zur Haftung der Schiffer im antiken Recht (1962) 83 ff. – MEYER-TERMEER, Die Haftung der Schiffer (1978) 177 f. schenkt aber (mit Recht) dem Pomponius-Zitat im Hinblick auf den Haftungsmaßstab des Schiffers aus locatio conductio Glauben und nennt in A. 15 ff. auf S. 181 ff. weitere Quellenbelege. 526 s. dazu noch unten S. 206 ff.

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wirt, so daß es in der Macht desjenigen steht, dem die Sache gestohlen worden ist, ob er lieber gegen den Reeder nach Honorarrecht oder gegen den Dieb nach Zivilrecht vorgehen möchte. – 4. Wenn jedoch der Gastwirt oder der Schiffer garantiert hat, daß die Sache unversehrt bleibt, hat die Diebstahlsklage nicht der Eigentümer der gestohlenen Sache, sondern er (der Gastwirt bzw. der Schiffer) selbst, weil er mit der Garantie die Gefahr der Bewachung (custodia) übernommen hat.

Übernahm der exercitor kein receptum rem salvam fore, kann hiernach der Eigentümer wählen zwischen der zivilen actio furti gegen den Seemann und der actio furti (in factum) adversus nautas gegen den Reeder. Hat der exercitor dagegen ein receptum mit dem Befrachter geschlossen, haftet er für custodia; dementsprechend steht dann ihm und nicht dem Eigentümer die actio furti civilis gegen den Dieb zu, weil es dann – in den Worten von Gaius 3,205 – der Reeder ist, der das Interesse daran hat, daß die Sache nicht gestohlen wird (cuius interest rem non perire).528 Dem läßt sich zweierlei entnehmen: Erstens verlangte die Rezeptumshaftung zumindest noch in klassischer Zeit eine besondere rechtsgeschäftliche Übernahme der Garantie durch den Reeder; die bloße tatsächliche Einbringung der Sachen genügte nicht.529 Vor allem aber haftete zweitens der Reeder ohne Übernahme eines Rezeptums nur für culpa (und nicht für custodia);530 infolge dessen war dann grundsätzlich der Eigentümer und 527 Gemeint ist hier das Edikt, das die actio furti (in factum) adversus nautas caupones stabularios verheißt, wie sich aus dem Fragment im übrigen, aus dem Digestentitel (D. 47,5) sowie aus der Palingenesie (LENEL, Palingenesia II 682 [Ulpian Nr. 1069]) ergibt. 528 Demnach ist etwa in Paulus D. 4,9,4pr. (Sed et ipsi nautae furti actio competit, cuius sit periculo, . . .) vorausgesetzt, daß dort der Reeder ein receptum abgegeben hat; dafür spricht außerdem, daß dieser Text bei Paulus im Zusammenhang mit der Klage ex recepto stand, vgl. LENEL, Palingenesia I 992 (Paulus Nr. 256); entsprechend bezieht sich hoc edictum in D. 4,9,4,2 also auf das Edikt über das Rezeptum. Auch in Ulpian D. 47,2,14,17 a. E. ist daher vermutlich die Abgabe eines Rezeptums vorausgesetzt: et erit in hunc casum similis causa eius et cauponis aut magistri navis: nam his damus furti actionem, si sint solvendo, quoniam periculum rerum ad eos pertinet (zu dieser Quelle s. noch unten A. 650, 671, 655; zu Paulus D. 4,9,4pr. und Ulp. D. 47,2, 13,17 s. KROPPENBERG, Insolvenz [2001] 480 ff.). 529 Überzeugend also KARLOWA und MEYER-TERMEER (beide o. A. 499). Die Anhaltspunkte für die Gegenansicht (s. ebenfalls o. A. 499) aus Ulpian D. 4,9,1,1;6;8 sind demgegenüber weniger eindeutig und fallen daher nicht ins Gewicht. 530 Die inhaltliche Übereinstimmung der weit auseinander liegenden Texte (Pomponius-)Ulpian D. 4,9,3,1 (14 ad edictum) und Ulpian D. 47,5,1,3 f. (38 ad edictum) schließt Echtheitszweifel (zu ihnen o. A. 525) insoweit aus; vgl. auch (Labeo-)Ulpian D. 19,2,13,1 (und dazu KNÜTEL, SZ 100 [1983] 415 ff.). Ein Gegenargument bietet auch nicht Gaius D. 4,9,5pr. (mit D. 19,2,40) wo es heißt, daß der Reeder für custodia hafte. Denn Gaius geht dort davon aus, daß ein receptum abgegeben wurde, wie sich aus D. 4,9,5,1 (is, qui salvum fore recepit) ergibt. Auch nach der Palingenesie behandelte Gaius an dieser Stelle die Haftung aus dem Rezeptum, s. LENEL, Palingenesia I 198 (Gaius Nr. 119). Dasselbe gilt entsprechend für Ulpian D. 4,9,1,8; ferner für Ulpian D. 4,9,1,1; 3 – mit LENEL, Palingenesia II 490 f. (Ulpian Nr. 467–469). Die Spätklassiker bezeichnen die Rezeptumshaftung des öfteren als custodia-Haftung, obwohl diese Redeweise insoweit nicht ganz scharf ist, als die Rezeptumshaftung sicher auch

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nicht der Reeder zur actio furti gegen den delinquenten Seemann aktivlegitimiert.531 Für unseren Paulus-Text D. 4,9,6,4 bedeutet dies, daß gegen die Erwähnung der actio furti, die dem Befrachter gegen den nauta zustehen soll, sachlich nichts einzuwenden ist.532 Anzunehmen ist lediglich, daß der Reeder in casu kein receptum rem salvam fore übernommen hat. Die Kritik an den Worten furti vel stützt sich aber auch auf den sprachlichen Einwand, daß Paulus im Eingangssatz nur von e i n e r Klage gegen den nauta und später nur von e i n e r actio in factum gegen den Reeder spricht. Jedoch ist deswegen die Alternativbezeichnung sprachlich nicht bedenklich: Sie läßt sich so deuten, daß je nach Fallgestaltung, je nachdem also, ob die Sache gestohlen oder beschädigt wurde, ge-

noch die Haftung für zufällige Sachbeschädigungen einschloß; ob die custodia-Haftung auch eine Zufallshaftung für Sachbeschädigungen umfaßte, war dagegen unter den Klassikern umstritten; s. auch dazu KNÜTEL, SZ 100, 411 A. 294, S. 422. 531 In der Spätklassik ist aber der Gedanke aufgekommen, daß nicht nur derjenige anstelle des Eigentümers zur actio furti aktivlegitimiert ist, der dem Eigentümer für custodia haftet, sondern auch derjenige, der nur für culpa verantwortlich ist, sofern er die Sache mit dem Willen des Eigentümers in seiner Sachherrschaft hatte und im Einzelfall ihren Diebstahl durch einen anderen schuldhaft zuließ (s. dazu u. S. 185 ff.). Auf diesen Gedanken geht Ulpian hier nicht ein, obwohl der Reeder, wenn zwischen ihm und dem Befrachter eine locatio conductio vereinbart worden war, für culpa haftete, s. (Pomponius-)Ulpian D. 4,9,3,1. Das beweist jedoch nicht, daß die Zuerkennung der Aktivlegitimation an den Haftenden im Falle bloßer culpa-Haftung Ulpian generell fremd gewesen und erst in der Nachklassik aufgekommen sei: Denkbar ist zum einen, daß Ulpian von diesem Grundsatz (Übergang der actio furti auch bei culpa-Haftung) zu Lasten der Reeder, deren Haftung ja auch im übrigen wegen ihrer allgemeinen Unzuverlässigkeit (vgl. Ulpian D. 4,9,1,1; 3,1) durch die verschiedenen Spezialklagen immer wieder verschärft worden war, eine Ausnahme machte. Zum anderen ist möglich (und wahrscheinlicher, s. Ulpian D. 47,2,14,12 und dazu u. S. 206 ff.), daß Ulpian in D. 47,5,1,3 an den Fall nicht dachte, daß dem exercitor konkret culpa nachweisbar war und dieser deswegen dem Befrachter aus locatio conductio für den Schaden verantwortlich war. Ein Diebstahl durch seine Seeleute begründete nämlich nicht ohne weiteres eine culpa des exercitor: Sonst wäre entgegen (Pomponius-)Ulpian die Einführung der Rezeptumshaftung weitgehend überflüssig gewesen; eine Zurechnung des Verschuldens von Hilfspersonen fand im klassischen Recht – anders als im modernen deutschen nach § 278 BGB – nicht generell statt (dazu KNÜTEL, SZ 100 [1983] 340 ff., insbesondere zur locatio conductio S. 391 ff., 407 ff.). Auch liegt nicht stets im Falle des Diebstahls durch einen nauta ein Auswahlverschulden des exercitor vor; Gaius D. 44,7,5,6 = Inst. 4,5,3 nimmt hier nur aus dogmatischen Gründen (und nicht im technischen Sinne) eine „Art“ Verschulden (a l i q u a t e n u s culpae reus est) an, das nicht zugleich auch eine culpa im Hinblick auf die locatio conductio darstellt, und so ist auch Ulpian D. 4,9,7,4 zu verstehen (zu den letzten beiden Quellen s. noch u. A. 537). 532 So sogar SERRAO, Bull. 73 (1970) 143, der dennoch die Erwähnung der actio furti aus sprachlichen wie palingenetischen Gründen für nachklassisch hält. Zum palingenetischen Argument ist zu erwidern, daß der Umstand, daß das Hauptthema des Paulus die actio damni iniuriae adversus nautas caupones stabularios war, eine kurze Bemerkung des Juristen nicht ausschließt, daß es sich bei den actiones furti civilis und in factum adversus nautas caupones stabularios parallel verhalte.

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gen den handelnden Seemann die actio furti oder die actio damni iniuriae einschlägig ist. Entsprechend wird dem Befrachter im einen Fall gegen den Reeder die actio furti in factum, im anderen Fall die actio damni iniuriae in factum gewährt. In jedem der beiden Fälle (Diebstahl oder Sachbeschädigung) steht dem Befrachter gegen den nauta wie gegen den exercitor nur je e i n e Klage zu.

III. Unterschiede der actio in factum adversus nautas zur zivilen actio furti bzw. damni iniuriae hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen Wie sich für die actio furti auch aus Ulpian D. 47,5,1,3 ergibt, hat der Klient nach Aussage unseres Paulus-Fragmentes D. 4,9,6,4 also die Möglichkeit, gegen den einzelnen Seemann die zivilrechtliche Deliktsklage (damni iniuriae bzw. furti) oder gegen den Reeder die entsprechende honorarrechtliche Klage zu erheben. Die Klage gegen den einzelnen Seemann hat nach Paulus den Nachteil, daß der Befrachter die individuelle Beteiligung des ausgewählten Beklagten an dem Delikt nachweisen muß. Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß ein solcher Nachweis für die honorarrechtliche quasideliktische Klage gegen den Reeder nicht erforderlich war; hier genügte offenbar der Beweis, daß die Tat von einem der Seeleute533 begangen worden sein mußte, ohne daß der Täter konkret zu benennen war.534 Anscheinend sollte die Einführung der honorarrechtlichen Klagen zusätzlich zu den zivilrechtlichen Klagen also die Beweisschwierigkeiten des Befrachters beheben, der oft nicht nachweisen konnte, von welchem Seemann das Delikt begangen worden war. Dies erleichterte dem Befrachter die Einforderung der Buße und zwang den exercitor andererseits zur besseren Kontrolle seiner Leute.

533 Oder vom Reeder selbst (vgl. zur actio furti adversus nautas Ulpian D. 47, 5,1pr.); so LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 205, 333 f.; s. dazu noch u. A. 538, 551, 560. 534 LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 205 A. 8; SERRAO, Bull. 73 (1970) 144 f. Der exercitor haftete aus den prätorischen quasideliktischen Klagen nur dann, wenn ein angeheuerter Seemann (oder der Reeder selbst) die Tat begangen hatte; war es jedoch ein (Mit-)Reisender (ein vector), haftete der Reeder aus diesen Klagen nicht (Ulpian 47,5,1,6 a. E. für die actio furtum adversus nautas; vgl. Ulpian D. 4,9,7pr.-4 zur actio damni iniuriae in factum adversus nautas). Dagegen haftete der Gastwirt aus diesen Klagen auch für die Taten langfristiger Gäste; für kurzfristige Gäste, namentlich Durchreisende (viatores), hatte aber auch er nicht einzustehen, s. Ulpian D. 47,5,1,6; Paulus D. 4,9,6,3; KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte II 1. Teil (1901) 1321. Anders war es hingegen bei der Haftung aus dem Rezeptum, die sich uneingeschränkt auch auf Delikte der vectores bzw. der viatores bezog, s. Ulpian D. 4,9,1,8 a. E. und Gaius D. 4,9,2 sowie (Pomponius-)Ulpian D. 4,9,3pr.

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IV. Erläuterung der von Paulus erwähnten exceptiones Infolge der Gewährung dieser honorarrechtlichen Klagen gegen den Reeder stellte sich für die römischen Juristen die Frage, wie sich die Haftung des exercitor zur Verpflichtung der Seeleute verhält: Soll er nur alternativ an Stelle der des Delikts schuldigen nautae zur Bußzahlung verpflichtet sein oder soll seine Haftung kumulativ zu derjenigen seiner nautae hinzutreten? Für die Beantwortung dieser Frage ist zu beachten, daß nach klassischem Recht, wenn mehrere Personen an einem Delikt beteiligt waren, aus der zivilen Pönalklage jeder für sich auf die gesamte Buße in Anspruch genommen werden konnte. Die Haftung mehrerer bei den zivilrechtlichen Deliktsklagen war also kumulativ ausgestaltet. Dies galt sowohl für die actio legis Aquiliae civilis als auch für die actio furti.535 Für das Verhältnis der quasideliktischen Haftung des exercitor zur deliktischen Haftung seiner Seeleute spricht sich Paulus in unserem Fragment aber gegen eine Kumulierung und für eine Alternativität aus: sed una contenti esse debebimus.536 Der Geschädigte soll also wählen müssen, ob er gegen die 535 LEVY, Konkurrenz I (1918) 480 ff. und D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 125 ff. zur actio furti, LEVY, a. a. O., 484 ff. und D. LIEBS, a. a. O., 181 zur actio legis Aquiliae; zu beiden Klagen auch KASER, RP II 429; KASER /HACKL, RZ, 305. 536 Der Bezug dieses Satzes ist allerdings nicht ganz eindeutig (s. schon o. S. 134): Man könnte meinen, die Äußerung beziehe sich auf die im ersten Satz des Textes angesprochene Konkurrenz einer actio furti mit einer actio damni iniuriae gegen den nauta. Der Satz würde dann besagen, daß der Klient nur entweder die Diebstahlsoder die Sachbeschädigungsklage erheben könne. Zu denken wäre dafür an den Fall, daß eine beförderte Sache bei einem Diebstahl oder im Anschluß daran beschädigt worden ist. Doch sprechen bei genauerer Betrachtung eine Reihe von Gesichtspunkten gegen diese Deutung: Der dafür anzunehmende – nicht ganz triviale – Sachverhalt, daß eine Sache sowohl gestohlen als auch beschädigt worden ist, wäre nicht überliefert. Der Eingangssatz spricht bereits vom Singular actione teneri und verbindet beide Klagenbezeichnungen mit vel (und nicht etwa mit et). Der nachfolgende Satz sed una contenti esse debebimus würde in seiner Aussage darüber kaum hinausgehen. Auch spricht der Fortgang des Textes gegen die Annahme, es gehe um die Konkurrenz von actio furti und actio legis Aquiliae: Hier ist nunmehr ausschließlich von dem Verhältnis der (jeweiligen) actio civilis gegen den nauta zu der actio in factum gegen den exercitor die Rede. Schließlich wäre die Annahme, die actio furti und die actio legis Aquiliae dürften nur alternativ geltend gemacht werden, jedenfalls in dieser Allgemeinheit für das klassische Recht nicht zutreffend: Nach Ulpian D. 47,1,2pr. besteht zwischen zwei Deliktsklagen (zumindest wenn die Delikte durch verschiedene Handlungen begangen worden sind, vgl. LEVY, Konkurrenz I [1918] 462 f.) keine wechselseitige Beeinflussung; konkret für das Zusammentreffen der actio legis Aquiliae (die dort durch Tötung eines Sklaven verwirkt ist) mit der actio furti spricht Ulpian dies in D. 47,1,2,1 aus: Qui igitur hominem subripuit et occidit, quia subripuit, furti, quia occidit, Aquilia tenetur, neque altera harum actionum alteram consumit (s. dazu LEVY, Konkurrenz I 463 ff.) – Wer also einen Sklaven stiehlt und tötet, haftet, weil er gestohlen hat, mit der Diebstahlsklage, weil er getötet hat, mit der Klage aus der lex Aquilia, und die eine dieser Klagen konsumiert die andere nicht. Der Bezug von sed una contenti esse debebimus auf die Konkurrenz zwischen der Klage gegen den exercitor und derjenigen gegen den nauta, der dem Leser des überlieferten Textes nach dem Einleitungssatz als ein überraschender Themenwechsel er-

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nautae oder gegen den exercitor vorgehen will. Dies leuchtet auch ein: Der exercitor ist nur mittelbar537 für die Entstehung des Schadens verantwortlich; ausgelöst wird seine Haftung nicht durch sein eigenes Delikt, sondern durch das seiner angeheuerten Seeleute. Dadurch wird er aber nicht zum Teilnehmer an dem Delikt seiner Leute: Der exercitor soll nicht so behandelt werden, als hätte er – nachweislich538 – mit seinen Seeleuten gemeinsame Sache gemacht; zu dem Fall der gemeinsamen Verschwörung muß vielmehr noch eine Differenz bleiben. Weil der Reeder also letztlich nur f ü r das Verhalten seiner Seeleute einstehen muß, haftet er nur an ihrer Stelle und nicht etwa zusätzlich zu ihnen. Problematisch wäre eine Kumulation der Verpflichtungen von Reeder und Seeleuten auch deswegen, weil der Reeder für die entrichtete Buße einen – von Paulus hier ausdrücklich erwähnten – Regreßanspruch gegen den angestellten Matrosen aus dem Heuervertrag hat: Der nauta verletzt nämlich durch seine Tat die bona fides auch gegenüber seinem Arbeitgeber, dem exercitor, da er mit ihr bewirkt, daß der Reeder die Buße bezahlen muß und so einen Vermögensverlust erleidet. Der Regreß kann dem Reeder – anders als den Seeleuten untereinander – auch nicht unter dem Gesichtspunkt versagt werden, daß er selbst sich vor-

scheinen könnte, wird verständlicher, wenn man berücksichtigt, daß der Text aus einem Kapitel des Ediktskommentars von Paulus stammt, in dem der Jurist ausführlich die Haftung des Reeders aus den honorarrechtlichen Klagen erörterte (s. o. b. A. 503 und A. 507). Wenn Paulus in diesem Zusammenhang (auf den der Eingang des überlieferten Textes mit autem noch Bezug nimmt) einen Abschnitt damit einleitet, daß der Befrachter neben der entsprechenden honorarrechtlichen Klage gegen den Reeder die zivile (Diebstahls- beziehungsweise Sachbeschädigungs-)Klage gegen den einzelnen nauta erheben könne, versteht sich, daß der Autor nunmehr auf das Verhältnis der jeweiligen honorarrechtlichen Klage zur betreffenden zivilrechtlichen Klage eingehen muß. 537 Die Haftung des exercitor wurde freilich – wie im geltenden deutschen Recht die Verpflichtung des Geschäftherrn aus § 831 BGB bei unerlaubten Handlungen seines Verrichtungsgehilfen – nicht als Haftung für fremdes Verschulden, sondern als Haftung für eigenes (Überwachungs- oder) Auswahlverschulden begriffen. Vgl. Gaius aur. D. 44,7,5,6 = Inst. 4,5,3, wo die prätorische Diebstahls- und Sachbeschädigungsklage gegen den exercitor deswegen als Quasidelikt bezeichnet wird, weil sie ihren Grund in einem unterstellten Verschulden des exercitor bei der Auswahl seiner Leute habe; zur – umstrittenen – Echtheit dieses Textes KASER, RP II 408 A. 59 m.w. N. Auch Ulpian D. 4,9,7,4 betont, daß der exercitor wegen seines eigenen Verschuldens hafte, unzuverlässige Seeleute eingesetzt zu haben; deswegen werde er durch den Tod des Delinquenten nicht von seiner Haftung befreit; zu diesen beiden Quellen s. schon o. A. 531. 538 Nach LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 205 und 333 f. soll die actio in factum auch gewährt worden sein, wenn der exercitor selbst als einer der Täter in Betracht kam (s. dazu schon o. A. 533 sowie noch u. A. 551 u. 560). Das ist durchaus plausibel: Da dem Befrachter der Nachweis eines konkreten Täters erspart bleiben sollte, wäre es ungerecht gewesen, ihm die Klage zu verweigern, wenn neben den nautae noch der exercitor als Täter in Betracht kam. Grund für die Haftung aus dieser Klage bleibt aber auch in diesem Fall, daß der exercitor für die mögliche Tatbeteiligung seiner nautae einstehen muß.

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sätzlich an einem Delikt beteiligt habe.539 Würde man dann aber dem Befrachter einen Anspruch sowohl gegen den Reeder als auch gegen den Seemann geben, müßte im Ergebnis der nauta die Buße doppelt zahlen. Wie das Ziel einer alternativen Haftung von nauta und exercitor erreicht wird, ist das Thema der gesamten Quelle D. 4,9,6,4 (o. S. 133): 1. Wenn der Befrachter zunächst gegen den Reeder klagt und die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind, muß er, um die Verurteilung des Reeders zu erreichen, ihm seine Klagen gegen die nautae abtreten. Erzielt wurde die Klagenzession technisch vermutlich dadurch, daß dem beklagten Reeder gegen die actio in factum eine exceptio doli gewährt wurde für den Fall, daß der Kläger seine übrigen Ansprüche nicht zedierte.540 Kam es demgemäß zur Zession, konnte der Befrachter zwar, weil die römische Zession durch Bestellung des Zessionars zum procurator bzw. cognitor in rem suam nicht privativ wirkte, zumindest bis zur Klageerhebung durch den Reeder trotz der Abtretung die Klagen noch selbst durchzusetzen versuchen; um dies zu verhindern, mußte der Zedent vermutlich im Wege einer cautio versprechen, daß er dem Zessionar bei der Geltendmachung der zedierten Klagen nicht in die Quere kommen werde.541 Ob die Klagenzession in diesem Fragment aber wirklich – wie es beim ersten Lesen des Textes scheint – vorwiegend dem Zweck dient zu verhindern, daß der Befrachter sowohl gegen den nauta als auch gegen den exercitor klagt, scheint aufgrund des Fortganges des Textes zweifelhaft.542 2. Wenn der Reeder im ersten Prozeß des Befrachters freigesprochen wurde und der Klient nunmehr einen nauta verklagt, wird dem nauta gegen die Inanspruchnahme eine Einrede erteilt. Paulus begründet die Gewährung der Einrede damit, daß nicht mehrmals über das Delikt ein und derselben Person prozessiert werden soll (ne saepius de eiusdem hominis admisso quaeratur). Über diesen Satz sowie die Natur und den Zweck der Einrede wurde viel gerätselt.543 Die 539 Vgl. Ulpian D. 27,3,1,14 und Papinian D. 26,7,38,2, wo dem Vormund ein Regreß gegen seinen Mitvormund versagt wird, weil er selbst dolos gehandelt bzw. die Verwaltung der Vormundschaft nicht übernommen hat; s. dazu noch u. b. A. 1196. 540 So zutreffend LEVY, Nachträge (1962) 23. 541 s. dazu o. S. 109 ff. 542 Wahrscheinlich nämlich stand dem nauta nach der Beendigung des Verfahrens zwischen Befrachter und exercitor gegen eine Inanspruchnahme durch den Befrachter ohnehin die exceptio rei iudicatae zu; s. dazu noch sogleich unter 2. sowie zum Sinn der Klagenzession unten S. 155 ff. unter V. 543 Auf diesen Satz beziehen sich (abgesehen von dem Streit um furti vel damni iniuriae actione, s. o. A. 521) die meisten Interpolationsverdächtigungen zu diesem Text: Es streichen [sed si absolutus sit . . . dabitur] PAMPALONI, zit. nach Index Interpolationum ad h. l.; weitergehend sed [una . . . debebimus et] . . . [quamvis . . . bis zum Schluß] HUVELIN, Droit commercial romain (1929) 131 ff.; [sed si . . . quaeratur] LEVY, Nachträge (1962) 23 ff.; zur Ersetzung von [absolutus] durch ‹conventus› noch sogleich. Doch sind die sprachlichen Bedenken von HUVELIN (z. B. gegen den Zeitenwechsel debebimus – debemus – dabitur sowie gegen die Formulierung contentus esse

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Einrede geht über den Zweck hinaus, der für einen modernrechtlich geschulten Leser im Vordergrund stünde, nämlich eine kumulative Einziehung der Buße durch den Befrachter sowohl vom exercitor als auch vom nauta zu verhindern. Denn vom exercitor erhält der Befrachter nach dessen Freispruch nichts. Aus demselben Grund kann es auch nicht darum gehen, eine doppelte Inanspruchnahme des schuldigen nauta zu verhindern: Nach Freispruch des exercitor besteht die Gefahr eines Regresses gegen den nauta mit der actio ex conducto nicht mehr. Paulus verfolgt also einen weitergehenden Zweck: Er soll verhindert werden, daß über das Delikt einer Person mehrmals p r o z e s s i e r t werde (ne saepius . . . q u a e r a t u r ). Die Formulierung erinnert an die Regel544 bis de eadem re ne sit actio; dem klassischen Juristen geht es also nicht nur darum zu verhindern, daß der Befrachter die Buße mehrfach einzieht (und sie im Ergebnis der schuldige nauta gar zweimal zahlen muß), sondern er will schon im Vorfeld eine mehrfache Klageerhebung verhindern. Die klassische Art der Verhinderung einer Klagenkumulation ist aber – sofern wie hier wegen der honorarrechtlichen Natur der Klage gegen den exercitor eine zivile Klagenkonsumption nicht möglich ist – die Konsumption der zweiten Klage mit der exceptio rei iudicatae (vel in iudicium deductae).545 Daß Paulus diese exceptio hier gewährt, entspricht genau seiner Ausgangsüberlegung, der Befrachter müsse sich zwischen der actio civilis gegen den nauta und der actio in factum gegen den exercitor entscheiden: sed una contenti esse debebimus bezieht sich grammatikalisch auf actione, der Befrachter muß also mit einer K l a g e zufrieden sein, unabhängig davon, ob er mit der Klage Erfolg hatte oder nicht, und erst recht unabhängig debere) nicht durchschlagend. Zu den sachlichen Bedenken von HUVELIN s. u. b. A. 564; zu denjenigen von LEVY s. u. A. 547. Weitere (unbegründete) formale und inhaltliche Zweifel an der Echtheit des Textes hegt noch SARGENTI, Studi Albertario I (1953) 563 f. Ohne (weitere) Streichungen lassen den Text dagegen DE ROBERTIS, Receptum nautarum (1952) 120 ff. (der allerdings Textergänzungen vorschlägt); SELB, FS Larenz (1973) 529; SERRAO, Bull. 73 (1970) 140 ff., GIMÉNEZ-CANDELA, Los Llamados Cuasidelitos (1990) 148 f. 544 s. dazu D. LIEBS, Die Herkunft der „Regel“ bis de eadem re ne sit actio, SZ 84 (1967) 104 ff.; DENS., Die Klagenkonsumption des römischen Rechts, SZ 86 (1969) 169 ff.; ferner DENS., Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter (1982) 33 f. (Nr. 7, ferner Nr. 10 f. unter B): Nach D. LIEBS sei die Regelformulierung bei den römischen Juristen nicht nachweisbar; doch siehe D. 50,17,43,1 und dazu BALDUS o. A. 488. Nach Liebs tauche die Regel in den Büchern der Rhetoren auf, am frühesten bei Quintilian, Institutio oratoria, Buch 7, Titel 6, § 4. Die lateinischen Rhetoren hätten die Regel von den griechischen Rhetoren übernommen, ohne ihre ursprüngliche Bedeutung für das attische Recht gekannt zu haben; sie hätten die Regel auf den Straf- und nicht auf den Zivilprozeß bezogen. s. im übrigen die bei KASER /HACKL, RZ, 302 A. 10 angegebene Literatur. 545 Für exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae bereits BETTI, D. 42.1.63 (1922) 410 ff., zitiert nach LEVY, Nachträge (1962) 26; wohl nur für exceptio rei iudicatae in diesem Fall TILLI, Labeo 23 (1977) 36 ff.; für exceptio rei in iudicium deductae MARRONE, L’efficacia pregiudiziale (= APal. 24 [1955]) 243 f.; zu BETTI und MARRONE s. aber noch unten bei A. 548.

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davon, ob er auf die erfolgreiche Klage auch eine Zahlung erhalten hat. Der klassische Jurist fragt also nicht, wie der moderne Jurist fragen würde, ob die materiellen Verpflichtungen von exercitor und nauta kumulativ oder alternativ bestehen; für ihn konkurrieren bereits die actiones. Zu Mißverständnissen durch die Interpreten führte freilich der Umstand, daß Paulus die Gewährung der Einrede nur für den Fall erwähnt, daß der exercitor freigesprochen wird: Sollte also der Freispruch eine Voraussetzung für die Gewährung der Einrede sein? In diesem Sinne versuchte etwa HUVELIN,546 den überlieferten Text zu deuten: Durch den Freispruch des Reeders, der ja bereits haftet, wenn irgendeiner seiner nautae das Delikt begangen hat, sei bereits einmal gerichtlich festgestellt worden, daß keiner der Seeleute das Delikt begangen habe; deswegen sei auch die Klage gegen den nauta von vornherein aussichtslos. Gegen diese Interpretation spricht aber, daß Paulus – wie wir noch sehen werden – auch im umgekehrten Fall, wenn der Befrachter zunächst den nauta verklagt hat und nach dessen Freispruch noch den Reeder in Anspruch nehmen möchte, eine (und zwar vermutlich dieselbe) Einrede gewährt. Diese blieb für HUVELIN folgerichtig unerklärlich: Nach dem Freispruch eines nauta ist nämlich nicht ausgeschlossen, daß ein anderer nauta die Tat begangen hat und deswegen die Haftung des Reeders begründet ist. HUVELIN selbst wertete diese Beobachtung als Argument für seine Annahme, der gesamte Text ab quamvis bis zum Schluß sei interpoliert. Auch LEVY ließ sich dadurch irritieren, daß Paulus die Einrede des nauta nur für den Fall anführt, daß die Klage gegen den exercitor abgewiesen wird: LEVY folgerte ähnlich wie HUVELIN, daß hier nicht der Klagenverbrauch mittels exceptio rei iudicatae geltend gemacht werden, sondern der konkrete (freisprechende) Inhalt einer Entscheidung der zweiten Klage entgegengehalten werden soll. Eine solche materielle Rechtskraftwirkung, also eine inhaltliche Bindung an die Entscheidung eines Vorprozesses, sei aber dem klassischen Formularprozeß fremd. Deswegen müsse der Text unecht sein.547 546

HUVELIN, Droit commercial romain (1929) 131 ff. LEVY (o. A. 543). Weitere Bedenken gegen die Klassizität der exceptio zugunsten des nauta formuliert LEVY wie folgt: „Man fragt sich, wer [scil. nach dem Freispruch des exercitor] den nauta überhaupt verklagen sollte: der Geschädigte, der diese Klage bereits abgetreten hat, oder der exercitor, der als Freigesprochener aus der Haftung entlassen ist. Ebenso bleibt dunkel, woher der Geschworene im Verfahren über die actio in factum die Macht nahm, den Kläger zur Zession zu zwingen, wenn er ihn ohnehin abwies.“ Diese Fragen beantworten sich von selbst: Da der iudex den Geschädigten nur dadurch zur Zession zwingen konnte, daß er ihm (aufgrund der vom Prätor einzuschaltenden exceptio doli) die Verurteilung des exercitor vorenthielt, kam es bei einem inhaltlichen Freispruch des exercitor nicht zur Klagenzession. Folglich kann es nur der Geschädigte sein, der nach einem Freispruch des Reeders mit einem weiteren Prozeß gegen den nauta vorgeht und abermals den Tathergang zu beweisen versucht. Zu einem letzten – allerdings schwerer wiegenden – Argument von LEVY s. noch u. b. A. 552. 547

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Sogar manche der Autoren, die die exceptio des nauta zutreffend als eine exceptio wegen Identität des Streitgegenstandes (also als die exceptio rei iudicatae oder in iudicium deductae) klassifizieren, stoßen sich daran, daß Paulus die exceptio nur für den Fall des Freispruchs des exercitor erwähnt. Insbesondere BETTI und MARRONE548 nehmen deswegen eine Textveränderung an: Im Originaltext des Paulus habe statt [absolutus] das Wort ‹conventus› gestanden. Paulus habe also den Fall besprochen, daß der Befrachter unmittelbar nach Klageerhebung gegen den exercitor den nauta verklage; dann sei dem nauta die exceptio rei in iudicium deductae gewährt worden. Doch kann es sich entgegen LEVY durchaus um die – im Formularprozeß übliche – Einrede der Rechtskraft wegen Identität des Streitgegenstandes handeln, die nicht eine materielle Bindungswirkung an den Inhalt der vorangegangenen Entscheidung bezweckt, sondern nur die mehrfache Prozeßführung in derselben Sache, wenn auch gegenüber verschiedenen Personen, verhindern soll: Die Klage gegen den exercitor und die gegen den nauta werden so angesehen, als seien sie auf eadem res gerichtet. Für dieses Verständnis ist entgegen BETTI und MARRONE die Annahme einer Textveränderung von ‹conventus› in [absolutus] nicht notwendig, ja sogar unwahrscheinlich, weil sie den Gedankengang des Fragments unterbräche. Stringent ist der Aufbau des Textes nämlich, wenn wir annehmen, daß es Paulus hier nur um die Einrede der Rechtskraft nach Abschluß des ersten Verfahrens und nicht auch um die der Rechtshängigkeit bei noch anhängigem Erstprozeß geht: Der Jurist bespricht zunächst den Fall, daß der exercitor verklagt wird, und erwähnt hier den Zessionszwang, von dem wir annehmen müssen, daß er mittels exceptio doli durchgesetzt wurde. Die Prüfung der Einrede durch den Richter erfolgt aber erst dann, wenn er von der Begründetheit der Klage im übrigen überzeugt ist, und nur dann kann der Richter auch den Kläger zur Abtretung veranlassen. Daher ist es durchaus schlüssig, wenn Paulus anschließend mit dem Fall fortfährt, daß der Richter den Nachweis darüber, daß einer der Seeleute das Delikt begangen habe, für nicht erbracht hält und die Klage deswegen549 abweist: Dann wird dem nauta die Einrede der Rechtskraft gewährt, weil die römischen Juristen einen Klagenverbrauch auch über die am Erstprozeß beteiligten Parteien hinaus kannten. Paulus beschränkt also seine Ausführungen in nachvollziehbarer Weise auf die beiden Möglichkeiten des Ausganges des Erstprozesses (nämlich den Fall der Begründetheit und den der Unbegründetheit der Klage gegen den exercitor) und läßt die (kompliziertere) Frage des gleichzeitigen Prozessierens550 außer Betracht. Die Interpo-

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BETTI und MARRONE (o. A. 545); kritisch TILLI (ebenfalls o. A. 545). An den wenig praktischen Fall, daß der Kläger sich weigert, die Klagen zu zedieren, und es deswegen zur Klageabweisung kommt, ist dagegen hier nicht gedacht. 550 Sachlich läßt sich allerdings gegen die exceptio rei in iudicium deductae bei gleichzeitiger Klageerhebung nichts einwenden: Wenn bei zeitlich aufeinander folgen549

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lationsannahme, es habe ursprünglich ‹conventus› statt [absolutus] im Text gestanden, würde diesen klaren Gedankengang verwässern. Daß Paulus nur für den Fall des Freispruches des exercitor die exceptio erwähnt, liegt also grundsätzlich nicht daran, daß nur in diesem Fall die Einrede gewährt wird, sondern daran, daß Paulus nur bei diesem Fall die Frage nach der exceptio stellt, weil bei Verurteilung des exercitor der Befrachter wegen der Zession ohnehin die Klage nicht mehr selbst erheben wird, wenn der iudex ordnungsgemäß die Abtretung erzwungen hat. Wenn dagegen die Zession vor der Verurteilung des exercitor einmal (versehentlich) unterblieben ist, stand mutmaßlich der Inanspruchnahme eines nauta durch den Befrachter ebenfalls die exceptio rei iudicatae entgegen, so wie nach einem Freispruch des Reeders.551 Ein – von LEVY552 geäußertes – Bedenken gegen die Gewährung der exceptio rei iudicatae bleibt freilich ernst zu nehmen: Wenn es sich tatsächlich um die Einrede der formellen Rechtskraft handelte, müßte sie der actio (furti bzw. damni iniuriae) civilis nicht auch dann entgegenstehen, wenn der Befrachter gegen den Reeder obsiegte und ihm die zivile Klage abtrat? Dem haftenden Reeder würde aber eine zedierte Klage, deren Durchsetzung eine exceptio rei iudicatae dem Prozessieren die exceptio rei iudicatae gewährt wird, folgt daraus, daß bei gleichzeitigem Prozessieren die exceptio rei in iudicium deductae der später erhobenen Klage entgegensteht. Paulus hätte bei der Lösung des Falles, daß der Befrachter schon während des Verfahrens gegen den exercitor zusätzlich einen nauta verklagt, aber auch die Frage beantworten müssen, ob sich die Klageerhebung gegen den nauta deswegen auf den Erstprozeß gegen den exercitor auswirkt, weil der Befrachter im Falle der Begründetheit der Klage gegen den exercitor seine actio gegen den nauta abtreten muß. Angesichts dieser Zessionspflicht entspräche es jedenfalls nicht vernünftigem Prozeßverhalten, wenn der Befrachter den nauta verklagt, bevor er über die Haftung des exercitor Gewißheit hat. Die Beobachtung, daß Paulus seine Betrachtung hier beschränkt auf die exceptio rei iudicatae und den Fall des gleichzeitigen Prozessierens außer Acht läßt, deckt sich mit der Ansicht von D. LIEBS, SZ 86 (1969) 184 mit A. 57 sowie von HACKL, in: Kaser/Hackl, RZ, 302 bei A. 8 f. (die von der Sichtweise von KASER in der Vorauflage abweicht), bei der Behandlung der exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae durch die römischen Juristen habe der Fall der res iudicata (und nicht die res in iudicium deducta) im Vordergrund gestanden. 551 Die Annahme eines Konsumptionsverhältnisses unabhängig vom Ausgang des Erstprozesses über die actio in factum liegt insbesondere nahe zwischen der actio in factum und der zivilen Deliktsklage gegen den Reeder selbst: Die honorarrechtliche Klage war ja auch dann begründet, wenn eine Beteiligung des Reeders selbst am Delikt in Betracht kam (s. schon o. A. 533, 538 sowie noch u. A. 560). Daß der Reeder nach Verurteilung oder Freispruch aus der actio in factum noch einmal mit der zivilen Pönalklage in Anspruch genommen werden kann, erscheint aber ausgeschlossen, obwohl der zweiten Klageerhebung die Pflicht des Befrachters zur Zession der zivilen Klagen bei Verurteilung im Erstprozeß nicht entgegensteht: Zu zedieren sind nur die Klagen adversus eos, also gegen die nautae. Die Annahme eines Konsumptionsverhältnisses zur Zivilklage gegen den exercitor wiederum läßt vermuten, daß auch zu den zivilen Pönalklagen gegen andere Delinquenten grundsätzlich Konsumption stattfand. 552 Vgl. LEVY, Nachträge (1962) 25.

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entgegensteht, nichts nützen. Gegen diese Überlegung ist jedoch zu sagen, daß die Klagenkonsumption durch Gewährung einer exceptio rei iudicatae nicht so schematisch angewandt wurde, wie der Einwand unterstellt. Vielmehr erscheint es möglich, daß die exceptio rei iudicatae dem nauta dann nicht gewährt wurde, wenn der exercitor sie als procurator oder cognitor in rem suam erhob.553 Die Nichtgewährung der exceptio rei iudicatae ließe sich wie folgt begründen: Gründe der Prozeßökonomie rechtfertigen die Gewährung der Einrede nicht, denn die Tat des nauta müßte im Rahmen der actio locati ohnehin erneut untersucht werden. Und gegen die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des nauta durch den exercitor wird man in erster Linie im Rahmen der auf die bona fides gestützten actio conducti vorgebeugt haben: Wenn der exercitor zunächst mit der zedierten Klage vorging, werden die Juristen – unabhängig vom Ausgang des Erstprozesses – es als arglistig eingestuft haben, wenn der Reeder anschließend noch die actio conducti gegen denselben nauta erhob; die actio conducti ist dann abzuweisen, weil der bona-fides-Klagformel die exceptio doli inhärent ist. Für eine außergerichtliche Zahlung auf die zedierte Klage wird man dasselbe angenommen haben. Ging der exercitor dagegen zuerst mit der actio ex conducto gegen den nauta vor, mußte er möglicherweise bereits in diesem Verfahren auf die zedierte Klage verzichten, wenn nicht gegen die zedierte Klage eine Einrede gewährt wurde. Eine solche Einschränkung der Klagenkonsumption, wenn die Geltendmachung einer an sich konsumierten Klage nach ihrer Zession Regreßzwecken dient, steht im römischen Recht nicht ohne Beispiel dar. Diese Lösung entspricht vielmehr der Art und Weise, wie die klassischen Juristen auch in anderen Fällen einer Schuldnermehrheit, namentlich etwa bei der fideiussio, entschieden: Bei der Bürgschaft führt an sich bereits die Erhebung der Klage gegen den fideiussor zu einer Konsumption der Klage gegen den Hauptschuldner und umgekehrt, weil beide Klagen, obwohl gegen verschiedene Schuldner gerichtet, dasselbe Klageziel, eadem res, zum Inhalt haben. Der Anspruch gegen den nicht verklagten Schuldner erlischt damit, auch wenn der Gläubiger auf die erhobene Klage noch keine Sesterze erhalten hat, ja auch wenn die Klage gar abgewiesen wurde. Die Konsumption hatte diesen Effekt ipso iure, wenn die

553 Möglich ist alternativ, daß bei Erhebung der zedierten Klage durch den Reeder ihm gegen die exceptio rei iudicatae des nauta eine replicatio doli gewährt wurde; vgl. allgemein zur Möglichkeit einer replicatio gegen die exceptio rei iudicatae D. LIEBS, SZ 86 (1969) 171, der die Klagenkonsumption per exceptionem deswegen als „elastischer“ im Vergleich zur Zivilkonsumption bezeichnet. Doch spricht der Text des Paulus-Fragments eher dafür, daß nach Abtretung der Klage ihr schon die exceptio (rei iudicatae) nicht mehr entgegenstand: Paulus bespricht zunächst den Fall, daß die Haftung des Reeders bewiesen wird und ihm deswegen die Klagen gegen die nautae abzutreten sind; erst in dem nächsten Satz, der mit der einen Gegensatz andeutenden Konjunktion sed eingeleitet wird, erwähnt Paulus die Gewährung der Einrede.

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erste Klage in einem iudicium legitimum554 geltend gemacht wurde.555 Ein iudicium imperio continens556 konnte diese Wirkung zwar nicht haben; hatte der Gläubiger die erste Klage in einem solchen Verfahren erhoben, erteilte aber der Prätor gegen die zweite Klage die exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae, so daß auch hier die zweite Klage nicht mehr durchsetzbar war.557 Dennoch ermöglichte man auch bei der fideiussio im Prozeß gegen den Bürgen die Zession der Klage des Gläubigers gegen den Hauptschuldner; ja sogar nach Zahlung der geschuldeten Summe erhielten die Juristen die Klage im Wege des juristischen „Kunstgriffs“ aufrecht, daß die Zahlung des Bürgen als Leistung einer Art Kaufpreis zum Erwerb der Klage gegen den Hauptschuldner umgedeutet wurde.558 Dasselbe Ergebnis erzielt Paulus hier – mit der Abweichung, daß eine Konsumption mit zivilrechtlicher Wirkung bei der Konkurrenz mit einer prätorischen Klage von vornherein nicht in Betracht kommt, vielmehr die Klagenkonsumption nur über exceptiones erreicht werden kann. Wenn aber schon die Klagenkonsumption nach ius civile bei der Stipulationsbürgschaft der Geltendmachung der Klage gegen den Hauptschuldner zum Zwecke des Regresses nicht entgegensteht, muß die Außerkraftsetzung der Konsumption per exceptionem, wie sie hier eingreift, erst recht möglich sein, weil sich die Gewährung von Einreden ohnehin flexibler handhaben läßt als die ipso iure wirkende zivile Klagenkonsumption. Zuletzt fragt sich, wie die Juristen den Streitgegenstand der honorarrechtlichen Klage bestimmten, wenn sie annahmen, er sei mit der Bußzahlung eines nauta aufgrund der zivilen Deliktsklage identisch (eadem res). Dabei könnte man auf ein logisches Bedenken gegen die These von der Identität des Streitgegenstandes stoßen: Wenn man annimmt, die mit der honorarrechtlichen Klage zu verfolgende Buße des exercitor sei mit der Buße des schuldigen nauta identisch gewesen, was soll dann gelten, wenn zwei oder mehrere nautae an dem Delikt beteiligt waren? Aus den beiden Aussagen, die Buße des exercitor sei identisch mit der Buße des nauta Stichus (A=B) und mit der Buße des nauta Pamphilus (A=C), folgt nach dem Komparabilitätsaxiom der euklidischen Logik („Was demselben gleich ist, ist auch einander gleich“) an sich die Aussage, die Buße von Stichus und diejenige von Pamphilus seien miteinander identisch (B=C). Dieses Ergebnis (B=C) wäre aber für das klassische Recht unzutref-

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Zum Begriff Gaius 4,103 ff.; KASER /HACKL, RZ, 161 f. Gaius 3,180 f.; 4,106; dazu D. LIEBS, SZ 86 (1969) 178 ff.; s. außerdem KASER / HACKL, RZ, 299, 301, 303 f., 306 m.w. N. 556 Zu diesem Gegenbegriff zum iudicium legitimum s. ebenfalls Gaius 4,103 ff.; KASER /HACKL (o. A. 554). 557 Gaius 3,181; 4,106; KASER /HACKL, RZ, 302, 306 m.w. N. 558 Dazu MEDICUS, FS Kaser (1976) 391 ff. Zum im gemeinen Recht sogenannten beneficium cedendarum actionum (zum Begriff s. o. A. 198 ff.) des Bürgen s. neuerdings BRIGUGLIO, „Fideiussoribus succuri solet“ (1999) 1 ff., 209 ff. 555

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fend; wie bereits erwähnt, konnte nämlich sowohl bei der (zivilen) actio legis Aquiliae als auch bei der (zivilen) actio furti der Geschädigte die Bußzahlungen der nautae untereinander kumulieren, wenn mehrere das Delikt begangen hatten.559 Doch läßt sich der logische Widerspruch vermeiden, wenn man den Prozeßgegenstand der honorarrechtlichen Klage gegen den exercitor als alle Bußen der beteiligten nautae umfassend begreift: Dann sind die Gegenstände der zivilen Deliktsklagen sämtlich in der Honorarklage enthalten, ohne daß die zivilen Deliktsklagen untereinander Konsumptionswirkung haben müssen.560 3. Im letzten von Paulus behandelten Fall klagt der Befrachter zunächst gegen den Seemann (nauta). Wenn der Befrachter dann abermals gegen den exercitor Klage erhebt, wird diesem stets, unabhängig vom Ausgang des Erstprozesses, eine Einrede erteilt. Eine Unterscheidung nach dem Ausgang des Erstprozesses ist hier entbehrlich, da eine Zession der actio in factum gegen den Reeder an den nauta nie in Betracht kommt.561 Auch die hier dem Reeder erteilte exceptio wird deswegen wohl die exceptio rei iudicatae sein,562 die Paulus deswegen 559

s. o. b. A. 535. Für diese Deutung der honorarrechtlichen Deliktsklage gegen den exercitor als eine „Gesamtklage“ über sämtliche Bußzahlungen der beteiligten Delinquenten spricht die Rekonstruktion der Klagformel durch LENEL, die wie folgt lautet: Si paret in nave, quam N s N s tum exercebat, N m N m e u m v e, quem N s N s eius navis navigandae causa ibi tum habuit, Ao Ao damnum iniuria dedisse, qua de re agitur, quanti ea res in eo anno plurimi (in diebus triginta proximis) fuit, tantam pecuniam duplam iudex N m N m Ao Ao condemnato, si non paret absolvito; so LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 205 zur actio damni iniuriae in factum adversus nautas; vgl. zur actio furti in factum adversus nautas LENEL, EP, 333 f. Die Rekonstruktion von LENEL gleicht weitgehend dem mutmaßlichen Ediktsreferat Ulpians zur actio furti in factum im Anfang von D. 47,5,1pr. 561 Zur Begründung, warum der nauta keine Klagenzession verlangen kann, noch sogleich. Da auch im ersten Fall (in dem der exercitor zuerst verklagt wurde) eine Klageerhebung gegen den nauta noch im Laufe des Erstprozesses nicht erörtert wurde, ist hier davon auszugehen, daß es Paulus nicht auf den Fall der schlichten res in iudicium deducta ankam. Daher erscheint die Übersetzung von si actum sit mit „wenn (aus)geklagt worden ist“ vorzugswürdig gegenüber derjenigen von B/K/K/S [SCHIEMANN], die schreiben „wenn Klage erhoben worden ist“; vgl. dazu abermals D. LIEBS, SZ 86 (1969) 184 mit A. 57; HACKL, in: Kaser/Hackl, RZ, 302 bei A. 8 f. (und schon o. A. 550). 562 Ähnlich Betti (o. A. 545) und DE ROBERTIS, Receptum nautarum (1952) 120 (exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae) sowie MARRONE (o. A. 545: nur exceptio in iudicium deductae). Abweichend LEVY (o. A. 543): exceptio doli. Vermittelnd TILLI, Labeo 23 (1977) 36 ff. mit S. 40 f.: exceptio doli nach Verurteilung des nauta; exceptio rei iudicatae nach Freispruch desselben. Gegen die Klassizität der exceptio zugunsten des exercitor insbesondere HUVELIN (o. A. 546). Für die Interpretation, es handele sich in allen Fällen um die exceptio rei iudicatae, spricht als sprachlicher Anhalt das einleitende et des letzten Satzes. Für die Annahme einer exceptio doli kann dagegen nicht Ulpian D. 4,9,3,5 angeführt werden: Dort geht es nicht um die passive Personenkonkurrenz zwischen nauta und exercitor, sondern um die Klagenkonkurrenz zwischen der actio ex recepto und der actio furti (ggf. in factum adversus nautas oder civilis) gegen den exercitor; vgl. ad h. l. D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 108 f., 207 f. 560

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gewährt, weil der klassische Jurist die Deliktsklage gegen den nauta und die prätorische Klage gegen den für die Tat des nauta haftenden exercitor als eadem res ansieht.563 Allerdings bemängelt HUVELIN564 sachlich zu Recht, daß in dem Fall, in dem der nauta freigesprochen wurde, weil seine Tatbeteiligung nicht nachgewiesen wurde, noch immer nicht ausgeschlossen werden kann, daß ein anderer Seemann die Tat begangen hat, für die der exercitor an sich noch aus der actio in factum einstehen müßte. Doch scheint Paulus auch für diesen Fall die exceptio gewähren zu wollen: Der Gegenstand der honorarrechtlichen Klage umfaßt die Gegenstände aller zivilen Deliktsklagen, kann aber zwingend nur als Ganzes geltend gemacht werden; die actio in factum kann deswegen nicht mehr erhoben werden, wenn eine der Deliktsklagen bereits verbraucht ist, und zwar unabhängig davon, ob in diesem Verfahren eine Verurteilung oder ein Freispruch ausgesprochen wurde. Daß die Klagenkonsumption auch bei Klageabweisung eingreift, ist eine der Härten, die die an die formale Identität des Streitgegenstandes geknüpfte exceptio rei iudicatae im klassischen Recht zuweilen haben kann und auch in anderen Fällen der Verpflichtung mehrerer vorgekommen ist: So konsumierte etwa bei zwei Schuldnern, die als Gesamtschuldner Stipulationsversprechen im Hinblick auf dieselbe Leistung abgegeben hatten (rei promittendo oder stipulandi), stets die Klage gegen den einen auch die gegen den anderen.565 Auch dort ist aber denkbar, daß einer der Gesamtschuldner aus solchen Gründen freigesprochen wird, die nur ihn und nicht auch die Verpflichtung des anderen betreffen. In solchen Fällen gaben die römischen Juristen dennoch dem formalen Gesichtspunkt den Vorrang, daß über eadem res nicht mehrmals prozessiert werden darf, und zwar auch dann nicht, wenn die Prozesse verschiedene Beklagte betreffen.566 Anders als in den Fällen der Solutionskonkurrenz soll hier der Gläubiger nur einmal die Chance haben, mit der Klage den Leistungsgegenstand zu erlangen: Sed una [scil. actione(!)] contenti esse debebimus. Realisiert sich die Chance nicht, gibt es keine zweite, unabhängig davon, warum sie sich nicht realisiert hat, ob etwa schon aus materiellrechtlichen Gründen oder nur wegen Insolvenz des Beklagten.

563 Da Paulus nur die Klagenkonsumption behandelt, läßt sich nur vermuten, wie die Ansprüche bei außergerichtlicher Zahlung konkurrieren würden: Zahlt ein nauta als erster, erlischt wahrscheinlich die Haftung des exercitor, die Verpflichtungen von weiteren beteiligten nautae bleiben bestehen. Zahlt dagegen der exercitor als erster, kann er vom Befrachter die Abtretung der Klagen gegen die nautae verlangen; unterbleibt die Zession zunächst und zahlt noch einer der nautae, hat der Befrachter den vom nauta eingezogenen Betrag dem exercitor auszukehren. 564 HUVELIN (o. A. 543). 565 KASER /HACKL, RZ, 306 bei A. 41 m.w. N. 566 Zur Kritik an der Rigidität der römischen Konsumptionswirkung vgl. nur D. LIEBS, SZ 86 (1969) 170 mit A. 5; KASER /HACKL, RZ, 300 u. 301.

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V. Zur Klagenzession selbst Nähere Betrachtung verdient nach dieser Analyse aber die Klagenzession selbst. Zunächst ist zu untersuchen, welche Klagen im einzelnen abzutreten sind. Der überlieferte Text bezeichnet sie unscharf als actiones nostrae, womit aber nur Klagen gegen die beteiligten nautae gemeint sein können.567 Im Falle eines damnum iniuriae datum steht dem Geschädigten gegen die Seeleute nur die actio legis Aquiliae zu, so daß nur diese zu zedieren ist.568 Im Fall eines Diebstahls hat der Befrachter dagegen nicht nur die actio furti civilis gegen die Seeleute, sondern als Eigentümer auch die rei vindicatio und die condictio furtiva. Doch wird er auch in diesem Fall nur die Diebstahlsklagen gegen die beteiligten Seeleute abzutreten haben:569 Wenn nämlich der Eigentümer mit der zivilen actio furti gegen den einzelnen nauta vorgeht, bleiben ihm neben dieser Strafklage die beiden sachverfolgenden Klagen rei vindicatio und condictio furtiva erhalten. Dann aber ist nicht einzusehen, daß er sie abtreten soll, wenn er statt mit der zivilen Klage mit einer analogen Klage gegen den Reeder vorgeht. Die zu zedierenden actiones nostrae sind also im Fall der Sachbeschädigung nur die actio(nes) legis Aquiliae, im Fall des Diebstahls nur die actio(nes) furti gegen die nautae. Diese einschränkende Auslegung von actiones nostras findet auch im Aufbau des Textes eine Stütze: Bereits im ersten Satz wurden nur die zivile actio damni iniuriae oder furti erwähnt, und nur um deren Konkurrenz zur jeweiligen prätorischen actio in factum geht es in dem gesamten Fragment. Zu welchem Zweck aber Paulus die Klagenzession anordnet, ist nicht leicht ersichtlich. Der Satz, der der Erwähnung der Klagenzession vorausgeht (sed una [scil. actione] contenti esse debebimus), läßt vermuten, es gehe Paulus (zu567

Vgl. adversus eos bei der Erwähnung der actio conducti. Im Falle der bloßen Beschädigung (also nicht der vollständigen Zerstörung) richtet sich nach heute wohl herrschender Ansicht die Verurteilung aus der actio legis Aquiliae nur nach der Wertminderung, nicht nach dem früheren Gesamtwert der Sache; s. KASER, RP I 161 A. 61, S. 621 A. 18 m.w. N. auch zur Gegenansicht. Die Klagen auf Rückgewähr der beschädigten Sache (gegen den Reeder) müssen dem Befrachter in diesem Fall also zusätzlich zustehen. Der Gedanke von Paulus D. 11,3,14,9, wonach der Geschädigte gegen Übertragung des bei ihm verbliebenen Rests vollen Schadensersatz verlangen kann, wenn die Sache zwar nicht objektiv wertlos ist, aber dem Eigentümer wegen der Beschädigung nichts mehr nützt (o. S. 133 ff.), könnte zwar auch bei der actio legis Aquiliae fruchtbar gemacht werden, ist aber nicht Thema des Fragments D. 4,9,6,4. 569 Vgl. SELB, FS Larenz (1973) 529, der davon ausgeht, daß die Sache inzwischen verloren gegangen sei, und meint, deswegen sei der Vindikationsanspruch nicht abzutreten. Diese Begründung allerdings überzeugt nicht: Auch in den übrigen hier untersuchten Fällen, in denen die Zession der rei vindicatio erwähnt wird, ist aufgrund eines Diebstahls typischerweise unbekannt, wo sich die Sache befindet, ist die Sache also „verloren“ (vgl. nur Papinian D. 6,1,63 [o. S. 89 ff.]; Paulus D. 6,1,69 [o. S. 82]; Gaius D. 19,2,25,8 [u. S. 265 ff.]; als Sondersituation wird in Labeo D. 19,2,60,2 [u. S. 250 ff.] die Frage behandelt, wie die Haftung des zu custodia verpflichteten Besitzers zu realisieren ist, wenn die Sache beim Dieb wiedergefunden wurde). 568

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mindest in erster Linie) darum zu verhindern, daß sich der Gläubiger durch mehrfache Klageerhebung ungerechtfertigt bereichert.570 Demnach würde Paulus mit der Zession hauptsächlich das Ziel verfolgen, die abermalige Geltendmachung der Klagen durch den Befrachter zu unterbinden; weniger käme es darauf an, dem Reeder die Klageerhebung zu ermöglichen. Daß der beklagte Reeder selbst nur ein eingeschränktes Eigeninteresse an der Klagenzession hat, wird von Paulus auch explizit angesprochen: Die Klagenzession soll erfolgen, obwohl (quamvis571) der Reeder zu seinem Regreß gegen die beteiligten nautae eine eigene Klage aus dem Heuervertrag (die actio conducti) hat. Doch kann der Sinn der Klagenzession sich kaum darin erschöpfen, dem Befrachter die weitere Klagemöglichkeit gegen die nautae zu nehmen: Paulus behandelt nach der soeben unternommenen Analyse der exceptiones572 die Klage gegen den excercitor so, als sei sie mit der entsprechenden zivilen Deliktsklage gegen den beteiligten nauta auf eadem res gerichtet. Dann wäre es aber nur konsequent und zum Zwecke der Verhinderung einer abermaligen Klageerhebung durch den Befrachter ausreichend gewesen, wenn Paulus auch im Falle der Verurteilung des exercitor die zivile Klage gegen den nauta mit der exceptio rei iudicatae entkräftet hätte. Diesen näher liegenden Weg zur Verhinderung einer doppelten Klageerhebung durch den Befrachter befolgt Paulus ja auch im umgekehrten Fall, wenn der Befrachter zuerst gegen den nauta geklagt hat: Hier ist nicht etwa dem schuldigen nauta die actio in factum gegen den Reeder abzutreten; vielmehr wird dem exercitor, falls er anschließend noch verklagt wird, eine exceptio erteilt. Nur dem haftenden Reeder räumt also Paulus ein Recht auf Klagenzession ein und nimmt damit sogar die Inkonsequenz in Kauf, daß dem nauta gegen die zedierte Klage die exceptio rei iudicatae nicht mehr gewährt wird, wenn der Reeder sie als Prozeßvertreter in rem suam erhebt. Paulus muß es also gerade darauf angekommen sein, dem Reeder die Erhebung der zivilen Deliktsklagen zu ermöglichen. Grund dafür kann nur sein, daß der exercitor die Tat nicht selbst begangen hat und daher gegen den primär verantwortlichen nauta, für dessen Tat er nur mithaftet, soll Regreß nehmen können.573 Welche Vorteile aber boten dem exercitor die abzutretenden Klagen gegenüber der ihm ohnehin zustehenden actio conducti? Bereits mit der Klage ex 570

So LEVY, Nachträge (1962) 23; ähnlich SELB, FS Larenz (1973) 529. Vgl. das tamen in Papinian D. 6,1,63 (Text o. S. 89), freilich mit umgekehrter Richtung: Dort wird dem Haftenden eine eigene Klage gewährt, obwohl (tamen) er sich auch die Klagen des Entschädigten abtreten lassen kann (dazu noch genauer u. S. 311). Unberechtigt sind die Zweifel an der logisch einwandfreien Konjunktion quamvis bei Paulus D. 4,9,6,4 von SARGENTI, Studi Albertario I (1953) 563. 572 s. o. S. 144 ff. 573 Der Gedanke, daß bei mittelbarer Verantwortlichkeit (insbesondere bei culpa in eligendo; vgl. dazu o. A. 537) für die Tat eines anderen nur der mittelbar Verantwortliche einseitig gegen den unmittelbar Handelnden Regreß nehmen soll, findet sich noch heute in § 840 Abs. 2 BGB. 571

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conducto kann der Reeder die von ihm bezahlte Buße als Vermögensschaden vom beteiligten nauta ersetzt verlangen. Daher bedeutet der bloße Umstand, daß die abzutretende actio furti in der Regel auf das Doppelte ging, keinen über die actio conducti hinausgehenden Vorteil:574 Da der exercitor selbst aus der actio furti in factum zum doppelten Sachwert verurteilt wurde, kann er auch aus der actio conducti den doppelten Sachwert vom schuldigen nauta verlangen. Bei der actio legis Aquiliae steht der exercitor mit der zedierten Klage unter Umständen sogar schlechter als mit der Regreßklage aus dem Vertrag: Hier war sonderbarer Weise die prätorische actio in factum adversus nautas anscheinend von vornherein auf das Doppelte gerichtet575, während die mit der zivilen actio legis Aquiliae erzielbare Klagesumme nur dann auf das Doppelte anwuchs, wenn der Beklagte seine Beteiligung am Delikt leugnete.576 Der exercitor hatte dem Geschädigten also stets den Schaden in doppelter Höhe zu bezahlen; mit der actio conducti konnte er diesen seinen Haftungsschaden vom beteiligten nauta ersetzt verlangen. Mit der zedierten actio legis Aquiliae erreichte er dagegen eine Verurteilung nur in Höhe des einfachen Wertes, wenn der nauta seine Tatbeteiligung sofort zugab. Auch hinsichtlich der Beweisanforderungen ist die zedierte Deliktsklage für den exercitor nicht günstiger; vielmehr sind die zu beweisenden Voraussetzungen für die zedierte Klage wie für die Klage ex conducto – von der Existenz eines Heuervertrages abgesehen – nahezu identisch. Eine gewisse Befriedigung mag dem exercitor der Umstand bringen, daß die Verurteilung aus der actio furti577 – anders als die aus der locatio conducti 578 – die Infamie des schuldigen Matrosen (nauta) bewirkt. Von geringer praktischer Bedeutung dürfte sein, daß der Reeder im – eher seltenen – Fall eines furtum manifestum auf den vierfachen Wert des Diebesgutes klagen kann.579 Einen ins Gewicht fallenden Vorteil kann der exercitor aber immer dann aus den abgetretenen Deliktsklagen ziehen, wenn m e h r e r e seiner nautae an dem Delikt beteiligt waren:580 Dann kann der Reeder die Klagesummen aus den pönalen De-

574 Unklar SELB, FS Larenz (1973) 529. Auch ist die Kritik von F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 98 an der Entscheidung des Paulus zumindest wenig präzise: SCHULZ wirft Paulus vor, er habe den Regreßgedanken vergessen, weil der Reeder mit der abgetretenen Klage unter Umständen (aber welchen?) mehr erhalte, als er selbst geleistet habe. s. dazu u. A. 583. 575 s. o. A. 511. 576 Gaius D. 9,2,2pr.;1; Ulpian D. 9,2,23,10; LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 199 ff.; KASER, RP I 620 A. 7 und 8 zur sogenannten Litiskreszenz adversus infitiantem bei der actio legis Aquiliae. 577 KASER, RP I 274, 616 A. 22. 578 KASER, RP I 510. 579 KASER, RP I 616; Entsprechendes gilt für die dort genannten actiones furti concepti, oblati, prohibiti oder non exhibiti. 580 Darauf weist zutreffend bereits LEVY, Nachträge (1962) 24 bei A. 111 hin – allerdings mit Blick ausschließlich auf die actio legis Aquiliae.

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liktsklagen von jedem der Beteiligten kumulativ verlangen,581 während mehrere actiones ex conducto, weil sie auf die nach der bona fides geschuldete Leistung gerichtet sind, untereinander in Solutionskonkurrenz stehen, so daß dort die Leistung des einen nauta den oder die anderen Beteiligten befreit.582 Daß Paulus diesen Fall insbesondere im Auge gehabt hat, läßt sich an dem Plural actiones nostras und adversus eos noch ersehen. Namentlich bei Beteiligung mehrerer kann also der exercitor aus den abgetretenen Klagen mehr erlangen, als er selbst gezahlt hat.583 Rechtfertigen läßt sich dieser (eventuelle) Vorteil damit, daß der Reeder dem Geschädigten das Risiko abnimmt, gegen die Seeleute selbst zu klagen und dabei die Verantwortlichkeit der jeweiligen Beklagten im einzelnen nachzuweisen. Deswegen soll dem Reeder vermutlich auch ein daraus resultierender Vorteil gebühren.584 Das von Paulus angenommene Konsumptionsverhältnis zwischen den Deliktsklagen gegen die nautae und der actio in factum gegen den exercitor stellt sicher, daß der nauta nur haftet, wenn der ihm für seine Haftung gebührende Vorteil ungeschmälert übertragen werden kann. Auf diese Weise erhält die exceptio (rei iudicatae), die dem exercitor in dem Fall gewährt wird, daß der Klient zunächst (erfolglos) gegen den nauta vorgegangen ist, zugleich eine innere Rechtfertigung: Hier hat der Eigentümer sich bereits entschieden, auf eigene Gefahr (und gegebenfalls zu eigenem Vorteil) gegen die einzelnen nautae vorzugehen. Wenn er sein (Beweis-)Risiko dabei falsch eingeschätzt hat, muß er sich das selbst anlasten und kann es nun nicht mehr auf den Reeder abwälzen, obwohl immer noch ein anderer von dessen nautae das Delikt begangen haben könnte, für den der exercitor an sich einstehen müßte.

VI. Abgrenzung des Fragments gegen die Fälle der Klagenzession bei der Haftung für Sachverlust Wie eingangs585 erwähnt, ordnete MÜHLENBRUCH586 den Text Paulus D. 4,9,6,4 unter die von ihm – im Rahmen seiner Einteilung von Fällen der notwendigen Zession587 – gebildete Rubrik der Haftung für Sachbeschädigung oder Sachverlust,588 die später Vorläuferfunktion bei der Formulierung des § 255 (Fall 1) BGB erlangte.589 Wie gezeigt wurde, geht es in dieser Quelle zwar in der Tat 581 LEVY, Konkurrenz I (1918) 480 ff. und D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 125 ff. zur actio furti, LEVY, a. a. O., 484 ff. und D. LIEBS, a. a. O., 181 zur actio legis Aquiliae; zu beiden Klagen auch KASER, RP II 429. 582 Vgl. KASER, RP I 658 f. 583 Im Ergebnis ist also die Bemerkung von SCHULZ (o. A. 574) zutreffend. 584 Zur Bedeutung der Regel commodum ejus esse debet, cujus periculum est für die Klagenzession an den Entschädigenden s. bereits FR. MOMMSEN (o. A. 219). 585 s. o. S. 133. 586 s. o. A. 194. 587 s. dazu o. b. A. 196. 588 Der Wortlaut der Überschrift von MÜHLENBRUCH findet sich o. S. 63.

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um die Haftung des Reeders für den Verlust oder die Beschädigung von Gepäck oder Fracht durch das Delikt seiner Seeleute. Doch wird – soweit der Reeder für den Verlust der Sache aufgrund eines Diebstahls haftet – der Reeder nicht auf Wertersatz für die Sache in Anspruch genommen. Vielmehr geht es um die Haftung des Reeders auf die Diebstahlsbuße aus der honorarrechtlichen actio furti adversus nautas. Dementsprechend sind dem Reeder auch nicht die rei vindicatio oder die condictio furtiva gegen den Seemann abzutreten, sondern nur die actio(nes) furti.590 Entsprechendes gilt für den Fall der Sachbeschädigung: Zwar ist die aus der honorarrechtlichen actio damni iniuriae adversus nautas einforderbare Buße ebenso wie die aus der zivilen actio damni iniuriae einklagbare Geldsumme – anders als bei der actio furti – zugleich sachverfolgend. Aber auch hier geht es darum, daß mehrere Schuldner auf dieselbe Wertminderung, also auf eadem res haften. In den Fällen, in denen der Eigentümer wegen der gesamten Sache entschädigt wird, rechtfertigt sich dagegen die Zession der sachverfolgenden Klagen daraus, daß der Eigentümer nicht Sache und Entschädigung zugleich soll behalten dürfen. Dieser Gesichtspunkt ist bei der Haftung des Reeders nicht einschlägig, vielmehr beruht hier die Klagenzession darauf, daß der Reeder nicht für eigenes Verschulden, sondern für ein fremdes Delikt, nämlich für das seiner Seeleute einstehen muß:591 Die Anordnung der Zession ist Ausdruck der Subsidiarität der (quasideliktischen) Haftung des Reeders gegenüber derjenigen der eigentlichen (deliktisch handelnden) Täter. Sie dient dazu, dem Haftenden zum Ausgleich dafür, daß er dem Geschädigten das Risiko abnimmt, die konkrete Beteiligung der einzelnen nautae nachzuweisen, den Vorteil zu verschaffen, der sich aus dem gelungenen Nachweis des Tatherganges – insbesondere bei Beteiligung mehrerer nautae – ergibt. Die Stellung des Reeders gegenüber der Haftung des nauta ist also eher mit derjenigen eines Bürgen gegenüber der Verpflichtung des Hauptschuldners vergleichbar,592 freilich mit der Besonderheit, daß es bei Zusammenwirken mehrerer nautae an dem Diebstahl mehrere kumulativ haftende „Hauptschuldner“ gibt. MÜHLENBRUCH hätte den Fall daher besser unter eine andere von ihm gebildete Rubrik593 eingeordnet, nämlich unter diejenige, unter der er auch den Zessions-

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s. o. S. 62 ff. s. o. S. 155. 591 Die Haftung für ein fremdes Delikt unterscheidet sich auch dadurch von der Haftung eines Herausgabeschuldners auf Wertersatz bei Sachverlust, daß der Reeder nicht für den Sachverlust schlechthin forthaftet, sondern nur für die Delikte eines bestimmten Personenkreises zur Verantwortung gezogen wird. 592 In ähnlicher Weise ist die adjektizische Gewalthaber- und Geschäftsherrnhaftung mit der Bürgschaft verwandt, s. A. WACKE, SZ 111 (1994) 284. 593 „Wer nach der Strenge des Rechts eine Schuld bezahlen muß, die gar nicht oder nur zum Theil als die seinige zu betrachten ist, kann auf Zession der Forderung gegen den wirklichen Schuldner, oder den Mitschuldner Anspruch machen.“ (MÜHLENBRUCH, Cession [3. Aufl. 1836] 412). s. dazu schon o. S. 65 bei A. 204. 590

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regreß des Bürgen und solidarisch Verpflichteter behandelt: Der Reeder muß nämlich „nach der Strenge des Rechts eine Schuld bezahlen, die [materiell] gar nicht . . . als die seinige zu betrachten ist.“ Dementsprechend ordnet auch das BGB vergleichbare Fälle nicht dem § 255 BGB zu: Der in Paulus D. 4,9,6,4 zum Ausdruck kommende Gedanke, daß derjenige, der nur wegen der Verletzung von Pflichten bei der Auswahl eines Gehilfen für ein von diesem begangenes Delikt auf dasselbe haftet wie der Gehilfe (vgl. § 831 BGB), zum Regreß die Klage des Geschädigten gegen den Gehilfen erhalten soll, ist noch im geltenden Recht in § 840 Abs. 2 enthalten;594 dort wird der Fall aber der Gesamtschuld (und nicht der Regelung des § 255 BGB) zugewiesen.

§ 12 Die Klagenabtretung bei der Haftung für Sachverlust aus der Führung fremder Geschäfte (insbesondere negotiorum gestio) I. Paulus D. 47,2,54(53),3: Zur Haftung des Geschäftsführers, des Scheinvormunds und des Tutors Eine Klagenzession an den Geschäftsführer ohne Auftrag, der dem Geschäftsherrn für den Verlust einer Sache aufkommen muß, findet sich in: D. 47,2,54(53),3 (Paulus im 39. Buch ad edictum): Qui alienis negotiis gerendis se optulit, actionem furti non habet, licet culpa eius res perierit: sed actione negotiorum gestorum ita damnandus est, si dominus actione ei cedat. eadem sunt in eo, qui pro tutore negotia gerit, vel in eo tutore, qui diligentiam praestare debeat, veluti qui ex pluribus tutoribus testamento datis oblata satisdatione solus administrationem suscepit. Wer sich der Führung fremder Geschäfte [freiwillig] unterzogen hat, hat die Diebstahlsklage nicht, auch wenn durch sein Verschulden die Sache verloren gegangen ist: Doch ist er aufgrund der Geschäftsführungsklage nur dann zu verurteilen, wenn ihm der Eigentümer595 die Klage abtritt. Dasselbe gilt für denjenigen, der die Geschäfte eines Vormunds geführt hat [ohne Vormund zu sein] oder für denjenigen Vormund, der für [jede] Sorgfalt einstehen muß, wie zum Beispiel derjenige, der von mehreren durch Testament bestellten Vormündern allein die Verwaltung übernommen hat, nachdem er [für die Unversehrtheit des Mündelvermögens] Sicherheitsleistung angeboten [und die Sicherheit bestellt] hat.

Der negotiorum gestor hat, wie zu vermuten ist, im Rahmen seiner Geschäftsführung eine Sache des Geschäftsherrn in Besitz genommen596 und fahr594 Freilich läßt sich eine Parallele zum Gedanken der Vorteils-Nachteilskorrespondenz im geltenden deutschen Recht kaum finden; die Idee, daß wegen des Strafcharakters einer Verpflichtung dem Geschädigten mehrerer Verpflichtete kumulativ haften können, ist dem modernen deutschen Recht nämlich fremd. 595 Dominus könnte hier aber auch ,Geschäftsherr‘ heißen.

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lässig ermöglicht, daß sie gestohlen wurde. Er haftet dem Geschäftsherrn daher nach der bona fides597 auf den Ersatz des durch die unsorgfältige Geschäftsführung entstandenen Schadens. Ihm ist nach der Entscheidung des Paulus aber noch vor seiner Verurteilung die actio furti abzutreten. Der Richter erzwingt auch hier die Abtretung durch Aufschub oder Vorenthaltung des Urteils. Dasselbe gilt nach dem Schluß des Fragments für denjenigen, der als Scheinvormund die Geschäfte eines Vormunds geführt hat598 und den Diebstahl einer Mündelsache fahrlässig ermöglicht hat, sowie für denjenigen Vormund, der für jede Sorgfalt haftet. Damit ist ein Vormund gemeint, der die satisdatio rem salvam fore geleistet hat und damit eine allgemeine Pflicht zu ordnungsgemäßer Betreuung des Mündelvermögens übernommen hat.599 Der Text nennt einen wichtigen Fall der Bestellung dieser satisdatio, der im prätorischen Edikt geregelt war: Wenn bei mehreren testamentarisch eingesetzten Vormündern einer (als einziger) von ihnen die Sicherheit anbot (und bestellte), sollte ihm die alleinige Geschäftsführung übertragen werden.600

596 KUNKEL /HONSELL, Römisches Recht, 4. Aufl. (1987) 350 A. 12 vermutet offenbar, daß es sich um eine Sache handelt, die der Geschäftsführer durch die Geschäftsführung erlangt hat. Jedenfalls dürfte es sich aber um eine Sache handeln, die zur Zeit des Diebstahls im Eigentum des Geschäftsherrn stand, da dessen Aktivlegitimation zur actio furti sonst schwer begründbar wäre; s. dazu noch u. b. A. 634. 597 D. 44,7,5pr.; LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 105. Neben dem bonae fidei iudicium gab es zwar ursprünglich nach herrschender Meinung noch prätorische Klagen mit einer formulae in factum conceptae für die Fälle einer freiwilligen Gestion für einen Abwesenden oder Verstorbenen (hierzu SEILER, Negotiorum gestio [1968] 316 ff., KASER, RP I 589). Doch haben die Juristen in der Hoch- und Spätklassik diese Klagen wahrscheinlich nicht mehr von dem zivilen bonae fidei iudicium unterschieden und nur noch die zivile Klage angewandt, so daß die prätorischen Klagen keine praktische Bedeutung mehr hatten (so SEILER, a. a. O., 49 f., 323 f.). 598 Umstritten ist, ob die Klage gegen den Protutor ebenfalls die actio negotiorum gestorum (oder eine actio negotiorum gestorum utilis) ist (für die analoge Geschäftsführungsklage PARTSCH, Studien zur Negotiorum gestio I [1913] 62 ff., 64 ad h. l.; die Frage der Analogie offenlassend LENEL, EP [3. Aufl. 1927] 321 m.w. N.) oder eine besondere actio in eum qui pro tutore negotia gessit, die der actio tutelae nachgebildet sein soll (so SEILER, Negotiorum gestio [1968] 208 ff.; 253 f., 256 A. 43 ad h. l.; KASER, RP I 367 bei A. 51). Jedenfalls handelt es sich aber um ein bonae fidei iudicium (zur actio negotiorum gestorum s. o. A. 597; zur actio tutelae LENEL, EP [3. Aufl. 1927] 318, KASER, RP I 365 bei A. 29). 599 Vgl. KASER, RP I 364 bei A. 18. Der Tutor haftete dagegen ohne satisdatio mit der actio tutelae nach KASER, RP I 365 f. nur für dolus malus, zu dem neben bewußter Untreue auch gewisse treuwidrige Nachlässigkeiten gezählt wurden; erst die späte Klassik hat, so KASER, a. a. O., neben dem dolus ausdrücklich auch die culpa erwähnt; vgl. dazu auch schon MITTEIS, Römisches Privatrecht bis auf die Zeit Diokletians I (1908) S. 327 f. (A. 42). Zur Bedeutung der diligentia in fr. 54,3 s. auch KASER, RP I 510 A. 60 m.w. N. 600 Ulpian D. 26,2,17pr., 26,2,19,1; Inst. 1,24,1, LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 317; KASER, RP I 364 f. (auch zu den übrigen Fällen einer satisdatio rem pupilli salvam fore), 362.

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Die Abtretung kann der Richter hier ohne weiteres erzwingen, weil die Klage gegen den Geschäftsführer in jedem Fall ein bonae fidei iudicium ist.601 Der Kläger ist also auf dasjenige zu verurteilen, quidquid ob eam rem dare facere oportet ex fide bona. Diese Formel eröffnet dem iudex ein weites Ermessen, innerhalb dessen er ohne Einschaltung einer exceptio schon bei Entscheidung über die Haftung des Geschäftsführers Gegenrechte des Beklagten berücksichtigen kann.602 Das ermöglicht auch, daß der iudex die Verurteilung des Geschäftsführers aussetzt, um den Kläger zur Zession seiner Klage zu zwingen. Aus dem Zwang zur Abtretung der Diebstahlsklage603 folgt in einem Erstrecht-Schluß, daß auch die sachverfolgenden Klagen (insbesondere also die rei vindicatio, die actio ad exhibendum und die condictio furtiva) zu zedieren sind;604 daß nur die actio furti genannt wird, liegt daran, daß Paulus, der im 39. Buch seines Kommentars das Edikt de furtis erörterte,605 sein Interesse auf diese Klage konzentrierte. Somit ergibt sich hinsichtlich der sachverfolgenden Klagen bei der actio negotiorum gestorum dasselbe Bild wie etwa bei der Haftung des Vindikationsbeklagten für fahrlässigen Besitzverlust nach Litiskontestation: Der Haftende hat dem Geschädigten den Wert der abhanden gekommenen Sache zu erstatten; da der Geschädigte aber nicht Geldersatz und Sache zugleich soll behalten dürfen, ist der Haftende zur Erstattung des Sachwertes nur verpflichtet, wenn ihm der Eigentümer die seine Sache betreffenden Klagen

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s. soeben A. 597 und 598. Der iudex kann sogar im Wege der compensatio Gegenansprüche des Geschäftsführers abziehen und ihn nur auf einen zugunsten des Geschäftsherrn verbleibenden Saldo verurteilen, s. Inst. 4,6,30; KASER, RP I 644 f. Im vorliegenden Fall kommt eine echte compensatio, die den auf Geld gerichteten Anspruch des Geschäftsherrn betragsmäßig reduziert, nicht in Betracht: Sie scheitert zwar nicht schon daran, daß das Recht auf Klagenzession nicht von vornherein auf Geldzahlung geht. Es würde genügen, wenn erst durch Abschätzung durch den Richter ein Geldbetrag ermittelt werden könnte (KASER, RP I 645). Hier ist jedoch eine gerechte Schätzung des Wertes der Diebstahlsklage kaum möglich: Die Wahrscheinlichkeit, daß der Dieb aufgefunden wird und zahlungsfähig ist, ist nicht abschätzbar. Daher muß die Zession der Diebstahlsklage hier realiter erzwungen werden. Die Nähe von Zessionserzwingung und compensatio zeigt übrigens auch Papinian D. 26,7,39,14. 603 Hierzu und zu der bemerkenswerten Konjunktion licet s. noch unten S. 168 ff., insbesondere S. 209 f., 211 ff. Zur Interpolationskritik s. ebenfalls noch u. A. 795. Auch daß Paulus die Klagenzession nur im Fall der Haftung für culpa erwähnt (und nicht etwa auch bei doloser Herbeiführung des Diebstahls) hat seinen Grund darin, daß er hier ausschließlich die Diebstahlsklage betrachtet (s. zur Diebstahlsklage bei der Haftung wegen dolus unten S. 178 ff.). Zur Frage, wann bei doloser Herbeiführung des Besitzverlustes durch den Haftenden auch eine Abtretung der sachverfolgenden Klagen abgelehnt wurde, s. u. S. 320 ff. 604 So schon BRUCKNER, Die custodia (1889) 102 A. 2 (bzgl. rei vindicatio und condictio furtiva); LEVY, Nachträge (1962) 22 f. Ebenso SELB, FS Larenz (1973) 534, der meint, Paulus halte die Abtretung der sachverfolgenden Klagen für selbstverständlich. 605 LENEL, Palingenesia I 1046 (Paulus Nr. 564). 602

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(insbesondere also rei vindicatio, vermutlich zusammen mit actio ad exhibendum und condictio furtiva) abtritt.606 Insofern paßt der Text in die hier zu untersuchende Fallgruppe der Klagenzession bei der Haftung für Sachverlust. MÜHLENBRUCH nahm im Rahmen seiner Einteilung der Fälle, in denen eine notwendige Zession stattfindet, diesen Text nicht in die Fallgruppe auf, auf die sich die Gesetzgeber zum Bürgerlichen Gesetzbuch bei der Schaffung des § 255 BGB beriefen und in der derjenige, der wegen des Abhandenkommens oder der Beschädigung einer fremden Sache zum Schadensersatz verpflichtet ist, verlangen kann, daß ihm die die Sache betreffenden Klagen abgetreten werden.607 In diese Fallgruppe hätte der Text aber zumindest deswegen eingeordnet werden sollen, weil aus ihm das Recht des entschädigungspflichtigen Geschäftsführers auf Abtretung der sachverfolgenden Klagen ableitbar ist. Die Aussage des Textes geht allerdings noch darüber hinaus, indem er dem Geschäftsführer auch ein Recht auf Zession der actio furti zuspricht, weil er mit seiner Ersatzleistung dem Eigentümer und Geschäftsherrn das aus dem Diebstahl resultierende Verlustrisiko abnimmt. Diese Sonderfrage des klassischen Rechts spielt für das geltende deutsche Recht, das vergleichbare Strafklagen nicht kennt, keine Rolle mehr. MÜHLENBRUCH hat hingegen das Fragment unter die „Auffangrubrik“ eingeordnet, unter der sich bei ihm auch Bürgschaft und Gesamtschuld finden, nämlich in die Fallgruppe, daß jemand „nach der Strenge des Rechts eine Schuld bezahlen muß, die gar nicht oder nur zum Theil als die seinige zu betrachten ist“.608 Diese Einordnung ist auch dann kaum gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, daß der Text selbst nur die Zession der actio furti behandelt.

II. Papinian D. 47,2,81(80),7: Zur Haftung des Geschäftsherrn In dem folgenden von Papinian behandelten Vier-Personen-Verhältnis geht es um den umgekehrten Fall der Haftung des Geschäfts h e r r n für Einbußen des Geschäfts f ü h r e r s mit der actio negotiorum gestorum c o n t r a r i a. Hier ist Ersatz zu leisten für einen Besitzverlust, den der Kläger erlitten hat: D. 47,2,81(80),7 (Papinian im 12. Buch der quaestiones): Qui rem Titii agebat, eius nomine falso procuratori creditoris solvit et Titius ratum habuit: non nascitur ei furti actio, quae statim, cum pecunia soluta est, ei qui dedit nata est, cum Titii nummorum dominium non fuerit neque possessio. sed condictionem indebiti quidem Titius habebit, furtivam autem qui pecuniam dedit: quae, si negotiorum gestorum actione Titius conveniri coeperit, arbitrio iudicis ei praestabitur. Jemand, der eine Angelegenheit des Titius führte, leistete in dessen Namen an einen falsus procurator des Gläubigers, und Titius genehmigte [die in seinem Namen 606 Vgl. die ausführlicher Begründung zur Klagenabtretung im Rahmen eines bonae fidei iudicium bei der Haftung für Sachverlust aus einem vertraglichen Rechtsverhältnis (konkret einer locatio conducti) u. S. 254 f. 607 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 409 ff.; dazu und zur Bedeutung des Werks von MÜHLENBRUCH für die Gesetzgebung zu § 255 BGB s. o. S. 63 ff. 608 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 412 ff., insbes. 415 f. unter 4). Zu dieser „Auffangrubrik“ von MÜHLENBRUCH s. schon o. S. 65 bei A. 204.

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erfolgte Zahlung]. Nicht ihm erwächst [dadurch] die Diebstahlsklage, die [vielmehr] sofort, als das Geld gezahlt wurde, demjenigen, der [das Geld zur Übereignung] hingab, erwachsen ist, weil Titius an den Münzen weder Eigentum noch Besitz hatte. Doch wird zwar Titius die condictio indebiti haben, die condictio furtiva aber derjenige, der das Geld [zur Übereignung] hingab: Diese wird er, sobald Titius mit der Geschäftsführungsklage in Anspruch genommen wird, nach richterlichem Zwischenbescheid ihm abtreten.

Jemand wollte als Geschäftsführer des Titius diesen von einer Schuld befreien. Er zahlte zu diesem Zweck nicht an den Gläubiger des Titius, sondern an einen Vierten, der sich wissentlich609 zu Unrecht als vom Gläubiger zur Empfangnahme ermächtigt ausgab, also an einen falsus procurator des Gläubigers. Indem der falsus procurator das Geld in dem Wissen annahm, daß er dazu nicht berechtigt war, beging er ein furtum an den Münzen. Dennoch genehmigte Titius die Zahlung, offenbar ohne Kenntnis davon, daß der Empfänger zur Entgegennahme nicht ermächtigt worden war.610 Dem Zahlenden steht daher611 gegen Titius eine actio negotiorum gestorum contraria auf Erstattung seiner Auslagen zu. Papinian behandelt vor dem Hintergrund dieser Regreßhaftung des Titius die Frage, wem die aus dem „Diebstahl“ erwachsenden Klagen actio furti und condictio furtiva gegen den falsus procurator zustehen: Unmittelbar nach der Zahlung (statim cum pecunia soluta est), also vor der Genehmigung durch Titius, stand die pönale Diebstahlsklage zweifelsohne dem Zahlenden zu. Da der Zahlende aber den Schaden aus dem furtum aufgrund der Genehmigung letztlich mit der Geschäftsführungsklage auf den Geschäftsherrn Titius abwälzen kann, könnte man meinen, daß nunmehr diesem die actio furti zustehen müsse. Doch entscheidet Papinian, daß sie beim Zahlenden bleibe, mit der Begründung, Titius sei zur Zeit des Deliktes weder Eigentümer noch Besitzer des unterschlagenen Geldes gewesen.612 Auch die condictio furtiva stehe dem Ge609 Daß der Empfänger in casu das Fehlen seiner Empfangsermächtigung kannte, ergibt sich jedenfalls aus der Rechtsfolge, daß sein Verhalten als furtum aufgefaßt wird. Ob der Begriff des falsus procurator in den Quellen stets einen wissentlich unberechtigt handelnden Prokurator meint (so etwa SEILER, Negotiorum gestio [1968] 61 A. 3 m.w. N.), muß hier dahinstehen. 610 Sonst wäre die dem Titius gewährte condictio indebiti (zu ihr sogleich bei A. 614) wegen der Kenntnis des Schuldners von der Nichtschuld zweifelhaft. 611 Die ratihabitio bewirkt hier die Entstehung der Klagen aus der negotiorum gestio; anders Ulpian D. 50,17,60, wonach durch die nachträgliche Genehmigung einer Fremdgeschäftsführung ein Mandat entstehen soll; hierzu A. WACKE, Ratum habere, SZ 121 (2004) 344, 355 f. 612 Insoweit unterscheidet sich die nachträgliche Genehmigung durch den Schuldner etwa von einer vorherigen Anweisung an den Zahlenden: Bei vorheriger Anweisung kommt ein Durchgangserwerb des Eigentums durch den Anweisenden in Betracht. Eine nachträgliche Genehmigung nach Zahlung an den falsus procurator kann diesen Effekt dagegen nicht haben; vgl. zu den Anweisungsfällen WIMMER, OIR 4 (1998) 116 ff. – Zur Frage nach der Aktivlegitimation zur actio furti bei Haftung eines Nichteigentümers s. noch unten allgemein S. 168 ff. und insbesondere zu dieser Begründung Papinians u. S. 221 ff.

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schäftsführer (und nicht dem Geschäftsherrn) zu.613 Der Geschäftsherr erhält aber gegen den falsus procurator eine condictio indebiti,614 da das (mit seiner nachträglichen Genehmigung) in seinem Namen gezahlte Geld dem falsus procurator nicht geschuldet war. Wenn nun der Zahlende (statt selbst die condictio furtiva gegen den falsus procurator zu erheben) gegen den Geschäftsherrn Titius aus der Geschäftsführungsklage vorgeht, muß er seine condictio furtiva an den Geschäftsherrn abtreten.615 Diese Zession wird officio iudicis im Verfahren über die actio negotiorum gestorum erzwungen.616 Der komplizierte und vielschichtige Fall kann hier nicht unter allen in Betracht kommenden Aspekten behandelt werden.617 Betrachtet werden soll hier nur die Klagenzession im Rahmen der actio negotiorum gestorum. Wenn sich der Geschäftsführer dafür entscheidet, den Geschäftsherrn in Anspruch zu nehmen, statt gegen den fur vorzugehen, muß er seine sachverfolgende condictio 613 Und zwar weil die Diebstahlskondiktion stets dem Eigentümer zusteht, s. nur KASER, RP I 618 mit A. 50. 614 LEVY, Konkurrenz I (1918) 388 ff. und DERS., Nachträge (1962) 16 f. sieht hier einen Meinungsstreit zwischen Papinian und Pomponius/Scaevola D. 13,1,18. Nach LEVYs Interpretation gestehen Pomponius und Scaevola sowohl dem – mit eigenem Geld zahlenden – Verwalter, der dem Geschäftsführer bei Papinian entspricht, als auch dem Geschäftsherrn eine condictio furtiva zu. Doch ist diese Auslegung von D. 13,1,18 umstritten (s. die älteren Nachweise auch zur Gegenansicht bei LEVY, Konkurrenz I 389) und zweifelhaft: Mehr spricht dafür, daß auch Pomponius/Scaevola mit den Worten condicere, si ratum habeam quod indebitum datum sit dem Geschäftsherrn die condictio indebiti (und nicht: furtiva) zusprechen wollten; ebenso APATHY, SZ 96 (1979) 81 ff., FLUME, Rechtsakt und Rechtsverhältnis (1990) 94 f., MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 96 mit A. 29; FARGNOLI, „Alius solvit alius repetit“ (2001) 92 ff. 615 Die actio furti ist dagegen nach Papinian nicht abzutreten, denn er erwähnt die zuvor ausdrücklich angeführte Strafklage beim Abtretungszwang nicht mehr; s. auch dazu unten S. 221 ff. Die Trennung von actio furti, die beim Geschäftsführer verbleibt, und condictio furtiva, zu deren Erhebung der Geschäftsherr ermächtigt wird, ist unschädlich: Die actio furti kann nämlich nach klassischem Recht als reine Strafklage mit der sachverfolgenden condictio furtiva ungehemmt kumuliert werden (s. über diese „von je unstreitige Kumulation“ nur LEVY, Konkurrenz I [1918] 428 f. mit Hinweis insbesondere auf Ulpian D. 13,1,7,1; Gaius D. 47,2,55,3; ferner KASER, RP I 611 f. mit A. 20, S. 613 mit A. 30; zu den verschiedenen Theorien über die Entwicklung des Charakters der actio furti und den von manchen Autoren vermuteten Andeutungen eines sachverfolgenden Charakters der actio furti noch bzw. schon in spätklassischen Quellen s. noch kurz u. A. 632). Die actio furti des Geschäftsführers und Eigentümers bleibt also unbeeinträchtigt, selbst wenn der Geschäftsherr als Zessionar die condictio furtiva erhebt und daraufhin den Sachwert vom fur erlangt. 616 LEVY, Nachträge (1968) 17. 617 Literatur zu diesem Text: F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 98; LEVY, Konkurrenz I (1918) 388 ff.; DERS., Nachträge (1962) 16 f.; SEILER, Negotiorum gestio (1968) 66 f.; ANGELINI, Il „procurator“ (1971) 229 f.; D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 132; CLAUSS, Gewillkürte Stellvertretung im Römischen Privatrecht (1973) 299 f.; APATHY, SZ 96 (1979) 78 ff.; KASER, FG v. Lübtow (1980) 311 ff. = DERS., Rechtsquellen (1986) 239 ff.; FLUME, Rechtsakt und Rechtsverhältnis (1990) 94 f.; MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 95 ff.; FARGNOLI, „Alius solvit alius repetit“ (2001) 96 ff.

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furtiva618 an den Geschäftsherrn abtreten. Die Abtretung bezweckt zum einen zu verhindern, daß der Geschäftsführer noch aus der condictio furtiva gegen den falsus procurator klagt.619 An einem Verzicht des negotiorum gestor auf die Belangung des Zahlungsempfängers hat der Geschäftsherr auch ein Interesse, denn für das Konkurrenzverhältnis zwischen der condictio furtiva des Geschäftsführers und der condictio indebiti des Geschäftsherrn dürfte der Schlußsatz von Scaevola D. 13,1,18 gelten (altera condictione altera tollitur), daß also mit der Erhebung der einen Kondiktion die andere konsumiert wird.620 Diesem Interesse des Geschäftsherrn wäre aber auch durch ein schlichtes Sicherheitsversprechen dafür gedient gewesen, daß sich der Geschäftsführer der Geltendmachung der condictio furtiva enthält. Die Abtretung verfolgt jedoch darüber hinaus noch einen weitergehenden Zweck: Dem Geschäftsherrn bringt die abgetretene condictio furtiva gegenüber seiner eigenen condictio indebiti den Vorteil der schärferen Haftung des Kondiktionsschuldners.621 Dieser haftet nämlich im Rahmen der condictio indebiti nur für bewußtes Handeln (facere),622 im Rahmen der condictio furtiva dagegen sogar für Zufall.623 Die Zession erleichtert somit dem haftenden Geschäftsherrn den Regreß gegen denjenigen, der sich durch den haftungsbegründenden Vorgang (also die Empfangnahme des Geldes durch den falsus procurator) tatsächlich bereichert hat. Auch dieser Text läßt sich noch als ein Fall der Klagenzession bei der Haftung für den Verlust einer fremden Sache begreifen: Auch hier hat der Geschäftsherr für den Verlust einer fremden Sache (nämlich für das Geld des Geschäftsführers) Ersatz zu leisten; er erhält im Gegenzug dazu die sachverfolgende(n) Klage(n)624 abgetreten, die dem Ersatzberechtigten wegen dieses 618 Ob das Eigentum am Geld auf den falsus procurator übergegangen ist, bleibt offen (ablehnend APATHY, SZ 96 (1979) 84 A. 66; FLUME, Rechtsakt und Rechtsverhältnis [1990] 94); vgl. dazu die Divergenz zwischen Julian (Africanus) D. 46,3,38,1 und Ulpian D. 46,3,18 (hierüber s. KASER, FG v. Lübtow [1980] 312 ff. = DERS., Rechtsquellen [1986] 241 ff. m.w. N. und u. A. 628). Soweit das Eigentum nicht übergegangen ist, dürfte auch die rei vindicatio mitabzutreten sein, die Papinian aber hier offenbar nicht interessiert. 619 LEVY, Nachträge (1962) 17. Die Zession selbst wirkte zwar nicht privativ, eine der Entäußerung nahekommende Wirkung wurde jedoch vermutlich dadurch erzielt, daß man den Zedenten zugleich zur Bestellung von Sicherheiten dafür zwang, daß dem Zessionar die Klage aus der abgetretenen Forderung auch tatsächlich ermöglicht wird; s. dazu o. S. 109 ff. 620 Zumindest wenn man der hier (o. A. 614) vertretenen Auffassung folgt, daß zwischen Pomponius D. 13,1,18 und Papinian D. 47,2,81(80),7 kein Meinungsstreit bestand; a. A. LEVY, Konkurrenz I (1968) 392, vgl. DENS., Nachträge (1962) 13: Die Annahme, der Gegenstand beider Kondiktionen sei als eadem res angesehen worden, sei ausgeschlossen. 621 Offengelassen von LEVY, Nachträge (1962) 17. 622 So KASER, RP I 506, 598 mit Abgrenzung zu dolus und culpa. 623 KASER, RP I 515 f. mit 618. Entsprechend gilt heute gemäß § 848 BGB die Zufallshaftung für den deliktischen Besitzer.

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Verlustes zustehen. Der Fall weist gegenüber den meisten bisher besprochenen Texten die Besonderheit auf, daß der Besitz dem Eigentümer, nicht dem Haftenden verloren ging; dies war bislang nur in Paulus D. 11,3,14,9, also in nur einem anderen Fall einer Klagenzession wegen Sachverlusts625, zu beobachten. Den Fall Paulus D. 11,3,14,9 nahm MÜHLENBRUCH626 in seine Fallgruppe auf, die zum Vorbild für § 255 BGB wurde.627 Unser Fall Papinian D. 47,2,81,7 wurde dagegen von MÜHLENBRUCH nicht aufgegriffen und würde auch nach modernem Recht nicht unter § 255 BGB fallen: Denn bei dem Verlust des Geldes handelt es sich nicht – wie bei einem Diebstahl – um einen unfreiwilligen Verlust der Sache; vielmehr übergibt der Geschäftsführer dem falsus procurator das Geld willentlich – wenn auch aufgrund eines Irrtums. Daher haftet der Geschäftsherr – nach moderner Terminologie – nicht auf Schadensersatz, sondern auf Aufwendungsersatz. Im modernen Recht könnte deswegen die Forderungsabtretung nicht im Wege des Zurückbehaltungsrechts aus § 255 BGB gegenüber der Haftung des Geschäftsherrn auf Auslagenersatz (aus §§ 683, 670 BGB) erzwungen werden. Stattdessen griffe hier das allgemeine Zurückbehaltungsrecht des § 273 Abs. 1 BGB ein, das der Geschäftsherr geltend machen kann, weil ihm aus §§ 681 S. 2, 667 BGB ein Gegenanspruch auf Abtretung des aus der Geschäftsführung Erlangten zusteht. Der Text gehört daher nur am Rande zu den hier zu besprechenden Fällen.628 Er zeigt jedoch, daß die Klagenzession zur Vermittlung oder Erleichterung des (einseitigen) Regresses eines sekundär Verpflichteten gegen einen primär Verpflichteten im römischen Recht über die von § 255 BGB erfaßten Fälle einer Schadensersatzpflicht des sekundär Haftenden hinaus verwendet wurde – ohne daß die römischen Juristen zwischen Schadensersatzpflichten und sonstigen 624

Zur Frage, ob auch die rei vindicatio abzutreten ist, s. soeben A. 618. Dazu o. S. 122 ff. 626 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 409 ff., insbesondere 410 f. mit A. 373. 627 Dazu o. S. 63 ff. 628 Vgl. etwa auch die Klagenzession in dem Parallelfall African D. 46,3,38,1 (iussum eines Gläubigers an seinen Schuldner, an einen Dritten zu zahlen, dem er intern die Entgegennahme des Geldes verbietet: Wenn der Dritte das Geld unterschlagen will, wird der gutgläubige Schuldner zwar nicht frei, erhält aber eine exceptio gegen die Klage seines Gläubigers, derzufolge er nur seine condictio furtiva gegen den Dritten abtreten muß). Zu diesem Text und der Meinungsverschiedenheit mit Ulpian D. 46,3,18 (Befreiung des Schuldners ipso iure) s. nur KASER, FG v. Lübtow (1980) 312 ff. = DERS., Rechtsquellen (1986) 241 ff. m.w. N. sowie neuerdings MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 56, 58 f. mit A. 12; WIMMER, OIR 4 (1998) 116 ff., 145 f. Vgl. ferner Papinian D. 47,2,81(80),5 (s. dazu schon o. A. 406 und 418). Schließlich sind auch die Fälle der Klagenabtretung beim Kreditmandat ähnlich denen des § 255 BGB, s. hierzu insbesondere Julian D. 46,1,13, weitgehend wörtlich übereinstimmend mit Gaius D. 17,1,27,5; Papinian D. 46,3,95,10 und dazu Ulpian D. 17,1,28; ferner Papinian D. 46,3,95,10; Modestin D. 46,1,41,1; aus der Literatur zuletzt BRIGUGLIO, Fideiussoribus succurri solet (1999) 316 ff. 625

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Pflichten unterschieden hätten. Auch zeigt sich, daß primär und sekundär Verpflichtete in vielen Fällen danach zu unterscheiden sind, wer von beiden sich durch den die Haftung auslösenden Vorgang tatsächlich bereichert hat.629

§ 13 Exkurs: Übergang und Abtretung der actio furti an den Haftenden In den letzten beiden Texten, die jeweils die negotiorum gestio betrafen (Paulus D. 47,2,54[53],3630 und Papinian D. 47,2,81[80],7631), sowie in vielen weiteren besprochenen Fällen beruht der Sachverlust, für den der Regreßberechtigte haftet, auf einem Diebstahl. Im Falle eines Diebstahls entsteht aber neben den rein sachverfolgenden Klagen (insbesondere der rei vindicatio samt der actio ad exhibendum sowie der condictio furtiva) auch die reine Strafklage gegen den Dieb (actio furti). Wem aber soll die pönale Diebstahlsklage zustehen, wenn eine Sache gestohlen wird und ein anderer dem Eigentümer für den Diebstahl haftet? Die Frage ist deswegen besonders zu behandeln, weil die Strafklage nicht den Ausgleich eines Vermögensnachteils bezweckt,632 sondern eine 629 Vgl. dazu auch die o. A. 628 aufgeführten weiteren Fälle einer Klagenzession zum Zwecke des stufigen Regresses sowie – allerdings als Fälle bereits externer Subsidiarität, in denen also dem Gläubiger sogar eine Vorausklage oder der Nachweis obliegt, daß der primär Verpflichtete nicht zahlungsfähig ist, – Celsus-Ulpian in D. 13,6,7pr., wo es zur Begründung der Subsidiarität ausdrücklich heißt, der andere Entleiher habe Vorteile aus der gestohlenen Sache (gemeint ist: aus dem Diebstahl der Sache) gezogen (s. zu diesem Text noch u. b. A. 962 f.), sowie bei der Haftung der Feldmesser nach Ulpian D. 11,6,3,1–3 (dazu u. S. 260 ff.). 630 s. o. S. 160 ff. 631 s. o. S. 163 ff. 632 Daß die Diebstahlsklage zumindest in der späteren klassischen Zeit im Grundsatz rein pönalen Charakter hatte, ist im wesentlichen anerkannt. Neben der rein sachverfolgenden condictio furtiva bleibt kein Raum für eine sachverfolgende Funktion der actio furti (so überzeugend namentlich D. LIEBS, Klagenkonkurrenz [1972] 96; zu der funktionalen Trennung von condictio furtiva und actio furti s. schon o. A. 615). Über die vor- und nachklassische Entwicklung des Charakters der actio furti gibt es unterschiedliche Thesen: Nach D. LIEBS, Klagenkonkurrenz, 264 f. soll die actio furti zunächst (jedenfalls noch bei Cassius und bei Javolen) zugleich strafend und sachverfolgend gewesen sein, also die eine Hälfte des duplum dem Wertersatz und nur die andere Hälfte der Strafe gedient haben; erst in spätklassischer Zeit habe sich zumindest überwiegend die Ansicht durchgesetzt, die actio furti habe in vollem Umfange rein strafenden Charakter. Nach KASER, RP II 433 ff. soll in nachklassischer Zeit die Unterscheidung zwischen der rein strafenden actio furti und der rein sachverfolgenden condictio furtiva verwischt worden und an ihre Stelle ein einheitlicher Anspruch des Bestohlen auf vervielfachte Restitution getreten sein; Justinian soll aber wieder zur klassischen Trennung zurückgekehrt sein. Diesen Fragen kann hier nicht nachgegangen werden. Vielmehr wird hier von dem quellenmäßig belegbaren (s. o. A. 615) Grundsatz ausgegangen, daß die actio furti rein strafverfolgenden Charakter hatte; dabei zeigt sich, daß zum Verständnis der hier besprochenen Quellen die Annahme nicht notwendig ist, daß die actio furti auch sachverfolgenden Charakter gehabt habe (an-

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Buße, und damit auf Seiten des Klägers zu einer Bereicherung führt. Die römischen Juristen haben sich es mit dieser Frage nicht leicht gemacht;633 daran wird deutlich, auf welche Schwierigkeiten der Versuch stößt, mit zivilrechtlichen Mitteln Strafgedanken zu verwirklichen. Drei unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten werden bereits in den beiden genannten Texten erkennbar: Im Paulus-Text D. 47,2,54(53),3 wird erwogen, ob die Diebstahlsklage dem Haftenden (hier: dem negotiorum gestor, der den Diebstahl einer Sache des Geschäftsherrn schuldhaft ermöglichte) bereits ohne Abtretung, also ipso iure, zusteht (1. mögliche Lösung). In dieser Fallkonstellation kannten die römischen Juristen nämlich, wie gleich zu erläutern sein wird, im Ergebnis eine Art „Legalzession“: In bestimmten Fällen erachteten sie unmittelbar den Haftenden anstelle des Eigentümers für aktivlegitimiert zur Erhebung der actio furti. Für den konkreten Fall lehnt Paulus diese Lösung aber ab und ordnet stattdessen an, daß die actio furti dem Haftenden bei seiner Inanspruchnahme abzutreten sei (2. mögliche Lösung). Dagegen erhält der Ersatzleistende im Fall Papinians (dort der Geschäftsherr, der dem Geschäftsführer durch ein furtum abhanden gekommenes Geld zu erstatten hat) die Diebstahlsklage weder ipso iure noch mittels Abtretung; sie bleibt also auch nach der Entschädigung beim Eigentümer (3. mögliche Lösung). Was aber waren die Entscheidungsgründe, die die Juristen zu diesen unterschiedlichen Lösungen führten?

I. Der Übergang der actio furti auf den Ersatzpflichtigen im Falle seiner Haftung für custodia Die actio furti steht grundsätzlich dem Eigentümer zu.634 Dies ist mutmaßlich auch historisch der Ausgangspunkt, so daß ursprünglich wahrscheinlich ders D. LIEBS, Klagenkonkurrenz, 104 zu Javolen D. 47,2,91(90)pr. [hierzu u. A. 841]; KASER, FG v. Lübtow (1980) 319 f. = DERS., Rechtsquellen (1986) 249 f. zu den Quellen, in denen dem Haftenden bei Haftung für culpa die actio furti gewährt wurde [hiergegen u. A. 774]. Im Ansatz grundlegend anders als hier KROPPENBERG, Insolvenz [2001] 490 ff., 511 f. aufgrund von Paulus D. 47,2,54,1 [s. dazu noch u. A. 852] und Justinian C. 6,2,22, §§ 3, 3a [dazu s. noch u. A. 858]: Die actio furti sei auch in spätklassischer Zeit zum Teil sachverfolgend, die dem custodia-Pflichtigen gewährte Diebstahlsklage sei daher eine Regreßklage gewesen; dieser Ansatz übersieht aber, daß zum Regreß dem Haftenden bei seiner Inanspruchnahme die rei vindicatio und die condictio furtiva abgetreten werden, s. dazu insbesondere Labeo D. 19,2,60,2 [dazu u. S. 250 ff.] und Gaius D. 19,2,25,8 [dazu u. S. 265 ff.]). 633 Vgl. z. B. KASER, Quanti ea res est (1935) 147, der das Problem der Aktivlegitimation zur actio furti für „einen der schwierigsten und heikelsten Fragenkomplexe“ hält; im folgenden kann daher auch nur der Versuch einer skizzenhaften Darstellung unternommen werden, bei der manches im Ungewissen bleibt und die noch immer viele Fragen offenläßt. 634 Zu dem Grundsatz, daß die actio furti dem Eigentümer zusteht, s. nur Gaius 3,203 (= Inst. 4,1,13[15]), der ihn als selbstverständlich voraussetzt: Furti autem actio ei conpetit, cuius interest rem salvam esse, l i c e t dominus non sit; dazu s. insbes.

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stets der Eigentümer Inhaber der actio furti war.635 Spätestens in der späten Republik kam aber der allgemeine Satz auf, daß die actio furti demjenigen zustehe, der das Interesse daran hat, daß die Sache nicht gestohlen werde.636 Dieser Satz diente zum einen637 dazu, die actio furti einem Nichteigentümer zuzusprechen, der ein „E i g e n i n t e r e s s e“ daran hatte, daß die Sache in seiner Gewalt blieb. Als ein solches Eigeninteresse akzeptierten die Juristen im Laufe der Zeit etwa das Nutzungs- und Fruchtziehungsinteresse des Nießbrauchers638 sowie desjenigen, der die Sache aufgrund eines entgeltlichen Titels gutgläubig besaß,639 des weiteren das Aneignungsrecht bezüglich der Früchte beim GrundREICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 98 f. Der Grundsatz ergibt sich außerdem daraus, daß manche Quellen für Fall der Insolvenz des Haftenden davon sprechen, daß die Klage zum Eigentümer „zurückkehrt“; so etwa Ulpian D. 47,2,12pr.; ferner Justinian C. 6,2,22,1b (a. 530); grundsätzlich muß sie also dem Eigentümer zustehen, vgl. schon BRUCKNER, Die custodia (1889) 104 A. 2; F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 26 mit A. 2; JOLOWICZ, De furtis (1940) S. xxviii, xxxv ff. Vgl. auch Justinian C. 6,2,22pr.-1a (a. 530) und dazu noch u. A. 654. 635 s. nur KASER, RP I 616 f. 636 Cuius interest rem non perire/rem salvam esse/rem non subripi; z. B. Javolen D. 47,2,72(71),1; Gaius 3,203 = Inst. 4,1,13(15); Ulpian D. 47,2,10; 47,2,14,17; Paulus D. 47,2,11; auch noch Justinian C. 6,2,22pr. (a. 530): cuius interest, ne furtum committatur. s. zu dieser Interesse-Formel schon kurz o. S. 139 b. A. 522 ff. Der älteste in den Digesten angeführte Gewährsmann für die Regel ist nach KASER, RP I 616 A. 28 Qu. M. Scaevola (s. Pomponius D. 47,2,77,1): nam licet intersit furis rem salvam esse. – Der Satz, daß eine Klage demjenigen zustehe, dessen Interesse betroffen sei (ei cuius interest), findet sich in den Quellen nicht nur bei der actio furti, sondern auch bei anderen Klagen, wie etwa – ohne Anspruch auf Vollzähligkeit – bei der actio ad exhibendum (Ulpian D. 10,4,3,9 f.; Gaius D. 10,4,13), der actio negotiorum gestorum (Paulus D. 3,5,46pr.; PS 1,4,9), dem interdictum quod vi aut clam ([Julian-]Ulpian D. 43,24,10; Ulpian D. 18,2,4,4; 43,24,13,3 f.) und der actio de pauperie (Paulus D. 9,1,2pr.; zu dieser Klage s. KASER, RP I 633 f.). Inwiefern hier Parallelen zur Interesse-Regel bei der actio furti bestehen (offensichtlich sind sie in Paulus D. 9,1,2pr. zur actio de pauperie: Haec actio non solum domino, sed etiam ei cuius interest competit, veluti ei cui res commodata est, item fulloni, quia eo quod tenentur damnum videntur pati, wo das Haftungsinteresse des Entleihers und des Walkers der durch das vierfüßige Tier beschädigten Sache ausdrücklich als ausreichend für die Aktivlegitimation erachtet wird), kann hier nicht untersucht werden. Bei der Haftung für den Verlust einer Sache kommt vordringlich die actio furti in Betracht; zu dieser Klage ist zudem eine besonders reichhaltige Kasuistik in den Quellen überliefert, so daß sich die Darstellung auf die Diebstahlsklage beschränkt. 637 Zur grundlegenden Unterscheidung danach, ob der Inhaber der actio furti ein Eigeninteresse am Unterbleiben des Diebstahls oder ein Haftungsinteresse hat, s. ROSENTHAL, SZ 68 (1951) 247 ff.; KASER, FG v. Lübtow (1980) 291 f. = DERS., Rechtsquellen (1986) 215 f.; in gleicher Weise unterschied bereits JOLOWICZ, De furtis (1940) S. xxix, xxxiii, xxxvii ff. zwischen einem „positiv interest“ etwa des Eigentümers und dem „negativ interest“ etwa des Entleihers. 638 Paulus D. 47,2,15,1; 20,1; Ulpian D. 47,2,46,1; JOLOWICZ, De furtis (1940) S. xxxviii f. Ebenso der Inhaber des bloßen Gebrauchsrechts (Usuar), s. Ulpian D. 47, 2,46,3, JOLOWICZ, a. a. O., S. xl. 639 Javolen D. 47,2,75(74); Paulus D. 47,2,20,1; Ulpian D. 47,2,52,10; Inst. 4,1,15 (17); allgemein für die (mögliche) Aktivlegitimation des bonae fidei possessor Ulpian

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stückspächter (colonus)640 und das Sicherungsinteresse des Pfandgläubigers641 sowie des Retentionsberechtigten. 642 Daß es in diesen Fällen um ein Eigeninteresse des Besitzenden geht, wird deutlich daran erkennbar, daß die actio furti sogar gegen den Eigentümer selbst gewährt wird, wenn dieser die Sache entwendet.643 Bei einem Diebstahl durch einen Dritten steht die actio furti des (regelmäßig zumindest quasi-dinglich berechtigten) Eigeninteressenten vielleicht regelmäßig neben der des Eigentümers.644 D. 47,2,12,1. Vgl. aber Javolen D. 47,2,72(71),1: keine Aktivlegitimation des pro herede possidens; (Julian-)Paulus D. 47,2,54,4: Bei Besitz aufgrund von Schenkung kann die Aktivlegitimation nur wegen eines Zurückbehaltungsrechts bestehen. Einschränkend zur Aktivlegitimation des gutgläubigen Besitzers F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 95 ff.; dazu LEVY, Konkurrenz I (1918) 402 ff.; JOLOWICZ, De furtis (1940) xxxvii f.; KASER, SZ 96 (1979) 103 mit A. 56; DERS., FG v. Lübtow (1980) 292 mit A. 8 = DERS., Rechtsquellen (1986) 216 mit A. 8; s. noch unten A. 676, S. 183 ff. sowie S. 217 ff. 640 Paulus D. 47,2,26,1; 83,1; Ulpian D. 47,2,14,2 (allgemein Aktivlegitimation der coloni) mit D. 47,2,25pr. (keine actio furti wegen eines Grundstücks); dazu JOLOWICZ, De furtis (1940) xlviii f. sowie noch kurz u. S. 219. 641 Dieses offenbar unstreitige („constat“) Beispiel führt Gaius 3,204 (vgl. Inst. 4,1,14[16]) als erstes nach der Wiedergabe der Interesse-Regel an; daß er den Fall des Pfandgläubigers als solchen eines Eigeninteresses des Nichteigentümers verstanden wissen will, zeigt nicht nur die Erörterung v o r den custodia-Fällen (so die Beobachtung von KASER, FG v. Lübtow [1980] 291 = DERS., Rechtsquellen [1986] 216), sondern auch die sogleich folgende Zuspitzung auf einen „Diebstahl“ durch den Eigentümer selbst. Ferner kommt es beim Pfandgläubiger im Unterschied zu den Fällen des Haftungsinteresses nicht auf seine Solvenz an, vgl. Inst. 4,1,15(17); ausschließlich für ein „positive interest“ des Pfandgläubigers daher JOLOWICZ, De furtis (1940) S. xl ff. Zur actio furti des Pfandgläubigers s. aber noch Ulpian D. 47,2,12,2; 14,5–7; 46,4; Paulus D. 47,2,15pr.; ferner (Papinian-)Ulpian D. 13,7,22pr. In diesen Texten wird die Aktivlegitimation des Pfandgläubigers z. T. auf das eigene Sicherungsinteresse, z. T. auf das Haftungsinteresse zurückgeführt; manche der Texte waren ursprünglich vielleicht auf die fiducia bezogen. Zu allem s. die längere Kontroverse insbesondere zwischen KASER und ANKUM, zuletzt einerseits KASER, „Furtum pignoris“ und „furtum fiduciae“, SZ 99 (1982) 249 ff., andererseits ANKUM, „Furtum pignoris“ dans le texte d’Ulpien D. 47,2,12,2, Bull. 90 (1987) 169 ff.; s. hierzu KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 476–478, 494 ff. 642 Paulus D. 47,2,15,2; 54,4; beide zum bonae fidei possessor; Paulus D. 47,2,15,2 zum Entleiher, der Verwendungen auf die geliehene Sache getätigt hat. Gegenteilig Modestin, Coll. 10,2,6 zum Depositar, der Verwendungen erbracht hat: Res deposita si subripiatur, dominus dumtaxat habet furti actionem, quamvis eius apud quem res deposita est intersit ob inpensas in rem factas rem retinere. 643 So außer zugunsten des Pfandgläubigers (dazu Gaius 3,204 = Inst. 4,1,14[16] u. o. A. 641; Ulpian D. 47,2,12,2; ferner [Papinian-]Ulpian D. 13,7,22pr., die Texte bezogen sich aber möglicherweise auf die fiducia) zugunsten des Retentionsberechtigten (Julian-)Paulus D. 47,2,54(53),4; Paulus D. 47,2,15,2, zugunsten des Nießbrauchers Paulus D. 47,2,15,1; Ulpian D. 47,1,20,1, der letzte Text auch zugunsten des gutgläubigen Käufers. 644 So Javolen D. 47,2,75(74) für den gutgläubigen Besitzer; Paulus D. 47,2,83,1 für den colonus; Ulpian D. 47,2,46,1 für den Nießbraucher. – Ferner wird die actio furti im Falle des Eigeninteresses dem Nichteigentümer ohne Blick auf seine Solvenz gewährt. s. zur Notwendigkeit der Solvenz des Haftenden beim Haftungsinteresse aber noch sogleich oben im Text.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Das Interesse kann aber auch durch ein H a f t u n g s i n t e r e s s e gegenüber dem Eigentümer begründet sein, und dieser Fall ist in unserem Zusammenhang von Bedeutung:645 Aufgrund der Einstufung des Haftungsinteresses als interesse rem non perire kann nämlich unter Umständen schon ohne Zession dem haftenden Besitzer die actio furti zuerkannt werden. Zugleich kann wegen dessen Haftung das Interesse rem non subripi des Eigentümers entfallen. Dies schildert Gaius in seinen Institutionen: Gaius 3,205:646 Item si fullo polienda curandave aut sarcinator sarcienda vestimenta mercede certa acceperit eaque furto amiserit, ipse furti habet actionem, non dominus, quia domini nihil interest ea non periisse, cum iudicio locati a fullone aut sarcinatore suum consequi possit, si modo is fullo aut sarcinator rei praestandae sufficiat; nam si solvendo non est, tunc quia ab eo dominus suum consequi non potest, ipsi furti actio conpetit, quia hoc casu ipsius interest rem salvam esse. Ebenso wenn ein Walker zur Reinigung oder zur Pflege oder ein Schneider zur Ausbesserung gegen ein bestimmtes Entgelt Kleidungsstücke übernommen und diese durch einen Diebstahl verloren hat, hat er selbst die Diebstahlsklage, nicht der Eigentümer, weil der Eigentümer kein Interesse daran hat, daß sie nicht verlorengehen, da er mit der Werkvertragsklage vom Walker oder Flickschneider das Seine erlangen kann, – wenn nur dieser Walker oder Flickschneider zur Leistung des Sachwerts in der Lage ist; denn wenn er nicht zahlungsfähig ist, dann steht, weil von ihm der Eigentümer das Seine nicht erlangen kann, diesem selbst die Diebstahlsklage zu, weil in diesem Fall er selbst das Interesse daran hat, daß die Sache unversehrt bleibe.

Gaius spricht hier dem Walker bzw. Ausbesserungsschneider, aus dessen Besitz die zu bearbeitenden Kleider gestohlen worden sind, die actio furti zu; dem Eigentümer spricht er sie hingegen ab. Er begründet allerdings nur die Negativentscheidung zu Lasten des Eigentümers: Für diesen mache es nichts aus, daß die Kleider gestohlen wurden; er konnte zuvor mangels einer Naturalvollstrekkung vom Walker oder Schneider mittels der actio locati nur die Erstattung des Sachwerts erzwingen, und dies kann er nach Ansicht des Gaius genauso noch nach dem Verlust der Sachen durch den Diebstahl, sofern nur der fullo bzw. 645 Im hiesigen Zusammenhang geht es nur um die Aktivlegitimation eines Nichteigentümers zur Diebstahlsklage kraft Haftungsinteresses. Insbesondere der Fall des Diebstahls einer verkauften, aber noch im Eigentum des Verkäufers stehenden Sache, in dem die actio furti grundsätzlich dem Verkäufer zusteht, bleibt hier außen vor, weil die Aktivlegitimation des Verkäufers zur actio furti in erster Linie auf seinem Eigentum (und allenfalls in zweiter Linie auf einem Haftungsinteresse gegenüber dem Käufer) beruht; vgl. hierzu JOLOWICZ, De furtis (1940) S. liii ff.; KASER, Die actio furti des Verkäufers, SZ 96 (1979) 89 ff. (insbes. 105 ff.) und DENS., FG v. Lübtow (1980) 295 = DERS., Rechtsquellen (1986) 220; REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 74 f., 105 ff., 285; im Grundsatz auch HARDER, Commodum eius esse debet, cuius periculum est, FS Kaser (1976) 351 (354 ff.); s. ferner die Nachweise bei KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 476 A. 4. 646 Vgl. Inst. 4,1,15(17).

§ 13 Exkurs: Übergang und Abtretung der actio furti an den Haftenden

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sarcinator solvent ist. Gaius verneint somit in einleuchtender Weise ein Interesse des Eigentümers daran, daß ein Diebstahl der Sache unterbleibt. Auffällig daran ist, daß Gaius wie selbstverständlich davon ausgeht, daß den fullo und den sarcinator der Diebstahl jedenfalls nicht von seiner Haftung befreit. Warum dies so ist, ergibt sich aus dem Fortgang des Textes im Lehrbuch des Gaius: Gaius 3,206:647 Quae de fullone aut sarcinatore diximus eadem transferemus et ad eum cui rem commodavimus. Nam ut illi mercedem capiendo custodiam praestant, ita hic quoque utendi commodum percipiendo similiter necesse habet custodiam praestare. Dasselbe, was wir über den Walker oder Schneider gesagt haben, werden wir auch auf den übertragen, dem wir eine Sache geliehen haben. Denn wie jene, um den Lohn zu verdienen, für die Bewachung (custodia) einstehen, so muß ähnlich auch dieser, um den Vorteil des Gebrauchs zu erhalten, für Bewachung einstehen.

Auch dem Entleiher wird also die actio furti unter Ausschluß des Eigentümers zugesprochen.648 Als Begründung für beide Fälle (fullo/sarcinator und Entleiher) führt Gaius die Verpflichtung des vertraglichen Besitzers an, für custodia einzustehen. Warum sie diese Haftung trifft, beruht allerdings auf unterschiedlichen Gründen. Da aber Walker und Schneider nach Gaius 3,203 stets für den Diebstahl aufkommen müssen, ohne daß dazu etwa irgendeine Sorgfaltspflicht verletzt worden sein muß, läßt sich schließen, daß die Haftung für custodia die Haftung für den Diebstahl ohne weiteres einschließt: Der Kustodient garantiert eine solche Bewachung, daß die Sache nicht entwendet wird.649 647

= Inst. 4,1,16(18). Ebenso Modestin, Coll. 10,2,6: . . . Is vero cui res commodata sit furti experiri debebit, si modo solvendo fuerit. 649 So die herrschende Meinung, der zufolge custodia (zumindest ursprünglich) im Sinne einer („objektiven“) Garantiehaftung die Haftung für jeden Diebstahl einschloß, ohne daß im Einzelfall dem Kustodienten eine („subjektiv“) fehlerhafte Bewachung vorgeworfen werden mußte, s. grundlegend BARON, Diligentia exactissima, diligentissimus paterfamilias oder die Haftung für Custodia, AcP 52 (1869) 44 ff.; DENS., Die Haftung bis zur höheren Gewalt, AcP 78 (1892) 203 ff.; SECKEL, in: Heumann/Seckel, s. v. custodia 1)a); F. SCHULZ, GrünhutZ 38 (1911) 9 f.; DERS., SZ 32 (1911) 27; ARANGIO-RUIZ, Responsabilità contrattuale in diritto romano (3. Aufl. 1958) 62 ff., 162 ff.; KASER, RP I 506 f.; DERS., SZ 96 (1979) 99 ff. Nach anderer Auffassung übernimmt der Kustodient nur die Pflicht zu sorgfältiger Bewachung, haftet also nur wegen culpa in custodiendo; in diesem Sinne MACCORMACK, Custodia and Culpa, SZ 89 (1972) 149 ff.; ROBAYE, L’obligation de garde (1987) passim; VOCI, „Diligentia“, „custodia“, „culpa“, SDHI 66 (1990) 29 ff.; vermittelnd etwa ROSENTHAL, Custodia und Aktivlegitimation zur Actio furti, SZ 68 (1951) 218 ff., 258 ff.; dazu die Kritik von DE ROBERTIS, Iura 4 (1953) 344 ff. Hier wird im Grundsatz der herrschenden Meinung gefolgt; in der späten Klassik gab es aber wahrscheinlich Versuche, die custodia – ohne in der Behandlung der Fälle zu anderen Ergebnissen zu kommen, also inhaltlich unter Beibehaltung eines objektiven Maßstabes – als Sonderform der culpa zu begreifen, die custodia dogmatisch also in die culpa als übergreifende Haftungsgrundlage zu 648

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Nur bei dieser Interpretation ist der Eigentümer durch den Kustodienten, wie Gaius 3,205 voraussetzt, von jedem Vermögensrisiko durch den Diebstahl frei, sofern nur der Kustodient zahlungsfähig ist. Diese Texte aus den Institutionen des Gaius lassen die allgemeine Regel erkennen, daß derjenige Gewahrsamsinhaber, der dem Eigentümer für custodia einsteht, im Falle seiner Solvenz anstelle des Eigentümers zur actio furti aktivlegitimiert ist. Dieser Gedanke taucht in vielen weiteren Quellen650 auf, und er ist, wie insbesondere FRITZ SCHULZ651 herausgearbeitet hat, gewiß klassisch. Jedenfalls Labeo652 und sicher Julian653 war er schon geläufig.654 integrieren, s. dazu unten bei A. 731 ff. s. zum Begriff der custodia außerdem die zahlreichen Literaturnachweise bei KASER, RP I 506 f. A. 23; DEMS., RP II 352 ff., 598. 650 (Julian-)Ulpian D. 47,2,14,10 (zum pater familias des Kommodatars): . . . et Iulianus ait patrem hoc nomine agere non posse, quia custodiam praestare non debeat: . . .; Papinian D. 47,2,81,2 (zum Diebstahl eines von mehreren wahlweise vermachten Sklaven nach Klageerhebung durch den Legatar): . . . heres furti habebit actionem: eius interest: nihil enim refert cur praestari custodia debeat. Ulpian D. 13,6,10,1 (zum inspector): si sui (sc. causa rem inspectori dedi), et custodiam (sc. mihi praestabit): et i d e o furti habebit actionem; D. 47,2,12pr. (zum fullo): Itaque fullo, qui curanda poliendave vestimenta accepit, semper agit: praestare enim custodiam debet; D. 47,2, 14,15 (zum Kommodatar): Non solum autem in re commodata competit ei cui commodata est furti actio, sed etiam in ea, quae ex ea adgnata eat, quia et huius custodia ad eum pertinet; (s. zum Kommodatar auch Ulpian D. 13,6,5,15 a. E.); D. 47,2,14,17 (zum Mandat zur Überbringung eines Briefes): . . . et si custodia eius ad eum pertineat, (furti agere) potest: . . . potest habere furti actionem: vel si custodiam eius rei recepit vel . . .; D. 47,2,48,4 (zum Kleiderreiniger): . . . et tibi competit furti actio, quia custodia rei ad te pertinet . . . 651 Grundlegend BARON, Diligentia exactissima, diligentissimus paterfamilias oder die Haftung für Custodia, AcP 52 (1869) 44 ff. (insbes. S. 46, 54 f.); DERS., Die Haftung bis zur höheren Gewalt, AcP 78 (1892) 293 ff. (insbes. S. 213); BRUCKNER, Die custodia (1889) 96 ff.; F. SCHULZ, Die Aktivlegitimation zur actio furti im klassischen römischen Recht, SZ 32 (1911) 23 ff. Weitere Literatur dazu: JOLOWICZ, De furtis (1940) xxxi ff.; DE ROBERTIS, La Legittimazione attiva nell’actio furti, ABari 10 (1949) 55 ff.; ROSENTHAL, Custodia und Aktivlegitimation zur Actio furti, SZ 68 (1951) 217 (insbes. S. 244 ff.); CANNATA, Ricerche sulla responsabilità (1966) 39 ff. m.w. N. S. 40 A. 1; KASER, Grenzfragen der Aktivlegitimation zur actio furti, FG v. Lübtow (1980) 292 ff. = DERS., Rechtsquellen (1986) 216 ff. (s. auch die Darstellung der Aktivlegitimation zur actio furti bei KASER, RP I 616 f.); neuestens KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 475 ff. sowie ANKUM, Justinien C. 6.2.22pr.–3a de 530 après J.-C. et la légitimation active à l’actio furti en cas de vol d’une chose prêtée dans le droit romain classique, RIDA 47 (2000) 463–490. 652 (Labeo-)Javolen D. 47,2,91(90)pr. setzt in demselben Schulbeispiel des fullo, dem die anvertrauten Kleider gestohlen werden, die Aktivlegitimation des fullo voraus. 653 Julian D. 47,2,14,10 (s. o. A. 650). 654 Nach Justinian C. 6,2,22,1–1a (a. 530) soll die Frage der Aktivlegitimation des custodia-Pflichtigen (Justinian spricht vom Entleiher wohl beispielhaft) anfangs umstritten gewesen sein; diese Äußerung Justinians halten F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 37 f. A. 5; SCHINDLER, Justinians Haltung (1966) 204 mit A. 32 für unzutreffend und vorgeschoben, um die eigene Reform besser rechtfertigen zu können; D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 47 A. 48 hält die Aussage für möglich; ähnlich ANKUM, RIDA 47 (2000) nach A. 33. Wenn man annimmt, daß die Diebstahlsklage ursprünglich stets

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Dabei scheint es die römischen Juristen nicht zu stören, daß der Haftende durch seine Aktivlegitimation zur actio furti bei Entdeckung und Solvenz des Diebes mehr erhält, als er selbst geleistet hat: Der Satz über die Aktivlegitimation des (für custodia) Haftenden findet sich auch in der Formulierung, daß derjenige die actio furti erhält, der die Gefahr (periculum) des Sachverlustes trägt.655 Der Haftende erhält die actio furti also in diesen Fällen als Ausgleich für die Gefahrtragung. Freilich bedeutet periculum nicht stets die Gefahrtragung im Sinne einer Übernahme der Haftung für Zufall. Da die Gewährung der Diebstahlsklage an den custodia-Pflichtigen in den Quellen immer wieder als feststehender Satz auftaucht und mit dem vom Haftenden zu tragenden periculum begründet wird, ist es allerdings wahrscheinlich, daß in einem frühen Stadium die Diebstahlsklage nur dann auf den Haftenden überging, wenn dem Haftenden eine Zufallshaftung für den Diebstahl oblag. Das Wort periculum kann aber auch allgemein den zu tragenden „Nachteil“ bedeuten, ohne daß es auf eine Zufallshaftung ankommt.656 Spätestens Justinian verstand periculum im Zusammenhang mit der Diebstahlsklage nicht als Gefahr, sondern in der allgemeineren Bedeutung des Wortes als „Nachteil“, der seinerseits nicht unbedingt auf einer Zufallshaftung zu beruhen braucht; Justinian rechtfertigte die Gewährung der actio furti an den Haftenden daher mit dem Argumentationstopos der Korrespondenz von Nachteil (periculum) und Vorteil.657 Diese Erweiterung, unter einem die Zuerkennung der Diebstahlsklage legitimierenden periculum auch den verschuldeten Nachteil zu verstehen, wird aber nicht erst eine nachklassische Entwicklung sein: Schon die spätklassischen Juristen gewährten, wie noch zu zeigen sein wird, dem Entschädigungs-

dem Eigentümer zustand (s. o. A. 634), ist der Bericht Justinians sogar wahrscheinlich, auch wenn von dem Streit sonst keine Spuren mehr erhalten sind. 655 Im Sinne der nicht verschuldeten Gefahr verwenden das Wort periculum in diesem Zusammenhang Papinian D. 47,2,79 (zum inspector): Rem inspiciendam quis dedit: si periculum spectet eum qui accepit, ipse furti agere potest; Ulpian D. 47,2,12pr. a. E. (zum fullo): . . . nam qui non habet, quod perdat, eius periculo nihil est; Ulpian D. 47,2,14,16: . . . et puto omnibus, quorum periculo res alienae sunt, veluti commodati, item locati pignorisve accepti, si hae subreptae sint, omnibus furti actiones competere: . . .; D. 47,2,14,17 a. E. (zum Briefboten, der für custodia haftet, sowie zum nauta und caupo, die die Rückgabe eingebrachter Sachen mit einem Rezeptum versprochen haben [s. dazu schon o. A. 528]): . . . nam his damus furti actionem, quoniam periculum rerum ad eos pertinet; Paulus D. 4,9,4pr. (zum nauta, der ein Rezeptum rem salvam fore gegeben hat, s. o. A. 528): Sed et ipsi nautae furti actio competit, cuius sit periculo . . . Vgl. noch in anderem Zusammenhang Pomponius D. 10,2,47,1 (zu von einer erhobenen Erbteilungsklage erfaßten beweglichen Sachen): Item quae res moveri possint et in ea iudicia veniant, si interea subreptae sint, furti agere eos, quorum istae res periculo fuerint, posse (placet). 656 HEUMANN /SECKEL, s. h. v. b). 657 Justinian C. 6,2,22,3a (a. 530): . . . ubi enim periculum, ibi et lucrum collocetur, nec sit damno tantummodo deditus qui rem commodatam accepit, sed liceat ei etiam lucrum sperare. – Zu einseitig bezieht dagegen den Begriff des periculum – außer auf die Sachgefahr des Eigentümers – ausschließlich auf die Zufallshaftung des Kustodienten noch neuerdings KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 483 f., 492 f.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

pflichtigen auch im Falle der culpa-Haftung die actio furti als Ausgleich für den durch den Diebstahl erlittenen Vermögensnachteil.658

Somit gilt spätestens für das frühklassische Recht der Grundsatz, daß jedenfalls derjenige, der dem Eigentümer für die Bewachung (custodia im technischen Sinne) der Sache verantwortlich ist, an Stelle des Eigentümers zur actio furti aktivlegitimiert ist, und zwar kraft Auslegung der Regel, daß sich die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage nach dem Interesse rem salvam fore richtet, also ohne eine rechtsgeschäftliche Zession. Es handelt sich, modern gesprochen, um eine Art Legalzession, die allerdings (anders als die typische Form der Legalzession wie z. B. in § 426 Abs. 2 BGB) nicht von einer Zahlung abhängt, sondern ab initio mit Entstehen der Forderung eingreift.659 Allerdings gab es von diesem Grundsatz auch Ausnahmen: 1. Wenn der Bewachungspflichtige insolvent war, hielt man trotz seiner Haftung für custodia den Eigentümer für aktivlegitimiert, weil er dem Eigentümer aus tatsächlichen Gründen das Risiko einer Vermögenseinbuße durch den Diebstahl nicht abnahm.660 Unklar bleibt allerdings, auf welchen Zeitpunkt es für die Zahlungsfähigkeit des Haftenden ankommen soll. Justinian berichtet in C. 6,2,22,1b (a. 530), daß es hierüber eine Meinungsverschiedenheit unter den „alten Gesetzesinterpreten“ (apud antiquos legem interpretes) gegeben habe. Danach soll einer Auffassung zufolge in dem Falle, daß der Entleiher zunächst, bei Begehung des Diebstahls, zahlungsfähig ist, später aber in Vermögensverfall 658

s. dazu u. S. 185 ff., insbesondere A. 774. Vgl. hierzu als Parallele – vom Bußcharakter der übergeleiteten Forderung freilich abgesehen – im modernen deutschen Recht § 116 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch: „Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen z u e r b r i n g e n h a t , die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen“ (Hervorhebung nicht original). Die Forderung geht also nicht erst mit der Erbringung der Sozialleistung über, sondern steht ab initio dem Sozialhilfeträger zu. Hintergrund der Überleitung ab initio ist, daß der Sozialhilfeträger für stets solvent erachtet wird; im römischen Recht findet die Überleitung der actio furti entsprechend nur unter der Bedingung statt, daß der Kustodient zahlungsfähig ist. Im Gegensatz dazu vgl. etwa § 67 des Versicherungsvertragsgesetzes: „Steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden e r s e t z t “ (Hervorhebung nicht original). 660 Gaius 3, 205; beinahe sprichwörtlich Ulpian D. 47,2,12pr.: . . . si autem (sc. fullo, qui curanda poliendave vestimenta accipit) solvendo non est, ad dominum actio redit: nam qui non habet quod perdat, eius periculo nihil est. – . . . Wenn er (sc. der Walker, der Kleidungsstücke zur Pflege oder Reinigung in Empfang genommen hat) aber nicht zahlungsfähig ist, kehrt die Klage zum Eigentümer zurück: Denn wer nicht hat, was er verliert, auf dessen Gefahr geht nichts. – Zu der Bedeutung der Insolvenz für die Aktivlegitimation zur actio furti s. neuerdings insbesondere KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 475 ff. (S. 485 ff. zu Ulpian D. 47,2,12pr.). 659

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gerät, die actio furti wieder zum Eigentümer zurückkehren;661 manche sollen sogar die Diebstahlsklage bei wechselnden Vermögensverhältnissen des custodia-Pflichtigen als (actio) ambulatoria angesehen haben. Denkt man diesen Ansatz zu Ende und berücksichtigt dabei, daß die Zahlungsfähigkeit und jedenfalls der Ausschluß eines Risikos des Eigentümers praktisch erst bei Bezahlung durch den Haftenden feststeht, kommt man der im modernen Recht verbreiteteren Form der Legalzession oder Subrogation noch näher, bei der durch die Bezahlung der eigenen Schuld der aus demselben Anlaß entstandene weitere Anspruch des Gläubigers auf den Zahlenden übergeht.662 2. Eine weitere Ausnahme führt das Labeo-Zitat von Javolen in D. 47,2, 91(90)pr. an:663 Wenn der custodia-pflichtige Walker (fullo), dem die übernommenen Kleidungsstücke gestohlen worden sind, von der Ersatzklage des Eigentümers aus der locatio conductio frei wird,664 verliert er die Aktivlegitimation 661 Nach F. SCHULZ SZ 32 (1911) 42 soll dies aber nicht die herrschende klassische Lehre gewesen sein, da Justinian sonst weniger Anlaß zu seiner Reform gehabt hätte; entgegengesetzt JOLOWICZ, De furtis (1940) S. xlv, dem zufolge jeder Interessefortfall nach dem Diebstahl, auch der durch nachfolgende Insolvenz, die Aktivlegitimation zur actio furti entfallen ließ, und SCHINDLER, Justinians Haltung (1966) 205 A. 34, S. 207, der davon ausgeht, daß es gar keine Streitigkeit hierüber unter den Klassikern gab, sondern nur „Weitläufigkeiten“, die Justinian zur besseren Rechtfertigung seiner Neuerung aufgebauscht habe; dagegen D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 46 f. A. 49 f. Wieder anders geht ANKUM, RIDA 47 (2000) Abschnitte 5 und 6 von einem echten Klassikerstreit aus, meint aber mit Hinweis auf Ulpian D. 47,2,12pr., die herrschende Meinung für den Fall nachträglicher Insolenz des Entleihers habe für die Rückkehr der Klage zum Eigentümer plädiert. Die Konstitution Justinians berichtet außerdem in C. 6,2,22,1c von einem weiteren Klassikerstreit über die Frage, wie bei nur zu einem Teil der Leistung hinreichender Solvenz zu entscheiden sei; hierzu JOLOWICZ, a. a. O., xliv; SCHINDLER, a. a. O., 205 ff.; D. LIEBS, Klagenkonkurrenz, 47 A. 50; ANKUM, a. a. O. 662 Zu einem Vergleich der Neuregelung Justinians in C. 6,2,22,2 (a. 530) (zu ihr s. noch u. S. 229 ff.) mit der modernen Legalzession s. OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 269 f. 663 (Labeo-)Javolen D. 47,2,91(90)pr.: Fullo actione locati de domino liberatus est: negat eum furti recte acturum Labeo. item si furti egisset, priusquam ex locato cum eo ageretur et, antequam de furto iudicaretur, locati actione liberatus esset, et fur ab eo absolvi debet. quod si nihil eorum ante accidisset, furem ei condemnari oportere. haec idcirco quoniam furti eatenus habet actionem quatenus eius interest. 664 Nicht klar ist, ob der fullo hier von der Haftung aus der actio locati conducti vom Richter freigesprochen wurde oder ob der Eigentümer seinerseits (um gegen den Dieb vorgehen zu können) auf die Klage gegen den fullo verzichtet; vgl. hierzu F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 43 A. 1; D. LIEBS, Klagenkonkurrenz [1972] 104 mit A. 94. ROBAYE, L’obligation de garde (1987) 182 ff., geht von einem Freispruch aus, freilich mit der Argumentationsrichtung, der fullo hafte nur für culpa in custodiendo, im konkreten Fall habe also der fullo den Diebstahl nicht durch unsorgfältige Bewachung verschuldet (zum Streit über die Bedeutung der custodia-Haftung s. o. A. 649). Selbst wenn man aber in casu von einem richterlichen Freispruch ausgeht, muß dieser nicht darin begründet sein, daß der fullo nur für culpa in custodiendo hafte und den Diebstahl hier nicht verschuldet habe. Ein Freispruch könnte vielmehr seine Ursache entweder in einem Fehlurteil des Richters, der den Sachverhalt nicht richtig aufgeklärt

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

zur actio furti, die statt dessen dem Eigentümer wieder zufällt. Diese Wirkung hat die Befreiung des fullo von der Haftung nach Labeo solange, wie das Urteil gegen den Dieb noch nicht gefällt ist. 3. Eine dritte Ausnahme erfährt der Grundsatz in dem Fall, in dem der Kustodient den Diebstahl dolos ermöglicht hat (s. sogleich unter II.). 4. Ferner gab es noch eine weitere Ausnahme, wenn die Sache gestohlen worden ist, nachdem der Kustodient gestorben ist und bevor der Erbe die Erbschaft angetreten hat: An einer hereditas iacens konnte nämlich kein Diebstahl begangen werden, da sie sich in niemandes Besitz befindet; folglich gesteht Ulpian D. 47,2,14,14 die actio furti hier dem Eigentümer zu.665

II. Kein Erwerb der actio furti bei eigenem dolosen Verhalten Für einen anderen Fall haben die römischen Juristen den Übergang der Aktivlegitimation aufgrund eines Haftungsinteresses stets verneint: Aufgrund eigenen Vorsatzes darf man die Diebstahlsklage nicht erwerben. Da der mit der actio furti einklagbare Betrag wegen ihres Strafcharakters das Haftungsinteresse übersteigt, hieße es, den dolus zu prämiieren und damit einen Anreiz zu vorsätzlicher Vertragsverletzung zu schaffen, wenn man dem Haftenden die Aktivlegitimation hier zuspräche. 1. Mit diesem Argument hat man zum einen die Aktivlegitimation dessen abgelehnt, der nach dem Rechtsverhältnis zum Eigentümer generell nur für dolus einzustehen brauchte, insbesondere des Verwahrers:666 Der Depositar hat zunächst dann nicht die Diebstahlsklage, wenn er den Diebstahl (wie typischerweise) nicht dolos veranlaßte; hier mangelt es bereits an einem Haftungsinteresse, wie Gaius 3,207 argumentiert.667 Dieser Gedanke findet sich auch im Anfang von: hat, oder darin haben, daß der Dieb inzwischen gefaßt wurde und der Eigentümer in zumutbarer Weise gegen ihn vorgehen könnte, s. Labeo D. 19,2,60,2 und dazu u. S. 250 ff., insbes. A. 939. – Da schließlich auch ein Verzicht des Eigentümers zu einem Freispruch führt, dürfte für den Verzicht im Ergebnis nichts anderes gelten als für einen Freispruch aus anderen Gründen; s. zum Verzicht noch u. S. 228 ff. [auch zu Paulus D. 47,2,54[53],1) und ferner S. 236 ff. 665 s. dazu noch u. A. 714, 821; SCHINDLER, Justinians Haltung (1966) 204 f. A. 32. 666 Hierzu s. JOLOWICZ, De furtis (1940) l f. 667 Gaius 3,207 (vgl. Inst. 4,1,17): Sed is apud quem res deposita est custodiam non praestat tantumque in eo obnoxius est, si quid ipse dolo fecerit. Qua de causa ‹si› res ei subrepta fuerit, quia restituendae eius nomine depositi non tenetur nec ob id eius interest rem salvam esse, furti itaque agere non potest, sed ea actio domino conpetit. – Aber derjenige, bei dem eine Sache in Verwahrung gegeben wurde, hat nicht für Bewachung einzustehen und ist ausschließlich auf dasjenige verpflichtet, wenn er selbst etwas absichtlich getan hat. Aus diesem Grund kann er, wenn die Sache ihm entwen-

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D. 47,2,14,3 (Ulpian im 29. Buch ad Sabinum): Is autem, apud quem res deposita est, videamus, an habeat furti actionem. et cum dolum dumtaxat praestet, merito placet non habere eum furti actionem: quid enim eius interest, si dolo careat? quod si dolo fecit, iam quidem periculum ipsius est, sed non debet ex dolo suo furti quaerere actionem. Wir wollen sehen, ob derjenige, bei dem eine Sache in Verwahrung gegeben worden ist, die Diebstahlsklage hat. Und weil er nur für Vorsatz einzustehen hat, meint man zu Recht, daß er die Diebstahlsklage nicht habe: Welches Interesse nämlich hat er, wenn er von Vorsatz frei ist? Wenn er aber vorsätzlich handelte, trifft zwar ihn der Nachteil, er darf aber nicht aufgrund seines eigenen (bösen) Vorsatzes die Diebstahlsklage erwerben.668

Ulpian erläutert darüber hinaus, warum der Depositar auch dann nicht die Diebstahlsklage erhält, wenn er vorsätzlich gehandelt hat: Dann hat er zwar ein Haftungsinteresse, soll aber für sein eigenes doloses Verhalten nicht belohnt werden. Ähnlich argumentierte schon Julian zum Depositar, den Ulpian im nächsten Paragraphen wiedergibt: D. 47,2,14,4 (Ulpian im 29. Buch ad Sabinum): Iulianus quoque libro vicensimo secundo digestorum scribit: quia in omnium furum persona constitutum est, ne eius rei nomine furti agere possint, cuius ipsi fures sunt, non habebit furti actionem is, apud quem res deposita est, quamvis periculo eius esse res coeperit qui eam contrectavit. Auch Julian schreibt im 22. Buch seiner Digesten: Weil in bezug auf alle Diebe festgesetzt worden ist, daß sie wegen derjenigen Sache nicht die Diebstahlsklage erheben können, die sie selbst entwendeten, wird derjenige die Diebstahlsklage nicht haben, bei dem eine Sache in Verwahrung gegeben worden ist, obwohl die Sache auf Gefahr dessen zu gehen beginnt, der sie (in diebischer Absicht) an sich genommen hat.

Julian zitiert zunächst einen offenbar älteren Rechtssatz, dem zufolge einem Dieb, dem die Beute gestohlen wird, die actio furti nicht zusteht.669 Der dolose Depositar ist selbst nicht besser als der Dieb und soll daher die Diebstahlsklage nicht haben, und zwar auch dann nicht, wenn er die Sache zunächst absichtlich unterschlagen hat und sie ihm dann ohne sein Verschulden gestohlen wird. Die Argumentation von Ulpian und Julian differiert leicht und, wie sich noch zeigen det worden ist, deswegen, weil er aus der Verwahrung nicht auf Rückgabe der Sache haftet und daher kein Interesse daran hat, daß die Sache (ihm) erhalten bleibe, mit der Diebstahlsklage nicht vorgehen, sondern es steht diese Klage dem Eigentümer zu. – s. dazu noch u. bei A. 695; zu den bei Gaius voranstehenden Texten Gaius 3,205 und 206 s. o. bei A. 646 und 647. 668 Zu diesem Text s. noch F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 35, der quid enim . . . careat für „vielleicht interpoliert“ hält. Sachlich besteht hierfür kein Anhalt. 669 Zu diesem Grundsatz s. noch sogleich unter III.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

wird,670 in bedeutsamer Weise: Ulpian denkt eher an den Fall, daß der Depositar die Sache dolos zum Diebstahl preisgibt; dagegen steht für Julian der Fall im Vordergrund, daß zwar der Diebstahl selbst unverschuldet war, der Depositar die Sache aber zuvor schon unterschlagen hat und nach dem Grundsatz fur semper in mora auch für Zufall haftet. Für Julian kommt die Gewährung der actio furti an den dolosen Depositar also nur deswegen in Betracht, weil er nach einer dolosen Aneignung der Sache für Z u f a l l haftet; er lehnt die Aktivlegitimation des Depositars aber ab, weil der unterschlagende Depositar ein fur ist. Für Ulpian reicht dagegen schon die Tatsache, d a ß er überhaupt haftet, um zu erwägen, dem Depositar die actio furti zuzugestehen. Ulpian spricht dem vorsätzlich die Sache preisgebenden Depositar die Diebstahlsklage aber ab, um keinen Anreiz für vorsätzliches rechtswidriges Handeln zu schaffen. Im Falle einer Haftung ausschließlich für dolus erhält der Haftende somit weder nach hochklassischem (Julian) noch nach spätklassischem (Ulpian) Recht die actio furti. 2. Die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage wurde aber auch dann verneint, wenn jemand, der nach dem Rechtsverhältnis zum Eigentümer für custodia einzustehen hatte, im Einzelfall einen Diebstahl dolos ermöglichte. Hierfür führt Ulpian den Hochklassiker Pomponius als Gewährsmann an: D. 47,2,14,8 und 9 (Ulpian im 29. Buch ad Sabinum): 8. Item Pomponius libro decimo ex Sabino scripsit, si is cui commodavi dolo fecerit circa rem commodatam, agere eum furti non posse. – 9. Idem Pomponius probat et in eo qui rem mandato alcuius accepit perferendam. 8. Ebenso schrieb Pomponius im zehnten Buch zu Sabinus, wenn derjenige, dem ich eine Sache geliehen habe, in bezug auf die geliehene Sache vorsätzlich handelte, könne er nicht die Diebstahlsklage erheben. – 9. Dasselbe hielt Pomponius auch in bezug auf denjenigen für richtig, der im Auftrag eines anderen eine Sache übernommen hat, um sie (an einen Dritten) zu überbringen.

Sowohl ein Kommodatar als auch derjenige, der einen Auftrag zur Überbringung einer Sache an einen Dritten übernommen hat, stehen (letzterer zumindest bei besondere Vereinbarung oder Entlohnung) ihrem Vertragspartner für custodia ein; sie sind daher im Falle eines Diebstahls schon nach hochklassischem Recht grundsätzlich zur actio furti aktivlegitimiert.671 Dennoch erhalten sie die Diebstahlsklage nicht, wenn ihnen ein Vorsatz zur Last fällt: Ihre Aktivlegitimation haben sie durch ihren dolus verwirkt; sie sollen nicht durch die Aussicht auf die Diebstahlsklage ermuntert werden, bewußt die Sache der Diebstahlsgefahr auszusetzen.

670 671

s. u. A. 774. s. zum Überbringungsmandat insbesondere Ulpian D. 47,2,14,17.

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III. Ablehnung der Aktivlegitimation eines bestohlenen Diebes Mit dem Satz, daß man aufgrund eigenen dolosen Verhaltens die Diebstahlsklage nicht erwerben dürfe, weist ein anderer Grund zur Versagung der Diebstahlsklage eine gewisse Verwandtschaft auf: Nach einem alten Grundsatz steht dem Dieb, wenn er bestohlen wird, die Diebstahlsklage nicht zu.672 Schon Julian führt in dem soeben wiedergegebenen Zitat des Ulpian in D. 47,2,14,4 diese Regel als feststehenden Rechtssatz an.673 Der Gedanke findet sich schon bei Quintus Mucius sowie mit einschränkender Modifikation bei Servius; beide zitiert Pomponius in: D. 47,2,77(76),1 (Pomponius im 38. Buch zu Quintus Mucius): Si quis alteri furtum fecerit et id quod subripuit alius ab eo subripuit, cum posteriore fure dominus eius rei furti agere potest, fur prior non potest, ideo quod domini interfuit, non prioris furis, ut id quod subreptum est salvum esset. Haec Quintus Mucius refert et vera sunt: nam licet intersit furis rem salvam esse, quia condictione tenetur, tamen tum674 is cuius interest furti habet actionem, si honesta ex causa interest. nec utimur Servii sententia, qui putabat, si rei subreptae dominus nemo exstaret nec exstaturus esset, furem habere furti actionem: non magis enim tunc eius esse intellegitur, qui lucrum facturus sit. dominus igitur habebit cum utroque furti actionem, ita ut, si cum altero furti actionem inchoat, adversus alterum nihilo minus duret: sed et condictionem, quia ex diversis factis tenentur. Wenn jemand einen anderen bestohlen hat und ein anderer ihm das, was er gestohlen hat, entwendete, kann der Eigentümer dieser Sache gegen den zweiten Dieb die Diebstahlsklage erheben, der erste Dieb kann es nicht, (und zwar) deswegen nicht, weil der Eigentümer – und nicht der erste Dieb – das Interesse daran hatte, daß das, was gestohlen worden war, unversehrt bleiben würde. Das berichtet Quintus Mucius, und es ist richtig: Denn obwohl der Dieb ein Interesse daran hat, daß die Sache unversehrt bleibt, weil er mit der (Diebstahls-)Kondiktion haftet, so hat doch derjenige, der das Interesse hat, die Diebstahlsklage nur dann, wenn er das Interesse aus einem sittlich billigenswerten Grunde hat. Und wir folgen nicht der Ansicht des Servius, der annahm, wenn als Eigentümer der Sache niemand auftrete noch auftreten werde, habe der Dieb die Diebstahlsklage: Dann ist nämlich ebensowenig anzunehmen, daß demjenigen die Diebstahlsklage zustehe, der im Begriff ist, sich (um die Sache) zu bereichern. Der Eigentümer wird also gegen beide die Diebstahlsklage haben, so daß, wenn er gegen den einen Dieb die Diebstahlsklage erhebt, sie gegen den anderen um nichts weniger erhalten bleibt: aber auch die (Diebstahls-) Kondiktion, weil beide aus verschiedenen Handlungen haften. 672 Hierzu ausführlich DE ROBERTIS, ABari 10 (1949) 55 ff. = DE ROBERTIS, Scritti varii di diritto romano III (1987) 305 ff.; rezensiert von NIEDERLÄNDER, SZ 70 (1953) 484 (insbesondere S. 491 f.). 673 . . . in omnium furum persona constitutum est, ne eius rei nomine furti agere possint, cuius ipsi fures sunt; vollständiger Text s. o. S. 179. 674 So die plausible Konjektur von MOMMSEN ad h. l. (‹tum› statt cum eo) in Anlehnung an Paulus D. 47,2,11: Tum is cuius interest furti habet actionem, si honesta ‹ex› causa interest (ebenfalls mit Emendation von MOMMSEN).

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Wenn ein Dieb von einem weiteren Dieb um die Beute bestohlen wird, stehen danach dem Eigentümer actiones furti gegen beide Diebe zu, ohne daß eine Klagenkonsumption stattfindet.675 Zwar hat der erste Dieb auch ein Haftungsinteresse gegenüber dem Eigentümer: Er haftet diesem aus der condictio furtiva (und zwar für Zufall). Dennoch rechtfertigt dieses Haftungsinteresse nach Quintus Mucius es nicht, dem bestohlenen Dieb (anstelle des Eigentümers) die actio furti gegen den zweiten Dieb zu geben: Dieses Haftungsinteresse beruhe nämlich auf einer mißbilligenswerten Handlung, dem ersten Diebstahl; nur ein Haftungsinteresse, das auf einem sittlich anerkennenswerten Rechtsverhältnis beruhe, könne aber die Gewährung der Diebstahlsklage an den Haftenden begründen. Dieser Einschränkung der interesse-Regel folgte im Grundsatz auch Servius; er meinte aber, man könne eine Ausnahme machen, wenn der Eigentümer der Sache nicht bekannt sei und es auch nicht wahrscheinlich sei, daß er noch auftreten werde. Dann könne der erste Dieb die Diebstahlsklage erfolgreich erheben, und der zweite Dieb könne dem nicht entgegenhalten, daß der Kläger selbst die Sache seinerseits gestohlen habe. Der hinter dieser Lösung stehende Gedanke ist, daß der zweite Dieb nicht deswegen ungestraft ausgehen soll, weil der Eigentümer nicht auffindbar ist. Diese Überlegung weist Pomponius jedoch zurück: Der erste Dieb sei ebensowenig schützenswert, wenn kein Eigentümer auftrete. Denn dann habe er aufgrund des Diebstahls schon keinen Schaden: Wenn nämlich nicht abzusehen ist, daß der Eigentümer den ersten Dieb belangt, mangelt es ihm aus tatsächlichen Gründen schon an einem realen Haftungsschaden. Sein bloßer Wille, die Sache zu behalten, ist aber nach Pomponius kein hinreichendes interesse rem non subripi, sondern nur eine nicht schützenswerte Bereicherungsabsicht.676 Demnach darf als feststehender Satz677 angenommen werden, daß der Dieb selbst nicht Inhaber der actio furti sein kann, weil er den Besitz auf unehrenhafte Weise erlangt hat, sein Haftungsinteresse somit auf einer unehrenhaft entstandenen Verpflichtung beruht. Es handelt sich also um eine Art dolus praecedens, der dem Diebstahl durch den Dritten aus dem Besitz des Diebes voraus675

Zum Schlußsatz ab sed et s. schon kurz o. A. 411. Mit demselben Argument, die actio furti stehe demjenigen nicht zu, dem es nur darum gehe, sich weiterhin um den Sachbesitz zu bereichern, wird in Javolen D. 47,2,72,1 einem bestohlenen Erbschaftsbesitzer die actio furti verweigert: . . . quia furti agere potest is, cuius interest rem non subripi, interesse autem eius videtur, qui damnum passurus est, non eius, qui lucrum facturus esset. Auch der bestohlene gutgläubige Besitzer, der aufgrund eines unentgeltlichen Titels die Sache besaß, erhält keine Diebstahlsklage. Hatte er die Sache dagegen entgeltlich erworben oder Verwendungen auf sie gemacht, steht ihm eine actio furti wegen seines Besitzinteresses zu (s. dazu die Quellenbelege o. A. 639, sowie die Ausführungen sogleich S. 184 ff. im Text bei A. 682 ff. sowie abermals u. S. 217 ff.). 677 Er wird noch des öfteren in den Quellen angedeutet, s. z. B. Paulus D. 4,9,4pr. (nisi si ipse subripiat et postea ab eo subripiatur), die Anspielung ut non teneatur furti et agat in Ulpian D. 47,2,12,2 und die Ausnahme in D. 47,2,48,4. 676

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geht; dieser dolus hat zur Folge, daß dem bestohlenen Dieb trotz seines Haftungsinteresses die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage abgesprochen wird. Für die älteren Juristen kam eine Berücksichtigung des Haftungsinteresses des ersten Diebes hier, wie besonders deutlich (Julian-)Ulpian D. 47,2,14,4 zeigte, nur deswegen überhaupt in Betracht, weil er – ähnlich wie der Kustodient – dem Eigentümer gegenüber die Diebstahlsgefahr im engeren Sinne trägt, weil er also auch für einen zufälligen, von ihm nicht konkret verschuldeten weiteren Diebstahl haftet.678 Ulpian scheint den Gedanken, bei unehrenhafter Begründung des Interesses die actio furti zu versagen, auch allgemein zu Lasten des malae fidei possessor anzuwenden, also desjenigen, der den Besitz der Sache bösgläubig erworben hat: D. 47,2,12,1 (Ulpian im 29. Buch ad Sabinum): Sed furti actio malae fidei possessori non datur, quamvis interest eius rem non subripi, quippe cum res periculo eius sit: sed nemo de inprobitate sua consequitur actionem et ideo soli bonae fidei possessori, non etiam malae fidei furti actio datur. Doch wird die Diebstahlsklage dem Besitzer, der bei Besitzbegründung bösgläubig war (malae fidei possessor), nicht gewährt, obwohl er das Interesse hat, daß die Sache nicht gestohlen wird, weil nämlich die Sache auf seine Gefahr geht: Aber niemand erwirbt aufgrund seiner Unredlichkeit eine Klage, und deswegen wird die Diebstahlsklage nur dem gutgläubigen Besitzer, nicht auch dem bösgläubigen Besitzer gewährt.

Auch vom bösgläubigen Besitzer sagt hier Ulpian, daß er eigentlich ein Interesse rem non subripi habe, weil er nämlich die Sachgefahr trage. Doch wegen seiner Unredlichkeit bei der Besitzbegründung wird ihm die Diebstahlsklage verwehrt. Wegen seiner eigenen Unredlichkeit dürfe nämlich niemand eine Klage erwerben. Deutlich zeigt sich in der Formulierung sed nemo de inprobitate sua consequitur actionem eine Parallele zur Darstellung der Rechtslage beim dolosen Depositar in D. 47,2,14,3: iam quidem periculum ipsius est, sed non debet ex dolo suo furti quaerere actionem.679 Doch ist fraglich, was Ulpian hier mit dem periculum rei meint: In Betracht kommt, daß Ulpian hier – wie beim dolosen Verwahrer in fr. 14,3 – an das Haftungsinteresse gegenüber dem Eigentümer denkt. Doch fällt auf, daß Ulpian hier – anders als in fr. 14,3 – das Haftungsinteresse gegenüber dem Eigentümer nicht konkret anspricht. Die Erläuterung, daß der malae fidei possessor wegen einer Haftung gegenüber dem Eigentümer ein interesse rem non perire habe, hätte es aber um so mehr bedurft, als den malae fidei possessor (anders als den Verwahrer nach Unterschlagung der Sache) je-

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s. o. S. 180 und u. A. 774. Vollständiger Text s. o. S. 179.

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denfalls nicht generell eine Haftung für Zufall traf.680 Schließlich spricht gegen die Deutung, Ulpian meine mit periculum rei hier die Haftung gegenüber dem Eigentümer, der angeführte Gegensatz zum gutgläubigen Besitzer: Dieser soll die Diebstahlsklage erhalten, er trägt aber sicher nicht die Verlustgefahr im Sinne einer Zufallshaftung gegenüber dem Eigentümer. Vielmehr erhält der gutgläubige Besitzer die Diebstahlsklage, was Ulpian hier nicht genauer umschreibt,681 wir aber aus anderen Quellen ersehen können,682 wegen seines E i g e n interesses, entweder (im Falle entgeltlichen Erwerbs) die Sache nutzen oder wegen getätigter Verwendungen auf die Sache ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen zu können: Dem gutgläubige Besitzer wird also die Aktivlegitimation zugesprochen, soweit er Investitionen hinsichtlich der Sache getätigt hat. Er erhält die Diebstahlsklage nur, wenn er die Sache entgeltlich erworben hat oder ihm (wegen Verwendungen auf die Sache oder Ablösung einer Noxalhaftung) ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Eigentümer zustünde.683 Daß dem bonae fidei possessor die actio furti wegen seines Eigeninteresses (und nicht wegen eines Haftungsinteresses gegenüber dem Eigentümer) gewährt wird, erkennt man auch daran, daß die Klage des gutgläubigen Besitzers kumulativ neben die Klage des Eigentümers tritt684 und daß sie auch gegen den entwendenden Eigentümer gewährt wird.685 Im Falle des Haftungsinteresses tritt die Aktivlegitimation des Haftenden dagegen stets an die Stelle der Berechtigung des Eigentümers.686 680 s. zu der Haftung des bösgläubigen Besitzers vor der litis contestatio über die actio in rem schon kurz o. S. 92 mit Hinweis in A. 317 auf MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 324 ff. 681 Zutreffend F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 95 f., Ulpian könne hier ungenau reden, weil er gar nicht ex professo davon rede, wann der gutgläubige Besitzer die actio furti habe, sondern nur betone, daß sie dem Bösgläubigen nicht zustehe. 682 s. dazu schon o. A. 639 auch mit Literaturhinweisen. 683 Javolen D. 47,2,75(74): Der Umfang des mit der Diebstahlsklage zu verfolgenden Betrages richtet sich nach seinem Interesse am Besitz; dies dürfte darin bestehen, die Sache bis zur Geltendmachung der Vindikation durch den Eigentümer nutzen zu können, ohne dem Eigentümer gegenüber zum Nutzungsersatz verpflichtet zu sein (dazu s. noch sogleich A. 684); Javolen D. 47,2,72(71),1: Der pro herede possidens erhält keine Aktivlegitimation (da dieser den Besitz unentgeltlich erlangt und somit kein damnum erleidet); (Julian-)Paulus D. 47,2,54,4: Bei Besitz aufgrund von Schenkung kann die Aktivlegitimation nur wegen eines Zurückbehaltungsrechts bestehen (s. dazu schon o. A. 676); andere Quellen sprechen stets vom gutgläubigen Käufer, so Paulus D. 47,2,20,1; Ulpian D. 47,2,52,10; Inst. 4,1,15(17). 684 Deutlich Javolen D. 47,2,75(74): die actio furti des bonae fidei possessor wird berechnet nach der causa possessionis, die des Eigentümers nach der causa proprietatis, so LEVY, Konkurrenz I (1918) 402 ff. (gegen F. SCHULZ, SZ 32 [1911] 97 f. ad h. l.), DERS., Nachträge (1962) 59 A. 241; s. dazu auch KASER, Quanti ea res est (1935) 155 f. (mit zu weitgehenden Echtheitszweifeln); JOLOWICZ, De furtis (1940) lxiii A. 5; MEDICUS, Id quod interest (1962) 236 f.; OLDE KALTER, TR 38 (1970) 120 ff.; A. WACKE, FS Seidl (1975) 198 f. 685 Paulus D. 47,2,20,1; Gaius 3,200.

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Aus dem Vergleich mit dem gutgläubigen Besitzer ergibt sich also, daß Ulpian hier danach fragt, ob dem bösgläubigen Besitzer wegen seines Eigeninteresses, die Sache in seinem Besitz zu haben und nutzen zu können, eine Diebstahlsklage zu gewähren ist. Dieses Interesse kann er nach dem Diebstahl nicht mehr verwirklichen; insofern trägt er ein periculum rei; dieses aber ist wegen seiner Unredlichkeit nicht schützenswert. Dennoch läßt die allgemeine Formulierung Ulpians nemo de inprobitate sua consequitur actionem vermuten, daß der Besitzer, der bei Besitzerwerb bösgläubig war, auch dann nicht die Diebstahlsklage erhalten soll, wenn er dem Eigentümer wegen des Diebstahls zum Ersatz verpflichtet ist.687

IV. Übergang der actio furti auf den Ersatzpflichtigen im Falle seiner Haftung für culpa: eine spätklassische Entwicklung Es gab jedoch nicht nur die Haftungsmaßstäbe dolus und custodia; vielmehr entwickelte das römische Recht – mit der weiteren Entwicklung des Privatrechts zunehmend – eine Reihe von Schuldverhältnissen, in denen nur für dolus und culpa, nicht aber für custodia gehaftet wurde.688 Wie sich bereits an Paulus D. 47,2,54(53),3 zeigte,689 hafteten insbesondere der Geschäftsführer ohne Auftrag, ebenso wie der Scheintutor und derjenige Vormund, der die satisdatio rem pupilli salvam fore geleistet hat, nicht für custodia, sondern nur für (jede) culpa. Anders als der custodia-Pflichtige haftet der nur für culpa eintretende Schuldner aber dem Eigentümer nicht für jeden Diebstahl: Wenn er den Diebstahl nicht verschuldet hat, so kann der Eigentümer von ihm nichts verlangen. Das Interesse daran, daß ein etwa vom negotiorum gestor nicht verschuldeter Diebstahl unterbleibt, hat mithin der Eigentümer. Im Fall seines Verschuldens aber haftete der Geschäftsführer dem Eigentümer. Soll dem Geschäftsführer also wegen seines Haftungsinteresses im Fall des verschuldeten Diebstahls ähnlich dem custodia-Pflichtigen ipso iure die actio furti zustehen? Diese Überlegung wird im Text von Paulus D. 47,2,54(53),3 durch die – auf den ersten Blick überraschend erscheinende – konzessive Konjunktion licet angedeutet.690 Befremdlich an diesem Gedanken erscheint zunächst, daß sich der Haftende die aus der actio furti

686

Deutlich Gaius 3,203; 205. Zur Frage, ob der gut- und bösgläubige Besitzer wegen einer Haftung gegenüber dem Eigentümer Abtretung von dessen Diebstahlsklage verlangen können, siehe noch unten S. 217 ff. 688 Insbesondere bei den bonae fidei iudicia, s. nur den Überblick bei KASER, RP I 509 ff. 689 s. o. S. 160 ff. 690 Vgl. ähnliche konzessive Erwägungen in Ulpian D. 47,2,14,3 und Julian-Ulpian D. 47,2,14,4; s. dazu noch u. b. A. 778; vollständiger Text beider Quellen o. S. 178 ff. 687

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erwachsende Prämie gleichsam durch sein Verschulden soll verdienen können.691 Wem also stand nach Ansicht der klassischen Juristen die Diebstahlsklage zu, wenn jemand, der aufgrund des Rechtsverhältnisses zum Eigentümer nur für culpa haftete, im Einzelfall einen Diebstahl verschuldete? Die zahlreichen Quellen, die die actio furti demjenigen zusprechen, der dem Eigentümer für custodia eintritt, lassen erwarten, daß außerhalb der custodia-Haftung, namentlich also auch im Bereich der reinen culpa-Haftung, ein Übergang der actio furti auf den Haftenden nicht stattfand. Diesen Schluß hat man lange Zeit im Anschluß an die Lehre von FRITZ SCHULZ gezogen.692 Doch ist diese Argumentation nicht zwingend: Denkbar ist auch eine Entwicklung, daß zunächst die Aktivlegitimation wegen eines Haftungsinteresses nur dem Kustodienten zugesprochen wurde, später aber auch bei der Haftung für culpa anerkannt wurde. Wenn die traditionsbewußten klassischen Juristen den Satz weitertragen, daß der Kustodient wegen seines Haftungsinteresses die actio furti erhält, muß dies nicht bedeuten, daß n u r das Haftungsinteresse des Kustodienten die Zuerkennung der Diebstahlsklage rechtfertigt. Es kann vielmehr auch sein, daß sie den bewährten Satz noch für die Fälle, in denen er paßt, beibehalten, auch wenn sie inzwischen weitere Fallgruppen (wie etwa der Haftung nur für culpa) entwickelt haben, in denen dem Haftenden die actio furti ebenfalls zugesprochen wird: Durch die Erweiterung der Aktivlegitimation wegen eines Haftungsinteresses auch auf andere Fälle wird der alte Satz „si custodia eius (rei) ad eum pertineat, (furti agere) potest“ ja nicht falsch, man darf nur die Bedingung nicht als eine notwendige, sondern muß sie als eine hinreichende verstehen.693 691

Vgl. KASER, FG v. Lübtow (1980) 317 = DERS., Rechtsquellen (1986) 247. F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 26 hielt nur den Kustodienten für aktivlegitimiert und prägte damit die lange herrschende Meinung: Die Quellen, die eine Aktivlegitimation auch bei bloßer culpa-Haftung postulierten, seien von Justinian interpoliert, der generell die custodia habe zugunsten der culpa eliminieren wollen (so SCHULZ, SZ 32, 30 u. passim). Die extreme Gegenauffassung (die Haftung für culpa stelle generell in der Klassik ein hinreichendes Interesse für die Aktivlegitimation zur actio furti dar) vertrat vereinzelt ROSENTHAL, SZ 68 (1951) 247 f., allerdings mit weitreichenden Interpolationsannahmen, insbesondere zu Paulus D. 47,2,54(53),3 und D. 47,2,86(85); gegen ROSENTHAL s. die Rezension von DE ROBERTIS, Iura 4 (1953) 344 ff., insbes. 349 f. JOLOWICZ, De furtis (1940) xlvii f., li, vgl. S. 15 A. 10 spricht von einer allgemeinen Regel („general rule“) des j u s t i n i a n i s c h e n Rechts, daß bei Haftung für culpa im Falle der Fahrlässigkeit die Diebstahlsklage dem Haftenden zustehe, ohne deutlich zu machen, wie nach klassischem Recht in Fällen der culpa-Haftung entschieden worden sei. Vorsichtig die Aktivlegitimation bei der Haftung für culpa zumindest in Einzelfällen als spätklassisch anerkennend KASER, SZ 96 (1979) 101 insbesondere mit A. 46; DERS., FG v. Lübtow (1980) 317 ff. sowie deutlicher in der zweiten Fassung dieses Aufsatzes in DERS., Rechtsquellen (1986) 247 ff., allerdings mit ebenfalls zu weitgehenden Echtheitszweifeln insbesondere an Ulpian D. 47,2,14,10;12. Als „regelwidrig“ bezeichnet KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 484 f. die Aktivlegitimation des Haftenden im Falle der Einstandspflicht für culpa (dazu aber noch u. A. 780). 692

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In der Tat findet sich in den Quellen nur selten der Umkehrschluß, wer nicht für custodia hafte, könne auch nicht Inhaber der Diebstahlsklage sein. Zwar findet sich in einer Quelle eine solche Aussage bei Julian;694 doch legt gerade dieser Text nahe, daß die Zuerkennung der Aktivlegitimation auch im Falle einer culpa-Haftung erst aus einer Zeit nach Julian stammt. Aber auch Gaius 3,207 könnte in diesem Sinne verstanden werden: Dort leitet Gaius die Ablehnung der Aktivlegitimation des Verwahrers mit den Worten Sed is, apud quem res deposita est custodiam non praestat ein. Gaius läßt dies aber nicht als alleinige Begründung stehen, sondern fährt sogleich fort tantumque in eo obnoxius est, si quid dolo fecit. Es läßt sich also nicht folgern, daß die Aktivlegitimation des Depositars schon mangels einer custodia-Haftung ausgeschlossen sei, der Besitzer nach Gaius also generell nur bei seiner Verantwortung für custodia die Aktivlegitimation erhalte; fest steht nur, daß der Depositar jedenfalls wegen seiner Haftung nur für dolus die Klage nicht erwirbt.695 Gaius bespricht mithin – in einer für ein Lehrbuch vorbildlichen Weise – nur die klaren Fälle und läßt die umstritteneren – und vielleicht gerade zu seiner Zeit im Fluß befindlichen – Fragen weg. Daraus, daß Gaius die Frage der Aktivlegitimation bei der Haftung für culpa nicht erörtert, läßt sich jedenfalls nicht entnehmen, daß es sie nicht gab. Tatsächlich bieten andererseits einige spätklassische Quellen, namentlich von Ulpian, Anhaltspunkte für die Annahme, daß auch derjenige zur actio furti aktivlegitimiert ist, der aufgrund eigener culpa dem Eigentümer für den Diebstahl Ersatz leisten muß. Sonderbar ist freilich, daß es hier zuweilen um Fälle geht, in denen man aufgrund anderer Quellen eher eine custodia-Haftung erwartet. Prägnant sind hierfür etwa Ulpian D. 47,2,10–12: 1. (Julian-/Celsus-)Ulpian D. 47,2,14,10: Versagung der Aktivlegitimation zur actio furti von Hausvater und Bürgen des Kommodatars Eine allgemeine Aussage über die Aktivlegitimation des culpa-Pflichtigen enthält: 693 Besonders problematisch für dieses Verständnis ist allerdings Ulpian D. 47,2, 14,17: et s i custodia eius ad eum pertineat, (furti agere) potest . . . vel si custodiam eius rei recepit vel mercedem perferendae accipit. Doch kann auch hier die custodia als eine nur hinreichende Bedingung gemeint sein. Zu Ulpian D. 47,5,1,3 s. schon o. A. 531. 694 (Julian-)Ulpian D. 47,2,14,10; dazu sogleich unter 1. im Text. 695 Den Text von Gaius 3, 207 s. schon o. A. 667. Gaius sagt sogar nur, daß der Depositar die Diebstahlsklage nicht hat, weil er nur für dolus haftet und bei einem Diebstahl durch einen Dritten deswegen (in der Regel) die Haftung des Depositars schon gar nicht eingreift; noch nicht einmal den Fall des dolosen Depositars behandelt Gaius.

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D. 47,2,14,10 (Ulpian im 29. Buch ad Sabinum): An pater, cuius filio commodata res est, furti actionem habeat, quaeritur. et Iulianus ait patrem hoc nomine agere non posse, quia custodiam praestare non debeat: sicut, inquit, is qui pro eo, cui commodata res est, fideiussit, non habet furti actionem. neque enim, inquit, is, cuiuscumque intererit rem non perire, habet furti actionem, sed qui ob eam rem tenetur, quod ea res culpa eius perierit: quam sententiam Celsus quoque libro duodecimo digestorum probat. Ob ein Vater, an dessen Sohn eine Sache verliehen worden ist, die Diebstahlsklage hat, fragt sich. Und Julian sagt, daß der Vater aus diesem Rechtsgrund nicht klagen könne, weil er nicht für die Bewachung [der Sache] einstehen müsse: ebenso, sagt er, wie derjenige, der für jemanden, dem eine Sache geliehen worden ist, gebürgt hat, die Diebstahlsklage nicht hat. Es hat nämlich, sagt er, auch nicht jeder die Diebstahlsklage, der ein wie auch immer begründetes Interesse daran hat, daß die Sache nicht verloren geht, sondern [nur] wer wegen dieser Sache haftet, weil diese Sache durch sein Verschulden verloren geht: Diese Ansicht hält auch Celsus im zwölften Buch seiner Digesten für richtig.

Ulpian behandelt zunächst den Fall, daß einem filius familias eine Sache geliehen wurde und diese ihm sodann gestohlen wurde. Zu der Frage, ob hier dem (offenbar de peculio aus dem Leihvertrag haftenden)696 pater familias die actio furti zustehe, referiert Ulpian die verneinende Antwort des Julian; dieser habe zur Begründung angegeben, daß der pater familias selber nicht für custodia verantwortlich sei. Der Fall sei nach Julian vergleichbar mit der Frage, ob derjenige zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert sei, der sich für die Rückgabepflicht eines (sodann bestohlenen) Entleihers verbürgt habe. Auch dem Bürgen stehe aber die actio furti nicht zu. Nicht jeder, der irgendein Interesse daran habe, daß die Sache nicht gestohlen werde, erwerbe im Falle eines Diebstahls die actio furti. Vielmehr stehe sie nur demjenigen (anstelle des Eigentümers) zu, der wegen eigenen Verschuldens für den Sachverlust hafte. Diese Ansicht habe auch Celsus gebilligt. Julian hat bei der Verneinung der Aktivlegitimation des Vaters, wie bereits erwähnt, insbesondere den Fall im Auge, daß der Vater dem Sohn ein peculium bestellt hatte, so daß er mit der adjektizischen actio de peculio akzessorisch zu der Pflicht seines Sohnes aus dem Leihvertrag haftet.697 Ohne Annahme eines 696

Zur Begründung dieser Vermutung s. sogleich im Text. Anders KASER, FG v. Lübtow (1980) 320 = DERS., Rechtsquellen (1986) 250: „Die custodia-Pflicht soll nur den Sohn persönlich treffen, der die Sache entliehen hat. Das legen Julian und Celsus so eng aus, daß der Vater aus dem Leihkontrakt des Sohnes nicht einmal mit der actio (commodati) de peculio haftet.“ KASER unterstellt also ebenfalls die Existenz eines Pekuliums, ist aber der Ansicht, Julian und Celsus hätten die Haftung de peculio verneint. Doch lehnen Julian und Celsus nur die Aktivlegitimation des pater familias zur Diebstahlsklage ab und nicht schon die Haftung de peculio. Für den Bürgen gilt dasselbe: Auch für ihn wird die Haftung akzessorisch zur Verpflichtung des Hauptschuldners nicht verneint, sondern nur die Berechtigung zur Diebstahlsklage. 697

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Pekuliums des Haussohnes würde nämlich erstens der Vater überhaupt nicht haften, und dann wäre das Ergebnis trivial; zur Ablehnung der Aktivlegitimation des Hausvaters hätte dann der schlichte Hinweis genügt, daß der Hausvater durch den Diebstahl keinen Vermögensnachteil erleide.698 Zweitens wäre, wenn der Vater nicht de peculio haften würde, der Vergleich mit der Bürgschaft unverständlich.699 Julian lehnt nach dem Referat des Ulpian die Aktivlegitimation des pater familias zunächst mit den Worten ab quia custodiam praestare non debeat. Diese Begründung läßt sich so verstehen, daß die custodia-Haftung die unabdingbare Voraussetzung für die Aktivlegitimation zur actio furti sei.700 Bloße culpa-Haftung würde danach die Aktivlegitimation nicht rechtfertigen. In der Tat kann dieser Begründungssatz als Indiz dafür gewertet werden, daß zur Zeit Julians die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage wegen eines Haftungsinteresses nur im Falle einer custodia-Haftung anerkannt war. Aber schon für Julian ist dies in casu nicht die tragende Begründung, weil eine culpa-Haftung des pater familias gar nicht in Rede steht. Es fragt sich vielmehr, ob dem Vater wegen seiner Haftung für die Verpflichtung des Sohnes die Diebstahlsklage zu gewähren ist, der seinerseits aus dem Kommodat für custodia einzustehen hat. Diese Haftung für die Verpflichtung eines anderen soll aber nach Julian ebensowenig wie beim Bürgen eines Entleihers ausreichen für die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage. Parallel bei beiden Fällen ist also, daß Vater und Bürge nicht selbst für eigene custodia einstehen müssen, daß sie also jeweils nicht der primäre Rückgabeschuldner sind, sondern nur für die custodia eines anderen haften:701 Dem pater familias steht die actio furti deswegen nicht zu, weil die aus 698 Ohne Pekulium käme allenfalls eine Haftung des Vaters aus der actio de in rem verso (zu ihr KASER, RP I 607) in Betracht, mit der der Vater aus einem Geschäft seines Gewaltunterworfenen auf die in sein Vermögen gelangte Bereicherung haftet. Allerdings haftet der Vater nur insoweit, als ihm die Bereicherung im Urteilszeitpunkt noch verblieben ist, so daß er jedenfalls infolge des Diebstahles freigeworden wäre. Außer der Haftung de in rem verso wäre vielleicht noch an eine actio ad exhibendum oder gar eine rei vindicatio gegen den Vater auf Vorlegung bzw. Rückgabe der dem Sohn geliehenen Sache zu denken. Doch auch von diesen Klagen wäre der Vater jedenfalls infolge des Diebstahles freigeworden. Wenn der Vater aber dem Eigentümer nicht wegen des Diebstahles haftet, hat er schon gar kein Interesse rem non perire. Dann wäre der von Julian nach dem Bericht Ulpians betriebene Begründungsaufwand überflüssig: Am Ende des Fragments wird versucht, den Kreis der Aktivlegitimierten einzuschränken; nicht jeder Interessierte habe die actio furti, sondern nur ein engerer Kreis von Interessierten. Diese Argumentation ist nur dann sinnvoll, wenn Julian von einem Haftungsinteresse des Vaters ausgeht. 699 Die Argumentation mit der Bürgschaft als Vergleichsfall zeigt, daß die klassischen Juristen die Parallelität von adjektizischer Haftung und Bürgschaft erkannten und aus ihr Schlußfolgerungen zogen; vgl. A. WACKE, SZ 111 (1994) 284. 700 Kritisch zu dieser Regel (keine Aktivlegitimation zur actio furti ohne custodia-Haftung) F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 34, vgl. S. 90. 701 Nach BEKKER, JheringsJb. 49 (1905) 54 beruht die Entscheidung auf dem Unterschied zwischen „Schuld“ und „Haftung“: Der Bürge bzw. pater familias stehe zum

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dem commodatum resultierende (freilich nicht durchsetzbare) Bewachungspflicht den filius familias trifft; und der Bürge ist nicht zur Erhebung der actio furti legitimiert, weil die Bewachungspflicht aus dem Kommodat den Hauptschuldner trifft. In beiden Fällen ist nicht sicher positiv auszumachen, wem die Diebstahlsklage stattdessen zukommen soll: Im Fall der Bürgschaft für den Entleiher dürfte sie – seine Solvenz vorausgesetzt – entsprechend den allgemeinen Regeln grundsätzlich dem Entleiher zustehen. Zahlt nun allerdings der Bürge anstelle des Entleihers (oder wird er verklagt), fragt sich, ob dies wegen der Befreiung des Entleihers entsprechend der Aussage von (Labeo-)Javolen D. 47,2,91(90)pr.702 dazu führt, daß die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage wieder an den Eigentümer zurückfällt.703 Gegen diese Annahme spricht jedoch, daß der Bürge in aller Regel beim Entleiher wird Regreß nehmen können, so daß der Entleiher nicht endgültig freigeworden ist. Wenn die Klage also nicht dem Bürgen zufallen soll, dann doch eher dem Entleiher als dem Eigentümer, weil der Entleiher im Gegensatz zum Eigentümer aus dem Diebstahl einen Vermögensnachteil erleidet. Weiterhin fragt sich, wem die actio furti zusteht, wenn der Entleiher insolvent und der Bürge solvent ist. Nach den allgemeinen Regeln steht die Klage bei insolventem Kustodienten dem Eigentümer zu. Hier könnte aber die Solvenz des Bürgen gleichsam dem Entleiher zugerechnet werden und deswegen die Diebstahlsklage dem Entleiher zustehen. Dafür spricht, daß der Eigentümer aufgrund der Absicherung durch den Bürgen kein Vermögensrisiko getragen hat, während der Entleiher, auch wenn er derzeit insolvent ist, dem Rückgriff des Bürgen ausgesetzt bleibt. Insgesamt ist also wahrscheinlicher, daß die Diebstahlsklage trotz der Bürgschaft dem Entleiher zustand. Die Frage ist noch schwieriger im Fall des entleihenden Haussohnes: Der Vergleich mit der Bürgschaft des Entleihers spricht dafür anzunehmen, daß dem Haussohn die actio furti zusteht. Dieser kann jedoch grundsätzlich nicht selbst Rechte erwerben. Man könnte daher daran denken, daß die Diebstahlsklage in das peculium des Haussohnes fällt. Die Entscheidung Julians würde dann darin bestehen, daß er dem pater familias die unmittelbare Zuständigkeit zur Erhebung der actio furti abspricht, nicht aber den Erwerb über das Pekulium des filius. Da aber rechtlich auch eine Pekuliarforderung dem pater familias zusteht, wenn er sie auch erst nach Einziehung des Pekuliums geltend machen kann, ist zweifelhaft, ob diese Annahme, nach Julian falle die Diebstahlsklage in das Pekulium des Haussohnes, noch mit dem Wortsinn (patrem hoc nomine agere non posse bzw. actionem furti non habere) zu vereinbaren ist.704 Soll Eigentümer in einem Haftungs-, nicht aber in einem Schuldverhältnis; zustimmend F. SCHULZ. SZ 32 (1911) 90. 702 s. den Text o. A. 663 und dazu noch unten S. 228. 703 Dies wäre insbesondere dann sinnvoll, wenn im Prozeß des Eigentümers gegen den Bürgen der Bürge verlangen könnte, daß ihm der Eigentümer die Diebstahlsklage abtritt. Doch stand ihm dieses Recht auf Abtretung der actio furti wohl nicht zu, weil er die Sache nie besessen und deswegen weder unter dem Gesichtspunkt des Eigentums noch des Gewahrsams an der Sache „Bestohlener“ ist; s. dazu noch unten S. 219 ff. 704 Allenfalls unter dem Gesichtspunkt, daß eine Einziehung des Pekuliums selten war, könnte man versuchen, dieses Ergebnis noch mit der Aussage Julians in Einklang bringen. Doch bedeutet die Einklagung einer Pekuliarforderung durch den Vater selbst

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man deswegen annehmen, daß Julian dem Eigentümer die Diebstahlsklage zuspreche? Das erscheint zunächst unbefriedigend, weil der Eigentümer bei solventem Pekulium kein Vermögensrisiko trägt. Einen Anhaltspunkt zur Beantwortung der Frage bietet ein weiteres Fragment, das von Julian selbst stammt: D. 47,2,59(58) (Julian im 4. Buch ad Urseium Ferocem): Si filio familas furtum factum esset, recte is pater familias factus eo nomine aget. sed et si res ei locata subrepta fuerit, pater familias factus itidem agere poterit. Wenn (gegenüber) einem Haussohn ein Diebstahl begangen worden ist, klagt zu Recht er, wenn er Hausvater geworden ist, aus diesem Rechtsgrund; aber auch wenn eine ihm vermietete (verpachtete oder im Rahmen eines Werkvertrages übergebene) Sache gestohlen worden ist, wird er, wenn er Hausvater geworden ist, gleichfalls klagen können. Im ersten Fall des Fragments ist eine im Gewahrsam eines Haussohnes befindliche Sache gestohlen worden. Wer ihr Eigentümer war, wird nicht gesagt; es wird daher am ehesten eine Sache aus dem Pekulium des Haussohnes gewesen sein.705 Dann kann nach Julian der filius familias die Diebstahlsklage erheben, wenn er gewaltfrei geworden ist. Dabei wird mutmaßlich unterstellt, daß dem Sohn bei der Erlangung der Gewaltfreiheit das Pekulium als eigenes Vermögen überlassen wurde.706 Die Klage dürfte also bereits zuvor in das Pekulium gefallen sein. Der Sohn ist nach dem zweiten Teil des Fragments aber auch dann mit Erlangung der Gewaltfreiheit aktivlegitimiert zur actio furti, wenn die Sache nicht zum Pekulium gehörte, sondern dem Sohn im Wege einer locatio conductio übergeben worden war. Dieser zweite Fall der locatio conductio ist gleichzubehandeln mit dem der Leihe in fr. 14,10. Dann ergibt sich: Nach Julian steht die Diebstahlsklage nicht dem Vater zu wohl nicht zwingend eine (Teil-)Einziehung des Pekuliums; vielmehr kann der Vater auch eine Pekuliarforderung mit dem Ziel einklagen, daß die Urteilssumme wiederum in das Pekulium fällt. Dies kann hier nicht weiter vertieft werden. Wenn es aber so wäre, hätte Julian trotz des sittlichen Gebots, ein Pekulium nicht ohne weiteres zu entziehen, nicht schreiben dürfen patrem hoc nomine non agere posse, um zum Ausdruck zu bringen, daß die Forderung in das Pekulium falle. 705 Anders V. SAVIGNY, System des heutigen Römischen Rechts II (1840) 99 f. A. p: Die Sache habe sich im peculium castrense des Sohnes befunden; diese Information hätten die Kompilatoren gestrichen. Bei einem Diebstahl aus einem normalen Pekulium habe die Diebstahlsklage dem Vater zugestanden, weil der Diebstahl nur dessen Recht verletze. Dagegen weisen zu Recht BUHL, Salvius Julianus I (1886) 284 A. 5; 294; SOLAZZI, Sulla capacità del „filius familias“ di stare in giudizio, Bull. 11 (1898) 181 A. 1 = Scritti di diritto romano I (1955) 53 A. 105 darauf hin, daß der Haussohn hinsichtlich eines peculium castrense ohnehin als gewaltfrei behandelt wurde, so daß es auf pater familias factus nicht mehr ankommen kann. 706 So BUHL, Salvius Julianus I (1886) 294. Bei der Emanzipation war die Überlassung des Pekuliums an den Sohn (und nicht die Ademption, also die Einziehung des Sondergutes) die Regel, nur bei ausdrücklicher Einziehung erhielt der Sohn das Sondergut nicht; im Falle des Todes des pater familias bedurfte es dagegen eines ausdrücklichen Vorausvermächtnisses des Sondergutes an den Haussohn; ohne ein solches Vermächtnis fiel das Sondergut in die Erbmasse; s. dazu A. WACKE, Iura 42 („1991“, 1994) 43 ff.

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(fr. 14,10); der Sohn kann sie dann erheben, wenn er sui iuris wird (fr. 59). Offen bleibt aber, wem die Klage zusteht, solange der Sohn gewaltunterworfen ist. VON SAVIGNY nahm an, Julian zufolge könne die Diebstahlsklage bis zur Gewaltfreiheit des Sohnes gar nicht erhoben werden.707 Diese Annahme ist jedoch gänzlich unbefriedigend: Bis der Sohn gewaltfrei wird, bliebe der Dieb straflos; in dem Falle, daß der bestohlene Sohn bis zu seinem Lebensende in der väterlichen Gewalt bleibt, ginge der Dieb gar endgültig straflos aus. Eine solche Regelung wäre eine Einladung an Diebe, ihre Tätigkeit auf solche Sachen zu konzentrieren, die Haussöhne als Kustodienten für andere in Gewahrsam haben, um so das Risikos einer Bestrafung zu minimieren.

Dagegen stellte SOLAZZI708 die These auf, daß während der Gewaltunterworfenheit des Sohnes ausnahmsweise der Sohn selbst zur Erhebung der Diebstahlsklage befugt sei. Hierfür weist SOLAZZI darauf hin, daß auch nach anderen Quellen709 in bestimmten Fällen ein Haussohn eine Klage erheben konnte, ohne vom Vater hierzu ermächtigt worden zu sein. Insbesondere stützt sich SOLAZZI auf Ulpian D. 5,1,18,1, einen Text, der ebenfalls einen Diebstahl an Sachen behandelt, die der Vater dem Sohn gegeben hat (hier als Reisegeld [viaticum] für einen Studienaufenthalt in Rom). Nach dieser Quelle kann der Haussohn, wenn sein Vater unerreichbar ist und niemand anderes mit dessen Ermächtigung im Namen des Vaters klagt, auch ohne erklärte Einwilligung des Vaters eine actio utilis erheben, um eine Bestrafung des Diebes zu erreichen. Wenn aber der Sohn überhaupt in Einzelfällen als Kläger auftreten könne, so SOLAZZI, dann sei nicht auszuschließen, daß in Fragment 14,10 Julian auch ausnahmsweise dem Sohn eine ausschließliche Klagebefugnis zugestehe, bei der also der Vater selbst nicht zur Klage legitimiert sei. Doch spricht gerade Ulpian D. 5,1,18,1 gegen diese Annahme: Hier wird beim Diebstahl am Reisegeld eben nicht dem Sohn, sondern dem Vater die Diebstahlsklage zugesprochen; es handelt sich wörtlich um ein Beispiel für eine noxa ex qua patri actio competit. Der Sohn erhält nur eine (subsidiäre) Notkompetenz zur Geltendmachung der Klage, also eine Klagebefugnis, die unter der Voraussetzung steht, daß der Vater abwesend und auch niemand sonst vorhanden ist, der mit Ermächtigung des Vaters klagen könnte. Nach dem Text erhebt der Sohn zudem nicht die zivile Klage selbst, sondern eine actio utilis. Wenn aber schon im Falle eines Diebstahles am Reisegeld dem Sohn keine eigene Klage zusteht, ist nicht einzusehen, wieso ihm eine eigene, vom Vater unabhängige Klage zustehen sollte, wenn eine fremde, ihm im Rahmen einer locatio conductio oder eines Kommodats anvertraute Sache gestohlen wird.710 Abgesehen davon spricht auch das oben zitierte Julian-Fragment D. 47,2,59(58) eher gegen die Annahme, der Sohn könne schon als Gewaltunter707 V. SAVIGNY, System des heutigen Römischen Rechts II (1840) 99 f. A. p. 708 SOLAZZI, Bull. 11 (1898) 181 A. 1 = DERS., Scritti di diritto romano

I (1955) 52 f. A. 105. 709 s. hierzu SOLAZZI, Bull. 11 (1898) 161 ff. (zu Ulpian D. 5,1,18,1: 178 ff.) = DERS., Scritti di diritto romano I (1955) 37 ff. (zu Fr. 18,1: 51 ff.) sowie zu den von SOLAZZI behandelten Quellen bereits BUHL, Salvius Julianus I (1866) 285 ff. 710 Außerdem ist bemerkenswert, daß in (Julian-)Paulus D. 44,7,9 im Rahmen einer Aufzählung derjenigen Klagen, die einem Haussohn ausnahmsweise im eigenen Namens zustehen können, die actio furti nicht erwähnt wird: Filius familias suo nomine nullam actionem habet, nisi iniuriarum et quod vi aut clam et depositi et commodati, ut Iulianus putat.

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worfener die Klage selbst geltend machen: Die zweifache ausdrückliche Erwähnung, der Sohn könne pater familias factus die Diebstahlsklage erheben, legt einen Umkehrschluß sehr nahe, daß er sie vor Erlangung der Gewaltfreiheit nicht erheben kann.711 Wenn demnach weder der Vater noch der Sohn die Klage erheben können und sie auch nicht bis zur Gewaltfreiheit des Sohnes undurchsetzbar sein soll, bleibt nur die Möglichkeit, daß sie dem Eigentümer zusteht.712 Der Vergleich mit dem Fall des Bürgen für den Entleiher spricht nicht gegen diese Annahme, obwohl im Bürgenfall wahrscheinlich dem Hauptschuldner die Klage zusteht und nicht dem Verleiher: Anders als im Bürgenfall trifft den Hauptschuldner im Fall des Haussohnes keine echte Schuld, sondern nur eine Naturalobligation, so daß die Fälle hinsichtlich der Frage, wem positiv die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage zusteht, nicht gleich behandelt werden müssen. Ganz deckungsgleich wären die Fälle nur dann, wenn man sich vorstellt, es ginge um die Bürgschaft für eine Naturalobligation, die nach römischem Recht voll wirksam vereinbart werden konnte.713 Dann könnte wahrscheinlich der Hauptschuldner die Aktivlegitimation nicht erhalten, weil er dem Eigentümer nicht wirksam das Diebstahlsrisiko abnimmt, und dem Bürgen würde Julian die Aktivlegitimation absprechen, weil er nicht die eigene Bewachung der Sache schuldet, sondern nur für fremde Schuld mithaftet. Hier käme Julian also nicht umhin, dem Eigentümer die Diebstahlsklage zuzusprechen, obwohl er wegen der Absicherung durch den Bürgen aus dem Diebstahl kein Vermögensrisiko trägt. Daß der Eigentümer die Diebstahlsklage erhält, obwohl er wegen der Haftung eines anderen keinen Vermögensnachteil behält, begegnet uns noch in anderen Fällen, in denen die klassischen Juristen zum Zwecke der Einschränkung des Kreises der Aktivlegitimierten dem Haftenden trotz seines Haftungsinteresses die Diebstahlsklage absprechen.714 Hier lebt der – stets zumindest subsidiär geltende – Grundsatz auf, daß zur Diebstahlsklage der Eigentümer berechtigt 711 Den Umkehrschluß hält SOLAZZI, Bull. 11 (1898) 181 A. 1 = DERS., Scritti di diritto romano I (1955) 52 f. A. 105 dagegen nicht für zwingend. 712 So im Ergebnis F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 90 f., der diese Entscheidung zwar für klassisch, aber sachlich für verfehlt hält und auf den Widerspruch zu Ulpian D. 47,2, 52,9 (dazu sogleich im Text) hinweist. 713 Hierzu KASER, RP I 481 mit A. 18. 714 Deutlich Papinian D. 47,2,81(80),7 (dazu o. S. 163 ff. und u. S. 219 ff.), wo dem haftenden Geschäftsherrn Titius die Diebstahlsklage abgesprochen wird cum Titii nummorum dominium non fuerit neque possessio und sie deswegen beim Eigentümer verbleibt. Auch Ulpian D. 47,2,14,14 (s. dazu schon o. A. 665 und noch u. A. 821) ist hier anzuführen. Zwar ist nicht ganz sicher, ob beim Diebstahl einer geliehenen Sache aus einer ruhenden Erbschaft (nach dem Tod des Entleihers) die Erbschaft haftet, weil vor Antritt der Erbschaft keine Person vorhanden ist, die die Sache hätte bewachen können (mit dieser Begründung lehnen die Haftung der Erbschaft ab BUCKLAND, TR 10 (1930) 130 f.; THOMAS, TR 36 [1968] 489 ff. [504 A. 67]). Doch spricht für die Annahme einer Haftung der Erbschaft, daß der Eigentümer bezeichnet wird als alius, cuius interest; das läßt sich so verstehen, daß auch die Erbschaft (bzw. der künftige Erbe) an sich ein Interesse rem non subripi hat und also haftet. Die ruhende Erbschaft erhält demnach die Diebstahlsklage nur deswegen nicht, weil niemand den Besitz an den zu ihr gehörenden Sachen hat und eine bloße Haftung ohne Besitz nach der Formulierung von Paulus D. 47,2,86(85) nicht ausreicht für den Erwerb der Diebstahlsklage (s. dazu noch unten S. 211 ff., 219 ff. sowie ebenfalls A. 821). Stattdessen steht die Diebstahlsklage deswegen dem Eigentümer zu; ebenso JOLOWICZ, De furtis (1940) 17 A. 14.

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ist.715 Nun bildet Julian freilich nicht genau diesen Vergleichsfall, daß nämlich den Hauptschuldner nur eine Naturalobligation trifft. Das hat aber seinen Grund darin, daß es Julian mit dem Vergleichsfall allein darum geht zu begründen, daß dem Vater die Aktivlegitimation zur actio furti nicht zusteht; irrelevant ist für seine Betrachtung, wem die Klage stattdessen zukommt. Demnach steht nach Julian bei einem Diebstahl einer einem Haussohn geliehenen Sache bis zur Erlangung der Gewaltfreiheit durch den Sohn wahrscheinlich dem Eigentümer die Diebstahlsklage zu. Mit Erreichung der Gewaltfreiheit erwirbt sie der Sohn. Der Übergang vom Eigentümer auf den Sohn hat, falls der Eigentümer noch nicht vom Vater entschädigt wurde, seinen Grund darin, daß der Sohn nunmehr voll haftet: Wenn er die Gewaltfreiheit durch Emanzipation erlangt, erlischt zwar seine Schuld durch capitis deminutio, der Prätor gewährt aber causa cognita gegen ihn eine Klage in id quod facere potest.716 Diese Klage gegen ihn wird auch gewährt, wenn er aus anderem Grund gewaltfrei wird, ohne den Vater zu beerben.717 An den Fall, daß der Haussohn seinen Vater beerbt, denkt Julian bei der Formulierung von D. 47,2, 59(58) vielleicht weniger.718 Ebenso könnte Julian auch den Fall außer Betracht gelassen haben, daß der Vater wegen seiner Haftung de peculio bereits vor der Gewaltfreiheit des Sohnes den Eigentümer entschädigt hat.719 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß Ulpian selbst den Fall des Haussohnes anders entscheidet als Julian (und Celsus). Dies ergibt sich aus D. 47,2,52,9 (Ulpian im 37. Buch ad Sabinum): Si servus tuus vel filius polienda vestimenta susceperit, an furti actionem habeas, quaeritur. et si quidem peculium servi solvendo sit, potes habere furti actionem: si non fuerit solvendo, dicendum est non competere furti actionem.

715 Vgl. dazu schon oben A. 634 zum Grundsatz der Aktivlegitimation des Eigentümers. 716 Ulpian D. 14,5,2pr.; KASER, RP I 343; A. WACKE, SDHI 60 (1994) 469 ff. 717 Ulpian D. 14,5,2,1. 718 Die soeben genannte prätorische Klage scheint dann nicht gewährt worden zu sein, so daß der Sohn nur als Erbe haftet. Ist er Alleinerbe, muß er als solcher für den Diebstahl aufkommen; daß er als früherer Kustodient nun aber auch die Diebstahlsklage erhalten soll, obwohl sie dem Vater nicht zustand, ist möglich, aber ungewiß. Wenn der Sohn den Vater nur als Miterbe beerbt, fällt zudem grundsätzlich das Pekulium in die Erbmasse, so daß Pekuliarschulden und Pekuliaraktiva nicht unmittelbar den Sohn betreffen. Nur in dem (in der Praxis mutmaßlich typischen) Fall, daß dem Sohn sein Pekulium durch Vorausvermächtnis übertragen worden ist, haftet dieser nach der Mindermeinung des Julian (D. 33,4,1,10) ipso iure auch für Schulden des Gewalthabers (s. hierzu A. WACKE, Iura 42 [„1991“, 1994] 59 ff., 67 f.), so daß es auch hier – unter denselben Bedenken wie bei einer Alleinerbschaft des Sohnes – gerechtfertigt sein könnte, ihm nunmehr die Diebstahlsklage zu gewähren. 719 Dann könnte sich die Aktivlegitimation des Sohnes vielleicht aus dem Gesichtpunkt rechtfertigen, daß der Vater (bzw. die Erben) seine Zahlung dem Pekulium des Sohnes in Rechnung stellen kann und so der Wert des Sondergutes gemindert ist. Auch für diese Argumentation ist freilich zu unterstellen (wie schon im ersten in D. 47,2,59[58] geschilderten Fall, s. o. bei A. 706), daß bei Erlangung der Gewaltfreiheit dem Sohn das Pekulium übertragen wurde, im Falle der Miterbschaft nach dem pater familias also typischerweise durch Vorausvermächtnis.

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Wenn Dein Sklave oder Sohn Kleidungsstücke zur Reinigung übernommen hat, fragt es sich, ob du die Diebstahlsklage hast. Und wenn freilich das Sondergut des Sklaven ausreichend ist, kannst Du die Diebstahlsklage haben; wenn es [dagegen] nicht ausreichend war, muß man sagen, daß [dir] die Diebstahlsklage nicht zustehe. Ulpian spricht hier in einem anderen Buch des Sabinuskommentars dem Hausvater bei hinreichendem, also nicht überschuldetem Pekulium die actio furti zu,720 wenn ein filius familias oder ein Sklave Kleider zur Reinigung übernommen hat und diese gestohlen wurden. Obwohl die Antwort nur auf den Fall eines Sklaven abstellt, ist die Aussage des Textes gleichermaßen für einen Sklaven wie einen Haussohn dieselbe.721 Die Antwort Ulpians weicht aber in nicht zu vereinbarender722 Weise von der in fr. 14,10 angeführten Meinung Julians ab. Das spricht für die Annahme, daß Ulpian in fr. 14,10, insbesondere mit der indirekten Rede zu Beginn des Fragments (et Iulianus ait . . . debeat), nur die Meinung Julians wiedergibt, der sich Celsus mit anderer Begründung anschließt. In fr. 14,10 fehlt demnach die Darstellung von Ulpians eigener Meinung zum Fall des pater familias, der sich vermutlich trotz dieser gewichtigen Autoritäten der Gegenansicht anschloß; in fr. 52,9 ist umgekehrt wahrscheinlich ein Kontro-

720

Vgl. auch PS 2,31,20, freilich mit nur mittelbar zu erschließendem Sachverhalt: Pater vel dominus de ea re, quae filio familias vel servo subrepta est, furti agere potest: interest enim ei deferri actionem, qui de peculio convenitur. – Der Vater beziehungsweise Eigentümer kann wegen derjenigen Sache, die einem Haussohn oder Sklaven gestohlen worden ist, die Diebstahlsklage erheben: Es kommt nämlich darauf an, daß demjenigen die Klage übertragen wird, der wegen des Pekuliums in Anspruch genommen wird. – Da eine Haftung des Hausvaters bzw. Sklaveneigentümers de peculio unterstellt wird, ist auch hier davon auszugehen, daß es sich um eine fremde Sache handelt, die der mit einem solventen Pekulium ausgestattete Sohn bzw. Sklave (wohl unter Geltung einer custodia-Haftung) an sich genommen hat. Zur eingeschränkten Glaubwürdigkeit dieser Quelle sowie des Titels de furtis der Paulus-Sentenzen insgesamt s. F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 75 ff., 91; HAYMANN, SZ 40 (1919) 186 f. A. 3; ohne Zweifel an der Glaubwürdigkeit dagegen VAN DEN BERGH, FS Scheltema (1971) 32 f. 721 Dafür spricht auch PS 2,31,20 (s. soeben A. 720). Wenn man diese Quelle freilich für unglaubwürdig hält, käme eine Unterscheidung zwischen Sklaven und Haussohn in Betracht: Julian, der dem Hausvater die Aktivlegitimation abspricht, behandelt in beiden Fragmenten (14,10 und 59) nur den Fall des Haussohnes, Ulpian beantwortet in fr. 52,9 nur die Frage nach dem Sklaven. Doch ist ein rechtfertigender Grund für diese Unterscheidung kaum ersichtlich. – Der Interpolationsverdacht bezüglich fr. 52,9 von HAYMANN, SZ 40 (1919) 186 f. ab et si quidem bis zum Ende des Fragments ist kaum begründet. 722 Ebenso halten den Konflikt inhaltlich für unlösbar F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 91; HAYMANN, SZ 40 (1919) 186 f.; FLUME, Studien zur Akzessorietät (1932) 43 f.; sowie die u. A. 723 Genannten. Zur inhaltlichen Vereinigung der Quellen könnte man allenfalls annehmen, (Julian-)Ulpian fr. 14,10 behandele nur den Fall des Hauskinds, Ulpian fr. 52,9 den des Sklaven (s. aber dazu soeben A. 721). Eine andere Möglichkeit wäre es, (Julian-)Ulpian fr. 14,10 nur auf die Zeit nach Erlangung der Gewaltfreiheit durch den Sohn zu beziehen. Doch ist dafür im Text des Fragments 14,10 kein Anhalt. Schließlich wäre daran zu denken, daß beide widersprüchlich erscheinenden Formulierungen (potes habere furti actionem in fr. 52,9; patrem hoc nomine non agere posse bzw. (pater) non habet actionem furti in fr. 14,10) dasselbe meinen, nämlich daß die Klage dem pater familias nicht direkt zusteht, sondern in das Pekulium des Sohnes fällt. Freilich müßte man dafür den Text des fr. 14,10 sehr frei interpretieren (s. o. A. 704).

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versenbericht gestrichen.723 Für die Annahme einer Kontroverse spricht auch die Verwendung des Wortes quaeritur in den Einleitungssätzen beider Fragmente. In der Spätklassik scheint demnach abweichend von den hochklassischen Autoritäten Julian und Celsus die actio furti dem Hausvater auch bei einem Diebstahl aus dem Gewahrsam eines Gewaltunterworfenen gewährt worden zu sein, wenn der Hausvater wegen des Diebstahles einem Dritten aus Vertrag de peculio haftete.724 – Die Ablehnung der Aktivlegitimation des Bürgen des Entleihers scheint dagegen allgemeiner (also auch noch spätklassischer) Auffassung zu entsprechen, wie die Übereinstimmung mit Paulus D. 47,2,86(85)725 vermuten läßt.726

Den Grund für die Verweigerung der actio furti an den Hausvater durch Julian formuliert in Fragment 14,10 noch einmal ausdrücklich der verallgemeinernde Satz, von dem nicht ganz klar ist, ob er auch auf Julian zurückgehen soll, den jedenfalls aber auch Celsus gebilligt haben soll: Nicht jedem Interessenten stehe die actio furti zu, sondern nur demjenigen, qui ob eam rem tenetur quod ea res culpa eius perierit. Dieser Satz ist nach dem bisher Gesagten so zu verstehen, daß nur derjenige zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert ist, der selbst die Bewachung der Sache schuldete. Wer dagegen nur für die Bewachung durch einen anderen einstehen muß, erhält die actio furti nicht. Merkwürdigerweise ist aber in diesem Satz nicht von custodia die Rede, sondern von culpa, obwohl die unmittelbar zuvor in indirekter Rede geäußerte Begründung für die Ablehnung der Aktivlegitimation zur actio furti noch lautete: quia custodiam praestare non debeat. Würde man custodia und culpa als einander ausschließende Haftungsmaßstäbe begreifen, wäre dieser Formulierungswechsel unverständlich: Dann bliebe unklar, ob nur demjenigen die Diebstahlsklage zustehen soll, der für custodia einstehen muß, wie aus der ersten Formulierung folgt, oder ob nur demjenigen, der für culpa haftet, wie sich als Konsequenz aus der zweiten Formulierung ergibt. Wegen dieses vermeintlichen Widerspruchs hat man die Erwähnung der culpa für interpoliert gehalten.727 Bei Annahme einer Interpolation 723 So auch KASER, FG v. Lübtow (1980) 320 A. 137 = DERS., Rechtsquellen (1986) 250 mit A. 137; ähnlich schon CANNATA, Ricerche sulla responsabilità (1966) 40–42, dort S. 42 A. 6 w. N. zu anderen Erklärungsversuchen. Auch BUCKLAND, TR 10 (1930) 117 (138 f.) geht von einer Meinungsverschiedenheit zwischen einer älteren (fr. 14,10) und einer jüngeren Lehre (fr. 52,9) aus. Er ordnet allerdings in wenig überzeugender Weise die ältere, von Ulpian in seinem Sabinus-Kommentar („a treatise on the ius civile“) überlieferte Ansicht dem ius civile, die jüngere, von Ulpian im Kommentar ad edictum aufgestellte Ansicht dem ius honorarium zu; ihm zustimmend JOLOWICZ, De furtis (1940) 16 A. 10. 724 s. dazu noch unten S. 219 ff. 725 In Paulus D. 47,2,86(85) wird die actio furti dem Bürgen eines colonus im Ergebnis wie bei (Julian-)Ulpian fr. 14,10, aber mit der anderen Begründung abgesprochen, daß der Bürge die Sache nicht mit dem Willen des Eigentümers innehatte; s. auch dazu noch unten S. 219 ff. 726 Ebenso KASER, FG v. Lübtow [1980] 320 mit A. 138 = DERS., Rechtsquellen (1986) 250 mit A. 138. 727 Für Interpolation des quod-Satzes z. B. F. SCHULZ, GrünhutZ 38 (1911) 24 A. 49, vgl. S. 30 f.; DERS., SZ 32 (1911) 90 m.w. N. (die Identifizierung von culpa mit custo-

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wäre allerdings kaum verständlich, wieso unmittelbar zuvor die Erwähnung der custodia erhalten geblieben ist. Näher liegt deswegen die These, daß der Wortwechsel auf Ulpian zurückgeht:728 Während er mit quia custodiam praestare non debeat, wie am Konjunktiv erkenntlich, noch in indirekter Rede (also in neutral wiedergebender Distanz zu der mitgeteilten Ansicht) eindeutig nur die Meinung Julians wiedergibt,729 ist der Bezug auf Julian für den Satzteil sed qui ob eam rem tenetur, quod ea res culpa eius perierit nicht mehr so deutlich;730 Ulpian könnte hier also auch einen Gedanken wiedergeben, den vielleicht nur sinngemäß bereits Julian zum Ausdruck gebracht hat, der aber in seiner Formulierung, zumindest in Hinsicht auf die zusätzliche Erläuterung quod ea res culpa eius perierit, von Ulpian selbst stammt. Auch die Billigung des Celsus bezieht sich möglicherweise nur auf das fallentscheidende Argument, nämlich auf die Abgrenzung der Mithaftung für einen anderen von der eigenen Pflicht zur Rückgabe und Bewachung der Sache; quam sententiam Celsus quoque pro-

dia sei sachlich verfehlt; die Wiederholung der Worte eam rem/ea res stilistisch anstößig); HAYMANN, SZ 40 (1919) 185 ff. (der sogar [habet furti actionem, sed . . . perierit] streicht); FLUME, Studien zur Akzessorietät der römischen Bürgschaftsstipulationen (1932) 43 A. 1, S. 44 (der ab neque verdächtigt); JOLOWICZ, De furtis (1940) 15 A. 10, der HAYMANN folgt; DE ROBERTIS, ABari 10 (1949) 67 f.; ARANGIO-RUIZ, Responsabilità contrattuale in diritto romano (3. Aufl. 1958) 87 f., vgl. S. 268; CANNATA, Ricerche sulla responsabilità (1966) 43; KASER, SZ 96 (1979) 101 A. 46; DERS., FG v. Lübtow (1980) 321, vorsichtiger in der überarbeiteten Fassung des Aufsatzes in DERS., Rechtsquellen (1986) 251; REICHARD, SZ 107 (1990) 69 A. 105. Ohne diese Interpolationsannahme ROSENTHAL, SZ 68 (1951) 247 f. (zu ihm s. aber schon o. A. 649 und 692); MACCORMACK, SZ 89 (1972) 170 f. mit A. 66 freilich vor dem Hintergrund seiner generellen Deutung der custodia als culpa in custodiendo (s. dazu o. A. 649). 728 Dem steht nicht entgegen, daß Ulpian sich auf Julian und Celsus beruft: Der Haftungsmaßstab selbst ist nicht das Thema dieser Quelle; vielmehr geht es darum, daß nur derjenige zur actio furti legitimiert ist, der selbst wegen seiner persönlichen Pflicht zur Restitution dem Eigentümer im Falle des Diebstahls Schadensersatz schuldet, nicht auch ein Mitverpflichteter. Nur für diese Aussage bezieht sich vermutlich Ulpian auf die beiden älteren Juristen. 729 Der er selbst im Hinblick auf die Aktivlegitimation des Hausvaters nicht folgt, s. D. 47,2,52,9 und dazu o. A. 712. 730 Das letzte inquit, das auf Julian verweist, könnte sich auch nur auf den Satz bis tenetur beziehen, der auch ohne den quod-ea-Nebensatz für sich bestehen könnte, wie schon diejenigen meinen, die den quod-ea-Satz für interpoliert halten (s. o. A. 727), vgl. insbes. KASER, FG v. Lübtow (1980) 321 = (mit Zurückhaltung gegenüber der Interpolationsannahme) DERS., Rechtsquellen (1986) 251. Zum Übergang aus der indirekten Rede in die direkte Rede über inquit vgl. ferner KÜBLER /STEGMANN, Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache, 2. Teil: Satzlehre, II. Band (2. Aufl. 1912, Nachdruck 1966) § 239 Anm. 5 (S. 548 f.). Allerdings teilt der quod ea-Satz nicht die eigene Auffassung von Ulpian selbst mit; Ulpian selber scheint in casu den Vater für aktivlegitimiert zur Diebstahlsklage zu halten, wie sich aus D. 47,2,52,9 ergibt (s. o. S. 194). Der Satz dient also der Mitteilung und Erläuterung der fremden Auffassung von Julian und Celsus mit (Ulpians) eigenen Worten unter Übertragung des fallentscheidenden Arguments der älteren Juristen in die Begrifflichkeit des (Ulpian) eigenen Haftungssystems (dazu sogleich im Text).

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bat bedeutet jedenfalls nicht, daß die Formulierung unter Verwendung des Wortes culpa auf Celsus zurückgeht. Wenn aber der Gebrauch des Wortes culpa von Ulpian stammt, zeigt sich hierin ein spezifisches Verständnis Ulpians von dem Verhältnis von custodia und culpa: Nicht etwa ist die culpa ein von der custodia scharf (d. h. ohne Überschneidung) getrennter Haftungsmaßstab; dann wäre der Wechsel von custodia zu culpa nicht verständlich. Vielmehr ist culpa für Ulpian offenbar das allgemeinere Wort gegenüber custodia, die custodia ein Sonderfall der culpa.731 Das ließe sich etwa so erklären, daß Ulpian die custodia als besondere Bewachungspflicht begreift, deren Verletzung sich im Erfolg des Diebstahls manifestiert, so daß bei einem Diebstahl stets culpa vorliegt.732 Diese besondere Bewachungspflicht übernimmt der Verpflichtete in denjenigen Fällen, in denen die älteren Juristen von custodia sprechen. Daß Ulpian hier von culpa statt von custodia spricht, würde sich demnach daraus erklären, daß er den Gedanken der Abgrenzung von eigener Schuld und Haftung für andere Personen möglichst allgemein formulieren will: Inhaber der actio furti ist nur derjenige, dessen Person die Pflicht zur Bewachung trifft; die Haftung für die Bewachung durch einen anderen genügt dagegen nicht, und zwar unabhängig davon, ob es sich um die in den custodia-Fällen geschuldete Bewachungsgarantie handelt oder nur um eine aus der allgemeinen Pflicht zum sorgsamen Umgang mit der fremden Sache resultierende Pflicht zur Verhinderung von Diebstählen. Diese Auslegung stimmt mit einer in der modernen Literatur, insbesondere von TAFARO und CARDILLI,733 vorwiegend aufgrund von anderen Quellen aufge731 Vgl. schon KASER, FG v. Lübtow (1980) 321 = DERS., Rechtsquellen (1986) 251 mit weiteren Hinweisen in A. 139, der erwägt, culpa hier in der weiten Bedeutung des „haftbar machenden Verhaltens“ zu verstehen. 732 Vgl. schon KASER, RP I 507: Man habe „auch die custodia-Haftung auf typisiertes Verschulden zurückgeführt“: „Wer den schadenverhütenden Erfolg der Bewachung garantiert, aber dennoch den Schadenseintritt nicht verhindert, handelt nach typisierter Vorstellung schuldhaft . . .“ – Gegen die Versuche, die custodia als subjektiven Haftungsmaßstab im Sinne einer culpa in custodiendo zu deuten (s. o. A. 649), siehe aber schon die ebenfalls oben A. 649 angeführte Literatur. 733 TAFARO, Regula e ius antiquum (1984) passim (dazu kritisch LITEWSKI in seiner Besprechung des Werkes von TAFARO in SZ 105 (1988) 868 ff., der stattdessen mit der bislang herrschenden Meinung kompilatorische Eingriffe zu Lasten der custodia annimmt, die vielfach ‹custodia› z. B. durch [diligentia] ersetzt hätten); CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995). Ähnlich in der Darstellung der Entwicklung bereits CANNATA, Ricerche sulla responsabilità (1966) 58 f., 114 ff., 142 f., der allerdings wenig überzeugend die Entwicklung zur Auflösung des selbständigen Haftungsmaßstabes der custodia und zu ihrer Integration in ein einheitliches, auf dolus, culpa und diligentia aufbauendes Haftungssystem zeitlich erst in die Nachklassik datiert; DERS., Sul Problema della Responsabilità nel Diritto Privato Romano (1996) 73 ff., 144 ff., 154 ff. ordnet die Entwicklung ebenfalls als „postclassica“ ein, aber immerhin als „epiclassica“; auch KASER, RP II 351 ff. (s. aber DENS., o. A. 732) hält die Entwicklung im wesentlichen, wenn auch vorsichtig, für nachklassisch.

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stellten These zusammen, daß sich in der Spätklassik ein neues Haftungssystem etabliert habe: Die älteren Juristen hätten den Terminus custodiam praestare noch als eigenständigen Haftungsmaßstab begriffen, demzufolge der Schuldner für einen Diebstahl auch ohne culpa einzustehen habe. Diese Auffasung hätten noch Celsus und Julian geteilt.734 Für Celsus und Julian hätte also custodiam praestare selbständig und gleichberechtigt neben dolum und culpam praestare gestanden. Nach ersten Ansätzen von Gaius735 habe dagegen Ulpian736 versucht, ein neues, einfacheres System vertraglicher Verantwortung zu entwickeln, das hauptsächlich737 auf einer Dichotomie von dolus und culpa aufbaue. Weitere von den veteres übernommene Haftungskriterien wie insbesondere die custodia habe man in dieser Zeit versucht, in die culpa zu integrieren738 oder sie

734 So CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 445 f.; 446 ff. (insbes. 453) zu (Celsus-)Ulpian D. 13,6,5,15 für Celsus; 469 ff. (472 f., 481) zu (Julian-)Ulpian D. 16,3,1,35 und weiteren Quellen, insbesondere S. 473 (auch S. 177) zu der hier besprochenen (D. 47,2,14,10) für Julian. 735 CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 483 ff.; vgl. schon TAFARO, Regula e ius antiquum (1984) 240 ff., ferner S. 316 f. s. noch sogleich A. 738. 736 CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 466 f.; 502 f.; 504 ff.; vgl. schon TAFARO, Regula e ius antiquum (1984) passim, insbes. S. 239 f., 286; zentrale Texte für diese Deutung der Haltung Ulpians sind Ulpian D. 13,6,5pr.-15 und D. 50,17,23. 737 Auf die genauere Bedeutung der in Ulpian D. 50,17,23 erwähnten diligentia, die in spätklassischer Zeit jedenfalls auch die Funktion eines Nachfolgebegriffes für die custodia zu haben scheint (vgl. z. B. Gaius D. 18,6,2,1; Paulus D. 18,6,3) und ihr Verhältnis zur culpa kann in unserem Zusammenhang nicht eingegangen werden; s. z. B. CANNATA, Ricerche sulla responsabilità (1966) 114 ff., 143; zur schillernden Funktion der diligentia s. etwa noch ROSENTHAL, SZ 68 (1951) 220 f. 738 Vgl. insbesondere die Formulierung in Gaius D. 13,6,18pr. In rebus commodatis talis diligentia praestanda est, qualem quisque diligentissimus pater familias suis rebus adhibet, ita ut tantum eos casos non praestet, quibus resisti non possit, veluti mortes servorum quae sine dolo et culpa eius accidunt, latronum hostiumve incursus, piratarum insidias naufragium, incendium, fugas servorum qui custodiri non solent . . . und dazu CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 496 ff., 513 f. (im Anschluß an CANNATA, Ricerche sulla responsabilità [1966] 114 ff. und DENS., Sul Problema della responsabilità nel Diritto Privato Romano [1996] 74 ff.): Der in dem überkommenen Terminus custodiam praestare enthaltene Garantiehaftung für jeden Verlust einer Sache auch ohne culpa werde hier neu begriffen als die Pflicht zur Anwendung eines sehr hohen Sorgfaltsmaßstabes, nämlich der Sorgfalt eines äußerst sorgfältigen Familienvaters (der einen Diebstahl seiner Sachen im allgemeinen nicht zuläßt, aber andere Gründe des Sachverlusts – wie z. B. den Überfall durch Räuber, Feinde oder Piraten oder auch eine Feuersbrunst etc. – nicht verhindern kann). Insoweit findet sich nach CARDILLI bei Gaius schon ein Ansatz zu einer weitergehenden nachklassischen, bis in die justinianische Zeit anhaltenden Entwicklung, die dazu geführt habe, daß man die custodia ausschließlich als culpa in custodiendo gedeutet habe. S. ferner Gaius D. 18,1,35,4: Si res vendita per furtum perierit, prius animadvertendum erit, quid inter eos de custodia rei convenerat: si nihil appareat convenisse, talis custodia desideranda est a venditore, qualem bonus pater familias suis rebus adhibet: . . . und dazu CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 493 ff., 500; Gaius D. 18,6,2,1 mit CARDILLI, a. a. O., 495.

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gelegentlich als vom Einzelfall geforderte Besonderheit in ihrer Bedeutung herunterzuspielen.739 Wenn diese These zutrifft, die sich an D. 47,2,14,10 bewährt, aber im vorliegenden Zusammenhang nicht näher untersucht werden kann,740 liegt es nahe, daß die spätklassische Integration der custodia in die culpa (als Sonderfall eines zuweilen geschuldeten äußersten Sorgaltsmaßstabes) Auswirkung auch auf die Lehre von der Aktivlegitimation zur actio furti hatte: Unter den älteren Juristen (jedenfalls Celsus und Julian) war anerkannt, daß derjenige wegen seines Haftungsinteresses zur actio furti aktivlegitimiert sei, der für custodia hafte. Mit der Auflösung der custodia als besonderer Haftungskategorie und ihrer Eingliederung in die culpa scheint diese Überlegung auf alle Fälle auch der Haftung für culpa verallgemeinert worden zu sein: Nunmehr scheint jedem, der wegen seiner Haftung für culpa im spätklassischen Sinne dem Eigentümer für den Diebstahlsschaden verantwortlich ist, die actio furti zuzustehen, unabhängig davon, ob ihn eine besondere Überwachungsgarantie im Sinne der alten custodia trifft oder er wegen Verletzung allgemeiner Sorgfaltspflichten (d. h. wegen culpa im engeren alten Sinne) haftet. 2. Ulpian D. 47,2,14,11: Die actio furti des verklagten Prekaristen Ein weiteres Mal taucht der Gedanke der Aktivlegitimation zur actio furti bei der Haftung für culpa im nächsten Paragraphen auf: D. 47,2,14,11 (Ulpian im 29. Buch ad Sabinum): Is qui precario servum rogaverat subrepto eo potest quaeri an habeat furti actionem. et cum non est contra eum civilis actio (quia simile donato precarium est) ideoque et interdictum necessarium visum est, non habebit furti actionem. plane post interdictum redditum puto eum etiam culpam praestare et ideo et furti agere posse. Es läßt sich die Frage stellen, ob derjenige die Diebstahlsklage hat, dem aufgrund einer Bittleihe ein Sklave überlassen worden ist und dem dieser gestohlen worden ist. Und weil es gegen ihn nach Zivilrecht keine Klage gibt (weil das precarium einer Schenkung ähnlich ist) und deswegen auch das Interdikt für notwendig erachtet worden ist, wird er die Diebstahlsklage nicht haben. Ich meine allerdings, daß nach Erteilung des Interdikts er auch für Verschulden (culpa) haftet und deshalb auch die Diebstahlsklage erheben kann.

Jemand hat einen Sklaven als precarium erhalten, also als eine Art Leihgabe auf jederzeitigen Widerruf.741 Aus dem precarium resultierte nach diesem Be739

So besonders deutlich TAFARO, Regula e ius antiquum (1984) 239 f., vgl. S. 286. Zu der umfangreichen Literatur über die Haftung für custodia s. bereits o. A. 649. 741 Zum Begriff des precarium s. nur Ulpian D. 43,26,1pr.; HEUMANN /SECKEL, s. v. precarius 2); KASER, RP I 388 f.; s. zum precarium außerdem SOKOLOWSKI, Die Philo740

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richt Ulpians keine zivilrechtliche Klage auf Rückgabe der Sache;742 entsprechend haftet der Prekarist aus dem precarium nicht nach Zivilrecht, wenn er die Sache wegen eines Diebstahls nicht zurückgab. Folglich spricht Ulpian ihm die Aktivlegitimation zur actio furti ab, weil er kein Interesse am Unterbleiben des Diebstahls habe. Zum Schutze des Verleihers führte der Prätor aber das interdictum de precario ein. Aufgrund dieses Interdikts hatte der Prekarist dem Verleiher die Sache zu restituieren und haftete auf Ersatz, wenn er sie aufgrund eines eigenen dolus nicht zurückgeben konnte.743 Hatte der Prekarist dagegen vor der Geltendmachung des Interdikts durch den Verleiher die Sache nur fahrlässig (aufgrund von culpa) verloren, so haftete er nicht.744 Nach dem allgemeinen Grundsatz (nemo debet) ex dolo suo furti quaerere actionem745 vermochte jedoch auch die Haftung für dolus nicht den Erwerb der actio furti durch den Prekaristen zu rechtfertigen.746 Wenn aber der Prätor im Einzelfall das Interdikt zugunsten des „Verleihers“ erteilt hatte, haftete nach Ulpian der Prekarist in der Folgezeit auch für culpa. Deswegen soll ihm auch die actio furti zustehen, wenn – wie zu unterstellen ist747 – im Einzelfall der Diebstahl durch Nachlässigkeit des Prekaristen ermögsophie im Privatrecht II (1907, Neudruck 1959) 80 ff.; LEVY, Vom römischen Precarium zur germanischen Landleihe, SZ 66 (1948) 1 ff.; ZAMORANI, Precario habere (1969) (allerdings mit sehr weitreichenden Interpolationsannahmen); KASER, Zur Geschichte des precarium, SZ 89 (1972) 94 ff.; P. BIAVASCHI, Ricerche sul precarium (Milano 2006). 742 Ebenso Paulus D. 43,26,14. Auf den Streit um das Verhältnis dieser Aussage zu der in Julian D. 43,26,19,2 und Ulpian D. 43,26,2,2 erwähnten actio praescriptis verbis soll hier nicht eingegangen werden (hierzu BIONDI, Contratto e stipulatio [1953] 120; ZAMORANI, Precario habere (1969) 201 ff. und die Nachweise bei KASER, SZ 89 [1972] 122 A. 82; DERS., FG v. Lübtow [1980] 299 f. = DERS., Rechtsquellen [1986] 226). Zu dem als problematisch empfundenen Vergleich mit der Schenkung KASER, SZ 89 (1972) 121 f. m.w. N.; DERS., FG v. Lübtow (1980) 299 = DERS., Rechtsquellen (1986) 225 f. 743 Überlieferung des Interdikts in Ulpian D. 43,26,2pr.; dazu LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 486 f.; KASER, RP I 400. 744 Nach wohl umstrittener Auffassung wurde der Interdiktswortlaut allerdings anscheinend auch auf Fälle der groben Fahrlässigkeit erstreckt; s. neben Ulpian D. 43,26,8,6 (s. sogleich im Text) Ulpian D. 43,26,8,3. Die Erstreckung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit wird freilich vielfach für interpoliert gehalten, so etwa KASER, SZ 98 (1981) 133 A. 219 („sicher verfälscht“); LITEWSKI, SZ 105 (1988) 875 m.w. N.; anders z. B. KASER, SZ 89 (1972) 124 f. A. 91: „Die Gleichstellung . . . könnte immerhin bereits klassische Wurzeln haben“. 745 s. dazu o. S. 178 ff.; die Formulierung ist angelehnt an Ulpian D. 47,2,14,3 (Text o. S. 179). 746 Dieser Grundsatz dürfte auch für die Haftung für culpa lata gelten, zumal diese schon formal (wegen des Interdiktswortlauts) als eine Haftung für dolus behandelt wurde. 747 Da Ulpian das Erfordernis eines konkreten Verschuldens in bezug auf den jeweiligen Diebstahl bereits im vorangehenden Paragraphen und wieder im nachfolgenden formuliert (quod ea res culpa eius perierit in D. 47,2,14,10 bzw. si modo culpa eius subrepta sit res in D. 47,2,14,12), mußte er es in D. 47,2,14,11 nicht noch einmal aus-

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licht wurde und er dem Eigentümer deswegen haftet. Beide Aussagen, die Haftung für culpa und die Zuerkennung der Aktivlegitimation zur actio furti werden durch die Verwendung des Wortes puto deutlich als Meinung des Ulpian gekennzeichnet. Die Haftung für culpa nach Erteilung des Interdikts wird durch einen weiteren Text Ulpians bestätigt: D. 43,26,8,6 (Ulpian im 71. Buch ad edictum): Et generaliter erit dicendum in restitutionem venire dolum et culpam latam dumtaxat, cetera non venire. plane post interdictum editum oportebit et dolum et culpam et omnem causam venire: nam ubi moram quis fecit precario, omnem causam debebit constituere.748 Und allgemein wird zu sagen sein, daß in die Restitutionspflicht die Haftung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit749 einzubeziehen ist, alles übrige ist nicht einzubeziehen. Freilich wird nach Erteilung des Interdikts die Haftung sowohl für Vorsatz als auch für Fahrlässigkeit (culpa) sowie jeder Gebrauchsvorteil750 einbezogen werden müssen: und auch751 wo jemand mit der Rückgabepflicht aus dem Prekarium in Verzug kommt, wird er alle Gebrauchsvorteile (heraus)geben müssen.

Mit der Verheißung752 des Edikts ändert sich also nach Ulpian der Maßstab für die Haftung des Prekaristen: Zuvor hafte er nur wegen dolus und culpa lata; nach Erteilung des Edikts erstrecke sich seine Haftung auf dolus und jede culpa; außerdem müsse der Prekarist ab jetzt alle Nutzungen herausgeben. Zudem schreibt Ulpian, der Prekarist sei umfassend zur Nutzungsherausgabe verpflichtet, sobald er mit der Rückgabe in Verzug komme. Wie dieser Satz mit dem voranstehenden verknüpft wird, ist nicht ganz klar: Die Konjunktion nam drücklich erwähnen. Dagegen wertet F. SCHULZ, GrünhutZ 38 (1911) 22 f. den Umstand, daß der Text nicht ausdrücklich erwähnt, daß der Diebstahl im Einzelfall auch verschuldet sein muß, als Indiz dafür, daß im Originaltext ‹custodia› statt des interpolierten Wortes ‹culpa› gestanden habe. Gegen diese Interpolationsannahme s. aber noch sogleich. 748 Nach anderer Überlieferung: restituere, s. MOMMSEN /KRÜGER ad h. l. 749 Gemeint ist, was aufgrund von Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht mehr zurückgegeben werden kann. 750 Zur Übersetzung von (omnis) causa im Rahmen von Restitutionspflichten als „den Inbegriff aller Nutzungen und Vorteile einer Sache, die dem Kläger zugute gekommen wären, wenn er den Besitz der Sache gehabt hätte“ s. HEUMANN /SECKEL, s. v. causa 5). 751 Zur Bedeutung von nam s. sogleich, insbesondere u. A. 761. 752 edictum edere (so Ulpian D. 43,26,8,6) ist nach der überwiegenden Ansicht in der neueren Forschung wohl mit edictum reddere (so Ulpian D. 47,2,14,11) gleichzusetzen, so daß beide Ausdrücke die Erteilung des Edikts durch den Magistrat bezeichnen (s. KASER /HACKL, RZ, 415 A. 58 m.w. N.). Anders noch ad h. l. AICHER, SDHI 35 (1969) 369 f. A. 58, der mit der Gegenauffassung davon ausgeht, daß interdictum edere nur die Beantragung der Interdikts durch den Kläger bezeichne; AICHER hält diese Abweichung in den beiden Texten aber für unbeachtlich, weil die Erteilung in aller Regel unmittelbar auf die Beantragung folgte.

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läßt an sich vermuten, daß der Satz über den Verzug zur Begründung dafür dient, daß der Prekarist nach Erteilung des Edikts sämtliche Nutzungen herausgeben muß. Daß Ulpian den Prekaristen nach seiner Verklagung für dolus und culpa einstehen läßt, stimmt mit der (von LEVY und KASER) sogenannten restitutere-Regel753 in ihrer abgeschwächten Auslegung durch die Sabinianer überein: Das restituere-Prinzip, das bei auf Restitution gerichteten Klagen (insbesondere bei der rei vindicatio) den Umfang der Restitutionspflicht im Hinblick auf Verschlechterungen der Sache sowie Nutzungen im Grundsatz bestimmt, besagt, daß der Beklagte den Kläger so zu stellen hat, wie dieser stünde, wenn er die zu restituierende Sache zur Zeit der Klageerhebung herausgegeben hätte. Der Beklagte muß danach sämtliche Früchte (omnis causa), die der Kläger bei sofortiger Herausgabe hätte ziehen können, mindestens aber diejenigen Früchte, die der Beklagte nach Prozeßbeginn gezogen hat,754 herausgeben oder in Geld erstatten. Hinsichtlich der Verschlechterungen (und dem Verlustrisiko) schwächen die Sabinianer755 den Grundsatz allerdings ab:756 Der Beklagte haftet nur

753 Grundlegend LEVY, SZ 36 (1915) 29 ff.; s. außerdem KASER, Restituere als Prozeßgegenstand (2. Aufl. 1968) passim; DERS., RP I 435 f.; DERS., SZ 98 (1981) 127 ff., insbes. A. 193; KASER /HACKL, RZ, 297 f.; ferner WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 24 f. u. passim. 754 KASER, RP I 436 mit A. 43 und 44; DERS., SZ 98 (1981) 128 A. 197; vgl. KASER /HACKL, RZ, 297 mit A. 13. 755 Auch die Prokulianer wenden hinsichtlich der Verschlechterungen und des Sachverlusts das restitutere-Prinzip nicht an; anders als die Sabinianer lassen die Prokulianer aber den Beklagten noch schärfer haften: Nach dem Grundsatz, den Kläger so zu stellen, wie er bei sofortiger Herausgabe stünde, müßte der Beklagte eigentlich nur für solchen Zufall haften, der die Sache nur in seiner Hand, nicht aber auch in der Hand des Klägers treffen konnte („eingeschränkte Zufallshaftung“). Für die Prokulianer ist es dagegen ausreichend, wenn der Beklagte im Zeitpunkt des Prozeßbeginns die Sache hatte; jeder anschließende Verlust und jede spätere Verschlechterung, auch a l l e zufälligen Einbußen, sind nach ihrer Ansicht unbeachtlich, unabhängig davon, ob sie auch in der Hand des Klägers eingetreten wären. In dieser Kontroverse obsiegten aber die Sabinianer (zu ihnen s. sogleich A. 756); KASER, RP I 436; DERS., SZ 98 (1981) 126; leicht modifizierend hinsichtlich der prokulianischen Lehre WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 122 f. 756 Die Sabinianer ließen den Beklagten also abweichend von der eingeschränkten Zufallshaftung, die sich aus der strengen restituere-Regel ergeben würde (s. o. A. 755), nur für dolus und culpa haften, s. KASER, Restituere als Prozeßgegenstand (2. Aufl. 1968) 205 ff.; DERS., RP I 436 bei A. 49, 50; nicht ganz klar bei DEMS., SZ 98 (1981) 128 f.: Auf S. 128 unten müßte es wohl statt „Die Befreiung als Folge . . .“ heißen „Die Forthaftung als Folge . . .“ – WIMMER, Besitz und Haftung (1995) passim, insbes. 122 f. erkennt bei den Sabinianern noch eine Differenzierung hinsichtlich der Beweislast: Die Sabinianer hätten (bei der Vindikation) dem Beklagten den Entlastungsbeweis gestattet, daß sine dolo malo er den Besitz verloren habe; dagegen hätten sie dem Vindikanten die von ihm zu beweisende Erwiderung eingeräumt, daß der Verlust vom Beklagten verschuldet gewesen sei; wenn der Beweis dem Kläger gelungen sei, habe er so doch noch eine Verurteilung des Beklagten erreichen können.

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für solche Verschlechterungen, die er durch dolus und culpa verursacht hat.757 Daß Ulpian diese allgemeine Auslegung des Umfanges der Restitutionspflicht hier zur Anwendung bringen will, wird noch daran deutlich, daß er von in r e s t i t u t i o n e m venire spricht. Die verbreitete textkritische Annahme, Ulpian habe in Wahrheit von einer custodia-Haftung gesprochen,758 vermag angesichts 757

KASER, RP I 436. F. SCHULZ, GrünhutZ 38 [1911] 30 f.; DERS., SZ 32 (1911) 78 ff.; nahm an, im Originaltext von D. 47,2,14,11 habe ‹custodiam› statt [culpam] gestanden, in D. 43,26,8,6 statt [omnem causam]; ebenso KASER, SZ 98 (1981) 129 f. A. 202, S. 133 f. A. 219; DERS., FG v. Lübtow (1980) 300 = DERS., Rechtsquellen (1986) 226, der sowohl in D. 47,2,14,11 als auch in D. 43,26,8,6 die Interpolation von ‹custodiam› in [culpam] annimmt, um die Texte so in sein System der Haftung bei Herausgabepflichten post litem contestatam zu integrieren (anders aber noch DERS., Restituere als Prozeßgegenstand [2. Aufl. 1968] 205, 209 213 sowie DERS., SZ 89 [1972] 124 A. 92: „Die culpa-Haftung während des Prozesses gehört zu dem klassischen Kern der Stelle“); wieder anders hatte KASER, SZ 51 (1931) 123 mit A. 2 sowohl D. 47,2,14,11 als auch D. 43,26,8,6 für vollständig interpoliert gehalten; ebenso JOLOWICZ, De furtis (1940) xlix f., 16 A. 11; ZAMORANI, Precario habere (1969) 197, 201, 215, 293 f. Das wesentliche Argument von SCHULZ und KASER (SZ 98 und FG v. Lübtow) ist, daß angeblich nur der custodia-Pflichtige zur actio furti aktivlegitimiert sei; doch ist das eine petitio principii. Im übrigen löst sich KASER, FG v. Lübtow, 317 ff. = DERS., Rechtsquellen, 247 ff. vorsichtig selbst von dieser These und erkennt in Einzelfällen die Aktivlegitimation auch bei einer culpa-Haftung an. KASER argumentiert weiter damit, daß die Sabinianer – entgegen ihrem milderen Grundsatz der Haftung nur für dolus und culpa (o. A. 756) – in gewissen Ausnahmefällen eine eingeschränkte Zufallshaftung befürwortet hätten (und so im Ergebnis in diesen Fällen die strenge restituere-Regel angewandt hätten, s. o. A. 755). Eine solche Ausnahme hätten die Sabinianer dann angenommen, wenn der Beklagte die rechtzeitige Herausgabe d o l o s versäumt habe (KASER, FG v. Lübtow, 297–299 = DERS., Rechtsquellen, 223–225; DERS., SDHI 46 [1980] 145 f.; leicht abweichend DERS. in SZ 98, 129: auch eine schuldhafte Verzögerung der Herausgabe habe genügt). Wenn der Beklagte nämlich trotz der Klageerhebung die Sache dolos (bzw. nach SZ 98: schuldhaft) nicht restituiert habe, hafte er nach den Sabinianern unter dem Gesichtspunkt des dolus (bzw. der culpa) praecedens ausnahmsweise auch dann, wenn die eigentliche Verschlechterung nicht mehr verschuldet sei, es sein denn, die zufällige Verschlechterung wäre auch bei rechtzeitiger Restitution eingetreten. Beim Prekaristen, der sich dem Geber gegenüber nicht auf ein Recht zum Besitz berufen könne, liege aber, wenn er die Sache noch habe und zur Zeit der Litiskontestation nicht zurückgebe, ein dolus hinsichtlich der Verzögerung besonders nahe (FG v. Lübtow, 300 = Rechtsquellen, 226). Die deshalb auch nach den Sabinianern ausnahmsweise anwendbare eingeschränkte Zufallshaftung hätten die Juristen – und so Ulpian in diesen beiden Texten – untechnisch (!) als eine Haftung für custodia bezeichnet; untechnisch sei die Verwendung des Wortes, weil diese Zufallshaftung post litem contestatam abweichend von der custodia-Haftung auch Fälle höherer Gewalt eingeschlossen habe (so KASER, FG v. Lübtow, 303 f. = DERS., Rechtsquellen, 230 f.; ähnlich DERS., SZ 98, 129 bei A. 202 mit allerdings wieder abweichender Begründung in A. 202 selbst). Hierfür weist KASER außer auf die beiden Texte zum Prekarium (in denen aber eben culpa steht[!]) auf Papinian D. 47,2,81,2 hin. – Auf die letztgenannte Quelle kann hier nicht eingegangen werden. Im übrigen überzeugt die konstruierte Argumentation nicht: Wenig glaubhaft ist bereits, daß Ulpian die eingeschränkte Zufallshaftung hier in untechnischer Verwendung des Wortes als custodia bezeichnet haben soll. Außerdem ist nicht nachweisbar, daß Ulpian in den beiden Quellen eine eingeschränkte Zufallshaftung propagierte: Über den Inhalt der 758

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dessen und wegen der Übereinstimmung von D. 43,26,8,6 mit D. 47,2,14,11 nicht zu überzeugen. Somit ist Ulpian D. 47,2,14,11 ein weiterer Beleg dafür, daß in der späten Klassik die Aktivlegitimation zur actio furti wegen eines Haftungsinteresses auch im Falle der culpa-Haftung anerkannt wurde. Der Schlußsatz ab nam ubi in D. 43,26,8,6 gibt allerdings Rätsel auf: Versteht man nam (wie üblicherweise) als begründende Konjunktion, würde Ulpian die Haftung des verklagten Prekaristen für omnis causa damit begründen, daß der Prekarist omnis causa leisten müsse, w e n n er in Verzug komme. Das ließe sich am ehesten so deuten, daß nach Auffassung Ulpians der verklagte Prekarist sich stets im Verzug befindet. Zum einen ist es aber nicht selbstverständlich, daß sich der Prekarist mit der Klageerhebung ohne weiteres in Verzug befindet: Normalerweise unterscheiden die römischen Juristen zwischen der Haftung post litem contestatam und der Verzugshaftung; wer mit guten Gründen annimmt, daß er die Sache behalten darf, kommt mangels Verschuldens auch durch die Klageerhebung nicht in Verzug.759 Zum zweiten haftete Haftung erfahren wir aus beiden Quellen nichts; das einzige, was der überlieferte Text hierzu sagt, ist, daß der Prekarist nach Erteilung des Interdikts für culpa einsteht, nicht aber, ob Ulpian unter diesen Begriff (wegen einer culpa oder eines dolus praecedens) auch zufällige Verschlechterungen subsumiert. Schließlich ist auch KASERs Unterstellung nicht überzeugend, der Prekarist handele (fast) immer dolos, wenn er die Sache noch habe und trotz Erteilung des Interdikts nicht herausgebe; beim Prekarium ist vielmehr wie bei jedem anderen Herausgabestreit denkbar, daß der Beklagte etwa aufgrund streitiger Tatsachenlage (insbesondere hinsichtlich des Vorliegens eines precarium) unverschuldet (oder wenigstens nur fahrlässig) an sein Recht zum Besitz glaubt. Aus diesem Grund wendet sich KASER übrigens selbst gegen den „unlogisch angefügte[n] mora-Satz“ (so in FG v. Lübtow, 300 = Rechtsquellen, 226; ähnlich geht KASER in SDHI 46, 145 davon aus, daß der verklagte Prekarist in fr. 8,6 zwar dolos die Herausgabe verzögere, aber nicht in Verzug geraten sei; diese Konstellation ist aber schwer vorstellbar). 759 Daß nicht stets die (begründete) Klageerhebung den Verzug des Beklagten herbeiführt, betonen u. a. KASER, Restituere als Prozeßgegenstand (2. Aufl. 1968) 204 f.; DERS., FG v. Lübtow (1980) 298 = DERS., Rechtsquellen (1986) 224; DERS., SDHI 46 (1980) 141 f. A. 237, S. 145 A. 251; DERS., SZ 98 (1981) 129 A. 200; A. WACKE, FS Hübner (1984) 689. – SOKOLOWSKI, Die Philosophie im Privatrecht II (1907, Neudruck 1959) 86 nahm deswegen ad h. l. an, die mora werde „für solche Fälle des Ungehorsams“ (der Autor denkt an die Fälle, daß der Prekarist „sich dem Interdikt nicht fügt“ oder „unbegründete Einreden“ vorschützt) „unterstellt“. Das ähnelt der Deutung KASERs, der Prekarist, der auf Erteilung des Edikts hin die Sache nicht restituiere, handele stets dolos, (obwohl KASER zugleich – kaum nachvollziehbar – davon ausgeht, daß trotz der dolosen Verzögerung ein Verzug nicht vorliege); s. gegen diesen Teil der Argumentation KASERs aber schon soeben A. 758 a. E.: Beim Prekarium ist ein Verzug durch Klageerhebung vielleicht besonders häufig, weil der Prekarist die Sache auf erstes Anfordern zurückgeben muß; doch sind auch hier Fälle denkbar, daß (etwa wegen eines unverschuldeten oder zumindest nichtdolosen Tatsachenirrtums über das Zustandekommen eines Prekariums oder wegen eines Streites mit einem anderen Anspruchssteller) die Verzögerung nicht mit verzugsbegründender Wirkung verschuldet ist. (Allerdings besteht über die Frage nach den subjektiven Voraussetzungen der mora debitoris nach klassischem Recht Uneinigkeit: Nach KASER, RP I 515 A. 16 ist für den Verzug im klassischen Recht in der Regel ein dolus erforderlich; leicht abweichend aber DERS., SDHI 46, 105 ff.: „bewußt pflichtwidriges Verhalten“ [so S. 106] oder gar culpa im Sinne eines „vorwerfbaren Verhaltens“ [so S. 109] genüge; wieder anders meint H. H. JAKOBS, TR 42 [1974] 23 ff., die römischen Juristen hätten für den Ein-

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der Schuldner im Falle des Verzuges in der Regel nicht nur für culpa, sondern weitergehend auch für (in der Regel uneingeschränkten) Zufall.760 Drittens ist die Begründung der Haftung für omnis causa post litem contestatam mit dem Verzug des Beklagten ungewöhnlich und bedeutet auch keinen wesentlichen Erkenntnisfortschritt: Die Haftung bedarf insoweit keiner weiteren Begründung außer der Rückführung auf die restituere-Regel durch die Formulierung in restitutionem venire. Alle diese Schwierigkeiten lösen sich auf, wenn man den nam-Satz entgegen der typischen Wortbedeutung der Konjunktion nam nicht als Begründung versteht, sondern als Ergänzung zu dem Voranstehenden: Der Prekarist muß nach Erteilung des Edikts für dolus, culpa und omnis causa einstehen, außerdem muß er im Verzug – der vor, mit oder nach Klageerhebung eintreten kann – omnis causa leisten. Dann erhält das kurze Fragment einen klaren Aufbau und einen in sich geschlossenen Sinn: Grundsätzlich haftet der Prekarist nur für dolus und culpa lata. Es gibt aber zwei (voneinander unabhängige) Zeitpunkte, zu denen eine Haftungsverschärfung eintreten kann, nämlich Klageerhebung und Verzugsbeginn.761

3. Ulpian D. 47,2,14,12: Die actio furti des conductor Der Gedanke der Aktivlegitimation zur actio furti bei der Haftung für culpa taucht schließlich auf in: D. 47,2,14,12 (Ulpian im 29. Buch ad Sabinum): Quod si conduxerit quis, habebit furti actionem, si modo culpa eius subrepta sit res. Wenn jemand gemietet (gepachtet oder ein Werk an einer Sache zu unternehmen versprochen) hat, wird er die Diebstahlsklage haben, sofern nur durch seine Fahrlässigkeit die Sache entwendet worden ist.

Der si-modo-Satz stellt als (scheinbar) zusätzliche Bedingung für die Aktivlegitimation des conductor dessen schuldhafte Verursachung des Diebstahls auf.762 Das überrascht, wissen wir doch aus anderen Quellen, daß etwa der fullo und sarcinator als Werkunternehmer ohnehin für custodia einstanden und daher auch bei jedem unverschuldeten Diebstahl zur actio furti aktivlegitimiert

tritt des Schuldnerverzuges nicht ein bestimmtes Verschuldensmaß verlangt, sondern fallweise nach der Formel an per debitorem stetit, quominus solverit entschieden, ob dem Schuldner die Verzögerung zurechenbar sei). 760 Nach KASER, RP I 514, 516; DEMS., SDHI 46 (1980) 139 ff. haftete der Schuldner im Verzug in der Regel für Zufall, ohne Rücksicht darauf, ob der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung (in der Hand des Gläubigers) eingetreten wäre. Abweichend konstituiert im geltenden deutschen Recht § 287 S. 2 BGB nur eine eingeschränkte Zufallshaftung (zum Begriff s. o. A. 755). 761 Immerhin kann nam nach HEUMANN /SECKEL, s. h. v. neben seinem üblichen Sinn „denn“ auch „und“ oder „aber“ bedeuten; jedoch soll dieser Gebrauch von nam „als bloßes Anknüpfungspartikel“ spätlateinisch sein, insbesondere soll nam in diesem Sinne von den Kompilatoren verwendet worden sein. 762 Schwerlich kann er nur als Abgrenzung zum dolosen conductor verstanden werden.

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sind.763 Diokletian C. 4,65,28 (anno 294) belegt allgemein die Geltung der custodia im Verfahren der locatio conductio, Paulus D. 47,2,86(85) handelt von der Aktivlegitimation des conductor, Gaius D. 19,2,6 setzt diese voraus, ohne daß das Erfordernis des Verschuldens erwähnt wird. Dennoch folgt daraus nicht zwingend, daß der mit si modo eingeleitete Nebensatz interpoliert ist;764 denn die custodia-Haftung hat wohl nicht für alle conductores gleichermaßen gegolten. Beim Sachmieter, der im Unterschied zum Entleiher ein Entgelt für die Benutzung der Sache entrichtet,765 ist die custodia-Haftung immerhin nicht sicher erwiesen.766 Der Reeder scheint für Zufallsschäden oder einen (unverschuldeten) Diebstahl der transportierten Sachen nur dann gehaftet zu haben, sofern er ein receptum übernommen hatte; eine custodia-Haftung aus der locatio conductio wurde für ihn dagegen abgelehnt.767 Der Satz von Ulpian könnte sich also auf einen solchen Fall bezogen haben, in dem der conductor nur für culpa einstehen mußte; der Bezug auf diesen konkreten Fall wäre dann durch kompilatorische Kürzung verloren gegangen. Besser verständlich wird aber auch dieser Satz, wenn wir annehmen, Ulpian habe die Garantiehaftung aus der custodia nur als Unterfall der culpa angesehen: Dann kann der Satz so allgemein verstanden werden, wie er uns überliefert ist. In dem Zusatz si modo culpa eius subrepta sit res liegt dann kein Widerspruch zur Aktivlegitimation desjenigen conductor, der zu custodia im traditionellen Sinne einer Garantiehaftung für den Fall des Diebstahls verpflichtet ist: Der custodia-pflichtige conductor hat stets die Diebstahlsklage, weil in seinem Fall ein Diebstahl stets als schuldhaft anzusehen ist; der nicht custodia-pflichtige conductor (wie beispielsweise der Reeder, der kein receptum abgegeben hat) haftet nur und ist nur dann zur actio furti aktivlegitimiert, wenn ihm eine konkrete Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden kann.768

763 s. nur Gaius 3,205; Labeo 19,2,60,2; Ulpian D. 47,2,12pr.; ferner (Labeo-)Javolen D. 47,2,91(90). 764 So aber SCHULZ, SZ 32 (1911) 66; DERS., GrünhutZ 38 (1911) 30; JOLOWICZ, De furtis (1940) xlviii, 17 A. 12 m.w. N.; KASER, FG v. Lübtow (1980) 321 (= DERS., Rechtsquellen [1986] 251, dort aber vorsichtiger) m.w. N. in A. 141. 765 Die Verpflichtung des Entleihers (commodatarius) zu custodia scheint aber nach Gaius 3,206 gerade einen Ausgleich dafür darzustellen, daß er die Sache unentgeltlich nutzen darf. 766 Nachweise schon bei JOLOWICZ, De furtis (1940) xlviii und bei KASER, RP I 508 A. 42, der als (allerdings überarbeitete) Quelle noch Inst. 3,24,5 anführt. 767 s. o. b. A. 530. 768 Speziell zum Reeder s. freilich andererseits Ulpian D. 47,5,3;4 und dazu o. S. 140 f., insbes. A. 531.

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4. Weitere Argumente für die Aktivlegitimation des Haftenden zur actio furti bei Einstandspflicht für culpa Nach dem Bisherigen scheint zumindest Ulpian die Aktivlegitimation dessen zur actio furti anerkannt zu haben, der dem Eigentümer wegen eigener culpa für den Diebstahl verantwortlich war. Dies wird noch in weiteren Texten Ulpians deutlich, die hier nicht ausführlich besprochen werden können.769 Die Erstrekkung der Aktivlegitimation von den Fällen der custodia-Haftung auch auf die culpa-Haftung hängt vermutlich damit zusammen, daß Ulpian, wie schon oben beobachtet,770 die custodia nicht mehr als besonderen Haftungsmaßstab neben der culpa verstand, sondern in die culpa-Haftung zu integrieren versuchte, in ihr also einen Sonderfall der culpa-Haftung sah. Gegen die Zuerkennung der Aktivlegitimation auch in Fällen einer culpaHaftung liegt zwar der Einwand nahe, daß dadurch die eigene culpa prämiiert werde, weil der Haftende mit der Diebstahlsklage wegen der Verdoppelung des Streitwertes mehr erlangen könnte, als er selbst aufgrund seiner Haftung zahlen müsse. Dieser Einwand, der die Zuerkennung der actio furti nach offenbar einhelliger Klassikermeinung für den Fall ausschloß, daß jemand (etwa der Depositar) dem Eigentümer nur für eigenen dolus einzustehen hatte,771 scheint sich den (spät)klassischen Juristen aber für die culpa-Haftung nicht zu stellen. Sonst hätten sie auch bei der custodia-Haftung zumindest erwägen müssen, ob der Haftende wegen seines Verschuldens seine Aktivlegitimation zur actio furti verwirken könne. Dieser Verwirkungsgedanke ist in den Quellen aber nirgends ausgesprochen.772 Vielmehr findet sich der Gedanke der Verwirkung nur für den

769 Hinzuweisen ist auf Ulpian D. 47,8,2,23 (für den Depositar, der ausnahmsweise für culpa haftet; dazu KASER, SZ 96 [1979] 104 A. 60); sowie ferner auf (Papinian-) Ulpian D. 47,2,14,6 und D. 13,7,22pr. (beide für den Pfandgläubiger, vielleicht im Original aber auch auf die fiducia bezogen, s. z. B. zu D. 13,7,22pr. ROSENTHAL, SZ 68 (1951) 250, 256; zu D. 47,2,14,6 KASER, Rechtsquellen (1986) 247 ff., anders freilich noch in der Erstfassung dieses Aufsatzes in FG v. Lübtow [1980] 317 ff.; zur Kontroverse insbesondere zwischen KASER und ANKUM über furtum pignoris und furtum fiduciae s. die Nachweise o. A. 641). Ferner könnte die Aussage von Ulpian D. 47,2,12pr., daß der Walker (wegen gestohlener Kleider außer im Falle seiner Insolvenz) immer (semper) die Diebstahlsklage erheben könne, einen Gegensatz andeuten zu den Fällen der reinen culpa-Haftung, in denen nur bei konkreter Verletzung einer Sorgfaltspflicht (culpa) dem bestohlenen Detentor die Diebstahlsklage zustehe. 770 s. o. S. 198 ff. 771 s. o. S. 178 ff. Die Klassiker bemerkten nämlich sogar im Falle der bloßen dolus-Haftung etwa beim Depositum, daß der Depositar bei dolos ermöglichtem Diebstahl ein Haftungsinteresse hat, das an sich die Zuerkennung der actio furti rechtfertigen könnte, s. (Julian-)Ulpian D. 47,2,14,4 und vgl. mit Ulpian D. 47,2,14,3. Dann liegt es aber doch nahe, daß sie auch das Haftungsinteresse im Falle der culpa-Haftung nicht übersahen. Hier aber scheint sich der Verwirkungsgedanke, den sie bei der reinen dolus-Haftung für ausschlaggebend hielten, nicht durchgesetzt zu haben.

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Fall, daß ein custodia-Pflichtiger den Diebstahl dolos ermöglicht hat.773 Wenn aber bloße Fahrlässigkeit des custodia-Pflichtigen seine Aktivlegitimation zur actio furti nicht ausschließt, gab es keinen Grund, denjenigen, der von vornherein nur für culpa einsteht, von der Diebstahlsklage auszuschließen.774 Bei nur fahrlässigem Besitzverlust sprechen auch nicht dieselben Gründe gegen eine Aktivlegitimation des Haftenden wie bei einem provozierten (absichtlich herbeigeführten) Diebstahl: Die Gefahr eines Anreizes zur Ermöglichung eines Diebstahls besteht nicht, denn sobald der Besitzer im Hinblick auf den Erwerb der Diebstahlsklage sich eine Pflichtverletzung zuschulden kommen läßt, handelt er dolos. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, den Diebstahl aufzuklären, geringer, wenn er versehentlich zugelassen wurde; von einem echten „Anreiz“ kann also nicht gesprochen werden, da der Haftende stets das Risiko trägt, den Dieb überhaupt ausfindig zu machen. Ferner ist die Pflichtverletzung des Fahrlässigen nicht in gleicher Weise wie die dolose Ermöglichung eines Diebstahls mit einem furtum vergleichbar, so daß das Prinzip, daß ein Dieb gegen einen Dieb nicht mit der Diebstahlsklage vorgehen dürfe, nicht eingreift. Auch Paulus775 scheint Ulpians Ansicht zur Aktivlegitimation desjenigen zu teilen, der dem Eigentümer wegen eigener culpa haftet. Hierfür spricht die bereits besprochene776 Quelle D. 47,2,54(53),3: Qui alienis negotiis gerendis se 772 Allerdings meint KASER, FG v. Lübtow (1980) 323 f. = DERS., Rechtsquellen (1986) 254; DERS., SZ 96 (1979) 123 A. 137 den Gedanken der Verwirkung wegen eigener culpa in Papinian D. 47,2,81(80)pr. erblicken zu können. Hiergegen jedoch überzeugend bereits REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 106 f. 773 (Pomponius-)Ulpian D. 47,2,14,8 und 9 (s. o. S. 180). 774 Zu der vorsichtigen Anerkennung dieses Gedankens insbes. durch KASER s. o. A. 692. Das Aufkommen dieses Gedankens hat aber entgegen KASER, FG v. Lübtow (1980) 319 f. = DERS., Rechtsquellen (1986) 249 f. nichts damit zu tun, daß der Strafcharakter der actio furti verloren gehe: Nach KASER läßt die Zuerkennung der actio furti im Falle der culpa-Haftung erkennen, daß (nicht erst in der Nachklassik, sondern) schon in der Spätklassik die poena furti den allgemeinen Sühnezweck der Geldbuße als Privatstrafe überschreite; sie diene jetzt auch als Ausgleich für den Vermögensnachteil, den der bestohlene Nichteigentümer dadurch erleide, daß er dem Eigentümer für den Sachverlust hafte. Damit beginne die Vorstellung der „reinen“ Strafklage, die neben der selbständigen Ersatzklage – KASER nennt „condictio furtiva, rei vindicatio usw.“ – zusteht, bei den Vermögensdelikten schon in der Spätklassik zu verblassen. Dies sei also schon ein erster Schritt zu der in der nachklassischen Zeit vollendeten Entwicklung, in deren Verlauf die condictio furtiva in der actio furti aufgehe (s. dazu schon o. A. 632). – Die Frage aber, ob auch im Falle seiner culpa der Haftende zur actio furti aktivlegitimiert ist, ist so grundlegend nicht; nach wie vor hat der Haftende neben dem Erwerb der actio furti ein Recht auf Zession der sachverfolgenden Klagen, ggf. insbesondere der condictio furtiva (deutlich D. 19,2,25,8 [Gaius im 10. Buch ad edictum provinciale, dazu s. u. S. 265 ff.], wo die condictio furtiva ausdrücklich als abzutretende Klage genannt wird). 775 Inwieweit Paulus wie mutmaßlich Ulpian (s. dazu o. S. 198 ff.) die custodia als Unterfall der culpa ansah, kann hier nicht untersucht werden. 776 s. o. S. 160 ff., aber auch noch u. S. 211 ff.

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optulit, actionem furti non habet, licet culpa eius res perierit . . . Darin wird dem negotiorum gestor, dem Scheintutor und dem Vormund, der die cautio rem pupilli salvam fore geleistet hat, zwar die unmittelbare Aktivlegitimation zur actio furti im Falle eines von ihnen verschuldeten Diebstahls abgesprochen und ihnen stattdessen nur ein Recht auf die Zession der Diebstahlsklage gewährt. Auf die bemerkenswerte Konjunktion licet wurde aber bereits777 hingewiesen: Paulus geht davon aus, daß bei einem schuldhaft verursachten Diebstahl die Zuerkennung der Diebstahlsklage näherliegt als bei einem unverschuldeten. Damit kann Paulus nur auf das Haftungsinteresse im Falle der culpa anspielen. Auffällig ist darüber hinaus die Kürze der Darstellung dieses Gedankens. Sie wird besonders augenfällig, wenn man demgegenüber zwei Texte betrachtet, in denen Ulpian auf das Haftungsinteresse im Falle der dolus-Haftung des Depositars eingeht:778 In diesen wird ausdrücklich dargestellt, daß der wegen seines dolus haftende Depositar an sich das aus dem Diebstahl resultierende Vermögensrisiko trägt. Seine Aktivlegitimation wird dann aus dem bereits erläuterten779 Gedanken abgelehnt, daß der dolus nicht belohnt werden dürfe. Eine vergleichbare Erläuterung, daß die Gewährung der Aktivlegitimation an den negotiorum gestor deswegen in Betracht kommt, weil er im Falle der culpa den Vermögensnachteil aus dem Diebstahl trägt, hält Paulus dagegen nicht für nötig. Vielmehr scheint er bereits als bekannt zu unterstellen, daß derjenige, der wegen eigener culpa dem Eigentümer (aus einer Herausgabeklage) für einen Diebstahl verantwortlich ist, grundsätzlich zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert ist. Das spricht dafür, daß zu seiner Zeit eine solche Regel bereits anerkannt war.780 Paulus geht es im Falle des negotiorum gestor nur noch um die Darstellung einer Ausnahme von dem Grundsatz. Warum er diese Ausnahme macht, geht aus dem Text selbst nicht eindeutig hervor.781 Sie ergibt sich aber aus einer anderen Quelle, die sogleich zu besprechen sein wird. Hier sei nur noch ab777

s. o. A. 603. Ulpian D. 47,2,14,3: iam quidem periculum ipsius est; Julian-Ulpian D. 47,2,14,4: quamvis periculo eius res coeperit qui eam contrectavit. Vollständiger Abdruck der Quellen s. o. S. 178 ff.; s. zu ihnen auch soeben A. 774. 779 s. ebenfalls o. S. 160 ff. 780 Vgl. KASER, FG v. Lübtow (1980) 318 f. = DERS., Rechtsquellen (1986) 248: Die Versagung der Aktivlegitimation werde, wie der Konzessivsatz licet culpa eius res perierit zeige, von Paulus als regelwidrig empfunden. – KASER wird mißverstanden von KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 484 f., wenn die Autorin unter Berufung auf KASER aus dem licet-Satz in fr. 54,3 folgert, daß die Gewährung (und nicht die Versagung) der Aktivlegitimation an den Haftenden im Falle der Einstandspflicht für culpa als regelwidrig gekennzeichnet werde. 781 Verfehlt jedenfalls ROSENTHAL, SZ 68 (1951) 248, der daraus, daß der negotiorum gestor die actio furti nicht ipso iure erhält, folgert, daß nach Paulus der Geschäftsführer beim Diebstahl eines Dritten nur für dolus haftet: Nach Paulus ist der Geschäftsführer doch gerade zu verurteilen, obwohl die Sache nur durch culpa des Geschäftsführers abhanden gekommen ist. 778

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schließend festgestellt, daß der Grund für die Ablehnung der Aktivlegitimation des Geschäftsführers jedenfalls nicht der Gedanke sein kann, wegen seiner culpa habe er den Erwerb der Diebstahlsklage verwirkt: Sonst könnte ihm Paulus nämlich nicht das Recht auf Zession der Klage einräumen.

V. Bloßes Recht auf Abtretung der actio furti im Falle der berechtigten Detention sine voluntate domini: Paulus D. 47,2,86(85) und D. 47,2,54(53),3 Warum Paulus in D. 47,2,54(53),3782 dem nur für culpa haftenden Geschäftsführer ohne Auftrag Paulus die actio furti auch dann nicht ipso iure gewährt, wenn er den Diebstahl tatsächlich verschuldet hat, sondern ihm nur ein Recht auf Klagenzession einräumt, läßt sich aus der folgenden Quelle ersehen, die den Manualien des Paulus783 entstammt: D. 47,2,86(85) (Paulus im 2. Buch der manualia): Is, cuius interest rem non subripi, furti actionem habet, si et rem tenuit domini voluntate, id est veluti is cui res locata est. is autem, qui sua voluntate vel etiam pro tutore negotia gerit, item tutor vel curator ob rem sua culpa subreptam non habet furti actionem. item is cui ex stipulatu vel ex testamento servus debetur, quamvis intersit eius, non habet furti actionem: sed nec is, qui fideiussit pro colono. Derjenige, der ein Interesse daran hat, daß die Sache nicht gestohlen wird, hat die Diebstahlsklage, wenn er überdies die Sache mit dem Willen des Eigentümers in seinem Gewahrsam hatte. Das ist zum Beispiel derjenige, dem eine Sache vermietet (verpachtet oder im Rahmen eines Werkvertrages übergeben) worden ist. Derjenige aber, der aufgrund eigener Entscheidung oder als Scheinvormund (fremde) Geschäfte geführt hat, ebenso der Vormund oder Pfleger haben wegen einer durch eigenes Verschulden gestohlenen Sache die Diebstahlsklage nicht. Ebenso hat derjenige, dem ein Sklave aus einer Stipulation oder aufgrund eines Testaments (d. h. aus einem Vermächtnis) geschuldet wird, die Diebstahlsklage nicht, aber auch nicht derjenige, der für einen Landpächter gebürgt hat.

Voraussetzung für die Zuerkennung der actio furti an einen Nichteigentümer ist nach der von Paulus zu Eingang des Fragments aufgestellten Regel also zusätzlich zum Interesse am Unterbleiben des Diebstahls, daß der Haftende im Zeitpunkt des Diebstahls die Sache mit dem Willen des Eigentümers (domini voluntate) innegehabt hat (rem tenuit). Als Positivbeispiel führt Paulus den conductor an (gemeint ist wohl in erster Linie der Mieter oder Pächter), dem eine Sache im Rahmen der locatio conductio übergeben worden ist. Als Negativbeispiele nennt der Jurist den Geschäftsführer ohne Auftrag, der aus freiem Ent782

o. S. 160. Zur umstrittenen Frage der Klassizität der manualium libri III s. freilich F. SCHULZ, Geschichte (1961) 215 ff.; KASER, FG v. Lübtow (1980) 317 mit A. 131 = DERS., Rechtsquellen (1986) 246 mit A. 131; LIEBS in: HLL § 423, S. 162. 783

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schluß (sua voluntate) die Führung fremder Geschäfte übernommen hat, den Vormund und den Pfleger: Diesen Personen steht, wenn sie den Diebstahl fahrlässig ermöglichten, die Diebstahlsklage nicht zu. In einem weiteren Satz lehnt Paulus die Aktivlegitimation des Stipulationsgläubigers und des Legatars ab: Sie hätten zwar ein Interesse daran, daß der ihnen geschuldete Sklave nicht gestohlen werde, dennoch sei ihnen die Diebstahlsklage nicht zu gewähren. Schließlich verweigert Paulus die Diebstahlsklage dem Bürgen eines colonus. Hier ist offenbar gedacht etwa an den Fall, daß sich jemand für die Rückgabepflicht eines Grundstückpächters verbürgt hat und eine mitverpachtete bewegliche Sache des Inventars gestohlen wird.784 Der Text hat – jedenfalls wenn man die beiden Fälle des Diebstahl eines geschuldeten Sklaven zunächst ausklammert785 – einen klaren Aufbau: Gemäß der einleitend aufgestellten Regel steht die actio furti demjenigen zu, der das Interesse rem non subripi hat und die Sache zur Zeit ihres Diebstahls mit dem Willen des Eigentümers in seinem Gewahrsam hatte. Sodann erläutert Paulus die beiden das Interesse ergänzenden Voraussetzungen rem tenuit und domini voluntate anhand von Beispielen, in denen sich – vom Fall des geschuldeten Sklaven abgesehen – das interesse rem non subripi aufgrund eines Haftungsinteresses ergibt:786 Zunächst führt er mit dem bestohlenen Sachmieter bzw. -pächter einen Fall an, in dem beide Zusatzvoraussetzungen gegeben sind. Sodann folgt eine Gruppe von Personen, die zwar zur Zeit des Diebstahls Detentoren der Sache waren, aber diese Stellung nicht domini voluntate erlangt hatten, sondern entweder aus freiem Willen als (berechtigte) Geschäftsführer oder aufgrund eines Amtes als tutor oder curator.787 Mit dem Beispiel des Bürgen, der die 784 Vergleiche zum Bürgenfall bereits (Julian-)Ulpian D. 47,2,14,10 und dazu o. S. 187; s. dort insbesondere A. 725 und 726. 785 Dazu die Bemerkungen u. A. 830. Diese Fälle passen, da es nicht um ein auf Haftung für fremdes Eigentum gegründetes Interesse am Unterbleiben eines Diebstahls geht, nur eingeschränkt zu den anderen Fällen. Ferner ist die Entscheidung inhaltlich schwerlich mit Paulus D. 47,2,13 vereinbar (s. dazu zuletzt REICHARD, SZ 107 [1990] 46 ff. mit einer ausführlichen Diskussion verschiedener Vereinigungsversuche; REICHARD selbst nimmt eine nachklassische Textveränderung bei D. 47,2,13 an). Da diese Fälle ohnehin nicht die Gewährung der actio furti wegen eines Haftungsinteresses betreffen, werden sie hier nicht erörtert. 786 Die Regel des Paulus wird in der Literatur oft als unzureichend angegriffen, s. z. B. KASER, FG v. Lübtow (1980) 308 = DERS., Rechtsquellen (1986) 235 f., der meint, die Regel des Paulus sei unzutreffend beispielsweise für den bonae fidei possessor, dem nach den o. A. 639 genannten Quellen die actio furti wegen eines Eigeninteresses zugesprochen worden sei, der aber die Sache typischerweise gerade nicht ex voluntate domini innegehabt habe. Doch dürfte Paulus mit seiner Regel den Fall der Aktivlegitimation eines Nichteigentümers wegen eines Eigeninteresses nicht im Auge haben, wie die Beispiele zeigen; es geht ihm vielmehr um die Frage, wann die actio furti einem anderen a n s t e l l e des Eigentümers zusteht: Dafür bedarf es, wie sogleich zu zeigen ist, der voluntas domini. Im Fall des Eigeninteresses tritt die Klage aber des Interessenten (zumindest regelmäßig) n e b e n die des Eigentümers, s. o. A. 644.

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Rückgabepflicht eines (für custodia haftenden colonus) sichert, bringt Paulus schließlich einen Fall, in dem der Haftende die Sache zur Zeit des Diebstahles gar nicht in seinem Besitz hatte und deswegen gemäß der Ausgangsregel die actio furti trotz seines Interesses nicht erhält. Zum Verständnis, warum Paulus in D. 47,2,54(53),3 (o. S. 160) den haftenden Geschäftsführern die actio furti versagt, ist die zweite in Fragment 86 aufgeführte Gruppe von Beispielsfällen relevant, die des negotiorum gestor, des tutor und des curator. Nur in diesen Fällen spricht Paulus davon, daß die Sache sua culpa entwendet worden sein muß. Der Grund ist klar: Sowohl der Geschäftsführer als auch der curator haften aus der actio negotiorum gestorum788 und damit (nur) für culpa. Auch bei dem Vormund wird Paulus an einen solchen gedacht haben, der für jedes Verschulden (und nicht nur für dolus)789 haftete: Für jedes Verschulden haftete aber zumindest derjenige Tutor, der die satisdatio rem pupilli salvam fore geleistet hat. Die culpa erwähnt Paulus also nicht etwa, um eine Verwirkung der Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage zu begründen, sondern deswegen, weil die Personen nur im Falle ihrer culpa überhaupt ein Haftungsinteresse rem non subripi haben.790 Dennoch erhalten sie die actio furti nicht, wie Paulus aus der eingangs formulierten Regel folgert. Da sie aber bei Vornahme des Diebstahls die Sachgewalt innehatten (rem tenuit) kann es ihnen nur daran fehlen, daß sie den Gewahrsam nicht aufgrund des erklärten Willens des Eigentümers innehatten (domini voluntate). Mit der Ablehnung der Aktivlegitimation zugunsten des Geschäftsführers, Vormunds und Pflegers ist der Fall aber noch nicht beendet: An dieser Stelle 787 Sua voluntate bedeutet also einen Gegensatz zu Pfleger und Vormund, die nicht aus freiem Entschluß, sondern aufgrund eines Amtes fremde Geschäfte führen. Zugleich stehen die Geschäftsführer kraft Amtes und der Geschäftsführer sua voluntate im Gegensatz zu solchen Haftenden, die domini voluntate die Sache in ihrem Gewahrsam haben. Dasselbe gilt für qui sua voluntate vel etiam pro tutore negotia gerit in D. 47,2,86: Hier wird der Geschäftsführer, der aus freiem Entschluß die Geschäftführung übernimmt, dem Scheintutor gegenübergestellt, der aufgrund vermeintlichen Amtes fremde Geschäfte führt; unberechtigte Kritik an D. 47,2,86 bei KASER, FG v. Lübtow (1980) 315 f. = DERS., Rechtsquellen (1986) 245 f. 788 Zwischen minor und curator gab es nach heute herrschender Auffassung im klassischen Recht nämlich nur die actio negotiorum gestorum, KASER, RP I 371 mit A. 15. 789 Inwieweit der einfache Vormund (der die satisdatio rem pupilli salvam fore nicht geleistet hat) nach spätklassischem Recht auch für culpa (und nicht nur für dolus) haftete, ist umstritten, s. die Nachweise bei KASER, RP I 365 f. mit A. 34. 790 Der von KASER, FG v. Lübtow (1980) 316 = DERS., Rechtsquellen (1986) 245 als naheliegend, aber falsch bezeichnete Umkehrschluß, daß Tutor und Kurator die Diebstahlsklage hätten, wenn sie den Diebstahl nicht verschuldet hätten, ist also in der Tat falsch; diese Möglichkeit, den Text mißzuverstehen, rechtfertigt aber für sich keine Zweifel an seiner Klassizität. – Im übrigen sei gegen KASER und diejenigen, die aus ähnlichen Gründen [item . . . subreptam] für interpoliert halten (z. B. F. SCHULZ, SZ 32 [1911] 31 mit A. 2), betont, daß sich ob rem sua culpa subreptam sinnvoller Weise nicht nur auf tutor und curator, sondern auch auf den negotiorum gestor bezieht.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

greift die sich aus Paulus D. 47,2,54(53),3 ergebende Regelung ein: Der von beiden Quellen behandelte Personenkreis stimmt auffällig gut überein.791 Beide Quellen handeln vom negotiorum gestor und vom – auch für culpa bzw. diligentia haftenden – tutor. Während fr. 54,3 darüber hinaus noch den Protutor erwähnt, nennt fr. 86 zusätzlich den curator. Für diese beiden Personen dürfte aber nichts besonderes gelten, da sie ebenfalls aus einer actio negotiorum gestorum oder actio tutelae (utilis)792 haften. Für alle diese Geschäftsführer im weiteren Sinne gilt, daß ihnen die actio furti im Falle ihrer Haftung für den Diebstahl zwar nicht ipso iure zusteht. Der Grund ist, daß der Eigentümer ihnen nicht willentlich die Sache überlassen hatte. Wegen der ohne seinen Willen begründeten Haftung eines anderen soll nämlich dem Eigentümer die aus der Diebstahlsklage resultierende Prämie aber nicht entzogen werden; zum Schutz des Eigentümers, der dem Haftenden die Sache nicht willentlich anvertraut hat, wird vielmehr die actio furti dem Eigentümer belassen.793 Wie aus fr. 54,3 folgt, soll den Geschäftführern die Diebstahlsklage aber abgetreten werden, wenn der Eigentümer sie in Anspruch nimmt. Der Grund dafür wird sein, daß der Eigentümer mit der Entscheidung, die Geschäftsführer aus ihrer Haftung in Anspruch zu nehmen, seine Willensbetätigung nachholt, sich also bewußt gegen den über den Sachwert hinausgehenden, aber ungewissen Gewinn entscheidet, den er mit der Strafklage erzielen könnte.794 Daher ist es nunmehr gerechtfer791 ROSENTHAL, SZ 68 (1951) 245 f., 248 streicht in fr. 86 unverständlicherweise [is autem . . . item]. Der in diesem Satz aufgezählte Personenkreis stimmt aber so deutlich mit den in D. 47,2,54,3 aufgeführten Personen überein, ohne identisch und deswegen vielleicht abgeschrieben zu sein, so daß eine Interpolation unwahrscheinlich ist. – Auch die Spekulation von KASER, FG v. Lübtow (1980) 316 f. = DERS., Rechtsquellen (1986) 246, fr. 54,3 könnte bei der Verfassung des nichtpaulinischen fr. 86 als Vorlage gedient haben, überzeugt daher nicht. 792 Zum Streit um die Klage gegen den Protutor s. o. A. 598; zur Klage gegen den curator s. soeben A. 788. 793 Dagegen meinte BRUCKNER, Die custodia (1889) 101 ff., die Aktivlegitimation gehe deswegen nicht ipso iure über, weil der negotiorum gestor nicht für custodia hafte und daher anders als bei der aus der custodia-Haftung resultierenden Garantiepflicht die Haftung des negotiorum gestor im Zeitpunkt des Diebstahls noch nicht feststehe; vielmehr sei die Haftung des Geschäftsführers stets eine Frage des Einzelfalles, die nur der iudex nach Untersuchung des Sachverhalts und Feststellung der culpa letztverbindlich entscheiden könne; deswegen dürfe erst mit der richterlichen Entscheidung der negotiorum gestor zur Diebstahlsklage (und zwar durch erzwungenen Abtretung) legitimiert werden. – Doch widerspricht diese Argumentation den verschiedenen spätklassischen Quellen (s. o. S. 187 ff.), in denen bezeugt wird, daß auch im Falle der culpa-Haftung die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage ipso iure auf den Haftenden übergehen kann. Ebenfalls zu Unrecht meinte ROSENTHAL, SZ 68 (1951) 248, es habe „nichts Überzeugendes“, daß in D. 47,2,86 auf den Willen des Eigentümers bei der Begründung der Detention abgestellt werde, und strich deswegen [domini voluntate] (S. 245) als kompilatorisch. 794 Der Unterschied zum Übergang der Aktivlegitimation auf den Haftenden ipso iure ist freilich nicht so groß, wie man auf den ersten Blick meinen könnte: Nach

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tigt, dem Eigentümer die actio furti zu nehmen und sie auf den Haftenden zu übertragen.795 Die Einschränkung, daß das Haftungsinteresse eines anderen nur ausreicht, wenn er die Sache domini voluntate erhalten hatte, wurde – wenn die hier vermutete geschichtliche Entwicklung zutrifft – nötig, nachdem die Regel, daß der custodia-Pflichtige statt des Eigentümers zur actio furti aktivlegitimiert ist, auf die culpa-Haftung erweitert wurde: Eine custodia-Haftung wurde nämlich ohnehin nie ohne den Willen des Eigentümers begründet.796 Mit der Erweiterung der Labeo D. 47,2,91(90),1, vgl. auch Paulus D. 47,2,54(53),1 kann der Eigentümer wohl auch beim ipso iure erfolgten Übergang der actio furti noch nachträglich auf die Haftung des bestohlenen Detentors verzichten mit der Folge, daß die actio furti wieder zum Eigentümer zurückfällt (s. dazu schon o. S. 177 bei A. 663 ff.; u. S. 228 ff.). Der Unterschied besteht freilich zumindest darin, daß der Eigentümer in diesem Fall aktiv werden muß, um die Diebstahlsklage wieder zu erlangen. Ob der Eigentümer aber, wenn der zur Diebstahlsklage aktivlegitimierte Haftende vor seiner Inanspruchnahme bereits die Buße von dem Dieb eingezogen hat, noch eine Möglichkeit hat, statt des Schadensersatzes in Höhe des einfachen Sachwertes eine Auskehrung der eingezogene Buße an sich zu verlangen, wurde vermutlich kontrovers entschieden, s. u. S. 236 ff.). 795 Entgegen JOLOWICZ, De furtis (1940) li ff., 124 f. A. 86, der aufgrund seiner Auffassung die Erwähnung des tutor und des curator in D. 47,2,86 für interpoliert hält, kommt es daher nicht darauf an, ob der Geschäftsführer sua voluntate oder aufgrund eines tatsächlich bestehenden Amtes als curator oder tutor tätig geworden ist, sondern allein darauf, daß der Eigentümer sein Einverständnis mit der Ingewahrsamnahme nicht erteilt hatte. Zu Unrecht halten V. BESELER, Beiträge III (1913) 189 f. („juristisch widersinnig“) und LEVY, Nachträge (1962) 22 f. m.w. N. den Zwang zur Zession der actio furti in D. 47,2,54,3 für unecht; vgl. hiergegen schon KASER, FG v. Lübtow (1980) 321 f. = DERS., Rechtsquellen (1986) 252. F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 98 bei A. 4 hält die Entscheidung zwar für paulinisch, kritisiert aber, daß der Jurist mit der Anordnung, daß die actio furti zu zedieren sei, den Regreßgedanken verlasse, da der Zessionar mit der zedierten Klage mehr erhalten könne, als er selbst geleistet habe. Die Entscheidung rechtfertigt sich aber, wie die Zuerkennung der Aktivlegitimation im Falle der custodia-Haftung und in anderen Fällen der culpa-Haftung, aus dem Gedanken, daß den Vorteil aus dem Diebstahl derjenige erhalten soll, der auch den Nachteil aus ihm trägt. Die Interpolationenkritik zu D. 47,2,54,3 im übrigen bezieht sich auf damnare statt condemnare, actione statt ex actione damnari, hiergegen bereits KASER, a. a. O.; außerdem auf die hier nicht zu behandelnde Frage, ob Paulus wirklich ursprünglich von culpa und diligentia gesprochen habe. Im übrigen wird der Text aber für im wesentlichen echt gehalten, vgl. SEILER, Negotiorum gestio (1968) 239 f. A. 55; KASER, FG v. Lübtow (1980) 314 A. 118 = DERS., Rechtsquellen (1986) 244 A. 118. 796 KASER, RP I 508 nennt als Fälle einer custodia-Haftung den Entleiher, den fullo und den sarcinator sowie wahrscheinlich alle Werkunternehmer, denen eine Sache zur Bearbeitung oder zu einer (nicht mit besonderen Gefahren verbundenen) Beförderung übergeben wurde, den Speichervermieter (horrearius), den inspector, der im eigenen Interesse Sachen zur Überprüfung erhält, sowie (offenbar bei Abgabe eines receptum) den nauta, den caupo und den stabularius. Für wahrscheinlich hält KASER, a. a. O., darüber hinaus die custodia-Haftung des Verkäufers zwischen Kaufabschluß und Übergabe, des Sachmieters oder Pächters, des Nießbrauchers und des Gesellschafters, der Sachen anderer Gesellschafter bearbeiten soll. Beim Pfandgläubiger sei über die custodia-Haftung vermutlich kontrovers entschieden worden. – Freilich gab es ausnahmsweise den Fall, daß eine custodia-Haftung ohne Besitz bestand, nämlich wenn der

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Aktivlegitimation auch auf andere Haftungsfälle tauchte erst das Problem auf, ob die actio furti dem Haftenden anstelle des Eigentümers auch dann zustehen soll, wenn das Haftungsverhältnis ohne den Willen des Eigentümers begründet worden ist. Hier läßt sich aus der Zusammenschau der beiden besprochenen Paulus-Texte eine Regel vermuten, daß derjenige, der die Sache zur Zeit des Diebstahls in Gewahrsam hat, ohne die Sachgewalt mit dem Willen des Eigentümers erlangt zu haben, nicht ipso iure zur actio furti aktivlegitimiert ist, daß er aber vom Eigentümer die Abtretung der actio furti verlangen kann, wenn dieser den bestohlenen Gewahrsamsinhaber in Anspruch nimmt. Allerdings gilt diese Regel sicher nicht so allgemein, wie sie jetzt formuliert wurde. Nach dem bereits besprochenen, schon von Quintus Mucius anerkannten Satz steht dem bestohlenen Dieb die Diebstahlsklage nie zu, auch dann nicht, wenn er den Diebstahl selbst nicht dolos verursacht hat. Der bestohlene Dieb hat zwar ein Interesse rem salvam esse, weil er dem Eigentümer sogar für Zufall haftet. Dennoch erhält er nicht die Diebstahlsklage, weil sein Interesse nicht honesta ex causa besteht, sondern er aufgrund eines Diebstahles in den Besitz der Sache gelangt ist, mithin das Haftungsverhältnis zum Eigentümer böswillig begründet hat.797 Diese Argumentation, dem Dieb stehe die Aktivlegitimation zur actio furti nicht zu, weil er ex inhonesta causa interessiert ist, läßt konsequenterweise erwarten, daß der Dieb auch nicht später im Wege rechtsgeschäftlicher Zession die actio furti erlangt. Denn die bloße Entscheidung des Eigentümers, den Dieb zu belangen, bewirkt nicht, daß das Haftungsinteresse des Diebes nunmehr auf einer causa honesta beruhen würde. Der gleiche Gedanke gilt nach Ulpian D. 47,2,12,1798 allgemein für denjenigen Besitzer, der bei Besitzbegründung unredlich war (malae fidei possessor): Dieser soll die Diebstahlsklage nicht erhalten, weil niemand aufgrund seiner Unredlichkeit eine Klage erwerben dürfe (nemo de inprobitate sua consequitur actionem). Mit dieser Argumentation konnte aber nicht nur die Aktivlegitimation des malae fidei possessor trotz seines Eigeninteresses verweigert werden, die Sache ungestört besitzen und nutzen zu können; derselbe Gedanke dürfte auch der Legitimation wegen eines Haftungsinteresses gegenüber dem Eigentümer entgegengestanden haben. Auch dann erscheint es aber nur konsequent, wenn dem bösgläubigen Besitzer auch ein Recht auf Abtretung der actio furti im Falle seiner Inanspruchnahme wegen seiner inprobitas verwehrt wird. Es bleibt die Frage, ob das Recht auf Abtretung der actio furti bei Inanspruchnahme durch den Eigentümer auf den berechtigten Gewahrsamsinha-

Kustodient verstorben war und der Erbe noch keinen Besitz an den Erbschaftsgegenständen ergriffen hatte; dann lehnen Ulpian D. 47,2,14,14 und andere Quellen die Aktivlegitimation des Erben ab, s. dazu schon o. A. 665, 714 und noch u. A. 820. 797 s. dazu schon o. S. 181 ff. 798 Dazu s. o. S. 183 mit Textabdruck.

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ber799 beschränkt ist oder ob es jedem zusteht, der den Gewahrsam sine domini voluntate, aber ex honesta causa erworben hat. Die Frage wird virulent beim bonae fidei possessor: Dieser besitzt sine domini voluntate, aber nicht ex inhonesta causa, ist andererseits aber auch kein berechtigter Besitzer. Der gutgläubige Besitzer haftet dem dominus dann wegen eines Diebstahles, wenn er nach der litis contestatio fahrlässig (durch culpa)800 den Diebstahl ermöglichte. Ob aber der gutgläubige Besitzer bei seiner Inanspruchnahme die Abtretung der actio furti verlangen kann, läßt sich den Quellen nicht entnehmen.801 Gerade für den gutgläubigen Besitzer gilt nämlich die Besonderheit, daß er wegen eines Eigeninteresses an der Erhaltung des Besitzes schon von Rechts wegen die actio furti erhält, wenn er den Besitz entgeltlich erworben hatte und die Sache bis zur Klageerhebung durch den Eigentümer ohne Ersatzpflicht nutzen konnte oder wenn er anderweit Verwendungen auf die Sache getätigt hatte und deswegen gegenüber dem Eigentümer ein Zurückbehaltungsrecht hatte.802 Insoweit stellt der gutgläubige Besitzer eine Ausnahme von dem Satz des Paulus dar, daß nur derjenige zur Diebstahlsklage legitimiert sei, der domini voluntate die Sache in seinem Gewahrsam hatte. Darum muß man den Satz des Paulus, die Diebstahlsklage stehe demjenigen zu, der ein interesse rem salvam esse und die Sache domini voluntate im Gewahrsam hatte, um den Zusatz ergänzen, daß auch der gutgläubige Besitzer die Diebstahlsklage erhalte, wenn er zum Erwerb oder Erhalt der Sache Investitionen getätigt hat. Die actio furti des gutgläubigen Besitzer wegen seines Interesses an der Besitzerhaltung (seiner causa possessionis) berechnet sich in ihrem Umfang nach den vom bonae fidei possessor getätigten Investitionen, insbesondere also nach den Verwendungen. Sie steht stets neben der des Eigentümers, dem ebenfalls wegen seines Interesses (seiner causa proprietatis)803 eine actio furti zusteht. Je höher das Interesse des bonae fidei possessor ist, um so niedriger wird mutmaßlich in der condemnatio der beim Ei799 Von den in Paulus D. 47,2,54(53),3 und D. 47,2,86 genannten Personen sind der negotiorum gestor, der tutor und der curator berechtigte Gewahrsamsinhaber. Der nur in fr. 54,3 erwähnte Scheinvormund (Protutor) ist dagegen an sich nicht zur Geschäftsführung berechtigt; er wurde jedoch in mancher Hinsicht in der späteren Klassik wie ein legitimer Geschäftsführer behandelt, s. dazu SEILER, Negotiorum gestio (1968) 253. 800 s. z. B. Papinian D. 6,1,63 (dazu o. S. 89 ff. und u. S. 298 ff.). Er haftet freilich auch bei dolosem Besitzverlust post litem contestatam, in diesem Fall erwirbt er aber die Diebstahlsklage sicher nicht, da niemand aus seinem eigenen dolus Vorteile ziehen soll, s. o. S. 178 ff. 801 Bei Papinian D. 6,1,63 (s. o. A. 800) ist zwar nicht ganz auszuschließen, daß sich actione sua cedat auf die actio furti bezieht, zumal der Text bei Papinian unter de furtis stand (s. o. A. 310). Doch ist aufgrund des Fortganges des Textes eher wahrscheinlich, daß Papinian die rei vindicatio meint (s. schon o. A. 330 und noch u. bei A. 1171). 802 s. dazu schon o. S. 170 mit A. 639; o. A. 676 sowie S. 183 ff. zu Javolen D. 47,2,75(74) und anderen Quellen. 803 s. dazu schon o. A. 683 und 684 sowie insbesondere LEVY, Konkurrenz I (1918) 402 f. zu Javolen, D. 47,2,75(74).

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gentümer verbleibende Teil der actio furti veranschlagt.804 Zu den Verwendungen zählt aber auch dasjenige, was der bonae fidei possessor zwecks Ablösung einer Noxalhaftung für den in seinem Besitz befindlichen Sklaven leistet.805 Nicht unwahrscheinlich ist daher, daß in dem Falle, daß der gutgläubige Besitzer dem Eigentümer wegen fahrlässig ermöglichten Diebstahles nach der litis contestatio über die rei vindicatio auf Wertersatz haftet, auch die geleisteten Abfindungszahlungen an den Eigentümer (ähnlich Verwendungszahlungen zur Abwendung einer Noxalhaftung)806 ipso iure zu einer Reduktion der dem Eigentümer verbleibenden actio furti und einer Erhöhung des Umfanges der dem bonae fidei possessor zustehenden Diebstahlsklage führen.807 Diese Zahlung zur Abfindung des Eigentümers hat allerdings die Besonderheit, daß die Reduktion der actio furti des Eigentümers bis auf Null geht, die actio furti dem Besitzer also bei vollständiger Ersatzleistung vollständig und unter Ausschluß des Eigentümers zusteht.808 Für eine rechtsgeschäftliche Zession ist dann kein Raum. Der Unterschied zum haftenden Geschäftsführer, der im Falle seiner Haftung für einen Diebstahl nur über eine Abtretung die actio furti erhält, ist darin begründet, daß dem gutgläubigen Besitzer anders als dem Geschäftsführer schon unabhängig vom Haftungsinteresse wegen seines schutzwürdigen Eigeninteresses eine actio furti neben der des Eigentümers zusteht. Es läßt sich also festhalten, daß derjenige, der sine domini voluntate b e r e c h t i g t e n Gewahrsam an der gestohlenen Sache begründet hatte und dem Eigentümer wegen des Diebstahls (wegen Verschuldens) ersatzpflichtig ist, ein 804

Vgl. abermals Javolen D. 47,2,75(74) (dazu s. soeben A. 803). Paulus D. 47,2,54,4. 806 Die Abfindungszahlung an den Eigentümer ist aber auch vergleichbar mit der (Kaufpreis-)Zahlung, die der Besitzer leistete, um den Besitz zu erwerben, und die unzweifelhaft die Gewährung der Diebstahlsklage an den gutgläubigen Besitzer rechtfertigt. Denn auch die an den Eigentümer zu leistende litis aestimatio stellt einen Erwerbstitel dar (s. dazu noch u. S. 270 ff.). Freilich erhält der bonae fidei possessor, wenn ihm die Sache im laufenden Verfahren über die rei vindicatio gestohlen wird, den Erwerbstitel aus der litis aestimatio erst nach dem Diebstahl, so daß die Gleichstellung mit einer Zahlung zum Erwerb des Besitzes der gestohlenen Sache nicht sicher ist (s. dazu sogleich A. 807). 807 Zweifel bleiben allenfalls deswegen, weil die Abfindungszahlung an den Eigentümer zur Abwendung der Haftung für den Besitzverlust anders als die Zahlungen an einen Geschädigten zur Ablösung einer Noxalhaftung (und anders als die Kaufpreiszahlung zum Erwerb des durch den Diebstahl verlorenen Besitzes, s. soeben A. 806) erst nach dem Diebstahl erfolgen. Doch können Umstände, die erst nach dem Diebstahl eintreten, durchaus noch etwas an der Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage ändern; wie bereits erwähnt, kann etwa auch die Befreiung desjenigen Haftenden, der wegen seines Haftungsinteresses zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert ist, diesem die Aktivlegitimation entziehen (s. dazu o. S. 228 ff.). 808 Dazu paßt, daß Papinian in D. 6,1,63 dem gutgläubigen (Ersitzungs-)Besitzer nach Zahlung der litis aestimatio die Sache endgültig zuspricht, der Eigentümer also selbst gegen Rückzahlung des empfangenen Schätzwertes die Sache nicht gegenüber dem früheren Besitzer, der ihn entschädigt hat, behalten darf (s. u. S. 298 ff.). 805

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Recht auf Abtretung der actio furti durch den Eigentümer hat, wenn ihn der Eigentümer tatsächlich aus seiner Haftung in Anspruch nimmt. Dem gutgläubigen Besitzer steht die Diebstahlsklage dagegen wohl ipso iure zu, wenn er ausnahmsweise wegen fahrlässiger Ermöglichung des Diebstahles nach der Erhebung der rei vindicatio dem Eigentümer ersatzpflichtig gewesen ist und diesen abgefunden hat. Dagegen erhält derjenige, der den Gewahrsam an der Sache ex inhonesta causa erworben hatte, die Diebstahlsklage weder ipso iure noch im Wege der rechtsgeschäftlichen Abtretung.

VI. Keine Abtretung der actio furti an den Haftenden ohne vormalige Sachgewalt: Paulus D. 47,2,86(85) und Papinian D. 47,2,81(80),7 Im letzten von Paulus D. 47,2,86(85) (o. S. 211) in aller Kürze angeführten Beispiel hat sich ein Bürge für die Ansprüche des Grundeigentümers gegen einen Landpächter (colonus) verbürgt, insbesondere also für die Rückgabeverpflichtung am Ende der Pachtzeit. Eine mitverpachtete bewegliche Sache, vielleicht auch dem Grundstückseigentümer zustehende Früchte, wurde(n) gestohlen. Zwei Fälle sind denkbar: Entweder hat ein unbekannter Dieb die Sache gestohlen; für diesen Fall ergeben die Quellen kein einheitliches Bild darüber, ob die Diebstahlsklage hier dem Eigentümer oder dem Pächter zustand.809 Wahrscheinlich haftete der colonus dem dominus im Hinblick auf bewegliche Sachen für custodia,810 so daß er dem Eigentümer wegen des Diebstahls zum Ersatz verpflichtet war. Also haftete auch der Bürge auf den Wert der gestohlenen Sache. Oder der colonus selbst beging zu Lasten des Eigentümers ein furtum, z. B. durch Überschreitung des Fruchtziehungsrechts; auch dieser Fall wird in den Quellen diskutiert.811 Auch hier ist denkbar, daß der Bürge für die durch den Pächter vereitelte Rückgabe der gestohlenen Sache haftet. Demnach hat also der Bürge in beiden Fällen ein Interesse rem non subripi. Dennoch soll er die Diebstahlsklage nicht erhalten. Aus dem Vergleich mit der eingangs des fr. 86 aufgestellten Regel ergibt sich die Begründung: Der Bürge hatte zur Zeit des Diebstahls keinen Gewahrsam an der Sache, anders als der 809 Ulpian D. 47,2,14,2: Praeterea habent furti actionem coloni, quamvis domini non sint, quia interest eorum; eindeutig auf gestohlene Früchte bezogen: Paulus D. 47,2,83(82),1: tam colonus quam dominus furti agere possunt; andererseits Ulpian D. 47,2,52,8: dominus furti aget: deinde colonus conducti actione consequetur, ut id ipsum sibi praestaretur. Hierzu F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 66 ff., JOLOWICZ, De furtis (1940) xlviii f. 810 Vgl. F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 66; KASER, RP I 567. 811 s. – allerdings zur zeitlichen Überschreitung nach Ablauf der (fünfjährigen) Pachtzeit – Celsus D. 47,2,68(67),5; zum Diebstahl durch den colonus, wenn – wie es üblich gewesen sein soll – die Früchte nach Vereinbarung zwischen colonus und dominus dem Eigentümer verpfändet waren African D. 47,2,62(61)8.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Geschäftsführer, dem nur das Einverständnis des Eigentümers mit der Begründung des Gewahrsams fehlte. Das Ergebnis entspricht der Entscheidung von Julian (und wohl auch Celsus) in dem bereits behandelten812 Fragment (Julian-/Celsus-)Ulpian D. 47,2,14,10 für den Bürgen des Entleihers. Dort wird die Versagung der Diebstahlsklage zweimal begründet: Nach einer wahrscheinlich auf Julian zurückgehenden Formulierung erhält der Bürge des Entleihers die actio furti nicht, weil er selbst nicht für custodia verantwortlich sei (quia custodiam praestare non debeat). Auf Ulpian geht dagegen wahrscheinlich der Versuch zurück, den wesentlichen Gedanken von Julian (und Celsus) für die Spätklassik allgemeiner zu formulieren, in der grundsätzlich auch die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage bei einer Haftung für culpa anerkannt war. Nach dieser Formulierung wird nur demjenigen die Diebstahlsklage wegen seiner Haftung gegenüber dem Eigentümer zuerkannt, der selbst (sei es nach dem Maßstab der custodia oder der culpa) zur Bewachung verpflichtet ist, nicht aber demjenigen, der nur für die Bewachung durch einen anderen haftet. Es scheint also, daß man in der Spätklassik nach Überwindung der engen älteren Auffassung, die wegen eines Haftungsinteresses nur die Aktivlegitimation des custodia-Pflichtigen anerkannte, die Zuerkennung der Aktivlegitimation kraft Haftungsinteresses nicht ausufern lassen wollte. Deswegen suchte man anknüpfend an die frühere Auffassung nach Beschränkungen: Der Haftende sollte nur dann zur actio furti aktivlegitimiert sein, wenn seine Position eine gewisse Ähnlichkeit zum anerkannten Fall des custodia-Pflichtigen aufwies. Ulpian erwog in D. 47, 2,14,10, darauf abzustellen, daß den Haftenden selbst zur Zeit des Diebstahls eine Pflicht zur Bewachung treffen mußte; Paulus formulierte griffiger, daß der Haftende die Sache mit dem Willen des Eigentümers in seinem Gewahrsam gehabt haben müsse. Die zusätzlich aufgestellten Erfordernisse entweder der eigenen Bewachungspflicht (aus [Julian-]Ulpian D. 47,2,14,10) oder der Detention (Paulus D. 47, 2,86[85]) entsprechen einander weitgehend:813 Wer eine Sache in Besitz und wegen eines Haftungsinteresses das interesse rem non subripi hat, der hat dies in aller Regel deswegen, weil er dem Eigentümer gegenüber verpflichtet war, die Sache zu bewachen; umgekehrt hat eine Bewachungspflicht typischerweise nur jemand, der die Sache in seiner Gewalt hat.814 Im Hinblick auf e i n e n – ebenfalls in D. 47,1,14,10 behandelten – Fall allerdings unterscheiden sich beide 812

s. o. S. 187 ff. Vgl. auch VOCI, Risarcimento e pena privata nel diritto romano classico (1939) 28 ff. A. 1; CANNATA, Ricerche sulla responsabiltà (1966) 42 f. 814 An den Fall eines reinen Bewachungsvertrages, der den Schuldner zur Bewachung eines in fremder Hand befindlichen Gegenstandes verpflichtet, ist wohl auch bei (Julian-)Ulpian D. 47,2,14,10 nicht gedacht. 813

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Ansätze sogar mit Auswirkung auf das Ergebnis; hier erweist sich die von Ulpian erwogene Formel als enger, aber Ulpian selbst gibt demjenigen Ergebnis den Vorzug, das sich aus der weiteren paulinischen Formel ergibt: Der pater familias wird durch einen Leihvertrag seines Sohnes nicht unmittelbar selbst zu custodia verpflichtet, sondern haftet aus dem peculium wegen der Pflicht des Sohnes nur adjektizisch. Julian (und Celsus) versagen daher nach dem Bericht Ulpians in D. 47,2,14,10 dem pater die actio furti, quia custodiam praestare non debet. Ulpian sieht das Wesentliche der Begründung darin, daß der Vater nicht selbst zur Bewachung (im weiteren Sinne, nicht im technischen Sinne der custodia-Haftung) verpflichtet ist; und er erwägt, diesen Gedanken auch noch für die Spätklassik fruchtbar zu machen, also dem pater familias die actio furti zu versagen. Tatsächlich zieht Ulpian selbst aber für diesen Fall die gegenteilige Auffassung vor: In D. 47,2,52,9815 gewährt er bei hinreichendem peculium die actio furti dem pater familias. Dieses Ergebnis entspricht jedoch der Formel des Paulus aus D. 47,2,86(85). Denn der Besitz des Sohnes wird dem Vater zugerechnet;816 in ähnlicher Weise dürfte auch die Detention des Sohnes dem Vater zuzurechnen sein. Daher erscheint es gerechtfertigt, den Vater so zu behandeln, wie wenn er die Sache in eigenem Gewahrsam hätte; und wenn der Eigentümer wußte, daß es sich um einen Haussohn handelt, erwirbt der Vater diese ihm zuzurechnende Sachherrschaft auch domini voluntate.817 Die Formel des Paulus scheint also diejenigen Ergebnisse zusammenzufassen, die sich in der Spätklassik in der Frage der Aktivlegitimation zur actio furti wegen eines Haftungsinteresses durchsetzen. Dabei steht die paulinische Formel nicht ohne Vorbild da; schon Papinian argumentierte ähnlich: In dem bereits besprochenen818 Text D. 47,2,81(80),7 hatte ein Geschäftsführer des Schuldners Titius dessen Schuld begleichen wollen, aber statt an den Gläubiger an einen procurator des Gläubigers bezahlt. Der Schuldner Titius hat die Zahlung in seinem Namen genehmigt. Der Empfänger des Geldes war jedoch ein falsus procurator gewesen, er war also vom Gläubiger nicht zur Empfangnahme ermäch815

s. den Text der Quelle o. S. 194. Vgl. Gaius 2,89 (weitgehend übereinstimmend Inst. 2,9,3): Non solum autem proprietas per eos quos in potestate habemus adquiritur nobis, sed etiam possessio; cuius enim rei possessionem adepti fuerint, id nos possidere videmur . . . 817 Abweichend versucht JOLOWICZ, De furtis (1940) 15 f. A. 10, die unterschiedliche Behandlung des Bürgen (der die actio furti nicht erhält) und des pater familias (der sie nach umstrittener Ansicht des Ulpian in fr. 52,9 erhalten soll) damit zu erklären, daß der Bürge aufgrund eigenen Vertrages hafte, der pater familias dagegen nur aufgrund des von einem Dritten (dem Sohn) geschlossenen Vertrages der actio de peculio ausgesetzt sei. Doch reicht diese Erklärung nicht hin, die Ablehnung der Aktivlegitimation des Bürgen zu rechtfertigen: Der Umstand, daß die Haftung auf einem vom Haftenden selbst abgeschlossenen Vertrag beruht, schließt auch sonst nicht die Gewährung der actio furti an den Haftenden aus, wie schon die Schulbeispiele des fullo, sarcinator oder des Entleihers zeigen. 818 s. o. S. 163. 816

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

tigt gewesen und hatte den Irrtum des zahlenden Geschäftsführers bewußt ausgenutzt. Dieses Verhalten des falsus procurator stellt ein furtum an den gezahlten Münzen dar; fraglich ist nur, wem die actio furti zustehen soll. Grundsätzlich steht sie dem Eigentümer zu; danach müßte hier der zahlende Geschäftsführer als Eigentümer der nummi aktivlegitimiert sein. Doch ist (jedenfalls mit der Genehmigung) der Geschäftsherr Titius dem Geschäftsführer zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, ohne daß er etwa von seiner Schuld gegenüber dem Gläubiger freigeworden wäre. Deswegen trifft an sich den Titius das Risiko, das Geld vom falsus procurator nicht wiedererlangen zu können. Dennoch spricht ihm Papinian die actio furti ab, und zwar mit der Begründung, daß er weder Eigentümer noch Besitzer der unterschlagenen Münzen gewesen sei.819 Einem Nichteigentümer kann die actio furti wegen seiner Ersatzpflicht also auch nach Papinian nur zustehen, wenn er im Zeitpunkt des Diebstahls die Sache in seinem Gewahrsam hatte. Aus dem Papinian-Text erfahren wir zugleich, daß dem Ersatzpflichtigen auch nicht etwa ein Recht auf Abtretung der actio furti gewährt wird: Wenn er aus der actio negotiorum gestorum contraria in Anspruch genommen wird, kann er nach Papinian (nur) verlangen, daß ihm die condictio furtiva abgetreten wird; die kurz zuvor noch ausdrücklich angeführte Strafklage erwähnt Papinian beim Abtretungszwang dagegen nicht. Einen weiteren Grund für die Verweigerung eines Rechts auf Abtretung der actio furti erfahren wir nicht; der Grund kann also nur derjenige sein, der schon dem Übergang der Aktivlegitimation ipso iure auf den Geschäftsherrn entgegenstand: Wer dem Eigentümer den aus dem Diebstahl resultierenden Schaden zu ersetzen verpflichtet ist, der ist weder ipso iure zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert noch hat er ein Recht auf Zession der actio furti, wenn er im Zeitpunkt des Diebstahls nicht den Gewahrsam der Sache hatte.820 Die Bedeutung des Besitzes oder Gewahrsams für die Aktivlegitimation zur actio furti tritt noch in einigen anderen Quellen hervor: So kann insbesondere an Sachen, die zu einer Erbschaft gehören, die noch niemand angetreten und in Besitz genommen hat, mangels Besitzes kein furtum begangen werden;821 aber auch in anderen Zusam819

cum Titii nummorum dominium non fuerit neque possessio. Folglich besteht entgegen F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 98, der zu Unrecht das Argument der Sachgewalt übersieht, auch keine Meinungsverschiedenheit zwischen Paulus D. 47,2,54(53),3 und Papinian D. 47,2,81(80),7. 821 So Ulpian D. 47,19,2,1, ebenso (Scaevola-)Ulpian D. 47,4,1,15 mit der deutlichen Formulierung: Scaevola ait possessionis furtum fieri: denique si nullus sit possessor, furtum negat fieri (dazu HUVELIN, Furtum [1915, Nachdruck 1968] I 322 ff.; für eine Glosse hält den Text dagegen ALBANESE, APal. 25 [1956] 145 ff.); vgl. Marcellus D. 47,2,69(70) und 71(72) mit der Ausnahme, daß sich Sachen des Erblassers (etwa infolge einer Verpfändung) im Besitz anderer befinden. Nach Ulpian D. 47,2,14,14 kann deswegen der Erbe eines Entleihers oder Pfandgläubigers, wenn die geliehene bzw. verpfändete Sache vor Antritt der Erbschaft gestohlen wurde, nicht die Diebstahlsklage erheben, sie steht deswegen dem Eigentümer zu (s. dazu schon oben 820

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menhängen wird die Bedeutung des Besitzes oder Gewahrsams für die Gewährung der actio furti an einen Nichteigentümer betont.822 Die Rolle, die die Sachgewalt für die Aktivlegitimation eines Nichteigentümers zur Diebstahlsklage spielt, wird in der Literatur des 20. Jahrhunderts vielfach vernachlässigt,823 obwohl sie etwa schon POTHIER – wenn auch in sehr vorsichtiger Formulierung – erkannt hat.824 Freilich galt der Grundsatz, daß ein Nichteigentümer ohne Sachgewalt nicht zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert ist, nicht ausnahmslos:825 So wurde beispielsweise dem Pfandgläubiger die Diebstahlsklage gewährt, auch wenn er zur Zeit des Diebstahls (durch den Eigentümer) weder Besitz noch Detention an der Pfandsache hatte, etwa weil er sie aufgrund einer Sonderabrede mit dem Schuldner in dessen Besitz belassen hatte.826 Doch wird gerade in diesem Fall deutlich darauf hingewiesen, daß hier (ausnahmsweise) einem Nichteigentümer ohne Sachgewalt die Diebstahlsklage gewährt wird;827 weil dies also als etwas Besonderes empfunden wurde, bestätigt dieser Ausnahmefall die Regel. Grund A. 665 und 714 sowie F. SCHULZ, SZ 32 [1911] 38 f.; SCHINDLER, Justinians Haltung [1966] 204 f. A. 32; BUCKLAND, TR 10 [1930] 130 f.; allgemein zum Diebstahl an der ruhenden Erbschaft außer HUVELIN, a. a. O. und Furtum II 571 ff., 719, 797, THOMAS, Rei hereditariae furtum non fit, TR 36 [1968] 489 ff. [504 A. 67 ad h. l.], der allerdings S. 498 ff. explizit die Bedeutung des Besitzes für das furtum nach klassischem Recht leugnet; KASER, RP I 720 f. mit A. 17). 822 Vgl. z. B. Ulpian D. 19,5,17,5: quemadmodum enim rei nomine, cuius neque possessionem neque dominium victor habuit, aget furti?; zu diesem Text s. KASER, FG v. Lübtow (1980) = DERS., Rechtsquellen (1986) 238 f. Vgl. ferner ebenfalls in anderem Zusammenhang Javolen D. 47,2,75(74) a. E. (nämlich zur Aktivlegitimation eines Besitzers, der eine Sache in gutem Glauben entgeltlich von einem Nichtberechtigten erworben hat; ihm steht wegen seines Nutzungsinteresses neben der actio furti des Eigentümers die Diebstahlsklage zu): . . . nec nos movere debet, quod duobus poena furti praestabitur, quippe, cum eiusdem rei nomine praestetur, emptori eius possessionis, domino ipsius proprietatis causa praestanda est (dazu schon o. A. 683 f., 803 f.). 823 Eine Ausnahme bildet HUVELIN, Furtum (1915, Neudruck 1968) I 322 ff., II 560 ff., 564 ff., 609, 667 f., 680, 693 f., 719, 797 f. der im Anschluß an (Scaevola-) Ulpian D. 47,4,1,15 (o. A. 821) geradezu von einer Regel furtum fit possessionis spricht (hiergegen ALBANESE, APal. 25 [1956] 145 ff., 201 f.), die jedenfalls Quintus Cervidius Scaevola bekannt, Labeo dagegen noch unbekannt gewesen sei; Sabinus habe sie anerkannt, allerdings unter Abwägung gegen ältere etablierte Prinzipien, soweit diese der possessio-Regel im Einzelfall widersprochen hätten. Zur Bedeutung des Besitzes s. auch VOCI, Risarcimento e pena privata nel diritto romano classico (1939) 28 ff. A. 1; vorsichtig erkennt außerdem JOLOWICZ, De furtis (1940) xxx f. (vgl. zur Bedeutung des Besitzes für den Diebstahlstatbestand S. xix f.) an, daß der Besitz für die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage eines Nichteigentümers eine Rolle spielte; vgl. ferner die Ansätze bei CANNATA, Ricerche sulla responsabilità (1966) 42 f. 824 POTHIER, Pandectae Justinianeae IV (Ed. Parisiis 1818) 336 (Nr. LXI zum Digestentitel 47,2 „ M a x i m e autem ei non datur actio Furti, qui nec dominium nec possessionem ullam ac rei detentionem habebat; quamvis ipsius interest“ (Hervorhebung nicht original); s. zu POTHIER auch JOLOWICZ, De furtis (1940) xxx A. 7. 825 Darauf wies schon JOLOWICZ, De furtis (1940) S. xxx f. hin. Außer dem besitzlosen Pfandgläubiger nennt JOLOWICZ als weitere Ausnahme den berühmten und schwierigen Fall African D. 46,3,38,1 (zu ihm s. d. Nachweise o. A. 618 und 628), auf den hier nicht eingegangen werden kann. 826 Ulpian D. 47,2,19,6; 62,8; Paulus D. 47,2,67pr. 827 Vgl. Ulpian D. 47,2,19,6: Furtum autem rei pigneratae dominus non tantum tunc facere videtur, cum possidenti sive tenenti creditori aufert, verum et si eo tempore

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

für die Ausnahme dürfte sein, daß der Pfandgläubiger zwar nicht das Vollrecht an der Sache hat, aber immerhin Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts ist und das Eigeninteresse des Berechtigten an diesem dinglichen Recht mit der actio furti geschützt werden soll.828 Wenn aber jemandem, der keine Sachgewalt über die Sache hatte, trotz eines interesse rem non subripi grundsätzlich die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage verweigert wurde, so liegt es nahe anzunehmen, daß er die Klage auch nicht durch Abtretung erlangen sollte. Allerdings galt auch dieser Grundsatz, daß nur ein bestohlener Besitzer (wenn ihm die Diebstahlsklage nicht schon ipso iure zusteht) das Recht haben kann zu verlangen, daß ihm die actio furti abgetreten wird, nicht ausnahmslos: Insbesondere der Käufer einer nach Kaufabschluß gestohlenen Sache kann nach Papinian D. 47,2,81(80)pr. und Ulpian D. 47,2,14pr. vom Verkäufer die Abtretung der actio furti verlangen.829 Der Käufer war aber zur Zeit des Diebstahls weder im Besitz noch Eigentümer der Sache. Doch spielt hier ein anderer Gedanke eine Rolle: Hier hat der Eigentümer die Übereignung der Sache bereits versprochen; da er zur Herausgabe der Sache aber nicht mehr in der Lage ist und auch den Wert der Sache dem Käufer nicht zu ersetzen verpflichtet ist, soll wenigstens das abgeschöpft werden, was bei ihm verblieben ist. Ob derselbe Gedanke auch in den von Paulus in D. 47,2,54(53),3 angeführten Fällen Platz griff, in denen der Eigentümer aus einer stipulatio certae rei oder aus einem Damnationslegat zur Übereignung verpflichtet ist, oder ob der Eigentümer aus der dem Gläubiger zur Verfügung stehenden Klage (condictio certae rei bzw. actio ex testamento) nicht zur Zession der actio furti gezwungen werden konnte, muß hier dahinstehen.830 Jedenfalls gab es in anderen Konstellationen Ausnahmen von dem

abstulerit, quo non possidebat, ut puta si rem pigneratam vendidit: nam et hic furtum eum facere constat. et ita et Iulianus ait. 828 Zugunsten des Pfandgläubigers scheint noch in anderen Hinsichten eine Tendenz bestanden zu haben, seine Position in einem Maße, das über den Schutz sonstiger Interessenten an der Sache hinausging, der Position eines Eigentümers anzunähern: So gewährte zum Beispiel Aristo nach Ulpian D. 13,1,12,2 dem Pfandgläubiger im Falle des Diebstahls eine condictio, obwohl die condictio ex causa furtiva an sich nur dem dominus zustand. Wahrscheinlich setzte sich diese Ansicht des Aristo allerdings nicht durch, s. dazu u. bei A. 864 ff. 829 s. zur Frage der actio furti des Verkäufers d. Nachweise o. A. 645. 830 Dafür wäre zunächst das Verhältnis von D. 47,2,13 zu fr. 54(53),3 zu klären, ob also die Aussage von fr. 54,3, daß dem Stipulationsgläubiger und Legatar die Klage nicht zustehe, überhaupt die klassische Rechtslage wiedergibt (s. dazu bereits den Hinweis o. A. 785). Glaubt man aber fr. 54,3, stellt sich die hier aufgeworfene Frage, ob die beiden Typen von Gläubigern (wie die von Paulus zuvor behandelten Geschäftsführer) die Abtretung der actio furti verlangen konnten. Die Frage verneinte mit ausführlicher Begründung FR. MOMMSEN, Die Unmöglichkeit der Leistung (1853) 302 f.; s. auch DENS., Erörterungen über die Regel: Commodum ejus esse debet, cujus periculum est (1859) 101 f. F. SCHULZ geht dagegen weder in seinem Artikel über die Klagenzession im Interesse des Zessionars oder des Zedenten in SZ 27 (1906) 82 ff., noch bei der Darstellung des „Weitergriffs“ in DERS., Rückgriff und Weitergriff (1907) 117 ff. auf die Frage der Klagenzession zum Zwecke des Weitergriffs im Rahmen der actiones ex stipulatu und ex testamento ein. Ohne Einschränkung bzgl. der Stipulation oder des Legats meint dagegen WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts II (9. Aufl. 1906) § 264 A. 6 (S. 93 f.), der Schuldner müsse im Falle unverschuldeter Unmöglichkeit „leisten, was das die Unmöglichkeit herbeiführende Ereignis ihm von dem Lei-

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Grundsatz, daß ein Recht auf Erwerb der actio furti nicht hat, wer zur Zeit des Diebstahls nicht Eigentümer oder Besitzer der Sache war. In den Fällen, in denen das Interesse rem non subripi des Nichteigentümers aber auf einer Verpflichtung zur Ersatzleistung wegen des Diebstahls beruhte, scheinen die spätklassischen Juristen den Grundsatz konsequent durchzuhalten, wie die Beispiele des Bürgen für den Entleiher und des ersatzpflichtigen Geschäftsherrn zeigen.

Warum aber maßen die Juristen der Frage der Sachgewalt eine solche Bedeutung für die Frage der Aktivlegitimation zur actio furti zu? Die Frage führt zu dem Grundverständnis der Spätklassiker831 vom Wesen des Diebstahls. Die Ant-

stungsgegenstand gelassen oder statt des Leistungsgegenstandes gegeben hat.“ – Die Besonderheit der actio ex stipulatu und der actio ex testamento sieht FR. MOMMSEN darin, daß sie stricti iuris, also nur auf den geschuldeten Gegenstand gerichtet seien. Wenn dieser aber nicht mehr geleistet werden könne, ohne daß das Leistungshindernis auf einem Verschulden des Schuldners beruhe, sei die Klage gegenstandslos; ihre Formel lasse also eine Erstreckung der Klage auf einen Ersatz nicht zu. Stattdessen habe man im Falle einer vorsätzlichen Tötung des geschuldeten Sklaven durch einen Dritten dem Gläubiger eine actio de dolo gegen den Dritten gewährt und die actio legis Aquiliae des Schuldners denegiert, wie Paulus D. 4,3,18,5 zeige. Die Frage kann hier nicht gründlich behandelt werden; es können nur einzelne Bedenken gegen die Ansicht von MOMMSEN angeführt werden: Die Argumentation mit dem Formelwortlaut erscheint nicht zwingend; die Verpflichtung zur Übereignung der Sache wurde möglicherweise durch Auslegung erweitert auch auf das, was dem Schuldner anstelle der Sache verblieben ist; auch im Falle eines Verschuldens des Schuldners ließ man ja unter der Fiktion der perpetuatio obligationis (dazu nur KASER, RP I 513 f.) eine Verurteilung des Schuldners zu, auch wenn die Sache realiter nicht mehr vorhanden war. Vor allem aber bleibt nach (Sabinus-)Paulus D. 45,1,83,7 die Klage aus der Stipulation erhalten (und ist wahrscheinlich auf Klagenzession gerichtet [?]), wenn der versprochene Sklave stirbt, dem Schuldner aber noch eine condictio furtiva zusteht, weil der Sklave vor seinem Tod gestohlen worden war. Zuzugeben ist allerdings, daß in der letztgenannten (und von MOMMSEN nicht behandelten) Quelle nur von der condictio furtiva und nicht von der actio furti die Rede ist. Wenn aber die actio furti dem Stipulationsgläubiger abzutreten wäre, könnte man die Erwähnung dieses Falles innerhalb des Aufbaus von Fragment D. 47,2,86(85) wie folgt deuten: Paulus würde dann hier einen Fall anführen, in dem der Nichteigentümer zur Zeit des Diebstahls keinen Gewahrsam hatte; deswegen erlangt er die Aktivlegitimation zur actio furti nicht ipso iure. Weil aber der Eigentümer (bzw. der Erblasser) schon seinen verbindlichen Willen erklärt hatte (domini voluntas), dem Nichteigentümer das Eigentum zu verschaffen, kann der Gläubiger die Abtretung der actio furti verlangen. Der Fall stünde also inhaltlich zwischen dem Fall des Geschäftsführers, der die Sache ohne voluntas domini im Gewahrsam hatte und bei seiner Inanspruchnahme die actio furti im Wege rechtsgeschäftlicher Abtretung erhält, und dem Bürgen, der keinen Gewahrsam an der Sache hatte, ihn auch nicht nach der voluntas domini erhalten sollte und der daher auch kein Recht auf eine rechtsgeschäftliche Zession der Diebstahlsklage hat. Der Grund, warum der Stipulationsgläubiger oder Legatar den Anspruch nicht ipso iure bekommt, könnte darin liegen, daß es für ihn günstiger sein kann, sich auf die Nichterfüllbarkeit der Stipulation oder des Legats zu berufen (etwa weil ihm dann die Kondiktion einer erbrachten Gegenleistung möglich ist oder eine Ersatzanordnung des Erblassers in Kraft tritt). 831 Zur Tendenz in der Spätklassik, den Tatbestand des furtum (wieder) einzuengen, vgl. KASER, RP I 614 f.

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wort ergibt sich nämlich aus der berühmten – von Justinian leicht gekürzt in Inst. 4,1,1 aufgenommenen – Definition des Diebstahls durch Paulus in: D. 47,2,1,3 (Paulus im 39. Buch ad edictum): Furtum est contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia vel ipsius rei vel etiam usus eius possessionisve . . . Ein Diebstahl ist die vorsätzliche Ansichnahme einer Sache mit der Absicht, sich um die Sache selbst oder ihren Gebrauch oder ihren Besitz zu bereichern . . .

Das furtum ist nach Paulus also nicht irgendein Vermögensdelikt, sondern ein sachbezogenes Delikt: Es zielt ab auf Aneignung der Sachsubstanz selbst, ihres Gebrauchs oder auch nur ihres Besitzes.832 Spiegelbildlich kommen demnach als Geschädigte und Inhaber der actio furti in Betracht: (1.) der Eigentümer, (2.) (wegen ihres Eigeninteresses) bestimmte Nutzungsberechtigte,833 sowie (3.) der Besitzer (im weiteren Sinne, einschließlich des Detentors). Wer also ohne den Besitz an der Sache wegen seines Haftungsinteresses nur einen mittelbaren Vermögensnachteil erleidet, ist damit noch nicht Verletzter des furtum. Nur einem Verletzten soll aber die Strafprämie aus der actio furti zugute kommen. Daß nicht jeder Vermögensinteressent zur actio furti aktivlegitimiert ist (oder nach erzwungener Zession soll klagen können), hat eine Parallele im modernen (deutschen) Strafrecht: Auch hier ist nach – zumindest bislang834 – herrschender Meinung beim Diebstahl des § 242 des Strafgesetzbuches (StGB) der Gewahrsam Schutzgut neben dem Eigentum selbst.835 Das hat Auswirkungen auf die Befugnis, einen Strafantrag zu stellen, wenn der Diebstahl ausnahmsweise (wie in den Fällen der Geringwertigkeit des Diebesgutes gemäß § 248a StGB oder eines Haus- und Familiendiebstahles gemäß § 247 StGB) nur auf Antrag verfolgt wird: Einen Strafantrag kann nämlich nur „der Verletzte“ stellen (§ 77 StGB). Verletzter ist entsprechend der Interpretation des Schutzgutes nach herr-

832 Freilich wurde die Definition des Paulus lange Zeit für interpoliert gehalten, s. z. B. HUVELIN, Furtum (1915, Neudruck 1968) I 499 A. 1, S. 783 A. 3; JOLOWICZ, De furtis (1940) 1 f.; zur Verteidigung ihrer Echtheit s. aber schon ALBANESE, APal. 25 (1956) 191 ff., der selbst jedoch (S. 201 f.) ausgerechnet das Wort possessionisve für interpoliert hält, allerdings aufgrund seiner wenig überzeugenden Skepsis gegen den Satz furtum fit possessionis aus (Scaevola-)Ulpian D. 47,4,1,15 (dazu s. schon o. A. 821, 823). 833 Einschließlich des Pfandgläubigers und des gutgläubigen Besitzers. 834 FISCHER, in: Tröndle/Fischer, § 242 StGB Rz. 1 stützt sich für seine Gegenauffassung (s. u. A. 835) unter anderem auf die Änderungen durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26.1.1998. 835 RGSt. 73, 151 (153); BGH St. 10, 400 (401); 29, 319 (323); vgl. schon RGSt. 50, 46 (47); RUSS, in: Leipziger Kommentar, Vor § 242 StGB Rz. 3; KÜHL, in: Lackner/Kühl, § 242 StGB Rz. 1. Nach anderer, noch engerer Auffassung schützt § 242 StGB nur das Eigentum, so ESER, in: Schönke/Schröder, § 242 StGB Rz. 2; FISCHER, in: Tröndle/Fischer, § 242 StGB Rz. 1.

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schender Auffasung der Eigentümer und der Gewahrsamsinhaber.836 Klar ist aber auch im modernen Recht, daß nicht jeder, der einen wirtschaftlichen Nachteil aus der Tat erlangt hat, zur Stellung des Strafantrages berechtigt ist (also etwa nicht die Sachversicherung).837 Der Vergleich mit dem modernen Strafrecht erhellt einen weiteren Aspekt: Bei der Beantwortung der Frage nach der Aktivlegitimation zur actio furti geht es nicht nur darum, wer die aus der Bestrafung resultierende Prämie erhalten soll; zu erwägen ist dabei vielmehr auch, wem die Entscheidung darüber zustehen soll, ob der Dieb bestraft werden soll oder nicht.838 Dabei ist zu beachten, daß die Verurteilung aus der actio furti die Infamie nach sich zieht.839 Der Inhaber der actio furti kann es also durchaus vorziehen, aus persönlichen (oder geschäftlichen) Gründen auf die Prämie zu verzichten, um zu erreichen, daß der Dieb nicht bestraft wird. Deswegen wird die actio furti nicht jedem unter Ausschluß des Eigentümers gewährt, der wegen seiner Ersatzpflicht ein wirtschaftliches Interesse rem non perire hat, sondern nur demjenigen Haftenden, der als Gewahrsamsinhaber durch den Diebstahl auch tatsächlich in seiner räumlichen Sphäre betroffen wurde und deswegen den Diebstahl als Angriff auch auf seine Person empfinden könnte. Danach ergibt sich nunmehr folgendes Schema für das spätklassische Recht, das mit dem Aufbau des Fragments Paulus D. 47,2,54(53),3 weitgehend übereinstimmt: Wegen eines Haftungsinteresses hat derjenige Nichteigentümer die Diebstahlsklage, der die Sache – wie der conductor – zur Zeit des Diebstahls mit dem Willen des Eigentümers in seiner Gewalt hatte. Wer sie ohne den Willen des Eigentümers, aber mit einem Recht zur Ingewahrsamnahme, in seiner Gewalt hatte – wie der negotiorum gestor und die anderen Geschäftsführer –, dem steht sie nicht ipso iure zu; er kann aber bei seiner Inanspruchnahme durch den Eigentümer ihre Abtretung verlangen. Wer die Sache nicht in seiner Gewalt (possessio oder Detention) hatte – wie der Bürge des Landpächters –, dem steht trotz seiner Ersatzpflicht die actio furti weder ipso iure zu, noch kann er ihre Zession bei seiner Inanspruchnahme verlangen.

836 RG St. 50, 46 (47); 73, 151 (153); BGH St. 10, 400 (401); RUSS, in: Leipziger Kommentar, § 248a StGB Rz. 10; KÜHL, in: Lackner/Kühl, § 242 StGB Rz. 1, § 247 StGB Rz. 2; die Gegenauffassung, nur der Eigentümer sei antragberechtigt, vertreten z. B. ESER, in: Schönke/Schröder, § 247 StGB Rz. 10 f., § 248a StGB Rz. 19; STREE, in: Schönke/Schröder, § 77 StGB Rz. 10. 837 So zur Sachversicherung bei Sachbeschädigung RG GA 50 (1903) 287; STREE, in: Schönke/Schröder, § 303c StGB Rz. 2; vgl. allerdings Bay ObLG St. 1963, 153 f., das dem Käufer die Antragsbefugnis zur Verfolgung des Diebstahls einer verkauften Sache nach Gefahrenübergang zusprach. 838 Zur kriminellen Verfolgung des Diebstahles in spätklassischer Zeit s. aber KASER, RP I 617 f. 839 Julian D. 3,2,1; Ulpian D. 4,2,4,5 und 6pr.-1; KASER, RP I 616 A. 22.

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VII. Kann der Eigentümer dem zur actio furti aktivlegitimierten Haftenden das Recht auf die Strafsumme entziehen? Es bleibt zu untersuchen, ob die Zuerkennung der Aktivlegitimation an den Haftenden eine endgültige Entscheidung auch darüber bedeutet, daß ihm die poena furti zusteht, oder ob der Eigentümer erreichen kann, daß er die Strafsumme erhält. Für diese Frage ist danach zu unterscheiden, ob der Haftende die Diebstahlsstrafe bereits erlangt hat oder nicht: Vor der Einziehung der poena furti richtet sich die Frage darauf, ob der Eigentümer (etwa durch Verzicht auf den Ersatzanspruch gegen den Haftenden) dem Haftenden die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage entziehen und sie selbst erlangen kann; nach Einziehung der Buße durch den Haftenden fragt sich, ob der Eigentümer einen Anspruch auf deren Auskehrung hat. Eine wesentliche Quelle auch zu Erkenntnis des klassischen Rechts ist zu diesen Fragen die Reformkonstitution Justinians zur actio furti C. 6,2,22 aus dem Jahre 530. Daher wird in diesem Zusammenhang auch auf das durch Justinian reformierte Recht einzugehen sein. 1. Erwerb der actio furti durch den Eigentümer vor der Einziehung der Strafsumme durch den Haftenden Für die Untersuchung der Frage, ob der Eigentümer dem Haftenden die Aktivlegitimation zur actio furti entziehen und die Diebstahlsklage an sich ziehen kann, ist wiederum danach zu differenzieren, ob der Eigentümer vom Haftenden bereits entschädigt wurde oder noch nicht: Vor Entschädigungsleistung kommt in Betracht, daß der Eigentümer durch Verzicht auf die Ersatzpflicht des Haftenden die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage an sich ziehen kann; nach Empfang der Entschädigung fragt sich, ob der Eigentümer denselben Effekt noch durch Rückzahlung der Entschädigung erzielen kann. a) Verzicht des Eigentümers auf die Ersatzpflicht vor der Inanspruchnahme des Haftenden (1) Klassisches Recht Für den Fall, daß der Haftende die Diebstahlssumme noch nicht aufgrund seiner Aktivlegitimation vom Dieb erlangt hat, läßt sich dem bereits erwähnten840 Labeo-Zitat von Javolen in D. 47,2,91(90)pr. ein Anhalt für das klassische Recht entnehmen: Danach fällt die Aktivlegitimation an den Eigentümer zurück, wenn der Kustodient vor der Verurteilung des Diebes zugunsten des 840

s. o. bei A. 663.

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Kustodienten von der Ersatzklage des Eigentümers freigesprochen wird. Demnach dürfte auch dann die Diebstahlsklage dem Eigentümer wieder zufallen, wenn er vor Verurteilung des Diebes auf die Haftung des custodia-Pflichtigen verzichtet. Insoweit hatte der Eigentümer also wahrscheinlich schon im klassischen Recht eine Wahlmöglichkeit, ob er entweder mit der Klage gegen den Haftenden den einfachen Wert erlangen oder auf diese Klage verzichten und darauf spekulieren will, später vom Dieb die Buße (und mittels der condictio furtiva oder der vindicatio den Sachwert) erlangen zu können.841 (2) Justinianisches Recht Justinian führt in seiner Konstitution (C. 6,2,22,1d ff. [a. 530]), mit der er die Frage der Inhaberschaft der actio furti im Falle der Haftung eines Entleihers neu regeln will,842 den Gedanken eines Wahlrechts des Eigentümer fort: Nach Justinian steht dem Entleiher nicht mehr unmittelbar nach Begehung des Diebstahles die Diebstahlsklage zu. Vielmehr erwirbt er sie erst (ohne daß es einer Abtretung bedarf), wenn er vom Eigentümer verklagt wird. Verklagt der Eigentümer stattdessen den Dieb, bedeutet die Klageerhebung nach Justinian zugleich einen Verzicht auf die Haftung des Entleihers. Freilich führt Justinian noch eine weitere Differenzierung ein: Der Eigentümer verliert die Diebstahlsklage nur dann an den Entleiher, wenn er bei Klageerhebung gegen diesen wußte, daß die Sache gestohlen worden war. Ging der Eigentümer davon aus, daß sich die Sache noch beim Entleiher befindet, so kann er nach Justinian auch noch nach Verklagung des Entleihers gegen Verzicht auf die Leihklage zur Diebstahlsklage gegen den Dieb übergehen.843 Die Differenzierung nach der Kenntnis des Eigentümers 841 Entgegen D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 104 ist diese Entscheidung Javolens also auch mit der Annahme vereinbar, daß die Diebstahlsklage rein pönalen Charakter hat; aus d i e s e r Quelle ist mithin nicht zwingend zu folgern, daß die actio furti noch für Javolen zur Hälfte sachverfolgenden Charakter gehabt habe (so aber D. LIEBS, a. a. O., 94 ff. und 264 f.; dazu s. schon o. A. 632). Für diese These von LIEBS stellt Javolen D. 47,2,72(71)pr. (dazu LIEBS, a. a. O., 87 ff.) ein gewichtigeres Argument dar; auf diesen Text braucht hier aber nicht eingegangen zu werden, denn jedenfalls kann die Entscheidung von Javolen D. 47,2,91(90)pr. auch unter der Ansicht, die actio furti habe rein strafenden Charakter, (fort)gegolten haben. 842 Zur Neuregelung Justinians s. auch Inst. 4,1,16; OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 269 ff.; JOLOWICZ, De furtis (1940) xliii ff.; SCHINDLER, Justinians Haltung (1966) 204 ff., 341; D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 46 ff.; ANKUM, RIDA 47 (2000) unter 6. 843 Nach Justinian C. 6,2,22,2 (a. E.; fast wortgleich Inst. 4,1,16 a. E.) bedeutet auch in dem Fall, daß der Eigentümer zunächst ohne Kenntnis vom Diebstahl gegen den Entleiher vorging und nach Aufklärung über den Diebstahl bei laufendem Prozeß über die actio commodati auf die Diebstahlsklage gegen den fur übergeht, die Klageerhebung gegen den Dieb einen endgültigen Verzicht auf die Klage gegen den Entleiher, unabhängig von dessen Solvenz und unabhängig vom Ausgang des Prozesses gegen den Dieb (. . . cum manifestissimum est, etiam si ab initio dominus actionem instituit commodati ignarus rei subreptae, postea autem hoc ei cognito adversus furem transi-

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soll offenbar sicherstellen, daß dem Eigentümer grundsätzlich nicht ohne sein Wissen und Wollen die Chance auf Eintreibung der Diebstahlsbuße entzogen werden soll. Der Vergleich mit dem klassischen Recht ergibt, daß das Wahlrecht nicht gänzlich neu ist;844 Justinian schafft nur die klassische unmittelbare Zuständigkeit des haftenden Entleihers zur Erhebung der Diebstahlsklage ab. Die Differenzierung nach der Kenntnis des Eigentümers vom Diebstahl ist allerdings neu. b) Rückzahlung der Entschädigung nach der Inanspruchnahme des Haftenden? Es fragt sich, ob der Eigentümer noch nach Empfangnahme der Entschädigung durch deren Rückzahlung die Aktivlegitimation zur actio furti dem Haftenden entziehen und die Klage selbst erwerben kann. (1) Justinianisches Recht Einfacher ist diese Frage für das justinianische Recht zu beantworten. Justinian bestimmte nämlich in seiner Reformkonstitution ausdrücklich, daß das Wahlrecht des Eigentümers ein Ende findet, wenn er sich vom Entleiher hat entschädigen lassen. Dies ergibt sich aus: vit, omnimodo liberari eum qui rem commodatam suscepit, quemcumque causae exitum dominus adversus furem habuerit: eadem definitione obtinente, sive in partem sive in solidum solvendo sit is qui rem commodatam accepit). KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 486 f. A. 51 vermutet, daß Justinian hier an klassisches Recht anknüpfe. Das ist indes vermutlich nicht ganz richtig: Nach klassischem Recht konnte zwar wahrscheinlich der Eigentümer auf die Klage gegen den Entleiher verzichten und dadurch die Aktivlegitimation zur actio furti erwerben; jedenfalls erwarb er die Diebstahlsklage, wenn der Entleiher von der actio commodati freigesprochen wurde. Jedoch bedeutete die Erhebung der Diebstahlsklage anders als im justinianischen Recht vermutlich nicht zwingend einen Verzicht auf die Leihklage. In der Behandlung des von Justinian gebildeten Falles unterscheiden sich das klassische und das justinianische Recht daher im Ergebnis: Nach Justinian ist der Entleiher (wegen des unterstellten Verzichts des Eigentümers auf die actio commodati) freizusprechen und der Dieb zugunsten des Eigentümers zu verurteilen. Nach klassischem Recht ist dagegen in der Regel die vom Eigentümer erhobene Diebstahlsklage abzuweisen: Dem Eigentümer fehlt die Aktivlegitimation, es sei denn, daß der Entleiher nachweislich von der Ersatzpflicht befreit oder insolvent ist. Für die Annahme einer Abweichung des reformierten Rechts vom klassischen Recht spricht auch, daß Justinian als einen Vorteil seiner Regelung ausdrücklich betont, daß es nach neuem Recht für die Lösung des Falles auf die Solvenz des Entleihers nicht (mehr) ankomme. 844 Vgl. schon JOLOWICZ, De furtis (1940) xlv nach Hinweis auf Ulpian D. 47,2,12pr.; Javolen D. 47,2,91(90)pr.; Paulus D. 47,2,54,1: „If this is classical, Justinian’s enactment on commodatum was not much of an innovation, for it would always have been open to the lender to obtain a right of action against the thief, if he preferred it, by forgoing his claim against the borrower“. JOLOWICZ ist sich dieses Urteils freilich aufgrund seiner Interpolationsvermutungen (insbesondere zu fr. 54,1; dazu u. A. 853) nicht sicher.

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C. 6,2,22,2 (Justinian a. 530):845 Sin autem nescius et dubitans rem non esse apud eum commodati actionem instituit, postea autem re comperta voluit remittere quidem commodati actionem, ad furti autem pervenire, tunc licentia ei concedatur et adversus furem venire, nullo obstaculo ei opponendo, quoniam incertus constitutus movit adversus eum qui rem utendam accepit commodati actionem, (n i s i d o m i n o a b e o s a t i s f a c t u m e s t: tunc etenim omnimodo furem a domino quidem furti actione liberari, suppositum autem esse ei, qui pro re sibi commodata domino satisfecit) . . . Wenn er [sc. der Eigentümer] aber die Klage aus Leihe angestrengt hat, ohne sicher zu wissen, daß sich die Sache nicht [mehr] bei ihm [dem Entleiher] befand, später jedoch, nach Aufklärung über diesen Sachverhalt,846 zwar auf die Klage aus Leihe verzichten, aber auf die Klage aus Diebstahl übergehen möchte, dann wird ihm die Möglichkeit eingeräumt, auch gegen den Dieb vorzugehen, und es steht dem kein Hindernis entgegen, weil er in ungewissem Kenntnisstand die Klage aus Leihe gegen denjenigen erhob, der die Sache zum Gebrauch übernommen hat (s o f e r n n i c h t d e r E i g e n t ü m e r v o n i h m b e f r i e d i g t w o r d e n i s t: dann nämlich wird [nach unserer vereinfachenden Neuregelung]847 der Dieb zwar auf jeden Fall vom Eigentümer hinsichtlich der Diebstahlsklage frei, er ist aber demjenigen unterworfen, der für die ihm geliehene Sache den Eigentümer entschädigt hat) . . .

Wenn also der Eigentümer die Entschädigung vom Entleiher erhalten hat, so steht die Diebstahlsklage dem Entleiher zu. Das gilt selbst dann, wenn der Eigentümer bei Erhebung der Klage gegen den Entleiher nicht wußte, daß die Sache gestohlen worden war. Hier findet das im übrigen durch das Abstellen auf den Kenntnisstand weitgehend geschützte Wahlrecht des Eigentümers eine absolute Grenze; der Eigentümer kann offenbar nicht unter Berufung auf seine Unkenntnis die eingezogene Ersatzleistung dem Entleiher zurückerstatten, um so die Diebstahlsklage zurückzuerwerben. Der Grund dafür liegt nahe: Mit der Zahlung der Ersatzleistung übernimmt der Entleiher, der zuvor nur rechtlich die Gefahr trug, auch tatsächlich das Risiko, den Dieb auffinden und in Anspruch nehmen zu müssen, um die finanzielle Einbuße aus dem Diebstahl auszugleichen. Der Nachteil der Haftung hat sich mit der Zahlung beim Entleiher bereits endgültig realisiert. Deswegen soll ihm auch der Vorteil des Anspruchs auf die Diebstahlsbuße endgültig zustehen. Würde man dagegen jetzt noch dem Eigentümer die Möglichkeit einräumen, gegen Rückzahlung der Entschädigung die Diebstahlsklage wieder zu erlangen, würde der Eigentümer die Prämie erhalten, ohne das Risiko des Auffindens und der Solvenz des Diebes getragen zu haben. 845

Vgl. Inst. 4,1,16. Zu re comperta ebenso JUNGMEISTER, in: Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis in’s Deutsche übersetzt, Band V (1832) 899: „nachdem er von dem Sachverhältniss unterrichtet worden“; anders ANKUM, RIDA 47 (2000): „après avoir trouvé la chose (auprès du voleur)“. 847 Der accusativus cum infinitivo (furem . . . liberari, suppositum autem esse . . .) ist noch immer abhängig von nobis decidentibus in tanta rerum difficultate simplicior sententia placuit aus § 1d. 846

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(2) Klassisches Recht Es läßt sich nur vermuten, daß mit dieser überzeugenden Begründung auch im klassischen Recht schon die Wahlmöglichkeit des Eigentümers, durch Verzicht auf die Haftung des Kustodienten wieder an die Diebstahlsklage zu gelangen, im Grundsatz spätestens mit der Empfangnahme der Ersatzleistung vom Haftenden endete. Hierzu fehlen allerdings eindeutige Quellen. Im Gegenteil wird in einem Fall dem Eigentümer explizit die Möglichkeit eingeräumt, noch nach seiner Entschädigung durch die Rückzahlung der empfangenen Ersatzleistung dem Haftenden die Aktivlegitimation zur actio furti zu nehmen: D. 47,2,54(53),1 (Paulus im 39. Buch ad edictum) Si servus commodatoris rem subripuerit et solvendo sit is cui subreptum est, Sabinus ait posse et commodati agi cum eo et contra dominum furti servi nomine: sed si pecuniam, quam dominus exegit, reddat, evanescere furti actionem: idem et si remittat commodati actionem. Wenn ein Sklave des Verleihers die Sache entwendet hat und der [Entleiher] zahlungsfähig ist, dem die Sache entwendet worden ist, dann könne, sagt Sabinus, sowohl gegen ihn mit der Leihklage vorgegangen werden als auch gegen den Eigentümer [des Sklaven] wegen des Diebstahls durch den Sklaven: Wenn der Eigentümer aber das Geld, das er eingeklagt habe, zurückgebe, erlösche die Diebstahlsklage, ebenso auch wenn er auf die Leihklage verzichte.

Hier hat ein Sklave des verleihenden Eigentümers dem Entleiher die Sache entwendet. Nach Sabinus und Paulus haftet der Entleiher wegen seiner Verpflichtung zu custodia auch in diesem Fall aus der actio commodati dem Eigentümer auf Ersatz.848 Ungeschriebene Voraussetzung dafür dürfte freilich sein, daß sich die Sache nicht mit Wissen der Parteien noch beim Sklaven befindet.849 Weil der Eigentümer aber die Haftung des Entleihers geltend machen 848 Obwohl der Eigentümer für das Delikt seines Sklaven (im Wege der Noxalhaftung) einstehen muß, haftet ihm trotzdem der Entleiher. Dies wäre freilich anders, wenn der Eigentümer selbst die Sache entwendet hätte: In diesem Fall haftet der Entleiher nicht. Gegen den entwendenden Verleiher steht ihm deswegen aber auch grundsätzlich – von dem Ausnahmefall abgesehen, daß er wegen notwendiger Verwendungen auf die geliehene Sache ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Eigentümer gehabt hätte – mangels Haftungsinteresses keine actio furti zu; s. African D. 13,6, 21pr. (dazu noch u. S. 296 f. mit A. 1092); Julian D. 47,2,60(59); (Pomponius-)Paulus S. 47,2,15,2; KNÜTEL, SZ 100 (1983) 378 mit A. 166; D’ORS, Las quaestiones de Africano (1997) 401 ff. Daran, daß der Diebstahl durch einen Sklaven des Verleihers anders behandelt wird, zeigt sich, wie KNÜTEL, SZ 100, 378 f. bemerkt, daß dem Verleiher im Rahmen des Vertragsverhältnisses das (hier vorsätzliche) Handeln seines Sklaven nicht zugerechnet wird. Zu fr. 54,1 im übrigen s. noch SCHINDLER, Justinians Haltung [1966] 205 mit A. 33 gegen die Interpolationsannahme sed-fin von F. SCHULZ, SZ 31 [1911] 42 f. 849 Denn wenn sie sich mit Wissen des Eigentümers beim Sklaven befindet, hat der Eigentümer sie wieder und dann kann er nicht abermals Wertersatz mit der Leihklage vom Entleiher verlangen. Daraus läßt sich schließen, daß die Belegenheit der Sache

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kann, steht dem Entleiher – wie bei einem Diebstahl durch einen Dritten – in konsequenter Weise im Falle seiner Solvenz die Diebstahlsklage zu. Die Diebstahlsklage hat hier allerdings die Besonderheit, daß sie sich als Noxalklage gegen den Eigentümer selbst richtet. Dem Eigentümer gestehen Sabinus und Paulus aber das Recht zu, auf die Haftung des Entleihers zu verzichten, um so der Noxalhaftung wegen des Diebstahles zu entgehen: Der Entleiher verliert dann die Aktivlegitimation zur actio furti. Selbst wenn der Eigentümer bereits (mutmaßlich in Unkenntnis über den Dieb)850 den Ersatz vom Entleiher eingetrieben hat, wird ihm die Möglichkeit851 gewährt, sich durch Rückzahlung der empfangenen Ersatzleistung von der Noxalhaftung für den Sklaven zu befreien. Der Text bestätigt noch einmal die aus (Labeo-)Javolen D. 47,2,91(90)pr. abgeleitete These, daß der Eigentümer vor der Realisierung der Haftung des Kustodienten durch Verzicht auf diese die Aktivlegitimation des Haftenden zur actio furti zum Erlöschen bringen kann. In der besonderen Konstellation bei Paulus kann aber der Eigentümer darüber hinaus noch durch Rückzahlung der empfangenen Entschädigung dem haftenden Entleiher die actio furti entzieunbekannt ist oder sie sich an einem zwar bekannten, aber schwer erreichbaren Ort befindet (andernfalls dürfte der Eigentümer analog Labeo D. 19,2,60,2 – dazu u. S. 250 ff. – auf die zumutbare Möglichkeit verwiesen werden, die Sache selbst von dem bekannten aktuellen Besitzer einzutreiben). 850 Zwar könnte der Verleiher ausnahmsweise auch dann ein Interesse an der Eintreibung des Sachwertes mittels der Leihklage haben, wenn bereits im Prozeß über diese Klage bekannt ist, daß sein Sklave der Dieb war (sofern nur die Sache selbst nicht erreichbar ist, s. soeben A. 849): Die Erhebung der Leihklage könnte dem Eigentümer nämlich auch dann sinnvoll erscheinen, wenn ihm der Sklave – etwa aufgrund der durch den Diebstahl bewiesenen Unzuverlässigkeit – weniger wertvoll erscheint als der vom Entleiher zu zahlende Ersatz, so daß er bei Inanspruchnahme aus der Noxalklage den Sklaven auszuliefern bereit ist. – Doch dürfte Paulus an diesen Fall hier nicht denken: Dies zeigt der Umstand, daß Paulus dem Eigentümer noch dann ein Wahlrecht gewährt, wenn er die Ersatzleistung mit der actio commodati eingetrieben hat. Dieses Wahlrecht, noch gegen Rückzahlung der Ersatzleistung seinen Freispruch von der actio furti noxalis zu erreichen, ist nur dann billig, wenn der Eigentümer zuvor nichts von der Täterschaft seines Sklaven wußte; wenn er dagegen in Kenntnis der Täterschaft den Entleiher in Anspruch genommen hatte, wäre es nur gerecht, ihn an der damit getroffenen Wahl festzuhalten und ihn ohne „Rücktrittsrecht“ aus der actio furti noxalis zu verurteilen. 851 Der Eigentümer hat freilich die Wahl, ob er von dieser Möglichkeit zur Rückzahlung der Entschädigung (bzw. zum Verzicht auf die Leihklage) Gebrauch macht. Er kann sich auch entscheiden, die Entschädigungsleistung zu behalten und sich aus der Noxalklage verurteilen zu lassen, um sodann den unzuverlässigen Sklaven auszuliefern (vgl. soeben A. 850). Diese Wahl ist freilich nur sinnvoll, wenn die Sache sich nach wie vor nicht wieder beim Eigentümer befindet. Sobald sie nämlich beim Eigentümer gefunden wird, kann der Entleiher entweder aus einer ihm bei seiner Inanspruchnahme bestellte Kaution ut repertam (rem) dominus ei praestet die Herausgabe der Sache verlangen (vgl. Pomponius D. 13,6,13pr. und dazu u. S. 292) oder die actio commodati contraria gegen den Verleiher erheben, die in diesem Fall (nach Wahl des Verleihers) entweder auf Rückzahlung der Entschädigung oder auf Übereignung der Sache an den Entleiher geht (vgl. Paulus D. 13,6,17,5 und dazu u. S. 294).

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hen.852 Daraus muß aber nicht geschlossen werden, daß dies dem Eigentümer stets gestattet war; andernfalls wäre letztlich unverständlich, wieso überhaupt dem Haftenden die actio furti zugestanden wird, wenn er ohnehin stets zur Auskehrung der eingezogenen Buße verpflichtet werden könnte.853 Daher spricht

852 KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 490 f. zieht aus dem Umstand, daß in casu die Aktivlegitimation des custodia-pflichtigen Entleihers bei Rückzahlung der Entschädigung entfällt, den Schluß, daß die actio furti noch in spätklassischer Zeit keine reine Pönalklage gewesen sei, sondern dem Kustodienten als Regreßklage gedient habe und daher entfallen sei, wenn Kompensation für die Einstandspflicht erreicht worden sei (s. dazu schon o. A. 632). Das überzeugt indes nicht: Dem Haftenden wird die Diebstahlsklage als Prämie gewährt, weil er anstelle des Eigentümers das interesse rem salvam esse in Form des abstrakten Risikos trägt, dem Eigentümer zum Ersatz verpflichtet und auf den unsicheren Regreß gegen den Dieb angewiesen zu sein. Dem Regreß selbst dienen in der Regel andere (sachverfolgende) Klagen, nämlich die vom Eigentümer abzutretende rei vindicatio und die condictio furtiva (zum Zessionszwang hinsichtlich der sachverfolgenden Klagen bei vertraglicher Haftung für Diebstahl s. noch u. S. 250 ff.); wenn der Haftende mit diesen Klagen gegen Dritte vorgeht und Regreß erhält, mindert dies keineswegs den Kondemnationsumfang aus der actio furti (vgl. nur die Nachweise o. A. 615 zur Konkurrenz der actio furti mit sachverfolgenden Klagen). Allerdings kann der Eigentümer dem Haftenden das „abstrakte Ausfallrisiko“ durch Verzicht auf die Ersatzpflicht abnehmen und selbst übernehmen. Dann erhält er auch den Anspruch auf die Diebstahlsprämie, falls ein Dritter den Diebstahl begangen hat. Daß der Eigentümer in casu dem Haftenden noch durch Rückzahlung der Ersatzleistung die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage entziehen kann, resultiert aus der Besonderheit, daß sich die Diebstahlsklage gegen den Eigentümer selbst richtet; sofern er bei der Inanspruchnahme des Entleihers nicht damit rechnete, selbst wegen der Tat eines seiner Sklaven zur Verantwortung gezogen zu werden, verdient er, wie im Text erläutert, ausnahmsweise Nachsicht. – Auffällig ist freilich trotzdem, daß im Ergebnis der Entleiher auf die Erhebung der Diebstahlsklage nur den einfachen Sachwert erlangt (wenn auch nicht durch Verurteilung, sondern infolge einer Wahl des Schuldners) wie bei der Erhebung einer sachverfolgenden Klage. Der Entleiher m u ß sogar die Diebstahlsklage erheben, um wenigstens die geleistete Entschädigung zurückzuerlangen, wenn nach der Ersatzleistung herauskommt, daß der Sklave des Verleihers die Sache gestohlen hat, die Sache selbst aber nicht wiedergefunden wird; eine andere Klage steht ihm nicht zur Verfügung: Bei der Inanspruchnahme des Entleihers war der Diebstahl noch nicht aufgeklärt (vgl. zur Begründung o. A. 849 und 850), so daß bei Anwendung der üblichen Verfahrensweise der Eigentümer zur Abtretung der rei vindicatio und der (vermeintlich existenten) condictio furtiva gezwungen worden sein dürfte; darüber hinaus hat der Entleiher möglicherweise nach Pomponius D. 13,6,13pr. (s. soeben A. 851) die Bestellung einer cautio ut repertam (rem) dominus ei praestet verlangt. Solange aber der Eigentümer noch nicht wieder im Besitz der Sache ist, greift die genannte Kaution nicht ein – noch kann der Entleiher entsprechend Paulus D. 13,6,17,5 (s. ebenfalls soeben A. 851) die Rückzahlung der Entschädigung aus der actio commodati contraria verlangen. Solange der aktuelle Besitzer der Sache unbekannt ist, kann der Entleiher auch mit der rei vindicatio den Sachwert nicht wiedererlangen. Schließlich ist die (vermeintlich dem Entleiher abgetretene) condictio furtiva bei einem Diebstahl durch einen Sklaven des Eigentümers gar nicht entstanden, weil sie nur dem Eigentümer zusteht und eine Klage gegen sich selbst nicht abgetreten werden kann. Im Ergebnis kann also der Entleiher ausschließlich mit Erhebung der actio furti die Rückzahlung der Entschädigung erreichen. Das ist indes eine Folge der besonderen Fallkonstellation und läßt keinen allgemeinen Rückschluß auf einen (zumindest zum Teil) sachverfolgenden Charakter noch der spätklassischen actio furti zu.

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mehr dafür anzunehmen, daß es sich hier um einen Sonderfall handelt und die Befugnis zur Rückzahlung der Entschädigung dem Eigentümer nur eingeräumt wird, weil er sich so von der unerwarteten (!) e i g e n e n Haftung für den Diebstahl befreien kann. In diesem Fall steht er sich nämlich in der Regel854 besser, wenn Entschädigung und Diebstahlsstrafe nicht eingefordert werden, und damit konnte er bei Einforderung der Ersatzleistung nicht rechnen. Somit konnte nach klassischem Recht der Eigentümer wahrscheinlich bis zur Entgegennahme der Ersatzleistung die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage an sich ziehen, indem er auf den Ersatzanspruch gegen den Haftenden verzichtete. Nach Erhalt der Ersatzleistung konnte er dagegen grundsätzlich nicht mehr durch Rückzahlung der empfangenen Entschädigung bewirken, daß die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage an ihn fällt. 2. Anspruch des Eigentümers auf Auskehrung der durch den Haftenden eingezogenen Diebstahlsstrafe? Was aber gilt nach Verurteilung des Diebes zugunsten des Haftenden oder der Einziehung der Strafsumme durch den Haftenden? Kann der Eigentümer jetzt noch erreichen, daß ihm der Haftende (zumindest statt der Ersatzleistung) die eingezogene Diebstahlsbuße auskehren muß? a) Klassisches Recht Die Digesten enthalten zu dieser Frage einen scheinbar apodiktischen Text von Gaius: D. 19,2,6 (Gaius im 10. Buch ad edictum provinciale) Is qui rem conduxerit non cogitur restituere id quod rei nomine furti actione consecutus est. Derjenige, der eine Sache gemietet [gepachtet oder zur Bearbeitung übernommen] hat, wird nicht gezwungen, dasjenige herauszugeben, was er wegen der Sache mit der Diebstahlsklage erlangt hat.

Der Text spricht dem Eigentümer also jedes Recht auf Auskehrung der durch den conductor eingezogenen poena furti ab. Aber so eindeutig scheint die Rechtslage nicht gewesen zu sein. Auch hier ist vielmehr zu unterscheiden, ob der Haftende bereits die Entschädigung geleistet hat oder noch nicht: 853 Die Annahme einer Interpolation ab sed si pecuniam (so z. B. F. SCHULZ, SZ 32 [1911] 42 f., JOLOWICZ, De furtis [1940] xlv, 82 A. 1 m.w. N.) scheint andererseits ebenfalls nicht ausreichend begründet; für eine Interpolation bestand schon deswegen kein Anlaß, weil auch nach justinianischem Recht das Wahlrecht des Eigentümers im allgemeinen mit der Ersatzleistung endete (s. o. S. 230 ff.). 854 s. freilich soeben A. 850 zu den möglichen Überlegungen des Eigentümers, sich trotz seiner Noxalhaftung für das Behalten der Entschädigung zu entscheiden.

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(1) Die Rechtslage vor der Inanspruchnahme des Haftenden auf die Entschädigungsleistung Zweifel an der Allgemeingültigkeit der Aussage des Gaius weckt die Reformkonstitution Justinians C. 6,2,22,3, die eine wichtige Quelle auch für die klassische Rechtslage darstellt. Justinian berichtet, daß es über die Frage, ob der Eigentümer einen Anspruch auf Auskehrung der Diebstahlsstrafe hat, unter den Klassikern eine Kontroverse gegeben und sogar Papinian wechselnde Standpunkte vertreten habe: C. 6,2,22,3–3a (Justinian a. 530) 3. Sed cum in secunda dubitatione incidebat, quid statuendum sit, si quis rem commodatam habuerit, quam aliquis furto subtraxerat et lite pulsatus condemnationem passus fuerat non tantum in rem furtivam, sed etiam in poenam furti, et postea dominus rei venerit omnem condemnationem accipere desiderans utpote ex suae rei occasione ortam, alia dubitatio incidit veteribus, utrumne rem tantummodo suam vel eius aestimationem consequatur, an etiam summam poenalem. – 3 a. Et licet ab antiquis variatum est et ab ipso Papiniano in contrarias declinante sententias, tamen nobis haec decidentibus Papinianus, licet variavit, eligendus est, non in prima, sed in secunda eius definitione, in qua lucrum statuit minime ad dominum rei pervenire: ubi enim periculum, ibi et lucrum collocetur, nec sit damno tantummodo deditus qui rem commodatam accepit, sed liceat ei etiam lucrum sperare. 3. Aber wenn als zweite Zweifelsfrage aufkam, was zu bestimmen sei, wenn jemand eine geliehene Sache hatte, diese ihm ein anderer durch Diebstahl entwendete und dieser nach Klageerhebung verurteilt wurde, nicht nur auf die gestohlene Sache, sondern auch auf die Diebstahlsstrafe, und später der Eigentümer der Sache vor Gericht erscheint und die gesamte Urteilssumme zu erlangen begehrt, nämlich weil sie [insgesamt] auf der Veranlassung durch seine Sache beruhe, so kam den alten Juristen der andere Zweifel, ob er nur seine Sache oder ihren Schätzwert erlange oder auch die Strafsumme. – 3 a. Und obwohl von den alten Juristen unterschiedliche Meinungen vertreten wurden und sogar von Papinian selbst, der zu unterschiedlichen Ansichten neigte, so ist dennoch, wie wir hiermit entscheiden, Papinian, auch wenn er unterschiedliche Meinungen vertrat, der Vorzug zu geben, [und zwar] nicht mit seiner ersten, sondern seiner zweiten Entscheidung, in der er bestimmte, daß der Vorteil keinesfalls zum Eigentümer gelangen dürfe: Wohin nämlich der Nachteil [fällt], dorthin soll auch der Vorteil gelangen, und es soll nicht dem Schaden allein derjenige ausgesetzt sein, der die Sache als Leihgabe übernahm, vielmehr soll er auch den Vorteil erwarten dürfen.

Im Anschluß an die Einführung seiner eigenen Neuregelung der Aktivlegitimation zur actio furti im Falle eines Diebstahles beim Entleiher (in C. 6,2, 22,1d–2) berichtet Justinian in den hier abgedruckten §§ 3 und 3a von einer („zweiten“)855 Unklarheit unter den klassischen Juristen.856 Der Sachverhalt des 855 In seiner langen Konstitution legt Justinian zunächst (in C. 6,2,22,1a–1c) dar, welche Meinungsverschiedenheiten es unter den klassischen Juristen gegeben habe über die Frage, unter welchen Bedingungen dem haftenden Entleiher wegen seiner In-

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Zweifelfalls wird umständlich und zugleich unvollständig geschildert: Dem Entleiher wurde die Sache gestohlen; anschließend wurde der Dieb sowohl auf den Sachwert als auch auf die Diebstahlsstrafe verurteilt. Auffälligerweise berichtet Justinian aber nicht, zu wessen Gunsten die Verurteilung des Diebes in den Sachwert und die poena erfolgte. Später verlangt der Eigentümer die Auskehrung der gesamten Urteilssumme an sich. Abermals teilt Justinian nicht mit, von wem der Eigentümer dies verlangt. Die Streitfrage unter den klassischen Juristen soll nun gewesen sein, ob der Eigentümer nur den sachverfolgenden Teil der Verurteilung des Diebes erhält oder ob ihm auch die Strafsumme zusteht. Daß der Eigentümer den einfachen sachverfolgenden Teil erhalten soll, scheint also klar gewesen zu sein. Papinian soll über diesen Fall unterschiedlich entschieden haben, zuletzt aber in dem Sinne, daß der Eigentümer den Vorteil (der Strafsumme) nicht erlangen dürfe. Dem schließt sich Justinian an mit der Begründung, daß der Entleiher auch das periculum trage und ihm deswegen auch der diesem Nachteil der Haftung korrespondierende Vorteil der Bußzahlung gebühre. Es ist nicht ganz einfach, aus dem Bericht Justinians den genauen Sachverhalt zu ermitteln, über den sich die Streitfrage857 unter den klassischen Juristen erhoben haben soll. Der Wortlaut des Textes läßt zum einen offen, ob der Entleiher oder der Eigentümer die Diebstahlsklage gegen den Dieb erhoben hat. Fraglich bleibt aber auch, welche sachverfolgende Klage858 gegen den Dieb ersolvenz die Aktivlegitimation zur actio furti abzusprechen sei (s. dazu o. A. 661). Deswegen spricht er hier in § 3 von secunda bzw. alia dubitatio, womit er übrigens beide Male dieselbe Zweifelsfrage nach einer Pflicht des Entleihers zur Auskehrung der eingezogenen Diebstahlsbuße meint (ebenso ANKUM, RIDA 47, 2000, 470 A. 222: „Je n’ai pas réussi à décrouvrir une différence entre la secunda dubitatio et l’alia dubitatio . . .“). 856 Veteres bzw. antiqui meint hier die klassischen Juristen, s. D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 46 A. 47. 857 Der Bericht Justinians dürfte – wie die ausdrückliche Berufung auf den schwankenden Papinian nahelegt – tatsächlich auf eine klassische Streit- und Zweifelsfrage hinweisen, ebenso F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 94 ff., SCHINDLER, Justinians Haltung (1966) 162, D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 47 f.; ANKUM, RIDA 47 (2000) 470 ff.; abweichend halten VAN DEN BERGH, FS Scheltema (1971) 33 f.; KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 494 eine Klassikerkontroverse für unwahrscheinlich. 858 Ganz anders der Interpretationsansatz von KROPPENBERG, Insolvenz (2001) 491 ff.: Die Autorin geht davon aus, daß Justinian in seinem Bericht über das klassische Recht die condemnatio des Diebes aus der actio furti aufteilt in einen sachverfolgenden Teil und in die Strafe. Sie läßt also die Möglichkeit ganz außer Betracht, daß gegen den Dieb neben der actio furti noch eine sachverfolgende Klage (wie namentlich die rei vindicatio oder die condictio furtiva) erhoben worden sein könnte. Den so verstandenen Bericht Justinians wertet die Autorin daher als Indiz für ihre These, noch in spätklassischer Zeit habe die actio furti im Hinblick auf den einen Teil der condemnatio sachverfolgenden Charakter gehabt; sie sei dem Kustodienten mithin als Regreßklage gewährt worden (s. gegen diese These schon o. A. 632 und 852). Gegen diese Interpretation spricht der Wortlaut der Quelle insofern, als der Text ausdrücklich betont, daß der Dieb lite pulsatus condemnationem passus fuerat non tantum in rem furtivam sed etiam in poenam furti, daß der Dieb also verurteilt wurde nicht nur auf den

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hoben wurde, und vor allem, wer sie erhoben hat. Damit hängt drittens die Frage zusammen, von wem der Eigentümer die Zahlung des Sachwerts bzw. die Zahlung der Strafsumme verlangt. Vor dem Hintergrund der klassischen Rechtslage bezüglich der Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage ist die erste Frage nach dem Kläger der actio furti am leichtesten zu beantworten: Wie Justinian selbst kurz zuvor in § 1 ff. derselben Konstitution dargestellt hat, war im Falle des Diebstahles einer verliehenen Sache der Entleiher zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert, sofern er nur solvent war. Daher ist also anzunehmen, daß der Entleiher die Diebstahlsklage gegen den Dieb erhoben und dessen Verurteilung zur poena furti bewirkt hat. Da Justinian die Verurteilung des Diebes zur Diebstahlsstrafe und zur Ersetzung des Sachwertes in einem Satz erwähnt (et lite pulsatus condemntionem passus fuerat non tantum in rem furtivam, sed etiam in poenam furti), liegt zur Beantwortung der zweiten Frage die Annahme nahe, daß auch die sachverfolgende Klage gegen den Dieb vom Entleiher erhoben wurde. Dann würde also (im Hinblick auf die dritte Frage) nunmehr der Eigentümer vom Entleiher mit der actio commodati die Auskehrung sowohl des Sachwerts als auch der Buße (omnem condemnationem) verlangen. Doch ist es zumindest zweifelhaft, ob nach klassischem Recht dem Entleiher eine eigene, also suo nomine zu erhebende sachverfolgende Klage gegen den Dieb der Leihsache zustand.859 Die condictio furtiva stand nach klassischem Recht nur dem Eigentümer zu; eine eigene condictio ex causa furtiva des Haftenden gab es daneben nicht.860 DETLEF LIEBS und HANS ANKUM861 entnehmen daher dem Bericht Justinians, daß dem Entleiher eine condictio ex iniusta causa Sachwert, sondern auch auf die Diebstahlsstrafe. Wenn Justinian damit nur die normale Verurteilung auf das duplum aus der actio furti meinen würde, wäre diese Formulierung zumindest sehr mißverständlich; eine Verurteilung auf rem tantum käme gar nicht in Betracht. Auch bleibt nach der Interpretation von KROPPENBERG das weitere Schicksal der rei vindicatio und der condictio furtiva offen: Gegen die Annahme, daß diese Klagen mit der Erhebung der actio furti konsumiert worden seien, sprechen insbesondere die o. A. 615 angeführten Quellen. Ferner widerspricht die These von KROPPENBERG der Beobachtung von KASER, RP II 423 mit A. 19, S. 434 mit A. 18, daß Justinian, wie an den Rubriken D. 13,1 und C. 4,8 ersichtlich sei, nach einer nachklassischen Vermischung beider Klagen wieder zu einer Trennung zwischen der pönalen actio furti und der sachverfolgenden condictio furtiva zurückgekehrt sei. 859 Gegen die Annahme einer eigenen sachverfolgenden Klage des Entleihers spricht – wenn dies auch kein zwingendes Argument ist (s. noch u. A. 935) –, daß der Eigentümer dem Entleiher bei dessen Inanspruchnahme aus der actio commodati die eigenen sachverfolgenden Klagen (rei vindicatio und condictio furtiva) abtreten muß, vgl. insbesondere Gaius D. 19,2,25,8 (dazu u. S. 265 f.) und Marcellus D. 42,1,12 (dazu u. S. 266). 860 s. nur Ulpian D. 13,1,1: In furtiva re soli domino condictio conpetit; dazu OLDE KALTER, Condictio ex causa furtiva und dominium, TR 38 (1970) 107 ff.; allgemein zur Aktivlegitimation zur condictio furtiva s. PIKA, Ex causa furtiva condicere (1988) 35 ff.

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gegen den Dieb zugestanden habe. Für die Existenz dieser condictio862 berufen sie sich insbesondere863 auf Aristo bei Ulpian D. 13,1,12,2.864 Die Gewährung einer eigenen Klage an den Entleiher sei auch sinnvoll, denn so könne der Entleiher den Dieb auf den Sachwert in Anspruch nehmen, auch wenn der Eigentümer nicht erreichbar sei. Doch erscheint auch diese Interpretation nicht sehr wahrscheinlich. Zwar gesteht Aristo nach Ulpian D. 13,1,12,2 dem bestohlenen Pfandgläubiger eine condictio incerti gegen den Dieb zu. Die Gewährung der eigenen condictio an den Pfandgläubiger steht aber in Widerspruch mit Ulpian D. 47,2,14,16:865 Dort heißt es, allen denjenigen, die die Gefahr des Diebstahles einer fremden Sache 861 D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 47 f. A. 52; ANKUM, RIDA 47 (2000) 477 bei A. 41; s. dazu noch einmal u. A. 935. 862 Zu ihr siehe in anderem Zusammenhang MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 99 A. 42: MÜLLER-EHLEN meint, es seien anhand des Quellenmaterials nur Hypothesen möglich über die Frage, ob die Kondiktion, die zuweilen Nichteigentümern wegen vorenthaltenen Besitzes zugesprochen worden sei, auch bloßen Detentoren gewährt worden sei. Die Autorin selbst hält eine solche Kondiktion des Detentors für wahrscheinlich. Gegen ihre Argumentation s. aber sogleich A. 868. 863 D. LIEBS (o. A. 861) nennt außerdem (Celsus-)Ulpian D. 12,5,6 und D. 13,3,2, Sabinus D. 47,2,25,1; die Kondiktion wegen Vorenthaltung des Besitzes wird dem Nichteigentümer hier aber nicht wegen seines Haftungsinteresses, sondern wegen eines Eigeninteresses am Besitz gewährt; deswegen ist aus diesen Quellen nicht auf eine condictio utilis des schlichten Detentors zu schließen: Dieser hatte kein schutzwürdiges Eigeninteresse am Erhalt des Gewahrsams; aus diesem Grund wurde ihm auch die actio furti nicht wegen Eigeninteresses, sondern nur wegen seines Haftungsinteresses gegenüber dem Eigentümer gewährt; s. zu diesen Quellen MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 98 ff., 101. 864 D. 13,1,12,2 (Ulpian im 38. Buch ad edictum): Neratius libris membranarum Aristonem existimasse refert eum, cui pignori res data sit, incerti condictione acturum, si ea subrepta sit. – Neraz berichtet in seinen „Blättern“, Aristo habe die Ansicht vertreten, daß derjenige, dem eine Sache zum Pfand gegeben worden sei, mit einer auf einen unbestimmten Leistungsgegenstand gerichteten Kondiktion klagen könne, wenn ihm die Sache gestohlen worden sei. 865 D. 47,2,14,16 (Ulpian im 29. Buch ad Sabinum) (mit der überzeugenden Konjektur von MOMMSEN nach MOMMSEN /KRÜGER ad h. l.: obligatis anstelle von omnibus): Qualis ergo furti actio detur ei, cui res commodata est, quaesitum est. et puto obligatis, quorum periculo res alienae sunt, veluti commodati, item locati pignorisve accepti, si hae subreptae sint, omnibus furti actiones competere: condictio autem ei demum competit, qui dominium habet. – Was für eine Art der Diebstahlsklage demjenigen gegeben wird, dem eine Sache geliehen wurde, ist gefragt worden. Und ich meine, daß allen Verpflichteten, die die [Verlust-]Gefahr fremder Sache tragen, wie zum Beispiel [Verpflichteten] aufgrund einer Leihe, ebenso aufgrund einer Miete [einer Pacht oder eines Werkvertrages] oder einer Pfandannahme, wenn sie [die fremden Sachen] gestohlen worden sind, Diebstahlsklagen zustehen. Eine Kondiktion steht aber nur demjenigen zu, der das Eigentum [an den gestohlenen Sachen] hat. – Zu obligare mit einer den Grund der Verpflichtung angebenden Genitiv-Ergänzung ist nomine (oder actione oder ein vergleichbares Wort) hinzuzudenken, s. HEUMANN /SECKEL, s. v. obligare 2). Zu dieser Quelle s. noch OLDE KALTER, TR 38 (1970) 107 ff.; D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 47 A. 50; PIKA, Ex causa furtiva condicere (1988) 49 f.; MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 97 f.

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tragen, (also auch dem Pfandgläubiger) stehe zwar die Diebstahlsklage (actio furti) zu; eine Kondiktion habe aber ausschließlich der Eigentümer (condictio autem ei demum competit, qui dominium habet). Man wird daher das AristoReferat von Ulpian D. 13,1,12,2 für die Wiedergabe einer Sondermeinung des Aristo halten müssen; dieser gewährte dem Pfandgläubiger die condictio incerti wahrscheinlich wegen seines (dinglich begründeten) Eigeninteresses am Sicherungsgut und nicht wegen seines Haftungsinteresses gegenüber dem Eigentümer.866 Dem Entleiher dagegen steht ein vergleichbares Eigeninteresse nicht zu; er erhält – anders als der Pfandgläubiger867 – auch die Diebstahlsklage nicht wegen eines Eigeninteresses, sondern ausschließlich wegen seines Haftungsinteresses. Außerdem ist er anders als der Pfandgläubiger schlichter Detentor; dem Detentor aber stand auch der interdiktische Besitzschutz nicht zu, der das am ehesten geeignete Rechtsinstitut gewesen wäre, um dem Entleiher schnell wieder den Gewahrsam der gestohlenen Sache zu verschaffen. Es ist daher eher unwahrscheinlich, daß dem Entleiher eine eigene condictio gegen den Dieb zustand.868 Wenn man daher davon ausgeht, daß dem Entleiher keine eigene Klage auf Erlangung der Sache vom Dieb zusteht, bleiben für das klassische Recht noch zwei mögliche Fallgestaltungen, an die Justinian gedacht haben könnte: Entweder könnte in casu der Eigentümer den Entleiher zur Geltendmachung der dem Eigentümer zustehenden sachverfolgenden Klagen durch Bestellung zum Prozeßvertreter ermächtigt haben.869 Dann würde sich aus dem zugrundeliegenden 866 s. dazu ausführlich MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 96–98 m.w. N. mit der von ihr S. 101 als „zweite Interpretation“ bezeichneten Deutung im Anschluß an BURDESE, SDHI 55 (1989) 477 f.; vgl. ferner PIKA, Ex causa furtiva condicere (1988) 71 ff. 867 Die Diebstahlsklage wurde dem Pfandgläubiger einerseits wegen seines Eigeninteresses an der Sicherung durch die Pfandsache, andererseits im Hinblick auf seine Haftung gegenüber dem Sicherungsgeber gewährt, s. o. A. 641. 868 Auch der Hinweis von MÜLLER-EHLEN, Hereditatis petitio (1998) 99 f. A. 42 auf Scaevola D. 13,1,18 und Papinian D. 47,2,81(80),7 (s. zu diesen Quellen schon o. S. 163 ff.) rechtfertigt nicht die Annahme, dem Detentor habe eine condictio gegen den Dieb zugestanden: In den angeführten Quellen leistet ein procurator oder negotiorum gestor im Namen seines Geschäftsherrn mit eigenem Geld eine Zahlung an einen Dritten, der weiß, daß der Geschäftsherr ihm das Geld nicht schuldet, und daher durch die Entgegennahme des Geldes ein furtum begeht. Scaevola und Papinian gewähren dem Geschäftsherrn die condictio indebiti neben der condictio furtiva des zahlenden Geschäftsführers. MÜLLER-EHLEN meint, die condictio indebiti werde dem Geschäftsherrn wegen seines Haftungsinteresses gegenüber dem Geschäftsführer gewährt; da der Geschäftsherr keinerlei Gewahrsamsposition gegenüber den gezahlten Münzen gehabt habe, sei anzunehmen, daß einem haftenden Detentor erst recht eine condictio gegen den Dieb gewährt werde. Der Grund für die Gewährung der condictio indebiti an den Geschäftsherrn dürfte aber nicht in dem bloßen Umstand zu sehen sein, daß er dem Geschäftsführer haftet, sondern darin, daß auf eine vermeintlich ihn treffende Schuld eine Leistung erfolgte; im Fall eines Diebstahles ist dagegen für eine condictio indebiti, die eine Leistung solvendi causa voraussetzt, kein Raum.

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Auftrag ein Anspruch des Eigentümers gegen den Entleiher auf Auskehrung des eingetriebenen Sachwertes ergeben. Doch auf eine solche Ermächtigung enthält der Text der Konstitution keinen Hinweis. Es erscheint daher am plausibelsten, daß Justinian für das klassische Recht den Fall im Auge hat, daß die sachverfolgende Klage gegen den Dieb nicht der Entleiher, sondern der Eigentümer selbst erhoben hat. Justinian spielt demnach für das klassische Recht auf folgenden Fall an: Der Entleiher wurde noch nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen, sodann wurde der Dieb entdeckt. Nunmehr hat der Eigentümer den Dieb aus der rei vindicatio oder condictio furtiva auf den Sachwert verklagt und der Entleiher die actio furti gegen den Dieb erhoben. Nachdem der Dieb in beiden Prozessen verurteilt wurde, verlangt der Eigentümer omnis condemnatio: Davon steht ihm der sachverfolgende Teil der condemnatio des Diebes (also res sua aut aestimatio eius) ohnehin zu. Er begehrt also nunmehr zusätzlich vom bislang noch nicht in Anspruch genommenen Entleiher die eingezogene Diebstahlsstrafe heraus. Welche dieser letztgenannten Konstellationen aber auch gemeint sein mag, entscheidend ist der folgende Gesichtspunkt: Nach der von Justinian wiedergegeben Ansicht der klassischen Juristen steht dem Eigentümer jedenfalls in Höhe des sachverfolgenden Teils die condemnatio zu. Daraus ist zu folgern, wenn auch dieser Umstand nirgends ausdrücklich mitgeteilt wird, daß der Eigentümer bisher noch keinen Schadensersatz erhalten hat, und zwar weder vom Dieb noch vom Entleiher.870 Sicher ist also, daß der haftende Kustodient von seiner Aktivlegitimation zur actio furti erfolgreich Gebrauch gemacht hatte, bevor er selbst aus seiner Haftung in Anspruch genommen war. Daß in dieser Konstellation ein Streit über den endgültigen Verbleib der Diebstahlsstrafe bestand, ist gut vorstellbar: Einerseits hätte der Eigentümer bis zur Verurteilung des Entleihers (nach Labeo-Javolen D. 47,2,91[90]pr.) durch ausdrücklichen Verzicht auf die Haftung des Entleihers die Diebstahlsklage erwerben können; das Risiko des Entleihers, in Anspruch genommen zu werden, ohne Regreß beim Dieb nehmen zu können, hat sich letztlich nicht verwirklicht. Das spräche dafür, dem Eigen-

869 Nicht ausgeschlossen ist auch die in eine ähnliche Richtung gehende Erwägung von ANKUM, RIDA 47 (2000) 477 A. 42 unter Berufung auf KASER /HACKL, RZ, 214: Der Entleiher habe nach umstrittener Klassikermeinung (vgl. Gaius 4,84) bereits ohne eine gültige Ermächtigung als Prokurator des Eigentümers den Prozeß über die condictio furtiva erheben können, wenn er die Prozeßführung redlich übernommen und die cautio ratam rem habiturum geleistet habe. Doch spricht gegen diese Deutung, daß bereits das Recht des Entleihers zur Prozeßführung als procurator ohne Ermächtigung umstritten war. Jedenfalls dürfte dieses Vorgehen eher die Ausnahme gewesen sein, und der von Justinian geschilderte Sachverhalt gibt für die Annahme eines solchen Ausnahmefalles zu wenig Anhaltspunkte. 870 Keinesfalls geht es also darum, daß der Entleiher erst nach seiner Verurteilung zugunsten des Eigentümers mit einer der ihm vom Eigentümer in rem suam zedierten Klagen (der condictio furtiva oder der rei vindicatio) gegen den Dieb vorgegangen ist.

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tümer jetzt noch einen Anspruch auf Auskehrung der eingezogenen Diebstahlsstrafe zu geben. Andererseits spricht gegen einen solchen Anspruch, daß sich der Eigentümer bis zum Schluß die Möglichkeit offen gehalten hat, den Entleiher in Anspruch zu nehmen, so daß dieser das abstrakte Haftungsrisiko jedenfalls getragen hat.871 (2) Kein Anspruch auf Auskehrung der Strafsumme nach der Inanspruchnahme des Haftenden auf die Ersatzleistung Anders ist dagegen die Lage, wenn der Eigentümer den Haftenden bereits vor Entdeckung des Diebes auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat: Mit der Entschädigungsleistung hat der Entleiher endgültig das Risiko übernommen, den Dieb aufzuspüren. Aus diesem Grunde konnte ab dem Zeitpunkt der Entschädigungsleistung der Eigentümer wahrscheinlich dem Entschädigenden die Aktivlegitimation zur actio furti nicht mehr entziehen.872 Dementsprechend ist es kaum denkbar, daß ein klassischer Jurist sich für ein Recht des Eigentümers auf Abschöpfung der Strafsumme ausgesprochen haben könnte, wenn der Entleiher dem Eigentümer Ersatz geleistet und danach die Buße vom Dieb eingezogen hat. Der Satz von Gaius D. 19,2,6 (Is qui rem conduxerit non cogitur restituere id quod rei nomine furti actione consecutus est) wird vielmehr nach Leistung des Ersatzes durch den Mieter, Pächter oder Werkunternehmer wahrscheinlich schon zu klassischer Zeit unbestritten gewesen sein. b) Justinianisches Recht Im Rahmen der justinianischen Neuregelung stellt sich die Frage nach einem Anspruch des Eigentümers gegen den Haftenden auf Auskehrung der eingezogenen Diebstahlsstrafe dagegen anders dar: Nach Justinian hat nämlich der Eigentümer zunächst sowohl die Klage gegen den haftenden Entleiher als auch die Diebstahlsklage gegen den Dieb. Nach justinianischem Recht kann die Situation also gar nicht eintreten, daß der Entleiher die Diebstahlsklage erhebt, ohne sei871 In den Digesten sind möglicherweise noch gewisse Spuren dieses Streits vorhanden: So könnten die Pflicht des Pfandgläubigers (oder Fiduziars?) zur Anrechung der eingezogenen Buße auf die gesicherte Forderung nach (Papinian-)Paulus D. 13,7,22pr. und D. 47,2,14,6, jedenfalls aber seine Pflicht zur Auskehrung des überschüssigen Betrages nach Paulus D. 47,2,15pr. Ausdruck einer Gegenansicht zur Meinung des Gaius in D. 19,2,6 (Text o. S. 235) sein, dem zufolge der Entleiher einer Sache zur Auskehrung der eingetriebenen Diebstahlsstrafe nicht gezwungen werden darf. Dieser These kann im Hinblick auf die komplizierte Interessenlage beim Diebstahl einer verpfändeten Sache, insbesondere wegen der Überlagerung von Eigeninteresse und Haftungsinteresse auf Seiten des Pfandgläubigers, sowie wegen der umfangreichen Literatur zum Sonderproblem des furtum pignoris oder furtum fiduciae (dazu o. A. 641) hier nicht nachgegangen werden. 872 s. dazu schon oben S. 232.

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nerseits verklagt worden zu sein oder den Eigentümer außergerichtlich befriedigt zu haben. Wenn dagegen der Eigentümer gegen den Dieb selbst mit der Diebstahlsklage vorgegangen ist, wird nach der Neuregelung Justinians der Entleiher von seiner Haftung frei; er trägt dann also kein periculum mehr. Mit dem periculum (wohl des Entleihers) rechtfertigt Justinian am Ende von C. 6,2,22,3a873 aber seine Entscheidung zugunsten des Entleihers. An welchen Fall denkt dann Justinian hier? Da nach reformiertem Recht dem Entleiher die actio furti überhaupt erst zusteht, nachdem er den Eigentümer bereits befriedigt hat (oder zumindest von diesem in Kenntnis darüber, daß die Sache gestohlen worden war, auf den Sachwert mit der Leihklage verklagt wurde), kann es nur darum gehen, daß der Entleiher nach Befriedigung des Eigentümers (oder Klageerhebung durch diesen) nunmehr gegen den Dieb wegen der Sache selbst und der Diebstahlsstrafe vorgeht.874 Dann, so entscheidet Justinian, müsse der Entleiher die eingezogene Strafe endgültig behalten dürfen. Daß der Entleiher aber die Diebstahlsstrafe behalten soll, wenn er vor der Entdeckung des Diebes den Eigentümer bereits befriedigt hat, war vermutlich schon klassisches Recht.875 Justinian gibt also nur vor, einen schwierigen Streit der klassischen Juristen zu entscheiden, in dem sogar Papinian schwankende Stellungnahmen abgegeben habe. Tatsächlich hatten Papinian und die anderen klassischen Juristen einen anderen, schwieriger gelagerten Fall nach klassischem Recht zu entscheiden: Der Streit im klassischen Recht betraf die Frage, wer die Diebstahlsstrafe endgültig soll behalten dürfen, wenn der Entleiher sie bereits vor seiner Inanspruchnahme eingezogen hat. Diese Situation kann nach reformiertem Recht nicht mehr vorkommen. Zum neuen Recht entscheidet Justinian daher nur noch die Frage, ob die Diebstahlsstrafe nach Realisation der Haftung des Entleihers diesem endgültig verbleibt. Wenn Justinian hier entscheidet, daß der Eigentümer 873

Text s. o. S. 236. Man könnte einwenden, Justinian setze in § 3 als selbstverständlich voraus, daß der Eigentümer noch rem suam vel aestimationem eius zu erhalten habe: Der Zweifel der klassischen Juristen sei dahin gegangen, ob der Eigentümer nur den Sachwert verlangen oder Sachwert und Strafsumme zu erlangen habe (alia dubitatio incidit veteribus, utrumne rem tantummodo suam vel eius aestimationem consequatur, an etiam summam poenalem); dann aber könne der Eigentümer nicht bereits den Sachwert einmal erhalten haben. Daran ist richtig, daß der unter den Klassikern umstrittene Fall derjenige war, daß zwar der Entleiher schon die Diebstahlstrafe eingeklagt hat, aber noch nicht dem Eigentümer Ersatz geleistet hat. Doch setzt der Text nur im Rahmen der Schilderung des klassischen Rechts (im § 3) voraus, daß der Eigentümer noch rem suam aut aestimationem eius zu bekommen hat. Für seine Antwort zum reformierten Recht nimmt Justinian zur Frage nach dem Verbleib des vom Dieb eingeklagten sachverfolgenden Teils der condemnatio nicht Stellung und beschränkt seine Antwort auf den Verbleib der poena furti. Es ist also durchaus die Annahme mit dem Text vereinbar, daß in dem zum justinianischen Recht entschiedenen Fall der Eigentümer den Wertersatz für seine Sache bereits vom Entleiher erhalten oder zumindest in Kenntnis vom Diebstahl eingeklagt hat. 875 s. soeben S. 242 sub (2). 874

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keinen Anspruch auf Auskehrung habe, so handelt es sich tatsächlich nur um die Ergänzung zu der in C. 6,2,22,3 bereits nebenbei getroffenen Bemerkung, daß nach Entschädigung des Eigentümers dem Entleiher die actio furti endgültig zustehe: In § 3a sagt Justinian inhaltlich zum neuen Recht nur noch, daß auch nach Einziehung der Buße durch den Entleiher der Eigentümer keinen Anspruch mehr auf Abschöpfung des Gewinnes des Entleihers habe. Nur aufgrund der ungenauen Darstellung des Sachverhalts erweckt Justinian den Eindruck, daß in §§ 3 und 3a zum klassischen und zum neuen Recht derselbe Fall behandelt werde. Mit der Schilderung der Klassikerkontroverse zu einem Problemfall, der nach neuem Recht gar nicht mehr vorkommen kann, verfolgt Justinian vermutlich den Zweck, seine Lösung als die wesentlich einfachere und damit überlegenere darstellen zu können. 3. Zusammenfassung zum klassischen Recht hinsichtlich der Frage nach dem endgültigen Verbleib der poena furti Z u s a m m e n g e f a ß t ergibt sich für das klassische Recht876 folgendes Bild bezüglich der Frage nach dem endgültigen Verbleib der Diebstahlsbuße im Falle des ipso-iure-Überganges der actio furti auf den Haftenden: Vor der Verurteilung des Diebes und der Entschädigungszahlung durch den Haftenden kann der Eigentümer durch Verzicht auf dessen Haftung die actio furti „zurück“-erwerben. Ob nach der Verurteilung des Diebes (oder der Einziehung der Buße) zugunsten des Haftenden der Eigentümer noch statt der Entschädigung Auskehrung der Buße verlangen kann, war in klassischer Zeit vermutlich umstritten. Hatte der Eigentümer aber die Entschädigung bereits vom Haftenden empfangen, so konnte er grundsätzlich durch ihre Rückzahlung dem Haftenden weder die actio furti nehmen noch einen Anspruch auf Auskehrung der von dem Haftenden eingezogenen Buße erwerben. Nur ausnahmsweise konnte der Eigentümer dem haftenden Entleiher noch nach Empfang der Entschädigung durch ihre Rückzahlung die Aktivlegitimation zur actio furti entziehen; diese im Fall Paulus D. 47,2,54(53),1 gegebene Ausnahme ist darin begründet, daß sich die actio furti als actio noxalis gegen den Eigentümer selbst richtete.

VIII. Zusammenfassung zur Übertragung der actio furti auf den Haftenden 1. Die actio furti stand ursprünglich wahrscheinlich stets dem Eigentümer der gestohlenen Sache zu.877 Schon Quintus Mucius Scaevola verwendete nach Pomponius D. 47,2,77(76),1 aber zur Bestimmung der Aktivlegitimation zur 876 877

Zum justinianischen Recht s. die kurze Zusammenfassung u. S. 250. s. o. S. 169 mit A. 634 f.

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Diebstahlsklage den Satz, daß die actio furti demjenigen zusteht, der das Interesse daran hat, daß die Sache nicht gestohlen werde (cuius interest rem salvam esse).878 Danach kann die actio furti auch einem anderen als dem Eigentümer zustehen, namentlich879 dann, wenn dieser dem Eigentümer für den aus dem Diebstahl erwachsenden Schaden haftet: Wenn der Haftende solvent ist, trifft den Eigentümer aufgrund des Diebstahles kein Vermögensrisiko. Dieses nimmt ihm vielmehr der Haftende ab. Daher kann nach dem Satz vom interesse rem salvam esse hier dem Eigentümer die Aktivlegitimation abgesprochen und dem Haftenden zuerkannt werden, ohne daß es einer Zession der Klage durch den Eigentümer bedarf. 2. Einen solchen Übergang der Aktivlegitimation zur actio furti wegen des Haftungsinteresses eines Nichteigentümers erkannten die römischen Juristen wahrscheinlich zunächst dann an, wenn der Haftende dem Eigentümer unabhängig vom Einzelfall abstrakt für die Gefahr (periculum) eines Diebstahls einstand, wenn er also im Hinblick auf einen Diebstahl für Zufall haftete. Eine solche Garantiehaftung trug in erster Linie derjenige, der dem Eigentümer für custodia einstand.880 Daher findet sich in den Quellen häufig der Satz, daß derjenige, der für custodia haftet, zur Diebstahlsklage legitimiert ist. Noch Julian scheint die actio furti einem Nichteigentümer wegen seines Haftungsinteresses ausschließlich im Fall der custodia-Haftung gewährt zu haben.881 Für einen anderen Fall der Zufallshaftung, nämlich derjenigen des Diebes, lehnten die klassischen Juristen dagegen stets den Übergang der Aktivlegitimation ab, da das Interesse des bestohlenen (und dem Eigentümer ersatzpflichtigen) Diebes auf einer causa inhonesta beruhe.882 3. In der Spätklassik scheint der Übergang der actio furti auf einen Haftenden aber auch dann anerkannt worden zu sein, wenn der Haftende nur für culpa einstand und im Einzelfall den Diebstahl verschuldet hatte.883 Jedenfalls finden sich mehrere solcher Äußerungen bei Ulpian und Paulus. Die Rechtfertigung 878

s. o. A. 636. Das ist freilich nicht die einzige Fallgruppe, in der ein anderer als der Eigentümer zur actio furti aktivlegitimiert ist: Das Interesse des Nichteigentümers kann auch auf einem Eigeninteresse daran beruhen, die Sache nutzen oder als Sicherungsmittel verwenden zu können. Der Fall der Aktivlegitimation kraft Eigeninteresses unterscheidet sich in mehrerer Hinsicht von der Aktivlegitimation kraft Haftungsinteresses: Im Fall des Eigeninteresses wird die Klage dem Nichteigentümer unabhängig von seiner Solvenz gewährt. Sie steht dem Interessenten auch dann zu, wenn der Eigentümer die Sache widerrechtlich an sich genommen hat. Schließlich tritt die Klage des Nichteigentümers mit Eigeninteresse wahrscheinlich regelmäßig neben die actio furti des Eigentümers; s. zu allem o. S. 170 f., insbesondere bei A. 643 f. 880 s. o. S. 172 ff. 881 (Julian-)Ulpian D. 47,2,14,10; dazu o. S. 187 ff. 882 s. o. S. 181 ff.; die früheste Quelle ist (Quintus Mucius Scaevola-)Pomponius D. 47,2,77(76),1. 883 s. o. S. 185 ff. 879

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für den Übergang liegt darin, daß auch im Falle einer Haftung nur für Verschulden der Haftende dem Eigentümer den aus dem Diebstahl erwachsenden Vermögensnachteil (der ebenfalls mit periculum bezeichnet werden kann) abnimmt, ohne sich durch eigenen dolus für den Erwerb der Diebstahlsklage disqualifiziert zu haben. Diese Entwicklung, daß nunmehr der Kreis derjenigen Nichteigentümer, die wegen eines Haftungsinteresses zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert sind, über die custodia-Pflichtigen hinaus auch auf solche Haftende erweitert wurde, die dem Eigentümer nur wegen eigener Fahrlässigkeit (culpa) verantwortlich sind, hängt vielleicht damit zusammen, daß in der Spätklassik (beginnend mit Gaius) die custodia als Sonderform der culpa begriffen wurde und somit systematisch in die culpa als übergeordnete Haftungskategorie integriert wurde.884 Bei einer reinen dolus-Haftung (wie sie etwa den Depositar trifft) haben aber noch die Spätklassiker die Aktivlegitimation dem Eigentümer belassen.885 4. Der Übergang der Aktivlegitimation auf den Haftenden setzte – sowohl im Falle der custodia-Haftung als auch bei einer reinen culpa-Haftung – stets voraus, daß er solvent ist. Ist er insolvent, bleibt die Klage beim Eigentümer.886 Außerdem darf der Haftende den Diebstahl nicht selbst dolos verantwortet haben; denn eigenes doloses Verhalten soll nicht durch Gewährung der Diebstahlsklage prämiiert werden.887 Schließlich fällt die Aktivlegitimation dann an den Eigentümer zurück, wenn der Haftende (aus welchem Grund auch immer) vor Gericht von der Haftung freigesprochen wird, wahrscheinlich aber auch bei einem Verzicht des Eigentümers auf die Haftung, sofern er nur vor der Verurteilung des Diebes zu Gunsten des Haftenden erklärt wurde.888 5. Mit der Erweiterung des Kreises derjenigen, die wegen ihres Haftungsinteresses zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert sind, auch auf Fälle außerhalb einer custodia-Haftung suchten die Juristen, wie es scheint, nach weiteren Kriterien, um den Kreis der Berechtigten nicht ausufern zu lassen. Die bloße Pflicht zum Ersatz des Vermögensschadens, der dem Eigentümer aus dem Diebstahl erwachsen ist, sollte auch jetzt nicht ausreichen. Bei der Suche nach Kriterien behielt man den Kustodienten als den Ausgangsfall im Blick; nur solche Fälle sollten 884

s. o. S. 198 ff. s. o. S. 178 ff. 886 s. o. S. 176 f., dort auch ein Überblick über die weiteren Fälle, in denen der Kustodient ausnahmsweise nicht zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert ist; so steht nach Ulpian D. 47,2,14,14, wenn der Kustodient gestorben ist und der Diebstahl der geliehenen Sache in der Zeit des Ruhens der Erbschaft erfolgt, die Diebstahlsklage nicht dem Erben des Kustodienten, sondern dem Eigentümer zu, weil an Gegenständen einer ruhenden Erbschaft kein Diebstahl begangenen werden kann, s. dazu o. A. 665, 714 und vor allem A. 821, 823. 887 s. o. S. 180 (zu Ulpian D. 47,2,14,8 und 9). 888 s. o. S. 177 (mit A. 663, 664), S. 228 ff. 885

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hinzukommen, die wesentliche Elemente mit dem Fall des Kustodienten gemeinsam hatten. Es setzte sich durch889 – und wird von Paulus in D. 47,2,86 regelhaft formuliert – daß darauf abzustellen sei, ob der Haftende zum Zeitpunkt des Diebstahles die Sache in seinem Gewahrsam hatte und ob er diesen Gewahrsam mit dem Willen des Eigentümers begründet hatte. Im einzelnen lassen die Quellen jedenfalls für die Spätklassik folgendes Schema erkennen: a) Hatte der Haftende im Zeitpunkt des Diebstahls den Gewahrsam an der Sache, ist wie folgt zu unterscheiden: aa) Wenn der Haftende den Gewahrsam mit dem Willen des Eigentümers erlangt hatte, die Sache ihm also vom Eigentümer übergeben worden war, steht ihm nach der Regel des Paulus aus D. 47,2,86890 die Diebstahlsklage ipso iure zu. Diese Kriterien erfüllt in aller Regel891 der Kustodient; aber auch ein nur für culpa haftender Nichteigentümer erhält nunmehr unter diesen Voraussetzungen die actio furti. bb) War der Haftende nur berechtigter Gewahrsamsinhaber, ohne den Gewahrsam mit dem Einverständnis des Eigentümers erlangt zu haben,892 so steht ihm, wenn er wegen schuldhafter Verursachung des Diebstahles dem Eigentümer auf Ersatz haftet, die Diebstahlsklage zwar nicht ipso iure zu. Er kann aber bei seiner Inanspruchnahme verlangen, daß ihm die Diebstahlsklage rechtsgeschäftlich abgetreten wird. Mit der Inanspruchnahme billigt der Eigentümer gleichsam die Ingewahrsamnahme des Geschäftsführers und entscheidet sich so bewußt dafür, mit dem Risiko auch die Chance der ungewissen Rechtsverfolgung gegen den Dieb auf den Haftenden zu übertragen. 889 Einen anderen Versuch, den Kreis der Aktivlegitimierten kraft Haftungsinteresse einzuschränken, formuliert Ulpian D. 47,2,14,10 in Anlehnung an eine auf die custodia-Haftung bezogene Argumentation von Julian (und Celsus): Danach könnte, so Ulpian, darauf abzustellen sein, ob der Haftende für eigenes Verschulden (im auch die custodia-Haftung umfassenden Sinne der Verletzung einer eigenen Überwachungspflicht) einstehen muß (und dann die Diebstahlsklage erhält) oder ob er nur für fremdes Verschulden haftet (und dann nicht zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert ist). Ulpian selbst entscheidet aber in D. 47,2,52,9 den Fall, der den Anlaß für diese Unterscheidung bildete (nämlich den Fall des Diebstahls einer dem Haussohn geliehenen oder vermieteten Sache) anders als Julian (und Celsus) und lehnt die Unterscheidung für das spätklassische Recht damit im Ergebnis ab (s. dazu o. S. 187 ff., 220 ff.). 890 s. o. S. 211. 891 Zu der Ausnahme, daß der Kustodient verstorben ist und die Sache aus der ruhenden Erbschaft gestohlen wird, in einem Zeitpunkt also, in dem niemand an ihr Gewahrsam hatte, s. soeben A. 886. Insoweit galt das Kriterium, daß der Haftende im Zeitpunkt des Diebstahles Gewahrsam an der Sache gehabt haben muß, vermutlich schon unter der Geltung der Regelung, der zufolge nur der Kustodient zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert ist; auch unter dieser Regel hat das Kriterium des Gewahrsams eine eigene Bedeutung. 892 Namentlich sind hier ein negotiorum gestor oder ein Geschäftsführer kraft Amtes wie der tutor und der curator gemeint; gleichbehandelt wird der Protutor. Dazu Paulus D. 47,2,86(85) und D. 47,2,54(53),3 sowie o. S. 211 ff.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

cc) War der Haftende deliktischer Besitzer (namentlich selbst ein fur) oder malae fidei possessor, so erhält er trotz seiner Haftung für den Besitzverlust nicht die actio furti; der alte Grundsatz, daß ein Dieb nicht gegen einen Dieb mit der Diebstahlsklage vorgehen könne, bleibt also erhalten und wird auf den bösgläubigen Besitzer verallgemeinert.893 Er hat aber auch kein Recht auf Abtretung der actio furti bei seiner Inanspruchnahme:894 Wer aus verwerflichem Grunde das Interesse rem salvam esse hat, soll die Diebstahlsklage seinerseits nicht erwerben; auch die Inanspruchnahme durch den Eigentümer führt nicht zu einer Billigung des verwerflichen Vorverhalten des Haftenden. dd) Einen Sonderfall bildet der bestohlene bonae fidei possessor.895 Dieser war zwar vor dem Diebstahl im Besitz der gestohlenen Sache, hatte aber diesen Besitz ohne den Willen des Eigentümers erlangt. Dennoch wird ihm wahrscheinlich die Diebstahlsklage ipso iure zustehen, wenn er (ausnahmsweise) dem Eigentümer für den Diebstahl einstehen muß. Insoweit ist die regelhafte Formulierung von Paulus D. 47,2,86 vermutlich zu ergänzen. Freilich haftet der bonae fidei possessor grundsätzlich nicht für einen (unvorsätzlichen) Verlust der Sache. Er haftet aber ausnahmsweise dann (mit der mutmaßlichen Wirkung des Überganges der actio furti), wenn er nach der litis contestatio über die rei vindicatio den Sachbesitz fahrlässig verliert. Diese hier aufgestellte Vermutung, daß dem bonae fidei possessor die Diebstahlsklage auch wegen eines Haftungsinteresses zusteht, beruht darauf, daß dem bonae fidei possessor nach den Quellen schon wegen seines Eigeninteresses am Erhalt seiner possessio eine Diebstahlsklage gewährt wird. Der Kondemnationsumfang der ihm zustehenden actio furti richtet sich nach den Investitionen, die der bonae fidei possessor zum Erwerb des Besitzes oder in Form von Verwendungen auf die Sache gemacht hat.896 Zu den Verwendungen zählen auch Geldzahlungen, die der gutgläubige Besitzer zur Ablösung einer Noxalhaftung gegenüber Dritten leistete. Daher ist es wahrscheinlich, daß auch die Zahlung des bonae fidei possessor infolge einer Haftung gegenüber dem Eigentümer für den Verlust durch den Diebstahl den Umfang der dem bonae fidei possessor zustehenden Diebstahlsklage erhöht. Da hier der Eigentümer für den gesamten Sachwert entschädigt wird, reduziert sich wahrscheinlich zugleich diejenige Diebstahlklage, die dem Eigentümer (im Hinblick auf sein schutzwürdiges Interesse an der Sachnutzung) verbliebe, auf Null. Die Besonderheit, daß dem gutgläubigen Besitzer (anders als dem Geschäftsführer, der ebenfalls die Sache sine voluntate dominis in Händen hatte) im Falle seiner Haftung die Diebstahlsklage ipso iure zusteht, ist also daraus zu folgern, daß dem bonae 893 894 895 896

s. o. S. 181 ff. und soeben A. 882. s. o. S. 216. s. o. S. 217 ff. s. hierzu schon o. S. 170 mit A. 639 und S. 183 f.

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fidei possessor anders als dem Geschäftsführer auch ohne eine Haftung gegenüber dem Eigentümer bereits wegen seines Eigeninteresses an der Nutzung der Sache die Diebstahlsklage gewährt wird. Das Nutzungsinteresse aufgrund gutgläubig erworbenen Eigenbesitzes (die causa possessionis) halten die Juristen offenbar in ähnlicher Weise wie das Nutzungsinteresse des Eigentümers (die causa proprietatis)897 für schutzwürdig, soweit der bonae fidei possessor Investitionen auf die Sache oder zum Erwerb bzw. zur Erhaltung ihres Besitzes898 getätigt hat. b) Hatte der Haftende schließlich keinen Gewahrsam (possessio oder Detention) an der Sache (wie zum Beispiel der Bürge für einen haftenden Rückgabeschuldner), erhält er die Diebstahlsklage weder ipso iure, noch kann er bei seiner Inanspruchnahme durch den Eigentümer verlangen, daß ihm die actio furti abgetreten werde. Hier zeigt sich, daß man das furtum als ein sachbezogenes (und nicht vermögensbezogenes) Delikt verstand. Daher sprachen die Juristen dem Haftenden die Diebstahlsklage nur dann zu, wenn er durch das Delikt in seiner tatsächlichen Sachherrschaftssphäre betroffen war; nur dann sahen sie ihn als Opfer eines furtum an, das die mit der Diebstahlsklage zu erzielende Prämie und die Entscheidung darüber erhalten soll, ob der Dieb überhaupt bestraft werden soll. 6. Die Zuerkennung der Aktivlegitimation an den Haftenden bedeutet noch keine endgültige Entscheidung darüber, daß der Haftende die Diebstahlsprämie erhält.899 Bis zur Einziehung der Buße durch den Haftenden kann der Eigentümer wahrscheinlich noch durch Verzicht auf die Ersatzpflicht des Haftenden bewirken, daß die Aktivlegitimation an ihn zurückfällt.900 Wenn der Eigentümer dagegen schon die Ersatzleistung in Empfang genommen hat, bevor der Haftende gegen den Dieb vorgegangen ist, kann der Eigentümer nur im Ausnahmefall901 dem Haftenden durch Rückzahlung der empfangenen Entschädigung die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage entziehen. Ob der Haftende nach Einzug der Diebstahlsbuße durch ihn vom Eigentümer gezwungen werden kann, (gegen Verzicht auf die Schadensersatzpflicht im übrigen) die eingezogene Diebstahlsbuße auszukehren, soll nach dem Bericht von Justinian C. 6,2,22,3a (a. 530) 897 Zur Unterscheidung zwischen causa possessoris und causa proprietatis s. Javolen D. 47,2,75(74) und dazu insbesondere o. A. 683 sowie S. 217 mit A. 802 ff. 898 Unter „Zahlungen zur Erhaltung des Besitzes“ sollen also sowohl Leistungen zur Abwendung einer Noxalhaftung als auch Schadensersatzzahlungen an den Eigentümer zu verstehen sein. Die Abfindung des vindizierenden Eigentümers stellten die römischen Juristen auch in anderem Zusammenhang einem entgeltlichen Erwerbstitel gleich; s. dazu o. A. 806 und zu diesem kaufähnlichen Charakter der gezahlten litis aestimatio im allgemeinen noch ausführlich u. S. 270 ff. 899 s. dazu den Abschnitt o. S. 228 ff. 900 s. die Verweisungen soeben in A. 888. 901 Paulus D. 47,2,54(53),1; s. dazu o. S. 232.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

unter den Klassikern lebhaft umstritten gewesen sein.902 Die Auskehrung der Buße durfte aber wahrscheinlich dann nicht mehr verlangt werden, wenn der Haftende den Schaden des Eigentümers bereits ersetzt hatte. 7. Mit seiner Konstitution C. 6,2,22 (a. 530) reformierte Justinian das Recht der Aktivlegitimation des Entleihers zur actio furti;903 dabei steht der Entleiher vielleicht nur als Beispiel für alle Fälle des Überganges der Diebstahlsklage wegen eines Haftungsinteresses: Die Diebstahlsklage steht nach dem neuen Recht nicht mehr schon unmittelbar nach dem Diebstahl dem Entleiher zu. Vielmehr steht sie zunächst dem Eigentümer zu. Dieser verliert sie aber mit der Klageerhebung gegen den Entleiher ipso iure an diesen, es sei denn, der Eigentümer hat nicht gewußt, daß die Sache gestohlen worden war. Im Falle seiner Unwissenheit bei Klageerhebung kann er noch bis zur Entschädigung durch den Entleiher auf die Klage gegen den Entleiher verzichten, um dennoch gegen den Dieb vorzugehen. Wenn der Eigentümer aber zunächst gegen den Dieb vorgeht, wird der Entleiher frei. Der Eigentümer soll auf diese Weise die Wahl bekommen, ob er lieber gegen den Entleiher mit der actio commodati oder gegen den Dieb mit der actio furti vorgehen möchte; mit dieser Regelung meint Justinian, einige Streitfragen des klassischen Rechts überwinden zu können.904 Das Wahlrecht ist gegenüber dem klassischen Recht allerdings nicht ganz neu, da schon nach altem Recht der Eigentümer wahrscheinlich durch Verzicht auf die Haftung des Ersatzpflichtigen die actio furti gegen den Dieb erwerben konnte (s. soeben 6.).

§ 14 Die Klagenabtretung im Rahmen vertraglicher Haftung für den Verlust einer fremden Sache I. Labeo D. 19,2,60,2 Die – der Inskription zufolge – älteste Quelle, in der die Abtretung einer Klage im Rahmen einer Haftung für den Verlust einer fremden Sache ausgesprochen wird, behandelt den Fall, daß die Haftung auf einem Vertrag beruht, aufgrund dessen der Schuldner den Gewahrsam an der Sache erlangt hat. Es handelt sich um: 902

s. o. S. 236 ff. s. dazu o. S. 177 bei A. 661, S. 229 ff. 904 Nach Justinian soll anfangs streitig gewesen sein, ob überhaupt dem Entleiher die Diebstahlsklage anstelle des Eigentümers zustehen soll; s. dazu o. A. 654. Später habe es Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben, unter welchen näheren Umständen die Diebstahlsklage wegen Insolvenz des Entleihers beim Eigentümer verbleibe; s. dazu o. A. 661. Außerdem sei umstritten gewesen, ob der Eigentümer vom Entleiher die von diesem eingezogene Diebstahlsbuße habe abschöpfen können; s. dazu o. S. 236 ff. 903

§ 14 Klagenabtretung im Rahmen vertraglicher Haftung

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D. 19,2,60,2 (Labeo im 5. Buch der libri posteriores a Iavoleno epitomati): Vestimenta tua fullo perdidit et habes unde petas nec repetere vis: agis nihilo minus ex locato cum fullone.905 sed iudicem aestimaturum, an possis adversus furem magis agere et ab eo tuas res consequi fullonis videlicet sumptibus: sed si hoc tibi impossibile esse perspexerit, tunc fullonem quidem tibi condemnabit, tuas autem actiones te ei praestare compellet. Deine Kleidungsstücke hat der Walker (durch einen Diebstahl) verloren, und du hast die Möglichkeit906, sie von jemandem (mit dinglicher Klage)907 herauszuverlangen, willst sie aber nicht zurückfordern: Du klagst dessenungeachtet aus dem Werkvertrag gegen den Walker. Aber der Richter werde908 abwägen, ob du eher gegen den Dieb klagen und von ihm deine Sachen erlangen kannst – selbstverständlich auf Kosten des Walkers: Aber wenn er erachtet, daß dies für dich unzumutbar ist, dann wird er zwar den Walker zu deinen Gunsten verurteilen, dich aber zwingen, deine Klagen ihm abzutreten.

Ein Walker hat die Kleidungsstücke seines Vertragspartners, die er also aufgrund eines Werkvertrages909 besaß, dadurch verloren, daß ein Dritter sie ihm gestohlen hat.910 Die Sache ist bei dem Dieb, der dem Eigentümer bekannt ist, auch noch vorhanden (habes unde petas). Dennoch will der Eigentümer nicht den Dieb, sondern den wegen seiner Einstandspflicht für custodia911 an sich haftenden Walker mit der Vertragsklage in Anspruch nehmen.912 905 MOMMSEN /KRÜGER setzen an dieser Stelle nur ein Komma. Einen Punkt setzen andere Ausgaben des Corpus Iuris Civilis, z. B. die Fratres KRIEGEL, Corpus Juris Civilis I (17. Aufl. 1887) ad h .l. (S. 327); ein Semikolon setzt BECK, Corpus Iuris Civilis I Teil 1 (1825) ad h. l. (S. 762). Da an dieser Stelle wahrscheinlich erst die Sachverhaltsschilderung zu Ende geht, erscheint der Punkt vorzugswürdig; s. dazu noch sogleich in A. 912. Im Ergebnis ebenso (und mit weiteren Nachweisen) KNÜTEL in einer Besprechung der niederländischen Übersetzung des Corpus Iuris Civilis (Band 3: Digesta XI–XXIV) von SPRUIT, FEENSTRA und BONGENAAR, in SZ 117 (2000) 715. 906 Habere mit Relativsatz als „die Möglichkeit haben, im Stande sein, wissen, können“, KLOTZ (Hrsg.), Handwörterbuch der lateinischen Sprache I (7. Abdruck 1963) s. v. habeo 2) b) (S. 1666). 907 Petere im Gegensatz zu agere; vgl. HEUMANN /SECKEL, s. v. petere 4) b). 908 Der Hauptsatz, von dem diese Aussage abhängt, fehlt, ist vermutlich (bei der Kompilation) verlorengegangen. Dazu sogleich im Text. 909 KASER, RP I, 570 mit A. 79. 910 Zu perdere i. S. v. „sich stehlen lassen“ vgl. F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 60 f.; LEVY, Nachträge (1962) 17 A. 72; REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 100 A. 21; anders aufgrund seiner Interpolationsannahme GRADENWITZ, Interpolationen in den Pandekten (1887) 29 f. 911 Zur custodia-Haftung des fullo F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 59 f.; KASER, RP I 508, 617 und neuerdings insbesondere CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 369 ff. 912 Nicht ganz klar ist, ob agis nihilo minus . . . fullone noch zur Sachverhaltsschilderung gehört oder bereits den ersten Satz der juristischen Beurteilung darstellt mit der Bedeutung „Du k a n n s t dessen ungeachtet gegen den Walker aus dem Werkvertrag klagen“ (so etwa GRADENWITZ, Interpolationen in den Pandekten [1887] 29 f.). Gegen die Interpretation als Teil des Sachverhalts spricht der Fortgang mit sed, der

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Dem überlieferten Text zufolge lautet die Entscheidung, daß das Ergebnis des Prozesses gegen den Walker davon abhänge, ob nach Einschätzung des Richters (des iudex) der Eigentümer besser gegen den Dieb klagen und auf diese Weise die Kleidungsstücke selbst erlangen könne. Dann hafte der Walker nur für den Aufwand, der dem Eigentümer durch diese Rechtsverfolgung entstehe. Wenn aber dem Richter die Rechtsverfolgung gegen den Dieb als impossibilis erscheine, habe der Eigentümer, um vollen Schadensersatz vom Walker zu erlangen, diesem seine Klagen abzutreten. 1. Die überlieferte Textfassung teilt uns diese Entscheidung zu einem Teil (sed iudicem . . . sumptibus, also soweit der Walker nur auf die Kosten der Rechtsverfolgung gegen den Dieb haftbar gemacht wird) in indirekter Rede mit, ohne mitzuteilen, welcher Jurist sie getroffen haben soll. Daß der Hauptsatz fehlt, von dem die Aussage abhängt, wurde daher als gravierendes Argument dafür angesehen, daß der Text ab sed iudicem weitreichende Interpolationen aufweise.913 Läßt man aber mit der herrschenden Meinung der Interpolationenforschung diesen Text bis zum Schluß weg, dann wäre die Entscheidung Labeos bereits in agis nihilo minus ex locato cum fullone enthalten. Sie würde schlicht lauten, daß der Eigentümer ungeachtet der Möglichkeit, die Sachen von dem

vermuten läßt, daß wie das Nachfolgende, so auch das Voranstehende zur rechtlichen Beurteilung gehört. Für die Zuordnung zur Fallschilderung spricht aber etwa der ähnliche Textaufbau in Labeo libro secundo posteriorum a Iavoleno epitomatorum D. 33,2,31, wo post mortem . . . petierat sicher noch zur Sachverhaltsdarstellung gehört. Zumindest im Rahmen der überlieferten Fassung ist dieser Satz auch deswegen zum Sachverhalt zu zählen, weil die Klage des locator nach dem mittleren Textsstück (sed iudicem . . . sumptibus) unter Umständen abgewiesen wird (vgl. dazu noch u. im Text S. 264). 913 Nach herrschender Ansicht der Interpolationenforschung soll der Text ab sed iudicem bis zum Ende interpoliert sein: So GRADENWITZ, Interpolationen in den Pandekten (1887) 29 ff.; EISELE, SZ 11 (1890) 21 f.; LENEL, Palingenesia I 311 (Javolen Nr. 212); F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 60 ff.; vgl. schon DENS., SZ 27 (1906) 104 A. 3; HAYMANN, SZ 40 (1919) 308 A. 3; PARIS, La responsabilité de la custodia en droit romain (1926) 73 f.; MAYER-MALY, Locatio conductio (1956) 208 ff.; SCHINDLER, Justinians Haltung (1966) 207 A. 48; s. auch HEUMANN /SECKEL, s. v. iudex 3)a), s. v. videlicet. Einschränkend auf sed iudicem . . . tunc unter Einfügung des Wortes iudex LEVY, Nachträge (1962) 17 ff.; vgl. schon DENS., SZ 42 (1921) 501 A. 4; LEVY folgend EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 153, MEDICUS in der Besprechung von LEVYS Nachträgen zur Konkurrenz der Aktionen und Personen, SZ 80 (1963) 459 und KASER, FG v. Lübtow (1980) 322 A. 145 = DERS., Rechtsquellen (1986) 252 A. 145. KNIEP, Gai Institutionum commentarius III (1917) 483 f. tritt für Echtheit bis tuas res consequi ein. D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 104 A. 97 hält nur fullonis videlicet sumptibus für unecht. Unbeanstandet lassen den Text OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 263 f., 272; ALZON, Problèmes relatifs à la location des entrepôts en droit romain (1965) 151 f. A. 720; ARP, Anfängliche Unmöglichkeit (1988) 85; CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 369–373; entschieden gegen Interpolation ROBAYE, L’obligation de garde (1987) 177 f.; vorsichtig für Echtheit („immerhin denkbar“) auch REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 101, vgl. auch 104 f.

§ 14 Klagenabtretung im Rahmen vertraglicher Haftung

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Dieb wiederzuerlangen, gegen den Walker vorgehen könne. Hält man dagegen auch den zweiten Teil des Textes für echt, fragt sich, welchem Juristen die Entscheidung wohl zuzuschreiben und wie der Text zu emendieren sei.914 Als Autor der Entscheidung kommt zunächst einmal Labeo selbst in Betracht;915 dafür ließe sich im lateinischen Text ein putat einfügen916 oder auch eine Ergänzung durch existimo annehmen.917 In Betracht kommt neben Labeo selbst auch Javolen, der der Inskription zufolge die nachgelassenen Schriften von Labeo ausgewählt und herausgegeben hat. Dann läge die Interpretation nahe, daß Javolen die Ansicht des Labeo, der Walker könne ungeachtet der Vindikationsmöglichkeit gegen den Dieb in Anspruch genommen werden, modifiziert habe, indem er dem Richter einen Einschätzungsspielraum einräumte, ob der Walker nur auf die Rechtsverfolgungskosten oder auf den Wert der Kleider gegen Klagenzession hafte.918 Es könnte sich schließlich auch um einen dritten Juristen handeln, dessen Meinung Labeo oder erst Javolen wiedergegeben hat.919 Hier ist insbesondere vorstellbar, daß Javolen erst das Zitat dieses Juristen an die kurze Antwort Labeos (agis nihilo minus ex locato cum fullone) angehängt hat (sed iudicem . . . sumptibus), um sodann mit einer eigenen (also Javolens)920 Ergänzung fortzufahren, wie der Richter zu entscheiden hat, wenn er die Durchführung der Vindikation gegen den Dieb für impossibilis erachtet. 914

Hierzu zuletzt KNÜTEL, SZ 117 (2000) 715 f. So ohne Emendation des lateinischen Textes FRIER, in: Mommsen/Krüger/Watson, The Digest of Justinian II (1985) ad h. l. (S. 572), wo in der englischen Übersetzung als Zusatz in Klammern eingefügt wird „[Labeo responded that]“; ALZON, ROBAYE, CARDILLI (alle o. A. 913); SPRUIT /VERDAM, in: Spruit/Feenstra/Bongenaar, Corpus Iuris Civilis, Tekst en Vertaling III (1996) 556 ad h. l., die einfügen: „zegt Labeo“. 916 So HALOANDER, zit. nach BECK, Corpus Iuris Civilis I Teil 1 (1825) ad h. l. (S. 762 A. p). 917 Dafür ließe sich die Verwendung von existimo im vorangehenden Paragraphen (D. 19,2,60,1) als Vorbild nennen. Nach F. SCHULZ, Geschichte (1961) 257 wird in den mit Labeo posteriorum libro . . . a Iavoleno epitomatorum überschriebenen Fragmenten nicht über Labeo in der dritten Person berichtet; vielmehr spreche Labeo hier in der ersten Person. In D. 19,2,28pr. und 1 i. f. steht putat ohne Angabe des urteilenden Juristen; dazu KNÜTEL, SZ 117 (2000) 715 f. m.w. N. 918 REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 101 läßt die Frage offen und spricht von „Javolen und Labeo“; ähnlich schon KNIEP, Gai Institutionum commentarius III (1917) 484. Gegen die im Text geäußerte Mutmaßung spricht jedoch die Beobachtung von KOHLHAAS, Die Überlieferung der libri posteriores des Antistius Labeo (1986) 125 und passim, daß sich Javolen mit eigenen Stellungnahmen in den mit Labeo posteriorum . . . a Iavoleno epitomatorum überschriebenen Fragmenten grundsätzlich zurückhalte. 919 Vgl. F. SCHULZ, Geschichte (1961) 257 f. mit A. 2 auf S. 258, der stehengebliebene Acc. c. Inf. ohne regierendes Verb zeige, daß die Kompilatoren ein in der Epitome ursprünglich enthaltenes Zitat eines anderen Juristen gestrichen hätten; nach demselben SCHULZ, SZ 32, 61 kann dagegen auch Labeo scribit ausgefallen sein und somit Labeo selbst der Urheber der Entscheidung sein. 920 Hiergegen und für die Autorschaft Labeos hinsichtlich der Schlußworte LEVY, Nachträge (1962) 19 m.w. N. 915

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

So reizvoll diese Frage nach der Textgenese ist, so läßt sich in dem hier einzuhaltenden Rahmen doch nicht hinreichende Gewißheit finden. Zu schwierig und umstritten ist die Entstehung der nachgelassenen Schriften von Labeo überhaupt.921 Gezeigt werden soll nur, daß der Inhalt des überlieferten Textes durchaus klassisch, und damit spätestens Javolen zuzuordnen, jedenfalls aber nicht interpoliert ist. Auch ein accusativus cum infinitivo ohne regierendes Prädikat findet sich in den Quellen, gerade in den Epitomen des Labeo öfters;922 er erscheint geradezu als ein Echtheitsindiz, nicht zuletzt deswegen, weil die Kompilatoren hier die offensichtlich unvollständige Form nicht verbessert zu haben scheinen. 2. Betrachten wir dazu zunächst den z w e i t e n Fall der Entscheidung, in dem der Richter zur Auffassung gelangt, daß der Eigentümer nicht darauf verwiesen werden könne, gegen den Dieb zu klagen. Dann wird der Walker verurteilt, und zwar wie unausgesprochen gemeint ist, auf den Sachwert, und der Kläger wird gezwungen, seine Klagen dem Walker abzutreten. Dieser Teil der Entscheidung wird weniger angezweifelt als der erste, da die Klagenzession auch von anderen Quellen bezeugt wird, namentlich von dem hier gleich im Anschluß923 erörterten Text von Gaius D. 19,2,25,8.924 Wie aber kann der Richter den Kläger zur Zession seiner Ansprüche zwingen? Die vom Besteller gegen den Walker erhobene actio locati ist der Klagformel nach gerichtet auf quidquid ob eam rem . . . dare facere oportet.925 Im Fall des Sachverlusts gebietet es die bona fides, daß der Walker (der hier der conductor ist), dem Eigentümer den aus dem Verlust resultierenden Schaden ersetzt. Wenn der Walker die Sache in

921 Die posthum von Javolen ausgewählten Schriften Labeos werden in den Digesten mit zwei verschiedenen Inskriptionen zitiert, nämlich wie hier als Labeo posteriorum . . . libro a Iavoleno epitomatorum oder als Iavolenus libro . . . Labeonis posteriorum (z. B. D. 19,2,59). Es ist bereits umstritten, ob es sich dabei um dasselbe Werk handelt oder ob den Kompilatoren zwei verschiedene Auszüge aus den nachgelassenen Schriften Labeos vorlagen. Innerhalb dieser 2-Werke-Theorie ist streitig, ob beide auf Javolen zurückgehen oder eines oder beide auf nachklassische Bearbeiter, vgl. hierzu F. SCHULZ, Geschichte (1961) 257 f. sowie aus neuerer Zeit KOHLHAAS, Die Überlieferung der libri posteriores des Antistius Labeo (1986) 20 ff., die selbst zu der Auffassung gelangt, Javolen habe die klaren und anerkannten Entscheidungen aus den libri posteriores des Labeo weitgehend unkommentiert und wörtlich ausgewählt und in das Werk Labeonis libri posteriores a Iavoleno epitomati übernommen. In das Werk Iavoleni libri ex posterioribus Labeonis habe er dagegen komplizierte und solche Rechtsfragen aus den nachgelassenen Schriften aufgenommen, die er für eines Kommentars bedürftig gehalten habe; in seiner Besprechung des Buchs von KOHLHAAS zustimmend RAINER, SZ 105 (1988) 851 ff. 922 Vgl. etwa im selben Fragment D. 19,2,60pr. (nihil locatori conductorem praestaturum); weitere Beispiele bei F. SCHULZ, Geschichte (1961) 258 A. 2. 923 s. u. S. 265. 924 Mit diesem Argument trat namentlich LEVY, Nachträge (1962) 18 gegen die radikale Interpolationsannahme der herrschenden Meinung an; vgl. dazu o. A. 913. 925 LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 299 f.

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haftungsbegründender Weise zerstört hätte, wäre dies ohne weiteres der Sachwert. Anders ist es aber hier, wo die Sache noch bei einem Dritten vorhanden ist. Dann hat der Eigentümer neben der Haftung des Walkers weitere Klagemöglichkeiten gegen den Dieb auf Wiedererlangung seiner Sache oder ihres Werts (zu denken ist namentlich an die rei vindicatio und an die condictio furtiva). Auch die Klageerhebung gegen den Walker, die insoweit keine konsumierende Wirkung hat, läßt diese Klagen unberührt – wie in unserem Text auch das Mittelstück (an possis adversus furem magis agere . . .) zeigt. Dann entspräche es aber nicht der bona fides, wenn der Beklagte zum Schätzwert der verlorenen Kleidungsstücke verurteilt würde und der Kläger diese weiteren Klagen behielte, weil er sonst im Ergebnis von dem Schadensfall profitieren könnte. Wenn der Eigentümer aber nicht auf die unsicheren Ansprüche gegen den Dieb verwiesen werden soll, muß anderweit verhindert werden, daß er sich infolge der Entschädigung bereichert. Dies geschieht durch die Zession dieser Ansprüche. Der Einschaltung einer exceptio doli, die der Beklagte in anderen Verfahren zur Erzwingung der Klagenzession vorschützen muß, bedarf es bei einem bonae fidei iudicium nicht, das von vornherein auf Abrechnung der wechselseitigen Ansprüche gerichtet ist.926 Daher erzwingt der Richter (iudex) die Klagenzession, indem er den conductor zum Schätzwert nur verurteilt, wenn ihm der Kläger zuvor seine Klage abtritt.927 Zugleich erreicht der Richter auf diese Weise im Ergebnis, daß der Walker, indem er den Sachwert vorstreckt und die Klagen des Eigentümers zediert erhält, genau das von ihm zu vertretende Risiko übernimmt, nämlich – wie SELB928 zu § 255 BGB im geltenden Recht formuliert hat – das Risiko der Liquidation des Sachwerts beim Dieb. Welches genau die abzutretenden Klagen sind, erfahren wir nicht; sie werden nur als tuas actiones bezeichnet.929 Manche haben angenommen, auch die Buß-

926 Vgl. zum Ganzen schon die Darstellung der Parallelsituation bei der Haftung eines negotiorum gestor wegen Verlusts einer Sache des Geschäftsherrn durch Diebstahl o. S. 161 f.: Auch im Falle einer negotiorum gestio stand dem Geschäftsherrn ein bonae fidei iudicium zur Verfügung, das (statt der spezielleren älteren actiones in factum conceptae) in spätklassischer Zeit ausschließlich zur Anwendung kam (s. o. A. 597). 927 So zutreffend F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 61 f. A. 2 sub 3 ad h. l. gegen EISELE, SZ 11 (1890) 21 f., demzufolge die (deshalb für unecht erklärte) Formulierung bei Labeo voraussetzt, daß der Richter zunächst verurteile und erst dann – was er gar nicht könne – die Klagenzession erzwinge. 928 s. o. S. 33 f. mit A. 66. 929 Ob etwa auch die actio legis Aquiliae, die bei einer Sachbeschädigung durch den Dieb gegeben sein könnte, mitabzutreten ist, erfahren wir nicht deutlich; an sie ist hier zumindest nicht in erster Linie gedacht. Dennoch erscheint es wahrscheinlich, daß sich die Zessionspflicht gegebenenfalls auch auf diese Klage erstreckt hätte, vgl. Ulpian D. 13,6,7,1 (dazu s. schon o. A. 224) zur Abtretung der Klage aus der lex Aquilia an den Entleiher einer Sache gegen denjenigen, der sie zusammen mit dem Haftenden geliehen und sie beschädigt hat.

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klage der actio furti sei mitabzutreten.930 Aus dieser Interpretation ergäbe sich aber ein Widerspruch zu denjenigen Quellen,931 denen zufolge die actio furti ohnehin dem Walker zusteht, jedenfalls sofern er solvent ist. Aus dem so konstruierten Widerspruch schlossen manche darauf, daß der vorliegende Text interpoliert sei.932 Da jedoch die actio furti hier gar nicht erwähnt wird, ist es näherliegend anzunehmen, daß sie eben von der Zessionspflicht nicht umfaßt ist, vielmehr dem Walker ohnehin zusteht. Dafür spricht nicht nur die Parallele zu dem gleich im Anschluß933 zu erörternden Text Gaius D. 19,2,25,8, in dem explizit nur die (rei) vindicatio und die condictio (furtiva) erwähnt werden.934 Sondern auch unser Text selbst enthält einen Hinweis auf die Art der abzutretenden Klagen: Im Mittelstück heißt es, daß der Richter zu prüfen habe, ob der Eigentümer eher gegen den Dieb klagen und von ihm seine Sachen zurückerlangen (tuas res consequi) könne. Nahe liegt doch, daß es auch am Ende des Fragments um genau die Klagen geht, auf die der Kläger im ersten Fall verwiesen wird: nämlich um seine sachverfolgenden Klagen, also in erster Linie auch hier die vindicatio und die condictio furtiva.935 3. Besonders umstritten ist aber die Entscheidung im e r s t e n Fall unseres Textes, in dem der Richter den Eigentümer auf die Klagen gegen den Dieb verweist. Auffällig daran ist, daß dem Walker hier eine Art Einrede der Voraus930 GRADENWITZ und MAYER-MALY (beide o. A. 913); vgl. KNIEP, Gai Institutionum commentarius III (1917) 484: die actio furti sei bei adversus furem agere zumindest mitzudenken. 931 Insbesondere Gaius Inst. 3,205; hierzu und allgemein zur Aktivlegitimation des custodia-Pflichtigen zur actio furti s. o. S. 169 ff. 932 GRADENWITZ und MAYER-MALY (o. A. 913); gegen MAYER-MALY auch CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 370 A. 139. 933 s. u. S. 265. 934 So der treffende Hinweis von LEVY, Nachträge (1962) 18. 935 Im Ergebnis ebenso OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 263; LEVY, Nachträge (1962) 18; vgl. auch schon F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 61 zu habes unde petas. Diese Einschränkung hält KASER (o. A. 911) dagegen nur für „möglich, aber nicht sicher“. D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 47 f. A. 52 und ANKUM, RIDA 47 (2000) 477, A. 44 nehmen aufgrund von Justinian C. 6,2,22,3 (a. 530) an, daß dem bestohlenen Entleiher (für den bestohlenen fullo, der wie der Entleiher ein Schulbeispiel für einen zur actio furti aktivlegitimierten custodia-Pflichtigen ist, müßte dann dasselbe gelten) auch ohne Abtretung eine eigene condictio utilis (oder ex iniusta causa) gegen den Dieb auf Wiedererlangung der Sache zustehe. Doch wäre dann der fullo auf die in den hier besprochenen Quellen mehrfach belegte Zession der sachverfolgenden Klagen des Eigentümers nicht angewiesen. Die Existenz einer eigenen Klage gegen den Dieb schließt zwar das Recht auf Abtretung der Klagen des Entschädigten nicht grundsätzlich aus, s. nur Papinian D. 6,1,63 (dazu o. S. 89 ff. und u. S. 298 ff.) und Paulus D. 9,6,4,4 (dazu o. S. 133 ff.); doch wäre schon zu erwarten, daß in irgendeiner Quelle erwähnt wird, daß neben den zedierten Klagen dem fullo oder Entleiher eine eigene sachverfolgende Klage gegen den Dieb zusteht. Die Konstitution Justinians zwingt auch nicht zu der Interpretation von LIEBS und ANKUM; vielmehr läßt sie sich auch ohne die Annahme einer eigenen Klage des fullo bzw. Entleihers deuten, s. o. S. 239 f.

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klage (auch beneficium excussionis genannt) gewährt wird,936 die uns in keiner anderen Quelle zur Haftung für den Verlust fremder Sachen überliefert ist.937 Die Einzigartigkeit dieser Entscheidung ist ein weiterer938 Grund für weitreichende Interpolationsverdächtigungen.939 Indessen entspricht die Entscheidung durchaus klassischen Grundsätzen der Schadensermittlung. Üblicherweise ist nach einem Diebstahl die Aufklärungschance gering, der Verlust für den Eigentümer ist also praktisch mit dem Wert der entwendeten Sache gleichzusetzen. Ihm kann daher nicht zugemutet werden, darauf zu warten, daß der Dieb gefunden wird und er gegen ihn vorgehen kann, wenn ihm ein anderer für den Diebstahl haftet. Die Haftung bezieht sich hier darauf, daß die Sache praktisch unauffindbar ist. Anders ist es aber in dem Sonderfall, daß der Dieb im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden bereits gefunden wurde (und die Sache noch hat). Dann bezieht sich die Haftung nur darauf, daß sich die Sache nicht mehr beim Vertragsschuldner, sondern beim Dieb befindet; der Schaden ist also „geringer“ als im ersten Fall, denn der Eigentümer könnte – vielleicht sogar ohne große Anstrengung – die Sache wiedererlangen. Dann aber ist nicht einzusehen, wieso dem Eigentümer die Möglichkeit gewährt werden soll, auf Kosten des haftenden Walkers seine Kleider 936 FR. MOMMSEN, Erörterungen über die Regel: Commodum ejus esse debet, cujus periculum est (1859) 90 A. 12; OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 272. 937 s. zur Frage, ob eine Einrede der Vorausklage allgemein angemessen und ausreichend ist für die Regelung der Haftung für Besitzverlust, schon oben in der Einleitung S. 16 mit den A. 2 und 3. 938 Neben dem Fehlen eines übergeordneten Hauptsatzes zur abhängigen Aussage iudicem aestimaturum, s. dazu o. S. 252 f. mit A. 913. 939 So namentlich GRADENWITZ, Interpolationen in den Pandekten (1887) 29 ff.; vgl. MEDICUS, SZ 80 (1963) 459. Auch F. SCHULZ, SZ 32 (1911) 61 – und PARIS, La responsabilité de la custodia en droit romain (1926) 73 f. – sehen einen Widerspruch zwischen der Gewährung einer Einrede der Vorausklage und der Aktivlegitimation des fullo zur actio furti nach Gaius 3,205 und begründen so ihre Interpolationsannahme. SCHULZ folgert aus dem GaiusText zu Recht, daß die Klassiker „den bequemeren Weg“ der Inanspruchnahme des Vertragsschuldners „als das Normale“ ansähen. Dann könne dem Walker jedoch nicht zugleich eine Einrede der Vorausklage gewährt werden. Bei dieser letzten Folgerung übersieht SCHULZ jedoch, daß es nicht „das Normale“ ist, daß der Diebstahl schon aufgeklärt ist, wenn der Walker in Anspruch genommen wird. Ist dann aber auch der Dieb erreichbar, ist die Vertragsklage nicht mehr ohne weiteres „der bequemere Weg“. Im übrigen sagt Labeo an anderer Stelle nach einem Zitat Javolens (D. 47,2,91[90]pr., Text s. o. A. 663; zu dieser Quelle s. noch o. A. 794 sowie S. 228 bei A. 840), die Aktivlegitimation des fullo zur actio furti erlösche, wenn er von der Vertragsklage des Eigentümers befreit werde. Ob unser Fall ein solcher der Befreiung in diesem Sinne ist – wofür einiges spricht (Abweisung der Klage ex locato, s. dazu noch sogleich im Text) –, braucht hier nicht entschieden zu werden. Da die Klassiker demnach die Aktivlegitimation für die actio furti bei einem haftenden Sachbesitzer (dazu allgemein o. S. 168 ff.) flexibler handhaben, als SCHULZ es zu unserem Text darstellt, entfällt jedenfalls die Begründung für eine Interpolationsannahme; vgl. ähnlich ROBAYE, L’obligation de garde (1987) 176 A. 6.

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zu vollem Wertausgleich loszuwerden. Vielmehr besteht der Schaden nur in dem möglichen Mehraufwand der Rechtsverfolgung gegen den Dieb – und bei einem Ausfall auch in diesem.940 a) Eine analoge Überlegung finden wir zum Beispiel bei der Schadensberechnung im Rahmen der actio servi corrupti in dem schon oben941 besprochenen Text D. 11,3,14,8;9 (Paulus im 19. Buch ad edictum): Ausgangspunkt dieses Falles ist, daß ein Sklave infolge einer Korruption durch den Beklagten so verschlechtert worden ist, daß er (für den Eigentümer) unbrauchbar geworden ist. Der mit der actio servi corrupti klagende Eigentümer soll dennoch nicht den vollen Wert des Sklaven verlangen und den unbrauchbaren Sklaven behalten dürfen, da dies wegen des „Restwerts“ des Sklaven immer noch eine Bereicherung zu Lasten des Schädigers darstellen würde. Daher überläßt Paulus dem geschädigten Eigentümer die Wahl, ob er nur die Wertdifferenz (in doppelter Höhe) aus der actio servi corrupti erzielen oder gegen Herausgabe und Übereignung (restituere) des verschlechterten Sklaven den Wert, den dieser vor Schädigung gehabt hat, erhalten möchte. Die Obliegenheit des Eigentümers zur Restitution des Sklaven resultiert – ähnlich wie im Falle des Walkers die Pflicht des Eigentümers zur Abtretung der Ansprüche gegen den Dieb – aus dem Verbot, daß der Entschädigte sich – von der Sanktion der Verdoppelung des Schadensersatzes im Fall der actio servi corrupti abgesehen – durch die Entschädigung bereichert. In unserem Zusammenhang ist von Bedeutung die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Eigentümer das Recht eingeräumt wird, statt der bloßen Wertminderung den vollen Wert des Sklaven gegen dessen Restitution zu verlangen.942 Paulus gibt in § 8 des zitierten Fragments zunächst den Grundsatz an, daß sich die Höhe der Entschädigung nach der geschätzten Wertminderung (auf quanti servus vilior factus sit) richte. Das Wahlrecht zugunsten des vollen Wertersatzes gegen Restitution des Sklaven wird dem Eigentümer in § 9 des Fragments dagegen gewährt, wenn der Sklave „so unbrauchbar geworden ist, daß es nutzlos ist, solch einen Sklaven zu haben“. Der Zusammenhang mit § 8 rechtfertigt den Umkehrschluß, daß der Eigentümer unterhalb dieser Grenze nur die Wertdifferenz verlangen kann. Dann soll nämlich der Eigentümer nicht etwa den Schadensfall zum willkommenen Anlaß nehmen können, den vielleicht ohnehin ungeliebten Sklaven zum vollen Wert dem Schädiger aufzubürden. 940 Das wird auch durch folgende Überlegung gestützt: Wenn sich die Kleider noch beim Walker befänden, könnte der Eigentümer nicht auf Schadensersatz in Geld bestehen, müßte vielmehr sich mit der Herausgabe der Kleider begnügen. Dann sollte doch dasselbe gelten, wenn der Eigentümer ohne große Mühen seine Sachen von einem Dritten wiedererlangen kann. Der Vorrang der Naturalleistung wird daher – worauf OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 264 hinweist – auch im Text von Labeo und Javolen hervorgehoben (et ab eo tuas res consequi). 941 s. o. S. 122 ff. 942 Diese Frage wurde o. S. 122 ff. noch nicht näher analysiert (vgl. o. A. 451).

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Entsprechend943 verhält es sich im Falle des Walkers: Wenn der Eigentümer die Möglichkeit hat, seine Kleider vom Dieb herauszufordern, ist der Schaden weniger groß, als wenn sie vorerst nicht aufgefunden werden können. Dem Ersatz der bloßen Wertdifferenz entspricht es hier vielmehr, wenn der Walker nur zu den Kosten der Rechtsverfolgung gegen den Dieb verpflichtet wird. Andernfalls würde der Eigentümer den Diebstahl zum Anlaß nehmen, die Kleidungsstücke gegen Erstattung ihres Wertes durch den Walker loszuwerden. Nur wenn die Rechtsverfolgung gegen den Dieb im Verhältnis zum notwendigen Aufwand keine angemessene Aussicht auf Erfolg verspricht, ist dem Eigentümer die Möglichkeit zuzugestehen, den vollen Wertersatz vom Walker gegen Abtretung seiner Ansprüche gegen den Dieb zu verlangen. Die Klagenzession bei vollem Wertersatz erscheint bei Labeo/Javolen somit als e i n Weg der Übernahme des Liquidationsrisikos durch den haftenden Vertragsbesitzer. Als einfacherer Weg steht daneben die Kostentragung – und, wie zu ergänzen ist – die Tragung des Ausfalls944 durch den Walker, wenn beim Dieb wider Erwarten die Kleidungsstücke bzw. ihr Wert nicht vollständig erlangt werden können. Die erste, den Haftenden stärker belastende Lösung kommt nach Labeo nur zum Zuge bei einer hinreichenden Beeinträchtigung des Ersatzberechtigten. Die Grenze, ab der der Geschädigte vollen Wertersatz verlangen kann, ist in beiden Texten ungenau und formal widersprüchlich umschrieben: Bei Paulus muß der verdorbene Sklave (praktisch) wertlos geworden sein.945 Bei völliger Wertlosigkeit des Sklaven bestünde aber zwischen dem Ersatz der Wertdifferenz und dem vollen pretium kein Unterschied.946 Bei Labeo muß der Richter zu der Überzeugung gelangt sein, daß die Rückforderung vom Dieb impossibilis ist, obwohl es am Anfang heißt habes unde petas. In beiden Fällen geht es darum, daß ein gewisser Grad der Zumutbarkeit947 für den Geschädigten überschritten 943 Vgl. die Parallele zwischen Forderungsabtretung nach § 255 BGB und der Sachherausgabepflicht bei den Fällen „neu für alt“, wie sie zum geltenden Recht etwa ESSER /SCHMIDT, Schuldrecht I Teilband 2 (8. Aufl. 2000) § 33 V 2 (S. 249 f.) ziehen. 944 Dafür, daß sumptus hier auch den Ausfall umfaßt, spricht die sogleich im Text erörterte Parallele zu Ulpian-Celsus D. 13,6,7pr.; vgl. OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 264 A. 1. Anders REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 101 A. 25, der unter sumptus nur die echten „Aufwendungen“ für die Rechtsverfolgung gegen den Dieb versteht und meint, die Möglichkeit des Ausfalls sei von dem entscheidenden Juristen hier nicht in Betracht gezogen worden. B/K/K/S [LUIG] ad h. l. (Bd. III S. 590 A. 2) interpretieren dagegen die vom Walker zu tragenden Kosten noch enger: Es gehe nicht um die Prozeßkosten, sondern etwa um Reisekosten des Eigentümers. 945 Inutilis . . ., ut non expediat talem servum habere. 946 Vgl. hierzu schon o. S. 124 ff. 947 Dementsprechend betont ARP, Anfängliche Unmöglichkeit (1988) 63 ff., daß impossibilis auch die Bedeutung von „absurd, widersinnig“ haben könne und in dieser Bedeutung oft in den Quellen verwendet werde. ARP deutet impossibile im hier besprochenen Fragment als „aussichtslos oder unzumutbar“; ebenso REICHARD, Drittscha-

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wäre, wenn er darauf verwiesen würde, trotz der Wertminderung den Sklaven zu behalten, beziehungsweise trotz Mehraufwandes oder geringer Erfolgsaussichten gegen den Dieb vorzugehen. Dann ist das Ziel, nur die ohnehin unliebsame Sache zum Nachteil des Schädigers loszuwerden, als alleinige Motivation des Klägers ausgeschlossen; vielmehr hat dann der Kläger einen hinreichenden Grund für die Wahl des „großen“ Schadensersatzes. Genauer läßt sich diese Grenze eben kaum abstrakt formulieren. Darum ist es auch einzig sinnvoll, die Entscheidung dieser Frage des Einzelfalls dem Judiz des Richters zu überlassen.948 b) Daß der Anspruch gegen einen Dritten – der aus dem haftungsbegründenden Umstand Vorteile gezogen hat – bei der Schadensermittlung berücksichtigt wird, so daß der Schadensersatzanspruch nur subsidiär eingreift, findet sich z. B. auch bei der Haftung der Feldmesser in: D. 11,6,3,1–3 (Ulpian im 24. Buch ad edictum): 1. Competit autem haec actio ei, cuius interfuit falsum modum renuntiatum non esse, hoc est vel emptori vel venditori, cui renuntiatio offuit. – 2. Pomponius tamen scribit, si emptor plus dederit venditori propter renuntiationem, quia condicere potest quod plus dedit, agi cum mensore non posse: nihil enim emptoris interesse, cum possit condicere: nisi solvendo venditor non fuit: tunc enim mensor tenebitur. – 3. Sed si venditor maiorem modum tradiderit fraudatus a mensore, consequenter dicit Pomponius non esse actionem versus mensorem, quia est ex vendito actio adversus emptorem, nisi et hic emptor solvendo non sit. 1. Diese Klage steht demjenigen zu, der ein Interesse daran hatte, daß keine falsche Grundstücksgröße bekanntgegeben werde, also entweder dem Käufer oder dem Verkäufer, je nach dem, wem die Bekanntgabe von Nachteil war. – 2. Pomponius schreibt jedoch, wenn der Käufer dem Verkäufer aufgrund der Bekanntgabe zuviel bezahlt habe, könne er nicht gegen den Feldmesser klagen, weil er kondizieren könne, was er zuviel gezahlt habe. Der Käufer habe nämlich keinen Schaden, wenn er kondizieren könne, es sei denn der Verkäufer ist nicht zahlungsfähig; dann nämlich wird der Feldmesser haften. – 3. Wenn aber der Verkäufer, vom Feldmesser densersatz (2. Aufl. 1994) 101: „wegen Insolvenz [sc. des Diebes] aussichtslos oder sonstwie unzumutbar“. Dagegen hielt LENEL, Palingenesia I 311 (Javolen Nr. 212) das Wort impossibile für ein Interpolationsindiz; Labeo habe das Wort nicht gekannt, wie sich aus D. 28,7,20pr. ergebe: Dort verwendet Labeo stattdessen das griechische Wort \adýnatoò. Die Argumentation überzeugt jedoch nicht (gegen Lenel schon RABEL, Mélanges Gérardin [1907] 490 A. 32 = RABEL, Gesammelte Aufsätze IV [1971] 118 A. 32). Daß Labeo an einer Stelle ein griechisches Wort verwendet, heißt nicht, daß er das lateinische Wort generell nicht gekannt habe. Möglicherweise wählte Labeo in D. 28,7,20pr. bewußt das griechische Wort, um den paradoxen Charakter der Bedingung im Falle der Alleinerbschaft des Ehemannes zu unterstreichen, vgl. KOHLHAAS, 195 ad h. l., um also die Unmöglichkeit im streng logischen Sinne zu bezeichnen. 948 Iudicem aestimaturum bzw. Paulus D. 11,3,14,8. Dies spricht auch gegen EISELE, SZ 11 (1890) 21, der bei Labeo praetorem statt iudicem erwartet. Auch ARP, Anfängliche Unmöglichkeit (1988) 85 geht – ohne Erläuterung und vermutlich versehentlich – davon aus, daß der Prätor (und nicht der iudex) die Einschätzung der Erfolgsaussichten vornehme; vgl. REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 101 A. 26.

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getäuscht, eine zu große Grundstücksfläche übereignet hat, sagt Pomponius folgerichtig, dann sei eine Klage gegen den Feldmesser nicht gegeben, weil die Klage aus dem Verkauf gegen den Käufer eingreife, falls nicht auch hier der Käufer zahlungsunfähig sei.

Der Feldmesser haftet mit einer actio in factum949, wenn er nach Erhalt eines „Auftrages“950 zur Grundstücksvermessung vorsätzlich oder aufgrund von grober Fahrlässigkeit951 eine fehlerhafte Angabe über die Größe des vermessenen Grundstücks macht. Gläubiger des Anspruchs ist nach dem ersten Satz dieses Fragments derjenige, der ein Interesse an der Richtigkeit der Größenangabe hatte.952 Dies könne der Käufer oder der Verkäufer sein; es komme darauf an, wem die Falschangabe geschadet hat. Nach den folgenden Pomponius-Zitaten kommt, wenn der Feldmesser das Grundstück für größer ausgegeben hat, als es ist, als Geschädigter nur der Käufer in Betracht, weil er zuviel gezahlt habe; im Falle, daß der mensor ein zu kleines Maß genannt hat, könne dagegen nur der Verkäufer Geschädigter sein, weil er einen zu geringen Kaufpreis erhalten habe. Zu unterstellen ist also offenbar, daß die Parteien einen Kaufvertrag über ein Grundstück geschlossen hatten, bei dem ein Preis pro Flächeneinheit vereinbart wurde, die tatsächliche Größe des Grundstücks aber noch durch die Vermessung ermittelt werden sollte.953 Dennoch scheitert nach Pomponius-Ulpian die Inanspruchnahme des Feldmessers durch den Käufer oder Verkäufer in der Regel am fehlenden Schaden: Der Käufer kann den zuviel bezahlten Teil des Kaufpreises vom Verkäufer kondizieren,954 der Verkäufer den fehlenden Kaufpreis mit der Verkaufsklage nach949 Vgl. Ulpian D. 11,6,1pr. Zur Haftung der Feldmesser ausführlich DE TISSOT, Étude historique et juridique sur la condition des agrimensores dans l’ancienne Rome (Paris 1879) 142 ff. (S. 146 f. ad h. l.); O. KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte II 1. Teil (1901) 1351 f. (auch ad h. l.); aus neuerer Zeit C. BEUL, Si mensor falsum modum dixerit (1998) S. 107 ff. ausführlich ad h. l. 950 Dabei handelt es sich weder um einen Auftrag im rechtstechnischen Sinne noch um einen Werkvertrag, sondern um ein Verhältnis eigener Art, das die veteres ursprünglich nicht als rechtlich verbindlich einordneten (Ulpian D. 11,6,1pr.). 951 Ulpian D. 11,6,1,1. 952 Daß die Klagformel auf quanti actoris interfuit lautete, nimmt KASER, RP I 630 an, hält MEDICUS, Id quod interest (1962) 16 aber nicht für gesichert. 953 Vgl. BEUL, Si mensor falsum modum dixerit (1998) 109–111, 113; ob der mensor den Auftrag von beiden Parteien bekommen haben muß oder ob auch bei Beauftragung nur durch eine Vertragspartei die andere Partei im Falle einer für sie nachteiligen Flächenangabe durch den mensor den Schaden ersetzt verlangen kann, muß hier dahinstehen; vgl. dazu BEUL, a. a. O., 108 f. 954 Eine actio de modo agri (zu ihr KASER RP I 133 f., 153, 165) steht dem Käufer dagegen nur bei einer besonderen Zusicherung der Grundstücksgröße durch den Verkäufer zu, so daß sie hier nicht einschlägig ist; vgl. BEUL, Si mensor falsum modum dixerit (1998) 111 ff. Da der Käufer irrtümlich mehr gezahlt hat, als er tatsächlich schuldete, steht ihm die condictio zu (und nicht die actio empti); vgl. BEUL, a. a. O., 113.

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fordern. Eine Ausnahme ist nach Ulpian955 jedoch dann zu machen, wenn der jeweilige Partner des Kaufvertrages insolvent ist: Dann hat der Käufer bzw. Verkäufer wegen des Ausfalls einen Schaden, den er vom Feldmesser ersetzt verlangen kann.956 Dabei ist anzunehmen, obwohl es nicht ausgesprochen wird, daß dem Feldmesser die Klage gegen den Vertragspartner abzutreten ist.957 Auch hier mindert also (wie im Fall des bestohlenen Walkers) der Umstand das zu ersetzende Interesse des Geschädigten, daß ihm gegen einen anderen, der einen Vorteil aus dem schädigenden Ereignis gezogen hat, ein Anspruch zusteht. Im Ergebnis erscheint die Haftung des Feldmessers daher als subsidiär; sie ist dies freilich nicht aufgrund besonderer Regelung, sondern infolge der Interpretation des Interesses durch die römischen Juristen.958 Anders als im Fall des bestohlenen Walkers erscheint die Haftung des Feldmessers als Ausnahme, die externe Subsidiarität des Anspruchs gegen den Feldmesser als die Regel. Dies liegt aber wohl weniger daran, – wie LEVY959 in einer von ihm begründe955 Die nisi-Anhänge erscheinen als Zusätze Ulpians zum Zitat des Pomponius; demgegenüber hält sie PRINGSHEIM, SZ 41 (1920) 251 für interpoliert, wenn auch für sachlich richtig. 956 Vgl. (Pomponius-)Ulpian D. 11,6,5,1: Danach kann der geschädigte Käufer (jedenfalls) dann gegen den mensor klagen, wenn er das Klageverfahren gegen den Verkäufer zuvor bereits durchgeführt hat und dennoch bei ihm ein Schaden verblieben ist. 957 Vgl. – allerdings weitergehend – WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts II (9. Aufl. 1906) § 470 A. 1 (S. 1049 f.): Klagenzession gegen vollen Schadensersatz bereits dann, wenn der Geschädigte die mit der Realisierung des Anspruchs gegen den Vertragspartner verbundenen Kosten nicht übernehmen will. 958 Vgl. LEVY, Konkurrenz I (1918) 22 f. mit A. 5. Im gemeinen Recht wurde dieser Text (Ulpian D. 11,6,3,1–3) als Argument dafür herangezogen, daß auch bei der Haftung des Richters für rechtswidrige Entscheidungen (actio contra iudicem, qui litem suam fecit, vgl. Ulpian D. 5,1,15,1;16, sog. Syndikatsklage) ein Schaden erst dann entstanden sei, wenn sämtliche Rechtsmittel gegen die Entscheidung ausgeschöpft seien und ein Erstattungsanspruch (etwa aus ungerechtfertigter Bereicherung) gegen einen Dritten nicht bestehe, weil die Aufhebbarkeit der Entscheidung bzw. die Existenz eines solchen Anspruches das Interesse des Geschädigten minderten. Dies ergebe sich aus dem Interesse-Begriff, so GFR. WEBER, Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß VII (1834) 37 f.; hiergegen WINDSCHEID /KIPP (o. A. 957) – auch zu D. 11,6,2–3 sowie zu D. 19,2,60,2; Darstellung des Meinungsspektrums bei V. KÜBEL, Bestimmungen des Dresdener Entwurfs betreffend Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen, in SCHUBERT, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Recht der Schuldverhältnisse III 219 ff./974 ff. Aus dieser Lehre resultieren die heutigen Vorschriften über die Einschränkung der Amtshaftung in § 839 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 BGB. In den Zusammenhang mit der Frage nach der Bestimmung des Interesses paßt dagegen nicht der Hinweis von WEBER, a. a. O., 43 auf Paulus D. 50,17,15 (Qui actionem habet ad rem recuperandam, ipsam rem habere videtur). Dieser von den Kompilatoren zur Regel exzerpierte Satz betraf ursprünglich nicht die Ermittlung eines Schadens, sondern vermutlich die Frage, wie in einem Legat, in dem der Testator einige „seiner“ Sachen (z. B. „seine“ Sklaven) vermacht, das Possessivpronomen auszulegen ist, vgl. LENEL, Palingenesia I 1260 (Paulus Nr. 1673 mit A. 2 u. 3); DAUBE, SZ 76 (1959) 210.

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ten eigenen Terminologie annahm –, daß die römischen Juristen prinzipiell Regreßklagen von vermittelnden Klagen unterschieden hätten und die actio in factum gegen den mensor bewußt als eine Regreßklage ausgestalteten, sondern an den tatsächlichen Unterschieden der beiden Fälle: Dem Käufer oder Verkäufer wird es im allgemeinen zumutbar sein, seinen Vertragspartner, den er kennt und ausgewählt hat, in Anspruch zu nehmen, jedenfalls solange er nicht insolvent ist. Der Dieb der Kleidungsstücke ist dagegen in der Regel unbekannt, – und auch wenn er gefaßt werden sollte, wird seine Solvenz oft zweifelhaft sein. c) Wie aber wird prozessual die subsidiäre Haftung des Walkers erreicht im ersten Fall von D. 19,2,60,2 (o. S. 251), daß der Richter den Eigentümer auf die Vindikation (und die condictio furtiva) gegen den Dieb verweisen möchte? Denkbar erscheint zunächst, daß der Richter – im Rahmen des von der bona fides-Formel eröffneten Ermessensspielraums – den Walker zur Tragung der Kosten und des Ausfalls verurteilt. Dagegen spricht jedoch, daß der Text nur im zweiten Falle (sed si hoc tibi impossibile perspexerit) die Verurteilung erwähnt (tunc fullonem . . . tibi condemnabit) und diese Rechtsfolge mit den Worten sed si und tunc in einen deutlichen Gegensatz zum ersten Fall stellt. Auch kann der Richter die Höhe des Aufwandes – zumal wenn man wie hier einen eventuellen Ausfall dazuzählt – im Zeitpunkt des Prozesses gegen den Walker noch nicht abschließend beurteilen. Ferner ist die Annahme fernliegend, der Richter könne ohne ein entsprechendes Begehren des Walkers ihn auf die Kosten der Rechtsverfolgung durch den Eigentümer gegen den Dieb verurteilt haben; man wird doch dem Beklagten eine solche Haftungsbegrenzung nicht aufgedrängt haben.960 Vielmehr setzt eine solche Entscheidung zumindest voraus, daß der Walker den Eigentümer von sich aus auf die Möglichkeit der Klage gegen den Dieb hingewiesen und seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, lieber die Kosten (und das Risiko) der Rechtsverfolgung durch den Eigentümer auf sich nehmen zu wollen als die Verurteilung zum Sachwert. Als selbstverständlich zu unterstellen ist dieser Wille nicht: Denkbar ist auch, daß der Beklagte die Kosten der Rechtsverfolgung für geringer einschätzt, wenn er sie selbst vornimmt, und er es deswegen vorzieht, dem Klagebegehren gemäß den vollen Wert der Kleidung zu ersetzen 959 So die Terminologie von LEVY, Konkurrenz I (1928) 22 f. mit A. 5; vgl. DENS., Nachträge (1962) 71 mit A. 298; LEVY nennt vermittelnde Klagen solche, bei denen nur die tatsächlich erfolgte Leistung des Hauptschuldners angerechnet wird; bei den von ihm sogenannten Regreßklagen ist jedoch – im Rahmen der Ermittlung des vom Kläger geltend gemachten Interesses – bereits das zu berücksichtigen, was der Hauptschuldner wahrscheinlich wird leisten können. Als Beispiel für eine Regreßklage führt er die Klage gegen den mensor, der falsum modum dixerit an. Zustimmend zu dieser Unterscheidung MEDICUS in seiner Rezension der Nachträge zur Konkurrenz der Aktionen und Personen, SZ 80 (1963) 459, der in dem für unecht gehaltenen „Einschub“ in Labeo-Javolen D. 19,2,60,2 (iudicem-perspexerit) ein Beispiel dafür sieht, daß dem „schuldnerfreundlichen Billigkeitsdenken der Nachklassik“ die Regreßklagen besser gefallen hätten als die vermittelnden Klagen. 960 Vgl. OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 263 f.

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und selbst gegen den Dieb Regreß zu nehmen. Daher ist anzunehmen, daß der beklagte Walker in casu nicht nur die Tatsachenbehauptung vorgebracht hat, daß der solvente Dieb bekannt sei, sondern auch angeboten hat, lieber für den Aufwand der Rechtsverfolgung durch den Eigentümer aufkommen zu wollen. Dann aber wird der Richter ihn nicht noch dazu verurteilt haben, die Kosten zu tragen. Viel wahrscheinlicher ist, daß er nach Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Dieb dem Walker sodann anbietet, ihn von der actio ex locato freizusprechen, wenn er dem Kläger für die Kosten der Rechtsverfolgung und den Ausfall Sicherheit leistet.961 Die Klageabweisung rechtfertigt sich in diesem Fall daraus, daß nach Einschätzung des iudex der Eigentümer ex fide bona mehr als die Sicherheitsleistung zur Schadensbeseitigung nicht verlangen kann. Erklärt sich der Walker dagegen nicht zur Sicherheitsleistung bereit, wird der Richter ihn – wie im zweiten Fall, in dem er die Sicherheitsleistung wegen der vagen Erfolgsaussichten der Klage gegen den Dieb nicht für ausreichend zur Entschädigung des Eigentümers erachtet – trotz der anderweitigen Klagemöglichkeit des Eigentümers gegen die Zession dieser Klagen zum Sachwert verurteilt haben. Ein vergleichbares procedere962 ist bezeugt von Celsus-Ulpian in D. 13,6, 7pr.963: In diesem Fall hat einer von zwei Entleihern, denen die Sache gestohlen worden ist, den Dieb bereits mit der actio furti belangt und die Buße zu seinen 961 Anders WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts II (9. Aufl. 1906) § 470 A. 1 (S. 1050), die in D. 19,2,60,2 ein Beispiel für eine Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses für die Kosten des Rechtsstreits gegen eine Dritten sehen. 962 Die Parallele zogen ebenso schon OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 264 A. 1 und KNIEP, Gai Institutionum commentarius III (1917) 484. Vgl. dazu auch die Fälle der Klagenzession durch den Beklagten zur Abwendung einer weitergehenden Verurteilung (Gruppe III der Einteilung bei F. SCHULZ, SZ 27 [1906] 83 ff., 109 ff.), etwa Paulus D. 6,1,21 (Fall 1a, vgl. auch Fall 1b, dazu o. S. 73 ff., insbesondere S. 77 bei A. 247). 963 D. 13,6,7pr.: Unde quaeritur, si alter furti egerit, an ipse solus debeat commodati conveniri. et ait Celsus, si alter conveniatur qui furti non egit, et paratus sit periculo suo conveniri alterum, qui furti agendo lucrum sensit ex re commodata, debere eum audiri et absolvi. – Übersetzung von B/K/K/S [ZIMMERMANN]: „Daher fragt es sich, ob, wenn einer von beiden [sc. von zwei Entleihern, d. Verf.] die Diebstahlsklage erhoben hat, nur dieser selbst mit der Klage aus Leihe in Anspruch genommen werden darf. Dazu vertritt Celsus folgende Ansicht: Wenn der andere, der die Diebstahlsklage nicht erhoben hat, verklagt wird und sich [durch Sicherheitsleistung] bereit findet, daß derjenige, der durch Erhebung der Diebstahlsklage Vorteile aus der geliehenen Sache erlangt hat, auf seine Gefahr in Anspruch genommen wird, dann müsse man ihn hören und freisprechen.“ Dieser Text soll sich nach LENEL, Palingenesia II 583 (Ulpian Nr. 807) an D. 13,6,5,15 angeschlossen haben. Lit. ad h. l.: LEVY, Konkurrenz I (1918) 23 A. 1, S. 212 A. 1, S. 215 f., 393 f.; D. LIEBS, Klagenkonkurrenz (1972) 185 und aus neuerer Zeit CARDILLI, L’obbligazione di „praestare“ (1995) 448. Diese Annahme löst zugleich das von REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 101 A. 25 aufgeworfene Problem (vgl. o. A. 944), daß der Eigentümer wegen Klagenverbrauchs den Walker nicht mehr in Anspruch nehmen könne, wenn entgegen der Einschätzung des Richters die Klage gegen den Dieb keinen Erfolg hatte: Zwar ist die actio locati verbraucht; der Eigentümer kann aber aus der Sicherheitsleistung vorgehen.

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Gunsten eingetrieben. Nunmehr wird der andere Entleiher vom Eigentümer aus der Leihe verklagt. Hier soll nach Celsus der Beklagte freigesprochen werden, wenn er Sicherheit dafür leistet, daß der Verleiher auf seine Gefahr den anderen in Anspruch nehmen kann. Grund für die subsidiäre Haftung des beklagten Entleihers ist hier, daß der Mitschuldner aus dem zur Haftung verpflichtenden Umstand (dem Diebstahl) bereits in Form der Diebstahlsbuße, eines Mehrfachen des Sachwerts, Vorteile gezogen hat (und daher auch den Nachteil der unmittelbaren Haftung gegenüber dem Eigentümer tragen soll).

II. Gaius D. 19,2,25,8 Ebenfalls den Verlust von Kleidern durch den Walker behandelt: D. 19,2,25,8 (Gaius im 10. Buch ad edictum provinciale): Si fullo aut sarcinator vestimenta perdiderit eoque nomine domino satisfecerit, necesse est domino vindicationem eorum et condictionem cedere. Wenn ein Walker oder ein Flickschneider Kleidungsstücke verloren und deshalb den Eigentümer entschädigt hat, ist es für den Eigentümer unumgänglich, die auf sie gerichtete Vindikation und Kondiktion abzutreten.964

Dies ist eine der wenigen Quellen, in denen genau aufgeführt wird, welche Klagen abgetreten werden müssen: neben der rei vindicatio auch die condictio (furtiva).965 Prozessual ist hier die Besonderheit, daß der Walker bzw. Schneider dem Text zufolge schon Ersatz geleistet hat – wahrscheinlich ohne gerichtliches Verfahren966 –, ohne daß ihm die Klagen abgetreten wurden.967 Die von Gaius beschriebene Pflicht zur Abtretung kann daher jetzt nur durch K l a g e durchgesetzt werden, obwohl der Text dies nicht ausdrücklich sagt.968 Dabei wird Gaius an die actio conducti gedacht haben.969 Diese Klage, die normalerweise auf den Lohn des Werkunternehmers gerichtet ist, ist – wie die Gegenklage ex locato970 – eine bonae fidei Klage, sie geht also auf quidquid ob eam rem dare 964 Literatur: MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 410 sub 3; OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 262 f.; LEVY, SZ 42 (1921) 501; DERS., Nachträge (1962) 19; MAYER-MALY, Locatio conductio (1956) 209; REICHARD, Drittschadensersatz (2. Aufl. 1994) 100 f. 965 So einhellig OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 262; LEVY, Nachträge (1962) 19; SELB, FS Larenz (1973) 530. Da also auch hier ein Diebstahl anzunehmen ist, ist perdere wieder als „sich stehlen lassen“ zu verstehen, s. o. A. 910. Die actio furti ist deshalb nicht erwähnt, weil sie nach Gaius 3,205 ohnehin dem fullo bzw. sarcinator zusteht, s. o. S. 169 ff., 255. 966 Dafür entschieden LEVY, SZ 42 (1921) 501; DERS., Nachträge (1962) 19; anders OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 262 sub 2a („zum Schadensersatz verurteilt“). 967 Unrichtig daher MAYER-MALY, Locatio conductio (1956) 209. 968 Wie hier LEVY, SZ 42 (1921) 501 u. die Nachweise der folgenden A. 969 So auch OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 262; LEVY, Nachträge (1962) 19. 970 s. o. b. A. 925.

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facere oportet ex fide bona.971 Da die bona fides die Klagenabtretung fordert – und diese deshalb normalerweise schon im Verfahren ex locato des Bestellers gegen den Unternehmer auf Schadensersatz wegen der abhanden gekommenen Sachen vom Richter erzwungen wird –,972 kann sie auch nach der Abfindung des Bestellers noch Ziel der actio conducti sein. Daß das Klageziel bei dieser Klage so flexibel gehandhabt wurde, zeigt auch Ulpian D. 12,7,2,973 wonach mit ihr sogar der vom fullo geleistete Schadensersatz zurückverlangt werden kann, wenn der Eigentümer später die Kleidung wiederfindet.

III. Marcellus D. 42,1,12 Die Klagenabtretung in einer ähnlichen Verfahrenssituation und bei Haftung anderer vertraglicher Besitzer als des Werkunternehmers behandelt: D. 42,1,12 (Marcellus im 4. Buch der digesta): In depositi vel commodati iudicio, quamquam dolo adversarii res absit, condemnato succurri solet, ut ei actionibus suis dominus cedat. Im Verfahren über die Klage aus Leihe oder aus Verwahrung pflegt man, selbst wenn mit Absicht des Gegners die Sache verschwunden ist, dem Verurteilten so zu helfen, daß ihm der Eigentümer seine Klagen abtritt.

Ein Entleiher oder Verwahrer wurde vom Eigentümer974 mit der Vertragsklage in Anspruch genommen. Da die Sache jedoch abhanden gekommen ist, und zwar mit Vorsatz975 des vertraglichen Besitzers, wird dieser auf den Schätzwert verurteilt. Nach seiner Verurteilung kann er noch die Abtretung der Ansprüche des Eigentümers erzwingen.976 Die Abtretung wird hier in einem späten Verfahrensstadium durchgesetzt, nämlich nach der Verurteilung, wie aus dem Partizip Perfekt condemnato zu erschließen ist. Damit dürfte gemeint sein, 971

LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 290. s. o. S. 250 ff. zu Labeo-Javolen D. 19,2,60,2; dies ist ein Argument dafür, daß im von Gaius behandelten Fall eine außergerichtliche Zahlung stattgefunden hat. 973 Dazu u. S. 293. 974 Der Text setzt voraus, daß Kläger und Eigentümer identisch sind, vgl. GEORG TREITSCHKE in O/S/S Bd. IV (1832) ad h. l. (S. 349). 975 Der Depositar haftet nur bei Vorsatz, der Entleiher hätte dagegen schon für culpa und custodia einzustehen (KASER, RP I 535 bei A. 9, bzw. S. 533 bei A. 4); daher meint – mit gewisser Plausibilität – LEVY, SZ 42 (1921) 507 A. 9, quamquam passe nur für den Verwahrer, im Falle des Entleihers hätte es dagegen besser etiamsi heißen müssen. Ähnlich streicht HAUK, Das Recht des Ersatzpflichtigen (1929) 6 f. [vel commodati] – ferner auch [adversarii] –, der aber inkonsequenterweise auch [quamquam] durch ‹si› ersetzen will. 976 Der Text wurde zuweilen insgesamt der Interpolation verdächtigt. Sachlich stützen sich die Bedenken auf einen vermeintlichen Widerspruch zu Paulus D. 6,1,69 (zu diesem Text o. S. 82 ff.). Da auf das Verhältnis beider Fragmente aber in einem gesonderten Abschnitt (u. S. 320 ff.) eingegangen wird, wird die Interpolationskritik erst in diesem Zusammenhang (u. b. A. 1241) abgehandelt. 972

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daß dem Verurteilten im Verfahren über die actio iudicati eine exceptio (doli)977 gewährt wird, die bewirkt, daß er nur leisten muß, wenn der Kläger ihm die übrigen Klagen abtritt.978 Wenn dies als der übliche Weg zur Erzwingung der Klagenabtretung bezeichnet wird (solet), so könnte dies daran liegen, daß der aufgrund seines eigenen dolus haftende Beklagte weniger schutzwürdig ist und daher der Kläger sich seiner übrigen Klagemöglichkeiten erst entäußern soll,979 wenn er sich entschieden hat, gegen den vertraglich Haftenden auch zu vollstrecken.980

977 Vgl. Papinian D. 27,3,20,1; Ulpian D. 26,7,25; ferner Ulpian D. 27,3,1,18: Non tantum ante condemnationem, sed etiam post condemnationem desiderare tutor potest mandari sibi actiones adversus contutorem, pro quo condemnatus est. – „Nicht nur vor der Verurteilung, sondern auch nach der Verurteilung kann der Vormund verlangen, daß ihm die Klagen gegen den Mitvormund abgetreten werden, für den (sc. wegen dessen Fehlverhalten, vgl. dazu D. 27,3,1,13) er verurteilt worden ist.“ 978 So MEDICUS, SZ 81 (1964) 254; KASER /HACKL, RZ, 385 f. A. 20; dagegen läßt LEVY, SZ 42 (1921) 506 A. 6 offen, ob alternativ eine Durchsetzung mittels actio depositi/commodati contraria gemeint sei. Da hier – anders als in Gaius D. 19,2,25,8 (o. S. 265) und in Papinian D. 46,3,95,10 – noch keine Zahlung erfolgt ist, und wegen succurri solet ist dies jedoch weniger wahrscheinlich. 979 Wenn auch die Bestellung zum procurator oder cognitor in rem suam noch keine unmittelbare Entäußerung bewirkt, so entsteht doch immerhin die Gefahr des Verlusts durch vorzeitige Einklagung durch den Zessionar; auch wird die Zession stets unter Sicherheitsleistung geschehen sein, s. o. S. 109 ff. 980 Freilich spricht dagegen das non tantum . . . sed etiam in Ulpian D. 27,3,1,18 (o. A. 977). Anders daher MEDICUS, SZ 81 (1964) 253–255, der von einer Urteilsberichtigung, also einer Nachholung der im Erkenntnisverfahren unterbliebenen Klagenzession ausgeht. – Noch vereinbar mit der hier vertretenen Interpretation von Marcellus D. 42,1,12 ist dagegen der Umstand, daß nach Paulus D. 11,3,14,9 (dazu schon o. S. 122 ff.) die Klagenzession an den Beklagten im Rahmen der actio servi corrupti schon im Erkenntnisverfahren zu erfolgen hat, obwohl auch dort der Beklagte vorsätzlich gehandelt hat. Die Klagenzession muß in dem von Paulus behandelten Fall nämlich schon deswegen aus Verfahrensgründen bereits vor der Verurteilung stattfinden, weil nur mit der Zession der Kläger sein Wahlrecht zugunsten des „großen Schadensersatzes“ ausübt und dadurch erst die Grundlage für die Ermittlung der Verurteilungshöhe schafft. Die Urteilssumme muß der iudex aber bereits mit dem Urteil festsetzen (s. dazu schon o. A. 470). Wenn der Text sich ursprünglich nur auf das depositum bezogen hätte (vgl. die Verdächtigung von [vel commodati] o. A. 975), könnte der Umstand, daß nach Marcellus die Klagen üblicherweise nicht bereits vor der Verurteilung abgetreten werden, auch in dem Verbot der Kompensation beim depositum seine Erklärung finden. Doch ist auch dessen Klassizität umstritten (vgl. dazu PS 2,12,12: In causa depositi compensationi locus non est, sed res ipsa reddenda est auf der einen, Inst. 4,6,30 a. E.; C. 4,31,14,1 a. E.; C. 4,34,11 [a. 529] auf der anderen Seite sowie neben der bei KASER, RP I 535 A. 13, DERS., RP II 372 A. 35 f. angeführten Literatur KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte II 1. Teil (1901) 1312; WUBBE, TR 35 (1967) 516 f. A. 43; KASER, Ius gentium [1993] 123 f.), so daß diese Frage hier dahinstehen muß. Auch als Begründung für das Kompensationsverbot kommt jedenfalls in Betracht, daß der dolus des (allein für Vorsatz haftenden) Depositars sanktioniert werden sollte.

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IV. Zusammenfassung zur Klagenzession bei vertraglicher Haftung Wenn jemandem aufgrund eines Vertrages (insbesondere eines Werk-, Leihoder Verwahrungsvertrages) eine Sache auf Zeit übergeben worden ist, er diese Sache (etwa durch einen Diebstahl) verloren hat und dem Eigentümer wegen dieses Verlustes haftet, so kann er nach klassischem Recht verlangen, daß ihm der Eigentümer gegen Zahlung des Wertes die sachverfolgenden Klagen wegen dieser Sache (in der Regel also die rei vindicatio, bei Diebstahl auch die condictio furtiva)981 abtrete. Wenn aber bei Inanspruchnahme des haftenden Vertragspartners der neue Besitzer (namentlich der Dieb) bereits gefunden worden ist, kann der Eigentümer sogar darauf verwiesen werden, selber gegen den jetzigen Besitzer (den Dieb) vorzugehen: Der Richter spricht hier den beklagten Vertragspartner frei, wenn dieser für die Kosten der Rechtsverfolgung gegen den Dieb (und wohl auch für einen eventuellen Ausfall) dem klagenden Eigentümer Sicherheit leistet (Labeo D. 19,2,60,2 Fall 1). Die Zession wird typischerweise im Verfahren über die Haftung des Detentors durch den Richter erzwungen, indem er diesen nur dann zum vollen Sachwert verurteilt, wenn ihm der Eigentümer die Klagen zediert (Labeo D. 19,2,60,2 Fall 2). Hat der Detentor jedoch den Sachverlust vorsätzlich herbeigeführt, so war es wahrscheinlich üblich, daß der Eigentümer noch nicht im Erkenntnisverfahren, sondern erst im Vollstreckungsverfahren über die actio iudicati mittels einer dem Verurteilten gewährten exceptio doli zur Zession angehalten wurde; hier empfand man vermutlich den Haftenden als weniger schutzwürdig (Marcellus D. 42,1,12). Wenn der Haftende schließlich (etwa freiwillig) gezahlt hat, ohne daß eine Zession erfolgt ist, kann er die Zession zuweilen auch noch nach der Zahlung mittels der ihm zustehenden Vertragsklage erreichen, zumindest wenn sie ein bonae fidei iudicium ist (Gaius D. 19,2,25,8).

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner Nach geltendem deutschen Recht ist – wie oben982 dargestellt wurde – die Frage umstritten, ob der Schadensersatzschuldner, dem die Forderungen auf Herausgabe der verlorenen Sache nach § 255 BGB abgetreten werden, das Ei981 Wahrscheinlich aber gegebenenfalls auch Schadensersatzklagen wie die actio legis Aquiliae, obwohl es zu dem Fall einer Sachbeschädigung durch einen Dritten nach Besitzverlust keine Quelle gibt; immerhin ordnet aber Ulpian D. 13,6,7,1 (s. o. A. 224, 929) die Abtretung der actio legis Aquiliae bei der Haftung des Entleihers für eine Sachbeschädigung durch einen Mitentleiher an. 982 s. o. S. 48 ff.

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gentum erhält. Die Annahme, das Eigentum gehe durch die Abtretung über, ist im geltenden deutschen Recht möglich, obwohl das deutsche Recht zur Übereignung einer beweglichen Sache nach § 929 S. 1 BGB grundsätzlich neben der Einigung der Beteiligten auch die Übergabe der Sache verlangt. Denn nach § 931 BGB kann die zur Übereignung erforderliche Übergabe durch die Abtretung des Herausgabeanspruches ersetzt werden.983 Auch das klassische römische Recht verlangte – bei res nec mancipi – zur Übereignung eine traditio, und zwar ex iusta causa.984 Anders als im geltenden Recht konnte aber die traditio nicht durch die Abtretung des Herausgabeanspruches ersetzt werden.985 Diese Vorstellung war den römischen Juristen wohl schon deswegen fremd, weil der Zedent bei der Bestellung des Zessionars zum cognitor oder procurator in rem suam die Rechtsinhaberschaft behielt. Die Abtretung des Herausgabeanspruches kann im klassischen Recht – für sich genommen – also die Übereignung der Sache nicht zur Folge haben. Dennoch stellt sich auch für das römische Recht die Frage, wie es sich auf die sachenrechtliche Zuordnung einer Sache auswirkt, wenn der Eigentümer für sie in Geld entschädigt wird. Die Frage ist hier sogar von noch größerer Relevanz, weil das römische Prozeßrecht – nach ganz herrschender Lehre auch bei Klagen auf Herausgabe einer Sache986 – keine Realvollstreckung kennt, sondern dem Prinzip der Geldkondemnation folgt. Daher muß das römische Recht schon für den Fall eine Lösung finden, daß der Beklagte, der die Sache noch herausgeben könnte, es vorzieht, sich zur Zahlung einer Geldsumme verurteilen zu lassen und diese zu zahlen.987 Dieser Fall ist für das römische Recht als der 983 Zur Möglichkeit der Übereignung durch schlichte Einigung, falls außer der Vindikation kein Herausgabeanspruch existiert, s. überdies schon o. A. 125. 984 KASER, RP I 416 f.; KUNKEL /MAYER-MALY, Römisches Recht (4. Aufl. 1987) 156 ff. 985 Vgl. A. WACKE, Das Besitzkonstitut als Übergabesurrogat in Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik (1974) 5 A. 14. Die einschlägigen Lehrbücher (etwa KASER, RP I 391 A. 15, S. 393 f.; KUNKEL /MAYER-MALY, Römisches Recht [4. Aufl. 1987] 139 f.) stellen als Fälle vereinfachter Übergabe nur die brevi oder die longa manu traditio sowie das constitutum possessorium dar, ohne überhaupt auf die Frage einzugehen, wie eine Sache zu übereignen ist, die sich in der possessio oder in der Detention eines Dritten befindet. 986 In bezug auf Sachherausgabeklagen lehnt DÜLL, Über Textkonjekturen zu Gaius Veronensis und zur Frage der Zwangsenteignung im römischen Formularprozeß, SZ 96 (1979) 290 ff. diese sonst einhellig angenommenen These ab und meint, schon im römischen Prozeßrecht habe der obsiegende Kläger die Sachherausgabe vollstrecken können und sei nicht auf die Vollstreckung der litis aestimatio angewiesen gewesen; gegen ihn BLANK, Condemnatio und Sachzugriff, SZ 99 (1982) 303 ff.; vgl. ferner PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 250 f. Für die herrschende Lehre sei außerdem auf KASER /HACKL, RZ, 338 mit A. 21 sowie S. 372 mit Nw. in A. 20 verwiesen. 987 Im Recht des BGB vor der Schuldrechtsmodernisierung konnte es zu einer vergleichbaren Konstellation kommen, wenn der Gläubiger eines titulierten Herausgabeanspruches, statt ihn zu vollstrecken, nach § 283 BGB die Naturalerfüllung ablehnt

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Ausgangspunkt zu sehen, von dem aus auch die Fälle zu beurteilen sind, in denen der Beklagte unter Haftungsgesichtpunkten zur Entschädigung verurteilt wird, obwohl er zur Leistung der Sache in Natur nicht in der Lage ist. Obwohl also die Frage des Eigentumsüberganges bei Zahlung des Streitwertes trotz Möglichkeit der Sachrestitution eigentlich nicht in den Zusammenhang mit der Klagenzession im Falle des Sachverlusts gehört, ist sie dennoch hier (unter 1.) im Überblick kurz als Grundlage zur Bewertung der Frage (2.) darzustellen, ob (und unter welchen weiteren Umständen) das Eigentum übergeht, wenn der Beklagte wegen Sachverlusts haftet und ihm die Klagen eius rei nomine abgetreten werden.

I. Der Eigentumsübergang im Falle des reus contumax Unter welchen Umständen der auf Sachherausgabe belangte Beklagte, der die Sache noch im Besitz hat, es aber vorzieht, sich auf einen Geldbetrag verurteilen zu lassen, nach klassischem Recht das Eigentum an der Sache erwirbt, ist seit langem heftig umstritten. Streitig ist vor allem, welche Art von Eigentum der Beklagte aufgrund seiner Wahl erwirbt, die litis aestimatio zu zahlen. Unstreitig dürfte allerdings sein, daß der Beklagte allenfalls bonitarisches Eigentum erwerben kann, wenn der Kläger seinerseits nur honorarrechtlich Eigentümer war; war dieser dagegen weder bonitarischer noch ziviler Eigentümer, kann der Beklagte nur den Ersitzungsbesitz an der Sache erlangen, der sich gegenüber dem zivilen Eigentümer nicht durchzusetzen vermag.988 Umstritten ist aber die Art der Rechtsposition, die der Beklagte erlangt, wenn der Kläger quiritischer Eigentümer war. Im wesentlichen werden hierzu folgende Positionen vertreten:989 Nach der traditionellen (schon gemeinrechtlichen) Auffassung erwirbt der Beklagte stets das quiritische Eigentum, wenn der Kläger ziviler Eigentümer

und Schadensersatz verlangt. Hier konnte der Schuldner nach der herrschenden Meinung nach dem Vorbild des § 255 BGB (!) verlangen, daß ihm der Gläubiger die Sache übereignet (vgl. hierzu nur MünchKomm-EMMERICH, [4. Aufl. 2001, Band II] § 283 BGB Rz. 9 m.w. N.; ERMAN-BATTES [10. Aufl. 2000] § 283 a. F. BGB Rz. 3). Anders als im römischen Recht, in dem der Beklagte den Gläubiger auf die Vollstrekkung der Geldsumme verweisen konnte, lag hier aber die Wahlmöglichkeit beim Gläubiger. Umgekehrt ist auch der Weg zur Lösung: Während im römischen Recht der reus contumax als Ausgangspunkt anzusehen sein dürfte für die Lösung des Falles, daß der Schuldner dem Gläubiger für sein Unvermögen zur Naturalleistung haftet, bildet im bisherigen deutschen Recht die zu § 255 BGB von der herrschenden Meinung entwickelte Lösung den Ausgangspunkt für die Beantwortung der Eigentumsfrage bei einem Vorgehen des Gläubigers nach § 283 BGB. 988 Vgl. statt aller nur KASER, RP I 437. 989 Vgl. hierzu die kurze Meinungsübersicht bei STURM, Stipulatio Aquiliana (1972) 354 f. Offen bleibt die Frage bei WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 113 ff.

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war. Dies gelte sogar bei res mancipi, obwohl es hier an einer mancipatio oder in iure cessio fehle, wie sie bei normaler rechtsgeschäftlicher Übereignung dieser Sachen notwendig wäre.990 Nach der moderneren Gegenauffassung erwirbt der Beklagte dagegen nur prätorisches Eigentum an der Sache. Er wird also Dritten gegenüber mit der actio Publiciana und gegen den Eigentümer mit einer exceptio bzw. replicatio rei venditae et traditae geschützt.991 Ähnlich ist die Auffassung von LEVY,992 dem zufolge der Beklagte nur eine actio q u a s i Publiciana und eine exceptio bzw. replicatio rei q u a s i venditae et traditae und damit im Wege der Analogie eine Position erhält, die dem prätorischen Eigentum gleicht. Streitig ist innerhalb dieser Ansicht ferner, ob der Beklagte auch dann bonitarisches (oder quasi-bonitarisches) Eigentum erwirbt, wenn er mit der condictio (insbesondere furtiva) in Anspruch genommen wurde.993 Zwischen diesen beiden Grundpositionen (Erwerb des zivilen oder des bonitarischen Eigentums) gibt es vermittelnde Ansichten, denen zufolge in manchen Fällen der Beklagte ziviles Eigentum, in anderen nur prätorisches Eigentum erhält: So hält KASER994 in seinem Lehrbuch es für möglich, daß bei res nec mancipi das zivile Eigentum übergeht und es nur bei res mancipi beim honorar990 Vgl. etwa FABER, Rationalia in pandectas II Teil 1 (Lugduni 1659) 409 f. zu Paulus D. 6,1,46; S. 425 zu Papinian D. 6,1,63 (zu FABER s. noch u. A. 1101); DERNBURG, System des Römischen Rechts I (= Pandekten, 8. Aufl. 1911) § 187 (S. 384); DE FRANCISCI, Il trasferimento della proprietà (1924) 135 mit A. 1; wohl auch schon CUJAZ (s. die Zitate u. A. 1163); vgl. zur älteren Literatur im übrigen die zahlreichen Nachweise bei CARRELLI, L’acquisto (1934) 1 A. 1. Im Ergebnis ebenso noch PEROZZI, Istituzioni di diritto romano (1928) 725 mit A. 2, der den Übergang des Eigentums mit dem öffentlichrechtlichen Charakter des prozeßrechtlichen Vorganges erklärt. 991 CARRELLI, L’acquisto (1934) 8 ff.; vgl. ferner (beiläufig) MITTEIS, SZ 33 (1912) 206. Zu den Vertretern dieser Ansicht ist auch PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 306 ff. zu zählen, der davon ausgeht, daß der Verurteilte gegen Dritte nur eine actio Publiciana erhält und eine exceptio gegen den Kläger. Etwas verwirrend ist allerdings die Äußerung von PENNITZ, a. a. O., 314 zu Paulus D. 6,1,46, daß Paulus hier „unter bestimmten Voraussetzungen“ (gemeint ist wohl, daß der Kläger wirklicher Eigentümer ist) „über dieses Konzept“ hinausgehe und dem Verurteilten prätorisches Eigentum verleihe. Der Schutz des prätorischen Eigentums besteht aber in nichts anderem als der actio Publiciana gegen Dritte und der exceptio rei venditae et traditae gegen den Eigentümer (vgl. nur KASER, RP I 403). Selbstverständlich ist allerdings, daß der Beklagte, wenn der Kläger nicht der wahre Eigentümer war, diesem gegenüber nicht mit einer exceptio geschützt ist und daher allenfalls den Ersitzungsbesitz erlangen kann. Wenn dies von Pennitz gemeint sein sollte, ist allerdings nicht ersichtlich, worin die angebliche Neuerung oder Erweiterung des Paulus liegen soll. 992 LEVY, SZ 42 (1921) 481 ff. 993 LEVY, SZ 42 (1921) 488 ff. nimmt die condictio furtiva von dieser Regel aus; er erklärt dies damit, daß die condictio generell das iusiurandum in litem nicht zulasse; ebenso CARRELLI, L’acquisto (1934) 40 f., 24 ff., 32, 37 f. A. 70; vorsichtiger („immerhin wahrscheinlich“) EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 140; abweichend für einen Eigentumserwerb auch bei Inanspruchnahme aus der condictio furtiva PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 308 f.; vgl. hierzu noch u. A. 1012 sowie S. 281 ff.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

rechtlichen Eigentum des Verurteilten sein Bewenden hat. EHRHARDT995 vermutet dagegen, daß nur dann das zivile Eigentum übergeht, wenn der Streitwert nach dem iusiurandum in litem des Klägers ermittelt worden ist, dagegen das prätorische Eigentum, wenn der iudex die Schätzung des wahren Sachwertes vorgenommen hat. ARANGIO-RUIZ996 zufolge erwirbt der Beklagte quiritisches Eigentum, wenn er in einem iudicium legitimum in Anspruch genommen worden ist, dagegen nur prätorisches Eigentum, wenn es sich um ein iudicium imperio continens handelte. Schließlich wird selten auch die Ansicht vertreten, daß der zur Leistung der Sache fähige, aber nicht bereite Schuldner wegen seines Widerstandes gegen den richterlichen Restitutionsbefehl keine dingliche Position an der Sache erlange.997 Für eine kurze Stellungnahme zu diesem Streit ist hier nur auf die wichtigsten Argumente einzugehen. Von einem Eigentumsübergang spricht in diesem Zusammenhang explizit: D. 6,1,46 (Paulus im 10.998 Buch ad Sabinum): Eius rei, quae per in rem actionem petita tanti aestimata est, quanti in litem actor iuraverit, dominium statim ad possessorem pertinet: transegisse enim cum eo et decidisse videor eo pretio, quod ipse constituit. Das Eigentum an einer Sache, die mit einer dinglichen Klage herausverlangt und auf soviel geschätzt wurde, auf wieviel der Kläger den Streitwert beschworen hat, geht sofort auf den Besitzer über. Ich habe nämlich dadurch (als Beklagter) den Streit beigelegt und bin mit ihm (dem Kläger) darüber zu einem Preise einig geworden, den er selbst bestimmt hat.

Eine Sache wurde mit einer dinglichen Klage von dem Besitzer herausverlangt. Der Beklagte weigerte sich, die Sache herauszugeben. Deswegen sollte er zur Zahlung des Sachwertes verurteilt werden. Zu diesem Zweck wurde der Streitwert geschätzt. Dazu ermittelte allerdings der iudex nicht den wahren Wert der Sache, sondern richtete sich nach dem Betrag, den der Kläger in Ausübung seines iusiurandum in litem999 angab und beschwor. Paulus beschreibt als Rechts994 KASER, RP I 437 A. 54; ähnlich MARRONE, L’efficacia pregiudiziale (= APal. 24 [1955]) 560 A. 126. KASER /HACKL, RZ, 378 A. 23 betonen aber, daß möglicherweise der Verurteilte stets nur bonitarisches Eigentum erwerbe. 995 EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 162 ff., 172. 996 ARANGIO-RUIZ, Istituzioni di diritto romano (14. Aufl. 1960) 187. 997 So V. SAVIGNY, System des heutigen Römischen Rechts V (1841) 122 mit A. c; auch APPLETON, Histoire I 299–301, der von STURM (o. A. 989) zu Unrecht für die Ansicht herangezogen wird, der Beklagte erlange stets prätorisches Eigentum. 998 Richtig im 13. Buch (?); s. MOMMSEN /KRÜGER, B/K/K/S ad h. l. 999 Anders APPLETON (o. A. 997), der eine Zwangsenteignung im Falle des reus contumax ablehnt und annimmt, in diesem Fragment habe der Beklagte dem Kläger den Eid deferiert. – Zur delatio iusiurandi vgl. KASER /HACKL, RZ, 267 f.

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folge dieser Streitwertfestsetzung, daß das Eigentum an der Sache unmittelbar auf den beklagten Besitzer übergehe. Zur Begründung führt er aus, daß Kläger und Beklagter sich in einer Art Vergleich auf einen Preis geeinigt hätten, den der Kläger habe bestimmen können.1000 In dem von Paulus behandelten Fall geht es offenbar um einen Beklagten, der die Sache noch besitzt,1001 sie aber nicht dem Eigentümer herausgeben möchte. Dafür spricht die Bezeichnung als possessor. Aber auch das von Paulus vorausgesetzte iusiurandum in litem des Klägers ist ein Indiz für den fortwährenden Besitz des Beklagten, der somit reus contumax ist, d. h. der richterlichen Restitutionsaufforderung vorsätzlich nicht nachkommt, obwohl er es könnte. Das Recht zur Beschwörung des Streitwertes ermöglicht es dem Kläger, einen weit über dem tatsächlichen Wert der Sache liegenden Streitwert anzugeben, um so einen mittelbaren Zwang auf den Beklagten auszuüben, die Sache herauszugeben.1002 Dieses Recht hat der Kläger aber vor allem dann, wenn dem Beklagten die Herausgabe in Natur noch möglich war. Zwar steht der Schätzungseid dem Kläger auch zu, wenn der Beklagte sich die Herausgabe der Sache vorsätzlich unmöglich gemacht hat;1003 doch für diese Annahme spricht in dem von Paulus behandelten Fall nichts. Dieser Text, der als einer von wenigen unmittelbar vom Eigentumsübergang auf den Beklagten spricht, ist die Hauptstütze für diejenigen Auffassungen, denen zufolge der Beklagte aufgrund der litis aestimatio das zivile Eigentum erwirbt.1004 Doch ist er kein eindeutiger Beweis für den Übergang quiritischen Eigentums: Das Wort dominium kann – jedenfalls im Munde des Spätklassikers Paulus – sowohl das zivile als auch das prätorische Eigentum meinen.1005 Für die Interpretation, daß es sich um quiritisches Eigentum handelt, ließe sich zwar anführen, daß Paulus mit statim den sofortigen Eigentumswechsel betone und damit einen Gegensatz aufstellen wollte zum prätorischen Eigentum, das erst 1000 Der Wechsel im letzten Satz des Fragments in der Bezeichnung des Besitzers von der dritten zur ersten Person spricht für eine Kürzung des Textes, aber nicht gegen seine Klassizität; ebenso LEVY, SZ 42 (1921) 488 A. 2. 1001 Vgl. statt aller WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 113 f. Auch die kompilatorische Verknüpfung mit D. 6,1,47 bestätigt diese Annahme. 1002 Vgl. Ulpian D. 6,1,68 a. E., und zum iusiurandum in litem allgemein KASER / HACKL, 339 f. m. w. Nw. in A. 35. 1003 Vgl. wiederum Ulpian D. 6,1,68 a. E. 1004 Deutlich etwa bei SIBER, Passivlegitimation (1907) 139 ff.; vgl. die Darstellung der traditionellen Auffassung bei CARRELLI, L’acquisto (1934) 4. Zwei weitere Quellen, die für diese Lehre allenfalls noch in Anspruch genommen werden könnten, folgen im Text. 1005 Vgl. den Begriff des duplex dominium etwa bei Gaius, Inst. I 54 und II 40. In anderem Zusammenhang s. auch P. WEIMAR, Zum Eigentumsübergang beim Pfandverkauf im klassischen römischen Recht, Mélanges Wubbe (1993) 551 (insbes. S. 556 f.).

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

nach Ablauf der Ersitzungszeit zum Erwerb des zivilen Eigentums führt. Doch ist nicht sicher, daß Paulus auf diesen Gegensatz hinweisen wollte: Nach der kompilatorischen Verbindung mit dem folgenden Fragment geht es vielmehr darum, ob die Sache – wie im fr. 46 praesens – oder absens est: Paulus D. 6,1,47 (im 17. Buch ad Plautium): Haec si res praesens sit: si absens, tunc cum possessionem eius [possessor]1006 nactus sit ex voluntate actoris: et ideo non est alienum non aliter litem aestimari a iudice, quam si caverit actor, quod per se non fiat possessionem eius rei non traditum fieri. Das gilt, wenn die Sache gegenwärtig ist; wenn sie nicht gegenwärtig ist, [gilt es erst] dann, wenn der [frühere] Besitzer ihren Besitz mit dem Willen des Klägers erlangt hat: Und daher ist es nicht unangemessen, daß der Streitgegenstand vom Richter nur geschätzt wird, wenn der Kläger dafür Sicherheit geleistet hat, daß es nicht durch ihn geschehe, wenn der Besitz dieser Sache nicht übergeben werde.1007

In fr. 47 behandelt derselbe Paulus den Fall, daß der Beklagte im Herausgabeprozeß die Sache nicht vor Gericht bringen kann, weil sie absens – abhanden gekommen oder jedenfalls unerreichbar – ist. Hier muß nach Paulus der Kläger, bevor der Richter den Streitwert schätzt – die Haftung des Beklagten trotz absentia der Sache wird also vorausgesetzt –, dafür Sicherheit leisten, daß er künftig die Besitzergreifung durch den Beklagten nicht verhindern werde. Nämlich erst dann wird nach Paulus der Verurteilte Eigentümer, wenn er den Besitz mit dem Willen des Klägers wieder ergreifen werde. Wenn der kompilatorischen Verknüpfung beider Fragmente schon für das klassische Recht zu trauen ist, bedeutet statim im voranstehenden Fragment also einen Gegensatz nicht zum Erwerb des zivilen Eigentums durch Ersitzung, für den zunächst die Ersitzungsfrist vollendet sein muß, sondern den Gegensatz zum Eigentumserwerb bei absentia der Sache; bei absentia bedarf es nämlich zur Vollendung des Eigentumserwerbs auf Seiten des Beklagten noch der erneuten Besitzergreifung durch diesen.1008 Der Paulus-Text D. 6,1,46 ist somit kein (eindeutiger) Beleg für den Erwerb zivilen Eigentums im Falle der contumacia. Schon dieser Text widerlegt andererseits die Ansicht, der reus contumax erlange überhaupt keine dingliche Position an der Sache. Fraglich erscheint nun, ob für den Erwerb einer solchen Position es erforderlich ist, daß der Beklagte mit einer in rem actio belangt worden ist, wie Paulus es für den von ihm geschilderten Fall berichtet. Doch erwähnen

1006 LEVY, SZ 42 (1921) 497 A. 2 streicht wohl mit Recht das unlogische Subjekt possessor. Es dürfte den Kompilatoren zuzuschreiben sein, die um einen eindeutigen Anschluß an D. 6,1,46 bemüht waren. 1007 LENEL, Palingenesia I 1177 mit A. 4 (Paulus Nr. 1241) weiß das Fragment nicht einzuordnen, vermutet aber einen Zusammenhang mit der condictio furtiva. 1008 Zur weiteren Exegese von D. 6,1,46 und 47 s. u. S. 289 ff.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 275

andere Fragmente – ohne explizit das Wort dominium zu verwenden – den Eigentumsübergang auch bei der Inanspruchnahme aus Vertragsklagen: Ulpian D. 13,6,5,1 (im 28. Buch ad edictum): Si quis hac actione egerit et oblatam litis aestimationem susceperit, rem offerentis facit. Wenn jemand diese Klage erhebt und den angebotenen Schätzwert des Streitgegenstandes annimmt, macht er die Sache zu einer solchen des Anbietenden.

Bei der von Ulpian hier erwähnten Klage handelt es sich, wie sich aus dem Digestentitel, der Palingenesie1009 und dem Zusammenhang mit den anderen Paragraphen desselben Fragmentes ergibt, um die actio commodati. In einer komplizierteren Fallkonstellation begegnet uns der Eigentumsübergang auf den Schuldner einer Vertragsklage schon bei Neraz: Neraz D. 16,3,30 (im ersten Buch der responsa): Si fideiussor pro te apud quem depositum est litis aestimatione damnatus sit, rem tuam fieri. Wenn für dich, bei dem (eine Sache) hinterlegt worden ist, ein Bürge zur Zahlung des Schätzwertes verurteilt worden ist, werde die Sache die deinige.1010

Hier ist eine Sache beim Hauptschuldner (Tu) hinterlegt worden. Für die Rückgabepflicht des Tu hat sich ein Dritter verbürgt. Diesen nimmt der Depositar in Anspruch. Der Bürge wird – anstelle des Hauptschuldners – zur Zahlung des Schätzwertes verurteilt. Nach dem Rechtsgutachten des Neraz wird der Depositar Eigentümer. Die Drittwirkung der Zahlung des Bürgen kann hier nicht erörtert werden. Es genügt in unserem Zusammenhang die Schlußfolgerung, daß erst recht durch eine eigene Zahlung im Rahmen der actio depositi der Depositar Eigentümer werden muß (falls die Sache dem Deponenten gehörte). Auch mit diesen beiden Texten läßt sich ein Erwerb zivilen Eigentums durch den Schuldner nicht mit Sicherheit nachweisen. Denn auch die Formulierungen rem offerentis bzw. rem tuam können auf bloß bonitarisches Eigentum hinweisen.1011 Andererseits zeigen diese Quellen aber, daß der Eigentumserwerb nicht nur auf den Fall der Erhebung einer dinglichen Klage beschränkt ist, sondern auch bei Vertragsklagen stattfindet.1012 1009

LENEL, Palingenesia II 580 (Ulpian Nr. 801): Ad formulas unter Commodati vel

contra. 1010 Die Responsen des Neraz sind fast durchgehend im acc. c. i. überliefert, in wenigen Fragmenten ist noch als Hauptsatz respondit erhalten, vgl. LENEL, Palingenesia II 775 f. (Neraz Nr. 77, 83; vgl. aber auch placet in Nr. 85). 1011 Ebenso CARRELLI, L’acquisto (1934) 35 mit A. 65; LEVY, SZ 42 (1921) 481, 484 A. 1 m. w. Quellennachweisen. 1012 Mit LEVY, SZ 42 (1921) 488 ff. ist daher zu vermuten, daß Paulus D. 6,1,46 mit per in rem actionem nicht einen Gegensatz zu allen obligatorischen Herausgabeansprüchen, sondern allenfalls zum Kondiktionsverfahren andeuten wollte; s. dazu schon o. A. 993 und noch u. S. 281 ff.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Andere Quellen sprechen aber eindeutig für einen Erwerb des bonitarischen Eigentums. An erster Stelle ist hier anzuführen: D. 25,2,22pr. (Julian im 19. Buch seiner Digesten): Si propter res amotas egero cum muliere et lis aestimata sit, an actio ei danda est, si amiserit possessionem? movet me, quia dolo adquisiit possessionem. respondi: qui litis aestimationem suffert, emptoris loco habendus est. ideo si mulier, cum qua rerum amotarum actum est, aestimationem litis praestiterit, adversus vindicantem maritum vel heredem mariti exceptionem habet et, si amiserit possessionem, in rem actio ei danda est. Wenn ich wegen entwendeter Sachen gegen die Ehefrau klage und der Streitwert geschätzt ist, ob ihr eine Klage zu gewähren ist, wenn sie den Besitz verliert? Hieran erweckt meine Bedenken, daß sie den Besitz vorsätzlich erworben hat. Ich habe das Gutachten erteilt: Wer den geschätzten Streitwert leistet, ist wie ein Käufer anzusehen. Daher hat die Ehefrau, gegen die (mit der Klage) wegen entwendeter Sachen geklagt worden ist, wenn sie den geschätzten Streitwert geleistet hat, gegen den vindizierenden Ehemann oder Erben des Ehemanns eine Einrede, und ihr ist, wenn sie den Besitz verloren hat, eine dingliche Klage zu gewähren.

Eine Ehefrau entwendete ihrem Manne anläßlich der Scheidung einige Sachen. Vom Manne mit der actio rerum amotarum verklagt, wurde sie zum Schätzwert verurteilt.1013 Sodann verlor sie aber den Besitz der entwendeten Sachen.1014 Julian gewährt ihr eine dingliche Klage auf Herausgabe gegen den jetzigen Besitzer, obwohl sie selbst den Besitz dolos erlangt hatte.1015 Zur Begründung dieser Klage führt Julian an, daß derjenige, der die litis aestimatio bezahlt, wie ein Käufer zu behandeln sei. Neben der dinglichen Klage gegen jeden Dritten, der die Sache besitzt, wird ihr Schutz gegen den vindizierenden Ehemann (bzw. dessen Erben) durch eine Einrede gewährt. Eindeutig erhält die Ehefrau hier eine dingliche Klage gegen jeden dritten Besitzer, obwohl der Ehemann ziviler Eigentümer bleibt:1016 Nach wie vor ist der Ehemann – und nicht die Frau – zur Erhebung der rei vindicatio befugt; die 1013 Hierzu und zur älteren Literatur ad h. l. A. WACKE, Actio rerum amotarum (1963) 119 f. 1014 Der Zeitpunkt ist hier nicht ganz klar: Die Ehefrau dürfte den Besitz wohl frühestens nach Schätzung des Streitwerts im Prozeß (si . . . lis aestimata sit) mit dem Ehemann verloren haben, vielleicht sogar erst nach der Zahlung aufgrund des Urteils (qui litis aestimationem suffert . . .); vgl. LEVY, SZ 42 (1921) 499 A. 1 m.w. N.: erst nach Verurteilung. Zu ergänzen ist: Si ‹postea› amiserit possessionem. 1015 Irrig PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 307 f., der davon ausgeht, die Frau habe den Besitz noch vor der Leistung der litis aestimatio dolos verloren – und dies sei das Motiv des Fragestellers, an der Zuerkennung einer actio zugunsten der Frau zu zweifeln. Das steht nicht im Text. Er bildet daher – entgegen PENNITZ, a. a. O. – auch keine Parallele zu dem Fall des dolosen Besitzverlusts im Rahmen der rei vindicatio, in dem dem Beklagten ein Recht auf Klagenzession verweigert wird (Paulus D. 6,1,69 und Papinian D. 6,1,63). Daß die Klagenzession hier (in D. 25,2,22pr.) nicht erwähnt wird, dürfte vielmehr daran liegen, daß die Frau im Zeitpunkt der Entscheidung noch im Besitz der Sache war (vgl. o. A. 1014).

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Vindikation wird nicht wegen fehlender Aktivlegitimation, sondern nur aufgrund einer exceptio abgewiesen. Aufgrund der Gleichstellung der Streitwertzahlung mit einem Kauf ist zu vermuten, daß es sich um die exceptio (zumindest quasi) rei venditae et traditae handelt.1017 Julian scheint die Gewährung der exceptio aus der Analogie zum Kauf leichter zu fallen als die Zuerkennung einer eigenen actio in rem, da er eine Einrede erwähnt, obwohl die Ausgangsfrage die nach einer Klage der Frau ist. Und in der Tat ist leicht einzusehen, daß der Ehemann den Betrag nicht zweimal bekommen soll. Aus der Gewährung der Einrede aber den Schluß zu ziehen, daß die Sache wie eine verkaufte anzusehen sei und die Ehefrau darum eine eigene dingliche Klage haben müsse, ist schon ein mutigerer Schritt. Schon aufgrund der Gleichstellung der Streitwertzahlung mit einem Kauf ist zu vermuten, daß es sich bei der dinglichen Klage, die nicht die rei vindicatio ist, um die actio Publiciana handelt. Und an anderer Stelle ist uns diese tatsächlich namentlich überliefert: D. 6,2,7,1 (Ulpian im 16. Buch ad edictum): Si lis fuerit aestimata, similis est venditioni: et ait Iulianus libro vicensimo secundo digestorum,1018 si optulit reus aestimationem litis, Publicianam competere. Wenn der Streitwert geschätzt wurde, ist dies ähnlich einem Verkauf: Auch Julian sagte im 22. Buch seiner Digesten, wenn der Schuldner den Schätzwert der Streitsache angeboten habe, stehe ihm die Publizianische (Klage) zu.

Auch Ulpian sieht also die Schätzung des Streitwerts als einem Kauf ähnlich an. Als Gewährsmann beruft er sich für diese Entscheidung auf Julian. Diese Analogie findet sich noch in einer ganzen Reihe von Quellen, in denen auch des öfteren Julian zitiert wird.1019 Mit gewisser Wahrscheinlichkeit stammt die 1016 Daß – zumindest bei einer res mancipi – das zivile Eigentum nicht übergeht, beweist auch das bereits besprochene Fragment Paulus D. 6,1,21 (s. o. S. 73 ff.). Danach sind dem (gutgläubigen) Besitzer eines Sklaven, der nach litis contestatio seinen Überwachungspflichten nicht nachgekommen ist und dem deswegen der Sklave entflohen ist, vor der Verurteilung zum Schätzwert des Sklaven die Klagen des Eigentümers abzutreten. Der Zessionszwang findet aber nur dann statt, wenn der Beklagte den Sklaven nicht im laufenden Verfahren ersessen hat. Daraus ergibt sich, daß eine Klagenzession unterbleibt, wenn der Beklagte bereits ziviler Eigentümer ist. Würde er aber schon mit der Streitwertzahlung ziviler Eigentümer, bräuchte eine Klagenzession auch unabhängig von der Ersitzung nicht stattzufinden. Allerdings ist der Besitzer in diesem Fall nicht reus contumax, weil er durch die Sklavenflucht die facultas restitutendi verloren hat. Daher steht hier dem Kläger das iusiurandum in litem nicht zu, obwohl der Beklagte (zumindest im Hinblick auf die Vollendung der usucapio) noch als Besitzer gilt. 1017 Alternativ käme allenfalls eine exceptio doli oder rei iudicatae vel in iudicium deductae in Betracht. 1018 LENEL, Palingenesia I 377 (Julian Nr. 349): de condictione furtiva. 1019 (Julian-)Paulus D. 41,4,2,21 (dazu mit Text noch u. S. 313); ferner (Julian-)Ulpian D. 21,2,21,2; Ulpian 41,4,3 (Litis aestimatio similis est emptioni), das nach

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Idee daher von Julian.1020 Auf Julian führt Ulpian auch die Konsequenz dieser Analogie zurück, daß nämlich aufgrund der Streitwertschätzung1021 dem Beklagten die actio Publiciana zu gewähren ist, wenn er den Besitz der Sache an einen Dritten verliert. Es spricht viel dafür, daß die actio Publiciana mit der in Julian D. 25,2,22pr. erwähnten actio in rem identisch ist. Der Gleichstellung der litis aestimatio mit einem Kauf bedarf es, um den Sachverhalt der Streitwertzahlung unter die Klagformel der actio Publiciana zu subsumieren. Die actio Publiciana setzt nach ihrer Verheißung im Edikt1022 voraus, daß der Kläger eine (bona fide erworbene und) ex iusta causa übergebene Sache im Eigenbesitz hat. Die Musterformel war formuliert für den Regelfall, daß ein Kauf die iusta causa possessionis abgab: Si quem hominem Aulus Agerius bona fide (?)1023 emit et is ei traditus est, anno possedisset, tum si eum hominem, de quo agitur, eius ex iure Quiritium esse oporteret, si is homo Aulo Agerio non restituetur, quanti ea res erit, tantam pecuniam Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, si non paret absolvito.1024 MOMMSEN /KRÜGER ad h. l. mit (Julian-)Ulpian D. 44,2,9,2 zu verbinden ist; außerdem Gaius D. 41,4,1 (Possessor, qui litis aestimationem optulit, pro emptore incipit possidere); Gaius D. 42,4,15 (. . . emptori similis est, . . . qui rem . . . lite aestimata retinuit . . .); weniger deutlich Pomponius D. 6,1,70 (s. noch u. S. 280: iusto pretio comparare); Pomponius D. 25,2,8 mit Paulus D. 25,2,9; vgl. noch Ulpian D. 27,9,3,2; zu allem LEVY, SZ 42 (1921) 482. 1020 Z. B. LEVY, SZ 42 (1921) 482; KASER, RP I 437 sub 6 mit A. 54. – Das würde gut mit einer anderen Beobachtung zusammenpassen: Nach F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 101 (zweifelnd MEDICUS, FS Kaser [1976] 394–396) war es ebenfalls Julian, der als erster auch auf die Idee gekommen ist, mit dem Modell eines fingierten Kaufes zu begründen, warum der Bürge vom Gläubiger die Zession seiner Klagen gegen Mitbürgen (und den Hauptschuldner) erzwingen kann; hier war für die klassischen Juristen das Problem zu überwinden, daß an sich durch die Zahlung des Bürgen die Klagen gegen Hauptschuldner und Mitbürgen untergehen (s. z. B. Julian D. 46,1,17: Fideiussoribus succurri solet, ut stipulator compellatur ei, qui solidum paratus est, vendere ceterorum nomina). In beiden Fällen dient also die Kaufanalogie dazu, dem Beklagten zu Lasten des befriedigten Klägers einen Ausgleich zu verschaffen für seine Zahlung. Im Falle des reus contumax aber führt die Kaufanalogie zur Enteignung des Klägers (sie nimmt ihm allerdings nur ein Eigentum, mit dem er nicht viel anfangen kann, weil er mit rechtlichen Mitteln den Besitz ohnehin nicht mehr wiedererlangen kann). Dagegen dient die Kauffiktion im Fall des Bürgen dazu, ihm einen Anspruch zu verschaffen, der in der Hand des Gläubigers sonst untergegangen wäre. 1021 Die Streitfrage, auf welchen Zeitpunkt es ankommt (den der Schätzung durch den Richter bzw. des Schwurs des Klägers, der Verurteilung, des Anbietens oder der Leistung durch den Beklagten) sei hier außer Acht gelassen; dazu etwa LEVY, SZ 42 (1921) 511 ff., EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 172 ff. sowie neuerdings PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 307 ff. A. 267, der auch schon den Zeitpunkt der litis contestatio in Betracht zieht. 1022 Auf den Streit über Ursprung und Wortlaut (vgl. nur KASER, RP I 438 f. gegen LENEL, EP [3. Aufl. 1927] S. 169 ff.) der Verheißung im Edikt braucht im hiesigen Zusammenhang nicht eingegangen zu werden. 1023 s. KASER, RP I 439 A. 7 zu den Zweifeln darüber, ob bona fide in der Formel stand.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 279 Wenn der Kläger diesen Sklaven guten Glaubens gekauft hat und er ihm übergeben worden ist, so daß er ihm dann, wenn er den Sklaven, dessentwegen geklagt wird, ein Jahr lang besäße, nach quiritschem Recht gehören würde, dann verurteile, wenn dieser Sklave dem Kläger nicht restituiert wird, den Beklagten zugunsten des Klägers zur Zahlung einer Geldsumme in der Höhe, wie die Sache wert sein wird. Wenn sich dieser Sachverhalt nicht ergibt, sprich ihn frei!

Die (möglicherweise auf Julian zurückgehende) Analogie der litis aestimatio zu einer emptio dient also der Begründung einer iusta causa possessionis desjenigen, der zur Zahlung des Streitwertes verurteilt wurde, und stellt zugleich die Verbindung zur Musterformel der actio Publiciana her, die einen Verkauf voraussetzt. Der bloße Kaufvertrag bzw. die bloße iusta causa possessionis genügen freilich nicht für eine actio Publiciana. Zusätzlich setzen sowohl die Verheißung im Edikt als auch die Klagformel selbst eine traditio voraus. Wenn der Beklagte als reus contumax bei der Schätzung des Streitwerts im Besitz der Sache ist, läßt sich die Übergabe als brevi manu traditio begreifen: Die erforderliche Zustimmung des Klägers zur mutatio causae possessionis läßt sich hier in der Mitwirkung bei der Festsetzung des Streitwertes (durch sein iusiurandum in litem), alternativ spätestens in der Entgegennahme der Zahlung des Verurteilten sehen.1025 Dasselbe gilt, wenn der Beklagte vor der litis aestimatio nur Detentor war; auch dann läßt sich die Annahme einer brevi manu traditio so begründen, daß der Kläger durch seinen Schwur bzw. durch die Entgegennahme der Zahlung dem Beklagten nunmehr die Begründung einer eigenen possessio gestatte.1026 Diese Begründung findet sich freilich nicht unmittelbar in den Quellen bestätigt.1027

1024 So im wesentlichen übereinstimmend LENEL, EP (3. Aufl. 1927) 171; KASER, RP I 439 i.V. m. S. 437. 1025 Daß die Klassiker hier von einer mutatio causae possessionis ausgehen, zeigen deutlich Gaius D. 41,4,1 (Possessor, qui litis aestimationem optulit, pro emptore incipit possidere) und (Julian-)Ulpian D. 41,4,2,21. 1026 Vgl. zur nachklassisch sogenannten brevi manu traditio insbesondere Gaius D. 41,9,5; zu w. N. s. die o. A. 985 angeführte Literatur. 1027 Kritisch daher etwa LEVY, SZ 42 (1921) 484, 485 mit A. 5, S. 486, 496 ff. und PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 310 A. 267. Freilich erscheint die Kritik LEVYs unberechtigt, der bemängelt, für eine sog. brevi manu traditio fehle es an einer Zustimmung des Klägers: Die klassischen Juristen setzten die litis aestimatio mit einem Kauf gleich, obwohl es an einer ausdrücklichen Zustimmung des Klägers zum Verkauf der Sache fehlt. Dann leuchtet es nicht ein, daß sie dieselbe Schwierigkeit bei der Begründung der traditio nicht ebenso hätten überwunden können, sondern hier strengere Anforderungen an eine Willensäußerung des Klägers gestellt hätten. Im Ergebnis zeigen auch die o. A. 1025 angeführten Quellen, daß die Klassiker von einer (konkludenten) Zustimmung des Klägers ausgingen, denn ohne diese hätte die dort angenommene mutatio causae possessionis dem Grundsatz nemo sibi ipse causam possessionis mutare potest (vgl. etwa Paulus D. 41,2,3,19) widersprochen.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Ob wegen der bloßen similitudo zwischen Streitwertschätzung und Kauf oder wegen der Schwierigkeiten bei der Begründung einer traditio die klassischen Juristen dem reus contumax allerdings eine echte actio Publiciana oder nur eine actio quasi Publiciana gewährten, ist heute nur noch schwer zu sagen. LEVY1028 vertritt die Auffassung, mangels einer echten traditio könne dem Beklagten nur eine analoge Klage zugestanden haben. Für die Existenz einer solchen Klage beruft er sich auf: D. 6,1,70 (Pomponius im 29. Buch ad Sabinum): Nec quasi Publicianam quidem actionem ei dandam placuit, ne in potestate cuiusque sit per rapinam ab invito domino rem iusto pretio comparare. Und es hat sich die Ansicht durchgesetzt, daß ihm noch nicht einmal die publizianische Klage in analoger Anwendung zu gewähren sei, damit es nicht in jedermanns Macht steht, durch Raub vom dazu nicht bereiten Eigentümer eine Sache zu einem gerechten Preis käuflich zu erwerben.

Der ursprüngliche Sachverhalt dieses Textes ist nicht erhalten; nach der Stellung im Digestentitel de rei vindicatione und wegen des Bezugs auf das vorangehende Paulus-Fragment1029 scheint es hier um einen Vindikationsbeklagten zu gehen, qui dolo fecit quo minus possideret und der deswegen zur Zahlung des Streitwertes verurteilt worden ist.1030 Es ist aber dies die einzige Quelle, in der von einer actio quasi Publiciana die Rede ist. Sie ergibt noch nicht einmal mit Sicherheit, ob eine solche Klage überhaupt existierte, da die Aussage in einer Negation besteht: Möglich erscheint insbesondere, daß Pomponius in dem von ihm behandelten Fall die Gewährung einer actio Publiciana unter jedem Gesichtspunkt, also auch im Wege einer Analogie, ausschließen wollte. Diesem unsicheren Anhalt für die Existenz einer actio quasi Publiciana steht die eindeutige Erwähnung einer actio Publiciana in dem bereits erwähnten1031 JulianZitat Ulpians in D. 6,2,7,1 („Publicianam competere“) gegenüber, das LEVY zu einem unechten „abkürzenden Ausdruck“ erklären muß.1032 Z u s a m m e n g e f a ß t läßt sich also feststellen, daß der reus contumax infolge der Verurteilung zur Zahlung der litis aestimatio das prätorische Eigentum erwarb, das mit einer actio Publiciana gegen Dritte geschützt wurde. Einer 1028 LEVY, SZ 42 (1921) 484 ff., 496 ff. Allerdings bezeichnet auch LEVY (etwa S. 497; vgl. S. 484 A. 1) die dem Verurteilten zustehende dingliche Position als (prätorisches) Eigentum. 1029 Paulus D. 6,1,69 abgedruckt und übersetzt o. S. 73. 1030 LEVY, SZ 42 (1921) 491 ff. meint dagegen mit guten Gründen, im ursprünglichen Zusammenhang sei es bei Pomponius um einen mit der condictio furtiva in Anspruch genommenen Beklagten gegangen, der nach Zahlung des richterlich geschätzten Streitwerts den Besitz an einen Dritten verliere; s. dazu noch u. A. 1040. 1031 Text o. S. 277. 1032 LEVY, SZ 42 (1921) 485 A. 2; gegen LEVY bereits CARRELLI, L’acquisto (1934) 33; PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 312 A. 275.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 281

nochmaligen Inanspruchnahme durch den Eigentümer mit einer anderen Klage1033 stand eine exceptio entgegen; es könnte sich um die exceptio doli oder um eine der exceptio rei venditae et traditae zumindest nachgebildete Einrede handeln. Die These, daß der Verurteilte in bestimmten Fällen sogar das quiritische Eigentum erwerbe, läßt sich dagegen nicht mit ausreichender Sicherheit aus den Quellen erschließen.1034 Mit Quellen belegbar ist der Erwerb des bonitarischen Eigentums sowohl bei einer Inanspruchnahme des Schuldners mit einer actio in rem als auch bei Klagen ex contractu, ferner bei der actio rerum amotarum. Umstritten ist, ob auch ein Kondiktionsschuldner durch Zahlung des Streitwertes das Eigentum an der herausverlangten Sache erlangte. Dazu hat LEVY die These aufgestellt, daß bei Inanspruchnahme mit einer condictio (insbesondere mittels der condictio furtiva) der Beklagte kein Eigentum erwerben konnte. Dem entgegen nimmt neuerdings PENNITZ auch bei Inanspruchnahme mit der condictio (furtiva) einen Eigentumserwerb des Beklagten an, ohne auf die Argumentation LEVYs einzugehen.1035 LEVY stützt seine Annahme in erster Linie auf Pomponius D. 47,2,9,1.1036 In diesem Text wird insbesondere der Fall behandelt, daß der Eigentümer gegen den Dieb einer Sache zunächst mit der condictio furtiva vorgegangen ist und die dort festgesetzte litis aestimatio nach Verurteilung des Diebes von ihm erlangt hat. Wenn nun der Eigentümer erneut gegen den Dieb klagt, und zwar mit der rei vindicatio, stellt Pomponius zwei denkbare Lösungen vor: Der Richter könnte im zweiten Verfahren, in dem nun über die rei vindicatio zu entscheiden ist, kraft seines officium die Klage wegen der bereits erhaltenen Zahlung abweisen. Nach der von Pomponius bevorzugten Lösung hat aber der Richter den beklagten Dieb zur Restitution der gestohlenen Sache aufzufordern, wenn der Eigentümer sich bereit erklärt, das empfangene Geld zurückzuzahlen. Kommt der Dieb der Aufforderung nicht nach, so hat der Richter den Beklagten (unter Anrechnung oder nach Rückzahlung des bereits erhaltenen Betrages) auf den

1033 Die abermalige Verwendung derselben Klage ist bereits wegen Konsumption oder einer exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae ausgeschlossen. 1034 Die häufige Erwähnung des Ersitzungsbesitzes pro emptore (s. die o. in A. 1019 angeführten und die beiden zuvor im Text zitierten Quellen) spricht eher dagegen. Die Vertreter der Ansicht, stets werde das zivile Eigentum übertragen (s. o. A. 990), müssen annehmen, der Kläger sei in allen diesen Fällen nicht der wahre Eigentümer gewesen. Die vermittelnden Positionen können dagegen diese Quellen auch mit der Annahme zu rechtfertigen versuchen, daß es hier um eine res mancipi (KASER, o. A. 994) oder um ein iudicium imperio continens (ARANGIO-RUIZ, o. A. 996) handele bzw. daß der Kläger in diesen Fällen auf die Ausübung des iusiurandum in litem verzichtet habe (EHRHARDT, o. A. 995). 1035 Zu den Nachweisen s. schon o. A. 993; s. ferner schon A. 275. 1036 Text und kurze Exegese s. schon o. S. 119.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Streitwert zu verurteilen, den der Kläger in Ausübung seines iusiurandum in litem festsetzt. Die Ansicht des Pomponius bedeutet aber im Ergebnis, daß der Beklagte das (bonitarische) Eigentum durch die Zahlung des Streitwertes an den Kläger im Kondiktionsverfahren noch nicht erlangt hat: Denn gegenüber der rei vindicatio steht ihm keine exceptio rei venditae et traditae zu, wie sie ihm gewährt werden müßte, wenn auch hier die Streitwertzahlung einem Kauf ähnlich wäre. Wenn man hier nicht einen generellen Meinungsstreit zwischen Pomponius und seinem Zeitgenossen Julian über die Gleichstellung von litis aestimatio und emptio vermuten will,1037 muß es sich um eine Besonderheit des Kondiktionsverfahrens handeln. Den Grund dafür läßt der Pomponius-Text ebenfalls erkennen, wie schon LEVY beobachtete: Denn die Ansicht des Pomponius ergibt nur Sinn, wenn der Kläger im Kondiktionsverfahren nicht das iusiurandum in litem ausüben konnte, sondern hier stets der Richter den Streitwert schätzte.1038 Dann ist es sinnvoll, dem Eigentümer auch noch nach Erhebung der Kondiktion die Möglichkeit zu erhalten, den Streitwert im Verfahren über die Vindikation selbst zu beschwören; der vom Kläger selbst festgesetzte Streitwert kann nämlich höher sein als der richterlich geschätzte. Deswegen stellt die rei vindicatio in der Hand des Eigentümers ein stärkeres Mittel zur Erzwingung der Sachherausgabe dar als die condictio furtiva. Demnach scheint LEVYs These plausibel, bei der Kondiktion habe eine Enteignung des Klägers nicht stattgefunden, weil dieses Verfahren das iusiurandum in litem nicht eröffnet habe.1039 LEVY stützt seine Ansicht des weiteren auf eine nachvollziehbare Auslegung des kurzen Fragments von Pomponius D. 6,1,70, dessen originaler Sachverhalt allerdings kaum mit Sicherheit zu rekonstruieren ist.1040 Die Annahme stimmt auch mit der ebenfalls von LEVY vertretenen und 1037 Einen solchen hält PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 312 wegen Pomponius D. 6,1,69 für möglich: Möglicherweise bezeichne Pomponius hier die von Julian mit dessen weiter Analogie von Streitwertschätzung und Kauf begründete actio Publiciana spitzfindig als actio quasi Publiciana und lehne deren Existenz ab. 1038 s. schon o. S. 114 ff. insbesondere 119 ff. mit A. 434. 1039 Demgegenüber vermag die nicht näher begründete Äußerung von PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 309 A. 265 nicht zu überzeugen, aus der Entscheidung von Pomponius folge, daß es im Hinblick auf die Frage des Eigentumserwerbes durch den Beklagten keinen Unterschied mache, ob der Kläger mit der rei vindicatio oder mit der condictio furtiva vorgegangen sei. 1040 Den Text des Fragments s. o. S. 280. In die Irre führt nach LEVY die kompilatorische Anknüpfung an Paulus D. 6,1,69 und damit an den Vindikationsbeklagten qui dolo desiit possidere. Dieses Fragment führt nämlich für seine Rechtsfolge (Versagung einer actio quasi Publiciana) die Begründung an: ne in potestate cuiusque sit per rapinam ab invito domino rem iusto pretio comparare (damit es nicht in jedermanns Macht steht, durch Raub von einem dazu nicht bereiten Eigentümer eine Sache zu einem gerechten Preis zu erwerben). Die drei Argumente des Pomponius (per rapinam, iusto pretio, ab invito dominio) treffen nach LEVY nur auf einen mit der condictio belangten fur zu: Bei diesem (und nicht bei jedem possessor qui dolo facit quo minus

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 283

oben1041 akzeptierten These zusammen, im Rahmen der condictio (furtiva) habe der Beklagte den Kläger nicht zu Kautionsleistungen zwingen können. Ohne Kautionsbestellung konnte der Beklagte nämlich auch keine Klagenzession durchsetzen, wenn ihm die Sache abhanden gekommen war. Daraus ergibt sich insgesamt das Bild, daß die Sache auch nach erfolgreicher Geltendmachung der condictio furtiva noch dem Kläger zugeordnet bleibt, der nur bei Wiedererlangung der Sachherrschaft möglicherweise dem Beklagten die erhaltene Summe wieder zurückzahlen muß.1042 PENNITZ geht demgegenüber davon aus, daß sich Ulpian D. 6,2,7,11043 auf die condictio furtiva beziehe, hier also der Beklagte mit der Diebstahlskondiktion in Anspruch genommen worden sei. Das ergebe sich aus der Palingenesie. Doch ist diese Annahme alles andere als zwingend; zwar soll nach LENEL1044 der von Ulpian zitierte Ausspruch Julians in dessen Digesten unter der Rubrik de condictione furtiva gestanden haben; doch könnte es genauso gut etwa sein, daß Julian hier nach einem allgemeinen Grundsatz die besondere Rechtslage bei der condictio furtiva erörterte.1045 Schon bei Ulpian wird der Sachverhalt jedenfalls – wie in den Digesten – unter die Erörterungen der actio Publiciana eingeordnet, so daß hier ein Bezug zur condictio furtiva gar nicht mehr auszumachen ist.

possideret) könne man sinnvollerweise von rapina sprechen. Bei einem dolos seinen Besitz aufgebenden Vindikationsbeklagten mache es auch keinen Sinn, von iusto pretio comparare zu sprechen, da gegen ihn dem Kläger das ius iurandum in litem zustand (Ulpian D. 6,1,68). Das iusiurandum werde in Ulpian D. 6,1,68 aber so geschildert, daß man den einseitig sine ulla taxatione in infinitum festgesetzten Streitwert schwerlich als iustum pretium ansehen könne. Dagegen finde im Kondiktionsverfahren stets die – um Angemessenheit bemühte – richterliche aestimatio statt. Deswegen solle der Kondiktionsschuldner nicht gegen den Willen des (zivilen) Eigentümers (ab invito domino) – prätorisches Eigentum erwerben können; mit dessen Willen könne freilich eine Übereignung iusto pretio stattfinden. Dieser Darlegung von LEVY, SZ 42 (1921) 491 ff., stimmt WESENER, Studi Donatuti III (1973) 1407 zu; im wesentlichen ebenso auch CARRELLI, L’acquisto (1934) 24–33, 38 A. 70, S. 63 f, S. 66 A. 118; ganz anders CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 54 ff., der den Text des fr. 70 aber durch Annahmen von Interpolationen ([Nec] und [ne . . . comparare]) in sein Gegenteil verkehrt. 1041 s. o. S. 114 ff. 1042 Vgl. dazu die Überlegung u. bei A. 1259, zum Fall des dolo desinens possidere, der ebenfalls kein Recht auf Klagenzession hatte. 1043 Text o. S. 277. 1044 s. o. A. 1018. 1045 Dasselbe gilt für den von LENEL vermuteten Zusammenhang zwischen Paulus D. 6,1,47 und der condictio furtiva (dazu s. o. A. 1007). Zu weiteren Quellen, die auf die condictio furtiva bezogen werden könnten, aber nicht müssen, s. LEVY, SZ 42 (1921) 488 f.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

II. Ein Eigentumsübergang auch bei der Haftung für Besitzverlust? Nun bleibt der Fall zu untersuchen, der im hier gewählten Zusammenhang eigentlich von Interesse ist, nämlich ob der Beklagte das Eigentum auch dann erwirbt, wenn er zur Zeit der Verurteilung die Sache nicht mehr in Gewahrsam hat, aber dem Kläger für den Sachverlust haftet. Auch für diesen Fall ist zu überlegen, ob der Beklagte prätorisches Eigentum erwirbt, ob ihm also eine actio Publiciana auf Sachherausgabe gegen Dritte zusteht und eine exceptio gewährt wird, wenn er den Besitz an der Sache wiedererlangt und der frühere Eigentümer und Kläger erneut von ihm deren Herausgabe fordert. 1. Folgerungen aus der Klageformel der actio Publiciana Für eine actio Publiciana ist nach der Verheißung im Edikt erforderlich, daß dem Anspruchsteller die Sache ex iusta causa übergeben wurde; die Musterformel setzt voraus, daß eine traditio infolge eines Kaufvertrages stattgefunden hat.1046 Mit der Analogie zwischen litis aestimatio und Kauf läßt sich auch im Falle der Haftung für eine verlorene Sache begründen, daß der auf den Schätzwert haftende Beklagte eine dem Kauf gleichzuachtende iusta causa traditionis habe.1047 Größere Probleme bereitet dagegen, daß für eine actio Publiciana der 1046

s. o. S. 278. Problematisch ist allerdings, daß – anders als beim reus contumax – dem Kläger nur im Falle des dolosen Besitzverlusts das iusiurandum in litem zusteht. Bei einem Besitzverlust, der zwar nicht dolos ist, aber gleichwohl eine Haftung des bisherigen Besitzers oder Detentors begründet, kann der Kläger den Kaufpreis dagegen nicht selbst bestimmen, sondern ist auf die richterliche Schätzung angewiesen. Dementsprechend ließe sich erwarten, daß dem Beklagten nur bei dolosem Besitzverlust eine actio Puliciana zusteht. Doch findet sich in den Quellen – außer der Andeutung in D. 6,1,46 – kaum ein Anhalt dafür, die Klassiker hätten für die Frage der Analogie der litis aestimatio mit dem Kauf auf die Ausübung des iusiurandum in litem abgestellt (vgl. Ulpian 41,4,3 (Litis aestimatio similis est emptioni). – Allerdings ist das iusiurandum in litem wahrscheinlich insofern von Bedeutung, als ein Eigentumserwerb durch litis aestimatio nicht stattfindet, wenn das Verfahren generell – wie die condictio (insbes. furtiva) – das Beschwörungsrecht des Klägers nicht kennt; so LEVY, s. o. S. 281 ff. Ein Mangel an Quellenbelegen spricht gegen die Vermutung von EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 172, 174 ff., bei richterlicher Schätzung könne der Beklagte nur prätorisches Eigentum erwerben, bei klägerischem Schwur gehe dagegen ziviles Eigentum über. Für seine These, der Satz litis aestimatio similis est emptioni sei in dieser allgemeinen Form byzantinisch, benötigt EHRHARDT zu viele Interpolationsannahmen. Bei CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 49 ff., bildet es den Ausgangspunkt der Überlegungen, daß nur derjenige Vindikationsbeklagte, der dolus zu vertreten habe, dem Eigentümer forthafte, dann aber dem reus contumax gleichzustellen sei: Deswegen hätten die Klassiker den dolo desinens possidere wie den reus contumax einerseits dem iusiurandum in litem ausgesetzt, ihm aber andererseits nach dem Vorbild der actio Publiciana des reus contumax eine actio quasi Publiciana auf Wiedererlangung des Besitzes eingeräumt. Doch auch CHIAZZESE benötigt zur Begründung weitreichende, 1047

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 285

Besitz übergeben worden sein muß. Das Traditionserfordernis ergibt sich für den „Normalfall“ der actio Publiciana, in dem der Inhaber einen echten Kauf als Besitztitel behauptet, beispielsweise aus: D. 6,2,7,16 (Ulpian im 16. Buch ad edictum): Ut igitur Publiciana competat, haec debent concurrere, ut et bona fide quis emerit et ei res empta eo nomine sit tradita: ceterum ante traditionem, quamvis bonae fidei quis emptor sit, experiri Publiciana non poterit. Damit also die publizianische (Klage) zusteht, müssen die (Gegebenheiten) zusammentreffen, daß sowohl jemand gutgläubig gekauft hat als auch ihm die gekaufte Sache aus diesem Grunde übergeben worden ist: Dagegen wird vor einer Übergabe, obwohl jemand ein Käufer in gutem Glauben ist, die publizianische (Klage) nicht erhoben werden können.

Stellen wir also die Verurteilung zum Streitwert einem Kauf gleich, so muß noch ein der Übergabe zumindest vergleichbarer Sachverhalt hinzutreten, die im Hinblick auf den Besitztitel („eo nomine“) erfolgt. Aus dem Umstand, daß die Übergabe eo nomine erfolgen muß, folgt, daß die Übergabe bzw. deren Surrogat erst nach dem Zustandekommen des Titels stattfinden kann. Wenn man annimmt, daß bei der Streitwertzahlung die Übergabe an den Beklagten üblicherweise im Wege der brevi manu traditio erfolge, so ist dies demnach nur dann möglich, wenn bei Titelbegründung der Erwerber noch im Besitz der Sache ist. Dies bestätigt für die brevi manu traditio aufgrund eines echten Kaufes: D. 6,2,9,1 und 2 (Ulpian im 16. Buch ad edictum): 1. Si quis rem apud se depositam vel sibi commodatam emerit vel pignori sibi datam, pro tradita erit accipienda, si post emptionem apud eum remansit. – 2. Sed et si praecessit traditio emptionem, idem erit dicendum. 1. Wenn jemand eine Sache, die bei ihm in Verwahrung gegeben oder ihm geliehen oder zum Pfand gegeben worden war, gekauft hat, wird sie als übergeben anzusehen sein, wenn sie nach dem Kauf bei ihm verblieben ist. – 2. Aber auch wenn die Übergabe dem Kauf vorangegangen ist, wird dasselbe zu sagen sein.

Der Text behandelt zwei Fälle der brevi manu traditio, nämlich erstens den Fall, daß der Käufer vor Abschluß des Kaufes bereits Detentor oder Pfandbesitzer war, und sodann die Fallgestaltung, daß dem Erwerber bereits vor Abschluß des Kaufvertrages die Sache zum Eigenbesitz übergeben worden ist. Stets gilt die Sache nur dann als tradita ex iusta causa im Hinblick auf eine actio Publiciana, wenn der Erwerber die Sache im Zeitpunkt des Kaufabschlusses (post emptionem) noch besitzt.1048 willkürlich erscheinende Interpolationsannahmen. Und letztlich meint auch CHIAZZESE, a. a. O., S. 56 für die Fälle, in denen er eine Haftung für fahrlässigen Besitzverlust ausnahmsweise für klassisch hält, in einem Erst-recht-Schluß hätten die Klassiker dem für culpa Einstehenden die actio quasi Publiciana ebenso gewähren müssen, da sie sie sogar dem dolo desinens possidere geben würden. 1048 Vgl. hierzu APPLETON, Histoire I (1889) 299 A. 30 bis.

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Wann der dem Kauf gleichgesetzte Besitztitel bei der Streitwertschätzung entsteht, ob bei der Festsetzung des Schätzwertes, bei der Verurteilung oder erst bei Leistung der Urteilssumme, geht aus den Quellen nicht einheitlich hervor.1049 Der früheste in Betracht kommende Zeitpunkt ist aber der der Festsetzung des Streitwertes durch den Richter (gegebenenfalls aufgrund des iusiurandum in litem durch den Kläger). Zuvor fehlt es nämlich für das Zustandekommen eines kaufähnlichen Verhältnisses an einem „Preis“; die Einigung auf einen bestimmten Preis ist aber nach klassischem Recht konstitutiv für das Zustandekommen eines Kaufs.1050 Auch in den hier abgedruckten wichtigsten Quellen ([Julian-]Ulpian D. 6,2,7,1; Julian D. 25,2,22pr.) wird für den Vergleich mit dem Verkauf zumindest vorausgesetzt, daß der Streitwert schon geschätzt ist, teilweise sogar, daß er gezahlt ist.1051 Hat der Rückgabeschuldner den Besitz der Sache aber vor diesem Zeitpunkt, also vor der Zahlung der litis aestimatio oder zumindest vor der Festsetzung des Schätzwertes verloren, ist zu erwarten, daß die klassischen Juristen hier eine Übergabe ex iusta causa verneinten und dem Beklagten deswegen aufgrund der litis aestimatio keine actio Publiciana auf Wiedererlangung der Sache gewährten.1052 Allerdings gibt es, soweit bekannt,1053 drei Quellen, in denen jemandem die actio Publiciana gewährt wird, der nie den Besitz an der Sache erlangt hatte. Dies sind zum einen zwei Fälle, in denen es um Besitzerwerb durch Sklaven geht; der dritte Fall handelt vom Besitz an einem gezeugten, aber noch nicht geborenen Sklavenkind: 1.) D. 6,2,9,6 (Ulpian im 16. Buch ad edictum): Si servus hereditarius ante aditam hereditatem aliquam rem emerit et traditam sibi possessionem amiserit, recte heres Publiciana utitur, quasi ipse possedisset. municipes quoque, quorum servo res tradita est, in eadem sunt condicione.

1049

s. o. A. 1021. Vgl. etwa Ulpian D. 18,1,2,1; 9pr.; 35,1; Gaius D. 19,2,2pr.; Gaius 3, 139 f., Inst. 3,23,1, dort aber auch zur Bestimmung des Kaufpreises durch einen Dritten. Abweichend PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 309 f. A. 267, der erwägt, ob schon in der litis contestatio zum Vindikationsprozeß der Abschluß eines Kaufes gesehen werden könne, der unter den Bedingungen der Nichtrestitution und der Schätzung des Streitwertes stehe. Auch PENNITZ gesteht aber ein, daß in den Quellen regelmäßig auf den Zeitpunkt der Leistung der litis aestimatio oder – bei Annahmeverzug – auf den des Erbietens zur Leistung abgestellt werde; s. dazu noch u. bei A. 1102. 1051 So heißt es etwa in Ulpian D. 6,2,7,1: Si lis fuerit aestimata, aber auch: si optulit reus aestimationem litis; ähnlich zweideutig ist Julian D. 25,2,22pr.; in der Fragestellung heißt es dort nur si lis aestimata sit, in der Antwort schreibt Julian aber litis aestimationem suffert; si mulier . . . aestimationem litis praestiterit (s. schon o. A. 1014). 1052 So grundsätzlich auch APPLETON, Histoire I (1889) 298 f.; LEVY, SZ 42 (1921) 496 ff.; CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 51 f.; APPLETON und CHIAZZESE gehen aber davon aus, daß dem Beklagten bei vorzeitigem Besitzverlust eine actio quasi Publiciana gewährt worden sei; dazu s. noch u. bei A. 1134. 1053 s. APATHY, „Actio Publiciana“ ohne Ersitzungsbesitz, in Studi Guarino II (1984) 749 ff.; ABRAMENKO, SZ 114 (1997) 433 f. 1050

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 287 Wenn ein zu einer Erbschaft gehörender Sklave vor dem Antritt der Erbschaft irgendeine Sache gekauft hat und, nachdem er sie sich hat übergeben lassen, den Besitz (wieder) verloren hat, erhebt zu Recht der Erbe die Publizianische Klage, wie wenn er sie selbst besessen hätte. Auch die Bürgerschaft (einer Gemeinde), an deren Sklaven eine Sache übergeben worden ist, befindet sich in derselben Lage. Hier geht es zum einen um den Fall, daß ein zu einer ruhenden Erbschaft gehörender Sklave vor Antritt der Erbschaft eine Sache kaufte und sich übergeben ließ. Der Sklave verlor den Besitz wieder, bevor der Erbe die Erbschaft antrat. Ulpian spricht hier dem Erben die actio Publiciana zu, indem er den Erben so behandelt, als hätte er durch die Übergabe an den Sklaven den Besitz erlangt (quasi ipse possedisset). Dasselbe gelte für einen Sklaven, der der Bürgerschaft einer Gemeinde gehöre. 2.) D. 6,2,15 (Pomponius im dritten Buch ad Sabinum): Si servus meus, cum in fuga sit, rem a non domino emat, Publicianam mihi competere debet, licet possessionem rei traditae per eum nactus non sim. Wenn mein Sklave, während er auf der Flucht ist, eine Sache von einem Nichteigentümer kauft, muß die Publizianische Klage mir zustehen, obwohl ich den Besitz der übergebenen Sache durch ihn nicht erlangt habe. Danach erhält der Eigentümer eines flüchtigen Sklaven, der auf der Flucht von einem Nichteigentümer eine Sache kauft und sich geben läßt, hinsichtlich dieser Sache die actio Publiciana. Pomponius gewährt diese Klage, obwohl, wie er hervorhebt, der Eigentümer des Sklaven durch die Übergabe an den Sklaven den Besitz an der Sache nicht erlangt habe. 3.) D. 6,2,11,2 (Ulpian im 16. Buch ad edictum): Partus ancillae furtivae, qui apud bonae fidei emptorem conceptus est, per hanc actionem petendus est, etiamsi ab eo qui emit possessus non est . . . Das Kind einer gestohlenen Sklavin, das bei einem gutgläubigen Käufer (der Sklavin) empfangen wurde, ist mit dieser Klage herauszuverlangen, selbst wenn es von dem Käufer nicht in Besitz genommen worden war . . . Jemand hat gutgläubig eine Sklavin gekauft, die dem Eigentümer gestohlen worden war. Während die Sklavin sich im Besitz des gutgläubigen Käufers befindet, wird sie schwanger. Daraufhin verliert, wie zu unterstellen ist,1054 der Käufer den Besitz an der Sklavin, bevor sie das Kind gebiert. Dann kann der gutgläubige Käufer gegen den aktuellen Besitzer auch hinsichtlich des Kindes die actio Publiciana erheben, obwohl sich das Kind selbst nie im Besitz des Klägers befand. In allen drei Quellen handelt es sich aber um besonders begründbare Ausnahmefälle. In den ersten beiden Quellen geht es darum, die als unpraktikabel1055 empfundenen Folgen einer Regel einzuschränken, demzufolge an bestimmten Sachen niemand Besitz hat: An den Sachen einer ruhenden Erbschaft hat niemand Besitz;1056 dennoch wurde als unbefriedigend empfunden, daß auch ein Erbschaftssklave nicht für den späteren Erben den Besitz erlangen können sollte. Deswegen ließ man teilweise den Er1054 1055 1056

Zutreffend APATHY, Studi Guarino II (1984) 757 bei A. 46. Vgl. dazu die Formulierung utilitatis causa in Paulus D. 41,2,1,14 (u. A. 1062). s. dazu schon o. A. 665, 714, 820.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

werb des Besitzes für den Erben zu,1057 teilweise wollte man wenigstens die Ersitzung1058 oder (wie hier) zumindest den Schutz durch die actio Publiciana dem Erben ermöglichen.1059 Auch die Bürgerschaft als solche konnte keinen Besitz erwerben, weil alle Bürger gemeinsam keinen übereinstimmenden Sachherrschaftswillen haben. Doch auch hier versuchten die Juristen (mit Unterschieden in der Reichweite der Ausnahme) den Besitzerwerb durch einen Sklaven der Gemeinde für die Bürgerschaft zu ermöglichen.1060 Ähnlich bestand Streit darüber, ob man durch einen auf der Flucht befindlichen Sklaven, der selbst zwar in der possessio des dominus verbleibt,1061 aber doch faktisch seiner Gewalt entzogen ist, Besitz erwerben könne.1062 Pomponius nimmt hier offenbar eine vermittelnde Position ein, indem er zwar den Besitz selbst verneint, den dominus des flüchtigen Sklaven aber im Hinblick auf die actio Publiciana so behandelt, als hätte er durch die traditio an den Sklaven den Besitz erlangt.1063 Die dritte Quelle zur Gewährung der actio Publiciana (Ulpian D. 6,2,11,2) beruht dagegen darauf, daß nach dem Grundsatz conceptus pro iam nato habetur für die Frage nach dem Besitzerwerb auf einen früheren Zeitpunkt (den der Zeugung des Sklavenkindes) abgestellt wird.1064 Die drei Quellen sind also Ausnahmen, in denen es entweder darum geht, den Besitz trotz besonderen entgegenstehenden Rechtsgrundätzen, aus denen sich die Besitzerlosigkeit der Sache ergäbe, zu fingieren (Ulpian D. 6,2,9,6; Pomponius D. 6,2,15) oder den Zeitpunkt der Besitzerlangung im Wege einer Fiktion auf eine Zeit vor der Existenz der Sache vorzuverlegen (Ulpian D. 6,2,11,2). Eine Verallgemeinerung, daß die actio Publiciana weitergehend auch ohne Besitzerlangung gewährt worden wäre, lassen sie nicht zu;1065 noch ermöglichen sie einen Rückschluß auf den Fall, daß ein Beklagter, der eine herauszugebende Sache im laufenden Verfahren vor der Streitwert1057 Vgl. etwa Julian D. 44,7,16; Paulus D. 41,2,1,5; dazu BENÖHR, Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige (1972) 102 ff. 1058 So Papinian D. 41,3,44,3; abweichend Papinian D. 41,3,45,1; dazu BENÖHR, Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige (1972) 104 ff. 1059 Inwieweit die Unterschiede zwischen den Quellen darin begründet sind, ob der Sklave im Rahmen seines Pekuliums handelte oder nicht (so BENÖHR, Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige [1972] 102 ff., dem zufolge nur bei Pekuliargeschäften der Erbe den Besitz erlangt), und inwieweit es sich um Meinungsverschiedenheiten zwischen den Juristen handelt, ist hier nicht zu entscheiden. 1060 Vgl. Paulus D. 41,2,1,22; dazu BENÖHR, Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige (1972) 122 ff.; zum letzten Teil von Ulpian D. 6,2,9,6, s. BENÖHR, a. a. O., 126 f. 1061 Vgl. dazu schon o. A. 245. 1062 Paulus D. 41,2,1,14: Per servum, qui in fuga sit, nihil posse nos possidere Nerva filius ait, licet respondeatur, quamdiu ab alio non possideatur, a nobis eum possideri ideoque interim etiam usucapi. sed u t i l i s c a u s a receptum est, ut impleatur usucapio, quamdiu nemo nactus sit eius possessionem. possessionem autem per eum adquiri, sicut per eos, quos in provincia habemus, Cassii et Iuliani sententia est; dazu BENÖHR, Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige (1972) 129 ff. 1063 Vgl. BENÖHR, Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige (1972) 130 f. ad h. l. 1064 So ABRAMENKO, SZ 114 (1997) 433 f. 1065 Vgl. allerdings APATHY, Studi Guarino II (1984) 749 ff., der die genannten Fälle unter der Formel zusammenfaßt, die actio Publiciana setze eine traditio an den Kläger voraus, die aber nicht zwingend auch zu einer possessio des Klägers geführt haben müsse.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 289 festsetzung oder gar bereits vor Klageerhebung verloren hat und dem Kläger wegen unterbliebener Restitution auf den Schätzwert haftet. Hier spricht vielmehr Ulpian D. 6,2,9,1–2 deutlich gegen eine Gewährung der actio Publiciana an den Verurteilten.1066

2. Bestätigung durch Paulus D. 6,1,46 und 47 Diese Annahme findet sich bestätigt durch die Verknüpfung der beiden bereits zitierten1067 Paulus-Fragmente (D. 6,1,46 f.) im Digestentitel de rei vindicatione. Nach D. 6,1,46 geht das Eigentum an einer mit dinglicher Klage herausverlangten Sache mit deren Schätzung sofort auf den Beklagten über; dabei setzt Paulus aber voraus, daß der Beklagte im Besitz der Sache ist, wie u. a. an dem iusiurandum in litem des Klägers zu sehen ist. Nach D. 6,1,47 geht – wenn wir uns auf die Richtigkeit der kompilatorischen Verknüpfung verlassen – das Eigentum allerdings nur dann sofort über, wenn die Sache gegenwärtig (praesens) ist; ist sie absens, erlangt der haftende Beklagte das Eigentum erst, wenn er mit dem Willen des Klägers wieder den Besitz der Sache erlangt. Der Schutz des bonitarischen Eigentums besteht aber neben der exceptio bzw. replicatio rei venditae et traditae oder doli in der Zuerkennung der actio Publiciana. Dann bedeutet die Differenzierung in den beiden Fragmenten also, daß die publizianische Klage dem besitzlos Verurteilten nicht zusteht, bevor er auf anderem Wege mit dem Willen des Klägers wieder in den Sachbesitz kommt. Den Grund dafür kennen wir schon: Zuvor mangelt es an einem unter res eo nomine tradita subsumierbaren Sachverhalt. Das Fragment schließt damit, daß der Kläger dem Beklagten im Wege einer cautio sicherzustellen hat, daß er die Übergabe der res absens an den Beklagten nicht verhindern werde (si caverit actor, quod per se non fiat possessionem eius rei non traditum iri). Dieser Teil des Fragments mit seiner merkwürdigen doppelten Verneinung wurde vielfach verdächtigt;1068 für seine Echtheit spricht freilich, daß in völlig anderem Zusammenhang eine fast gleichlautende stipulatio überliefert ist.1069 Innerhalb des Fragments D. 6,1,47 kommt dieser cautio eine doppelte Bedeutung zu: Einerseits soll die Kaution verhindern, daß der Kläger den Besitz an der Sache wiedererlangt und sie – zusätzlich zum Streitwert – behält. Auch soll der Kläger die Wiedererlangung der Sache durch den Verurteilten nicht auf andere Weise verhindern können. Andererseits bringt sie aber auch das Einverständnis des Klägers mit einer späteren Besitzergreifung durch 1066

Ebenso im Ergebnis LEVY, SZ 43 (1922) 531 A. 10. s. o. S. 272 ff. 1068 Z. B. von CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 55 f.; gegen ihn etwa WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 115 A. 506. 1069 Paulus (7. Buch ad Plautium) D. 47,2,67(66),5: „per te non fieri, quo minus homo Eros intra kalendas illas mihi detur“. Dagegen stand Paulus D. 6,1,47 der Inskription zufolge im 17. Buch ad Plautium. 1067

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

den Beklagten zum Ausdruck, so daß diese als eine der Titelbegründung nachfolgende traditio angesehen werden kann.1070 Es läßt sich annehmen, daß diese Kaution nur eine Möglichkeit ist zur Feststellung der voluntas actoris: Die klassischen Juristen werden sie auch aus anderen Kautionen herausgelesen haben,1071 etwa aus einer cautio de re restituenda oder derjenigen, die die Klagenzession begleitet. Demnach liegt auch dann eine Übergabe mit dem Willen des Klägers vor, wenn dem Beklagten die Klagen des Klägers zediert worden sind und der Beklagte die Sache wiedererlangt; dazu wird noch nicht einmal nötig gewesen sein, daß der Beklagte die zedierte Klage tatsächlich geltend gemacht hat. 3. Keine zwingende Folgerung aus der dem Beklagten zu leistenden cautio de restituendo Das bisher Gesagte spricht also dafür, daß dem Beklagten, der den Besitz an der Sache vor der Streitwertschätzung verloren hat, das prätorische Eigentum erst zustand, wenn er (wieder) in den Besitz der Sache gelangte. Gerade in der 1070 So die traditionelle Interpretation des Fragments in seiner Verknüpfung mit Paulus D. 6,1,46, vgl. z. B. APPLETON, Histoire I (1889) 298 A. 30; LEVY, SZ 42 (1921) 496 f.; WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 114 f. Abweichend neuerdings die (schwer verständliche) Auslegung durch PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 315 f.: Für den Eigentumsübergang fehle es in dem Fall, daß die Sache durch den beklagten Besitzer nicht vor Gericht vorgelegt wurde, an der Freiwilligkeit des Klägers. Die erforderliche Freiwilligkeit liege aber dann vor, wenn der Kläger dem Beklagten – aufgrund eines Vertrages (etwa Leihe oder Verwahrung) – bereits vor dem Vindikationsprozeß willentlich den Besitz eingeräumt habe. In der Kaution erkläre der Kläger, daß er den damals erfolgten Besitzübergang als traditio zur Verschaffung des (prätorischen) Eigentums anerkenne. Die Interpretation von PENNITZ unterscheidet sich also von der hier im Text wiedergegebenen in erster Linie dadurch, daß der Satz tunc cum possessionem eius possessor nactus sit ex voluntate actoris auf einen vor dem Vindikationsprozeß liegenden Zeitpunkt bezogen wird; die hier vertretene traditionelle Ansicht geht dagegen davon aus, daß ein Besitzerwerb nach Abschluß des Eigentumsprozesses gemeint sei. Gegen die Interpretation von PENNITZ spricht zunächst, daß aufgrund eines commodatum oder depositum der Beklagte nicht die possessio, sondern nur die Detention erlangt hätte. PENNITZ, a. a. O., 314 A. 282 nimmt aber für seine Auslegung die Verwendung des Perfekts (nactus sit) sowie des Wortes tunc in Anspruch. Doch kann tunc sowohl einen Zeitpunkt in der Vergangenheit als auch in der Zukunft meinen (s. nur HEUMANN /SECKEL, s. h. v.). Auch das Perfekt spricht nicht gegen die Annahme, es sei eine künftige Besitzergreifung gemeint: Denn die Konjunktion cum erfordert hier den Konjunktiv, und der Konjunktiv des Futurum ist nur über Hilfskonstruktionen zu bilden. Es ist daher nicht ungewöhnlich, daß ein Konjunktiv des Praesens den futurischen Konjunktiv ersetzt (s. KÜHNER / STEGMANN, Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache, 2. Teil, 1. Band (1912, Nachdruck 1966) 120. Das Perfekt (statt des Praesens) drückt dabei aus, daß es auf die Vollendung der Besitzergreifung ankommt (vgl. KÜHNER /STEGMANN, a. a. O., 124 ff. zum perfectum praesens). Daß es aber um eine zukünftige Besitzergreifung geht, zeigt die Wendung traditum iri in der Kautionsformel. 1071 Ebenso LEVY, SZ 42 (1921) 497 A. 6, S. 502.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 291

Situation, in der er am dringendsten auf eine Klage angewiesen wäre, steht ihm also in der Regel keine eigene actio gegen einen Dritten zu, der die Sache besitzt.1072 Vielmehr kann er – in der Regel – nur die zedierte rei vindicatio des Eigentümers geltend machen.1073 Doch wird teilweise die soeben besprochene Kaution aus Paulus D. 6,1,47 auch für eine entgegengesetzte Argumentation in Anspruch genommen: Merkwürdig bleibt die negative Formulierung, daß der Kläger den Besitzerwerb durch den Beklagten nicht verhindern darf. Diese Sicherungsleistung ist mit der von demselben Juristen (Paulus) in D. 6,1,69 erwähnten Kaution zur Absicherung der künftigen Zession zu vergleichen. Wenn die Kaution aus D. 6,1,47 mit derjenigen aus D. 6,1,69 äquivalent sein sollte, ließe sich daraus schließen, daß es dem Beklagten bei der Zession nicht auf die Geltendmachung der zedierten Klage ankomme, sondern nur darauf, daß der Kläger jede eigene Geltendmachung seiner Klagen unterläßt.1074 Dagegen läßt sich jedoch einwenden, daß die beiden Kautionen einander nicht ausschließen müssen. Vielmehr ist wahrscheinlich, daß der Kläger zwei Kautionen leisten mußte: Wenn der Kläger nämlich die Zession seiner Ansprüche verspricht, hilft dem Beklagten dies nichts, wenn der Kläger ohne Geltendmachung einer Klage wieder den Besitz an der Sache erlangen sollte; eine Klage gegen sich selbst kann der Kläger nicht abtreten. Unter welchen Umständen der Beklagte verlangen kann, daß ihm die in Paulus D. 6,1,47 beschriebene Kaution bestellt wird, geht aus dem Fragment nicht klar hervor. Wegen der kompilatorischen Einordnung des Fragmentes ist zu vermuten, daß es von einem Vindikationsbeklagten handelt.1075 Dafür spricht auch die Verwendung des – allerdings nicht ganz logischen und vielleicht auf die Kompilatoren zurückgehenden1076 – Wortes possessor für den Beklagten. Für den Vindikationsbeklagten, der keine Klagenzession verlangen kann (also für den dolo desinens possidere,1077 ferner nach der spätklassischen Lösung auch für den liti se offerens), dürfte diese Regelung aber wahrscheinlich nicht gelten: Hier wird der Eigentümer nicht zur Zession der Ansprüche angehalten, damit er selbst noch eine Chance behält, die Sache wiederzuerlangen. Dann wäre es aber widersprüchlich, ihm mittels einer Kaution aufzuerlegen, die Besitzergreifung durch den Beklagten nicht zu hindern. Ob die römischen Juristen in

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So die Kritik etwa von APPLETON, Histoire I (1889) 298 f. Die Klagenzession selbst wäre kein zwingendes Gegenargument gegen die Annahme, dem Verurteilten habe bereits vor Wiedererlangung des Besitzes eine eigene Klage zugestanden; denn erstens kann es für den Verurteilten aus Beweisgründen von Vorteil sein, die actio cessa statt einer eigenen geltend zu machen; außerdem könnte die Klagenzession – vermittels der sie begleitenden Kaution (dazu o. S. 109 ff.) – auch den Sinn haben, den Kläger an der Geltendmachung seiner Klagen gegen Dritte zu hindern, damit er dem Verurteilten nicht in die Quere kommt. 1074 Vgl. in diesem Sinne A. SCHMID, Cession I (1863) 262 f.; ferner WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 115 f. mit A. 506. 1075 Zur unsicheren Einordnung des Fragments durch LENEL s. schon o. A. 1007. 1076 Dazu o. A. 1006. 1077 Dazu o. S. 82 ff. und unten S. 320 ff. 1073

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

diesem Zusammenhang auch zwischen dem bonae und dem malae fidei possessor unterschieden haben, wissen wir nicht; wahrscheinlich aber konnte auch der malae fidei possessor wie der bonae fidei possessor die Klagenzession an sich verlangen.1078 Dann wird die Möglichkeit, die in Paulus D. 6,1,47 beschriebene Kaution zu verlangen, auch für den malae fidei possessor bestanden haben. Wenn aber diese zur Erzwingung der Klagenzession berechtigten Vindikationsbeklagten sich auch die Kaution aus fr. 47 bestellen ließen, ist der Eigentumsverlust (Abandon) für den Kläger endgültig: Wenn die Sache nach der Streitwertzahlung in den Besitz des Beklagten kommt, wird er prätorischer Eigentümer; wenn der Kläger die Sache als erster wiedererlangt, muß er sie jedenfalls aus dieser Kaution an den Beklagten herausgeben und ihm (aufgrund des Erwerbstitels der litis aestimatio) auf diese Weise das prätorische Eigentum verschaffen. Da es sich bei der in fr. 47 wiedergegebenen Formulierung wahrscheinlich um den Wortlaut der Kaution handelt, konnte der Kläger die Pflicht zur Ermöglichung der Besitzergreifung durch den Beklagten, wenn er ein solches Kautionsversprechen abgegeben hatte, auch nicht durch Rückzahlung der empfangenen Streitwertsumme abwenden.

Daß der Beklagte sich auch die Restitution der in den Besitz des Klägers gelangten Sache versprechen lassen kann, ergibt sich für die Leihe aus: D. 13,6,13pr. (Pomponius im 11. Buch ad Sabinum): Is qui commodatum accepit si non apparentis rei nomine commodati condemnetur, cavendum ei est, ut repertam dominus ei praestet. Wenn derjenige, der eine Sache leihweise erhalten hat, aufgrund der Klage aus der Leihe verurteilt wird, weil die Sache unauffindbar ist, so ist ihm Sicherheit dafür zu leisten, daß der Eigentümer ihm die Sache verschaffe, wenn sie wiedergefunden wird.

Nach diesem Fragment hat der Verleiher, wenn er den Entleiher mit der Leihklage in Anspruch nimmt, weil die entliehene Sache abhanden gekommen ist, eine cautio de restituendo1079 zu leisten.1080 Der Inhalt dieser cautio ist im praktischen Ergebnis übereinstimmend mit der von Paulus in D. 6,1,47 erwähnten Kaution, deren negative Formulierung, der Kläger dürfte die Besitzerlan1078

Vgl. o. S. 85 bei A. 281 und S. 94 bei A. 325. Zur cautio de restituendo s. bereits in anderem Zusammenhang o. S. 77 ff. Zur cautio de restituendo im allgemeinen s. GIOMARO, „Cautiones iudiciales“ e „officium iudicis“ (1982) 39 ff. und S. 64 ff. ad h. l. 1080 Ob der Kläger hier die Klage mit der älteren prätorischen formula in factum conceptae erhoben hat, die sich auf ein (rem commodatam) redditam non esse stützt, oder ob er die Kommodatsklage mit der jüngeren formula in ius concepta erhoben hat, die zwar die Klausel ex fide bona nicht enthalten hat, aber doch in wesentlichen Gesichtspunkten wie ein bonae fidei iudicium behandelt wurde (s. dazu KASER, RP I 534; vgl. aber auch LENEL, EP [3. Aufl. 1927] 252 f.), braucht hier nicht entschieden zu werden. Auch die auf die unterlassene Restitution gestützte Klage mit der formula in factum concepta könnte dem iudex ein solches Ermessen eingeräumt haben, daß ihm die Erzwingung der cautio de restituendo möglich war; das zeigt das Beispiel der rei vindicatio, die ebenfalls die unterbliebene Restitution voraussetzt, mit Paulus D. 6,1,47. 1079

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 293

gung durch den Beklagten nicht verhindern, vielleicht noch umfassender ist:1081 Daß der Kläger die wiedergefundenene Sache nicht dem Beklagten herausgibt, ist die typische Form, wie der Kläger die Besitzerlangung durch den Beklagten verhindern kann. Für beide Fälle wird aber die Kaution jeweils die Zession der Klagen des Klägers nicht ersetzen, sondern ergänzen.1082 Aus der Tatsache, daß nach Paulus und Pomponius der Kläger dem haftenden Beklagten eine Kaution bestellen mußte, die Sache im Falle des Wiederfindens herauszugeben (und auch auf andere Weise als durch Einbehaltung der wiedergefundenen Sache die Besitzerlangung durch den Beklagten nicht zu verhindern), lassen sich also keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob dem Beklagten neben den vom Kläger abgetretenen Klagen eine eigene Klage auf Herausgabe gegen einen Dritten zusteht, der die verlorene Sache besitzt. Die Kautionsbestellung läßt andererseits aber auch nicht den Schluß zu, daß dem Beklagten eine eigene (dingliche) Klage gegen den Kläger auf Herausgabe sonst nicht zustünde, wenn der Kläger den Besitz wiedererlangt. Denn die Kaution könnte entweder die fehlende Klage ersetzen oder eine solche Klage auch nur verstärken sollen.1083 4. Fragmente (außer Papinian D. 6,1,63), die das (Wieder)Auftauchen der Sache in der Hand des Gläubigers behandeln Doch legen drei weitere Fragmente es nahe, daß dem Entschädigenden eine solche eigene dingliche Klage n i c h t zusteht. Diese Texte behandeln sämtlich den Fall, daß der Schuldner aus Vertrag für den Verlust einer Sache in Anspruch genommen wurde, die Sache hinterher aber wieder beim Gläubiger auftaucht – oder sich schon bei Inanspruchnahme des Schuldners dort befand.1084 Der erste dieser Texte ist: D. 12,7,2 (Ulpian im 32. Buch ad edictum): Si fullo vestimenta lavanda conduxerit, deinde amissis eis domino pretium ex locato conventus praestiterit posteaque dominus invenerit vestimenta, qua actione debeat consequi pretium quod dedit? et ait Cassius eum non solum ex conducto agere, verum condicere domino posse: ego puto ex conducto omnimodo eum habere actio-

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Ebenso GIOMARO, „Cautiones iudiciales“ e „officium iudicis“ (1982) S. 64 ff. Anders OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 265, der annimmt, daß eine bloße cautio de re restituenda zu leisten sei, wenn eine Klage des Eigentümers gegen einen Dritten nicht wahrscheinlich erscheint; umgekehrt sei nur zu zedieren (und keine cautio de restituendo zu leisten), wenn eine Klage gegen einen Dritten in Betracht komme. 1083 Vgl. dazu den Streit zwischen A. SCHMID, Cession I (1863) 266 mit A. 51 (der für eine eigene dingliche Klage des Entleihers eintritt) und OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 265 i.V. m. 266 f. 1084 Zu ihnen namentlich – z. T. abweichend – SELB, FS Larenz (1973) 530 f.; 533. 1082

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nem: an autem et condicere possit, quaesitum est, quia non indebitum dedit: nisi forte quasi sine causa datum sic putamus condici posse: etenim vestimentis inventis quasi sine causa datum videtur. Wenn ein Kleiderreiniger Kleidungsstücke zum Reinigen übernommen hat, sodann nach deren Verlust aus dem Werkvertrag verklagt wird und dem Eigentümer den Wertersatz leistet, später aber der Eigentümer die Kleider wiedererlangt hat, mit welcher Klage soll er [der Kleiderreiniger] den Wertersatz erstattet bekommen, den er geleistet hat? Und Cassius sagt, er könne nicht nur aus dem Werkvertrag klagen, sondern auch vom Eigentümer kondizieren. Ich meine, die Klage aus dem Werkvertrag habe er auf jeden Fall; ob er aber auch kondizieren könne, ist zweifelhaft, weil er nicht auf eine nicht bestehende Schuld geleistet hat, es sei denn, wir denken es uns so, daß hier (der Betrag) kondiziert werden könne gleichermaßen als etwas, daß ohne Rechtsgrund geleistet wurde. Denn nachdem die Kleider wiedererlangt worden sind, kann es so angesehen werden, als sei er (der Betrag) gewissermaßen ohne Rechtsgrund geleistet worden.

Ulpian stellt die Frage, mit welcher Klage der fullo, der den Eigentümer für den Verlust der zur Reinigung übernommenen Kleidungsstücke auf die actio locati hin entschädigt hat, den geleisteten Betrag vom Eigentümer zurückerlangen kann. Ulpian zitiert dazu zunächst Cassius, der dem fullo zu diesem Zweck die actio ex conducto und eine nicht näher bezeichnete condictio1085 zur Wahl stellte. Ulpian stimmt hinsichtlich der Vertragsklage zu, zweifelt aber an der condictio, die er letztlich dennoch gewährt: Zwar könne der fullo seine Leistung nicht als indebitum, jedoch als quasi sine causa datum kondizieren. Von einer dinglichen Klage auf Herausgabe der Kleider ist hier nicht die Rede.1086 Man könnte dies damit rechtfertigen wollen, daß nach einer Klage auf Herausgabe der Kleidung in dem Fragment auch nicht gefragt wurde. Doch ist auch das Klageziel der vertraglichen Gegenklage nicht so eindeutig ausschließlich auf Rückzahlung der Entschädigung gerichtet, daß Ulpian und Cassius hier nach diesen Klagezielen hätten trennen müssen: D. 13,6,17,5 (Paulus im 29. Buch ad edictum): Rem commodatam perdidi et pro ea pretium dedi, deinde res in potestate tua venit: Labeo ait contrario iudicio aut rem mihi praestare te debere aut quod a me accepisti reddere. Eine entliehene Sache habe ich verloren und für sie Wertersatz geleistet, danach ist die Sache in deine Gewalt gelangt: Labeo sagt, auf die Gegenklage hin müssest du entweder die Sache mir verschaffen oder das, was du von mir erhalten hast, zurückgeben.

1085 Wie sich aus der Stellungnahme Ulpians rückschließen läßt, dachte Cassius möglicherweise an die condictio indebiti. 1086 Dies wertet als Gegenargument gegen eine actio quasi Publiciana auch SELB, FS Larenz (1973) 530 f.; im Ergebnis ebenso OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 263 (s. auch S. 251 ad h. l.).

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 295

Wenn im Falle der Leihe der Verleiher (und Eigentümer) nach seiner Entschädigung durch den haftenden Entleiher die Sache wiederfindet, ist nach Labeo und Paulus die Gegenklage des Entleihers darauf gerichtet, daß ihm entweder die Sache übereignet wird oder die geleistete Entschädigung rückerstattet wird. Der Text sagt nicht, wem das Wahlrecht zwischen diesen beiden Leistungsinhalten zustehen soll. Denkbar wäre, daß der klagende Entleiher mit seinem Klageantrag den Leistungsinhalt konkretisieren kann. Doch spricht dagegen, daß der Kläger im Formularprozeß – anders als im modernen Prozeßrecht nach § 253 ZPO – vor dem Prätor nicht einen bestimmten Verurteilungsantrag stellt, sondern nur die Erteilung einer Klagformel beantragt; diese wiederum enthält eine allgemeine Umschreibung unter anderem des Inhalts, zu dem der iudex bei Vorliegen der Voraussetzungen verurteilen soll. Der Ausspruch Labeos soll nun das dem Richter eröffnete Ermessen konkretisieren. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der iudex den Beklagten stets auf eine Geldsumme verurteilt, und zwar nur dann, wenn der Beklagte die Naturalleistung nicht bereits erbracht hat. In diesem Prozeßzusammenhang dürfte die Äußerung Labeos am ehesten so zu verstehen sein, daß der Richter den beklagten Verleiher dann verurteilt, wenn er nicht zuvor entweder die wiedererlangte Sache dem früheren Entleiher oder die empfangene Entschädigungssumme herausgibt. Demnach kann also der Beklagte die Verurteilung abwenden, indem er – nach seiner Wahl – entweder die wiedergefundene Sache oder die empfangene Entschädigung herausgibt. Dieses Verständnis entspricht dem Restriktionsprinzip (oder, umgekehrt formuliert, dem favor debitoris), das auch bei einer Wahlschuld zur Anwendung kommt: Auch bei dieser steht im Zweifel, wenn nicht konkret etwas anderes ausbedungen wurde, dem Schuldner die Wahlbefugnis zu;1087 denn Zweifel über den Verpflichtungsinhalt gehen zu Lasten desjenigen, der Rechte aus der Verpflichtung geltend macht.1088 Dementsprechend ist also auch hier wahrscheinlicher, daß der entschädigte Verleiher das Wahlrecht zwischen der Herausgabe der Sache und der Rückzahlung der Entschädigung haben soll.1089 Um diesen Text mit Pomponius D. 13,6,13pr.1090 vereinbaren zu können, wird man wohl annehmen müssen, daß der entschädigende Entleiher bei seiner Verurteilung sich die Rückgabe der Sache im Wege einer Kaution ausbedingen kann; unterläßt er den 1087 Wenn eine Stipulation auf illud aut aliud dari lautete, stand dem Schuldner die Wahl zu; s. z. B. Venuleius D. 45,1,18,1; KASER, RP I 494 f. 1088 Zum Restriktionsprinzip s. A. WACKE, JA (= Juristische Arbeitsblätter) 1981, 668; KRAMPE, Die Unklarheitenregel (1983) 53 ff.; DERS., SZ 100 (1983) 212, 216, 227 bei A. 171. 1089 So im Ergebnis auch A. SCHMID, Cession I (1863) 266 mit A. 53; OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 266 f., 274; SELB, FS Larenz (1973) 533; vgl. auch Theil I, Titel 21, § 254 des Preußischen Allgemeinen Landrechts (abgedruckt o. A. 186) und Theil II, Artt. 654, 678 des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern (s. o. A. 189). 1090 s. o. S. 292.

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Antrag jedoch, geht das Wahlrecht im Fall des Wiederauftauchens der Sache auf den Verleiher über.1091 Ist aber schon die vertragliche Gegenklage nicht ausschließlich auf Rückzahlung des Wertersatzes gerichtet, hätte Ulpian D. 12,7,2 durchaus auch eine dingliche Herausgabeklage erwähnen können, wenn es sie gegeben hätte. Erwähnen müssen hätte sie der folgende Text: D. 13,6,21pr. (African im 8. Buch seiner quaestiones): Rem mihi commodasti: eandem subripuisti: deinde cum commodati ageres nec a te scirem esse subreptam, iudex me condemnavit et solvi: postea comperi a te esse subreptam: quaesitum est, quae mihi tecum actio sit. respondit furti quidem non esse, sed commodati contrarium iudicium utile mihi fore. Du hast mir eine Sache geliehen. Dieselbe hast du mir entwendet. Als du später mit der Leihklage vorgingst und ich nicht wußte, daß (die Sache) von dir entwendet worden war, hat der Richter mich verurteilt, und ich habe gezahlt. Es wurde die Frage gestellt, welche Klage ich gegen dich habe. Er hat gutachtlich entschieden, daß die Diebstahlsklage zwar nicht gegeben sei, daß aber das Verfahren über die Gegenklage aus der Leihe mir offenstehe.

Für den Fall, daß die geliehene Sache vom Verleiher selber entwendet worden ist und er dennoch den unwissenden Entleiher mit der Leihklage in Anspruch genommen hat, wird in diesem Fragment allgemein, ohne Einschränkung auf ein Klageziel, die Frage gestellt, welche Ansprüche der Entleiher hat. Die Antwort (wohl Julians) erwähnt derer nur zwei: Eine actio furti, die dem Entleiher wegen seiner Haftung für custodia zustehen könnte, wird verneint.1092 Dagegen 1091 Vgl. SELB, FS Larenz (1973) 533. Das in Pomponius D. 13,6,13pr. ausgesprochene Recht des entschädigungspflichtigen Entleihers auf Bestellung einer cautio de restituendo läßt sich sogar als Rechtfertigung für die Wahlbefugnis des entschädigten Verleihers in D. 13,6,17,5 begreifen: Zuweilen (s. A. WACKE, JA 1981, 667; vgl. KRAMPE, Die Unklarheitenregel [1983] 52 A. 164) wird nämlich der Grund für die Wahlbefugnis des Schuldners bei der Wahlstipulation (vgl. o. A. 1087) darin gesehen, daß der Gläubiger bei der Stipulation die Formulierungsmacht gehabt habe und er sich die eigene Wahlbefugnis hätte ausbedingen können. Wenn er das nicht getan habe und die Frage der Wahlbefugnis nicht geklärt habe, gehe diese Undeutlichkeit nach der sogenannten Celsinischen Unklarheitenregel zu seinen Lasten (vgl. insbesondere Celsus D. 34,5,26: Cum quaeritur in stipulatione, quid acti sit, ambiguitas contra stipulatorem est). Deswegen stehe dem Stipulationsschuldner die Wahlbefugnis zu, der selbst die Stipulationsfrage nicht habe formulieren können. Ähnlich verhält es sich beim entschädigungspflichtigen Entleiher: Dieser hätte ja, indem er sich die von Pomponius D. 13,6,13pr. beschriebene Kaution hätte bestellen lassen können, bei seiner Leistung klarstellen können, daß er nur unter der Bedingung leiste, daß ihm der Verleiher bei Wiederauffinden die Sache herausgibt. Wenn der dazu berechtigte Entleiher das nicht getan hat, geht dies zu seinen Lasten und der entschädigte Verleiher kann nach seiner Wahl statt der Sache auch die empfangene Entschädigung wieder herausgeben. 1092 An die actio furti denkt der Gutachter hier deswegen, weil der Entleiher an sich für custodia haftet und ihm deswegen im Falle des Diebstahls durch einen Dritten anstelle des Eigentümers diese Klage zusteht (s. o. S. 169 ff.). Wenn aber der Eigentümer selbst die Sache entwendet, ist der Entleiher eigentlich nicht zur Zahlung an ihn

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wird dem Entleiher die vertragliche Gegenklage1093 gewährt. Eine dingliche Klage des Entleihers auf Herausgabe der Sache wegen der gezahlten litis aestimatio nennt der Text dagegen nicht.1094 Für die – zum modernen Recht ebenfalls untersuchte1095 – Fallgestaltung, daß der Haftende im Zeitpunkt der Inanspruchnahme die Sache verloren hatte, sie aber später der Eigentümer wiederfindet, ergibt sich somit bislang folgendes Bild, wenn wir die genannten Quellen zu vereinigen suchen und die – angesichts der Zitate einzelner älterer Juristen allerdings nicht unwahrscheinliche – Möglichkeit von Meinungsstreitigkeiten unter den klassischen Juristen außer Betracht lassen: Der Entschädigungspflichtige, zumindest der Entleiher (Pomponius D. 13,6,13pr.) und der Vindikationsbeklagte (Paulus D. 6,1,47),1096 konnte sich für den Fall, daß die Sache in der Hand des Entschädigten wieder auftaucht, bereits vor seiner Verurteilung versprechen lassen, daß ihm der Eigentümer die Sache herausgeben werde. Hat er die Bestellung einer solchen Kaution nicht beantragt, kann er wahlweise zwei Klagen erheben, wenn die Sache in die Hände des Entschädigten gelangt: Nach (vielleicht bestrittener) Ansicht kann er die Entschädigung kondizieren.1097 War er dem Eigentümer aus verpflichtet, so daß er normalerweise kein Interesse daran hat, daß ein solcher Diebstahl unterbleibt; anders ist dies, wenn er notwendige Verwendungen auf die Sache gemacht hat (s. dazu schon o. A. 848); s. ad h. l zur Frage der Aktivlegitimation zur actio furti D’ORS, Las quaestiones de Africano (1997) 401 mit Analyse auch der Paralleltexte Julian D. 47,2,60(59) und Paulus D. 47,2,15,2. 1093 Die Erwähnung der vertraglichen Gegenklage findet eine feste Stütze in den Paralleltexten Paulus D. 13,6,17,5 und Ulpian D. 12,7,2; daher ist die Interpolationsannahme von D’ORS, quaestiones (1997) 401 ff. wenig überzeugend, der mutmaßt, die Kompilatoren hätten hier die actio de dolo zugunsten der actio commodati contraria eliminiert. Vielmehr kam die actio de dolo wegen ihrer Subsidiarität (s. nur KUNKEL / HONSELL, Römisches Recht [4. Aufl. 1987] 371) gegenüber der Vertragsklage hier nicht in Betracht. 1094 Allerdings erwähnt African nicht die daneben mögliche condictio (vgl. [Cassius-]Ulpian D. 12,7,2), was den Eindruck der Vollständigkeit, den sein responsum erweckt, trüben könnte. Möglicherweise bestand über deren Existenz neben der Vertragsklage Streit. 1095 s. o. S. 48 ff. 1096 Ob dieses Recht nur solchen Personen vorbehalten war, die typischerweise die Sache auch selbst verwenden können (also dem Vindikationsbeklagten und dem Entleiher im Unterschied etwa zum fullo, der die zur Bearbeitung übernommenen Kleidungsstücke nicht selber nutzt), muß hier dahinstehen. 1097 Ob der Eigentümer die Kondiktion durch die Herausgabe der Sache abwenden konnte, bleibt offen; zwar erwähnt Ulpian D. 12,7,2 die condictio nur im Hinblick auf das Klageziel der Rückzahlung der Entschädigung. Jedoch nennen Ulpian und Cassius auch die vertragliche Gegenklage nur im Hinblick auf dieses Klageziel, obwohl wir von Paulus D. 13,6,17,5 erfahren, daß der Entschädigte hier die Rückzahlung der Entschädigung auch durch Herausgabe der wiedergefundenen Sache vermeiden konnte. Wenn man hierin nicht einen Meinungsstreit zwischen Ulpian und Paulus erblicken will, könnte man Ulpians Fragestellung qua actione debeat consequi pretium quod dedit? so verstehen, daß es ihm darauf ankam, die Klagen zu nennen, mit denen der

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Vertrag verpflichtet, kann er alternativ die vertragliche Gegenklage erheben. Damit überläßt er aber dem Entschädigten die Wahl, ob er die Sache herausgeben oder die Entschädigung zurückzahlen will. Eine dingliche Klage auf Herausgabe der Sache steht ihm nicht zu. 5. Das Rätsel Papinian D. 6,1,63 (2. Teil) Dem bisherigen Ergebnis, daß der Beklagte bei vorzeitigem Besitzverlust das prätorische Eigentum an der Sache nicht erwirbt – und ihm wahrscheinlich auch sonst keine dingliche Klage auf Herausgabe der Sache zusteht, scheint das Fragment Papinian D. 6,1,63 zu widersprechen. Der Anfang dieses Textes wurde bereits besprochen:1098 Ein (vielleicht gutgläubiger) Besitzer verliert nach der litis contestatio, aber vor der litis aestimatio fahrlässig (und nicht dolos) den Besitz an der mit der rei vindicatio herausverlangten Sache. Weil er die litis aestimatio erdulden muß, kann er beim iudex beantragen, daß ihm vor seiner Verurteilung der Kläger seine Klage gegen denjenigen abtritt, der die Sache nunmehr besitzt. Der auf die Anordnung der Zession folgende cum tamen-Teilsatz wird von der überwiegenden Anzahl der Interpreten als Argument angeführt für die Annahme, auch derjenige, der (ohne dolus) den Besitz an der Sache vor der litis aestimatio verliert und dem Eigentümer zur Entschädigung verpflichtet ist, erhalte aufgrund der Verurteilung zum Streitwert – unabhängig von der durch den iudex zu erzwingenden Zession der Klagen des Eigentümers – eine eigene dingliche Klage zum Zwecke der Wiedererlangung der Sache. Dieser Satz des Fragments (cum tamen . . .) wird nämlich fast durchweg so verstanden, daß der Beklagte, wenn er die Klagenabtretung nicht beantragt habe, auch ohne sie keinen Schaden erleide, da der Prätor ihm selbst eine Klage gegen jeden Drittbesitzer auf Herausgabe der Sache verleihe.1099 a) Die herrschende Interpretation des Fragments geht seit Jahrhunderten davon aus, daß die dem Beklagten zustehende prätorische Hilfe in einer actio Publiciana oder einer (an diese angelehnte) actio quasi Publiciana bestehe, die ihm aufgrund der Haftung auf den Streitwert gewährt werde. Sie stehe also im Zusammenhang mit dem mehrfach in den Quellen zum Ausdruck kommenden Entschädigende dem Ziel, die Entschädigung zurückzuerlangen, möglichst nahekommt; die Erfüllungsalternative des Entschädigten brauchte er in diesem Zusammenhang nicht zwingend zu erwähnen. Wenn man dies aber annimmt, bleibt Raum für die Annahme, auch die Kondiktion habe der Entschädigte abwenden können, indem er die wiedergefundenen Sachen herausgibt und so die causa der Entschädigung wiederherstellt; so im Ergebnis auch OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 274. 1098 s. o. S. 89 ff.; auf S. 89 auch der Text des Fragments. 1099 s. dazu bereits die verschiedenen Übersetzungen o. A. 305 (anders die o. A. 303 wiedergegebene und verworfene Übersetzung von SELB, FS Larenz (1973) 527); s. ferner WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 116 mit A. 510 sowie die u. in A. 1124 und 1141 Angeführten. Zur abweichenden Übersetzung SELBs s. u. A. 1151.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 299

Satz, daß die Streitwertzahlung einem Kauf ähnlich ist – und deswegen einen Titel im Sinne der Klagformel für die actio Publiciana darstellen kann. Diese Interpretation stößt jedoch auf Schwierigkeiten deswegen, weil für eine actio Publiciana die Existenz eines Erwerbstitels nicht ausreicht, sondern zusätzlich die Sache aufgrund dieses Titels dem Erwerber übergeben worden sein muß. Eine Übergabe – oder einen der Übergabe gleichzuachtenden Sachverhalt – zu finden, ist aber deswegen problematisch, weil der Beklagte in Papinian D. 6,1,63 bereits vor der Festlegung des Streitwerts durch den Richter den Besitz verloren hat.1100 Zur Beantwortung dieser Frage wurden verschiedene Lösungen vorgeschlagen: aa) Nach einer Auffassung, die schon FABER1101 vertreten hat und zu der in neuerer Zeit mit anderer Begründung PENNITZ1102 gelangt, ist die von Papinian erwähnte Hilfe die (direkte) actio Publiciana,1103 die der Verurteilte deswegen erlangt, weil die litis aestimatio wie ein Kauf zu behandeln ist. FABER meinte zur Begründung, die Juristen hätten im Falle des Besitzverlustes nach der litis contestatio ausnahmsweise auf eine traditio verzichtet.1104 Nach PENNITZ besteht dagegen die für die actio Publiciana erforderliche traditio in folgendem: 1100 Quoniam pati debet aestimationem; andererseits handelt es sich vermutlich um einen Besitzverlust nach Klageerhebung, s. u. S. 310. 1101 FABER, Rationalia in pandectas II Teil 1 (Lugduni 1659) 409 f. zu Paulus D. 6,1,46, S. 425 ad h. l. 1102 PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 306 ff., ad h. l. 310 f. A. 267 a. E., S. 318 f. mit A. 307. PENNITZ, a. a. O., 312 mit A. 275 lehnt im Unterschied zu den folgenden Lösungen die Existenz einer actio quasi Publiciana als nicht gesichert ab. 1103 Ebenso ferner SCHULTING, Notae ad Digesta seu Pandectas II (Ed. Smallenburg 1809) 174 ad h. l., aber ohne eigene Begründung und mit dem nicht ganz passenden Hinweis auf Pomponius D. 6,1,70, wo gerade von einer actio q u a s i Publiciana die Rede ist. 1104 Nach FABER (o. A. 1101) erwirbt der Streitwertzahler, sofern er noch bei der litis aestimatio im Besitz der Sache ist, das zivile Eigentum an der Sache (s. schon o. A. 990). Wenn er – wie in Papinian D. 6,1,63 – nach der litis contestatio den Besitz verloren habe, könne er zwar nicht direkt das Eigentum erwerben, es sei aber doch gerechtfertigt, ihm ausnahmsweise aufgrund des bloßen Erwerbstitels die actio Publiciana zu gewähren; denn es müsse hier genügen, daß der Verurteilte den Besitz einmal hatte und mit der litis aestimatio den verlorenen Besitz vom Kläger zurückkaufe, der aufgrund der Empfangnahme der Streitwertzahlung billigerweise den Besitz dem Beklagten hätte übergeben müssen, wenn er ihn gehabt hätte („. . . quia sufficit quod anteà possederit, & iacturam possessionis praestita litis aestimatione redemerit ab eo qui litis aestimatione accipiendo aequè possessionem traditurus fuerat si eam habuisset. Nam si utrumque in istius persona concurreret, ut & possessionem & titulum à vero domino haberet, non iam de danda ei Publiciana tractandum esset, sed de directa rei vindicatione quam utique veri domini iure exercere posset.“ So FABER, a. a. O., 425 zu Papinian D. 6,1,63). Gegen die These, die Streitwertzahlung verschaffe dem besitzenden Verurteilten das zivile Eigentum, s. schon o. S. 270 ff. Gegen die Annahme, der Erwerbstitel würde für die Zuerkennung der actio Publiciana genügen, wenn nur der Erwerber die Sache zuvor einmal in Besitz gehabt hat, s. vor allem Ulpian D. 6,2,9,1 und 2 (dazu o. S. 285). Die Behauptung einer Ausnahme von diesem Erfordernis ist bei FABER kaum begründet.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Mit der Durchführung des Verfahrens oder mit der Entgegennahme der litis aestimatio genehmige der Eigentümer den – bereits vor Klageerhebung erfolgten – Besitzerwerb des Beklagten und deswegen sei die Sache als pro tradita anzusehen.1105 Zur Begründung führt PENNITZ solche Fragmente an, die die Ersitzbarkeit einer res furtiva im Falle der Zustimmung des Eigentümers durch Verkauf der Sache an den Dieb oder durch Entgegennahme der litis aestimatio im Rahmen einer Vindikation vom Dieb behandeln.1106 Andererseits erkennt auch PENNITZ an, daß die Übergabe im Sinne der Formel der actio Publiciana erst nach der Titelbegründung zu erfolgen hat. Für den maßgeblichen Zeitpunkt bei der litis aestimatio zieht PENNITZ drei verschiedene Lösungen in Betracht: (a) die litis contestatio über den Herausgabeprozeß, (b) die Verurteilung des Beklagten durch den iudex aufgrund von dessen litis aestimatio und als letztes (c) die Zahlung des Streitwertes. Der früheste mögliche Zeitpunkt, zu dem der kaufähnliche Titel der litis aestimatio als begründet betrachtet werden könne, sei also der der litis contestatio. Daraus könne „man wohl schließen, daß vor der litis contestatio der Besitzübergang jedenfalls nicht als traditio interpretiert werden“ könne.1107 PENNITZ selbst „bevorzugt“ die Ansicht (c), daß erst mit der Zahlung der Urteilssumme der Erwerbstitel der litis aestimatio perfekt sei.1108 Er hält aber nicht für ausgeschlossen, daß schon in der litis contestatio der Abschluß des kaufähnlichen Verhältnisses gesehen werden könne, der dann nur noch von den Bedingungen der Nichtrestitution und der Ästimation abhängig sei. Möglicherweise habe Papinian diese Sichtweise vertreten und deswegen dem Beklagten auch dann die actio Publiciana zuerkannt, wenn er die Sache bereits vor der richterlichen Ästimation, aber eben nach der litis contestatio verloren habe.1109 Die Konstruktion der Übergabe bei PENNITZ wird demnach nicht recht deutlich: Einerseits scheint er davon auszugehen, daß die mit dem Einverständnis des Klägers erfolgte Schätzung des Streitwertes eine Genehmigung des Besitzerwerbes durch den Beklagten (etwa einen Dieb) darstelle. Dieser Genehmigung scheint er eine Art Rückwirkung beimessen zu wollen.1110 Bei diesem Konzept bleibt aber unklar, wieso es dann noch darauf ankommen soll, zu welchem Zeitpunkt der Erwerbstitel „litis aestimatio“ begründet ist. Vermutlich geht PENNITZ 1105

PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 309–311, vgl. S. 315. Paulus D. 41,3,4,6; 41,3,4,13; 47,2,85; Pomponius D. 41,3,32pr.; PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 311. 1107 So PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 310 A. 267. 1108 PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 310 A. 267 zur dort sogenannten „Lösung (c)“. 1109 PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 310 A. 267; 319 f. mit A. 307. 1110 So PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 311 – allerdings nicht unmittelbar zur traditio, sondern zur Ersitzbarkeit einer res furtiva; doch scheint PENNITZ die Behebung des Mangels der Furtivität durch eine Genehmigung des Eigentümers mit der traditio gleichzusetzen, vgl. dazu den Anschluß des Haupttextes bei PENNITZ, a. a. O., 311 an S. 309. 1106

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– obwohl er dies explizit ablehnt1111 – letztlich davon aus, daß die Übergabe nach Art einer brevi manu traditio erfolgt. Dann erklärt sich, warum es für PENNITZ trotz der unterstellten Rückwirkung der Genehmigung noch auf den Zeitpunkt der Titelbegründung ankommt: Denn nach Ulpian D. 6,2,9,1 und 21112 muß der Erwerber noch im Zeitpunkt der Begründung der causa (hier: des Kaufs) die Sache in seiner Gewalt haben, damit eine traditio ex iusta causa im Sinne der Formel der actio Publiciana angenommen werden kann. Die These aber, daß bereits mit der litis contestatio der Grund gelegt sei für den Erwerbstitel der litis aestimatio, der nur noch unter den Bedingungen ausbleibender Restitution und richterlicher Streitwertschätzung stehe, und daß deswegen ein Besitzverlust zwischen litis contestatio und litis aestimatio (bzw. condemnatio) der Gewährung einer actio Publiciana nicht entgegenstehe, ist zweifelhaft. Für diese Annahme läßt sich zwar anführen, daß die litis contestatio auch in anderer Hinsicht typischerweise festlegende und vertragsähnliche Wirkung hat. Doch bestehen Bedenken gegen diese Konstruktion des Titels: Ein Verhältnis, das einem bedingten Kauf ähnlich ist, kann man in der litis contestatio nur sehen, wenn man auch für den Fall einen bedingten Kauf annimmt, daß der Kaufpreis noch nicht feststeht, aber durch einen bestimmten Dritten festgelegt werden soll.1113 Zumindest unter den älteren klassischen Juristen war die Frage umstritten, ob in einem solchen Fall in Ermangelung eines pretium certum überhaupt von dem Abschluß eines Kaufvertrages gesprochen werden kann. Noch Gaius 3,140 schildert dies als einen Streit zwischen Labeo und Cassius auf der einen Seite, die einer solchen Vereinbarung jegliche Wirksamkeit absprachen, und Ofilius und Proculus auf der anderen, die eine solche Abrede als (wohl bedingte) emptio venditio deuteten. Gaius selbst gibt keinen Hinweis darauf, daß zu seiner Zeit sich eine Meinung in dieser Frage durchgesetzt habe. Und den Institutionen Justinians (I. 3,23,1) zufolge hat erst Justinian selbst durch seine Konstitution (nämlich C. 4,38,15 aus dem Jahre 530) den Streit zugunsten der Annahme eines bedingten Kaufs entschieden.

1111 PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 310 A. 267. PENNITZ lehnt die Annahme einer brevi manu traditio als „zu weitgehende dogmatische Schlußfolgerung“ sowie deswegen ab, weil „die possessio des Beklagten ja in unserem Zusammenhang schon“ vorliege. Möglicherweise erklärt sich diese ablehnende Haltung von PENNITZ gegenüber der Annahme einer brevi manu traditio also damit, daß er einen engeren Begriff von diesem Rechtsinstitut hat, als er hier vertreten wird: PENNITZ zufolge kommt offenbar eine brevi manu traditio nur dann in Betracht, wenn der Erwerber zuvor nur die schlichte Detention innehatte, nicht aber, wenn er bereits possessor war. Doch werden nach Ulpian D. 6,2,9,2 (s. o. S. 285) beide Fälle gleichbehandelt. 1112 Abdruck o. S. 285. 1113 Hinzu kommt im Fall des Erwerbstitels litis aestimatio, daß im Zeitpunkt der litis contestatio noch nicht feststeht, ob der Streitwert durch echte richterliche Schätzung oder durch iusiurandum in litem (also letztlich durch den Kläger) bestimmt werden wird.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Selbst wenn man aber die litis contestatio einem bedingten Kauf gleichstellt, bleibt zweifelhaft, ob dem Erwerber eine actio Publiciana zusteht, wenn er vor Eintritt der Bedingung den Besitz verliert (und sich anschließend die Bedingung erfüllt). Denn ein bedingter Kauf stellt – zumindest bis zum Eintritt der Bedingung – noch keinen hinreichenden Erwerbstitel für den Ersitzungsbesitz dar, wie sich aus Paulus D. 18,6,8pr.1114 und 41,4,2,21115 sowie Ulpian D. 18,2, 4pr.1116 ergibt: Vor Eintritt der Bedingung ist die emptio noch nicht perfecta. Der Ersitzungsbesitz ist aber Voraussetzung für eine actio Publiciana, wie es ihre fiktizische Formel verlangt. Während der Schwebezeit steht dem Käufer also keine actio Publiciana zu, wenn die Sache an einen Dritten verloren geht, selbst wenn dem Käufer die Sache schon übergeben worden ist. Ob sich daran etwas ändert, wenn – nach Besitzverlust – die Bedingung eintritt, ob also dann (noch nach Besitzverlust) dem Käufer diese Klage durch Bedingungseintritt zuwachsen kann, bleibt zumindest bedenklich. Das würde voraussetzen, daß nunmehr der Kauf als von Anfang an wirksam betrachtet würde.1117 Dagegen spricht jedoch, daß die Früchte der Schwebezeit dem Verkäufer gebühren – und dieser deswegen auch die Gefahr des Unterganges bzw. Verlustes der Sache in dieser Zeit trägt.1118 Daher ist wohl eher anzunehmen, daß dem Käufer die actio Publiciana nur dann zusteht, wenn er die Sache noch im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung in seinem Besitz hat, daß die Quelle über die brevi manu traditio, Ulpian D. 6,2,9,1 und 2, also mit dem Nebensatz si post emptionem apud eum remansit im Falle des bedingten Kaufs auf den Zeitpunkt abstellt, in dem der Kauf im Sinne von Paulus D. 18,6,8pr. „perfekt“ wird.1119 1114 Paulus D. 18,6,8pr.: Necessario sciendum est, quando perfecta sit emptio: tunc enim sciemus, cuius periculum sit: nam perfecta emptione periculum ad emptorem respiciet . . . quod si pendente condicione res tradita sit, emptor non poterit eam usucapere pro emptore . . . 1115 Paulus D. 41,4,2,2: Si sub condicione emptio facta sit, pendente condicione emptor usu non capit . . . 1116 Ulpian D. 18,2,4pr.: Ubi autem condicionalis venditio est, negat Pomponius usucapere eum posse nec fructus ad eum pertinere. – Im Hinblick auf den Fall, daß ein Verkauf mit einer in diem addictio sich als ein bedingter Kauf darstellt, verneint Pomponius die Ersitzungsmöglichkeit (und das Fruchtziehungsrecht) des Käufers in der Schwebezeit. 1117 Vgl. zum Problem der Rückwirkung des Bedingungseintritts SCHIEMANN, Pendenz und Rückwirkung der Bedingung (1973) 6 ff., insbesondere S. 15 ff.; A. WACKE, in: Spuren des römischen Rechts, FS Huwiler (2007) 651 ff. 1118 Freilich ist Paulus D. 18,6,8pr. hier bezüglich der Gefahrtragung nicht eindeutig: Der Text fährt nach pro emptore (s. o. A. 1114) fort: et quod pretii solutum est repetetur et fructus medii temporis venditoris sunt . . . si pendente condicione res exstincta fuerit: sane si exstet res, licet deterior effecta, potest dici esse damnum emptoris: Danach trägt die Gefahr des vollständigen Unterganges der Sache der Verkäufer, die Verschlechterungsgefahr hingegen der Käufer. Ebenso folgt aus einem Umkehrschluß von Ulpian D. 18,2,2,1 (nach LENEL, Palingenesia II 117 [Ulpian Nr. 2708] unmittelbar mit D. 18,2,4pr. [o. A. 1116] zu verbinden) nur, daß die Gefahr „si res interierit“ der Verkäufer trägt.

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Unabhängig von diesen konstruktiven Fragen spricht gegen die Annahme, schon die litis contestatio sei der Zeitpunkt, zu dem der die actio Publiciana ermöglichende Erwerbstitel des Streitwertzahlers begründet wird, auch die Quellenlage: Regelmäßig stellen die Quellen für das Zustandekommen des kaufähnlichen Titels der litis aestimatio auf den Zeitpunkt der Ästimation durch den Richter, d. h. also wohl den der Verurteilung, oder sogar erst auf den der Zahlung durch den Verurteilten ab.1120 Vor allem aber ist die Verknüpfung von Paulus D. 6,1,46 und 47 ein Argument gegen die These von PENNITZ: Wenn wir annehmen – wovon auch PENNITZ1121 ausgeht –, daß die Verbindung beider Texte inhaltlich dem klassischen Rechtszustand entspricht und die Quellen sich dem Digestentitel entsprechend auf die rei vindicatio beziehen, ergibt sich, daß der Beklagte nur dann das Eigentum erwirbt, wenn die Sache praesens, also insbesondere im Besitz des Beklagten ist; ist die Sache dagegen unauffindbar, erwirbt der Beklagte das Eigentum erst, wenn er den Besitz wiedererlangt.1122 Da die rei vindicatio für die Passivlegitimation grundsätzlich voraussetzt, daß der Beklagte die Sache zumindest im Zeitpunkt der litis aestimatio im Besitz hat, ist die in D. 6,1,47 erwähnte Ausnahme zumindest in erster Linie auf den Besitzverlust nach der litis contestatio zu beziehen. Das bedeutet aber, daß ihm die Klage, die ihm als prätorischem Eigentümer zustehen würde, die actio Publiciana, vor der erstmaligen Wiedererlangung des Besitzes ex voluntate auctoris noch nicht zusteht.1123 bb) Die traditionelle Auffassung sieht demgegenüber in der Hilfe, die der Prätor nach Papinian D. 6,1,63 dem verurteilten Beklagten gegen jeden dritten Besitzer zur Besitzverschaffung gewähren soll, eine actio q u a s i Publiciana, also eine an die actio Publiciana angelehnte analoge Klage.1124 Zum Beweis der Existenz dieser analogen Klage berufen sich die Vertreter dieser Ansicht

1119 Vgl. auch Ulpian D. 18,1,7pr.: . . . condicionales autem venditiones tunc perficiuntur, cum impleta fuerit condicio. 1120 s. dazu die o. A. 1021 angeführte Literatur. Auch PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 310 A. 267 selbst möchte „bevorzugt“ auf den Zeitpunkt der Erfüllung der condemnatio pecuniaria bzw. des Angebots des Geldbetrages abstellen. 1121 PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 315. 1122 s. dazu o. S. 272 ff., 289 ff. 1123 Die abweichende Auslegung von Paulus D. 6,1,46 und 47 von PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 315 f. überzeugt nicht, s. dazu schon o. A. 1070. Die o. S. 293 ff. erläuterten Fragmente, die das Wiederauftauchen der Sache in der Hand des Gläubigers einer Vertragsklage behandeln, sprechen allerdings nicht gegen die These von PENNITZ. In diesen Fällen nämlich kommt stets der Besitz dem Schuldner vor der Klageerhebung abhanden. 1124 s. d. Nachweise u. A. 1128 u. 1134; im Ergebnis ebenso mit anderer Begründung A. SCHMID, Cession I (1863) 261 ff. (dazu u. A. 1131); ohne nähere Herleitung der Klage auch GLÜCK, Pandecten VIII 1. Abt. (1807) 211 f. mit A. 21 (6. Buch, 1. Tit. § 585).

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auf Pomponius D. 6,1,701125 und einen Hinweis auf dieses Fragment 70 in den Basilikenscholien zu Basil. 15,1,63, also zu dem D. 6,1,63 entsprechenden Text der Basiliken.1126 Warum es sich aber um eine analoge – und nicht eine direkte – actio Publiciana handelt, wird innerhalb dieser herrschenden Ansicht unterschiedlich interpretiert. Hauptsächlich lassen sich zwei Richtungen danach unterscheiden, wie sich nach Meinung der Autoren die Klage aus Papinian D. 6,1,63 zu derjenigen Klage verhält, die der besitzende Beklagte erhält, der sich als reus contumax auf den Streitwert verurteilen läßt, wenn er den Besitz der Sache im Anschluß an die Streitwertzahlung an einen Dritten verliert: (1) Nach einer – besonders deutlich von OERTMANN vertretenen – Auffassung ist die von Papinian in D. 6,1,63 erwähnte Klage identisch mit der Klage, die dem Herausgabeschuldner zusteht, der als reus contumax die Streitwertzahlung auf sich nimmt und anschließend den Besitz verliert: Auch im letztgenannten Fall stehe dem Verurteilten nur eine actio quasi Publiciana zu.1127 Daß es sich hier nur um eine analoge actio Publiciana handele, rühre daher, daß die litis aestimatio einem Kauf nur ähnlich sei und die echte actio Publiciana dem rechtsgeschäftlichen Kauf vorbehalten sei. Es sei eine spätklassische Ungenauigkeit, wenn Ulpian in D. 6,2,7,1 dieselbe Klage schlicht als actio Publiciana bezeichne.1128 Diese Meinung ist mit der Ansicht von PENNITZ insoweit übereinstimmend, als nach beiden Ansätzen dem Verurteilten in Papinian D. 6,1,63 dieselbe Klage gewährt wird, wie sie auch dem reus contumax bei Besitzverlust nach Zahlung des Streitwerts zusteht. Der Unterschied besteht nur in der Bezeichnung der Klage: OERTMANN nennt diese Klage – anders als PENNITZ – nicht actio Publiciana, sondern actio quasi Publiciana. Auf diese Weise lassen sich zwar die Bedenken hinsichtlich der von der Musterformel vorausgesetzten traditio überwinden, wenn man annimmt, es handele sich ohnehin – schon mangels eines rechtsgeschäftlichen Kaufes – nur um eine analoge Klage. Aber die Verbindung der Fragmente Paulus D. 6,1,46 und 47 läßt sich auch gegen diese These einwenden: Denn OERTMANN müßte konsequenterweise annehmen, daß Paulus 1125

Text s. o. S. 89. Scholion 157 von Stephanos zu Bas. 15,1,63 (Text und Fundstelle s. o. A. 318); dazu einerseits A. SCHMID, Cession I (1863) 261; andererseits LEVY, SZ 43 (1922) 531 A. 9. 1127 Zum Eigentumserwerb des reus contumax s. o. S. 270 ff. 1128 OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 258, 259 f., 274; ähnlich SIBER, Passivlegitimation (1907) 144 f. (zu ihm s. aber noch u. A. 1129 und 1142). – LEVY 42 (1921) 486 ff.; 496 ff., 504; DERS., SZ 43 (1922) 531 f. mit A. 10 hingegen nimmt zwar beim reus contumax ebenfalls an, der Beklagte erhalte nur eine actio quasi Publiciana, im Falle des vorzeitigen Besitzverlustes verneint er aber jede eigene dingliche Klage des Verurteilten mangels eines der traditio vergleichbaren Sachverhalts, solange der Verurteilte nicht nachträglich den Besitz erneut erwirbt; wie LEVY auch SELB, FS Larenz (1973) 531 bei A. 45, S. 533 bei A. 51; beide stoßen jedoch auf Schwierigkeiten mit Papinian D. 6,1,63, dazu noch u. bei A. 1150 und 1151. 1126

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 305

schon in D. 6,1,46 mit dominium nur dieses prätorische „Quasi-Eigentum“ meine, das mit einer actio quasi Publiciana geschützt werde. Und gerade dieses würde Paulus in D. 6,1,47 bei Besitzverlust vor Verurteilung dem Beklagten bis zur Wiedererlangung des Besitzes absprechen. Ebenso sprechen die oben S. 293 ff. angeführten Fragmente, die das Wiederauftauchen der Sache im Besitz des Klägers nach Verurteilung aus einer Vertragsklage behandeln, gegen die Annahme, daß dem Beklagten bei vorzeitigem Besitzverlust überhaupt eine dingliche Klage auf Wiedererlangung des Besitzes zustehe. Anders als PENNITZ wollte OERTMANN1129 nämlich nicht zwischen Besitzverlust vor und nach der litis contestatio unterscheiden, sondern danach, ob der Beklagte aus Vertrag in Anspruch genommen wurde (dann keine actio quasi Publiciana) oder ob er mit einer actio in rem belangt wurde (dann actio quasi Publiciana). Dieser Ansicht entsprach bereits das sächsische BGB von 1863.1130 Doch erscheint diese Differenzierung willkürlich.1131 Denn der reus contumax wurde prätorischer Eigentümer unabhängig davon, ob er mit einer persönlichen oder einer dinglichen Klage in Anspruch genommen wurde – wahrscheinlich mit der Ausnahme der condictio furtiva.1132 Wenn man jedoch mit OERTMANN nicht zwischen Besitzverlust vor und nach der litis contestatio differenziert, aber andererseits (entgegen OERTMANN) davon ausgeht, der Eigentumserwerb sei unabhängig von der Art der Klage, mit der der Verurteilte belangt wurde, dann müßte man auch im Falle einer nur auf einer obligatorischen Klage beruhenden Haftung des Beklagten wegen eines Besitzverlustes vor der litis contestatio dem Verurteilten eine actio quasi Publiciana auf Wiedererlangung des Besitzes zugestehen. Doch sprechen die oben angeführten Fragmente zu dem Fall, daß die Sache wieder in der Hand des Entschädigten auftaucht, gegen die Gewährung einer dinglichen Klage an den Verurteilten bei Besitzverlust ante litem contestatam.1133 (2) Einige Autoren1134 differenzieren deswegen zwischen dem reus contumax und dem Verurteilten, der die Sache schon im Herausgabeprozeß verloren hat: 1129 OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 266 f., 274. Etwas anders differenziert SIBER, Passivlegitimation (1907) 144 f.: Bei Inanspruchnahme mit einer actio in rem erwerbe der Beklagte das dingliche Recht des Klägers ipso iure, bei Inanspruchnahme mit einer actio in personam nur das prätorische Eigentum, das durch die actio quasi Publiciana geschützt werde. 1130 s. § 961 gegenüber § 305 des sächs. BGB; dazu SELB, FS Larenz (1973) 537 f. sowie schon o. S. 61, auch A. 211, 223, u. A. 1361. 1131 Wie hier gegen eine solche Differenzierung ausdrücklich A. SCHMID, Cession I (1863) 261 f., 265 f. Die übrigen Autoren verlangen zumeist nur die Verurteilung zur Streitwertzahlung, ohne auf die Verfahrensart einzugehen. 1132 s. o. S. 270 ff. 1133 Dazu s. abermals o. S. 270 ff. 1134 APPLETON, Histoire I (1889) 298 f.; CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 51 f., 55, der die Publiciana allerdings nur dem dolo desinens possidere zugestehen will, da nur dieser das iusiurandum in litem dulden müsse. Im Hinblick darauf, daß mangels einer traditio nur eine actio utilis in Betracht kommt, ähnlich schon VOET,

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Im Fall des reus contumax, der den Besitz erst nach der Streitwertzahlung verliert, sei die echte actio Publiciana gewährt worden, die von (Julian-)Ulpian in D. 6,2,7,1 also zu Recht schlicht als [actio] Publiciana bezeichnet werde. Um diese könne es sich bei Papinian D. 6,1,63 aber deswegen nicht handeln, weil dort der Beklagte den Besitz bereits vor der Festsetzung des Streitwertes verloren habe und es deswegen an einer traditio nach Begründung des Erwerbstitels fehle. Die echte actio Publiciana habe nur dann gewährt werden können, wenn der Beklagte die Sache entweder durchgehend bis zur Titelbegründung in seiner Gewalt gehabt habe oder wenn er den Besitz im Anschluß an die litis aestimatio wiedererlangt habe und erneut verliere. Deswegen komme bei Papinian D. 6,1,63 nur eine an die publizianische Klage angelehnte actio utilis in Betracht, nämlich die in Pomponius D. 6,1,70 deswegen sogenannte actio quasi Publiciana. Während (Julian-)Ulpian (D. 6,2,7,1) also den Besitzverlust nach der Titelbegründung behandelten, gehe es bei Pomponius (D. 6,1,70) und Papinian (D. 6,1,63) um den Besitzverlust schon vor der Streitwertfestsetzung. Die in dem quasi steckende Analogie bestehe mithin darin, daß vom strengen Traditionserfordernis abgesehen wird. Diese Begründung erscheint nicht unschlüssig. Die Analogie ließe sich am ehesten damit begründen, daß der Besitztitel, wenn es später zur Verurteilung bzw. zur Streitwertzahlung kommt, als schon mit der Klageerhebung zustande gekommen angesehen wird1135 oder der Besitz des Beklagten, der auch im Hinblick auf die Passivlegitimation als possessor behandelt wird, als noch fortbestehend fingiert wird.1136 Auch sprechen die oben1137 erläuterten Fragmente, in denen es um das Wiederauftauchen der Sache in der Hand des Gläubigers einer Vertragsklage geht, nicht gegen diese Annahme, da die Texte durchweg den Besitzverlust vor Klageerhebung behandeln. Doch steht diese These mit nur zwei Fragmenten, von denen das kurze, sachverhaltslose Pomponius-Fragment die Klagenbezeichnung nur in der Verneinung erwähnt,1138 auf dünner Quellenbasis. Papinian, der die prätorische Hilfe ohne Namensnennung zunächst in einem Commentarius ad pandectas II (Halae 1778) 304 (Erläuterung Nr. 33 zum Digestentitel 6,1 [De rei vindicatione]), 318 (Erläuterung Nr. 8 zum Titel 6,2 [De Publiciana in rem actione]); WETZELL, Vindicationsproceß (1845) 227 ff. (zu ihm s. aber noch u. A. 1142). 1135 So wie dies PENNITZ zur Begründung der direkten actio Publiciana versucht, allerdings weniger überzeugend, da für diese eine echte traditio, und zwar ex iusta causa, erforderlich ist; eine actio quasi Publiciana könnte dagegen freier gehandhabt worden sein. 1136 Ähnlich wie zuletzt CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 52, der Papinian D. 6,1,63 entgegen seinem überlieferten Wortlaut auf den dolosen Besitzverlust bezieht und meint, die Römer hätten versucht, denjenigen, der seinen Besitz dolos aufgibt, wie einen Besitzer zu behandeln (vgl. auch D. 6,1,22). APPLETON, Histoire I (1889) 299 schreibt lediglich: „Sans doute le préteur devait ici modifier quelque peu la formule ordinaire.“ 1137 s. o. S. 293 ff.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 307

Nebensatz anführt, scheint dabei die Klage gegen Drittbesitzer nicht begründen zu wollen, sondern als bekannt vorauszusetzen. Dann müßten aber mehr Spuren dieser analogen Klage erhalten geblieben sein. Gegen sie spricht vor allem, daß ihre Existenz die Differenzierung des Paulus in den Fragmenten D. 6,1,46 f. zur bloßen formeltechnischen Spitzfindigkeit herabdrücken würde: Der besitzlose Beklagte würde zwar, wie Paulus sagt, nicht (prätorischer)1139 Eigentümer, aber er würde, was Papinian sagen und Paulus verschweigen würde, im Wege der Analogie einem prätorischen Eigentümer gleichgestellt. Ferner erhielte die Klagenzession eine andere Bedeutung,1140 sie würde nämlich – über die sie absichernden Kautionen – nur dazu dienen, die Geltendmachung der Klagen durch den Gläubiger zu verhindern; der Beklagte hätte selbst an ihrer Geltendmachung kein wesentliches Interesse. b) Im gemeinen Recht kam noch eine andere Interpretation des PapinianFragments auf, derzufolge die Klage, mit der der Prätor dem Vindikationsbeklagten helfe, die des Vindikanten selbst sei. Der Prätor verspreche „nöthigenfalls durch eine ergänzende Fiction“,1141 die die Abtretung als geschehen unterstellt, die Zuerkennung der an sich dem Kläger zustehenden Vindikation.1142 1138 Wir können aus D. 6,1,70 also noch nicht einmal mit Sicherheit erschließen, ob es überhaupt eine actio quasi Publiciana gegeben hat. 1139 Von wenigstens einiger technischer Relevanz wäre die Differenzierung noch, wenn man dominium in fr. 46 als ziviles Eigentum verstünde; dagegen s. aber schon o. S. 270 ff. CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 54 tritt selbst aber für das Verständnis als prätorisches Eigentum oder für die Annahme einer Interpolation ein. Ganz anders interpretiert fr. 46 (es gehe um einen dem Kläger vom Beklagten zugeschobenen Eid) APPLETON, Histoire I (1889) 301. 1140 Dies ist freilich kein zwingendes Gegenargument gegen die Annahme einer eigenen Klage, s. schon o. A. 1073. 1141 So MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 473 mit A. 541 (dort auch das Zitat); ebenso WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts II (9. Aufl. 1906) § 337 A. 2 (S. 395). Ohne Berufung auf eine Abtretungsfiktion HAUK, Das Recht des Ersatzpflichtigen (1929) 10 b. A. 33: Die Klage gegen den Eigentümer sei die zedierte Klage des Eigentümers selbst. Zu der Lehre von der Abtretungsfiktion und ihrer Reichweite s. schon o. S. 67. Gegen diese Ansicht argumentieren OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 262 f., 270 f., 274; BECKER, Cessio legis (1903) 21 f.; LEVY, SZ 43 (1922) 531 bei A. 8. 1142 Zwischen den beiden Ansichten (originärer Erwerb der actio (quasi) Publiciana aufgrund der Analogie zwischen Streitwertzahlung und Kauf oder Erwerb der rei vindicatio utilis) befinden sich die schwer verständlichen Ausführungen von A. SCHMID, Cession I (1863) 262 (mit den folgenden wörtlichen Zitaten), vgl. S. 266: Danach soll die actio quasi Publiciana (!) dem Beklagten „durch wirkliche oder fingierte“ Zession „zu Gebote gestellt werden“; die Klage beruhe zwar auf der Fiktion des Eigentums, Grund der Fiktion liege aber nicht in „einem eigenthumsähnlichen Verhältniß zur S a c h e “, es sei also keine Fiktion des Ablaufs einer Ersitzungsfrist, sondern in „einem eigenthumsähnlichen Verhältniß zur K l a g e , als ob der Kläger Herr des Klagerechts wäre“. Zur Kritik s. u. A. 1149. Ein ähnlicher Ansatz findet sich auch bei WETZELL, Vindicationsproceß (1845) 228 A. 1 (zu ihm s. aber schon o. A. 1134): Die actio quasi Publiciana aus D. 6,1,63 und die actio Publiciana des Ersitzungsbesitzers seien insoweit in ihren Voraussetzungen vergleichbar, als „beide . . . auf einem Kaufe“ beruhten,

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Diese Auslegung ist Ausfluß einer allgemeinen Lehre, nach der überall dort, wo eine Verpflichtung zu Zession „wirklich“ (d. h. aktuell und einredefrei) vorhanden ist, der Verpflichtete aber „den Act der Cession nicht vornehmen kann oder will“, der Prätor eine an die Klage des zu Abtretung verpflichteten Gläubigers angelehnte actio utilis verliehen habe. Dies sollte zwar auch bei der sogenannten cessio voluntaria gelten; besondere Bedeutung erlangt diese Ansicht jedoch vor allem im Bereich der cessio necessaria, und hier in den Fällen des beneficium cedendarum actionum.1143 Bei diesem wird wie hier die Zession durch ein Zurückbehaltungsrecht erzwungen; unterbleibt aber der Zessionsakt vor der Verurteilung des Retentionsberechtigten, weil dieser sein Abtretungsverlangen nicht vorgebracht hat oder die abzutretenden Klagen erst später entstanden sind, muß die rechtsgeschäftliche Zession gemäß dieser Theorie nicht nachgeholt oder gar eingeklagt werden. Für das gemeine Recht hielt man ein Einschreiten des Prätors nicht mehr für nötig und nannte diesen Forderungsübergang ohne rechtsgeschäftlichen Zessionsakt, der schon durch das Gesetz bewirkt werde, gesetzliche Zession oder Legalzession.1144 In den Vorarbeiten zum BGB sah der Entwurf JOHOWs zum Sachenrecht gemäß dieser Lehre in § 192 einen gesetzlichen Rechtsübergang vor. Er wurde jedoch, wie eingangs dargelegt,1145 durch eine erzwungene rechtsgeschäftliche Zession ersetzt.

Gegen die Annahme, im Wege der Fiktion einer Zession seien dem Beklagten die Ansprüche des Klägers mittels actiones utiles zuerkannt worden, spricht nicht nur, daß in den anderen, auch nachpapinianischen Texten (in der Regel ausschließlich) noch der umständlichere Weg der Erzwingung einer rechtsgeschäftlichen Zession durch Zurückbehaltungsrecht des Entschädigenden überliefert ist.1146 Für den Fall eines Vertragsverhältnisses zwischen Entschädigungsberechtigtem und Entschädigungsverpflichtetem läßt sich aus einzelnen Quellen sogar herauslesen, daß der Beklagte, wenn er die Zession nicht vor seiner Verurteilung erreicht hatte, sie noch nachträglich erzwingen konnte.1147 Wenn aber „nur daß dessen Gegenstand das eine Mal eine Sache, das andere Mal eine Klage“ (so bei der actio quasi Publiciana) sei. Auch SIBER, Passivlegitimation (1907) 144 formuliert ähnlich (zu ihm s. aber schon o. A. 1128): Der Beklagte sukzediere – allerdings nur nach prätorischem Recht – in die Stellung des Klägers; bei SIBER ist diese Aussage aber nur ein Kommentar des Ergebnisses (actio quasi Publiciana), nicht dessen Herleitung. 1143 s. zum beneficium cedendarum actionum schon o. S. 21 f. und insbesondere S. 63. 1144 So MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 450 ff., 463 ff.; PUCHTA in WEISKE, Rechtslexikon II (1840) s. v. Cession, 641 f. sub 2). 1145 s. o. S. 58 ff. 1146 Vgl. z. B. Paulus D. 6,1,21; dazu s. o. S. 73. 1147 So bei Gaius D. 19,2,25,8 (s. o. S. 265 f.); s. auch zur Haftung des Vormunds für culpa in exigendo Papinian D. 46,3,95,10. Auch wäre unverständlich, wieso dem

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ihm ohnehin eine actio utilis auch ohne rechtsgeschäftliche Zession zustünde, wäre ein weiteres Verfahren zur Erzwingung der rechtsgeschäftlichen Zession wenig sinnvoll. Es kommt noch hinzu, daß die Formulierung praetor auxilium quandoque laturus sit q u o l i b e t a l i o p o s s i d e n t e eine einheitliche prätorische Hilfe nahelegt, die gegen jedermann wirkt, durch die also der Verurteilte eine Art dinglicher Rechtsstellung erhält. Daß es sich um eine dingliche Klage handeln muß, zeigt sich in letzter Konsequenz am Ende des Fragments insofern, als hier die Hilfe auch gegen den vormaligen Kläger gewährt wird. Eine Klage gegen den früheren Kläger kann aber nicht damit erklärt werden, daß der Streitwertzahler dessen Klage aufgrund fiktiver Ermächtigung erheben könne; denn eine Klage gegen sich selbst hätte der Kläger gar nicht abtreten können.1148 Insgesamt scheint diese Deutung weniger auf das Verständnis der römischen Quelle ausgerichtet als von der rechtspolitischen Intention getragen zu sein, die Legalzession für das gemeine Recht zu etablieren.1149 c) Eine dritte, modernere Auffassung leugnet für das römische Recht sowohl die einer Legalzession gleichkommende prätorische Abtretungsfiktion als auch die Existenz einer eigenen Besitzverschaffungsklage vor dem ersten Besitzerwerb des Beklagten nach seiner Verurteilung. Vielmehr stehe dem Beklagten bei Besitzverlust vor Streitwertfestsetzung keine eigene Klage auf Wiedererlangung der Sache zu. Diese Ansicht stößt allerdings bislang auf erhebliche Schwierigkeiten mit diesem Papinian-Fragment. Diese Schwierigkeiten versuchen die Autoren entweder durch eine völlige Destruktion des Fragments1150 Beklagten in umständlicher Weise eine exceptio doli gegen die actio iudicati gewährt wurde, wie sich das aus Marcellus D. 42,1,12 (s. o. S. 266 ff.) ergibt. 1148 Daß die Zession der Vindikation dem Zessionar nicht hilft, wenn der Eigentümer selbst im Besitz der Sache ist, findet sich ausführlich dargelegt etwa bei JHERING, JheringsJahrb 1 (1857) 106 ff., der aber S. 105 nur auf den Anfang, nicht auch auf den Schluß des Papinian-Textes eingeht. Die Befürworter der Interpretation mittels actiones utiles müßten daher im letzten Satz die Verheißung einer besonderen Klage annehmen; allenfalls käme noch ein Vorgehen aus einer bei der Verurteilung geleisteten cautio de re restituenda in Betracht (so übrigens CARRELLI, L’acquisto [1934] 62 f.), die Papinian aber – im Gegensatz zur Klagenzession – nicht erwähnt – und auch keine prätorische Hilfe darstellt, da sie vom iudex erzwungen wird. – Anderer Auffassung war offenbar BEKKER, Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts 4 (1860) 205 f., der – gegen JHERING, a. a. O., 110 – unter Berufung auf diesen Papinian-Text davon ausging, daß die zedierte rei vindicatio sich auch gegen den besitzenden Eigentümer selbst richten könne. 1149 Die Erklärung der prätorischen Hilfe als derivativ, im Wege der Abtretungsfiktion erworbene actio quasi Publiciana (A. SCHMID, WETZELL o. A. 1142) ist in sich unschlüssig. Unverständlich bleibt, wieso durch die Fiktion dem Beklagten nicht eine v i n d i c a t i o utilis zugesprochen wird, wenn der Kläger doch ziviler Eigentümer war. Im übrigen spricht auch gegen diese Interpretation der Schluß des Fragments: Auf derivativem Wege läßt sich eine Klage gegen den Empfänger der Streitwertzahlung nicht begründen. 1150 LEVY, SZ 43 (1922) 531 ff., insbes. 533 f.; V. BESELER, SZ 47 (1927) 362 f. (vorsichtiger aber noch DERS., Beiträge III [1913] 181); EHRHARDT, Litis aestimatio

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

oder durch eine eigenwillige Übersetzung1151 zu überwinden. Doch ist die von SELB vorgeschlagene Übersetzung nicht plausibel.1152 Und die pauschale Verdächtigung, das gesamte Fragment sei interpoliert, bleibt unbefriedigend. d) Die plausibelste und einfachste Erklärung des Papinian-Fragments D. 6,1,63 (o. S. 89 ff.) ist vor diesem Hintergrund diejenige, die – wie es scheint – schon CUJAZ1153 gefunden hat: Schon mehrfach hat sich gezeigt, daß die überlieferte Schilderung des Sachverhalts („si culpa, non fraude quis possessionem amiserit“) unvollständig ist. Aus der Erwähnung der culpa ist zu folgern, daß Papinian an einen Besitzer gedacht haben muß, der – quoniam pati debet aestimationem – nach Erhebung der rei vindicatio (Digestentitel 6,1), aber vor der Streitwertfestsetzung den Besitz verloren hat. Aus der Erwähnung der culpa folgt außerdem mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, daß es sich um einen gutgläubigen Besitzer handelt. Wenn wir einmal akzeptieren, daß angesichts der Kürze der Sachverhaltsangabe „quis“ eine ungenaue Bezeichnung für den Beklagten ist, liegt es nahe, auch die Wiedergabe der Rechtslage im cum-tamen-Satz zur Ermittelung des Falles heranzuziehen, den Papinian vor Augen hatte. Und wir finden die Vermutung erweitert und bestätigt, daß es sich um einen gutgläubigen Besitzer handeln könnte. Es gibt nämlich einen Typ des Besitzers, für den nur wenig mehr als seine Gutgläubigkeit vorauszusetzen ist,1154 bei dem die Rechtslage letztlich gar nicht anders sein kann, als sie Papinian in seinem cum-tamen-Satz darstellt: Es handelt sich um den Besitzer, der deswegen gutgläubig ist, weil er die (ersitzungsfähige)1155 Sache von einem Nichteigentümer bona fide und ex iusta causa erworben hat. Einem solchen Ersitzungsbesitzer steht, wenn er seinen Besitz ungewollt an einen Dritten verliert, die actio Publiciana zu. Was geschieht aber, wenn er den Besitz gerade dann verliert, wenn er vom wahren Eigentümer auf Herausgabe verklagt worden ist? Wenn der Besitzverlust unverschuldet war, ist er wegen des Sachwerts freizusprechen; nach Paulus D. 6,1,211156 herrschte Uneinigkeit dar(1934) 154, 155 A. 2 halten „die ganze lex für unecht“ (so wörtlich EHRHARDT); ähnlich CARRELLI, L’acquisto (1934) 45 ff. (bis S. 64); 88 A. 146; S. 95, ohne genaue Angabe über den Umfang der angenommenen Interpolation; zu den Interpolationsannahmen i. ü. S. schon o. A. 307. 1151 Zur Übersetzung von SELB, FS Larenz (1973) 527 f. s. schon o. A. 303. 1152 Zur Kritik s. ebenfalls schon o. A. 303. 1153 s. die Nachweise sogleich A. 1161 ff. 1154 Vgl. etwa Paulus D. 6,1,21, wo ohne weiteres davon ausgegangen wird, daß der im Sachverhalt nur als bonae fidei possessor Bezeichnete auch die Möglichkeit der usucapio hat. 1155 Die Sache kann aber auch eine res furtiva gewesen sein, wenn der jetzige Kläger der wahre Eigentümer ist; dann heilt nämlich die Empfangnahme der litis aestimatio den Mangel der Furtivität, s. etwas ausführlicher sogleich A. 1159.

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über, ob und welche Sicherheit er hinsichtlich der weiteren Sachverfolgung dem Kläger zu leisten hat. Ob die publizianische Klage noch fortbesteht, ist ungewiß.1157 Wenn der Beklagte aber fahrlässig die Sache verliert, haftet er dem Eigentümer auf den Sachwert. Welcher Rechtsbehelf steht ihm aber dann für die Wiedererlangung des Besitzes zu, eine eigene actio Publiciana wegen seines früheren Ersitzungsbesitzes oder die ihm abzutretende Vindikation des zivilen Eigentümers? Papinians Antwort ist die, daß er beide Möglichkeiten erhält: Die Vindikation ist dem Beklagten auf seinen Wunsch hin abzutreten. Dieses Verlangen ist nicht etwa rechtsmißbräuchlich, obwohl der Prätor auch ihm die publizianische Klage verheißt; und umgekehrt wird trotzdem (tamen), trotz der ihm zustehenden Klagemöglichkeit mittels zedierter Vindikation, der Prätor ihm durch Gewährung der aus seinem früheren Erwerb begründeten actio Publiciana helfen. Denn daß ihm der eine Weg zur Wiedererlangung der Sache offensteht, soll ihm nicht zum Schaden hinsichtlich des anderen Weges gereichen, insbesondere nimmt auch der hinzutretende Erwerbsgrund der Streitwertzahlung dem Ersitzungsbesitzer nicht die Möglichkeit, sich wahlweise auf seinen früheren Erwerb vom Nichteigentümer zu berufen. Dies ist möglicherweise der tiefere Sinn der Wendung nulla captione adficietur1158 bei Papinian: Durch die Verurteilung des Beklagten zur Leistung der litis aestimatio soll seine rechtlichen Stellung zu der Sache, derentwegen er den Kläger zu entschädigen hat, keinesfalls verschlechtert werden.1159 CUJAZ wurde bislang in dieser Frage als ein Anhänger der Ansicht eingestuft, die eine auf den Erwerbstitel der Streitwertzahlung gegründete actio (quasi) Publiciana befürwortet.1160 Dafür spricht eine Bemerkung in den zu seinen Lebzeiten erschienenen Observationes et emendationes, nach der die Hilfe des Prätors in der Gewährung

1156 s. o. S. 73 ff. Im Fall des Paulus kommt die Komplikation hinzu, daß der Besitz bei einem servus fugitivus noch nicht endgültig verloren ist und daher die Ersitzung noch vollendet werden kann. 1157 Die von Julian in D. 6,1,21 vorgeschlagene Kaution für die Herausgabe des wiedererlangten Besitzes spricht eher für ein Fortbestehen der actio Publiciana. 1158 Zur herrschenden Interpretation dieser Wendung s. dagegen o. S. 90 mit A. 305. 1159 Die dingliche Stellung des Verurteilten aufgrund des früheren Erwerbstitels wird im Gegenteil durch den Prozeß wohl verbessert, wenn die Sache zuvor furtiv war und deswegen nicht ersessen werden konnte; denn sofern der jetzige Kläger der tatsächliche Eigentümer ist, heilt wahrscheinlich die Empfangnahme der litis aestimatio den Mangel der Furtivität, wie wenn der Eigentümer den Besitz an der Sache wiedererlangt hätte; so sagt Paulus D. 41,3,4,13 im Hinblick auf die lex Atina, die die Ersitzungsunfähigkeit gestohlener Sachen regelte: Sed et si vindicavero rem mihi subreptam et litis aestimationem accepero, licet corporaliter eius non sim nactus possessionem, usucapietur. Diese Heilung hatte möglicherweise Rückwirkung, so daß der frühere gutgläubig besitzende Beklagte aufgrund der Heilung rückwirkend wie ein Ersitzungsbesitzer behandelt wurde; vgl. Paulus D. 47,2,85(84) und dazu u. A. 1166 sowie – allerdings in anderem Argumentationszusammenhang (s. o. S. 299 ff., insbesondere S. 300 A. 1110) – PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 311. 1160 So z. B. LEVY, SZ 43 (1922) 531 A. 9.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

der actio Publiciana bestehe, es sich dabei aber um eine actio auxiliaris, nicht um die ordinaria actio handele.1161 Nach der hier vorgeschlagenen Deutung handelt es sich aber um die gewöhnliche actio Publiciana des Ersitzungsbesitzers. Diese Auffassung vertritt CUJAZ in seinen posthum erschienenen Werken zu den quaestiones Papinians sowie zu verschiedenen Pandektentiteln. 1162 Zwar erwähnt CUJAZ auch hier den Umstand, daß die Streitwertzahlung einen kaufähnlichen Erwerbstitel darstelle, und verweist hierzu auf Paulus D. 6,1,46 f. Die Erinnerung hieran dient aber nur dem Zweck zu zeigen, daß der Verurteilte nicht vor der Wiedererlangung des Besitzes etwa schon ziviles Eigentum durch die Zahlung des Streitwertes erlange und ihm deswegen auch noch nicht die rei vindicatio directa zustehe, so daß der vormalige Ersitzungsbesitz noch relevant sei.1163 Die Möglichkeit, daß die von Papinian erwähnte prätorische Hilfe auf einer bereits vor dem Prozeß bestehenden Ersitzungslage beruht, scheint nach CUJAZ niemand mehr gesehen zu haben außer CARRELLI,1164 der sie aber mit folgenden Argumenten verwirft: Eine ursprüngliche Ersitzungslage sei aufgrund der Erhebung der rei vindicatio durch den Eigentümer unterbrochen worden. Das ist für das klassische Recht aber nicht richtig.1165 Auch schließe die neue Ersitzungslage, die mit der Streitwertzahlung begründet worden sei, die Fortwirkung der alten Ersitzungslage aus. Doch ist dies keineswegs überzeugend: Warum sollte dem Beklagten – zumal gegenüber Dritten – die Berufung auf eine frühere Ersitzungslage nur wegen der Streitwertzahlung versagt 1161 CUJAZ, Observationes, Lib. X, Cap. VI = Opera priores III (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 278. 1162 CUJAZ, Commentaria in libros quaestionum Papiniani zu D. 6,1,63 (Lib. XII Quaest. Pap.) = Opera postuma I (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 323 ff. In Sp. 324 heißt es: „Concludamus igitur hoc modo. Reus cuius culpa res abest, post litem contestatam condemnatur, quanti ea res est culpae nomine, sed rem persequitur, vel ex cessione domini cui soluit litis aestimationem directa vindicatione: vel sine cessione, vtili vindicatione, id est, Publiciana: quum nondum vsucepit, & initio possedit bona fide, iustoque titulo.“ In DERS., Ad diversos titulos pandectarum recitationes, ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) 349 stellt CUJAZ zunächst dar, daß einem Ersitzungsbesitzer die actio Publiciana bei Besitzverlust zustehe; dann fragt er, wie es sich bei einem Besitzverlust post litem contestatam verhalte. Dies werde in diesem Fragment Papinians behandelt. In negativer Formulierung hinsichtlich des Ersitzungsbesitzers, der dolos seinen Besitz aufgegeben hat, schreibt CUJAZ: „sed neque ipse qui desiit possidere, eam potest persequi actione Publiciana, cum ante litem eam possideret bona fide.“ Auch hier also geht es um die actio Publiciana aus einer Ersitzungslage vor Streitbegründung. 1163 Deutlich in CUJAZ, Commentaria in libros quaestionum Papiniani zu D. 6,1, 63 = Opera postuma I (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 324: „Sed vt ostendit Pap. hoc loco, etiam sine cessione reo, qui subiit litis aestimationem, a praetore dabitur vindicatio vtilis, id est, Publiciana actio, non directa vindicatio, l i c e t (Hervorhebung nicht original) videatur rem emisse praestita litis aestimatione, quia quum res abest, non aliter fit dominus is, qui subit litis aestimationem, quam si eius re possessionem apprehenderit . . .“. Nicht ganz so eindeutig ist die Formulierung in CUJAZ, Ad diversos titulos pandectarum recitationes, ad h. l. = Opera postuma IV Teil 1 (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 349: „quinimo etiamsi dominus ei non cesserit actionem, ipse eam rem cuius aestimationem soluit domino, potest persequi actione Publiciana, quia litis aestimatio quam soluit, non ante eum facit dominum, quam rei possessionem recuperauerit.“ 1164 CARRELLI, L’acquisto (1934) 49 A. 89. 1165 s. o. S. 76 mit A. 244.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 313 werden? Eine zusätzliche Begünstigung darf dem Beklagten nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Freilich scheinen die beiden Quellen, auf die CARRELLI hinweist, dessen Argumentation zu stützen. Dies sind: D. 41,4,1 (Gaius im 6. Buch ad edictum provinciale): Possessor, qui litis aestimationem optulit, pro emptore incipit possidere. Der Besitzer, der die Zahlung des Streitwertes angeboten hat, beginnt so zu besitzen, als hätte er die Sache gekauft. sowie – noch deutlicher auf die Konkurrenz zweier Ersitzungslagen bezogen: D. 41,4,2,21 (Paulus im 54. Buch ad edictum): Si rem alienam emero et, cum usucaperem, eandem rem dominus a me petierit, non interpellari usucapionem meam litis contestatione. sed si litis aestimationem suffere maluerim ait Iulianus causam possessionis mutari ei qui litis aestimationem sustulerit, idemque esse, si dominus ei, qui rem emisset a non domino, donasset: eaque sententia vera est. Wenn ich eine (dem Verkäufer) fremde Sache gekauft habe und, während ich ersaß, dieselbe Sache der Eigentümer von mir herausverlangt hat, werde meine Ersitzung nicht durch die Streitbefestigung unterbrochen. Wenn ich aber es vorzog, den Streitwert zu leisten, sagt Julian, ändere sich der Besitztitel für den, der den Streitwert geleistet hat, und ebenso sei es, wenn der Eigentümer demjenigen, der eine Sache vom Nichteigentümer gekauft hat, die Sache geschenkt hat; und diese Ansicht ist richtig. Im Gaius-Text geht es darum, daß ein Besitzer auf Herausgabe verklagt wurde und statt der Herausgabe der Sache die Streitwertzahlung auf sich nimmt: Dann beginnt (incipit) der Besitzer, pro emptore die Sache zu besitzen. Damit wiederholt das Fragment zum einen die Analogie der Streitwertzahlung zum Kauf. Darüber hinaus legt der Text nahe, daß der Besitzer nunmehr unter einem neuen Ersitzungstitel die usucapio beginnt, unabhängig davon, aus welchem Grunde er zuvor die Sache besessen hat. Dies belegt auch das Julian-Zitat bei Paulus: Anders als bei Gaius erfahren wir hier eindeutig, daß es um einen Besitzer geht, der die herausverlangte Sache zunächst aufgrund eines anderen Titels im Ersitzungsbesitz hatte, nämlich weil er sie gutgläubig von einem Nichtberechtigten gekauft hatte. Er wird vom wahren Eigentümer auf Herausgabe verklagt. Die Klageerhebung unterbricht nicht die Ersitzung. Wenn sich der Beklagte aber gegen die Herausgabe und für die Zahlung des Streitwertes entscheidet, verändert sich nach Julian und Paulus der Besitztitel: Der Beklagte ersitzt nunmehr pro emptore wegen der Streitwertzahlung. Fraglich ist freilich, ob die Formulierung causam possessionis mutari zwingend bedeutet, daß sich der Beklagte auf den alten Ersitzungstitel in keiner Hinsicht mehr berufen kann. Denn an welche Rechtsfolge Julian und Paulus konkret denken, wird nicht deutlich. Zwar könnte es sein, daß Julian und Paulus zufolge im Fall der Streitwertzahlung eine ganz neue Ersitzung mit einer neuen Frist beginnt, für die die bislang bestehende Ersitzungslage unbeachtlich ist. Dafür spricht immerhin, daß der Text zunächst darauf hinweist, daß die litis contestatio die Ersitzung nicht unterbricht, und sodann der Fall der Streitwertzahlung mit sed angeschlossen wird, einer Konjunktion, die einen Gegensatz einleitet. An diesem Ergebnis würde jedoch stören, daß dann dem Besitzer der Erwerb eines zusätzlichen Ti-

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

tels zum Nachteil gereichen würde.1166 Es spricht deswegen einiges dafür, daß Julian und Paulus nur bestimmte Rechtsfolgen im Auge hatten. Denkbar ist etwa, daß es um die Frage ging, ob mit der Streitwertzahlung die stipulatio duplae gegen den nichtberechtigten Verkäufer verfällt. Hierzu wird Julian zitiert von Ulpian in D. 21,2,21,1 und 2: Wenn der nichtberechtigte Verkäufer eines Sklaven als Prokurator des Käufers dessen Verteidigung im Eviktionsprozeß übernommen hat und die litis aestimatio leistet, verfällt die stipulatio duplae nicht. Da der Verkäufer nämlich keinen Regreß aus Mandat gegen den Käufer habe, habe dieser durch den Eviktionsprozeß weder die Sache selbst noch den Sachwert eingebüßt. Wenn der Käufer dagegen selbst den Prozeß übernommen hat und den Streitwert an den Eigentümer gezahlt hat, verfällt die stipulatio duplae. Der Verkäufer könne sich auch nicht darauf berufen, daß der Käufer den Besitz der Sache behalten durfte: prope enim hunc ex secunda emptione, id est ex litis 1166 Vgl. daher ad h. l. POOL, Een kwestie van titels, Causa van bezit, verjaring en eigendom naar klassiek Romeins recht (1995) 25 f., der eine accessio temporis zugunsten des Beklagten annimmt. Sein argumentum a fortiori aus Paulus D. 41,4,2,10 ist freilich nicht zwingend. Für eine accessio temporis spricht aber das allerdings schwer verständliche Fragments Paulus D. 47,2,85 (vgl. PENNITZ, Enteignungsfall [1991] 311 u. schon o. A. 1159): Quamvis res furtiva, nisi ad dominum redierit, usucapi non possit, tamen, si eo nomine lis aestimata fuerit vel furi dominus eam vendiderit, non interpellari iam usucapionis ius dicendum est. – Obwohl eine gestohlene Sache, wenn sie nicht zum Eigentümer zurückgelangt, nicht ersessen werden kann, trotzdem ist zu sagen, daß, wenn ihretwegen der Streitwert geschätzt worden ist oder dem Dieb der Eigentümer die Sache verkauft hat, ein bereits laufendes Recht zur Ersitzung nicht unterbrochen wird. – Da der Dieb selbst schon mangels Gutgläubigkeit kein ius usucapionis haben kann, scheint hier der Dieb die Sache einem gutgläubigen Dritten weiterverkauft zu haben. Nun werden zwei Fälle derselben Lösung zugeführt: Im ersten Fall vindiziert der Eigentümer die Sache von – wie anzunehmen ist, obwohl der Klagegegner nicht benannt wird – dem Dritten, der Dritte aber zieht die Zahlung des Streitwertes einer Herausgabe der Sache vor. Im zweiten Fall verkauft der Eigentümer die Sache dem Dieb. Die Rechtsfolge ist, daß ein schon bestehendes Ersitzungsrecht (des Dritten) nicht unterbrochen wird. Das ist nicht ganz verständlich, weil wegen der Furtivität gemäß der lex Atinia die Sache zuvor nicht ersessen werden konnte (für Interpolation ab non interpellari daher EHRHARDT, Litis aestimatio [1934] 170 f.), vgl. Gaius II, 49, der deswegen dem gutgläubigen Besitzer einer res furtiva das ius usucapiendi explizit abspricht. Die Formulierung non interpellari könnte sich aber auf folgende Weise erklären: Möglicherweise zog Paulus zur Lösung des (ihm schwieriger erscheinenden) Falles, daß der Abkäufer des Diebes die litis aestimatio zahlt, den Fall des Verkaufs an den Dieb heran. Nehmen wir an, daß Paulus dem Verkauf an den fur Rückwirkung in dem Sinne zubilligte, daß zugunsten eines gutgläubigen Abkäufers des Diebes der Mangel der Furtivität rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Erwerbes geheilt wird. Dann stellte sich die Frage, ob auch im Falle der Zahlung der litis aestimatio durch den Abkäufer eine solche Rückwirkung eintrete. Der Vergleich mit einem Verkauf an den Dieb spricht dafür; problematisch ist aber, daß der Abkäufer mit der Zahlung der litis aestimatio zugleich einen neuen Besitztitel erwirbt. Hier könnte Paulus formuliert haben, die Zahlung der litis aestimatio führe wie ein Verkauf an den Dieb mit Rückwirkung eine Ersitzungslage herbei, und das Recht des Abkäufers zur Ersitzung werde nicht etwa dadurch unterbrochen, daß er zugleich mit der Zahlung der litis aestimatio aufgrund eines neuen Titels besitze, denn es solle dem Abkäufer nicht zum Schaden gereichen, daß er selbst und nicht der Dieb den Eigentümer abgefunden habe (vgl. mit ähnlichem Ergebnis, allerdings undeutlicher PENNITZ, a. a. O., 311). Diesen Vergleich beider Fälle könnten die Kompilatoren bis zur überlieferten Fassung verkürzt haben.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 315 aestimatione, emptori habere licet, non ex pristina; das Recht des Käufers zum Besitz beruhe nämlich nicht auf dem vorangehenden Kauf, sondern auf dem zweiten Kauf, der in der Zahlung des Streitwertes zu sehen ist. Somit folgt aus den angeführten Fragmenten keineswegs mit Sicherheit, daß der alte Ersitzungstitel etwa Dritten gegenüber bedeutungslos geworden wäre. Selbst wenn man dies aber annehmen würde, stünde ein solches Ergebnis der angeführten Deutung von Papinian D. 6,1,63 nicht entgegen: Anders als bei Gaius, Julian und Paulus ist der Beklagte bei Papinian im Zeitpunkt der Verurteilung zum Streitwert nicht mehr Besitzer. Deswegen kann sich sein Besitztitel auch nicht ändern; der neue Besitztitel aufgrund der Streitwertzahlung kann ihm noch gar keine Ersitzungsmöglichkeit vermitteln. Schützen kann der Prätor daher nur den früheren Ersitzungsbesitz aus der Zeit vor der Klageerhebung, indem er dem Beklagten die actio Publiciana zuspricht. Schließlich wendet CARRELLI1167 ein, da der Text bei Papinian unter der Rubrik de furtis gestanden habe, müsse es sich bei der Streitsache um eine res furtiva handeln, die nach der lex Atinia nicht ersitzungsfähig sei. Doch erstens hat wahrscheinlich die Entgegennahme der litis aestimatio durch den wahren Eigentümer den Mangel der Furtivität geheilt.1168 Zweitens ist aber die Annahme CARRELLIs, die Sache sei dem (klagenden) Eigentümer gestohlen worden, trotz der Palingenesie alles andere als zwingend. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn der Zusammenhang eines Fragments mit der Rubrik der Originalschrift nicht mehr erkennbar ist; hier kommt zudem in Betracht, daß der Verlust der possessio während des Prozesses auf einem Diebstahl beruht und dies der Grund für die Behandlung des Falles unter der Überschrift de furtis gewesen sein könnte.

Die Klagenkonkurrenz, die sich noch damit begründen läßt, daß dem Ersitzungsbesitzer die Beweislage hinsichtlich des einen oder des anderen Weges günstiger erscheinen kann, wäre allein vielleicht kein responsum Papinians wert. Er erwähnt diese Rechtslage in dem cum tamen-Satz aber auch eher beiläufig, um (im letzten Satz) eine schwierigere Frage zu beantworten, die der eigentliche Anlaß zu seiner Stellungnahme gewesen sein dürfte: Kann der haftende Ersitzungsbesitzer die Herausgabe der Sache auch vom zivilen Eigentümer verlangen, wenn dieser als erster von beiden nach der Streitwertzahlung den Besitz erlangt hat?1169 Der Verurteilte ist dann, nimmt man jeden Erwerbsgrund für sich, nicht prätorischer Eigentümer: Der Ersitzungsbesitz allein setzt sich nicht gegen den zivilen Eigentümer durch, und für den Erwerbstitel aus der Streitwertzahlung fehlt es noch an einer traditio. Hier belehrt uns Papinian, daß der verurteilte Ersitzungsbesitzer beide Erwerbsgründe kombiniert geltend machen darf: Unter Berufung auf seinen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten erhält er die actio Publiciana auch gegen den jetzt besitzenden vormaligen Klä1167

CARRELLI (o. A. 1164). s. schon o. A. 1155, 1159, 1166. 1169 SELB, FS Larenz (1973) 528 mit A. 34 verkürzt den Sachverhalt übrigens, indem er nur die Frage behandelt, ob der Vindikant(!) die Sache vom mittlerweile wieder besitzenden Vindikationsbeklagten(!) auslösen könne. Im letzten Satz des Fragments ist jedoch der Vindikationskläger im Besitz der Sache. 1168

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

ger. Dieser könnte an sich gegen sie die exceptio iusti dominii1170 erheben. Diese ist jedoch nichts anderes als die einredeweise geltend gemachte rei vindicatio. Deshalb dringt der Eigentümer damit nach Papinian nicht durch: Der Jurist erinnert daran, daß der zivile Eigentümer bereits litis aestimationem perceperit und daher seine vindicatio1171 hätte an den damaligen Beklagten abtreten müssen. Wenn aber der Beklagte selbst nach der litis aestimatio in den Besitz der Sache gelangt, bedeutet der Zwang zur Zession der rei vindicatio einen Zwang zur Unterlassung ihrer Geltendmachung, da man eine Klage gegen den Zessionar selbst nicht sinnvoll abtreten kann. Der Eigentümer darf sich also auch nicht einredeweise erfolgreich auf eine rei vindicatio gegen den Verurteilten berufen. Die technische Umsetzung der im letzten Satz des Fragments erwähnten prätorischen Hilfe1172 wird also – wenn nicht gleich in einer schlichten Verweigerung der exceptio iusti dominii – in einer replicatio doli bestehen.1173 Papinian stärkt die Position des Entschädigenden sogar so weit, daß der zivile Eigentümer die replicatio doli nicht – oder doch nur ganz ausnahmsweise („nec facile“) – durch Rückzahlung des empfangenen Streitwertes abwehren kann. Das hat zwar mangels einer Realvollstreckung nur zur Folge, daß trotz des Angebots der Rückzahlung die Restitutionsaufforderung des Richters ergeht und der zivile Eigentümer bei Nichtbefolgung als reus contumax dem iusiurandum in litem des jetzigen Klägers ausgesetzt ist. Der Idee nach geht es Papinian aber nicht um bloßen Bereicherungsausgleich, sondern es soll sich das Sachinteresse des entschädigenden Ersitzungsbesitzers auch gegenüber dem zivilen Eigentümer durchsetzen. Wer schon zuvor die Sache gutgläubig im Eigenbesitz hatte und in rechtlich schützenswerter Weise zu seinem Vermögen zählte – wobei der Schutz nur dem wahren Eigentümer gegenüber versagte –, der soll sich, wenn er auch diesen einmal abgefunden, ihm also das Vermögensrisiko des Wiederfindens der Sache1174 abgenommen hat, endgültig darauf verlassen können, daß er sie nun in bonis hat, auch wenn sie zunächst in den Besitz des zivilen Eigentümers gelangt. Dazu kann er zwar nach Paulus D. 6,1,47 auch schon im Verfahren über seine Haftung verlangen, daß ihm der Kläger eine Kaution bestellt mit dem Inhalt, den Beklagten nicht an der Ergreifung des Besitzes zu hindern. Aber nach Papinian setzt sich sein Sachinteresse auch ohne eine solche Kautionsbestellung gegen den Entschädigten durch. Darin unterscheidet sich derje1170

Zu ihr s. Papinian D. 6,2,16; Neraz D. 6,2,17; ferner Papinian D. 17,1,57. Actione sua in Papinian D. 6,1,63 bezieht sich wahrscheinlich auf die rei vindicatio s. o. A. 330; vgl. A. 801. 1172 Nec facile audiendus erit ille dürfte bedeuten a praetore. 1173 Da es an einer Übergabe im Hinblick auf das kaufähnliche Verhältnis der Streitwertzahlung noch fehlt, kommt eine replicatio rei (quasi) venditae et traditae nicht in Betracht. 1174 Die Endgültigkeit des Eigentumsverlustes (also: den Abandon) begründet Papinian damit, daß der Beklagte bei seiner „Vorleistung“ die Gefahr („periculo eius“) trägt, daß die Sache nicht wiederzuerlangen ist. 1171

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 317

nige, der schon zuvor die Sache im Ersitzungsbesitz gehabt hat, vermutlich von allen anderen Haftenden: Auch der Entleiher und vermutlich auch der malae fidei possessor konnten sich schon im Ausgangsprozeß über ihre Haftung eine Kaution ausbedingen, daß der Kläger im Falle des Wiederauffindens der Sache ihnen den Besitz herausgibt. Wenn sie das aber versäumt hatten, konnte der Kläger im Falle des Wiederfindens der Sache ihnen wahlweise auch die empfangene Entschädigung zurückzahlen.1175 Papinians Text ist demnach weder ein Nachweis für einen Legalübergang der Rechte des Eigentümers noch für eine dem Streitwertzahler unmittelbar gegen den Dritten zustehende eigene Klage (actio quasi Publiciana) zur Verwirklichung seines Regresses. Vielmehr erklärt sich sein Inhalt zwanglos, wenn der Sachverhalt enger verstanden wird; er ist nämlich auf den Fall zu reduzieren, daß der wegen seines Verschuldens post litem contestatam für den Sachverlust haftende Vindikationsbeklagte bereits zuvor ein Ersitzungsbesitzer war.1176 Es läßt sich nur spekulieren, warum diese Beschränkung des Sachverhalts sich aus dem Text des Fragments nur sehr mittelbar erschließen läßt. Man könnte den Grund schlicht im voraussetzungsreichen Schreibstil Papinians sehen.1177 Nicht unwahrscheinlich ist aber, daß sich aus dem ursprünglichen Zusammenhang, in dem das Fragment bei Papinian stand, diese Einschränkung des Sachverhalts ergab, daß sie also verloren ging, weil die Kompilatoren das Fragment aus dem Zusammenhang herausnehmen mußten.1178 Daß die Kompilatoren bewußt die Rechtslage verändern und auch dem nicht ersitzenden, insbesondere dem bösgläubigen Besitzer die actio Publiciana geben wollten, ist demgegenüber weniger wahrscheinlich.

III. Zusammenfassung zur Frage des Eigentumsüberganges Für das klassische Recht erhalten wir, nach dem Bisherigen zusammengefaßt, folgendes Schema hinsichtlich der Frage des Eigentumsüberganges bei der Entschädigung für die Nichterfüllung eines Herausgabeanspruchs: 1. Befindet sich die Sache während des gesamten Prozesses bei dem Beklagten, ist dieser also ein reus contumax, so erwirbt er, sofern die Herausgabeklage 1175

s. dazu o. S. 290 ff., 293 ff. Mit der Erweiterung, daß die Sache auch dem Eigentümer gestohlen worden sein kann, also auch der Fall gemeint sen kann, daß der Beklagte nur wegen der Furtivität der Sache bislang keinen Ersitzungsbesitz hatte. 1177 Vgl. abermals den eingangs (o. S. 89 A. 299) wiedergegebenen Kommentar von CUJAZ ad h. l. 1178 Zu dem Kürzungszwang, unter dem die Kompilatoren standen, und der daraus zu folgernden Vermutung, daß kürzende Eingriffe häufiger waren als nachklassische Zusätze und die Kürzungen zumeist ohne die Absicht sachlicher Neuerung vorgenommen wurden, s. KASER, SZ 96 (1979) 94 ff. sub 5., insbes. S. 96. 1176

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

generell dem Kläger ein ius iurandum in litem ermöglicht,1179 (spätestens) mit der Zahlung der Schätzsumme das prätorische Eigentum. 2. Verliert dagegen der Beklagte im Laufe des Prozesses die Sache oder hat er sie schon zuvor verloren, soll er aber aufgrund seiner fortdauernden Haftung dennoch zugunsten des Klägers verurteilt werden, so hat der Kläger ihm seine sachverfolgenden1180 Klagen abzutreten, bzw. für eine erst künftig mögliche Zession Sicherheit zu leisten.1181 Eine eigene – auch nur analoge – actio Publiciana zur Wiedererlangung des Besitzes von demjenigen Dritten, der die Sache besitzt, steht dem Verurteilten wegen seiner Streitwertzahlung daneben nicht zu; lediglich eine aufgrund früheren gutgläubigen Erwerbs (vom Nichtberechtigten) zu seinen Gunsten begründete actio Publiciana bleibt gegebenenfalls neben den zedierten Klagen erhalten. a) Erlangt der Verurteilte nach Abtretung der Klagen, oder nachdem der Kläger auf andere Weise zu erkennen gegeben hat, daß er mit der Besitzergreifung durch den Beklagten einverstanden ist, den Besitz der Sache, wird er prätorischer Eigentümer.1182 Es steht ihm also erstens gegen die Vindikation des quiritischen Eigentümers eine exceptio (wohl rei [quasi] venditae et traditae) zu. Zweitens erhält er bei anschließendem Besitzverlust die publizianische Klage, mit der er sich auch gegen den zivilen Eigentümer durchsetzt.1183 b) Erhält jedoch vor ihm der vormalige Kläger den Sachbesitz, ist die Rechtslage komplizierter: Zumindest der Entleiher,1184 wahrscheinlich aber auch der Vindikationsbeklagte,1185 der sich nicht als liti se offerens besitzlos dem Streit aufgedrängt und auch nicht dolos seinen Besitz aufgegeben hatte, kann vor seiner Verurteilung verlangen, daß ihm der Kläger – neben der Klagenzession – eine Kaution 1179 Nach LEVY also wahrscheinlich nicht im Kondiktionsverfahren, s. dazu o. S. 281 ff. 1180 Zum Schicksal der Strafklage aus Diebstahl s. o. S. 168 ff. 1181 Dies gilt nicht für den dolo desinens possidere (vgl. Paulus D. 6,1,69, Text s. o. S. 82 und zum Grund s. u. S. 320 ff.), nach spätklassischer Ansicht wohl auch nicht für den liti se offerens bei der Verurteilung aus der actio in rem (dazu o. S. 95 ff.); wahrscheinlich auch nicht für den mit einer condictio (furtiva) belangten Beklagten (s. dazu o. S. 114 ff.). 1182 Auch das wird wahrscheinlich nicht für den mit einer condictio furtiva belangten Verurteilten gelten, s. o. S. 114 ff., 281 ff.; auch nicht für die sonstigen Fälle, in denen der Beklagte kein Recht auf Zession der sachverfolgenden Klagen des Klägers hat (also für den dolo desinens possidere, und den liti se offerens). Hier wird nämlich der Kläger in keiner Weise gezwungen, seine Zustimmung zur Besitzergreifung durch den Beklagten zum Ausdruck zu bringen. 1183 Durch eine replicatio rei (quasi) venditae et traditae gegen die exceptio iusti dominii. 1184 Pomponius D. 13,6,13pr., dazu o. S. 292. 1185 Paulus D. 6,1,47 (Text o. S. 274), dazu o. S. 290 ff.

§ 15 Zur Frage des Eigentumsüberganges auf den haftenden Sachschuldner 319

leistet, daß er dem Beklagten die Sache herausgibt, wenn er sie erlangt,1186 oder daß er die Besitzergreifung durch den Verurteilten nicht hindern werde.1187 Möglicherweise stand dieses Recht jedem für den Besitzverlust haftenden Schuldner zu, außer dem mit der condictio (furtiva) belangten Beklagten,1188 dem liti se offerens und dem Vindikationsbeklagten, der den Besitz der Sache dolos aufgegeben hat.1189 Hat der Beklagte es aber versäumt, sich eine solche Kaution versprechen zu lassen, stehen ihm folgende Klagen zur Wahl: War er aus einer Vertragsklage verurteilt worden, steht ihm die vertragliche Gegenklage zu, wenn der frühere Kläger den Besitz der Sache erlangt. Diese ist – wahrscheinlich nach Wahl des früheren Klägers – gerichtet auf Rückzahlung des empfangenen Schätzwertes oder Restitution der wiedergefundenen Sache. Daneben stand ihm – nach im einzelnen unter den klassischen Juristen umstrittener Begründung – eine condictio (indebiti oder quasi sine causa dati) auf Rückzahlung der geleisteten aestimatio zu.1190 Wahrscheinlich kann auch diese Klage der Entschädigte abwehren, indem er statt der empfangenen Entschädigung die wiedergefundene Sache herausgibt und übereignet.1191 Stand der Verurteilte zum Entschädigenden in keinem vertraglichen Verhältnis, so dürfte ihm nur diese Kondiktion zugestanden haben.1192 Eine Ausnahme bildet der den zivilen Eigentümer entschädigende Ersitzungsbesitzer, dessen Sachinteresse sich nach Papinian D. 6,1,631193 auch dann gegen den Entschädigten durchsetzt, wenn der Entschädigte zuerst den Besitz der Sache wiedererlangt. Hierfür genügt die actio Publiciana, die dem Ersitzungsbesitzer aufgrund seines bereits vor Klageerhebung bestehenden Ersitzungsbesitzes zusteht. Nach Empfangnahme der litis aestimatio kann der zivile Eigentümer der Publizianischen Klage nicht mehr erfolgreich die exceptio iusti dominii entgegenhalten. Bei der Inanspruchnahme des haftenden Ersitzungsbesitzers ist also der Abandon spätestens mit Empfangnahme des Streitwertes endgültig, und zwar auch ohne daß er im Ausgangsverfahren sein Sachinteresse zum Ausdruck gebracht hat; die Kaution aus Paulus D. 6,1,47, die sicherstellt, daß der Kläger den Beklagten nicht an der Besitzergreifung hindern werde, konnte sich der Ersitzungsbesitzer vermutlich zwar bestellen lassen, er brauchte dies aber anders 1186

So Pomponius D. 13,6,13pr. So Paulus D. 6,1,47. 1188 Nach Julian D. 13,1,14,1 kann der Beklagte der condictio ex causa furtiva überhaupt keine Kautionsbestellung durch den Kläger verlangen, dazu o. S. 114 ff. 1189 Vgl. Paulus D. 6,1,68 (quoque), Text o. S. 82; s. schon o. S. 291 bei A. 1077. 1190 (Cassius-)Ulpian D. 12,7,2, wobei Cassius möglicherweise für eine condictio indebiti eintrat; Ulpian jedenfalls nimmt eine condictio sine causa an; dazu o. S. 293 ff. 1191 s. o. A. 1097. 1192 Dafür gibt es aber außer (Cassius-)Ulpian D. 12,7,2 keine Quelle. 1193 s. o. S. 298 ff. 1187

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als andere Entschädigungspflichtige nicht, um einen Anspruch auf Sachherausgabe gegen den zivilen Eigentümer zu erwerben. Im Rahmen dieses Schemas bedarf nun noch der Fall einer Vertiefung, daß der Beklagte dem Eigentümer wegen d o l o s e r Besitzpreisgabe haftet.1194

§ 16 Die Verweigerung der Klagenzession im Rahmen der Vindikation bei dolos herbeigeführtem Besitzverlust (erneut zu Paulus D. 6,1,69) I. Paulus versus Marcellus: eine alte crux interpretationis Nach dem im Digestentitel de rei vindicatione stehenden Paulus-Fragment D. 6,1,691195 wird derjenige Beklagte, der dolos bewirkt hat, daß er nicht mehr besitzt, („auch“) in der Weise bestraft, daß der Kläger ihm nicht Sicherheit für eine künftige Klagenabtretung leisten muß: D. 6,1,69 (Paulus im 13. Buch ad Sabinum) Is qui dolo fecit quo minus possideret hoc quoque nomine punitur, quod actor cavere ei non debet actiones, quas eius rei nomine habeat, se ei praestaturum. Derjenige, der absichtlich bewirkt hat, daß er nicht mehr besitzt, wird auch in der Weise gestraft, daß der Kläger ihm nicht Sicherheit dafür leisten muß, daß er ihm die Klagen, die er wegen dieser Sache hat, abtreten wird.

Den Gedanken der Bestrafung desjenigen, der aufgrund seines eigenen dolus haftet, indem ihm die Möglichkeit der Zessionserzwingung für seinen Regreß versagt wird, finden wir noch öfter.1196 Dagegen besagt Marcellus D. 42,1, 12,1197 daß dem dolos die Abwesenheit der Sache verursachenden Verwahrer 1194

s. auch die ergänzende Zusammenfassung u. S. 333. s. dazu insbesondere schon o. S. 82 ff. 1196 Und zwar bei der Haftung mehrerer Vormünder aus der actio tutelae wegen gemeinschaftlichem dolus: Ulpian D. 27,3,1,14: neque mandandae sunt actiones neque utilis competit, quia proprii delicti poenam subit; ähnlich, wenn mehrere Vormünder die Verwaltung des Mündelvermögend unterlassen haben, Papinian D. 26,7,38,2: cum propria cuiusque contumacia puniatur, qua fronte poterit hoc desiderari? Dem Bestrafungsgedanken nahe stehen ferner Ulpian D. 47,2,14,3 und andere Quellen (s. o. S. 178 ff., vgl. S. 181 ff.), wonach derjenige, der wegen seines eigenen dolus (oder auch weil er selber ein fur ist) dem Eigentümer für einen Diebstahl haftet (etwa der Verwahrer), zur actio furti nicht aktivlegitimiert ist, obwohl er aufgrund seiner Haftung die aus dem Diebstahl resultierende Vermögensgefahr trägt: sed non debet ex dolo suo furti quaerere actionem. Hier wird aber nicht der Regreß aus Strafgesichtspunkten verweigert, sondern eine über die Wiedererlangung des Sachwertes hinausgehende Bereicherungsmöglichkeit, die andernfalls einen Anreiz zur Ermöglichung des Diebstahls darstellen könnte. 1197 s. dazu schon o. S. 266. 1195

§ 16 Verweigerung der Klagenzession im Rahmen der Vindikation

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oder Entleiher die übrigen Klagen des Eigentümers abzutreten sind, wenn auch erst im Vollstreckungsverfahren:1198 D. 42,1,12 (Marcellus im 4. Buch seiner digesta): In depositi vel commodati iudicio, quamquam dolo adversarii res absit, condemnato succurri solet, ut ei actionibus suis dominus cedat. Im Verfahren über die Klage aus Leihe oder aus Verwahrung pflegt man, selbst wenn mit Absicht des Gegners die Sache verschwunden ist, dem Verurteilten so zu helfen, daß ihm der Eigentümer seine Klagen abtritt.

Abweichend vom Bestrafungsgedanken sieht auch Paulus D. 11,3,14,9 die Zessionserzwingung – sogar schon im Erkenntnisverfahren – an denjenigen vor, der den Besitzverlust (in casu beim Kläger) vorsätzlich herbeigeführt hat: Wenn nämlich jemand einen Sklaven durch Überredung zur Flucht so verdorben hat, daß der Eigentümer ihn nicht mehr einsetzen kann, so haftet der Anstifter aus der actio servi corrupti nur dann in Höhe des vollen Wertes des Sklaven (und nicht nur in Höhe der Wertminderung), wenn der Kläger ihm seine Klagen (auf Herausgabe gegen einen Dritten, der den Sklaven jetzt besitzt) abtritt.1199 Zur „Vereinigung“ von Paulus D. 6,1,69 und Marcellus D. 42,1,12 konnte schon 1836 MÜHLENBRUCH sagen, „hat man viel geschrieben“.1200 1. Zunächst ist zu fragen, ob überhaupt ein Widerspruch hinsichtlich der Rechtsfolgen vorliegt. TREITSCHKE1201 – als einziger und ohne Resonanz in der Literatur – leugnete dies, indem er zwischen Zession und Sicherheitsleistung differenzierte: Paulus schließe nur die v o r h e r i g e Sicherheitsleistung aus, nicht aber eine im Verfahren schon mögliche Zession, und umgekehrt ordne Marcellus nur die Erzwingung einer schon möglichen Zession, nicht aber die vorherige Sicherheitsleistung an. Treitzschke führte dafür das starke Argument an, der vorsätzliche „Verletzer des heiligen Niederlegungscontracts“ (des depositum) könne schwerlich besser gestellt werden als der dolose Vindikationsbeklagte. Zu bedenken ist jedoch, daß wegen der Widerruflichkeit der Bestellung zum procurator oder cognitor in rem suam eine erzwungene Zession ohne g l e i c h z e i t i g e Sicherheitsleistung nichts wert ist.1202 Dann erscheint aber eine differenzierte Behandlung danach, ob der Drittschuldner noch im Verfahren gegen den ehemaligen Besitzer bekannt wird – dann Erzwingung der Zes1198 Hierin liegt möglicherweise auch eine – allerdings weniger weitreichende – Benachteiligung wegen des dolus; s. o. b. A. 980. 1199 s. zum Text o. S. 122 ff. sowie S. 258 ff.; vgl. MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 410 f. mit A. 373. 1200 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 411. Aus neuerer Zeit findet sich insbesondere bei CARRELLI, L’acquisto (1934) 69 ff. eine ausführlichere Diskussion der verschiedenen Ansichten, die zur Vereinbarkeit beider Fragmente vertreten wurden. 1201 TREITSCHKE, in: Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Juris Civilis in’s Deutsche übersetzt IV (1832) 349 A. 25 zu Marcellus D. 42,1,12. 1202 s. o. S. 109 ff.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

sion durch Zurückbehaltungsrecht – oder nicht – dann weder Zessionserzwingung noch Sicherheitsleistung – wenig sinnvoll. Vielmehr wird die Sicherheitsleistung für eine künftige Zession, wenn eine aktuelle Zession (die auch mit einer Sicherheitsleistung verbunden wäre) nicht möglich ist, stets an deren Stelle getreten sein.1203 Auch wird in den beiden anderen Fällen der Bestrafung aufgrund des eigenen dolus bzw. eigener contumacia1204 das Recht auf Zession zu Regreßzwecken insgesamt versagt. Schließlich legt auch Papinian D. 6,1, 631205 im Umkehrschluß dasselbe für den Fall des dolosen Besitzverlustes beim Vindikationsbeklagten nahe. 2. Auf andere Weise versuchten GOTHOFREDUS1206 und später POTHIER1207 das Verhältnis beider Fragmente zu bestimmen: Die Aussage von Paulus betreffe eine actio stricti iuris, d. h. sie enthalte einen Rechtssatz des reinen, theoretischen Rechtes, der aber in der Praxis abgemildert worden sei, wie das Pomponius-Fragment zeige. Denn die aequitas verlange auch bei dolosem Besitzverlust die Klagenabtretung, weil es ungerecht sei, wenn der Eigentümer sowohl die litis aestimatio bekomme als auch – möglicherweise – später die Sache selbst zurückerhalte. Zwar kann sich diese Ansicht auf die Verwendung des Wortes solet berufen.1208 Doch spricht Marcellus ausdrücklich nur von der Praxis in depositi vel commodati iudicio. Vor allem deutet nichts darauf hin, daß Paulus nur einen theoretischen Rechtssatz wiedergebe, der in der Praxis schon längst nicht mehr angewendet werde. Gerade die Verwendung des Wortes punitur zeigt vielmehr, daß es sich um eine bewußte Benachteiligung des Vindikationsbeklagten, der seinen Besitz dolos aufgegeben hat, handelt und nicht etwa um eine ungewollte Härte des Rechts, die die Praxis im Wege der aequitas hätte korrigieren wollen.1209 3. Die ganz überwiegende Ansicht nimmt daher schon seit der Glosse an, daß der Vindikationsbeklagte auf der einen Seite und die von Marcellus genannten Besitzer (Entleiher und Verwahrer) auf der anderen Seite im Fall des dolosen Besitzverlustes unterschiedlich behandelt wurden.1210 Der Verdacht, daß es sich 1203

LEVY, SZ 42 (1921) 506 f.; vgl. auch S. 501 A 6. Ulpian D. 27,3,1,14; Papinian D. 26,7,38,2; s. o. A. 1196. 1205 Dazu bereits o. S. 89 ff. 1206 GOTHOFREDUS, Corpus iuris civilis (Lugduni 1650), Anmerkung x zu Marcellus D. 42,1,12 (Sp. 1494). 1207 POTHIER, Pandectae Justinianeae I (Ed. Parisiis 1818) 310 (Nr. LI zum Digestentitel 6,1): Quod dictum est, ei qui dolo fecit quo minus possideret non cedendas esse petitoris actiones, stricto quidem Jure obtinet; ex aequitate autem aliter observatur. In A. 4 zu Nr. LI wendet sich POTHIER ausdrücklich dagegen, den entscheidenden Unterschied in der Art der Klage (in personam bzw. in rem) zu sehen. 1208 GOTHOFREDUS selbst stützt seine Ansicht auf succurri. 1209 Zutreffend PELLAT, Propriété (1853) 382; CARRELLI, L’acquisto (1934) 70. 1210 s. neben den im folgenden genannten Autoren MEDICUS, SZ 81 (1964) 254. 1204

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um einen echten Gegensatz handelt, der auf Eigenheiten des jeweiligen Verfahrens beruht, in dem der für den Besitzverlust Haftende in Anspruch genommen wird, wird unterstützt durch die palingenetische Forschung LENELs, nach der das Marcellus-Fragment in dessen Digesten im Abschnitt de rei vindicatione gestanden haben soll und daher mit der Einleitung „in depositi vel commodati iudicio“ gerade auf diesen Gegensatz hingewiesen zu haben scheint.1211 Dafür spricht namentlich auch die Formulierung quamquam (!) dolo adversarii res absit bei Marcellus. Worin aber genau der Grund für die abweichende rechtliche Behandlung der beiden Fälle liegt, ist unterschiedlich beurteilt worden. a) Die Glosse1212 hebt als Unterscheidungsgrund in erster Linie hervor, daß der Vindikationsbeklagte in einem Verfahren stricti iuris, der Beklagte bei Marcellus – zumindest im Falle des depositum1213 – in einem bonae fidei iudicium in Anspruch genommen werde. Doch war die rei vindicatio nicht so strikt, daß sie eine Zessionserzwingung generell nicht zugelassen hätte.1214 Vielmehr hatte bei den restituere-Klagen der iudex in Ausübung seines officium einen hinreichenden Ermessensspielraum. Andererseits wäre auch – und gerade(!) – in einem bonae fidei iudicium die Bestrafung des dolus durch Versagung des Zessionsregresses möglich gewesen.1215 b) DONELLUS1216 sah den entscheidenden Unterschied darin, daß der Eigentümer gegenüber dem Verwahrer und dem Entleiher, nicht aber gegenüber einem schlichten Besitzer verpflichtet sei. Verwahrer und Entleiher könnten nämlich gegen den Eigentümer mit der actio depositi bzw. commodati contraria vorgehen – und so nötigenfalls auch nachträglich noch eine Klagenzession erzwingen. Dagegen stünde dem bloßen Besitzer eine vergleichbare Klage nicht zu. Im Rahmen der Vindikation könne der Richter aufgrund seines arbitrium 1211

LENEL, Palingenesia I 594 (Marcellus Nr. 31) mit A. 3; LEVY, SZ 42 (1921)

507 f. 1212 Glosse (Corpus Glossatorum Turin VII [1969] 258 f.) zu D. 6,1,69: „non debet“; (Corpus Glossatorum Turin IX [1968] 164 rechte Sp. sub h) zu D. 42,1,12: „in depositi“; ebenso CUJAZ, Commentaria in libros quaestionum Papiniani, zu D. 6,1,63 (Lib. XII. Quaestionum) = Opera postuma I (Ed. FABROTUS 1658) Sp. 325. 1213 Die Erläuterung steht bei fr. 12 zu in depositi. Zu den beiden Formeln der actio commodati s. schon o. A. 1080. 1214 Paulus D. 6,1,21; Papinian D. 6,1,63; o. S. 73 ff.; abwegig EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 155 f. (eine Anspruchsabtretung sei bei der Vindikation nicht in Frage gekommen) der Papinian fr. 63 insgesamt für unecht erklärt und Paulus fr. 21 übersieht. 1215 Vgl. Ulpian D. 27,3,1,14; Papinian D. 26,7,38,2 beide zur actio tutelae, s. o. A. 1196. Gegen die Glosse bereits MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 411 A. 374; HEIMBACH in WEISKE, Rechtslexikon XIII (1859) s. v. Vindikation, 58; LEVY, SZ 42 (1921) 508 A. 4; CARRELLI, L’acquisto (1934) 71. 1216 DONELLUS, Iurisconsulti et Antecessoris Opera omnia XI (1767) Sp. 200 f. (sub 3.).

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nur dann dem Vindikanten etwas zugunsten des Vindikationsbeklagten auferlegen, wenn dies von der aequitas unbedingt gefordert werde. Der dolose Vindikationsbeklagte sei aber nicht schutzwürdig.1217 PELLAT1218 schloß sich dem an und betonte zusätzlich, daß der Kläger in beiden Fällen unterschiedlich schutzwürdig sei: Im Falle der Leihe und der Verwahrung habe er bereits seine unmittelbare Sachherrschaft zugunsten des Vertragpartners aus der Hand gegeben. Einem solchen Eigentümer mute man daher eher zu, daß er sich zum Zwecke eines echten Ausgleichs zwischen den Vertragspartnern für die Entschädigung im Gegenzug seiner Ansprüche gegen Dritte entledige. Dem schlichten Vindikanten, der seine Sache nicht freiwillig aus der Hand gegeben habe, sei es dagegen nicht zuzumuten, seine Ansprüche auf Wiedererlangung der Sache an den dolosen Vindikationsbeklagten abzutreten. Auch diese Argumentation bleibt jedoch unbefriedigend:1219 Der behauptete Unterschied zwischen dem arbitrium des Richters im Falle der Vindikation und der Befugnis, aufgrund der bona fides-Formel eine Abrechnung der gegenseitigen Ansprüche durchzuführen, wirkt konstruiert. Man sollte doch erwarten, daß der Richter nach Möglichkeit auch im Rahmen der Vindikation dem Geltung verschafft, was bona fides und aequitas fordern, sofern nämlich der ihm eröffnete Ermessensspielraum dies zuläßt. Daß der Richter eine Klagenzession auch im Rahmen der Vindikation erzwinge konnte, zeigt aber der Fall des fahrlässig für den Besitzverlust verantwortlichen Vindikationsbeklagten. Warum jedoch der dolose Vindikationsbeklagte weniger schutzwürdig sein soll als der dolose Verwahrer bzw. Entleiher, bleibt bei DONELLUS offen.1220 Der eher formale Unterschied, daß der Vindikationsbeklagte (außer möglicherweise einer condictio) keine Klage gegen den Eigentümer hat, erklärt die Unterscheidung zwischen dem dolosen und dem fahrlässig handelnden Vindikationsbeklagten nicht hinreichend.1221 Vielmehr muß den iudex ein Wertungsargument veranlaßt haben, den 1217 DONELLUS (o. A. 1216) Sp. 201: „Nulla autem iuris aut aequitatis ratio patitur, ut decipientibus succurratur“. 1218 PELLAT, Propriété (1853) 381–383; ähnlich PENNITZ, Enteignungsfall (1991) 318 A. 302, der meint, der Kläger habe es sich im Falle von Marcellus selbst zuzuschreiben, daß er mit einem Unzuverlässigen kontrahiert habe. Seine Annahme, wegen der Verwendung des Wortes „punitur“ sei davon auszugehen, daß der Beklagte den Besitz nicht nur dolos aufgegeben, sondern schon zuvor dolos erworben habe, ist aber ohne Anhalt. 1219 Ebenso CARRELLI, L’acquisto (1934) 71. 1220 Im Gegenteil begründet DONELLUS (o. A. 1216) ausdrücklich, warum er das Verhalten des Vertragsschuldners für verwerflicher hält: Dieser verletzte nämlich zweierlei („bis peccat“), das Eigentum des Klägers und das ihm entgegengebrachte Vertrauen, während der Vindikationsbeklagte nur das Eigentums des Klägers verletze, „nihil amplius“. Vgl. dazu übrigens noch heute die höhere Strafandrohung (Qualifikation) bei der Unterschlagung einer anvertrauten Sache in § 246 Abs. 2 StGB gegenüber dem Grundtatbestand des § 246 Abs. 1 StGB. 1221 Hinzu kommt, daß in dem Marcellus-Fragment die Klagenzession beim vorsätzlichen Verwahrer bzw. Entleiher nicht im Erkenntnisverfahren erzwungen wird, son-

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dolosen Vindikationsbeklagten schlechter zu stellen als den fahrlässigen Vindikationsbeklagten und den vorsätzlichen Vertragsschuldner. Auch die Argumentation von PELLAT, die dem modernrechtlich geschulten Leser vertrauter erscheinen mag,1222 überzeugt nicht: Paulus stellt nicht auf das Verhalten und die Schutzwürdigkeit des Klägers ab, sondern spricht von einer bewußten Entscheidung gerade zu Lasten des dolosen Vindikationsbeklagten (punire). Im Rahmen der Vindikation wird nach Paulus nicht etwa danach unterschieden, ob der Vindikant die Sache ursprünglich freiwillig aus der Hand gegeben hatte (also ob er sie etwa einem Verwahrer übergeben hatte, der sie seinerseits vertragswidrig an den Beklagten weitergegeben hatte) oder ob sie ihm ursprünglich abhanden gekommen war. c) MÜHLENBRUCH1223 sah mit großer Gefolgschaft den entscheidenden Unterschied darin, daß der dolose Restitutionsschuldner bei Paulus versuche, selber einem bevorstehenden Rechtsstreit auszuweichen und dem Eigentümer einen anderen Prozeßgegner gegenüberzustellen. Offenbar ging MÜHLENBRUCH also von einer Besitzaufgabe vor der litis contestatio aus. Der Vertragspartner könne hingegen diese Absicht gar nicht haben, er hafte vielmehr ohnehin aus der Vertragsklage. Zur Begründung ergänzten HEIMBACH und ALBERT SCHMID,1224 ein nur der actio in rem ausgesetzter Besitzer unterliege bei doloser Entäußerung dem besondere Strafvorschriften enthaltenden Edikt de alienatione iudicii mutandi causa facta;1225 aus ihm könne sich auch die Versagung der Klagenzession ergeben haben. Dies wäre denkbar, wenn gegen den bei Paulus in fr. 69 genannten Beklagten qui dolo fecit quo minus possideret nunmehr nur die actio in factum des Edikts und nicht die rei vindicatio gegeben wäre und wenn die Ediktsklage strafenden dern nach der Verurteilung, also mittels exceptio doli (!) gegen die actio iudicati; s. o. S. 266 f. 1222 Wegen der Parallele zu dem Prinzip, daß ein gutgläubiger Erwerb einer beweglichen Sache nur dann möglich ist, wenn der Berechtigte die Sache freiwillig aus der Hand gegeben und so den Rechtsscheinstatbestand veranlaßt hat (§ 935 Abs. 1 BGB). 1223 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 411 f.; ebenso HEIMBACH, in WEISKE, Rechtslexikon XIII (1859) s. v. Vindication, 58 f.; A. SCHMID, Cession I (1863) 264 f.; WETZELL, Vindicationsproceß (1845) 224 ff.; ähnlich FR. MOMMSEN, Erörterungen über die Regel: Commodum ejus esse debet, cujus periculum est (1859) 96 f. A. 26; OERTMANN, Vorteilsausgleichung (1901) 261. Noch F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 99 A. 3; SIBER, Passivlegitimation (1907) 140 A. 1 zitieren allein diese Erklärung – SCHULZ allerdings neben seinem eigenen Begründungsansatz (dazu u. A. 1231). 1224 HEIMBACH und A. SCHMID (o. A. 1223); beide erweitern die Argumentation auch auf dolosen Besitzverlust nach Klageerhebung; vgl. auch WETZELL, Vindicationsproceß (1845) 226 f. 1225 Zum Edikt siehe den Digestentitel 4,7; KASER, RP I 248 A. 17, S. 406 bei A. 22 sowie KASER /HACKL, RZ, 299, die nur eine in integrum restitutio und eine actio in factum als Rechtsfolgen erwähnen. Nach A. SCHMID soll das Edikt entgegen Paulus D. 4,7,8,1 nach vorjustinianischem Recht auch Veräußerungen nach der litis contestatio betroffen haben.

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Charakter hätte. Aber die actio in factum des Edikts wird in Ulpian D. 4,7,4,6 ausdrücklich als Sachverfolgungsklage und als non poenalis bezeichnet; sie ist nach D. 4,7,4,5 zudem auf id quod interest gerichtet, so daß auch ihr gegenüber die Erzwingung der Klagenabtretung zu erwarten wäre. Außerdem ist vorsätzliche Herbeiführung des Besitzverlustes (fr. 69) nicht gleich Veräußerung (alienatio),1226 so daß im Fall D. 6,1,69 das Edikt gar nicht (zwingend) Anwendung fände. Schließlich führt Paulus selbst in D. 6,1,27,3 die Passivlegitimation desjenigen, qui ante litem contestatam dolo desiit rem possidere, zur actio in rem specialis (= rei vindicatio) auf die Parallele zum SC Iuventianum1227 zurück,1228 nicht auf das Edikt. Ist aber die rei vindicatio noch gegeben, so ist die Ediktsklage zumindest subsidiär.1229 Wenn aber Paulus einmal die Passivlegitimation desjenigen, qui dolo desiit rem possidere, zur rei vindicatio anerkannt hat – und fr. 69, wenn man es auf Besitzverlust vor Klageerhebung bezieht, setzt dies voraus –, dann kann Paulus die vorsätzliche Besitzaufgabe des Restitutionsschuldners nicht zugleich deswegen als besonders strafwürdig einstufen, weil der Besitzer die Absicht habe, sich einem Vindikationsprozeß zu entziehen: Diese Absicht der Prozeßvereitelung ist dann nämlich von vornherein aussichtslos.1230 Wenn es aber auf die Absicht ankommen sollte, die in der Hoffnung begründet ist, der eigene dolus werde nicht nachgewiesen werden können, so könnte diese genauso auch ein Depositar haben, der nur für seinen dolus haftet. d) LEVY1231 schließlich versuchte, die Divergenz mit einem Wertungsunterschied zwischen dem vertraglichen und dem außervertraglichen dolus zu erklären. Eine Vertragsklage sei stets sachverfolgend, mit ihr könne also keine Strafe erzielt werden. Daher sei auch der dolus im Rahmen einer Vertragsklage nur „bald notwendiges, bald zufälliges Tatbestandsmerkmal“ für die Haftung und speziellen Rechtsfolgen nicht zugänglich. Der außervertragliche dolus hingegen sei Delikt und verlange Strafe. Diese bestehe hier darin (was übrigens noch von 1226 Ulpian D. 4,7,4,1: potest autem aliquis dolo malo desinere possidere nec tamen iudicii mutandi causa fecisse nec hoc edicto teneri: n e q u e e n i m a l i e n a t , q u i d u m t a x a t o m i t t i t p o s s e s s i o n e m . Der letzte Satz findet sich sogar als regula iuris antiqui in D. 50,17,119. 1227 D. 5,3,20,6 ff.; eod. 25,2. 1228 Dazu SIBER, Passivlegitimation (1907) 11 ff., insbes. 18 ff. SIBER hält dies allerdings für eine Sondermeinung des Paulus. 1229 Vgl. Gaius D. 4,7,3,5. 1230 Vgl. LEVY, SZ 42 (1921) 508. Nach a. A. ist die Fortgeltung der Passivlegitimation bei doloser vorprozessualer Besitzpreisgabe dagegen unklassisch. Dann kann sich Paulus D. 6,1,69 aus diesem Grunde nicht auf den vorprozessualen Besitzverlust beziehen, da das Fragment die Verurteilung des Vindikationsbeklagten voraussetzt. Demnach entfiele die Argumentation von MÜHLENBRUCH aus diesem Grunde, so etwa HAUK, Das Recht des Ersatzpflichtigen (1929) 6. 1231 LEVY, SZ 42 (1921) 505 ff.; ähnlich schon F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 99.

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anderen Autoren so gesehen wird),1232 daß dem dolo desinens possidere der (nach dem iusiurandum in litem des Klägers ermittelte) Sachwert als reine Strafzahlung1233 auferlegt werde. Die auf Gaius 4,71234 gestützte plausible These LEVYs, eine Vertragsklage könne nicht pönal sein, kann hier nicht überprüft werden.1235 Der Schwachpunkt der Argumentation von LEVY ist aber die wenig überzeugende Begründung, wieso der dolo desinens possidere überhaupt – über die Erhöhung des zu ersetzenden Streitwerts durch das iusiurandum in litem des Klägers hinaus, die er nach der Quellenlage unzweifelhaft erdulden muß,1236 – „strafwürdig“ ist. Die Frage drängt sich auf durch einen Vergleich mit dem reus contumax, also mit dem Beklagten, der die Sache noch hat, aber der Aufforderung des Richters zur Restitution nicht Folge leistet und den Besitz behält: Wegen des Prinzips der Geldkondemnation wird auch er nur in Geld – und zwar in Höhe des vom Kläger beschworenen Streitwerts – verurteilt; im Unterschied zum dolo desinens possidere wird er aber zum Ausgleich sofort E i g e n t ü m e r der in seinem Besitz verbleibenden Sache.1237 Dazu meint LEVY1238 sinngemäß lediglich, die Rechtsordnung würde zwar auch gerne den contumax bestrafen; da er aber im Besitz der Sache sei, könne sie es nicht. Denjenigen, der dolos seinen Besitz verloren hat, könne sie hingegen durch Verweigerung des Rechts auf Klagenzession strafen – und also strafe sie ihn. Dagegen ist jedoch zu sagen, daß sich eine solche Rechtsordnung schwerlich dem Vorwurf der Willkür entziehen könnte. Die römische Rechtsordnung aber gibt nicht etwa nur vor der Macht des Besitzes des contumax „klein bei“. Sie begünstigt ihn vielmehr sogar, indem sie ihn emptoris loco stellt und ihm als 1232 Zuletzt vorsichtig WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 118 nach A. 517; einschränkend S. 121. WIMMER selbst mutmaßt S. 118 A. 518 zur Erklärung des Gegensatzes zwischen Marcellus fr. 12 und Paulus fr. 69, daß es bei den Vertragsklagen „nicht im gleichen Maße um die vorrangige Naturalrestitution wie bei den dinglichen Klagen geht“. 1233 LEVY, SZ 42 (1921) 505 f., 510 mit Berufung auf Papinian D. 46,3,95,9 bei A. 3 (dazu noch sogleich); vgl. DENS., Nachträge (1962) 72. 1234 Gaius 4,7: Rem tantum persequimur velut actionibus, ‹quibus› ex contractu agimus, wobei rem tantum im Gegensatz zu poenam tantum und rem et poenam behandelt wird. LEVY, Privatstrafe und Schadensersatz im klassischen römischen Recht (1915) 13 f. 1235 Kritisch zu dieser These HAUK, Das Recht des Ersatzpflichtigen (1929) 6 f.: Auch wenn die Tat im Rahmen eines Vertragsverhältnisses begangen worden sei, werde sie dadurch nicht ihres etwaigen Deliktscharakters entkleidet. 1236 Die Anwendbarkeit des iusiurandum in litem auch in diesem Fall bezeugt das insoweit als echt anerkannte (vgl. KASER /HACKL, RZ, 339 mit A. 34) Fragment Ulpian D. 6,1,68. 1237 Paulus D. 6,1,46; s. o. S. 272 und allgemein zur Frage des Eigentumserwerbs durch den reus contumax o. S. 270 ff. 1238 SZ 42, 505.

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Ausgleich für seine Zahlung das Eigentum an der Sache verleiht. Sie zeigt damit, daß sie den contumax jedenfalls nicht ausschließlich1239 als strafwürdig behandelt, sondern im Verhältnis des Eigentümers zu ihm auf Ausgleich bedacht ist. Dann würde es aber verwundern, wenn die Zahlung des dolo desinens possidere eine echte Strafzahlung sein sollte.1240 e) Gänzlich unbefriedigend ist es zuletzt, Zuflucht zur Annahme einer Interpolation von Marcellus D. 42,1,121241 oder von Paulus D. 6,1,691242 zu nehmen, für die kaum ein Motiv ersichtlich wäre. Gegen die Annahme einer (den Inhalt betreffenden) Interpolation von Paulus D. 6,1,69 spricht vor allem die inhaltliche Übereinstimmung mit Papinian D. 6,1,63,1243 gegen eine Verdächtigung des Marcellus-Textes sprechen die darin selbst enthaltenen Hinweise auf einen Gegensatz zur Rechtslage bei der Vindikation.1244

1239 Inwieweit der Erhöhung des Streitwertes durch das iusiurandum in litem ein strafendes Moment innewohnt oder ob sie (wie Zwangsgeld und Zwangshaft nach § 888 ZPO zur Erzwingung einer unvertretbaren Handlung; dazu STÖBER, in: Zöller, § 888 ZPO Rz. 7) eine reine Zwangs- und Beugemaßnahme ohne repressiven Charakter darstellt, kann hier nicht untersucht werden. Nach KASER /HACKL, RZ, 339 dient „der Mehrbetrag, der bei eidlicher Schätzung zu erwarten ist, . . . als ,Strafe‘ für die contumacia, ihre Androhung als Zwangsmittel, um den Beklagten zur Naturalleistung zu bewegen“. s. D. 35,2,60,1 i. f.: A. WACKE, FS Behrends (2009) 575. Darauf kommt es aber nicht an, weil der dolo desinens possidere ebenfalls dem iusiurandum in litem unterliegt und es jedenfalls an Argumenten dafür fehlt, wieso der dolo desinens possidere in weitergehendem Maße strafwürdig sein sollte als der reus contumax. 1240 Ebenso lehnen HAUK, Das Recht des Ersatzpflichtigen (1929) 6 f. und CARRELLI, L’acquisto (1934) 74 ff. unter Hinweis auf den Vergleichfall des reus contumax die Erklärung LEVYs ab. 1241 So aber V. BESELER, Beiträge III (1913) 188: „byzantinische Milde“, verteidigt in SZ 45 (1925) 217 f.; dazu treffend LEVY, SZ 42 (1921) 507 A. 8: „Justinian ein Beschirmer der Arglist?“; EHRHARDT, Litis aestimatio (1934) 153, 156 A. 3 streicht in Marcellus D. 42,1,12 quamquam – absit; für „certamente spurio“ hält das fr. 12 CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 49 A. 1 a. E. 1242 So hält HAUK, Das Recht des Ersatzpflichtigen (1929) 7 f., 11 in D. 6,1,69 insbesondere das „non“ für interpoliert und verkehrt so den Inhalt des Fragments in sein Gegenteil. – CARRELLI, L’acquisto (1934) 84 ff. ersetzt dagegen [actiones . . . habeat] durch ‹rem, si in potestate sua veniat›, meint also, im Original sei dem Beklagten nicht eine Kaution zur Sicherung der Zession verweigert worden, sondern die cautio de re restituenda. Das vermeintliche sprachliche Interpolationsindiz (das „si“ in „actiones, si quas eius rei habeat“, dazu CARRELLI, L’acquisto [1934] 86 f.) entpuppt sich allerdings als ein Schreibfehler des Autors selbst, dazu treffend CHIAZZESE, Jusiurandum in litem (1958) 49 A. 1. Ohne weitere Erläuterung hält auch KASER, RP II 296 A. 36 Paulus D. 6,1,69 für überarbeitet; zur der rein die sprachliche Ausdrucksweise korrigierenden Kritik von CHIAZZESE (dazu o. A. 1241) soll hier nicht Stellung genommen werden. 1243 Si culpa, n o n f r a u d e quis possessionem amiserit; Papinian nimmt also den Fall doloser Besitzaufgabe ausdrücklich aus. CARRELLI selbst sieht sogar im Schluß von Ulpian D. 5,3,25,8 einen weiteren Beleg für die Verweigerung der Klagenzession an den dolo desinens possidere, den er zur Begründung seiner Interpolationsannahme zu Paulus D. 6,1,69 ebenfalls für überarbeitet erklärt.

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f) Die Suche nach einer Erklärung der unterschiedlichen Behandlung von Depositar sowie Entleiher einerseits und des Vindikationsbeklagten andererseits im Falle des dolosen Besitzverlustes muß vielmehr bei der Frage ansetzen, warum bei der Vindikation demjenigen, qui dolo fecit quo minus possideret, ein Recht auf Klagenabtretung verweigert wird. Denn die Verweigerung des Rechts auf Klagenzession trotz Entschädigung des Eigentümers ist die Ausnahme, wie schon der Wortlaut des Fragments selbst (hoc quoque nomine p u n i t u r ) zum Ausdruck bringt.1245 Aus Papinian D. 6,1,63 scheint demgegenüber die Regel zu folgen: qui pati debet aestimationem, audiendus est a iudice ut adversarius actione sua cedat.1246 Die Ausnahme von diesem Grundsatz bedarf aber der besonderen Begründung. Wer dolo fecit quo minus possiderit muß zunächst einmal die possessio innegehabt haben. Possessio ist zwar im weiteren Sinne jeder Gewahrsam, jede tatsächliche Sachherrschaft.1247 Im engeren Sinne bezeichnet possessio aber den Eigenbesitz,1248 und diese Bedeutung hat das Wort zumal im Zusammenhang mit der rei vindicatio zumindest typischerweise, da hier jedenfalls ursprünglich nur der Eigenbesitzer, als bloßer Detentor nicht aber der Fremdbesitzer passivlegitimiert war.1249 Wenn ein Eigenbesitzer aber den Besitz der Sache vorsätzlich aufgegeben hat (oder zumindest sie bewußt einer Gefahr ausgesetzt hat, bei der er mit ihrem Verlust rechnete), hat er damit zum Ausdruck gebracht, daß er auf diesen Eigenbesitz keinen (besonderen) Wert mehr legte. Muß es dem Richter da nicht wie Hohn in den Ohren klingen, wenn der Beklagte nunmehr versucht, seine Verurteilung hinauszuschieben mit dem Argument, der Eigentümer müsse ihm noch seine Klagen abtreten, damit er wieder in den Besitz der Sache gelangen könne, den er soeben bewußt und willentlich preisgegeben hat? Ein solches Verlangen ist in sich widersprüchlich. Auf eine Erzwingung durch den Richter kommt es zudem nur an, wenn der Kläger nicht von sich aus zur Zession bereit ist: Eine freiwillige Zession wird der Richter wohl kaum zu Strafzwecken unterbunden haben (können). Wenn der Kläger aber seine Besitzverschaffungsklagen behalten will, die durch den Prozeß gegen den Beklagten und durch dessen Zahlung nicht untergehen,1250 so hat das den nachvollziehbaren Grund, daß er hofft, mit diesen noch die reale Einräumung des Besitzes vom jetzigen Besitzer erzwingen zu können. Ihm diese legitime Hoffnung auf Real1244 Namentlich der Anfang in depositi et commodati iudicio sowie quamquam (vgl. o. bei A. 1211). Wie hier ausdrücklich für Echtheit beider Fragmente außer LEVY, SZ 42 (1921) 507 ff. auch MEDICUS, SZ 81 (1964) 254. 1245 s. schon o. S. 84 nach A. 276. 1246 s. schon o. S. 94 bei A. 325. 1247 HEUMANN /SECKEL, s. v. possidere a). 1248 Aufschlußreich HEUMANN /SECKEL, s. v. possidere b). 1249 KASER, RP I 432 f. 1250 Vgl. Papinian D. 46,3,95,10 und Ulpian D. 5,3,13,14.

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befriedigung zugunsten eines Beklagten zu nehmen, der sein Desinteresse an der Naturalerfüllung der Besitzverschaffungsklagen deutlich zum Ausdruck gebracht hat, wird der Richter sich hüten. Verwahrer und Entleiher haben hingegen nie Eigenbesitz (possessio) gehabt.1251 Wenn sie die Unerreichbarkeit der Sache dolos bewirkt haben, brachten sie damit zum Ausdruck, daß sie nicht mehr gewillt sind, f ü r d e n E i g e n t ü m e r zu besitzen. Dagegen standen sie im Moment des Abhandenkommens der Sache nicht wie der Eigenbesitzer vor der Alternative, die Sache zu verlieren oder für sich selbst zu besitzen. Ihnen daher die aus der Interessehaftung an sich folgende Möglichkeit zu versagen, mit Hilfe der abgetretenen Klagen in den Eigenbesitz der Sache zu gelangen, besteht keine Veranlassung. Diese Unterscheidung erklärt auch, wieso demjenigen, der dolos den Besitzverlust beim Eigentümer herbeiführt und der nunmehr aus einer Deliktsklage (!) in Anspruch genommen wird, die Klagen gegen den jetzigen Besitzer trotz seines dolus abzutreten sind.1252 Die hier entwickelte Deutung führt vor allem zu einem ganz anderen – angemesseneren – Verständnis des punire in D. 6,1,69. Nach der herrschenden Ansicht1253 ist darunter eine echte Bestrafung des Beklagten zu verstehen, die also etwa der Strafzahlung gleicht, zu der ein fur mit der actio furti angehalten wird, die unabhängig davon, ob der Geschädigte mit einer sachverfolgenden Klage Ersatz des Sachinteresses erzielt hat, zu einer nicht weiter zu rechtfertigenden Bereicherung des Klägers führt.1254 Demnach könnte der Eigentümer, wenn er die Sache selbst später wiedererlangt, die vom dolo desinens possidere empfangene Entschädigung zusätzlich zu der wiedergefundenen Sache selbst behalten. Nach der hier vertretenen Interpretation wird dagegen der Beklagte lediglich an seinem in dem früheren Verhalten zum Ausdruck gekommenen Willen festgehalten; darin liegt insofern eine Art Bestrafung – und nicht nur die Versagung eines rechtsmißbräuchlichen Begehrens –, als der Beklagte seine Meinung über das Behaltenwollen der Sache geändert haben könnte. Daß dieser Einwand aber nicht mehr zugelassen wird, hat mit einer deliktischen poena nichts gemein, beruht vielmehr auf dem (strafähnlichen) Verwirkungsgedanken. Eine echte deliktsähnliche Bestrafung wäre als Ziel der rein sachverfolgenden1255 rei vindicatio auch sehr ungewöhnlich.1256 Überdies paßt es zum Cha1251

Vgl. z. B. Paulus D. 41,2,3,20. s. o. S. 321 f. zu Paulus D. 11,3,14,9. 1253 So deutlich LEVY (s. o. bei A. 1231), s. aber auch die Vertreter der Ansicht von MÜHLENBRUCH (s. o. bei A. 1223). 1254 Ausdrücklich z. B. LEVY, SZ 42 (1921) 505 ff. 1255 KASER, RP I 501. 1256 LEVY, SZ 42 (1921) 510 beruft sich daher auf einen Vergleich der Restitutionsklausel mit der clausula doli bei anderen Klagen (der actio de peculio, actio tributoria, actio ad exhibendum, dazu die Übersicht bei COING, Die clausula doli im klassi1252

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rakter einer reinen Strafzahlung nicht, daß die Verpflichtung des dolosen Restitutionsschuldners erlischt, wenn der spätere Besitzer seinerseits die gegen ihn gerichtete Vindikation (real durch Sachherausgabe oder durch Leistung der litis aestimatio) erfüllt.1257 Der in den Quellen nicht ausdrücklich entschiedene Fall, daß n a c h der Zahlung des Streitwertes durch den dolo desinens possidere bei unterbliebener Zession der jetzige Besitzer die Vindikation des Eigentümers erfüllt, wird daher auch nicht so zu lösen sein, daß der Eigentümer die Zahlung als Bereicherung behalten darf. Vielmehr wird dem nur aufgrund seines vorangegangenen dolus zur Streitwertzahlung Verurteilten hier die condictio (sine causa) offengestanden haben, wie sie uns für den Fall, daß der bereits entschädigte Eigentümer die vom Walker verlorenen Kleider wiederfindet, in D. 12, 7,21258 durch Ulpian von Cassius überliefert ist.1259 Als ein Indiz dafür läßt schen Recht, FS Fritz Schulz I (1951) 98 A. 2): Mittels der clausula doli dieser Klagen werde „aus Gründen der Prozeßökonomie . . . im Rahmen einer an sich sachverfolgenden actio“ die Strafe für den dolus geltend gemacht; dieselbe Funktion übernehme die Restitutionsklausel der Vindikation (bzw. der hereditatis petitio) im Falle einer wegen dolosen Verhaltens unterbliebenen Restitution. Dabei gesteht LEVY selbst ein, daß die Restitutionsklausel im Falle des nichtdolosen Sachverlusts nach der litis contestatio einen Strafcharakter nicht habe. Warum die Restitutionsklausel ihren Charakter wechseln soll, bleibt freilich dunkel. Ähnlich argumentierte schon WETZELL, Vindikationsprozeß (1845) 226 f. (übereinstimmend HEIMBACH, in WEISKE, Rechtslexikon XIII [1859] s. v. Vindication, 59) mit einer „clausula de dolo“ für den Fall des dolosen Besitzverlustes nach Prozeßbegründung: Ohne diese Klausel wäre der Vindikationsbeklagte bei dolosem Besitzverlust im laufenden Prozeß einer – nicht näher bezeichneten – „deliktsähnlichen Haftung“ unterworfen gewesen. Die Forthaftung mit der rei vindicatio auf die litis aestimatio, die mittels der clausula doli bewirkt worden sei, sei nun an die Stelle der „deliktsähnlichen Haftung“ getreten, habe aber von dieser den Charakter einer Strafe (in Form einer Konventionalstrafe) übernommen. Dabei bleibt allerdings bereits unklar, was WETZELL und HEIMBACH mit dieser clausula de dolo meinen; die petitorische Vindikationsformel (hierzu KASER, RP I 435) enthielt eine solche Klausel nicht; die dolus-Klausel aus der cautio iudicatum solvi (dazu schon o. A. 337) hätte wohl nicht die Verurteilung aus der actio in rem gestützt. Wahrscheinlich denken WETZELL und HEIMBACH an die clausula doli der im Sponsionsverfahren (s. ebenfalls KASER, RP I 435; KASER /HACKL, RZ, 105 ff.) abzugebenden cautio pro praede litis (s. LENEL, EP [3. Aufl. 1927] 516 ff., 524; KASER /HACKL, RZ, 281 f. mit w. N. zur dolusKlausel in A. 36). Dann stört jedoch an der Erklärung, daß sie auf eines der beiden dem Kläger zur Wahl stehenden Verfahren beschränkt ist, ohne daß dies bei Paulus D. 6,1,69 erkennbar wäre. Aber auch der Strafcharakter einer Verurteilung aus dieser Klausel scheint nicht nachgewiesen. 1257 So zur hereditatis petitio Papinian D. 46,3,95,9 (dieser vielleicht auch zur rei vindicatio, dazu o. S. 87 f.); Marcellus-Ulpian D. 5,3,13,14 (dazu o. A. 293 und 294); nach (Marcellus-)Ulpian soll ggfs. schon die Bereitschaft des jetzigen Besitzers genügen, die Sache zu restituieren oder auch sich nur auf den Prozeß einzulassen. Daß daher keine reine Strafzahlung vorliegen kann, erkennt auch WIMMER, Besitz und Haftung (1995) 121. 1258 s. dazu o. S. 293. Die condictio ist auf Rückzahlung der geleisteten Entschädigung gerichtet; möglicherweise kann sie aber der Eigentümer (nach seiner Wahl) auch dadurch abwenden, daß er die wiedergefundene Sache herausgibt, vgl. oben A. 1097. 1259 s. dazu schon kurz o. A. 298. Problematisch ist der umgekehrte Fall, daß nicht der Eigentümer, sondern der dolo desinens possidere nach der Streitwertzahlung wie-

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sich auch der Schluß von Papinian D. 6,1,631260 werten. Nach diesem Fragment kann der frühere (gutgläubige) Besitzer, der die Sache fahrlässig verloren hatte, gegen den Eigentümer die actio Publiciana erheben, wenn er entschädigte Eigentümer die Sache wiedererlangt. Am Ende behandelt Papinian die Frage, ob der Eigentümer statt der Sache auch die empfangene Entschädigung herausgeben könne. Papinian antwortet, mit diesem Wunsch sei der entschädigte Eigentümer nur schwerlich zu hören (nec facile audiendus erit). Die Frage könnte Papinian gerade deswegen vorgelegt worden sein, weil der Eigentümer, wenn er von einem dolo desinens possidere entschädigt worden war, nur der condictio (sine causa) auf Rückzahlung der empfangenen Entschädigung ausgesetzt war.1261 Dafür spricht, daß Papinian seinen Fall im Eingangssatz scharf von der in den Besitz der Sache gelangt (vgl. ebenfalls schon o. A. 298): Konsequent in der Verfolgung des Zieles, dem Eigentümer stets die Durchsetzung seines Sachinteresses zu ermöglichen, wäre es, nicht etwa schlicht die erneute Vindikation im Wege honorarrechtlicher Konsumption abzuweisen (dies mutmaßt aber WIMMER, Besitz und Haftung [1995] 118 A. 517); vielmehr müßte der wieder besitzende Vindikationsbeklagte (wohl ohne Einschaltung einer exceptio doli) die Rückzahlung des im ersten Prozesses erlangten Streitwertes verlangen können, soweit der Wert der Sache in ihrem jetzigen Zustand die damalige Leistung als sine causa erscheinen läßt (vgl. dazu die Entscheidung des Pomponius in dem Parallelfall D. 47,2,9,1 [dazu s. o. S. 119 ff.], in dem der Eigentümer den Dieb zunächst mit der condictio furtiva in Anspruch genommen hat und später gegen ihn abermals Klage erhebt, dieses zweite Mal mit der rei vindicatio: Nach der von Pomponius bevorzugten Lösung ist die rei vindicatio nicht ohne weiteres abzuweisen, vielmehr solle der iudex die Zahlung der litis aestimatio aufgrund der condictio furtiva im Rahmen der Entscheidung über die rei vindicatio berücksichtigen.) Doch unterscheidet sich der hier gebildete Fall, daß der dolo desinens possidere wieder in den Besitz der Sache gelangt, von dem des Pomponius dadurch, daß der dolo desinens possidere – anders als vermutlich der Dieb im Rahmen der condictio furtiva (s. o. S. 120 vor A. 434) – schon im ersten Prozeß dem iusiurandum in litem des Klägers unterworfen ist. Deswegen ist zweifelhaft, ob im Falle des dolo desinens possidere der Kläger in dem zweiten Prozeß über die rei vindicatio überhaupt ein sinnvolles Druckmittel hätte, den Beklagten nunmehr zur Naturalrestitution zu bewegen: Die Geldkondemnation könnte höchstens ergehen in den im zweiten Prozeß beschworenen Streitwert abzüglich des bereits im ersten Prozeß beschworenen Streitwertes. Für den liti se optulens stellt sich das Problem entsprechend (vgl. schon o. A. 383). Mangels ausreichender Quellen kann es nicht sicher entschieden werden. Jedenfalls aber wird der Streitwertzahler in den Fällen, in denen ihm kein Recht auf eine Klagenzession zusteht (also bei Inanspruchnahme aus der condictio furtiva oder aus der rei vindicatio als dolo desinens possidere bzw. liti se offerens), auch mit der Wiedererlangung des Besitzes post litis aestimationem nicht (prätorischer) Eigentümer (s. schon o. A. 1182); dies hat zumindest die Konsequenz, daß ihm auch dann keine Herausgabeklage zusteht, wenn er den Besitz abermals verliert. Der zivile Eigentümer kann daher dann gegen den Dritten ungehindert wieder die rei vindicatio erheben, ohne mit einer Herausgabeklage des Streitwertzahlers konkurrieren zu müssen. 1260 Dazu o. S. 89 ff., 298 ff. 1261 Möglicherweise mit der o. A. 1097, 1258 erwähnten Befugnis zur Abwendung der condictio durch Rückgabe der wiedergefundenen Sache. – Ähnlich wie beim dolo desinens possidere war allerdings auch die Rechtslage bei solchen Entschädigungspflichtigen, die es versäumt hatten, im Verfahren über ihre Haftung sich eine cautio de restituendo vom Kläger bestellen zu lassen, s. dazu o. S. 290 ff., 293 ff., 319 f.

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demjenigen des dolo desinens possidere abgrenzt mit den Worten: si culpa, n o n f r a u d e quis possessionem amiserit.1262 Möglicherweise wollte Papinian bei der Behandlung seines Falles also den Gegensatz betonen zu dem Fall des vorsätzlichem Besitzverlustes durch den Beklagten, bei dem nur der geleistete Streitwert kondiziert, nicht aber die Sache herausverlangt werden kann, wenn der Eigentümer die Sache wiedererlangt.

II. Zusammenfassung (zugleich Ergänzung der Zusammenfassung zu § 12) Dem Vindikationsbeklagten, der dolos seinen Besitz aufgegeben hat, gesteht Paulus D. 6,1,691263 vermutlich deswegen kein Recht auf eine Zession der Klagen des Eigentümers zu, weil der Beklagte durch seine vorsätzliche Besitzpreisgabe zum Ausdruck gebracht hat, daß er kein Interesse an der Sache selbst hat. Deswegen wird hier das Sachinteresse des Eigentümers als gewichtiger eingestuft als das Regreßinteresse des Entschädigenden, der sein Recht auf Zession der sachverfolgenden Klagen verwirkt hat. Der dolo desinens possidere ist insoweit nicht gleichzusetzen mit dem in Marcellus D. 42,1,121264 behandelten Depositar oder Entleiher, der vorsätzlich die Sache preisgegeben hat; denn dieser hat nur seinen Fremdbesitz aufgegeben, also nur zum Ausdruck gebracht, daß er nicht mehr bereit ist, für den Eigentümer zu besitzen. Gelangt im Falle des dolo desinens possidere nach der Entschädigung des Eigentümers die Sache wieder in den Besitz des Entschädigten, kann wahrscheinlich der dolo desinens possidere mit der in (Cassius-)Ulpian D. 12,7,2 in ähnlichem Zusammenhang erwähnten Kondiktion1265 die geleistete Entschädigung zurückverlangen; nur vermuten läßt sich, daß der Eigentümer die Kondiktion auch durch Herausgabe der wiedergefundenen Sache abwenden konnte.1266 Ebenfalls nur vermuten läßt sich, daß auch in den anderen Fällen, in denen dem Entschädigungspflichtigen, der dem Eigentümer auf Ersatz wegen Sachverlutes haftete, ein Recht auf Klagenzession abgesprochen wurde (also im Fall des liti se offerens und des Schuldners einer condictio furtiva), der Entschädigende

1262

Demgegenüber meinten F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 99 bei A. 5 (vgl. aber auch Rückgriff und Weitergriff [1907] 106 f.) und SELB, FS Larenz (1973) 528 A. 34, Papinian wende sich mit der als polemisch empfundenen Formulierung nec facile audiendus erit ille gegen andere Juristen; SCHULZ und SELB mutmaßten deswegen einen Meinungsstreit über die Frage, ob der Abandon des Eigentums durch den entschädigten Eigentümer nach römischem Recht endgültig sei. 1263 Dazu s. außer hier S. 320 ff. schon o. S. 82 ff. 1264 Dazu s. außer hier S. 320 ff. schon o. S. 266. 1265 Dazu s. o. S. 293 ff.; 330 ff.; ferner schon kurz o. A. 298. 1266 Zum Fall, daß nach Streitwertzahlung der Verurteilte wieder an den Besitz der Sache gelangt, s. o. A. 1259. DENS.,

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seine Leistung mit der in (Cassius-)Ulpian D. 12,7,2 erwähnten Kondiktion zurückverlangen konnte, wenn der Eigentümer die Sache von anderer Seite wiedererlangte.1267

§ 17 Zusammenfassung zum 2. und 3. Kapitel I. Drei einflußreiche Lehrmeinungen im gemeinen Recht Zur Forderungszession bei der Haftung für Sachverlust gab es im g e m e i n e n Recht im wesentlichen drei Lehrmeinungen, die Einfluß auf die Gesetzgebung zu § 255 BGB genommen haben:1268 1. Zum einen hat MÜHLENBRUCH1269 in seinem Werk über die Zession (3. Auflage 1836) bei dem Versuch, die in den Quellen überlieferten Fälle einer notwendigen Zession in Gruppen einzuteilen, eine Kategorie aufgestellt, die er wie folgt überschrieb: „Wer Jemandem zum Schadensersatz wegen abhanden gekommener oder beschädigter Sachen verpflichtet ist, der kann verlangen, daß ihm die, diese Sachen betreffenden Klagen zur Entschädigung abgetreten werden.“ Diese Kategorisierung MÜHLENBRUCHS hat VON VANGEROW1270 unverändert wiedergegeben. Auf VON VANGEROW berufen sich die Motive zur Gesetzgebung zum BGB bei der Begründung der Normierung von § 255 BGB.1271 2. Neben VON VANGEROW nennen die Materialien zur Gesetzgebung des BGB auch WINDSCHEID.1272 Dessen maßgebliche Äußerung findet sich im Rahmen einer Aufzählung derjenigen Fälle, in denen die Quellen die Übertragung eines dinglichen Anspruchs erwähnen. WINDSCHEID nennt hier – wie MÜHLENBRUCH ebenfalls ohne den Anspruch, eine Regel aufzustellen – die Fallgruppe, daß eine Abtretung der rei vindicatio dann stattfinde, wenn jemand eine Sache herausgeben solle, dies aber nicht könne und deswegen dem Gläubiger auf Schadensersatz hafte. 3. Für den Vorentwurf zum Sachenrecht, dessen § 1921273 die Keimzelle des heutigen § 255 BGB darstellt, war schließlich eine dritte Lehrmeinung aus1267 Vgl. schon o. A. 383 (zum liti se offerens) und A. 435 (zum Schuldner der condictio furtiva). 1268 s. dazu o. S. 62 ff. 1269 MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 409; dazu o. S. 62 ff., insbes. bei A. 194. 1270 V. VANGEROW, Lehrbuch der Pandecten III (7. Aufl. 1869) § 574 A. 4.4 (S. 113); s. o. A. 191. 1271 Motive II 24 A. 3; s. o. A. 190. 1272 WINDSCHEID, Lehrbuch des Pandektenrechts II (6. Aufl. 1887) § 337 A. 1, 2 (S. 298) = WINDSCHEID /KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts II (9. Aufl. 1906) § 337 A. 1, 2 (S. 395); dazu o. S. 66 bei A. 214; vgl. aber auch den nicht in den Materialien zitierten DERNBURG (o. A. 215).

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schlaggebend: Dieser Ansicht zufolge erlangt nach gemeinem Recht (jedenfalls)1274 der Vindikationsbeklagte, der die Sache nicht herausgeben kann, aber dem Eigentümer stattdessen auf Wertersatz haftet, die Ansprüche des Eigentümers wegen derselben Sache schon im Wege fingierter (auch „gesetzlicher“) Zession, also ohne daß sie ihm rechtsgeschäftlich abgetreten werden müßten.1275 Die demgemäß in § 192 des Vorentwurfs zum Sachenrecht normierte Legalzession wurde freilich im weiteren Lauf des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben und stattdessen in § 255 BGB nur ein Zurückbehaltungsrecht gewährt, mit dem der Haftende die rechtsgeschäftliche Zession der Ansprüche des Entschädigten erzwingen kann.1276

II. Der Grundsatz der Klagenzession an den auf Schadensersatz haftenden Herausgabeschuldner und seine Ausnahmen im klassischen Recht In Anlehnung an die von WINDSCHEID gebildete Fallgruppe läßt sich für das k l a s s i s c h e Recht ein Grundsatz aufstellen, daß der Herausgabeschuldner, dem die reale Herausgabe unmöglich ist und der daher auf Schadensersatz haftet, verlangen kann, daß der Gläubiger ihm seine Vindikation (und die anderen auf Wiedererlangung der Sache gerichteten Klagen) abtritt. Dieses Prinzip findet sich in den Quellen ausdrücklich bestätigt für den fahrlässigen Besitzverlust nach Erhebung der rei vindicatio (Papinian D. 6,1,631277; vgl. Paulus D. 6,1, 211278) sowie für denjenigen, der aufgrund eines Vertrages die Sache für den Eigentümer besaß und trotz Verlust des Fremdbesitzes forthaftet1279 (Labeo D. 19,2,60,21280; Gaius D. 19,2,25,81281 für den aus der locatio conductio haften1273 s. REINHOLD JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 32 f./46 f; den Text des § 192 s. o. S. 58. 1274 Nur für den Vindikationsbeklagten vertraten diese Lehre insbesondere MÜHLENBRUCH und WINDSCHEID (o. A. 223; s. DIESELBEN auch o. A. 1141 zu Papinian D. 6,1,63; vgl. auch A. SCHMID, WETZELL sowie ferner SIBER [alle o. A. 1142] zu diesem Fragment); nach A. SCHMID (o. A. 222) sollte dagegen auch der obligatorisch verpflichtete Herausgabeschuldner die Klagen des Eigentümers im Wege einer fingierten Zession erhalten. 1275 Keine Erwähnung findet in den Materialien zum BGB dagegen FRIEDRICH MOMMSEN, der die Zession auf den Argumentationstopos commodum eius esse debet, cuius periculum est zurückzuführen suchte (s. dazu o. S. 67 bei A. 219). 1276 s. dazu (und zu den Gründen) o. S. 60 bei A. 175 ff. 1277 s. insoweit zu Papinian D. 6,1,63 o. S. 89 ff. 1278 Dazu s. o. S. 73 ff.; vgl. auch den Umkehrschluß aus Paulus D. 6,1,69 (o. S. 82 ff., insbesondere S. 84); s. auch die Zusammenfassung zur Klagenabtretung im Rahmen der rei vindicatio o. S. 108. 1279 s. o. S. 250 ff., Zusammenfassung S. 268. 1280 s. dazu o. S. 250 ff. 1281 Dazu s. o. S. 265.

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den fullo bzw. sarcinator; Marcellus D. 42,1,121282 für den Verwahrer und den Entleiher). Für den Geschäftsführer ohne Auftrag, der eine Sache des Geschäftsherrn schuldhaft verliert, läßt sich dasselbe Ergebnis aufgrund von Paulus D. 47,2,54(53),3 vermuten.1283 Von dem Grundsatz kennt das klassische Recht aber Ausnahmen. Zum einen kann – zumindest im Rahmen eines bonae fidei iudicium – die Haftung des für den Sachverlust verantwortlichen Herausgabeschuldners gemildert werden, wenn bei seiner Inanspruchnahme bekannt wird, wo sich die Sache jetzt befindet. In diesem Fall hat der iudex zu prüfen, ob es zumutbar ist, den Eigentümer auf die Klage gegen den aktuellen Besitzer zu verweisen; dann wird der für den Sachverlust haftende Beklagte freigesprochen, wenn er für die Kosten der Rechtsverfolgung (und wahrscheinlich auch für das Ausfallrisiko) Sicherheit leistet (Labeo D. 19,2,60,2).1284 Im Ergebnis trifft den Kläger hier also eine Obliegenheit zur Vorausklage gegen den aktuellen Besitzer, so daß sich die Frage einer Klagenzession (noch) nicht stellt, weil der Entschädigungspflichtige nicht zum Ersatz des Sachwertes verurteilt wird. Neben dieser allgemeinen Ausnahme gab es im römischen Recht auch Fälle bestimmter entschädigungspflichtiger Herausgabeschuldner, die zwar den Ersatz für den vollen Sachwert schulden, denen aber dennoch kein Recht auf Klagenzession zugestanden wird: 1. So kann der mit der condictio furtiva belangte Dieb wahrscheinlich auch dann nicht die Zession der Klagen des bestohlenen Eigentümers verlangen, wenn er die Sache wieder verloren hat und sie an einen Dritten gelangt ist. Die starre dare-Formel der Kondiktion gibt nämlich erstens dem iudex kein hinreichendes Ermessen, um die Klagenzession aus eigener Amtsgewalt zu erzwingen. Zweitens wird dem Dieb aber auch keine exceptio gegen die condictio furtiva gewährt, mit deren Hilfe er die Klagenzession erzwingen könnte. Die Verweigerung einer exceptio hat vermutlich ihren Grund darin, daß die condictio furtiva dem Eigentümer nicht das iusiurandum in litem eröffnete und die Juristen ihm die Chance erhalten wollten, dieses Zwangsmittel mit der rei vindicatio gegen den wahren Besitzer noch ausüben zu können. Sie gestalteten die condictio furtiva daher zu einer Klage aus, mit der der Eigentümer schnell den einfachen (und nicht durch das iusiurandum in litem erhöhten) Sachwert erhalten kann, ohne daß über die endgültige rechtliche Zuordnung der Sache entschieden werden müßte.1285 1282

s. o. S. 266. s. dazu o. S. 160 ff. Der Text handelt expressis verbis allerdings nur von der Zession der strafenden actio furti. 1284 s. dazu o. S. 250 ff., insbesondere S. 257 ff., und auch die Zusammenfassung zur Klagenabtretung im Rahmen vertraglicher Haftung S. 268. 1285 Zu allem s. o. S. 114 ff., Zusammenfassung o. S. 121. 1283

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2. Haftet der Besitzer dem Eigentümer aus der rei vindicatio, obwohl er den Besitz verloren hat, muß der Eigentümer ihm seine Klagen dann nicht abtreten, wenn der Beklagte den Besitzverlust dolos herbeigeführt hat (Paulus D. 6,1,69; Papinian D. 6,1,63).1286 Die Rechtfertigung1287 dafür ist darin zu suchen, daß der Beklagte mit der dolosen Aufgabe des Eigenbesitzes sein Desinteresse an der Sache zum Ausdruck gebracht hat. Deswegen hat er das Recht auf die Zession der Klagen zur Wiedererlangung der Sache verwirkt: Die römischen Juristen werten hier das Interesse des Eigentümers an der naturalen Wiedererlangung seiner Sache höher als das Regreßinteresse des Haftenden. Dies gilt aber nur bei doloser Aufgabe des E i g e n besitzes; der Schuldner einer vertraglichen Herausgabeklage, der zuvor nur Fremdbesitz (die Detention) an der Sache hatte, verwirkt mit dessen vorsätzlicher Preisgabe nicht sein Recht auf Klagenzession (Marcellus D. 42,1,12). 3. Ferner hat nach einer jüngeren klassischen Auffassung derjenige kein Recht auf Klagenzession, der sich der rei vindicatio als Beklagter dolos aufdrängt (qui liti se optulit).1288 Nach der älteren Auffassung (insbesondere von Sabinus und Celsus, in spätklassischer Zeit noch von Gaius aufrecht erhalten)1289 haftet der liti se offerens nicht aus der actio in rem, der er sich aufgedrängt hat, sondern nur aus der clausula doli der cautio iudicatum solvi. Die Haftung aus der daraus resultierenden actio ex stipulatu war gerichtet auf das Interesse des Klägers, nicht getäuscht zu werden (quanti eius interfuit non decipi, s. Celsus D. 5,3,45); hieraus ist zu schließen, daß er dem Beklagten, um nicht mehr als sein Interesse zu erhalten, seine Klagen zedieren mußte, sofern er trotz der zeitlichen Verzögerung durch den Prozeß gegen den liti se offerens noch ziviler Eigentümer geblieben war. Die jüngere Auffassung (von Marcellus, Ulpian und Paulus, wahrscheinlich auch von Pedius)1290 begründete dagegen die Haftung des liti se offerens unmittelbar aus der actio in rem, der sich der Beklagte aufgedrängt hat. Diese Auffassung kommt vermutlich zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Klagenzession: Nach Paulus und Pedius (D. 6,1,7) kann trotz der Verurteilung des liti se offerens aus der Vindikation noch gegen den wahren Besitzer geklagt werden. Die klagende Partei ist dabei wahrscheinlich der Eigentümer (und nicht der verurteilte liti se offerens), der die rei vindi1286 s. o. S. 82 ff. zu Paulus D. 6,1,69 und anderen Quellen, S. 89 ff. zu Papinian D. 6,1,63; Zusammenfassung S. 108. 1287 Dazu und zum Verhältnis von Paulus D. 6,1,69 zu Marcellus D. 41,1,12 s. o. S. 320 ff., insbesondere S. 329 ff. mit der Zusammenfassung S. 333; s. ferner schon o. S. 85 nach A. 282 und S. 88 vor A. 298. 1288 Dazu und zum folgenden s. o. S. 95 ff., Zusammenfassung o. S. 108. 1289 s. (Sabinus-)Gaius D. 4,3,39 (Text o. S. 97), Celsus D. 5,3,45 (Text o. S. 98) (Celsus-[Marcellus-]/)Ulpian D. 5,3,13,13 (Text o. S. 100). 1290 s. ([Celsus-/]Marcellus-)Ulpian D. 5,3,13,13 (Text o. S. 100), (Marcellus-)Ulpian D. 6,1,25 (Text o. S. 103), Paulus D. 7,6,6 (Text o. S. 103), Paulus D. 6,1,27pr. (Text o. S. 104), (Pedius-)Paulus D. 6,1,7 (Text o. S. 105).

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catio gegen den wahren Besitzer erhebt. Da der liti se offerens mit seinem arglistigen Verhalten bereits versuchte, den wahren Besitzer vor einer Inanspruchnahme zu schützen, wird also auch1291 sein Regreßinteresse geringer bewertet als das Interesse des Gläubigers an der Wiedererlangung seiner Sache. Der liti se offerens wird daher nach dieser Auffassung auf quanti ea res erit verurteilt, ohne daß der iudex eine Zession von Klagen an ihn erzwingt.

III. Weitere Fälle der Klagenzession bei Leistung von Wertersatz für eine verlorene Sache Daneben gibt es aber im klassischen Recht weitere Fälle der Klagenzession bei der Haftung auf Wertersatz für eine verlorene Sache: Auch wenn ein Schuldner einer Klage, die nicht primär auf Herausgabe gerichtet ist, den Eigentümer in Höhe des vollen Sachwertes entschädigen muß, kann er (grundsätzlich) die Abtretung der auf Wiedererlangung der Sache gerichteten Klagen verlangen, wenn weder er noch der Eigentümer die Sache besitzt. Der Anspruch auf Wertersatz kann zunächst aus einer Verantwortlichkeit dafür resultieren, daß der Eigentümer selbst seine tatsächliche Sachherrschaft verloren hat. So muß der Geschäftsherr dem Geschäftsführer ohne Auftrag Aufwendungsersatz aus der actio negotiorum gestorum (contraria) leisten, wenn diesem bei der Geschäftsführung eigenes Geld durch ein furtum abhanden kommt; der Geschäftsherr wird aber nur zur Leistung des Ersatzes verurteilt, wenn ihm der Geschäftsführer seine condictio furtiva abtritt (vgl. Papinian D. 47,2,81(80), 7).1292 Haftungsgrund muß aber nicht der Verlust der Sache durch den Kläger sein; vielmehr kann die Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz auch aus einer Haftung für eine Verschlechterung der Sache resultieren: Wenn die Sache so verschlechtert worden ist, daß sie für den Eigentümer kaum noch von Nutzen ist, kann der Geschädigte Ersatz des vollen Sachwertes verlangen, wenn er die bei ihm verbliebene Wertposition auf den Schädiger überträgt. Hat er selbst keinen Besitz mehr an der Sache, genügt es, wenn er die Klagen auf Wiedererlangung der Sache dem Schädiger abtritt (vgl. Paulus D. 11,3,14,9 zur actio servi corrupti).1293

IV. Die Durchsetzung des Zessionszwanges Für das klassische Recht ist die gemeinrechtliche Lehre, der Beklagte könne auch ohne eine rechtsgeschäftliche Zession die Ansprüche des Klägers im Wege 1291

Ebenso wie das Regreßinteresse des dolo desinens possidere, s. o. unter 1. s. o. S. 163 ff.; zu diesem Text s. unter anderem Gesichtspunkt noch o. S. 219 ff., insbes. S. 221 ff. 1293 Dazu s. o. S. 122 ff.; zu Paulus D. 11,3,14,9 s. ferner noch o. S. 258 ff., S. 321, S. 267 A. 980, S. 330 bei A. 1252 und sogleich A. 1297. 1292

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fingierter („gesetzlicher“) Zession geltend machen,1294 unzutreffend. Diese These wurde zumeist auf den Vindikationsbeklagten bezogen, der nach der litis contestatio die Sache fahrlässig (also ohne dolus) verloren hat. Sie beruht aber auf einer verfehlten Interpretation von Papinian D. 6,1,63.1295 Stattdessen wurde in klassischer Zeit das Recht des Entschädigungspflichtigen auf Klagenzession wie folgt durchgesetzt: Der Kläger muß im Entschädigungsprozeß dem Beklagten Sicherheit dafür leisten, daß er den Beklagten, wenn dieser den Prozeß gegen den gegenwärtigen Besitzer führen will, zum cognitor oder procurator in rem suam bestellen werde und daß er selbst dem Beklagten bei der Geltendmachung nicht in die Quere kommen werde (vgl. insbes. Paulus D. 6,1,69).1296 Zur Abgabe einer entsprechenden cautio veranlaßt der iudex den Kläger in der Regel,1297 indem er ihm für den Fall der Weigerung mit Klageabweisung droht. Hierzu bedarf es bei der rei vindicatio, bei der ebenfalls auf quanti ea res erit gerichteten actio servi corrupti und bei den bonae fidei iudicia nicht der Einschaltung einer exceptio doli. Zuweilen wird aber die Zession erst im Prozeß über die actio iudicati mittels exceptio doli erzwungen; dies spricht Marcellus D. 42,1,12 für den Fall aus, daß ein Entleiher oder Verwahrer seinen Fremdbesitz vorsätzlich aufgegeben hat. Der Grund für die Verschiebung der Sicherheitsleistung in das Vollstreckungsverfahren könnte darin liegen, daß der aufgrund des eigenen dolus haftende Beklagte weniger schutzwürdig ist und daher der Kläger zur Zession erst angehalten werden soll, wenn er sich entschieden hat, gegen den Verurteilten auch zu vollstrecken.1298 Hat schließlich der Beklagte seinerseits eine vertragliche Gegenklage, die auf das nach der bona fides Geschuldete gerichtet ist, so kann er diese auch dazu verwenden, die Klagenzession nachträglich zu verlangen, wenn er ohne Abtretung bereits (etwa außergerichtlich) gezahlt hat (so mittelbar Gaius D. 19,2,25,8).1299

V. Der Sonderfall der actio furti Manche Klagen stehen allerdings nicht stets dem Eigentümer als solchem zu, sondern in flexiblerer Weise demjenigen, dessen Interesse durch sie geschützt werden soll. Das wichtigste, in den Digesten am ausführlichsten diskutierte Bei1294

Dazu s. soeben unter I. bei A. 1274. Dazu s. o. S. 298 ff., insbesondere S. 307 (mit A. 1141) ff. 1296 s. o. S. 109 ff. 1297 Eine Ausnahme stellt insoweit Paulus D. 11,3,14,9 dar: Hier verurteilt der iudex den Beklagten in geringerer Höhe (zum oben sogenannten „kleinen Schadensersatz“), wenn der Kläger die Klagen zur Wiedererlangung des Sklaven nicht abtreten will. 1298 Nach anderer Interpretation hat der Beklagte in casu dagegen schlicht versäumt, vor dem iudex im Erkenntnisverfahren die Klagenzession zu begehren; s. dazu o. S. 267 mit A. 980. 1299 Dazu s. o. S. 265 f. 1295

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spiel1300 hierfür ist die actio furti.1301 Sie stand zwar ursprünglich wahrscheinlich stets dem Eigentümer zu. Jedenfalls seit der späten Republik wurde die Aktivlegitimation zur Diebstahlklage aber nach der Regel bestimmt, die Klage stehe demjenigen zu, der das Interesse daran gehabt habe, daß die Sache nicht gestohlen werde (rem non subreptam esse oder non perire). Das Interesse rem non perire konnte auch darin begründet sein, daß jemand dem Eigentümer für den aus dem Diebstahl resultierenden Schaden aufkommen mußte. Deswegen sahen die klassischen Juristen in vielen Fällen nicht den Eigentümer, sondern den Haftenden als zur Diebstahlsklage aktivlegitimiert an. Die Diebstahlsklage, die grundsätzlich dem Eigentümer zustand, ging also gleichsam ipso iure auf den Haftenden über. Allerdings mußte dafür der Haftende solvent sein, und er durfte den Diebstahl nicht absichtlich provoziert haben. Diesen Übergang der Aktivlegitimation auf den Haftenden erkannten die Juristen wohl zunächst in den Fällen an, in denen jemand dem Eigentümer für jeden Diebstahl haftete, also auch ohne eigenes Verschulden. Daher wurde wahrscheinlich am frühesten in den Fällen der Haftung für custodia dem Kustodienten die Aktivlegitimation zur actio furti unter Ausschluß des Eigentümers zugestanden, weil hier der Haftende dem Eigentümer jede Gefahr (das periculum) eines Diebstahles abnimmt. In einem anderen Fall war allerdings der Erwerb der actio furti seit alters1302 ausgeschlossen, nämlich dann, wenn der Haftende selbst als fur den Besitz der Sache erlangt hatte; der fur haftet zwar – wie der Kustodient – auch für den zufälligen Verlust der Sache, sein interesse rem non perire beruht aber auf einer causa inhonesta, die ihn für der Erwerb der Diebstahlsklage disqualifiziert. Jedenfalls in der Spätklassik wurde die Diebstahlsklage dem Haftenden anstelle des Eigentümers über die Fälle der Zufallshaftung hinaus aber auch dann zuerkannt, wenn er nur für culpa haftete und den Diebstahl im Einzelfall (durch unsorgfältige Bewachung) verschuldet hatte. Zur weiteren Voraussetzung erhob man dafür im Grundsatz, daß der Haftende die Sache zum Zeitpunkt des Diebstahles mit dem Willen des Eigentümers in seinem Gewahrsam hatte. Hatte er sie zwar in seinem Gewahrsam, aber nicht mit dem Willen des Eigentümers, war zu unterscheiden: Dem bei Besitzbegründung gutgläubigen Besitzer (bonae

1300 Ein anderes Beispiel ist die actio de pauperie (s. dazu und zu weiteren Beispielen o. A. 636); im Zusammenhang mit einer Haftung für den Verlust einer Sache ist es aber besonders naheliegend, daß der Verlust auf einem Diebstahl beruht und deswegen nach dem Schicksal der actio furti zu fragen ist; außerdem findet sich eine umfassende Kasuistik zur Auslegung der interesse-Regel bei dieser Klage in den Quellen, so daß sich diese Arbeit auf die Darstellung der Rechtslage hinsichtlich der Diebstahlsklage beschränkt. 1301 s. hierzu das Sonderkapitel o. S. 168 ff. mit der eigenen Zusammenfassung o. S. 244 ff. (s. dort die genaueren Verweisungen). 1302 Nach Pomponius D. 47,2,77(76),1 (Text s. o. S. 181) war der Satz, daß ein Dieb die Diebstahlsklage nicht erheben könne, jedenfalls schon von Quintus Mucius Scaevola anerkannt.

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fidei possessor) gestand man wahrscheinlich auch dann ipso iure die Aktivlegitimation zur actio furti anstelle des Eigentümers zu, wenn er ausnahmsweise nach der litis contestatio im Verfahren über die rei vindicatio wegen fahrlässigen Besitzverlustes haftete und dem Eigentümer Ersatz geleistet hatte. Der rechtmäßige Gewahrsamsinhaber hingegen, der eine fremde Sache ohne den Willen des Eigentümers, aber als Geschäftsführer für ihn in Gewahrsam hatte und wegen fahrlässiger Ermöglichung des Diebstahles dem Eigentümer verantwortlich war, konnte, wenn er selbst vom Eigentümer in Anspruch genommen wurde, vor seiner Verurteilung verlangen, daß ihm der Eigentümer die actio furti (rechtsgeschäftlich) abtrete. Der bei Besitzbegründung bösgläubige Besitzer (malae fidei possessor) erhielt dagegen (wie schon seit alters der fur) die actio furti weder ipso iure, noch konnte er ihre Abtretung vom Eigentümer verlangen. Wer die Sache zur Zeit des Diebstahls nicht in Gewahrsam hatte, war, auch wenn er dem Eigentümer auf Ersatz haftete und deswegen ein interesse rem non subripi hatte (wie zum Beispiel der Bürge eines Entleihers, aber auch der für den Verlust einer Sache des Geschäftsführers mit der actio negotiorum gestorum contraria haftende Geschäftsherr), ebenfalls nicht ipso iure zur actio furti aktivlegitimiert noch hatte er ein Recht auf ihre Abtretung. Hierin zeigt sich, daß der Diebstahl nicht als reines Vermögensdelikt angesehen wurde, sondern sachbezogen war; für die Berechtigung zu der Deliktsklage wurde deswegen eine handgreifliche persönliche Betroffenheit durch den Sachdiebstahl verlangt.

VI. Zum Umfang der abzutretenden Klagen Die zu zedierenden Klagen werden in den Quellen in der Regel nicht genauer bezeichnet (so in Paulus D. 6,1,211303 und Marcellus D. 42,1,12: actionibus suis;1304 Papinian D. 6,1,63: actione sua;1305 Labeo D. 19,2,60,2: tuas actiones;1306 dagegen bezieht sich actione in Paulus D. 47,2,54(53),3 auf die actio furti1307 und läßt nur mittelbar Schlüsse auch auf die sachverfolgenden Klagen zu; in dem Sonderfall Paulus D. 4,9,6,4 sind schließlich mit actiones nostras nur die actiones legis Aquiliae bzw. furti gegen die nautae gemeint1308, weitere [sachverfolgende] Klagen sind dort dagegen nicht abzutreten). Teilweise finden sich allgemeine Umschreibungen, es seien die Klagen abzutreten quas eius rei nomine habet (Paulus D. 6,1,69)1309 oder bei Entschädigung wegen eines entlau1303 1304 1305 1306 1307 1308 1309

Zu den bei Paulus D. 6,1,21 zu zedierenden Klagen s. o. S. 81 f. Text s. o. S. 266 und S. 321. Dazu s. o. A. 330, 801, 1171. Dazu s. o. S. 255. s. o. S. 162 f.; zum Text insgesamt s. o. S. 160 ff., S. 209 f., 211 ff. s. o. S. 155. Dazu s. o. S. 85.

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fenen Sklaven die actiones de dominio servi (Paulus D. 11,3,14,9).1310 Nur in einer Quelle werden die zu zedierenden Klagen genau benannt als die (rei) vindicatio und die condictio (furtiva) (Gaius D. 19,2,25, 8);1311 ferner bezieht sich Papinian D. 47,2,81(80),7 deutlich auf die condictio furtiva.1312 Die Interpretation der Quellen mit ungenauer Umschreibung der abzutretenden Klagen ergibt, daß auch hier in erster Linie an eine Zession der rei vindicatio und gegebenenfalls der condictio furtiva gedacht ist, darüber hinaus wohl auch an die actio ad exhibendum. Ausschließen läßt sich allerdings nicht, daß auch andere Klagen – wie insbesondere die actio legis Aquiliae, wenn die Sache nach Besitzverlust beschädigt worden ist,1313 – abzutreten sind. Soweit einzelne Klagen (z. B. die actio furti) bereits ipso iure auf den Haftenden übergehen, brauchen sie freilich nicht mehr zediert zu werden.1314

VII. Der Erwerb prätorischen Eigentums durch den zessionsberechtigten Ersatzpflichtigen Die Abtretung der (in erster Linie auf Wiedererlangung der Sache gerichteten) Ansprüche führt im klassischen Recht nicht unmittelbar einen Eigentumsübergang auf den Beklagten herbei. Ein sofortiger Eigentumsübergang durch Abtretung eines Herausgabeanspruches ist hier schon deswegen nicht denkbar, weil die Bestellung zum Prozeßbevollmächtigten (und noch weniger die Sicherheitsleistung für eine zukünftige Ermächtigung zur Prozeßführung) noch keinen Wechsel der Gläubigerstellung herbeiführt; vielmehr kann der Zedent jedenfalls bis zur Klageerhebung durch den Zessionar den abgetretenen Anspruch selbst geltend machen und Leistungen mit befreiender Wirkung entgegennehmen.1315 Allerdings erwirbt der Beklagte das prätorische Eigentum,1316 wenn er nach seiner Verurteilung die Sache mit dem Willen des entschädigten Zivileigentü1310 1311 1312

Dazu s. o. S. 128 f. Dazu s. o. S. 265 f., insbesondere A. 965. Dazu s. o. A. 615, und ferner A. 618; allgemein zu diesem Text s. o. S. 163 ff.,

221 ff. 1313

Vgl. dazu Ulpian D. 13,6,7,1 und die Vermutungen o. A. 224, 929, 981. Deutlich etwa Gaius D. 19,2,25,8 (s. o. S. 265 f.), wo nur rei vindicatio und condictio furtiva aufgezählt werden; die actio furti wird nicht erwähnt, weil sie dem Haftenden bereits ohne Zession zusteht (s. o. A. 965 sowie zum Übergang der actio furti soeben unter V.). 1315 s. dazu o. S. 109 ff., S. 269. 1316 s. hierzu und zum Folgenden das Kapitel o. S. 268 ff. mit der Zusammenfassung o. S. 317 ff. Der reus contumax, also derjenige Beklagte, der die Sache nicht herausgibt, obwohl er sie herausgeben könnte, erwirbt aufgrund der litis aestimatio unmittelbar das prätorische Eigentum s. o. S. 270 ff. Dies galt wahrscheinlich nicht für den Schuldner der condictio furtiva, s. o. S. 281 ff. und vgl. schon o. S. 119 ff. zu Pomponius D. 47,2,9,1. 1314

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mers (wieder)erlangt:1317 Dann ist er nach abermaligem Besitzverlust mit der auf Herausgabe gerichteten actio Publiciana geschützt; gegen den entschädigten zivilen Eigentümer steht ihm die exceptio bzw. replicatio rei (quasi) venditae et traditae zu, so daß sich seine Position auch gegen diesen durchsetzt (endgültiger Abandon).1318 Für den Erwerb der actio Publiciana ist nämlich nach ihrer Formel – ebenso wie für die exceptio rei (quasi) venditae et traditae – erforderlich und ausreichend, daß dem Erwerber die Sache ex iusta causa übergeben worden ist.1319 Wenn der Verurteilte aber die Sache mit dem Willen des zivilen Eigentümers wiedererlangt, läßt sich dies als Übergabe (traditio) werten; den erforderlichen Erwerbstitel sahen die klassischen Juristen in der (Leistung aufgrund der)1320 Verurteilung zur litis aestimatio, die sie (jedenfalls seit Julian) einem Kauf gleichstellten.1321 Das für die Annahme einer traditio erforderliche Einverständnis des entschädigten Zivileigentümers kann sich entweder aus einer Kaution ergeben, mit der er verspricht, die Besitzergreifung des Verurteilten nicht zu verhindern.1322 Sie ergibt sich aber auch aus der Zession der sachverfolgenden Klagen an den Verurteilten.1323 Vor der Wiedererlangung des Besitzes hat der Verurteilte neben den zedierten Klagen (der rei vindicatio, der actio ad exhibendum und gegebenenfalls der condictio furtiva) im allgemeinen keine eigene Klage auf Herausgabe gegen den aktuellen Besitzer. Insbesondere erhält er suo nomine mangels traditio keine actio Publiciana,1324 obwohl die litis aestimatio einem Erwerbstitel gleichgestellt wurde. Auch die Gewährung einer analogen actio quasi Publiciana für diesen Fall ist unwahrscheinlich.1325 Stand dem Verurteilten aber schon vor dem Verfahren eine actio Publiciana zu, weil er als bonae fidei possessor bereits Ersitzungsbesitzer war, so kann er die aus dem früheren Erwerb vom Nichtberechtigten herrührende actio Publiciana noch nach der Verurteilung geltend machen, weil ihm der hinzutretende weitere Erwerbstitel der litis

1317 s. hierzu S. 284 ff. Die grundlegende Quelle für den Eigentumserwerb des besitzlosen Streitwertzahlers bei Wiedererlangung des Besitzes ist Paulus D. 6,1,47; zu ihr s. o. S. 274, 289 f., 290 ff. 1318 Zum Begriff des Abandon s. o. A. 147; vgl. auch S. 48 ff. zur Frage, ob im geltenden Recht im Fall des § 255 (1. Fall) BGB die Abtretung der Ansprüche des Entschädigungsberechtigten einen Abandon der Sache darstellt. 1319 s. dazu o. S. 278 ff., 284 ff. 1320 Zu dem umstrittenen Problem, zu welchem Zeitpunkt der Titel begründet wird, s. die Literatur o. A. 1021. 1321 Julian D. 25,2,22pr. (dazu o. S. 276 ff.); (Julian-)Ulpian D. 6,2,7,1 (dazu o. S. 277 f.); vgl. Pomponius D. 6,1,70 (Text o. S. 280). 1322 So Paulus D. 6,1,47, s. o. S. 289 f. Zu dieser Kaution s. noch sogleich unter VIII. 1. 1323 s. dazu o. A. 1071. 1324 Zur Gegenauffassung s. o. S. 299 ff. 1325 Zur Gegenauffassung s. o. S. 303 ff.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

aestimatio nicht zum Schaden gereichen soll (Papinian D. 6,1,63).1326 In diesem Ausnahmefall erhält der Beklagte nach Papinian bereits vor der Wiedererlangung eine dem prätorischen Eigentum gleichkommende1327 Position. Die actio Publiciana kann der Ersitzungsbesitzer auch gegen den entschädigten zivilen Eigentümer geltend machen, wenn dieser die Sache wiedererlangt. Die Verurteilung aus dieser Klage kann der Entschädigte nach der ausdrücklichen Entscheidung Papinians auch nicht durch Rückzahlung der empfangenen Entschädigung (sondern nur durch Herausgabe der Sache) abwenden. Der Eigentumsverlust (Abandon) für den Entschädigten ist in diesem Ausnahmefall im Ergebnis also endgültig, ohne daß es darauf ankommt, ob der Entschädigende oder der Entschädigte als erster die Sache wiedererlangt.1328

VIII. Die Rückabwicklung zugunsten des zessionsberechtigten Ersatzpflichtigen beim Wiederauftauchen der Sache in der Hand des Entschädigten Im Regelfall steht also demjenigen Verurteilten, der vor der litis aestimatio die Sache verlor, vor der Wiedererlangung des Sachbesitzes keine Herausgabeklage aus eigenem Recht zu. Wegen der zedierten rei vindicatio ist er gegenüber Dritten auch nicht auf eine eigene Klage angewiesen. Gelangt aber der zivile Eigentümer in den Besitz der Sache, hilft ihm die zedierte Klage nicht; gegen den Zedenten kann sich die zedierte Klage nicht richten. Für diesen Fall1329 finden sich mehrere Lösungsansätze in den Quellen: 1. Zum einen kann nach manchen Quellen der Beklagte vor seiner Verurteilung verlangen, daß ihm für diesen Fall eine Kaution geleistet wird.1330 Die Formulierung dieser Kaution differiert leicht: Nach Paulus D. 6,1,47 hat der Kläger zu versprechen, daß er die Besitzergreifung durch den Beklagten nicht behindern werde; der Kläger darf demnach nicht selbst die Sache wieder in Eigenbesitz nehmen. Nach Pomponius D. 13,6,13pr. lautet das Kautionsversprechen dagegen auf Leistung (d. h. Übereignung und Herausgabe) der wiedergefundenen Sache. Da die Stipulationsklauseln streng auszulegen sind, dürfte dem Eigentümer bei der Inanspruchnahme aus der Kaution nicht die Möglichkeit ge-

1326

Dazu s. o. S. 310 ff. Die Position unterscheidet sich lediglich darin vom prätorischen Eigentum, daß dem Verurteilten bei Erhebung der actio Publiciana gegen den zivilen Eigentümer gegen dessen exceptio iusti dominii nicht eine replicatio rei venditae et traditae, sondern wahrscheinlich eine andere replicatio (vermutlich doli) zustand, s. o. A. 1173. 1328 Der Abandon ist hier ausnahmsweise endgültig, ohne daß es einer der sogleich unter VIII. 1. dargestellten Herausgabekautionen bedarf. 1329 s. dazu schon in der Zusammenfassung zu § 15 o. S. 318 ff. unter 2. b). 1330 s. hierzu o. S. 290 ff. 1327

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währt worden sein, statt der Rückgabe der Sache die geleistete Entschädigung zurückzuzahlen; der Abandon ist also nach Kautionsleistung endgültig.1331 2. Der Beklagte kann aber nach anderen Quellen zum Ausgleich der Bereicherung des Entschädigten gegen ihn auch eine eigene Klage1332 erheben; das ist für den Verurteilten vor allem dann interessant, wenn die Kautionsleistung vor seiner Entschädigungsleistung unterblieben ist, etwa weil er einen entsprechenden Antrag versäumt hat: a) Nach (Cassius-)Ulpian D. 12,7,21333 kann der Ersatzpflichtige (im konkreten Fall ein Entleiher) die Entschädigungsleistung kondizieren; die Begründung der Kondiktion (indebiti oder quasi sine causa dati) scheint aber unter den klassischen Juristen umstritten gewesen zu sein. Der Entschädigte kann möglicherweise – ohne daß dies in den Quellen ausgesprochen wird – die Kondiktion durch Übereignung der wiedergefundenen Sache abwenden.1334 b) Steht dem Verurteilten gegen den Entschädigten eine vertragliche Gegenklage zu, kann er auch diese erheben; der Entschädigte kann daraus auf Rückzahlung der Entschädigung oder auf Übereignung der wiedergefundenen Sache verurteilt werden (so Paulus D. 13,6,17,51335 für die actio commodati contraria; vgl. [Cassius-]Ulpian D. 12,7,2 für die actio conducti). Die Wahl zwischen beiden Anspruchsinhalten hat vermutlich der Entschädigte.

IX. Die Rechtslage bei Entschädigungspflicht ohne ein Recht auf Klagenzession Über die Rechtslage beim Wiederauftauchen der Sache in den Fällen, in denen dem Haftenden ein Recht auf Klagenzession verweigert wird (s. o. II. 1.–3.), lassen sich anhand der überlieferten Quellen weitgehend nur Vermutungen aufstellen.1336 Gelangt der Verurteilte hier (außergerichtlich) wieder in den Besitz der Sache, wird er nicht prätorischer Eigentümer, da er den Besitz nicht mit dem Willen des zivilen Eigentümers erlangt und es deswegen an einer traditio fehlt.1337 Verliert er daher den Besitz wieder, steht ihm keine Klage auf Herausgabe gegen den neuen Besitzer zu. Im Falle der Vorverurteilung des haftenden 1331 Wer genau ein Recht auf eine solche Kaution hatte, geht aus den Quellen nicht klar hervor; es dürfte jedenfalls denjenigen Schuldnern (s. o. unter II. 1.–3.) nicht zugestanden haben, denen auch ein Recht auf eine Klagenzession verweigert wurde; zur Rechtslage bei diesen Schuldnern s. noch unten IX. 1332 s. o. S. 293 ff. 1333 Dazu o. S. 293 f. 1334 Dazu s. o. A. 1097; vgl. o. A. 1259. 1335 s. o. S. 294. 1336 s. dazu bereits die Zusammenfassung o. S. 333. 1337 s. o. A. 1182.

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3. Kap.: Die Fälle des Römischen Rechts zur Forderungsabtretung

Diebes aus der condictio furtiva [s. o. II. 1.] kann der entschädigte Eigentümer nach Ansicht des Pomponius in D. 11,3,14,91338 erneut mit der rei vindicatio vorgehen, wenn der Dieb die Sache wiedererlangt oder schon zur Zeit des Prozesses über die condictio furtiva im Besitz der Sache war. Damit der iudex allerdings den Beklagten zur Restitution auffordere, müsse der Eigentümer versprechen, die empfangene Entschädigung zurückzuzahlen. Restituiere der Beklagte dann nicht, könne der Eigentümer, dem im Prozeß über die condictio furtiva vermutlich kein iusiurandum in litem zustand, im Verfahren über die rei vindicatio nunmehr den Streitwert beschwören. Ob eine vergleichbare Lösung auch für den Fall galt, daß der dolo desinens possidere oder der liti se optulens nach Zahlung des Streitwertes wieder in den Besitz der Sache gelangen, ist nicht unmöglich,1339 aber zweifelhaft, da hier der Kläger schon im ersten Prozeß den Streitwert beschwören konnte; fraglich ist deswegen, ob die abermalige Ausübung des iusiurandum in litem gegen Rückzahlung der bereits empfangenen Entschädigung überhaupt ein hinreichendes Druckmittel wäre, um den Beklagten im zweiten Prozeß zur Restitution anzuhalten.1340 Dem Haftenden wurde vermutlich vor seiner Verurteilung auch kein Recht auf die Abgabe einer cautio de re restituenda1341 zugestanden, mit deren Hilfe er die Sache vom entschädigten Eigentümer herausverlangen könnte, wenn sie in seiner Hand wieder auftaucht.1342 Wahrscheinlich wird ihm aber die condictio (indebiti oder quasi sine causa dati, vgl. [Cassius-]Ulpian D. 12,7,21343) auf Rückzahlung der Entschädigung gewährt, wenn der entschädigte Eigentümer die Sache wiederfindet; diese Klage kann der Eigentümer vermutlich nach seiner Wahl auch mit der Übereignung der wiedergefundenen Sache abwenden (vgl. o. VI. a. E.).1344

1338

Dazu s. o. S. 119 ff. Dafür ließe sich für den dolo desinens possidere vielleicht ein Umkehrschluß aus Papinian D. 6,1,63 anführen, obwohl es in diesem Fragment eigentlich darum geht, daß die Sache in der Hand des Entschädigten wieder auftaucht. 1340 s. dazu o. A. 1259, ferner schon zuvor A. 298 und 383. 1341 Zu ihr s. soeben unter VIII. 1. 1342 s. o. S. 115 ff. und die Zusammenfassung S. 121 (für den Beklagten der condictio furtiva), S. 291 bei A. 1077 (für den dolo desinens possidere und den liti se offerens); s. auch in der Zusammenfassung zu § 12 o. A. 1188 f. 1343 Dazu s. o. S. 293 ff. 1344 Dazu s. o. S. 330 ff.; Zusammenfassung S. 333; s. ferner o. A. 298, 383 und 435. 1339

4. Kapitel

Schluß § 18 Ausblicke auf das geltende Recht Die Analyse der Vorgeschichte des § 255 BGB, insbesondere der Fallentscheidungen der römischen Rechtsquellen, ergab ein vielschichtiges Bild. Vor allem wurde deutlich, wie differenziert die klassischen römischen Juristen mit dem Institut der Klagenzession umgingen, um unterschiedliche Einzelfälle des Regresses interessengerecht zu lösen. Abschließend soll nun der Frage nachgegangen werden, ob sich aus der Geschichte der Norm, insbesondere aus der reichhaltigen Kasuistik der Quellen, Gesichtspunkte für die Klärung von Streitfragen des geltenden Rechts1345 gewinnen lassen, wie dies zuweilen vorgetragen wird.1346 Dabei sind allerdings die mehrfachen Systemwechsel von der Antike bis zum geltenden Recht zu berücksichtigen, insbesondere ist zum einen zu beachten, daß die römischen Juristen die dogmatische Unterscheidung zwischen dem Gesamtschuldnerregreß und dem in § 255 BGB vorgesehenen Zessionszwang nicht kannten. Zum anderen sind im Hinblick auf die Frage des Eigentumsüberganges auf den Ersatzpflichtigen die Lösungen des römischen Rechts deswegen nur eingeschränkt auf das geltende Recht übertragbar, weil sich mit der von § 931 BGB eröffneten Möglichkeit eines sofortigen Eigentumsüberganges ohne echte traditio die Grundlage für die römische Behandlung verschoben hat. Dennoch könnte der römischen Kasuistik zur Frage der Übereignung an den Ersatzpflichtigen eine gewisse Vorbildwirkung zukommen, so daß sich daraus Anhaltspunkte für die Lösung der Eigentumsfrage im geltenden Recht entnehmen ließen.

I. Anwendungsbereich des § 255 (1. Fall) BGB Zunächst ist zu untersuchen, ob sich zur Beantwortung der Frage nach dem Anwendungsbereich des § 255 (1. Fall) BGB und zur Abgrenzung dieser Norm vom Regreß unter Gesamtschuldnern nach § 426 BGB1347 aus dem historischen Rückblick Argumente ableiten lassen. Hierzu meinen namentlich MÜNCHBACH 1345 1346 1347

s. zu ihnen o. S. 25 ff. u. S. 48 ff. s. o. S. 47 und 57. s. die Darstellung des Meinungsstreits o. S. 26 ff.

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4. Kap.: Schluß

und STAMM, der Gesetzgeber habe bei der Normierung des § 255 BGB vorwiegend die Frage der Zession der Vindikation als problematisch empfunden und deswegen eine von § 426 BGB abweichende Regelung normiert, so daß die Anwendung des § 255 BGB auf die Vindikationszession beschränkt werden solle.1348 MÜNCHBACH beruft sich überdies auf das Argument, bei den römischen Quellen, in denen bei einer Haftung für den Besitzverlust die Klagenzession angeordnet wurde, hätten die römischen Juristen in erster Linie Klagen auf Herausgabe der Sache im Auge gehabt; erst die Pandektisten hätten den Grundsatz der Klagenzession in solchen Fällen auf alle möglichen Klagen erweitert, vor allem auch auf Klagen, die auf eine Ersatzleistung wegen Substanzverlustes gerichtet sind.1349 Demgegenüber stützt SELB seine These, die Regelung des § 255 BGB enthalte ein allgemeines, auch auf mehrere miteinander konkurrierende Schadensersatzansprüche anwendbares Rechtsprinzip, auf das Argument, daß diese Regelung lediglich Ausdruck des allgemeinen Instituts des beneficium cedendarum actionum sei.1350 1. Untersuchung der Gesetzgebungsmaterialien zum BGB Die Materialien zur Gesetzgebung des BGB enthalten Hinweise darauf, daß zu den „Ansprüche(n) aus dem Eigentum“ i. S. v. § 255 BGB Schadensersatzansprüche gehören können. Der erste Anhaltspunkt findet sich in der Begründung zu § 192 des Vorentwurfs Sachenrecht zum BGB. Diese Entwurfsvorschrift bestimmte, daß derjenige, gegen den die Vindikation auf Herausgabe einer beweglichen Sache begründet ist, wenn er die Sache veräußert hat oder sie ihm sonst abhanden gekommen ist und er den Eigentümer deswegen pflichtgemäß entschädigt, mit der Leistung der Entschädigung das Eigentum und die dem Eigentümer in Betreff der Sache gegen Dritte zustehenden Ansprüche durch gesetzlichen Übergang erwerbe. Die Vorschrift bildete im weiteren Verlauf der Gesetzgebungsgeschichte den Kristallisationspunkt für die Entstehung des heutigen § 255 BGB.1351 Da der Regelungsentwurf des § 192 sowohl einen Eigentumsübergang als auch einen Übergang von Ansprüchen des Eigentümers vorsah, läßt sich schließen, daß mit den übergehenden Ansprüchen jedenfalls n i c h t die Vindikation gemeint war: Nach der Normierung des Eigentumsüberganges hätte es der Regelung eines Überganges der Vindikation nicht mehr bedurft. Der Redaktor des Vorentwurfs, REINHOLD JOHOW, führte dementsprechend in seiner Begründung des § 192 gleich zu Anfang auch das Beispiel der Zerstörung der Sache durch einen Dritten an: 1348 1349 1350 1351

S. 58.

Dazu oben S. 26, bes. bei A. 41. Dagegen unten S. 353. s. oben bei A. 46. Dazu oben bei A. 67, S. 33. s. dazu S. 58 ff., mit dem Text von § 192 des Vorentwurfs zum Sachenrecht o.

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„Wenn der Beklagte seiner Verpflichtung zur Herausgabe einer beweglichen Sache nicht nachkommen kann und deshalb Schadensersatz zu leisten hat, so ist bei der Ermittelung dieses Schadens zu berücksichtigen, daß der Eigenthümer gegen dritte Personen auf Grund seines Eigenthums Ansprüche haben kann, z. B. gegen den Z e r s t ö r e r der Sache auf S c h a d e n s e r s a t z, gegen den gegenwärtigen Besitzer auf Herausgabe.“1352

Für eine Beschränkung des § 255 (1. Fall) BGB auf Fälle des Besitzverlustes bei fortexistenter Sache sprechen dagegen die Erörterungen in den Protokollen der Ersten Kommission zu § 192 des Vorentwurfs zum Sachenrecht, deren Beratungen in den § 221a des Kommissionsentwurfs (KE) mündeten:1353 Die Erste Kommission beschloß, die Regelung zu verallgemeinern. Die zuvor nur auf den Fall einer Inanspruchnahme des Beklagten mit der Vindikation bezogene Regelung sollte also auch auf obligatorisch verpflichtete Herausgabeschuldner erstreckt werden.1354 Außerdem hielt man den Übergang des Eigentums kraft Gesetzes für eine Durchbrechung des Traditionsprinzips und bei Grundstücken mit den Grundbuchprinzipien für unvereinbar.1355 Die Erste Kommission wollte daher nur einen gesetzlichen Übergang der Ansprüche regeln, „welche dem Entschädigten aufgrund des Eigenthums . . . zustehen“. Man sah allerdings ein Bedürfnis, den (gesetzlichen) Übergang von Ansprüchen des Klägers anzuordnen, nur für den Fall, daß dem Entschädigungspflichtigen die Sachherausgabe s u b j e k t i v unmöglich geworden ist. Im Falle einer (feststehenden) o b j e k t i v e n Unmöglichkeit der Herausgabe schulde der Haftende – sofern seine Haftung trotz der Unmöglichkeit fortbesteht, etwa weil er sie schuldhaft herbeigeführt hat – ohnehin vollen Schadensersatz. Im Falle der subjektiven Unmöglichkeit konnte dagegen (nach dem damaligen Stand des Kommissionsentwurfs) erst nach rechtskräftiger Verurteilung des Schuldners über eine Nachfristsetzung Schadensersatz verlangt werden; die Protokolle sprechen davon, daß nach dem Ablauf der Frist die objektive Unmöglichkeit fingiert werde. Die Gefahr einer Bereicherung des Gläubigers durch bei ihm verbleibende weitere Ansprüche er1352 JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 942/1076; Hervorhebungen sind nicht original. Vgl. auch JOHOW, a. a. O., 944/1078: „Ferner gehen die Ansprüche des Eigenthümers auf Entschädigung gegen Dritte, welche eines Vergehens an der Sache sich schuldig gemacht haben, auf den Entschädigenden über, welcher hat zahlen müssen, weil er nicht die nöthige Sorgfalt auf Verhütung dieses Vergehens anwendete.“ 1353 s. dazu Prot. I 4212 ff., zitiert nach JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 120 ff. 1354 s. dazu schon o. bei A. 172. Die Formulierung des von der Ersten Kommission beschlossenen § 221a KE lautete: „Ist in Folge der E n t z i e h u n g oder Vo r e n t h a l t u n g einer Sache oder eines Rechtes Schadensersatz für den Verlust der Sache oder des Rechtes selbst von dem Entschädigungspflichtigen geleistet, so gehen auf den letzteren mit der Ersatzleistung die Ansprüche über, welche dem Entschädigungspflichtigen auf Grund des Eigenthums oder des sonstigen Rechtes gegen Dritte zustehen.“ (Hervorhebungen sind nicht original). 1355 s. o. A. 174.

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kannte die Erste Kommission ausweislich der Protokolle nur für die beiden Fälle, daß die Parteien entweder (1.) irrtümlich von einer objektiven Unmöglichkeit der Herausgabe ausgegangen seien oder (2.) die objektive Unmöglichkeit nach Fristsetzung fingiert werde.1356 Nur für diese Fälle war also der gesetzliche Übergang von Ansprüchen, die „dem Entschädigten aufgrund des Eigenthums . . . zustehen“, nach § 221a des Kommissionsentwurfes gedacht. Dabei nahm die Erste Kommission sogar schon dann eine objektive Unmöglichkeit an, wenn ein Dritter gutgläubig das Eigentum erworben hat. Diese Ausführungen in den Protokollen zeigen, daß die Erste Kommission nur den Fall der Fortexistenz der Sache unter ihrem Verbleib im Eigentum des Klägers im Auge hatte. Daß auch in Fällen der „objektiven Unmöglichkeit“, nämlich bei der Zerstörung der Sache durch Dritte, aber auch beim Eigentumserwerb eines Dritten durch Veräußerung an einen Gutgläubigen oder bei Verarbeitung durch einen Dritten Ansprüche in der Hand des Gläubigers verbleiben können, scheint die Erste Kommission übersehen zu haben. Denn es ist weder ersichtlich, daß die Erste Kommission davon ausgegangen wäre, daß diese Ansprüche etwa aufgrund einer anderen Vorschrift (also insbesondere aufgrund der Regelung des Gesamtschuldnerregresses) bereits ipso iure auf den Entschädigungspflichtigen übergehen würden. Noch spricht sich die Kommission etwa für das (wenig plausible) Ergebnis aus, die Ansprüche beim entschädigten Eigentümer zu belassen. Die Motive zu § 223 des Ersten Entwurfs,1357 der dem § 221a KE bis auf eine unbedeutende redaktionelle Änderung entspricht,1358 sind demgegenüber weniger deutlich: Hier heißt es nicht mehr, die Ungewißheit der Realisierungschancen von Ansprüchen gegen Dritte spiele nur im Falle der nichtfeststehenden objektiven Unmöglichkeit der Restitution eine Rolle; stattdessen formulieren die Motive, „für den Entwurf gewinnt die Frage durch die Vorschrift des § 243 noch eine b e s o n d e r s p r a k t i s c h e B e d e u t u n g, da nach dieser Vorschrift eine nicht vorhandene Unmöglichkeit der Restitution fingiert wird, um den Anspruch auf Ersatz des Schadens in Geld zu begründen.“1359 Hier wird also nicht mehr so eindeutig davon ausgegangen, daß im Falle einer objektiven Unmöglichkeit das Problem ungewisser Ansprüche gegen Dritte nicht auftau1356 So Prot. I 4212 (zitiert nach JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 120 f.); außerdem Prot. I 4213 (JAKOBS /SCHUBERT, a. a. O., 121): Es gehe um den Fall eines Herausgabepflichtigen „bei nicht feststehender objektiver Unmöglichkeit“; vgl. ferner Prot. I 4215 unter „Zu 4.“ (JAKOBS /SCHUBERT, a. a. O., 122): Dort wird gesprochen von dem „durch die dauernde Nichtrealisirbarkeit des Eigenthums entstehenden Schaden“. 1357 Motive II 24 ff. 1358 s. JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 122 unter A. IV. Den Text des § 221a KE („Ist in Folge . . . geleistet“) s. soeben A. 1354; § 223 des Ersten Entwurfs („Wird in Folge . . . geleistet“) ist abgedruckt o. S. 59 bei A. 172. 1359 Motive II 25; Hervorhebungen sind nicht original.

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chen könne. Im übrigen werden die abzutretenden Ansprüche aber nicht näher charakterisiert. Auch aus der Verweisung auf Theil III Art. 160 des bayerischen Entwurfes1360 läßt sich nichts entnehmen, weil diese Vorschrift noch unbestimmter davon spricht, es gingen „die Rechte des Klägers wie durch Abtretung über“. Die Motive zitieren aber auch die Regelung des § 961 des sächsischen BGB, an der nur kritisiert wird, daß sie keinen gesetzlichen Übergang, sondern nur einen Anspruch auf Abtretung vorsehe. Diese Vorschrift des sächsischen BGB verpflichtet den Kläger aber zur „Abtretung der Forderungen . . ., welche diesem auf Erlangung der Sache o d e r a u f S c h a d e n s e r s a t z gegen einen Dritten zustehen“.1361 Allenfalls darin ließe sich ein – allerdings schwaches – Argument dafür sehen, die Vorschrift des § 223 des Ersten Entwurfs habe auch Ansprüche auf Schadensersatz gegen den Dritten umfassen sollen. Die Motive würden bei diesem Verständnis allerdings von den Protokollen der Ersten Kommission abweichen; da sich für die Annahme einer Abweichung aber nur diese schwachen Indizien finden lassen und die Motive ohnehin nur eine nachgeschobene Zusammenstellung der Überlegungen zum Ersten Entwurf des BGB darstellen, ist davon auszugehen, daß die Ansicht der Ersten Kommission eher diejenige gewesen ist, die sich aus den Protokollen ergibt. Demnach ist für die Erste Kommission festzuhalten, daß sie mit der Formulierung, es gingen die Ansprüche auf den Entschädigenden über, die „dem Entschädigten aufgrund des Eigenthums . . . zustehen“, nur die Vindikation erfassen wollte. Anderer Auffassung scheint demgegenüber die Vorkommission des Reichsjustizamtes gewesen zu sein. In den Protokollen dieser Vorkommission heißt es: „Die Anregung, die Vorschrift dahingehend zu modifizieren, daß Geldansprüche nur im Umfange des geleisteten Schadensersatzes abzutreten1362 seien, wurde nicht stattgegeben, weil diese Einschränkung selbstverständlich sei.“1363 Bei den „Geldansprüchen“, von denen der Antrag spricht, wird in erster Linie an Schadensersatzansprüche gegen den Dritten, vielleicht auch an Surrogatansprüche gedacht gewesen sein. Der Antrag geht ersichtlich davon aus, daß nach der zu schaffenden Vorschrift auch diese Ansprüche abzutreten seien. Dieser Antrag wurde nicht deswegen zurückgewiesen, weil die neue Regelung nur die Vindikation erfassen solle, sondern weil man die Einschränkung für selbstverständlich hielt. Nach den Beschlüssen der Vorkommission umfaßt also dieselbe Formulierung („Ansprüche, die diesem [dem Ersatzberechtigten] aufgrund des 1360

s. zu dieser Vorschrift o. A. 189. Vollständiger Text von § 961 des sächsischen BGB s. o. S. 61; Hervorhebungen sind nicht original. 1362 Die Vorkommission ersetzte aus den o. bei A. 174 angegebenen Gründen den gesetzlichen Übergang von Ansprüchen durch ein Zurückbehaltungsrecht des Verpflichteten zur Erzwingung einer rechtsgeschäftlichen Zession. 1363 Protokolle der Vorkommission des Reichs-Justizamtes (1891–1893) S. 212 f., zitiert nach JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 123 unter B II. 1361

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Eigenthums . . . gegen Dritte zustehen“), unter der die Erste Kommission nur die Vindikation verstand, auch auf Geld gerichtete Schadensersatz- (und wohl auch Surrogats-)Ansprüche.1364 Der Hintergrund für diesen Verständniswandel scheint vor allem die Vorschrift des § 961 des sächsischen BGB gewesen zu sein, die einen Abtretungszwang auch hinsichtlich der Schadensersatzansprüche vorsah. LABAND1365 hatte in seiner Stellungnahme die Übernahme von § 961 des sächsischen BGB anstelle von § 223 des Ersten Entwurfs empfohlen. Die Kritik LABANDs, die in erster Linie in einer Ablehnung des von § 223 des Ersten Entwurfs vorgesehenen gesetzlichen Anspruchsübergangs bestand, wurde von der Zusammenstellung der gutachterlichen Äußerungen zum Ersten Entwurf durch das Reichsjustizamt (von 1890)1366 ausführlich wiedergegeben, einschließlich des vollständigen Zitats von § 961 des sächsischen BGB. Die Vorkommission folgte LABAND also sowohl hinsichtlich der Ablehnung des gesetzlichen Anspruchsüberganges als auch im Hinblick auf das von § 961 des sächsischen BGB geprägte Vorverständnis, daß die zu schaffende Norm auch einen Abtretungszwang für die Geldansprüche anordnen müsse. Von der Einbeziehung auch von Schadensersatz- und Surrogatansprüchen scheint auch die Zweite Kommission ausgegangen zu sein. In den Protokollen der Zweiten Kommission heißt es nämlich zunächst zur Rechtfertigung dafür, daß kein gesetzlicher Anspruchsübergang normiert werde, die Abtretung setze „die Thatsache, den Zeitpunkt und den Umfang des Überganges der Ansprüche außer Zweifel.“ Es folgt das zweite Argument, daß „bei dinglichen Ansprüchen . . . die kraft Gesetzes eintretende Übertragung zu dem ganz unzweckmäßigen Ergebnisse“ führe, daß bei Teilleistung „ein dingliches Gemeinschaftsverhältnis“ zwischen Entschädigendem und Entschädigtem mit Anteilen entstehe, „die sich nach dem Verhältnis zwischen dem ersetzten und dem nicht ersetzten Theile des Schadens bestimme“, deren Größe also für Dritte nicht erkennbar sei.1367 Da die Zweite Kommission das dingliche Gemeinschaftsverhältnis somit als Sonderproblem des Überganges dinglicher Ansprüche ansah, scheint sie davon ausgegangen zu sein, daß nach § 223 des Ersten Entwurfs auch nicht-dingliche Ansprüche abzutreten seien. 1364 Nur am Rande sei hier darauf hingewiesen, daß die Vorkommission des ReichsJustizamtes auch die einleitende Beschränkung des Anwendungsbereiches der zu schaffenden Norm auf die Fälle des Sachverlustes „in Folge der Entziehung oder Vorenthaltung einer Sache“ (so § 221a des Kommissionsentwurfs und § 223 des Ersten Entwurfs) zu streichen beschloß, weil dieser Zusatz als zu einschränkend befunden wurde, s. die Protokolle der Vorkommission des Reichs-Justizamtes (1891–1893) S. 212, zitiert nach JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 123 unter B II; s. dazu noch sogleich im Text bei A. 1374. 1365 s. o. A. 176. 1366 s. o. A. 178. 1367 Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. I (1897) 301 f. Beide Argumente gehen übrigens auf LABAND (s. o. bei A. 176) zurück.

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Z u s a m m e n g e f a ß t ergeben die Materialien also kein einheitliches Bild: JOHOW ging bei der Schaffung des Vorentwurfs zum Sachenrecht davon aus, daß die neue Regelung auch Schadensersatzansprüche umfassen sollte. Die Erste Kommission dachte dagegen nur an einen Übergang der Vindikation. Die Vorkommission des Reichsjustizamtes und die Zweite Kommission verstanden die von der Ersten Kommission gewählte Umschreibung der abzutretenden Ansprüche unter dem Einfluß von § 961 des sächsischen BGB jedoch anders; sie gingen von der Einbeziehung auch von auf Geld gerichteten Ansprüchen aus. Dabei handelt es sich aber nicht um eine bewußte Abweichung der Vorkommission des Reichsjustizamtes und der Zweiten Kommission von der Ansicht der Ersten Kommission, sondern eher um eine Art Mißverständnis. Auch findet sich in den Materialien keine Auseinandersetzung mit der Frage, ob Geldansprüche eventuell schon aufgrund der Gesamtschuldregeln auf den Entschädigenden übergehen. Insgesamt legen die Materialien also eine Einbeziehung auch der Geldansprüche nahe; die Frage nach dem Umfang der abzutretenden Ansprüche (und damit nach dem Anwendungsbereich der Norm) scheint aber – angesichts der anderen vieldiskutierten Fragen, insbesondere ob das Eigentum oder die Ansprüche kraft Gesetzes oder im Wege rechtsgeschäftlicher Übertragung übergehen sollten, – untergegangen zu sein. Es ist daher entstehungsgeschichtlich nicht im vollen Umfange zutreffend, wenn MÜNCHBACH und STAMM dem BGB-Gesetzgeber unterstellen, er habe nur deswegen in § 255 eine von § 426 abweichende Regelung getroffen, weil er der Ansicht gewesen sei, daß ein gesetzlicher Übergang dinglicher Ansprüche sinnvollerweise nicht angeordnet werden dürfe. Eine derartige klare und einhellige Vorstellung über die Abgrenzung der beiden Vorschriften hatten die Väter des BGB nicht. Doch steht dies der Auffassung von MÜNCHBACH und STAMM nicht entgegen. Die Unklarheiten der Gesetzesverfasser über den Umfang der abzutretenden Ansprüche und der unbemerkte Sinneswandel hierüber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eröffnen nämlich dem späteren Interpreten durchaus die Befugnis, zwecks der (im Gesetzgebungsverfahren nicht berücksichtigten) Abgrenzung gegenüber § 426 BGB – entgegen der Auffassung der Vorkommission des Reichsjustizamtes und der Zweiten Kommission – die Abtretung von auf Geldleistung gerichteten Schadensersatzansprüchen aus dem Anwendungsbereich von § 255 BGB herauszunehmen. 2. Folgerungen aus den Lehren des gemeinen Rechts? Die von den Materialien zur Gesetzgebung des BGB in Bezug genommenen Lehren des gemeinen Rechts ergeben gleichfalls keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Anwendungsbereich von § 255 BGB; gewisse Indizien lassen sich aber ableiten:

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Zum einen verweisen die Motive1368 auf VON VANGEROW und damit indirekt auf MÜHLENBRUCH, der eine Fallgruppe bildete zu der Frage, wann die Quellen eine notwendige Zession kennen. MÜHLENBRUCH formulierte, daß derjenige, der „zum Schadensersatz wegen abhanden gekommener oder beschädigter Sachen verpflichtet“ sei, verlangen könne, „daß ihm die, diese Sachen betreffenden Klagen zur Entschädigung abgetreten werden.“1369 Die Umschreibung der abzutretenden Ansprüche als „die, diese Sachen betreffenden Klagen“ ist nicht eindeutig im Hinblick auf die Frage, ob auch Schadensersatz- oder Surrogatansprüche von ihr erfaßt werden sollen. MÜHLENBRUCH bezog aber auch den Fall der Sachbeschädigung mit ein; insofern könnte man erwarten, daß es ihm deswegen auch um abzutretende Schadensersatzansprüche gegen Dritte ging. Aber nur zwei der von MÜHLENBRUCH zitierten Quellen lassen sich als Fälle der Haftung für eine Sachbeschädigung begreifen. Zum einen geht es in Paulus D. 11,3,14,91370 um den Fall eines durch Korruption verdorbenen Sklaven. Der Eigentümer kann, wenn der Sklave durch die Überredung zur Flucht für ihn so viel an Wert verloren hat, daß er ihn nicht mehr einsetzen kann, auch Ersatz für den vollen Wert des Sklaven verlangen, sofern er nur diejenige Position, die er hinsichtlich des Sklaven noch hat, auf den Entschädigungspflichtigen überträgt. Zur Klagenzession kommt es dann, wenn der Eigentümer den Sklaven nicht mehr im Besitz hat, sondern er einem anderen zugelaufen ist. Also geht es auch in diesem Fall des Paulus darum, daß die Sachbeschädigung (konkret die corruptio des Sklaven) zu einem Besitzverlust (beim Kläger) geführt hat. Bei den abzutretenden Klagen ist daher auch hier in erster Linie an Klagen auf Wiedererlangung des Besitzes (am Sklaven) gedacht; nicht etwa geht es um die Abtretung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Dritten.1371 Der andere von MÜHLENBRUCH zitierte Fall zur Sachbeschädigung ist Paulus D. 4,9,6,4; hier geht es um die Haftung des Reeders mit einer actio in factum für eine Sachbeschädigung durch seine Seeleute. Dem Reeder sind bei seiner Inanspruchnahme die Klagen aus der lex Aquilia gegen seine Seeleute abzutreten. Doch in diesem Punkt überzeugt die Einordnung der Quelle durch MÜHLENBRUCH nicht: Der Reeder haftet aus der actio in factum für die Verbindlichkeit seiner Seeleute, so daß sich der Fall besser in eine andere Kategorie bei MÜHLENBRUCH hätte einordnen lassen können.1372 Aber auch unabhängig davon, ob man die Zusam1368

Motive II 24 A. 3; dazu o. A. 190. Zu V. VANGEROW s. o. A. 191; zu MÜHLENBRUCH o. A. 194 (sowie S. 62 ff., 334). 1370 Dazu o. S. 133 ff. 1371 Zur Verwandtschaft dieses Falles mit den Fällen der „reinen“ Haftung für Sachverlust s. schon o. S. 130 f. 1372 s. zur Kritik an der Einbeziehung dieser Quelle durch MÜHLENBRUCH in die Fallgruppe der Haftung für Sachverlust oder Sachbeschädigung o. S. 158. Die Einordnung in die Kategorie der Haftung wegen abhanden gekommener Sachen ist auch für den anderen in Paulus D. 4,9,6,4 behandelten Fall nicht gelungen: Hier haftet der Reeder wegen eines Diebstahles der Sache durch seine Seeleute aus der actio furti in 1369

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menstellung der Fälle bei MÜHLENBRUCH überzeugend findet oder nicht,1373 scheint jedenfalls der Gesetzgeber ihr insoweit nicht gefolgt zu sein, als MÜHLENBRUCH auch den Fall der Sachbeschädigung einbezog: Denn der von den Motiven erläuterte § 223 des Ersten Entwurfs setzte noch voraus, daß „in Folge der Entziehung oder der Vorenthaltung einer Sache . . . Schadensersatz für den Verlust einer Sache“ geschuldet sein müsse. Diese Formulierung wurde zwar von der Vorkommission als zu eng befunden, die deswegen die Worte „in Folge der Entziehung oder der Vorenthaltung einer Sache“ zu streichen beschloß.1374 An welche Fälle über die Vorenthaltung oder die Entziehung einer Sache hinaus die Vorkommission dachte, ist ungewiß. Es blieb aber bis zur heutigen Formulierung des § 255 BGB die Voraussetzung erhalten, daß der Schadensersatz „für den Verlust einer Sache“ zu leisten ist. Damit scheint der Gesetzgeber noch immer von den beiden von MÜHLENBRUCH erfaßten Fällen (der Haftung wegen abhanden gekommener und der Haftung wegen beschädigter Sachen) nur auf den ersten Fall der Haftung für das Abhandenkommen Bezug zu nehmen. Die Haftung für den Besitzverlust stellt somit nach historischer Auslegung zumindest den festen Kern1375 des Anwendungsbereiches des § 255 (Fall 1) BGB dar. Daher spricht der Hinweis in den Motiven auf VON VANGEROW (und damit zugleich auf MÜHLENBRUCH) nicht dafür, daß von den abzutretenden Ansprüchen des § 255 BGB auch Schadensersatzansprüche erfaßt werden sollten. Zum anderen wird in den Gesetzgebungsmaterialien zum BGB auf WINDhingewiesen.1376 WINDSCHEID zählt an der in Bezug genommenen Stel-

SCHEID

factum adversus nautas caupones stabularios. An den Reeder sind jedoch nur die actiones furti gegen die Seeleute, nicht etwa auch die sachverfolgenden Klagen abzutreten. Dadurch unterscheidet sich die (quasideliktische) Haftung des Reeders aus der actio furti in factum von den anderen bei MÜHLENBRUCH zur Haftung wegen abhanden gekommener Sachen angeführten Quellen (s. ebenfalls o. S. 158). – Andererseits hätte MÜHLENBRUCH in seine Kategorie der Haftung für Sachverlust den Fall Paulus D. 47,2,54(53),3 (dazu o. S. 160 ff.) aufnehmen sollen, da diese Quelle zumindest Rückschlüsse auch auf die Abtretung der sachverfolgenden Klagen zuläßt (zur Kritik an der Einordnung durch MÜHLENBRUCH s. o. S. 163). 1373 Zur Kritik von F. SCHULZ, SZ 27 (1906) 83 an der Fallgruppenbildung zur notwendigen Zession von MÜHLENBRUCH s. schon o. A. 208; zur Bewertung durch SELB, FS Larenz (1973) 526 f. s. o. A. 210. 1374 s. o. A. 1364. 1375 So etwa auch MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 27 f. m.w. N. Zur Erweiterung des Anwendungsbereiches von § 255 (1. Fall) BGB auch auf Fälle ohne vorangehenden Besitzverlust durch STAUDINGER-SELB (13. Bearb. 1995) § 255 BGB Rz. 10, 13, 18 s. schon o. A. 62, 74. 1376 So JOHOW zu § 192 des Vorentwurfs zum Sachenrecht und die Motive, s. o. A. 212 und 213. Zu WINDSCHEID s. auch die Zusammenfassung o. S. 334 bei A. 1272. JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 942/1076 A. 1 (s. o. A. 212) zitiert übrigens auch WETZELL, Vindicationsproceß (1845) 223 (ff.), der ebenfalls nur von der Zession der „Eigenthumsklage“ an den Streitwertzahler oder (S. 228) von der Zession der „dinglichen Klagen“ spricht, die dem Streitwertzahler dazu dienen sollen, „den Besitz des Streitobjectes zu erwerben.“ Auch der von JOHOW,

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le1377 auf, in welchen Fällen das klassische Recht eine Zession der Vindikation kennt, und bildet dafür die Fallgruppe, daß demjenigen die Vindikation abzutreten sei, der „die Sache herausgeben soll, aber nicht kann und dafür Schadensersatz geben muß.“ Bei WINDSCHEID ging es demnach ausschließlich um die Abtretung der Vindikation. Dies spricht – ebenso wie die Tatsache, daß die Vindikationszession ein in der gemeinrechtlichen Literatur oft diskutiertes Problem darstellte1378 – dafür, daß bei der Schaffung des § 255 (1. Fall) BGB die Abtretung der Vindikation im Zentrum des Interesses stand. 3. Aufschluß aus den Quellen des römischen Rechts? Auch die von WINDSCHEID in Bezug genommenen Quellen (ebenso wie die von MÜHLENBRUCH erwähnten Quellen außer D. 4,9,6,4)1379 behandeln die Abtretung der sachverfolgenden Klagen bei einer Haftung wegen B e s i t z verlustes.1380 MÜNCHBACH behauptete hierzu, schon in Quellen des römischen Rechts sei es in erster Linie um den Fall gegangen, daß die Sache nach Besitzverlust fortbestand.1381 Zwar würden einige Quellen nicht genau umschreiben, welche Klagen von dem Abtretungszwang erfaßt würden. Doch hätten noch die Autoren des Usus modernus nur an die Vindikation gedacht. Erst die späten Pandektisten hätten – aus dem Bedürfnis, mangels eines generellen Regreßanspruchs unter Gesamtschuldnern wenigsten im Fall der Sachbeschädigung nach Besitzverlust einen Regreß zu ermöglichen, – den Abtretungszwang auch auf Schadensersatzklagen bei Beschädigung der Sache erstreckt.1382 An dieser These ist für das römische Recht richtig, daß keine Quelle den Fall ausdrücklich behandelt, daß die Sache nach Besitzverlust beschädigt oder gar zerstört wurde.1383 In vielen Quellen wird in der Tat bei dem Zessionszwang

a. a. O., ebenfalls zitierte BEKKER, Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts, 4 (1860) 206 ff. behandelte die Frage der Zession der rei vindicatio, insbesondere ihre Zulässigkeit und Wirkung. 1377 s. o. A. 214. 1378 s. d. Nachweise soeben A. 1376 und schon o. A. 215. 1379 Zu den von WINDSCHEID zitierten Quellen s. o. bei A. 216; MÜHLENBRUCH, Cession (3. Aufl. 1836) 409 ff. führt an D. 6,1,63; D. 6,1,21 (und ferner D. 6,1,46 f.); D. 4,9,6,4; D. 19,2,25,8; D. 11,3,14,9; D. 42,1,12 sowie als Ausnahme D. 6,1,69. 1380 Bei Paulus D. 6,1,21 (dazu o. S. 73 ff.) bleibt zwar der Besitz formaljuristisch trotz der Flucht des Sklaven erhalten (s. o. A. 245); der Verlust der facultas restituendi kommt einem Besitzverlust jedoch praktisch gleich, wenn man davon absieht, daß bei bloßem Verlust der facultas restiuendi der Beklagte weiterhin ersitzen kann. 1381 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 19: „Die angezogenen Stellen lassen den Schluß zu, daß die Anwendung des Prinzips des heutigen § 255 schon in geschichtlicher Zeit primär für den Fall des Fortbestands der Sache nach Sachverlust gedacht war.“ 1382 Zur Argumentation von MÜNCHBACH s. schon o. S. 27 f.

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nur an die Herausgabeklage gedacht.1384 Auch ist die Entscheidung darüber, o b eine Abtretung erzwungen werden soll, davon abhängig, ob das Interesse des Eigentümers, die Sache wiederzuerlangen, höher zu bewerten ist als das Regreßinteresse des Entschädigenden: In typisierten Fallgruppen (insbesondere im Fall des dolo desinens possidere, aber wohl auch bei der oblatio litis, ferner im Falle der Inanspruchnahme des Diebes aus der condictio furtiva) wird dem Ersatzpflichtigen ein Recht auf die Abtretung der Klagen des Eigentümers versagt; vermutlich um diesem die Möglichkeit zu erhalten, seine Sache realiter wiederzuerlangen. Auch diese Einschränkung des Rechts auf Klagenabtretung ist freilich nur sinnvoll, wenn der iudex die Fortexistenz der Sache zumindest für nicht ausgeschlossen hält. Wenn in den Quellen also nur der Fall betrachtet wird, daß der Fortbestand der Sache zumindest als möglich erscheint, so bedeutet das aber nicht zwingend, daß die klassischen Juristen etwa im Fall einer Beschädigung, Zerstörung oder Verarbeitung der Sache nach dem Besitzverlust dem für den Besitzverlust haftenden Entschädigungspflichtigen ein Recht auf Abtretung der aus der Sachveränderung gegen Dritte resultierenden Ansprüche verweigert hätten. Wahrscheinlicher ist vielmehr, daß die Quellen sich deswegen auf den Fall der fortexistenten Sache beschränken, weil man nach einem Besitzverlust (etwa durch Diebstahl) typischerweise nichts über das weitere Schicksal der Sache weiß und deswegen im Regelfall davon ausgeht, daß die Sache noch existiert oder zumindest existieren könnte. In den Quellen wird der Fall der Haftung für Besitzverlust also nicht dahingehend weitergesponnen, daß die Sache im Anschluß an den Besitzverlust noch beschädigt, zerstört oder umgewandelt wurde – und dies dem Entschädigungspflichtigen bekannt wird. Daß die Quellen diesen Fall nicht konkret behandeln, schließt jedoch nicht aus, daß – bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen – die Römer auch die Abtretung von Surrogat- oder Schadensersatzansprüchen im Fall der Haftung für einen Besitzverlust erzwungen hätten. Die unbestimmten Formulierungen mancher Quellen (actiones quas eius rei nomine 1383 s. allerdings zur Haftung für die Sachbeschädigung durch einen anderen – wenn auch ohne vorangehenden Sachverlust – Ulpian D. 13,6,7,1: Beschädigt einer von zwei gemeinschaftlichen Entleihern die Leihsache, kann der andere Entleiher, wenn er aus der actio commodati in Anspruch genommen wird, verlangen, daß ihm die actio legis Aquiliae gegen den Schädiger abgetreten wird. Aufgrund eines Vergleiches der von Ulpian in D. 13,6,7,1 angegebenen Begründung mit (Labeo-)Ulpian D. 6,1,13 läßt sich die Vermutung aufstellen, daß auch bei einer Haftung des Besitzers aus der Vindikation für eine nicht verhinderte Sachbeschädigung durch einen Dritten der haftende Vindikationsbeklagte verlangen kann, daß ihm actio legis Aquiliae gegen den Schädiger abgetreten wird (s. ad h. l. o. A. 224, 929, 981). Freilich betrifft Ulpian D. 13,6,7,1 selbst einen Fall, der heute – unabhängig vom Streit um den Anwendungsbereich des § 255 BGB schon wegen § 427 BGB – als Gesamtschuld zu behandeln wäre, da die beiden Mitentleiher aufgrund der gemeinschaftlichen Leihe die Rückgabe der Leihsache schulden. 1384 s. die Zusammenfassung o. S. 341.

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4. Kap.: Schluß

habeat etc.)1385 lassen diese Interpretation zumindest auch zu. Daß gegebenenfalls insbesondere die actio legis Aquiliae abzutreten wäre, läßt sich auch aufgrund von Ulpian D. 13,6,7,11386 vermuten. Sicher ist jedenfalls aufgrund von Gaius D. 19,2,25,81387 – was MÜNCHBACH1388 zugesteht –, daß im Falle eines auf Diebstahl beruhenden Sachverlustes auch die condictio furtiva abzutreten ist; die Diebstahlskondiktion ist aber eine Wertersatzklage, die auch dann noch eingreift, wenn der Dieb inzwischen die Sache (auch zufällig) verloren oder zerstört hat. Das Argument von MÜNCHBACH, die Quellen hätten in erster Linie die Abtretung der auf Wiedererlangung der Sache gerichteten Klagaen im Auge, verfängt deswegen im Ergebnis nicht. Ebensowenig überzeugt aber umgekehrt die Annahme von SELB,1389 das beneficium cedendarum actionum enthalte ein allgemeines Rechtsprinzip, weswegen die Vorschrift des § 255 BGB – zu Lasten des Anwendungsbereichs der Gesamtschuld – weit auszulegen sei. Weder die Feststellung, daß nach römischem Recht im Fall des Sachverlusts durch Diebstahl auch die condictio furtiva (und damit eine auf Wertersatz gerichtete Forderung) abzutreten war, noch die begründete Vermutung, daß die klassischen Juristen wahrscheinlich auch die Zession von Ansprüchen auf Schadensersatz (aus einer Zerstörung oder Beschädigung der Sache) oder auf ein Surrogat (z. B. aufgrund einer Veräußerung oder Verarbeitung der Sache) gegen den nachfolgenden Besitzer erzwungen hätten, stellt nämlich ein Argument für die Anwendung des § 255 (1. Fall) BGB auch auf diese Ansprüche dar. Denn daß der Entschädigende diese Ansprüche Zug um Zug gegen seine Entschädigungsleistung letztlich erhalten soll, ist das übereinstimmende Ergebnis nach allen Ansichten zum geltenden Recht. Unterschiedlich ist nach modernem Recht in erster Linie der Weg, über den der Entschädigungspflichtige diese Ansprüche erlangt: Bei Anwendung von § 255 (1. Fall) BGB bedürfte es einer rechtsgeschäftlichen Zession der Ansprüche, bei Anwendung der Gesamtschuldregeln gingen diese Ansprüche hingegen im Wege der Legalzession ipso iure auf den Entschädigungspflichtigen über. Die klassischen Juristen kannten hingegen auch in den Fällen, die nach heutigem Recht als Gesamtschuld anzusehen wären, keine Legalzession zu Regreßzwecken.1390 Vielmehr folgte nach klassischem Recht aus der Gesamtschuld als 1385

s. eine Zusammenstellung der Formulierungen ebenfalls o. S. 341. s. soeben A. 1383. 1387 Dazu s. o. S. 265 f. 1388 MÜNCHBACH, Regreßkonstruktionen (1976) 19 f. 1389 s. o. A. 67, 89, 123. 1390 Allerdings erwähnen Antoninus C. 5,58,2 (a. 212), Ulpian D. 27,3,1,13;14 eine actio utilis, die dem Vormund nach Reskripten der Kaiser Antoninus Pius, Septimus Severus und Caracalla (s. SEILER, Negotiorum gestio [1968] 189) zum Regreß gegen seinen Mitvormund gewährt wurde, wenn die Abtretung der actio tutelae des Mündels gegen den regreßpflichtigen Vormund an den regreßberechtigten Vormund unterblie1386

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solcher kein Regreßrecht des Gesamtschuldners. Wenn die klassischen Juristen den mehreren Schuldnern, die nach heutigem Recht als Gesamtschuldner zu behandeln wären, überhaupt ein Regreßrecht untereinander gewährten, so begründeten sie diesen Regreß in erster Linie aus dem Innenverhältnis zwischen den mehreren Schuldnern.1391 Wenn ein Gesamtschuldner zu seinem Regreß in bestimmten Fällen die Klage des Gläubigers erhalten sollte, so gab es für die römischen Juristen auch bei Gesamtschuldnern nur den Weg, dem Regreßberechtigten nach dem gemeinrechtlich sogenannten beneficium cedendarum actionum ein Zurückbehaltungsrecht zur Erzwingung einer rechtsgeschäftlichen Abtretung durch den Gläubiger einzuräumen; dieses Recht gestand man Gesamtschuldnern nur von Fall zu Fall zu.1392 Für die klassischen Juristen gab es also im Hinblick auf die Art und Weise des Anspruchsüberganges keine Notwendigkeit, zwischen der Kategorie der Gesamtschuld und den Fällen der Haftung für Besitzverlust zu unterscheiden. Eine solche Subsumption unter vorgefertigte Kategorien der Schuldnermehrheit scheint den römischen Juristen vielmehr fremd gewesen zu sein; sie gewährten also ein Recht auf Klagenzession nur im Hinblick auf die gerechte Lösung bestimmter Fälle. Außerhalb der Frage, ob die Legalzession des § 426 Abs. 2 BGB (und der originäre Regreßanspruch des § 426 Abs. 1 BGB) statt der erzwungenen rechtsgeschäftlichen Zession des § 255 (1. Fall) Anwendung finden soll, kommt der Einordnung der Surrogat- oder Schadensersatzansprüche unter § 426 BGB nur wenig Bedeutung zu. Auswirkung hat die Einordnung unter die Gesamtschuldregeln allenfalls im Hinblick darauf, daß nach § 424 BGB ein Gläubigerverzug ben ist. In dieser actio utilis sehen manche eine an die abzutretende actio tutelae angelehnte Klage, so daß dem regreßberechtigten Vormund im Ergebnis (in Form der actio utilis) die actio tutelae ohne Zession zugestanden worden sei (so etwa V. SAVIGNY, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts I [1851] § 24 [S. 252–256], zuletzt ausführlich SEILER, a. a. O., 189 ff., Zusammenfassung S. 207 f.; vorsichtig [„actio utilis (wohl tutelae)“] auch KASER, RP I 659 bei A. 41; vgl. ferner BINDER, Die Korrealobligationen im römischen und heutigen Recht [1899] 350); die Gewährung einer solchen actio utilis käme einer Legalzession schon recht nahe (vgl. dazu o. S. 308 bei A. 1144). Doch dürfte diese actio utilis ein spezieller Rechtsbehelf für den Regreß unter Mitvormündern sein; jedenfalls wurde sie nicht allgemein als Regreßklage unter Gesamtschuldnern gewährt (vgl. KASER, RP I 659 mit A. 42: Ob actiones utiles schon in spätklassischer Zeit auch in anderen Fällen gewährt worden seien, sei ungewiß). Ihr Charakter ist unklar; nach anderer Auffassung handelt es sich nämlich (statt um eine an die zu zedierende Klage angelehnte actio tutelae utilis) um eine actio negotiorum gestorum utilis (so PARTSCH, Studien zur Negotiorum Gestio I [1913] 42 ff.; LEVY, Konkurrenz I [1918] 230; dagegen jedoch mit umfangreicher Argumentation SEILER, a. a. O.). 1391 Vgl. KASER, RP I 659. 1392 Ein besonderer Fall ist etwa auch der Regreß unter Mitbürgen; s. zu allem nur KASER, RP I 659; vgl. S. 665 f.; s. auch A. WACKE, Index 3 (1972) 468–470; WACKE geht davon aus, daß jedenfalls einem intern vollständig freizustellenden (also bürgenähnlichen) Gesamtschuldner das beneficium cedendarum actionum regelmäßig gewährt worden sei.

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gegenüber allen Gesamtschuldnern gleichermaßen gelten würde, und daß gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 (letzter Halbsatz) BGB i.V. m. § 254 BGB beim Regreß ein mitwirkendes Verschulden des Ersatzpflichtigen berücksichtigt werden könnte. An ein Mitverschulden desjenigen, der nur für den Besitzverlust verantwortlich ist, wäre etwa dann zu denken, wenn er die Besitzergreifung durch den Dritten, der später die Sache zerstörte, veräußerte oder verarbeitete, in solcher Weise schuldhaft ermöglichte, daß der Verschuldensanteil des Besitzergreifenden gemindert erscheint. Da zu diesen speziellen Fallkonstellationen aber klassische Quellen fehlen, können aus dem römischen Recht selbst keine Indizien für eine Entscheidung zwischen der Anwendung der Gesamtschuldregeln oder von § 255 (1. Fall) BGB gewonnen werden. 4. Entscheidung aufgrund systematischer Erwägungen zur Abgrenzung zwischen § 255 BGB und der Gesamtschuld Die historische Analyse trägt somit zwar zum Verständnis dafür bei, wieso es zum Nebeneinander der Regelungen über die Gesamtschuld und von § 255 BGB kommen konnte. Aus ihr lassen sich aber kaum zwingende Argumente zur Abgrenzung beider Regelungsbereiche herleiten. Allenfalls die Untersuchung der Gesetzgebungsmaterialien zeigte, daß man bei der Schaffung der Norm überwiegend – wenn auch nicht ausschließlich – davon ausging, daß § 255 (1. Fall) BGB auch auf Geld gerichtete Ansprüche erfassen sollte. Da sich aus den Materialien aber auch ergibt, daß man das Problem einer Abgrenzung zum Gesamtschuldnerregreß bei der Schaffung des § 255 BGB gar nicht erkannte, erscheint es gerechtfertigt, zur Erzielung einer möglichst trennscharfen Abgrenzung auch von der – nicht weiter reflektierten – Vorstellung der Mehrheit der Gesetzgebungsväter abzurücken. Dies ist auch deswegen legitim, weil das materielle Ergebnis, daß nämlich der Obhutspflichtige die Ansprüche gegen den oder die Dritten erlangen soll, im wesentlichen dasselbe ist. Hauptsächlich1393 unterscheiden sich die beiden Regreßwege in der Art und Weise des Anspruchsüberganges, der bei § 426 Abs. 2 BGB auf Gesetz beruht, bei § 255 (1. Fall) BGB hingegen mittels rechtsgeschäftlicher Zession zu bewirken ist. Ziel der Abgrenzung sollte also in erster Linie ein geschlossenes dogmatisches Konzept sein, das klare Abgrenzungen und zugleich sachgerechte Entscheidungen ermöglicht. Dazu kann in dieser Untersuchung, deren Schwerpunkt in der Rechtsgeschichte liegt, eine umfassende Abwägung der vorgetragenen Argumente nicht erfolgen. Dennoch soll kurz zu dem Meinungsstreit Stellung genommen werden:

1393 Abgesehen von der Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Obhutspflichtigen, die bei § 426 BGB möglich ist, bei § 255 BGB dagegen ausgeschlossen erscheint; dazu noch sogleich.

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a) Nach allen Auffassungen sind gemäß § 255 (1. Fall) BGB jedenfalls solche Ansprüche abzutreten, die auf W i e d e r e r l a n g u n g der verlorenen, noch existenten Sache gerichtet sind. Dabei ist, wie noch zu zeigen sein wird,1394 der Übergang der Vindikation selbst durch Übereignung der Sache zu bewirken. Dagegen sind auf Geld gerichtete S c h a d e n s e r s a t z ansprüche wegen Unterganges oder Beschädigung der Sache durch den Dritten nicht nach § 255 (1. Fall) BGB abzutreten. Solche Ansprüche gehen vielmehr bereits nach § 426 Abs. 1 BGB auf den Ersatzpflichtigen über. Wenn sowohl der Anspruch gegen denjenigen, der für den Besitzverlust haftet, als auch der Anspruch gegen den Dritten auf Geldersatz wegen der abhanden gekommenen (und sodann beschädigten oder zerstörten) Sache gerichtet sind, sind beide Ansprüche im Ergebnis auf dasselbe Ziel gerichtet; hier läßt sich daher die von § 422 Abs. 1 BGB vorausgesetzte allseitige Erfüllungswirkung ohne weiteres annehmen. Die Auffassung der herrschenden Meinung, die Leistung dessen, der nur sekundär haftet, mindere nicht den gegen den primär haftenden Dritten gerichteten Schadensersatzanspruch, so daß dieser noch rechtsgeschäftlich zediert werden könne, muß in etwas gekünstelter Weise die Leistung des sekundär Verpflichteten bei der Berechnung des vom primär Verpflichteten geschuldeten Schadensersatzes herausnehmen. Die herrschende Meinung führt aber vor allem zu unnötigen Abgrenzungsschwierigkeiten. Auch die These, bei gestuften Mehrheiten von Schadensersatzschuldnern finde § 426 BGB keine Anwendung,1395 vermag diese Abgrenzungsprobleme nicht befriedigend zu lösen: Insbesondere die von § 840 Abs. 2 BGB der Gesamtschuld zugewiesenen Schuldnermehrheiten, bei denen kraft gesetzlicher Anordnung im Innenverhältnis einer der Gesamtschuldner den gesamten Schaden zu tragen hat, lassen sich von gestuften Schuldnermehrheiten, die nicht der Gesamtschuld unterfallen sollen, kaum abgrenzen. Schließlich bietet die Lösung über die Gesamtschuld den Vorteil, daß über die Formulierung des § 426 Abs. BGB „Soweit ein Gesamtschuldner . . . von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann“ auch ein Mitverschulden des Obhutspflichtigen an der – für die Schadensentstehung kausalen – Besitzergreifung durch den (die Sache zerstörenden oder beschädigenden) Dritten berücksichtigt werden kann.1396 b) Ist aber an die Stelle der Sache (etwa durch Verarbeitung) ein S u r r o g a t anspruch getreten, läßt sich eine Gesamtschuld nicht annehmen. Hier fehlt es schon an der von § 422 Abs. 1 BGB vorausgesetzten allseitigen Erfüllungswirkung der Leistung: Wenn der Surrogatschuldner an den Geschädigten (und Gläubiger des Surrogatanspruches) leistet, mindert dies zwar den vom Obhutspflichtigen zu ersetzenden Schaden; umgekehrt mindert aber die Leistung des 1394

s. sogleich S. 363 ff. s. dazu o. S. 33 ff., insbesondere S. 35 f. 1396 Das Problem des Mitverschuldens wurde bei der Gesetzgebung zu § 255 BGB offenbar nicht gesehen. 1395

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Schadensersatzes durch den Obhutspflichtigen nicht die Bereicherung des Surrogatschuldners. Der Schadensersatz- und der Surrogatanspruch stehen also nicht in echter Solutionskonkurrenz. Deswegen fehlt es schon an einer Grundvoraussetzung1397 für die Annahme einer Gesamtschuld. Ferner sind Fälle denkbar, in denen das geschuldete Surrogat nicht in einer Geldleistung, sondern in der Übereignung einer anderen Sache besteht. Vor allem ist aber bei Surrogatansprüchen kein Raum für die Berücksichtigung eines Mitverschuldens: Auch wenn der Obhutspflichtige die Besitzergreifung durch den Surrogatschuldner mitverschuldet haben sollte, ändert dies nichts daran, daß letzterer ungerechtfertigt bereichert und deswegen zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet bleibt. Hier bleibt daher § 255 (1. Fall) BGB anwendbar.1398 Die Regelung des § 255 (1. Fall) BGB ist mithin außerhalb der Übertragung von Ansprüchen auf Herausgabe der Sache selbst auch auf die Abtretung von Surrogatansprüchen anwendbar. Die Auffassung, die Regelung des § 255 (1. Fall) BGB sei auf Ansprüche auf Herausgabe der Sache selbst zu beschränken, würde sich im übrigen auch zu weit von der (freilich etwas diffusen) Vorstellung des Gesetzgebers entfernen, daß auch auf Geld gerichtete Ansprüche unter § 255 (1. Fall) BGB fallen könnten. Die Vorstellung des Gesetzgebers hat aber in der bewußt weit gefaßten Formulierung des § 255 (1. Fall) BGB, es seien diejenigen Ansprüche abzutreten, „die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache . . . gegen Dritte zustehen“, einen Niederschlag gefunden und deswegen immerhin ein gewisses Gewicht. Die Regelung des § 255 (1. Fall) bleibt auf diese Weise ferner eine analogiefähige Norm auch für weitere Ansprüche und Fallkonstellationen, in denen ein Ausgleich über die Gesamtschuldregeln nicht möglich ist. Die hier skizzierte Auffassung bedarf freilich noch einer Vertiefung für den Fall, daß der „Dritte“ (im Sinne von § 255 [1. Fall] BGB) – wie etwa der die Sache verarbeitende Dieb – sowohl Schadensersatz als auch die Herausgabe eines Surrogats (insbesondere einer ungerechtfertigten Bereicherung) schuldet. Wenn nunmehr der Obhutspflichtige gezahlt hat, ohne daß ihm die Bereicherungsansprüche abgetreten wurden, fragt sich, ob er aus dem nach § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Schadensersatzanspruch gegen den Dieb vorgehen kann. Dazu ist zunächst festzuhalten, daß der Dieb von beiden Ansprüchen befreit worden wäre, wenn der Geschädigte als erstes gegen ihn und nicht gegen den Obhutspflichtigen vorgegangen wäre: Die Zahlung auf den Bereicherungsanspruch hätte zugleich den vom Dieb zu ersetzenden Schaden gemindert; die Zahlung auf den Schadensersatzanspruch hätte zugleich die von ihm im Hinblick auf die Verarbeitung herauszugebende Bereicherung verringert. Ebenso muß 1397 Freilich ist umstritten, ob die allseitige Erfüllungswirkung eine Voraussetzung der Gesamtschuld sei. Nach der Gegenauffassung (s. jüngst STAMM, Regreßfiguren [2000] 37) ist die allseitige Erfüllungswirkung nicht Voraussetzung, sondern nur Rechtsfolge einer Gesamtschuld. 1398 Die hier vertretene Auffassung entspricht also der oben S. 30 unter 2. wiedergegebenen Ansicht von GOETTE, FIKENTSCHER und ROTH (s. o. A. 54).

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gewährleistet sein, daß der Dieb auch dann nur einmal zahlen muß, wenn der Obhutspflichtige gegen ihn Regreß nimmt. Dies geschieht am besten dadurch, daß man dem Dieb gegen seine Inanspruchnahme durch den Obhutspflichtigen gemäß § 404 BGB dieselben Gegenrechte gewährt, die ihm auch gegen den Geschädigten zugestanden hätten: Der Dieb kann also gegen die Erhebung des Schadensersatzanspruches durch den Obhutspflichtigen einwenden, daß er zur Leistung auf den Schadensersatzanspruch nur verpflichtet sei, wenn er mit dieser Leistung auch vom Bereicherungsanspruch befreit werde. Durch Leistung an den Obhutspflichtigen wird der Dieb aber vom Bereicherungsanspruch nur befreit, wenn der Obhutspflichtige auch der Gläubiger des Bereicherungsanspruches ist. Der Obhutspflichtige muß daher, um gegen den Dieb erfolgreich aus dem Schadensersatzanspruch vorgehen zu können, sich (notfalls nachträglich, im Anschluß an die eigene Zahlung) auch den Bereicherungsanspruch vom Geschädigten (durch Rechtsgeschäft) abtreten lassen.1399

II. Zur Frage des Eigentumsüberganges und des Abandon Zur Frage, ob der Ersatzpflichtige mit der Zession der Ansprüche an ihn bei noch vorhandener Sache (endgültig) das Eigentum an ihr erwirbt, lassen sich aus dem historischen Rückblick einige Indizien ableiten. Bei der Gegenüberstellung mit den Lösungen der antiken Rechtsquellen ist allerdings zu berücksichtigen, daß die römischen Juristen eine Übereignung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (bzw. durch schlichte Einigung)1400 wie in § 931 BGB noch nicht kannten. 1399 Vgl. in diesem Zusammenhang ROTH, FS Medicus (1999) 506 zu folgender Fallgestaltung: Ein Dieb hat die gestohlene Sache an einen Abnehmer veräußert und dieser hat die Sache weiterveräußert. Nunmehr ersetzt der Dieb dem Eigentümer den Schaden, ohne sich den Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB gegen seinen Abnehmer abtreten zu lassen. Falls jetzt der Eigentümer gegen den Abnehmer aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB vorgehen möchte, gewährt ROTH dem Abnehmer eine peremptorische Einrede (wohl die Arglisteinrede aus § 242 BGB) gegen diesen Anspruch, um einen unnötigen Regreßkreisel zu verhindern: Den vom Eigentümer erzielten Betrag könnte nämlich der Dieb vom Eigentümer herausverlangen, der wiederum dem Abnehmer aus dem mit ihm geschlossenen Kaufvertrag zur Erstattung verpflichtet ist. Das erscheint plausibel, hindert aber nicht, in der im Text geschilderten Fallkonstellation, in der der Dritte keinen vertraglichen Anspruch gegen den aus § 255 BGB regreßberechtigten Obhutspflichtigen hat, sondern umgekehrt von diesem auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden könnte, dem Dritten die Einrede gegen seine Inanspruchnahme durch den Obhutspflichtigen zu gewähren, daß er nur zur Zahlung des Schadensersatzes verpflichtet sei, wenn dadurch der gegen ihn gerichtete Bereicherungsanspruch getilgt wird. Denn auch wenn man in Konsequenz der Ansicht von ROTH dem Dritten nach seiner Zahlung des Schadensersatzes an den Obhutspflichtigen, der sich nicht den Bereicherungsanspruch hat abtreten lassen, den Bereicherungsanspruch in der Hand des Geschädigten für undurchsetzbar hält, hat der Dritte doch ein Interesse daran, daß dieser Anspruch durch seine Zahlung nicht nur im Wege der Einrede, sondern auch endgültig zum Erlöschen gebracht wird. 1400 Die Einigung genügt nach zutreffender h. M., wenn außer der Vindikation kein anderer Anspruch gegen den derzeitigen Besitzer gegeben ist, s. o. A. 125.

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1. Gesetzgebungsgeschichte Die Gesetzesmaterialien sind allerdings auch in dieser Frage nicht eindeutig: Nach dem § 192 des Sachenrechtsentwurfs von JOHOW1401 sollte ausdrücklich das Eigentum ipso iure mit der Leistung der Entschädigung auf den Ersatzleistenden übergehen.1402 Zur Begründung gab JOHOW an, daß die Schaffung von schwebenden Rechtsverhältnissen vermieden werden solle. Auch wandte sich JOHOW ausdrücklich gegen die Lösung, nur die Ausübung der dinglichen Rechte auf den Ersatzpflichtigen übergehen zu lassen, weil sonst die Ausgestaltung der Beziehung zwischen Eigentümer und Entschädigendem erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen würde. Zwar sei ein Eigentumsübergang an beweglichen Sachen ohne Übergabe ungewöhnlich. Ein solcher sei hier aber anzunehmen, denn auf diese Weise werde „nur der Übergang der Vindikation von den Schranken der Mandatstheorie1403 befreit“ und erscheine „alsdann als Eigenthumsübergang“.1404 Nach § 223 des Entwurfs der Ersten Kommission sollten dagegen nur noch die Ansprüche aus dem Eigentum übergehen, nicht mehr das Eigentum selbst. Einen gesetzlichen Eigentumsübergang hielt man für einen Verstoß gegen das Traditionsprinzip.1405 Da aber die Ansprüche (insbesondere die Vindikation) nach dem Ersten Entwurf per Gesetz übergehen sollten, blieb die dingliche Rechtslage nach der Ersatzleistung unklar. Es scheint so, als sollte die Vindikation auf den Ersatzleistenden ipso iure übergehen, ihr Eigentümer aber der Entschädigte bleiben, weil man einen Eigentumsübergang kraft Gesetzes nicht normieren wollte. Ein Antrag, dem Entschädigten die Möglichkeit zu gewähren, sich bei Empfangnahme der Entschädigung das Recht vorzubehalten, Rückabtretung der Rechte oder Herausgabe des inzwischen Erworbenen zu verlangen, wurde ausdrücklich abgelehnt; eine solche Rückabwicklung könne nur mit dem Einverständnis beider Beteiligter vereinbart werden. Einen ähnlichen Änderungsvorschlag, dem zufolge der Eigentümer das Recht haben sollte, bei der Entschädigung einen Vorbehalt zu erklären, kraft dessen er die Sache gegen

1401

Den Text s. o. S. 58. Ebenso schon im Falle der Inanspruchnahme des Beklagten aus der Vindikation Theil III Art. 160 des bayerischen Entwurfs (s. o. A. 189). 1403 Gemeint ist die römisch-rechtliche Zession durch Bestellung zum Prozeßvertreter. 1404 JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 944/1078. 1405 JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 121; dazu o. A. 174. Vgl. weitergehend die Motive II 25, denen zufolge es „besser vermieden wird“, „den Berechtigten zur Mitwirkung behufs Erfüllung der nach den sachenrechtlichen Vorschriften bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen“ des Eigentumsüberganges für verpflichtet zu erklären (dazu schon o. A. 135). 1402

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Rückzahlung der Entschädigung vom Entschädigenden herausverlangen könne, wenn der Entschädigende später in den Besitz der Sache gelangt, überging die Erste Kommission ohne Beschluß.1406 Von den Kritikern wurde die Regelung des § 223 des Ersten Entwurfs daher im Hinblick auf den Eigentumsübergang unterschiedlich interpretiert: SEUF1407 kritisierte die soeben beschriebene Trennung von Eigentümerstellung FERT und Vindikationsberechtigung. LABAND äußerte sich hingegen nicht ganz eindeutig; er ging möglicherweise – entgegen SEUFFERT und den Protokollen der Ersten Kommission – davon aus, daß mit dem Anspruchsübergang auch das Eigentum übergehen solle.1408 Die Position der Ersten Kommission wird deutlicher, wenn man ihre Erwägungen zu § 204 des Vorentwurfs zum Sachenrecht von JOHOW hinzuzieht.1409 Diese Regelung betraf die Abtretbarkeit der Vindikation und die Wirkung ihrer Zession.1410 Bedenken gegen die Zessibilität der Vindikation wies die Erste Kommission unter anderem mit dem Hinweis darauf zurück, daß sie selbst in ihrem Beschluß über den § 192 des Vorentwurfs zum Sachenrecht von JOHOW (der zu § 223 des Ersten Entwurfs führte) sogar den gesetzlichen Übergang der Vindikation unter Trennung von der Eigentümerstellung angeordnet habe. Die Abtretbarkeit der Vindikation ergebe sich bereits aus den allgemeinen Vorschriften des Obligationenrechts und bedürfe deswegen keiner besonderen gesetzlichen Regelung. Gewisse Besonderheiten ergäben sich allerdings für die Zession der Vindikation: Die zedierte Klage könne nicht gegen den Zedenten selbst geltend gemacht werden, wenn also der Eigentümer selber nach der Zession die Sache wiedererlange, so erlösche die Vindikation.1411 Andererseits wandte sich die Erste Kommission gegen einen Antrag von PLANCK, der allgemein an Stelle des § 204 des Vorentwurfs zum Sachenrecht bestimmen wollte, die Abtretung der Vindikation bewirke, daß der Zessionar das Eigentum an der

1406 Antrag Nr. 4 bei JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 119; über diesen Antrag findet sich bei JAKOBS /SCHUBERT, a. a. O., 120 kein Beschluß. 1407 SEUFFERT (o. A. 175). 1408 s. dazu o. A. 176 und 177. 1409 Hierzu und zum Folgenden JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Sachenrecht I 868 f. 1410 Sie stand am Ende des Abschnitts über den „Eigenthumsanspruch wegen Vorenthaltung der Sache“ und lautete (s. JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 34/48): „Durch die Abtretung des Eigenthumsanspruches auf Herausgabe der Sache wird ein gegen Dritte wirksames Recht auf Erlangung der Sache nicht begründet. Die Abtretung gilt als Bevollmächtigung zur Geltendmachung derselben.“ 1411 Ferner könne die Abtretung der Vindikation, wenn sie die Eigentumsübertragung herbeiführen solle, den Eigentumsübergang dann nicht mehr bewirken, wenn der Zedent vor der Erlangung des Besitzes durch den Zessionar in Konkurs falle. Gerade diese Wirkung der bloßen Vindikation spricht aber dagegen, in § 255 BGB eine solche schlichte Vindikationszession anzunehmen; das Konkursrisiko des Entschädigten sollte dem Entschädigungspflichtigen nicht auferlegt werden, s. dazu noch u. S. 372 ff.

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Sache erwerbe, sobald er ihren Besitz erlange.1412 Dagegen wandte die Kommission ein, eine Zession der Vindikation könne auch anderen Zwecken dienen als der Eigentumsverschaffung; welcher Zweck mit der Vindikationszession verfolgt werde, sei nach den Umständen des Einzelfalls auszulegen. Im Ergebnis strich die Erste Kommission den § 204 des Vorentwurfs zum Sachenrecht ersatzlos. Leider fehlt auch an dieser Stelle der Protokolle der Ersten Kommission eine Aussage darüber, welchen Zweck der Übergang der Vindikation im Falle des § 233 des Ersten Entwurfs haben sollte. Doch spricht einiges dafür anzunehmen, daß der Vindikationsübergang der Eigentumsübertragung dienen sollte: Die Kommission kritisierte nämlich zum einen nicht das Ergebnis der Vorlage von JOHOW, nach der das Eigentum per Gesetz übergehen sollte, sondern nur die Art und Weise des gesetzlichen Übergangs, weil sie gegen das Traditionsprinzip verstoße. Vielmehr wandte sie sich ausdrücklich gegen den bereits erwähnten Vorschlag, dem Entschädigten die Möglichkeit eines Vorbehalts einzuräumen, gegen Rückzahlung der Entschädigung die Rückabtretung der übergegangen Rechte oder die Herausgabe des inzwischen Erlangten verlangen zu können. Aus der Begründung, ein solches Rückabwicklungsrecht könne nur einvernehmlich geregelt werden, folgt, daß die Erste Kommission meinte, mit dem Übergang der Zession zumindest für den Regelfall eine endgültige Entscheidung getroffen zu haben, die keine Rückabwicklung zuläßt. Die Position der Ersten Kommission ist daher am ehesten dahingehend zu verstehen, daß sie entsprechend ihren Erwägungen zu § 204 des Vorentwurfs zum Sachenrecht davon ausging, der gesetzliche Übergang der Vindikation diene der Übertragung des Eigentums. Dies hätte zur Folge, daß der Entschädigende das Eigentum erwirbt, sobald er den Besitz der Sache erlangt; der Eigentumsverlust auf Seiten des Entschädigten ist dann endgültig. Fällt der Entschädigte allerdings zuvor in Konkurs, kann der Entschädigende das Eigentum nicht mehr erwerben; außerdem erlischt die durch das Gesetz übergegangene Vindikation, wenn der Entschädigte den Besitz vor dem Entschädigenden wiedererlangt.

Die Vorkommission des Reichsjustizamtes änderte in Folge der Kritik LAden gesetzlichen Anspruchsübergang in eine Zessionspflicht, um den Zeitpunkt und den Umfang der dem Ersatzberechtigten zukommenden Ansprüche klarzustellen.1413 Einen anderen Kritikpunkt LABANDs, der sich gegen die Normierung eines Abandon aussprach, indem er empfahl,1414 dem Entschädigten die Möglichkeit einzuräumen, gegen Rückzahlung der Entschädigung die wiedergefundene Sache zu behalten, griff die Vorkommission nicht auf. Andererseits ging die Vorkommission aber auch nicht auf die Kritik von SEUFFERT ein, es dürfe nicht zu einer Trennung von Eigentümerstellung und Vindikationsberechtigung kommen. Aus den Protokollen der Vorkommission läßt sich daher insgesamt nicht entnehmen, wie ihre Mitglieder zur Frage des Eigentumsüberganges und des Abandon standen. BANDs

1412 Wörtlich lautete der Vorschlag von PLANCK: „Derjenige, auf welchen der Eigentumsanspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache übertragen ist, erwirbt das Eigenthum derselben, wenn er deren Besitz erwirbt.“ s. JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Sachenrecht I 868. 1413 s. o. S. 351 f. 1414 LABAND, AcP 73 (1888) 184.

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In den Protokollen der Zweiten Kommission1415 findet sich aber auch das (auf LABAND zurückgehende) Argument, bei dinglichen Ansprüchen führe der gesetzliche Übergang zu dem „ganz unzweckmäßigen“ Ergebnisse, daß bei Teilleistung der Entschädigung ein „dingliches Gemeinschaftsverhältnis“ entstehe. Diese Argumentation spricht dafür anzunehmen, daß mit der von der Zweiten Kommission (in Übereinstimmung mit der Vorkommission des Reichsjustizamtes) befürworteten Pflicht zu rechtsgeschäftlicher Zession der Geschädigte auch zur Übereignung verpflichtet werden sollte. Ferner wurde in den Beratungen der Zweiten Kommission erneut der Antrag gestellt, dem Geschädigten gegen Rückerstattung der Entschädigung einen Anspruch auf Wiederabtretung des vom Entschädigenden erworbenen Eigentums zu erlangen. Der Antrag wurde jedoch zurückgezogen; einen Schluß auf die Ansicht der Zweiten Kommission zu dieser Frage läßt dieser Vorgang folglich nicht zu. Z u s a m m e n g e f a ß t ergibt sich also ein eher diffuses Bild: JOHOW wollte das Eigentum per Gesetz übergehen lassen und von jeder Rückabwicklung absehen. Nach der Ersten Kommission sollte das Eigentum nicht übergehen, und zwar in erster Linie deswegen, weil man einen gesetzlichen Eigentumsübergang für einen Verstoß gegen das Traditionsprinzip hielt. Andererseits sollte nach der Ersten Kommission aber der Entschädigungsberechtigte auch nicht die Befugnis haben, sich ein Rückabwicklungsrecht vorzubehalten. Die Frage, wie bei Wiederauftauchen der Sache (in der Hand des Entschädigten oder des Entschädigenden) vorzugehen sei, blieb damit ungeklärt. Daran änderte die Vorkommission des Reichsjustizamtes nichts, die den gesetzlichen Anspruchsübergang in eine Pflicht zu rechtsgeschäftlicher Zession veränderte (und damit im Hinblick auf § 931 BGB eigentlich die Möglichkeit gehabt hätte, ohne Verstoß gegen das Publizitätsprinzip eine Übereignungspflicht zu formulieren).1416 Die Zweite Kommission scheint dagegen eher einen Eigentumsübergang unterstellt zu haben, ohne aber auf die Kritik SEUFFERTs am Ersten Entwurf, es dürfe nicht zu einer Trennung von Eigentümerstellung und Vindikationsberechtigung kommen, explizit einzugehen; auch der Frage nach einem Rückabwicklungsrecht des Entschädigten hat sich die Zweite Kommission nicht erneut gestellt. Angesichts dieser Divergenzen und Ungereimtheiten kommt der Vorstellung der an der Gesetzgebung beteiligten Kommissionsmitglieder für die Entscheidung der Fragen nach dem Eigentumsübergang und einem Rückabwicklungsrecht des Entschädigten wenig Gewicht zu.

1415 Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. I (1897) 301. 1416 Darauf weist zu Recht auch STAMM, Regreßfiguren (2000) 88 f. hin.

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2. Indizwirkung des römischen Rechts für die Annahme einer endgültigen Übereignung im Regelfall Die Entscheidungen der römischen Juristen waren im Rahmen der Gesetzgebung zu § 255 (1. Fall) BGB Vorbild insbesondere für die von JOHOW geschaffene Norm des § 192 des Vorentwurfs zum Sachenrecht.1417 JOHOW wollte allerdings in bewußter Fortentwicklung des römischen Rechts einen gesetzlichen Eigentumsübergang auf den Entschädigenden einführen. Unter Berufung auf die Rechtslage nach den römischen Quellen1418 wurde aber später der gesetzliche Eigentumsübergang abgeschafft und durch eine Zessionspflicht ersetzt. Dem klassischen Recht kommt daher nicht nur im Hinblick auf eine den römischen Quellen im allgemeinen innewohnende Autorität, sondern auch wegen seines konkreten Vorbildcharakters bei der Schaffung des § 255 (1. Fall) BGB für die Beantwortung der Frage, ob der Entschädigende (endgültig) das Eigentum an der Sache erhalten soll, indizielle Bedeutung zu. Für die Frage des Eigentumsüberganges auf den Entschädigenden nach römischen Recht1419 ist zunächst (I.) darauf hinzuweisen, daß es im klassischen Recht mindestens drei Fälle gegeben zu haben scheint, in denen der Entschädigende keinen Anspruch auf eine Zession der dem Entschädigten zustehenden Klagen hatte. Ein Anspruch auf Klagenzession wurde verweigert (1.) demjenigen, der absichtlich den (Eigen-)Besitz an der Sache aufgegeben hatte (dolo desinens possidere);1420 ferner (2.) wahrscheinlich (nach spätklassischem Recht) demjenigen, der sich als Beklagter einer dinglichen Klage aufgedrängt hatte, obwohl er die herausverlangte Sache nicht im Besitz hatte (liti se optulens);1421 sowie schließlich (3.) vermutlich dem mit der condictio furtiva belangten Dieb.1422 In diesen Fällen kam ein Eigentumsübergang auf den Beklagten nicht in Betracht. Dem Entschädigenden stand beim Wiederauftauchen der Sache (in 1417 JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 942 f./1076 f. JOHOW (S. 944/1078) kritisierte zwar am römischen Recht, daß die Zahlung des dolo desinens possidere nach Paulus D. 6,1,69 als Strafzahlung verstanden worden sei; dieser Gedanke sei vom geltenden Recht nicht zu übernehmen. Dabei handelt es sich jedoch wohl um ein (verbreitetes) Mißverständnis des Paulus-Textes; das Wort punitur in dieser Quelle bedeutet wahrscheinlich statt einer echten Strafe, daß der dolo desinens possidere sein Recht auf eine Klagenzession verwirke (s. o. S. 330 bei und nach A. 1253). 1418 Ausdrücklich unter Berufung auf die römisch-gemeinrechtliche Rechtslage hielt LABAND, AcP 73 (1888) 183 die Zessionspflicht für vorzugswürdig gegenüber dem gesetzlichen Anspruchsübergang. LABAND folgten insoweit inhaltlich die Vorkommission des Reichsjustizamtes und die Zweite Kommission, wenn auch ohne ausdrückliche Erwähnung des Arguments, daß die Zessionspflicht mit dem römischen Recht übereinstimmt. 1419 s. dazu und zum Folgenden oben § 12. 1420 Dazu insbesondere o. S. 82 ff., 317 ff., zusammenfassend S. 333 ff. 1421 Dazu bes. o. S. 95 ff. 1422 Dazu bes. o. S. 114 ff.

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der Hand des Entschädigten) wahrscheinlich nur eine condictio zu, mit der er die geleistete Entschädigung kondizieren konnte;1423 der Entschädigte konnte die Verurteilung möglicherweise auch durch Herausgabe der wiedergefundenen Sache abwenden. Im Regelfall (II.) hatte aber der entschädigungspflichtige Beklagte ein Recht auf Klagenzession. Wenn der Beklagte sich dementsprechend die Klagen des Entschädigten hatte abtreten lassen, erwarb er allerdings nicht sofort das Eigentum an der Sache. Das römische Recht kannte nämlich keine Übereignung durch Abtretung der Herausgabeansprüche (wie § 931 BGB sie zuläßt). Deswegen konnte der Entschädigende bis zur (Wieder-)Erlangung des Besitzes nicht das Eigentum an ihr erlangen. Wenn aber (1.) der Entschädigende, der sich die Ansprüche des Entschädigten hatte abtreten lassen, im Anschluß an die Zahlung des Streitwertes den Besitz der Sache erhielt, erwarb er an ihr das (prätorische) Eigentum; der Verlust (Abandon) war dann für den zivilen Eigentümer endgültig. Gelangte hingegen (2.) der entschädigte Eigentümer wieder in den Besitz der Sache, so war der Entschädigungspflichtige nicht echter prätorischer Eigentümer geworden. Hinsichtlich der Möglichkeit, dennoch die Sache vom Eigentümer herauszuverlangen, war zu unterscheiden: Grundsätzlich (a) konnte der Entschädigte nur entweder mit einer condictio1424 oder – falls zwischen den Beteiligten ein auf Leistung gemäß der bona fides gerichtetes Schuldverhältnis (insbesondere ein Vertragsverhältnis wie die locatio conductio oder das commodatum)1425 bestand – mit der Klage aus dem Schuldverhältnis verklagt werden. Die condictio war in erster Linie auf Rückzahlung der Entschädigung gerichtet; der Entschädigte konnte sie aber mutmaßlich durch Herausgabe der wiedergefundenen Sache abwenden. Im Falle einer auf Leistung gemäß der bona fides gerichteten Gegenklage stand in ähnlicher Weise vermutlich dem beklagten Entschädigten die Wahl zu, ob er die Sache herausgeben oder lieber die empfangene Entschädigung zurückzahlen wollte. Der Entschädigte hatte die Sache dann also grundsätzlich noch nicht verloren. Von diesem Grundsatz, daß der Entschädigte die Sache bis zur Besitzergreifung durch den Entschädigenden noch nicht endgültig verloren hatte, gab es aber (b) zwei Ausnahmen: Unter nicht restlos zu klärenden Umständen konnte erstens (aa) der Entschädigende (insbesondere der Entleiher) sich vor seiner Verurteilung eine Kaution bestellen lassen, daß ihm der Entschädigte die Sache herausgeben werde, wenn er sie wieder erlangte (ut repertam [gemeint ist: rem] ei praestet; im Folgenden kurz cautio de restituendo genannt).1426 Die Inan1423

Zu ihr (Cassius-)Ulpian D. 12,7,2 (o. S. 293 ff.). Zu ihr s. soeben A. 1423. 1425 s. dazu die o. S. 293 ff. besprochenen Quellen (Cassius-)Ulpian D. 12,7,2 (zur locatio conductio); Paulus D. 13,6,17,5 und African D. 13,6,21 (zum commodatum). 1426 So Pomponius D. 13,6,13pr. für das Kommodat; vgl. Paulus D. 6,1,47; zu beiden Quellen s. o. S. 290 ff. 1424

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spruchnahme aus dieser Kaution konnte der Entschädigte nicht durch Rückzahlung der Kaution abwenden. War zweitens (bb) der Entschädigungspflichtige schon vor dem Entschädigungsprozeß ein Ersitzungsbesitzer gewesen, so stand ihm wegen seines früheren Ersitzungsbesitzes die actio Publiciana gegen den Entschädigten zu, wenn dieser die Sache wiedererlangte. Auch in diesem Fall konnte der Entschädigte die Verurteilung nicht durch Rückzahlung der empfangenen Entschädigung abwenden.1427 Die Frage, ob nach römischem Recht der Entschädigungspflichtige im Regelfall (II.), in dem er ein Recht auf Klagenzession hatte, das Eigentum an der Sache erwarb und den Entschädigten endgültig enteignete, läßt sich also nicht mit einem schlichten Ja oder Nein beantworten. Die Antwort hing zunächst davon ab, ob der Entschädigungspflichtige oder der Entschädigte als erster den Sachbesitz wiedererlangte: Wenn der Entschädigende die Sache wiederfand (Fall II. 1.), wurde er prätorischer Eigentümer unter Enteignung des Entschädigten, der nur das nicht durchsetzbare zivile Eigentum behielt. Wenn aber der Entschädigte die Sache zuerst wiederergriff (Fall II. 2.), hatte er in der Regel (Fall II. 2. a) noch ein Wahlrecht, ob er dem Entschädigenden die Sache oder die Entschädigung herausgeben wollte. Diese Unterscheidung danach, ob nach der Ersatzleistung der Entschädigende oder der Entschädigte zuerst den Besitz der Sache (wieder-)erlangte, ist im römischen Recht aber eher technisch bedingt, weil eine Übereignung (auch nach Honorarrecht) an den Ersatzpflichtigen die traditio an ihn voraussetzte. Zwar entspricht die Differenzierung danach, wer von den beiden Beteiligten zuerst den Sachbesitz erlangt, dem im Sachenrecht auch sonst vielfach befolgten Prioritätsprinzip. Für diese Anwendung dieses Prioritätsprinzips ließe sich ferner noch anführen, daß derjenige von den beiden Beteiligten, der den Besitz der Sache zuerst wiedererlangt, sich möglicherweise auch stärker um das Wiederfinden der Sache bemüht hat. Doch ist diese Vermutung keineswegs immer zutreffend; wird es doch vielfach vom Zufall abhängen, wer die Sache zuerst wiederfindet. Auch die römischen Juristen hielten daher in dieser Frage das Prioritätsprinzip nicht streng durch, sondern gestalteten die Rechtsposition des Entschädigenden sowohl dann, wenn sie dem Beklagten das Recht auf die Bestellung einer cautio de restituendo für den Fall der Besitzerlangung durch den Kläger gewährten (Fall II. 2. b. aa), als auch im Fall des für den Besitzverlust haftenden Ersitzungsbesitzers (Fall II. 2. b. bb), wie soeben geschildert, so aus, daß die Sache für den Entschädigten im Sinne eines Abandon endgültig verloren war, selbst wenn er die Sache (vor dem Entschädigenden) wiederfand. Vor allem aber stand fest, daß der Entschädigungsberechtigte, wenn er dem Entschädigungspflichtigen überhaupt zur Abtretung der Ansprüche verpflichtet wurde (also in jedem der unter II. angeführten

1427

Papinian D. 6,1,63, dazu o. S. 89 ff., und 298 ff. (insbes. S. 310 ff.).

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Fälle), zumindest d a m i t r e c h n e n mußte, daß der Entschädigende die Sache vor ihm wiederfand und damit das prätorische Eigentum erwarb. Als Tendenz1428 läßt sich also den römischen Quellen entnehmen, daß in der Regel der Entschädigende endgültig das Eigentum erwerben sollte. Das geltende Recht kann diese Tendenz vollenden: Die im römischen Recht einem endgültigen Eigentumsübergang auf den Ersatzleistenden vor dessen Besitzerwerb entgegenstehenden technischen Gründe bestehen im modernen Recht nicht mehr; hier ersetzt nämlich § 931 BGB die Notwendigkeit einer traditio.1429 Der Vergleich mit dem römischen Recht spricht also dafür, im geltenden Recht anzunehmen, daß der Entschädigte mit der Abtretung nach § 931 BGB das Eigentum auf den Entschädigenden überträgt.1430 Freilich bleibt zu beachten, daß die römischen Juristen Ausnahmen (oben Fallgruppe I.) entwickelten, in denen sie den Entschädigungsberechtigten nicht zur Abtretung seiner Ansprüche verpflichteten, vermutlich mit dem Ziel, seine Enteignung zu vermeiden. In diesen Fällen sahen die Römer das Sachinteresse des Entschädigungsberechtigten als höherrangig an gegenüber dem Interesse des Entschädigungspflichtigen an einem (endgültigen) gerechten Vermögensausgleich. Daher bleibt zu erwägen, ob man in entsprechenden Fällen auch im geltenden Recht dem Entschädigenden entgegen der Regel des § 255 Fall 1 BGB ein Recht auf die Klagenzession (und damit auch auf den Eigentumserwerb) abspricht (dazu sogleich).

1428 Damit ist freilich keine zeitliche Entwicklungstendenz gemeint. Abweichend glaubte F. SCHULZ, Rückgriff und Weitergriff (1907) 106–108 (vgl. schon o. A. 154) eine Tendenz von der zulässigen Rückabwicklung der geleisteten Entschädigung zur endgültigen Abandonregelung zu erkennen; Papinian D. 6,1,63 markiere eine solche Entwicklungsstufe. Der Papiniantext behandelt jedoch den Sonderfall, daß ein redlicher Ersitzungsbesitzer dem Eigentümer auf Ersatz für den fahrlässigen Sachverlust haftet (s. oben S. 298 ff.). 1429 Mit der oben A. 125 angegebenen herschenden Meinung ist freilich zu präzisieren: Wenn kein Herausgabeanspruch außer der Vindikation abzutreten ist, erfolgt die Übereignung entsprechend § 931 BGB durch schlichte Einigung von Veräußerer und Erwerber über den Eigentumsübergang. 1430 Ähnlich in der Argumentationsrichtung F. SCHULZ (o. A. 152), abweichend SELB (o. A. 140). – Dagegen ist das Argument, die Regelung des § 255 BGB sei (von der Ersten Kommission, s. dazu statt einer Begründung den schlichten Hinweis in den Protokollen der Ersten Kommission, JAKOBS /SCHUBERT, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I 122) auch auf unbewegliche Sachen erstreckt worden, für die § 931 BGB nicht gelte (s. o. S. 50 nach A. 134), weniger gewichtig; die Erstreckung der Vorschrift auf unbewegliche Sachen erscheint ohnehin kaum sinnvoll, vgl. überzeugend JOHOW, in: Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht I 945/ 1079.

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3. Im geltenden Recht begründete Argumente für die Annahme einer endgültigen Übereignung Auch innerhalb des geltenden Rechts lassen sich gewichtige Argumente dafür finden, daß die Regelung des § 255 (1. Fall) BGB dem Ersatzpflichtigen im Regelfall ein Recht auf Übereignung der verlorenen Sache gemäß § 931 BGB gewährt. Darauf soll der Vollständigkeit halber – kurz – eingegangen werden. Bei Annahme einer Übereignungspflicht wird die – zwar nicht unzulässige,1431 aber doch exzeptionelle – Trennung von Eigentümerstellung und Vindikationsberechtigung vermieden. Eine solche Trennung wäre insbesondere sinnlos in dem häufigen Fall, daß der Haftende seinerseits die Sache an einen Dritten (zur Erfüllung eines Kaufvertrages) veräußert hat.1432 Hier könnte der Haftende die Vindikation gegen den Dritten ohnehin nicht durchsetzen, weil er dem Dritten seinerseits aus dem Kausalgeschäft verpflichtet ist. Einzig sinnvoll erscheint hier, daß der Haftende gegen Zahlung der Entschädigung nicht nur die Vindikation, sondern auch das Eigentum erlangt und somit seine Veräußerung an den Dritten gemäß § 185 Abs. 2 S. 1 (2. Fall) BGB konvalesziert. Die Annahme eines endgültigen Abandon entspricht auch dem Grundprinzip des Schadensersatzrechts, daß der Schadensumfang im Zeitpunkt der Entscheidung über den Schadensersatzanspruch ermittelt wird und von weiteren Entwicklungen unabhängig ist,1433 soweit nicht ein neuer Schaden entsteht. Auch ist der Fall zu bedenken, daß die Sache inzwischen (etwa durch einen Dieb, der die Sache dem Haftenden gestohlen hatte) weiterveräußert wurde und der Veräußerer, nicht aber der aktuelle Besitzer der Sache bekannt wird. Dann besteht die Möglichkeit, gegen den Veräußerer aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB vorzugehen, allerdings nur nach Genehmigung der Veräußerung, da wegen des ursprünglichen Abhandenkommens der Sache gemäß § 935 BGB ein gutgläubiger Erwerb durch den Abnehmer nicht möglich ist. Auch diesen Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB darf der Entschädigte grundsätzlich nicht behalten, sondern muß ihn nach § 255 (1. Fall) BGB an den Entschädigenden abtreten; andernfalls würde man dem Entschädigenden, insbesondere wenn der aktuelle Besitzer nicht ermittelt werden kann, eine wichtige Regreßmöglichkeit verweigern. Der Entschädigende kann den Anspruch gegen den Veräußerer aber nur dann erfolgreich erheben, wenn er die Veräußerung auch genehmigen kann; dazu muß er aber Eigentümer der Sache geworden sein.1434

1431 SELB weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Zulässigkeit der Erhebung der Vindikation durch einen Nichteigentümer im Fall der Einziehungsermächtigung nach § 185 BGB anerkannt sei, s. o. bei A. 139. 1432 Vgl. insbesondere BGHZ 29, 157 und 52, 39 (dazu o. S. 38 ff.). 1433 Wenn beispielsweise der Wert der Sache (etwa von Aktien) sich im Anschluß an die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch verändert, führt dies nicht zu Nachforderungs- bzw. Rückforderungsansprüchen.

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Daß die Annahme einer Übereignung der Sache an den Entschädigenden für den vermögensrechtlichen Ausgleich erforderlich ist, zeigt schließlich eine insolvenzrechtliche Betrachtung: Der Entschädigende tritt mit seiner Zahlung in Vorleistung; für den Fall des Wiederauftauchens der Sache muß er daher auch insolvenzrechtlich abgesichert werden. Wenn dem Entschädigenden statt des Eigentums an der Sache nur ein Rückforderungsanspruch (unter dem Gesichtspunkt der condictio ob causam finitam) bei Wiedererlangung der Sache durch den Entschädigten zustünde, trüge er, wenn der Entschädigte insolvent wird und die Sache wiedererlangt, das Ausfallrisiko. Dieses Ergebnis erscheint nicht gerecht. Es wird vermieden, wenn dem Entschädigenden die Sache übereignet wird; dann kann der Entschädigende in diesem Fall gemäß § 47 InsO die Aussonderung der Sache verlangen. Im Grundsatz ist deswegen die Annahme einer Übereignung an den Entschädigenden interessengerecht. Sie vermeidet erhebliche Komplikationen, die entstehen würden, wenn die Forderungsabtretung ohne Übereignung erfolgen würde. Die Übereignung als eine vorläufige auszugestalten, so daß der Entschädigte die Rückübereignung der Sache gegen Rückzahlung der Entschädigung verlangen kann,1435 erscheint wenig sinnvoll: Zum einen bliebe ungeklärt, wie der oben beschriebene Fall zu entscheiden wäre, daß nur ein solcher Dritter bekannt wird, der die Sache weiterveräußert hat. Darf dann der Entschädigende die Veräußerung genehmigen und so die Enteignung des Entschädigten perpetuieren? Ferner dürfte bei dieser Lösung der Entschädigende vor dem Wiederauftauchen der Sache sein Eigentum nicht wirtschaftlich verwerten, weil er gegebenenfalls zur Rückübereignung verpflichtet ist. Zu einer vorzeitigen Verwertung der noch nicht wiedergefundenen Sache kann er aber ausnahmsweise einmal (etwa gegenüber einer Rückversicherung oder einem risikobereiten Sammler) eine Gelegenheit haben. Vor allem aber bleibt der Anspruch des Entschädigten auf Rückübereignung gegen Rückzahlung der Entschädigung in den meisten Fällen kaum durchsetzbar: Eine Verletzung der Rückübereignungspflicht durch den Entschädigenden bliebe regelmäßig sanktionslos: Wenn die Sache nämlich nicht inzwischen ausnahmsweise einen höheren Wert haben sollte als die einst gezahlte Entschädigung, könnte der Entschädigte aus der Verletzung der Pflicht zur Rückübereignung gegen Rückzahlung der Entschädigung keinen wirtschaftlichen Schaden geltend machen. Die Sache selbst könnte er von dem Abnehmer des Entschädigenden nicht wiederverlangen, sofern er nicht vor der Übereignung ein Veräußerungsverbot gegen den Entschädigenden erwirkt hatte.

1434 Zumindest muß der Entschädigende die Genehmigungsbefugnis haben; spätestens mit der Genehmigung wird aber der Abandon für den Entschädigten endgültig. 1435 So die Lehre vom vorläufigen Abandon (o. S. 54 f.).

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4. Kap.: Schluß

4. Gibt es Ausnahmen von der Zessionspflicht? Dennoch kann es Fälle geben, in denen es sinnvoll erscheint, dem Entschädigten trotz des wirtschaftlichen Ausgleichs durch die Entschädigung die Möglichkeit zu erhalten, gegen Rückzahlung der Entschädigung wieder an die Sache selbst zu gelangen. Daß selbst die römischen Juristen solche Fälle (insbesondere beim dolo desinens possidere und wohl auch beim liti se optulens) anerkannten, obwohl sie noch nicht einmal die Naturalvollstreckung zuließen und dem Prinzip der Geldkondemnation folgten, sollte dem modernen Juristen zu denken geben. Solche Ausnahmen sind nicht notwendigerweise genau auf die Fälle zu beziehen, die sich anhand der Quellen für das römische Recht vermuten lassen. Möglich ist jedoch eine Anlehnung an die erwähnten Fälle, in denen die römischen Juristen dem Entschädigenden das Recht auf Klagenzession absprachen. Im geltenden Recht kommen dafür folgende Fallgruppen in Betracht: 1. Ein Recht des Schädigers auf Abtretung der zur Wiedererlangung der Sache dienenden Ansprüche ist (in Anlehnung an den liti se offerens und den mit der condictio furtiva belangten Dieb) dann auszuscheiden, wenn es dem Schädiger gerade darauf ankam, die Sache dem Eigentümer zu entziehen (der an ihrem Besitz ein besonderes Interesse, vor allem ein Affektionsinteresse hat). Würde hier dem Schädiger ein Recht auf Übereignung der Sache eingeräumt, dann würde die Rechtsordnung seiner verwerflichen Absicht zum Erfolg verhelfen. 2. Der Gedanke, daß ein dolo desinens possidere1436 kein Recht auf Klagenzession haben soll, läßt sich ebenfalls auf das geltende Recht übertragen. Einem Schädiger, der durch sein Verhalten sein Desinteresse an der Sache offenbarte (indem er beispielsweise ihren Besitz absichtlich aufgab), sollte die Zession der auf Wiedererlangung der Sache gerichteten Ansprüche versagt werden, jedenfalls wenn der Eigentümer an ihr ein Affektionsinteresse hat. 3. Die Verweigerung der Klagenzession an den mit der condictio furtiva belangten Dieb1437 enthält schließlich noch einen weiteren auf das geltende Recht übertragbaren Gesichtspunkt. Im Rahmen der condictio furtiva fand eine Klagenzession vermutlich deswegen nicht statt, weil sie dem Bestohlenen ermöglichen sollte, auf unkomplizierte Weise den einfachen (und noch nicht den von ihm zu beschwörenden höheren) Sachwert zu erlangen, ohne daß bereits in diesem Prozeß eine endgültige Regelung über die Eigentumslage an der gestohlenen Sache herbeigeführt werden mußte. Noch heute kann man einem Geschädigten zuweilen – etwa um eine rasche Liquidierung auf der Basis eines Mindestschadens oder eines abstrakt zu berechnenden Schadens zu ermöglichen – einen Anspruch auf eine nur einstweilige Schadensregulierung gewähren, so 1436 1437

Hierzu D. 6,1,69; dazu o. S. 82 ff., 320 ff. Dazu o. S. 114 ff.

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daß ihm beim Wiederauftauchen der Sache ein Wahlrecht offensteht, sie gegen Rückzahlung der Entschädigung wieder an sich zu nehmen. Beispiele für eine solche Regelung sind § 424 HGB und Art. 20 CMR,1438 die in ihrem jeweiligen Absatz 3 dem entschädigten Anspruchsberechtigten ein Recht auf Auslieferung der wiedergefundenen Sache Zug um Zug gegen Rückzahlung der empfangenen Entschädigung gewähren. Hintergrund dieser ausdrücklich normierten Rückabwicklungsmöglichkeit ist, daß der Entschädigungsanspruch zum Zwecke der im Handelsrecht stets gebotenen schleunigen Abwicklung leicht und schnell durchsetzbar sein soll, daß aber die zu erzielende Entschädigung wegen der Haftungsbegrenzungen vielfach hinter dem wahren Wert zurückbleibt.1439 In solchen Ausnahmefällen, in denen das Sachinteresse des Geschädigten das Regreßinteresse des Entschädigenden überwiegt, sollte man den Geschädigten daher nicht zur Übereignung zwingen. Vielmehr sollte der Richter dem Geschädigten (sofern die Abwicklung nicht schon wie in dem soeben unter 3. besprochenen Fall anderweitig geregelt ist) zugestehen, der Einrede des § 255 (1. Fall) BGB eine Replik aus § 242 BGB entgegenzusetzen. Die auf Treu und Glauben basierende Replik sollte dem Geschädigten nicht nur gegen die Übereignungspflicht gewährt werden, sondern schon gegen die Abtretungspflicht aus § 255 (1. Fall) BGB. Der Geschädigte muß also – wie im römischen Recht in den Fällen des dolo desinens possidere und des liti se optulens – weder seine Ansprüche auf Wiedererlangung der Sache abtreten noch die Sache übereignen. Demgegenüber gehen auch in einem solchen Fall eines überwiegenden Sachinteresses des Geschädigten dessen auf Geld gerichtete Schadensersatzansprüche gegen Dritte gemäß § 426 Abs. 2 BGB auf den Entschädigenden über.1440 Dagegen sind die möglicherweise entstehenden Surrogatansprüche differenziert zu behandeln: Soweit sie auf Vorgängen beruhen, die dem Geschädigten von Rechts wegen das Eigentum entziehen (wie die Eingriffskondiktion aus § 951 Abs. 1 BGB wegen Verarbeitung der Sache), muß sie der Geschädigte auch hier nach § 255 (Fall 1) BGB abtreten. Sie dienen nur dem Vermögensausgleich für den Sachverlust; ein schützenswertes Interesse der besonderen Vorliebe an der Sache läßt sich damit nicht durchsetzen. Nicht abzutreten sind hingegen solche Surrogatansprüche, die (wie der aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB) eine Genehmigung der Eigentümers voraussetzen, welche erst zum Eigentumsverlust führt, da zu

1438

Zu diesen Vorschriften oben A. 165. So z. B. auch KOLLER, Transportrecht, Art. 20 CMR Rz. 2. Zu den Beschränkungen des Entschädigungsumfangs bes. §§ 429–431 HGB bzw. Artt. 23–27 CMR. Allgemein zur Haftung des Frachtführers KARSTEN SCHMIDT, Handelrecht (5. Aufl. 1999) § 32 II 7 (S. 924 ff.). 1440 Jedenfalls wenn man der auch hier vertretenen (s. o. S. 360 ff.) Ansicht folgt, daß bei solchen auf Geld gerichteten Schadensersatzansprüchen eine Gesamtschuld mit dem Anspruch aus Verlust der Sache i. S. d. § 255 (Fall 1) BGB anzunehmen ist. 1439

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4. Kap.: Schluß

deren Verwirklichung der Geschädigte auf eine Wiedererlangung seiner Sache verzichten müßte. In Fortentwicklung des römischen Rechts1441 sollte der Richter aber dem Geschädigten in diesem Falle anstelle der Übereignung eine Sicherheitsleistung dafür auferlegen, daß er dem Entschädigenden nach seiner (des Geschädigten) Wahl entweder die Sache übereignet oder die geleistete Entschädigung zurückzahlt, wenn er die (1.) Sache wiedererlangt oder (2.) ihm zumindest die Wiedererlangung in zumutbarer Weise möglich wird. Ferner muß gegebenenfalls (3.) die Kaution auch verfallen, wenn der Geschädigte nach Empfang der Entschädigung einen Anderen aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB nach Genehmigung einer von diesem vorgenommenen Verfügung über die Sache in Anspruch genommen hat. Dann muß der Entschädigende vom Geschädigten – ohne ein Wahlrecht des Geschädigten – die Rückzahlung der empfangenen Entschädigung verlangen können. Die Kaution dient dazu, das beschriebene Risiko des Ersatzleistenden abzusichern, daß der Entschädigte insolvent wird; außerdem wird durch die Kautionsleistung klargestellt, daß dem Entschädigenden der bedingte Anspruch auf Rückgewähr der Ersatzleistung oder Übereignung der Sache gegen den Entschädigten zusteht, so daß er ihn gegebenenfalls schon während der Schwebezeit (durch Abtretung) verwerten kann. Diese hier vertretene Ansicht ist derjenigen Meinung überlegen, die versucht, das Sachinteresse des Entschädigten – entweder immer1442 oder nur in Fällen eines besonderen Affektionsinteresses1443 – dadurch zu schützen, daß sie zwar von einer Übereignung an den Entschädigenden ausgeht, aber dem Entschädigten einen Anspruch auf R ü c k ü b e r e i g n u n g gegen Rückzahlung der Entschädigung gewährt. Nach dieser Lehre vom vorläufigen Abandon bleibt, wie soeben1444 gezeigt, die Verletzung der Rückübereignungspflicht in der Regel ohne echte Sanktion: Die Verletzung der Pflicht verursacht in der Regel keinen ersatzfähigen wirtschaftlichen Schaden; weil der Entschädigende wirksam über die ihm übereignete Sache verfügen kann, kann ein Abnehmer des Entschädigenden das Eigentum an der Sache erlangen. Wenn dagegen, wie hier vorgeschlagen, in den Fällen eines besonders schützenswerten Sachinteresses des Geschädigten der Entschädigende von vornherein nicht das Eigentum an der Sache erhält, bleibt dem Geschädigten wegen des ursprünglichen Abhandenkommens der Sa1441 Die Erzwingung von Sicherheitsleistungen durch den Richter war im römischen Recht, wie sich auch in der vorliegenden Untersuchung zeigte, keine Seltenheit. Sie erscheint als eine – auch für das moderne Recht – geeignete Methode, Sachverhalte für die Zukunft zu regeln, deren weitere Entwicklung ungewiß ist. Die hier konkret vorgeschlagene Sicherheitsleistung für den Fall, daß dem Ersatzverpflichteten die Ansprüche des Geschädigten ausnahmsweise nicht abgetreten werden, läßt sich freilich für das römische Recht noch nicht nachweisen. 1442 So DERNBURG (o. A. 157), SOERGEL-MERTENS, PALANDT-HEINRICHS (beide o. A. 158). 1443 So MÜNCHBACH (o. A. 158). 1444 s. o. S. 373.

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che (das der Grund für die Haftung des Entschädigenden war) gemäß § 935 BGB stets, unabhängig von weiteren Verfügungen des Entschädigenden (oder späterer Besitzer der Sache), die Vindikation erhalten.1445 Die hier vorgeschlagene Lösung benachteiligt freilich den Entschädigenden in dem Fall, daß der Geschädigte einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB gegen einen Dritten (gegen Genehmigung einer Verfügung des Dritten) geltend machen könnte, dies aber unterläßt, weil er darauf hofft, daß sich der aktuelle Besitzer der Sache noch ausfindig machen läßt. Doch kann der Entschädigende den Geschädigten bei der Suche nach der Sache unterstützen, um durch den Nachweis, daß die Sache in zumutbarer Weise wiedererlangt werden könnte, die Fälligkeit der Kaution zu erreichen. Im übrigen rechtfertigt sich diese Benachteiligung des Entschädigenden aus dem besonders schützenswerten Interesse des Geschädigten an der Sache selbst. Zugleich verdeutlicht dieser Fall aber, daß ein solches „besonders schützenswertes Sachinteresse“ nur ausnahmsweise anerkannt werden darf.

III. Zusammenfassung des Interpretationsvorschlags zum geltenden Recht Nach der hier vertretenen Ansicht findet § 255 (1. Fall) BGB Anwendung auf die Konkurrenz eines Schadensersatzanspruches wegen Verlusts einer Sache mit Ansprüchen auf Herausgabe der Sache oder mit Surrogatansprüchen. Konkurriert der Schadensersatzanspruch wegen Sachverlusts dagegen mit einem anderen auf Geld (also nicht nur auf Herausgabe) gerichteten Schadensersatzanspruch, stehen beide Ansprüche in einem Gesamtschuldverhältnis, so daß die Regelung des § 426 BGB, nicht diejenige des § 255 BGB anwendbar ist.1446 Die Abtretung der Ansprüche gemäß § 255 (1. Fall) BGB bewirkt die endgültige Übereignung der Sache an den Entschädigenden.1447 Allerdings gibt es – vom Richter im Einzelfall zu erkennende – Fälle, in denen die Übereignung an den Ersatzpflichtigen unbillig erscheint, weil das Interesse des Geschädigten an der Sache selbst höher einzuschätzen ist als das uneingeschränkte Regreßinteresse des Schädigers. In Anlehnung an das Römische Recht sind folgende Fälle zu nennen:1448 a) Dem Sachverlust durch den Schädiger ging ein Aneignungsdelikt durch den Schädiger (ein Diebstahl oder eine Unterschlagung) voraus. b) Der Schädiger hat die Sache absichtlich und in einer Weise verloren, die sein Desinteresse an der Sache offenbart. 1445 Gegenüber der Ansicht von MÜNCHBACH (s. o. A. 158 und soeben bei A. 1443), der nur bei typischerweise mit dem Gegenstand verbundenem Affektionsinteresse dem Entschädigten einen Anspruch auf Rückübereignung gewähren will, bietet die hier vorgeschlagene Lösung außerdem den Vorteil der Rechtssicherheit: Schon im Ausgangsprozeß über die Entschädigungspflicht wird entschieden, ob der Entschädigte eine Rückabwicklungsmöglichkeit hat oder nicht. 1446 Dazu s. o. S. 347 ff. 1447 Dazu o. S. 368 ff., 372 ff. 1448 Dazu und zum Folgenden S. 374 ff.

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4. Kap.: Schluß

c) Dem Schädiger kam es gerade darauf an, die Sache dem Geschädigten zu entziehen. d) Ferner kann eine gesetzliche oder vertragliche Regelung dem Geschädigten ausnahmsweise das Recht einräumen, eine nur vorläufige Schadensregulierung zu verlangen, so daß der Geschädigte beim Wiederauftauchen der Sache nach seiner Wahl die Sache behalten und die Entschädigung zurückzahlen kann. In einem dieser Ausnahmefälle mit überwiegendem Sachinteresse des Geschädigten kann dieser dem auf umfassende Forderungsabtretung und Übereignung der Sache gerichteten Zurückbehaltungsrecht des Entschädigungspflichtigen aus § 255 (1. Fall) BGB eine Replik der Arglist aus § 242 BGB entgegenhalten. Die Erhebung der Replik hat zur Folge, daß der Geschädigte sämtliche Herausgabeansprüche und einen eventuellen Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB nicht an den Entschädigenden abzutreten braucht. Nur einen eventuell entstandenen Surrogatanspruch aus § 951 BGB (wegen Verarbeitung, Vermischung etc.) muß der Geschädigte auch in diesem Fall Zug um Zug gegen Erhalt der Entschädigung an den Ersatzpflichtigen abtreten. Auf Geld gerichtete Schadensersatzansprüche gegen Dritte gehen auch in diesem Fall nach § 426 Abs. 2 BGB durch Gesetz auf den Entschädigenden über. Macht der Geschädigte von dieser Replik Gebrauch, kann allerdings – je nach den Umständen – der Entschädigungspflichtige mit einer Duplik verlangen, daß ihm der Geschädigte Sicherheit dafür leiste, daß dieser 1. nach seiner Wahl entweder die empfangene Entschädigung zurückzahlt oder die Sache dem Entschädigungspflichtigen übereignet, wenn er die Sache wiedererlangt oder ihm die Wiedererlangung auch nur in zumutbarer Weise möglich wird, und 2. die empfangene Entschädigung zurückzahlt, wenn er einen bei ihm verbliebenen Surrogatanspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB unter Genehmigung der Verfügung des Inanspruchgenommenen geltend macht.

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Quellenregister

Preußisches Allgemeines Landrecht Theil I Titel 15 §§ 13–16: 16 f. A. 2, 61 f. A. 186 Theil I Titel 21 § 254: 61 f. A. 186, 62 A. 189, 295 A. 1089 Sächsisches BGB (1863) § 305: 61, 68 A. 223, 305 § 961: 61, 65, 68 A. 223, 305, 351 ff. Entwürfe zum BGB Entwurf zum Sachenrecht (Johow) § 192: 20, 58 ff., 66, 68 A. 223, 308, 334 f., 348 ff., 353, 364 ff., 368 § 204: 365 f. Kommissionsentwurf (KE) zum BGB § 221a: 59 A. 172, 349 f. Erster Entwurf zum BGB § 223: 59 f., 350 ff., 364 ff. § 243: 350 Neuzeitliche Gesetze BGB § 162: 79 A. 258 § 185: 51, 372 § 242: 42 A. 105, 52 A. 145, 56 A. 158, 363 A. 1399, 375, 378 § 254: 29, 42, 259 f. § 255: 15 ff., 347 ff. § 255 (Fall 2): 36 f., 64 A. 199 § 268: 20 § 273: 167 § 278: 142 A. 531 § 280: 15 § 285: 52 A. 146, 63 A. 197, 66 A. 216 § 283 n. F.: 15 § 283 a. F.: 269 f. A. 987 § 287: 114 A. 410, 206 A. 760 § 292: 114 A. 410 § 404: 363 § 421: 25, 31, 40 A. 98, 45 f. § 422: 19, 25, 29, 32, 40, 42, 88 A. 296, 361 § 423: 19, 25 § 424: 19, 25, 32, 359 f.

Quellenregister § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § §

425: 19, 25 426: 19 f., 25 ff., 176, 347 ff., 375 ff. 426 (Abs. 2): 176 427: 25, 357 A. 1383 431: 25 433 (a. F.): 40 440 (a. F.): 40 598: 15 604: 15 662: 19 A. 11 667: 19 A. 11, 167 670: 19 A. 11, 167 675: 19 A. 11 681: 167 683: 19 A. 11, 167 771: 16 773: 17 774: 17 A. 3, 20 812: 30, 39 f., 49 816: 30, 38 ff., 363 A. 1399, 372, 375 ff. 818: 114 A. 410 819: 114 A. 410 823: 30 A. 54, 31 A. 63, 41 ff. 831: 36, 145 A. 537, 160 839: 45, 262 A. 958 840: 31 A. 63, 35 f., 44, 156 A. 573, 160, 361 848: 114 A. 410, 166 A. 623 925: 50 929: 50, 269 931: 29, 48, 50, 52 ff., 269, 347, 363, 367, 369, 371 935: 325 A. 1222, 372, 377 941: 76 942: 76 951: 30, 375 985: 26 A. 41, 31, 39, 54 989: 30 A. 54, 31, 114 A. 410 990: 30 A. 54, 31, 114 A. 410 992: 30 A. 54, 114 A. 410 1143: 20

CMR Art. 20: 56 f. A. 165, 375 Artt. 23–27: 375 A. 1439

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Quellenregister

Entgeltfortzahlungsgesetz § 6: 20 Eisenbahnordnung § 56 A. 165 GmbHG § 27: 54 A. 147 HGB § 424: 375, 56 A. 165 § 429–431: 375 A. 1439 § 617: 53 A. 147 § 630: 53 A. 147 § 861: 53 A. 147, 54 § 864: 53 A. 147 § 866: 53 A. 147, 54 Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen § 40: 46 A. 118 SGB X § 116: 38 A. 88, 176 A. 659 StGB § 77: 226 f. § 242: 226 f. § 246: 324 A. 1220 § 247: 226 § 248a: 226 Strafverfolgungsmaßnahmenentschädigungsgesetz (StrEG) §§ 1 ff.: 45 ff. VVG § 67: 20, 38 A. 88, 176 A. 659 ZPO § 253: 295 § 888: 328 A. 1239

Sachregister Abandon 52–56, 70, 124, 292, 311, 314, 316, 328, 343 f., 363 ff. actio ad exhibendum 81 f., 85, 96 A. 337, 109, 128, 162 f., 170 A. 636, 330 A. 1256, 342 actio ambulatoria 177 actio de dolo 98 A. 334, 104 f., 225 A. 830, 297 A. 1093 actio de pauperie 170 A. 636, 340 A. 1300 actio de peculio 188 ff., 221, 330 A. 1256 actio exercitoria 135 actio furti 21, 69 f., 134 ff., 144, 161, 163 ff., 168 ff., 296, 339 ff. – Aktivlegitimation 139 ff., 142 A. 531, 168 ff., 339 ff. – sachverfolgender/strafender Charakter 138 A. 513, 144, 157 ff., 164 f., 168 f., 209 A. 774, 229 A. 841, 234 A. 852, 237 f. A. 858, 241 ff. – Verhältnis zur condictio furtiva 165, 168 f., 234 A. 852 actio iudicati 266 f., 309 A. 1147, 339 actio legis Aquiliae 70 f. A. 224, 81 f., 109, 137 ff., 144, 155, 255 A. 929, 341 f., 357 A. 1383 actio locati conducti 135, 140 ff., 151, 156 ff., 172, 177, 250 ff., 265 f., 293 f., 335, 369 actio negotiorum gestorum (utilis) 113 A. 406, 116 A. 418, 161 f., 170 A. 636, 213 f., 255 A. 926, 359 A. 1390, actio negotiorum gestorum contraria 163 ff., 222, 338, 341 actio (quasi) Publiciana 79 ff., 271, 277 ff., 283 ff., 298 ff., 303 ff., 310 ff., 338, 343 f., 370

actio rerum amotarum 276 ff., 281 actio servi corrupti 82 A. 268, 109, 122-133, 258, 321, 338 actio utilis 67 f., 114 A. 409, 192, 307 ff., 358 f. A. 1390 actiones (actionibus cedere/actiones mandare/praestare) 84, 94, 110 ff., 125, 128, 265 actiones suas 85, 341 f. Affektionsinteresse 50 f. A. 136, 52 A. 145, 55 A. 158, 374, 376 f. A. 1445 alienatio iudicii mutandi causa facta 325 f. Amtshaftung 45 f., 262 A. 958 Aufopferungsanspruch 45 f. beneficium cedendarum actionum 21, 38, 47, 63 ff., 153, 308, 348, 358 f. beneficium excussionis siehe Vorausklage Bereicherungsverbot 25, 32, 50 f., 126, 128, 131, 258 Beschädigung der Sache 27, 63 A. 139, 65, 70 f. A. 224, 82 A. 269, 109, 130 f., 133 ff., 142 ff., 155, 158 f., 163, 227 A. 837, 255 A. 929, 268 A. 981, 354 ff., 361 bestohlener Dieb 178 ff., 216 bonae fidei iudicium 161 ff., 185 A. 688, 255, 265 f., 268, 285, 292 A. 1080, 323 ff., 336, 339 bonae fidei possessor 73 ff., 92 ff., 170 f., 182 ff., 212 A. 786, 217 ff., 223 A. 822, 248 f., 292, 310 ff., 340 ff. siehe auch gutgläubiger Besitzer brevi manu traditio 269, 279, 280, 285, 301 f., A. 1111

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Sachregister

Bürgenregreß 64 f., 151 f., 188 ff., 212, 225, 359 A. 1392 Bürgschaft 187 ff., 211 ff., 219 ff., 227, 275, 278 A. 1020, 341 caupones 136 ff. causa possessionis/proprietatis 184 A. 684, 217, 249 – iusta causa possessionis 81 A. 266, 278 f. cautiones iudiciales 73, 79 f., 111 ff., 115 ff., 129, 146, 264, 274, 289 ff., 316 f., 318 f., 320 ff., 331 A. 1256, 339, 344, 376 A. 1441 – cautio de dolo 77, 80 – cautio de persequenda re 73, 78, 115 – cautio de restituendo 77, 115, 121, 234 A. 852, 290 ff., 295 f., 309 A. 1148, 317, 344, 346, 369 f. – cautio iudicatum solvi 96 ff., 331 A. 1256, 337 Celsinische Auslegungsregel 296 A. 1091 cessio necessaria/voluntaria 63, 113 A. 407, 308 clausula doli 96 ff., 106, 108, 330 f. A. 1256, 337 cognitor in rem suam 109 ff. colonus 170 f., 196 A. 725, 211 ff., 219 ff., 227 commodatum 70 f. A. 224, 171 A. 642, 173, 174 A. 654, 176 f., 180, 187 ff., 199 A. 738, 207 A. 765, 221 f., 229 ff., 264 f., 266 ff., 275, 294 ff., 317 f., 320 ff., 336, 345, 357 A. 1383 commodum ejus esse debet, cujus periculum est 67 m. A. 220, 158, 175, 231, 236 ff., 336 A. 1275 compensatio 162 A. 602 condictio 88 A. 298, 107, 114 ff., 261 A. 954, 271, 281 ff., 293 ff., 297 f., 319, 324, 331 f., 338, 369 – condictio ex iniusta causa/condictio utilis 238 ff., 256 A. 935

– condictio furtiva 81 f., 91, 109, 114 ff., 119 ff., 155, 162 ff., 168 f., 181 f., 209, 222, 224, 256, 265, 271, 281 ff, 305, 318 f., 332 f., 336, 338, 342, 346, 357, 368, 374 – condictio indebiti 116, 132 A. 485, 164 ff., 240 A. 868, 293 ff., 297 f., 319, 345 f. – condictio ob causam finitam/quasi sine causa data 40, 41 A. 100, 49, 51 f., 293 ff., 297 f., 319, 345 f., 373 – des Nichteigentümers? 238 ff. culpa als Haftungsmaßstab 141 f., 161 f., 166 A. 622, 173 A. 649, 185 ff., 213, 245 f., 310, 340 culpa in eligendo 142 A. 531, 145 A. 537, 156 culpa in exigendo 59 A. 173, 308 A. 1147 culpa lata 201 f., 206 curator 211 ff., 247 A. 892 custodiam praestare 75, 140 ff., 169 ff., 189, 196 ff., 296, 340 Delegation 109 derivativer Regreß 19 m. A. 11 Distanzfracht 53 A. 147 dolose Besitzentäußerung (dolo desinere possidere) 72, 82 ff., 107 f., 280, 289, 306 A. 1136, 318 f., 320 ff., 326, 337, 346, 357, 368, 374 dominium 272 ff., 305, 307 Echtheitsindiz 254 Eigentumserwerb des Entschädigenden 48 ff., 218 A. 808, 268 ff., 309, 311 ff., 331, 342, 363 ff. Einziehungsermächtigung 51 emancipatio 194 emptio perfecta 301 f. Ersitzung 73 ff., 95, 97, 106, 113, 270 ff., 288, 300 ff., 310 ff., 319 f., 343 f., 356 A. 1380, 370

Sachregister exceptio doli 64, 114 A. 409, 116, 121, 146, 148 f., 151, 153 A. 562, 255, 268, 277 A. 1017, 281, 309 A. 1147, 325 A. 1221, 332 A. 1259, 339 ecxceptio iusti dominii 316, 318 A. 1183, 319 exceptio rei iudicatae (vel in iudicium deductae) 147 ff., 156 exceptio rei venditae et traditae 75 A. 237, 271 ff., 282, 289, 316, 318, 343 exercitor 133 ff. facultas alternativa 54 facultas restituendi 71, 77 ff., 227, 356 falsus procurator 163 ff., 220 f. favor debitoris 295 f. Feldmesser 260 ff. fideiussio 151 f. siehe auch Bürgschaft fingierte Zession 67, 278, 307, 335, 338 f. Freilassung (eines Sklaven) 132 Geldkondemnation 269 f. A. 987, 327, 332 A. 1259, 374 Genehmigung (ratihabitio) 164 f. Gesamtschuldnerregreß 19, 25 ff., 65, 347 ff. – mehrere Entleiher 264 f., 357 A. 1383 – Regreß unter mehreren Vormündern 146 A. 539, 267 A. 977, 320 A. 1196, 358 f. A. 1390 – Regreß unter Mitbürgen 359 A. 1392 – rei promittendi/stipulandi 154 Geschäftsführung ohne Auftrag siehe negotiorum gestio gestufte Haftung 19, 34 ff., 45 ff., 168 A. 629, 361 Gläubigerverzug 32, 359 f. Gleichrangige Haftung 35 f., 42, 45 f. gutgläubiger Besitzer 170, 183 ff., 226 A. 833, 277 A. 1016, 298, 332 siehe auch bonae fidei possessor

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Haftungsinteresse/Eigeninteresse 170 ff., 183 ff., 240, 245 A. 879 hereditas iacens 178, 193 A. 714, 221 f., 246 f., 287 f. hereditatis petitio 87 f., 92 f., 99 ff., 331 Infamie 157, 227 interdictum qudo vi aut clam 170 A. 636 interdictum quem fundum 96 A. 337 iusiurandum in litem 83, 107, 117 A. 420, 120, 271 ff., 282 ff., 327 f., 336, 346 Klageantrag (Konkretisierung?) 295 Klagenkonsumption 81, 105, 107, 115 A. 411, 144 A. 536, 147 ff., 166, 182, 238 A. 854, 255, 281 A. 1033, 332 A. 1259 Kompensationsverbot (actio depositi) 267 A. 980 Konkursrisiko 365 A. 1411, 373 Labeo, libri posteriores 253 f. A. 921 Legalzession 20 ff., 38 A. 88, 67 f., 131, 169, 176 f., 308 f., 317, 335, 338 f., 349, 353, 358 f., 364 ff. lex Atinia 314 A. 1166 Liquidationsrisiko 33 ff., 36 ff., 51, 258 f. liti se offerre 72 f., 95 ff., 289, 318 f., 333, 337 f., 346, 357, 368, 374 litis aestimatio 80 f., 87 ff., 117 A. 421, 119 f., 132, 218 A. 806, 269 ff., 297, 298 ff. locatio conductio 191 f., 206 ff., 235, 250 ff., 293 ff., 345 malae fidei possessor 183 ff., 216, 248, 292, 317, 341 mensor (Feldmesser) 260 ff. Mitverschulden (§ 254 BGB) 19, 29, 42 f., 359 ff. mora (Verzug) 202, 205 f. mutatio causae possessionis 279

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Sachregister

Naturalobligation 193 f. nauta 133 ff., 354 ne bis in idem 147, 154 negotiorum gestio 160 ff., 169, 210 f., 211 ff., 227, 246, 336, 338, 341 „neu für alt“ 259 A. 943 Nießbrauch 170 notwendige Zession siehe cessio voluntaria/necessaria Noxalhaftung 53 A. 174, 83 A. 274, 134 A. 490, 184, 218, 232 f., 235 A. 854, 244, 248 f. oblatio liti siehe liti se offerre officio iudicis 94, 119, 122, 129, 165 omnis causa (jeder Gebrauchsvorteil) 202 f., 205 f. originäres Regreßverhältnis 19 A. 11 palingenetisches Argument 105 A. 375, 282 f. A. 1040, 283, 315, 323 Passivlegitimation 71 ff. Patronatsrechte (Bewertung) 132 peculium 187 ff., 221 periculum 67, 129, 175 f., 183 f., 243, 245 f. Pfandgläubiger 171, 223 f., 239 f., 242 A. 871 possessio 76 ff., 128, 211 ff., 248 f., 268 ff., 284 ff., 303, 313, 329 f., 356 A. 1380 siehe auch Traditionsprinzip – quasi iuris possessio 100 f. A. 354 precarium 200 ff. Preisgabe 53 A. 147 siehe auch Abandon pretium certum 301 Prioritätsprinzip 370 procurator in rem suam 109 ff. Publizitätsprinzip 29 punire 82 f., 320, 322, 325, 330

Quasideliktische Haftung 143 ff., 159 qui dolo fecit quo minus possideret siehe dolose Besitzentäußerung ratihabitio mandato comparatur 164 A. 611 receptum 136 ff., 143 A. 534 Rechtsmittel-Ausschöpfung 262 A. 958 Reeder- und Gastwirtshaftung 133–160, 207 Regreßklagen 262 f., A. 959 Regreßrichtung 29, 32 res furtiva 121, 300, 310 f., 314 f. restituere-Regel 203 ff. Restriktionsprinzip 295 Retention 112, 171, 308 siehe auch Zurückbehaltungsrecht reus contumax 81 A. 266, 270 ff., 284 A. 1047, 304 ff., 317 f., 327 f., 342 A. 1316 Rückwirkung (Bedingungseintritt) 302, A. 1117 satisdatio rem salvam fore 161 Schadensersatz, „großer“ und „kleiner“ 124 ff., 258 Scheinvormund 160 ff., 210 ff., 247 A. 892 schuldhafter Besitzverlust 185 ff. Schuldrechtsreform 21 Seefrachtrecht 53 A. 147, vgl. 133 ff. Seeversicherungsrecht 52 f. A. 147, 54 Sicherheitsleistung 84 f., 111 ff., 115 ff., 376 siehe auch cautio, cautiones Sklavenflucht 73 ff., 86 ff., 321, 342, 354 Solvenz als Zuständigkeitskriterium 141, 154, 170 ff., 190 f., 194 f., 230 ff., 245 f., 260 ff., 340, 373 stabularii 136 ff. stipulatio duplae 314 Subrogation 177

Sachregister subsidiäre Haftung 98, 159, 168, 260 ff. Surrogatansprüche 28 ff., 224 f. A. 830, 351 ff., 361 f., 375 ff. Traditionsprinzip 50, 60 A. 174, 274, 269, 279 f., 284 ff., 299 f., 304 ff., 315, 343 ff., 347, 349, 364 ff., 370 f. Transportrecht 56 f. A. 165, 375 Überbringungsmandat 180 Unklarheitenregel (Restriktionsprinzip) 295 f. A. 1088, 1091 Unmöglichkeit 63 A. 197, 66, 224 A. 830, 259 f. m. A. 947, 349 f. usuarius 170 A. 638 Verwahrer 178 f., 187, 206 A. 769, 266 ff., 275, 320 ff., 336 vindicatio usufructus 104 Vindikationsbeklagter 70 ff., 272 ff., 289 ff., 297, 298 ff., 318 f., 320 ff. Vindikationsprozeß 70 ff., 120 f., 272 ff., 289 ff., 297, 320 ff.

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Vindikationszession 48, 52, 66, 94, 348, 356, 363 ff., 365 f., 371, 307 f., 316, 338, 355 f. Vorausklage 16 f., 51, 168, 256 f., 260 ff., 336 Vormund 59 A. 173, 64 A. 199, 132, 185 ff., 210 ff., 308 A. 1147, 247 A. 892 siehe auch Gesamtschuldnerregreß Vorrang der Naturalleistung 258 A. 940 Wahlschuld 295 Zession und Sicherheitsleistung 112 ff. Zessionsregreß 24 A. 30 Zufallshaftung 166, 180, 182, 203 ff., 245 Zurückbehaltungsrecht 20 f., 38, 61, 64, 116, 167, 171 A. 639, 184, 217, 232 A. 848, 308, 321, 335, 351 A. 1362, 359, 378 siehe auch Retention Zwangsgeld/Zwangshaft 328 A. 1239 Zweckgemeinschaft 40, 42, 44 ff.