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German Pages 352 Year 2000
JÜRGEN STAMM
Regreßfiguren im Zivilrecht
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Jürgen Welp
Band 136
Regreßfiguren im Zivilrecht Eine Rückbesinnung auf die Gesamtschuld unter Neubewertung des Zessionsregresses gemäß § 255 BGB und der Drittschadensliquidation
Von
Jürgen Stamm
Duncker & Humblot . Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Stamm, Jürgen:
Regreßfiguren im Zivilrecht: Eine Rückbesinnung auf die Gesamtschuld unter Neubewertung des Zessionsregresses gemäß § 255 BGB und der Drittschadensliquidation I von Jürgen Stamm. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 136) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10223-1
D6 Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany
© 2000 Duncker &
ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-10223-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1999/2000 von der juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster als Dissertation angenommen. Sie wurde von meinem langjährigen Mentor, Herrn Prof. Dr. Berthold Kupisch, betreut. Ihm gebührt mein besonderer Dank für die Freiräume, die er mir stets eingeräumt hat, und für seine wertvollen Ratschläge, mit denen er mir bei der Abfassung der Abhandlung zur Seite gestanden hat. Mein Dank gilt ebenso dem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Helmut Kollhosser, auf dessen Empfehlung die Arbeit in die Münsterischen Beiträge zur Rechtswissenschaft aufgenommen worden ist. Die Untersuchung wurde mit dem Harry-Westermann-Preis für das Jahr 2000 ausgezeichnet. Auch dafür möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken. Dank schulde ich schließlich der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Herne, im September 2000
]ürgen Stamm
Inhaltsübersicht Einleitung § 1 Vorbemerkungen ..................................................
25
Erster Teil
Rechtsfiguren für den Regreß
29
Erstes Kapitel
Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
29
§ 2 Einleitende Bemerkungen zum Regelungsgehalt von Gesamtschuld und Zessionsregreß gemäß § 255 .......................................
29
§ 3 Der Zessionsregreß analog § 255 bei gestufter Haftung ................
33
§ 4 Rückbesinnung auf die Gesamtschuld ...............................
54
§ 5 Vermittelnde Meinungen zwischen Zessionsregreß und Gesamtschuld ...
64
§ 6 Rechtsprechung ...................................................
66
§ 7 Eigenes Lösungsmodell im Anschluß an Münchbach ..................
68
§ 8 Überlegungen zur Entstehungsgeschichte des Zessionsregresses und Fol-
gerungen de lege ferenda ..........................................
84
Zweites Kapitel
Die GoA als Regreßfigur § 9 Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
95 95
§ 10 Die sogenannten "auch fremden Geschäfte" in Rechtsprechung und Lite-
ratur.. .... . ... . .. ... .. ... .. ... .. .... .... .. . . .. ..... .. .. . .. . ... . .. 95 § 11 Praktische Konsequenzen aus der Anwendung der GoA als Regreßfigur . 104 § 12 Eigenes Verständnis der GoA ...................................... . 108
Drittes Kapitel
Die sogenannte RückgritTskondiktion
109
§ 13 Die Rückgriffskondiktion als Regreßinstitut .......................... 109 § 14 Ergebnis zu den verschiedenen Regreßfiguren ........................ 114
8
Inhaltsübersicht
Zweiter Teil
Regreßregelungen im Baurecht unter besonderer Berücksichtigung der Drittschadensliquidation § 15 Einführung
115 115
Erstes Kapitel
Notwendigkeit von Regreßregelungen
119
§ 16 Lösungsvorschläge in Rechtsprechung und Literatur im Vorfeld einer Regreßregelung ................................................... 119 § 17 Exkurs zur Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers ....... . 130 § 18 Eigene Lösung im Anschluß an Kraus: Vorrang der §§ 642 ff. vor einer Regreßregelung ................................................... 142
Zweites Kapitel
Anwendungsbereich der Gesamtschuld
150
§ 19 Typische Fallkonstellationen und ihre Lösung im Lichte der im ersten Teil entwickelten Gesamtschuldkonzeption ........................... 150 § 20 Abweichende Lösungen in Rechtsprechung und Literatur
154
Drittes Kapitel
Der verbleibende Anwendungsbereich für die GoA und die sogenannte Rückgriffskondiktion
163
§ 21 Das Zusammenspiel von berechtigter und unberechtigter GoA . . . . . . . . .. 164 § 22 Die sogenannte Rückgriffskondiktion und die Problematik der nachträglichen Fremdtilgungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 167
Viertes Kapitel
Fälle der Drittschädigung infolge obligatorischer GefahrentIastung
172
§ 23 Vorbemerkung .................................................... 172 § 24 Lösungen, die einen Ausgleich zwischen dem geschädigten Zweitunternehmer und seinem Vertragspartner, dem Bauherrn, suchen ............ 175 § 25 Lösungswege, die eine Schadensabwicklung zwischen dem geschädigten Zweitunternehmer und dem Erstunternehmer herbeiführen ............. 183 § 26 Die Lehre vom normativen Schaden im Detail ........ '" ............. 197 § 27 Die Lehre von der Drittschadensliquidation .......................... 213 § 28 Entwicklung eines eigenen Lösungsweges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
Inhaltsübersicht
9
§ 29 Vorteile eines originären deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs des geschädigten Dritten analog § 844 Abs. 1 im Vergleich mit den bisheri-
gen Lösungen .................................................... 239 § 30 Neue Ansätze zur Kritik an der hier entwickelten Lösung ............. . 249 § 31 Exkurs: Überlegungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
Fünftes Kapitel Grenzfälle im Spektrum zwischen vertraglichem Schadensausgleich, deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und Regreß
261
§ 32 Eingruppierung der Fallkonstellation in Abhängigkeit von der Frage nach
der Eigenschaft des Zweitunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn ............................................................ 262 § 33 Die Auswahl der adäquaten Ausgleichsregelung im Vorfeld einer Regreß-
lösung ........................................................... 265 Sechstes Kapitel Schlußbetrachtungen zum Regreß des Bauunternehmers
276
§ 34 Allgemeines Lösungsschema zur Bewältigung von Regreßsituationen .... 276 § 35 Besonderheiten bei Verträgen, denen die VOB/B zugrunde liegt ........ 281 § 36 Resümee ........................................................ . 287
Dritter Teil
Die Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts
289
§ 37 Obligatorische Gefahrentlastung im Kaufrecht ....................... . 289 § 38 Fälle der mittelbaren Stellvertretung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 § 39 Obhutsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 § 40 Abschließende Stellungnahme zu der Lösung von Junker .............. 324 § 41 Ergebnis zum dritten Teil
331 Schluß
§ 42 Folgerungen für das allgemeine Regreßrecht
333 333
§ 43 Gesamtergebnis .................................................. . 337
Literaturverzeichnis
338
Gesetzesmaterialien
349
Sachwortverzeichnis
350
Inhaltsverzeichnis Einleitung § I
25
Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25 I. Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25 11. Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 26 III. Gang der Darstellung ......................................... 26
Erster Teil
Rechtstiguren für den Regreß
29
Erstes Kapitel Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255 §2
§3
Einleitende Bemerkungen zum Regelungsgehalt von Gesamtschuld und Zessionsregreß gemäß § 255 ....................................... I. Die Gesamtschuld ............................................ 11. Der Zessionsregreß gemäß § 255 ............................... 1. Primäre Regelung des § 255: Erleichterung der Schadensberechnung bei Verlust einer Sache ................................ 2. Sekundäre Regelung des § 255: Ausgleich für die erhöhte Schadensersatzhaftung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Der Zessionsregreß analog § 255 bei gestufter Haftung ................ I. Dogmatische Überlegungen zur analogen Anwendung des § 255 ... 1. Direkte Anwendung des § 255 .............................. 2. Analoge Anwendung des § 255 im Blickfeld der Gesamtschuld . 3. Rechtsgeschäftliche Vereinbarung oder gesetzliche Anordnung als Voraussetzung der Gesamtschuld ......................... 4. Das Kriterium der Erfüllungsgemeinschaft als Wesensmerkmal der Gesamtschuld ......................................... 5. Zwischenergebnis zu den Voraussetzungen der Gesamtschuld '" 6. Teleologische Reduktion des § 421 S. I durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "Gleichstufigkeit" .............. a) Herkunft des Kriteriums der "Gleichstufigkeit" . . . . . . . . . . . .. b) Vereinbarkeit des Kriteriums der "Gleichstufigkeit" mit dem Gesetz ................................................
29
29 29 30 31 32 33 34 34 35 36 37 38 38 39 41
12
Inhaltsverzeichnis c) Abweichende Interessenlage bezüglich der §§ 422 ff. d) Ergebnis zu der teleologischen Reduktion des § 421 S. 1 .... 7. Vergleichbare Interessenlage für die analoge Anwendung des § 255 .................................................... 8. Ergebnis der dogmatischen Überlegungen .................... 11. Das Konzept des Zessionsregresses analog § 255 in der Praxis . . . .. 1. Praktikabilität der Abgrenzungsformel ....................... 2. Ausgestaltung des Zessionsregresses im Vergleich mit der Gesamtschuld ............................................. a) Freistellungsanspruch aus § 426 Abs. 1 vor Befriedigung des Gläubigers ............................................. b) Dynamische Regreßregelung des § 426 Abs. 1 i. V.m. Abs. 2 S. 1 gegenüber starrem Zessionsregreß .................... c) Gesetzlicher Forderungsübergang gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 im Vergleich mit dem Abtretungserfordernis des § 255 ...... d) Schutz des ausgleichspflichtigen Schuldners durch Erhalt seiner Einreden gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 i. V. m. §§ 412, 404 ................................................... e) Schutz des ausgleichsberechtigten Schuldners durch Übergang der Nebenrechte gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 i. V. m. §§ 412, 401 ............................................ f) Vorrang des Gläubigers gegenüber dem ausgleichsberechtigten Schuldner gemäß § 426 Abs. 2 S. 2 ................... III. Ergebnis zum Zessionsregreß analog § 255 ......................
§4
§5
Rückbesinnung auf die Gesamtschuld ............................... I. Ehmanns Versuch einer Typologie der Gesamtschuld ............. 11. Münchbach: Ausgleichsregelung des § 255 als aliud gegenüber der Gesamtschuld ................................................ 1. Verständnis Münchbachs vom Inhalt des § 255 ................ a) Wertung aufgrund der erhöhten Schadensersatzhaftung des Schuldners im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Wertung aufgrund eines Schuldverhältnisses zwischen Schuldner und Drittem im Innenverhältnis ....................... c) Ergebnis zum Inhalt des § 255 ........................... 2. Münchbachs Formel zur Abgrenzung des § 255 von der Gesamtschuld .................................................... a) Zirkelschluß von der Abgrenzungsformel auf den Regelungsgehalt des § 255 und der Gesamtschuld ................... b) § 426 als Ausgleichs- und Regreßregelung ................ c) § 255 kein aliud, sondern lex specialis .................... 3. Ergebnis zu der Auffassung Münchbachs .....................
43 44 44 46 46 46 47 48 49 50
51
52 52 53 54 54 56 57 58 58 59 59 60 60 61 63
Vermittelnde Meinungen zwischen Zessionsregreß und Gesamtschuld ... 64 I. Zessionsregreß bei Besitzverlust sowie nachträglicher Sachzerstörung und Sachbeschädigung ................................... 64
Inhaltsverzeichnis
13
11. Zessionsregreß bei Besitz- und Eigentumsverlust ................. 65 III. Ergebnis zu den vermittelnden Meinungen ...................... 66 §6
Rechtsprechung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 66
§7
Eigenes Lösungsmodell im Anschluß an Münchbach .................. I. Regelungsgehalt der Gesamtschuld ............................. 1. Voraussetzungen des § 421 S. 1 ............................. 2. Rechtsfolge der Gesamtschuld: Das Konkurrenzverhältnis zwischen § 426 Abs. 1 und § 426 Abs. 2 ........................ 11. Regelungsgehalt des § 255 .................................... III. Abgrenzung der Gesamtschuld vom Zessionsregreß .............. 1. Ausgangsfall: L wird die Sache von D gestohlen .............. a) Gesamtschuldlösung .................................... b) Lösung im Wege des Zessionsregresses ................... aa) Abtretungserfordernis ............................... bb) Einseitige Ausgleichsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Erste Abwandlung: Die Sache wird von D zerstört ............ a) Wortlaut und Systematik des § 255 ....................... b) Teleologische und historische Auslegung .................. 3. Zweite Abwandlung: Die Sache wird von D beschädigt ........ 4. Dritte Abwandlung: D veräußert die Sache mit Genehmigung desEanX ............................................... 5. Vierte Abwandlung: D veräußert die Sache ohne Genehmigung des E an X ............................................... a) X gibt die Sache an E zurück . .. . ... . .. . . .. . . . . . . . .. .. ... b) D leistet an E Schadensersatz . .. ... ..... ... .. .. . . ... ... .. c) L leistet an E Schadensersatz IV. Ergebnis der eigenen Lösung ..................................
§8
Überlegungen zur Entstehungsgeschichte des Zessionsregresses und Folgerungen de lege ferenda .......................................... I. Berechnung des Schadensersatzes bei Besitzverlust ............... 1. Motive des Gesetzgebers: Sinn und Zweck der Schadensersatzregelung ................................................... 2. Wortlaut und Systematik ................................... 3. Ergebnis zur Schadensersatzregelung des § 255 ............... 11. Zessionsregreß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Die Beweggründe des Gesetzgebers für die Zessionsregelung ... a) Vermeidung einer Eigentümergemeinschaft ................ b) Berücksichtigung des Traditionsprinzips im Sinne der §§ 929 ff. ............................................. aa) Erster Entwurf und Motive .......................... bb) Zweiter Entwurf und Protokolle. ..... . .. .... ... . ... .. cc) Harmonisierung des ersten und des zweiten Entwurfs ...
68 68 68 69 71 72 72 73 74 74 75 76 76 77 78 80 81 81 81 82 83 84 84 84 84 85 85 85 86 86 87 88 88
14
Inhaltsverzeichnis c) Ergebnis zu den Motiven des Gesetzgebers zum Zessionsregreß .................................................. 2. Wortlaut des § 255 ........................................ a) Erste Formulierungsschwäche: "Ansprüche aus dem Eigentum" .................................................. b) Zweite Formulierungsschwäche: "nur gegen Abtretung" ..... 3. Systematische Folgerungen aus dem Zusammenspiel des § 255 mit § 426 und § 985 ....................................... 111. Ergebnis ....................................................
90 91 91 92 92 94
Zweites Kapitel Die GoA als Regreßfigur § 9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
95 95
§ 10 Die sogenannten "auch fremden Geschäfte" in Rechtsprechung und Lite-
ratur. ... .. . ... . ..... ... ... ....... ... . . ... .. ... .. . .. ... .. . ... . . ... I. Anwendbarkeit der GoA bei "auch fremden Geschäften" .......... 1. Argumente im Widerstreit zwischen Befürwortern und Gegnern der "auch fremden Geschäfte" .............................. 2. Erweiterung des Blickwinkels auf die Regelungen über die Gesamtschuld ............................................. 11. Die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens . . . . . . . . . . . . . .. III. Das Interesse und der Wille des Geschäftsführers an der Übernahme des Geschäftes durch den Geschäftsherm ........................ IV. Der Aufwendungsersatzanspruch als Regreßanspruch ............. V. Ergebnis ....................................................
95 96 97 97 99 101 102 104
§ 11 Praktische Konsequenzen aus der Anwendung der GoA als Regreßfigur . 104
I. 11.
Praktikabilität der Abgrenzungsformel zur Gesamtschuld .......... Ausgestaltung der GoA im Vergleich mit der Gesamtschuld ....... 1. Freistellungsanspruch vor Befriedigung des Gläubigers . . . . . . . .. 2. Flexible Regreßregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Gesetzlicher Forderungsübergang ............................ 4. Erhalt der Einreden ........................................ 5. Erhalt der Nebenrechte ..................................... 6. Vorrang des Gläubigers .................................... 111. Ergebnis ....................................................
104 105 105 106 106 106 107 107 107
§ 12 Eigenes Verständnis der GoA ....................................... 108
I.
11.
Funktion und Wesen der GoA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Abgrenzung der GoA von der Gesamtschuld und dem Zessionsregreß gemäß § 255 ........................................... . 108
Inhaltsverzeichnis
15
Drittes Kapitel
Die sogenannte RückgritTskondiktion § 13 Die Rückgriffskondiktion als Regreßinstitut ......................... . I. Dogmatische Begründung ..................................... 11. Praktikabilität der in der Literatur vorgenommenen Abgrenzung zwischen Gesamtschuld und Rückgriffskondiktion .. . . . . . . . . . . . . .. III. Ausgestaltung der Rückgriffskondiktion im Vergleich mit der Gesamtschuld ................................................ IV. Ergebnis zu der Bewertung der Rückgriffskondiktion als Regreßfigur ........................................................ V. Eigenes Verständnis von der sogenannten Rückgriffskondiktion ....
109 109 110 111 111 112 113
§ 14 Ergebnis zu den verschiedenen Regreßfiguren ........................ 114
Zweiter Teil
Regreßregelungen im Baurecht unter besonderer Berücksichtigung der Drittschadensliquidation
115 115
§ 15 Einführung
Erstes Kapitel
Notwendigkeit von Regreßregelungen § 16 Lösungsvorschläge in Rechtsprechung und Literatur im Vorfeld einer Regreßregelung ................................................... I. Die Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985 - Az.: VII ZR 23/84: Versagung jeglichen Ausgleichs ................................ 1. Vorbemerkung zu den notwendigen Weichenstellungen im Vorfeld einer Regreßregelung .................................. 2. Die beiden grundlegenden Prämissen des BGH ............... 3. Vorunternehmer kein Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer .................................. II. Lösungswege in der Literatur auf der Entscheidungsgrundlage des BGH ........................................................ III. Kritische Stimmen gegenüber der Weichenstellung des BGH ...... 1. Konzentration der Problematik um die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn auf die Fälle der Bauverzögerung ........................................... 2. Entschädigungsanspruch des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn aus § 642 ........................................... IV. Stellungnahme zu den Lösungswegen in Rechtsprechung und Literatur ..........................................................
119
119 119 120 121 121 122 124
124 125 125
16
Inhaltsverzeichnis I. Erste Prämisse des BGH: Anknüpfung an eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten ....................................................... 126 2. Zweite Prämisse des BGH: Annahme einer Mitwirkungspflicht anstelle einer Mitwirkungsobliegenheit des Bauherrn .......... 127 3. Die Lösung von Hochstein ................................. 127 4. Die Lösung von Kraus ..................................... 128 V.
Ergebnis .................................................... 129
§ 17 Exkurs zur Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers .. . . . . .. 130 I.
Bedeutung der Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung ... . . . . . . . . . . 130 1. Aufwendungsersatzanspruch aus § 304 ...................... . 131 2. Entschädigungsanspruch aus § 642 .......................... 131 3. Teilvergütungsanspruch aus § 645 Abs. 1 S. 2 ................ 132 4. Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 1: Mitwirkungspflicht oder Mitwirkungsobliegenheit des Bestellers? ................. 132
11.
Die Rechtsansicht des BGH bis zu seiner Entscheidung vom 27. Juni 1985 ..................................................... 133
III. Literaturmeinungen ........................................... 135 1. Mitwirkungshandlung des Bestellers als Obliegenheit .......... 135 2. Einstufung der Mitwirkungshandlung als Pflicht . . . . . . . . . . . . . .. 136 3. Vermittelnde Meinungen ................................... 136 4. Meinungen, die eine Stellungnahme zur Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers für entbehrlich halten ........... 137 IV. Entbehrlichkeit einer Stellungnahme? ........................... 137 V.
Stellungnahme zu den drei übrigen Meinungen .................. 139 1. Wortlaut und Systematik der §§ 642 ff. . ..................... 139 2. Sinn und Zweck der §§ 642 ff. unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Motive .................................. 139
VI. Ergebnis .................................................... 142 § 18 Eigene Lösung im Anschluß an Kraus: Vorrang der §§ 642 ff. vor einer Regreßregelung ................................................... 142 I.
Gegenansprüche des geschädigten Nachunternehmers gegen den Bauherrn, die eine Lösung im Dreiecksverhältnis ermöglichen 142
11.
Ansprüche des Nachunternehmers gegen den Voruntemehmer ..... 145
III.
Das Konkurrenzverhältnis zwischen den §§ 642 ff. und der Drittschadensliquidation ........................................... 147
IV. Ergebnis .................................................... 149
Inhaltsverzeichnis
17
Zweites Kapitel Anwendungsbereich der Gesamtschuld
150
§ 19 Typische Fallkonstellationen und ihre Lösung im Lichte der im ersten Teil entwickelten Gesamtschuldkonzeption ........................... 150
1. 11.
Die Lücken der vertraglichen und deliktsrechtlichen Ausgleichsregelungen ...................................................... 150 Ergänzung der Ausgleichsmechanismen im Dreiecksverhältnis durch die Regreßregelungen der Gesamtschuld ........................ 151
§ 20 Abweichende Lösungen in Rechtsprechung und Literatur .............. 154
1.
Die Entscheidungen des OLG Hamm vom 9. November 1990 Az.: 26 U 23/90, vom 10. Januar 1992 - Az.: 26 U 82/91 und vom 30. März 1995 - Az.: 17 U 205/93 ............................. 155 1. Ablehnung der Gesamtschuld ............................... 155 2. Berechtigte GoA .......................................... 157 3. Unberechtigte GoA gemäß den §§ 684, 812 .................. 158
4. Ablehnung der Drittschadensliquidation ...................... Die Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. vom 26. Januar 1988 Az.: 7 U 284/86 und die Entscheidung des OLG München vom 3. Juli 1987 - Az.: 14 U 840/86: Versagung jeglichen Ausgleichs .. III. Lösung im Wege des Zessionsregresses analog § 255 ............. IV. Ergebnis ....................................................
159
160 162 163
Drittes Kapitel Der verbleibende Anwendungsbereich für die GoA und die sogenannte RückgritTskondiktion
163
H.
§ 21 Das Zusammenspiel von berechtigter und unberechtigter GoA . . . . . . . . .. 164
1. Funktion der berechtigten GoA ................................ 164 H. Verhältnis der berechtigten GoA zum Vertragsrecht ............... 165 III. Die unberechtigte GoA als notwendiges Pendant zur berechtigten GoA entsprechend dem Verhältnis von Bereicherungs- und Vertragsrecht ........................................................ 166 § 22 Die sogenannte Rückgriffskondiktion und die Problematik der nachträgli-
chen Fremdtilgungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Abwicklung im Dreiecksverhältnis nach Maßgabe der zugrunde liegenden Verträge .............................................. 167 H. Regreßansprüche im Wege der sogenannten Rückgriffskondiktion? . 168 III. Der Weg von der nachträglichen Fremdtilgungsbestimmung über den einhergehenden Fremdgeschäftsführungswillen zur GoA ...... 170 IV. Ergebnis .................................................... 171 2 Stamm
18
Inhaltsverzeichnis Viertes Kapitel
Fälle der Drittschädigung infolge obligatorischer Gefahrentlastung
172
§ 23 Vorbemerkung ................................................... . 172 § 24 Lösungen, die einen Ausgleich zwischen dem geschädigten Zweitunternehmer und seinem Vertragspartner, dem Bauherrn, suchen ............ 1. Die Entscheidung des OLG Köln vom 15. April 1975 - Az.: 15 U 156/74: Vergütungsanspruch des geschädigten Zweitunternehmers analog § 645 ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tragweite der Entscheidung ................................ 2. Extensive Anwendung des § 645 ............................ a) Erste Analogie: Anwendung des § 645 auf sonstige Fälle, bei denen die Leistungsstörung auf ein willentliches Verhalten des Bestellers zurückzuführen ist ......................... b) Zweite Analogie: Anwendung des § 645 auf Fälle der Drittverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Planwidrige Regelungslücke des Gesetzes ............. bb) Vergleichbare Interessenlage ......................... II. Die Entscheidung des BGH vom 6. November 1980 - Az.: VII ZR 47/80 ....................................................... III. Ergebnis .................................................... § 25 Lösungswege, die eine Schadensabwicklung zwischen dem geschädigten Zweitunternehmer und dem Erstunternehmer herbeiführen ............. 1. Ansprüche des geschädigten Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer aus eigenem Recht .................................. 1. Die Entscheidung des BGH vom 9. April 1984 - Az.: II ZR 234/83: Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 wegen einer Besitzverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Umfang des Besitzschutzes .............................. b) Besitzschutz zwischen Mitbesitzern ....................... c) Rechtsfolge: Ersatz des sogenannten Haftungsschadens ..... 2. Die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen (V. i. V.)" ....... 3. Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 wegen einer Verletzung des "wirtschaftlichen Eigentums" ....................... 4. Ergebnis zu den Lösungen, die dem geschädigten Zweitunternehmer eigene Rechte gegen den Erstunternehmer zusprechen ..... II. Lösungen, die dem Zweitunternehmer ein Vorgehen aus abgetretenem Recht des Bauherrn ermöglichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Lehre vom normativen Schaden ............................. 2. Drittschadensliquidation .................................... 3. Die Entscheidung des BGH vom 30. September 1969 - Az.: VI ZR 254/67: Spagat zwischen der Drittschadensliquidation und der Lehre vom normativen Schaden ......................... III. Ergebnis zu den Lösungswegen in Rechtsprechung und Literatur ...
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Inhaltsverzeichnis
19
§ 26 Die Lehre vom nonnativen Schaden im Detail. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
I. Methodischer Lösungsansatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Problematik der Folgeschäden ................................. III. Abtretungserfordernis analog § 281 ............................. 1. Analoge Anwendung des § 281 in den Fällen der Sachmänge1haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analoge Anwendung des § 281 auf das umgekehrte Rollenverhältnis von Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem ...................................................... a) Planwidrige Regelungslücke des Gesetzes: Die Zessionsregelung des § 281 im Blickfeld der Gesamtschuld und des Zessionsregresses gemäß § 255 ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzzweck des § 281 ................................. c) Vergleichbarer Schutzzweck zugunsten des Bauherrn als Abtretungsverpflichtetem ............................... . d) Vergleichbarer Schutzzweck zugunsten des Zweitunternehmers als Abtretungsberechtigtem ......................... 3. Ergebnis zu den Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 281 ................................................. IV. Einschränkung der Differenzhypothese .......................... V. Ergebnis zu der Kritik an der Lehre vom nonnativen Schaden .....
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§ 27 Die Lehre von der Drittschadensliquidation .......................... 213
I. Methodischer Lösungsansatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Sachgerechte Abwicklung von Folgeschäden .................... III. Drittschadensersatz und Übertragungsmechanismus analog § 281 ... 1. Vorstellungen des Gesetzgebers zum Drittschadensersatz ....... 2. Rechtsfortbildung im Sinne der Drittschadensliquidation: Voraussetzungen und Rechtsfolge . . . .. .. .. . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . . . 3. Erstreckung der Drittschadensliquidation auf vertragliche Anspruchsgrundlagen trotz fehlenden Vertragsbandes zwischen dem Dritten und dem Schuldner ................................. 4. Übertragungsmechanismus analog § 281 ..................... 5. Ergebnis zum Drittschadensersatz ........................... IV. Berücksichtigung der Differenzhypothese ....................... V. Zwischenergebnis ............................................ VI. Unberechtigte Einreden des Schuldners gemäß § 404 ............. VII. Wertungswiderspruch zu dem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter .............................. . VIII. Umgehung des Deliktsrechts ...... .. . .. . .. . .. .. . .. .. . .. .. . .. . . . IX. Durchbrechung des Dogmas vom Gläubigerinteresse ............. X. Ergebnis zu der Kritik an der Drittschadensliquidation ........... .
213 213 214 216 217 2 I7 220 220 221 221 221 223 225 226 227
§ 28 Entwicklung eines eigenen Lösungsweges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
I. 2*
Methodischer Lösungsansatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
20
Inhaltsverzeichnis 11.
Ermittlung der eigentlichen Ursache für die Probleme in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht ....... . III. Rechtsfortbildung im Sinne des zuvor entwickelten Lösungsansatzes: Möglichkeit einer teleologischen Reduktion der §§ 946 ff., 93 ff.? ...................................................... IV. Alternative Lösungswege ...................................... 1. Weiterentwicklung der Lehre vom normativen Schaden aufgrund der im ersten Teil entwickelten Gesamtschuldkonzeption ...... . 2. Reform des Drittschadensersatzrechtes durch Anknüpfung an die geltenden Bestimmungen zum Drittschadensersatz in Form der §§ 844, 845 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 844 Abs. 1 in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung .. . b) Rechtsfolge bei der Berechtigung zum Drittschadensersatz .. 3. Beschränkung der Berechtigung zur Drittschadensliquidation auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen und Überleitung gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 ......................................... V. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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237 239
§ 29 Vorteile eines originären deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs des geschädigten Dritten analog §§ 823 Abs. I, 844 Abs. I im Vergleich mit
den bisherigen Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Methodischer Lösungsansatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Ersatz für Folgeschäden ...................................... . III. Originärer Schadensersatzanspruch ............................. IV. Versagung vertraglicher Schadensersatzansprüche ................ V. Berücksichtigung der Differenzhypothese ....................... VI. Vermeidung unberechtigter vertraglicher Einreden ............... . VII. Klares Abgrenzungsmodell des vertraglichen Drittschutzes vom deliktsrechtlichen Drittschadensersatz .......................... . VIII. Ergebnis ....................................................
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§ 30 Neue Ansätze zur Kritik an der hier entwickelten Lösung . . . . . . . . . . . . . . 249
I.
Drittschadensregulierung durch den Dritten anstelle einer Drittschadensliquidation durch den Gläubiger ........................... . II. Unliebsame Gläubigermehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Durchbrechung des deliktsrechtlichen Enumerativprinzips ......... IV. Neue Willkür der Ergebnisse .................................. V. Haftungserweiterung zu Lasten des Erstunternehmers ............ . VI. Ergebnis ....................................................
249 249 250 250 251 252
§ 31 Exkurs: Überlegungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anknüpfung an die Überlegungen der Schuldrechtskommission ... . II. Ergänzung des § 644 durch einen neuen Absatz 2 ............... . III. Erläuterung des § 644 Abs. 2 n. F. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich .......................................
252 252 254 255 255
Inhaltsverzeichnis
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2. Voraussetzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge ............................................... IV. Lösung des Ausgangsfalles anhand der neuen Lösung ............ V. Kritik an der vorgeschlagenen Gesetzesänderung ................. 1. Verstoß gegen Art. 14 GG .................................. 2. Wertungswiderspruch mit den Vorschriften der §§ 946 ff., 93 ff. und sonstigen eigentumsrechtlichen Vorschriften .............. VI. Ergebnis ....................................................
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Fünftes Kapitel Grenzfälle im Spektrum zwischen vertraglichem Schadensausgleich, deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und Regreß § 32 Eingruppierung der Fallkonstellation in Abhängigkeit von der Frage nach der Eigenschaft des Zweitunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn ............................................................ I. Pflicht des Bauherrn zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks ....................................................... 11. Pflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten . 1. Abgrenzung zwischen Obliegenheit und Pflicht ............... 2. Gewährleistungspflicht des Bauherrn gegenüber dem Zweitunternehmer? ................................................. . III. Allgemeine Verkehrssicherungspflicht des Bauherrn .............. IV. Ergebnis ....................................................
260 261
261
262 262 263 263 263 264 265
§ 33 Die Auswahl der adäquaten Ausgleichsregelung im Vorfeld einer Regreß-
lösung ........................................................... I. Eigener Lösungsvorschlag: Differenzierung in Abhängigkeit von der eingetretenen Leistungsstörung ................................ . 11. Nochmals: Die Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985 - Az.: VII ZR 23/84 ................................................ 1. Schadensersatzanspruch des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn aus § 286 Abs. 1 ..................................... 2. Entschädigungsanspruch des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn aus § 642 ........................................... 3. Drittschadensliquidation .................................... 4. Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nochmals: Alternative Lösungswege in der Literatur ............. 1. Der Vorunternehmer als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn ....... . 2. Drittschadensliquidation .................................... 3. Schadensersatzanspruch analog § 645 ........................ IV. Ergebnis ....................................................
265 265 267 268 271 271 272 272 272 274 275 275
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Inhaltsverzeichnis Sechstes Kapitel
Schlußbetrachtungen zum Regreß des Bauunternehmers § 34 Allgemeines Lösungsschema zur Bewältigung von Regreßsituationen .... I. Erste Fallgruppe: Fälle der Alleinverpflichtung des Zweitunternehmers als möglicher Regreßberechtigter .......................... II. Zweite Fallgruppe: Fälle der Mehrverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dritte Fallgruppe: Fälle der Alleinverpflichtung des Erstunternehmers als möglicher Regreßgegner .............................. § 35 Besonderheiten bei Verträgen, denen die VOB/B zugrunde liegt ........ I. Der Regelungsgehalt der §§ 6 Nr. 6, 9 Nr. 3 VOB/B für die Fälle der Bauverzögerung .......................................... II. Die spezielle Gefahrtragungsregelung der §§ 7, 12 Nr. 6 VOB/B .. III. Die Ausgleichsregelungen des § 10 Nr. 2-6 VOB/B im Innenverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmer . . . . . . . . . IV. Die Vergütungsregelung des § 2 Nr. 8 VOB/B als weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs der GoA .................. .
276 276 277 279 279 281 281 284 286 287
§ 36 Resümee ........................................................ . 287
Dritter Teil
Die Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts § 37 Obligatorische Gefahrentlastung im Kaufrecht ....................... . I. Unterschiede zu den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht ............................................ 1. Abweichende Interessenlage im Kaufrecht bezüglich des Zeitpunktes des Gefahrübergangs ............................... 2. Unterschiede bei der analogen Anwendung des § 281 .......... 3. Drittschadensliquidation im Kaufrecht ....................... 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Problemlösung unter Berücksichtigung der aufgezeigten Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überwindung des Trennungsprinzips durch Anpassung der Eigentumsverhältnisse an die Gefahrtragung .................. 2. Drittschadensersatz analog § 844 Abs. 1 ..................... 3. Drittschadensliquidation und Forderungsübergang gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 ............................................... III. Unterschiede zu den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht bezüglich des vertraglichen Drittschutzes ....... 1. Abweichende Interessenlage im Kaufrecht hinsichtlich der Drittbegünstigung des Frachtvertrages ........................... . 2. Konsequenzen für den vertraglichen Drittschutz im Kaufrecht ..
289 289 289 290 291 291 292 292 292 293 294 295 296 297
Inhaltsverzeichnis
23
3. Besonderheiten des HGB-Transportrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Konkurrenzverhältnis von deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und vertraglichem Drittschutz ........................ . 5. Auswirkungen für die bisher an der Drittschadensliquidation geäußerte Kritik ........................................... IV. Exkurs: Lösung de lege ferenda ................................ 1. Vorschlag der Schuldrechtskommission: Beschränkung des § 447 auf den Handelskauf ...................................... . 2. Kritik an dem Vorschlag der Schuldrechtskommission in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergänzung des § 447 durch einen neuen § 447 a .............. V. Ergebnis zu den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht ...................................................
298
§ 38 Fälle der mittelbaren Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Untergang und Verschlechterung des Auftragsgutes ............... 1. Drittschadensliquidation ................................... . 2. Kritik an der Drittschadensliquidation ....................... . 3. Vergleich mit den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Problemlösung ............................................ 5. Lösung de lege ferenda in Anlehnung an das Kaufrecht ........ 6. Möglichkeiten der Rechtsvereinheitlichung im allgemeinen Schuldrecht für sämtliche Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung .. 7. Ergebnis .................................................. II. Verzugsfälle ................................................. I. Anknüpfungspunkte für eine Rechtfertigung der Drittschadensliquidation in den Fällen des Verzugs ......................... 2. ,,zufällige Schadensverlagerung" oder Ausuferung der Drittschadensliquidation? .......................................... . III. Ergebnis zur Fallgruppe der mittelbaren Stellvertretung ...........
309 310 310 311
§ 39 Obhutsfälle .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Drittschadensliquidation trotz bestehender deliktsrechtlicher Ausgleichsansprüche des Dritten gegen den Schädiger . . . . . . . . . . . . . . . . H. Schadensverlagerung auf vertraglicher Ebene als Prämisse der Drittschadensliquidation .......................................... . III. Interessenlage bei den Obhutsverhältnissen unter der Prämisse der Drittschadensliquidation ....................................... IV. Vergleich mit der Interessenlage in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht ................................. V. Lösung über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter? ....
318
299 301 303 303 306 307 308
311 312 313 313 314 314 315 316 318
319 320 320 321 321
§ 40 Abschließende Stellungnahme zu der Lösung von Junker ............. . 324 I. Die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen (V. i. V.)" .......... 324
24
Inhaltsverzeichnis Ho
Das "wirtschaftliche Eigentum" als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abso 1 328 0
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§ 41 Ergebnis zum dritten Teil
331 Schluß
§ 42 Folgerungen für das allgemeine Regreßrecht
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§ 43 Gesamtergebnis
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333 337
Literaturverzeichnis
338
Gesetzesmaterialien
349
Sachwortverzeichnis
350
Einleitung § 1 Vorbemerkungen I. Problemstellung
Der Regreß ist ein Rechtsinstitut zum Ausgleich von Leistungen innerhalb eines Dreiecksverhältnisses. Dem vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldner wird die Möglichkeit eingeräumt, von einem Dritten Ersatz zu verlangen. Typische Fallkonstellationen dieser Rückgriffsproblematik finden sich regelmäßig im Baurecht, da hier verschiedene Unternehmer mit der Fertigstellung eines Bauobjektes beschäftigt sind. Treten Baumängel auf, haben diese in der Regel Auswirkungen auf die Werkleistungen anderer am Bau tätiger Unternehmer. Nimmt der Bauherr einen der Bauunternehmer auf Mängelbeseitigung in Anspruch, stellt sich das Problem, ob und ggf. wie dieser gegen andere Bauunternehmer Regreß üben kann. Zur Lösung der insbesondere im Baurecht auftretenden Regreßprobleme haben Rechtsprechung und Literatur zahlreiche Regreßfiguren entwickelt. Neben der Gesamtschuld sind der Zessionsregreß analog § 255 1, die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) und die sogenannte Rückgriffskondiktion aus dem Bereicherungsrecht herangezogen worden. Ebenfalls erörtert werden Ausgleichsregelungen im Wege der Drittschadensliquidation, wobei die Rechtsnatur und der Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts bis heute ungeklärt sind. Es darf aber nicht übersehen werden, daß es sich hier ebenfalls um eine Regreßfigur zur Abwicklung von Schadensfällen im Dreiecksverhältnis handelt, auch wenn die dabei auftretenden Konkurrenzprobleme mit anderen Regreßfiguren bisher zumeist unberücksichtigt geblieben sind. Den zentralen Streitpunkt der Auseinandersetzung bildet zumeist die Frage nach der Abgrenzung von Gesamtschuld und Zessionsregreß analog § 255, wobei andere Regreßfiguren in den Hintergrund treten. Da aber auch diese Abgrenzungsfrage bis heute nicht abschließend geklärt ist, besteht in Rechtsprechung und Literatur nach wie vor eine Rechtsunsicherheit im Umgang mit den unterschiedlichen Regreßfiguren. 2 Dabei handelt es sich Paragraphen ohne nachfolgende Angabe eines Gesetzes sind solche des BGB. Darauf hat schon Rüßmann, Gesamtschuld, JuS 1974, 292 (293), hingewiesen: "So wenig die Rechtsprechung über einen allgemeinen Trend auf Ausweitung der 1
2
26
Einleitung
nicht nur um ein rein dogmatisches Abgrenzungsproblem; auch unter praktischen Gesichtspunkten treten erhebliche Unterschiede auf. So setzt beispielsweise der Zessionsregreß analog § 255 ebenso wie die Drittschadensliquidation analog § 281 eine Abtretung voraus, während es bei der Gesamtschuld gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 zum gesetzlichen Forderungsübergang kommt. Daneben entscheidet die Wahl des Regreßweges zugleich über die Fragen der Geltendmachung vertraglicher Einreden, des Übergangs vertraglicher Nebenrechte, der Verjährung, des Umfangs des Schadensausgleichs sowie eines Freistellungsanspruchs bereits vor Befriedigung des Gläubigers. Hält man sich die Tragweite dieser Entscheidung vor Augen, so gilt es sorgfaltig zwischen den verschiedenen Regreßfiguren im Zivilrecht abzuwägen, die von Rechtsprechung und Literatur entwickelt worden sind. 11. Zielsetzung Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, die Strukturen im Regreßrecht zu vereinfachen. Es soll gezeigt werden, daß es neben der Gesamtschuld grundsätzlich keiner weiteren Regreßinstitute bedarf, um im Einzelfall zu einer angemessenen Ausgleichsregelung zu gelangen. Dies liegt zum einen daran, daß die Regelungen des BGB zur vertraglichen und deliktsrechtlichen Schadensabwicklung in einer Vielzahl von Fällen bereits zu sachgerechten Ergebnissen führen; die Frage nach einer Regreßregelung stellt sich überhaupt nicht mehr. Zum anderen wird sich die Gesamtschuld als diejenige Regreßfigur erweisen, die in Übereinstimmung mit den Wertungen des Vertragsrechts den Interessen aller Beteiligten am besten gerecht wird. Sowohl unter dogmatischen als auch unter praktischen Gesichtspunkten führt sie in der Vielzahl aller Regreßfalle zu einer zufriedenstelIenden Lösung. 111. Gang der Darstellung Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist mit ihrem ersten Teil eine abstrakte Untersuchung der unterschiedlichen Regreßfiguren im deutschen Zivilrecht. Im ersten Kapitel wird dabei der Frage nach der Abgrenzung von Gesamtschuld und Zessionsregreß analog § 255 nachgegangen, da sie den Kernpunkt der Auseinandersetzung in Rechtsprechung und Literatur bildet. Der Zessionsregreß analog § 255 ist vornehmlich von Selb zur Lösung der Fälle der sogenannten gestuften Haftung entwickelt worden. Er tritt zunehmend in Konkurrenz zur Gesamtschuld. Daneben werden auch Gesamtschuldregeln hinaus klare Strukturen der Abgrenzung der Gesamtschuld von anderen Schuldnermehrheiten erkennen läßt, so wenig ist ein Blick in die Literatur geeignet, die Verwirrung um diesen Problemkomplex zu beseitigen." An dieser Verwirrung hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
Einleitung
27
die GoA und die Rückgriffskondiktion als Lösungswege erörtert. Ausgehend von der Darstellung der Gesamtschuld und des Zessionsregresses soll daher im Anschluß im zweiten und dritten Kapitel das Augenmerk auf diese Regreßfiguren gelenkt werden, die in Rechtsprechung und Literatur zumeist isoliert betrachtet werden. Dies gilt insbesondere für die Anwendung der GoA in den sogenannten Fällen der "auch fremden Geschäfte", die bislang noch nicht in den Gesamtzusammenhang der unterschiedlichen Regreßfiguren des BGB eingeordnet worden sind. Der Vergleich mit der Gesamtschuld eröffnet aber gerade hier - sowohl unter dogmatischen als auch unter praktischen Gesichtspunkten - eine neue Perspektive, die es erlaubt, die GoA auf ihren ursprünglichen Anwendungsbereich, die Fälle des rein altruistischen Handeins, zurückzuführen. Entsprechendes gilt für die sogenannte Rückgriffskondiktion, so daß sich im Ergebnis die Gesamtschuld als das zentrale Regreßinstitut des BGB entpuppt. Im zweiten Teil der Arbeit werden zunächst die abstrakten Ergebnisse des ersten Teils anhand typischer Fallkonstellationen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung überprüft und ergänzt. Da es in der Rechtspraxis regelmäßig im Baurecht zu Regreßproblemen kommt, handelt es sich dabei insbesondere um Regreßansprüche zwischen Bauunternehmern. Diese Fallkonstellation leitet zu dem eigentlichen Schwerpunkt des zweiten Teils der Arbeit über, der Untersuchung der Drittschadensliquidation. Die Anknüpfung an das Werkvertragsrecht ermöglicht eine Neubewertung der Drittschadensliquidation, die sich im Rahmen der vorwiegend am Kaufrecht orientierten Betrachtungsweise von Rechtsprechung und Literatur nur schwer erschließt. Inwieweit Regreßregelungen überhaupt erforderlich sind, wird im ersten Kapitel untersucht. Im Vorfeld einer Regreßlösung ist zunächst der Frage nachzugehen, ob nicht bereits die vertraglichen und gesetzlichen Ausgleichsmechanismen, die das BGB vorsieht, eine sachgerechte Schadensabwicklung ermöglichen. Praktischer Anknüpfungspunkt sind Fälle der Bauverzögerung, die in Rechtsprechung und Literatur Anlaß zu zahlreichen Meinungsstreitigkeiten gegeben haben. Im Rahmen der Auseinandersetzung besteht Gelegenheit, den Besonderheiten des Werkvertragsrechts nachzugehen und notwendige Vorfragen, beispielsweise die Frage nach der Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers, abzuklären. Im zweiten Kapitel werden die Fallvarianten analysiert, bei denen ein gemeinsames Fehlverhalten mehrerer Bauunternehmer zu einer Leistungsstörung führt. Es handelt sich hier um typische Anwendungsfälle der Gesamtschuld, so daß die Regreßregelungen des § 426 Abs. 1 und Abs. 2 noch einmal unter praktischen Gesichtspunkten beleuchtet werden können. Daran schließt sich an die im Baurecht eher selten vorkommende Konstellation, bei der ein Unternehmer tätig wird, ohne hierzu dem Bauherm gegen-
28
Einleitung
über verpflichtet zu sein (drittes Kapitel). Diese Fälle, in denen der Unternehmer aus rein altruistischen Motiven tätig wird, bieten Anlaß, dem Anwendungsbereich der GoA und der Rückgriffskondiktion nachzugehen. Die Ergebnisse des ersten Teils können abschließend vertieft werden. Einen Einschnitt bildet das vierte Kapitel, das der Drittschadensliquidation gewidmet ist. Während die bislang erörterten Regreßfiguren zunächst abstrakt analysiert und sodann im zweiten Teil der Arbeit anhand konkreter Fallgestaltungen auf ihre praktische Bewährung überprüft worden sind, ist nunmehr umgekehrt eine konkrete Fallkonstellation Ausgangspunkt der Untersuchung. Sie hat unter dem Begriff der "obligatorischen Gefahrentlastung" Eingang in Rechtsprechung und Lehre gefunden. Ein Fehlverhalten des einen Bauunternehmers (Erstunternehmer) führt zu einer Leistungsstörung im Verhältnis zwischen dem Bauherm und dem anderen Bauunternehmer (Zweitunternehmer). Letzteren trifft gegenüber dem Bauherm eine Haftung, für die er den Erstunternehmer in Regreß nehmen will. Unter dem Blickwinkel des Werkvertragsrechts erschließt sich die Drittschadensliquidation als eine weitere Regreßfigur. Die Schadensabwicklung erfolgt hier wie beim Zessionsregreß analog § 255 durch einen Abtretungsmechanismus, der jedoch auf eine analoge Anwendung des § 281 gestützt wird. Anhand der bekannten Fallkonstellation aus dem Werkvertragsrecht kann den Fragen nach der Rechtsnatur der Drittschadensliquidation, ihrer Abgrenzung zum Zessionsregreß gemäß § 255 und zur Gesamtschuld sowie Ansätzen zu einer Reform des Drittschadensersatzrechtes nachgegangen werden. Nachdem im fünften Kapitel Grenzfalle im Spektrum zwischen vertraglicher Schadensabwicklung, deliktsrechtlichem Schadensersatz und gesamtschuldnerischem Schadensausgleich erörtert worden sind, wird abschließend im sechsten Kapitel ein allgemeines Lösungsschema zur Bewältigung von Regreßfragen entwickelt. Die Untersuchung schließt mit einem Exkurs zu den Besonderheiten der VOB/B. Im dritten Teil der Arbeit sollen typische Regreßkonstellationen außerhalb des Baurechts erörtert werden. Es handelt sich um die verbleibenden Fallgruppen der Drittschadensliquidation. Es stellt sich hier die Frage, inwieweit die Ergebnisse aus dem zweiten Teil zur Problematik der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht auf die übrigen Fallgruppen der Drittschadensliquidation übertragbar sind. Bislang führen Rechtsprechung und Literatur sämtliche anerkannten Fallgruppen der Drittschadensliquidation einer einheitlichen Lösung zu. Es wird aber im einzelnen zu prüfen sein, ob und inwieweit nicht bereits die vertraglichen und deliktsrechtlichen Ausgleichsregelungen des BGB zu sachgerechten Ergebnissen führen. Abschließend wird eine grundlegende Reform des Drittschadensersatzrechtes vorgeschlagen.
Erster Teil
Rechtsfiguren für den Regreß Erstes Kapitel
Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255 § 2 Einleitende Bemerkungen zum Regelungsgehalt von Gesamtschuld und Zessionsregreß gemäß § 255 Aus der Fülle der Regreßfiguren, die in Rechtsprechung und Literatur zur Lösung von Konflikten bei Schuldnermehrheiten herangezogen werden, ragen im allgemeinen Schuldrecht die Gesamtschuld gemäß §§ 421 ff. und der Zessionsregreß analog § 255 heraus. Letzterer ist erst in jüngerer Zeit entwickelt worden und tritt zunehmend in Konkurrenz zur Gesamtschuld. Dabei wird die Gesamtschuld durch das ungeschriebene Merkmal der sogenannten Gleichstufigkeit eingeschränkt. Dem Zessionsregreß analog § 255 werden die Fälle der sogenannten gestuften Haftung zugeordnet. Wegen dieser inneren Verknüpfung lassen sich die bei den Regreßfiguren nicht isoliert voneinander untersuchen. Bevor aber das Augenmerk auf die Abgrenzungsmodelle gerichtet werden soll, die in Rechtsprechung und Literatur entwickelt worden sind, gilt es zunächst, den unumstrittenen Kerngehalt von Gesamtschuld und Zessionsregreß zu beschreiben, um sich auf diesem Fundament dem eigentlichen Problem zu nähern.
I. Die Gesamtschuld Zur Bewältigung von Konflikten, die bei einer Mehrheit von Schuldnern auftreten, hat der Gesetzgeber im sechsten Abschnitt des Allgemeinen Schuldrechts Regelungen über die Gesamtschuld getroffen, §§ 421-427. Nach der Legaldefinition des § 421 S. 1 liegt eine Gesamtschuld vor, wenn mehrere eine Leistung in der Weise schulden, daß jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. Der Gesetzgeber bezweckte mit dieser Vorschrift, den früheren Abgrenzungsstreit zwischen Korrealität und Solidarität beizule-
30
1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
gen. I Entsprechend dem verfolgten Zweck, die Regelung des Gesamtschuldverhältnisses einheitlich zu nonnieren, finden sich in den nachfolgenden Vorschriften zur Gesamtschuld, den §§ 422-427, Regelungen, die das Außenverhältnis zwischen dem Gläubiger und den Schuldnern und das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern regeln. Dabei ist für die vorliegende Untersuchung insbesondere die Ausgleichspflicht der Gesamtschuldner untereinander von Interesse, die in § 426 normiert ist. Diese Vorschrift gewährt den Gesamtschuldnern bereits vor Befriedigung des Gläubigers einen eigenen Freistellungsanspruch, § 426 Abs. 1, und ordnet nach der Befriedigung des Gläubigers einen gesetzlichen Forderungsübergang vom Gläubiger zugunsten desjenigen Gesamtschuldners an, der über seinen Anteil hinaus an den Gläubiger geleistet hat, § 426 Abs. 2. Damit wird zum einen gewährleistet, daß der Gläubiger seine Leistung nur einmal erlangt, und zum anderen, daß zwischen den Gesamtschuldnern ein Ausgleich entsprechend ihren Anteilen erfolgt.
11. Der Zessionsregreß gemäß § 255 Dem Wortlaut des § 255 ist kaum zu entnehmen, daß es sich bei dieser Vorschrift vorrangig um eine Schadensersatzregelung und nicht um eine Regreßregelung handelt. Erst ein Blick auf die systematische Stellung dieser Vorschrift läßt erahnen, daß § 255 eine Regelung zum Schadensersatz trifft. Aufschluß darüber geben letztlich allein die Motive. 2 So hatte der Gesetzgeber bei der Regelung des § 255 folgenden Grundfall vor Augen: Der Eigentümer E verleiht seine Sache an den Entleiher L. Diesem wird sie aus Unachtsamkeit vom Dieb D gestohlen. E verlangt von L Schadensersatz. I In den Motiven, Band 11, S. 154-156, finden sich die folgenden Ausführungen: ,,Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß alle maßgebenden Gesetzgebungen und Entwürfe das Gesammtschuldverhältniß einheitlich gestaltet haben, und zwar die neueren Gesetze und Entwürfe mit bewußter Ablehnung der heutzutage gemeinrechtlich angenommenen Unterscheidung. Der Entwurf ist diesem Zuge der modernen Gesetzgebung gefolgt und kennt demgemäß nur eine Art der Gesammtschuldverhältnisse." Ebenso findet sich schon in den Beschlüssen der Kommission zur Ausarbeitung des ersten Entwurfs unter Nr. 5 der folgende Beschluß: "Die Regelung des Gesarnmtschuldverhältnisses hat auf einheitlicher Grundlage zu erfolgen; es ist insbesondere zwischen Korreal- und Solidarobligation im Sinne der herrschenden gemeinrechtlichen Theorie nicht zu unterscheiden." Nachweis bei Jakobs/Schuben, Beratung des BGB, Vor. § 420, S. 907. Der Beschluß der Kommission geht auf einen wortgleichen Vorschlag (Thesis IV) des Redakteurs von Kübel zurück (abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Vor. § 420, S. 888), der bei den Beratungen der Kommission "von keiner Seite bekämpft" wurde, Jakobs/Schuben, Beratung des BGB, Vor. § 420, S. 895. 2 Motive, Band 11, S. 24-26.
l. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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E hat gegen Leinen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. I, da dem L die Rückgabe der entliehenen Sache infolge eines von ihm zu vertretenden Umstandes unmöglich geworden ist. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs können unproblematisch bejaht werden. Fraglich ist jedoch, in welchem Umfang L zum Schadensersatz verpflichtet ist. E hat nicht nur gegen L einen Schadensersatzanspruch wegen des Verlustes der Sache, sondern auch einen Herausgabeanspruch gegen D. Es stellt sich daher das Problem, ob E wegen seines vorrangigen Interesses am Erhalt der Sache zunächst gegen D vorgehen muß. Mit der Rückgabe der gestohlenen Sache entfiele der Schaden des E. Aus diesem Grunde müßte bei der Berechnung des von L zu leistenden Schadensersatzes die Wahrscheinlichkeit der Rückverschaffung der gestohlenen Sache berücksichtigt werden. Eine solche Berechnung ist aber kaum möglich. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber die Regelung des § 255 getroffen. 1. Primäre Regelung des § 255: Erleichterung der Schadensberechnung bei Verlust einer Sache3
Die Vorschrift des § 255 klammert bei der Schadensberechnung für den Verlust einer Sache die Wahrscheinlichkeit der Rückverschaffung der Sache aus. Unabhängig von der Möglichkeit der Rückverschaffung gewährt § 255 dem Gläubiger gegen den Schuldner einen Schadensersatzanspruch in Höhe des vollen Wertinteresses. Die Vorschrift erweitert also die Schadensersatzhaftung des Schuldners auf das volle Wertinteresse an der verlorenen Sache. Diese eigentliche Regelung des § 255 ergibt sich - wie eingangs bemerkt ausdrücklich erst aus den Motiven. Legt man allein den Wortlaut des § 255 zugrunde, so folgt sie erst im Umkehrschluß aus der gleichfalls in § 255 getroffenen Ausgleichsregelung, die die Pflicht des Schuldners zum Schadensersatz von der Abtretung der dem Gläubiger gegen den Dritten zustehenden Ersatzansprüche abhängig macht. Eine solche Abtretungsverpflichtung des Gläubigers ist nur dann sinnvoll, wenn der Gläubiger seinerseits vom Schuldner Schadensersatz in Höhe des vollen Wertinteresses verlangen kann. Diese hypothetischen Überlegungen finden ihre endgültige Bestätigung jedoch erst durch einen Blick in die Motive des Gesetzgebers. 4 3 Es findet sich weder in den Motiven noch in Rechtsprechung oder Literatur ein Hinweis auf einen Fall des Rechtsverlustes, bei dem § 255 zur Anwendung kommen soll. Aus diesem Grunde konzentriert sich die nachfolgende Untersuchung auf die Probleme des Sachverlustes. 4 Motive, Band 11, S. 25: "Es geht auch nicht an, dem Kläger etwa an dem Schadensersatzbetrage wegen jener mindestens im schließlichen Resultate zweifelhaften Ansprüche einen Abzug zu machen."
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I. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Es wäre daher wünschenswert gewesen, wenn der Gesetzgeber die Schadensersatzregelung des § 255 im Wortlaut der Vorschrift ebenso klar zum Ausdruck gebracht hätte wie in den Motiven. 5 So aber findet diese Schadensersatzregelung, die als solche unumstritten ist, zumeist kaum Beachtung, obwohl sie untrennbar mit der nachfolgenden Zessionsregelung verwoben ist. Denn dadurch, daß die Vorschrift des § 255 bei der Schadensberechnung wegen des Verlusts einer Sache die Möglichkeit ihrer Rückverschaffung ausklammert, stellt sich erst ein Regreßproblem, das mit der Zessionsregelung gelöst werden soll. Aufgrund der Schadensersatzregelung des § 255 könnte der Gläubiger nunmehr sowohl vom Dritten die Herausgabe der verlorenen Sache als auch vom Schuldner vollen Schadensersatz verlangen. Ohne diese Regelung wären der Schuldner und der Dritte zu ungleichen Leistungen verpflichtet, die erst in der Summe dem Wertinteresse des Gläubigers entsprächen. Der von L zu leistende Schadensersatz für den Verlust der Sache nähme mit zunehmender Wahrscheinlichkeit der Rückverschaffung der Sache entsprechend ab. Würde der Gläubiger die Sache tatsächlich vom Dritten zurückerhalten, so beliefe sich die Schadensersatzpflicht des Schuldners letztlich auf Null. Folglich bestünden ohne die Regelung des § 255 keinerlei Regreßprobleme, wenn man die praktische Undurchführbarkeit der Schadensberechnung außer Betracht ließe. 2. Sekundäre Regelung des § 255: Ausgleich für die erhöhte Schadensersatzhaftung des Schuldners
Um eine doppelte Befriedigung des Gläubigers zu vermeiden, ordnet die Vorschrift des § 255 für den Fall, daß der Gläubiger vom Schuldner Schadensersatz verlangt, eine Pflicht des Gläubigers zur Abtretung der ihm gegen den Dritten zustehenden Ansprüche an. Diese Pflicht besteht hingegen nicht für den umgekehrten Fall, daß der Gläubiger vom Dritten die Herausgabe der verlorenen Sache verlangt. Es handelt sich demzufolge um eine einseitige Ausgleichsregelung. Gegenstand der Diskussion in Rechtsprechung und Literatur ist nun die Frage, inwieweit diese einseitige Ausgleichsregelung außerhalb des seltenen Falles des Besitzverlustes, den der Gesetzgeber vor Augen hatte, auch in anderen Fällen zur Anwendung kommt. Es stellt sich das Problem, den Anwendungsbereich des § 255 von dem der Gesamtschuld abzugrenzen.
S Auf diese Kritik an der Regelung des § 255 wird später noch im einzelnen einzugehen sein, s. u. § 8.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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§ 3 Der Zessionsregreß analog § 255 bei gestufter Haftung Der Zessionsregreß analog § 255 ist vornehmlich von Selb entwickelt worden. Selb ist der Auffassung, daß es sich bei der Ausgleichsregelung des § 255 um ein eigenständiges Regreßinstitut mit Beispielswirkung für sämtliche Fälle der gestuften Haftung handelt. 6 Dem hat sich die herrschende Lehre angeschlossen. 7 Nach Ansicht Selbs liegt eine Gesamtschuld nur dann vor, wenn eine entweder rechtsgeschäftlich vereinbarte oder gesetzlich angeordnete wechselseitige Erfüllungsgemeinschaft zwischen den Schuldnern besteht. Kennzeichen dieser Erfüllungsgemeinschaft soll die gleichstufige Haftung sein. In allen übrigen Fällen müsse durch Wertung ermittelt werden, welcher Schuldner dem Schaden näher stehe. Dieser könne sich nicht auf eine wechselseitige Erfüllungsgemeinschaft berufen. Eine befreiende Erfüllungswirkung komme in diesen Fällen nur für den entfernter stehenden Schuldner in Betracht. Diese Wertung ergebe sich aus der Lehre vom Vorteilsausgleich, die dem gewandelten Schadensbegriff Rechnung trage. In der Folge sei nur dem entfernter stehenden Schuldner ein Ausgleichsanspruch zuzubilligen. Anknüpfungspunkt für diesen einseitigen Regreßanspruch sei die analoge Anwendung des § 255. Als Abgrenzungskriterium des Zessionsregresses von der Gesamtschuld ergebe sich das Merkmal der Gleichstufigkeit. Ein typischer Anwendungsfall des Zessionsregresses ist nach der Auffassung Selbs der sogenannte Fuldaer Dombrandfall, den das Reichsgericht zu entscheiden hattes: Zur Bonifatiusfeier schmückte der Beklagte den Turm des Domes in Fulda mit kleinen Lampen und brachte eine bengalische Beleuchtung an. Infolge eines mangelhaften Anschlusses brach ein Brand aus, bei dem der Turm des Domes erheblich beschädigt wurde. Nachdem der kirchenbaulastpflichtige Fiskus den Turm hatte restaurieren lassen, verlangte er vom Beklagten Ersatz seiner Aufwendungen.
Nach der Auffassung Selbs kommt ein Ausgleichsanspruch gemäß § 426 nicht in Betracht, da es an einer gleichstufigen Haftung des Klägers und des Beklagten mangelt. Es liege ein Fall der gestuften Haftung vor, da der
6 Selb, Regreßmethoden, S. 41; ders., Mehrheit von Schuldnern, S. 43; ders., in: Münchener Kommentar, § 421, Rdnr. 9; ders., in: Staudinger, § 255, Rdnr. 6. 7 Heinrichs, in: Palandt, § 255, Rdnr. 2; ders., in: Palandt, § 426, Rdnr. 7; Larenz, Schuldrecht I, § 37 I (S. 634); Marschall v. Bieberstein, S. 226; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnrn. 917 ff.; ders., Schuldrecht I, Rdnr. 798; Preißer, JuS 1987, 797 (801); Reeb, JuS 1970, 214 (215 ff.); ReinickelTiedtke, Gesamtschuld, S. 2039; Teichmann, in: Jauernig, § 255, Anm. 1. B RGZ 82, 206-221. Ausführlich dazu Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 177181. 3 Stamm
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Beklagte allein für die Beschädigung des Fuldaer Doms verantwortlich sei. Folglich stehe dem Kläger ein Zessionsregreß analog § 255 zu. 9 I. Dogmatische Überlegungen zur analogen Anwendung des § 255 In dogmatischer Hinsicht ist zu untersuchen, ob die von Selb entwickelte Rechtsfortbildung mit den gesetzlichen Strukturen des Regreßrechts übereinstimmt. Das wäre unproblematisch dann der Fall, wenn bereits der Wortlaut des § 255 die Ergebnisse von Selb bestätigen könnte. 1. Direkte Anwendung des § 255
Selb ist der Auffassung, daß unter dem in § 255 verwendeten Begriff des "Verlustes" nicht nur der Besitzverlust, sondern auch der Eigentumsverlust zu verstehen sei. 10 Des weiteren belege die Verwendung des Plurals zur Bezeichnung der abzutretenden Ansprüche, daß der Anwendungsbereich des § 255 nicht auf die Fälle des Besitzverlustes beschränkt werden könne. 11 Die Vorschrift des § 255 ordne daher bereits nach ihrem Wortlaut sowohl für die Fälle des Besitzverlustes als auch für die Fälle des Eigentumsverlustes und der Sachzerstörung einen Zessionsregreß an. Die Auffassung Selbs steht jedoch im Widerspruch zu den Ergebnissen der Gesetzesauslegung, auf die im Rahmen der eigenen Lösung noch detailliert einzugehen sein wird. 12 Es sei deshalb an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, daß der Begriff "Verlust" auch bei § 935 Abs. 1 S. 1 und ebenso im Fundrecht lediglich den Besitzverlust umschreibt. Ferner besagt die Verwendung des Plurals zur Bezeichnung der abzutretenden Ansprüche noch nichts über den Anwendungsbereich des § 255, denn auch in den Fällen des bloßen Besitzverlustes stehen dem Gläubiger gegen den Dritten mehrere Ansprüche zu. 13 Zu denken ist neben § 985 an die Ansprüche aus §§ 861; 1007 Abs. 1, Abs. 2; 823, 249 S. 1. Soweit Selb also den Anwendungsbe9 Das Reichsgericht hat dem Kläger einen Anspruch aus GoA sowie unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Bereicherung zugesprochen, RGZ 82, 206 (214 ff.). Zu der Anwendung der GoA und des Bereicherungsrechts in den Fällen der gestuften Haftung später im einzelnen unter §§ 9 ff. und §§ 13 f. 10 Seih, Mehrheit von Schuldnern, S. 149; ders., in: Staudinger, § 255, Rdnr. 10, ohne weitere Begründung. Nachdem Seih, in: Staudinger, § 255, Rdnr. 8, bei der Auseinandersetzung mit der Gegenauffassung festgestellt hat, daß bei einer Berufung auf den Wortlaut des § 255 nur ,,zufallstreffer" gelingen könnten, überrascht es, daß er sich zur Begründung seiner eigenen Ansicht auf den Wortlaut beruft. Ebenso kritisch zum Wortlaut des § 255 äußert sich Seih, Regreßmethoden, S. 23 f. 11 Seih, Mehrheit von Schuldnern, S. 149. 12 S. u. § 8. 13 Darauf hat schon Lange, S. 667, Fn. 26, hingewiesen.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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reich des § 255 auf weitere Fälle der sogenannten gestuften Haftung ausdehnen möchte, kommt nur eine analoge Anwendung dieser Vorschrift in Betracht. 2. Analoge Anwendung des § 255 im Blickfeld der Gesamtschuld
Läßt man Rechtsprechung und Literatur unberücksichtigt, ist der Vorschrift des § 255 nur schwer zu entnehmen, daß ihr ein allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde liegen und es sich bei dieser vereinzelten Regelung um ein eigenständiges Regreßinstitut handeln soll. Anhand der systematischen Auslegung ist festzustellen, daß es sich bei § 255 nicht um ein Regreßinstitut, sondern um eine Regelung zur Bestimmung des Schadensersatzes handelt. Sucht man dagegen nach einer Ausgleichsregelung zur Abwicklung von Schuldnennehrheiten, so wird man auf die Vorschriften der §§ 420 ff. stoßen. Diese Vorschriften sind im sechsten Abschnitt des zweiten Buches unter der Bezeichnung "Mehrheit von Schuldnern und Gläubigem" zu sammengefaßt. In diesem Abschnitt wird das Verhältnis zwischen Gläubigem und Schuldnern umfassend geregelt, ohne daß diese Vorschriften einen Hinweis darauf enthalten, daß sie lediglich für die Fälle der gleichstufigen Haftung gelten sollen. Es bleibt deshalb zunächst unklar, weshalb Selb die sogenannten Fälle der gestuften Haftung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld entziehen und dem Anwendungsbereich des Zessionsregresses zuordnen will. Es ist nicht einsichtig, welche Vorteile eine solche Verlagerung von der Gesamtschuld zum Zessionsregreß mit sich bringen soll. Die vereinzelte Vorschrift des § 255 im Schadensrecht erscheint kaum geeignet, neben den detaillierten Vorschriften zur Gesamtschuld ein gleichwertiges Regreßinstitut begründen zu können. In methodischer Hinsicht stellt sich daher die Frage, weshalb in den Fällen der gestuften Haftung § 255 analog zur Anwendung kommen soll, obwohl bereits der Wortlaut der §§ 421 S. 1, 426 erfüllt ist. Das Gesetz kennt keine Fälle der gestuften Haftung, die es von der Gesamtschuld ausnimmt. Es scheint daher schon an einer Regelungslücke zu fehlen, die Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 255 ist. Dieser methodische Ansatz soll nunmehr verfolgt werden, um die dogmatische Begründung Selbs im einzelnen zu überprüfen. Die Anwendung des § 255 auf die sogenannten Fälle der gestuften Haftung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 255 erfüllt sind. Es muß also zunächst einmal eine planwidrige Regelungslücke vorliegen. Eine solche liegt nicht vor, wenn bereits die Voraussetzungen der Gesamtschuld erfüllt sind. 14 14 An späterer Stelle wird sich zeigen, daß es sich bei § 255 um eine Spezialregelung zu § 426 handelt, s. u. § 4 11 2 c. Hinter der nachfolgenden Kritik verbirgt
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß 3. Rechtsgeschäftliche Vereinbarung oder gesetzliche Anordnung als Voraussetzung der Gesamtschuld
Seih vertritt die Ansicht, daß die Vorschrift des § 421 S. 1 keine Definition der Gesamtschuld beinhalte, sondern lediglich eine "voraussetzungslose Erfolgsdefinition" darstelle. 15 Dementsprechend könne von einer Gesamtschuld nur dann ausgegangen werden, wenn entweder eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung oder eine gesetzliche Anordnung vorliege. 16 Äußeres Kennzeichen einer solchen Gesamtschuld sei das Merkmal der Erfüllungsgemeinschaft. 17 Diese Ansicht ist mit den gesetzlichen Bestimmungen zur Gesamtschuld kaum zu vereinbaren. Die Legaldefinition des § 421 S. 1, die Seih als "voraussetzungslose Erfolgsdefinition" bezeichnet, entspricht den Vorstellungen des Gesetzgebers, der mit der Gesamtschuld ein einheitliches Regreßinstitut des BGB schaffen und den früheren Abgrenzungsstreit zwischen Korrealität und Solidarität beilegen wollte. 18 Dementsprechend finden sich die Voraussetzungen für die Gesamtschuld abschließend in der Vorschrift des § 421 S. 1. 19 Es liegt hier eine Legaldefinition vor, wie sie der Gesetzgeber auch an anderen Stellen des Gesetzes benutzt hat. 20 Es besteht daher kein Grund, der Legaldefinition des § 421 S. 1 eine andere Bedeutung zuzumessen als etwa in den Fällen der §§ 121 Abs. 1 S. 1, 194 Abs. 1,273 Abs. 1. Eine gegenteilige Ansicht läßt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des § 421 S. 1 ableiten. Selbst wenn der Gesetzgeber ursprünglich beabsichtigte, die Gesamtschuld auf die Fälle der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung und der gesetzlichen Anordnung zu beschränken,21 so ist auf eine solche Einschränkung später verzichtet worden. Eine vergleichbare sich daher das methodische Argument, daß Ausnahmevorschriften nicht analogiefahig sind. 15 Seih, Regreßmethoden, S. 12, 17; ders., Mehrheit von Schuldnern, S. 137 16 Seih, Regreßmethoden, S. 12, 17; ders., Mehrheit von Schuldnern, S. 137; ders., in: Münchener Kommentar, § 421, Rdnr. 8; Dieser Auffassung haben sich Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 72, und Winter, S. 92-94, ausdrücklich angeschlossen. 17 Seih, Regreßmethoden, S. 17 ff.; ders., in: Münchener Kommentar, § 421, Rdnr.8. 18 Motive, Band 11, S. 154-156, abgedruckt unter Fn. 1 mit weiteren Hinweisen. 19 Zu diesem Ergebnis sind schon Heck, S. 234, und Leonhard, S. 733 f., gelangt. Sie haben sich gegen das vermeintlich ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Zweckgemeinschaft zur Wehr gesetzt. Unverständlich ist jedoch, weshalb Leonhard sich im Anschluß um eine Begriffsbestimmung der Gesamtschuld durch das Merkmal der Tilgungsgemeinschaft bemüht hat. 20 Darauf haben auch ReinickeITiedtke, Gesamtschuld, S. 20, hingewiesen, obwohl sie sich im übrigen der Ansicht von Seih angeschlossen haben.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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Fonnulierung findet sich zwar noch in den Motiven,22 sie steht jedoch im klaren Widerspruch zu einer weiteren Aussage in den Motiven über die Bedeutung des § 421 S. I als Legaldefinition. 23 Wegen dieser widersprüchlichen Gesetzesmaterialien und angesichts des klaren Wortlauts des § 421 S. 1 kann der historischen Auslegung keine Aussagekraft zugemessen werden. 24 Die Einschränkung der Gesamtschuld auf die Fälle der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung und der gesetzlichen Anordnung läßt sich nicht mit der Vorschrift des § 421 S. 1 vereinbaren. 4. Das Kriterium der Erfüllungsgemeinschaft als Wesensmerkmal der Gesamtschuld
Äußeres Kennzeichen einer Gesamtschuld ist nach der Vorstellung Selbs die Erfüllungsgemeinschaft. 25 Bedenken gegen dieses Kriterium ergeben sich aus der Vorschrift des § 422. Gemäß § 422 ist die gemeinsame Erfüllungswirkung keine Voraussetzung, sondern eine Rechtsfolge der Gesamtschuld. Dementsprechend ist das Kriterium der Erfüllungsgemeinschaft nicht geeignet, die Voraussetzungen der Gesamtschuld zu bestimmen. 26 Selb verwechselt an dieser Stelle Voraussetzungen und Rechtsfolge der Gesamtschuld. 27 Er setzt voraus, was erst zu beweisen ist, und befindet sich daher in einem Zirkelschluß. 28 21 Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 72-77, und Winter, S. 92-94, berufen sich auf § 2 des 7. Teilentwurfs für das Obligationenrecht (TE-OR Nr. 7). In dieser Vorlage für die erste Kommission heißt es: "Ein Gesammtschuldverhältniß, vermöge dessen jeder der mehreren Gläubiger dieselbe Leistung ganz zu fordern berechtigt und jeder der mehreren Schuldner dieselbe Leistung ganz zu bewirken verpflichtet ist, während die Leistung nur einmal zu geschehen hat, kann nur durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder von Todeswegen oder unmittelbar durch gesetzliche Bestimmung begründet werden." Nachweis bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, §§ 421-432, S. 917. 22 Motive, Band 11, S. 156: "Seine Begründung kann ein Gesammtschuldverhältnis entweder durch Rechtsgeschäft oder unmittelbar durch gesetzliche Vorschrift erhalten." Auf diese Formulierung beruft sich Winter, S. 94. 23 Motive, Band 11, S. 154: " ... oder hat ein Gläubiger eine Leistung von mehreren Schuldnern in der Weise zu fordern, daß jeder Schuldner die Leistung ganz zu bewirken verpflichtet ist, während die Leistung nur einmal gefordert werden kann und nur einmal zu bewirken ist, so liegt ein Gesammtschuldverhältnis vor." Diese Aussage hat Winter übersehen. 24 Winter, S. 207, räumt in seiner Untersuchung zur Entstehungsgeschichte des § 421 S. 1 abschließend ein, "daß offensichtlich schon die 2. Kommission nicht mehr die Konzeption, die den - von ihr weitgehend übernommenen - Gesamtschuldvorschrlften des E I zugrunde lag, durchschaute." 25 Selb, Regreßmethoden, S. 17 ff.; ders., in: Münchener Kommentar, § 421, Rdnr.8. 26 Dieser Kritik setzt sich auch Jürgens, S. 142 f., aus, der von einer "wechselseitigen Tilgungswirkung" als Voraussetzung der Gesamtschuld spricht.
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I. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß 5. Zwischenergebnis zu den Voraussetzungen der Gesamtschuld
Im Gegensatz zu der Auffassung von Selb läßt sich die Gesamtschuld nicht auf die Fälle der rechtsgeschäftlich vereinbarten oder gesetzlich angeordneten Erfüllungsgemeinschaft beschränken. Eine solche Beschränkung steht im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 421 S. 1, 422. So enthält die Vorschrift des § 421 S. 1 entgegen der Ansicht Selbs eine Legaldefinition für das Vorliegen einer Gesamtschuld. Dem Wortlaut des § 421 S. 1 ist nicht zu entnehmen, daß äußeres Kennzeichen der Gesamtschuld die Erfüllungsgemeinschaft sein soll. Es ergibt sich vielmehr aus § 422, daß das Merkmal der Erfüllungsgemeinschaft keine Voraussetzung, sondern eine Rechtsfolge der Gesamtschuld darstellt. 6. Teleologische Reduktion des § 421 S. 1 durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "Gleichstufigkeit"
Handelt es sich bei der Vorschrift des § 421 S. 1 entgegen der Ansicht von Selb um eine Legaldefinition, so besteht immer noch die Möglichkeit, dieser Legaldefinition ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hinzuzufügen. Selb verwendet dazu das Merkmal der "Gleichstufigkeit".29 Durch dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal werden die Fälle der gestuften Haftung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld entzogen. In methodischer Hinsicht ist eine solche Einschränkung des § 421 S. 1 entgegen seinem Wortlaut nur dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion vorliegen. Es muß in den sogenannten Fällen der gestuften Haftung eine von dem Sinn und Zweck der Gesamtschuldvorschriften abweichende Interessenlage vorliegen. Selb befürchtet, daß die Anwendung des § 426 in den Fällen der gestuften Haftung zu einem wechselseitigen Regreß führe. 30 Um einen solchen Regreß zum Nachteil des dem Schaden entfernter stehenden Schuldners zu vermeiden, schränkt Selb die Vorschrift des § 421 S. 1 durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "Gleichstufigkeit" ein. Er löst damit die Fälle der 27 Dies geht besonders deutlich aus der von Selb vorgeschlagenen Lösung für den Fuldaer Dombrandfall hervor. Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 34, spricht davon, daß es für eine Gesamtschuld an der "Voraussetzung" des § 422 Abs. I S. 2 fehle. 28 Darauf haben schon Ehmann, S. 78, und Münchbach, S. 46, hingewiesen. Der Vorwurf des Zirkelschlusses richtet sich auch gegen Wolf, in: Soergel, § 421, Rdnrn. 10 f., der zwar das Kriterium der Gleichstufigkeit ablehnt, gleichwohl aber an dem Kriterium der Erfüllungsgemeinschaft festhalten will. Dieselbe Kritik trifft Leonhard, S. 733 f., der das Merkmal der Tilgungsgemeinschaft verwendet (s. o. Fn. 19). 29 Selb, Regreßmethoden, S. 20. 30 Selb, Regreßmethoden, S. 26.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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gestuften Haftung aus dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld und weist sie dem analogen Anwendungsbereich des § 255 zu. Der Zessionsregreß des § 255 stelle im Gegensatz zu der Ausgleichsregelung des § 426 sicher, daß es lediglich zu einem einseitigen Regreß zugunsten des dem Schaden entfernter stehenden Schuldners komme? 1 Ob eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs der Gesamtschuld erforderlich ist, um in den Fällen der gestuften Haftung einen wechselseitigen Regreß zu vermeiden, erscheint fragwürdig. Es ist daher aufschlußreich, genauer auf das Kriterium der "Gleichstufigkeit" einzugehen. a) Herkunft des Kriteriums der "Gleichstufigkeit" Selb hat das Kriterium der "Gleichstufigkeit" von Larenz übernommen,32 der diesen Begriff als erster dazu benutzt hat, den Anwendungsbereich der Gesamtschuld einzuschränken. Gleichwohl hat Larenz diesen Begriff nicht selbst entwickelt. Das Kriterium der "Gleichstufigkeit" geht vielmehr auf Rabel zurück,33 der mit dem Begriff der "zwei stufigen Solidarität" die Fälle bezeichnet hat, in denen ein Schuldner dem Schaden näher steht. 34 Im Gegensatz zu Selb und Larenz ordnete Rabel jedoch auch diese Fälle der gestuften Haftung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld ZU. 35 Der Begriff der gestuften Haftung diente also ursprünglich lediglich zur Bezeichnung eines Sonderfalles der Gesamtschuld.
Ähnlich hat im Anschluß an Rabel auch Schmidt den Begriff der Gleichstufigkeit nicht zur Einschränkung der Gesamtschuld, sondern lediglich zur Bestimmung der Höhe des internen Ausgleichsanspruchs &us § 426 verwandt. 36 Der Anteil des Ausgleichsanspruchs an der dem Gläubiger geschuldeten Leistung liegt zwischen Null und Eins. Er bemißt sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, analog § 254 in Abhängigkeit von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen. Mit dem Begriff der Gleichstufigkeit wollte Schmidt nun lediglich die Sonderfälle der Gesamtschuld kennzeichnen, bei denen alle Gesamtschuldner zu gleichen Anteilen verpflichtet sind. In den übrigen Fällen der gestuften Haftung sollte nicht die Anwendung der 31 Selb, Regreßmethoden, S. 23: "Wer in § 255 BGB die Zession wechselseitig gibt, macht die Regel zum Unsinn, genau wie der, der den Vorteilsausgleich (außerhalb der echten Gesamtschuld, der Miterfüllung) wechselseitig gibt." 32 Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 40, verweist auf LArenz, Schuldrecht I, 3. Aufl., § 33 a. E. 33 Darauf haben bereits Ehmann, S. 65, und Münchbach, S. 49 f., hingewiesen. 34 Rabel, Gesammelte Aufsätze I, S. 309 (312). 3S Rabel, Gesammelte Aufsätze I, S. 309 (312, 327). 36 Darauf haben ebenfalls bereits Ehmann, S. 66 f., und Münchbach, S. 50, hingewiesen.
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I. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Gesamtschuld, sondern lediglich eine Haftung nach Kopfteilen ausgeschlossen sein?7 Dem Kriterium der Gleichstufigkeit liegen also keine anderen Wertungen zugrunde als der analogen Anwendung des § 254 im Rahmen des § 426. 38 In allen Fällen wird in Abhängigkeit von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen die jeweilige Ausgleichsquote für den Regreßanspruch aus § 426 ermittelt. Dadurch wird zugleich in den Fällen der gestuften Haftung sichergestellt, daß ein Regreß zum Nachteil des dem Schaden entfernter stehenden Schuldners vermieden wird. Dessen Anteil an der geschuldeten Leistung liegt bei Null, so daß er keinen Ausgleichsanspruch befürchten muß. 39 In der weiteren Konsequenz bedarf es keiner Einschränkung der Gesamtschuld, um in den Fällen der gestuften Haftung einen wechselseitigen Ausgleichsanspruch zu vermeiden. So hat bereits Ehmann darauf hingewiesen, daß die "Angst vor dem falschen Regreß" unbegründet ist. 4o In dem Fuldaer Dombrandfall bestehen daher keine Bedenken gegen eine Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld. 41 Dem baulastpflichtigen Fiskus steht aus übergeleitetem Recht der Kirche als Eigentümerin des Rudolf Schmidt, Unechte Solidarität, JherJb 72, I (100 f.). Ebenso kritisch zum Kriterium der Gleichstufigkeit äußern sich Münchbach, S. 52; Prediger, S. 188; Rüßmann, in: Alternativkommentar, Vor. §§ 420 ff., Rdnr. 6, und Wolf, JA 1985, 369 (370). Unverständlich ist aber, weshalb Wolf, JA 1985, 369 (373), vor diesem Hintergrund an dem Kriterium der "wechselseitigen Erfüllungsgemeinschaft" als Wesensmerkmal der Gesamtschuld festhalten will. In den Fällen des § 840, die Wolf gegen das Kriterium der Gleichstufigkeit ins Feld führt, liegt ebensowenig wie eine gleichstufige Haftung eine "wechselseitige Erfüllungsgemeinschaft" vor. Der Begriff der "wechselseitigen Erfüllungsgemeinschaft" leistet daher nicht mehr als das Kriterium der Gleichstufigkeit. Er kennzeichnet zudem nicht eine Voraussetzung der Gesamtschuld, sondern deren Rechtsfolge, s. o. 4. 39 Es ist nicht einsichtig, weshalb Reinicke/I'iedtke, Gesamtschuld, S. 26, sich in den Fällen der einseitig verursachten Schäden, insbesondere beim Fuldaer Dombrandfall, an der analogen Anwendung des § 254 und damit im Ergebnis an der Anwendung des § 426 gehindert sehen. Sie argumentieren, § 254 setze voraus, daß beide Schuldner den Schaden verursacht haben. Dabei übersehen sie, daß der Rechtsgedanke des § 254, der die Haftung in Abhängigkeit von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen bemißt, erst recht gelten muß, wenn die Schadensverursachung auf einen Beteiligten allein zurückzuführen ist. Mit einem solchen Erst-recht-Schluß läßt sich die analoge Anwendung des § 254 problemlos begründen, zumal diese Vorschrift im Rahmen des § 426 ohnehin nur analog angewandt wird. 40 Zustimmend Glöckner, S. 48 f. Ehmann, S. 25-28, beruft sich auf Leonhard, S. 738, der sich bereits 1929 gegen die unbegründete Besorgnis vor zu weitgehenden Ausgleichsansprüchen bei der Gesamtschuld gewandt hat. Unverständlich ist jedoch, warum Leonhard eine Begriffsbestimmung der Gesamtschuld über die Tilgungsgemeinschaft versucht, nachdem er zunächst § 421 S. 1 als technische Begriffsbestimmung der Gesamtschuld bezeichnet hat. Mit dem Begriff der Tilgungsgemeinschaft setzt er sich wie Selb dem Vorwurf des Zirkelschlusses aus, s. dazu schon oben die Anmerkungen in Fn. 19 u. Fn. 28. 37
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1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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Domes sowohl ein vertraglicher als auch ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu. Der Forderungsübergang erfolgt gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 kraft Gesetzes, ohne daß es einer Abtretung bedarf. 42 Diese Überlegungen zur Herkunft des Kriteriums der Gleichstufigkeit veranschaulichen, daß eine teleologische Reduktion des § 421 S. 1 durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Gleichstufigkeit nicht erforderlich ist. 43 Das Kriterium der Gleichstufigkeit umschreibt lediglich einen Sonderfall der Gesamtschuld. Indem Selb die Fälle der gestuften Haftung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld entzieht, erhebt er die Bestimmung der Ausgleichsquote im Rahmen des § 426 zu einem unnötigen Abgrenzungsproblem zwischen Gesamtschuld und Zessionsregreß. Er macht das Kriterium der "Gleichstufigkeit" zu einem Abgrenzungskriterium, zu dem es überhaupt nicht bestimmt war.
b) Vereinbarkeit des Kriteriums der "Gleichstufigkeit" mit dem Gesetz Unabhängig von den soeben angestellten Zweckmäßigkeitsüberlegungen stellt sich unter dem systematischen Aspekt die Frage, ob das Kriterium der "Gleichstufigkeit" als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 421 S. 1 mit den übrigen Vorschriften der Gesamtschuld zu vereinbaren ist. Bedenken ergeben sich bereits aus der Vorschrift des § 426 Abs. 1 S. 1. Die dynamische Ausgestaltung dieses internen Ausgleichsanspruchs schließt eine "Gleichstufigkeit" als Wesensmerkmal der Gesamtschuld aus. 44 Die "Gleichstufigkeit" bezeichnet lediglich die Fälle der Gesamtschuld, bei denen mangels einer besonderen Bestimmung vermutet wird, daß alle Schuldner zu gleichen Anteilen verpflichtet sind. Es bestätigt sich daher die soeben gewonnene Einsicht, daß die "Gleichstufigkeit" lediglich einen Sonderfall der Gesamtschuld bezeichnet. Ebenso wie der Regelungsgehalt des § 426 Abs. 1 S. 1 veranschaulicht auch seine systematische Stellung, daß das Kriterium der Gleichstufigkeit 41 Selb, Buchbesprechung Ehmann, NJW 1975,965, wendet ein, daß damit nahezu alle Schuldnermehrheiten Gesamtschulden würden. Gegen ein solches Ergebnis bestehen jedoch weder in dogmatischer noch in praktischer Hinsicht Bedenken, wie nachfolgend noch im einzelnen zu zeigen sein wird. 42 Ebenso Ehmann, S. 27. 43 Gleiches gilt für das einschränkende Merkmal der "wechselseitigen Tilgungswirkung", das insbesondere von Jürgens, S. 142 f., favorisiert wird. Da diese Begrifflichkeiten synonym verwandt werden und Jürgens - wie er selbst eingesteht im wesentlichen zu denselben Ergebnissen wie die Lehre von der Gleichstufigkeit der Verpflichtungen gelangt, ist nicht ersichtlich, welche Vorteile diese Begrifflichkeit mit sich bringen soll. 44 Ebenso Münchbach, S. 46 f.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Gesamtschuld sein kann. § 426 Abs. 1 S. 1 regelt keine Voraussetzung der Gesamtschuld, sondern lediglich eine Rechtsfolge der Gesamtschuld. Demzufolge kann die unterschiedliche Haftung im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern keinen Aufschluß über das Vorliegen einer Gesamtschuld geben. Wiederum verwechselt Selb Voraussetzung und Rechtsfolge der Gesamtschuld. Er unterliegt einem weiteren Zirkelschluß. Neben der Vorschrift des § 426 Abs. 1 S. 1 bestätigt auch die Regelung des § 840, daß die gestufte Haftung im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern keinen Einfluß auf das Vorliegen einer Gesamtschuld haben kann. 45 Nach Auffassung Selbs müßte es sich bei den in § 840 Abs. 2 und Abs. 3 geregelten Fällen der einseitigen Haftung um typische Fälle der gestuften Haftung und folglich um typische Anwendungsfalle des Zessionsregresses analog § 255 handeln. 46 Im Gegensatz dazu hat der Gesetzgeber diese Fälle der gestuften Haftung jedoch der Gesamtschuld zugewiesen. Für 45 Darauf haben schon Dilcher, Gesamtschuld, JZ 1967, 110 (114), und Wolf, JA 1985, 369 (370), zutreffend hingewiesen. Dilcher benutzt zur Begriffsbestimmung der Gesamtschuld das Kriterium der gemeinsamen Schadensverursachung (S. 114). Dadurch, daß er die Fälle der einseitigen Schadensverursachung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld entzieht, kehrt er im Ergebnis aber doch wieder zu dem Kriterium der Gleichstufigkeit zurück (S. 116). Zudem läßt Dilcher die Frage, weIcher Regreßweg außerhalb der Gesamtschuld für die Fälle der einseitigen Schadensverursachung angemessen ist, unbeantwortet. Diese Frage könne im Zusammenhang mit der Begriffsbestimmung der Gesamtschuld offen bleiben (S. 114). Für die Abgrenzung der Gesamtschuld vom Zessionsregreß ist die Untersuchung Dilchers daher wenig hilfreich. Es sei deswegen nur erwähnt, daß Dilcher in einem zweiten Aufsatz, Gesamtschuldausgleich, JZ 1973, 199-202, seine bis dahin zutreffende Ansicht, daß die Vorschrift des § 255 in dem einleitend beschriebenen Dreiecksverhältnis zwischen dem Eigentümer, dem unsorgfältigen Verwahrer und dem Dieb zur Anwendung komme, revidiert. Er kommt nunmehr zu dem Ergebnis, daß es sich wegen der gemeinsamen Verursachung (,,rechtswidriges Tun (Dieb) und pflichtwidriges Unterlassen (Verwahrer)", S. 201) um einen Fall der Gesamtschuld handele. Damit setzt sich Dilcher jedoch über die gesetzliche Konzeption des Zessionsregresses gemäß § 255 hinweg. Bei dem einleitend beschriebenen Grundfall handelt es sich sowohl nach dem Wortlaut des § 255 als auch nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers um einen Anwendungsfall des Zessionsregresses. Damit ist zugleich nachgewiesen, daß das von Dilcher entwickelte Kriterium der gemeinsamen Schadensverursachung nicht dazu geeignet ist, die Gesamtschuld vom Zessionsregreß abzugrenzen. 46 Zu dieser Lösung müßte Seih auch aufgrund seiner Untersuchung zur Entstehungsgeschichte des § 255 gelangen. Er kommt dort zu dem Ergebnis, daß die Zessionspflicht in einem weiteren Sinne den Ausgleich für eine "Haftung für fremdes Verhalten" darstelle (Seih, Entstehungsgeschichte des § 255, in: Festschrift für Karl Larenz, S. 517 (547 f.)). Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu der Vorschrift des § 840 Abs. 2, die in den Fällen des § 831 für das Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Verrlchtungsgehilfen einen Ausgleich im Wege der Gesamtschuld anordnet.
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Seib ergibt sich daraus ein unüberbrückbarer Wertungswiderspruch. 47 Dieses Problem stellt sich nicht, wenn man die Fälle der gestuften Haftung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld zuordnet und auf das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "Gleichstufigkeit" verzichtet.
Im Ergebnis belegen die Untersuchungen zum Kriterium der "Gleichstufigkeit", daß eine teleologische Reduktion des § 421 S. 1 nicht erforderlich ist, um in den Fällen der gestuften Haftung einen wechselseitigen Regreß zu vermeiden. Die Befürchtungen Seibs haben sich als unbegründet erwiesen. Die Ausgleichsregelung des § 426 stellt bereits sicher, daß es in den Fällen der gestuften Haftung nur zu einem einseitigen Ausgleichsanspruch kommt. Diesbezüglich liegt daher keine abweichende Interessenlage vor, die eine teleologische Reduktion des § 421 S. 1 rechtfertigen könnte. c) Abweichende lnteresseniage bezüglich der §§ 422 ff.
Als Anknüpfungspunkt für eine teleologische Reduktion des § 421 S. 1 verbleiben die Regelungen der §§ 422-425, die eine Einschränkung des § 421 S. 1 rechtfertigen könnten. Seib unterscheidet bei der Beschreibung des Verhältnisses der abgestuft Verpflichteten zueinander zwischen "Einzel-" und "Gesamtwirkung" der Erfüllung und des Erlasses. 48 Eine "Gesamtwirkung" komme nur dann in Betracht, wenn der vorrangig verpflichtete Schuldner seine Leistung erbringe. Diese Überlegungen zur Tilgungswirkung stützt Seib auf die Lehre vom Vorteilsausgleich, die dem gewandelten Schadensbegriff Rechnung trage. Fraglich ist, ob diese Überlegungen eine teleologische Reduktion des § 421 S. 1 rechtfertigen können. Bedenken ergeben sich bereits aus dem Umstand, daß Seib seine Überlegungen zur Tilgungswirkung auf keine gesetzlichen Bestimmungen zu stützen vermag. Insbesondere enthält § 255
zu diesem Problemkreis keinerlei Regelung. Des weiteren dient die Lehre vom Vorteilsausgleich lediglich zur Schadensberechnung zwischen Gläubiger und Schuldner, nicht aber zur Abwicklung von Dreiecksverhältnissen. Zudem umgeht Seib durch die Anwendung der Lehre vom Vorteilsausgleich die Voraussetzungen des § 267. Eine Fremdtilgungswirkung kommt nach dieser Vorschrift nur dann in Betracht, wenn der Schuldner eine Fremdtilgungsbestimmung abgibt. Diesen Schwächen setzt man sich nicht aus, wenn man die Fälle der gestuften Haftung im Anwendungsbereich der Gesamtschuld beläßt. Es 47 Seih, Mehrheit von Schuldnern, S. 42, stellt lediglich fest, daß es in den Fällen der gesetzlich angeordneten Gesamtschuld "keinen Zweifel über die volle Gleichstufigkeit der Verpflichtungen geben" könne. 48 Seih, Mehrheit von Schuldnern, S. 175-177.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
erweist sich dann, daß die Anwendung der §§ 422 ff. nicht nur in den Fällen der gleichstufigen Haftung, sondern auch in den Fällen der gestuften Haftung zu einer sachgerechten Ausgleichsregelung führt. Die Interessenlage ist jeweils identisch. Diese Überlegung wird dadurch untermauert, daß Selb mit seinen Ausführungen zur Einzel- und Gesamtwirkung bei § 255 zu denselben Ergebnissen gelangt, die sich bereits aus der Anwendung der §§ 422 ff. ergeben. Es bedarf also keiner Einschränkung der Gesamtschuld, um in den Fällen der gestuften Haftung zu einer angemessenen Lösung zu gelangen. Eine solche Rechtsfortbildung bereitet unnötige Probleme. d) Ergebnis zu der teleologischen Reduktion des § 421 S.l
In den Fällen der gestuften Haftung liegt keine von den Fällen der gleichstufigen Haftung abweichende Interessenlage vor, die eine teleologische Reduktion des § 421 S. 1 durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "Gleichstufigkeit" rechtfertigen könnte. Dieses Merkmal ist nicht geeignet, um den Zessionsregreß von der Gesamtschuld abzugrenzen. Es bezeichnet lediglich einen Sonderfall der Gesamtschuld. Da auch die übrigen Fälle der gestuften Haftung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld zuzuordnen sind, liegt keine gesetzliche Regelungslücke vor, die Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 255 ist. 7. Vergleichbare Interessenlage für die analoge Anwendung des § 255
Weitere Voraussetzung für den von Selb entwickelten Zessionsregreß analog § 255 ist eine vergleichbare Interessenlage zwischen dem gesetzlich geregelten und dem nicht geregelten Fall. Selb begründet diese damit, daß die Vorschrift des § 255 für sämtliche Fälle der gestuften Haftung ein allgemein gültiges Rechtsprinzip zum Ausdruck bringe.49 Die Anwendung des Zessionsregresses sei daher auch in den in § 255 nicht geregelten Fällen der gestuften Haftung gerechtfertigt. 5o Es hätte demnach der Regelung des § 255 überhaupt nicht bedurft. 51 49 Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 144, stellt fest: "Das Wichtigste in § 255 ist demnach die allgemeine technische Aussage, nicht der Anlaß ihrer Formulierung." Ebenso Selb, in: Staudinger, § 255, Rdnr. 8. Selb, Entstehungsgeschichte des § 255, in: Festschrift für Karl Larenz, S. 517 (542), führt aus, der Gesetzgeber habe bei der Regelung des § 255 schlicht "eine lehrhafte und äußerliche Gemeinsamkeiten verschiedenartiger Fälle beschreibende Überschrift aus einer Monographie über die Zession übernommen." Gemeint ist eine Monographie von Mühlenbruch aus dem Jahre 1817. Für eine solche Annahme finden sich jedoch keine Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien. so Selb, in: Staudinger, § 255, Rdnr. 3, führt aus, daß die Vorschrift des § 255 ,,keineswegs etwas darüber aussage, wann denn im einzelnen jemand in solcher
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Seih ist entgegenzuhalten, daß Sinn und Zweck des Zessionsregresses nicht darin bestehen, in den Fällen der gestuften Haftung einen wechselseitigen Regreß zu vermeiden. Die einseitige Ausgestaltung des Zessionsregresses ist allein auf seinen begrenzten Anwendungsbereich zurückzuführen. Da der Gesetzgeber mit dem Zessionsregreß des § 255 nur eine Ausgleichsregelung für die erhöhte Schadensersatzhaftung des Schuldners in den Fällen des Besitzverlustes schaffen wollte, konnte er sich auf eine einseitige Ausgleichsregelung zugunsten des Schuldners beschränken. 52 Diesen engen Zusammenhang zwischen der vorrangigen Schadensersatzregelung des § 255 und der daran anknüpfenden Regreßregelung des § 255 hat Seih vernachlässigt. 53 Dazu wäre es wohl nicht gekommen, wenn der Gesetzgeber die vorrangige Schadensersatzregelung des § 255 im Wortlaut dieser Vorschrift genügend zum Ausdruck gebracht hätte. 54
Liegt der eigentliche Sinn und Zweck des Zessionsregresses nicht in der Beschränkung der wechselseitigen Ausgleichsregelung des § 426, so ist die Frage nach einer vergleichbaren Interessenlage in den Fällen der gestuften Haftung, die von § 255 nicht unmittelbar erfaßt werden, noch nicht beantwortet. Die Antwort hängt davon ab, welche Motive den Gesetzgeber zu der von § 426 Abs. 2 S. 1 abweichenden Ausgleichsregelung bewogen haben. Denn nur anhand des eigentlichen Sinn und Zwecks der Zessionsregelung läßt sich beurteilen, ob über den Regelungsbereich des § 255 hinaus auch in weiteren Fällen eine vergleichbare Interessenlage besteht und mithin eine analoge Anwendung des § 255 gerechtfertigt ist. Aufschluß darüber geben die Protokolle. 55 Sie belegen, daß die im Vergleich mit der dynamischen Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 2 S. 1 starre Zessionsregelung des § 255 auf die Schwierigkeiten bei der Übertragung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 zurückzuführen ist. 56 Der Anspruch aus Weise beschränkt für Sach- oder Rechtsverlust hafte." Ebenso Selb, in: Staudinger, § 255, Rdnrn. 4 u 8. 51 Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 145. 52 Ausführlich dazu s. o. § 2 11. 53 Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 145, ist der Ansicht, daß die Vorschrift des § 255 eine Beschränkung der Schadensersatzhaftung auf das Liquiditätsrisiko bezwecke. Er übersieht, daß die vorrangige Schadensersatzregelung des § 255 keine Haftungsbegrenzung, sondern eine Haftungserweiterung zu Lasten des Schuldners anordnet. Zudem ist diese Aussage Selbs zum Sinn und Zweck des § 255 wenig hilfreich, da Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 26, auch der Gesamtschuld den Zweck einräumt, lediglich für das Liquidationsrisiko eines anderen Schuldners aufzukommen. 54 Auf diese Kritik an der geltenden Fassung des § 255 wird später noch detailliert einzugehen sein, s. u. § 8. 55 Protokolle, Band I, S. 301 f. 56 Dies wird anhand der eigenen Lösung noch im einzelnen nachzuweisen sein, s. u. § 8 11 1.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
§ 985 besteht jedoch nur in den Fällen des Besitzverlustes, so daß in den übrigen Fällen des Eigentumsverlustes oder der Sachzerstörung keine vergleichbare Interessenlage vorliegt, die eine analoge Anwendung des § 255 rechtfertigen könnte. Entgegen der Ansicht Selbs ist daher die Anwendung des Zessionsregresses nur in den in § 255 geregelten Fällen des Besitzverlustes sachlich begründet. 57 8. Ergebnis der dogmatischen Überlegungen
Eine analoge Anwendung des Zessionsregresses gemäß § 255 läßt sich in den Fällen der gestuften Haftung dogmatisch nicht begründen, weil weder eine gesetzliche Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Eine Regelungslücke liegt nicht vor, da die 'vorschriften zur Gesamtschuld auch in den Fällen der gestuften Haftung zu angemessenen Ergebnissen führen; eine vergleichbare Interessenlage ist nicht gegeben, da die Übertragung des dinglichen Herausgabeanspruchs lediglich bei den in § 255 geregelten Fällen des Besitzverlustes Probleme bereitet. D. Das Konzept des Zessionsregresses analog § 255 in der Praxis Es bleibt zu untersuchen, ob nicht praktische Erwägungen für die Lösung
Selbs und damit zugleich gegen eine Gesamtschuldlösung sprechen. Beide
Lösungen müssen sich daran messen lassen, ob sie eine für die Praxis einfach zu handhabende Abgrenzungsformel liefern und darüber hinaus den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs an einer praxisgerechten Ausgestaltung des Regresses Rechnung tragen. 1. Praktikabilität der Abgrenzungsformel
Selb definiert die Gesamtschuld als eine rechtsgeschäftlich vereinbarte oder gesetzlich angeordnete wechselseitige Erfüllungsgemeinschaft. 58 Eine solche Definition hat zunächst den Vorteil, daß die Anwendungsfalle der Gesamtschuld leicht zu ermitteln sind. Sie ergeben sich unmittelbar aus einer vertraglichen oder gesetzlichen Regelung. Dieser Vorteil wird jedoch dadurch zunichte gemacht, daß bei den gesetzlich angeordneten Fällen der Gesamtschuld laut Selb eine Vielzahl von Analogien zu berücksichtigen ist. 59 Aufgrund dieser umfangreichen Kasuistik erscheint es daher praxisgeAuch dies wird noch im einzelnen zu zeigen sein, s. u. § 7 III 1-5. Seih, Regreßmethoden, S. 12, 17 ff.; ders., Mehrheit von Schuldnern, S. 137; ders., in: Münchener Kommentar, § 421, Rdnr. 8. 59 Seih, in: Münchener Kommentar, § 421, Rdnrn. 16 ff. Winter, S. 200, kritisiert zutreffend, daß diese Analogien im Widerspruch zu dem von Seih entwickelten Ver57 58
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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rechter, die Voraussetzungen der Gesamtschuld unmittelbar der Legaldefinition des § 421 S. 1 zu entnehmen. Seih fügt der Vorschrift des § 421 S. I das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Gleichstufigkeit hinzu, um die Gesamtschuld vom Zessionsregreß abzugrenzen. Das Merkmal der Gleichstufigkeit ist aber wegen der damit verbundenen Wertungen kaum als Abgrenzungskriterium geeignet. 60 So gesteht auch Seih ein, daß die Grenze zwischen Gesamtschuld und Zessionsregreß im Einzelfall schwer zu ziehen iSt. 61 Über diese Rechtsunsicherheit vermag eine umfangreiche Kasuistik zu den Anwendungsfällen des Zessionsregresses kaum hinwegzuhelfen. 62 Es erscheint auch hier wesentlich praxisgerechter, die Anwendungsfälle des Zessionsregresses auf diejenigen zu beschränken, die bereits dem Wortlaut des § 255 zu entnehmen sind. Es bedarf dann bei § 421 S. I keines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals mehr, um die Gesamtschuld vom Zessionsregreß abzugrenzen. Als weitere Folge entfällt die Rechtsunsicherheit, die mit einem solchen Abgrenzungskriterium verbunden ist. 2. Ausgestaltung des Zessionsregresses im Vergleich mit der Gesamtschuld
Abschließend stellt sich die Frage, ob praktische Vorteile hinsichtlich der Ausgestaltung des Zessionsregresses für eine vorrangige Anwendung dieses Regreßinstituts gegenüber der Gesamtschuld sprechen. Die Beantwortung dieser Frage orientiert sich an den verschiedenen Regelungen des § 426, da § 255 lediglich zu der Frage des Übertragungsmechanismusses eine Aussage trifft.
ständnis zur Gesamtschuld stünden. Schränke man die Anwendung der Gesamtschuld auf die Fälle der rechtsgeschäftlich vereinbarten oder gesetzlich angeordneten Erfüllungsgemeinschaft ein, so müsse man in den übrigen Fällen konsequent jeglichen Regreß versagen, Winter, S. 194, 199,206 f. Wolle man hingegen auch in den übrigen Fällen einen Regreßanspruch begründen, so sei es vielmehr angezeigt, für die Anwendung der Gesamtschuldvorschriften zu fordern, daß § 421 seinem Wortlaut nach erfüllt ist, Winter, S. 194, Fn. 6, S. 207. 60 Larenz, Schuldrecht I, § 37 I (S. 635), muß einräumen, daß "die Frage, wann solche Gleichstufigkeit oder Gleichrangigkeit aller Forderungen anzunehmen ist, sich freilich nicht mit einer einfachen Formel beantworten lasse." 61 Seih, Mehrheit von Schuldnern, S. ISS, räumt ein, "daß gerade in den Fällen, in denen der Ersatzpflichtige haftet, weil er die Sachbeschädigung durch einen Dritten ermöglicht hat, die Grenze zur gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 schwer zu ziehen ist." Ebenso Seih, in: Staudinger, § 255, Rdnr. 18. 62 Seih, Mehrheit von Schuldnern, S. 156-162; ders., in: Staudinger, § 255, Rdnrn. 20 bis 41.
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a) Freistellungsanspruch aus § 426 Abs. 1 vor Befriedigung des Gläubigers Die Gesamtschuld gewährt dem ausgleichsberechtigten Schuldner bereits vor der Befriedigung des Gläubigers einen Freistellungsanspruch. Dieser Anspruch gegen den ausgleichspflichtigen Schuldner aus § 426 Abs. I ist auf befreiende Leistung an den Gläubiger gerichtet. Dem ausgleichsberechtigten Schuldner wird damit die Möglichkeit gegeben, eine Inanspruchnahme durch den Gläubiger von vornherein zu vermeiden. 63 Die Vorschrift des § 426 Abs. 1 dient damit den Interessen des ausgleichs berechtigten Schuldners, ohne daß die Interessen der übrigen Beteiligten berührt werden. Es wird lediglich der Leistungsweg angemessen verkürzt. Indem Selb nunmehr die Fälle der gestuften Haftung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld entzieht, verliert der dem Schaden entfernter stehende Schuldner seinen Freistellungsanspruch aus § 426 Abs. 1. 64 Da der Zessionsregreß des § 255 keine vergleichbare Regelung vorsieht, ist der ausgleichsberechtigte Schuldner nunmehr vor der Befriedigung des Gläubigers schutzlos gestellt. Er hat keine Möglichkeit, einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger aus dem Wege zu gehen. Für eine solche Benachteiligung des ausgleichsberechtigten Schuldners besteht kein sachlicher Grund.
Selb merkt demgegenüber kritisch an, daß der ausgleichsberechtigte Schuldner durch die dreißigjährige Verjährungsfrist des Ausgleichsanspruchs aus § 426 Abs. 1 unzulässig privilegiert werde. 65 Allein der Zessionsregreß könne gewährleisten, daß die Frage der Verjährung von dem übergeleiteten Anspruch abhängig gemacht werde.
63 Auf diesen praktischen Vorteil der Gesamtschuld im Vergleich mit anderen Regreßinstituten hat im Zusammenhang mit dem Regreß des Bauunternehmers bereits Weise, BauR 1992, 685 (691), hingewiesen. 64 So auch schon Rudolf Schmidt, Buchbesprechung Selb, AcP 1963, 530 (535), und Noack, in: Staudinger, § 421, Rdnr. 20. Im übrigen ist dieser praktische Vorteil der Gesamtschuld bisher nicht berücksichtigt worden. Marschall v. Bieberstein, S. 227, ist der Ansicht, daß die Beschränkung des Rückgriffsrechts für schon erbrachte Leistungen, nicht für erst in Zukunft zu gewährende Zahlungen, sich bei allen Regreßformen entweder allgemein oder doch in vielen Fällen finde, so bei der Legalzession zugunsten der Privatversicherer und bei der Gesamtschuld, bei dem gesetzlichen Anspruch auf Abtretung einer Ersatzforderung gemäß § 255 und bei jeder vereinbarten Abtretung von an sich unpfändbaren Ansprüchen. Dabei übersieht Marschall v. Bieberstein die praktischen Vorteile des Freistellungsanspruchs aus § 426 Abs. 1, der zwar keinen Rückgriffsanspruch im Sinne eines eigenen Leistungsanspruchs gewährt, wohl aber einen Anspruch auf befreiende Leistung an den Gläubiger gibt. Eine vergleichbare präventive Regelung ist anderen Regreßfiguren fremd. 6S Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 186.
1. Kap.: Die Gesamtschuldund der Zessionsregreß analog § 255
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Eine solche Privilegierung läßt sich jedoch auch auf anderem Wege vermeiden, so man sie nicht bereits als vom Gesetzgeber zwingend vorgesehen erachtet. 66 Zum einen besteht die Möglichkeit, den Anwendungsbereich des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 auf den Zeitraum vor der Befriedigung des Gläubigers zu beschränken, da nach der Befriedigung des Gläubigers die Regelung des § 426 Abs. 2 eingreift. Zum anderen können die Regelungen der §§ 412, 404 im Falle des § 426 Abs. 1 analog angewandt werden, so daß die Frage der Verjährung sich auch bei § 426 Abs. 1 allein nach dem Anspruch bemißt, der gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 übergeleitet wird. 67 Es bedarf nicht des Zessionsregresses, um zu einer sachgerechten Verjährungsregelung zu gelangen. Im übrigen gesteht auch Selb ein, daß die Verjährungsregelungen für die Beantwortung der Frage nach dem richtigen Regreß nicht maßgeblich sein dürfen. 68 Es besteht daher kein sachlicher Grund, von der Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 1 abzusehen. b) Dynamische Regreßregelung des § 426 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 gegenüber starrem Zessionsregreß
Die Vorschrift des § 426 erlaubt eine wechselseitige Ausgleichsregelung in jeder beliebigen Höhe. Sie gestattet es, die Ausgleichsquote analog § 254 in Abhängigkeit von den jeweiligen Verschuldensbeiträgen der Schuldner flexibel zu bestimmen. Die Ausgleichsquote kann jeden Wert von Null bis Eins annehmen. Die Ausgleichsregelung des § 426 berücksichtigt daher in besonderem Maße die Interessen des Rechtsverkehrs an einer dynamischen Regreßregelung. Im Gegensatz zu der dynamischen Regreßregelung des § 426 erlaubt der Zessionsregreß des § 255 nur einen einseitigen Ausgleichsanspruch in voller Höhe. Es handelt sich um eine starre Regreßregelung. 69 Selb macht demgegenüber geltend, es sei gerade ein Kennzeichen der gestuften Verpflichtung, daß der nachrangig Verpflichtete letztlich von seiner Haftung völlig freigestellt werde. 7o Unklar bleibt jedoch, wie Selb diejenigen Fälle der gestuften Haftung lösen will, bei denen ein Schuldner für einen geringen Bruchteil der geschuldeten Leistung haften soll. Nimmt man den Begriff der gestuften Haftung ernst, dann liegt eine solche auch in diesen Fällen vor, da ein Schuldner dem Schaden näher steht als der andere. Folglich kommt eine Anwendung der Gesamtschuld für Selb nicht in Betracht. Dazu noch ausführlich unter § 7 I 2. Auf das Verhältnis von § 426 Abs. 1 zu § 426 Abs. 2 wird noch im Rahmen der eigenen Lösung einzugehen sein, s. u. § 7 I 2. 68 Seib, Mehrheit von Schuldnern, S. 186. 69 Ebenso kritisch Mirow, S. 90. 70 Seib, Mehrheit von Schuldnern, S. 188. 66 67
4 Stamm
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Will er einen Regreß nicht gänzlich versagen, so muß er auch in diesen Fällen den Zessionsregreß anwenden. Das hat allerdings die Konsequenz, daß nur der dem Schaden entfernter stehende Schuldner Regreß üben kann. Sobald also ein Schuldner dem Schaden nur geringfügig näher steht, muß er für den gesamten Schaden aufkommen, ohne von dem anderen Schuldner Ausgleich verlangen zu können. Die Frage, welcher Schuldner dem Schaden im Einzelfall näher steht, entscheidet daher über "alles oder nichts". Daneben gibt es für Selb nur noch die Möglichkeit, eine gleichstufige Haftung nach Kopfteilen im Sinne der Gesamtschuld anzunehmen. Selb muß den Anwendungsbereich der Gesamtschuld konsequent auf diesen Sonderfall der Gleichstufigkeit beschränken. Insoweit stimmt die Verwendung dieses Kriteriums mit der Bedeutung überein, die Schmidt diesem Begriff zugemessen hat. 71 Zwischen zwei Schuldnern gibt es dann nur noch die beiden Ausgleichsquoten 1-0 im Wege des Zessionsregresses oder 112-112 im Wege der Gesamtschuld. Eine solche Schematisierung ist im Einzelfall äußerst unbillig. Sie führt zu unzumutbaren Härten. Diesem Vorwurf braucht sich die Gesamtschuldregelung des § 426 hingegen nicht auszusetzen. c) Gesetzlicher Forderungsübergang gemäß § 426 Abs. 2 S. 1
im Vergleich mit dem Abtretungserfordemis des § 255
Die Vorschrift des § 426 Abs. 2 S. 1 ordnet an, daß die Forderung des Gläubigers gegen den ausgleichspflichtigen Schuldner kraft Gesetzes auf den ausgleichs berechtigten Schuldner übergeht. Der Gläubiger wird dadurch nicht benachteiligt, da der Forderungsübergang erst mit seiner Befriedigung durch den ausgleichsberechtigten Schuldner eintritt. Es werden also die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt. Im Vergleich mit diesem gesetzlichen Forderungsübergang des § 426 Abs. 2 S. 1 birgt die Abtretungsregelung des § 255 erhebliche Nachteile in sich. Dem Schuldner wird ohne sachlichen Grund ein Insolvenzrisiko aufgebürdet, wenn er es versäumt, im Gegenzug zu seiner Schadensersatzleistung an den Gläubiger die Abtretung der dem Gläubiger gegen den Dritten zustehenden Ersatzansprüche zu verlangen. Ihm wird dann zugemutet, erst seine Ansprüche gegen den Gläubiger durchsetzen zu müssen, bevor er den Dritten in Regreß nehmen kann. Dies führt zu einem unnötigen Prozeß, wenn der Gläubiger sich weigert, die Abtretung zu erklären. Das Abtretungserfordernis entpuppt sich damit als überflüssige und für den Schuldner äußerst nachteilhafte Förmelei. 72 S. o. 16 a. Die Nachteile des Abtretungserfordernisses wollen von Caemmerer, Drittschadensersatz, ZHR 1965, 241 (273), und im Anschluß Marschall v. Bieberstein, S. 228 ff., dadurch überwinden, daß sie dem ausgleichsberechtigten Schuldner in 71
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Diese Nachteile der Abtretungsregelung des § 255 werden durch die cessio legis des § 426 Abs. 2 S. 1 vermieden. Die Ausgleichsregelung des § 426 erweist sich auch hier als die Regreßregelung, die den Interessen der Beteiligten an einer einfach zu handhabenden Regreßregelung eher gerecht wird. 73 d) Schutz des ausgleichspflichtigen Schuldners durch Erhalt seiner Einreden gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 i. V. m. §§ 412, 404
Die Vorschriften der §§ 412, 404 gewährleisten, daß dem ausgleichspflichtigen Schuldner seine Einreden aus seinem Vertrags verhältnis mit dem Gläubiger auch gegenüber dem ausgleichsberechtigten Schuldner erhalten bleiben. Diese Wertung ist auch beim Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 zu berücksichtigen. 74 Beim Zessionsregreß des § 255 besteht insoweit kein sachlicher Unterschied. Auch hier gilt die Vorschrift des § 404. Es gibt nur eine gesetzestechnische Differenz: Während § 404 bei der Abtretungsregelung des § 255 den Fällen, in denen die Abtretung sich nachträglich nicht mehr oder nur mit Schwierigkeiten durchsetzen läßt, die Möglichkeit einräumen, durch eine nachträgliche Fremdtilgungsbestimmung gemäß § 267 seiner Leistung die Wirkung einer endgültigen Tilgung zu verleihen. Der ausgleichsberechtigte Schuldner könne dann im Wege des Bereicherungsregresses direkt gegen den ausgleichspflichtigen Schuldner vorgehen. Praktische Bedenken gegen diese Ansicht ergeben sich bereits aus dem Umstand, daß die Fremdtilgungsbestimmung gegenüber dem Gläubiger zu erklären ist, der in den problematischen Fällen zumeist nicht mehr zu erreichen ist. Selbst wenn er aber erreichbar ist, hat er das Recht, bei einem Widerspruch des ausgleichspflichtigen Schuldners die Annahme der fremden Leistung gemäß § 267 Abs. 2 zu verweigern. Unabhängig von diesen praktischen Schwächen bestehen grundlegende dogmatische Bedenken sowohl gegen eine nachträgliche Fremdtilgungsbestimmung als auch gegen die Heranziehung der Bereicherungskondiktion als Regreßinstitut. Darauf wird im dritten Kapitel sowie im zweiten Teil der Arbeit noch im einzelnen einzugehen sein, s. u. § 13 f. und § 22 III. An dieser Stelle kann aber bereits festgestellt werden, daß es nicht Aufgabe des Bereicherungsrechts ist, etwaige Lücken im Recht der Schuldnermehrheiten zu schließen. Will man an die Regelung des § 255 anknüpfen, um einen Zessionsregreß zu ermöglichen, so ist damit zwangsweise die Wertung verbunden, daß dem ausgleichs berechtigten Schuldner das Insolvenzrisiko des Gläubigers auferlegt ist. Einen Ausweg aus dieser Sackgasse bietet allein die Gesamtschuld, die einen gesetzlichen Forderungsübergang anordnet. 73 Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 186 f., trifft dazu lediglich die folgende Feststellung: "Die technische Idealform des Regresses bei gestufter Verpflichtung ist jedenfalls die Legalzession, zu der die modeme Entwicklung auch tendiert." Ebenso Selb, in: Staudinger, § 255, Rdnr. 1. Selb übersieht, daß es sich auch bei der Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 2 S. 1 um eine - wenn auch dynamische - Form der Legalzession handelt, wohingegen die Vorschrift des § 255 nur einen rechtsgeschäftlichen Forderungsübergang anordnet. 74 S. bereits oben zu a. 4'
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l. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
unmittelbar zur Anwendung kommt, bedarf es bei der cessio legis des § 426 Abs. 2 S. 1 der Verweisungsnorm des § 412. Dieser Unterschied ist aber ohne praktischen Belang. e) Schutz des ausgleichsberechtigten Schuldners durch Übergang der Nebenrechte gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 i. V. m. §§ 412, 401 Die Vorschrift des § 401 stellt sicher, daß nicht nur der Anspruch des Gläubigers auf den ausgleichsberechtigten Schuldner übergeht, sondern auch die damit verbundenen akzessorischen Neben- und Vorzugsrechte. Die Vorschrift berücksichtigt die begründeten Interessen des ausgleichsberechtigten Schuldners, das Insolvenzrisiko seitens des ausgleichspflichtigen Schuldners möglichst gering zu halten. Die Vorschrift des § 401 ist ebenso wie die Vorschrift des § 404 sowohl bei der Gesamtschuld als auch beim Zessionsregreß zu berücksichtigen. Es ergibt sich insoweit also ebenfalls kein sachlicher Unterschied zwischen diesen beiden Regreßinstituten. f) Vorrang des Gläubigers gegenüber dem ausgleichsberechtigten Schuldner gemäß § 426 Abs. 2 S. 2
Die Vorschrift des § 426 Abs. 2 S. 2 stellt sicher, daß der ausgleichsberechtigte Schuldner seine Forderung nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend machen kann. Bei einer teil weisen Erfüllung hat die dem Gläubiger verbleibende Restforderung Vorrang vor dem Ausgleichsanspruch des Schuldners. Diese Vorrangstellung des Gläubigers gegenüber dem ausgleichsberechtigten Schuldner rechtfertigt sich aus dem Umstand, daß der Gläubiger durch die Leistung des ausgleichsberechtigten Schuldners und dem damit verbundenen Forderungsübergang nicht schlechter gestellt werden darf, als wenn der ausgleichspflichtige Schuldner selbst geleistet hätte (nemo subrogat contra se).75 Die Vorschrift des § 426 Abs. 2 S. 2 schützt damit die begründeten Interessen des Gläubigers an der vorrangigen Erfüllung der ihm verbleibenden Restforderung. Diese Interessen des Gläubigers bleiben beim Zessionsregreß unberücksichtigt, obwohl auch hier bei teil weiser Erfüllung durch den ausgleichsberechtigten Schuldner vergleichbare Konkurrenzprobleme auftreten können. In diesen Fällen kann der ausgleichsberechtigte Schuldner von dem Gläubiger eine entsprechende Teilabtretung der diesem gegen den Dritten zustehenden Ansprüche verlangen. 76 In der Folge steht der Schuldner gleichbe75
Heinrichs, in: Palandt, § 426, Rdnr. 14, i. V.m. § 268, Rdnr. 7.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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rechtigt neben dem Gläubiger dem Dritten gegenüber, obwohl der Schuldner seinerseits dem Gläubiger wegen desselben Leistungsinteresses zum Schadensersatz verpflichtet ist. Für eine solche Benachteiligung des Gläubigers besteht kein sachlicher Grund. Die Ausgleichsregelung des § 426 weist damit gegenüber dem Zessionsregreß des § 255 vier entscheidende Vorteile für die Rechtspraxis auf: Sie bietet dem ausgleichsberechtigten Schuldner schon vor der Befriedigung des Gläubigers einen Ausgleichsanspruch, gewährleistet eine dynamische Ausgleichsregelung, macht das Abtretungserfordernis überflüssig und gewährt dem Gläubiger bei Restforderungen seine Vorrangstellung gegenüber dem ausgleichsberechtigten Schuldner. Die Vorschrift des § 426 berücksichtigt daher mit ihren unterschiedlichen Regelungen die Interessen aller Beteiligten in angemessener Form. 77 Umgekehrt veranschaulichen die vier Nachteile des Zessionsregresses, daß es sinnvoll ist, seinen Anwendungsbereich auf die in § 255 geregelten Fälle des Besitzverlustes zu begrenzen. In diesen seltenen Fällen vermögen die mit der Übertragung des dinglichen Herausgabeanspruchs verbundenen Schwierigkeiten die Nachteile eines statischen Regreßinstituts zu rechtfertigen. 78
111. Ergebnis zum Zessionsregreß analog § 255 Die Auffassung Selbs zum Zessionsregreß analog § 255 läßt sich weder in dogmatischer noch in praktischer Hinsicht rechtfertigen. Entgegen der Auffassung Selbs handelt es sich bei den abgestuft konkurrierenden Verpflichtungen nicht um eine gänzlich eigene Form der Schuldnermehrheit, 76 Dies ergibt sich ausdrücklich aus den Protokollen, Band I, S. 301: "Daß der Beschädigte, wenn er von dem Ersatzpflichtigen nur theilweisen Ersatz verlange, seine Ansprüche gegen Dritte nur soweit, als Ersatz geleistet werde, abzutreten verpflichtet sei, dürfe für selbstverständlich erachtet werden." 77 Mit Recht kann Glöckner, S. 52, daher feststellen, daß die Gesamtschuld in allen grundsätzlichen Fragen ein überlegenes Instrument zur rechtlichen Bewältigung von Schuldnermehrheiten ist, so daß eine weitere Einschränkung des in § 421 geregelten Tatbestandes nicht geboten ist. Wolf, JA 1985, 369 (371), gelangt ebenfalls zu der Feststellung, daß die Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld zu sachgerechten Ergebnissen führe, so daß auch in den Fällen der im Innenverhältnis gestuften Verpflichtungen grundsätzlich von einer Gesamtschuld auszugehen sei. Trotzdem will Wolf aber an dem Kriterium der "wechselseitigen Erfüllungsgemeinschaft" festhalten. S. dazu schon die Anmerkung in Fn. 28 und 38. 78 So zumindest die Wertentscheidung des Gesetzgebers, die für die Rechtsanwendung bindend ist. Angesichts der praktischen Vorteile der Legalzession muß jedoch kritisch hinterfragt werden, ob die dogmatischen Schwierigkeiten bei der Übertragung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 nicht zum Selbstzweck werden. Darauf wird später noch einzugehen sein, s. u. § 8 11 1.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
von der der Gesetzgeber des BGB noch keine typologische Vorstellung hatte, so daß sie ungeregelt geblieben wären,79 sondern schlicht um eine Schuldnermehrheit in Form der Gesamtschuld. Die Überlegungen haben gezeigt, daß die Fälle der gestuften Haftung ebenso dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld zuzuordnen sind wie die Fälle der gleichstufigen Haftung. Die Gesamtschuld entpuppt sich als das maßgebliche Regreßinstitut des BGB. Dagegen trifft die Vorschrift des § 255 lediglich für die Fälle des Besitzverlustes eine besondere Ausgleichsregelung.
§ 4 Rückbesinnung auf die Gesamtschuld Ein gemeinsames Lösungsmodell zur Abgrenzung von Gesamtschuld und Zessionsregreß haben Ehmann und Münchbach entwickelt. Ehmann hat zunächst die Gesamtschuld begrifflich in drei Typen erfaßt. Auf der Basis dieser Untersuchung hat sich Münchbach später mit dem Inhalt des § 255 und seiner Abgrenzung zur Gesamtschuld beschäftigt. I. Ehmanns Versuch einer Typologie der Gesamtschuld
Nach einem Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Gesamtschuld und einer Analyse der verschiedentlich unternommenen Versuche, einen abstrakten Gesamtschuldbegriff zu entwickeln, kommt Ehmann zu dem Ergebnis, daß eine solche begriffliche Erfassung der Gesamtschuld unmöglich sei. 8o Er führt dies darauf zurück, daß der "Oberbegriff' des § 421 nur eine Zusammenfassung verschiedener Typen der Gesamtschuld darstelle. In der Folge entwickelt Ehmann drei verschiedene Typen der Gesamtschuld, die auf unterschiedliche Prinzipien zurückzuführen seien. Es handelt sich um die drei Gesamtschuldtypen der gleichgründigen Gesamtschuld, der Schutzzweckgesamtschuld und der Sicherungsgesamtschuld. 81 Ehmann hat sich in Abkehr von den bisher in der Literatur vertretenen Auffassungen auf das eigentliche Regreßinstitut des BGB, die Gesamtschuld, zurückbesonnen. 82 Zutreffend hat er darauf hingewiesen, daß "die unbegründete Angst vor dem falschen Regreß" zu einer Fehlentwicklung in So Seih, Mehrheit von Schuldnern, S. 43. Dies ist das Ergebnis des ersten Kapitels der Abhandlung Ehmanns. Eine Zusammenfassung findet sich auf den S. 112-117. 81 Diese Typenbildung findet sich im Anschluß an das erste Kapitel auf den S. 118-366. 82 Ebenso neuerdings Glöckner, S. 41 ff., der die Gesamtschuld als Königsweg bezeichnet. 79
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1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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der Literatur geführt hat. 83 Es bedarf nicht des Zessionsregresses analog § 255, um in den Fällen der gestuften Haftung einen "falschen Regreß" in Gestalt der Gesamtschuld zu vermeiden. Eine begriffliche Erfassung der Gesamtschuld über den "Oberbegriff',84 des § 421 S. 1 hinaus ist unmöglich. 85 Dies hat Ehmann einleuchtend dargelegt. Fraglich ist, ob dies dann nicht auch für die begriffliche Erfassung der Gesamtschuld in drei Typen gelten muß, die Ehmann im Anschluß daran vorzunehmen versucht. 86 Ließe sich die Gesamtschuld abschließend in die von Ehmann entwickelten drei Typen des identischen Zwecks der Ansprüche, des gemeinsamen Schutzzwecks und des gemeinsamen Sicherungszwecks unterteilen, so müßte im Ergebnis auch eine einheitliche Begriffsbestimmung möglich sein. 87 Als Oberbegriff böte sich dann das Merkmal der Zweckgemeinschaft an, das den drei von Ehmann entwickelten Gesamtschuldtypen gemeinsam innewohnt. Anband dieses Merkmals der Zweckgemeinschaft hat Ehmann jedoch zuvor nachgewiesen, daß eine begriffliche Erfassung der Gesamtschuld nicht möglich ist. 88 Damit steht seine Typenbildung im Widerspruch zu seiner vorangegangenen Feststellung. 83 Ehmann, S. 25-28. Insoweit zustimmend Rüßmann, Gesamtschuld, JuS 1974, 292 (295); ders., in: Alternativkommentar, Vor. §§ 420 ff., Rdnrn. 4-7, und im Anschluß an Rüßmann auch Esser/Schmidt, Schuldrecht I12, § 39 1. 84 Ehmann, S. 116. 85 Ehmann, S. 115, vertritt die Ansicht, daß "die Suche nach einem einheitlichen abstrakten Gesamtschuldbegriff endlich aufgegeben werden sollte." 86 Schon Rüßmann, Gesamtschuld, JuS 1974, 292 (294), hat zu dieser Typenbildung kritisch angemerkt: "... seine mit gleichgründiger Gesamtschuld, Schutzzweckgesamtschuld und Sicherungsgesamtschuld bezeichneten Typen sind so weit, daß neben den Kumulationsfällen und den von einem eng verstandenen § 255 erfaßten Fällen sich keine Schuldnermehrheiten denken lassen, die aus dem Gesamtschuldrahmen herausfallen. Ist damit nicht die Typenbildung als solche obsolet?" Entsprechend merkt Rüßmann, Buchbesprechung Ehmann, AcP 1975, 173 (176), kritisch an: ,,Ehmanns Vorgehen ist auch nicht praktikabel. Die erzielten Ergebnisse lohnen den Aufwand der Typenbildung nicht. Hat man die Gesamtschuld erst einmal als geeigneten Abwicklungsrahmen für alle Schuldnermehrheiten ... erkannt, ist es leichter und praktikabler, die wenigen Ausnahmegestaltungen zu beschreiben." Ebenso kritisch Wolf, JA 1985,369 (371). 87 Die nachfolgende Kritik richtet sich sinngemäß auch gegen Hillenkamp und Boemsen, die ebenfalls eine Typologie der Gesamtschuld aufgestellt haben. Im Gegensatz zu Ehmann gelangt Hillenkamp, S. 117-122, zu elf Fallgruppen, während Boemsen, S. 101-182, auf vier Fallgruppen kommt. Grundsätzlich positiv gegenüber eine Typenbildung äußern sich Kaiser, Gesamtschuld, BauR 1984, 32 (35), und Raisch, JZ 1965, 703 (708). Ebenso Thiele, JuS 1968, 149 (150 f.): "Typenbildung und Zuordnung, nicht Begriffsbildung und Subsumtion, ist der gegebene Lösungsweg. " 88 Ehmann, S. 50-61.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Dieser Widerspruch ist auf den methodischen Ansatz Ehmanns zurückzuführen, die Gesamtschuld in Abhängigkeit von ihren unterschiedlichen Zielsetzungen in drei Typen zu unterteilen. Im Kern handelt es sich dabei um nichts anderes als eine Untergliederung des Oberbegriffs der Zweckgemeinschaft,89 einer Definition, der Ehmann zuvor seine Gefolgschaft verweigert hat. Ehmann bildet drei neue ungeschriebene Tatbestandsmerkmale des § 421 S. 1, obwohl er zuvor festgestellt hat, daß eine solche begriffliche Fixierung der Gesamtschuld unmöglich ist. 9o Konsequent wäre es gewesen, wenn Ehmann sich nach seinen anfänglichen Untersuchungsergebnissen mit dem "Oberbegriff' des § 421 S. 1 begnügt und ihn als Legaldefinition aufgefaßt hätte. 91 Es besteht kein Bedürfnis für eine weitere begriffliche Erfassung der Gesamtschuld. Indem Ehmann sich gleichwohl um eine abschließende Typenbildung bemüht hat, ist er wohl selbst "der unbegründeten Angst vor dem falschen Regreß" zum Opfer gefallen. 11. Münchbach: Ausgleichsregelung des § 255 als aHud gegenüber der Gesamtschuld Nach einem Überblick über die Entstehungsgeschichte des § 255 und im Anschluß an die Überlegungen Ehmanns zur Gesamtschuld kommt Münchbach zu dem Ergebnis, daß die Zessionsregelung des § 255 wegen der einseitigen Abtretungsregelung keine Wertentscheidung treffe. Ihr fehle daher zwangsläufig jede Eignung als Regreßvorschrift. Es handele sich bei der Vorschrift des § 255 lediglich um eine Ausgleichsregelung, die im Dreiecksverhältnis das Risiko der Wiedererlangung einer entzogenen, physisch aber noch nicht untergegangenen Sache verlagere. 92 Im Gegensatz dazu 89 Auch wenn Ehmann sich in Anlehnung an Kreß, S. 608, darauf beruft, daß nicht die Zweckgemeinschaft zwischen den Schuldnern, sondern die Zweckbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner maßgeblich sei, so ist eine solche Differenzierung angesichts des nebulösen Begriffs der Zweckgemeinschaft recht fragwürdig. Ehmann bezeichnet das vom BGH verwendete Merkmal der Zweckgemeinschaft als "vieldeutige Zauberformel" und so kann er sich wohl kaum darauf berufen, daß der BGH diesen Begriff allein auf die Beziehung zwischen den Schuldnern begrenzen will. 90 Ähnlich kritisch Glöckner, S. 47: "Auch eine Typologie hat indes nur begrenzten Erkenntniswert. " 91 Rüßmann, Gesamtschuld, JuS 1974, 292 (298), bemerkt deshalb zutreffend: "Es bedarf keines weiteren positiven Bestimmungsmerkmals außerhalb des § 421. Die Suche nach diesem Merkmal sollte endgültig aufgegeben werden und auch nicht unter dem Mantel der Typenbildung wieder aufgenommen werden." 92 Dieser Auffassung hat sich Lange, S. 671, angeschlossen. Ebenso Mertens, in: Soergel, § 255, Rdnr. 3, der sich auf die "überzeugenden Ausführungen von Hermann Lange" beruft, die allerdings ihrerseits auf Münchbach zurückgehen. Im Er-
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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handele es sich bei § 426 um eine Regreßnorm, da die Vorschrift die Einstandspflicht für die Schließung einer endgültigen Schadenslücke verlagere. 93 Die Ausgleichsregelung des § 255 und die Regreßregelung des § 426 schlössen sich daher gegenseitig als aliud aus. 94 Als Grenzfall zwischen Zessionsregreß und Gesamtschuld ergibt sich für Münchbach die Fallkonstellation, bei der im Dreiecksverhältnis zwischen dem Eigentümer, dem Dieb und dem unsorgfältigen Verwahrer der Dieb die gestohlene Sache beschädigt. 95 Hier greifen die Gesamtschuldabwicklung bezüglich des Beschädigungsinteresses und die Zessionsregelung hinsichtlich der noch nicht untergegangenen Sache ineinander. Im Ergebnis ist der Lösung Münchbachs zur Abgrenzung des Zessionsregresses von der Gesamtschuld zuzustimmen. Die von ihm vorgeschlagene Abgrenzungsformel, die auf die physische Existenz der entzogenen Sache abstellt, bringt zum Ausdruck, daß § 255 nur in den Fällen des Besitzverlustes anwendbar ist. Sie spiegelt damit im Kern die Ergebnisse der Gesetzesauslegung wider, was anband der eigenen Lösung noch im einzelnen nachzuweisen sein wird. Hätte sich der Gesetzgeber für eine vergleichbar eindeutige Formulierung des § 255 entschieden, so hätte es der von Münchbach entwickelten Abgrenzungsformel nicht bedurft. 1. Verständnis Münchbachs vom Inhalt des § 255
Münchbach ist der Auffassung, die Vorschrift des § 255 treffe keine Wertung, da sie unabhängig von Grund und Umständen der Ersatzpflicht stets nur die Abtretung von Herausgabeansprüchen anordne. 96 Ihr fehle daher zwangsläufig jede Eignung als Regreßregelung. gebnis wohl ebenso Esser/Schmidt, Schuldrecht 112, § 39 I; Kühne, JZ 1969, 565 (566); Noack, in: Staudinger, § 421, Rdnr. 24, und Wolf, JA 1985, 369 (373 f., 379 f.), der aber an dem Kriterium der "wechselseitigen Erfüllungsgemeinschaft" als Wesensmerkmal der Gesamtschuld festhalten will. Bevor Münchbach sich mit der Vorschrift des § 255 auseinandergesetzt hat, hat bereits Rüßmann, Gesamtschuld, JuS 1974, 292 (298), darauf hingewiesen, daß der Regelungsbereich des § 255 auf die Fälle beschränkt sei, in denen es um Ansprüche auf Herausgabe der vorhandenen Sache gehe. Rüßmann, in: Altemativkommentar, § 255, Rdnrn. 3 f., hat sich nunmehr der Begründung Münchbachs angeschlossen, es handele sich bei § 255 nicht um eine Regreßnorm, sondern lediglich um eine Ausgleichsnorm. 93 Diese Abgrenzungsformel zwischen der "Ausgleichsregelung" des § 255 und dem "Schadensregreß" des § 426 findet sich wiederholt als tragendes Argument bei Münchbach, S. 15, 92, 94 f., 98, 118 f., 122, 137. 94 Münchbach, S. 122 f. 95 Münchbach, S. 124 f. 96 Münchbach, S. 14 f. Dieser Argumentation hat sich Rüßmann, in: Alternativkommentar, § 255, Rdnr. 4, angeschlossen.
1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
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Bei dieser Überlegung bleibt unberücksichtigt, daß hinsichtlich des in § 255 beschriebenen Dreiecksverhältnisses sorgfaltig zwischen dem Aus-
gleich für die erhöhte Schadensersatzhaftung des Schuldners im Verhältnis zum Gläubiger einerseits (Außenverhältnis) und einer möglicherweise bestehenden weiteren Ausgleichspflicht aufgrund eines Schuldverhältnisses zwischen dem Schuldner und dem Dritten andererseits (Innenverhältnis) zu unterscheiden ist. Es können sich hier ggf. zwei unterschiedliche Wertungen ergeben, die zu berücksichtigen sind. a) Wertung aufgrund der erhöhten SchadensersatzhaJtung des Schuldners im Außenverhältnis
Entgegen der Ansicht Münchbachs trifft die Vorschrift des § 255 im Dreiecksverhältnis zwischen Gläubiger, Schuldner und Drittem durchaus eine Wertentscheidung. Diese ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen der Schadensersatzregelung und der Ausgleichsregelung des § 255. Daraus folgt die Wertung, daß im Dreiecksverhältnis zwischen Gläubiger, Schuldner und Drittem, das erst durch die erhöhte Schadensersatzhaftung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger entsteht, der Schuldner als Ausgleich für seine erhöhte Schadensersatzhaftung das Eigentum an der verlorenen Sache erhält. Dem Dritten steht hingegen kein Ausgleichsanspruch zu, da die Schadensersatzregelung allein im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner gilt. Diesbezüglich ist der Dritte immer der Hauptverantwortliche, so daß sich die Ausgleichsregelung auf eine einseitige Abtretungsregelung beschränken kann. Diese Wertung des § 255 darf nicht übersehen werden. b) Wertung aufgrund eines Schuldverhältnisses zwischen Schuldner und Drittem im Innenverhältnis
Von der soeben beschriebenen Wertung des § 255 im Dreiecksverhältnis ist eine im Einzelfall zu beachtende weitergehende Wertung im Innenverhältnis zwischen Schuldner und Drittem zu trennen. 97 Hier kann sich ggf. aus einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis eine abweichende Wertung ergeben. Anhand der eigenen Lösung wird noch zu zeigen sein, daß dem Dritten beispielsweise gegen den Schuldner ein vertraglicher Anspruch auf Übereignung der Sache zustehen kann, den er dem Anspruch
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Ähnlich von Caemmerer, Anmerkung zum BGH, JR 1959, 462 (463), und
Kühne, JZ 1969,565 (566), die jedoch ausschließlich auf das Innenverhältnis abstellen. Kühne führt dazu aus: "Ob und inwieweit Dieb und Abnehmer untereinander
Regreßansprüche geltend machen können, hängt ganz von ihren internen Rechtsbeziehungen ab."
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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aus § 985 einredeweise entgegenhalten kann. 98 Die Ausgleichsregelung des § 255 im Dreiecksverhältnis hat also nicht notwendig zur Folge, daß der Schuldner als neuer Eigentümer die Sache auch behalten und herausverlangen kann. Es kann sich hier aus einer weitergehenden Verpflichtung im Innenverhältnis ggf. eine abweichende Wertung ergeben. Dieser Wertung kommt dabei im Prinzip keine andere Bedeutung zu als der analogen Anwendung des § 254 bei der Bestimmung der Ausgleichsquote im Rahmen des § 426. Dort entscheidet ebenfalls erst das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern über den Erfolg des Ausgleichsanspruchs. Der einzige Unterschied besteht darin, daß diese Wertung bei der Gesamtschuld unmittelbar bei der Bestimmung der Ausgleichsquote berücksichtigt wird, während beim Zessionsregreß zunächst die erhöhte Schadensersatzhaftung im Dreiecksverhältnis ausgeglichen werden muß. Die endgültige Wertung im Innenverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Dritten ergibt sich dann ggf. erst in einem zweiten Schritt aus einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis. c) Ergebnis zum Inhalt des § 255
Die Vorschrift des § 255 trifft entgegen der Ansicht Münchbachs durchaus eine Wertung. Dabei besteht die Besonderheit, daß die Wertentscheidung sich auf den Ausgleich der Schadensersatzregelung des § 255 beschränkt. In einem zweiten Schritt kann sich im Innenverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Dritten aus einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis ggf. eine von der Wertung des § 255 abweichende Wertentscheidung ergeben. Über die Letztverantwortlichkeit entscheidet endgültig erst das Innenverhältnis, zu dem die Vorschrift des § 255 keine weitere Regelung mehr trifft. So erklärt sich, daß der Dritte nicht notwendig immer der Letztverantwortliche sein muß, obwohl § 255 zunächst eine Wertentscheidung zu seinen Lasten trifft. 99 2. Münchbachs Formel zur Abgrenzung des § 255 von der Gesamtschuld
Nach dem Konzept Münchbachs schließen sich die beiden Regelungen des § 255 und des § 426 gegenseitig als aliud aus. IOO Diese Ansicht ergibt sich zunächst aus der soeben erörterten Prämisse, daß die Vorschrift des § 255 mangels einer Wertentscheidung keine Regreßnorm sein könne. Es ist jedoch gezeigt worden, daß diese Annahme Münchbachs unzutreffend ist. Dazu im einzelnen unter § 7 III 5. Ein Beispielsfall hierfür wird bei der Darstellung der eigenen Lösung zu erörtern sein, s. u. § 7 III 5. 100 Münchbach, S. 121-123. 98
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Diesbezüglich besteht kein Unterschied zwischen den beiden Vorschriften des § 255 und des § 426, der den Rückschluß auf ein aliud-Verhältnis zuläßt. Münchbach begründet das aliud-Verhältnis zwischen § 255 und § 426 weiterhin mit dem unterschiedlichen Regelungsgehalt der beiden Vorschriften. Während § 255 als Ausgleichsregelung lediglich das Risiko der Wiederbeschaffung einer noch vorhandenen Sache verlagere, regele § 426 als Regreßvorschrift die Einstandspflicht für eine dauerhafte Schadenslücke. Die begriffliche Unterscheidung zwischen Ausgleich und Regreß erklärt Münchbach damit, daß der Ausgleich lediglich ein Liquiditätsrisiko betreffe, während der Regreß die Schließung einer endgültigen Schadenslücke zum Gegenstand habe. Von diesem unterschiedlichen Regehmgsgehalt des § 255 und des § 426 schließt Münchbach auf ein aliud-Verhältnis. Diese Begründung Münchbachs zur Abgrenzung des § 255 von der Gesamtschuld begegnet einigen Bedenken. a) Zirkelschluß von der Abgrenzungsjormel auj den Regelungsgehalt des § 255 und der Gesamtschuld Münchbach unterliegt mit seiner Begründung zur Unterscheidung zwischen § 255 als Ausgleichsregelung und § 426 als Regreßregelung einem Zirkelschluß. Indem er bei der Bestimmung der unterschiedlichen Regelungsgehalte dieser beiden Vorschriften allein auf die physische Existenz der verlorenen Sache abstellt, macht er seine Abgrenzungsformel, die es erst noch zu beweisen gilt, zur Voraussetzung. Er schließt von der Abgrenzungsformel auf den unterschiedlichen Regelungsgehalt, anstatt umgekehrt aus der Bestimmung der unterschiedlichen Regelungsgehalte eine Abgrenzungsformel abzuleiten. Bei dieser umgekehrten Vorgehensweise hätte Münchbach - wie anhand der eigenen Lösung noch nachzuweisen sein wird - nicht zu der Annahme gelangen können, es handele sich bei § 426 um einen "Schadensregreß". So ist zunächst festzustellen, daß das von Münchbach verwendete Argument zur Unterscheidung zwischen Ausgleichs- und Regreßregelung nichts anderes als die zu beweisende Abgrenzungsformel bezeichnet. b) § 426 als Ausgleichs- und Regreßregelung
Entgegen der Auffassung Münchbachs setzt der Regreß des § 426 keinen Schadenseintritt voraus. Dies kann an einem einfachen Beispiel aus dem Kreditwesen erläutert werden. Tritt ein Dritter einer fremden Darlehensverbindlichkeit bei, so trifft ihn neben dem Darlehensschuldner eine gesamtschuldnerische Haftung gegenüber dem Gläubiger. Leistet der Dritte nun an
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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den Gläubiger, so kann er aus übergeleitetem Recht des Gläubigers gemäß den §§ 426 Abs. 2 S. 1, 607 Abs. 1 gegen den Darlehensschuldner vorgehen. Kann der Darlehensschuldner seine Schuld begleichen, so hat im Ergebnis keiner der Beteiligten einen Schaden erlitten; es hat im Gegenteil im Dreiecksverhältnis ein vollkommener Wertausgleich stattgefunden. § 426 trifft daher in diesem Fall mangels eines Schadens keine Regreßregelung, sondern lediglich eine Ausgleichsregelung, die allein das Liquiditätsrisiko für den Darlehensschuldner verlagert. Aufgrund der Unterscheidung Münchbachs müßte es sich daher um einen Anwendungsfall des § 255 handeln. Zu diesem Ergebnis würde aber auch Münchbach nicht gelangen, wenn er der Lösung des Beispielfalles seine zutreffende Fonnel zur Abgrenzung des § 255 von der Gesamtschuld zugrunde legen würde. Für eine Anwendung des § 255 mangelte es dann bereits an einer verlorenen Sache. Diese Überlegungen veranschaulichen, daß das Ergebnis Münchbachs zur Abgrenzung des § 255 von der Gesamtschuld zwar zutreffend ist, nicht aber die Begründung, es handele sich bei § 426 im Gegensatz zu § 255 um einen Schadensregreß, so daß sich beide Vorschriften als aliud gegenseitig ausschlössen. Der Beispielsfall belegt vielmehr, daß § 426 nicht nur eine Regelung zum "Schadensregreß", sondern auch zum "Liquiditätsausgleich" trifft. c) § 255 kein aliud, sondern lex specialis
Handelt es sich bei § 426 - entgegen der Ansicht Münchbachs - nicht nur um einen Schadensregreß, sondern auch um eine Ausgleichsregelung, so können die in § 255 geregelten Fälle des Besitzverlustes mit der Ausgleichsregelung des § 426 genausogut gelöst werden wie mit der Ausgleichsregelung des § 255. \01 Es handelt sich bei § 255 folglich nicht um ein aliud, sondern um eine lex specialis zur allgemeinen Ausgleichsregelung des § 426. Münchbach ist demgegenüber der Auffassung, die Vorschrift des § 426 vennöge nur den dinglichen Herausgabeanspruch, nicht aber das dingliche Recht selbst zu übertragen. Aus diesem Grunde sei die Vorschrift des § 255 "ausgelagert" worden. \02 Sie sei im Gegensatz zu § 426 nach ihrem Inhalt und Zweck auf eine Übertragung des dinglichen Rechts selbst gerichtet, nicht nur auf eine isolierte Abtretung des dinglichen Herausgabeanspruchs. \03 Es handele sich daher um ein aliud. 101 102
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Dies wird später noch zu zeigen sein, s. u. § 7 III I a. Münchbach, S. 117-121. Münchbach, S. 109.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
An diesen Ausführungen ist zunächst irreführend, daß Münchbach von einer "Auslagerung" des § 255 spricht. Von einer solchen "Auslagerung" des § 255 kann nur dann die Rede sein, wenn die Fälle des § 255 ursprünglich in § 426 "gelagert", sprich mitgeregelt waren. Da § 426 aber nach der "Aus lagerung" des § 255 keine entsprechende Einschränkung erfahren hat, müßte auch Münchbach zu dem Ergebnis gelangen, daß die Fälle des § 255 weiterhin mit der Vorschrift des § 426 gelöst werden könnten, es sich bei § 426 folglich um eine lex generalis handelt. Sieht man von dieser sprachlichen Ungenauigkeit ab, so stellt Münchbach zutreffend fest, daß die Vorschrift des § 426 nicht geeignet ist, das dingliche Recht zu übertragen. Die geltende Regelung des § 255 ist dazu jedoch ebensowenig geeignet. 104 Die Abtretungsregelung des § 255 leistet diesbezüglich nicht mehr als die cessio legis des § 426 Abs. 2 S. 1. \05 Es ist hier zu berücksichtigen, daß die geltende Fassung des § 255 mißglückt ist. So wird noch zu zeigen sein, daß der Gesetzgeber sich bei der endgültigen Fassung des § 255 allein darauf konzentriert hat, unliebsame Eigentümergemeinschaften zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zu vermeiden. Hätte er hingegen seine ursprünglichen Überlegungen zur Übertragung des Vollrechts in Übereinstimmung mit dem Traditionsprinzip berücksichtigt, so hätte er sich konsequenterweise für einen "Übereignungs"-Regreß entscheiden müssen. Eine solche Regelung könnte aufgrund ihres von § 426 abweichenden Regelungsgehalts ein aliud-Verhältnis begründen. Es bestünde ein inhaltlicher Unterschied zwischen der isolierten Übertragung des dinglichen Anspruchs und der Übertragung des dinglichen Vollrechts. Dagegen begründet die geltende Fassung des § 255 lediglich einen Unterschied hinsichtlich des Übertragungsmechanismusses, nicht hingegen bezüglich der Rechtsfolge. Die Abtretungsregelung des § 255 führt ebenso wie die cessio legis des § 426 lediglich zur Übertragung des dinglichen Anspruchs, nicht aber des dinglichen Vollrechts selbst. Im geltenden Recht kann daher ein aliud-Verhältnis zwischen § 255 und § 426 nicht begründet werden. Es handelt sich bei § 255 lediglich um eine lex specialis gegenüber der allgemeinen Ausgleichsregelung des § 426.
104
Dies wird ebenfalls anhand der eigenen Lösung noch nachzuweisen sein, s. u.
§ 8 11 1 b.
lOS Dies hat auch Wemecke, S. 54 f., bei ihrer Untersuchung zum Anwendungsbereich des § 255 verkannt. Des weiteren übersieht sie die vorrangige Schadensersatzregelung des § 255. Eine weitere Auseinandersetzung mit Wemeckes Ausführungen ist jedoch entbehrlich, da sie zum Anwendungsbereich des § 255 nicht eindeutig Stellung nimmt. Deuten ihre Ausführungen zunächst darauf hin, daß sie der Auffassung Münchbachs zustimmt (S. 64: .. § 255 ist keine Regreßnorrn"), so distanziert sie sich später von Münchbach (S. 66, Fn. 98), ohne aber daraus Schlußfolgerungen für den konkreten Anwendungsbereich des § 255 zu ziehen.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
63
3. Ergebnis zu der Auffassung Münchbachs
Münchbach hat die Vorschrift des § 255 auf ihren eigentlichen Regelungsgehalt zurückgeführt. Des weiteren ist es ihm gelungen, eine einfach zu handhabende Formel zur Abgrenzung des § 255 von der Gesamtschuld zu entwickeln. Es ist daher unverständlich, daß dieses Lösungsmodell seit mehr als zwei Jahrzehnten kaum berücksichtigt worden istYl6
Geringfügige Korrekturen an dem von Münchbach entwickelten Lösungsmodell erscheinen allein erforderlich im Hinblick auf die Begründung Münchbachs zum Inhalt und zur Abgrenzung des § 255 von der Gesamtschuld. Dem Inhalt des § 255 liegt entgegen der Ansicht Münchbachs durchaus eine Wertung zugrunde, so daß der Vorschrift nicht von vornherein jede Eignung als Regreßnorm abgesprochen werden kann. Diese Wertung des § 255 berücksichtigt jedoch nur die erhöhte Schadensersatzhaftung des Schuldners und sagt daher noch nichts über die Letztverantwortlichkeit des Dritten aus. Hier kann sich im Einzelfall aus einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Dritten eine abweichende Wertung ergeben. Münchbach argumentiert in einem Zirkelschluß, indem er zur Bestimmung des Regelungsgehalts des § 255 und des § 426 seine Abgrenzungsformel heranzieht, die es erst zu beweisen gilt. Aus diesem Zirkelschluß ergibt sich die Annahme, es handele sich bei § 426 lediglich um einen Schadensregreß, der im aliud-Verhältnis zu der Ausgleichsregelung des § 255 stünde. Zutreffend an dieser Feststellung ist, daß § 255 lediglich eine Ausgleichsregelung zur Verlagerung des Liquiditätsrisikos trifft. Unzutreffend ist aber die Annahme, § 426 regele im Gegensatz dazu die Einstandspflicht zur Schließung einer endgültigen Schadenslücke. § 426 kann sowohl eine Regreßregelung als auch eine Ausgleichsregelung treffen. Die begriffliche Unterscheidung Münchbachs zwischen Ausgleichs- und Regreßregelung ist daher nicht geeignet, ein aliud-Verhältnis zwischen § 255 und § 426 zu 106 Diese Kritik gilt insbesondere Selb, der zu der Lösung von Münchbach lediglich die folgende Feststellung trifft: ,,Eine Reihe von Autoren meint gar, in der Bestimmung (Anm.: gemeint ist § 255) gehe es überhaupt nur um die Abtretung des sachenrechtlichen Herausgabeanspruchs, nicht um die Abtretung anderer Ansprüche, wie sie sich ergeben können, wenn der Verlust letztlich zum Untergang der Sache ... geführt hat." (Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 143; ders., in: Staudinger, § 255, Rdnr. 2.) Selb trifft diese Feststellung, ohne sich mit den Argumenten Münchbachs auseinanderzusetzen. Ebenso führt Selb an anderer Stelle aus, daß sich die Autoren, die § 255 auf die Abtretung von Herausgabeansprüchen beschränkten, damit nur scheinbar die Abgrenzung abgestufter Verpflichtungen zur Gesamtschuld ersparen würden (Selb, Mehrheit von Schuldnern, S. 147, Fn. 39; ders., in: Staudinger, § 255, Rdnr. 6). Ungeklärt bleibt, worin diese scheinbare Ersparnis nach der Auffassung Selbs bestehen soll.
64
1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
begründen. Es hat sich vielmehr erwiesen, daß § 255 lediglich eine lex specialis gegenüber der allgemeinen Ausgleichsregelung des § 426 darstellt. \07
§ 5 Vermittelnde Meinungen zwischen Zessionsregreß
und Gesamtschuld
I. Zessionsregreß bei Besitzverlust sowie nachträglicher Sachzerstörung und Sachbeschädigung Zwischen den beiden extremen Gegenauffassungen zum Anwendungsbereich des Zessionsregresses gemäß § 255 beschreitet Thiele einen vermittelnden Lösungsweg. Übereinstimmend mit den übrigen Autoren ordnet auch Thiele dem Anwendungsbereich des § 255 zunächst die Fälle des reinen Besitzverlustes einer Sache zu. \08 Hinsichtlich der Fälle der Sachzerstörung und der Sachbeschädigung nimmt Thiele eine zeitliche Differenzierung vor. Wird die Sache ohne vorherigen Besitzentzug vom Dritten zerstört oder beschädigt, so soll es sich um einen Anwendungsfall der Gesamtschuld handeln. Dagegen komme § 255 zur Anwendung, sofern die Sache zunächst von dem Dritten entzogen und erst später zerstört oder beschädigt worden sei. 109 Eine zeitliche Unterscheidung kann aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden. Die Vorschrift des § 255 unterscheidet lediglich danach, ob die Sache noch vorhanden oder zerstört ist. Hingegen ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt eine Zerstörung oder Beschädigung ggf. eingetreten ist. In einem solchen Fall kommt § 255 unabhängig von dem Zeitpunkt der Zerstörung oder Beschädigung nach seinem Sinn und Zweck nicht (mehr) zur Anwendung, da bei der Schadensberechnung keine Probleme (mehr) auftreten. Diese vorrangige Regelung des § 255 zur Schadensberechnung hat Thiele vernachlässigt. Des weiteren ist anzumerken, daß der Zessionsregreß des § 255 lediglich dazu dient, die Probleme bei der Abwicklung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 zu bewältigen. Dieser Zweck entfällt ebenfalls unabhängig von dem Zeitpunkt der Zerstörung oder Beschädigung der Sache. Es besteht daher kein gesetzlicher Anhaltspunkt für die von Thiele vorgenommene zeitliche Differenzierung. Des weiteren sind auch keine praktischen Gründe ersichtlich, die für eine solche Unterscheidung sprechen könnten. Eine solche Unterscheidung 107 Dieser Ausnahmecharakter von § 255 läßt sich als weiteres Argument gegen den von Selb verfolgten Zessionsregreß analog § 255 heranführen. Ausnahmevorschriften sind in der Regel nicht analogiefähig. 108 Thiele, JuS 1968, 149 (153). 109 Thiele, JuS 1968, 149 (153 f.).
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
65
dürfte vielmehr in der Rechtspraxis zu unnötigen Abgrenzungs- und Beweisproblemen hinsichtlich des Zeitpunkts der Zerstörung führen. Diesen Problemen setzt man sich nicht aus, wenn man die Fälle der Zerstörung einheitlich dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld zuordnet. Eine solche Lösung hat zudem den Vorteil, daß sie nicht nur in den Fällen der sofortigen, sondern auch in den Fällen der nachträglichen Sachzerstörung den Interessen der Rechtspraxis an einer flexiblen Regreßregelung gerecht wirdYo ll. Zessionsregreß bei Besitz- und Eigentumsverlust
Ebenso wie Thiele vertritt auch Goette eine vermittelnde Ansicht zum Anwendungsbereich des Zessionsregresses gemäß § 255. Im Gegensatz zu Thiele kommt Goette jedoch zu dem Ergebnis, daß § 255 nur die Fälle betreffe, in denen die Sache selbst oder das Surrogat derselben noch vorhanden sei, nicht hingegen die Fälle des Untergangs der Sache. 111 Goette wendet den Zessionsregreß also nicht auf konkurrierende Schadensersatzansprüche, sondern nur auf den dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 und auf den Bereicherungsanspruch aus § 816 an. 112 Goette schränkt den Anwendungsbereich des § 255 zutreffend auf die Fälle des reinen Besitzverlustes ein, indem er zunächst auf die vorrangige Regelung des § 255 zur Berechnung des Schadensersatzes bei Besitzverlust einer Sache abstellt. 113 Zu Unrecht dehnt er jedoch anschließend den Anwendungsbereich des Zessionsregresses auf die in § 816 geregelten Fälle des Eigentumsverlustes aus. Diese Gleichbehandlung sei geboten, da es sich bei dem Anspruch aus § 816 lediglich um ein Surrogat des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 handele. 114 Es wird aber noch im einzelnen zu zeigen sein, daß dieses Argument nicht zu überzeugen vermag. 115 Eine Gleichbehandlung der beiden Ansprüche aus § 816 und § 985 ist im Rahmen des § 255 nicht geboten, da der Anspruch aus § 816 im Gegensatz zu dem dinglichen Herausgabeanspruch weder bei der Schadensberechnung noch bei der Überleitung Probleme bereitet. Es besteht daher entgegen der Auffassung Goettes kein Anlaß, § 255 über seinen Wortlaut hinaus auch 110 111
(529). 112 113
(527).
Zu den praktischen Vorteilen der Gesamtschuldlösung s. schon oben § 3 II. Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 163; ders., Regreßwege, VersR 1974, 526 Ebenso Jürgens, S. 177 ff. Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 156; ders., Regreßwege, VersR 1974, 526
114 Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 161; ders., Regreßwege, VersR 1974, 526 (529). Zustimmend Jürgens, S. 179. IIS S. u. § 7 III 4.
SStamm
66
1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
auf die Fälle des Eigentumsverlustes anzuwenden. Ebensowenig läßt sich eine solche Ausdehnung unter praktischen Gesichtspunkten rechtfertigen. 116
111. Ergebnis zu den vermittelnden Meinungen Thiele und Goette wollen den Anwendungsbereich des Zessionsregresses über die in § 255 geregelten Fälle des Besitzverlustes hinaus auf die Fälle der nachträglichen Sachzerstörung bzw. die Fälle des Eigentumsverlustes ausdehnen. Für eine solche Annäherung des Zessionsregresses an die Gesamtschuld besteht weder unter dogmatischen noch unter praktischen Aspekten Veranlassung.
§ 6 Rechtsprechung In der höchstrichterlichen Rechtsprechung konnte sich bisher keine der verschiedenen Lehrmeinungen zur Abgrenzung der Gesamtschuld vom Zessionsregreß durchsetzen. Der BGH hat es bislang vermieden, zu dieser Abgrenzungsfrage abschließend Stellung zu nehmen. Er beschränkt sich auf die Beantwortung von Einzelfragen. So hat er im sogenannten Stapellagerfall entschieden, daß der Zessionsregreß gemäß § 255 nicht auf die in § 816 geregelten Fälle des Eigentumsverlustes anwendbar sei. ll7 Diese Entscheidung findet ihre Bestätigung in einem späteren Urteil des BGH. 118 In der sogenannten Wolleentscheidung hat der BGH für die Fälle der Sachzerstörung entschieden, daß bei konkurrierenden Schadensersatzansprüchen nicht der Zessionsregreß analog § 255, sondern die Ausgleichsregelung des § 426 zur Anwendung komme. 119 Gleichwohl läßt auch diese Entscheidung - ebensowenig wie die heiden zuvor genannten Entscheidungen - den S. dazu schon die Kritik an der von Thiele vorgeschlagenen Lösung. BGHZ 52, 39-47 = BGH JR 1959,461-464, mit Anmerkung von von Caemmerer. 118 BGHZ JZ 1984, 230 (231 f.), kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß zwischen demjenigen, der durch fahrlässig unerlaubte Handlung den Eigentumsverlust des Gläubigers verursacht, und demjenigen, der denselben Eigentumsverlust durch seine Verfügung als Nichtberechtigter herbeigeführt hat und deshalb gemäß § 816 auf Herausgabe des Veräußerungserlöses haftet, ein Gesamtschuldverhältnis besteht. 119 BGHZ 59, 97-104. Der BGH kommt allerdings zu dem unzutreffenden Ergebnis, § 426 sei lex specialis zu § 255 (S. 102). Dieser Ansicht des VII. Zivilsenats hat sich der VIII. Zivilsenat des BGH in der zuvor genannten Entscheidung BGH JZ 1984, 230 (232), ausdrücklich angeschlossen. Es verhält sich jedoch genau umgekehrt: § 255 ist lex specialis zu § 426; s. dazu bereits die Anmerkungen zu der Lösung Münchbachs unter § 4 11 2 c und nachfolgend die eigene Lösung. 116 117
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
67
Schluß zu, daß der BGH generell eine Gesamtschuldlösung vertritt. Die Entscheidungen stützen sich jeweils allein auf praktische Überlegungen im Einzelfall, ohne daß zu dem Problem der Abgrenzung zwischen Gesamtschuld und Zessionsregreß abstrakt Stellung genommen wird. 120 Im Gegensatz zu den bisher zitierten Entscheidungen des BGH, die in den Fällen der gestuften Haftung der Anwendung der Gesamtschuld zuneigen, hat der BGH sich in einigen Entscheidungen jüngeren Datums der dogmatischen Begründung Selbs zum Zessionsregreß analog § 255 angenähert. 121 Er hat den nebulösen Begriff der sogenannten "Zweckgemeinschaft" als Charakteristikum der Gesamtschuld aufgegeben und durch das von Selb entwickelten Kriterium der Gleichstufigkeit ersetzt. Da der BGH seine bisherigen Entscheidungen zum Anwendungsbereich des § 255 jedoch nicht in Frage gestellt hat, kann aus dieser begrifflichen Präzisierung nicht geschlossen werden, daß der BGH der Ansicht von Selb uneingeschränkt zustimmt. Man täte dem BGH daher Unrecht, wollte man ihn auf eine in der Literatur entwickelte Lösung festlegen. Es kann allenfalls festgestellt werden, daß der BGH sich in dogmatischer Hinsicht der Auffassung von Selb angenähert hat, während er unter praktischen Gesichtspunkten eher der Anwendung der Gesamtschuld zuneigt. Der Vergleich der in der Literatur entwickelten Lösungen für die Fälle der gestuften Haftung hat ergeben, daß die Gesamtschuld den Interessen des Rechtsverkehrs an einer flexiblen Regreßregelung am besten gerecht wird. Der BGH tendiert daher unter praktischen Gesichtspunkten mit Recht zu einer Anwendung der Gesamtschuld. Im Widerspruch dazu steht jedoch die Annäherung an Selb, die der BGH in dogmatischer Hinsicht vollzogen hat. Die Ursache für diese widersprüchliche Argumentation des BGH mag darin begründet liegen, daß es der Literatur bisher nicht gelungen ist, die Anwendung der Gesamtschuld für die Vielzahl der Fälle der gestuften Haftung dogmatisch zu begründen. Die Abgrenzung zu den Fällen der gestuften Haftung beim Zessionsregreß konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. Dem BGH kann deshalb kein Vorwurf gemacht werden, wenn er eine dogmatische Begründung zur Abgrenzung der Gesamtschuld vom Zessionsregreß in seinen bisherigen Entscheidungen schuldig geblieben ist.
120 BGHZ 52, 39 (42), stellt fest, daß § 255 auf den vorliegenden Fall nicht passe, da die Abtretung des Anspruchs aus § 816 an den Dieb keinen Sinn habe. BGHZ 59, 97 (102), hält die Regelung des § 426 für die in ihren Auswirkungen stärkere Regreßrege1ung. Der BGH verweist hier zutreffend auf das umständliche Abtretungserfordernis und die mangelnde Flexibilität des § 255. 121 BGH WM 1989, 1063 (1065); besonders deutlich BGHZ 106, 313 (321): "Insoweit treffen die Erwägungen von Seih zur abgestuften Haftung zu."
S'
68
1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
§ 7 Eigenes Lösungsmodell im Anschluß an Münchbach Die Untersuchung zu den einzelnen Modellen, die in Rechtsprechung und Literatur zum Zessionsregreß und zur Gesamtschuld entwickelt worden sind, spiegelt die allgemeine Rechtsunsicherheit im Regreßwesen wider. Lediglich Münchbach ist es bislang gelungen, eine überzeugende Formel zur Abgrenzung des Zessionsregresses von der Gesamtschuld zu entwikkeIn. Sie ist Anknüpfungspunkt für das nachfolgende Lösungsmodell. I. Regelungsgehalt der Gesamtschuld Die Kritik an dem von Selb entwickelten Zessionsregreß analog § 255 hat ergeben, daß die sogenannte "Angst vor dem falschen Regreß" in Form der Gesamtschuld unbegründet ist. Der Gesetzgeber wollte mit der Gesamtschuld ein einheitliches Regreßinstitut für das BGB schaffen, das den früheren Abgrenzungsstreit zwischen den beiden Regreßinstituten der Korrealität und der Solidarität beseitigt. Dieses Ergebnis wird nicht nur durch die Motive,122 sondern auch durch den Wortlaut und die Systematik der §§ 421 ff. bestätigt. Daraus ergibt sich für die Gesamtschuld die folgende Konzeption. 1. Voraussetzungen des § 421 S. 1
Die Vorschrift des § 421 S. 1 enthält eine Legaldefinition der Gesamtschuld, die insbesondere für die Fälle heranzuziehen ist, in denen es an einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung oder einer gesetzlichen Anordnung der Gesamtschuld mangelt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind unmittelbar dem Wortlaut des § 421 S. 1 zu entnehmen: Mehrere Schuldner müssen zu einer Leistung verpflichtet sein, d. h. es muß eine Identität des Leistungsinteresses gegeben sein. 123 Jeder schuldet die ganze Leistung; ansonsten liegt nur eine Teilschuld, § 420, oder eine gemeinschaftliche Schuld vor. Ferner darf der Gläubiger in Abgrenzung zur kumulativen Schuld nur einmal zur Forderung berechtigt sein. Über diese Voraussetzungen hinaus bedarf es keines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals, um die Gesamtschuld vom Zessionsregreß des § 255 abzugrenzen. Denn es handelt sich bei § 255 um eine eng begrenzte Spezialregelung. Dies belegt die bisherige Untersuchung.
122 123
sein.
Motive, Band II, S. 154-156; abgedruckt unter Fn. 1. Auf dieses Tatbestandsmerkmal wird sogleich unter III 1 a näher einzugehen
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
69
2. Rechtsfolge der Gesamtschuld: Das Konkurrenzverhältnis zwischen § 426 Abs. 1 und § 426 Abs. 2
Die für den Regreß maßgeblichen Ausgleichsmechanismen finden sich in der Vorschrift des § 426. Ihre praktischen Vorzüge sind bereits im einzelnen dargestellt worden. 124 Ungeklärt ist das Konkurrenzverhältnis von § 426 Abs. 1 und Abs. 2. 125 Die Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 2 orientiert sich an den Schuldverhältnissen zwischen dem Gläubiger und dem jeweiligen Schuldner, indem sie einen gesetzlichen Forderungsübergang anordnet. Dies entspricht den allgemeinen Vorgaben des Schuldrechts, wonach eine vertragliche Abwicklung von Dreiecksverhältnissen allein nach Maßgabe der jeweiligen Vertrags verhältnisse erfolgt. Dieser Grundsatz ergibt sich insbesondere aus den Vorschriften des allgemeinen Vertragsrechts, §§ 334, 404, 417. Demzufolge soll in einem Dreiecksverhältnis jeder Beteiligte nur das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners tragen, niemandem sollen eigene Einwendungen und Einreden aus seinem Vertragsverhältnis abgeschnitten werden und niemandem fremde Einwendungen und Einreden aus einem anderen Vertragsverhältnis entgegengehalten werden können. 126 Die Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 2 stößt also auf keine Bedenken. Fraglich ist, ob auch die Regelung des § 426 Abs. 1 den Wertungen des Vertragsrechts gerecht wird. Nach allgemeiner Meinung begründet diese Vorschrift - entgegen ihrem Wortlaut - einen eigenen Regreßanspruch des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners. 127 Es handelt sich zunächst um einen Freistellungsanspruch, der sich nach der Befriedigung des Gläubigers in einen eigenen Ausgleichsanspruch umwandeln soll. Dieser Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 gewinnt in den Fällen eine eigene Bedeutung, bei denen sich der ausgleichspflichtige Gesamtschuldner auf Einreden aus seinem Vertragsverhältnis mit dem Gläubiger beruft. Während er diese Einreden gegenüber den gemäß § 426 Abs. 2 vom Gläubiger abgeleiteten Ersatzansprüchen des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners geltend machen kann, §§ 412, 404, kann er sich gegenüber dem Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 nicht darauf berufen. S. o. § 3 11 2. Dieses Problem wurde bereits im Zusammenhang mit der Untersuchung des Zessionsregresses analog § 255 angerissen, s. o. § 3 11 2 a. 126 Diese Wertungskriterien hat Canaris, Bereicherungsausgleich, in: Festschrift für Karl Larenz, S. 799 (802 f.), entwickelt; ebenso Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnm. 666 f.; Schlechtriem, in: Jauemig, § 812, Rdnr. 22. 127 Heinrichs, in: Palandt, § 426, Rdnr. 3; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnm. 908 f.; Noack, in: Staudinger, § 426, Rdnr. 6; Westermann, in: Erman, § 426, Rdnr. 3; Wolf, in: Soergel, § 426, Rdnm. 15 f. 124 125
70
I. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Durch ein solches Verständnis des § 426 Abs. 1 werden die Wertungen des § 426 Abs. 2 und damit zugleich die Wertungen des Vertragsrechts vernachlässigt, die hinter der Regelung des § 426 Abs. 2 stehen. Dies gilt insbesondere für die Vorschrift des § 404, derzufolge dem Schuldner seine Eimeden aus seinem Vertrags verhältnis mit dem Gläubiger nicht durch einen Wechsel in der Person des Gläubigers genommen werden dürfen. Diese Wertung wird dadurch umgangen, daß dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner nach der Befriedigung des Gläubigers ein zusätzlicher Regreßanspruch aus § 426 Abs. 1 zugesprochen wird. Der ausgleichspflichtigte Gesamtschuldner verliert seine vertraglichen Eimeden und damit seine Privilegierung aus dem Verhältnis zum Gläubiger. Eine solche Regelung zu Lasten des privilegierten Gesamtschuldners wird im Ergebnis auch von der Rechtsprechung und der Literatur durch die Rechtsfigur der sogenannten "gestörten Gesamtschuld" vermieden. Unabhängig von der Frage, ob man sich für einen sogenannten "Regreßkreisel,,128 oder für eine anfängliche Kürzung des dem Gläubiger zustehenden Ersatzanspruchs 129 entscheidet, wird eine (endgültige) Haftung des privilegierten Gesamtschuldners weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur angenommen. Damit wird die Regelung des § 426 Abs. I im Ergebnis wieder auf die Wertungen des § 426 Abs. 2 zurückgeführt. Zugleich findet die Vorschrift des § 404, wenn auch nur mittelbar, Beachtung. Dem privilegierten Gesamtschuldner bleiben seine vertraglichen Eimeden erhalten, so daß der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 seine vermeintliche Bedeutung verliert. J30 128 So BGHZ 12, 213 (217 f.), für vertraglichen Haftungsausschluß; BGHZ 58, 216 (219 ff.); BGHZ 35, 317 (323), für gesetzlichen Haftungsausschluß; Seih, in: Münchener Kommentar, § 426, Rdnm. 20 ff; Wolf, in: Soergel, § 426, Rdnr. 43. 129 So BGHZ 58, 355 (359 ff.), für §§ 636, 637 RVO; BGH JZ 1985, 801 (802 0, bei Beamtenversorgungsansprüchen; Esser/Schmidt, Schuldrecht 112, § 39 11 2 b; Fikentscher, § 62 III 2; Larenz, Schuldrecht I, § 37 III (S. 647); Westermann, in: Erman, § 426, Rdnr. 13. 130 Dies gilt insbesondere für die h. L., die den Ersatzanspruch des Gläubigers gegen den haftenden Gesamtschuldner von Anfang an kürzt und damit den privilegierten Gesamtschuldner von einer Haftung aus § 426 Abs. I freistellt. Die Rechtsprechung benötigt die Ausgleichsregelung des § 426 Abs. I, um einen Regreßkreisei begründen zu können. Diese umständliche Lösung scheint auch für die h. L. unausweichlich zu sein, soweit der haftende Gesamtschuldner bereits in vollem Umfang geleistet hat. Aber auch dann besteht kein Bedürfnis für eine Anwendung des § 426 Abs. 1. Näherliegend ist es, dem allein haftenden Gesamtschuldner gegen den Gläubiger einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. I S. I, l. Fall zuzusprechen. Soweit er über den gekürzten Anspruch hinaus an den Gläubiger geleistet hat, liegt kein Rechtsgrund vor. Eine solche bereicherungsrechtliche Ausgleichsregelung steht in Übereinstimmung mit dem eingangs erörterten Grundprinzip, demzufolge auch im Bereicherungsrecht eine Abwicklung von Dreiecksverhältnissen nur innerhalb der jeweiligen Vertragsverhältnisse zu erfolgen hat.
l. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
71
Aufgrund der soeben angestellten Überlegungen liegt es deshalb näher, die Vorschrift des § 426 Abs. 1 von vornherein in Übereinstimmung mit den Wertungen des § 426 Abs. 2 auszulegen, zumal eine solche Auslegung dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes entspricht. Die Vorschrift des § 426 Abs. 1 begründet bereits nach ihrem Wortlaut keinen eigenen Ausgleichsanspruch eines Gesamtschuldners gegen den anderen, sondern lediglich einen Anspruch auf Befreiung von der Schuld gegenüber dem Gläubiger. Sie hat also lediglich Bedeutung für den Zeitraum vor der Befriedigung des Gläubigers. Aus diesem Umstand rechtfertigt sich zugleich die systematische Unterscheidung zwischen den Absätzen 1 und 2. Während der Absatz 1 den Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern vor der Befriedigung des Gläubigers regelt, regelt Absatz 2 den Ausgleich nach der Befriedigung des Gläubigers. Zwischen diesen beiden Absätzen besteht also lediglich hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs ein Unterschied. Dementsprechend gilt auch die Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 1 nur unter den Beschränkungen der §§ 412, 404. Der Ausgleichsanspruch vor der Befriedigung des Gläubigers kann nicht weitergehen als derjenige nach der Befriedigung des Gläubigers. Diese Überlegungen rechtfertigen für die Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 1 eine analoge Anwendung der §§ 412, 404 (argumentum a maiore ad minus). Soweit der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner also vor der Befriedigung des Gläubigers einen Anspruch aus § 426 Abs. 1 hat, unterliegt dieser Anspruch den Beschränkungen der §§ 412, 404. Der privilegierte Gesamtschuldner kann also seine Einreden, die ihm aus seinem Vertragsverhältnis mit dem Gläubiger zustehen, von vornherein dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner entgegenhalten. Es bleibt festzuhalten, daß die Vorschrift des § 426 Abs. 1 in Übereinstimmung mit ihrem Wortlaut nach der Befriedigung des Gläubigers keinen eigenen Ausgleichsanspruch mehr begründen kann, der in Idealkonkurrenz zu übergeleiteten Ansprüchen des Gläubigers steht. Die Vorschrift gewährt dem ausgleichsberechtigten Schuldner lediglich für die Zeit vor der Befriedigung des Gläubigers, in der der ausgleichsberechtigte Schuldner sonst schutzlos gestellt wäre, einen quasi präventiven Ausgleichsanspruch auf Befriedigung des Gläubigers. Für diesen Anspruch gelten die Vorschriften der §§ 412, 404 analog. 11. Regelungsgehalt des § 255
In den einleitenden Bemerkungen zum Kerngehalt des § 255 ist bereits erläutert worden, daß es sich bei dieser Vorschrift zunächst um eine Schadensersatzregelung handelt. l31 Diese Regelung, die als solche unumstritten 131
s. o. § 2 11
l.
72
I. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
ist, findet zumeist kaum Beachtung. Sie vereinfacht zunächst die Schadensberechnung für den Verlust einer Sache, indem sie die Möglichkeit der Rückverschaffung der Sache bei der Schadensberechnung ausklammert. Die Haftung des Schuldners wird dadurch auf das volle Wertinteresse an der verlorenen Sache ausgedehnt. Aus dieser vorrangigen Regelung des § 255 erklärt sich zugleich die systematische Stellung dieser Vorschrift. Sie findet sich im allgemeinen Schadensrecht, da es sich um eine Regelung zur Schadensberechnung handelt. Die folgende Regelung des § 255 löst das Regreßproblem, das sich aus der Vereinfachung der Schadensberechnung ergibt. Wegen der erweiterten Haftung des Schuldners kommt eine solche Ausgleichsregelung nur einseitig zugunsten des Schuldners, nicht aber zugunsten des Dritten in Betracht. 111. Abgrenzung der Gesamtschuld vom Zessionsregreß Münchbachs überzeugende Formel zur Abgrenzung des Zessionsregresses von der Gesamtschuld stellt im Dreiecksverhältnis auf die physische Existenz der entzogenen Sache ab. 132 Zur Begründung seines Abgrenzungsmodells vertritt Münchbach die Auffassung, daß der Zessionsregelung des § 255 mangels einer Wertung jegliche Eignung als Regreßinstitut fehle. Zum anderen geht Münchbach in der weiteren Folge davon aus, die Ausgleichsregelung des § 255 und die Regreßregelung des § 426 schlössen sich gegenseitig als aliud aus. Die bisherigen Ergebnisse zum Regelungsgehalt des Zessionsregresses und der Gesamtschuld belegen jedoch das Gegenteil. Es ist daher im nachfolgenden zu untersuchen, wie diese von Münchbach abweichenden Ergebnisse der Gesetzesauslegung gleichwohl zu der von Münchbach vorgeschlagenen Abgrenzungsformel führen und diese bestätigen. Dabei ist es hilfreich, von dem obigen Grundfall auszugehen, den der Gesetzgeber bei der Regelung des § 255 vor Augen hatte. Dieser Fall bildet den Ausgangspunkt für die Frage, inwieweit andere Anwendungsfälle des Zessionsregresses denkbar sind. Dabei wird sich erweisen, daß die Abgrenzung des Zessionsregresses von der Gesamtschuld anhand von zwei einfachen Abwandlungen zu diesem Ausgangsfall veranschaulicht werden kann. 1. Ausgangsfall: L wird die Sache von D gestohlen Der Eigentümer E verleiht seine Sache an den Entleiher L. Diesem wird sie aus Unachtsamkeit vom Dieb D gestohlen. E verlangt von L Schadensersatz.
Ohne die Regelung des § 255 müßte bei der Ermittlung des von L an E gemäß § 280 Abs. 1 zu leistenden Schadensersatzes die Möglichkeit, daß D 132
S. o. § 4 II 2.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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die Sache an E zurückgibt, berücksichtigt werden. Eine solche Schadensberechnung ist jedoch letztlich unmöglich. Aufgrund dieser Schwierigkeiten erweitert § 255 die Haftung des Schuldners auf das volle Wertinteresse. Um eine doppelte Befriedigung des Gläubigers zu vermeiden, muß eine Ausgleichsregelung gefunden werden. Es stellt sich die Frage nach einem Regreßanspruch. Läßt man dabei die Zessionsregelung des § 255 zunächst einmal außer Betracht, läge es nahe, zu einem Ausgleich im Wege der Gesamtschuld zu gelangen. a) Gesamtschuldlösung
E hat gegen Deinen Herausgabeanspruch aus § 985 sowie gegen Leinen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1. Problematisch ist insofern, ob D und L "eine Leistung" im Sinne des § 421 S. 1 schulden. Versteht man darunter eine vollkommene Identität der geschuldeten Leistung, so ist diese Voraussetzung des § 421 S. 1 nicht erfüllt: Schadensersatz und Herausgabe sind nicht identisch. 133 Der Wortlaut des § 421 S. 1 setzt jedoch keine vollkommene Identität der geschuldeten Leistung voraus. Zur Bezeichnung der geschuldeten Leistung wird nicht der bestimmte Artikel, sondern lediglich der unbestimmte Artikel verwandt. 134 Zudem zeigen die Vorschriften der §§ 423-425, daß eine vollkommene Identität der Leistungen keine Voraussetzung für die Gesamtschuld iSt. 135 So hat beispielsweise eine unterschiedliche Verjährung der Ansprüche keinen Einfluß auf den Bestand der Gesamtschuld. Auch unterschiedliche Leistungsmodalitäten, Bedingungen oder Fälligkeiten der Leistungen sind nach dem erklärten Willen des historischen Gesetzgebers unbeachtlich. 136 Des weiteren dient die Vorschrift des § 421 nach ihrem Sinn und Zweck dem Schutz des Gläubigers. Es ist daher auf die Identität des Gläubigerinteresses an der geschuldeten Leistung abzustellen. 137 Diese Identität kann im Ausgangsfall bejaht werden, da sowohl der Herausgabeanspruch als auch der Schadensersatzanspruch die verlorene
133 Eine vollkommene Identität der geschuldeten Leistungen verlangen Reinicke! Tiedtke, Gesamtschuld, S. 17. Wenn man dieser Auffassung folgt, so kommt zumindest eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld in Betracht. Eine solche Analogie entspricht den Interessen der Beteiligten eher als eine analoge Anwendung des § 255, wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird. 134 Darauf weist der BGH in BGHZ (GS) 43, 227 (233), hin. m Ebenso Selb, in: Münchener Kommentar, § 421, Rdnr. 6, und Heinrichs, in: Palandt, § 421, Rdnr. 5. 136 Motive, Band 11, S. 157. Darauf hat schon Glöckner, S. 42, hingewiesen. 137 Grundlegend dazu BGHZ (GS) 43, 227 (232-235); ergänzend im Anschluß BGHZ 51, 275 (277-279); Noack, in: Staudinger, § 421, Rdnr. 32; Selb, in: Münchener Kommentar, § 421, Rdnr. 6; Westennann, in: Erman, § 421, Rdnr. 3.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Sache zum Inhalt haben. Die Voraussetzungen der Gesamtschuld wären also auch im vorliegenden Fall erfüllt. 138 Bei der Bestimmung der internen Ausgleichsquote gemäß § 426 Abs. I S. 1 wäre zu berücksichtigten, daß im Innenverhältnis zwischen dem Dritten und dem Schuldner analog § 254 allein der Dritte zum Ausgleich verpflichtet ist. Der Schuldner haftet allein aus Gründen der vereinfachten Schadensberechnung auf das volle Wertinteresse. Diese Haftungserweiterung betrifft lediglich das Risiko der Rückverschaffung der Sache im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Sie gilt daher nicht im Verhältnis zum Dritten. Soweit der Schuldner also an den Gläubiger Schadensersatz leistete, ginge der Anspruch aus § 985 gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 in vollem Umfang auf den Schuldner über. Dieser könnte nunmehr die verlorene Sache vom Dritten heraus verlangen. Gäbe umgekehrt der Dritte die verlorene Sache an den Gläubiger zurück, so würde der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. I erlöschen. Ein gesetzlicher Übergang des Anspruchs aus § 280 Abs. I wäre analog § 254 ausgeschlossen. Das Regreßproblem, das sich aus der Regelung des § 255 zur Schadensberechnung ergibt, könnte demzufolge auch über die Gesamtschuld gelöst werden, ohne daß es einer gesonderten Regreßvorschrift bedürfte. Diese Überlegungen bestätigen, daß es sich bei § 426 - entgegen der Ansicht Münchbachs - nicht um ein aliud, sondern um eine lex generalis zu der Zessionsregelung des § 255 handelt. b) Lösung im Wege des Zessionsregresses
Obwohl die Gesamtschuld auch im vorliegenden Fall zu einer angemessenen Ausgleichsregelung führen würde, hat sich der Gesetzgeber für eine abweichende Regreßlösung entschieden. 139 Diese weist zwei Besonderheiten gegenüber der Gesamtschuldlösung auf: aa) Abtretungserfordernis Anstelle des in § 426 Abs. 2 S. 1 angeordneten gesetzlichen Forderungsübergangs hat der Gesetzgeber mit der zweiten Regelung des § 255 eine rechtsgeschäftliche Abtretung der Forderung vorgesehen. Der Grund für Eine gleichstufige Haftung ist nicht erforderlich, s. o. § 3 I 6. Genaugenommen hat sich der Gesetzgeber für eine von dem ersten Entwurf abweichende Fassung des § 255 entschieden. Da der erste Entwurf für § 255 jedoch ebenfalls wie bei § 426 eine cessio legis vorsah, hat der Gesetzgeber nicht anders argumentiert, als wenn er sich für eine von § 426 abweichende Fassung entschieden hätte. Zu der Kritik an der Regelung des § 255 und seiner verworrenen Entstehungsgeschichte später unter § 8 genauer. 138 139
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diese abweichende Sonderregel findet sich in den Protokollen. Der Gesetzgeber wollte vermeiden, daß in den Fällen des § 255 durch die dynamische Legalzession des § 426 Abs. 2 S. 1 eine Eigentümergemeinschaft zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner entsteht. 140 Würde der Schuldner beispielsweise nur teilweise Schadensersatz leisten, so ginge der Anspruch aus § 985 und mit ihm das Eigentum, das sich vom dinglichen Anspruch nicht trennen läßt,141 gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 bereits teilweise auf ihn über. Es bestünde dann zwischen ihm und dem Gläubiger eine Eigentümergemeinschaft. Eine solche Eigentümergemeinschaft wird durch die abweichende Regreßregelung des § 255 vermieden, da im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Abtretung eine Aufteilung des Anspruchs aus § 985 nicht möglich ist. Der Gesetzgeber sah sich also bei § 255 allein wegen der Besonderheit des dinglichen Anspruchs aus § 985 zu einer abweichenden Regreßregelung gezwungen. 142 Der soeben beschriebene Zusammenhang zwischen der starren Regreßregelung des § 255 und dem dinglichen Anspruch aus § 985 wird durch einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 255 bekräftigt. Ursprünglich sollte die Vorschrift des § 255 ihre systematische Stellung bei den Vorschriften der §§ 985 ff. finden. 143 bb) Einseitige Ausgleichsregelung Als weitere Besonderheit gegenüber der Gesamtschuld konnte sich der Gesetzgeber bei der Regreßregelung des § 255 auf eine einseitige Ausgleichsregelung zugunsten des Schuldners und zu Lasten des Dritten beschränken. Es kommt hier nur eine Ausgleichsregelung zugunsten des Schuldners in Betracht, da allein seine erhöhte Haftung für den Verlust der Sache ausgeglichen werden soll. Der Schuldner trägt das Risiko der Rückverschaffung der verlorenen Sache allein im Verhältnis zum Gläubiger. Im Verhältnis zum Dritten ist hingegen der Dritte für die Rückgabe der Sache 140 Protokolle, Band I, S. 301 f.: "Bei dinglichen Ansprüchen führe die kraft Gesetzes eintretende Uebertragung zu dem ganz unzweckmäßigen Ergebnisse, daß, wenn theilweise Ersatz geleistet sei, ein dingliches Gemeinschaftsverhältniß mit Antheilen bestehe, deren Größe sich nach dem Verhältnisse zwischen dem ersetzten und dem nicht ersetzten Theile des Schadens bestimme." Ob diese Überlegungen einen von § 426 abweichenden Zessionsregreß rechtfertigen, kann erst bei der Lösung de lege ferenda erörtert werden. 141 Dazu später noch im einzelnen, s. u. § 8 11 1 b. 142 Darauf haben auch schon Ehmann, S. 70; Rüßmann, Gesamtschuld, JuS 1974, 292 (298), und Münchbach, S. 117 f., hingewiesen. 143 Im Vorentwurf fand sich die Vorschrift des § 192 (heute § 255) noch bei den §§ 178 ff. (heute §§ 985 ff.). Nachweis bei Schubert, Vorentwürfe, Sachenrecht 1, S. 46 f.
1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
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verantwortlich. Folglich kann der Dritte für die Rückgabe der Sache keinen Ausgleich vom Schuldner verlangen. Es ergibt sich also im Ergebnis kein Unterschied zu der Gesamtschuldlösung. Wiederum wird ersichtlich, daß die Regreßregelung des § 255 allein die aus der vorrangigen Schadensersatzregelung des § 255 erwachsenden Regreßprobleme lösen soll. Ein weitergehender Ausgleich ist hingegen nicht bezweckt. So erklärt sich, daß die Zessionsregelung des § 255 - entgegen der Ansicht Münchbachs - eine Wertung zum Nachteil des Dritten trifft, ohne daß damit bereits über die Letztverantwortlichkeit entschieden ist. Aufschluß darüber gibt ggf. erst ein vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Schuldner und Drittem. l44 Da der Gesetzgeber diesbezüglich keine weitergehende Anordnung treffen wollte, konnte er den Regreß bei § 255 auf eine einseitige Ausgleichsregelung beschränken. Die Vorschrift des § 255 erweist sich insoweit als eine lex specialis zu der allgemeinen Ausgleichsregelung des § 426. 2. Erste Abwandlung: Die Sache wird von D zerstört
Wie im Ausgangsfall wird L aus Unachtsamkeit die Sache des E von D gestohlen. D zerstört die Sache jedoch später, da er kein Interesse daran findet. E steht auch hier gegen Lein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. I zu. Im Unterschied zum Ausgangsfall hat E jedoch gegen D keinen Herausgabeanspruch aus § 985 mehr, da D die Sache zerstört hat. Statt dessen steht ihm gegen Dein Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 Abs. 1 S. 1 ZU. 145 Fraglich ist, ob § 255 auch für den Fall der Sachzerstörung noch zur Anwendung kommt. Diese Frage ist ebenfalls im Wege der Gesetzesauslegung zu beantworten.
a) Wortlaut und Systematik des § 255 Im Unterschied zum Ausgangsfall hat L, der die Unmöglichkeit der Rückgabe der gestohlenen Sache zu vertreten hat, gemäß § 280 Abs. I nicht mehr für den bloßen Besitzentzug, sondern für die Zerstörung der Sache Schadensersatz zu leisten. Es macht daher keinen Unterschied, ob der Dieb die Sache zunächst stiehlt oder aber sofort zerstört. 146 Problematisch ist allein, ob die Zerstörung der Sache noch einen "Verlust" im Sinne des § 255 darstellt. Dazu im einzelnen unter 5. Daneben kommen weitere Schadensersatzansprüche aus §§ 992, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 i. V. m. § 303 StGB, § 826 in Betracht. Dies ist für die Abgrenzung zwischen Zessionsregreß und Gesamtschuld jedoch ohne Bedeutung. 146 Anders die Ansicht von Thiele, s. o. § 5 I. 144 145
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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Der gesetzestechnische Begriff des "Verlustes" findet sich in den Vorschriften zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache wieder, § 935 Abs. 1 S. 1. Er bezeichnet dort - ebenso wie auch bei § 856 Abs. 1 - lediglich den Besitzverlust, nicht aber die Zerstörung der Sache. Ebenso wird der Begriff des "Verlustes" im Fundrecht, §§ 965 ff., verwandt. Im Wege der systematischen Auslegung ist daher davon auszugehen, daß der Begriff des "Verlustes" auch bei § 255 lediglich den Besitzverlust kennzeichnet. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber diesem gesetzestechnischen Begriff bei § 255 eine andere Bedeutung hätte zumessen sollen als bei den Vorschriften der §§ 856 Abs. 1, 935 Abs. 1 S. 1, 965 ff. Hätte er unter "Verlust" im Sinne des § 255 auch die Fälle der Zerstörung verstehen wollen, so hätte es näher gelegen, die Vorschrift des § 255 um den gesetzestechnischen Begriff des "Untergangs" zu erweitern. Nicht der Begriff des "Verlustes", sondern der Begriff des "Untergangs" bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch des Gesetzgebers die Fälle der Zerstörung einer Sache. Es sei hier nur an die Vorschriften der §§ 292, 350, 351, 446, 644, 645, 848, 989 erinnert. Wortlaut und Systematik des Gesetzes sprechen folglich gegen eine Anwendung des § 255 in denjenigen Fällen, in denen die Sache zerstört wird. b) Teleologische und historische Auslegung
Gegen das bisherige Ergebnis der Gesetzesauslegung könnte man einwenden, daß Sinn und Zweck des § 255 zumindest eine analoge Anwendung des § 255 rechtfertigen. Wie in den Fällen des Sachverlustes, so komme es auch in den Fällen der Sachzerstörung zu Problemen bei der Schadensberechnung. Auch in diesen Fällen müsse bei der Berechnung des vom Schuldner zu leistenden Schadensersatzes die Möglichkeit des Gläubigers, vom Dritten Schadensersatz zu erhalten, berücksichtigt werden. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, daß in den Fällen der Sachzerstörung ein irreparabler Schaden eingetreten ist. Dieser entfällt auch nicht durch die Schadensersatzleistung des Dritten. Es besteht hier kein vorrangiges Interesse des Gläubigers an einer Leistung des Dritten. Aus diesem Grunde ist der Anspruch des Gläubigers gegen den Dritten bei der Berechnung des vom Schuldner zu leistenden Schadensersatzes nicht zu berücksichtigen. Im Ergebnis besteht damit bereits für die vorrangige Regelung des § 255 zur Schadensberechnung keine vergleichbare Interessenlage, die eine analoge Anwendung des § 255 in den Fällen der Sachzerstörung rechtfertigen könnte. Noch deutlicher wird die unterschiedliche Interessenlage, wenn man Sinn und Zweck der Ausgleichsregelung des § 255 betrachtet. Der Zessionsregeß des § 255 soll eine Eigentümergemeinschaft zwischen Gläubiger und
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Schuldner vermeiden. Der Zessionsregreß ist auf die Schwierigkeiten bei der Übertragung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 zurückzuführen. Dieser Zusammenhang zwischen § 255 und § 985 besteht aber in den Fällen der Sachzerstörung nicht. Infolge der Sachzerstörung besteht kein Herausgabeanspruch aus § 985 mehr, der einen Zessionsregreß zur Vermeidung von Eigentümergemeinschaften rechtfertigen könnte. Es besteht damit zwischen den Fällen des Sachverlustes und der Sachzerstörung keine vergleichbare Interessenlage, die Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 255 wäre. Im Gegenteil führt die teleologische Auslegung in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 255 zu dem Ergebnis, daß die Fälle der Sachzerstörung nicht dem Anwendungsbereich des § 255 zuzuordnen sind. In den Fällen der Sachzerstörung bestehen daher keine Bedenken gegen einen Regreß nach den Vorschriften der Gesamtschuld. Soweit man nicht aufgrund des Umstandes, daß E auch gegen Lein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zustehen dürfte, bereits von einem Fall der in § 840 Abs. 1 angeordneten Gesamtschuld ausgeht, sind zumindest die Voraussetzungen des § 421 S. 1 erfüllt. Leistet der Schuldner also an den Gläubiger Schadensersatz, so hat er gegen den Dritten einen Ausgleichsanspruch aus abgeleitetem Recht des Gläubigers gemäß den §§ 426 Abs. 2 S. 1, 989, 990 Abs. 1 S. 1. 147 3. Zweite Abwandlung: Die Sache wird von D beschädigt L wird aus Unachtsamkeit die Sache des E von D gestohlen. Im Unterschied zur ersten Abwandlung des Ausgangsfalls wird die Sache von D nicht zerstört, sondern lediglich beschädigt.
Anhand des vorliegenden Falles hat Münchbach bereits aufgezeigt, daß es sich unter Zugrundelegung der von ihm entwickelten Abgrenzungsformel um einen Grenzfall zwischen Zessionsregreß und Gesamtschuld handelt. 148 Hinsichtlich der Beschädigung handelt es sich um einen Fall der Gesamtschuld, bezüglich der Sache selbst liegt ein Fall des Zessionsregresses vor. Diese Überlegungen Münchbachs lassen sich am besten veranschaulichen, wenn man den Fall der Sachbeschädigung gedanklich in einen solchen des (teilweisen) Sachverlustes und einen solchen der (teilweisen) Sachzerstörung aufteilt. Der Fall der Sachbeschädigung stellt dann eine Kombination des Ausgangsfalles mit der ersten Abwandlung dar. Soweit die Sache noch vorhanden ist, handelt es sich um einen Sachverlust. Soweit die Sache hingegen beschädigt ist und damit wertmäßig untergegangen ist, handelt es 147 Zu weiteren Schadensersatzansprüchen, die in Betracht kommen, s. bereits die Anmerkung in Fn. 145. 148 Münchbach, S. 124 f.; s. dazu schon oben § 4 11.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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sich um einen Fall der Sachzerstörung. Aus dieser Überlegung ergibt sich unmittelbar die Lösung für die zweite Abwandlung des Ausgangsfalles und damit zugleich der Nachweis für die von Münchbach vorgeschlagene Formel zur Abgrenzung des Zessionsregresses von der Gesamtschuld. Soweit die Sache noch vorhanden ist und ein Anspruch aus § 985 besteht, kommt der Zessionsregreß des § 255 zur Anwendung. Soweit hingegen die Sache beschädigt und der Anspruch aus § 985 untergegangen ist, handelt es sich um einen Anwendungsfall der Gesamtschuld. Leistet der Schuldner also an den Gläubiger Schadensersatz in Höhe des vollen Wertinteresses, so gehen die Schadensersatzansprüche des Gläubigers gegen den Dritten aus §§ 989, 990 Abs. I S. 1 wegen der Sachbeschädigung kraft Gesetzes gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 auf den Schuldner über. Hinsichtlich des Herausgabeanspruchs aus § 985 ist hingegen gemäß § 255 eine gesonderte Abtretung erforderlich. Es ist damit festzustellen, daß die Ergebnisse der Gesetzesauslegung die von Münchbach vorgeschlagene Abgrenzungsformel bestätigen. Entgegen der Auffassung Münchbachs läßt sich diese Formel jedoch nicht damit begründen, daß es sich bei § 255 im Gegensatz zu der Regreßregelung des § 426 lediglich um eine Ausgleichsregelung handele, die keine Wertung vorsehe. Maßgeblich für die Abgrenzung ist allein der Umstand, daß der Zessionsregreß auf die Schwierigkeiten bei der Übertragung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 zurückzuführen ist. Diesen Umstand, auf den bereits Ehmann hingewiesen hat,149 hat Münchbach vernachlässigt. 150 Um daher den engen Zusammenhang zwischen dem Zessionsregreß gemäß § 255 und dem dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 zu betonen, wird für das allgemeine Regreßrecht die folgende Abgrenzungsformel vorgeschlagen: "Der Zessionsregreß des § 255 kommt im Verhältnis zwischen Gläubiger, Schuldner und Drittem zur Anwendung, solange und soweit ein Anspruch aus § 985 wegen der in Streit befindlichen Sache besteht. Bei allen übrigen Fällen handelt es sich um Anwendungsfälle der Gesamtschuld ...
Die Formulierung "solange" berücksichtigt die Fälle der Zerstörung der Sache, die Formulierung "soweit" berücksichtigt die Fälle der teilweisen Zerstörung, d. h. die Fälle der Beschädigung. Im Ergebnis ist damit eine klare Formel zur Abgrenzung des Zessionsregresses von der Gesamtschuld gewonnen. Ehmann, S. 70. Münchbach, S. 118, stellt fest, es handele sich nur um einen Teil des Problems. Im Anschluß führt er aus, daß § 426 im Unterschied zu § 255 zu wenig bewirke, da die Vorschrift nicht das dingliche Recht selbst zu übertragen vermöge. Es handele sich daher um ein aliud. Diese Ausführungen sind bereits im Zusammenhang mit der Kritik an der Lösung Münchbachs widerlegt worden, s. o. § 4 11. 149
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß 4. Dritte Abwandlung: D veräußert die Sache mit Genehmigung des E an X
L wird aus Unachtsamkeit die Sache des E von D gestohlen, der sie an X veräußert. E genehmigt diese Veräußerung. 151
Da E die Veräußerung seiner Sache von D an X genehmigt hat, tritt im Verhältnis zwischen E und D an die Stelle des Herausgabeanspruchs aus § 985 ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 auf Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten. Da dieser Anspruch lediglich einen Ersatzanspruch für den dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 darstellt, könnte man zu dem Ergebnis gelangen, daß § 255 für die vorliegende Abwandlung erst recht gelten müsse. 152 Bereits der Wortlaut des § 255 spricht aber gegen eine solche Annahme. Der Begriff des "Verlustes" bezeichnet lediglich den Besitzverlust, nicht aber den Eigentumsverlust. Dies ergibt sich aus der gesetzestechnischen Verwendung dieses Begriffs. 153 Des weiteren besteht in der vorliegenden Abwandlung auch nach Sinn und Zweck des § 255 kein Anlaß für eine Anwendung des Zessionsregresses. Da der Anspruch aus § 985 untergegangen ist, braucht eine Eigentümergemeinschaft zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner nicht mehr befürchtet zu werden. Es besteht kein dinglicher Anspruch mehr, dessen Übertragung aufgrund der dynamischen Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 2 S. 1 Schwierigkeiten bereiten könnte. Der Anspruch des E gegen D aus § 816 Abs. 1 S. 1 ist ebensogut teilbar wie der Schadensersatzanspruch des E gegen Saus § 280 Abs. 1. Es liegt folglich auch hier ein Anwendungsfall der Gesamtschuld vor. Nach der soeben gewonnenen Abgrenzungsformel handelt es sich bei der vorliegenden Abwandlung ebenfalls um einen Anwendungsfall der Gesamtschuld, da im Verhältnis zwischen Gläubiger, Schuldner und Drittem kein Anspruch aus § 985 mehr besteht. Die Abgrenzungsformel findet also ihre Bestätigung. 151 Vergleichbare Fälle geben in Rechtsprechung und Literatur Anlaß zur Verwirrung. Der BGH hat in seiner sogenannten Stapellagerentscheidung, BGHZ 52, 39 (42), die Anwendung des § 255 in den Fällen des Eigentumsverlustes verneint, da die Abtretung des Anspruchs aus § 816 an den Dieb keinen Sinn habe. Zustimmend zu dieser aus seiner Sicht "bahnbrechenden" Entscheidung äußert sich Münchbach, S. 129 f. Ebenso Lange, § 11 B 11. Diese Autoren können sich auf die weitere Entscheidung BGH JZ 1984, 230 (232), berufen, dem ein Fall des Eigentumsverlustes zugrunde lag, bei dem der BGH ebenfalls eine gesarntschuldnerische Haftung bejaht hat. Dagegen befürworten ReinickelTiedtke, Anmerkung zum BGH, JZ 1984, 232 (233 f.), in diesem Fall eine Anwendung des § 255. Ebenso für die Fälle des Eigentumsverlustes Selb, in: Staudinger, § 255, Rdnr. 10, und Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 160 ff. 152 So Goette, Gesamtschuldbegriff. S. 161; ders., Regreßwege. VersR 1974,526 (529). 153 S. o. 2 a.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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5. Vierte Abwandlung: D veräußert die Sache ohne Genehmigung des E an X Im Unterschied zur dritten Abwandlung verweigert E die Genehmigung zu der unbefugten Veräußerung der Sache von D an X.
Bei dieser Fallvariante handelt es sich nicht blQß um ein Dreiecksverhältnis, sondern um ein Vier-Personen-Verhältnis, da E im Unterschied zu den bisherigen Fällen nicht nur gegen L und D, sondern auch gegen X ein Anspruch zusteht. X ist E gemäß § 985 zur Herausgabe der Sache verpflichtet. Daneben haften sowohl L als auch D dem E auf Schadensersatz. Gegen L hat E einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. I, während ihm ein solcher gegen D aus §§ 989, 990 Abs. I S. 1 zusteht. Nach der soeben entwickelten Abgrenzungsformel kommt der Zessionsregreß in den Dreiecksverhältnissen L - E - X und D - E - X zur Anwendung, da in diesen Dreiecksbeziehungen ein Herausgabeanspruch aus § 985 besteht. Dagegen handelt es sich bei dem Dreiecksverhältnis L - E - D um einen Anwendungsfall der Gesamtschuld, da der Anspruch aus § 985 in diesem Dreiecksverhältnis untergegangen ist. Bei den Ausgleichsansprüchen muß danach differenziert werden, welcher der drei Anspruchsgegner an E leistet. Ein Ausgleichsanspruch kommt jeweils nur in den beiden Dreiecksverhältnissen in Betracht, an denen der leistende Anspruchsgegner beteiligt ist. a) X gibt die Sache an E zurück
In den beiden Dreiecksverhältnissen, an denen X beteiligt ist, kommt der Zessionsregreß des § 255 zur Anwendung. Nach der Wertung dieser Vorschrift stehen dem herausgabepflichtigen Dritten jedoch keine Regreßansprüche gegen den Schuldner zu. X hat also weder gegen L noch gegen D Regreßansprüche. Es bedarf in diesem Fall auch keines Regreßanspruchs, da X bereits gegen D ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 433 Abs. 1 S. 1, 440 Abs. 1, 325 zusteht. Gegen L stehen ihm hingegen mangels eines vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses keine Ansprüche zu. b) D leistet an E Schadensersatz
Im Dreiecksverhältnis mit L kommt ein Ausgleich nach den Vorschriften der Gesamtschuld in Betracht. Ein Regreßanspruch aus §§ 426 Abs. 2 S. 1, 280 Abs. 1 ist jedoch analog § 254 ausgeschlossen, da D die Hauptverantwortung für die Unmöglichkeit der Herausgabe trägt. Im Dreiecksverhältnis mit X kommt der Zessionsregreß zur Anwendung. E ist dem D zur Abtretung des Herausgabeanspruchs aus § 985 verpflichtet. 6 Slamm
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I. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Diesen Anspruch kann D gegenüber X jedoch nicht geltend machen, da er dem X gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 zur Übereignung der Sache verpflichtet ist. X steht daher gegenüber dem Anspruch aus § 985 die Arglisteinrede aus § 242 zu (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). c) L leistet an E Schadensersatz
Im Dreiecksverhältnis mit X erlangt L im Wege des Zessionsregresses einen Herausgabeanspruch aus § 985. Gegenüber D steht ihm ein Ausgleichsanspruch aus §§ 426 Abs. 2 S. 1, 989, 990 Abs. 1 S. 1 zu. Es ergibt sich also ein neues Dreiecksverhältnis zwischen L, X und D. Hier kommt der Zessionsregreß zur Anwendung, da in diesem Dreiecksverhältnis weiterhin der Anspruch aus § 985 besteht. Bei der weiteren Abwicklung muß wiederum danach unterschieden werden, welcher Anspruchsgegner an E leistet: Gibt X die Sache an L zurück, so ist ein Regreßanspruch des X gegen D aufgrund der Wertung des § 255 ausgeschlossen. Es bedarf jedoch auch hier keines gesonderten Ausgleichsanspruchs, da X gegen D der Schadensersatzanspruch aus §§ 433 Abs. 1 S. 1, 440 Abs. 1, 325 zusteht. Leistet umgekehrt D an L Schadensersatz, so steht ihm gegen X der Herausgabeanspruch aus § 985 zu. X kann diesem Anspruch aber die Arglisteinrede aus § 242 entgegenhalten. Die hier entwickelte Abgrenzungsformel führt also auch bei komplizierteren Fallgestaltungen zu sachgerechten Ergebnissen, die den Wertungen des Gesetzgebers Rechnung tragen. Zugleich veranschaulichen die soeben erörterten Fallvarianten, daß die Gesamtschuld und der Zessionsregreß gemäß § 255 einander überlagern können, sobald durch eine unbefugte Weiterveräußerung der verlorenen Sache eine vierte Person in das Dreiecksverhältnis zwischen Eigentümer, Schuldner und Drittem involviert wird. Hier muß sorgfaltig zwischen den verschiedenen Dreiecksverhältnissen unterschieden werden, an denen der ggf. Ausgleichsberechtigte beteiligt ist, um zu einer sachgerechten Lösung zu gelangen. Der vermeintliche Widerspruch, daß Gesamtschuld und Zessionsregreß sich im Dreiecksverhältnis gegenseitig ausschließen, im Vier-Personen-Verhältnis aber einander überlagern können, löst sich damit auf. 154 Des weiteren wird deutlich, daß dem Zessionsregreß 154 Rüßmann, Farbfernsehgerät, JuS 1972, 44 (45), wirft Metzler, JuS 1971, 589 (590 ff.), vor, daß er in einem der Entscheidung BGHZ 52, 39 ff., nachgebildeten Fall die Abwicklungsmodelle der Gesamtschuld und des Zessionsregresses gemäß § 255 kumulativ anwende, obwohl diese Modelle sich gegenseitig ausschlössen. In dem Beispielsfall war dem Eigentümer (E) vom Dieb (D) ein Fernseher gestohlen worden, den dieser an den Verkäufer (V) verkaufte, der ihn an den Käufer (K) weiterveräuBerte. D leistete später an E Schadensersatz i. H. v. 1.500,- DM. E genehmigte die Weiterveräußerung durch V und erhielt von diesem ebenfalls 1.500,- DM.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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zwar einerseits - entgegen der Auffassung Münchbachs - eine Wertung zugrunde liegt, die Vorschrift andererseits jedoch - entgegen der Ansicht Selbs - noch nichts über die Letztverantwortlichkeit im Innenverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Dritten aussagt. Hierüber entscheidet ggf. erst ein vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis. IV. Ergebnis der eigenen Lösung Es handelt sich beim Zessionsregreß des § 255 im Verhältnis zur Gesamtschuld um eine spezielle Regreßregelung. Diese Regelung kommt nur in den in § 255 geregelten Fällen des Besitzverlustes einer Sache zur Anwendung. In diesen seltenen Fällen ist wegen der Schwierigkeiten bei der Übertragung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 eine von der dynamischen Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 2 S. 1 abweichende Regreßregelung gerechtfertigt. In allen anderen Fällen erweist sich die Gesamtschuld als das maßgebliche Regreßinstitut des BGB. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die folgende Formel zur Abgrenzung des Zessionsregresses von der Gesamtschuld: ,,§ 255 ist als lex specialis gegenüber der allgemeinen Ausgleichsregelung des § 426 anwendbar, solange und soweit in dem jeweiligen Dreiecksverhältnis ein dinglicher Herausgabeanspruch aus § 985 wegen der in Streit befindlichen Sache besteht."
Berücksichtigt man die unterschiedlichen Dreiecksverhältnisse, an denen D im Besprechungsfall beteiligt war, haben beide Autoren Recht. Im jeweiligen Dreiecksverhältnis schließen Gesamtschuld und Zessionsregreß einander aus. Im Dreiecksverhältnis zwischen E, D und V liegt ausschließlich ein Gesamtschuldverhältnis vor, da die verlorene Sache hier nicht mehr existent ist. Gleichwohl kommt es zu einer Überlappung mit dem Zessionsregreß gemäß § 255, der im Dreiecksverhältnis zwischen E, D und K zur Anwendung kommt, solange E die Verfügung des V nicht genehmigt hat. Nach der Genehmigung besteht gegen K kein Vindikationsanspruch mehr. K scheidet aus dem Vier-Personen-Verhältnis aus, da auch kein anderweitiger Anspruch mehr gegen ihn gegeben ist. Das Vier-Personen-Verhältnis reduziert sich wieder auf das ursprüngliche Dreiecksverhältnis zwischen E, D und V. Die Anwendung der Gesamtschuldregeln wird hier durch die Genehmigung des E nicht berührt. Allerdings ist durch die Schadensersatzleistung des D an E bereits eine Gesamttilgungswirkung eingetreten, §§ 422, 426 Abs. 2, 254. Da mithin der Bereicherungsanspruch des E gegen V aus § 816 Abs. I S. 1 durch die Leistung des D bereits erloschen war, hat E die zweiten 1.500,- DM von V ohne Rechtsgrund erlangt. V kann dieses Geld von E gemäß § 812 Abs. 1 S. I, 1. Fall kondizieren. Regreßprobleme treten nicht mehr auf! 6"
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
§ 8 Überlegungen zur Entstehungsgeschichte des Zessionsregresses und Folgerungen de lege ferenda Nachdem auf der Grundlage des geltenden Rechts im Anschluß an
Münchbach eine allgemeine Formel zur Abgrenzung des Zessionsregresses
von der Gesamtschuld entwickelt worden ist, soll die gesetzliche Regelung des § 255 einer gesonderten Kritik unterzogen werden. Diese Kritik mag erhellen, weshalb es bisher in Rechtsprechung und Literatur nicht gelungen ist, zu einer einheitlichen Abgrenzungsformel zu gelangen, die Ansatzpunkt für eine gesetzgeberische Korrektur dieser Vorschrift sein könnte. 155 I. Berechnung des Schadensersatzes bei Besitzverlust Bei der Kritik an den einzelnen Regelungen des § 255 ist zwischen den Motiven des Gesetzgebers (Sinn und Zweck des Gesetzes) einerseits und der äußeren Gestaltung des Gesetzes (Wortlaut und Systematik) andererseits zu unterscheiden. 1. Motive des Gesetzgebers: Sinn und Zweck der Schadensersatzregelung
Die Haftungserweiterung im Falle des Verlustes einer Sache auf deren volles Wertinteresse erscheint durchaus angemessen, um die Probleme bei der Berechnung des vom Schuldner zu leistenden Schadensersatzes zu überwinden. Da der Schuldner im Verhältnis zum Gläubiger für den Verlust der Sache allein verantwortlich ist, erscheint eine solche Problembewältigung zum Nachteil des Schuldners gerechtfertigt. Die Motive des Gesetzgebers brauchen indes hier nicht weiter bewertet zu werden, da es sich nicht um eine Regreßregelung, sondern um eine Schadensersatzregelung handelt. Dies gehört nicht mehr zum Thema der vorliegenden Arbeit. 2. Wortlaut und Systematik
In den einleitenden Bemerkungen zum Regelungsgehalt des § 255 ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die Schadensersatzregelung des § 255 dem Wortlaut dieser Vorschrift kaum zu entnehmen ist. 156 Sie ergibt sich erst mittelbar aus der Regreßregelung des § 255 und findet ihre Bestätigung durch die Motive. Angesichts dieses unzureichenden Wortlauts des § 255 ist es nicht verwunderlich, daß die eigentliche Regelung des § 255 155 Die Schuldrechtskommission hat sich mit der Regelung des § 255 nicht auseinandergesetzt und hält an der geltenden Fassung fest; Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band I. S. 475. 156 S. o. § 2 11 1.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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zur Berechnung des Schadensersatzes bei Besitzverlust häufig übersehen wird. Dementsprechend wird dann auch der Zusammenhang zwischen der vorrangigen Schadensersatzregelung des § 255 und der erst daran anknüpfenden Regreßregelung vernachlässigt. Anstatt den Zessionsregreß auf die in § 255 geregelten Schadensersatzfälle bei Besitzverlust zu beschränken, für die er allein bestimmt ist, wird der Zessionsregreß als allgemeines Regreßinstitut des BGB aufgefaßt. Dieses Mißverständnis hätte vermieden werden können, wenn der Gesetzgeber die vorrangige Regelung des § 255 zur Berechnung des Schadensersatzes bei der Formulierung dieser Vorschrift genügend zum Ausdruck gebracht hätte. Die folgende Ergänzung hätte bereits genügt: "Wer für den Verlust einer Sache Schadensersatz zu leisten hat, haftet auf das volle Wertinteresse. Er ist zum Ersatze nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die ... "
Auch im nachhinein könnte der Gesetzgeber durch eine vergleichbare Korrektur Mißverständnisse bei der Auslegung des § 255 vermeiden. Im Gegensatz zum unzureichenden Wortlaut des § 255 trägt hingegen seine systematische Einordnung im Schadensersatzrecht dem Umstand Rechnung, daß es sich vorrangig um eine Schadensersatznorm und nicht um eine Regreßnorm handelt. 3. Ergebnis zur Schadensersatzregelung des § 255
Die Regelung zur vereinfachten Berechnung des Schadensersatzes beim Besitzverlust einer Sache ist interessengerecht. Ebenso entspricht die Einordnung der Vorschrift im allgemeinen Schadensrecht den systematischen Anforderungen des BGB. Kritikwürdig ist aber, daß die Schadensersatzregelung dem Wortlaut der Vorschrift nicht unmittelbar zu entnehmen ist.
n. Zessionsregreß Bei der Ausgleichsregelung des § 255 muß ebenfalls zwischen den Motiven des Gesetzgebers und der äußeren Gestaltung des Gesetzes unterschieden werden. 1. Die Beweggründe des Gesetzgebers für die Zessionsregelung
Die Zessionsregelung des § 255 dient zur Bewältigung der Regreßprobleme, die sich aus der Schadensersatzregelung des § 255 ergeben. Der Gesetzgeber hat den Zessionsregreß geschaffen, um eine Eigentümergemeinschaft zwischen Gläubiger und Schuldner zu vermeiden. 157 Fraglich 157
S. o. § 7 III 1 b aa.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
ist, ob ein solches Motiv eine von der Gesamtschuld abweichende Regreßregelung zu rechtfertigen vermag oder ob nicht ganz andere Bedenken gegen die Anwendung der Gesamtschuld sprechen. a) Vermeidung einer Eigentümergemeinschajt
Die Regreßprobleme, die sich aus der Schadensersatzregelung des § 255 ergeben, könnten auch über die Gesamtschuld gelöst werden. 158 Es hätte dazu des Zessionsregresses nicht bedurft. Bedenken ergeben sich allein für den Fall, daß der zum Schadensersatz verpflichtete Schuldner nur teilweise Schadensersatz leistet. In dieser Konstellation käme es aufgrund der dynamischen Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 2 S. I zu einer Eigentümergemeinschaft, die der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte. 159 Die möglichen Gefahren einer solchen Eigentümergemeinschaft, zu denen sich der Gesetzgeber konkret nicht geäußert hat,I60 werden jedoch bereits durch die Regelung des § 426 Abs. 2 S. 2 vermieden. Aufgrund dieser Regelung kann der (teilweise) Forderungsübergang nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden. Es bedarf folglich keines gesonderten Regreßinstituts, um die Nachteile einer Eigentümergemeinschaft zu vermeiden. Die Gesamtschuld trägt diesen Fällen, bei denen ein Gesamtschuldner lediglich einen Teil der geschuldeten Leistung erbringt, bereits durch die Regelung des § 426 Abs. 2 S. 2 Rechnung. 161 b) Berücksichtigung des Traditionsprinzips im Sinne der §§ 929 ff.
Da die Vermeidung von Eigentümergemeinschaften keine von der Gesamtschuld abweichende Regreßregelung rechtfertigt, stellt sich die Frage, ob nicht anderweitige Bedenken gegen die Anwendung der Gesamtschuld in den durch § 255 geregelten Fällen bestehen. Solche Bedenken könnten sich aus dem Traditionsprinzip der §§ 929 ff. ergeben, demzufolge eine Eigentumsübertragung nur durch Einigung und Übergabe erfolgen
s. o. § 7 III
1 a. Genaugenommen liegt nur eine Gemeinschaft hinsichtlich des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 vor, da der gesetzliche Forderungsübergang gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 ebensowenig wie die Zessionsregelung des § 255 zum Eigentumsübergang führt. Zu dieser Problematik, die der Gesetzgeber übersehen hat, sogleich nachfolgend unter b. 160 Die Protokolle, Band I, S. 301 f. (abgedruckt unter Fn. 140), beschränken sich auf eine allgemeine Behauptung zur Unzweckmäßigkeit einer solchen Eigentümergemeinschaft. 161 Dies hat der Gesetzgeber übersehen. Er hat sich bei der Regelung des § 255 nicht mit der Möglichkeit einer Gesamtschuldlösung auseinandergesetzt (s. dazu schon die Anmerkung in Fn. 139). 158 159
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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kann. Dies schließt einen Eigentumsübergang im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 aus. Die Gesamtschuld kann in den in § 255 geregelten Fällen des Besitzverlustes lediglich einen gesetzlichen Übergang des Herausgabeanspruchs aus § 985 begründen, nicht aber einen Übergang des Eigentums selbst. Die Frage nach dem Übergang des Vollrechts bleibt daher bei der Gesamtschuldlösung unbeantwortet. Diese Überlegungen könnten in den in § 255 geregelten Fällen des Besitzverlustes eine eigenständige Regreßregelung rechtfertigen, die in Übereinstimmung mit dem Traditionsprinzip steht. Da der Gesetzgeber dieses Prinzip bei der Regelung des § 255 ursprünglich selbst berücksichtigen wollte, soll zunächst die Entstehungsgeschichte des § 255 betrachtet werden. aa) Erster Entwurf und Motive Wegen der praktischen Vorteile eines gesetzlichen Forderungsübergangs gegenüber einer rechtsgeschäftlichen Abtretung hatte die erste Kommission ursprünglich auch bei § 255 eine cessio legis vorgesehen. 162 Es bestand also zunächst kein Unterschied zur Gesamtschuld. Hätte der Gesetzgeber diese Parallele erkannt, so hätte er zu diesem Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens auf eine gesonderte Regreßregelung verzichten können. An einer weitergehenden Regelung, die nicht nur einen Übergang der Ansprüche aus dem Eigentum, sondern auch einen solchen des dinglichen Rechts selbst angeordnet hätte, sah sich der Gesetzgeber im Hinblick auf das den §§ 929 ff. zugrunde liegende Traditionsprinzip gehindert. Die erste Kommission begnügte sich daher mit dem gesetzlichen Übergang der Ansprüche aus dem Eigentum,163 wobei sie davon ausging, daß der Anspruch aus
162 § 223 des ersten Entwurfs lautete wie folgt: "Wird in Folge der Entziehung oder der VorenthaItung einer Sache oder eines Rechtes Schadensersatz für den Verlust der Sache oder des Rechtes selbst von dem Ersatzpflichtigen geleistet, so gehen auf den letzteren mit der Ersatzleistung die Ansprüche über, welche dem Entschädigten auf Grund des Eigenthums oder des sonstigen Rechtes gegen Dritte zustehen." Nachweis bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, § 255, S. 122. In den Motiven, Band 11, S. 25, finden sich dazu u.a. die folgenden Ausführungen: "Diese ... Bestimmung empfiehlt sich durch ihre Einfachheit vor dem ... anderwärts ... befolgten Wege, wonach dem Schadensersatzpflichtigen der gesetzliche Anspruch auf Abtretung der Ansprüche gegeben ... wird. Der unmittelbare Uebergang der letzteren auf den Schadensersatzpflichtigen erscheint zudem billiger und für letzteren sicherer, weil ... die Erzwingung der Abtretung nicht selten unterbleiben würde." 163 Motive, Band 11, S. 25: "Noch weiter zu gehen und ... die Rechte selbst, in welchen die verbliebenen Ansprüche sich gründen, übergehen zu lassen, wäre bei beweglichen Sachen schon wegen des Traditionsprinzipes anomal und überhaupt bedenklich, bei Grundstücken aber mit den Prinzipien des Grundbuchrechtes unvereinbar."
I. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
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§ 985 sich vom Eigentum trennen ließe. l64 Folglich wurde zu diesem Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens das Traditionsprinzip konsequent berücksichtigt. 165 bb) Zweiter Entwurf und Protokolle Die zweite Kommission hat die zunächst geplante cessio legis des ersten Entwurfs aufgehoben, um Eigentümergemeinschaften zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zu vermeiden. 166 Statt dessen hat sie sich für einen rechtsgeschäftlichen Übertragungsmechanismus entschieden, wie er sich in der geltenden Fassung des § 255 wiederfindet. Diese Abkehr von dem ersten Entwurf hätte es dem Gesetzgeber ermöglicht, in Übereinstimmung mit dem Traditionsprinzip einen rechtsgeschäftlichen Übergang des Vollrechts zu regeln. 167 Diese Möglichkeit wurde jedoch zu diesem Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens übersehen, da die zweite Kommission sich allein darauf konzentrierte, eine Regelung zu finden, die Eigentümergemeinschaften zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner verhindert. Dementsprechend hat sie sich darauf beschränkt, statt eines gesetzlichen Forderungsübergangs einen rechtsgeschäftlichen anzuordnen. Diese geltende Regelung des § 255 vermag zwar unliebsame Eigentümergemeinschaften zu vermeiden, hinsichtlich des Eigentumsübergangs leistet sie jedoch nicht mehr als die ursprünglich geplante cessio legis. Der Zessionsregreß begründet ebenso wie die cessio legis lediglich einen Übergang des Herausgabeanspruchs aus § 985, nicht aber einen solchen des Vollrechts. Unter dem Gesichtspunkt des Traditionsprinzips rechtfertigt die geltende Regelung des § 255 daher ebenfalls keine von der Gesamtschuld abweichende Regreßregelung. 168 cc) Harmonisierung des ersten und des zweiten Entwurfs Auch wenn die zweite Kommission bei der endgültigen Fassung des § 255 die Problematik des Eigentumsübergangs übersehen hat, so ist sie Auf diese Streitfrage ist nachfolgend unter cc einzugehen. Es erscheint allerdings sehr zweifelhaft, ob die Regelung des ersten Entwurfs sinnvoll gewesen wäre. Die praktischen Vorteile des gesetzlichen Forderungsübergangs wären durch das Erfordernis eines zusätzlichen rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergangs zunichte gemacht worden. Die Frage kann aber dahinstehen, da die ursprünglich geplante Fassung des § 255 sich nicht durchgesetzt hat. 166 S. o. § 7 III I b aa. 167 Dazu sogleich unter cc. 168 Münchbach, S. 109, meint hingegen, die Zessionsregelung des § 255 sei auf eine Übertragung des Vollrechts gerichtet, so daß es sich um ein aliud im Verhältnis zur Gesamtschuld handele; s. dazu schon die entsprechende Kritik unter § 4 11 2 c. 164 165
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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doch von einem Übergang des Vollrechts ausgegangen. Andernfalls hätte sie nicht zu dem Problem der unliebsamen Eigentümergemeinschaften gelangen können. Ohne den Übergang des Vollrechts ist eine Eigentümergemeinschaft undenkbar. Die zweite Kommission mag bei der endgültigen Fassung des § 255 davon ausgegangen sein, daß im Rahmen der Abtretungsvereinbarung zugleich eine rechtsgeschäftliche Einigung zur Eigentumsübertragung erfolgt. Eine solche Übertragung des Vollrechts ergibt sich jedoch nicht aus der Regelung des § 255, sondern erst durch Auslegung der Abtretungsvereinbarung. Der Eigentumsübergang vollzieht sich dann in Übereinstimmung mit dem Traditionsprinzip durch Einigung und Übergabe gemäß § 929 S. 1. Der Abtretung des Herausgabeanspruchs aus § 985 kommt dann allenfalls die Funktion zu, die zur Eigentumsübertragung fehlende Übergabe zu ersetzen. Die Verfasser des BGB gingen noch von der Vorstellung aus, daß der Vindikationsanspruch isoliert vom Eigentum übertragbar sei. 169 Demzufolge vollzog sich der Übergang des Vollrechts gemäß den §§ 929 S. 1,931 durch Einigung und Abtretung des Vindikationsanspruchs. 17o Nach heute herrschender Ansicht ist der Vindikationsanspruch untrennbar mit dem Eigentum verbunden. 171 Der Eigentumsübergang vollzieht sich daher durch schlichte Einigung, sofern nicht neben dem Anspruch aus § 985 anderweitige Herausgabeansprüche aus einem Besitzmittlungsverhältnis bestehen. 172 Unabhängig von dieser Streitfrage geht es demzufolge beim Zessionsregreß der Sache nach nicht um die Abtretung des Herausgabeanspruchs aus § 985, sondern um die Übereignung der verlorenen Sache. 173 Wäre sich der 169 Die Möglichkeit der Trennung von Eigentum und Vindikationsanspruch wird bereits von Johow, dem Redaktor des Vorentwurfs zu § 192, dem späteren § 255, erörtert, auch wenn Johow einen Übergang des Vollrechts befürwortet. Nachweis bei Schubert, Sachenrecht 1, S. 1078. Im späteren Schrifttum gehen Heck, S. 54; Siber, in: Planck, § 255, Anm. 3, und Oertmann, S. 300 f., davon aus, daß § 255 lediglich eine Verpflichtung zur Abtretung des Vindikationsanspruchs, nicht aber eine solche zur Übereignung begründe. Das Eigentum verbleibe zunächst beim früheren Eigentümer. Umstritten war allein die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Eigentümer zur Übereignung verpflichtet sein sollte. 170 So noch RGZ 52, 385 (394); 59, 367 (371), und Siber. in: Planck, § 255, Anm.3. 171 Bassenge, in: Palandt, § 985, Rdnr. 2; BaurlStümer, § 11, Rdnr. 44; Gursky, in: Staudinger, § 985, Rdnr. 3, mit umfassenden Nachweisen; Wiegand, in: Staudinger, § 931, Rdnr. 13; Wolf, JA 1985,369 (379). 172 Bassenge, in: Palandt, § 931, Rdnr. 3; Wiegand, in: Staudinger, § 931, Rdnr. 14. 173 Lange, § 11 B I; Heinrichs, in: Palandt, § 255, Rdnr. 9, und Mertens, in: Soergel, § 255, Rdnr. 9, gehen daher unter Berufung auf RGZ 59, 367 (371), davon aus, daß mit der Abtretung der Ersatzleistende auch das Eigentum an der verlorenen Sache erwerbe. Anderer Ansicht ist Selb, in: Staudinger, § 255, Rdnr. 14. § 255 statuiere keine Übereignungspflicht, sondern lediglich eine Verpflichtung zur Abtre-
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Gesetzgeber dieser Problematik bewußt gewesen, so hätte er sich bei der Regelung des § 255 wohl eher für die folgende Formulierung entschieden: "Wer für den Verlust einer Sache Schadensersatz zu leisten hat, ist zum Ersatze nur gegen Übereignung der Sache verpflichtet."
Unter "Übereignung der Sache" wäre nach der Vorstellung der Väter des BGB die Übereignung durch Einigung und Abtretung des Vindikationsanspruchs im Sinne der §§ 929 S. I, 931 zu verstehen. Dies hätte zur weiteren KlarsteIlung ebenfalls durch eine entsprechende Formulierung zum Ausdruck gebracht werden können. Eine gesonderte Abtretung wäre hingegen nach dem derzeitigen Stand der Rechtswissenschaft entbehrlich, so daß aus heutiger Sicht unter "Übereignung der Sache" konkret nur die dingliche Einigung zu verstehen wäre. Könnte sich der Gesetzgeber im nachhinein zu einer vergleichbaren Gesetzesänderung entschließen, so würde die Vorschrift des § 255 nicht nur die Übertragung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 sicherstellen, sondern - in Übereinstimmung mit dem Traditionsprinzip - auch die endgültige Übertragung des Vollrechts gewährleisten. Dies würde nach dem heutigen Stand der Rechtsdogmatik nicht nur den untrennbaren Zusammenhang zwischen dem dinglichen Vollrecht und dem Vindikationsanspruch unterstreichen. Zugleich würde damit die Notwendigkeit einer eigenständigen Regreßregelung begründet, da die allgemeine Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 2 S. 1 lediglich einen Übergang des dinglichen Herausgabeanspruchs ermöglicht. Insoweit würde die Auffassung Münchbachs bekräftigt, daß es sich bei der Ausgleichsregelung des § 255 nicht um eine lex specialis, sondern um ein aliud im Verhältnis zur Gesamtschuld handelt. De lege lata ist eine solche Bestätigung jedoch nicht möglich. Im übrigen ist anzumerken, daß durch eine Gesetzesänderung, wie sie hier vorgeschlagen worden ist, auch weiterhin Eigentümergemeinschaften zwischen Gläubiger und Schuldner vermieden würden. Eine solche Regelung hätte daher dem Willen des Gesetzgebers eher entsprochen als die geltende Fassung des § 255. c) Ergebnis zu den Motiven des Gesetzgebers zum Zessionsregreß
Die Nachteile einer drohenden Eigentümergemeinschaft zwischen Gläubiger und Schuldner in den in § 255 geregelten Fällen des Besitzverlustes rechtfertigen noch keine von der Gesamtschuld abweichende Regreßregelung. Diese Nachteile hätten auch durch die Gesamtschuldregelung des § 426 Abs. 2 S. 2 vermieden werden können. Dagegen gibt das Traditionstung. Der Vindikationsanspruch sei unabhängig von der Inhaberschaft des Eigentums gesondert abtretbar. Ebenso kritisch Kuckuck, in: Erman, § 255, Rdnr. 5.
1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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prinzip im Sinne der §§ 929 ff. Anlaß zu einer eigenständigen Regreßregelung des § 255. Die in den Fällen des reinen Besitzverlustes auftretenden Probleme bei der Übertragung des Eigentums können nicht durch die cessio legis des § 426 Abs. 2 S. 1 gelöst werden, sondern bedürfen eines rechtsgeschäftlichen Übertragungsmechanismusses. Die hierzu entwickelte Lösung hat gegenüber der geltenden Fassung des § 255 den Vorteil, daß sie nicht nur zu einer Übertragung des dinglichen Anspruchs aus § 985 - die nach heute h. M. isoliert ohnehin nicht möglich ist -, sondern auch zu einer Übertragung des dinglichen Rechts selbst gelangt. Sie bringt daher die Vorstellungen der zweiten Kommission zur Vermeidung von Eigentümergemeinschaften in Übereinstimmung mit den Motiven der ersten Kommission zur Berücksichtigung des Traditionsprinzips. Ließe man hingegen die Entscheidung des Gesetzgebers für einen rechtsgeschäftlichen Übertragungsmechanismus in Übereinstimmung mit dem Traditionsprinzip unberücksichtigt, so wäre auch ein gesetzlicher Eigentumsübergang denkbar, der nicht den Beschränkungen des Traditionsprinzips unterliegen würde. 174 2. Wortlaut des § 255
Die aufgezeigten Schwächen im Gesetzgebungsverfahren spiegeln sich im Wortlaut des § 255 wider. Anstatt den Gläubiger zur "Übereignung der Sache" zu verpflichten, was dem Willen des Gesetzgebers eher entsprochen hätte, wird der Gläubiger lediglich zur "Abtretung der Ansprüche aus dem Eigentum" verpflichtet. Diese Formulierung beinhaltet zwei entscheidende Schwächen. a) Erste Formulierungsschwäche: "Ansprüche aus dem Eigentum"
Diese Formulierung des § 255 ist unglücklich, da sie die Pflicht des Gläubigers zur Abtretung auf mehrere Ansprüche ausdehnt, anstatt sie auf den Herausgabeanspruch aus § 985 zu beschränken. Zwar steht dem Gläubiger gegen den Dritten regelmäßig nicht nur der dingliche Herausgabeanspruch aus § 985 ZU;175 es ist aber gezeigt worden, daß die Anwendung des Zessionsregresses gemäß § 255 nur beim dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 gerechtfertigt ist. Der untrennbare Zusammenhang zwischen 174 Eine solche Lösung hätte einige praktische Vorteile gegenüber dem vom Gesetzgeber vorgesehenen rechtsgeschäftlichen Übertragungsmechanismus. Die bisherigen Ausführungen zu den praktischen Vorteilen eines gesetzlichen Forderungsübergangs gegenüber einer Abtretungsregelung gelten entsprechend auch für den Übertragungsmechanismus bezüglich des Vollrechts. 175 Zu denken ist insbesondere an Herausgabeansprüche aus §§ 861; 1007 Abs. I, Abs. 2; 823 Abs. I i. V. m. 249 S. 1.
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I. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
diesen beiden Vorschriften wäre durch die Verwendung des Singulars besser zum Ausdruck gekommen. Darüber hinaus hätte die ausdrückliche Benennung des § 985 jegliche Mißverständnisse vermeiden können. b) Zweite Formulierungsschwäche: "nur gegen Abtretung"
In engem Zusammenhang mit der ersten Formulierungsschwäche des § 255 steht die zweite. Wenn es sich beim Zessionsregreß lediglich um die Übertragung des Anspruchs aus § 985 handelt, dann geht es im Kern nicht
um die Übertragung dieses dinglichen Anspruchs, sondern um die Übertragung des dinglichen Rechts selbst. Dingliches Recht und dinglicher Anspruch lassen sich nicht voneinander trennen. 176 Aus diesem Grunde hätte es näher gelegen, unmittelbar eine Pflicht zur "Übereignung der Sache" anzuordnen, anstatt sich auf die Pflicht zur "Abtretung der Ansprüche aus dem Eigentum" zu beschränken. Es handelt sich folglich bei § 255 der Sache nach nicht um einen "Zessions"-Regreß, sondern um einen "Übereignungs"-Regreß. Eine Formulierung des Gesetzgebers, die diesem Umstand Rechnung getragen hätte, hätte wohl in der Rechtsprechung und insbesondere in der Literatur kaum Anlaß gegeben, § 255 zu einem allgemeinen Regreßinstitut auszuweiten. 3. Systematische Folgerungen aus dem Zusammenspiel des § 255 mit § 426 und § 985
Bei der systematischen Einordnung des Zessionsregresses bestanden drei denkbare Möglichkeiten, da der Zessionsregreß an drei unterschiedliche Regelungen anknüpft. Es handelt sich um die allgemeine Regreßvorschrift des § 426, die Schadensersatzregelung des § 255 und den dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985. Der Gesetzgeber hatte sich zunächst für die zuletzt genannte Möglichkeit entschieden. Der Zessionsregreß sollte ursprünglich im Sachenrecht beim dinglichen Herausgabeanspruch des § 985 angesiedelt werden. l77 Da der Gesetzgeber sich jedoch später für die Einordnung im Schadensrecht entschieden hat, hätte er die Vorschrift des § 985 zumindest im Wortlaut des § 255 benennen können. Eine entsprechende Formulierung wäre ebensogut geeignet gewesen, den systematischen Bezug zwischen Zessionsregreß und dinglichem Herausgabeanspruch herzustellen. Dadurch hätten Mißverständnisse zum Anwendungsbereich des Zessionsregresses vermieden werden können. S. o. I b aa. m S. o. § 7 III 1 b aa.
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1. Kap.: Die Gesamtschuld und der Zessionsregreß analog § 255
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Es wäre auch eine systematische Einordnung des Zessionsregresses bei den Vorschriften zur Gesamtschuld denkbar gewesen. Eine solche Stellung hätte den Ausnahmecharakter des Zessionsregresses gegenüber der Gesamtschuld betont. Diesen systematischen Zusammenhang hätte der Gesetzgeber zumindest im Wortlaut des § 255 berücksichtigen können. Dem Gesetzgeber ist jedoch entgangen, daß er mit dem Zessionsregreß eine Spezial vorschrift zur Gesamtschuld geschaffen hat. 178 Es ist daher nicht verwunderlich, daß das Verhältnis des Zessionsregresses zur Gesamtschuld auch in Rechtsprechung und Literatur bis heute ungeklärt geblieben ist. Der Zessionsregreß dient lediglich dazu, die Regreßprobleme zu lösen, die sich aus der Schadensersatzregelung des § 255 ergeben. Es lag daher nahe, die Zessionsregelung ebenfalls in die Vorschrift des § 255 aufzunehmen. Diese systematische Anknüpfung verdeutlicht, daß sich der Anwendungsbereich des Zessionsregresses auf die in § 255 geregelten Fälle des Verlustes einer Sache beschränkt. Der eigentliche Vorteil der systematischen Einordnung des § 255 im Schadensersatzrecht wird jedoch durch den Wortlaut des § 255 nicht hinreichend betont. Es wurde versäumt, die vorrangige Schadensersatzregelung im Wortlaut des § 255 genügend zum Ausdruck zu bringen. 179 Um zusätzlich die systematischen Bezugspunkte klarer zum Ausdruck zu bringen, hätte man § 255 etwa wie folgt formulieren können: "Wer für den Verlust einer Sache Schadensersatz zu leisten hat, haftet auf das volle Wertinteresse. Diese Haftung des Schuldners besteht neben der Haftung des Dritten auf Herausgabe der Sache gemäß § 985. Der Ausgleich zwischen dem Schuldner und dem Dritten vollzieht sich in diesen Fällen abweichend von der Gesamtschuldregelung des § 426 nicht kraft Gesetzes. Der Schuldner ist dem Gläubiger vielmehr nur gegen Übereignung der Sache zum Schadensersatz verpflichtet. Die Übereignung erfolgt gemäß den §§ 929 S. 1, 931. Gibt hingegen der Dritte die Sache an den Gläubiger zurück, so steht dem Dritten kein Ausgleichsanspruch gegen den Schuldner zu."
Es ist nicht zu bestreiten, daß der Umfang einer solchen Regelung außer Verhältnis zu ihrem geringen Anwendungsbereich stünde. 180 Dieser Nachteil würde jedoch um ein Vielfaches durch den Vorteil der Rechtssicherheit aufgewogen. Eine vergleichbare Regelung wäre geeignet, Mißverständnisse zum Anwendungsbereich des Zessionsregresses für die Zukunft auszuräumen.
178 Es finden sich in den Gesetzesmaterialien keinerlei Hinweise auf die Möglichkeit einer Gesamtschuldlösung. Hätte der Gesetzgeber im übrigen diese Möglichkeit gesehen, so wäre der erste Entwurf überflüssig gewesen. Dieser sah ebenso wie die Gesamtschuld eine cessio legis vor, s. o. 1 b aa. 179 S. o. I 2. ISO Aus diesem Grunde wird sich der abschließende Reformvorschlag zu § 255 auf die beiden bisher vorgeschlagenen Gesetzesänderungen beschränken.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Angesichts der umfangreichen Kritik zum Zessionsregreß des § 255 sei abschließend angemerkt, daß der Wert dieser Regelung ernsthaft bezweifelt werden muß. Das Traditionsprinzip gibt durchaus Anlaß, für die in § 255 geregelten Fälle des Besitzverlustes eine gesonderte Regreßregelung zu schaffen. Der Gesetzgeber hat dieses Prinzip jedoch nur halbherzig verfolgt, so daß die geltende Regreßregelung des § 255 nicht mehr leistet als die allgemeine Ausgleichsregelung des § 426. Sie stiftet im Ergebnis eine unnötige Verwirrung in Rechtsprechung und Literatur, so daß besser ganz auf sie verzichtet worden wäre.
IH. Ergebnis Die Kritik an den beiden Regelungen des § 255 gibt Aufschluß über die zahlreichen Mißverständnisse bei der Auslegung dieser Vorschrift. Es wird daher folgende Änderung des § 255 vorgeschlagen: "Wer für den Verlust einer Sache Schadensersatz zu leisten hat, haftet auf das volle Weninteresse. Er ist zum Ersatze nur gegen Übereignung der Sache verpflichtet. " Eine solche Formulierung entspricht den ursprünglichen Bestrebungen des Gesetzgebers, in Übereinstimmung mit dem Traditionsprinzip zu einer Regreßlösung zu gelangen. Es handelt sich bei § 255 der Sache nach nicht um einen "Zessions"-Regreß, sondern um einen "Übereignungs"regreß. Die hier entwickelte Formulierung holt daher lediglich die Versäumnisse des Gesetzgebers nach, ohne eigene Wertungen vorzunehmen. Sie kann daher auch dann zu einem besseren Verständnis des § 255 herangezogen werden, wenn der Gesetzgeber es bei der bestehenden Regelung des § 255 beläßt.
2. Kap.: Die GoA als Regreßfigur
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Zweites Kapitel
Die GoA als Regreßfigur § 9 Einleitung In den Fällen der gestuften Haftung wird neben dem Zessionsregreß analog § 255 auch die GoA als Regreßinstitut herangezogen. Diese Lösung wird insbesondere von Wol/schläger vertreten, der speziell für die Fälle der gestuften Haftung ein eigenes Verständnis der GoA entwickelt hat. 181 Anhand seiner Lösung soll daher untersucht werden, ob die GoA ausnahmsweise als Regreßinstitut angewandt werden kann. Es handelt sich um die viel erörterte Problematik der sogenannten "auch fremden Geschäfte". Diese Problematik soll hier unter einem erweiterten Blickwinkel betrachtet werden. Nachdem gezeigt worden ist, daß die sogenannte "Angst vor dem falschen Regreß" in Form der Gesamtschuld unbegründet ist, stellt sich die Frage, ob nicht sämtliche Fälle der "auch fremden Geschäfte" der Gesamtschuld zuzuordnen sind. Der Streit um den Anwendungsbereich der GoA würde dann seine Bedeutung verlieren, da die Vorschriften über die Gesamtschuld bereits einen angemessenen Ausgleich gewährleisten. Unter diesem Aspekt soll nunmehr die Problematik der "auch fremden Geschäfte" beleuchtet werden. Dabei besteht zugleich Gelegenheit, auf die praktischen Vor- und Nachteile der GoA als Regreßinstitut einzugehen.
§ 10 Die sogenannten "auch fremden Geschäfte" in Rechtsprechung und Literatur Wol/schläger ist im Ergebnis ebenso wie Selb der Auffassung, daß die Fälle der gestuften Haftung nicht dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld zuzuordnen sind. 182 Im Gegensatz zu Selb schlägt er jedoch nicht eine analoge Anwendung des § 255, sondern eine Lösung über die Vorschriften der GoA vor. Er schließt sich der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Lehrmeinung an, die die GoA auch in den Fällen der sogenannten "auch fremden Geschäfte" anwenden will. Hier präzisiert Wol/schläger den unbestimmten Rechtsbegriff des "fremden Geschäfts" dahingehend, daß Wollschläger, GoA, S. 113 ff. Wollschläger, GoA, S. 127, hält eine abschließende Stellungnahme zum Anwendungsbereich der Gesamtschuld für entbehrlich. Er übersieht dabei die praktischen Unterschiede zwischen der Gesamtschuld und der GoA, auf die noch einzugehen sein wird. Da er zudem die GoA als spezielles Regreßinstitut für die Fälle der gestuften Haftung entwickelt hat, kann seine Auffassung nur dahingehend verstanden werden, daß er dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld lediglich die Fälle der gleichstufigen Haftung zuordnet. 181
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
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nur die Erfüllung einer subsidiären oder sicherungshalber bestehenden Verbindlichkeit gegenüber dem EmpHinger der Leistung ein fremdes Geschäft sei. 183 Wollschläger beschränkt den Anwendungsbereich der GoA als Regreßinstitut damit auf die Fälle der gestuften Haftung. Der Fremdgeschäftsführungswille könne hier vermutet werden, sofern der Geschäftsführer in Kenntnis der Letztverantwortlichkeit handele. 184 Für den viel erörterten Fuldaer Dombrandfall kommt Wollschläger daher übereinstimmend mit dem Reichsgericht zu dem Ergebnis, daß dem kirchenbaulastpflichtigen Fiskus gegen den Brandverursacher ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß den §§ 677, 683 S. 1, 670 zustehe. 18s Wie Seih setzt sich auch Wollschläger dem Vorwurf aus, daß er den Anwendungsbereich der Gesamtschuld durch das Kriterium der Gleichstufigkeit unnötig einschränkt. Nicht anders als Seih erhebt auch Wollschläger das Kriterium der Gleichstufigkeit zu einem Abgrenzungskriterium zwischen verschiedenen Regreßinstituten, obwohl dieses Kriterium lediglich einen Sonderfall der Gesamtschuld bezeichnet. Der einzige Unterschied besteht darin, daß Seih eine Lösung für die Fälle der gestuften Haftung beim Zessionsregreß des § 255 sucht, während Wollschläger die GoA als Regreßinstitut heranzieht. Auch wenn Wollschläger damit im Anschluß an Seih den Anwendungsbereich der Gesamtschuld zu Unrecht einschränkt, ist damit noch nichts über den Anwendungsbereich der GoA ausgesagt. I. Anwendbarkeit der GoA bei "auch fremden Geschäften"
In dem Fuldaer Dombrandfall ist der kirchenbaulastpflichtige Fiskus seiner Verpflichtung gegenüber dem bischöflichen Stuhl nachgekommen. Ob in den Fällen einer solchen vertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber einem Dritten die §§ 677 ff. überhaupt zur Anwendung kommen, ist bekanntlich umstritten. Teilweise wird die Anwendbarkeit der GoA für die Fälle der sogenannten "auch fremden Geschäfte" verneint, 186 während nach der Rechtsprechung l87 und der herrschenden Lehre l88 eine
Wol/schläger, GoA, S. 122. Wol/schläger, GoA, S. 122. 185 Wol/schläger, Grundzüge der GoA, JA 1979, 126 (l30). 186 Schuhen, Tatbestand der GoA, AcP 1978, 425 (435); ders., Grenzen der GoA, NJW 1978,687 (688); Schwerdtner, Jura 1982,593 (599). 187 BGHZ 65, 354 (356); 98, 235 (240); ablehnend jedoch OLG Koblenz, NJW 1992, 2367 (2368). 188 Seiler, in: Münchener Kommentar, § 677, Rdnr. 8; Thomas, in: Palandt, § 677, Rdnr. 6; Vol/kommer, in: Jauernig, § 677, Rdnr. 3; Wol/schläger, GoA, S. 121. 183
184
2. Kap.: Die GoA als Regreßfigur
97
Drittverpflichtung des Geschäftsführers der Anwendung der §§ 677 ff. nicht entgegenstehen soll. 1. Argumente im Widerstreit zwischen Bemrwortern und Gegnern der "auch fremden Geschäfte" Der Wortlaut von § 677 spricht für die h. M., die die uneingeschränkte Anwendung der GoA befürwortet, da diese Vorschrift Ansprüche aus GoA allein bei Vorliegen einer Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftsherrn ausschließt. Zudem verhindert die Wahrnehmung eigener Pflichten nicht notwendig das gleichzeitige Handeln im Drittinteresse. Gegen die h. M. wird eingewendet, daß die Anwendung der GoA auf die Fälle der Drittverpflichtung zu unlösbaren Interessenkonflikten führe. Eine Mehrverpflichtung des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftsherrn und dem Dritten verstoße gegen den Rechtsgedanken des § 181. 189 Zudem ergebe sich aus dem Bereicherungsrecht der allgemeine Rechtsgedanke, daß grundsätzlich jeder nur seinen Vertragspartner in Anspruch nehmen könne. Ein Durchgriff auf Dritte im Wege der GoA sei damit unzulässig. 190 Dieses Argument entspricht dem allgemeinen Prinzip zur Abwicklung von Dreiecksverhältnissen nach Maßgabe der jeweiligen Vertrags beziehungen. Die h. M. hält dem entgegen, daß den geäußerten Bedenken durch die Voraussetzungen der §§ 677, 683 S. 1 Rechnung getragen werde. Dort wird das Interesse des Geschäftsherrn an der Übernahme des Geschäftes vorausgesetzt. Damit werde ein Anspruch aus GoA bei Vorliegen eines Interessenkonflikts oder eines unzulässigen Durchgriffs vermieden. \91 2. Erweiterung des Blickwinkels auf die Regelungen über die Gesamtschuld Der bislang ausgefochtene Streit in Rechtsprechung und Literatur um mögliche Interessenkonflikte bei der Anwendung der GoA auf die "auch fremden Geschäfte" mag an dieser Stelle auf sich beruhen. Schwerwiegendere Bedenken gegen die Anwendung der GoA ergeben sich, wenn man die Vorschriften der §§ 421 ff. berücksichtigt. Anhand der systematischen Gesetzesauslegung ist darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber für die Fälle der Verpflichtung mehrerer Schuldner gegenüber einem gemeinsamen Gläubiger das Rechtsinstitut der Gesamtschuld vorgesehen hat. Dies ergibt Schuhen, Tatbestand der GoA, AcP 1978,425 (438). Schuhen, Tatbestand der GoA, AcP 1978, 425 (437); ders., Grenzen der GoA, NJW 1978,687 (689); Schwerdtner, Jura 1982,593 (599). 191 Schwark, JuS 1984,321 (324). 189
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7 Stamm
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
sich bereits aus der Überschrift zu diesen Vorschriften: "Sechster Abschnitt. Mehrheit von Schuldnern und Gläubigem". Es zeichnet nun gerade die Fälle der "auch fremden Geschäfte" aus, daß der Geschäftsführer nicht irgendeinem Dritten, sondern demselben Gläubiger wie der Geschäftsherr gegenüber zur Leistung verpflichtet iSt. 192 Diese Fälle der Verpflichtung mehrerer Schuldner gegenüber einem gemeinsamen Gläubiger werden nicht von den Vorschriften über die GoA, sondern von den Regelungen der §§ 421 ff. erfaßt. Die Gesamtschuld ist in diesen Fällen das vom Gesetzgeber vorgesehene Regreßinstitut. Diese systematischen Bedenken gegen die Anwendung der GoA in den Fällen der "auch fremden Geschäfte" sind bisher unberücksichtigt geblieben. Der Anwendung der GoA wird zutreffend entgegengehalten, daß sie nach ihrem Sinn und Zweck altruistische Motive voraussetzt und nicht zu einer allgemeinen Regreßnorm denaturiert werden dürfe. 193 Für eine solche Denaturierung der GoA besteht zumal kein Bedürfnis, wenn man berücksichtigt' daß bereits die Vorschriften zur Gesamtschuld zu sachgerechten Ergebnissen führen. Die historische Auslegung scheint zunächst für die Anwendung der GoA in den Fällen der "auch fremde Geschäfte" zu sprechen. Der Gesetzgeber hatte für diesen Fall ausdrücklich eine Vorschrift vorgesehen. 194 Unklar ist aber, ob diese Regelung auch für die hier zu erörternden Fälle der "auch fremden Geschäfte" gelten sollte, bei denen der Geschäftsführer demselben Dritten bzw. Gläubiger verpflichtet ist wie der Geschäftsherr. Die Motive geben hierüber keinen Aufschluß. 195 Gegen eine solche Annahme spricht 192 Dies gilt insbesondere für den bereits angesprochenen Fuldaer Dombrandfall, s. o. einleitend zu § 3. 193 Schwerdtner, Jura 1982,593 (597). 194 § 760 des Ersten Entwurfs lautete: "Wenn Jemand ein fremdes Geschäft im Auftrage eines Dritten besorgt, so wird ihm der Geschäftsherr und er dem letzteren aus der Geschäftsbesorgung nicht verpflichtet, es sei denn, daß er zugleich in der Absicht gehandelt hat, als Geschäftsführer des Geschäftsherrn das Geschäft zu besorgen." Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, §§ 652-853, S. 166. 195 In den Motiven, Band 11, S. 869, findet sich zu § 760 nur die folgende Erläuterung: "Wenn jemand ein fremdes Geschäft im Auftrage nicht des Geschäftsherrn, sondern eines Dritten besorgt, so ist zu verrnuthen, der Geschäftsführer erfülle durch die Geschäftsbesorgung nur das Mandat, so daß durch dieselbe - von Deliktsfällen abgesehen - auch nur zwischen ihm und dem Auftraggeber Rechtsbeziehungen entstehen können. Möglich ist allerdings, daß der Geschäftsführer in der Absicht gehandelt hat, nicht allein das Mandat zu erfüllen, sondern zugleich als Geschäftsführer des Geschäftsherrn diesem sich und sich denselben aus der Geschäftsbesorgung zu verpflichten. Diese Absicht bedarf aber des besonderen Nachweises. Steht sie fest, so unterliegt es keinen Bedenken, insoweit zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer eine nach den allgemeinen Regeln zu beurtheilende negotiorum gestio anzunehmen."
2. Kap.: Die GoA als Regreßfigur
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wiederum der Umstand, daß der Gesetzgeber für die Fälle der Schuldnermehrheiten bereits die Vorschriften der §§ 421 ff. vorgesehen hat. Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber die ursprünglich vorgesehene Vorschrift wegen ihrer geringen praktischen Bedeutung nicht in das BGB aufgenommen hat. l96 Er hat also wohl eher an andere Fallkonstellationen der "auch fremden Geschäfte" als an die häufig auftretenden Schuldnermehrheiten gedacht. Die historische Auslegung bietet daher keinen klaren Aufschluß über die Anwendbarkeit der GoA in den hier zu erörternden Fällen der "auch fremden Geschäfte". Es bleibt festzuhalten, daß sich im Wege der systematischen und der teleologischen Auslegung erhebliche Bedenken gegen die Anwendbarkeit der GoA auf die Fälle der "auch fremden Geschäfte" ergeben. 11. Die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens Voraussetzung für eine GoA ist gemäß § 677 zunächst das Vorliegen eines "fremden Geschäfts". Ein fremdes Geschäft ist ein solches, das dem Rechts- und Interessenkreis eines anderen zugehört. 197 Schiebt man die generellen Bedenken gegen die Anwendung der GoA in den Fällen der "auch fremden Geschäfte" beiseite, so läßt sich diese Voraussetzung bejahen, da nicht nur der Geschäftsführer, sondern eben auch der Geschäftsherr dem Dritten gegenüber zur Vornahme des Geschäftes verpflichtet ist. Weitere Voraussetzung für einen Anspruch aus GoA ist das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens. Gemäß § 677 muß der Geschäftsführer ein Geschäft "für einen anderen" besorgen. Diesbezüglich ist umstritten, wie der Fremdgeschäftsführungswille beim "auch fremden Geschäft" zu ermitteln ist. Die Schwierigkeit besteht darin, daß es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal handelt, das im Einzelfall nur schwer nachweisbar ist. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur gehen daher von einer widerlegbaren Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens aus, soweit das Geschäft objektiv einem fremden Geschäftskreis zugewiesen ist (soge196 Protokolle, Band H, S. 741: "Der § 760 wurde ebenfalls gestrichen. Man war der Ansicht, daß wenn Jemand ein fremdes Geschäft im Auftrage eines Dritten besorge, allerdings ein Verhältniß entstehe, welches zu Zweifeln Anlaß geben könne, daß aber die Klarstellung dieses Verhältnisses bei der geringen praktischen Bedeutung des Falles zweckmäßig der Wissenschaft überlassen werde." 197 Ehmann, in: Erman, Vor. § 677, Rdnr. 3; Thomas, in: Palandt, § 677, Rdnr. 4; Vollkommer, in: Jauernig, § 677, Rdnr. 3. Abweichend hiervon nimmt Wollschläger, GoA, S. 121; ders., Grundzüge der GoA, JA 1979, 126 (130), für den Bereich der "auch fremden Geschäfte" an, daß nur die Erfüllung einer subsidiär oder sicherungshalber bestehenden Verbindlichkeit gegenüber dem Empfanger der Leistung ein fremdes Geschäft sei. Ähnlich einschränkend Schwark, JuS 1984, 321 (328), und im Anschluß Seiler, in: Münchener Kommentar, § 677, Rdnr. 16. Dazu sogleich unter IV.
100
1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
nanntes objektiv-fremdes Geschäft). Dies soll auch im Falle einer Drittverpflichtung gelten. 198 Nach der Gegenansicht müssen konkrete Anhaltspunkte bestehen, die auf einen Fremdgeschäftsführungswillen rückschließen lassen. 199 Da solche Anhaltspunkte nicht immer vorliegen werden, liefert die GoA nach dieser Gegenansicht keine allgemein gültige Ausgleichsregelung. Gegen die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens spricht zunächst der Wortlaut von § 677, der gerade keine Vermutungsregel vorsieht. Demnach muß der Fremdgeschäftsführungswille konkret nachgewiesen werden. Systematisch ist des weiteren zu beachten, daß die Vorschriften der GoA gemäß § 687 Abs. I und Abs. 2 nicht für die Fälle der vermeintlichen und der angemaßten Eigengeschäftsführung gelten. Diese gesetzliche Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdgeschäftsführung wird durch eine Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens im Ergebnis aufgegeben. Bei einer Auslegung nach Sinn und Zweck ist zu berücksichtigen, daß die GoA nicht zu einer allgemeinen Regreßnorm denaturiert werden darf, sondern allein dem Ausgleich fremdnützigen Verhaltens dienen so11.1OO Selbst wenn man mit der h. M. wegen der Beweisprobleme Vereinfachungen bei der Beweisführung zulassen will, so müssen doch zumindest im Falle einer Drittverpflichtung konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens bestehen. Andernfalls gewinnt der Fremdgeschäftsführungswille den Charakter einer Fiktion.1OI Diese Bedenken wiegen um so schwerer als bereits die Anwendbarkeit der GoA problematisch erscheint. Gegen eine Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens in den Fällen der Drittverpflichtung spricht auch die historische Auslegung. In den Motiven zu der ursprünglich für diese Fälle vorgesehenen Regelung findet sich der ausdrückliche Hinweis, daß in den Fällen der Drittverpflichtung gerade umgekehrt zu vermuten sei, daß der Geschäftsführer allein für den Dritten handeln will, dem gegenüber er verpflichtet ist. 202 Demnach könne nur zu ihm eine Rechtsbeziehung entstehen. 198
199
328).
BGHZ 65,354 (357); 98, 235 (240); Vollkommer, in: Jauernig, § 677, Rdnr. 4. Neuffer, S. 84; Rödder, JuS 1983, 930 (931); Schwark, JuS 1984, 321 (325,
200 Schwerdtner, Jura 1982, 593 (597), verneint aus diesem Grund bereits die Anwendbarkeit der GoA. Zur Ablehnung des Fremdgeschäftsführungswillens gelangen Neuffer, S. 85; Rödder, JuS 1983, 930 (931); Schwark, JuS 1984, 321 (328), und Wittmann, in: Staudinger, Vor. §§ 677 ff., Rdnrn. 36, 39. 201 Neuffer, S. 85; Wittmann, in: Staudinger. Vor. §§ 677 ff., Rdnrn. 36, 39. 202 S. dazu die unter der Fn. 195 abgedruckten Motive zu § 760. Bereits der Wortlaut dieser Vorschrift (abgedruckt unter Fn. 194) legt eine solche umgekehrte Vermutung nahe.
2. Kap.: Die GoA als Regreßfigur
101
Es ist zu konstatieren, daß die Gesetzesauslegung eine Vennutung des Fremdgeschäftsführungswillens nicht zuläßt. Entgegen der h. M. kann der Fremdgeschäftsführungswille nicht in allen Fällen der sogenannten "auch fremden Geschäfte" festgestellt werden. Dieses Ergebnis belegt, daß die GoA kein zuverlässiges Rechtsinstitut zur Lösung von Schuldnennehrheiten bilden kann. Hingegen gilt die Ausgleichsregelung des § 426 unabhängig vom Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens oder sonstiger subjektiver Tatbestandsmerkmale. III. Das Interesse und der Wille des Geschäftsführers an der Übernahme des Geschäftes durch den Geschäftsherrn Hinsichtlich der Rechtsfolge der GoA ist danach zu differenzieren, ob es sich um eine berechtigte oder um eine unberechtigte GoA handelt. Eine berechtigte GoA liegt gemäß § 683 nur dann vor, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn entspricht. Das Interesse des Geschäftsherrn an der Übernahme des Geschäftes durch den Geschäftsführer muß in den Fällen der Drittverpflichtung besonders sorgfältig begründet werden, da gerade in diesen Fällen der Mehrverpflichtung Interessenkonflikte drohen. 203 Zudem darf die grundsätzliche Abwicklung in den jeweiligen Vertragsverhältnissen nicht durch eine interessenwidrige Durchgriffshaftung des venneintlichen Geschäftsherrn gegenüber dem venneintlichen Geschäftsführer umgangen werden. 204 Das entsprechende Interesse des Geschäftsherrn an der Übernahme des Geschäftes durch den Geschäftsführer wird in den Fällen der "auch fremden Geschäfte" zumeist damit begründet, daß der Geschäftsherr durch die Leistung des Geschäftsführers von seiner Verpflichtung gegenüber dem Dritten befreit werde und entsprechende Aufwendungen erspare. 205 Für eine solche Fremdtilgungswirkung der Leistung des Geschäftsführers findet sich jedoch kein Beleg. Dies muß wegen der eingangs geäußerten Bedenken gegen ein entsprechendes Interesse des Geschäftsherrn an der Übernahme des Geschäftes bedenklich stimmen. Es stellt sich die Frage, ob die Schuld des Geschäftsherrn tatsächlich durch die Geschäftsübernahme getilgt worden ist. Im Rahmen der GoA kann dabei nur auf die allgemeine Vorschrift des § 267 Abs. 1 zurückgegriffen werden. 206 Voraussetzung für eine S. o. I 1. S. ebenfalls oben unter I 1. 205 So das Reichsgericht in dem Fuldaer Dombrandfall, RGZ 82, 206 (214 f.). Ebenso OLG Hamm NJW-RR 1991, 730 (731); OLG Hamm NJW-RR 1992, 850 (851). 203
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Fremdtilgungswirkung ist demnach u. a. eine Fremdtilgungsbestimmung?07 Eine solche Erklärung wird der Geschäftsführer aber in den seltensten Fällen abgegeben haben. Die Übernahme des Geschäfts liegt damit entgegen der Ansicht des Reichsgerichts nicht im Interesse des Geschäftsherrn, da sie nicht zur Tilgung seiner Verbindlichkeit führt. Zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt man nur dann, wenn man mit dem Fremdgeschäftsführungswillen zugleich eine Fremdtilgungsbestimmung annimmt. Für eine solche Annahme spricht der Umstand, daß diese beiden subjektiven Merkmale im Rahmen der GoA nicht voneinander zu trennen sind. 208 In der Konsequenz müßte man dann aber auch bei § 267 auf die strengen Anforderungen an die Fremdtilgungsbestimmung verzichten. Die h. M. müßte in den Fällen der "auch fremden Geschäfte" nicht nur einen Fremdgeschäftsführungswillen, sondern zugleich das Vorliegen einer Fremdtilgungsbestimmung vermuten. Ohne die letztere Vermutung ist die Vermutung eines Fremdgeschäftsführungswillens sinnlos. Dies wird aber weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur problematisiert. Das soeben angesprochene Problem läßt sich auch nicht damit umgehen, daß man die Voraussetzungen des § 683 S. 1 verneint und einen Ausgleich über die unberechtigte GoA sucht. Die §§ 684, 812 setzen voraus, daß der Geschäftsherr etwas erlangt hat. Aufwendungen kann er aber nur dann erspart haben, wenn er von seiner Verpflichtung befreit worden ist. Eine Lösung der sogenannten Fälle der "auch fremden Geschäfte" über die GoA setzt sich damit dem weiteren Vorwurf aus, im Widerspruch zur Vorschrift des § 267 zu stehen. Auch dieser Widerspruch kann aufgelöst werden, wenn man die Vorschriften der §§ 421 ff. berücksichtigt. Im Rahmen der Gesamtschuld ergibt sich gemäß § 422 eine Fremdtilgungswirkung, ohne daß es als Voraussetzung einer Fremdtilgungsbestimmung bedarf. 209 Es ergeben sich bei der Gesamtschuld also keine Probleme hinsichtlich subjektiver Tatbestandsmerkmale. IV. Der Aufwendungsersatzanspruch als Regreßanspruch
Gemäß den §§ 683 S. I, 677, 670 hat der Geschäftsherr dem Geschäftsführer die Aufwendungen zu ersetzen, die dieser zur Vornahme des Darauf hat bereits Glöckner, S. 39, hingewiesen. Heinrichs, in: Palandt, § 267, Rdnr. 4. 208 Darauf hat in anderem Zusammenhang bereits Wollschläger, GoA, S. 99, hingewiesen. 209 § 422 könnte daher als Ausnahme zu § 267 bezeichnet werden. Die Erfüllungswirkung wird bei § 422 allerdings durch die Regelung des § 426 Abs. 2 modifiziert. Sie tritt nur insoweit ein, wie der Anspruch nicht auf den leistenden Gesamtschuldner übergeht. 206 207
2. Kap.: Die GoA als Regreßfigur
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Geschäfts getroffen hat. Demzufolge hat das Reichsgericht in dem Fuldaer Dombrandfall den Beklagten dazu verurteilt, an den kirchenbaulastpflichtigen Fiskus Ersatz für die Reparatur des Domdachstuhls zu leisten,210 was im Ergebnis auf keine Bedenken stößt, da der Beklagte der Schadensverursacher war. Unklar bleibt aber, was in denjenigen Fällen der "auch fremden Geschäfte" geschehen soll, in denen nicht der dem Schaden entfernter stehende Verpflichtete tätig wird, sondern der Schadensverursacher. Hätte im Fuldaer Dombrandfall der Beklagte die Reparaturen vorgenommen, so wären nach dem Vorstellungsbild der h. M. auch in seiner Person die Voraussetzungen für ein "auch fremdes Geschäft" erfüllt gewesen, so daß ihm ebenfalls ein Aufwendungsersatzanspruch hätte zugesprochen werden müssen. Die Vorschrift des § 670 sieht hier keine Möglichkeit zur Begrenzung der zu ersetzenden Aufwendungen vor. In der Konsequenz käme es zwischen den Verpflichteten zu einem merkwürdigen Wettlauf um die Durchführung des beiderseitigen Geschäftes, der auch von der h. M. nicht beabsichtigt sein kann. An dieser Stelle setzt Wollschläger mit seiner Lösung an. Er präzisiert den Begriff des fremden Geschäfts in den Fällen der "auch fremden Geschäfte" dahingehend, daß nur die Erfüllung einer subsidiär oder sicherungshalber bestehenden Verbindlichkeit gegenüber dem Empfanger der Leistung ein fremdes Geschäft sei. 211 Dadurch vermeidet Wollschläger einen unberechtigten Regreßanspruch des eigentlichen Schadensverursachers. Auch hier werden aber im Ergebnis Wertungsmechanismen der Gesamtschuld auf die GoA projiziert. Anstatt die Vorschriften über die Gesamtschuld unmittelbar anzuwenden, werden die Wertungen des § 254, die bei § 426 zu berücksichtigen sind, auf das in § 677 enthaltene Tatbestandsmerkmal des "fremden Geschäfts" übertragen. Die Präzisierung des Begriffs des "fremden Geschäfts" ist ebensowenig geeignet, dem Vorwurf zu begegnen, der Fremdgeschäftsführungswille gewinne den Charakter einer bloßen Fiktion. WoUschläger schränkt lediglich den Anwendungsbereich dieser Fiktion auf die Fälle ein, bei denen der Geschäftsführer Kenntnis von der Letztverantwortlichkeit des Geschäftsherrn hat. Damit steht er in den übrigen Fällen vor dem Problem, dem Geschäftsführer im Wege der GoA keinen Regreßanspruch zubilligen zu können. Handelt der Geschäftsführer ohne Kenntnis der Letztverantwortlichkeit des Geschäftsherrn, so wird es dem Geschäftsführer kaum gelingen, einen konkreten Fremdgeschäftsführungswillen nachzuweisen. Wollschläger müßte daher in diesen Fällen jeglichen Ausgleichsanspruch ablehnen. Ein RGZ 82, 206 (214 f.). Wollschläger, GoA, S. 121; ders., Grundzüge der GoA, JA 1979, 126 (130). Ähnlich einschränkend Schwark, JuS 1984, 321 (328), und im Anschluß Seiler, in: Münchener Kommentar, § 677, Rdnr. 16. 210
211
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
solches Ergebnis erscheint jedoch unbillig. Es ist daher nicht einsichtig, weshalb der Ausgleichsanspruch von dem zufälligen Umstand abhängen soll, ob der Geschäftsführer Kenntnis von der Letztverantwortlichkeit des Geschäftsherrn hat. V. Ergebnis Der Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur um die Anwendung der GoA in den Fällen der sogenannten "auch fremden Geschäfte" verliert seine Bedeutung, wenn man die Gesamtschuld nach dem hier entwickelten Verständnis in die Diskussion einbringt. Diese Lösung verhindert die viel kritisierte Denaturierung des Fremdgeschäftsführungswillens, indem sie unabhängig von subjektiven Tatbestandsmerkmalen einen Ausgleichsanspruch herbeiführt. Zugleich geWährleisten die anerkannten Wertungsmechanismen des § 426, daß ein unberechtigter Regreßanspruch vennieden wird.
§ 11 Praktische Konsequenzen aus der Anwendung
der GoA als Regreßfigur
Wie bei der Untersuchung zum Zessionsregreß analog § 255 ist auch hier der Frage nachzugehen, ob nicht praktische Vorteile für die Anwendung der GoA als Regreßinstitut sprechen, die es rechtfertigen, die dogmatischen Bedenken zurückzustellen. I. Praktikabilität der Abgrenzungsformel zur Gesamtschuld
Der Streit in Rechtsprechung und Literatur um die Anwendung der GoA als Regreßfigur in den Fällen der "auch fremden Geschäfte" wird weitestgehend ohne Bezugspunkt zur Gesamtschuld ausgefochten. Erst Wollschläger hat durch seine begriffliche Präzisierung des "fremden Geschäfts" zugleich ein Abgrenzungskriterium zur Gesamtschuld geschaffen in Fonn der Letztverantwortlichkeit bzw. der gestuften Haftung. Wollschläger macht das Merkmal der Gleichstufigkeit ebenso wie Seih zu einem Abgrenzungskriterium zwischen verschiedenen Regreßinstituten, zu dem es aber ursprünglich überhaupt nicht bestimmt war. Auch Wollschläger schafft damit im Ergebnis ein unnötiges Abgrenzungsproblem, anstatt die Fälle der gestuften Haftung ebenso wie die der gleichstufigen Haftung einheitlich der Gesamtschuld zuzuordnen. Derselben Kritik, die bereits an der Lösung von Seih geäußert worden ist,212 setzt sich damit auch Wollschläger aus. 212
S. o. § 3 I.
2. Kap.: Die GoA als Regreßfigur
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Im Gegensatz zu Seih kann sich Wollschläger nicht auf einen sachlichen Grund für die von ihm vorgenommene Abgrenzung zwischen der Gesamtschuld und der GoA berufen, denn anders als beim Zessionsregreß des § 255 handelt es sich bei der GoA nicht um ein Regreßinstitut. Es besteht daher kein Bedürfnis, die GoA als Regreßinstitut von der Gesamtschuld abzugrenzen. Indem Wollschläger gleichwohl die GoA zu einem Regreßinstitut erhebt, schafft er gänzlich neue Abgrenzungsprobleme. Es bestehen nunmehr drei Regreßinstitute, die voneinander abzugrenzen sind. Wollschläger müßte die GoA nicht nur von der Gesamtschuld, sondern auch vom Zessionsregreß des § 255 abgrenzen. Die Zahl der Abgrenzungsprobleme erhöht sich folglich von eins auf drei, ohne daß Wollschläger für diese zusätzlichen Probleme eine Lösung anbietet. 11. Ausgestaltung der GoA im Vergleich mit der Gesamtschuld Fraglich ist, ob die zusätzlichen Nachteile, die der Rechtspraxis durch die Schaffung eines dritten Regreßinstituts in Form der GoA entstehen, durch praktische Vorteile hinsichtlich der Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts aufgewogen werden. Die Beantwortung dieser Frage orientiert sich auch hier an den in § 426 getroffenen Regelungen für den Regreß. 1. Freistellungsanspruch vor Befriedigung des Gläubigers
Die Anwendung der GoA als Regreßinstitut für die Fälle der gestuften Haftung bringt für den ausgleichsberechtigten Schuldner den Nachteil mit sich, daß ihm vor der Befriedigung des Gläubigers kein Freistellungsanspruch zusteht. Ebensowenig wie beim Zessionsregreß analog § 255 besteht für ihn eine Möglichkeit, der Inanspruchnahme durch den Gläubiger von vornherein aus dem Wege zu gehen. Diese Interessen des ausgleichsberechtigten Schuldners an einer Verkürzung des Leistungsweges werden allein im Rahmen der Gesamtschuld durch die Regelung des § 426 Abs. 1 berücksichtigt. Wollschläger kritisiert an der Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 1 die selbständige Verjährungsfrist, die den ausgleichspflichtigen Schuldner unangemessen benachteilige. 213 Diesbezüglich ist aber bereits nachgewiesen worden, daß dieser Nachteil nach dem hier entwickelten Verständnis des § 426 Abs. 1 nicht auftritt. 214 Die analoge Anwendung der §§ 412, 404 stellt sicher, daß sich die Verjährung des Freistellungsanspruchs aus § 426 Abs. 1 nach der Verjährung des übergeleiteten Anspruchs bemißt. Es 213 214
Wollschläger, GoA, S. 127. S. o. § 3 II 2 a und § 7 I 2.
106
1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
besteht daher kein sachlicher Grund, von der Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 1 abzusehen. Dagegen bleibt unklar, wie Wol/schläger die Nachteile des selbständig verjährenden Aufwendungsersatzanspruches bei der GoA vermeiden will. Da es sich um einen originären Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn handelt, verjährt dieser Anspruch unabhängig von der Verjährungsfrist desjenigen Anspruchs, der dem Gläubiger gegen den Geschäftsherrn zusteht. Der Vorwurf Wol/schlägers, daß der ausgleichspflichtige Schuldner bei der Gesamtschuld im Einzelfall durch die unterschiedlichen Verjährungsregelungen unangemessen benachteiligt werde, erweist sich als Bumerang und fällt auf Wol/schläger zurück. 2. Flexible Regreßregelung
Ebensowenig wie Seih vermag Wollschläger den Interessen des Rechtsverkehrs an einer dynamischen Ausgleichsregelung gerecht zu werden. Das Kriterium der Gleichstufigkeit entscheidet auch hier über "alles oder nichts", da die GoA als Rechtsfolge ebenfalls nur einen einseitigen Aufwendungsersatzanspruch in voller Höhe vorsieht. Dieser Nachteil läßt sich nur dadurch vermeiden, daß man den Fremdgeschäftsführungswillen in Abhängigkeit von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen einschränkt. 215 Durch eine solche Einschränkung wird der Fremdgeschäftsführungswille jedoch endgültig zur bloßen Fiktion. 3. Gesetzlicher Forderungsübergang
Wollschläger macht geltend, daß die GoA im Vergleich mit dem Zessionsregreß analog § 255 den praktischen Vorteil habe, ohne eine Abtretungsregelung auszukommen. Dem ausgleichsberechtigten Schuldner bliebe daher im Einzelfall ein doppeltes Prozessieren erspart. 216 Dasselbe Ergebnis wird jedoch bereits durch die in § 426 Abs. 2 S. 1 angeordnete Legalzession erzielt, so daß sich die von Wollschläger vorgeschlagene Rechtsfortbildung als entbehrlich erweist. 4. Erhalt der Einreden
Im Zusammenhang mit der Untersuchung des Ausgleichsanspruchs aus § 426 Abs. 1 ist bereits auf die praktischen Nachteile des selbständig ver215 So OLG Hamm, NJW-RR 1991,730 (731), und OLG Hamm, NJW-RR 1992, 849 (850). Ausführlich zu diesen heiden Entscheidungen unter § 20 I. 216 Wollschläger, GoA, S. 125.
2. Kap.: Die GoA als Regreßfigur
107
jährenden Aufwendungsersatzanspruch bei der GoA hingewiesen worden. Diese Bedenken gelten nicht nur für die Frage der Verjährung, sondern auch für alle übrigen Einreden, die dem ausgleichspflichtigen Schuldner gegen den Gläubiger zustehen. Während dem ausgleichspflichtigen Schuldner diese Einreden im Rahmen der Gesamtschuld gemäß den §§ 426 Abs. 2 S. 1, 412, 404 erhalten bleiben, werden ihm seine Einreden bei der GoA genommen. Die Vorschrift des § 404 bietet dem ausgleichspflichtigen Schuldner hier keinen Schutz, da sie nicht für den originären Aufwendungsersatzanspruch aus GoA gilt. 5. Erhalt der Nebenrechte
Der ongmare Aufwendungsersatzanspruch im Rahmen der GoA läßt nicht nur die begründeten Interessen des ausgleichspflichtigen Schuldners, sondern auch die des ausgleichsberechtigten Schuldners unberücksichtigt. Während dessen Interesse am Erhalt der dem Gläubiger zustehenden Nebenrechte bei der Gesamtschuld durch die Vorschriften der §§ 426 Abs. 2 S. 1, 412, 401 sichergestellt wird, gehen ihm diese Nebenrechte bei der GoA verloren, ohne daß ein sachlicher Grund für eine solche Benachteiligung ersichtlich wäre. 6. Vorrang des Gläubigers
Das Fehlen einer dem § 426 Abs. 2 S. 2 vergleichbaren Regelung bei der GoA bestätigt zum Abschluß, daß die GoA als Regreßinstitut auch den Interessen des Gläubigers nicht gerecht wird. Während die Vorschrift des § 426 Abs. 2 S. 2 im Rahmen der Gesamtschuld die begründeten Interessen des Gläubigers an einer vorrangigen Tilgung seiner Forderung gewährleistet, bleiben diese bei der GoA unberücksichtigt. Erfüllt der ausgleichsberechtigte Schuldner die Forderung des Gläubigers nur teilweise, so steht er dem ausgleichspflichtigen Schuldner gleichberechtigt neben dem Gläubiger gegenüber. Für eine solche Privilegierung besteht kein sachlicher Grund.
III. Ergebnis Die Anwendung der GoA als Regreßinstitut weist nicht nur unter dogmatischen, sondern auch unter praktischen Gesichtspunkten erhebliche Nachteile gegenüber der Gesamtschuld auf. Es besteht deshalb keine Veranlassung, die GoA als Regreßinstitut zu denaturieren. Im Gegenteil werden dadurch unnötige Probleme geschaffen, während die Gesamtschuld zu sachgerechten Ergebnissen führt. Ein Rückgriff auf die GoA ist daher entbehrlich.
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
§ 12 Eigenes Verständnis der GoA I. Funktion und Wesen der GoA Die bisherige Untersuchung konzentrierte sich darauf, die Fälle der sogenannten "auch fremden Geschäfte" aus dem Anwendungsbereich der GoA auszugrenzen. Im Kernbereich der GoA verbleiben damit ihre eigentlichen Anwendungsfälle, in denen der Geschäftsführer aus rein altruistischen Motiven, d. h. ohne eigene Verpflichtung gegenüber dem Geschäftsherrn oder gegenüber dem Dritten, tätig wird. Die GoA ersetzt hier nach ihrem eigentlichen Sinn und Zweck als gesetzliches Schuldverhältnis das fehlende Vertragsband zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer, das unter normalen Umständen zustande gekommen wäre?17 Es handelt sich demzufolge bei der GoA nicht um ein Regreßinstitut im Dreiecksverhältnis, sondern um ein gesetzliches Schuldverhältnis im Zwei-Personen-Verhältnis. Die Kritik an dem Modell, das die h. M. in Rechtsprechung und Literatur von der GoA entwickelt hat, belegt, daß die GoA keine Wertungsmechanismen für einen Ausgleich im Dreiecksverhältnis vorsieht. Insbesondere in praktischer Hinsicht bietet die GoA keinen Ausgleichsanspruch vor der Befriedigung des Gläubigers, gewährleistet keine dynamische Ausgleichsregelung, nimmt dem ausgleichspflichtigen Schuldner seine vertraglichen Einreden, verweigert dem ausgleichsberechtigten Schuldner die Nebenrechte des Gläubigers und berücksichtigt nicht die vorrangigen Interessen des Gläubigers an der Erfüllung seiner Forderung. Darin kommt zum Ausdruck, daß es sich bei der GoA schlicht um ein Schuldverhältnis handelt, das dementsprechend vom Gesetzgeber systematisch im besonderen Teil des Schuldrechts angesiedelt worden ist. Nach dem soeben skizzierten Bild der GoA reduziert sich ihr Anwendungsbereich in der Rechtspraxis auf einige seltene Ausnahmefälle. Dies entspricht den Vorstellungen anderer ausländischer Rechtsordnungen, denen das Rechtsinstitut der GoA gänzlich fremd ist. Eine künftige Harmonisierung des europäischen Privatrechts wird daher durch das hier entwickelte Verständnis erleichtert. 11. Abgrenzung der GoA von der Gesamtschuld und dem Zessionsregreß gemäß § 255 Die bisherigen Feststellungen erlauben zugleich eine klare Abgrenzung der GoA von der Gesamtschuld. Die Schnittstelle dieser beiden Rechtsinstitute liegt zwischen den Fällen der Allein- und der Mehrverpflichtung. 218 217
Dazu noch ausführlich unter § 21.
3. Kap.: Die sogenannte Rückgriffskondiktion
109
Während die Gesamtschuld den Ausgleich zwischen mehreren Schuldnern regelt, führt die GoA in denjenigen Fällen zum Ausgleich, bei denen allein der Geschäftsherr zur Leistung verpflichtet ist. In diesen Fällen handelt der Geschäftsführer, der nicht zur Leistung verpflichtet ist, aus rein altruistischen Motiven, so daß die GoA nach ihrem eigentlichen Sinn und Zweck zur Anwendung kommt. Für die Abgrenzung der GoA vom Zessionsregreß gemäß § 255 ergibt sich dasselbe Abgrenzungskriterium, da der Zessionsregreß lediglich einen Spezialfall der Gesamtschuld darstellt. 219 Auch hier entscheidet das Merkmal der Allein- bzw. Mehrverpflichtung über Konkurrenzprobleme. Drittes Kapitel
Die sogenannte Rückgriffskondiktion § 13 Die Rückgriffskondiktion als Regreßinstitut Neben dem Zessionsregreß analog § 255, der Gesamtschuld und der GoA hat Frotz einen vierten Lösungsweg für die Fälle der gestuften Haftung entwickelt. Er schlägt vor, dem ausgleichsberechtigten Schuldner in diesen Fällen eine Rückgriffskondiktion zu gewähren. Frotz ist ebenso wie Selb der Ansicht, daß sich der Anwendungsbereich der Gesamtschuld auf die Fälle der rechtsgeschäftlieh vereinbarten oder gesetzlich angeordneten Erfüllungsgemeinschaft beschränke. 22o Abweichend von Selb schlägt Frotz jedoch vor, auch in den Fällen der gestuften Haftung eine wechselseitige Tilgung anzunehmen. Es solle im Wege der Vorteilsausgleichung nicht nur die Leistung des dem Schaden näher stehenden Schuldners dem entfernter stehenden Schuldner angerechnet werden, sondern auch im umgekehrten Falle die Leistung des dem Schaden entfernter stehenden Schuldners dem näher stehenden Schuldner angerechnet werden. Eine solche wechselseitige Tilgungswirkung ermögliche einen direkten Ausgleichsanspruch im Wege der Rückgriffskondiktion. Dieser Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall sei begründet, wenn und soweit nach den gesamten Umständen des Falles, insbesondere nach dem Grad der Verursachung des Schadens (§ 254), der Tatbeitrag des Bereicherten dessen interne Inanspruchnahme erfordere?21 Im Ergebnis könne daher die von 218 Eine Abgrenzung nach dem Kriterium der Allein- bzw. Mehrverursachung wäre hingegen ungenau, da die Fälle der gestuften Haftung gerade zeigen, daß eine Verpflichtung auch ohne Verursachung denkbar ist. 219 s. o. § 4 11 2 c. 220 Frotz, Regreßmethoden, JZ 1964,665 (667).
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Selb entwickelte Lösungsfonnel "Nichtanrechnung plus Abtretung" durch den Lösungsschlüssel "Anrechnung plus Bereicherungsrückgriff' ersetzt werden?22
Übertragen auf den Fuldaer Dombrandfall kommt Fratz damit zu dem Ergebnis, daß die Leistung durch den baulastpflichtigen Fiskus auch den Brandverursacher von seiner Schuld befreie. Diese ungerechtfertigte Bereicherung könne der baulastpflichtige Fiskus vom Brandverursacher gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall kondizieren. 223 I. Dogmatische Begründung
Soweit Fratz den Anwendungsbereich der Gesamtschuld unter Bezugnahme auf Selb auf die Fälle der rechtsgeschäftlich vereinbarten oder gesetzlich angeordneten Erfüllungsgemeinschaft beschränken will, trifft ihn dieselbe Kritik wie Selb. 224 Darüber hinaus verliert das Kriterium der wechselseitigen Erfüllungsgemeinschaft zur Bezeichnung der Gesamtschuld bei Fratz jegliche Konturen, indem er auch außerhalb der Gesamtschuld in den Fällen der gestuften Haftung eine wechselseitige Tilgungswirkung annimmt. Damit besteht zwischen den Fällen der gestuften und der gleichstufigen Haftung kein Unterschied mehr. Es gibt keinen Grund mehr, die Fälle der gestuften Haftung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld zu entziehen. Fratz läßt in der Folge ebenso wie Selb außer acht, daß eine Gesamtwirkung der Erfüllung nur mit der Vorschrift des § 422 begründet werden kann. Außerhalb der Gesamtschuld ist die Tilgung einer fremden Schuld nur unter den Voraussetzungen des § 267 möglich. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift werden von Fratz ebenso wie von Selb konterkariert, soweit Fratz auch die Leistung des dem Schaden entfernter stehenden Schuldners dem näher stehenden Schuldner anrechnen will. Er kann sich dabei nicht einmal mehr auf die Wertungen der Lehre vom Vorteilsausgleich berufen. Denn eine solche Anrechnung steht im Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung des § 843 Abs. 4. Dieser Vorschrift liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, daß Leistungen Dritter dem Schuldner nicht zugute kommen dürfen. Eine von diesem Grundsatz abweichende Gesamtwirkung der Erfüllung kann nur mit den Vorschriften der Gesamtschuld begründet werden. Deren Wertungen hat Fratz unbewußt auf die 221 Frotz, Ausgleichspflicht zwischen Architekt und Bauunternehmer, NJW 1965, 1257 (1259); ders., Regreßverlust durch Gläubigerhandeln, VersR 1965,212 (217). 222 Frotz, Ausgleichspflicht zwischen Architekt und Bauunternehmer, JZ 1964, 665 (669 f.). 223 Frotz, Regreßmethoden, JZ 1964,665 (669 f.). 224 s. o. § 3 I 3 und 4.
3. Kap.: Die sogenannte Rückgriffskondiktion
111
Rückgriffskondiktion übertragen. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß Frotz bei der Bestimmung der Höhe des Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall die Vorschrift des § 254 heranzieht. Er ennittelt den Umfang der gegenseitigen Bereicherung in Abhängigkeit von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen, anstatt die Wertungen der §§ 818 ff. zu berücksichtigen. Diesem Wertungswiderspruch bräuchte sich Frotz nicht auszusetzen, wenn er die Fälle der gestuften Haftung wegen ihrer Gemeinsamkeiten mit den Fällen der gleichstufigen Haftung dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld zuordnen würde. 11. Praktikabilität der in der Literatur vorgenommenen Abgrenzung zwischen Gesamtschuld und Rückgriffskondiktion Frotz setzt sich wie Wollschläger dem Vorwurf aus, daß er durch die Entwicklung eines dritten Regreßinstituts neben der Gesamtschuld und dem Zessionsregreß zusätzliche Abgrenzungsprobleme schafft. Die Rechtspraxis steht auch hier vor der Aufgabe, drei statt bisher zwei Regreßinstitute voneinander abgrenzen zu müssen. Dabei bleibt Frotz ebenso wie Wollschläger eine Antwort auf die Frage schuldig, wie die von ihm entwickelte Rückgriffskondiktion und die Gesamtschuld vom Zessionsregreß gemäß § 255 abzugrenzen sein sollen.
111. Ausgestaltung der Rückgriffskondiktion im Vergleich mit der Gesamtschuld Fraglich ist, ob die praktische Ausgestaltung der sogenannten Rückgriffskondiktion ihre bisher beschriebenen Nachteile als Regreßinstitut auszugleichen vennag. Die Rückgriffskondiktion hat - ebenso wie der Zessionsregreß gemäß § 255 und die GoA - gegenüber der Gesamtschuld den praktischen Nachteil, daß sie dem ausgleichsberechtigten Schuldner vor der Befriedigung des Gläubigers keinen Freistellungsanspruch gewährt. Es besteht auch hier keine Möglichkeit für den ausgleichsberechtigten Schuldner, eine Regreßsituation von vornherein zu venneiden. Gegenüber dem Zessionsregreß gemäß § 255 und der GoA hat die Rückgriffskondiktion den praktischen Vorteil, daß sie durch die Anwendung des § 254 eine dynamische Ausgleichsregelung gewährleistet. Diesen Vorteil hat sie mit der Gesamtschuld gemeinsam, wenn man von den dogmatischen Bedenken hinsichtlich der Anwendung des § 254 im Bereicherungsrecht absieht. Frotz begründet seine von Selb abweichende Regreßlösung in praktischer Hinsicht mit dem umständlichen Abtretungserfordernis des § 255. Dieser
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
Nachteil werde durch die Rückgriffskondiktion vennieden. 225 Beide Autoren setzen sich jedoch dem berechtigten Einwand aus, daß die Nachteile eines Abtretungserfordernisses bereits durch den in § 426 Abs. 2 S. 1 angeordneten gesetzlichen Forderungsübergang vennieden werden. Es bedarf keiner weiteren Rechtsfortbildung, um dem ausgleichsberechtigten Schuldner ein unbilliges Insolvenzrisiko zu ersparen. Der originäre Ausgleichsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall hat zudem den praktischen Nachteil, daß dem ausgleichspflichtigen Schuldner seine Einreden aus dem Vertragsverhältnis mit dem Gläubiger genommen werden. Frotz ist demgegenüber der Auffassung, daß sich die Eigenarten des getilgten Anspruchs über die Voraussetzung des "Erlangten" für die Rückgriffskondiktion reUen ließen?26 Für diese Annahme gibt es im Bereicherungsrecht jedoch keine gesetzlichen Anhaltspunkte. Eine solche These ließe sich allenfalls mit einer analogen Anwendung des § 404 begründen. Dieser Gedanke veranschaulicht aber nur, daß der Lösung von Frotz im Kern die Wertungen der Gesamtschuld zugrunde liegen. Nicht die Rückgriffskondiktion, sondern die Gesamtschuld liefert eine interessengerechte Lösung für die Rechtspraxis. Ebenso wie Wollschläger läßt auch Frotz die Interessen des ausgleichsberechtigten Schuldners am Erhalt der Nebenrechte des Gläubigers unberücksichtigt. Indem Frotz eine wechselseitige Tilgungswirkung annimmt, erlöschen mit der Erfüllung der Forderung des Gläubigers durch den ausgleichsberechtigten Schuldner zugleich die mit der Forderung verbundenen akzessorischen Nebenrechte. Die berechtigten Interessen des ausgleichsberechtigten Schuldners am Erhalt dieser Nebenrechte bleiben daher bei der Rückgriffskondiktion unberücksichtigt. Schließlich vernachlässigt Frotz auch die Interessen des Gläubigers an einer vorrangigen Erfüllung seiner Forderung vor der Erfüllung des Ausgleichsanspruchs. Im Falle einer teilweisen Erfüllung durch den ausgleichsberechtigten Schuldner steht dieser gleichberechtigt neben dem Gläubiger dem ausgleichspflichtigen Schuldner gegenüber. Das Bereicherungsrecht bietet keine Möglichkeit, dem Gläubiger wegen seiner Restforderung eine Vorrangstellung einzuräumen. IV. Ergebnis zu der Bewertung der RückgritTskondiktion als Regreßfigur Die Ansicht von Frotz, es handele sich bei der sogenannten Rückgriffskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall um ein Regreßinstitut für die 225 226
Frotz, Regreßmethoden, JZ 1964,665 (670). Frotz, Regreßmethoden, JZ 1964,665 (670).
3. Kap.: Die sogenannte Rückgriffskondiktion
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Fälle der gestuften Haftung, läßt sich dogmatisch nicht begründen. Auch unter praktischen Gesichtspunkten besteht kein Anlaß zu einer derartigen Rechtsfortbildung. Die Gesamtschuld erweist sich hier im Verhältnis zur Rückgriffskondiktion als diejenige Lösung, die den Interessen der Beteiligten am besten gerecht wird. Im Gegensatz zu der Rückgriffskondiktion gewährt sie dem ausgleichsberechtigten Schuldner schon vor der Befriedigung des Gläubigers einen Ausgleichsanspruch und erhält ihm zudem die Nebenrechte des Gläubigers. Den Interessen des ausgleichspflichtigen Schuldners trägt die Gesamtschuld Rechnung, indem sie ihm seine Einreden aus dem Vertragsverhältnis mit dem Gläubiger erhält. Zuletzt berücksichtigt die Gesamtschuld auch die Interessen des Gläubigers an der vorrangigen Erfüllung seiner Forderung.
V. Eigenes Verständnis von der sogenannten RückgritTskondiktion Die bisherige Untersuchung belegt, daß die sogenannte Rückgriffskondiktion keinerlei Wertungskriterien zur Abwicklung von Dreiecksverhältnissen beinhaltet. Sie stellt ebensowenig wie die GoA ein Regreßinstitut dar, so daß schon die Bezeichnung als "Rückgriffs"kondiktion irreführend ist. Diesbezüglich hat bereits Kupisch darauf hingewiesen, daß die Rückgriffskondiktion keinen eigenen Typus eines Bereicherungsanspruchs darstellt, sondern lediglich eine Klassifikation des Typus "Nichtleistungskondiktion" im Sinne von § 812 Abs. 1 S. I, 2. Fall. 227 In der Folge stellt sich die Frage nach der eigentlichen Funktion und dem Anwendungsbereich der Nichtleistungskondiktion. Diesbezüglich ist festzustellen, daß auch die Nichtleistungskondiktion lediglich dem Ausgleich zwischen zwei Personen dient. Sie kommt in den Fällen zur Anwendung, in denen eine Vermögensverschiebung ohne Leistung erfolgt ist. Das sind typischerweise die Fälle, bei denen jemand unbefugt in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts eingegriffen hat. 228 In diesen Fällen ist die Anwendung der Nichtleistungskondiktion gemäß § 812 Abs. I S. I, 2. Fall gerechtfertigt. Ähnlich wie die GoA verliert auch die sogenannte Rückgriffskondiktion ihre Funktion als Regreßinstitut, wenn man dem hier entwickelten Verständnis folgt. Ihr Anwendungsbereich reduziert sich dann als weiteres gesetzliches Schuldverhältnis neben der GoA auf die Abwicklung von Vermögensverschiebungen im Zwei-Personen-Verhältnis?29 Kupisch, S. 63. Thomas, in: Palandt, § 812, Rdnm. 93 f. 229 Dies wird im einzelnen noch im zweiten Teil der Arbeit anhand konkreter Fallkonstellationen nachzuweisen sein, s. u. § 22. 227
228
8 Stamm
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1. Teil: Rechtsfiguren für den Regreß
§ 14 Ergebnis zu den verschiedenen Regreßfiguren Die bisherige Untersuchung zu den verschiedenen Regreßfiguren im Zivilrecht gibt Anlaß zu einer Rückbesinnung auf die Gesamtschuld. Die Gesamtschuld stellt sowohl in dogmatischer als auch in praktischer Hinsicht das eigentliche Regreßinstitut des BGB dar. Dies gilt insbesondere auch für die Fälle der gestuften Haftung, die dadurch gekennzeichnet sind, daß einer der beteiligten Schuldner dem Gläubiger zum Schadensersatz verpflichtet ist, obwohl er keinen oder nur einen geringfügigen Verursachungsbeitrag für den Schaden des Gläubigers geleistet hat. Lediglich für die seltenen Fälle des Besitzverlustes im Dreiecksverhältnis hat die Untersuchung zum Zessionsregreß eine Besonderheit ergeben, die im allgemeinen Regreßrecht zu berücksichtigen ist. Bei diesen seltenen Fällen der Mehrverpflichtung, die erst durch die vorrangige Schadensersatzregelung des § 255 entstehen, ist die besondere Regreßregelung des § 255 zu beachten. Der Zessionsregreß erweist sich hier als spezielle Ausgleichsregelung gegenüber der Gesamtschuld. Demgegenüber haben sich Versuche in Rechtsprechung und Literatur, den Zessionsregreß im Wege der Analogie auszudehnen bzw. die GoA oder die Rückgriffskondiktion als Regreßinstitut zu etablieren, als unbegründet erwiesen. Ihnen liegt die unberechtigte Angst vor dem falschen Regreß zugrunde. Die Gesamtschuld führt auch in den Fällen der gestuften Haftung zu sachgerechten Ergebnissen. Die Einschränkung ihres Anwendungsbereichs durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Gleichstufigkeit ist daher entbehrlich.
Zweiter Teil
Regreßregelungen im Baurecht unter besonderer Berücksichtigung der Drittschadensliquidation § 15 Einführung Typische Anwendungsfälle der im ersten Teil erörterten Rückgriffsproblematik treten in der Praxis im Baurecht auf. I Zum einen kommt es regelmäßig zu Konfliktsituationen zwischen dem Architekten und dem ausführenden Bauunternehmer. Treten Baumängel in Erscheinung und sind hierfür sowohl der Architekt als auch der Bauunternehmer verantwortlich, so lassen sich die Verursachungsbeiträge in der Regel wegen der Identität des Leistungsobjekts nicht voneinander trennen. Für diese Fälle kann auf eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die auch im Schrifttum Zustimmung gefunden hat. Der BGH hat in einem Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen vom 1. Februar 1965 entschieden, daß der Architekt, den der Bauherr gemäß § 635 wegen einer Aufsichtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, gegen den Bauunternehmer einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 geltend machen kann. 2 Ergänzt wird diese 1 Knacke, Ausgleichspflicht unter Gesamtschuldnern, BauR 1985, 270 (270), führt dazu aus: "Bei keinem Vertragstypus dürften Fragen der Gesamtschuldnerschaft und der damit zusammenhängenden Ausgleichspflicht von so großer Bedeutung sein, wie im Bauvertrags-, also im Werkvertragsrecht. Gerade dort, wo verschiedene Auftragnehmer einzeln oder zusammen Leistungen erbringen müssen, die alle auf ein Ziel gerichtet sind, nämlich die mängelfreie Erstellung eines Bauvorhabens, treten Gewährleistungs- bzw. Schadensfälle in besonderem Maße auf." Ähnlich äußert sich Diehl, in: Festschrift für Wolfgang Heiermann, S. 37 (37): "Baurechtliche Fallkonstellationen haben es immer wieder erforderlich gemacht, sowohl Begriffsbestimmungen der Gesamtschuld zu versuchen wie auch bei Bejahung des Vorliegens einer Gesamtschuld sich den Grundsätzen des Gesamtschuldnerausgleichs zuzuwenden. Das beruht darauf, daß Bautätigkeit einerseits Arbeitsteilung par excellence ist, andererseits wie stets bei arbeitsteiligen Prozessen ein gemeinsames übergeordnetes Ziel aller Beschäftigten, der mangelfreie Bau, verwirklicht werden soll." Ebenso Kaiser, Gesamtschuld, BauR 1984,32 (32), und Glöckner, S. 24 f. 2 BGHZ 43, 227-235. Zustimmend Brügmann, BauR 1976, 383 (383 f.); Noack, in: Staudinger, § 426, Rdnr. 54; Rüßmann, Gesamtschuld, JuS 1974, 292 (292); Weise, BauR 1992, 685 (685); Wolf, in: Soergel, § 421, Rdnr. 18; WemerlPastor, Rdnrn. 1972 ff.; Westermann, in: Erman, § 421, Rdnr. 7. Glöckner, S. 54, stimmt der
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Entscheidung durch ein Urteil des BGH vom 19. Dezember 1968, in dem der BGH auch für den umgekehrten Fall, daß der Bauherr den Bauunternehmer auf Gewährleistung in Anspruch nimmt, einen Ausgleichsanpruch des Bauunternehmers gegen den Architekten aus § 426 bejaht. 3 Diese Entscheidungen unterstreichen die Bedeutung der Gesamtschuld als maßgebliche Regreßfigur des BGB. Wenngleich der BGH in beiden Entscheidungen an dem Kriterium der Zweckgemeinschaft als Wesensmerkmal der Gesamtschuld festhält,4 betont er, daß die Elastizität des für die Ausgleichsbemessung im Rahmen des § 426 heranzuziehenden § 254 der Praxis bessere Lösungen ermögliche als sie aus den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag und über die ungerechtfertigte Bereicherung zu gewinnen seien. 5 Während die Regreßfragen zwischen Architekt und Bauunternehmer weitestgehend geklärt sind, besteht für den Regreß zwischen mehreren Bauunternehmern nach wie vor Rechtsunsicherheit. Eine Klärung ist wünschenswert, da diese Regreßkonstellation in der Praxis nicht weniger häufig auftritt als die Interessenkonflikte zwischen Architekt und Bauunternehmer. Aufgrund der zunehmenden Spezialisierung beauftragt der Bauherr regelmäßig mehrere Bauunternehmer mit verschiedenartigen Bauleistungen. Dabei bleibt es nicht aus, daß sich die verschiedenen Bauunternehmer gegenseitig beeinflussen und die Leistungsstörung des einen Bauunternehmers nicht nur sein Vertragsverhältnis zum Bauherrn, sondern zugleich auch das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und einem anderen Gesamtschuldlösung des BGH ebenfalls zu. Er geht aber im weiteren davon aus, daß der BGH durch seine Entscheidung vom 9. Mai 1996 - Az.: VII ZR 181193, abgedruckt in NJW 1996, 2370--2371, mit seiner eigenen Judikatur gebrochen habe. In dieser Entscheidung lehnt der BGH einen Schadensersatzanspruch des Bauunternehmers gegen den Architekten mit folgender Begründung ab: "Ein Architekt, der fehlerhaft geplant oder überwacht hat, braucht dem Bauherrn insoweit keinen Schadensersatz zu leisten, als endgültig feststeht, daß dieser an den Bauunternehmer gerade wegen des in Rede stehenden Mangels keinen Werklohn entrichten muß. Denn dann hat der Bauherr insoweit keinen Schaden mehr." Glöckner, S. 55 ff., ist darin zuzustimmen, daß sich diese Entscheidung nicht in das Modell eines Gesamtschuldverhältnisses einfügt. Insbesondere kann eine Tilgungswirkung nur mit § 422, nicht aber im Wege der Vorteilsausgleichung begründet werden. Da der BGH sich in dieser Entscheidung aber nicht mit seiner über Jahrzehnte bewährten Rechtsprechung zum Gesamtschuldverhältnis zwischen Architekten und Bauunternehmer auseinandergesetzt hat, kann kaum davon ausgegangen werden, daß der BGH diese Rechtsprechung kommentarlos aufgegeben hat. Es ist wohl eher davon auszugehen, daß der BGH sich auf vermeintliche Probleme der Schadensberechnung im Rahmen der Vorteilsausgleichung konzentriert hat und es dabei versäumt hat, die Gesamtschuldproblematik einzubeziehen. 3 BGHZ 51, 275-280. 4 BGHZ 43,227 (229 ff.), und BGHZ 51,275 (278 f.). 5 BGHZ 43, 227 (235).
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
117
Bauunternehmer beeinträchtigt. Zum Beispiel führen Mängel an der Werkleistung des einen Bauunternehmers zu Folgeschäden an der Werkleistung des anderen Bauunternehmers. Da zwischen den Bauunternehmern in der Regel kein Vertragsverhältnis besteht, stellt sich das Problem, ob und wie der auf Mangelbeseitigung haftende Bauunternehmer von dem eigentlichen Schadensverursacher, dem anderen Bauunternehmer, der die Leistungsstörung verursacht hat, Ausgleich verlangen kann. Nach den Wertungen des Vertragsrechts erfolgt eine Schadensabwicklung grundsätzlich nur innerhalb der jeweiligen Vertragsverhältnisse. Dieser Grundsatz zur Abwicklung von Dreiecksverhältnissen ergibt sich zum einen aus dem allgemeinen Vertragsrecht, insbesondere aus den Vorschriften der §§ 334, 404, 417, und zum anderen aus den Wertungen des Bereicherungsrechts. 6 Er kommt des weiteren im Sachenrecht in den Vorschriften der §§ 869 S. 2, 986, 1007 Abs. 3 S. 2 zum Ausdruck. Diese Regelungen haben den Sinn und Zweck, im Dreiecksverhältnis jedem Beteiligten nur das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners aufzuerlegen, niemandem eigene Einwendungen und Einreden aus seinem Vertragsverhältnis abzuschneiden und niemandem fremde Einwendungen und Einreden aus einem anderen Vertragsverhältnis aufzuzwingen? Grundsätzlich muß daher auch in den Fällen der einander beeinflussenden Bauunternehmer die vertragliche Abwicklung allein nach Maßgabe der jeweiligen Vertragsverhältnisse mit dem Bauherrn erfolgen. Dem geschädigten Bauunternehmer steht daher ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht allenfalls gegenüber dem Bauherrn zu, wenn dieser sich das Fehlverhalten des schädigenden Bauunternehmers zurechnen lassen muß. Gegen den schädigenden Bauunternehmer kommen vertragliche Schadensersatzansprüche nur nach Maßgabe seines Vertragsverhältnisses mit dem Bauherrn in Betracht. Soweit der Bauherr hiernach zum Schadensersatz berechtigt ist, kann der geschädigte Bauunternehmer ggf. im Regreßwege aus übergeleitetem Recht des Bauherrn gegen den Schädiger vorgehen. Zwischen den Bauunternehmern selbst kommt mangels eines Vertragsverhältnisses nur eine deliktsrechtliche Haftung in Betracht. Diese Möglichkeit eines deliktsrechtlichen Ausgleichs im Zwei-Personen-Verhältnis besteht unabhängig von der Möglichkeit der vertraglichen Abwicklung im Dreiecksverhältnis. 6 BGH NJW 1987, 185 (186); Canaris, Bereicherungsausgleich, in: Festschrift für Karl Larenz, S. 799 (802 f.); Esser/Weyers, Schuldrecht 11, § 48 III 1 c; Lorenz, in: Staudinger, § 812, Rdnr. 36; Mühl, in: Soergel, § 812, Rdnr. 43; Schlechtriem, in: Jauernig, § 812, Rdnr. 22; Thomas, in: Palandt, § 812, Rdnr. 41; Westermann, in: Erman, § 812, Rdnr. 16. 7 Diese Wertungskriterien hat Canaris, Bereicherungsausgleich, in: Festschrift für Karl Lare:nz, S. 799 (802 f.), entwickelt; ebenso Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnrn. 666 f.; Schlechtriem, in: Jauernig, § 812, Rdnr. 22.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Die soeben beschriebenen Grundsätze zur Abwicklung von Leistungsstörungen im Dreiecksverhältnis sollen der nachfolgenden Darstellung als Grundprinzip vorangestellt werden. Es ist zu untersuchen, inwieweit die vom Gesetz vorgegebenen vertraglichen und deliktsrechtlichen Abwicklungsmechanismen bereits einen angemessenen Schadensausgleich im Dreiecksverhältnis ermöglichen. Mit anderen Worten stellt sich die Frage, ob es daneben überhaupt einer Ausgleichsregelung im Wege des Regresses bedarf. Erweist sich diese als notwendig, ergibt sich in der weiteren Folge das Problem, wie der Regreß ausgestaltet sein soll. Dabei soll zum besseren Verständnis in allen nachfolgend zu erörternden Problemfallen der verursachende Bauunternehmer, der für die auftretenden Schäden verantwortlich ist, als möglicher Regreßgegner mit dem Begriff Erstunternehmer und der betroffene Bauunternehmer, der vom Bauherm in Anspruch genommen wird, als möglicher Inhaber eines Regreßanspruchs als Zweitunternehmer bezeichnet werden. Der Begriff Regreß umschreibt dann den Ausgleichsanspruch des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer wegen einer vom Erstunternehmer verursachten Haftung des Zweitunternehmers gegenüber dem Bauherm. Bei der nachfolgenden Untersuchung kann auf die Ergebnisse des ersten Teils der vorliegenden Arbeit zurückgegriffen werden. Es ist gezeigt worden, daß die Gesamtschuld das eigentliche Regreßinstitut des BGB darstellt. Unberücksichtigt geblieben ist dabei zunächst die Rechtsfigur der Drittschadensliquidation. Dies verwundert nicht, da die Drittschadensliquidation im allgemeinen nicht als Regreßfigur verstanden wird, sondern als Schadensersatzregelung. Gleichwohl dient auch sie dazu, dem für einen Schaden haftenden Schuldner einen Rückgriff gegen den verantwortlichen Schädiger zu ermöglichen. Es handelt sich daher nach der hier verwendeten Terminologie um ein Regreßinstitut, das insbesondere im Baurecht in Erscheinung tritt. Damit eröffnen sich ähnlich wie beim Zessionsregreß gemäß § 255 auch bei der Drittschadensliquidation, die ebenfalls eine Zessionsregelung, gestützt auf eine Analogie zu § 281, vorsieht, Konkurrenzprobleme zur Gesamtschuld, die nachfolgend zu klären sind. Weiterhin ist zu analysieren, wie sich diese Regreßinstitute zu dem soeben beschriebenen Grundprinzip zur vertraglichen Abwicklung von Dreiecksverhältnissen verhalten. Handelt es sich um Durchbrechungen oder lediglich um notwendige Ergänzungen der vertraglichen Ausgleichsregelung?
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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Erstes Kapitel
Notwendigkeit von Regreßregelungen § 16 Lösungsvorschläge in Rechtsprechung und Literatur
im Vorfeld einer Regreßregelung
Regreßprobleme unter Bauunternehmern stellen sich nicht, wenn eine Leistungsstörung des Erstunternehmers sich allein auf sein Vertragsverhältnis mit dem Bauherrn auswirkt. Der Zweitunternehmer wird hier nicht in die Schadensabwicklung involviert, die sich allein nach Maßgabe des zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer bestehenden Vertragsverhältnisses vollzieht. Regreßprobleme können daher nur in den Fällen auftreten, in denen die Leistungsstörung des Erstunternehmers zugleich oder gar ausschließlich eine Leistungsstörung im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer hervorruft. Beispielsweise beschädigt der Erstunternehmer die noch nicht abgenommene Werkleistung des Zweitunternehmers, so daß dieser dem Bauherrn gegenüber zur Nachbesserung verpflichtet ist. Es handelt sich gleichsam um den Prototyp eines Regreßfalles. Bevor der Zweitunternehmer aber den Erstunternehmer in Regreß nimmt, stellt sich für ihn die Frage, ob ihm nicht vertragliche Ersatzansprüche gegen den Bauherrn zustehen. Ermöglichen diese eine sachgerechte Schadensabwicklung, stellt sich die Frage nach Regreßansprüchen gegen den Zweitunternehmer nicht mehr. In diesem Zusammenhang erhebt sich das in Rechtsprechung und Literatur viel erörterte Problem, ob der Erstunternehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Zweitunternehmer ist. Bejaht man diese Frage, so muß sich der Bauherr das Fehlverhalten des Erstunternehmers zurechnen lassen mit der Folge, daß er dem geschädigten Zweitunternehmer zum Ausgleich verpflichtet ist. Es bedarf dann keiner Regreßregelung mehr, um zu einem Schadensausgleich zu gelangen. I. Die Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985 Az.: VB ZR 23/848 : Versagung jeglichen Ausgleichs Der Streit um die Eigenschaft des Vorunternehmers9 als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer entzündet sich an einer 8 BGHZ 95, 128-137 = BGH NJW 1985,2475-2477 = BGH BauR 1985, 561564 = BGH ZtBR 1985, 282-284 = BGH WM 1985, 1073-1075 = Schäfer/Finnern/Hochstein, § 6 Nr. 6 VOB/B (1973), Nr. 3. Ebenso OLG Frankfurt a. M., BauR 1997, 175. 9 Im Streit um die Eigenschaft des Bauunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherm hat sich die Terminologie "Vorunternehmer" und "Nachunternehmer" zur
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1985, in der der BGH diese Frage verneint hat. Der Entscheidung lag folgender vereinfachter Sachverhalt zugrunde: Der Bauherr hat den Vorunternehmer mit notwendigen Gründungsarbeiten an seinem Grundstück beauftragt. Diese Arbeiten sind notwendig, damit der Nachunternehmer seine Arbeiten ausführen kann. Infolge von fehlerhaften Arbeiten des Vorunternehmers kann der Bauherr dem leistungswilligen Nachunternehmer sein Grundstück nicht termingerecht bereitstellen. Diesem entstehen dadurch Mehraufwendungen für vergebliche Anfahrten sowie Umsatzeinbußen für Aufträge, die er infolge der Verzögerung nicht oder nicht termingerecht ausführen kann. Kann der Nachunternehmer die ihm infolge der Verzögerung entstandenen Schäden vom Bauherrn oder Vorunternehmer ersetzt verlangen? 1. Vorbemerkung zu den notwendigen Weichenstellungen im Vorfeld einer Regreßregelung
Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem Prototyp eines Regreßfalles dadurch, daß den Nachunternehmer gegenüber dem Bauherrn keine vertragliche Haftung in Fonn einer Nachbesserungspflicht trifft. Allenfalls obliegt umgekehrt dem Bauherrn eine - wie auch immer geartete - Ersatzpflicht gegenüber dem Nachunternehmer. Nach der hier verwendeten Tenninologie kann demnach kein Regreßfall vorliegen, es kommt allenfalls eine analoge Anwendung der Regreßvorschriften in Betracht. Denn der Nachunternehmer droht für den Fall, daß den Bauherrn keine Ersatzpflicht trifft, auf dem Schaden, den er erlitten hat, "sitzen zu bleiben", obwohl der Vorunternehmer hierfür verantwortlich ist. Von der Interessenlage her besteht für den Nachunternehmer kein Unterschied, ob er einen Schaden infolge einer vertraglichen Nachbesserungspflicht erleidet oder für die Nachteile, die er infolge einer Bauverzögerung hinnehmen muß, selbst aufzukommen hat. Die Frage einer analogen Anwendung der Regreßvorschriften kann aber dahinstehen, da sich - das sei zum besseren Verständnis vorweggenommen - der vorliegende Sachverhalt bereits anhand der Regelungen im Werkvertragsrecht sachgerecht lösen läßt, ohne daß Regreßprobleme auftreten. Das setzt allerdings voraus, daß die Weichenstellungen im Vorfeld richtig gewählt werden. Hierzu zählt insbesondere die Beantwortung der bereits angesprochenen Frage nach der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn. Die Beantwortung dieser Frage ist auch für das Verständnis der noch später zu erörternden Regreßfälle unerläßlich. Daneben stellt sich das allgemeine Problem, die Mitwirkungshandlung des Bestellers im Werkvertragsrecht rechtlich zu qualifizieren. Die Charakterisierung der beteiligten Bauunternehmer eingebürgert. Zum besseren Verständnis soll daher bei den nachfolgenden Erörterungen von dieser Terminologie nicht abgewichen werden.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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Beantwortung dieser Vorfragen mag erhellen, weshalb sich bereits bei dem vorliegenden Fall zahlreiche unnötige Regreßfragen auftun. 2. Die beiden grundlegenden Prämissen des BGH
Der BGH verneint vorliegend jegliche Ersatzansprüche des Nachunternehmers gegen den Bauherrn oder den Vorunternehmer. Er geht in seiner Entscheidung von zwei grundlegenden Prämissen aus, die wegweisend für seinen Lösungsansatz sind, ohne daß dies aber weiter ausgeführt wird. Als Anknüpfungspunkt für eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn, die ihrerseits Voraussetzung für die Anwendung des § 278 ist, wählt der BGH nicht eine solche zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks, sondern eine solche zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten. Die weitere Untersuchung wird hingegen ergeben - das darf zum besseren Verständnis vorweggenommen werden -, daß es sich bei dem zu erörternden Sachverhalt nicht um einen Fall der Gewährleistungshaftung, sondern um einen solchen der Bauverzögerung handelt. Die gedankliche Anknüpfung an einen Gewährleistungsfall, die der BGH vornimmt, hat zur weiteren Folge, daß der BGH von einer Mitwirkungspflicht des Bauherrn, nicht lediglich von einer Mitwirkungsobliegenheit ausgeht. Vor dem Hintergrund dieser beiden Prämissen erklärt sich der Meinungsstreit in der Literatur, der sich an der Entscheidung des BGH entzündet hat. 3. Vorunternehmer kein Erftillungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer
Der BGH zieht drei verschiedene Anspruchsgrundlagen für den Nachunternehmer in Betracht, die er im Ergebnis jedoch alle verwirft. Zunächst erörtert er die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Nachunternehmers gegen den Bauherrn aus § 286 Abs. 1. 10 Der Schwerpunkt seiner Ausführungen liegt dabei auf der Beantwortung der Frage, ob der Vorunternehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer ist. l1 Entsprechend lautet der offizielle Leitsatz der Entscheidung: 10 Im Originalfall erörterte der BGH einen Schadensersatzanspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B als Anspruchsgrundlage, da dem Werkvertrag die VOB/B zugrunde gelegt war. Diese Abweichung ist für die hier anzustellenden Erörterungen aber ohne Bedeutung, da die Vorschrift des § 6 Nr. 6 VOB/B insoweit den Regelungen der §§ 284 ff. entspricht. Davon geht auch der BGH aus, BGHZ 95, 128 (129). Auf die Besonderheiten der VOB/B wird im sechsten Kapitel eingegangen, s. u. § 35. 11 BGHZ 95, 128 (130-134).
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
"Fehler eines Vorunternehmers können dem Auftraggeber im Verhältnis zum Nachunternehmer regelmäßig nicht zugerechnet werden; insoweit ist der Vorunternehmer nicht Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers."
Der BGH stützt diese Entscheidung auf drei Argumente. Er stellt zunächst fest, daß die Vorarbeiten des Vorunternehmers lediglich für den Ptlichtenkreis des zwischen dem Bauherrn und dem Nachunternehmer abgeschlossenen Werkvertrages von Bedeutung seien. 12 Diese Ausführungen stützt der BGH auf das weitere Argument, daß zwischen Vor- und Nachunternehmer "eine Art objektive Zweckgemeinschaft" bestehe, die einen gleichzeitigen Anspruch des Nachunternehmers gegen den Bauherrn auf die mangelfreie Erbringung der Vorarbeiten ausschließe. 13 Abschließend stellt der BGH fest, daß auch aus der Vorlage eines Bauzeitenplanes noch nicht darauf geschlossen werden könne, daß sich der Bauherr zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten verantwortlich zeichnen wolle. Es bedürfe dazu vielmehr einer ausdrücklichen Vereinbarung. 14 Da eine solche Vereinbarung nicht vorliege, könne dem Bauherrn das Fehlverhalten des Vorunternehmers nicht zugerechnet werden. Es bestehe daher kein Schadensersatzanspruch des Nachunternehmers gegen den Bauherrn aus § 286 Abs. 1. Mit der Begründung, daß es an einer Mitwirkungsptlicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten mangele, lehnt der BGH auch einen Entschädigungsanspruch des Nachunternehmers gegen den Bauherrn aus § 642 ab. 15 Für die abschließend erörterte Anwendung der Drittschadensliquidation fehlt es nach Ansicht des BGH an der erforderlichen Schadensverlagerung. 16 Nicht nur der Nachunternehmer, sondern auch der Bauherr selbst könne einen Bauverzögerungsschaden erleiden. Die Anwendung der Driuschadensliquidation würde deshalb zu einem für den Vorunternehmer unüberschaubaren Haftungsrisiko führen. Im Ergebnis lehnt der BGH jegliche Ersatzansprüche des Nachunternehmers gegen den Bauherrn oder den Vorunternehmer ab. 11. Lösungswege in der Literatur auf der Entscheidungsgrundlage des BGH
Die Entscheidung des BGH ist in der Literatur auf heftige Kritik gestoßen. Es wird allgemein als unbillig empfunden, daß der Nachunternehmer für sämtliche Schäden, die er erlitten hat, selbst aufkommen muß, obwohl 12
13 14 IS
16
BOHZ BOHZ BOHZ BOHZ BOHZ
95, 95, 95, 95, 95,
128 128 128 128 128
(132 f.). (133). (133 f.). (134 f.). (136 f.).
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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der Vorunternehmer für diese Schäden allein verantwortlich ist. l7 Um dieses unbillige Ergebnis zu vermeiden, sind daher in der Literatur einige alternative Lösungswege entwickelt worden. Dabei muß unterschieden werden zwischen solchen Lösungen, die die vom BGH erörterte Problematik um die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn aufgreifen, und solchen Lösungen, die bereits die bei den eingangs erörterten Prämissen des BGH in Zweifel ziehen. Der Meinungsstreit in der Literatur beschränkt sich im wesentlichen auf die vom BGH aufgeworfene Frage, ob der Vorunternehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer ist. Die Beantwortung der Frage entscheidet damit über "alles oder nichts". Entweder haftet der Bauherr für sämtliche Schäden, die der Nachunternehmer erlitten hat, oder aber es müssen dem Nachunternehmer jegliche Ersatzansprüche versagt werden. Da das letztere Ergebnis, zu dem der BGH kommt, als unbillig empfunden und deshalb abgelehnt wird, bleibt zunächst nur die Möglichkeit, die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn zu bejahen. l8 Verneint man hingegen diese Möglichkeit, so bleiben als Ansatzpunkt für eine Ergebniskorrektur nur noch die Ausführungen des BGH zur Drittschadensliquidation. Entgegen der Auffassung des BGH hat Korbion daher im vorliegenden Fall die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation bejaht. l9 Alternativ hierzu hat Kapellmann einen Lösungsweg entwickelt, der auch aus der Sicht des BGH gangbar erscheint. Er schlägt vor, dem Nachunternehmer gegen den Bauherrn einen Schadensersatzanspruch analog § 645 zuzusprechen. 2o All diesen Lösungen gemeinsam ist die vom BGH zugrunde gelegte Prämisse, daß in der vorliegenden Fallkonstellation an eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten anzuknüpfen sei. 17 Dieses Ergebnis des BGH wird allein von Schmalzl, in: Festschrift für Horst Locher, S. 225 (233), akzeptiert. 18 Vygen/Schubert/Lang, Rdnr. 212; Vygen, Behinderung des Auftragnehmers, BauR 1989, 387 (395), und im Anschluß Grieger, BauR 1990, 406 (409), und Döring, in: Festschrift für Götz von Craushaar, S. 193 (196). Ebenso Hofmann, in: Beckscher VOB-Kommentar, B § 4 Nr. 1, Rdnr. 15, und Motzke, in: Beckscher VOB-Kommentar, B § 6 Nr. 6, Rdnr. 88. 19 Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 6, Rdnr. 128. Zu dieser Auffassung tendiert auch Riedl, in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, B § 6, Rdnr. 44: "In Betracht wird auch gezogen, ob der AN durch Anwendung der Grundsätze der Schadensliquidation im Drittinteresse ... oder durch Verlangen der Abtretung der Schadensersatzansprüche gegen den VU durch den AG zu einem Ausgleichsanspruch kommen kann." 20 Kapellmann, Behinderungshaftung für Voruntemehmer, BauR 1992, 433 (435 f.); ders.lSchiffers, Rdnr. 908; ähnlich Baden, BauR 1991, 30 (31 f.), der mit Risikosphären argumentiert und sich damit der Sphärentheorie annähert.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Da sich diese Prämisse im folgenden aber als unzutreffend erweisen wird, sind diese Lösungsvorschläge einstweilen zurückzustellen. 21 IH. Kritische Stimmen gegenüber der Weichenstellung des BGH Während sich der Meinungsstreit in der Literatur im wesentlichen auf die Frage konzentriert, ob der Vorunternehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer ist, wird vereinzelt bereits die Berechtigung dieser Fragestellung angezweifelt. Anlaß für die Kritik ist die schon erwähnte Prämisse des BGH, daß von einer Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten auszugehen sei. Kritik an dieser Prämisse ist zuerst von Hochstein geäußert worden. 1. Konzentration der Problematik um die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erftillungsgehilfe des Bauherrn auf die Fälle der Bauverzögerung
Hochstein ist der Auffassung, daß der BGH bei seinen Erörterungen zu Unrecht an eine - möglicherweise bestehende - Pflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung des Vorwerks anknüpft. 22 Es handele sich bei dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH zugrunde liege, nicht um einen Fall der Gewährleistungshaftung, sondern lediglich um einen solchen der Bauverzögerung. Der Fall wäre nicht anders zu entscheiden gewesen, wenn der Vorunternehmer bloß zu langsam gearbeitet hätte. Hochstein stellt daher nicht auf eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten, sondern auf eine solche zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks ab. Eine solche Mitwirkungspflicht des Bauherrn könne bedenkenlos bejaht werden, da sie nicht anders zu bewerten sei, als die Pflicht des Bauherrn zur rechtzeitigen Bereitstellung von Plänen und Unterlagen. Während sich der Bauherr zur Erfüllung der zuletzt genannten Pflicht eines Architekten als Erfüllungsgehilfen bediene, ziehe er den Vorunternehmer heran, um seine Pflicht zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks zu erfüllen. Ebenso wie beim Architekten könne daher auch beim Vorunternehmer in den Fällen der Bauverzögerung davon ausgegangen werden, daß der Vorunternehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherrn sei. 23 Dementsprechend sei dem Bauherrn das Verschulden des Vorunternehmers gemäß § 278 zuzu21 Auf sie wird bei den an späterer Stelle zu erörternden Grenzfällen im Bereich zwischen vertraglichem Schadensausgleich, deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und Regreß zurückzukommen sein, s. u. § 33 III. 22 Hochstein, in: Schäfer/Finnern/Hochstein, § 6 Nr. 6 VOB/B (1973), S. 20-23. 23 Hochstein, in: Schäfer/Finnern/Hochstein, § 6 Nr. 6 VOB/B (1973), S. 22.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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rechnen. Dem Nachunternehmer stehe daher gegen den Bauherrn ein Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 124 zu. Ein solches Ergebnis lasse sich dogmatisch einwandfrei begründen und führe zu einer sachgerechten Ausgleichsregelung zwischen den Beteiligten. 2. Entschädigungsanspruch des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn aus § 642
Ebenso wie Hochstein kritisiert auch Kraus bereits den Lösungsansatz des BGH, der in seiner Entscheidung zu Unrecht an eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten angeknüpft habe, anstatt auf die rechtzeitige Bereitstellung des Grundstücks abzustellen. 25 Im Gegensatz zu Hochstein läßt Kraus jedoch die Frage dahinstehen, ob diesbezüglich eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn vorliegt, zu deren Erfüllung er den Vorunternehmer herangezogen hat. 26 Es handele sich zumindest um eine Mitwirkungsobliegenheit, so daß dem Nachunternehmer - entgegen der Auffassung des BGH - gegen den Vorunternehmer ein Entschädigungsanspruch aus § 642 zustehe. Dieser Anspruch bestehe unabhängig von der Frage, ob dem Bauherrn das Verschulden des Vorunternehmers gemäß § 278 zuzurechnen sei. 27
IV. Stellungnahme zu den Lösungswegen in Rechtsprechung und Literatur Die Entscheidung des BGH beruht ebenso wie die drei Lösungswege, die auf der Grundlage dieser Entscheidung in der Literatur entwickelt worden sind, auf zwei entscheidenden Prämissen. Zum einen wird vorausgesetzt, daß in der vorliegenden Fallkonstellation an eine Mitwirkungshandlung des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten anzuknüpfen ist und zum anderen wird unterstellt, daß diesbezüglich allein eine Mitwirkungs24 Hochsteins Ausführungen beziehen sich auf einen Schadensersatzanspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B, da dem Werkvertrag im Originalfall die VOB/B zugrunde gelegt
worden waren. Dies ist jedoch für die vorliegende Erörterung ohne Bedeutung. Auf die Besonderheiten der VOB/B wird im sechsten Kapitel eingegangen, s. u. § 35. 2S Kraus, BauR 1986, 17 (24). 26 Kraus, BauR 1986, 17 (25 f.). 27 Dieser Ansicht von Kraus haben sich Soergel, in: Münchener Kommentar, § 642, Rdnr. 6, und Peters, in: Staudinger, § 636, Rdnr. 105, und § 644, Rdnr. 26, angeschlossen. Schon vor der umstrittenen Entscheidung des BGH hat Brandt, BauR 1973, 13 (16), auf die Bedeutung des § 642 für die Fälle des reinen Annahmeverzugs hingewiesen. Er hat auch auf die notwendige Abgrenzung zum Schuldnerverzug aufmerksam gemacht.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
pflicht, keine Mitwirkungsobliegenheit des Bauherrn in Betracht kommt. Nur dann, wenn diese beiden Prämissen erfüllt sind, stellt sich die Frage nach der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn in der Form, wie sie vom BGH und der herrschenden Lehre erörtert wird. Es ist also zunächst der Kritik von Hochstein und Kraus nachzugehen, die bereits die Entscheidungsgrundlage des BGH in Frage stellen. Diese Kritik ist berechtigt, wenn eine der beiden Prämissen des BGH nicht erfüllt ist. 1. Erste Prämisse des BGH: Anknüpfung an eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten Während die Vorinstanz, das OLG Frankfurt a. M., noch auf eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur Bereitstellung des Grundstücks abstellte,28 bezog sich der BGH auf eine solche zur mangelfreien Herstellung des Vorwerks. 29 Die mangelfreien Arbeiten vom Vorunternehmer sind aber - entgegen der Ansicht des BGH - nur insoweit von Bedeutung, als sie im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Nachunternehmer zum Annahmeverzug des Bauherrn geführt haben. Mit Recht hat Hochstein deshalb darauf hingewiesen, daß der Fall nicht anders zu entscheiden gewesen wäre, wenn der Vorunternehmer bloß zu langsam gearbeitet hätte?O Die mangelhaften Arbeiten des Vorunternehmers gewinnen erst dann eine eigene Bedeutung, wenn sie nicht rechtzeitig behoben werden und dadurch das Werk des Nachunternehmers beschädigt wird. Nur in diesem Fall stellt sich die Frage nach einer Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten. Zugleich liegt dann aber kein Fall des Annahmeverzugs im Verhältnis zwischen Bauherrn und Nachunternehmer mehr vor, sondern ein Fall der Sachmängelhaftung. Es ist daher festzustellen, daß der BGH zu Unrecht einen Fall der vom Vorunternehmer herbeigeführten Sachmängelhaftung zwischen Bauherrn und Nachunternehmer angenommen hat. 3 ! Diese Fällen sollen erst an späterer Stelle untersucht werden,32 so daß die Ausführungen des BGH zu den Voraussetzungen des § 278 zunächst zurückzustellen sind. 33 28
29 30
(21).
BGHZ 95, 128 (129 f.). BGHZ 95, 128 (132). Hochstein, in: Schäfer/Finnem/Hochstein, § 6 Nr. 6 VOB/B (1973), S. 20
31 Schmalzl, in: Festschrift für Horst Locher, S. 225 (233 f.), ist hingegen der Ansicht, der BGH habe sich zu der Sachmängelhaftung äußern müssen, um ..denkgesetzlich" zu erläutern, daß der Bauherr auch bezüglich der Bauverzögerung für ein Verschulden des Erstunternehmers gemäß § 278 nicht einzustehen habe. Für solche Überlegungen des BGH bieten die Entscheidungsgründe jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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2. Zweite Prämisse des BGH: Annahme einer Mitwirkungspflicht anstelle einer Mitwirkungsobliegenheit des Bauherrn
Nachdem der BGH aufgrund seiner ersten Prämisse an eine Mitwirkungshandlung des Bauherrn zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten angeknüpft hat, geht er des weiteren davon aus, daß diesbezüglich nur eine Mitwirkungspflicht, nicht jedoch eine bloße Mitwirkungsobliegenheit des Bauherrn in Betracht komme. Inwieweit diese zweite Prämisse des BGH zutreffend ist, kann erst an späterer Stelle untersucht werden, da der BGH aufgrund der ersten Prämisse von einem Fall der Sachmängelhaftung ausgegangen ist. 34 An dieser Stelle sei jedoch kritisch angemerkt, daß sich das Problem der Abgrenzung zwischen Mitwirkungspflicht und Mitwirkungsobliegenheit unabhängig von der ersten Prämisse auch für den BGH hätte stellen müssen. Dieses Abgrenzungsproblem ergibt sich regelmäßig im Zusammenhang mit den Vorschriften der §§ 642 ff. Da der BGH zu der Vorschrift des § 642 Ausführungen gemacht hat, hätte es nahe gelegen, auch zu diesem Abgrenzungsproblem Stellung zu nehmen. 3. Die Lösung von Hochstein
Die Untersuchung zu der Entscheidung des BGH hat ergeben, daß die von Bachstein geübte Kritik berechtigt ist. Zu Unrecht knüpft der BGH an eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten an. Bachstein ist daher der Auffassung, die Schwierigkeiten des BGH bei der Suche nach einer sachgerechten Lösung allein durch die Anknüpfung an eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks überwinden zu können. Dementsprechend spricht er dem Nachunternehmer gegen den Bauherrn unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges einen Schadensersatzanspruch zu, ohne auf die Regelung des § 642 einzugehen. Mit dieser Lösung begegnet Bachstein der Kritik, die an der ersten Prämisse des BGH geübt worden ist. Er geht zutreffend davon aus, daß es sich bei dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH zugrunde lag, lediglich um einen Fall der Bauverzögerung handelt. Es hätte daher aus der Sicht von Bachstein nahegelegen, auf die Vorschriften der §§ 642 ff. einzuS. u. §§ 23 ff. und §§ 32 f. Gleiches gilt für die drei Lösungen, die auf der Grundlage der Entscheidung des BGH in der Literatur entwickelt worden sind. Sie beruhen ebenfalls auf der Prämisse, daß in der vorliegenden Fallkonstellation auf eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten abzustellen sei. 34 Dort wird sich die zweite Prämisse des BGH als zutreffend erweisen. In den Fällen der Sachmängelhaftung kommt nur eine Mitwirkungspflicht des Bestellers in Betracht. Im einzelnen dazu unter § 32 11. 32 33
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
gehen, die für die Fälle des Annahmeverzugs eine Sonderregelung vorsehen. Hochstein hätte die Voraussetzungen des § 642 von seinem Standpunkt aus problemlos bejahen können, da der Bauherr durch die verspätete Bereitstellung des Grundstücks in Annahmeverzug geraten ist. Gemäß § 296 S. 1 bedurfte es dazu nicht einmal eines Angebots des Nachunternehmers, da die Aufnahme der Arbeiten durch den Nachunternehmer kalendermäßig bestimmt war. Demzufolge hätte Hochstein dem Nachunternehmer gegen den Bauherrn einen Entschädigungsanspruch aus § 642 zusprechen können, ohne daß ein solcher Anspruch eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn vorausgesetzt hätte. Auf eine Mitwirkungspflicht wäre es erst im Rahmen des Schadensersatzanspruchs angekommen, da der Schuldnerverzug im Gegensatz zum Annahmeverzug eine Schuldnerpflicht voraussetzt. An dieser Stelle hätte sich deshalb das Problem ergeben, die in § 642 beschriebenen Mitwirkungshandlungen des Bestellers rechtlich zu qualifizieren. Da Hochstein jedoch auf die Regelung des § 642 nicht eingegangen ist, konnte er zu diesem Problem keine Ausführungen mehr machen. Er hat sich allein auf die Regelungen zum Schuldnerverzug konzentriert und unberücksichtigt gelassen, daß zunächst einmal lediglich ein Fall des Annahmeverzugs vorliegt. 35 Damit setzt Hochstein bei seinen Ausführungen ebenso wie der BGH stillschweigend voraus, daß allein eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks in Betracht kommt, nicht aber eine bloße Mitwirkungsobliegenheit. Im Ergebnis trifft Hochstein daher dieselbe Kritik, die an der zweiten Prämisse des BGH geübt worden ist. 36 4. Die Lösung von Kraus
Aus der Kritik, die soeben an der Lösung von Hochstein geübt worden ist, ergibt sich unmittelbar, daß für die Fälle der Bauverzögerung der Lösung von Kraus gefolgt werden soll. Kraus hat - ebenso wie Hochstein - darauf hingewiesen, daß es sich bei dem Sachverhalt, der der Entschei3S Eine besondere Schwierigkeit bei der Unterscheidung zwischen Schuldner- und Gläubigerverzug tritt hier dadurch auf, daß dem Bauvertrag im Originalfall die VOB/B zugrunde gelegt war. Die maßgebliche Bestimmung des § 6 Nr. 6 VOB/B nimmt keine Differenzierung zwischen Schuldner- und Gläubigerverzug vor. Auf diese Besonderheit, die für die vorliegende Erörterung keine Rolle spielt, wird im sechsten Kapitel eingegangen, s. u. § 35 I. 36 Dieser Kritik setzt sich des weiteren auch Walzei, BauR 1984, 569 (573), aus, der sich bereits vor der Entscheidung des BGH mit vergleichbaren Fällen der Bauzeitverzögerung auseinandergesetzt hat. Da er für diese Fälle im Gegensatz zu Hochstein die Anwendung des § 278 ablehnt, steht er vor dem Problem, "daß ein Anspruch des geschädigten Auftragnehmers gegenüber dem schädigenden wünschenswert wäre." Dieses Problem hätte sich für Walzel nicht gestellt, wenn er die Regelung der §§ 642 ff. nicht übersehen hätte.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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dung des BGH zugrunde liegt, nicht um einen Fall der Gewährleistungshaftung, sondern lediglich um einen Fall der Bauverzögerung handelt. Im Gegensatz zu Hochstein zieht Kraus daraus den Schluß, daß zunächst die besonderen Vorschriften zum Annahmeverzug des Bestellers zu berücksichtigen sind, bevor auf die allgemeinen Regelungen zum Schuldnerverzug einzugehen ist. Kraus nimmt daher mit Recht an, daß dem Nachunternehmer gegen den Bauherm ein Entschädigungsanspruch aus § 642 zusteht, unabhängig von der Frage, ob dem Bauherm eine Mitwirkungspflicht oder nur eine Mitwirkungsobliegenheit zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks obliegt. Diese Frage läßt Kraus dahinstehen, da man mit der Regelung des § 642 auch dann zu einem sachgerechten Ergebnis gelange, wenn man nur von einer Mitwirkungsobliegenheit des Bauherm ausgehe. 37 Auch wenn der Lösung von Kraus im übrigen gefolgt werden soll, so ist diese abschließende Feststellung von Kraus ein wenig unbefriedigend, da die Frage nach der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherm unbeantwortet bleibt. Es bleibt unklar, ob dem Nachunternehmer gegen den Bauherm neben dem Entschädigungsanspruch aus § 642 ggf. auch ein Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 138 zusteht. Ein zusätzlicher Schadensersatzanspruch kann für den Nachunternehmer durchaus von Interesse sein, da die Entschädigung, die der Bauherr gemäß § 642 an den Nachunternehmer zu leisten hat, nicht jegliche Schäden abdeckt, die der Nachunternehmer erlitten hat. So kann der Nachunternehmer beispielsweise seinen entgangenen Gewinn nur gemäß § 286 Abs. 1 ersetzt verlangen. Die Frage nach der Rechtsnatur der in § 642 beschriebenen Mitwirkungshandlungen und damit auch die Frage nach der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherm kann daher nicht unbeantwortet bleiben. V. Ergebnis
Der Meinungsstreit um die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherm im Verhältnis zum Nachunternehmer hat durch die Lösung von Kraus entscheidend an Brisanz verloren. Die Beantwortung dieser Frage, die sich im Vorfeld einer möglichen Regreßregelung stellt, entscheidet nicht mehr über "alles oder nichts", da dem Nachunternehmer gegen den Bauherrn zumindest ein Entschädigungsanspruch aus § 642 zusteht. Gleichwohl hat diese Frage auch in den vorliegend erörterten Fällen der Bauverzögerung nicht jegliche Bedeutung verloren. Von ihrer Beantwortung hängt es ab, ob der Nachunternehmer vom Bauherm auch die Schäden ersetzt verlangen kann, die über die Entschädigung hinaus ge37 38
Kraus, BauR 1986, 17 (26). Im Originalfall aus § 6 Nr. 6 VOB/B. Dazu im sechsten Kapitel, s. u. § 35 1.
9 Slamm
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
hen, die der Bauherrn gemäß § 642 zu leisten hat. Im Anschluß an Kraus soll daher im Rahmen der eigenen Lösung der Frage nachgegangen werden, ob dem Nachunternehmer gegen den Bauherrn zusätzlich ein Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 1 zusteht. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach weitergehenden Ersatzansprüchen gegen den Vorunternehmer. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf das Verhältnis des § 642 zur Drittschadensliquidation einzugehen sein. Auch diese Frage ist bisher unbeantwortet geblieben.
§ 17 Exkurs zur Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers Die Frage nach der Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers erörtert. Sie ist mit der oben genannten Entscheidung des BGH bisher nicht in Zusammenhang gebracht worden. 39 Einzig Kraus hat auf dieses Problem hingewiesen, ohne aber näher darauf einzugehen.4o I. Bedeutung der Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung Für die Anwendung der §§ 642 ff. ist die rechtliche Qualifizierung der Mitwirkungshandlung des Bestellers ohne praktische Bedeutung. Erheblich wird der Streit erst bei der Erörterung konkurrierender Schadensersatzansprüche. Er spitzt sich auf die Abgrenzung von Annahme- und Schuldnerverzug zu. Schadensersatzansprüche aus Schuldnerverzug setzen eine Mitwirkungspflicht im Gegensatz zur bloßen Mitwirkungsobliegenheit voraus. Nimmt man eine Mitwirkungspflicht an, so kann der geschädigte Nachunternehmer in den Fällen des Verzugs vom Bauherrn nicht nur eine Entschädigung gemäß § 642, sondern auch einen weiteren Verzögerungsschaden ersetzt verlangen. Dabei stellt sich das Problem, inwieweit durch die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs die Wertungen der §§ 642 ff. umgangen werden, die dem Unternehmer nur in eingeschränktem Umfang einen Ausgleich gewähren. Ausgangspunkt für die nachfolgende Untersuchung ist demzufolge eine Erörterung der Ersatzansprüche, die dem Nachunternehmer unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zustehen können. 39 Das mag daran liegen, daß der BGH seine Ausführungen auf § 6 Nr. 6 VOB/B gestützt hat, da dem Werkvertrag in dem zu entscheidenden Fall die VOB/B zugrunde gelegt war. Dies ist aber für hier zu entscheidenden Abgrenzungsfragen ohne Bedeutung. Die Darstellung der Besonderheiten der VOB/B ist daher dem sechsten Kapitel vorbehalten, s. u. § 35. 40 S. o. § 16 IV 4.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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1. Aufwendungsersatzanspruch aus § 304
Voraussetzung für einen Anspruch des Nachunternehmers gegen den Bauherrn aus § 304 ist allein, daß letzterer gemäß § 293 in Annahmeverzug geraten ist. Dazu wird es in der Regel nicht einmal eines Angebots des Nachunternehmers bedürfen, da für die Bereitstellung des Grundstücks zumeist ein kalendermäßig bestimmter Termin vereinbart sein wird. Allein mit Ablauf dieses Termins gerät der Bauherr in Annahmeverzug, § 296 S. 1. Die Voraussetzungen des § 304 werden daher in den Fällen der Bauverzögerung regelmäßig erfüllt sein. Die Vorschrift des § 304 gewährt als Rechtsfolge lediglich einen Anspruch auf den Ersatz der Aufwendungen, die dem Nachunternehmer ggf. im Zusammenhang mit einem erfolglosen Angebot entstanden sind. Hingegen kann der Nachunternehmer die Umsatzeinbußen, die ihm regelmäßig entstanden sein werden, nicht aus § 304 ersetzt verlangen. Diesem unbefriedigenden Ergebnis beim Annahmeverzug des Bestellers tragen im Werkvertragsrecht die Vorschriften der §§ 642 ff. Rechnung. 2. Entschädigungsanspruch aus § 642
Gemäß § 642 kann der Nachunternehmer vom Bauherrn eine angemessene Entschädigung verlangen, die über die gemäß § 304 zu ersetzenden Aufwendungen hinausgeht. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist wie bei § 304 lediglich, daß der Bauherr durch das Unterlassen einer notwendigen Mitwirkungshandlung, hier die termingerechte Bereitstellung des Grundstücks, in Annahmeverzug geraten ist. Damit berücksichtigt § 642 die von § 304 abweichende Interessenlage beim Annahmeverzug des Bestellers im Werkvertragsrecht. Es handelt sich um eine Vorschrift des Besonderen Schuldrechts, die die Bestimmungen über den Annahmeverzug im Allgemeinen Schuldrecht ergänzt. Dieses Ergebnis wird durch einen Blick in die Motive des Gesetzgebers bestätigt. 41 41 Motive, Band 11, S. 495 f., zu § 575, einem Vorläufer der §§ 642, 643: "Einer besonderen Regelung bedarf dagegen der Fall, wenn der Besteller ... in Annahmeverzug gerät. Für diesen Fall liefern die allgemeinen Grundsätze ein wenig befriedigendes Resultat, indem nach denselben der Uebernehmer dem Besteller gegenüber auf die Rechte des § 261 (Anrn.: heute § 304) beschränkt sein würde .... Durch die Bestimmung des § 575 wird das Interesse beider Theile in angemessener Weise gewahrt, zumal nach § 578 (Anrn.: heute § 649) der Besteller jederzeit von dem Vertrage zurücktreten kann und sich dadurch gegen die ihn nach § 575 während der Dauer des Verzuges treffenden Nachtheile schützen kann, wenn die Verhinderung voraussichtlich von längerer Dauer sein sollte und er deshalb der Gefahr ausgesetzt ist, daß die nach § 575 mit dem Verzuge für ihn verbundenen Nachtheile größer sind, als diejenigen, welche ihn nach § 578 im Falle des Rücktrittes vom Vertrage treffen."
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Die vom Bauherrn gemäß § 642 zu leistende Entschädigung liegt der Höhe nach jedoch immer noch unter der Vergütung, die der Nachunternehmer gemäß den §§ 631, 632 hätte verlangen können. Dieses Interesse des Nachunternehmers an einer angemessenen Vergütung wird durch die weiteren Vorschriften der §§ 643, 645 Abs. 1 S. 2 berücksichtigt. 3. Teilvergütungsanspruch aus § 645 Abs. 1 S. 2
Gemäß den §§ 642, 643, 645 Abs. 1 S. 2 kann der Nachunternehmer vom Bauherrn die Zahlung einer Teilvergütung und Ersatz der nicht in der Vergütung inbegriffenen Auslagen verlangen. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist jedoch, daß der Nachunternehmer dem Bauherrn eine angemessene Frist setzt, um die Mitwirkungshandlung nachzuholen. Des weiteren muß er die Kündigung des Vertrages für den Fall androhen, daß der Bauherr seine Mitwirkungshandlung nicht fristgerecht nachholt. Die Vorschriften der §§ 643, 645 Abs. 1 S. 2 schützen den Unternehmer vor den Nachteilen einer unzumutbar langen Verzögerung der Leistung durch den Besteller. 42 Sie stellen daher ebenso wie § 642 eine Ergänzung zu den allgemeinen Vorschriften über den Annahmeverzug dar. Die vom Bauherrn gemäß § 645 Abs. 1 zu zahlende Teilvergütung umfaßt jedoch nicht den Ersatz des gesamten Schadens, der dem Nachunternehmer durch den Annahmeverzug des Bauherrn entstehen kann. Damit stellt sich die Frage, ob dem Nachunternehmer nicht weitergehende Schadensersatzansprüche gegen den Bauherrn zustehen. Gemäß § 645 Abs. 2 bleibt eine Haftung des Bestellers wegen Verschuldens von den Regelungen der §§ 642 ff. unberührt. 4. Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 1: Mitwirkungspflicht oder Mitwirkungsobliegenheit des Bestellers?
Ein Schadensersatzanspruch des Nachunternehmers gegen den Bauherrn aus § 286 Abs. 1 besteht nur dann, wenn der Bauherr nicht nur in Annahmeverzug, sondern auch in Schuldnerverzug geraten ist. Letzteres setzt gemäß § 284 Abs. 1 S. 1 voraus, daß der Nachunternehmer gegen den Bauherrn einen durchsetzbaren Anspruch auf die rechtzeitige Bereitstellung des Grundstücks hat. Ein solcher Anspruch besteht nur dann, wenn den Bauherrn eine Mitwirkungspflicht und nicht nur eine bloße Mitwirkungsobliegenheit zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks trifft. Es stellt sich also an dieser Stelle das Problem, die in § 642 beschriebenen Mitwirkungshandlungen des Bestellers rechtlich zu qualifizieren. 42 Dies ergibt sich ebenfalls aus den Motiven, die unter der vorangegangenen Fußnote abgedruckt sind.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
133
In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob der Bauherr die Verschuldensvermutung des § 285 widerlegen kann. Diese Möglichkeit ist ausgeschlossen, wenn der Bauherr zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht den Vorunternehmer als Erfüllungsgehilfen herangezogen hat und ihm dessen Verschulden gemäß § 278 S. 1, 2. Fall zuzurechnen ist. Erst in diesem Zusammenhang stellt sich die vom BGH aufgeworfene Frage nach der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer. Entgegen der Auffassung des BGH kann diese Frage jedoch bejaht werden, wenn man zuvor eine Mitwirkungspflicht des Bestellers zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks angenommen hat. Der Bauherr hat sich dann des Vorunternehmers "zur Erfüllung" dieser Verbindlichkeit bedient, so daß ihm die schuldhafte Verzögerung der Arbeiten durch den Vorunternehmer zuzurechnen ist. Das eigentliche Problem bei den Fällen der Bauverzögerung besteht daher nicht in der Beantwortung der Frage nach der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn, sondern vorrangig in der Beantwortung der Frage nach der rechtlichen Qualifizierung der Mitwirkungshandlung des Bestellers. ß. Die Rechtsansicht des BGH bis zu seiner Entscheidung vom 27. Juni 1985 In der Rechtsprechung des BGH sind drei ältere Entscheidungen zu berücksichtigen, in denen der BGH zu dem Problem der Mitwirkungshandlung des Bestellers allgemein Stellung genommen hat. Die Ausführungen des BGH gelten daher auch für das Baurecht, selbst wenn den drei Entscheidungen Fälle aus anderen Bereichen des Werkvertragsrechts zugrunde lagen. In einer ersten Entscheidung hat der BGH festgestellt, daß zu den Vertragsverbindlichkeiten im Sinne der pFV nicht nur alle Haupt- und Nebenpflichten zu zählen seien, sondern auch die sogenannten "reinen Gläubigerobliegenheiten", zu denen z. B. beim Werkvertrag die zur Herstellung des Werkes erforderlichen Handlungen des Gläubigers (§ 642 BGB) gehörten. 43 Derartige Handlungen seien "Sache des Gläubigers", ohne daß jedoch insoweit eine echte "Verpflichtung" entstehe. Jede schuldhafte Leistungsstörung, die durch eine Verletzung dieser im weitesten Sinne aufzufassenden "Vertragspflichten" den Vertragsgegner schädige, begründe eine Verpflichtung zum Schadensersatz. In dieser ersten Entscheidung hat daher der BGH dem Werkunternehmer gegen den Besteller einen Schadensersatzanspruch aus einer pFV des Werkvertrages zugesprochen. 43
BGHZ 11,80 (83).
134
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Eine kritische Urteilsanmerkung von Lehmann44 nahm der BGH zum Anlaß, seine anfänglichen Äußerungen zur Rechtsnatur der Mitwirkung des Bestellers in einer späteren Entscheidung zu korrigieren. 45 Er stellte klar, daß die Nichterfüllung einer Obliegenheit, die keine Schuldnerleistung zum Inhalt habe, zwar als solche nicht die Folgen einer schuldhaften Forderungsverletzung auslöse. Es könne aber darin eine schuldhafte Nicht- oder Schlechterfüllung der allgemeinen Treuepflicht jedes Vertragsteils liegen, deren Verletzung den ganzen Vertragszweck ernstlich gefährde. In diesem Fall komme ein Schadensersatzanspruch des Werkunternehmers gegen den Besteller wegen einer pFV des Werkvertrages in Betracht. Diese zweite Entscheidung des BGH läßt den Schluß zu, daß der BGH die Mitwirkungshandlung des Bestellers lediglich als Mitwirkungsobliegenheit einstuft. Diese Mitwirkungsobliegenheit kann im Einzelfall von einer allgemeinen Leistungstreuepflicht überlagert werden, so daß ausnahmsweise ein Schadensersatzanspruch des Werkunternehmers gegen den Besteller aus einer pFV des Werkvertrages in Betracht kommt. 46 In einer dritten Entscheidung hat der BGH unter Bezugnahme auf seine erste Entscheidung festgestellt, daß der Unternehmer bei Nichterfüllung der dem Besteller obliegenden Mitwirkungspflicht nicht auf die Rechte aus den §§ 642 ff. beschränkt sei. 47 Zu den Verbindlichkeiten aus einem Schuldverhältnis gehörten auch die in § 642 erwähnten Gläubigerobliegenheiten. Ihre Verletzung gewähre daher dem Unternehmer alle die Rechtsbehelfe, die ihm bei Zuwiderhandlungen des Vertragspartners gegen sonstige Verbindlichkeiten zustünden; daneben habe er noch die zusätzlichen Rechte aus den §§ 642 ff. Diese Grundsätze würden nicht nur dann gelten, wenn der Unternehmer neben den Rechten aus den §§ 642 solche aus positiver Vertragsverletzung herleite, sondern sie seien auch dann anzuwenden, wenn der Unternehmer Erfüllung verlange. Diese dritte Entscheidung des BGH läßt keinen allgemeinen Schluß mehr darüber zu, ob der BGH die Mitwirkungshandlungen des Bestellers als Mitwirkungsobliegenheiten oder als Mitwirkungspflichten einordnet. Einerseits spricht der BGH unter Bezugnahme auf seine erste Entscheidung von Mitwirkungspflichten des Bestellers. Andererseits beschränkt er diese Ausführungen auf die Fälle, in denen der Besteller einen Schadensersatzanspruch aus einer pFV geltend macht oder Erfüllung verlangt. Es verwundert daher nicht, daß diese dritte Entscheidung des BGH in der Literatur sowohl von 44
Lehmann, JZ 1954, 240. Zu der Auffassung von Lehmann nachfolgend unter
45
BGH VersR 1960,693 (694). Zu diesem Schadensersatzanspruch später unter § 18 I. BGHZ 50, 175 (178 f.).
IIIl. 46 47
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßrege1ungen
135
den Autoren, die eine Mitwirkungsobliegenheit des Bestellers annehmen, als Beleg für ihre Meinung zitiert wird,48 als auch umgekehrt von den Autoren vereinnahmt wird, die eine Mitwirkungspflicht des Bestellers annehmen. 49 Der Grund für diese unterschiedliche Einordnung liegt wohl darin begründet, daß der BGH in seiner letzten Entscheidung lediglich auf seine erste, nicht aber auf seine zweite Entscheidung Bezug genommen hat. Es bleibt daher unklar, ob der BGH seine Ausführungen zur Einstufung der Mitwirkungshandlung des Bestellers als bloße Mitwirkungsobliegenheit auch weiterhin aufrechterhalten will. Aus diesem Grunde soll hier darauf verzichtet werden, den BGH einer bestimmten Meinungsgruppe zuzuordnen. Es kann nur festgestellt werden, daß die Rechtsprechung zu dem Problembereich der Mitwirkungshandlungen des Bestellers bisher kein klares Bild abgibt. Es hätte daher in der Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985, die der Untersuchung zugrunde liegt, die Möglichkeit bestanden, die bisher uneinheitliche Rechtsprechung einer bestimmten Meinungsgruppe zuzuordnen. Der BGH hat diese Möglichkeit versäumt, indem er aufgrund seiner zweiten Prämisse stillschweigend vorausgesetzt hat, daß nur eine Mitwirkungspflicht des Bestellers zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten in Betracht komme. Diese zweite Prämisse steht im Widerspruch zu der bisher uneinheitlichen Rechtsprechung des BGH. 111. Literaturmeinungen
In der Literatur haben sich zu dem Problem, die Mitwirkungshandlung des Bestellers rechtlich zu qualifizieren, vier Meinungsgruppen entwickelt. 1. Mitwirkungshandlung des Bestellers als Obliegenheit
Einer ersten Meinungsgruppe sind die Autoren zuzuordnen, die die Mitwirkung des Bestellers als bloße Mitwirkungsobliegenheit qualifizieren. 5o Diese Auffassung wird damit begründet, daß die gesetzliche Konzeption von Gläubigerobliegenheiten den Interessen der Beteiligten hinreichend gerecht werde. 51 Zudem werde die vom Gesetz getroffene Unterscheidung zwischen Annahme- und Schuldnerverzug durch die Annahme einer Mitwirkungspflicht des Bestellers verwischt. 52 48 So etwa von Peters. in: Staudinger, § 642. Rdnr. 17, und Soergel. in: Münchener Kommentar. § 642, Rdnr. 2 i. V. m. Fn. 2. 49 So etwa von Glanzmann. in: BGB-RGRK. § 642. Rdnr. 12, i. V. m. § 631, Rdnr.46. so Esser/Weyers, Schuldrecht H. § 33 H 3; Götz. JuS 1961. 56 (57 f.); Lehmann, JZ 1954.240; Peters. in: Staudinger, § 642. Rdnr. 18. SI Peters, in: Staudinger. § 642. Rdnrn. 18. 19,31.
136
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht 2. Einstufung der Mitwirkungshandlung als Pflicht
Seile,s3 und Glanzmann 54 vertreten die Auffassung, die Mitwirkung des Bestellers sei dogmatisch als Vertrags pflicht einzuordnen. Sie begründen diese Ansicht mit der begrifflichen Unterscheidung zwischen Vertragspflicht und Obliegenheit. Eine Obliegenheit liege nur dann vor, wenn weder ein Erfüllungsanspruch noch bei Verletzung eine Schadensersatzforderung bestünde. Im Gegensatz dazu stünde dem Unternehmer jedoch ein Anspruch auf die Vornahme der Mitwirkungshandlung des Bestellers zu, da der Besteller durch die Unterlassung seiner Mitwirkung den Vertragszweck gefährde oder vereitele. 55 Zudem sei das dem Besteller durch § 642 abverlangte Verhalten mit einer Entschädigungspflicht sanktioniert. 56 Es könne sich daher bei der Mitwirkung des Schuldners nur um eine echte Schuldnerpflicht handeln. 3. Vermittelnde Meinungen
Nicklisch hat eine Lösung entwickelt, die eine vermittelnde Rolle zwischen den beiden soeben beschriebenen Meinungen einnimmt. 57 Er ist der Auffassung, daß es sich bei der Mitwirkung des Bestellers aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 642 lediglich um eine Obliegenheit handele. Bei größeren Bauvorhaben sei jedoch wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Bedeutung von einer vertraglich vereinbarten Mitwirkungspflicht des Bestellers auszugehen. Dies ergebe sich auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im Wege der Vertragsauslegung. 58
Eine ähnlich vermittelnde Lösung geht auf Müller-Foell zurück. Dieser ist der Auffassung, daß in den Fällen, in denen der Unternehmer ein rechtlich anerkennenswertes Eigeninteresse an der Vertragsdurchführung besitze, nicht eine Mitwirkungsobliegenheit, sondern eine Mitwirkungspflicht des Bestellers vorliege. 59 Dies sei regelmäßig bei künstlerischen Werken und großvolumigen Projekten anzunehmen. Im Gegensatz zu Nicklisch vertritt Müller-Foell die Auffassung, daß sich diese differenzierende Einordnung der Bestellermitwirkung nicht erst aus Lehmann, JZ 1954,240. Seiler, in: Erman, § 642, Rdnm. 2 u. 8. 54 Glanzmann, in: BGB-RGRK, § 631, Rdnr. 12, i. V. m. § 631, Rdnm. 46, 94. 55 Glanzmann, in: BGB-RGRK, § 631, Rdnr. 46. 56 Seiler, in: Erman, § 642, Rdnr. 2. 57 Nicklisch, BB 1979, 533-544. Dieser Auffassung haben sich Fikentscher, Rdnr. 895; Larenz, Schuldrecht IIfI, § 53 III c; Soergel, in: Münchener Kommentar, § 642, Rdnr. 11, und Thomas, in: Palandt, § 642, Rdnr. 1, angeschlossen. 58 Nicklisch, BB 1979,533 (541). 59 Müller-Foell, S. 102-104. 52 53
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
137
einer individualvertraglichen Auslegung, sondern bereits aus einer an der heutigen Rechtswirklichkeit orientierten "vertragstypusentsprechenden Norminterpretation" ergebe. 60 Die Qualifizierung der Mitwirkungshandlung als Rechtspflicht kraft Gesetzes gehe daher der Vertragsauslegung vor. 4. Meinungen, die eine Stellungnahme zur Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers für entbehrlich halten
Hüffer ist der Auffassung, daß eine sachgerechte Lösung auch ohne die Konstruktion einer Pflicht besonderen Inhalts wie der Mitwirkungspflicht oder besonderen Gepräges wie der Obliegenheit gefunden werden könne. 61 Er schlägt vor, unabhängig von der Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers dem Werkunternehmer gegen den Besteller einen Schadensersatzanspruch analog § 326 zuzusprechen. 62 Im Wege der Analogie könne die Voraussetzung, daß der Gläubiger in Schuldnerverzug geraten sei, durch dessen "mangelnde Erfüllungsbereitschaft" ersetzt werden. Dies führe zu einer sachgerechten Ausgleichsregelung, so daß es sich als überflüssig erweise, eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers anzunehmen.
Ebenso wie Hüffer ist auch Lachmann der Ansicht, daß eine Abgrenzung zwischen Mitwirkungspflichten und Mitwirkungsobliegenheiten des Bestellers nicht zwingend erforderlich sei. 63 Sie schlägt vor, in den Fällen, in denen die Herstellung des Werkes durch den Besteller unmöglich gemacht werde oder der Besteller sich nicht ernsthaft um eine Beseitigung der in seiner Sphäre liegenden Leistungshindernisse bemühe, eine konkludente Kündigung des Bestellers im Sinne des § 649 anzunehmen. Erscheine dieser Weg nicht gangbar, so könne dasselbe Ergebnis durch die Anwendung des § 162 Abs. 1 erreicht werden, indem die Kündigungserklärung fingiert werde. In beiden Fällen könne der Unternehmer gemäß § 649 S. 2 den vereinbarten Werklohn verlangen. Die Vorschrift des § 649 gewährleiste daher eine sachgerechte Ausgleichsregelung, ohne daß es auf die Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers ankomme. IV. Entbehrlichkeit einer Stellungnahme? Trifft eine der beiden zuletzt genannten Meinungen zu, so kann der Meinungsstreit um die rechtliche Qualifizierung der Mitwirkungshandlung des Bestellers dahinstehen. Es ist daher zunächst auf die beiden Lösungen von Hüffer und Lachmann einzugehen. 60 61 62 63
Müller-Foell, S. 105. Hüjfer, Leistungsstörungen, S. 4 f. Hüjfer, Leistungsstörungen, S. 238-241. Lachmann, BauR 1990,409 (412).
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Hüffer schlägt eine analoge Anwendung des § 326 vor. Eine solche Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes voraus. Der Gesetzgeber hat für die Fälle der vom Besteller verursachten Bauverzögerung jedoch bereits die speziellen Ausgleichsregelungen der §§ 642 ff. geschaffen. Diese Vorschriften sehen sowohl eine Entschädigungsregelung, § 642, als auch eine Kündigungsregelung, § 643, vor. Es besteht daher weder für die Schadensersatzregelung des § 326 noch für die Rücktrittsregelung des § 326 eine gesetzliche Regelungslücke. Eine Regelungslücke liegt nur für die Fälle vor, in denen der Besteller durch sein Verhalten den Vertragszweck gefährdet oder vereitelt. In diesen Fällen handelt es sich bei der analogen Anwendung des § 326 um nichts anderes als um eine pFV. Hüffer erreicht durch die Begriffsbildung der "mangelnden Erfüllungsbereitschaft" des Gläubigers im Ergebnis nichts anderes, als wenn er eine Mitwirkungspflicht des Bestellers annehmen würde. Indem er den Verzug des Gläubigers durch dessen "mangelnde Erfüllungsbereitschaft" ersetzt, stellt er die Mitwirkungsobliegenheit des Bestellers der Mitwirkungspflicht gleich. Es besteht dann aber kein Unterschied mehr zu der zweiten Meinungsgruppe, die unmittelbar von einer Mitwirkungspflicht des Bestellers ausgehen. Die Lösung von Hüffer macht eine Abgrenzung zwischen Mitwirkungsobliegenheiten und Mitwirkungspflichten daher nicht entbehrlich. Lachmann ist der Auffassung, die Annahme einer konkludenten Kündigung des Bestellers im Sinne des § 649 mache die Abgrenzung zwischen Vertragspflichten und Obliegenheiten des Bestellers überflüssig. Eine solche Kündigung könne in den Fällen angenommen werden, in denen der Besteller durch sein Verhalten zu erkennen gebe, daß er nicht mehr an der Vertragsdurchführung interessiert sei. Lachmann übersieht dabei, daß das Problem der Abgrenzung zwischen Mitwirkungspflichten und Mitwirkungsobliegenheiten von dem Problem der Verletzung einer allgemeinen Leistungstreuepflicht zu unterscheiden ist. Im letzteren Fall, in dem der Schuldner durch sein Verhalten den Vertragszweck gefährdet, besteht ohnehin ein Schadensersatzanspruch des Unternehmers aus einer pFV des Werkvertrages.64 Für diese Fälle ist die Lösung von Lachmann daher entbehrlich. In den übrigen Fällen, in denen der Besteller seine Mitwirkungshandlung verzögert, ohne den Vertragszweck zu gefährden, hilft die Lösung von Lachmann hingegen nicht weiter, da das Verhalten des Bauherrn noch nicht auf eine konkludente Kündigung schließen läßt. Gerade in diesen Fällen gewinnt jedoch das Abgrenzungsproblem zwischen Vertragspflichten und Obliegenheiten des Bestellers seine eigentliche Bedeutung, da eine Schadensersatzpflicht des Bestellers nur dann anzunehmen ist, wenn eine Mitwirkungspflicht des Bestellers vorliegt. 64
Dazu im folgenden unter § 18 I.
I. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
139
V. Stellungnahme zu den drei übrigen Meinungen Der Meinungsstreit um die Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers soll im Wege der Gesetzesauslegung entschieden werden. 1. Wortlaut und Systematik der §§ 642 tT.
Der Wortlaut des § 642 gibt keinen Hinweis darauf, wie die Mitwirkung des Bestellers rechtlich zu qualifizieren ist. Es ist weder von einer Mitwirkungspflicht des Bestellers noch von einer Mitwirkungsobliegenheit die Rede. In systematischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, daß die Vorschrift des § 642 auf die Regelungen zum Annahmeverzug, §§ 293-304, Bezug
nimmt. Diese allgemeinen Vorschriften zum Annahmeverzug begründen lediglich eine Obliegenheit des Gläubigers zur Annahme der Leistung, keine Mitwirkungspflicht. 65 Es liegt deshalb nahe, auch bei § 642 lediglich von einer Mitwirkungsobliegenheit des Gläubigers auszugehen. Des weiteren läßt sich aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 642 und § 640 ableiten, daß den Gläubiger in den Fällen des § 642 lediglich eine Mitwirkungsobliegenheit trifft. Der Gesetzgeber hat in § 640 für
die Abnahme des Werkes ausdrücklich eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers angeordnet. Im Umkehrschluß kann daraus gefolgert werden, daß es sich bei den übrigen Mitwirkungshandlungen, die in § 642 geregelt sind, lediglich um Mitwirkungsobliegenheiten handelt (argumentum e contrariO).66
2. Sinn und Zweck der §§ 642 tT. unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Motive
Die Vorschriften der §§ 642 ff. bezwecken eine sachgerechte Ausgleichsregelung zwischen Besteller und Unternehmer in den Fällen, in denen der Besteller in Annahmeverzug gerät. Die allgemeine Ausgleichsregelung des § 304 berücksichtigt hier nicht in hinreichendem Umfang die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers. Kommt es seitens des Bestellers zu einer Verzögerung, so erleidet der Unternehmer zumeist größere Umsatzeinbußen, die von der Ausgleichsregelung des § 304 nur unzureichend abgedeckt werden. 67 Der Gesetzgeber hat deshalb in § 642 eine weitergehende 65 Dies ist im Rahmen der §§ 293-304 unumstritten, Alff, in: BGB-RGRK, § 293, Rdnr. I; Battes, in: Erman, Vor. § 293, Rdnr. I; Heinrichs, in: Palandt, § 293, Rdnr. I; Löwisch, in: Staudinger, Vor. §§ 293-304, Rdnr. I; Thode, in: Münchener Kommentar, § 293, Rdnr. 1. 66 Auf dieses systematische Argument hat schon Lehmann, JZ 1954, 240, hingewiesen.
140
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Entschädigungspflicht des Bestellers und darüber hinaus in § 643 ein Kündigungsrecht des Unternehmers vorgesehen. 68 Würde man nun annehmen, daß es sich bei der Mitwirkung des Bestellers um eine Vertragspflicht handelt, so würde man die soeben beschriebenen Wertungen der §§ 642 ff. umgehen. Es läge dann regelmäßig neben dem Annahmeverzug des Bestellers zugleich ein Schuldnerverzug vor, sofern der Besteller nicht die Verschuldensvermutung des § 285 widerlegen könnte. Letzteres wird ihm jedoch kaum gelingen, da ihm ein Verschulden des Vorunternehmers stets gemäß § 278 S. 1, 2. Fall zuzurechnen ist, wenn man erst einmal eine Mitwirkungspflicht des Bestellers zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks bejaht hat. Denn der Besteller hat sich dann des Vorunternehmers "zur Erfüllung" dieser Verbindlichkeit bedient. Im Ergebnis wäre der Besteller in der Vielzahl aller Fälle nicht nur gemäß § 642 zu einer Entschädigung, sondern darüber hinaus gemäß § 286 Abs. 1 auch zum Schadensersatz verpflichtet. Die gesetzgeberische Differenzierung zwischen Annahmeverzug und Schuldnerverzug würde damit im Werkvertragsrecht verwischt. 69 Zugleich würde die Sonderregelung der §§ 642 ff. ihre Bedeutung verlieren, da der Unternehmer durch die Schadensersatzregelung des § 286 Abs. 1 weitergehend geschützt würde. Ein solches Ergebnis stünde im Widerspruch zu dem eingangs beschriebenen Sinn und Zweck der §§ 642 ff. Der Gesetzgeber hat nicht die Schadensersatzregelung des § 286 Abs. 1, sondern die Vorschriften der §§ 642 ff. als Ausgleichsregelung für die Fälle der vom Besteller verursachten Bauverzögerung vorgesehen. Er hat ein Zusammentreffen von Annahmeverzug und Schuldnerverzug nur in den Fällen erwogen, in denen eine Mitwirkungspflicht des Bestellers vertraglich vereinbart ist. 7o Diese Überlegungen lassen erkennen, daß der Gesetzgeber lediglich von einer Mitwirkungsobliegenheit des Bestellers ausgegangen ist. Andernfalls wäre die Ausgleichsregelung der §§ 642 ff. überflüssig gewesen. Der Sinn und Zweck dieser Regelung kommt nur dann zum Ausdruck, wenn man von einer Mitwirkungsobliegenheit des Bestellers ausgeht. Eine gegenteilige Auffassung kann auch nicht damit begründet werden, daß die Entschädigungssanktion des § 642 im Widerspruch zu dem Obliegenheitsbegriff stünde. Bei der Entschädigungsregelung des § 642 handelt S. o. I 1. Motive, Band 11, S. 495 f., abgedruckt unter Fn. 41. 69 Darauf hat auch schon Lehmann, JZ 1954,240, hingewiesen. 70 Motive, Band 11, S. 496 f.: "Ist jedoch der Annahmeverzug ein verschuldeter, so kann mit demselben ein Erfüllungsverzug des Bestellers konkurrieren, wenn derselbe nach dem Inhalte des Vertrages dem Uebernehmer gegenüber (als Schuldner) verpflichtet ist, in der erforderlichen Weise bei der Ausführung des Werkes mitzuwirken." 67
68
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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es sich nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich um eine Ergänzung zu der allgemeinen Ausgleichsregelung des § 304. 71 Diese Vorschrift steht jedoch nicht der Annahme entgegen, daß es sich beim Annahmeverzug der §§ 293 ff. lediglich um eine Obliegenheitsverletzung des Gläubigers handelt. Das wird auch von den Vertretern der Gegenauffassung nicht bestritten. 72 Es besteht daher kein Grund, bei § 642 eine abweichende Bewertung vorzunehmen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich - wie bei § 304 - lediglich um eine Entschädigungsregelung und nicht um eine Schadensersatzregelung, die eine schuldhafte Pflichtverletzung voraussetzt. Die teleologische Auslegung führt damit ebenso wie die systematische Auslegung zu dem Ergebnis, daß es sich bei der Mitwirkung des Bestellers prinzipiell um eine Obliegenheit handelt. Es bleibt zu untersuchen, ob bei größeren Bauprojekten wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Bedeutung ausnahmsweise von einer Mitwirkungspflicht des Bestellers auszugehen ist. Diese vermittelnde Meinung ist dann begründet, wenn die Regelungen der §§ 642 ff. nach ihrem Sinn und Zweck der Interessenlage bei großvolumigen Bauvorhaben nicht mehr gerecht werden. Der Gesetzgeber hat jedoch für diese Fälle, bei denen die Bauverzögerung seitens des Bestellers den Bauunternehmer unzumutbar belastet, das Kündigungsrecht des § 643 vorgesehen. Diese Wertung des Gesetzgebers ergibt sich unmittelbar aus den Motiven. 73 Zudem ist davon auszugehen, daß der Unternehmer das Risiko für Schäden, die nicht von der Entschädigungspflicht des § 642 abgedeckt sind, bei der Berechnung des Werklohns entsprechend berücksichtigt. Ist er hingegen nicht bereit, dieses Risiko zu übernehmen, so bleibt ihm immer noch die Möglichkeit, mit dem Besteller eine vertragliche Mitwirkungspflicht zu vereinbaren; 74 die Regelungen der §§ 642 ff. sind abdingbar, es handelt sich um dispositive Gesetzesvorschriften. 75 Wegen dieser verschiedenen Möglichkeiten des Bauunternehmers, sich vor den Risiken einer unzumutbaren Bauverzögerung seitens des Bestellers zu schützen, besteht kein Grund, bei größeren Bauprojekten abweichend von der gesetzlichen Konzeption eine Mitwirkungspflicht des Bestellers anzunehmen. Die vermittelnde Meinung führt im Gegenteil zu einer unnötigen Rechtsunsicherheit. Es bestehen keine Kriterien, anhand derer eindeutig bestimmt werden kann, wann ein größeres Bauvorhaben vorliegt. Zudem kann auch ein kleineres Bauvorhaben aus der Sicht eines kleinen Baubetriebs von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung 71
S. o. I 2.
n Glanzmann, in: BGB-RGRK, § 631, Rdnr. 12, i. V. m. § 631, Rdnrn.46, 94;
Seiler, in: Erman, § 642, Rdnrn. 2 u. 8. 73 S. O. I 3 i.V.m. Fn. 41. 74 Ebenso Peters, in: Staudinger, § 642, Rdnr. 19. 75 Thomas, in: Palandt, § 642, Rdnr. 1.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
sein. Es ist aber nicht einsichtig, weshalb ein Kleinbetrieb weniger schutzwürdig sein soll als ein mit Großprojekten betrauter Baukonzern. VI. Ergebnis Die teleologische Auslegung führt übereinstimmend mit der systematischen Auslegung zu dem Resultat, daß es sich bei der Mitwirkung des Bestellers lediglich um eine Obliegenheit handelt, unabhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung des zu erstellenden Werkes. Da ansonsten die Wertungen der §§ 642 ff. umgangen würden, kann eine MitwirkungspfIicht des Bestellers nur dann angenommen werden, wenn diesbezüglich eine ausdrückliche Vertragsvereinbarung vorliegt. Diese Fälle des Zusammentreffens von Annahmeverzug und Schuldnerverzug hat auch schon der Gesetzgeber so gesehen. 76
§ 18 Eigene Lösung im Anschluß an Kraus: Vorrang der §§ 642 ff. vor einer Regreßregelung Erinnern wir uns zurück: Das Problem, die Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bauherrn zu bestimmen, stellte sich im Zusammenhang mit der Frage nach möglichen Gegenansprüchen des geschädigten Nachunternehmers gegen den Bauherrn, die eine Regreßregelung schon im Vorfeld entbehrlich machen. Lassen sich sämtliche Schäden bereits nach den Grundsätzen über die vertragliche Abwicklung von Dreiecksverhältnissen regulieren, stellt sich die Frage nach einem Regreß nicht mehr. Wie stellen sich nun die Gegenansprüche des Nachunternehmers aufgrund der bisherigen Erörterungen dar? I. Gegenansprüche des geschädigten Nachunternehmers gegen den Bauherrn, die eine Lösung im Dreiecksverhältnis ermöglichen Überträgt man das Ergebnis der bisherigen Untersuchung auf den Ausgangsfall, so bedeutet dies, daß dem Bauherrn gegenüber dem Nachunternehmer keine Mitwirkungspflicht zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks obliegt. Mangels einer von § 642 abweichenden Vertragsvereinbarung hat der Bauherr lediglich eine Mitwirkungsobliegenheit verletzt. Dem Nachunternehmer steht daher nur ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung zu. Daneben hat er gemäß den §§ 643, 645 Abs. 1 S. 2 die Möglichkeit, den Vertrag mit dem Bauherrn im Falle einer weiteren Verzö-
76
Motive, Band 11, S. 496 f., abgedruckt unter Fn. 70.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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gerung zu kündigen und vom Bauherrn die Zahlung einer anteiligen Vergütung zu verlangen. Der Bauherr seinerseits kann für die Entschädigung, die er an den Nachunternehmer zu leisten hat, vom Vorunternehmer gemäß § 286 Abs. I Schadensersatz verlangen. Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch werden regelmäßig erfüllt sein. Anders als im Verhältnis zwischen Bauherrn und Nachunternehmer kann im Verhältnis zwischen Vorunternehmer und Bauherrn eine Pflicht des Vorunternehmers zur termingerechten Erstellung der Vorarbeiten unproblematisch angenommen werden, ohne daß die Abgrenzung zwischen Vertragspflicht und bloßer Obliegenheit hier Probleme bereitet. Es handelt sich um die Hauptleistungspflicht des Vorunternehmers im Vertrags verhältnis mit dem Bauherrn, deren Erfüllung verzögert wird. Des weiteren wird dem Vorunternehmer zumeist ein Termin zur fristgerechten Erstellung der notwendigen Vorarbeiten gesetzt sein, so daß eine Mahnung gemäß § 284 Abs. 2 S. I entbehrlich ist. Der Vorunternehmer gerät daher allein mit Ablauf des vereinbarten Termins in Schuldnerverzug. Soweit dies nicht der Fall ist, besteht für den Bauherrn immer noch die Möglichkeit, den Vorunternehmer rechtzeitig zu mahnen. Was den Teil der Schäden anbelangt, die durch die gemäß § 642 vom Bauherrn zu leistende Entschädigung abgedeckt sind, läßt sich damit eine Schadensregulierung über das vertragliche Dreiecksverhältnis vornehmen, ohne daß es einer Regreßregelung bedarf. Diese Lösung steht zudem in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Judikatur zu der Frage der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer. Sie ermöglicht dem BGH, an dieser Rechtsprechung festzuhalten, von der er - im Ergebnis zutreffend - nicht abweichen will, wie jüngere Entscheidungen erkennen lassen. 77 Zudem eröffnet sie die Gelegenheit, durch eine Konzentration auf die Regelungen der §§ 642 ff. die Probleme in den Fällen der Bauverzögerung in den Griff zu bekommen. Diese Notwendigkeit sieht auch der BGH. 78 77 Der BGH hat durch Beschluß vom 11. November 1993 - Az.: VII ZR 55/93 die Revision gegen ein Urteil des OLG Nürnberg, in dem dieses auf die Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985 Bezug genommen hat, nicht angenommen, OLG Nürnberg, BauR 1994, 517-518. Zuletzt hat der BGH in seinem Urteil vom 16. Oktober 1997 - Az.: VII ZR 64/96 zum sogenannten Schürmannbau seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, BGH NJW 1998,456 (458) = BGH JZ 1998,410 (412). 78 Quack, Buchbesprechung Kapellmann/Schiffers, BauR 1994, 149 (150), vermeidet es aus Stilgründen, die Rechtsprechung seines Senats zu diskutieren. Er regt an, eine Lösung durch eine abgewogene Gestaltung der VOB/B zu gewinnen. Diesen Vorschlag hat Dähne, BauR 1994,518 (518), aufgegriffen, der in seiner Anmerkung zu der oben zitierten Entscheidung des OLG Nümberg zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Lösung nur auf legislativem Wege zu erzielen sei. Dähne regt unter Bezugnahme auf Kapellmann/SchijJers, Rdnr. 1395, an, folgenden Wortlaut in die
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Die vom BGH aufgeworfene Frage nach der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer stellt sich erst dann, wenn der Bauherr und der Nachunternehmer ausnahmsweise eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur termingerechten Bereitstellung des Grundstücks vereinbart haben. In diesem Fall läßt sich die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn aber ohne weiteres bejahen, da der Bauherr sich des Vorunternehmers "zur Erfüllung" dieser Verpflichtung bedient hat. 79 Insoweit will auch der BGH seine Rechtsprechung eingeschränkt sehen. 8o Dies hat zur Folge, daß dem Nachunternehmer gegen den Bauherrn ein weitergehender Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 1 zusteht. Es liegt ein Zusammentreffen von Annahme- und Schuldnerverzug vor. Unabhängig von den soeben erörterten Ansprüchen kann dem Nachunternehmer im Einzelfall gegen den Bauherrn ein Schadensersatzanspruch aus einer pFV des Werkvertrages zustehen. Voraussetzung ist das Vorliegen einer Nebenpflichtverletzung des Bauherrn, für die keine gesetzliche Regelung besteht. Eine solche Pflichtverletzung kommt dann in Betracht, wenn Vorschrift des § 6 Nr. 6 VOB/B einzufügen: "Der Auftraggeber steht dem Auftragnehmer für die rechtzeitige und ordnungsgemäße Leistung von Vorunternehmern ein; sie sind seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Die Pflichten des Arbeitnehmers gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B bleiben unberührt." Auf die Regelungen der VOB/B wird gesondert unter § 35 eingegangen. 79 So auch OLG Celle, BauR 1994, 629 (629). In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten der Bauherr und der Nachunternehmer bauvertraglich eine feste Ausführungsfrist für die Erbringung der notwendigen Vorarbeiten vereinbart. Im Wege der Vertragsauslegung gelangte das OLG Celle zu dem Ergebnis, daß aufgrund dieser festen Terminsabsprachen eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn begründet worden war, zu deren Erfüllung der Bauherr den Vorunternehmer herangezogen hatte. 80 Der BGH hat durch Beschluß vom 16. Dezember 1993 - Az.: VII ZR 229/92 die Revision gegen das Urteil vom OLG Celle (s. dazu die Anmerkung in der vorangehenden Fußnote) nicht angenommen. Dies kann nur so verstanden werden, daß der BGH die Einschränkung, zu der das OLG Celle in der Auseinandersetzung mit der Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985 gekommen ist, gebilligt hat. Ebenso in ihrer Einschätzung Jagenburg, Bauvertragsrecht seit 1994, NJW 1996, 1998 (2006), und Döring, in: Festschrift für Götz von Craushaar, S. 193 (200 f.). Vygen, Anmerkung zum OLG Celle, BauR 1994, 630 (630), hält hingegen die unterschiedliche Beurteilung der Sachverhalte des OLG Nürnberg, BauR 1994, 517 f., und des OLG Celle, BauR 1994, 629 f., durch den BGH nicht für gerechtfertigt. Eine Differenzierung zwischen den Fällen der verspäteten und der mangelhaften Vorunternehmerleistung sei nicht geboten. Vygen vernachlässigt dabei, daß Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung nicht so sehr die Unterscheidung zwischen Verzug und Sachmängelhaftung war, sondern vielmehr die Abgrenzung von Mitwirkungsobliegenheiten und Mitwirkungspflichten des Bauherrn. Mit Recht hat daher der BGH die Revision gegen das Urteil des OLG Celle nicht angenommen. Die abweichende Entscheidung begründet sich damit, daß in dem zugrunde liegenden Sachverhalt ausnahmsweise eine Mitwirkungspflicht des Bauherm vereinbart war.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
145
der Zweck des Werkvertrages zwischen Nachunternehmer und Bauherrn durch ein Fehlverhalten des Bauherrn über den bloßen Annahmeverzug hinaus gefährdet oder gar vereitelt wird. Es liegt dann eine allgemeine Treuepflichtverletzung im Sinne des § 242 vor, die die Verletzung der sich aus § 642 ergebenden Obliegenheit überlagert. 81 Da die zuletzt genannten Fälle einer pFV des Werkvertrages selten vorliegen werden82 und der Bauherr und der Nachunternehmer nur in wenigen Fällen eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks vereinbaren werden, stellt sich das Problem, welche Rechte dem Nachunternehmer wegen derjenigen Schäden zustehen, die nicht durch die vom Bauherrn zu leistende Entschädigung abgedeckt sind. Bevor man eine Regreßlösung in Erwägung zieht, ist insoweit an unmittelbare Schadensersatzansprüche des Nachunternehmers gegen den Vorunternehmer zu denken. 11. Ansprüche des Nachunternehmers gegen den Vorunternehmer
Da zwischen den beiden Bauunternehmern kein Vertragsverhältnis vorliegt, kann der Nachunternehmer allenfalls aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Vorunternehmer Ansprüche ableiten. Ein Schadensersatzanspruch des Nachunternehmers setzt voraus, daß dem Bauherrn gegen den Vorunternehmer ein Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 1 zusteht und der Nachunternehmer in die Schutzwirkungen des Vertrages zwischen dem Bauherrn und dem Vorunternehmer einbezogen worden ist. Während die Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Vorunternehmer regelmäßig zu bejahen sind,83 ist der Nachunternehmer indes regelmäßig nicht in die Schutzwirkungen des Vertrages zwischen dem Bauherrn und dem Vorunternehmer einbezogen. 84 Zwar läßt sich die erforderliche Leistungsnähe des Dritten 85 zumeist noch 81 Ebenso der BGH in der oben unter § 17 11 erörterten Entscheidung BGH VersR 1960,693 (694), und Götz, JuS 1961,56 (58). 82 Der BGH hat in der oben erörterten Entscheidung aus dem Frachtrecht, BGHZ 11, 80 (82-89), eine unzumutbare Erschütterung der Vertrauensgrundlage angenommen und einen Anspruch aus einer pFV des Frachtvertrages bejaht. Vergleichbare Entscheidungen aus dem Baurecht sind nicht bekannt. 83 S. o. I. 84 Bedenken gegen die Anwendbarkeit dieses Rechtsinstituts könnten sich bereits aus dem Umstand ergeben, daß es in den Fällen der bloßen Bauverzögerung nicht um die Geltendmachung eines Körperschadens, sondern lediglich eines allgemeinen Vermögensschadens geht. Auch auf diese Fälle sind die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter jedoch anwendbar, BGH NJW 1970, 38 (40); Heinrichs, in: Palandt, § 328, Rdnr. 19; Vollkommer, in: Jauernig, § 328, Rdnr. 29. 10 Slamm
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2. Teil: Regreßregeiungen im Baurecht
damit begründen, daß mehrere am Bau tätige Unternehmer mit ihren Arbeiten in gleicher Weise in Kontakt kommen wie der Bauherr. So ist der Nachunternehmer genauso wie der Bauherr von der Verzögerung der Vorarbeiten des Vorunternehmer betroffen. Es fehlt aber regelmäßig an einem Interesse des Bauherrn an der Einbeziehung des Nachunternehmers in die Schutzwirkungen des Werkvertrages mit dem Vorunternehmer. 86 Ein solches Einbeziehungsinteresse des Bauherrn kann nicht allein aus dem Bestehen eines schuldrechtlichen Vertrages mit dem Nachunternehmer abgeleitet werden. Andernfalls würde das Haftungsrisiko des Vorunternehmers unzulässig ausgedehnt und das Institut des drittschützenden Vertrages verlöre seine Konturen. Im übrigen kann ein Einbeziehungsinteresse des Bauherrn nur mit dem Umstand begründet werden, daß den Bauherrn selbst gegenüber dem Nachunternehmer eine Haftung gemäß den §§ 642 ff. trifft. Da diese Haftung jedoch nur einen Teil der Schäden des Nachunternehmers erfaßt, kann sie auch nur insoweit ein Einbeziehungsinteresse des Bauherrn rechtfertigen. Diesbezüglich mangelt es dann aber an der weiteren Voraussetzung des drittschützenden Vertrages, der Schutzbedürftigkeit des Nachunternehmers, da er bereits vom Bauherrn Ersatz verlangen kann. Hier muß die Abwicklung in den jeweiligen Vertragsverhältnissen Vorrang vor einem direkten Durchgriffsanspruch haben. Mangels vertraglicher Ansprüche bleibt dem Nachunternehmer allein die Möglichkeit eines deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs gegen den Vorunternehmer aus § 823 Abs. 1. Eine solche deliktsrechtliche Haftung scheidet in den Fällen des Annahmeverzugs jedoch ebenfalls aus, da der Vorunternehmer durch die Verzögerung seiner Arbeiten lediglich das Vermögen des Nachunternehmers verletzt hat. 87 Dem Nachunternehmer stehen gegen den Vorunternehmer weder vertragliche noch deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche zu.
85 Dazu BOHZ 49, 350 (354); 61, 227 (234); 70, 327 (329); Heinrichs, in: Palandt, § 328, Rdnr. 16. 86 Nach der ursprünglich vom BOH entwickelten "Wohl-und-Wehe-Formel" kann ein Schutzinteresse des Bauherrn an der Einbeziehung des Zweitunternehmers nicht begründet werden, da zwischen den beiden kein Fürsorgeverhältnis mit personenrechtlichem Einschlag besteht. Zu dieser anfänglichen Rechtsprechung BOHZ 51, 91 (96); Berg, Verträge mit Drittschutzwirkung, JuS 1977, 363 (364 f.), und Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 845. BOHZ 56, 269 (273), stellt demgegenüber klar, daß die "Wohl-und-Wehe-Formel" nicht abschließend zu verstehen ist; ebenso BOH NJW 1984, 355 (355 f.); Heinrichs, in: Palandt, § 328, Rdnr. 17, und Larenz, Schuldrecht I, § 17 11. 81 Das Vermögen stellt kein "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 dar, ThorruJs, in: Palandt, § 823, Rdnr. 31.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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111. Das Konkurrenzverhältnis zwischen den §§ 642 fT. und der Drittschadensliquidation
Die bisherigen Überlegungen zur Rechtsnatur der Mitwirkungshandlung des Bestellers und zu der Frage nach der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn führen in der Vielzahl der Bauverzögerungsfalle zu dem Ergebnis, daß der Nachunternehmer für den Teil der Schäden, die er vom Bauherrn gemäß den §§ 642 ff. nicht ersetzt verlangen kann, selbst aufkommen muß, obwohl diese Schäden auf ein Verschulden des Vorunternehmers zurückzuführen sind. Dieses Ergebnis scheint auf den ersten Blick unbillig zu sein, so daß sich die Frage nach einer irgendwie gearteten Ausgleichsregelung aufdrängt. Da die Mechanismen zur vertraglichen Abwicklung von Dreiecksverhältnissen ebenso zu versagen drohen wie die Regelungen des vertraglichen Drittschutzes und des Deliktsrechts, richtet sich der Blick auf mögliche Regreßregelungen. Ohne daß deren Rechtsnatur bislang geklärt wäre, konzentrieren sich dabei die Überlegungen der Rechtsprechung 88 und der Literatur89 auf die Drittschadensliquidation, die im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt worden ist. Ihre Voraussetzungen könnten erfüllt sein, da es sich um einen Fall der zufalligen Schadensverlagerung vom Bauherrn auf den Nachunternehmer zu handeln scheint. 90 Dem Bauherrn steht gegen den Vorunternehmer ein Anspruch aus § 286 Abs. 1 auf Ersatz des (Teil)Schadens zu, den der Nachunternehmer erlitten hat. Gegen eine solche Lösung ergeben sich jedoch bereits Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit der Drittschadensliquidation. Für eine solche Rechtsfortbildung ist kein Raum, soweit der Gesetzgeber bereits eine abschließende Regelung getroffen hat. 91 Eine solche Regelung ist hier in den Vorschriften der §§ 642 ff. zu finden, deren Wertungen durch die Anwendung der Drittschadensliquidation umgangen würden. Die Vorschriften der §§ 642 ff. treffen für die vorliegenden Fälle des Annahmeverzugs des Bestellers eine angemessene Ausgleichsregelung zwischen Besteller und Unternehmer. Danach muß der Unternehmer für Schäden, die über den gemäß den §§ 642 ff. vom Bauherrn zu leistenden Ersatz hinausgehen, selbst aufkommen. Diese Wertung gilt unabhängig von der Frage, wer den Annahmeverzug verursacht hat. Es handelt sich beim Annahmeverzug um S. o. § 16 I 2. S. o. § 16 11. 90 Zu den Voraussetzungen der Drittschadensliquidation s. BGHZ 51, 91 (93-95); Fikentscher, Rdnr. 463; Kuckuck, in: Erman, Vor. § 249, Rdnr. 137, und nachfolgend noch im einzelnen unter § 25 11 2. 91 Diese Bedenken könnten auch gegen die Annahme vorgebracht werden, es handele sich um eine "zufällige" Schadensverlagerung. In dogmatischer Hinsicht betreffen sie jedoch bereits die Anwendbarkeit der Drittschadensliquidation. 88
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
eine verschuldensunabhängige Obliegenheitsverletzung. Aus diesem Grunde kann der Nachunternehmer auch aus dem Verschulden des Voruntemehmers keine weitergehenden Schadensersatzansprüche ableiten. Ein solches Ergebnis würde zu einer Umgehung der vertraglichen Ausgleichsregelungen in den Fällen des Annahmeverzugs führen. Diese Regelungen treffen auch im Dreiecksverhältnis zwischen Voruntemehmer, Bauherrn und Nachunternehmer eine abschließende Risikoverteilung zu Lasten des Nachunternehmers, da sie unabhängig von der Frage gelten, wer den Annahmeverzug verschuldet hat. 92 Es besteht daher in den Fällen des Annahmeverzugs kein Raum für eine Rechtsfortbildung im Sinne der Drittschadensliquidation. Diese ist in der Fällen der Bauverzögerung nicht anwendbar. Anhand der vorangegangen Überlegungen kann abschließend auch veranschaulicht werden, daß das vorliegende Ergebnis nicht unbillig ist. Da die Vorschriften der §§ 642 ff. zum Annahmeverzug unabhängig von der Frage gelten, wer den Annahmeverzug verschuldet hat, könnte der Nachunternehmer auch in den Fällen, in denen der Bauherr selbst den Annahmeverzug schuldhaft verursacht hat, keinen Schadensersatz verlangen. Wenn aber schon den Bauherm keine Schadensersatzhaftung treffen würde, ist erst recht nicht einzusehen, weshalb der Voruntemehmer, den kein Vertrags verhältnis mit dem Nachunternehmer verbindet, in den Fällen des Annahmeverzugs zum Schadensersatz verpflichtet sein soll (argurnenturn a maiore ad minus). Der Nachunternehmer muß daher stets mit dem Risiko rechnen, daß er einen Schaden, der über den vom Bauherm zu leistenden Ersatz hinausgeht, selbst zu tragen hat. Dieses Risiko trifft ihn unabhängig von der Frage, wer im Einzelfall den Annahmeverzug zu vertreten hat. Der Nachunternehmer kann dieses Risiko in der Regel bereits bei der Berechnung des Werklohns berücksichtigen oder sich durch die Vereinbarung einer Mitwirkungspflicht des Bestellers absichem. 93 Es kann daher nicht festgestellt 92 Darin besteht zugleich der entscheidende Unterschied zu den Fällen der Sachmängelhaftung und der Unmöglichkeit, die in den Vorschriften der §§ 644, 645 geregelt sind. Diese Vorschriften sehen im Gegensatz zu den Regelungen der §§ 642 ff. keinerlei Ausgleichsregelung im Dreiecksverhältnis vor; die Fälle, in denen ein Dritter die Leistungsstörung hervorruft, bleiben unberücksichtigt, wie sich noch zeigen wird (s. u. § 28 11). Es wird daher bei den Fällen der Sachmängelhaftung und der Unmöglichkeit sorgfältig zu untersuchen sein, inwieweit eine Rechtsfortbildung im Sinne der Drittschadensliquidation geboten ist. An dieser Stelle kann aber bereits festgestellt werden, daß sich die hier vorgenommene Differenzierung zwischen den verschiedenen Leistungsstörungen als notwendig erwiesen hat. Andernfalls bliebe die gesetzgeberische Unterscheidung zwischen den in den §§ 642 ff. geregelten Fällen des Annahmeverzugs und den in den §§ 644, 645 geregelten Fällen der Sachmängelhaftung und der Unmöglichkeit unberücksichtigt. Die Drittschadensliquidation käme dann unterschiedslos zur Anwendung. 93 Zu der Interessenlage in der vorliegenden Fallkonstellation s. schon oben unter § 17 V 2.
1. Kap.: Notwendigkeit von Regreßregelungen
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werden, daß das vorliegende Ergebnis unbillig wäre. Dem Nachunternehmer steht gegen den Vorunternehmer weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht des Bauherrn ein Schadensersatzanspruch zu. IV. Ergebnis
Die Fälle der Bauverzögerung, in denen der Vorunternehmer im Verhältnis zwischen Bauherrn und Nachunternehmer eine Leistungsstörung in Form des Annahmeverzugs hervorruft, finden ihre sachgerechte Lösung in den Vorschriften der §§ 642 ff., die auch im Dreiecksverhältnis zwischen Vorunternehmer, Bauherrn und Nachunternehmer eine abschließende Wertentscheidung des Gesetzgebers widerspiegeln. So hat der Nachunternehmer gegen den Bauherrn insbesondere einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Weitergehende Schadensersatzanspruche stehen ihm hingegen weder gegen den Bauherrn noch gegen den Nachunternehmer zu. Es bleibt dem Nachunternehmer aber die Möglichkeit, den Werkvertrag mit dem Bauherrn gemäß den §§ 642, 643 zu kündigen und gemäß § 645 Abs. 1 S. 2 vom Bauherrn die Zahlung einer anteiligen Vergütung zu verlangen. Der Bauherr seinerseits kann für die Entschädigung, die er an den Nachunternehmer zu leisten hat, vom Vorunternehmer gemäß § 286 Abs. 1 Schadensersatz verlangen. Vereinbaren der Bauherr und der Nachunternehmer ausnahmsweise eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks, so steht dem Nachunternehmer im Falle der Bauverzögerung nicht nur ein Entschädigungsanspruch aus § 642, sondern zusätzlich auch ein Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 1 zu. Es handelt sich dann um einen Sonderfall des Zusammentreffens von Annahme- und Schuldnerverzug. Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit dem eingangs erläuterten Grundprinzip, demzufolge die Abwicklung von Leistungsstörungen in den jeweiligen Vertragsverhältnissen zu sach- und interessengerechten Ergebnissen führt. Die Frage nach einem Regreßanspruch des Nachunternehmers gegen den Vorunternehmer stellt sich nicht. In der Rechtsprechung und Literatur wird die Bedeutung der Vorschriften der §§ 642 ff. weitestgehend unterschätzt. Daraus folgt ein unnötiger Streit um die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Zweites Kapitel
Anwendungsbereich der Gesamtschuld Während dem ersten Kapitel Fälle der einseitig durch einen Bauunternehmer verursachten Bauverzögerung zugrunde lagen, konzentriert sich die Untersuchung nunmehr auf Konstellationen, bei denen der Erst- und der Zweitunternehmer gemeinsam Leistungsstörungen verursachen, die sich faktisch nicht voneinander trennen lassen. Da Fälle des gemeinsam verursachten Verzugs kaum vorstellbar sind, hat die nachfolgende Untersuchung Leistungsstörungen in Form von Sachmängelhaftung und Unmöglichkeit zum Gegenstand.
§ 19 Typische Fallkonstellationen und ihre Lösung im Lichte
der im ersten Teil entwickelten Gesamtschuldkonzeption
Im Baurecht liegt zu den Fällen der gemeinsam durch mehrere Bauunternehmer verursachten Leistungsstörungen bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. 94 Es wird daher im folgenden von einem Sachverhalt ausgegangen, den das OLG Hamm zu entscheiden hatte: 95 Der Bauherr hat den Erstunternehmer mit der Verlegung des Estrichs und den Zweitunternehmer mit der Verlegung der Fliesen beauftragt. Nach Fertigstellung dieser Arbeiten weist der Fliesenbelag Risse auf. Diese sind sowohl auf die mangelhafte Verlegung des Estrichs als auch der Fliesen zurückzuführen. Beide Beläge müssen beseitigt und neu verlegt werden. Der Zweitunternehmer läßt diese Arbeiten ausführen. Er fragt nach seinen Ansprüchen gegen den Erstunternehmer.
I. Die Lücken der vertraglichen und deliktsrechtlichen Ausgleichsregelungen
Im Gegensatz zu den Fällen der Bauverzögerung genügen vorliegend nicht mehr die Regelungen des Vertrags- und des Deliktsrechts, um den Nachteil, den der Zweitunternehmer erlitten hat, auszugleichen. Eine vertragliche Abwicklung über das Dreiecksverhältnis Zweitunternehmer - Bauherr - Erstunternehmer ist nicht möglich, da der Erstunternehmer kein Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Zweitunternehmer ist. 96 Ebensowenig steht dem Zweitunternehmer ein deliktsrechtlicher Schadens94 Zu der einzigen Entscheidung des BGR auf diesem Gebiet s. die Anmerkung zu der Lösung des OLG Ramm in Fn. 117. 95 OLG Ramm, NJW-RR 1992, 849-850. Eine Erörterung der Entscheidung findet sich nachfolgend unter § 20 I.
2. Kap.: Anwendungsbereich der Gesamtschuld
151
ersatzanspruch gegen den Bauherrn aus § 831 Abs. 1 S. 1 zu. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, daß der Erstunternehmer Verrichtungsgehilfe des Bauherrn ist. 97 Die dazu erforderliche Abhängigkeit des Erstunternehmers von den Weisungen des Bauherrn kann sich allein aus ihrem Vertragsverhältnis ergeben. Im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses handelt der Erstunternehmer aber nicht aufgrund konkreter Anweisungen des Bauherrn, sondern er bestimmt seine Tätigkeit selbständig. Eine derartige Tätigkeit begründet keine Eingliederung in die Herrschafts- und Organisationssphäre, wie sie für den Verrichtungsgehilfen verlangt wird. 98 Der selbständig tätige Bauunternehmer ist kein Verrichtungsgehilfe des Bauherrn. 99 Dem Bauherrn kann daher das Fehlverhalten des Erstunternehmers auch nicht auf deliktsrechtlicher Ebene zugerechnet werden. Ein deliktsrechtlicher Schadensausgleich ist auch im Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer nicht möglich, da der Zweitunternehmer nicht mehr Eigentümer der von ihm verlegten Fliesen ist. Eine Drittschadensersatzregelung ist hier nicht möglich, da die Haftung des Zweitunternehmers nicht auf die Gefahrtragungsregel des § 644 zurückzuführen ist. Der Zweitunternehmer haftet allein aus § 633, da er selbst seine Werkleistung nicht fehlerfrei erbracht hat. Es kommt daher in der vorliegenden Fallgruppe auch nicht darauf an, ob die Werkleistung bereits abgenommen ist und die Gefahr damit auf den Bauherrn übergegangen ist. Erstmals stellt sich damit die Frage nach einem Regreß des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer.
n. Ergänzung der Ausgleichsmechanismen im Dreiecksverhältnis durch die Regreßregelungen der Gesamtschuld
Für die Fälle der gemeinsam verursachten Leistungsstörung haben bereits
Ganten und Weise und im Anschluß auch Glöckner eine Regreßlösung im
Wege der Gesamtschuld vorgeschlagen. 1OO Mangels einer spezialgesetz96 S. o. § 18 I. Auf die im Zusammenhang mit den Fällen der Sachmängelhaftung auftretenden Besonderheiten gegenüber den Fällen der Bauverzögerung wird an späterer Stelle zurückzukommen sein, wenn die Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985 noch einmal Gegenstand der Untersuchung sein wird, s. u. §§ 32 f. An dieser Stelle kann aber zum besseren Verständnis schon vorweggenommen werden, daß der Erstunternehmer auch in den Fällen der Sachmänge1haftung kein Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Zweitunternehmer ist. 97 Zum Begriff des Verrichtungsgehilfen BGH WM 1989, 1047 (1050); Thomas, in: Palandt, § 831, Rdnr. 6. 98 BGHZ 45,311 (313). 99 BGHZ 42, 374 (375). 100 Ganten, BauR 1978, 187 (188); Weise, BauR 1992, 685 (690), beruft sich auf Brügmann, BauR 1976, 383, 387 ff., der für sämtliche Fallkonstellationen im Bau-
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
lichen Anordnung 101 oder einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung kann dabei nur auf die Regelung des § 421 S. 1 zurückgegriffen werden. Ganten hat darauf hingewiesen, daß bei sich überschneidenden Sachmängeln der Erst- und der Zweitunternehmer nicht nur die Beseitigung der eigenen, sondern auch die Beseitigung der fremden mangelhaften Werkleistung schulden. 102 Eine solche Haftung ergibt sich für beide Unternehmer aus § 633 Abs. 2 S. 1. Diese Nachbesserungspflicht umfaßt nicht nur die Beseitigung der mangelhaften Werkleistung selbst, sondern auch die Beseitigung sämtlicher Schäden, die bei der Durchführung der Beseitigungsmaßnahmen unmittelbar an anderen Sachen des Bestellers verursacht werden. 103 Es liegt daher im vorliegenden Fall eine Identität der geschuldeten Leistungen vor. I04
Das Bestehen einer Gesamtschuld hängt nicht davon ab, daß zwischen den Gesamtschuldnern ein Verhältnis der Gleichstufigkeit besteht. Dies ist im einzelnen im ersten Teil der vorliegenden Arbeit dargelegt worden. 105 Selbst wenn man aber mit der h. M. von der Gleichstufigkeit als Wesensmerkmal der Gesamtschuld ausgehen wollte, so hat Weise bereits darauf hingewiesen, daß bei Verursachung eines Sachmangels durch mehrere Bauunternehmer auch dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. 106 Da beide Bauunternehmer den Schaden verursacht haben, steht keiner von beiden dem Schaden näher. Gemäß § 421 S. 1 besteht damit eine gesamtschuldnerische Haftung des Erst- und des Zweitunternehmers, so daß ein Teil des Schrifttums zutreffend zu einem Regreßanspruch aus § 426 i. V. m. § 254 gelangt. 107 Die Ausgestaltung dieses Regreßanspruchs mit den konkurrierenden Ausgleichsrecht einen Ausgleich im Wege der Gesamtschuld vorschlägt, ohne jedoch hinreichend zwischen den Fällen der einseitig und der gemeinsam verursachten Leistungsstörung zu differenzieren; s. dazu noch später die entsprechende Anmerkung in Fn. 252. Für eine Gesamtschuldlösung plädiert auch Glöckner, S. 65 ff., 73. 101 In den Fällen der gemeinsam verursachten Gewährleistungshaftung wird nur selten zugleich eine deliktsrechtliche Schädigung vorliegen, die einen Rückgriff auf § 840 Abs. 1 ermöglicht. Denkbar sind allein die seltenen Fälle der sogenannten "weiterfressenden Mängel". 102 Ganten, BauR 1978, 187 (188), und ebenso Glöckner, S. 66 ff. 103 BGRZ 58, 332 (338); BGH NJW 1979, 2095 (2096); BGRZ 96, 221 (224 f.); Peters, in: Staudinger, § 633, Rdnr. 173; Seiler, in: Erman, § 633, Rdnr. 27. 104 Ebenso Soergel, in: Münchener Kommentar, § 635, Rdnr. 90, und im Anschluß Merl, in: Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, § 12, Rdnr. 812. Zu dem Tatbestandsmerkmal der Leistungsidentität s. bereits oben unter § 7 III 1 a im einzelnen. 105 S. o. § 31 6. 106 Weise, BauR 1992,685 (690). Ebenso Kuß, § 13 VOB/B, Rdnr. 50. IO? SO Ganten, BauR 1978, 187 (187); Weise, BauR 1992, 685 (690), und auch Glöckner, S. 65 ff., 73.
2. Kap.: Anwendungsbereich der Gesamtschuld
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mechanismen aus § 426 Abs. 1 und Abs. 2 entspricht den Wertungen des Vertragsrechts zur Abwicklung von Dreiecksverhältnissen und stellt daher eine notwendige Ergänzung des Vertragsrechts dar. Auch dies ist bereits im ersten Teil der Arbeit ausgeführt worden. lOS Der Zweitunternehmer hat gegen den Erstunternehmer zunächst aus § 426 Abs. 1 einen Anspruch auf Befreiung von der Schuld gegenüber dem Bauherrn. Nachdem er selbst die Nachbesserungsarbeiten erbracht hat, steht ihm gegen den Erstunternehmer ein Ausgleichsanspruch aus abgeleitetem Recht des Bauherrn gemäß den §§ 426 Abs. 2, 633 Abs. 3 zu. Die Höhe dieser Ansprüche bemißt sich analog § 254 nach den jeweiligen Verursachungsbeiträgen. Der übergeleitete Aufwendungsersatzanspruch aus § 633 Abs. 3 besteht unabhängig davon, ob der Erstunternehmer in Verzug gesetzt worden ist. Die Voraussetzungen des werkvertraglichen Aufwendungsersatzanspruchs treten im Spannungsfeld mit dem gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruch aus § 426 zurück. Da dem Bauherrn bei der Inanspruchnahme der beiden Unternehmer gemäß § 421 S. 1 ein freies Wahlrecht zusteht, kann von ihm nicht verlangt werden, für einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den nicht in Anspruch genommenen Unternehmer zunächst die anspruchsbegründenden Voraussetzungen zu schaffen. Soweit daher der Bauherr den Zweitunternehmer auf Gewährleistung in Anspruch nimmt, ohne zuvor den Erstunternehmer in Verzug zu setzen, handelt es sich um eine ausnahmsweise zulässige Eigennachbesserung, ohne daß die Voraussetzungen des § 633 Abs. 3 erfüllt sein müssen. 109 Die bisherigen Überlegungen zu einer Regreßlösung in den Fällen der gemeinsam verursachten Leistungsstörung haben sich auf einen Fall der Sachmängelhaftung konzentriert. Sie finden ihre Bestätigung, wenn man sich nunmehr einen Fall der gemeinsam verursachten Unmöglichkeit herausgreift. Man denke etwa an folgenden Sachverhalt: 110 Der Erst- und der Zweituntemehmer hatten Handwerksarbeiten am Schloß des Bauherrn auszuführen. Bei Schweißarbeiten des Zweitunternehmers an der Heizungsanlage gerieten infolge von Unachtsamkeit einige leicht entzündbare Baumaterialien des Erstunternehmers in Brand. Der Erstunternehmer hatte diese Baumaterialien vorschriftswidrig in der Nähe der Heizungsanlage eingelagert. Das S. o. § 7 I 2. So bereits Böhme, in: Festschrift für Götz von Craushaar, S. 327 (332), der aber die Anwendung der Gesamtschuld im Ergebnis ablehnt und zu einem Ausgleich im Wege der GoA und des Bereicherungsrechts gelangt. Zu diesem Lösungsweg sogleich unter § 20 I. 110 Der Sachverhalt ist der Entscheidung des OLG Köln, OLGZ 1975, 323-324, nachgebildet. Im Originalfall war die Unmöglichkeit der Werkleistung jedoch im Gegensatz zu der hier gewählten Fallvariante allein auf das Fehlverhalten des Erstunternehmers, nicht auch des Zweitunternehmers zurückzuführen. Die Entscheidung des OLG Köln ist daher erst an späterer Stelle zu erörtern, s. u. § 24 I. t08
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
ausgebrochene Feuer konnte nicht mehr gelöscht werden, so daß das gesamte Schloß abbrannte. Welche Ansprüche hat der Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer, wenn er dem Bauherrn Schadensersatz geleistet hat?
Der Zweitunternehmer kann aus eigenem Recht weder vertragliche noch deliktsrechtliche Ansprüche gegen den Erstunternehmer geltend machen, so daß sich wiederum die Frage nach einem Regreßanspruch stellt. Eine Antwort findet sich auch hier in der Vorschrift des § 426. Die Anwendung der Gesamtschuldregeln bereitet keinerlei Probleme, da die Unmöglichkeit der Werkleistung mit einer von den beiden Bauunternehmern gemeinsam verursachten deliktsrechtlichen Schädigung einhergeht. Für diese Fälle der deliktsrechtlichen Schädigung ordnet bereits § 840 Abs. 1 eine gesamtschuldnerische Haftung an. Spannt man nun den Bogen zu den Fällen der gemeinsam verursachten Sachmängelhaftung, so wäre es auch nicht einsichtig, weshalb der Regreßweg in dieser Konstellation anders ausgestaltet sein sollte als in jener. Das Gesetz nimmt, was die Regreßfiguren anbelangt, keine Differenzierung zwischen den verschiedenen Leistungsstörungen vor. Unterschiede ergeben sich allein hinsichtlich der Ansprüche, die gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 vom Bauherrn auf den Zweitunternehmer übergeleitet werden. Während es sich in den Fällen der Sachmängelhaftung nur um Gewährleistungsansprüche aus dem Werkvertragsrecht handeln kann, besteht vorliegend ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Erstunternehmer aus dem allgemeinen Schuldrecht, § 325. 111 Dieser ist auf das volle Gläubigerinteresse gerichtet, weil sich die Leistungsstörungen nicht voneinander trennen lassen. 112 Daneben geht ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Erstunternehmer aus § 823 Abs. 1 auf den Zweitunternehmer über. Die Höhe dieser übergeleiteten Ansprüche bemißt sich analog § 254 nach den jeweiligen Verursachungsbeiträgen.
§ 20 Abweichende Lösungen in Rechtsprechung und Literatur Die Fälle der gemeinsam verursachten Leistungsstörung im Baurecht sind ein Musterbeispiel für die derzeitig bestehende Rechtsunsicherheit auf dem Gebiet des Regreßrechts. Dies zeigen die nachfolgend zu erörternden Entscheidungen der Obergerichte. Einigkeit besteht nur insoweit, als eine 111 Daneben kommt auch eine vertragliche Schadensersatzhaftung aus einer pFV des Werkvertrages in Betracht, soweit nicht nur die Erbringung der Werkleistung unmöglich geworden ist, sondern auch das Schloß abgebrannt ist. Dies ändert aber nichts an der gesamtschuldnerischen Haftung aus § 840 Abs. I. 112 Zu dem Problem der Leistungsidentität siehe bereits ausführlich im ersten Teil unter § 7 III I a und nachfolgend noch unter § 20 I 1.
2. Kap.: Anwendungsbereich der Gesamtschuld
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Gesamtschuldlösung - wenn auch mit unterschiedlicher Begründung grundsätzlich abgelehnt wird. Statt dessen wird auf die volle Palette der Regreßfiguren zurückgegriffen, die die Literatur neben der Gesamtschuld entwickelt hat. I. Die Entscheidungen des OLG Ramm vom 9. November 1990 Az.: 26 U 23/90 113, vom 10. Januar 1992 - Az.: 26 U 82/91 114 und vom 30. März 1995 - Az.: 17 U 205/93 115 Das OLG Hamm hat in zwei vergleichbaren Fällen dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer einen Regreßanspruch aus GoA zugesprochen, in einem Fall ist es ausnahmsweise von einer gesamtschuldnerischen Haftung der beiden Bauunternehmer ausgegangen. 1. Ablehnung der Gesamtschuld
Das OLG Hamm lehnt grundsätzlich einen gesamtschuldnerischen Ausgleich zwischen den Beteiligten ab. Angesichts der unterschiedlichen bauvertraglichen Pflichten der beiden Bauunternehmer liege keine Zweckgemeinschaft vor, die Voraussetzung für das Bestehen einer Gesamtschuld sei. 116 Zudem schlössen die unterschiedlichen bauvertraglichen Pflichten die erforderliche Leistungsidentität aus. 117 OLG Hamm, NJW-RR 1991, 730-731. OLG Hamm, NJW-RR 1992, 849-850 = OLG Hamm, BauR 1992, 519-521. Dieser Entscheidung liegt der eingangs unter § 19 geschilderte Sachverhalt zugrunde. 115 OLG Hamm, BauR 1995, 852-854. 116 OLG Hamm, NJW-RR 1991, 730 (731); OLG Hamm, NJW-RR 1992, 849 (850). Ebenso OLG Frankfurt a. M., in: Schäfer/Finnern/Hochstein, § 426 BGB, Nr. 3, S. 8, in seiner nachfolgend unter 11 zu erörternden Entscheidung vom 26. Januar 1988 und WernerlPastor, Rdnr. 1969. Das OLG Hamm übersieht an dieser Stelle, daß es sich hinsichtlich der Identität des Leistungsinteresses einerseits und der Zweckgemeinschaft andererseits um zwei verschiedene Voraussetzungen der Gesamtschuld handelt. Liegt nach Auffassung des OLG Hamm bereits keine Leistungsidentität vor, so hätte es in der Entscheidung OLG Hamm, NJW-RR 1991, 730 (731), des Hinweises auf die fehlende Zweckgemeinschaft nicht mehr bedurft. 117 Mit diesem Widerspruch sah sich wohl auch der BGH bei seiner Entscheidung BGH, BauR 1975, 130 (131), konfrontiert, der ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Der BGH hat hier ebenfalls eine gesamtschuldnerische Haftung der beiden Bauunternehmer verneint, da es an der dazu erforderlichen Zweckgemeinschaft fehle. Diese Frage hatte jedoch nur geringe Bedeutung für die eigentliche Entscheidung, inwieweit dem Bauherm als Kläger gegenüber einem der beiden beteiligten Bauunternehmer ein Gewährleistungsanspruch zustand. Diesbezüglich konnte nicht geklärt werden, ob dem in Anspruch genommenen Bauunternehmer überhaupt eine Mitverantwortung an den aufgetretenen Mängeln traf. Der Entscheidung des BGH kann daher keine allgemeine Aussagekraft für das Regreßrecht zugemessen werden. 113
114
156
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Der vermeintliche Widerspruch zwischen den unterschiedlichen Pflichtenkreisen der am Bau beteiligten Unternehmer, durch den sich das OLG Hamm an einer Gesamtschuldlösung gehindert sah, löst sich auf, wenn man eine zeitliche Trennung vornimmt. Es ist zwischen dem Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses (primäre Leistungsverpflichtung) und dem Zeitpunkt der Leistungsstörung (sekundäre Leistungsverpflichtung) zu differenzieren. 118 Mit Abschluß der Bauverträge zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer einerseits sowie dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer andererseits liegt zunächst mangels Identität der geschuldeten Bauleistungen keine Gesamtschuld vor. Insbesondere ist eine solche nicht vertraglich vereinbart, § 427. Anders stellt sich die Situation infolge der später von den beiden Unternehmern verursachten Leistungsstörung dar. Da beide aufgrund der sich überschneidenden Sachmängel die vollständige Mängelbeseitigung schulden, decken sich nunmehr die geschuldeten Leistungspflichten. Es liegt eine Leistungsidentität vor. Des weiteren bestehen, sofern man dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal für erforderlich hält, keine Bedenken gegen das Vorliegen einer Zweckgemeinschaft bzw. einer gleichstufigen Haftung, da Erst- und Zweitunternehmer die Leistungsstörung gemeinsam verursacht haben. Die Voraussetzungen der Gesamtschuld sind also zu diesem Zeitpunkt erfüllt. Im Ergebnis zutreffend ist daher das OLG Hamm in seiner jüngeren Entscheidung von einer gesamtschuldnerischen Haftung der beiden Bauunternehmer ausgegangen!19 Einschränkend führt das Gericht jedoch in den Gründen aus, daß eine Zweckgemeinschaft zwischen den Bauunternehmern, die darauf gerichtet sei, eine einheitliche Bauleistung zu erbringen, nur ausnahmsweise angenommen werden könne. Diese Einschränkung verwundert, da der Sachverhalt keine Besonderheiten aufweist, die eine abweichende Entscheidung des 17. Senats von der Judikatur des 26. Senats zu rechtfertigen vermag. 120 Da das OLG Hamm in seinen beiden älteren Entscheidungen keine zeitliche Differenzierung zwischen der ursprünglich geschuldeten Werkleistung und der später eingetretenen Mängelbeseitigungspflicht vorgenommen hat, lehnt es zu Unrecht einen Ausgleichsanspruch des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer aus § 426 ab. Es erscheint aber auch dem OLG 118 Schon Raisch JZ 1965, 703 (704), hat in anderem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, daß ,,kein übeneugender Grund bestehe, die Annahme einer Gesamtschuld nur wegen anfanglicher Leistungsverschiedenheit zu verneinen, während zwei in einer Gesamtschuldverbindung stehende Leistungsverpflichtungen durch später - etwa infolge Leistungsstörung - eintretende Leistungsverschiedenheit ihr gesamtschuldnerisches Band nicht mehr verlieren, wie sich aus § 425 BGB ergibt." Ebenso Glöckner, S. 66 ff. Weitergehend zum Merkmal der Leistungsidentität s. o. § 7 III 1 a. 119 OLG Hamm, BauR 1995, 852 (853 f.). 120 Ebenso Glöckner, S. 67.
2. Kap.: Anwendungsbereich der Gesamtschuld
157
Hamm unbillig, dem Zweitunternehmer einen Regreßanspruch gegen den Erstunternehmer zu versagen. Damit steht das Gericht vor dem Problem, einen anderen Lösungsweg finden zu müssen. 2. Berechtigte GoA
Dem OLG Hamm erscheint als tauglicher Lösungsweg die Anwendung der Vorschriften der GoA. 121 Dabei ist zu bedenken, ob die Voraussetzungen der GoA auch dann erfüllt sind, wenn der Geschäftsführer, hier der Zweitunternehmer, selbst zur Vornahme des Geschäfts gegenüber einem Dritten, hier dem Bauherrn, verpflichtet ist. Es handelt sich um die bereits erörterte Problematik der sogenannten "auch fremden Geschäfte". 122 Das OLG Hamm hat sich stillschweigend der h. M. angeschlossen, derzufolge eine Drittverpflichtung des Geschäftsführers, hier die Verpflichtung des Zweitunternehmers gegenüber dem Bauherrn zur Durchführung der Nachbesserungsarbeiten aus § 633 Abs. 2 S. 1, der Anwendung der §§ 677 ff. nicht entgegenstehen soll. Schiebt man die generellen Bedenken gegen die Anwendung der GoA in den Fällen der "auch fremden Geschäfte" beiseite, so läßt sich das Tatbestandsmerkmal des fremden Geschäfts bejahen. Der Zweitunternehmer hat hier durch die Ausführung der ihm obliegenden Nachbesserungsarbeiten zugleich den Rechts- und Interessenkreis des Erstunternehmers berührt, da dieser wegen der sich überschneidenden Sachmängel ebenfalls zur vollen Mängelbeseitigung verpflichtet war. Zutreffend geht das OLG Hamm daher vom Vorliegen eines fremden Geschäfts aus. Zu dem Problem, ob der Fremdgeschäftsführungswille beim "auch fremden Geschäft" vermutet werden kann, brauchte das OLG Hamm nicht Stellung zu nehmen, da genügend Anhaltspunkte für die Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens vorlagen. Ein entsprechendes Interesse des Erstunternehmers an der Übernahme der Nachbesserungsarbeiten durch den Zweitunternehmer hat das OLG Hamm damit begründet, daß der Erstunternehmer durch die Leistung des Zweitunternehmers von seiner Nachbesserungsverpflichtung gegenüber dem Bauherrn befreit worden sei und entsprechende Mängelbeseitigungskosten erspare. 123 Die vom OLG Hamm angenommene Fremdtilgungswirkung läßt sich nur unter den Voraussetzungen des § 267 begründen. 124 Das setzt eine ausdrückliche Fremdtilgungsbestimmung des Zweitunternehmers voraus, die 121 122 123
(851). 124
Zustimmend Siegburg, Rdnr. 439. S. o. im ersten Teil der Arbeit unter §§ 10 ff. OLG Ramm, NJW-RR 1991, 730 (731); OLG Ramm, NJW-RR 1992, 850 Darauf hat bereits Glöckner, S. 33 und 65, hingewiesen.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
das OLG Hamm nicht festgestellt hat. Diese Probleme hinsichtlich subjektiver Tatbestandsmerkmale, die im Zusammenhang mit der Anwendung der GoA zu Regreßzwecken auftreten, lassen sich vermeiden, wenn man die Gesamtschuld bemüht, die mit der Vorschrift des § 422 auch ohne Fremdtilgungsbestimmung zu einer Gesamtwirkung der Erfüllung kommt. 125 Im Ergebnis lehnt aber auch das OLG Hamm die Voraussetzungen des § 683 ab, da es an einem entsprechenden Willen des Erstunternehmers an der Übernahme der Geschäfte durch den Zweitunternehmer mangele. 126 Es liegt keine berechtigte GoA vor. 3. Unberechtigte GoA gemäß den §§ 684, 812
Das OLG Hamm spricht dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer einen Regreßanspruch gemäß den §§ 684, 812 zu. Der Erstunternehmer habe ersparte Aufwendungen erlangt, indem er von seiner Verpflichtung frei geworden seL 127 Diese Bereicherung könne der Zweitunternehmer nunmehr abschöpfen. 128 Da die GoA für die Fälle der Mehrverpflichtung keine gesetzlichen Wertungskriterien zur Begrenzung der zu ersetzenden Aufwendungen vorsieht, müßte dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer in der Konsequenz ein Ausgleichsanspruch in voller Höhe zugesprochen werden. Ein solches Ergebnis wäre zweifellos unbillig, da beide Unternehmer für die Sachmängel verantwortlich sind. Es würde zudem zu einem merkwürdigen Wettlauf zwischen Erst- und Zweitunternehmer um die Erbringung der Nachbesserungsarbeiten führen. Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, beschränkt das OLG Hamm den Fremdgeschäftsführungswillen des Zweitunternehmers auf den Bereich der Nachbesserungsarbeiten, der dem Verursachungsbeitrag des Erstunternehmers an den vorhandenen Sachmängeln entspricht. 129 Das Gericht nähert sich damit im Ergebnis der Auffassung von Wollschläger an, der bereits den Begriff des fremden Geschäfts dahin125
126
(850).
Ausführlich zu diesem Problemkreis bereits im ersten Teil unter § 10 11, III. OLG Hamm, NJW-RR 1991, 730 (731); OLG Hamm, NJW-RR 1992, 849
OLG Hamm, NJW-RR 1992,849 (850). Böhme, in: Festschrift für Götz von Craushaar, S. 327 (333), schlägt in der vorliegenden Fallkonstellation ebenfalls einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich vor. Wisse der in Anspruch genommene Unternehmer von der Mitverantwortlichkeit seines Kollegen, müsse ein Ausgleich über die unberechtigte GoA gesucht werden. In den übrigen Fällen komme ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich nur direkt in Frage. Diese Lösung von Böhme beruht ebenfalls auf der unbegründeten Annahme, die Gesamtschuld sei bei identischen Nachbesserungspflichten von Vor- und Nachunternehmer ausgeschlossen. 129 OLG Ramm, NJW-RR 1991, 730 (731); OLG Ramm, NJW-RR 1992, 849 (850). 127
128
2. Kap.: Anwendungsbereich der Gesamtschuld
159
gehend einschränkt, daß nur die Erfüllung einer subsidiär bestehenden Verbindlichkeit ein fremdes Geschäft sei. 130 Die Einschränkung des Fremdgeschäftsführungswillens, die das OLG Hamm vornimmt, steht zum einen im Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH, wonach der Fremdgeschäftsführungswille in den Fällen der sogenannten "auch fremden Geschäfte" vermutet wird. Zum anderen wird der Fremdgeschäftsführungswille auch vom Standpunkt des OLG Hamm zur reinen Fiktion. Er dient nunmehr zur Bestimmung des Umfangs der zu ersetzenden Aufwendungen, obwohl die GoA diesbezüglich gerade keine Beschränkungen vorsieht. Auch diese Widersprüche lassen sich anhand der Gesamtschuld auflösen. Die analoge Anwendung des § 254 im Rahmen des § 426 gewährleistet eine sachgerechte Bestimmung der Ausgleichsquote in Abhängigkeit von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen. Nicht der Fremdgeschäftsführungswille des Zweitunternehmers ist für die Bemessung der Ausgleichsquote maßgeblich, sondern die Gewichtung der Verursachungsbeiträge. Das OLG Hamm argumentiert nicht anders, indem es den Fremdgeschäftsführungswillen des Zweitunternehmers auf den Teil der Nachbesserungsarbeiten beschränkt, der dem Beitrag des Erstunternehmers an dem gemeinsam verursachten Sachmangel entspricht. 131 Damit überträgt das OLG Hamm Wertungen der Gesamtschuld auf die GoA. 132 Diese Problemverlagerung wäre nicht erforderlich gewesen, wenn das OLG Hamm zuvor nicht die Anwendung der Gesamtschuldregeln abgelehnt hätte. 4. Ablehnung der Drittschadensliquidation
Das OLG Hamm hat die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation zutreffend verneint, da es an einer entsprechenden Schadensverlagerung fehlt. 133 Dem Bauherrn steht nicht nur ein Nachbesserungsanspruch gegen die Bauunternehmer zu, er hat auch den Schaden erlitten. Dementsprechend 130 Auf diese Ansicht und die sich daraus ergebende Kritik ist bereits ausführlich im ersten Teil der Arbeit eingegangen worden, s. o. § 10 und § 11. 13l OLG Ramm, NJW-RR 1992, 849 (850): "Die Röhe des Anspruchs begrenzt sich auf den Schaden, den der Bekl. im Vergleich zur Kl. verursacht hat." 132 Dies gipfelt in der Feststellung Böhmes, der ebenfalls für einen Ausgleich im Wege der unberechtigten GoA bzw. des Bereicherungsrechts plädiert, daß bei der Ermittlung des vom Zweitunternehmer erlangten "etwas" den unterschiedlichen Verursachungsbeiträgen durch Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 426 Abs. I Rechnung getragen werde, Böhme, in: Festschrift für Götz von Craushaar, S. 327 (334). 133 OLG Ramm, NJW-RR 1992, 849 (850). OLG Ramm, NJW-RR 1991, 730 (731), verweist diesbezüglich auf die Ausführungen der Vorinstanz, deren Entscheidung nicht veröffentlicht ist.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
kommt ein Anspruch des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn analog § 281 auf Abtretung der dem Bauherrn gegen den Erstunternehmer zustehenden Ansprüche nicht in Betracht. Dieser Ausführungen hätte es nicht bedurft, wenn das OLG Hamm eine gesamtschuldnerische Haftung der bei den Bauunternehmer angenommen hätte. Die Drittschadensliquidation ist dann nicht erforderlich, um dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer vertragliche Ansprüche aus abgetretenem Recht des Bauherrn zu gewähren. Die vertraglichen Ansprüche des Bauherrn gegen den Erstunternehmer gehen bereits kraft Gesetzes gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 auf den Zweitunternehmer über. Im Ergebnis belegen die beiden Entscheidungen des OLG Hamm, daß die Zurückhaltung in Rechtsprechung und Literatur gegenüber der Gesamtschuld unbegründet ist und eine unnötige Problemverlagerung nach sich zieht. Dies führt in der weiteren Konsequenz zu einer unnötigen Denaturierung der GoA. 11. Die Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. vom 26. Januar 1988 Az.: 7 U 284/86 134 und die Entscheidung des OLG München vom 3. Juli 1987 - Az.: 14 U 840/86 135 : Versagung jeglichen Ausgleichs Im Anschluß an eine von Kaiser entwickelte Lehrmeinung wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Teil jeglicher Ausgleichsanspruch zwischen konkurrierenden Bauunternehmern abgelehnt. Der zuerst vom Bauherrn in Anspruch genommene Zweitunternehmer bleibe mit den Kosten endgültig belastet, die ihm durch erforderliche Nachbesserungsarbeiten im Leistungsbereich des Erstunternehmers entstanden seien. 136 Ebenso wie das OLG Hamm lehnen die Gerichte eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Bauunternehmer mangels einer bestehenden Zweckgemeinschaft ab. 137 Ansprüche aus GoA oder Bereicherung verneint das OLG Frankfurt a. M. mit der Begründung, daß der Kläger seiner Darlegungslast nicht hinreichend genügt habe. 138 Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß mit seiner Leistung an den Bauherrn zugleich eine etwaige Verpflichtung des anderen Bauunternehmers erfüllt worden sei. Auf die 134 OLO Frankfurt a. M., in: Schäfer/FinnemIHochstein, § 426 BOB, Nr. 3, S.7-1O. 135 OLO München, NJW-RR 1988,20. 136 Kaiser, Mängelhaftungsrecht, 6. Aufl., Rdnr. 54 m; ders., Prüfungspflichten, BauR 1981, 311 (317). 137 OLO Frankfurt a. M., in: Schäfer/Finnem/Hochstein, § 426 BOB, Nr. 3, S. 7 (8), und OLO München, NJW 1988,20. 138 OLO Frankfurt a.M., in: Schäfer/Finnem/Hochstein, § 426 BOB, Nr. 3, S. 7
(9).
2. Kap.: Anwendungsbereich der Gesamtschuld
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Drittschadensliquidation könne sich der Kläger mangels eines Auseinanderfallens von GläubigersteIlung und geschütztem Interesse nicht berufen. In ähnlicher Weise führt das OLG München aus, daß die Nachbesserung des einen Bauunternehmers keinesfalls dem anderen Bauunternehmer zugute komme. In dem zu entscheidenden Fall ging das OLG München davon aus, daß die Erneuerung des Fliesenbelags nicht notwendig die Zerstörung des Estrichs zur Folge gehabt habe. Aus diesem Grunde lehnte es mangels Leistungsidentität eine gesamtschuldnerische Ausgleichsregelung ab. Das OLG München hätte jedoch zumindest bezüglich der zu erneuernden Fliesen eine gesamtschuldnerische Haftung des Erst- und Zweitunternehmers annehmen müssen, da diesbezüglich auch der Erstunternehmer zur Erneuerung verpflichtet war. Die von ihm geschuldete Erneuerung des Estrichs hatte zwangsweise die Zerstörung des Fliesenbelags zur Folge. Demnach wurde zumindest die Nachbesserung des Fliesenbelags sowohl vom Zweitunternehmer als auch vom Erstunternehmer geschuldet. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, die einen Regreß zwischen Bauunternehmern ablehnt, ist insofern konsequent, als sie aus dem vermeintlichen Versagen der Gesamtschuldregeln den zutreffenden Schluß zieht, ein Regreß werde vom Gesetzgeber versagt. Sie setzt sich damit nicht dem Vorwurf aus, die Wertungen der Gesamtschuld durch andere Rechtsinstitute zu umgehen. Gleichwohl ist dieser Meinung entgegenzuhalten, daß sie zu unbilligen Ergebnissen führt. Es ist nicht einsichtig, weshalb der Zweitunternehmer für einen Schaden, den beide Unternehmer gemeinsam verursacht haben, allein aufkommen soll, während der Erstunternehmer von jeglicher Haftung freigestellt sein soll. Die Auswahlentscheidung des Bauherrn darf nicht zu Lasten des zuerst in Anspruch genommenen Bauunternehmers gehen. 139 Es wird an dieser Stelle nicht hinreichend beachtet, daß die Auswahlmöglichkeit des Bauherrn nur eine andere Umschreibung für das Vorliegen einer Gesamtschuld ist. Eine solche gesamtschuldnerische Haftung der beiden Bauunternehmer lehnen das OLG Frankfurt a. M. und Kaiser mit der Begründung ab, daß auch nach dem Eintritt der sich überschneidenden Mängel prinzipiell jeder der beiden Unternehmer - selbständig, nicht solidarisch - für seinen vertraglichen Leistungsbereich verantwortlich bliebe. 14o Kaiser und das OLG Frankfurt a. M. halten eine Differenzierung zwischen der Primärleistungspflicht bei Vertragsschluß und der Sekundärleistungspflicht bei Eintritt des Sachmangels nicht für erforderlich. 141 Vor diesem Hintergrund erklärt es sich, daß Kaiser, der in der Zwi139 Diese Kritik an der Lösung Kaisers haben bereits das OLG Hamm, NJW-RR 1992, 849 (850), und Weise, BauR 1992,685 (688), geübt. 140 Kaiser, Mängelhaftungsrecht, 6. Aufl., Rdnr. 54 k, und im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt a. M., in: Schäfer/Finnem/Hochstein, § 426 BGB, Nr. 3, S. 7 (8). 141 Ebenso Glöckner, S. 62 f. 11 Stamm
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
schenzeit von seiner ursprünglich ablehnenden Position abgerückt ist, nunmehr für eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld plädiert. 142 Eine direkte Anwendung bleibt nach seiner Ansicht ausgeschlossen, da er weiterhin davon ausgeht, daß sich die Selbständigkeit der Erfüllungsansprüche auf der Ebene der Gewährleistungshaftung fortsetze, so daß es auch hier an einer Identität der geschuldeten Leistung mangele. 111. Lösung im Wege des Zessionsregresses analog § 255
Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, es handele sich bei der Konstellation der gemeinsam verursachten Sachmängelhaftung um einen Anwendungsfall des § 255. 143 Der Zweitunternehmer habe gegen den Bauherm analog § 255 einen Anspruch auf Abtretung der dem Bauherm gegen den Erstunternehmer zustehenden Ansprüche. Auch diese Ansicht beruht auf der Prämisse, es bestehe keine gesamtschuldnerische Haftung der beiden Bauunternehmer, da es an der dazu erforderlichen Leistungsidentität mangele. l44 Selbst wenn man aber diese unzutreffende Prämisse außer acht läßt, so begründet das Fehlen der Leistungsidentität noch nicht einen Zessionsregreß analog § 255. Dieser kommt nur in den Fällen der gestuften Haftung zur Anwendung. Daran mangelt es aber vorliegend, da die beiden Unternehmer den Sachmangel gleichermaßen verursacht haben. 145 Eine analoge Anwendung des § 255 scheidet daher auch dann aus, wenn man sich dieser Rechtsfortbildung anschließen will. Kaiser, Mängelhaftungsrecht, Rdnr. 54 l. Diehl, in: Festschrift für Wolfgang Heierrnann, S. 37 (47); Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 4 Nr. 3, Rdnr. 244; Locher, Rdnr. 102; Wussow, S. 138 f. Zudem ziehen Wussow und Korbion auch Ausgleichsansprüche des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer aus GoA und aus Bereicherungsrecht in Betracht. Auf die Bedeutung des Bereicherungsrechts zur Abwicklung von Dreiecksverhältnissen wird noch im einzelnen im nachfolgenden Kapitel einzugehen sein, s. u. §§ 21 f. 144 Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 4 Nr. 3, Rdnr. 244, stellt zunächst zutreffend fest: ,,Der Auftraggeber kann aber ausnahmsweise wahlweise den Vorunternehmer oder den Auftragnehmer wegen der ganzen verfehlten Leistung in Anspruch nehmen, falls sich die von ihnen geschuldeten Leistungsbereiche im Rahmen der vorzunehmenden Nachbesserung in technischer Hinsicht nicht voneinander trennen lassen." Trotz dieser zutreffenden Umschreibung für die gesarntschuldnerische Haftung der beiden Bauunternehmer lehnt Korbion eine solche Haftung wegen des unterschiedlichen Inhalts der bauvertraglichen Leistungspflichten ab. 14S Darauf hat bereits Weise, BauR 1992, 685 (689), hingewiesen. Soweit Korbion eine gestufte Haftung für die jeweiligen Baumängel begründen will, übersieht er, daß eine solche Aufteilung der einzelnen Baumängel wegen der Überschneidung gerade nicht möglich ist. 142 143
3. Kap.: Der verbleibende Anwendungsbereich für die GoA
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Diehl vertritt demgegenüber die Ansicht, daß im Verhältnis zwischen Vor- und Nachunternehmer der Nachunternehmer, der die Mängel an der fehlerhaften Leistung des Vorunternehmers beseitige, ein nur vorläufig eintretender Verpflichteter sei. Dies rechtfertige die Annahme einer gestuften Haftung und damit die Anwendung des § 255. 146 Auch diese These vernachlässigt aber die erforderliche Trennung zwischen der ursprünglich geschuldeten Werkleistung und der später eintretenden Sekundärleistung. 147
IV. Ergebnis Im Gegensatz zu den Fällen der einseitig vom Erstunternehmer verursachten Bauverzögerung lassen sich die Fälle der gemeinsam verursachten Leistungsstörung nicht mehr über die Vorschriften des Vertrags- oder des Deliktsrechts abwickeln. Es stellt sich erstmals die Frage nach einem Regreß des Bauunternehmers gegen den anderen am Bau beteiligten Unternehmer. Eine Antwort findet sich in den Vorschriften über die Gesamtschuld. Die Vorschrift des § 426 gewährleistet nach dem hier entwickelten Verständnis einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Bauunternehmern in Übereinstimmung mit den Wertungen des Vertrags- und des Deliktsrechts. Drittes Kapitel
Der verbleibende Anwendungsbereich für die GoA und die sogenannte RückgritTskondiktion Die im zweiten Kapitel erörterten Fälle der gemeinsam verursachten Leistungsstörung veranschaulichen, daß die sogenannten "auch fremden Geschäfte" nicht dem Anwendungsbereich der GoA zuzuordnen sind. Es handelt sich um Anwendungsfälle der Gesamtschuld. Die Befreiung der GoA von diesen Fällen der Mehrverpflichtung ermöglicht eine klare Abgrenzung zwischen der Gesamtschuld und der GoA. Letztere liegt nur in Fällen der Alleinverpflichtung vor, für die die Gesamtschuld keine Regelung trifft. Diese abstrakte Abgrenzungsformel zwischen Gesamtschuld und GoA, die bereits im ersten Teil der Arbeit entwickelt worden ist, gilt es nunmehr anhand konkreter Fallkonstellationen aus dem privaten Baurecht zu überprüfen. Es stellt sich die Frage nach dem verbleibenden Anwendungsbereich der GoA. 146
147
S.64. l!'
Diehl, in: Festschrift für Wolfgang Heierrnann, S. 37 (47). Ebenso ablehnend gegenüber der Ansicht von Diehl äußert sich Glöckner,
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Bislang sind Fallkonstellationen untersucht worden, bei denen der Erstunternehmer eine Leistungsstörung im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer entweder allein (Erstes Kapitel) oder gemeinsam mit dem Zweitunternehmer (Zweites Kapitel) verursacht hat. Zu untersuchen bleiben damit die Sachverhalte, bei denen das Fehlverhalten des Erstunternehmers keinerlei Leistungsstörung im Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer hervorruft. Letzterer wird tätig, ohne daß eine Sekundärleistungspflicht gegenüber dem Bauherrn besteht. Denkbar ist etwa folgender Sachverhalt: Der Bauherr hat den Erstunternehmer mit Dachdeckerarbeiten und den Zwei tunternehmer mit der Installation von Dachfenstern beauftragt. Während der Arbeiten stellt der Zweitunternehmer eines Abends fest, daß der Erstunternehmer es versäumt hat, den Dachstuhl wetterfest abzudecken. Da ein Unwetter bevorsteht und der Erstunternehmer nicht mehr rechtzeitig zu erreichen ist, nimmt der Zweitunternehmer die notwendigen Abdeckungsarbeiten vor. Welche Ansprüche hat der Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer wegen der ihm entstandenen Aufwendungen? Nach den bisherigen Erörterungen zur Gesamtschuld und ihrer Abgrenzung zur GoA handelt es sich bei dem vorliegenden Sachverhalt um einen typischen Anwendungsfall der GoA. Solche Fälle, bei denen ein Bauunternehmer aus rein altruistischen Motiven tätig wird, spielen im Baurecht nur eine untergeordnete Rolle; 148 weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur finden sich Beispielsfälle. Gleichwohl besteht anband der folgenden Fallvarianten Gelegenheit, die Funktion und den Anwendungsbereich der GoA im einzelnen zu erläutern.
§ 21 Das Zusammenspiel von berechtigter und unberechtigter GoA Geht man von dem Ausgangsfall, der ersten Fallvariante, aus, so steht dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß den §§ 677, 683 S. 1, 670 zu. Es liegt ein Fall einer berechtigten GoA vor.
I. Funktion der berechtigten GoA Für das Verständnis von Sinn und Zweck der berechtigten GoA ist es hilfreich, die erste Fallvariante zunächst gedanklich auf den eigentlichen Grundfall zurückzuführen: 148 Dies gilt im übrigen nicht nur für das Baurecht, sondern auch für alle anderen Rechtsgebiete. Eine solche Rückführung der GoA auf ihren geringen Anwendungsbereich steht im Einklang mit anderen Rechtsordnungen, denen ein solches Rechtsinstitut gänzlich fremd ist.
3. Kap.: Der verbleibende Anwendungsbereich für die GoA
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Der Zweitunternehmer hat den Erstunternehmer noch telefonisch erreichen können. Dieser hat den Zweitunternehmer daraufhin gebeten, die Abdeckungsarbeiten für ihn, den Erstunternehmer, durchzuführen.
Die telefonische Vereinbarung zwischen Erst- und Zweitunternehmer begründet ein Auftragsverhältnis gemäß § 662 bzw. bei Entgeltlichkeit einen Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675. Unabhängig von der Rechtsnatur des Vertrages bereitet die Abwicklung der dem Zweitunternehmer entstandenen Aufwendungen keine Probleme. Es handelt sich um eine Vertrags abwicklung zwischen den beiden Bauunternehmern, von der der Bauherr unberührt bleibt. Der Zweitunternehmer hat gegen den Erstunternehmer einen vertraglichen Aufwendungsersatzanspruch aus § 670. Ein Vergleich mit der ersten Fallvariante veranschaulicht, daß die berechtigte GoA allein dazu dient, den zwischen zwei Personen fehlenden Vertrag zu ersetzen, der unter normalen Umständen zustande gekommen wäre. Die Vorschriften über die berechtigte GoA regeln dementsprechend nur den Ausgleich zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer. Dagegen enthalten sie keinerlei Wertungen für einen Ausgleich im Dreiecksverhältnis. 149 Es handelt sich bei der berechtigten GoA nicht um ein Regreßinstitut im Dreiecksverhältnis, sondern lediglich um ein gesetzliches Schuldverhältnis im Zwei-Personen-Verhältnis. 150
ß. Verhältnis der berechtigten GoA zum Vertragsrecht Mithilfe des Vertragsrechts kann in der vorliegenden ersten Fallvariante ein Ausgleichsanspruch des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer nicht begründet werden. Ein Vertragsschluß war zwischen den bei den Bauunternehmern nicht rechtzeitig möglich. Es wäre aber unbillig, dem Zweitunternehmer einen Ausgleichsanspruch gegen den Erstunternehmer zu versagen. Diese Lücke des Vertragsrechts schließen die Vorschriften über die berechtigte GoA. Sie stellen damit eine sinnvolle Ergänzung zum Vertragsrecht dar. Durch die Verweisung des § 683 auf die Vorschriften des Auftragsrechts wird zunächst gewährleistet, daß die Abwicklung nach den Wertungen des Vertragsrechts erfolgt. Fraglich ist, ob diese vertragsähnliche Abwicklung zwischen Erst- und Zweitunternehmer nicht im Widerspruch zu dem einleitend vorgestellten Grundprinzip steht, demzufolge Dreiecksverhältnisse allein in den jeweiligen Vertrags verhältnissen abzuwickeln sind. Dem Zweitunternehmer dürfte demnach nur gegen den Bauherrn ein vertraglicher bzw. vertrags ähnlicher Ausgleichsanspruch zustehen. Der Vergleich 149
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S. o. § 10 IV. Darauf ist bereits im ersten Teil der Arbeit hingewiesen worden, s. o. § 12 I.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
mit dem Grundfall, bei dem es zwischen den Bauunternehmern noch zu einer Vereinbarung kommt, veranschaulicht aber, daß das Dreiecksverhältnis zwischen dem Bauherm und den Bauunternehmern unberührt bleibt. Hinsichtlich der Abdeckungsarbeiten am Dachstuhl handelt es sich lediglich um eine vertrags ähnliche Abwicklung zwischen Erst- und Zweitunternehmer. Diesbezüglich besteht kein Vertrags verhältnis zwischen dem Bauherm und dem Zweitunternehmer und damit auch kein Dreiecksverhältnis, dessen vertragliche Bindeglieder durch eine Durchgriffshaftung im Wege der berechtigten GoA umgangen werden könnten. Ill. Die unberechtigte GoA als notwendiges Pendant zur berechtigten GoA entsprechend dem Verhältnis von Bereicherungs- und Vertragsrecht
Folgende zweite Fallvariante veranschaulicht die Bedeutung der unberechtigten GoA: Abweichend von der ersten Fallvariante nimmt der Zweitunternehmer irrig an, der Erstunternehmer werde die Abdeckungsarbeiten am Dachstuhl selbst nicht mehr rechtzeitig ausführen. Es mangelt hier an einer Berechtigung des Zweitunternehmers zur Geschäftsführung. Der Erstunternehmer hat kein Interesse an der Übernahme der Geschäftsführung durch den Zweitunternehmer. Es liegt ein Fall der sogenannten unberechtigten GoA vor. Nicht anders als bei der berechtigten GoA handelt es sich aber auch bei der unberechtigten GoA allein um eine Ausgleichsregelung im Verhältnis zwischen dem Zweitunternehmer als Geschäftsführer und dem Erstunternehmer als Geschäftsherm. Der einzige Unterschied besteht darin, daß der Annahme eines vertragsähnlichen Schuldverhältnisses zwischen den beiden Unternehmern die Interessen des Erstunternehmers entgegenstehen. Dementsprechend verweist § 684 im Unterschied zu § 683 nicht auf die vertraglichen Abwicklungsvorschriften, sondern auf das Bereicherungsrecht. Die Abwicklung bei irriger Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses (berechtigte GoA) erfolgt also genauso wie die Abwicklung bei irriger Annahme eines vertraglichen Schuldverhältnisses. Die unberechtigte GoA bildet das notwendige Pendant zur berechtigten GoA, so wie das Bereicherungsrecht das notwendige Gegenstück zum Vertragsrecht darstellt. Diese Überlegungen veranschaulichen, daß die unberechtigte GoA ein eigenständiges Rechtsinstitut darstellt, das vom Bereicherungsrecht zu unterscheiden ist. In rechtstechnischer Hinsicht bedeutet dies, daß es sich bei der Verweisung des § 684 auf das Bereicherungsrecht nicht um eine Rechtsgrund-, sondern um eine Rechtsfolgenverweisung handelt. 151 Dies hat auf anderem Wege bereits Kupisch nachgewiesen. 152 Er schließt sich
3. Kap.: Der verbleibende Anwendungsbereich für die GoA
167
der Auffassung Wollschlägers l53 an, daß es sich bei der unberechtigten GoA - ebenso wie bei der berechtigten GoA - um ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt. Daraus folgert Kupisch, daß der Geschäftsführer mit der Tilgung der fremden Verbindlichkeit nicht nur einen anerkannten Leistungszweck gegenüber dem Geschäftsherrn verfolgt, sondern auch erreicht hat, so daß der Regreß gemäß den §§ 684, 812 ein solcher aus GoA ist (Rechtsfolgenverweisung). Dies hat zur weiteren Folge, daß die Rückgriffskondiktion im Zusammenhang mit der unberechtigten GoA ihre Existenzberechtigung verliert. 154 Übertragen auf die zweite Fallvariante steht dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer ein Ausgleichsanspruch gemäß den §§ 677, 684 S. 1, 818 zu. Die Höhe der zu ersetzenden Aufwendungen hängt gemäß § 818 Abs. 3 davon ab, inwieweit der Erstunternehmer bereichert ist. Eine Bereicherung kann nur angenommen werden, soweit der Erstunternehmer selbst Aufwendungen erspart hat.
§ 22 Die sogenannte Rückgriffskondiktion und die Problematik
der nachträglichen Fremdtilgungsbestimmung
Anband der folgenden dritten Fallvariante besteht Gelegenheit, abschließend der Problematik um die sogenannte Rückgriffskondiktion nachzugehen: Bei der Installation der Fenster führt der Zweitunternehmer aufwendige Vorarbeiten an dem vom Erstunternehmer errichteten Dachstuhl aus. Erst im nachhinein stellt sich heraus, daß nicht der Zweitunternehmer, sondern der Erstunternehmer zu diesen Arbeiten verpflichtet war. Der Zweitunternehmer fragt nach seinen Ansprüchen gegen den Bauherm und den Erstunternehmer.
I. Abwicklung im Dreiecksverhältnis nach Maßgabe der zugrunde liegenden Verträge Der Zweitunternehmer hat gegen den Bauherrn einen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall. Er hat durch die Vornahme der Arbeiten am Dachstuhl das Vermögen des Bauherrn bewußt und zweckgerichtet zur Erfüllung einer Vertragspflicht gemehrt. Der Bauherrn hat also "etwas durch Leistung" des Zweitunternehmers erlangt. Dies 151
Im Ergebnis ebenso BGH WM 1976, 1056, (1060); Thomas, in: Palandt,
§ 684, Rdnr. 1. 152 Kupisch, S. 88 f. 153 Wollschläger, S. 319. 154 Kupisch, S. 89.
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
168
geschah ohne Rechtsgrund, da der Zweitunternehmer eine Vertragspflicht gegenüber dem Bauherrn nur irrig angenommen hat. Im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer kommt es zu einer teilweisen Unmöglichkeit, da der vertraglich vereinbarte Zweck durch die Arbeiten des Zweitunternehmers bereits erzielt worden ist. Da diese Unmöglichkeit von keiner Vertragspartei zu vertreten ist, werden der Erstunternehmer und der Bauherr in dem Umfang der anderweitigen Zweckerreichung von ihren Leistungspflichten befreit, §§ 275 Abs. 1, 323 Abs. 1 i. V. m. § 472. Der Bauherr kann sich gegenüber dem Zweitunternehmer nicht auf eine sogenannte "aufgedrängte Bereicherung" berufen, da die Bereicherung von ihm bezweckt war und ihn wirtschaftlich nicht zusätzlich belastet. Abweichend von den ersten beiden Fallvarianten handelt es sich damit bei der vorliegenden dritten Fallvariante nicht mehr um eine Abwicklung im Zwei-Personen-Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer, sondern um eine Abwicklung im Dreiecksverhältnis mit dem Bauherrn. Die Abwicklung erfolgt nach Maßgabe der jeweiligen Vertragsverhältnisse, da der Zweitunternehmer irrig eine entsprechende Vertragspflicht gegenüber dem Bauherrn angenommen hat. 11. Regreßansprüche im Wege der sogenannten RückgritTskondiktion? Als denkbarer Regreßanspruch des Zweitunternehmers käme in der vorliegenden dritten Fallvariante nur eine Rückgriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall in Betracht. Fraglich ist, ob die Rückgriffskondiktion in diesem Zusammenhang - abweichend von den Ergebnissen der zweiten Fallvariante - geeignet ist, ein Regreßinstitut zu begründen. Es bestehen schon Zweifel, ob ein Bedürfnis für ein solches Regreßinstitut besteht. Das Vertragsrecht bzw. das Bereicherungsrecht gewährleistet in Fällen der vorliegenden Art bereits eine sachgerechte Abwicklung in den jeweiligen Vertragsverhältnissen. Diese würde durch einen zusätzlichen Regreßanspruch umgangen. Es sei hier nur an die Verteilung des Insolvenzrisikos erinnert. Zudem ist anhand der gegenteiligen Ansicht von Frotz bereits veranschaulicht worden, daß die sogenannte Rückgriffskondiktion keinerlei Wertungskriterien zur Abwicklung von Dreiecksverhältnissen bereit hält. 155 Sie stellt lediglich einen Typus der allgemeinen Nichtleistungskondiktion im ZweiPersonen-Verhältnis dar. Ein Ausgleich gemäß § 812 I 1, 2. Fall müßte in der vorliegenden Fallvariante dann erfolgen, wenn der Erstunternehmer vom Zweitunternehmer 155
s. o.
§ 13 I.
3. Kap.: Der verbleibende Anwendungsbereich für die GoA
169
etwas ohne Leistung erlangt hätte. Es würde sich dann wie bei den ersten beiden Fallvarianten um eine Abwicklung im Zwei-Personen-Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer handeln, unabhängig von dem bestehenden Dreiecksverhältnis mit dem Bauherrn. Der Erstunternehmer könnte von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Bauherrn befreit worden sein. Als Befreiungsgrund kommt zunächst eine Erfüllung seiner Verbindlichkeit durch den Zweitunternehmer in Betracht. Eine derartige Fremdtilgungswirkung setzt gemäß § 267 eine entsprechende Fremdtilgungsbestimmung voraus. Eine solche Bestimmung hat der Zweitunternehmer aber nicht getroffen, da er gegenüber dem Bauherrn eine eigene Verbindlichkeit erfüllen wollte. Selbst wenn der Zweitunternehmer aber eine Fremdtilgungsbestimmung abgegeben hätte, so daß der Erstunternehmer gemäß den §§ 362 I, 267 I durch Erfüllung von seiner Verpflichtung befreit worden wäre, so hätte der Zweitunternehmer in diesem Fall nicht mehr an den Bauherrn, sondern an den Erstunternehmer geleistet. Der Erstunternehmer hätte also die Befreiung von seiner Verbindlichkeit nicht in "sonstiger Weise" im Sinne der Nichtleistungskondiktion erlangt. Zugleich läge kein Sachverhalt der vorliegenden Fallvariante, sondern ein solcher der ersten oder zweiten Fallvariante vor, denn Fremdtilgungsbestimmung und Fremdgeschäftsführungswille lassen sich nicht voneinander trennen. Es handelte sich dann um einen typischen Anwendungsfall der GoA. Diese Überlegungen veranschaulichen, daß es auch in den Fällen des § 267 der sogenannten "Rückgriffskondiktion" nicht bedarf. Bezogen auf die vorliegende Fallvariante ist damit zunächst nur zu konstatieren, daß der Erstunternehmer nicht durch Erfüllung von seiner Verbindlichkeit befreit worden ist. Gleichwohl ist ihm die Erfüllung seiner Verbindlichkeit dadurch unmöglich geworden, daß der Zweitunternehmer bereits seine Arbeiten ausgeführt hat. Der Erstunternehmer ist also gemäß § 275 von seiner Verbindlichkeit befreit worden und hat insoweit "etwas" in sonstiger Weise auf Kosten des Zweitunternehmers erlangt. Bedenkenswert ist, ob dem Zweitunternehmer diesbezüglich gegen den Erstunternehmer ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall zusteht. Es könnte bereits die Anwendbarkeit der Nichtleistungskondiktion unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip verneint werden. Das ist jedoch nur dann möglich, wenn man dieses Prinzip so formuliert, daß eine Kondiktion in sonstiger Weise ausscheidet, sofern der AnspruchssteIler den Bereicherungsgegenstand durch eine Leistung weggegeben hat. 156 Formuliert man dieses Prinzip hingegen mit der h. M. dahingehend, daß die Anwendung der Nichtleistungskondiktion nur dann in Betracht kommt, wenn der Bereicherungsge156 Thomas, in: Palandt, § 812, Rdnr. 43; Heimann-Trosien, in: BGB-RGRK, § 812, Rdnr. 41; Westermann, in: Ennan, § 812, Rdnr. 85.
170
2. Teil: RegreßregeJungen im Baurecht
genstand dem Empfanger von niemandem geleistet worden ist,157 so kommt § 812 Abs. 1 S. I, 2. Fall in der vorliegenden Fallvariante zur Anwendung, da der Erstunternehmer von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Bauherrn weder durch eine an ihn gerichtete Leistung des Zweitunternehmers noch eine solche des Bauherrn befreit worden ist. Auch in diesem Fall steht dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer jedoch kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. I, 2. Fall zu, da es zumindest an einer Bereicherung des Erstunternehmers mangelt. Dieser hat zwar Aufwendungen erspart, gleichzeitig ist aber auch der Werklohnanspruch, der dem Zweitunternehmer gegen den Bauherrn aus § 631 zusteht, gemäß § 323 Abs. 1 in entsprechender Höhe untergegangen. Es liegt also ein Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 vor. 158 Der Streit um das Subsidiaritätsprinzip gewinnt also für die vorliegenden Erörterungen keine eigene Bedeutung. Unabhängig hiervon hat der Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer keinen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. I, 2. Fall. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß dem Zweitunternehmer nur gegen den Bauherrn ein Ausgleichsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. I, 1. Fall zusteht.
In. Der Weg von der nachträglichen Fremdtilgungsbestimmung über den einhergehenden Fremdgeschäftsführungswillen zur GoA An dieser Stelle stellt sich die viel erörterte Frage nach der Zulässigkeit einer nachträglichen Fremdtilgungsbestimmung. 159 Es handelt sich um das Problem, ob der Zweitunternehmer seine Tilgungsbestimmung gegenüber dem Bauherrn nachträglich dahingehend korrigieren kann, daß er nicht eine eigene, sondern eine fremde Schuld des Erstunternehmers habe tilgen wollen. Dieser Streit kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht abschließend erörtert werden. Anband der vorliegenden Fallvarianten kann aber veranschaulicht werden, daß eine nachträgliche Fremdtilgungsbestim157 BGHZ 40, 272 (278); 56, 228 (240); Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 730; Müht, in: SoergeJ, § 812, Rdnr. 34. Es zeigt sich hier, daß dieses Prinzip auf die
Fälle der Leistungsketten zugeschnitten ist. 158 Diese Vorschrift gilt entgegen ihrem Wortlaut nicht nur bei einem späteren, sondern auch bei einem zeitgleich mit der Leistungszuwendung eintretenden Wegfall der Bereicherung (argurnenturn a maiore ad minus). So BGHZ 55, 128 (133 f.); im Ergebnis ebenso Lieb, in: Münchener Kommentar, § 812, Rdnr. 303. 159 Dafür die h.M.: BGH NJW 1964, 1898 (1899); 1983, 812 (814); 1986, 2700 (2700 f.); Heinrichs, in: Pa1andt, § 267, Rdnr. 4; Schlechtriem, in: Jauernig, § 812, Rdnr. 75; Vollkommer, in: Jauernig, § 267, Rdnr. 5. Dagegen: Lorenz, in: Staudinger, § 812, Rdnr. 59, und im Anschluß Lieb, in: Münchener Kommentar, § 812, Rdnr. 76; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 951; Weste177lann, in: Erman, § 812, Rdnr.31.
3. Kap.: Der verbleibende Anwendungsbereich für die GoA
171
mung, wenn man sie denn überhaupt zulassen will, entgegen der allgemeinen Meinung nicht zu einem Regreßanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall sondern zu einem Ausgleichsanspruch aus berechtigter oder unberechtigter GoA führt. Durch eine nachträgliche Fremdtilgungsbestimmung wird das Dreiecksverhältnis in der vorliegenden Fallvariante gleichsam auf ein Zwei-Personen-Verhältnis im Sinne der beiden ersten Fallvarianten zurückgeführt. Auch an dieser Stelle ist zu berücksichtigen, daß die Fremdtilgungsbestimmung notwendig einen entsprechenden Fremdgeschäftsführungswillen nach sich zieht. Diese beiden subjektiven Tatbestandsmerkmale lassen sich nicht voneinander trennen. Der Zweitunternehmer hat also gegen den Erstunternehmer einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß den Vorschriften über die GoA, sofern man eine nachträgliche Fremdtilgungsbestimmung zuläßt. Es bedarf also auch in diesem Fall nicht der sogenannten Rückgriffskondiktion, um zu einer Ausgleichsregelung zu gelangen. Die hier entwickelte Lösung hat zudem den Vorteil, daß sie in Übereinstimmung mit den Wertungen des Vertragsrechts steht. Demgegenüber läßt sich anhand der sogenannten Rückgriffskondiktion nicht erklären, weshalb abweichend von den Vertragsverhältnissen ein Regreßanspruch bestehen soll. Will man also eine nachträgliche Fremdtilgungsbestimmung zulassen, so ist eine widerspruchsfreie Lösung nur im Wege der GoA möglich. Gegen die Zulässigkeit einer nachträglichen Fremdtilgungsbestimmung wird aber auch weiterhin kritisch einzuwenden sein, daß sie dogmatisch nicht zu begründen ist. Sie findet keine gesetzliche Stütze und steht insbesondere im Widerspruch zu der gesetzlichen Bestimmung des § 267. Diese Vorschrift schließt eine nachträgliche Fremdtilgungsbestimmung aus. l60 Es besteht daher auch in der vorliegenden Fallvariante kein Anlaß, eine nachträgliche Fremdtilgungsbestimmung zuzulassen. Der Zweitunternehmer hat nur gegen den Bauherm einen Ausgleichsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall. IV. Ergebnis
Anhand der vorliegenden drei Fallvarianten konnte abschließend die Funktion und der Anwendungsbereich der GoA erläutert werden. Die GoA gewährleistet einen angemessenen Ausgleich in den Fällen, in denen ein rechtzeitiger Vertragsschluß zwischen dem Geschäftsherm und dem Ge160 Diese Kritik betrifft dann in gleicher Weise die hier angesprochene Lösung im Sinne der GoA. Ebenso wie eine nachträgliche Fremdtilgungsbestimmung durch § 267 ausgeschlossen wird, verstößt ein nachträglicher Fremdgeschäftsführungswille gegen die Bestimmung des § 677.
172
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
schäftsführer nicht mehr möglich ist, der Geschäftsführer aber gleichwohl aus altruistischen Motiven tätig wird. Die berechtigte GoA begründet in diesen Fällen ein gesetzliches Schuldverhältnis. Liegt hingegen nur eine unberechtigte GoA vor, so erfolgt die Abwicklung nach Bereicherungsrecht. Die GoA regelt also lediglich den Ausgleich im Zwei-Personen-Verhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer, sie stellt hingegen kein zur Abwicklung von Dreiecksverhältnissen geeignetes Regreßinstitut dar. Ebensowenig wie die GoA ist die sogenannte Rückgriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall geeignet, ein Regreßinstitut zu begründen. Es bedarf auch keiner Rechtsfortbildung im Sinne einer nachträglichen Fremdtilgungsbestimmung, da das Vertragsrecht in den problematischen Fällen bereits zu einem sach- und interessengerechten Ausgleich führt. Viertes Kapitel
Fälle der Drittschädigung infolge obligatorischer Gefahrentlastung § 23 Vorbemerkung Während im ersten Kapitel Fälle der Bauverzögerung Gegenstand der Untersuchung waren, widmete sich das zweite Kapitel den Fällen der gemeinsam verursachten Sachmängelhaftung und Unmöglichkeit. Bislang unberücksichtigt geblieben sind damit Konstellationen der einseitig verursachten Sachmängelhaftung bzw. Unmöglichkeit, besser bekannt unter dem Begriff der Drittschadensliquidation. Im Werkvertragsrecht handelt es sich um Fälle, in denen ein Fehlverhalten des Erstunternehmers im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer eine Sachmängelhaftung auslöst. Letztere kann zum einen dadurch hervorgerufen werden, daß der Erstunternehmer das Werk des Zweitunternehmers unmittelbar beschädigt oder zerstört (erste Fallvariante). Zum anderen sind Fälle denkbar, bei denen die Werkleistung des Zweitunternehmers erst mittelbar durch einen Sachmangel des vom Erstunternehmer erstellten Werkes beeinträchtigt wird (zweite Fallvariante). Beiden Konstellationen gemeinsam ist der Umstand, daß Abwicklungsprobleme nur dann auftreten, wenn die Werkleistung des Zweitunternehmers im Zeitpunkt der Beeinträchtigung durch den Erstunternehmer noch nicht vom Bauherrn abgenommen worden ist. Denn nur dann ist der Zweitunternehmer dem Bauherrn gegenüber zur Nachbesserung seiner Werkleistung verpflichtet, deren Fehlerhaftigkeit der Erstunternehmer zu vertreten hat. Es liegt nach der hier zugrunde gelegten Terminologie eine Regreßsituation vor. Dies verblüfft zunächst, da die Drittschadensliqui-
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
173
dation bislang kaum mit dem Regreßrecht in Verbindung gebracht worden ist. Dieses Versäumnis soll im folgenden nachgeholt werden. Ein Vergleich mit den allgemeinen Mechanismen zur Abwicklung von Dreiecksverhältnissen und eine Gegenüberstellung mit der Gesamtschuld mögen Aufschluß über die bislang ungeklärte Frage nach der Rechtsnatur der Drittschadensliquidation geben. In den Fällen, in denen die vom Zweitunternehmer beschädigte oder zerstörte Werkleistung im Zeitpunkt der Beeinträchtigung bereits vom Bauherrn abgenommen worden ist, trifft den Zweitunternehmer keine Haftung mehr, für die er den Erstunternehmer in Regreß nehmen könnte. Die Gefahr des Untergangs oder der Verschlechterung der Werkleistung ist mit der Abnahme bereits auf den Bauherrn übergegangen, § 644 Abs. 1 S. 1. Es handelt sich dann um eine Vertragsabwicklung im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer, von der der Zweitunternehmer völlig unberührt bleibt. Die nachfolgende Untersuchung konzentriert sich daher auf die Problemfälle, bei denen die Werkleistung des Zweitunternehmers noch nicht vom Bauherrn abgenommen worden ist. Ausgegangen wird dabei zunächst von einem Sachverhalt, der der eingangs beschriebenen ersten Fallvariante zuzuordnen ist: Das noch nicht abgenommene Werk des Zweitunternehmers wird vom Erstunternehmer unmittelbar beschädigt oder zerstört: 161 Der Zweitunternehmer hat am Gebäude des Bauherrn die Fenster installiert. Noch bevor der Bauherr diese Arbeiten abgenommen hat, wird ein Fenster durch den Erstunternehmer, der Malerarbeiten am Gebäude des Bauherrn ausführt, schuldhaft beschädigt. Der Zweitunternehmer setzt ein neues Fenster ein und verlangt für die Kosten, die ihm dadurch entstanden sind, vom Bauherrn eine zusätzliche Vergütung und hilfsweise vom Erstunternehmer Schadensersatz.
Bevor auf die Lösung für den vorliegenden Fall eingegangen werden kann, muß zunächst geklärt werden, ob der Zweitunternehmer überhaupt zur Nachbesserung des beschädigten Fensters verpflichtet war. Andernfalls läge kein Fall der hier zu erörternden Sachmängelhaftung zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer vor, sondern ein bereits erörterter Anwendungsfall der GoA Es würde sich dann um eine Konstellation handeln, bei der der Zweitunternehmer aus rein altruistischen Motiven oder aus Unkenntnis von der bestehenden Rechtslage tätig geworden wäre. 162 Gegen eine Nachbesserungspflicht des Zweitunternehmers spricht der Umstand, daß der Zweitunternehmer die Fenster ordnungsgemäß installiert hat und die Beschädigung der Fenster nicht zu vertreten hat. Gemäß § 644 161 Ähnliche Sachverhalte liegen der Entscheidung BGH NJW 1970, 38-41; BGH NJW 1984,2569-2570; LG München 11, BauR 1990,508-511, und HansOLG Hamburg, MDR 1974, 668-669, zugrunde. 162 S. o. §§ 21 f.
174
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Abs. 1 S. 1 trägt der Zweitunternehmer aber bis zur Abnahme seines Werkes die Vergütungsgefahr, d. h. das Risiko für einen zufälligen Untergang oder eine zufällige Verschlechterung seiner Werkleistung. Zufällig ist eine solche Verschlechterung dann, wenn sie weder vom Besteller noch vom Unternehmer zu vertreten iSt. 163 Im vorliegenden Fall dürfte also weder der Bauherr noch der Zweitunternehmer die Beschädigung der Fenster verschuldet haben. Ein eigenes Verschulden des Bauherm oder des Zweitunternehmers kommt nicht in Betracht. Der Bauherr müßte sich jedoch das Verschulden des Erstunternehmers unter den Voraussetzungen des § 278 S. 1, 2. Fall zurechnen lassen. Es stellt sich also erneut - wie schon in den Fällen der Bauverzögerung - die Frage, ob der Erstunternehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherm im Verhältnis zum Zweitunternehmer ist. Das ist dann der Fall, wenn der Bauherr den Erstunternehmer zur Erfüllung einer ihm gegenüber dem Zweitunternehmer obliegenden Verbindlichkeit eingesetzt hat. Es kann jedoch weder festgestellt werden, daß der Erstunternehmer zu notwendigen Vorarbeiten eingesetzt worden ist, noch, daß er seine Arbeiten mangelhaft ausgeführt hat. Es handelt sich beim Erstunternehmer im vorliegenden Fall lediglich um einen Nebenunternehmer, der das fertiggestellte Werk des Zweitunternehmers unmittelbar beschädigt hat, ohne daß ein Sachmangel seiner Werkleistung dafür ursächlich geworden ist. Damit liegt keine Mitwirkungspflicht vor, die der Erstunternehmer verletzt haben könnte. 164 Im übrigen kommt nur die Verletzung einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht in Betracht, zu deren Erfüllung der Bauherr den Erstunternehmer eingesetzt haben könnte; etwa die Verpflichtung, die Arbeiten des Zweitunternehmers nicht zu behindern. Der Bauherr hat den Erstunternehmer aber nicht "zur Erfüllung" einer solchen Verkehrssicherungspflicht, die ihm gegenüber dem Zweitunternehmer obliegt, eingesetzt, sondern zur Erbringung der in seinem eigenen Interesse liegenden Malerarbeiten. Die Voraussetzungen des § 278 S. 1, 2. Fall sind daher mangels entsprechender Zwecksetzung auch bezüglich der Verletzung einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nicht erfüllt, so daß dem Bauherm das Fehlverhalten des Erstunternehmers nicht zugerechnet werden kann. Es liegt ein Fall der 163
Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 271.
Anders verhält es sich bei der im fünften Kapitel zu erörternden zweiten Fallvariante. Dort wird im einzelnen zu untersuchen sein, ob eine Mitwirkungspflicht des Bauherm zur mangelfreien Erbringung von Vorarbeiten tatsächlich besteht. Zugleich wird sich dann erweisen, ob die Unterscheidung zwischen Vor- und Nachunternehmer bei der Anwendung des § 278 sinnvoll ist. Diese Frage kann hier ebenfalls noch dahinstehen, da es sich beim Erstunternehmer im vorliegenden Fall um einen Nebenunternehmer handelt. Die Eigenschaft des Nebenunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherm im Verhältnis zu einem anderen Nebenunternehmer wird weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur erörtert. 164
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
175
zufalligen Verschlechterung der Werkleistung im Sinne von § 644 Abs. 1 S. 1 vor. Der Zweitunternehmer war demnach gemäß den §§ 633, 644 Abs. 1 S. 1 zur Nachbesserung seiner Werkleistung verpflichtet. Es handelt sich also bei dem vorliegenden Sachverhalt um einen Fall der einseitig durch den Erstunternehmer verursachten Sachmängelhaftung des Zweitunternehmers gegenüber dem Bauherrn, besser bekannt unter dem Begriff der Drittschadensliquidation.
§ 24 Lösungen, die einen Ausgleich zwischen dem geschädigten Zweitunternehmer und seinem Vertragspartner, dem Bauherrn, suchen Es ist zunächst nach Lösungswegen zu suchen, die in Übereinstimmung mit dem eingangs erläuterten Grundprinzip eine Abwicklung in den jeweiligen Vertragsverhältnissen ermöglichen. Mit anderen Worten ist der Frage nachzugehen, ob dem Zweitunternehmer wegen der Nachbesserungskosten, die ihm entstanden sind, Ersatzansprüche gegen seinen Vertragspartner, den Bauherrn, zustehen. Aus den Vorüberlegungen zu der vorliegenden Fallkonstellation ergibt sich bereits, daß der Erstunternehmer auch im vorliegenden Fall nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn ist. 165 Aus diesem Grunde kommt ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn aus einer pFV des Werkvertrages i. V. m. § 278 S. I, 2. Fall nicht in Betracht. 166 Ebensowenig kommt eine deliktsrechtliche Schadensersatzpflicht des Bauherrn gegenüber dem Zweitunternehmer aus § 831 Abs. 1 S. 1 in Betracht, da der Erstunternehmer in aller Regel kein Verrichtungsgehilfe des Bauherrn ist. 167 Sucht man daher nach einer verbleibenden Möglichkeit, im Verhältnis zwischen dem Zweitunternehmer und dem Bauherrn zu einer Ausgleichsregelung zu gelangen, so bleibt nur der Lösungsweg, den das OLG Köln erstmalig beschritten hat. Es schlägt eine analoge Anwendung des § 645 vor.
165
s. o. die Vorbemerkung unter § 23.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß ein vertraglicher Vergütungsanspruch des Zweituntemehmers ebensowenig aus einem nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage angepaßten Werkvertrag in Betracht kommt, da die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der bestehenden Regelung der §§ 644, 645 nicht anwendbar sind, Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 159. 167 s. o. § 19 I. 166
176
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
I. Die Entscheidung des OLG Köln vom 15. April 1975 Az.: 15 U 156174 168 : Vergütungsanspruch des geschädigten Zweitunternehmers analog § 645 Der Entscheidung des OLG Köln lag folgender vereinfachter Sachverhalt zugrunde: Der Erst- und der Zweitunternehmer hatten Handwerksarbeiten am Schloß des Bauherm auszuführen. Der Zweitunternehmer hatte seine Maurerarbeiten bereits zum größten Teil abgeschlossen. Vor Abnahme dieser Arbeiten löste der Erstunternehmer bei den von ihm durchzuführenden Schweißarbeiten aus Unachtsamkeit einen Brand aus, bei dem das gesamte Schloß zerstört wurde. Welche Ansprüche hat der Zweitunternehmer gegen den Bauherm?
Das OLG Köln hat dem Zweitunternehmer gegen den Bauherrn einen Vergütungsanspruch analog § 645 zugebilligt. Die analoge Anwendung des § 645 hat es damit begründet, daß der Bauherr durch die Veranlassung der Schweißarbeiten die Gefahr für den Untergang des Bauwerks erhöht habe. Aus diesem Grunde sei es ebenso wie in den in § 645 gesetzlich geregelten Fällen unbillig, den Zweitunternehmer leer ausgehen zu lassen. 169 1. Tragweite der Entscheidung
Da die Vorschriften der §§ 644, 645 keine Differenzierung zwischen den Fällen der Sachmängelhaftung und der Unmöglichkeit vorsehen, gilt die Lösung des OLG Köln nicht nur für den vorliegenden Fall der Unmöglichkeit, sondern auch für die zuvor angeführte Variante der Sachmängelhaftung, anhand derer zumeist die Fälle der Drittschadensliquidation im Werkvertragsrecht erörtert werden. Es darf daher in der Konsequenz nicht übersehen werden, daß es sich bei der Lösung des OLG Köln um eine Alternative zu sämtlichen nachfolgend noch im einzelnen zu erörternden Lösungswegen, namentlich der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation, handelt. Diese Tragweite der vom OLG Köln entwickelten Lösung darf nicht übersehen werdenYo OLG Köln, OLGZ 1975,323-324. OLG Köln, OLGZ 75, 323 (323 f.). 170 Dieselben Überlegungen gelten im übrigen auch für die von Kapellmann entwickelte Lösung. Kapellmann schlägt ebenfalls vor, dem Zweitunternehmer gegen den Bauherm einen Schadensersatzanspruch analog § 645 zuzusprechen. Der einzige Unterschied zu der Entscheidung des OLG Köln besteht darin, daß Kapellmann die analoge Anwendung des § 645 nicht auf die in § 645 gesetzlich angeordnete Rechtsfolge beschränkt, sondern den Teilvergütungsanspruch aus § 645 zu einem Schadensersatzanspruch ausdehnt. Da die von Kapellmann entwickelte Lösung im übrigen jedoch nicht von der Entscheidung des OLG Köln abweicht, gelten die nachfolgenden Ausführungen zu der Entscheidung des OLG Köln sinngemäß 168 169
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
177
2. Extensive Anwendung des § 645
Bei der vom OLG Köln vorgenommenen Rechtsfortbildung handelt es sich um eine doppelte Analogie. Zum einen ist keine der beiden in § 645 genannten Modalitäten erfüllt. Der Brand des Schlosses und die daraus folgende Unmöglichkeit der Werkleistung des Zweitunternehmers ist weder auf einen Mangel des vom Bauherm gestellten Grundstücks noch auf eine Anweisung des Bauherm an den Zweitunternehmer zurückzuführen. 171 Zum anderen greift die Billigkeitshaftung des § 645 lediglich in den Fällen ein, in denen die Leistungsstörung auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, ohne daß ein Dritter dafür zur Verantwortung gezogen werden kann. a) Erste Analogie: Anwendung des § 645 auf sonstige Fälle. bei denen die Leistungsstörung auf ein willentliches Verhalten des Bestellers zurückzuführen ist
Soweit der Bauherr den Erstunternehmer mit den Schweißarbeiten beauftragt hat, kommt nur eine analoge Anwendung des § 645 in Betracht, da keine der beiden in § 645 genannten Modalitäten erfüllt ist. Bereits am Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzes bestehen aber Zweifel, da der Gesetzgeber bei der Regelung des § 645 bewußt auf einen weiterreichenden Wortlaut verzichtet hat. 172 Er könnte sich damit zugleich für einen abschließenden Regelungsgehalt des § 645 entschieden haben. 173 auch für die Lösung von Kapellmann. Auf diese Lösung braucht daher nur hinsichtlich der abweichenden Rechtsfolge gesondert eingegangen zu werden. 171 Anders verhielte es sich, wenn der Brand des Schlosses erst durch einen Sachmangel des vom Erstunternehmer erstellten Werkes ausgelöst worden wäre (vgl. dazu im einzelnen die zweite Fallvariante zur Sachmängelhaftung im fünften Kapitel). Man könnte dann das fehlerhafte Vorwerk des Erstunternehmers als einen ..Mangel des von dem Besteller gelieferten Stoffes" im Sinne des § 645 auffassen. Folglich wäre der Wortlaut des § 645 in dieser zweiten Fallvariante im Gegensatz zur ersten Fallvariante erfüllt. Im folgenden wird sich aber zeigen, daß die erste Analogie zu § 645 ohnehin auf keine Bedenken stößt und aus diesem Grunde eine Unterscheidung zwischen den Fällen der unmittelbar und der mittelbar herbeigeführten Leistungsstörung im Verhältnis zwischen dem Bauherm und dem Zweitunternehmer nicht erforderlich ist. 172 Protokolle, Band 11, S. 334: ..Der in dem Antrage 2 a verwendete Begriff des bei dem Besteller eingetretenen Umstandes entbehre der nothwendigen Bestimmtheit. um praktikabel zu sein .... Sachlich spreche allerdings für die Entlastung des Uebemehmers von der Gefahr eines solchen Zufalls die unter Umständen vorhandene Aehnlichkeit des letzteren mit einem Mangel des von dem Besteller gelieferten Stoffes. Aber die Aehnlichkeit treffe keineswegs allgemein zu. Vor allem empfehle sich dieser Theil des Antrags deshalb nicht, weil er zu zahlreichen Zweifeln und Streitigkeiten darüber führen würde, ob ein Zufall den Bau oder das Baugrundstück getroffen habe." 173 So Ennan, JZ 1965, 657 (660), unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien. 12 Stamm
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Zudem handelt es sich bei § 645 um eine Ausnahmevorschrift zu § 644, die demnach eng auszulegen ist. Durch eine analoge Anwendung des § 645 würde die grundsätzlich geltende Risikoverteilung des § 644 umgangen. Dagegen ist aber einzuwenden, daß der Gesetzgeber eine allgemeine Formulierung des § 645 allein wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit abgelehnt hat. 174 Die beiden in § 645 benannten Fälle können nicht als abschließend verstanden werden. 175 Eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes läßt sich bejahen. Es muß des weiteren eine vergleichbare Interessenlage zwischen den beiden in § 645 geregelten Fällen und dem vorliegenden Fall, der gesetzlich nicht geregelt ist, bestehen. Der Vergleich beschränkt sich hier auf den Umstand, daß die Beauftragung des Erstunternehmers durch den Bauherrn zu der Unmöglichkeit der vom Zweitunternehmer auszuführenden Werkleistung geführt hat. Der Umstand, daß ein Verschuldensbeitrag des Erstunternehmers hinzugetreten ist, ist gesondert zu berücksichtigen. 176 Soweit der Bauherr den Erstunternehmer mit den Schweißarbeiten beauftragt hat, kann eine vergleichbare Interessenlage damit begründet werden, daß die Unmöglichkeit der Werkleistung ebenso wie in den beiden in § 645 gesetzlich geregelten Fällen auf ein willentliches Verhalten des Bestellers zurückzuführen ist. Insoweit bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine analoge Anwendung des § 645. 177 b) Zweite Analogie: Anwendung des § 645 auf Fälle der Drittverantwortung
Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin begründet, daß die Unmöglichkeit der Werkleistung nicht allein auf ein willentliches Verhalten des Bauherrn, d. h. die Beauftragung der Handwerker, zurückzuführen ist,178 sondern erst durch einen eigenen Verschuldensbeitrag Dritter, hier der beauftragten Handwerker, herbeigeführt worden ist. Im Gegensatz dazu regeln die beiden in § 645 genannten Tatbestände Fälle, bei denen die LeiProtokolle, Band 11, S. 334, abgedruckt unter Fn. 172. Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 40, 71 (74); in der Folge BGHZ 60, 14 (19); 77, 320 (324 0; 78, 352 (353); 83, 197 (203 f.), und zuletzt BGH NJW 1997, 3018 (3019); BGH NJW 1998, 456 (457) = BGH JZ 1998, 410 (411); Jagenburg, Bauvertragsrecht seit 1996, NJW 1998, 2494 (2502); Peters, in: Staudinger, § 645, Rdnr. 29; Soergel, in: Münchener Kommentar, § 645, Rdnr. 12. 176 Dazu sogleich unter b. 177 BGHZ 40, 71 (75); BGHZ 60, 14 (19); BGHZ 77, 320 (324 f.); BGHZ 78, 352 (353); BGHZ 83, 197 (203 f.); Kaiser, Gefahrtragung, in: Festschrift für Hermann Korbion, S. 197 (203); Peters, in: Staudinger, § 645, Rdnr. 30. 178 So die in der vorangegangenen Fußnote zitierten Fälle des BGH. 174 175
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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stungsstörung allein auf ein willentliches Verhalten des Bestellers zurückzuführen ist, ohne daß ein Dritter für die Leistungsstörung verantwortlich zu machen ist. Es handelt sich also um eine zweite Analogie, soweit § 645 auch auf die Fälle der Drittverantwortung angewandt wird. 179 Auch in diesen Fällen muß eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. aa) Plan widrige Regelungslücke des Gesetzes Für die Annahme einer gesetzlichen Regelungslücke spricht zunächst der Umstand, daß der Gesetzgeber die Fälle übersehen hat, bei denen der zufällige Untergang des Werkes durch einen Dritten herbeigeführt wird. ISO Aus diesem Grunde ergeben sich bei dieser zweiten Analogie - anders als bei der ersten Analogie - keine Bedenken hinsichtlich des Ausnahmecharakters von § 645. Gegen die Annahme einer Regelungslücke spricht aber der abschließende Regelungsgehalt des § 278. Diese Vorschrift läßt es für den hier in Betracht kommenden Pflichtenkreis nicht zu, daß dem Bauherrn ein Fehlverhalten des Erstunternehmers zugerechnet werden kann. Der Erstunternehmer ist nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Zweituntemehmer. ISt Diese Wertung wird umgangen, wenn der Bauherr analog § 645 für das Fehlverhalten des Erstunternehmers haftbar gemacht wird. tS2 Die abschließende Regelung des § 278 schließt für die Fälle der Drittverantwortung eine Lösung aus, die dem Bauherrn auf vertraglicher Ebene das Fehl-
179 Eine ähnliche Differenzierung findet sich bei Peters, in: Staudinger, § 645, Rdnr. 30: "Dagegen ist er (Anm. des Verf.: der Besteller) für von ihm veranlaßte Arbeiten anderer nicht ohne weiteres verantwortlich, sondern nur dann, wenn diese auch bei ordnungsgemäßer Durchführung die Werkleistung zwangsläufig geflihrdeten, nicht aber, wenn sie ohne eine solche Gefährdung durchgeführt werden könnten." Mit dieser Differenzierung werden im Ergebnis die Fälle der Drittverantwortung dem analogen Anwendungsbereich des § 645 entzogen, ohne daß dies näher begründet wird. Peters lehnt daher die Entscheidung des OLG Köln ab. 180 S. dazu noch die ausführlichen Erörterungen zu § 644 unter § 28 11. 181 S. o. § 18 I und nachfolgend noch § 32. 182 Kapellmann, Behinderungshaftung für Vorunternehmer, BauR 1992, 433 (436), schreibt dazu: " ... kann der BGH - sofern er in neuen Entscheidungen die Erfüllungsgehilfeneigenschaft des Vorunternehmers nicht ohnehin bejaht - dogmatisch völlig korrekt den Auftraggeber für seinen Vorunternehmer nicht als Erfüllungsgehilfen, aber wie einen Erfüllungsgehilfen haften lasen, eben auf dem Weg über die verschuldensabhängige Risikozuteilung in Analogie zu § 645 BGB und in entsprechender Anwendung von § 2788GB." Kapellmann verwischt mit diesen Ausführungen die klare Abgrenzung zwischen der Verschuldensregel des § 278 und der Gefahrtragungsregel des § 645, die sich gegenseitig ausschließen. 12·
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
verhalten des Erstunternehmers im Verhältnis zum Zweitunternehmer zurechnet. bb) Vergleichbare Interessenlage Der Gesetzgeber hatte bei der Regelung der §§ 644, 645 allein solche Fälle vor Augen, bei denen der Eintritt der Gefahr auf natürliche Umstände zurückzuführen iSt. 183 In diesen Fällen ist mit der Regelung der Gefahrtragung zwischen Besteller und Unternehmer zugleich die endgültige Haftungsfrage geregelt, da kein Dritter zur Verantwortung herangezogen werden kann. Eine generelle Haftung zu Lasten des Unternehmers gemäß § 644 Abs. 1 S. 1 ist jedoch in denjenigen Fällen nicht gerechtfertigt, bei denen der Eintritt der Gefahr auf ein willentliches Verhalten des Bestellers zurückzuführen ist. Aus diesem Grunde sieht § 645 für diese Fälle eine Billigkeitshaftung des Bestellers vor. Eine vergleichbare Interessenlage muß nach dem zuvor Gesagten in den Fällen der Drittverantwortung abgelehnt werden. In diesen Fällen besteht nach Sinn und Zweck des § 645 kein Anlaß mehr für eine Billigkeitshaftung des Bestellers gegenüber dem Unternehmer. Der Unternehmer kann den Dritten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Entgegen der Ansicht des OLG Köln geht der Zweitunternehmer damit nicht leer aus. Das Gericht hätte dem Zweitunternehmer gegen den Bauherrn vielmehr nach den bisher bekannten Lösungswegen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation analog § 281 einen Anspruch auf Abtretung der dem Bauherrn gegen den Erstunternehmer zustehenden Schadensersatzansprüche zusprechen können, soweit sie die bereits erbrachten Maurerarbeiten betrafen. 184 Es lag ein typischer Fall der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht vor. Statt dessen hat das Gericht mit seiner Entscheidung einen alternativen Lösungsweg zur Lehre vom normativen Schaden und zur Drittschadensliquidation entwickelt. Aus der Sicht des OLG Köln bestand hierfür kein Bedürfnis, da der Zweitunternehmer auch nach den bisher bekannten Lösungswegen nicht leer ausgegangen wäre. 18S S. dazu noch ausführlich unter § 28 H. Auf die Lehre vom normativen Schaden und die Drittschadensliquidation wird im einzelnen nachfolgend unter §§ 26ff. eingegangen. 185 Koller, S. 248, weist gleichwohl auf zwei Nachteile der bisherigen Lösungswege hin, die eine Lösung analog § 645 nicht aufweist: 1. Die Lösung analog § 645 ist aus der Sicht des Zweitunternehmers für den Fall vorteilhaft, daß der Erstunternehmer zahlungsunfahig wird. In diesen Fällen ginge der Zweitunternehmer nach den bisher bekannten Lösungen leer aus. Daß dieses Ergebnis aber sachgerecht ist, wird die nachfolgend unter §§ 28ff. noch zu entwikkelnde Lösung veranschaulichen. Es handelt sich im Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer lediglich um einen Fall der deliktsrechtlichen Schädigung. Folg183
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4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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Im Gegenteil wird der Zweitunternehmer durch die Lösung des OLG Köln benachteiligt. Er kann vom Bauherm analog § 645 lediglich eine Teilvergütung und die darin nicht inbegriffenen Auslagen ersetzt verlangen. Bezüglich weiterer Schäden wird der Bauherr hingegen von einer Ersatzpflicht freigestellt. Kapellmann will über diesen Nachteil hinweghelfen, indem er dem Zweitunternehmer analog § 645 auch einen Anspruch auf Schadensersatz gewährt. "Auslagen" und "Behinderungsschaden" seien in diesem Zusammenhang als stoffgleich anzusehen. 186 Eine Analogie kann aber lediglich die Voraussetzungen einer Vorschrift, nicht deren Rechtsfolge ersetzen. Es ist daher festzustellen, daß der Zweitunternehmer bezüglich der Schäden, die über die vom Bauherm gemäß § 645 zu zahlende Teilvergütung hinausgehen, leer ausgeht. Diesbezüglich ist auch eine Anwendung der Drittschadensliquidation ausgeschlossen. Sie würde zu einer Umgehung der gesetzgeberischen Wertungen des § 645 führen. 187 Die Argumentation des OLG Köln verkehrt sich damit in ihr Gegenteil. Die Billigkeitshaftung des Bauherm erweist sich für den Zweitunternehmer als nachteilig.
11. Die Entscheidung des BGH vom 6. November 1980Az.: vn ZR 47/80 188 Der BGH hatte sich in seiner Entscheidung vom 6. November 1980 mit der Entscheidung des OLG Köln auseinanderzusetzen. Den entscheidenden Unterschied zu dem von ihm zu entscheidenden Fall sah der BGH jedoch darin begründet, daß es sich bei dem vom OLG Köln zu entscheidenden Fall um einen Altbau und damit um ein "wohl besonders feuergefährdetes" Bauwerk gehandelt habe, während es sich bei der Entscheidung des BGH um einen Neubau handelte. Wegen dieser Differenzierung brauchte der lich muß der Zweitunternehmer auch das Insolvenzrisiko des Erstunternehmers tragen. Es besteht kein Anlaß, dieses Risiko auf den Bauherrn abzuwälzen. 2. Der Zweitunternehmer geht des weiteren nach den bisher bekannten Lösungswegen in den Fällen leer aus, in denen den Erstunternehmer kein Verschuldensvorwurf trifft. Mangels eines Drittverantwortlichen handelt es sich dann aber um Fälle, bei denen die Unmöglichkeit der Werkleistung allein auf ein willentliches Verhalten des Bauherrn zurückzuführen ist. In diesen Fällen stößt die analoge Anwendung des § 645 auf keine Bedenken (s. o. zur ersten Analogie unter a). Damit können auch die Bedenken Kollers gegen eine unberechtigte Ablehnung der analogen Anwendung des § 645 ausgeräumt werden. Es bedarf dazu nicht des von Koller, S. 249 f., entwickelten Arguments vom "Absorptionsvorsprung" des Zweitunternehmers, der regelmäßig gegen derartige Nachteile versichert sei. 186 Kapellmann, Behinderungshaftung für Voruntemehmer, BauR 1992, 433 (436); ders.lSchiffers, Rdnm. 1388 ff. 187 Siehe dazu schon oben unter § 18 III die Ausführungen zur Anwendung der Drittschadensliquidation in den Fällen des § 642. 188 BGHZ 78, 352-358.
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2. Teil: Regreßrege1ungen im Baurecht
BGH zu der Entscheidung des OLG Köln nicht abschließend Stellung zu nehmen. 189 Für Neubauten hat er hingegen die analoge Anwendung des § 645 zu Lasten eines Bestellers, der allein zusätzliche Handwerker beauftragt hat, abgelehnt. Der zufallige Untergang sei dem Bauherrn im Sinne des § 645 Abs. I S. I nicht anzulasten, "wenn ein anderer Handwerker in eigener Verantwortung den Brand ausgelöst hat oder eine solche Möglichkeit nicht ausgeräumt werden kann." Bei Bauvorhaben würden häufig verschiedene Handwerker im Auftrage des Bauherrn gleichzeitig auf der Baustelle tätig. Die gleichzeitige Beauftragung verschiedener Bauhandwerker könne für sich allein im Regelfall die Verschiebung der Vergütungsgefahr auf den Bauherrn nicht rechtfertigen. 190 Der Aspekt der Brandgefährlichkeit ändert nichts an dem Umstand, daß der Bauherr für ein Verschulden des Erstunternehmers nur unter den Voraussetzungen des § 278 einzustehen hat. Trifft den Erstunternehmer hingegen - anders als im Ausgangsfall - kein Verschulden, so liegt kein Fall der Drittverantwortung mehr vor. Der Erstunternehmer scheidet gleichsam aus dem Dreiecksverhältnis aus. Es kommt lediglich ein Ausgleich zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer in Betracht, indem die Gefahrtragung umverteilt wird. Die Problematik reduziert sich dann auf die Frage, ob § 645 analog für die Fälle gilt, bei denen der Untergang des Werkes auf ein willentliches Verhalten des Bauherrn, die Beauftragung weiterer Unternehmer, zurückzuführen ist. Hier mag es aus Sicht des BGH gerechtfertigt sein, nach der Brandgefährlichkeit des Bauwerks zu differenzieren, obwohl diese Differenzierung mit einiger Rechtsunsicherheit verbunden ist. Es bleibt nämlich unklar, unter welchen Umständen ein Bauwerk als besonders brandgefährdet einzustufen ist. Jedenfalls bleibt für eine analoge Anwendung des § 645 entgegen der Ansicht des BGH kein Raum mehr, soweit den Erstunternehmer ein Verschuldensvorwurf trifft. Dies wird aber gerade bei besonders brandgefährdeten Bauobjekten, wie etwa bei dem der Entscheidung des OLG Köln zugrunde liegenden Sachverhalt, regelmäßig der Fall sein.
111. Ergebnis Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 645 sind entgegen der Ansicht des BGH und des OLG Köln nicht erfüllt, soweit ein Drit189 BGHZ 78, 352, (357) führt aus: "Ob in diesem besonderen Fall, der den Umbau eines sehr alten und daher wohl besonders feuergefährdeten Hauses betraf, das Oberlandesgericht die Beauftragung eines weiteren Handwerkers mit Schweißarbeiten als eine die Verschiebung der Vergütungsgefahr rechtfertigende Handlung des Bauherrn bewerten durfte, kann hier offen bleiben. Der vorliegende Fall betrifft einen großen Fabrikneubau und liegt damit ganz anders." 190 BGHZ 78, 352 (356 f.).
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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ter für den Eintritt der Gefahr verantwortlich ist. Diesbezüglich liegt weder eine Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage vor, die eine analoge Anwendung des § 645 rechtfertigen. Die Billigkeitshaftung des Bauherrn analog § 645 führt vielmehr zu einer Umgehung der Vorschrift des § 278 und zu unbilligen Ergebnissen hinsichtlich der Haftung für Schäden, die über die gemäß § 645 zu ersetzende Teilvergütung und die zu ersetzenden Auslagen hinausgehen. Im Ergebnis bietet daher die Lösung analog § 645, die zunächst vom OLG Köln anhand eines Falles der Unmöglichkeit entwickelt worden ist, keinen gangbaren Weg, um in der vorliegenden Fallgruppe zu einer sachgerechten Ausgleichsregelung im Verhältnis zwischen dem geschädigten Zweitunternehmer und seinem Vertragspartner, dem Bauherrn, zu gelangen.
§ 25 Lösungswege, die eine Schadensabwicklung
zwischen dem geschädigten Zweitunternehmer und dem Erstunternehmer herbeiführen Bei dem eingangs des vorliegenden Kapitels zugrunde gelegten Sachverhalt handelt es sich um einen typischen Anwendungsfall der Drittschadensliquidation bzw. der Lehre vom normativen Schaden. Beide Lehren suchen zu einer Ausgleichsregelung zu gelangen, die es dem geschädigten Zweitunternehmer ermöglicht, aus abgetretenem Recht des Bauherrn gegen den Erstunternehmer vorzugehen. Dieser Weg ist recht mühsam, da er dem Zweitunternehmer ein doppeltes Insolvenzrisiko auferlegt. Zunächst muß er vom Bauherrn eine Abtretung erwirken, bevor er aus dem abgetretenem Recht gegen den Erstunternehmer vorgehen kann. Dieser Umweg wäre dann entbehrlich, wenn dem geschädigten Zweitunternehmer eigene Rechte gegen den Erstunternehmer zustehen würden. I. Anspruche des geschädigten Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer aus eigenem Recht Aufgrund der bisherigen Untersuchung ist festzustellen, daß zwischen Erst- und Zweitunternehmer kein Schuldverhältnis besteht, das einen Schadensersatzanspruch des Zweitunternehmers begründen könnte. Eventuell kann dieser aber auch aus dem zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer bestehenden Werkvertrag einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen den Erstunternehmer ableiten. So kommt im vorliegenden Fall ein Schadensersatzanspruch aus einer pFV des Werkvertrages in Betracht. 191 Ein derart abgeleiteter Schadensersatzanspruch setzt voraus, 191 Ein Schadensersatzanspruch aus § 635 kommt nicht in Betracht, da der Erstunternehmer seine Werkleistung fehlerfrei erbracht hat.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
daß der Zweitunternehmer überhaupt in die Schutzwirkungen des Werkvertrages zwischen dem Bauherm und dem Erstunternehmer einbezogen worden ist. Diesbezüglich ist jedoch bereits anhand der Fälle der Bauverzögerung festgestellt worden, daß die Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Dreiecksverhältnis zwischen Erstunternehmer, Bauherm und Zweitunternehmer regelmäßig nicht erfüllt sind. So trifft den Bauherm auch im vorliegenden Fall aufgrund der Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 S. 1 keine Haftung, die ein Einbeziehungsinteresse des Bauherm begründen könnte. l92 Der Werkvertrag zwischen Bauherm und Erstunternehmer entfaltet keine Schutzwirkung zugunsten des Zweitunternehmers. Letzterer kann daher aus diesem Vertragsverhältnis keinen Schadensersatzanspruch gegen den Erstunternehmer ableiten. Mangels eines Vertragsverhältnisses kann dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer nur ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 zustehen. Voraussetzung dafür ist eine Rechtsgutverletzung auf Seiten des Zweitunternehmers. In Betracht kommt zunächst eine Eigentumsverletzung an dem Sachwerk des Zweitunternehmers. Ist dieses Sachwerk in seinem Eigentum verblieben, so kann ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer problemlos bejaht werden. Regelmäßig wird der Zweitunternehmer aber sein Eigentum an den von ihm verwendeten Werkstoffen durch Verbindung oder Verarbeitung gemäß den §§ 946 ff., 93 ff. verloren haben. In diesen Fällen erwirbt der Eigentümer des Grundstücks auch das Eigentum an den Sachen, die zur Herstellung des Gebäudes eingefügt worden sind. Eine spätere Eigentumsverletzung des Zweitunternehmers kommt dann nicht mehr in Betracht. So scheidet auch im eingangs des Kapitels zugrunde gelegten Fall eine Eigentumsverletzung des Zweitunternehmers aus, da er sein Eigentum an den Fenstern durch ihre dauerhafte Verbindung mit dem Gebäude des Bauherm gemäß den §§ 946, 93, 94 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 verloren hat. Damit bleibt nur die Möglichkeit, daß der Erstunternehmer ein "sonstiges Recht" des Zweitunternehmers verletzt hat. In Betracht kommt eine Besitzverletzung. 193
192 Der BGH hat in einem vergleichbaren Fall ein Einbeziehungsinteresse des Bauherrn noch mit der "Wohl-und-Wehe-Formel" abgelehnt, BGH NJW 1970, 38 (40). In der Zwischenzeit hat der BGH aber klargestellt, daß diese Formel nicht abschließend zu verstehen ist, s. o. Fn. 86. 193 Daneben kann auch eine Beeinträchtigung einer etwaigen Bauhandwerkersicherungshypothek, § 648, in Erwägung gezogen werden. Da eine solche aber wegen der für die Praxis umständlichen Grundbucheintragung in der Regel unterbleibt, handelt es sich hierbei um eine zu vernachlässigende Größe.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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1. Die Entscheidung des BGH vom 9. April 1984 - Az.: 11 ZR 234/83 194 : Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 wegen einer Besitzverletzung
In einem vergleichbaren Fall hat der BGH dem Bauunternehmer einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch zugesprochen. 195 Er hat dabei nicht auf eine Eigentumsverletzung, sondern auf eine Besitzverletzung abgestellt. Bei diesem Lösungsweg ist das Augenmerk zunächst auf die Frage zu lenken, inwieweit der Besitz deliktsrechtlich geschützt ist. Der BGH hat zu diesem Problem keinerlei Ausführungen gemacht. a) Umfang des Besitzschutzes
Um einen deliktsrechtlichen Schutz des Besitzes begründen zu können, muß es sich beim Besitz um ein "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 handeln. Darunter sind solche Rechte zu verstehen, die wie das Eigentum einen absoluten - gegen jedermann gerichteten - Zuweisungsgehalt haben. 196 Unklar ist, unter welchen Umständen eine solche Gleichstellung des Besitzes mit dem Eigentum zu rechtfertigen ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß nur das mit dem Besitz verbundene obligatorische Nutzungsrecht von § 823 Abs. 1 geschützt sei. Nur soweit der Besitz dem Inhaber neben der Abwehrfunktion auch ein Nutzungsrecht gewähre, sei eine Gleichstellung mit dem Eigentum gerechtfertigt. 197 Demzufolge hätte der BGH eine Besitzverletzung des Bauunternehmers von vornherein ablehnen müssen, da dem Bauunternehmer kein Nutzungsrecht am Baugrundstück zusteht. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, daß die deliktsrechtliche Haftung nicht nur den Nutzungsschaden umfaßt, sondern auch Verwendungsund Haftungsschäden. 198 Diese Schäden können nicht nur dem nutzungsbeBGH NJW 1984,2569-2570. BGH NJW 1984, 2569-2570. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem die Werkleistung des Zweitunternehmers nicht durch einen weiteren Bauunternehmer, sondern durch einen außenstehenden Dritten beschädigt worden ist. Diese Abweichung ist jedoch allein für die Frage des deliktsrechtlichen Schutzes unter Mitbesitzern von Bedeutung. Dazu nachfolgend unter b. 196 Schiemann, in: Erman, § 823, Rdnr. 35; Thomas, in: Palandt, § 823, Rdnr. 11. 197 HansOLG Hamburg, MDR 1974, 668 (668); LarenziCanaris, Schuldrecht 111 2, § 76 11 4 f.; Richter, NJW 1985, 1450 (1451), in seiner Urteilsanmerkung zum BGH; Zeuner, in: Soerge1, § 823, Rdnr. 58. 198 Medicus, Besitzschutz, AcP 1965, 115 (122-124); Merlens, in: Münchener Kommentar, § 823, Rdnr. 146; Wieser, JuS 1970, 557 (558). Medicus, Besitzschutz, AcP 1965, 115 (128 f.), beruft sich zudem auf die Verweisung des § 1007 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 922 auf § 823 Abs. 1, die belege, daß § 823 Abs. 1 uneingeschränkt für den Besitz gelte. § 1007 enthalte keine Beschränkung auf den nutzungsberechtigten Besitzer. 194
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
rechtigten Besitzer entstehen. Es ist daher für den deliktsrechtlichen Besitzschutz unerheblich, ob dem Besitzer zugleich ein Nutzungsrecht an der Sache zusteht. Es genügt der berechtigte Besitz, um eine Gleichstellung mit dem Eigentum begründen zu können. 199 Daher ist auch der Besitz des Bauunternehmers am Baugrundstück deliktsrechtlich geschützt. Es ergeben sich insoweit keine Bedenken gegen die Lösung des BGH. b) Besitzschutz zwischen Mitbesitzern
Regelmäßig wird nicht nur der Zweitunternehmer, sondern auch der Erstunternehmer Besitzer des Bauwerks sein. 2OO Es stellt sich deshalb das Problem, ob § 823 Abs. 1 auch einen Schutz der Mitbesitzer im Verhältnis untereinander gewährt. 201 Gegen einen solchen Besitzschutz unter Mitbesitzern spricht zunächst die Regelung des § 866, die den Besitzschutz zwischen Mitbesitzern ausschließt. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nach ihrem Regelungsgehalt allein auf den Besitzschutz der §§ 858 ff. Zudem unterscheidet sich § 823 Abs. 1 von diesen Besitzschutzvorschriften insofern, als die Vorschrift einen Rückgriff auf das petitorische Recht zum Besitz erfordert, so daß eine abschließende Bewertung ermöglicht wird. 202 § 866 steht damit einem Besitzschutz nach § 823 Abs. 1 nicht entgegen. 203 Für den Besitzschutz zwischen Mitbesitzern gemäß § 823 Abs. 1 spricht das Bedürfnis nach einem angemessenen Schadensausgleich, da es zwischen Mitbesitzern zumeist an einem vertraglichen Schuldverhältnis mangelt und die Regelungen der §§ 741 ff. unvollkommen sind. 204 Die Bruchteilsgemeinschaft ist in den §§ 741 ff. nur lückenhaft geregelt, es handelt sich um eine bloße Zufallsgemeinschaft. Eine vertragliche Bindung wird 199 Fikentscher, Rdnr. 1214; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; ders., Besitzschutz, AcP 1965, 115 (148); Mertens, in: Münchener Kommentar, § 823, Rdnr. 146; Schiemann, in: Erman, § 823, Rdnr. 43. 200 Daneben kommt eine weitere Besitzposition des Bauherrn in Betracht. Entweder übt dieser selbst unmittelbaren Mitbesitz an dem Bauwerk aus oder er ist im Verhältnis zu den beiden Bauunternehmern mittelbarer Eigenbesitzer. Diese Frage kann aber dahinstehen, da sie für die nachfolgende Untersuchung keine Bedeutung hat. 201 Diese Frage stellte sich für den BGH nicht, da das Sachwerk des Erstunternehmer im Originalfall nicht durch einen weiteren Bauunternehmer, sondern durch einen außenstehenden Dritten beschädigt wurde. 202 BGHZ 62, 243 (250); Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 608. 203 BGHZ 62, 243 (248 f.); BaurlStümer, § 7, Rdnr. 86; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 608, unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht in AcP 1965, 115 (139); Hager, in: Staudinger, § 823, Rdnr. B 172; Joost, in: Münchener Kommentar, § 866, Rdnr. 12; Mertens, in: Münchener Kommentar, § 823, Rdnr. 148; Wieser, JuS 1970,557 (560 f.). 204 BGHZ 62, 243 (250); BaurlStümer, § 9, Rdnr. 36.
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von den Beteiligten nicht erstrebt. Aus diesen Gründen ist ein über die §§ 741 ff. hinausgehendes pflichtenbegründendes Schuldverhältnis abzulehnen. Es ergeben sich aus der Bruchteilsgemeinschaft ohne besondere Absprachen keine über die §§ 741 ff. hinausgehenden schuldrechtlichen Verpflichtungen mit dem Inhalt, Beschädigungen der gemeinsamen Sache zu unterlassen. 205 Ohne Vereinbarung besteht keine besondere Sorgfaltspflicht für die gemeinsame Sache, deren Verletzung zu einer Schadensersatzpflicht wegen einer pFV führen kann. 206 Dies unterstreicht das praktische Bedürfnis nach einem deliktsrechtlichen Schadensausgleich. c) Rechts/alge: Ersatz des sogenannten Haftungsschadens
Hat man die soeben erörterten Probleme hinsichtlich der Voraussetzungen des haftungsbegründenden Tatbestands des § 823 Abs. I überwunden, stellt sich die Frage nach dem Umfang des zu ersetzenden Schadens. Der Erstunternehmer hat gemäß § 249 S. 2 den adäquat verursachten Schaden zu ersetzen. In Betracht kommt ein Haftungsschaden, den der Zweitunternehmer erlitten haben könnte. Ein solcher Schaden liegt vor, wenn der Besitzer infolge der Besitzverletzung seinerseits einem Dritten gegenüber ersatzpflichtig wird. 207 Nach der Auffassung des BGH und einem Teil der Lehre liegt ein solcher Haftungsschaden auch dann vor, wenn der Werkunternehmer als geschädigter Besitzer aufgrund der Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. I S. I dem Besteller zur Nachbesserung verpflichtet ist. 208 Bis zur Abnahme trage der Werkunternehmer die Verantwortung für die Sachsubstanz. Dies rechtfertige es, ihm die Wiederherstellungskosten zuzubilligen. Dagegen ist aber einzuwenden, daß es sich hier nicht um einen an den Besitz anknüpfenden Haftungsschaden handelt. 209 Es mangelt an der Kau20S BGHZ 62, 243 (246), zu der Haftung zwischen Mietern für die Beschädigung eines gemeinsamen Lastenaufzuges; Aderhold, in: Erman, § 741, Rdnr. 3; Langhein, in: Staudinger, § 741, Rdnr. 260; Karsten Schmidt, in: Münchener Kommentar, § 741, Rdnr. 33; Schultze-von Lasaulx, in: Soergel, Vor. § 741, Rdnr. 7; Thomas, in: Palandt, § 741, Rdnr. 8. 206 Es würde auch nicht recht einleuchten, warum ein solcher Schadensersatzanspruch von den oftmals zufälligen Besitzverhältnissen abhängen sollte. Diese Kritik richtet sich aber in gleicher Weise gegen die deliktsrechtliche Lösung des BGH, wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird, s. u. c. 2fJ/ Mertens, in: Münchener Kommentar, § 823, Rdnr. 145; Wieser, JuS 1970, 557 (558). 208 BGH NJW 1984, 2569 (2570); Medicus, Bürgerliches Recht,ORdnr. 607; Thomas, in: Palandt, § 823, Rdnr. 13. 209 Darauf hat schon Richter, NJW 1985, 1450 (1451), hingewiesen. Das LG München 11, BauR 1990, 508 (510, Fn. 15), neigt ebenfalls dieser Kritik zu, konnte
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salität zwischen der konkreten Rechtsgutverletzung, der Besitzverletzung, und dem Haftungsschaden, den der Zweitunternehmer erlitten hat. Der Haftungsschaden beruht nicht auf der Besitzverletzung, sondern allein auf der gesetzlichen Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1, wonach der Werkunternehmer bis zur Abnahme des Werkes die Gefahr der Verschlechterung trägt. Die Abnahme setzt neben der Besitzübertragung die Erklärung des Bestellers voraus, daß er das Werk als in der Hauptsache vertragsgemäße Erfüllung anerkennt. 210 Fehlt diese, so trägt der Werkunternehmer das Risiko der zufalligen Verschlechterung auch dann, wenn er keinen Besitz mehr ausübt. Folglich stellt nicht der Besitz, sondern allein die Gefahrtragung die eigentliche Ursache für den Schaden dar, den der Zweitunternehmer erlitten hat. Es liegt daher kein durch den Besitz vermittelter Haftungsschaden vor. 211 Basiert demnach der dem Zweitunternehmer entstandene Schaden auf der Gefahrtragungsregelung des § 644, so muß die Lösung für den vorliegenden Falltypus in der Regelung des § 644 und nicht im Deliktsrecht gesucht werden. 212 Die deliktsrechtliche Lösung des BGH muß nach den soeben getroffenen Überlegungen in den Fällen versagen, in denen der Zweitunternehmer vor der Abnahme seiner Werkleistung keinen Besitz mehr an derselben ausübt. Wird in diesen Fällen die Werkleistung des Zweitunternehmers durch den Erstunternehmer beschädigt, so muß der BGH einen Schadensersatzanspruch des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer aus § 823 Abs. 1 ablehnen, obwohl der Zweitunternehmer auch hier gemäß § 644 Abs. 1 S. 1 einen "Haftungsschaden" erlitten hat. 213 Diese Überledie Streitfrage jedoch mangels Besitzes des Zweitunternehrners offenlassen. Esser/ Weyers, Schuldrecht 1111, § 3411, Fn. 2, berufen sich ebenfalls auf Richter. Kritisch auch Peters, in: Staudinger, § 644, Rdnr. 10, der allenfalls den Substanzwert ersetzt wissen will. Dabei wird jedoch übersehen, daß der Substanzwert nicht dem Besitzer, sondern dem Eigentümer gebührt. 210 BGHZ NJW 1985, 731 (732); BGH NJW 1993, 1972 (1974); Soergel, in: Münchener Kommentar, § 640, Rdnr. 2; Teichmann, in: Soergel, § 640, Rdnr. 6; Thomas, in: Palandt, § 640, Rdnr. 2. Peters, in: Staudinger, § 640, Rdnr. 19, genügt eine Billigungserklärung des Bestellers ohne Besitzübertragung, was aber keinen Einfluß auf die nachfolgende Argumentation hat. Eine differenzierende Ansicht wird von Larenz, Schuldrecht 11/1, § 53 III a (S. 367), und Medicus, Schuldrecht 11, Rdnr. 379, vertreten. Demzufolge setzt die Abnahme nur in den Fällen eine Annahmeerklärung des Bestellers voraus, in denen eine solche Erklärung verkehrsüblich ist. Letzteres ist jedoch im Baurecht der Fall, so daß auch diese differenzierende Ansicht keinen Einfluß auf die nachfolgende Argumentation hat. 211 Anhand der eigenen Lösung wird noch zu zeigen sein, daß haftungsbegründend nicht ein deliktsrechtlicher Eingriff in das Besitzrecht, sondern in das Eigentum ist, s. u. § 28 11. 212 Auf diesen methodischen Ansatz wird bei der Entwicklung einer eigenen Lösung zurückzukommen sein, s. u. § 28 I. 213 So geschehen in der Entscheidung BGH NJW 1970, 38 (40). Der BGH hat diesen Fall mit der Drittschadensliquidation und der Lehre vom normativen Scha-
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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gungen verdeutlichen, daß es sich bei dem Schaden, den der Zweitunternehmer erlitten hat, nicht um einen durch den Besitz vermittelten Haftungsschaden handelt. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb die Lösung für die vorliegenden Fälle von den oftmals zufalligen Besitzverhältnissen im Bauwesen abhängen soll.2 14 Der deliktsrechtliche Ansatz des BGH greift ins Leere und liefert keine allgemein gültige Lösung. 2. Die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen (V.i. V.)"
Junker regt an, das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und die Drittschadensliquidation215 in einem gemeinsamen Prinzip aufzulösen. 216 In Analogie zu den §§ 164 ff. entwickelt Junker die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen". Dabei handele es sich um eine zwischen den Kategorien der vertraglichen und der deliktsrechtlichen Haftung stehende Vertrauenshaftung, die ein gesetzliches Schuldverhältnis begründe. 217
Unabhängig von dem methodischen Ansatz sind die von Junker postulierten Voraussetzungen für eine "Vertretung im Vertrauen" in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht nicht erfüllt, so daß dieser Lösungsansatz in den vorliegenden Fällen nicht weiterhilft. Der Erstunternehmer nimmt zwar gegenüber dem Bauherrn Vertrauen darauf in Anspruch, daß er die geschuldete Werkleistung ordnungsgemäß erbringt. Das Vertrauen, das der Bauherr dem Erstunternehmer gewährt, bringt er ihm aber nicht in Vertretung des Zweitunternehmers entgegen. Denn die geschuldete Leistung liegt im originären Interesse des Bauherrn und nicht des Zweitunternehmers. Es handelt sich daher um den Fall einer deliktsrechtlichen Drittschädigung, der kein Vertragsverhältnis zugrunde liegt. Für diese Fälle räumt Junker ein, daß die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen" nicht zum Ziel führt. 218 Um diese Lücke in seinem Lösungsmodell zu schließen, hat Junker den Begriff "des wirtschaftlichen Eigentums" geprägt.
den gelöst, ohne sich auf eine der beiden Lehnneinungen festzulegen. Auf diese beiden Lösungswege sowie die dazugehörige Entscheidung des BGH wird unter II noch im einzelnen einzugehen sein. 214 Ebenso kritisch äußert sich Hager, in: Staudinger, § 823, Rdnr. B 167, gegenüber der Lösung des BGH. Hager sucht die Lösung im Wege der Drittschadensliquidation; dazu sogleich unter II 2. 215 Auf diese Lösung wird sogleich im Anschluß an die Lösung von Junker ausführlich einzugehen sein, s. u. II 2 und § 27. 216 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 23. 217 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 39. 218 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 46. Im dritten Teil der Arbeit wird auf diesen Lösungsansatz von Junker zurückzukommen sein, s. u. § 40.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
3. Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 wegen einer Verletzung des "wirtschaftlichen Eigentums"
Junker verfolgt in denjenigen Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung und der mittelbaren Stellvertretung, in denen die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen" nicht weiterhilft, eine deliktsrechtliche Lösung, ebenso wie es der BGH in seiner bereits erörterten Entscheidung vom 9. April 1984 getan hat. 219 Im Gegensatz zum BGH knüpft Junker jedoch nicht an eine Besitzverletzung, sondern an eine Verletzung des "wirtschaftlichen Eigentums" an. 220 Diesen Begriff leitet Junker aus dem Steuerrecht ab. Das "wirtschaftliche Eigentum" sei in deliktsrechtlicher Hinsicht dem rechtlichen Eigentum gleichzustellen. Es handele sich daher um ein "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1, dessen Verletzung einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch auslöse.
Fraglich ist aber auch hier, ob die Lösung von Junker zum Ziel führt. Der Zweitunternehmer müßte "wirtschaftlicher Eigentümer" des Fensters sein, das der Erstunternehmer beschädigt hat. "Wirtschaftlicher Eigentümer" ist nach Ansicht Junkers derjenige, der, ohne Eigentümer im Sinne des § 903 zu sein, das alleinige Risiko einer Beschädigung oder Zerstörung der Sache trägt und den alleinigen Nutzen aus der Sache zieht, dem also insbesondere Wertsteigerungen der Sache zugute kommen?21 In der vorliegenden Fallkonstellation muß festgestellt werden, daß dem Zweitunternehmer an dem von ihm eingebauten Fenster keinerlei Nutzungsbefugnis mehr zusteht. Aufgrund der Wertung der §§ 946 ff., 93 ff. fallen das "wirtschaftliche Eigentum" und das rechtliche Eigentum an dem Fenster in der Person des Bauherrn zusammen. Die Lösung von Junker hilft daher in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht ebensowenig wie die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen" weiter. Diese Schwäche seiner Lösung gesteht auch Junker ein?22 Aus diesem Grunde braucht an dieser Stelle nicht weiter auf seine Lösung eingegangen zu werden. 223
S. o. 1. Junker, Wirtschaftliches Eigentum, AcP 1993, 348 (359, Fn. 47), beruft sich auf von Caemmerer. Dieser hat für die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht darauf hingewiesen, daß die Kaufsache obligatorisch gesehen bereits im Eigentum des Käufers stehe und "wirtschaftlich" gesehen ihm gehöre, von Caemmerer, Drittschadensersatz, ZHR 1965, 241 (261 f.). Trotz dieser Überlegungen hat sich von Caemmerer für die Anwendung der Drittschadensliquidation als Korrektiv ausgesprochen. In ähnlicher Form wie Junker hat auch schon der BGH in der Entscheidung NJW 1970, 38 (40), die Frage erörtert, ob nicht eine etwaige "Berechtigung des Unternehmers, auf sein Werk einzuwirken" ein "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 darstellt. Der BGH hat diese Frage jedoch verneint. 221 Junker, Wirtschaftliches Eigentum, AcP 1993,348 (354). 219
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4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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4. Ergebnis zu den Lösungen, die dem geschädigten Zweitunternehmer eigene Rechte gegen den Erstunternehmer zusprechen
Die deliktsrechtlichen Lösungen, die der BGH und Junker vorschlagen, stoßen auf grundlegende Bedenken. Während der BGH zu Unrecht annimmt, der Zweitunternehmer habe einen durch seinen Besitz an dem Gebäude des Bauherrn vermittelten Haftungsschaden erlitten, gesteht Junker ein, daß seine Lösung im Werkvertragsrecht nicht zum Ziel führt. Es ist daher festzustellen, daß dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer weder vertragliche noch deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche zustehen.
n. Lösungen, die dem Zweitunternehmer ein Vorgehen aus abgetretenem Recht des Bauherrn ermöglichen
Da die bisher untersuchten Lösungen nicht zum Ziel führen, bleiben nur noch zwei Lösungswege offen, die für die vorliegende Fallgruppe entwikkelt worden sind. Es handelt sich dabei zum einen um die Drittschadensliquidation und zum anderen um die Lehre vom normativen Schaden. 224 Beide Lösungen sollen an dieser Stelle zunächst nur skizziert werden, bevor sie im einzelnen zu untersuchen sind. 225 Sowohl die Drittschadensliquidation als auch die Lehre vom normativen Schaden münden in Fällen der vorliegenden Art in einem Anspruch des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn analog § 281 auf Abtretung der dem Bauherrn gegen den Erstunternehmer zustehenden Schadensersatzansprüche. Es wird als unbillig empfunden, den Zweitunternehmer für einen Schaden haften zu lassen, den allein der Erstunternehmer verschuldet hat. Der Erstunternehmer soll aus der Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 S. 1, die lediglich im Innenverhältnis zwischen Bauherrn und Zweitunternehmer gilt, keinen Vorteil ziehen.
222 Junker, Wirtschaftliches Eigentum, AcP 1993, 348 (354, Fn. 27; ebenso 362 f.): "Weiterhin nur mit der Drittschadensliquidation zu erfassen sind allerdings wohl die seltenen Fälle der deliktischen Schädigung der von einem Werkunternehmer eingebauten Sachen vor Abnahme und damit Gefahrübergang gemäß § 644 BGB .... Der Werkunternehmer ist hier nicht wirtschaftlicher Eigentümer der eingebauten Sache." 223 Im dritten Teil der Arbeit wird noch einmal auf die Lösung von Junker zurückzukommen sein, s. u. § 40. Dort wird im einzelnen auf die Vor- und Nachteile dieser Lösung eingegangen werden. 224 Sie wird auch als sogenannte Lehre vom objektiven Wert als Mindestschaden bezeichnet. 225 Dazu nachfolgend unter § 26 und § 27.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Unterschiede bestehen zwischen den beiden verbleibenden Lösungswegen allein hinsichtlich der Berechnung des Schadens, den der Bauherr erlitten hat. Treffen den Bauherrn keine Nachteile, so stehen ihm auch keine Schadensersatzansprüche zu, die er gemäß § 281 an den Zweitunternehmer abtreten könnte. Im allgemeinen erfolgt die Schadensberechnung anhand der Differenzhypothese. Ein ersatzfahiger Vermögensschaden liegt danach nur dann vor, wenn der tatsächliche Wert des Vermögens geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde. 226 Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der tatsächliche Wert des Vermögens des Bauherrn zunächst dadurch verringert worden ist, daß der Erstunternehmer das Fenster des Bauherrn beschädigt hat. Andererseits hat der Bauherr aber aufgrund der Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. 1 S. 1 gegen den Zweitunternehmer einen Nachbesserungsanspruch aus § 633 Abs. 2 S. 1 erlangt?27 Für die Kosten, die im Rahmen der Nachbesserung entstanden sind, muß er dem Zweitunternehmer keinen Ersatz leisten. Es stellt sich damit die Frage, ob der Bauherr überhaupt einen Schaden erlitten hat. 1. Lehre vom normativen Schaden
Nach der Lehre vom normativen Schaden liegt in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung, also auch bei § 644 Abs. 1 S. 1, ein Schaden des Gläubigers vor, den er sowohl aus Vertrag wie auch aus Delikt ersetzt verlangen könne. 228 Dem Schädiger dürfe der Anspruch, der dem Gläubiger BGH NJW 1994,2357 (2359); Heinrichs, in: Palandt, Vor. § 249, Rdnr. 8. S. o. in der Vorbemerkung unter § 23. 228 Büdenbender, Vorteilsausgleichung, JZ 1995, 920 (926 ff.); ders., Obligatorische Gefahrentlastung, S. 83 ff.; Ehmnnn, S. 236; Grunsky, in: Münchener Kommentar, Vor. § 249, Rdnr. 120; Hagen, Drittschadensliquidation, S. 192; ders., Gefahrentlastung, JuS 1970, 442 (444 f.); Huber, in: Soergel, Vor. § 446, Rdnr. 31; Hü!fer, Gefahrtragung, JuS 1988, 123 (129); Keuk, S. 196 ff.; Larenz, Schuldrecht I, § 27 IV b 1; Peters, AcP 1980, 329 (349); Reichard, S. 290; Ries, JA 1982, 453 (455 f.); Winterfeld, S. 175; Urban, S. 47 f., 69 f., der seine Ansicht jedoch irreführend mit dem Begriff der "Drittschadensliquidation" (in Anführungszeichen) bezeichnet, anstatt sich schlicht dem Begriff der Lehre vom normativen Schaden anzuschließen. Ebenso kritisch zu dieser Terminologie Traugott, S. 32. Widersprüchlich ist es zudem, wenn Urban zur Abgrenzung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von der als ,,Drittschadensliquidation" bezeichneten Lehre vom normativen Schaden das Kriterium der Schadensverlagerung heranzieht (S. 171-174). Es handelt sich dabei um ein Kriterium, das von den Vertretern der Drittschadenslehre entwickelt worden ist (dazu sogleich im folgenden), die Urban gerade ablehnt. Viel schwerer wiegt jedoch der Vorwurf, daß schon der Ansatz Urbans, nach neuen Kriterien zur Abgrenzung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von der Lehre vom normativen Schaden zu suchen, verfehlt ist. Die Lehre vom normativen Schaden gewährt keinen Drittschadensersatz, sondern lediglich einen Schadensaus226 227
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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aufgrund der gesetzlichen Gefahrtragungsregel gegen den Dritten zustehe, nicht zugute kommen. Dieser Anspruch müsse bei normativer Betrachtung im Rahmen der Schadensberechnung unberücksichtigt bleiben229 . Nach dieser Auffassung hat der Bauherr in der vorliegenden Fallgruppe einen Substanzschaden erlitten. Diesen sogenannten "objektiven Mindestschaden,,23o kann der Zweitunternehmer vom Erstunternehmer ersetzt verlangen, nachdem ihm der Bauherr seine Ansprüche abgetreten hat. Er kann aber keine weiteren Folgeschäden geltend machen, die ihm, dem Zweitunternehmer, entstanden sind. 231 Diese Folgeschäden hat nicht der Bauherr, sondern (allein) der Zweitunternehmer erlitten. 2. Drittschadensliquidation
Nach der Gegenauffassung hat der Gläubiger - unter Zugrundelegung der Differenzhypothese - keinen Schaden erlitten. Dem Bauherm stünde demnach kein Anspruch gegen den Erstunternehmer zu, den er an den Zweitunternehmer abtreten könnte. Auch nach dieser Auffassung soll die Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. 1 S. 1 aber nicht dem Schädiger zugute kommen. Der Gläubiger soll unter den Voraussetzungen der Drittschadensliquidation den Schaden seines Vertragspartners, also den Drittschaden, liquidieren können. 232 gleich zwischen Gläubiger und Schuldner. Sie kann daher nicht in Konkurrenz zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter treten. Urban sucht eine Lösung für ein Problem, daß sich nach der von ihm vertretenen Ansicht überhaupt nicht stellen dürfte. 229 Büdenbender, Vorteilsausgleichung, JZ 1995, 920 (922 ff.); ders., Obligatorische Gefahrentlastung, S. 7 ff., stützt diese normative Betrachtung nicht allein auf die Vorschriften der §§ 843 Abs. 4 und 642 Abs. 2, sondern weitergehend auf die Regelungen der §§ 254 Abs. 2 und 267, die Fälle des gesetzlich angeordneten Forderungsüberganges, den Grundsatz der Gleichbehandlung von Chancen und Risiken und maßgeblich auf den Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse. Grunsky, Buchbesprechung Büdenbender, AcP 1996, 435 (436 ff.), stimmt dieser Anbindung der Vorteilsausgleichung an die gesetzlichen Vorgaben zu, mit Ausnahme des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse. Dazu im folgenden unter § 26 I und 11. 230 Hagen, Drittschadensliquidation, S. 185, 286. 231 Zu dem Problem der Folgeschäden nachfolgend im einzelnen unter § 26 11. 232 BGHZ 40, 91 (100 f.), zu den Fallgruppen der Drittschadensliquidation; BGHZ 51, 91 (93-95), zu den Voraussetzungen der Drittschadensliquidation; BGH VersR 1972, 1138 (1140); BGH VersR 1979, 906 (907); offen gelassen von BGHZ 49, 356 (360 f.); ebenso offen gelassen BGH NJW 1970, 38 (41), zu der hier vorliegenden Fallgruppe der Drittschadensliquidation bei § 644 Abs. 1 S. I, dazu sogleich unter 3; HansOLG Hamburg, MDR 1974, 668 (669), bejaht die Drittschadensliquidation bei § 644 Abs. 1 S. I, ohne sich allerdings mit der Lehre vom normativen Schaden auseinanderzusetzen; LG Limburg, ZfS 1983, 257 (257), bejaht 13 Stamm
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Voraussetzung für die Drittschadensliquidation ist, daß dem Gläubiger zwar ein Anspruch zusteht, ihm aber kein Schaden entstanden ist?33 Das ist in den Fällen des § 644 Abs. 1 S. 1 unter Zugrundelegung der Differenzhypothese der Fall. Des weiteren muß dem Dritten ein Schaden entstanden sein, ohne daß ihm eine eigener Anspruch gegen den Schädiger zusteht. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt, da dem Zweitunternehmer infolge der Kosten für die Nachbesserung ein Schaden entstanden ist, ohne daß ihm deswegen ein Anspruch gegen den Erstunternehmer zusteht. Zuletzt muß es sich aus der Sicht des Schädigers um eine zufällige Schadensverlagerung handeln. Der Schaden müßte typischerweise bei seinem Vertragspartner entstanden, aufgrund besonderer Umstände aber auf den Dritten verlagert sein. 234 Auch diese Voraussetzung wird bejaht, da die Schadensverlagerung allein auf die Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 S. 1 zurückzuführen ist, die lediglich im Innenverhältnis zwischen Bauherrn und Zweitunternehmer gilt. Aus der Sicht des Erstunternehmers handelt es sich um eine zufällige Schadensverlagerung vom Bauherrn auf den Zweitunternehmer. Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der Bauherr den Drittschaden des Zweitunternehmers liquidieren kann. Tritt er seine Ansprüche an den Zweitunternehmer ab, wozu er analog § 281 verpflichtet sein soll, so kann der Zweitunternehmer selbst aus abgetretenem Recht des Bauherrn gegen den Erstunternehmer vorgehen. Im Gegensatz zur Lehre vom normativen Schaden könnte er nicht nur den Substanzschaden, sondern auch weitere Folgeschäden ersetzt verlangen.
unter Berufung auf BOH NJW 1970, 38 (41), ebenfalls die Drittschadensliquidation bei § 644 Abs. 1 S. 1; ebenso das LO München 11, BauR 1990, 508 (509); Berg. Verträge mit Drittschutzwirkung. JuS 1977, 363 (366); Heinrichs, in: Palandt, Vor. § 249. Rdnr. 117; Hager. in: Staudinger. § 823. Rdnr. B 167; Kuckuck. in: Ennan. Vor. § 249, Rdnr. 145; Lange. § 8 III 6 i.V.m. § 6 I; LocherlLöffelmann. JuS 1982. 970 (972); Richter, NJW 1985. 1450 (1451 f.); Schiemann. in: Staudinger, Vor. §§ 249 ff.. Rdnrn. 74 f.; Steding. JuS 1983.29 (31); Weimar. JR 1960,374 (375). 233 Zu den Voraussetzungen der Drittschadensliquidation siehe BOHZ 51. 91 (93-95); Fikentscher, Rdnr. 463; Kuckuck. in: Ennan. Vor. § 249. Rdnr. 137. 234 Das Merkmal der zufälligen SchadensverJagerung. das die verschiedenen Fallgruppen der Drittschadensliquidation verbindet. geht auf eine Untersuchung von Tägert, S. 35-37. zurück. Oenaugenommen besagt das von Tägert entwickelte Merkmal, daß dem Eintritt des Drittschadens ein Nichtentstehen des Schadens beim Gläubiger entsprechen muß. Ausführliche Hinweise zur Entwicklung der Drittschadensliquidation seit 1853 finden sich bei Reichard. S. 1 ff. Er kommt zu dem Ergebnis. daß die Drittschadensliquidation kein Vorbild im römischen Recht findet, und befürwortet daher eine Korrektur des Schadensbegriffs im Sinne der Lehre vom nonnativen Schaden.
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3. Die Entscheidung des BGH vom 30. September 1969 Az.: VI ZR 254/67 235 : Spagat zwischen der DrittschadensJiquidation und der Lehre vom normativen Schaden Während der BGH in seiner Entscheidung vom 9. April 1984 dem Zweitunternehmer einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch wegen einer Besitzverletzung zusprechen konnte, stand er in einer früheren Entscheidung vom 30. September 1969 vor dem Problem, daß der Zweitunternehmer keinerlei Besitzposition an seinem Werk mehr innehatte, als es vom Erstunternehmer beschädigt wurde. 236 Bemühungen der Vorinstanz, die etwaige Berechtigung des Unternehmers, auf sein Werk einzuwirken, als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 zu werten, verweigerte der BGH die Gefolgschaft. Da der BGH auch die Voraussetzungen für eine drittschützende Wirkung des Werkvertrages zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer zugunsten des Zweitunternehmers verneinte,237 sah er sich gehindert, dem Zweitunternehmer einen Schadensersatzanspruch gegen den Erstunternehmer zuzusprechen. Dieses Ergebnis sei aber nicht unbillig, da der Zweitunternehmer vom Bauherrn die Abtretung der dem Bauherrn gegen den Erstunternehmer zustehenden Schadensersatzansprüche verlangen könne, wobei dahinstehen könne, aus welchem rechtlichen Gesichtspunkt dieses Recht herzuleiten sei. 238 Ebenso könne der Streit zwischen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation offenbleiben, da er ohne Einfluß auf die Entscheidung sei. Der Umstand, daß der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1969 den von der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation vorgezeichneten Lösungsweg einschlug, führte zu der praktischen Konsequenz, daß er das Klageverfahren an die Vorinstanz zurückverweisen mußte. Denn diese hatte der Frage einer möglichen Abtretung zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer keine hinreichende Beachtung geschenkt. Unklar ist, wie sich diese Entscheidung zu der bereits erörterten Entscheidung des BGH vom 9. April 1984 verhält. Nach Ansicht des BGH sollen bei der Anwendung der Drittschadensliquidation deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche des Dritten gegen den Schädiger außer Betracht BGH NJW 1970,38-41. BGH NJW 1970, 38 (40). 237 BGH NJW 1970, 38 (40). Der BGH argumentierte in dieser Entscheidung noch mit der sogenannten "Wohl-und-Wehe-Formel". Auch nach der neueren Rechtsprechung läßt sich aber ein Interesse des Bauherrn an der Einbeziehung des Zweitunternehmers in die Schutzwirkungen des Werkvertrages mit dem Erstunternehmer nicht begründen, s. o. einleitend unter I. 238 BGH NJW 1970,38 (41). 235
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
bleiben, es bestehe ggf. Gesamtgläubigerschaft. 239 Demnach hätte der deliktsrechtliche Schadensersatzanspruch des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer, den der BGH in der oben erörterten Entscheidung aus dem Jahre 1984 angenommen hat, der weiteren Erörterung der Drittschadensliquidation nicht im Wege gestanden. Der BGH hat diesbezüglich jedoch keine weiteren Ausführungen gemacht. Heinrichs nimmt daher an, diese Entscheidung des BGH stehe im Widerspruch zu der Ansicht des BGH, wonach deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche bei der Drittschadensliquidation außer Ansatz blieben?40 Es ist aber wohl eher anzunehmen, daß der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1984 auf weitergehende Ausführungen zur Drittschadensliquidation deshalb verzichtet hat, weil sie für den zu entscheidenden Fall nicht mehr erheblich waren. Jedenfalls kann der Entscheidung nicht entnommen werden, daß sich der BGH zwischenzeitlich von der Drittschadensliquidation und der Lehre vom normativen Schaden distanziert hätte. Diese Lösungswege weisen aus Sicht des BGH lediglich den praktischen Nachteil auf, daß sie eine Abtretung voraussetzen. 111. Ergebnis zu den Lösungswegen in Rechtsprechung und Literatur
Von den Lösungswegen, die bisher in Rechtsprechung und Literatur für die vorliegenden Fälle entwickelt worden sind, haben sich lediglich zwei als allgemeingültig erwiesen. Es handelt sich dabei um die Lehre vom normativen Schaden und um die Drittschadensliquidation. Nach beiden Auffassungen kann der Zweitunternehmer vom Erstunternehmer aus abgetretenem Recht des Bauherrn Schadensersatz verlangen. Unterschiede bestehen lediglich bezüglich des Schadensumfangs, den der Erstunternehmer zu ersetzen hat. Während die Lehre vom normativen Schaden den Schadensersatz auf den Substanzschaden beschränkt, kann der Zweitunternehmer im Wege der Drittschadensliquidation auch weitere Folgeschäden vom Erstunternehmer ersetzt verlangen.
239 BGH NJW 1985, 2411 (2411 f.). Auf diese Entscheidung des BGH, die einen sogenannten Obhutsfall betrifft, wird im einzelnen im dritten Teil der Arbeit einzugehen sein, s. u. § 39. Dort wird der Frage nachgegangen, ob deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche des Dritten bei der Drittschadensliquidation außer Betracht bleiben dürfen. 240 Heinrichs, in: Palandt, Vor. § 249, Rdnm. 114, 117. Zu der Ansicht des BGH s. die vorangehende Fußnote.
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§ 26 Die Lehre vom normativen Schaden im Detail Der Meinungsstreit zwischen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation ist in der Literatur hinreichend erörtert worden. Da in der Rechtsprechung zudem kein Fall bekannt ist, in dem diese Diskussion praktische Bedeutung gewonnen hat,241 soll der Meinungsstreit hier nicht neu aufgegriffen werden. Es soll an dieser Stelle vielmehr gezeigt werden, daß beide Lösungen, sowohl die Lehre vom normativen Schaden als auch die Drittschadensliquidation, gemeinsame Schwächen aufweisen, die bisher unberücksichtigt geblieben sind. Dabei ist insbesondere an solche Schwächen zu denken, die nicht nur in dogmatischer Hinsicht, sondern auch unter praktischen Gesichtspunkten Gewicht haben. Anhand dieser Schwächen soll nachgewiesen werden, daß es notwendig ist, nach einer neuen Lösung zu suchen. Die nachfolgende Kritik erweist sich also zunächst als rein destruktiv. Sie gibt jedoch zugleich Aufschluß über den neuen Lösungsvorschlag, der im Anschluß daran zu entwickeln sein wird. I. Methodischer Lösungsansatz Die Kritik an der oben erörterten Entscheidung des BGH hat ergeben, daß der methodische Lösungsansatz für die vorliegenden Fälle bei der Vorschrift des § 644 Abs. 1 S. 1 zu suchen ist. 242 Aufgrund dieser Gefahrtragungsregelung erleidet der Zweitunternehmer einen Schaden, ohne dafür vom Erstunternehmer als Schadensverursacher Ersatz verlangen zu können. Die Lehre vom normativen Schaden knüpft bei der Fallösung jedoch nicht an die Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1, sondern an das allgemeine Schadensrecht an. Sie gelangt im Wege der Vorteilsausgleichung zu einem Interessenausgleich, indem sie den Anspruch des Bauherrn, der ihm gegen den Zweitunternehmer gemäß den §§ 633 Abs. 2 S. 1, 644 Abs. 1 S. 1 zusteht, bei der Berechnung des Schadens, den der Bauherr erlitten hat, ausklammert. Die Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 wird also nur mittelbar im Rahmen der Vorteilsausgleichung berücksichtigt. Für die Lösung der Lehre vom normativen Schaden spricht zunächst, daß die Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 S. 1 lediglich im Innenverhältnis zwischen Bauherrn und Zweitunternehmer gilt. Es liegt daher nahe, die Regelung im Außenverhältnis zwischen Bauherrn und Erstunternehmer auszublenden?43 Eine solche Vorgehensweise scheint zugleich dem eingangs 241 Aus diesem Grunde hat der BGH in der Vielzahl seiner Entscheidungen den Meinungsstreit zwischen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation offen gelassen. Dies gilt insbesondere für die bereits erörterte Entscheidung BGH NJW 1970,38 (41). s. o. § 25 II 3. 242 S. o. § 25 I 1 c.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
geäußerten Umstand Rechnung zu tragen, daß die eigentliche Problemursache für die vorliegenden Fälle in der Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 zu suchen ist. Gäbe es diese Regelung nicht, so träten keine Probleme auf. Den Zweitunternehmer träfe gegenüber dem Bauherrn keine Nachbesserungspflicht, so daß der Bauherr bereits unter Zugrundelegung der Differenzhypothese einen Schaden erlitten hätte. Für diesen Schaden könnte er vom Erstunternehmer sowohl aus Vertrag als auch aus Delikt Ersatz verlangen. Auch diese Überlegung spricht für die Lösung der Lehre vom normativen Schaden, die Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 bei der Schadensberechnung im Außenverhältnis zwischen Bauherrn und Erstunternehmer unberücksichtigt zu lassen. Zugleich scheint auch der Vorwurf ausgeräumt zu sein, die Lehre vom normativen Schaden knüpfe bei der Fallösung nicht unmittelbar an die Regelung des § 644 Abs. 1 S. I an. Indem diese Regelung im Außenverhältnis ausgeklammert wird, scheint die eigentliche Ursache für sämtliche Probleme des Falles beseitigt zu sein. Die soeben angestellten Überlegungen beruhen jedoch auf der unzutreffenden Annahme, die Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 entfalte keinerlei Außenwirkung und könne daher im Außenverhältnis zwischen Bauherrn und Erstunternehmer schlicht ausgeblendet werden, um zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen. Bei dieser Annahme bleibt unberücksichtigt, daß die Vorschrift des § 644 Abs. 1 S. 1 zwar keine unmittelbare, wohl aber eine mittelbare Außen wirkung entfaltet. So treten typische Folgeschäden, wie beispielsweise die Kosten für ein Sachverständigengutachten, aufgrund der Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 nicht mehr in der Person des Bauherrn, sondern in der Person des Zweitunternehmers ein. 244 Die "Schadensverlagerung" vom Bauherrn auf den Zweitunternehmer hat zwangsweise auch Einfluß auf das Außenverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer, da der Schaden, den der Bauherr erleidet, nunmehr geringer ausfällt. Diese mittelbare Außenwirkung des § 644 Abs. 1 S. 1 findet bei der Lehre vom normativen Schaden keine Beachtung. Es genügt folglich nicht, die Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 allein im Wege der Vorteilsausgleichung auszuklammern. Eine solche Vorgehensweise ist nicht geeignet, einen allgemein gültigen Lösungsansatz zu begründen, da sie nicht unmittelbar an der Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 anknüpft. Die Lehre vom normativen Schaden setzt sich dem Vorwurf aus, daß sie zur Lösung der 243 So argumentiert Peters, AcP 1980, 329 (333). Im Ergebnis ebenso Büdenbender, Vorteilsausgleichung, JZ 1995, 920 (924 ff.); ders., Obligatorische Gefahrentlastung, S. 42 ff., 83 ff., der in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung die Versagung des Vorteilsausgleichs auf den Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse zurückführt. 244 Zu diesem Problem und den praktischen Konsequenzen, die sich aus dem methodischen Lösungsansatz der Lehre vom normativen Schaden ergeben, sogleich unter II im einzelnen.
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vorliegenden Fälle einen ungünstigen Ansatzpunkt wählt, indem sie an das allgemeine Schadensrecht anknüpft. 11. Problematik der Folgeschäden Im Zusammenhang mit der soeben geäußerten Kritik an dem methodischen Lösungsansatz der Lehre vom normativen Schaden ist bereits auf die Problematik der Folgeschäden hingewiesen worden. Dabei sei der Untersuchung zum besseren Verständnis die folgende Abwandlung des Ausgangsfalles zugrunde gelegt: 245 Der Zweitunternehmer hat am Gebäude des Bauherrn Fenster installiert, an denen noch vor ihrer Abnahme Feuchtigkeitsschäden auftreten. Es läßt sich nicht ermitteln, ob diese Feuchtigkeitsschäden auf eine unsachgemäße Installation durch den Zweitunternehmer oder aber auf unsachgemäße Malerarbeiten des Erstunternehmers zurückzuführen sind. Erst ein Sachverständigengutachten wird die Schadensursache klären können.
Die Kosten für das Sachverständigengutachten stellen einen typischen Folgeschaden dar. Fraglich ist, wen dieser Folgeschaden trifft. Der Bauherr wird ein Sachverständigengutachten regelmäßig nicht einholen, da ihn wegen der Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 keinerlei Haftung trifft. Es kann ihm gleichgültig sein, welcher Bauunternehmer den Schaden verursacht hat. In jedem Fall kann er vom Zweitunternehmer gemäß den §§ 633, 644 Abs. 1 S. 1 die Beseitigung des Mangels verlangen. Will der Zweitunternehmer für die Kosten, die ihm durch die Nachbesserungsarbeiten entstehen, vom Erstunternehmer Ersatz verlangen, muß er selbst einen Sachverständigen beauftragen. Der Folgeschaden entsteht damit typischerweise nicht beim Bauherrn, sondern in der Person des Zweitunternehmers. Stellt der Sachverständige fest, daß der Erstunternehmer die Feuchtigkeitsschäden verursacht hat, so kann der Zweitunternehmer den Substanzschaden an den Fenstern aus abgetretenem Recht des Bauherrn vorn Erstunternehmer ersetzt verlangen. Diesbezüglich hat der Bauherr aufgrund des normativen Schadensbegriffs einen Schaden erlitten. Dagegen kann der Zweitunternehmer aber keinen Ersatz der Kosten für das Sachverständigengutachten verlangen, da diese Kosten dem Bauherrn nicht entstanden sind. Mit diesem Ergebnis tritt genau das ein, was die Lehre vom normativen Schaden eigentlich vermeiden will. Der Schädiger, der Erstunternehmer, zieht aus der Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 einen Vorteil. Ohne die Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 hätte der Bauherr nicht bloß einen normativen, 245 Es handelt sich dabei zugleich um einen Fall, bei dem der Meinungsstreit zwischen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation ausnahmsweise erheblich wird. Auf diesen praktischen Unterschied wird bei der Kritik an der Drittschadensliquidation einzugehen sein, s. u. § 27 11.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
sondern einen tatsächlichen Schaden erlitten, da den Zweitunternehmer keine Nachbesserungspflicht getroffen hätte. Hätte der Bauherr daraufhin einen Sachverständigen beauftragt, um den Schadensverursacher, den Erstunternehmer, zu ermitteln, so hätte dieser die Kosten für das Sachverständigengutachten unstreitig gemäß § 249 S. 2 ersetzen müssen. Während der Erstunternehmer also ohne die Regelung des § 644 zum Ersatz für Folgeschäden verpflichtet wäre, soll er mit der Regelung des § 644 von diesen Folgeschäden freigestellt sein. Im Ergebnis zieht der Erstunternehmer damit aus der Vorschrift des § 644 Abs. 1 S. 1 einen Vorteil. Er wird von typischen Folgeschäden freigestellt. Für diese Schäden muß der Zweitunternehmer aufkommen, obwohl der Erstunternehmer sie verursacht hat. Ein solches Ergebnis erscheint unbillig?46 Anhand der soeben angestellten Überlegungen kann auch die Kritik an dem methodischen Lösungsansatz der Lehre vom normativen Schaden noch einmal veranschaulicht werden. Es genügt nicht, die Regelung des § 644 bei der Schadensberechnung im Außenverhältnis zwischen dem Bauherm und dem Erstunternehmer auszuklammern, da eine solche Lösung die mittelbare Außenwirkung des § 644 unberücksichtigt läßt. Die typischen Folgeschäden treten weiterhin in der Person des Zweitunternehmers und nicht in der Person des Bauherm ein. Um auch diese mittelbare Wirkung des § 644 Abs. 1 S. 1 im Außen verhältnis zwischen Bauherm und Erstunternehmer beseitigen zu können, müßte bei der Berechnung des Schadens, den der Bauherr erlitten hat, eine hypothetische Betrachtung angestellt werden. Es müßte festgestellt werden, ob auch der Bauherr einen Sachverständigen 246 Die Problematik der Folgeschäden wird in der Literatur zumeist lediglich für die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht erörtert. Die Erörterung konzentriert sich dabei auf die Frage, ob der Dritte den entgangenen Gewinn ersetzt verlangen kann. Während Hagen, Drittschadensliquidation, S. 192, diese Frage bejaht, weist Lange, § 8 III 6, zutreffend darauf hin, daß ein solches Ergebnis sich mit der Lehre vom normativen Schaden nicht vereinbaren läßt und auch sonst dogmatisch kaum überzeugend begründet werden kann. Aus diesem Grunde müssen Grunsky, in: Münchener Kommentar, Vor. § 249, Rdnr. 120; Peters, AcP 1980, 329 (340); Ries, JA 1982, 453 (455 f.), und Urban, S. 56, als Befürworter der Lehre vom normativen Schaden einen Schadensersatz für entgangenen Gewinn auf die Person des Verkäufers beschränken. In dessen Person wird ein typischer Folgeschaden wie der entgangene Gewinn jedoch selten eintreten. Gleiches gilt im übrigen für die Person des Bestellers im Werkvertragsrecht. Die konsequenten Vertreter der Lehre vom normativen Schaden müssen daher eingestehen, daß ihre Lösung für den Dritten "im Einzelfall eine Unbilligkeit begründen könne", so Urban, S. 56. Um diese Unbilligkeit im Bereich der Fälle der mittelbaren Stellvertretung, bei denen der Schaden typischerweise im entgangenen Gewinn liegt, der sich aber nach dem Interesse des Kommittenten bemißt, zu vermeiden, schlägt Ries, JA 1982, 453 (456), vor, in diesem Bereich auf die Drittschadensliquidation zurückzugreifen, da sie hier gewohnheitsrechtlich anerkannt sei. Ries beschreitet damit einen Mittelweg zwischen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation.
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beauftragt hätte, wenn ihn - unter Ausblendung der Vorschrift des § 644 Abs. 1 S. 1 - der Schaden getroffen hätte. Eine solch hypothetische Schadensberechnung, bei der ein Folgeschaden in der Person des Gläubigers fingiert wird, ist dem BGB aber fremd. Sie würde zudem faktisch zu einem Drittschadensersatz führen, den die Lehre vom normativen Schaden gerade ablehnt.
111. Abtretungserfordernis analog § 281 Die Lehre vom normativen Schaden gewährt dem Zweitunternehmer gegen den Bauherrn analog § 281 einen Anspruch auf Abtretung der Schadensersatzansprüche, die dem Bauherrn gegen den Erstunternehmer zustehen. Es besteht insoweit Übereinstimmung mit der Drittschadensliquidation, so daß die Voraussetzungen für die analoge Anwendung des § 281 im Meinungsstreit zwischen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation bisher nicht näher untersucht worden sind. Die analoge Anwendung des § 281 gibt Antwort auf die Frage, nach welchem Mechanismus die Ansprüche des Bauherrn auf den Zweitunternehmer übergehen sollen. Die Lösung dieses Problems, das bislang als solches nicht erkannt, geschweige denn erörtert worden ist, ist nicht nur von dogmatischer, sondern auch von erheblicher praktischer Bedeutung. Die Vorschrift des § 281 sieht einen gewillkürten Forderungsübergang gemäß § 398 vor. Würde man sich hingegen beispielsweise für einen gesetzlichen Forderungsübergang entscheiden, so bräuchte die Rechtsprechung eine Klage des Zweitunternehmers gegen den Erstuntemehmer nicht deshalb zurückzuverweisen247 oder gar endgültig abzuweisen,248 weil es zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer noch nicht zur Abtretung gekommen ist. Dem Zweitunternehmer bliebe ggf. ein unnötiger Prozeß erspart, in dem er seinen Anspruch gegen den Bauherrn auf Abtretung der Schadensersatzansprüche gegen den Erstunternehmer erst klageweise durchsetzen müßte. Zudem wäre der Zweitunternehmer nicht dem Insolvenzrisiko des Bauherrn ausgesetzt. 249 Angesichts dieser praktischen Nachteile der Regelung des 247 So geschehen in den Entscheidungen BGH NJW 1970, 38 (41), und HansOLG Hamburg, MDR 1974,668 (669). 248 So geschehen in der Entscheidung LG München 11, BauR 1990,508 (509). 249 Um diesen Nachteil zu vermeiden, wollen die Anhänger der Lehre vom normativen Schaden ebenso wie die Befürworter der Drittschadensliquidation dem Dritten im Konkurs des Gläubigers ein Aussonderungsrecht zugestehen, Puhle, S. 143 f. m.w.N.; Reinhardt, S. 119 ff.; Traugott, S. 107; Urban, S. 156 f. Zur Begründung verweisen sie auf die Rechtsprechung des BGH zur Sicherungsübereignung. Übertrage man diese Rechtsprechung auf den Bereich der Drittschadensliquidation, so gehöre wirtschaftlich gesehen die Schadensersatzforderung zum Vermögen des Dritten, nicht des Gläubigers. Selbst wenn man dieser nicht unumstrittenen Ansicht
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§ 281 muß sorgfältig untersucht werden, ob die Antwort, die sich mit der analogen Anwendung des § 281 zwangsweise verbindet, berechtigt ist.
Methodischer Anknüpfungspunkt für eine solche Untersuchung ist die Prüfung der Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 281. Diese Prüfung ist bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vorgenommen worden, obwohl sie notwendigerweise zu den hier aufgeworfenen Problemfeldern führt, wie nachfolgend zu zeigen sein wird. Dabei sollen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 281 zunächst allein aus der Sicht der Lehre vom normativen Schaden untersucht werden. Diesbezüglich bestehen zwei Abweichungen vom Wortlaut des § 281, so daß es sich genaugenommen um eine doppelte Analogie handelt. Zum einen liegt bei dem vorliegenden Fall keine Unmöglichkeit vor und zum anderen ist das Rollenverhältnis zwischen Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem vertauscht. 1. Analoge Anwendung des § 281 in den Fällen der Sachmängelhaftung
Abweichend vom Wortlaut des § 281 liegt in der vorliegenden Fallkonstellation zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer keine Leistungsstörung in Form einer Unmöglichkeit, sondern eine solche in Form einer Sachmängelhaftung vor. Diese Besonderheit liegt darin begründet, daß die Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 S. 1 nicht nur die Fälle der Unmöglichkeit, sondern auch die der Sachmängelhaftung erfaßt. Diesbezüglich bestehen aber keine Bedenken gegen eine analoge Anwendung des § 281. Im Wege des Erst-recht-Schlusses kann von dem in § 281 gesetzlich geregelten Fall der Unmöglichkeit auf den nicht geregelten Fall der Sachmängelhaftung rückgeschlossen werden. Wenn der Rechtsgedanke des § 281 schon in den Fällen der Unmöglichkeit gilt, dann muß er erst recht in den Fällen der bloßen Sachmängelhaftung gelten (argurnenturn a maiore ad minus). 2. Analoge Anwendung des § 281 auf das umgekehrte Rollenverhältnis von Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem
Die Vorschrift des § 281 regelt den Fall, daß der Schuldner der zu erbringenden Leistung einen Ersatzanspruch gegen den Dritten erlangt hat. Dieser Ersatzanspruch tritt als sogenanntes stellvertretendes commodum an die Stelle der ursprünglichen Leistung, von deren Erbringung der Schuldner gemäß § 275 frei geworden ist. Die Regelung des § 281 berechtigt den Gläubiger, vom Schuldner als Ersatz für den primären Leistungsanspruch folgt, kann nicht vermieden werden, daß der Dritte ggf. den dornigen Weg einer klage weisen Geltendmachung seines Aussonderungsrechtes gehen muß.
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die Abtretung der Ersatzansprüche zu verlangen, die der Schuldner infolge der Unmöglichkeit gegen den Dritten erlangt hat. In den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht ist das Verhältnis zwischen dem zur Abtretung Berechtigten und dem Verpflichteten vertauscht. Obwohl der Zweitunternehmer Schuldner der zu erstellenden Werkleistung ist, soll er aus § 281 dem Bauherrn gegenüber zur Abtretung berechtigt sein. Umgekehrt soll der Bauherr, der Gläubiger der Werkleistung ist, aus § 281 zur Abtretung verpflichtet sein. Dieser Rollentausch verwundert um so mehr, als der Schuldner, der Zweitunternehmer, gerade nicht von seiner primären Leistungsverpflichtung frei geworden ist, sondern gemäß der Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. I S. 1 zur Nachbesserung seiner Werkleistung verpflichtet bleibt. Ob Sinn und Zweck des § 281 auch in diesem umgekehrten Fall, in dem der Schuldner vom Gläubiger die Abtretung von Ersatzansprüchen verlangt, die dem Gläubiger gegen einen Dritten zustehen, eingreifen, ist fragwürdig. Voraussetzung für eine solche analoge Anwendung des § 281 ist zunächst das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzes. a) Planwidrige Regelungslücke des Gesetzes: Die Zessionsregelung des § 281 im Blickfeld der Gesamtschuld und des Zessionsregresses gemäß § 255
Eine plan widrige Regelungslücke des Gesetzes besteht nur dann, wenn der Gesetzgeber es übersehen hat, den vorliegenden Fall gesetzlich zu regeln. Es darf keine anderweitige gesetzliche Regelung bestehen, die im vorliegenden Fall den Forderungsübergang vom Bauherrn auf den Zweitunternehmer regelt. In Betracht kommt hier eine direkte Anwendung des § 426 Abs. 2 S. I, der den Forderungsübergang zwischen Gesamtschuldnern regelt. Die Anwendung des § 426 Abs. 2 S. 1 setzt voraus, daß Erstund Zweitunternehmer Gesamtschuldner sind. Mangels einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung oder einer gesetzlichen Anordnung liegt eine Gesamtschuld nur dann vor, wenn die Voraussetzungen des § 421 S. 1 erfüllt sind. Dabei kann auf die Gesamtschuldkonzeption zurückgegriffen werden, die im ersten Teil der Arbeit entwickelt worden ist. Auf der Grundlage der Lehre vom normativen Schaden hat der Bauherr gegen den Zweitunternehmer einen Nachbesserungsanspruch und gegen den Erstunternehmer einen inhaltsgleichen Schadensersatzanspruch. Es ist auf die Identität des Gläubigerinteresses an der geschuldeten Leistung abzustellen. 25o Diese Identität kann im Ausgangsfall bejaht werden, da sowohl der 250 Grundlegend dazu 8GHZ (GS) 43, 227 (232-235), ausführlich dazu bereits oben unter § 7 III 1 a.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Nachbesserungsanspruch des Bauherrn gegen den Erstunternehmer als auch der Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Zweitunternehmer auf demselben Sachmangel beruhen. 251 Die Voraussetzungen des § 421 S. 1 sind also dem Wortlaut nach erfüllt. Nach dem bisher in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Verständnis der Gesamtschuld muß als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 421 S. 1 auch eine gleichstufige Haftung der Schuldner bestehen, um eine gesamtschuldnerische Haftung begründen zu können. Das Merkmal der Gleichstufigkeit ist zu verneinen, da die Leistungsstörung im vorliegenden Fall allein vom Erstunternehmer verursacht worden ist. 252 Es besteht aber kein begründeter Anlaß, den Anwendungsbereich des § 421 S. 1 entgegen seinem Wortlaut einzuschränken. Im ersten Teil der Arbeit ist im einzelnen gezeigt worden, daß die Vorschriften über die Gesamtschuld nicht nur für die Fälle der gleichstufigen Haftung, sondern auch für die Fälle der gestuften Haftung eine sachgerechte Ausgleichsregelung in Form des § 426 vorsehen. 253 Gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 geht die Forderung des Bauherrn gegen den Erstunternehmer kraft Gesetzes auf den Zweitunternehmer über, soweit dieser den Bauherrn befriedigt und dem Erstunternehmer gegenüber zum 251 BGHZ 51, 275 (278), führt zu einem vergleichbaren Fall der gesamtschuldnerischen Haftung zwischen Architekt und Bauunternehmer aus: "Die Ausgleichspflicht im Verhältnis zwischen dem Architekten und dem Bauunternehmer kann nicht davon abhängig sein, welche Rechte aus den §§ 633 bis 635 BGB oder den entsprechenden Bestimmungen der VOB der Bauherr gegen den Bauunternehmer geltend gemacht hat. Wenn also beide wegen eines Mangels am Bauwerk gegenüber dem Bauherrn haften und die Leistung des einen dem anderen wenigstens teilweise zugute kommen kann, dann sind sie insoweit Gesamtschuldner." Ebenso Heinrichs, in: Palandt, § 421, Rdnr. 4; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 926; Noack, in: Staudinger, § 421, Rdnr. 32; Seih, in: Münchener Kommentar, § 421, Rdnr. 6; Westennann, in: Erman, § 421, Rdnr. 7. 252 Dieses Problem hat Brügmann, BauR 1976, 383 (384), übersehen, indem er bei seiner Gesamtschuldlösung eine Parallele zu der Entscheidung BGHZ 43, 227235, gezogen hat. Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem sowohl der Architekt als auch der Bauunternehmer die Leistungsstörung verursacht hatten. Der BGH konnte also in diesem Fall eine Gleichstufigkeit bzw. Zweckgemeinschaft zwischen dem Architekten und dem Bauunternehmer problemlos bejahen. 253 Wenn man die gegenteilige Ansicht vertreten will, so ist vor einer analogen Anwendung des § 281 eine analoge Anwendung des § 255 zu erwägen. Eine solche Analogie liegt näher, da § 255 im Unterschied zu § 281 das umgekehrte Rollenverhältnis vom Schuldner als Abtretungsberechtigtem und dem Gläubiger als Abtretungsverpflichtetem hier zutreffend erfassen würde. Weyer, BlGBW 1970, 206 (210), schlägt daher im Ergebnis zutreffend eine analoge Anwendung des § 255 vor. Allerdings ist eine solche Lösung erneut mit den Nachteilen einer Abtretungsregelung verbunden.
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Ausgleich berechtigt ist. Ein solcher Ausgleichsanspruch besteht gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 nur nach Kopfteilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine abweichende Bestimmung ergibt sich hier aus dem Rechtsgedanken des § 254. Analog § 254 haftet der Erstunternehmer im Innenverhältnis zum Zweitunternehmer in voller Höhe, da er die Schäden allein verursacht hat. Erbringt der Zweitunternehmer also die von ihm geschuldeten Nachbesserungsarbeiten, so gehen die Ansprüche des Bauherrn gegen den Erstunternehmer gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 in vollem Umfang auf ihn über. Dieser Forderungsübergang erfolgt kraft Gesetzes, ohne daß es noch einer Abtretung bedarf. 254 Die Regelung des § 426 Abs. 2 S. 1 gibt im vorliegenden Fall eine sachgerechte Antwort auf die Frage nach dem Übertragungsmechanismus. Die Lehre vom normativen Schaden hätte also die Möglichkeit, der eingangs geäußerten Kritik an dem Abtretungserfordernis des § 281 durch die Anwendung des § 426 Abs. 2 S. 1 aus dem Wege zu gehen. Auf diesen Zusammenhang zwischen der Lehre vom normativen Schaden und der Gesamtschuld hat bislang allein Ehmann hingewiesen, der als Befürworter der Lehre vom normativen Schaden anregt, die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung über den von ihm entwickelten Typus der Schutzzweckgesamtschuld zu lösen. 255 Folgt man dieser Ansicht, so tritt an die Stelle des Zessionsregresses analog § 281 der Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426. Der Meinungsstreit zwischen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation gewinnt an praktischer Bedeutung. Er spitzt sich auf die Abgrenzung unterschiedlicher Regreßinstitute ZU. 256 An dieser Stelle wird deutlich, daß es sich bei dem vorliegenden Fall der obligatorischen Gefahrentlastung - legt man das Lösungsmodell der Lehre vom normativen Schaden zugrunde - um einen typischen Regreßfall handelt. Der Zweitunternehmer nimmt für seine Haftung gegenüber dem Bau254 Entscheidet sich der Bauherr hingegen dafür, vom Erstunternehmer Schadensersatz zu verlangen, so würde mit dieser Leistung des Erstunternehmers gemäß § 422 zugleich der Nachbesserungsanspruch gegen den Zweitunternehmer getilgt. 255 Ehmann, S. 236, und Ehmann/Breitjeld, Jura 1992, 539 (542). Zu der Kritik an der von Ehmann vorgenommenen Typenbildung s. o. § 4 I. Während Ehmann bei der Figur der Schutzzweckgesamtschuld vorwiegend an die Fälle des Versendungskaufs denkt, sind die Vorschriften über die Gesamtschuld in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht bisher fast gänzlich übersehen worden. Einzig Brügmann, BauR 1976,383 (384), schlägt für die vorliegende Fallgruppe eine Gesamtschuldlösung vor, ohne aber auf die Lehre vom normativen Schaden oder die Drittschadensliquidation einzugehen. Er begründet die Anwendung des § 426 im Verhältnis zwischen mehreren Bauunternehmern mit dem Umstand, daß der BGH auch im Verhältnis zwischen dem Bauunternehmer und dem Architekten von einer gesamtschuldnerischen Haftung ausgehe, BGHZ 43, 227-235. 256 Zu den Möglichkeiten einer entsprechenden Rechtsfortbildung der Drittschadensliquidation später unter § 27 III 4.
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herrn den Erstunternehmer in Regreß. Die Zessionsregelung analog § 281 entpuppt sich damit als zusätzliche Regreßfigur neben der Gesamtschuld und dem Zessionsregreß gemäß § 255. Dabei unterliegt die Zessionsregelung analog § 281 denselben praktischen Schwächen wie der Zessionsregreß gemäß § 255. 257 Die Regreßfiguren erscheinen beliebig austauschbar. So käme in den vorliegenden Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung auch ein Zessionsregreß analog § 255 in Betracht, zumal § 255 im Unterschied zu § 281 das umgekehrte Rollenverhältnis von Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem zutreffend erfassen würde?58 In methodischer Hinsicht beruht die analoge Anwendung der §§ 255, 281 auf einer unnötigen Einschränkung der Vorschriften über die Gesamtschuld. Hinsichtlich der analogen Anwendung des § 281 durch die Lehre vom normativen Schaden sprechen damit schon erhebliche Bedenken gegen die Annahme, es liege eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes vor. Wendet man die Vorschrift des § 421 S. 1 getreu ihrem Wortlaut an, so besteht mit der sich daran anschließenden Vorschrift des § 426 bereits eine gesetzliche Regelung, die den Forderungsübergang vom Bauherrn auf den Zweitunternehmer sach- und interessengerecht regelt. b) Schutzzweck des § 281
Geht man über die Bedenken gegen das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzes hinweg, so ist zu untersuchen, ob für eine analoge Anwendung des § 281 eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Die Interessenlage in der vorliegenden Fallgruppe muß mit der Interessenlage in den Fällen vergleichbar sein, die in § 281 geregelt sind. § 281 gibt eine Antwort auf die Frage nach dem Mechanismus des Forderungsüberganges. Das Abtretungserfordernis des § 281 verfolgt den Zweck, dem Schuldner seine Zug-um-Zug-Einrede zu sichern, die ihm gemäß § 320 gegenüber dem Gläubiger zusteht. 259 Wird dem Schuldner seine Leistung unmöglich, so steht ihm oftmals wegen des Untergangs der Leistung ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu. Dieser Ersatzanspruch tritt als sogenanntes 257 Die Nachteile sind bereits im ersten Teil der Arbeit im einzelnen dargelegt worden, s. o. § 3 11 2. 258 S. dazu schon die Anmerkung in Fn. 253. 259 Zusätzlich stellt das Abtretungserfordernis des § 281 sicher, daß der Gläubiger in den Fällen der §§ 323, 325 sein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Sekundärleistungsansprüchen ausüben kann. Durch einen gesetzlichen Forderungsübergang würde die Wahl des Gläubigers vorweggenommen. Ein vergleichbares Wahlrecht, das eine analoge Anwendung des § 281 rechtfertigen könnte, kommt für den Zweitunternehmer aber von vornherein nicht in Betracht. Er kann nur die Übertragung der Ersatzansprüche verlangen, die dem Bauherm gegen den Erstunternehmer zustehen.
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stellvertretendes commodum an die Stelle der geschuldeten Leistung. Verlangt der Gläubiger die Abtretung dieses Ersatzanspruchs, so soll er diesen nur erhalten, wenn er seinerseits im Gegenzug die von ihm geschuldete Gegenleistung erbringt. Die Geltendmachung dieser Zug-um-Zug-Einrede des Schuldners gemäß § 320 wird durch das Abtretungserfordernis des § 281 gewährleistet. Der Schuldner würde seine Einrede verlieren, wenn sein Ersatzanspruch gegen den Dritten im Wege des gesetzlichen Forderungsüberganges auf den Gläubiger übergehen würde, bevor dieser seine Gegenleistung erbracht hätte. 260 c) Vergleichbarer Schutv.weck zugunsten des Bauherm
als Abtretungsverpflichtetem
Im Vergleich mit den in § 281 geregelten Fällen ist das Rollenverhältnis zwischen Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem im vorliegenden Fall vertauscht. 261 Nicht der Zweitunternehmer als Schuldner, sondern der Bauherr als Gläubiger soll zur Abtretung der Ersatzansprüche, die er gegen den Dritten, den Erstunternehmer, erlangt hat, verpflichtet sein. Würden diese Ersatzansprüche durch einen gesetzlichen Forderungsübergang vorzeitig auf den Zweitunternehmer übergehen, so könnte der Bauherr als Gläubiger seine Zug-um-Zug-Einrede aus § 320 verlieren. Dies könnte nach dem Sinn und Zweck des Abtretungserfordernisses eine analoge Anwendung des § 281 auf das umgekehrte Verhältnis von Gläubiger und Schuldner rechtfertigen. Der Schutzzweck des § 281 würde dann nicht zugunsten des Schuldners, sondern zugunsten des Gläubigers eingreifen. Voraussetzung für eine solche vergleichbare Interessenlage zwischen dem in § 281 geregelten Fällen und dem vorliegenden Fall ist, daß der Ersatzan260 Gleichwohl ist gegenüber der Abtretungsregelung des § 281 kritisch anzumerken, daß auch der gesetzliche Forderungsübergang von der Erbringung der Gegenleistung abhängig gemacht werden kann. So tritt der Forderungsübergang bei der Gesamtschuld gemäß § 426 Abs. I S. I ebenfalls erst mit der Befriedigung des Gläubigers ein. Durch einen gesetzlichen Forderungsübergang im Rahmen des § 281 könnte aber nicht vermieden werden, daß das Wahlrecht, das dem Gläubiger in den Fällen der §§ 323 Abs. 2, 325 Abs. I S. 3 zusteht, vereitelt würde. Nach diesen Vorschriften kann der Gläubiger bei der Abwicklung eines gegenseitigen Vertrages zwischen verschiedenen Abwicklungsmodalitäten wählen, von denen die Möglichkeit des § 281 nur einen Lösungsweg darstellt. Soweit die Abtretungsregelung des § 281 daher auch den Erhalt dieses Wahlrechts bezweckt, kann ein vergleichbares Ergebnis durch einen gesetzlichen Forderungsübergang nicht erzielt werden. Für die nachfolgende Bewertung der Interessenlage in den Fällen des § 281 spielt das Wahlrecht des Gläubigers hingegen keine Rolle, da die Vorschrift des § 323 wegen der Sonderregelung des § 644 Abs. 1 S. 1 gerade nicht zum Zuge kommt. Der Zusammenhang mit den Vorschriften der §§ 323, 325 bleibt daher unberücksichtigt. 261 S. o. einleitend unter 2.
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spruch gegen den Dritten in der vorliegenden Fallgruppe an die Stelle einer Hauptleistungspflicht getreten ist. Der Ersatzanspruch gegen den Dritten müßte aufgrund des umgekehrten Rollenverhältnisses nicht an die Stelle der Leistungspflicht des Schuldners, des Zweitunternehmers, sondern an die Stelle der Gegenleistungspflicht des Gläubigers, des Bauherrn, getreten sein. Den Bauherrn trifft für die noch nicht abgenommene Werkleistung des Zweitunternehmer jedoch keine Gegenleistungspflicht, an deren Stelle der Ersatzanspruch getreten sein könnte. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bleibt aufgrund der Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. 1 S. 1 gänzlich unberührt. Unverändert bleiben Leistungs- und Gegenleistungspflicht bestehen. Das Vertrags verhältnis beginnt gleichsam nur von vom, als ob der Zweitunternehmer zwischenzeitlich seine Werkleistung noch nicht erbracht hätte. Die Schädigung betrifft damit im Ergebnis lediglich das Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer. Es handelt sich schlicht um eine deliktsrechtliche Schädigung zwischen Erst- und Zweitunternehmer. deren typische Folgen den Zweitunternehmer treffen. auch wenn er .. zufällig" nicht mehr Eigentümer seines Werkes ist. 262 Dieses deliktsrechtliche Schuldverhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer muß daher sorgfältig von dem werkvertraglichen Schuldverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer getrennt werden. Darin liegt der Schlüssel für die nachfolgende Lösung. Da demnach das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zwischen Bauherrn und Zweitunternehmer unberührt bleibt, greift der Schutzzweck des § 281 nicht zugunsten des Gläubigers, des Bauherrn, ein. Es besteht kein Bedürfnis, ihm durch ein Abtretungserfordernis eine Zug-um-Zug-Einrede gegenüber dem Zweitunternehmer zu sichern. Im Gegenteil werden durch die analoge Anwendung des § 281 das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer einerseits und das deliktsrechtliche Schuldverhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer andererseits unzulässig miteinander verknüpft. Obwohl die Schädigung durch den Erstunternehmer sich allein gegenüber dem Zweitunternehmer auswirkt, erhält der Bauherr durch das Abtretungserfordernis analog § 281 ein Druckmittel gegen den Zweitunternehmer. Für dieses Druckmittel besteht aber nicht einmal aus der Sicht des Bauherrn ein Bedürfnis, da der Zweitunternehmer gemäß den §§ 640, 641 ohnehin zur Vorleistung verpflichtet bleibt. Auch insoweit bestehen keine schützenswerten Interessen des Bauherrn, die eine analoge Anwendung des § 281 rechtfertigen könnten. 263 262 Dieses Ergebnis kann erst anhand der eigenen Lösung vollends verdeutlicht werden, s. u. § 28 I und 11. 263 Anzumerken bleibt, daß die soeben beschriebenen Schwächen der analogen Anwendung des § 281 auch durch die Anwendung des § 426 Abs. 2 nicht vermieden werden können. Zwar macht die Gesamtschuld eine Abtretung entbehrlich, der
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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d) Vergleichbarer Schutzzweck zugunsten des Zweituntemehmers als Abtretungsberechtigtem
Das Abtretungserfordernis des § 281 bezweckt den Schutz des Schuldners, indem ihm seine Zug-um-Zug-Einrede gemäß § 320 gesichert wird. 264 Demnach könnte der Schutzzweck des § 281 zumindest zugunsten des Zweitunternehmers eingreifen. Auch an dieser Stelle muß aber beachtet werden, daß das Rollenverhältnis zwischen Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem sich in der vorliegenden Fallgruppe genau umgekehrt verhält. Das Problem des Falles besteht nicht darin, dem Zweitunternehmer einen Ersatzanspruch einredeweise zu erhalten, sondern ihm einen Ersatzanspruch zu verschaffen. Folglich hat der Zweitunternehmer ein begründetes Interesse an einer möglichst unkomplizierten Regelung zur Übertragung der Ersatzansprüche. Diesen berechtigten Interessen läuft die analoge Anwendung des § 281 zuwider, indem sie die Übertragung der Ersatzansprüche durch ein Abtretungserfordernis unnötig erschwert. Mit einem gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 wäre den Interessen des Zweitunternehmers weitaus besser gedient. Die Lehre vom normativen Schaden verkehrt den Schutzzweck des § 281 damit zu Lasten des Abtretungsberechtigten in sein Gegenteil. Auch aus der Sicht des Zweitunternehmers besteht keine vergleichbare Interessenlage, die eine analoge Anwendung des § 281 rechtfertigen könnte. 3. Ergebnis zu den Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 281
Wendet man auf der Grundlage der Lehre vom normativen Schaden die Vorschrift des § 421 S. 1 getreu ihrem Wortlaut an, so mangelt es für eine analoge Anwendung des § 281 bereits an einer plan widrigen Regelungslücke des Gesetzes. Mit der Vorschrift des § 426 Abs. 2 S. 1 besteht dann eine gesetzliche Ausgleichsregelung, die einen gesetzlichen Forderungsübergang anordnet. Diese Regelung vermeidet die Nachteile eines Abtretungsmechanismusses. Des weiteren liegt auch keine vergleichbare Interessenlage vor, die Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 281 ist. Der Schutzzweck des § 281, dem Schuldner seine Zug-um-Zug-Einrede aus § 320 durch ein Abtretungserfordernis zu sichern, greift in der vorliegenden Fallgruppe Bauherr erhält aber auch nach dieser Lösung ein unberechtigtes Druckmittel gegenüber dem Zweitunternehmer, da der gesetzliche Forderungsübergang erst eintritt, sobald der Zweitunternehmer seiner Verpflichtung zur Nachbesserung der beschädigten Werkleistung nachgekommen ist. 264 S. O. b. 14 Stamm
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
weder zugunsten des Bauherrn noch zugunsten des Zweitunternehmers ein. Die Untersuchung hat vielmehr ergeben, daß das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer durch das Fehlverhalten des Erstunternehmers nicht berührt wird. Das Fehlverhalten wirkt sich allein auf das Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer aus. Es handelt sich schlicht um eine deliktsrechtliche Schädigung des Erstunternehmers, deren typische Folgen allein den Zweitunternehmer treffen, auch wenn er "zufälligerweise" nicht mehr Eigentümer seines Werkes ist. Aus diesem Grunde muß bei der vorliegenden Fallgruppe sorgfältig zwischen dem werkvertraglichen Schuldverhältnis Bauherr - Zweitunternehmer und dem deliktsrechtlichen Schuldverhältnis Erstunternehmer - Zweitunternehmer unterschieden werden. Diese bei den Schuldverhältnisse werden durch die analoge Anwendung des § 281 unzulässig miteinander verknüpft. Zugleich wird der Schutzzweck des § 281 zum Nachteil des Schuldners in sein Gegenteil verkehrt. Das Abtretungserfordernis, das den Schuldner eigentlich schützen soll, begründet für ihn unnötige Nachteile, denen nicht einmal vergleichbare Vorteile des Gläubigers, des Bauherrn, gegenüberstehen. Das Abtretungserfordernis analog § 281 wird damit zu einer unnötigen Förmelei. Diesem Vorwurf bräuchte sich die Lehre vom normativen Schaden nicht auszusetzen, wenn sie der hier entwickelten Gesamtschuldkonzeption folgen oder sich für eine analoge Anwendung der Vorschriften über den gesetzlichen Forderungsübergang entscheiden würde. Diesbezüglich käme eine Analogie zu den Vorschriften über die Gesamtschuld, §§ 421 S. 1, 426 Abs. 2, ebenso in Betracht wie eine analoge Anwendung der §§ 268 Abs. 3, 774 Abs. 1, 1143 Abs. 1, 1225, 1249. Allerdings kann auch durch eine solche Lösung nicht vermieden werden, daß der Bauherr gegenüber dem Zweitunternehmer ein unberechtigtes Druckmittel erhält, indem der gesetzliche Forderungsübergang erst dann eintritt, wenn der Zweitunternehmer seine Werkleistung nachgebessert hat und sie vom Bauherrn abgenommen worden ist. IV. Einschränkung der DitTerenzhypothese
Nach der Lehre vom normativen Schaden hat der Bauherr in der vorliegenden Fallgruppe einen Objektschaden erlitten, obwohl ihm gegen den Zweitunternehmer ein Nachbesserungsanspruch zusteht. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zur Differenzhypothese, derzufolge ein ersatzfähiger Vermögensschaden nur dann vorliegt, wenn der tatsächliche Wert des Vermögens geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde. 265 Die Lehre vom normativen Schaden geht demzufolge davon aus, daß die Differenzhypothese normativ 265
s. o. § 25 H.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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eingeschränkt werden müsse. 266 Vorliegend müsse bei der Schadensberechnung der Nachbesserungsanspruch des Gläubigers gegen den Dritten, den Zweitunternehmer, außer Betracht bleiben?67 Dieser Anspruch dürfe dem Schädiger, dem Erstunternehmer, nicht zugute kommen. Durch eine solche Einschränkung der Differenzhypothese wird genau das Gegenteil von dem erreicht, was die Anwendung der Lehre vom normativen Schaden bewirken soll. Für den Bereich der Folgeschäden zieht der Schädiger, der Erstunternehmer, aus der Regelung des § 644 Abs. I S. I einen Vortei1. 268 Er braucht für Folgeschäden keinen Schadensersatz mehr zu leisten. Die normative Einschränkung der Differenzhypothese ist daher kein geeigneter Ansatz, um die Probleme der vorliegenden Fallgruppe zu lösen. Zudem führt eine solche Lösung zu erheblichen Rechtsunsicherheiten bei der Schadensberechnung. Es bleibt unklar, nach welchen Wertungskriterien die Differenzhypothese im Einzelfall eingeschränkt werden soll. Gegen die Annahme, der Bauherr habe in der vorliegenden Fallgruppe einen Objektschaden erlitten, ist des weiteren einzuwenden, daß das Fehlverhalten des Erstunternehmers im Ergebnis keinen Einfluß auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer ausübt. 269 Das Vertragsverhältnis beginnt gleichsam nur von vorn, so als ob der Zweitunternehmer noch keinerlei Werkleistung erbracht hätte. Folglich hat der Bauherr keinen Schaden erlitten. Er braucht insbesondere keinen erhöhten Werklohn für die zusätzlichen Arbeiten zu entrichten, die für den Zweitunternehmer anfallen. Des weiteren ist er in der Zwischenzeit, bis zur Nachbesserung der Werkleistung, auch nicht mit dem Insolvenzrisiko des Zweitunternehmers belastet, da dieser zur Vorleistung verpflichtet bleibt. 27o 266 Diese Einschränkung der Differenzhypothese, die vorgenommen wird, um einen Schaden des Gläubigers begründen zu können, haben schon Medicus, in: Staudinger, 12. Aufl., § 249, Rdnr. 197 i. V.m. Rdnr. 136, und Steding, JuS 1983, 29 (30 f., Fn. 22), als Vertreter der Drittschadensliquidation kritisiert. Die Lehre vom normativen Schaden vernachlässige die notwendige Differenzierung zwischen der Rechtsgutverletzung einerseits und dem Schaden andererseits, indem sie beides gleichsetze. Dieses berechtigte Argument sagt jedoch nichts über die Anwendung der Differenzhypothese aus, sondern betrifft allein die notwendige Differenzierung zwischen den verschiedenen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs. 267 Hagen, Gefahrentlastung, JuS 1970, 442 (444 f.); Peters, AcP 1980, 329 (345). Soweit sich diese Ausführungen gegen die Anwendung der Differenzhypothese bei der Drittschadensliquidation richten, wird übersehen, daß dem Schädiger der Anspruch gegen den Dritten auch bei der Drittschadensliquidation nicht zugute kommt. Es besteht also diesbezüglich kein Anlaß, vom Grundsatz der Differenzhypothese eine Ausnahme zu machen. 268 S. o. H. 269 S. o. III 2 a. 270 Peters, AcP 1980, 329 (343), kritisiert in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht, daß durch die uneingeschränkte Anwendung der Diffe14'
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Der Schaden, der durch das Fehlverhalten des Erstunternehmers entstanden ist, trifft daher allein den Zweitunternehmer. Es handelt sich lediglich um eine deliktsrechtliche Schädigung im Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer, auch wenn der Zweitunternehmer "zufallig" nicht mehr Eigentümer des beschädigten Fensters ist. Die Anwendung der Differenzhypothese führt deshalb zu dem zutreffenden Ergebnis, daß der Bauherr in Fällen der vorliegenden Art keinen Schaden erlitten hat.
v. Ergebnis zu der Kritik an der Lehre vom normativen Schaden Die Lehre vom normativen Schaden verfolgt einen ungünstigen Lösungsansatz, indem sie die Lösung für die vorliegenden Fälle im allgemeinen Schadensrecht sucht, anstatt unmittelbar an die Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 anzuknüpfen. Dieser Lösungsansatz führt in der Folge zu unbilligen Ergebnissen bei der Schadensberechnung. Der Schädiger zieht aus der Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 einen unberechtigten Vorteil, indem er von Folgeschäden freigestellt wird. Die Einschränkung der Differenzhypothese durch normative Wertungen ist daher kein geeignetes Mittel, um die vorliegenden Probleme zu lösen. Des weiteren begründet die Lehre vom normativen Schaden durch die analoge Anwendung des § 281 ein unnötiges Abtretungserfordernis. Die praktischen Nachteile eines solchen Abtretungserfordernisses könnten durch die Anwendung des § 426 Abs. 2 S. 1 verhindert werden. Diese Regelung schließt nach dem hier entwickelten Gesamtschuldkonzept eine analoge Anwendung des § 281 aus, da es bereits an einer gesetzlichen Regelungslücke für eine solche Analogie mangelt. Es bestätigt sich damit die im ersten Teil der Arbeit entwickelte Kernthese, derzufolge die Gesamtschuld das maßgebliche Regreßinstitut des BGB darstellt. Um einen Regreßfall handelt es sich - legt man die Lehre vom normativen Schaden zugrunde -, da dem Zweitunternehmer gegenüber dem Bauherm eine vertragliche Nachbesserungspflicht obliegt, für deren Erfüllung er von dem verantwortlichen Erstunternehmer Ersatz verlangt. Im übrigen besteht für eine analoge Anwendung des § 281 auch keine vergleichbare Interessenlage zwischen den in § 281 geregelten Fällen und der vorliegenden Fallgruppe, da das renzhypothese unberücksichtigt bliebe, daß der Objektschaden des Eigentümers nicht durch seinen Anspruch gegen den Dritten ausgeglichen werde. Der Eigentümer sei mit dem Insolvenzrisiko des Dritten belastet und müsse daher ggf. seinen Schaden selbst tragen. Wegen der Vorieistungspflicht des Werkunternehmers ist diese Kritik auf die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht, zu denen sich Peters nicht äußert, nicht übertragbar. Inwieweit dagegen im Kaufrecht eine abweichende Lösung zum Schutz des Verkäufers geboten ist, wird im dritten Teil der Arbeit zu untersuchen sein, s. u. § 37.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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Verhältnis von Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem auf den Kopf gestellt wird.
§ 27 Die Lehre von der Drittschadensliquidation Weist die Lehre vom normativen Schaden verschiedene Schwachpunkte auf, so stellt sich die Frage, ob die Drittschadensliquidation geeignet ist, diese Kritik auszuräumen. Sie muß sich an den Kritikpunkten messen lassen, die anhand der Lehre vom normativen Schaden entwickelt worden sind. I. Methodischer Lösungsansatz Im Gegensatz zu der Lehre vom normativen Schaden knüpft die Drittschadensliquidation bei der Lösung für die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung unmittelbar an die Vorschrift des § 644 Abs. 1 S. 1 an. Da diese lediglich im Innenverhältnis zwischen dem Besteller und dem Werkunternehmer eine Gefahrtragungsregelung trifft, bleiben die Fälle unberücksichtigt, bei denen die Gefahr durch einen Dritten herbeigeführt wird. Für diese Fälle bieten die bestehenden Regelungen des BGB keine interessengerechte Lösung, so daß sich eine Rechtsfortbildung als notwendig erweist. Hierzu ist die Rechtsfigur der Drittschadensliquidation entwickelt worden. Die Fälle der obligatorischen Gefahrendastung zählen zu ihrem Anwendungsbereich. Sie stellen eine anerkannte Fallgruppe dar. Die von den Befürwortem der Drittschadensliquidation unterbreitete Lösung hat zunächst den Vorteil, daß sie unmittelbar an die Regelung des § 644 anknüpft, die die eigentliche Ursache für die Probleme der vorliegenden Fallgruppe darstellt. Bei der Feststellung, daß es sich um eine typische Fallkonstellation der Drittschadensliquidation handelt, bleibt diese Lösung jedoch stehen. Der zutreffende Lösungsansatz der Drittschadensliquidation wird nicht konsequent weiter verfolgt. Es wird versäumt, im einzelnen auf die Regelung des § 644 einzugehen und anhand dieser Vorschrift eine Lösung zu entwickeln, die auf die Besonderheiten des Werkvertragsrechts abgestimmt ist. Dieses Versäumnis führt dazu, daß nur eine oberflächliche Umschreibung verschiedenartiger Fallkonstellationen gelingt. 271 11. Sachgerechte Abwicklung von Folgeschäden Die Drittschadensliquidation stellt bei der Berechnung des Schadens, den der Bauherr vom Erstunternehmer ersetzt verlangen kann, nicht auf die 271
Ausführlich dazu im dritten Teil der Arbeit, s. u. §§ 37 ff.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Person des Bauherrn, sondern auf die des Zweitunternehmers ab. Den Drittschaden, den der Zweitunternehmer erleidet, kann der Bauherr vom Erstunternehmer ersetzt verlangen. Aus diesem Grunde haftet der Erstunternehmer auch für Folgeschäden, die typischerweise nicht den Bauherrn, sondern den Zweitunternehmer treffen. 272 Soweit diese Folgeschäden ausnahmsweise auch in der Person des Bauherrn eintreten können, wird eine Haftungserweiterung zu Lasten des Schuldners, des Erstunternehmers, durch das Kriterium der "zufälligen Schadensverlagerung" vermieden. Die Drittschadensliquidation erweist sich damit als geeignetes Rechtsinstitut, um die Probleme der Folgeschäden angemessen zu lösen. Diesbezüglich setzt sie sich - im Gegensatz zu der Lehre vom normativen Schaden keiner Kritik aus. 273 111. Drittschadensersatz und Übertragungsmechanismus analog § 281
Die Drittschadensliquidation gewährt in Übereinstimmung mit der Lehre vom normativen Schaden dem geschädigten Dritten analog § 281 einen Anspruch gegen den Gläubiger auf Abtretung der Anspruche, die ihm, dem Gläubiger, gegen den Schuldner zustehen. Der Unterschied zu der Lehre vom normativen Schaden besteht darin, daß der Gläubiger nach Ansicht derer, die die Drittschadensliquidation befürworten, keinen Schaden erlitten hat. Er ist aber berechtigt, den Schaden des Dritten zu liquidieren. Damit wird im Ergebnis der Schaden, den der Dritte erlitten hat, der sogenannte Drittschaden, zum "Anspruch" des Gläubigers gezogen. Da der Gläubiger in der Regel kein eigenes Interesse an der Liquidation des Drittschadens hat, tritt er seine Drittschadensersatzanspruche - sei es freiwillig, sei es erzwungen - analog § 281 an den Dritten ab. Dieses eigenartige "Hin und Her" von Schaden einerseits und Drittschadensersatzanspruch andererseits wirkt befremdlich und regt zu einer Reform des Drittschadensersatzrechtes an. Dabei ist es hilfreich, den Übertragungsmechanismus des § 281 genauer unter die Lupe zu nehmen. Soweit § 281 erneut auf einen Fall der Sachmängelhaftung und auf das umgekehrte Rollenverhältnis von Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem angewandt wird, kann zunächst auf die Untersuchung im Rahmen der Lehre vom normativen Schaden verwiesen werden. 274 Im Vor-
s. o. § 26 11. Grunsky, in: Münchener Kommentar, Vor. § 249, Rdnr. 120; Hagen, Driuschadensliquidation, S. 192, und Peters, AcP 1980,329 (371), machen daher zu Unrecht geltend, daß für eine Rechtsfortbildung im Wege der Driuschadensliquidation kein Bedürfnis bestehe. 274 S. o. § 26 III. 272
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4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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feld der Abtretung analog § 281 besteht aber ein entscheidender Unterschied gegenüber der Lehre vom normativen Schaden. Es stellt sich ein bisher unbeachtet gebliebenes Problem, das sich nur vom Standpunkt der Drittschadensliquidation ergibt. Soll der Gläubiger zur Liquidation des Drittschadens kumulativ im Wege vertraglicher und deliktsrechtlicher oder nur begrenzt auf bestimmte Anspruchsgrundlagen berechtigt sein? Der Gläubiger kann nur in dem Umfang Ansprüche an den Dritten abtreten, in dem diese zum Drittschadensersatz berechtigen. Im übrigen bestehen mangels eines ersatzfähigen Schadens - keine Ansprüche. Dieses Problem stellt sich nicht für die Lehre vom normativen Schaden, da der Gläubiger nach dieser Ansicht selbst einen Schaden erlitten hat, den er gemäß den §§ 249 ff. sowohl im Wege vertraglicher als auch deliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Demgegenüber treffen die §§ 249 ff. keine allgemeine Regelung für den Drittschadensersatz, die aufgrund ihrer systematischen Stellung sowohl für vertragliche wie auch für deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen herangezogen werden könnte. Es findet sich im BGB keine allgemeine Vorschrift zum Drittschadensersatz. Lediglich die §§ 844-846 treffen eine deliktsrechtliche Sonderregelung für den Drittschadensersatz wegen der Tötung einer Person sowie wegen entgangener Dienste. Das soeben angesprochene Problem wird von der Drittschadensliquidation nicht erörtert. Es wird von der Prämisse ausgegangen, daß der Gläubiger den Drittschadensersatz uneingeschränkt geltend machen könne. Die allgemein übliche Formulierung, der Schaden, den der Dritten erlitten habe, werde zum Anspruch des Gläubigers gezogen, erfaßt sämtliche Anspruchsgrundlagen, die dem Gläubiger zur Verfügung stehen, seien es vertragliche oder gesetzliche. Diese Annahme mag zum einen darin begründet liegen, daß die Drittschadensliquidation stillschweigend als Rechtsfortbildung der §§ 249 ff. verstanden wird, so daß sich ihre Kommentierung zumeist an dieser Stelle wiederfindet. Zum anderen mag unterschwellig auch die analoge Anwendung des § 281 hierzu beitragen. Diese Vorschrift nimmt hinsichtlich des Umfangs der zu übertragenden Ansprüche naturgemäß keine Einschränkung vor. Der Schuldner ist verpflichtet, sämtliche Ersatzansprüche, die ihm gegen den Dritten zustehen, an den Gläubiger abzutreten. 275 Die Anhänger der Drittschadensliquidation mögen daher keine Veranlassung sehen, diesbezüglich eine Einschränkung vorzunehmen. Gleichwohl läßt der Umstand, daß der Gläubiger analog § 281 sowohl vertragliche als auch gesetzliche Drittschadensersatzansprüche an den Dritten abzutreten hat, noch keinen Schluß auf die vorrangige Frage zu, ob derartige Drittschadens275 Dies entspricht der allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Literatur (so etwa Heinrichs, in: Palandt, § 281, Rdnr. 2), obwohl die Vorschrift den Singular verwendet und nur von einem Anspruch spricht.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
ersatzansprüche überhaupt entstanden sind. 276 Ein solcher Rückschluß ist nicht zwingend, wie nunmehr zu zeigen sein wird. 1. Vorstellungen des Gesetzgebers zum Drittschadensersatz
Aus den Protokollen zum BGB ergibt sich, daß der Gesetzgeber auf eine allgemeine Regelung zum Drittschadensersatz verzichtet hat und die Lösung dieser Fälle bewußt der Rechtslehre überlassen hat. 277 Es gibt daher keine gesetzliche Regelung, die eine Aussage darüber macht, in welchen Fällen überhaupt ein Drittschadensersatz zu gewähren ist (Voraussetzungen) und wie dieser ausgestattet sein soll (Rechtsfolge). Spezialregelungen zum Drittschadensersatz finden sich lediglich in den Vorschriften der §§ 844846. Sie treffen aber keine Regelung für die vorliegenden Fälle, da sie einen Drittschadensersatz nur im Falle der Tötung, der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung vorsehen, nicht aber bei Verletzung des Eigentums. Bemerkenswerterweise sind diese Regelungen aber, was bereits in ihrer systematischen Stellung zum Ausdruck kommt, auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen beschränkt. Zudem gewähren sie dem Dritten einen originären Schadensersatzanspruch, so daß sich keine Überleitungsprobleme mehr stellen. 278 Da diese Regelungen hier jedoch nicht einschlägig sind, bleibt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers Raum für eine Rechtsfortbildung. 279 276 Ähnliche Kritik übt Esser, Schuldrecht, 2. Aufl., § 50 7 b aa: "Die ... Heranziehung des § 281 BGB zu Gunsten des Geschädigten ist freilich nicht ohne Zirkelschluß möglich. Denn es müßte ja, damit der Geschädigte im Wege der Surrogationsabtretung durch den Mittelsmann zu einem Ersatzanspruch gegen den Schädiger kommt, ein solcher Anspruch erst einmal in der Person des Mittelsmannes entstanden sein." Traugott, S. 45, stellt daher im Anschluß zutreffend fest, daß man § 281 allenfalls eine mittelbare Anerkennung der Drittschadensliquidation entnehmen könne. 277 Protokolle, Band I, S. 298 f. Eine allgemeine Regelung zum Drittschadensersatz (Antrag 1) wurde mit folgender Begründung abgelehnt: ,,Die Mehrheit der Komm. glaubte nicht, daß ein Bedürfniß bestehe, die in den Anträgen behandelten Fragen durch eine besondere Vorschrift zu entscheiden, und zweifelte, ob sich für eine solche Vorschrift eine einwandfreie Fassung finden ließe. Die neueren Gesetzgebungswerke enthalten einen solchen Rechtssatz nicht; es könne angenommen werden, daß auch ohne eine ausdrückliche Bestimmung die Rechtsprechung wie bisher zu dem richtigen Ergebnisse gelangen werde, und es empfehle sich nicht, in einer so zweifelhaften, noch nicht zu festem Abschlusse gelangten Frage der wissenschaftlichen Entwickelung vorzugreifen." Auch eine spezielle Drittschadensersatzregelung für die Fälle der mittelbaren Stellvertretung (Antrag 2) wurde abgelehnt. Zu dieser Fallgruppe der Drittschadensliquidation, die mittlerweile allgemein anerkannt ist, später im dritten Teil der Arbeit unter § 38. 278 Darauf wird im Rahmen der eigenen Lösung noch zurückzukommen sein, s. u. § 29 III.
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2. Rechtsfortbildung im Sinne der Drittschadensliquidation: Voraussetzungen und Rechtsfolge
Als Voraussetzung für einen Drittschadensersatz verlangt die Drittschadensliquidation, daß I. dem Gläubiger ein Anspruch zustehen muß, ohne daß er einen Schaden erlitten hat, 2. der Dritte einen Schaden erlitten hat, ohne daß ihm deswegen ein Anspruch zusteht und 3. es sich aus Sicht des Schädigers, des Schuldners, um eine zufallige Schadensverlagerung handelt. 280 Die ersten beiden Voraussetzungen bringen die Subsidiarität der Drittschadensliquidation gegenüber den gesetzlichen Schadensersatzregelungen zum Ausdruck. Die dritte Voraussetzung stellt sicher, daß der Drittschadensersatz nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Anwendung kommt, in denen der Schädiger nicht unbillig privilegiert werden soll. Bezüglich der von der Drittschadensliquidation entwickelten Rechtsfolge muß sorgfältig zwischen zwei Fragestellungen unterschieden werden. Die erste betrifft das eingangs aufgeworfene Problem, weIche Anspruchsgrundlagen zum Drittschadensersatz berechtigen sollen, und die zweite den Übertragungsmechanismus. Die Drittschadensliquidation sieht eine Forderungsabtretung analog § 281 vor und trifft hinsichtlich der Berechtigung zum Drittschadensersatz keine Beschränkung. 3. Erstreckung der Drittschadensliquidation auf vertragliche Anspruchsgrundlagen trotz fehlenden Vertragsbandes zwischen dem Dritten und dem Schuldner
Die Vorschrift des § 281 beantwortet nicht nur die Frage nach dem Übertragungsmechanismus, sondern scheinbar auch die - von der Drittschadensliquidation nicht gestellte - Vorfrage nach dem Umfang der dem Gläubiger zustehenden Drittschadensersatzansprüche. Die Vorschrift setzt voraus, daß dem Abtretungsverpflichteten sowohl vertragliche als auch deliktsrechtliche Ersatzansprüche zustehen können, da sie diesbezüglich keine Einschränkung vornimmt. Daraus mag die Drittschadensliquidation den Schluß ziehen, daß auch beim Drittschadensersatz keine Unterscheidung zwischen 279 Anhand der eigenen Lösung wird sich aber zeigen, daß die eigentliche Regelungslücke nicht bei der unvollkommen Regelung des Drittschadensersatzes, sondern bei der unvollkommenen Gefahruagungsregel des § 644 zu suchen ist, s. u. § 28 11. 280 S. bereits oben § 25 11 2.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
vertraglichen und gesetzlichen Anspruchsgrundlagen vorzunehmen ist. Dieser Rückschluß ist aber unzutreffend. Auf der Ebene der direkten Anwendung des § 281 stößt die Einbeziehung von vertraglichen Schadensersatzansprüchen auf keinerlei Bedenken, da der Abtretungsberechtigte lediglich den Schaden ersetzt verlangt, den der Abtretungsverpflichtete und Inhaber des Ersatzanspruchs erlitten hat. Es ist daher sachgerecht, daß er auch die vertraglichen Schadensersatzansprüche des Gläubigers geltend machen kann. Ganz anders verhält sich die Interessenlage bei der analogen Anwendung des § 281 in den Fällen des Drittschadensersatzes. In diesen Fällen macht der Dritte nicht den Schaden des Gläubigers, sondern seinen eigenen Schaden geltend. Die Erstreckung des Drittschadensersatzes auf vertragliche Anspruchsgrundlagen, die dann analog § 281 auf den Dritten übergeleitet werden, führt hier zu dem widersprüchlichen Ergebnis, daß dem Dritten gegenüber dem Schädiger nicht nur ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch, sondern auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zusteht, obwohl zwischen bei den kein Vertragsverhältnis besteht. Ein solches Ergebnis kann aus dem Sinn und Zweck des § 281 nicht abgeleitet werden. Kann die Drittschadensliquidation aus der Regelung des § 281 keine Rückschlüsse für den Bereich der Anspruchsgrundlagen ziehen, die zum Drittschadensersatz berechtigen, so bleibt die Möglichkeit, sich auf die allgemeinen Schadensersatzregelungen der §§ 249 ff. zu berufen, die sowohl für vertragliche als auch für gesetzliche Schadensersatzansprüche gelten. Zwar treffen diese Vorschriften keine Regelung zum Drittschadensersatz; da der Gesetzgeber aber seine Überlegungen zu einer allgemeinen Drittschadensersatzregelung in diesem systematischen Zusammenhang angestellt hat/81 könnte man daraus folgern, daß sich die Drittschadensliquidation daran zu orientieren hat. Eine solche Betrachtung ließe aber außer Betracht, daß der Gesetzgeber der wissenschaftlichen Entwicklung auf dem Gebiet des Drittschadensersatzes nicht vorgreifen wollte. Er sah sich bei der damaligen Konzeptionierung allgemeiner Schadensersatzregelungen außerstande, eine einwandfreie Fassung für eine Vorschrift zu finden, die den bisherigen Streitstand in Rechtsprechung und Literatur zufriedenstellend zu lösen vermochte. An diesem Streitstand hat sich aber bis heute nichts geändert. Die Drittschadensliquidation bleibt daher eine Antwort auf die Frage, weshalb der Drittschadensersatz auch auf vertragliche Anspruchsgrundlagen erstreckt werden soll, schuldig. Soweit hingegen die Anwendung der Drittschadensliquidation im Bereich rein deliktsrechtlicher Schädigungen vereinzelt problematisiert wird,282 bestehen hiergegen keine Bedenken.
281
Protokolle, Band I, S. 298 f.; abgedruckt unter Fn. 277.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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Die soeben getroffenen Feststellungen fügen sich lückenlos in eine Untersuchung ein, die Canaris zur dogmatischen Rechtfertigung der Drittschadensliquidation vorgenommen hat. 283 Canaris zieht in Erwägung, die Rechtfertigung der Drittschadensliquidation in einer teleologischen Reduktion des Verbots des Ersatzes mittelbarer Schäden zu sehen. 284 Der Gesetzgeber habe bei dem grundsätzlichen Ausschluß des Ersatzes mittelbarer Schäden bezweckt, der Möglichkeit einer uferlosen Ausweitung der Ersatzpflicht entgegenzuwirken. Die Gefahr einer Ausdehnung der Schadensersatzpflicht bestehe aber gerade nicht in den Fällen der "zufälligen Schadensverlagerung". Mithin erscheine hier eine teleologische Reduktion gerechtfertigt. Canaris betont in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich, daß die Probleme anders lägen, soweit lediglich vertragliche Ansprüche in Betracht kämen. 285 Hier sei der Ausschluß des Ersatzes mittelbarer Schäden auch darin begründet, daß der Geschädigte nicht Partei des Vertrages sei und daher aus diesem grundsätzlich keine Ansprüche herleiten könne. 286 Diese Überlegungen unterstreichen die Bedenken gegen eine uneingeschränkte Berechtigung zum Drittschadensersatz. Für eine restriktive Anwendung der Drittschadensersatzregelungen spricht eine weitere Feststellung von Canaris zu den Voraussetzungen der teleologischen Reduktion. Für die Annahme einer Gesetzeslücke sei erforderlich, daß die Rechtsordnung die Ergänzung des Gesetzes fordere?87 Diese Forderung lasse sich aus dem allgemeinen Gebot ableiten, daß jedermann einem anderen den Schaden ersetzen müsse, den er ihm in zurechenbarer Weise zugefügt habe. 288 Damit schließt sich der Kreis! Denn Canaris umschreibt mit dieser Forderung nichts anderes als den deliktsrechtlichen Tatbestand 282 BGH NJW 1967,930 (931), und OLG Hamm, NJW 1970, 1793, beschränken die Berechtigung zum Drittschadensersatz vorwiegend auf Schadensersatzansprüche aus Vertrag. 283 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 15~159. 284 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 157. 285 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 157, Fn. 56. 286 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 157, Fn. 56, regt daher an, dem Dritten in diesen Fällen, soweit es um die Verletzung von Schutzpflichten gehe, mit dem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu helfen. Dessen Voraussetzungen sind aber im Werkvertragsrecht nicht erfüllt, s. o. § 25 I. Auf die Interessenlage im Kaufrecht und in den übrigen Fallgruppen der Drittschadensliquidation ist im dritten Teil der Arbeit gesondert einzugehen, s. u. §§ 37 ff. Diehle, S. 86 ff., hält die Differenzierung von Canaris zwischen vertraglichen und deliktsrechtlichen Schädigungen für überflüssig, da das Dogma vom Gläubigerinteresse uneingeschränkt gelte. Er übersieht dabei, daß Canaris seine Unterscheidung nicht auf das Dogma vom Gläubigerinteresse stützt, sondern auf den Grundsatz von der Relativität der Schuldverhältnisse, der nur im Vertragsrecht gilt. 287 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 158. 288 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 158. Zustimmend Diehle, S. 91.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
des § 823 Abs. 1, der unabhängig von vertraglichen Bindungen eine Schadensersatzpflicht postuliert. 4. Übertragungsmechanismus analog § 281
Der Schutzzweck des § 281 wird durch die analoge Anwendung, die die Drittschadensliquidation vornimmt, zu Lasten des Abtretungsberechtigten in sein Gegenteil verkehrt wird. 289 Das Abtretungserfordernis analog § 281 erweist sich als unnötige Förmelei, die den Geschädigten, der zur Abtretung berechtigt ist, zudem unangemessen benachteiligt. Den Geschädigten trifft insbesondere das Insolvenzrisiko des Gläubigers, des Abtretungsverpflichteten. Mit einem gesetzlichen Übergang des Anspruchs wäre dem Geschädigten deshalb weitaus besser gedient. Ebenso wie bei der Lehre vom normativen Schaden handelt es sich bei dem vorliegenden Ausgangsfall auch nach dem Lösungsmodell der Drittschadensliquidation um eine Regreßkonstellation, da der Zweitunternehmer, der dem Bauherrn auf Nachbesserung haftet, den hierfür verantwortlichen Erstunternehmer in Anspruch nimmt. Unter Zugrundelegung der hier entwickelten Gesamtschuldkonzeption bestünde daher auch vom Standpunkt der Drittschadensliquidation die Möglichkeit, den Drittschadensersatzanspruch des Bauherrn kraft Gesetzes gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 auf den Dritten überzuleiten. Zumindest käme eine Analogie zu den gesetzlich geregelten Fällen der cessio legis eher in Betracht als eine analoge Anwendung des § 281. 5. Ergebnis zum Drittschadensersatz
Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 281 sind auch im Rahmen der Drittschadensliquidation nicht erfüllt. Sinn und Zweck der Abtretungsregelung, die in § 281 vorgesehen ist, werden zum Nachteil des Abtretungsberechtigten in ihr Gegenteil verkehrt. Die Drittschadensliquidation trifft daher dieselbe Kritik wie die Lehre vom normativen Schaden. Darüber hinaus stößt die Drittschadensliquidation auf Bedenken, soweit sie die Berechtigung zum Drittschadensersatz nicht nur auf deliktsrechtliche, sondern auch auf vertragliche Anspruchsgrundlagen erstreckt. Dies führt zu dem widersprüchlichen Ergebnis, daß der geschädigte Dritte den Schaden, der er selbst erlitten hat, vom Schädiger aus Vertragsrecht ersetzt verlangen kann, obwohl die beiden kein Vertragsverhältnis miteinander verbindet. Diesem Widerspruch braucht sich die Lehre vom normativen Scha289 Die Überlegungen zur Lehre vom normativen Schaden, s. o. § 26 III, gelten hier entsprechend.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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den nicht auszusetzen. Die Drittschadensliquidation trifft daher in diesem Zusammenhang ein weitergehenderer Vorwurf. IV. Berücksichtigung der Differenzhypothese Die Anwendung der Drittschadensliquidation basiert auf der Annahme, daß der Bauherr in der vorliegenden Fallgruppe keinen Schaden erlitten hat. Diese Annahme geht ihrerseits auf die uneingeschränkte Anwendung der Differenzhypothese zurück. 290 Die Drittschadensliquidation setzt sich daher im Gegensatz zu der Lehre vom normativen Schaden nicht dem Vorwurf aus, die Differenzhypothese unnötig einzuschränken. V. Zwischenergebnis Die bisherige Untersuchung zur Drittschadensliquidation hat sich an den Kritikpunkten orientiert, die anband der Lehre vom normativen Schaden entwickelt worden sind. Es kann daher als Zwischenergebnis festgestellt werden, daß die Drittschadensliquidation einige dieser Kritikpunkte auszuräumen vermag. Andererseits setzt sich aber auch die Drittschadensliquidation dem Vorwurf aus, durch die analoge Anwendung des § 281 zu einer unnötigen Abtretungsregelung zu gelangen. Zudem vermag auch der dogmatische Lösungsansatz der Drittschadensliquidation nicht zu überzeugen. Es kann deshalb schon an dieser Stelle festgestellt werden, daß auch die Drittschadensliquidation keine befriedigende Lösung bietet. Dieses Ergebnis wird durch die nachfolgende Kritik, der sich die Lehre vom normativen Schaden nicht auszusetzen braucht, weitergehend erhärtet. VI. Unberechtigte Einreden des Schuldners gemäß § 404 Die Drittschadensliquidation gewährt dem Dritten einen Anspruch gegen den Gläubiger auf Abtretung der Ansprüche, die dem Gläubiger gegen den Schuldner zustehen. Um diesen Anspruch begründen zu können, wird die Abtretungsregelung des § 281 analog angewandt. Dies hat zur Folge, daß auch die allgemeinen Vorschriften des BGB zur Übertragung von Forderungen herangezogen werden, insbesondere die Regelung des § 404. 291 Gemäß § 404 soll der Schuldner seine Einreden, die ihm gegen den Gläubiger 290
s. o. § 25 11 2.
Der BOH macht dazu in NJW 1985, 2411 (2412), die folgenden Ausführungen: ,,Eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen des Schuldners ist damit nicht verbunden. An der Möglichkeit zur Geltendmachung von Haftungsbeschränkungen, eines mitwirkenden Verschuldens, der Verjährungseinrede und anderer rechtsvemichtender oder rechtshemmender Einwendungen ändert sich dadurch für 291
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
zustehen, auch dem Dritten entgegenhalten können. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, veranschaulicht die folgende Abwandlung des Ausgangsfalles. Der Zweitunternehmer hat am Gebäude des Bauherrn Fenster installiert. Noch bevor der Bauherr diese Arbeiten abgenommen hat, wird ein Fenster vom Erstunternehmer aus Unachtsamkeit beschädigt. Der Erstunternehmer beruft sich auf eine Vereinbarung mit dem Bauherrn, derzufolge der Erstunternehmer nur für grobe Fahrlässigkeit haftet. Welche Ansprüche hat der Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer, wenn der Bauherr seine Ansprüche an den Zweitunternehmer abgetreten hat?
Auf der Grundlage der Drittschadensliquidation steht dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer sowohl ein vertraglicher als auch ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu. Gemäß § 404 soll der Erstunternehmer diesen Ansprüchen jedoch die Haftungserleichterung entgegenhalten können, die er mit dem Bauherrn vertraglich vereinbart hat. 292 Eine solche Vereinbarung erstreckt sich regelmäßig nicht nur auf vertragliche, sondern auch auf konkurrierende Deliktsansprüche, da die Wertungen des Vertragsrechts andernfalls durch die deliktsrechtliche Haftung umgangen würden. 293 Der Zweitunternehmer muß daher für sämtliche Schäden, die ihm entstanden sind, selbst aufkommen. Die Anwendung des § 404 führt im vorliegenden Fall zu einem unbilligen Ergebnis. Die Schadensersatzansprüche, die dem Zweitunternehmer dem Grunde nach gegen den Erstunternehmer zustehen, werden durch die zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer vereinbarte Haftungserleichterung ausgeschlossen. Es handelt sich dem Wesen nach um einen Vertrag zu Lasten Dritter. 294 Ein solcher Vertrag verstößt gegen den Grundsatz der Privatautonomie und ist daher unzulässig. 295 Die Drittschadensliquidation setzt sich mithin durch die Anwendung des § 404 in Widerspruch zum Grundsatz der Privatautonomie. 296 den Schuldner nichts. Das gilt auch für die Tilgung des Anspruchs." Ebenso Schiemann, in: Staudinger, Vor. §§ 249 ff., Rdnr. 67. 292 So für sämtliche Fälle der Drittschadensliquidation Puhle, S. 152; Rebe, JA 1979, 148 (150), und Schiemann, in: Staudinger, Vor. §§ 249 ff., Rdnr. 67. 293 BGH NJW 1979,2148 (2148 f.); Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 640. 294 Diesem Vorwurf braucht sich die Lehre vom normativen Schaden nicht auszusetzen, da der Zweitunternehmer auf der Grundlage dieser Lehrmeinung lediglich einen Schaden des Bauherrn geltend macht. Die Vorschrift des § 404 ist unmittelbar anwendbar, so daß der Zweitunternehmer sich die zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer vereinbarte Haftungserleichterung entgegenhalten lassen muß. 295 BGHZ 58, 216 (219); 61, 359 (361); Heinrichs, in: Palandt, Einf. vor § 328, Rdnr.lO. 296 Der BGH brauchte sich in der Entscheidung BGH NJW 1985, 2411 (2412), mit diesem Problem nicht mehr auseinanderzusetzen, da die Verjährungseinrede des Schuldners bereits der Sache nach unbegründet war.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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Ähnliche Widersprüche wie im Bereich vertraglicher Haftungserleichterungen treten bei anderen Einwendungen und Einreden des Schuldners auf. Gemäß § 404 soll der Schuldner gegenüber dem Dritten mit einer Forderung gegen den Gläubiger die Aufrechnung erklären können297 sowie auch ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen können.298 Des weiteren muß sich der Dritte ein Mitverschulden des Gläubigers anrechnen lassen. 299 Diese Überlegungen sind vor dem Hintergrund des von der Drittschadensliquidation propagierten Abtretungsmodells konsequent. Sie vernachlässigen aber, daß es in den Fällen der Drittschadensliquidation lediglich um die Abwicklung einer deliktsrechtlichen Schädigung zwischen dem Dritten und dem Schuldner geht. Wie bei der analogen Anwendung des § 281, so muß auch bei der sich daran anschließenden Anwendung des § 404 berücksichtigt werden, daß keine vergleichbare Interessenlage zwischen den gesetzlich geregelten Fällen der Abtretung und den gesetzlich nicht geregelten Fällen der vorliegenden Art besteht. 3OO Der Zweitunternehmer macht im Ausgangsfall nicht einen Schaden des Bauherrn, sondern einen eigenen Schaden geltend. Die vertraglichen Schadensersatzansprüche des Bauherrn gegen den Erst-unternehmer müssen daher unberücksichtigt bleiben. Gleiches gilt dann auch für die vertragliche Haftungsvereinbarung, die der Bauherr und der Erstunternehmer im vorliegenden Fall getroffen haben, sowie für sonstige Einwendungen und Einreden, die sich aus diesem Schuldverhältnis ergeben können. Diese dürfen nicht dazu führen, daß die deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer zunichte gemacht werden. VII. Wertungswiderspruch zu dem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter regelt die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise ein Dritter in die 297 Puhle, S. 145 f., und Urban, S. 157 f. Ablehnend Reinhardt, S. 118 f., der die Gleichartigkeit der Forderungen verneint, und Traugott, S. 109, der sich für den Bereich der Kommissionsgeschäfte auf die Regelung des § 392 Abs. 2 HGB beruft und im übrigen geltend macht, der Aufrechnungsgegner müsse "vollberechtigter Gläubiger" sein. 298 Puhle, S. 148 f.; Urban, S. 158. 299 Grunsky, in: Münchener Kommentar, Vor. § 249, Rdnr. 118; Puhle, S. 147 f.; Schiemann, in: Staudinger, Vor. §§ 249 ff., Rdnr. 67; Traugott, S. 109; Urban, S. 160. 300 Dies gilt unabhängig davon, ob man die Vorschrift des § 404 direkt oder analog anwenden will. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Analogie zu § 281 in einem nächsten Schritt zur direkten Anwendung der §§ 398 ff. führt, darf man die Voraussetzungen der Analogie nicht außer acht lassen. Denn auch in diesem Fall basiert die direkte Anwendung des § 404 auf einer Analogie zu § 281.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Schutzwirkungen eines Vertrages zwischen Gläubiger und Schuldner einbezogen ist und aus diesem Vertrag eigene Schadensersatzansprüche gegen den Schuldner ableiten kann. Die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts sind in der vorliegenden Fallgruppe nicht erfüllt, so daß der Zweitunternehmer aus dem Werkvertrag zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer keinen eigenen Schadensersatzanspruch gegen den Erstunternehmer ableiten kann?OI Dieses Ergebnis wird durch die Anwendung der Drittschadensliquidation umgangen. Der Zweitunternehmer erhält gegen den Erstunternehmer einen eigenen vertraglichen Schadensersatzanspruch, obwohl die Voraussetzungen eines drittschützenden Vertrages nicht erfüllt sind. Die Drittschadensliquidation setzt sich damit in Widerspruch zu dem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. 302 Das Konkurrenzverhältnis zwischen der Drittschadensliquidation und dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter führt zu dem Problem, die beiden Rechtsinstitute voneinander abgrenzen zu müssen. So soll sich die Drittschadensliquidation dadurch vom Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter unterscheiden, daß sie im Gegensatz zum drittschützenden Vertrag keine Haftungserweiterung zum Nachteil des Schuldners bewirke?03 Durch das Kriterium der "zufalligen Schadensverlagerung" werde sichergestellt, daß das Haftungsrisiko des Schuldners nicht erweitert werde. Gleichwohl ist es im Einzelfall umstritten, ob eine Haftungserweiterung oder lediglich eine zufällige Schadensverlagerung vorliegt. 304 S. o. einleitend unter § 25 I. Diese generelle Kritik an der Drittschadensliquidation haben auch schon Peters, AcP 1980, 329 (334), und Urban, S. 58, als Befürworter der Lehre vom normativen Schaden geübt. Peters, AcP 1980, 339 (340), macht der Drittschadensliquidation den weitergehenden Vorwurf, daß sie eine unabsehbare und für den Schädiger nicht einkalkulierbare Haftungserweiterung darstelle. Damit trägt er aber kein weiteres Gegenargument vor. Hinter diesem Vorwurf steckt wiederum die Kritik, daß eine Voraussetzung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter umgangen wird. Es handelt sich um die Voraussetzung der "Erkennbarkeit des in den Schutzbereich des Vertrages mit einbezogenen Personenkreises". Diese Voraussetzung soll den Schuldner vor unabsehbaren Haftungsrisiken schützen. 303 BGHZ 40, 91 (106); Berg, Verträge mit Drittschutzwirkung, JuS 1977, 363 (366); Kuckuck, in: Erman, Vor. § 249, Rdnr. 137; Steding, JuS 1983,29, 32. 304 Dieser Streit entzündet sich insbesondere an der sogenannten Rauchrohröffnungsentscheidung des BGH, BGHZ 49, 350-356: Der Eigentümer von Gegenständen, die ein Mieter in den von ihm angemieteten Geschäftsräumen untergebracht hatte, verlangte vom Vermieter aus § 538 Abs. 1, 1. Fall Ersatz für die Schäden, die ihm infolge eines Brandes in den Geschäftsräumen entstanden waren. Der Brand war auf eine defekte Rauchrohröffnung zurückzuführen. Während der BGH hier von einem Anwendungsfall des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausging (zustimmend Westennann, in: Erman, § 328, Rdnr. 14; Gottwald, in: Münchener Kommentar, § 328, Rdnr. 96; Heinrichs, in: Palandt, § 328, Rdnr. 19; Strauch, JuS 1982, 823 (825 f.», sind im Anschluß an die Vorinstanz (OLG Hamm) Berg, 301
302
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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Dieses Abgrenzungsproblem stellt sich nicht mehr, wenn man das Konkurrenzverhältnis zwischen der Drittschadensliquidation und dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als ein Umgehungsproblem auffaßt. Das setzt zunächst voraus, daß man den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als ein abschließendes Rechtsinstitut zur Einbeziehung Dritter in den vertraglichen Rechtsschutz versteht. Für eine solche Annahme spricht der Umstand, daß der Gesetzgeber einen vertraglichen Drittschutz lediglich in den Vorschriften der §§ 328 ff. vorgesehen hat und der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Analogie zu diesen Vorschriften entwickelt worden ist. Es handelt sich daher um eine eng begrenzte Ausnahmeregelung. Selbst wenn man mit Rücksicht auf diesen Ausnahmecharakter aber nicht der Ansicht folgen will, daß es sich beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter um eine abschließende Sonderregelung handelt, so besteht jedenfalls kein Anlaß, den vertraglichen Drittschutz durch die Drittschadensliquidation zu ergänzen. Anhand der eigenen Lösung wird noch im einzelnen nachzuweisen sein, daß der Anwendungsbereich der Drittschadensliquidation sich sachgerecht auf deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche beschränkt. Für diesen Bereich trifft umgekehrt das Rechtsinstitut des drittschützenden Vertrages keine Regelung, so daß sich das Problem, die beiden Rechtsinstitute voneinander abgrenzen zu müssen, nicht mehr stellt. 305 VBI. Umgehung des Deliktsrechts Aus der soeben geübten Kritik an der Drittschadensliquidation ergibt sich unmittelbar ein weiterer Vorwurf gegen dieses Rechtsinstitut. Indem der Anwendungsbereich der Drittschadensliquidation auf vertragliche Schadensersatzansprüche ausgedehnt wird, werden nicht nur die Voraussetzungen des Anmerkung zum BGH, NJW 1968, 1325 (1326); ders., Drittschadensliquidation, MDR 1969,613 (616); ders., Verträge mit Drittschutzwirkung, JuS 1977, 363 (364); ders., Vertragliche Drittschutzwirkung, NJW 1978, 2018 (2019); Lange, § 8 IV (S. 481); Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 842, und Traugott, S. 96 ff., der Auffassung, die Drittschadensliquidation hätte sich zur Lösung dieses Falles geeignet. Eine vermittelnde Ansicht befürwortet wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten die Anwendung beider Rechtsinstitute nebeneinander, so Söllner, JuS 1970, 159, (164), und im Anschluß Hadding, in: Soergel, § 328, Rdnr. 38. Zu der eigenen Einschätzung s. die Anmerkung in der folgenden Fußnote. 305 Im Ergebnis ist damit der sogenannten Rauchrohröffnungsentscheidung des BGH zuzustimmen. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Eigentümers aus § 538 Abs. I, I. Fall läßt sich allein mit dem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begründen. Hingegen kommt die Drittschadensliquidation in diesen sogenannten Obhutsfällen nicht zur Anwendung, nicht einmal auf der deliktsrechtlichen Ebene. Dies wird im dritten Teil der Arbeit noch im einzelnen zu zeigen sein, s. u. § 39. 15 Slamm
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter umgangen, sondern auch die Wertungen des Deliktsrechts. Es sei hier nur an die unterschiedliche Gehilfenhaftung im Delikts- und im Vertragsrecht erinnert. Da zwischen Erstund Zweitunternehmer kein Vertragsverhältnis besteht, haftet der Erstunternehmer für ein Fehlverhalten seiner Gehilfen nur unter den Voraussetzungen des § 831. Es besteht für den Erstunternehmer die Möglichkeit der Exkulpation. Diese Möglichkeit wird dadurch zunichte gemacht, daß dem Zweitunternehmer im Wege der Drittschadensliquidation auch vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Erstunternehmer eingeräumt werden. Gemäß § 278 S. 1, 2. Fall haftet der Zweitunternehmer nun für ein Fehlverhalten seiner Gehilfen, ohne daß für ihn die Möglichkeit besteht, sich zu exkulpieren. IX. Durchbrechung des Dogmas vom Gläubigerinteresse Gegen die Drittschadensliquidation wird eingewendet, daß sie gegen den sogenannten Grundsatz vom Gläubigerinteresse verstoße. 306 Nach diesem Grundsatz, der sich im Umkehrschluß aus den Vorschriften zum allgemeinen Schadensrecht, §§ 249 ff., ableiten läßt (argurnenturn e contrario), kann der Gläubiger nur den Schaden vom Schuldner ersetzt verlangen, den er selbst erlitten hat. 307 Die Geltendmachung eines Drittschadens ist vom Gesetzgeber nur in den Fällen der §§ 844-846 geregelt. Daraus könnte gefolgert werden, daß es sich um eine abschließende Sonderregelung handelt. Eine solche Kritik übersieht jedoch, daß der Gesetzgeber für eine weitergehende Regelung zum Drittschadensersatz kein Bedürfnis gesehen hat und er der wissenschaftlichen Entwicklung auf diesem Sektor nicht vorgreifen wollte. 308 Die Grundsätze zur Drittschadensliquidation stehen demzufolge nicht zwingend im Widerspruch zum Dogma vom Gläubigerinteresse. Sie können als eine berechtigte Ausnahme von diesem Grundsatz aufgefaßt werden und lassen sich im Wege einer teleologischen Reduktion rechtfertigen 309 • Gleichwohl ist einzuräumen, daß im Vergleich mit der Drittscha306 So Peters, AcP 1980, 329 (331, Fn. 1), und Büdenbender, Vorteilsausgleichung, JZ 1995,920 (928), als Anhänger der Lehre vom normativen Schaden. 307 BGHZ 51, 91 (93); Grunsky, in: Münchener Kommentar, Vor. § 249, Rdnr. 113; Kuckuck, in: Erman, Vor. § 249, Rdnr. 130; Schiemann, in: Staudinger, Vor. §§ 249 ff., Rdnr. 49. 308 Siehe dazu die unter Fn. 277 abgedruckten Protokolle. 309 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 156 ff., hat diesbezüglich nachgewiesen, daß die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des Dogmas vom Gläubigerinteresse - zumindest im Bereich der deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche erfüllt sind. Durch das Kriterium der "Schadensverlagerung" wird eine uferlose Ausweitung der Ersatzpflicht des Schuldners vermieden. Das Dogma vom Gläubigerinteresse bleibt daher nach seinem Sinn und Zweck unberührt.
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densliquidation eine solche Lösung den Vorzug verdient, der es gelingt, die Probleme des vorliegenden Falles in Übereinstimmung mit dem Dogma vom Gläubigerinteresse zu lösen. Eine solche Lösung hat gegenüber der Drittschadensliquidation den Vorteil, daß sie bei der Schadensberechnung unmittelbar auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. zurückgreifen kann. Insoweit ist der Kritik an der Drittschadensliquidation, die von den Vertretern der Lehre vom normativen Schaden geübt wird, zuzustimmen. X. Ergebnis zu der Kritik an der Drittschadensliquidation
Die Drittschadensliquidation vermag einige der Kritikpunkte auszuräumen, die anhand der Lehre vom normativen Schaden entwickelt worden sind. So führt ihre Anwendung zu einer sachgerechten Abwicklung von Folgeschäden. Des weiteren bedarf es bei der Schadensberechnung keiner Einschränkung der Differenzhypothese. Wie die Lehre vom normativen Schaden, so setzt sich aber auch die Drittschadensliquidation dem Vorwurf aus, durch die analoge Anwendung des § 281 zu einer unnötigen Abtretungsregelung zu gelangen. Darüber hinaus führt die uneingeschränkte Berechtigung zum Drittschadensersatz zu dem widersprüchlichen Ergebnis, daß dem Dritten gegen den Schuldner ein eigener vertraglicher Schadensersatzanspruch zusteht, obwohl zwischen ihnen kein Vertragsverhältnis besteht. Dieses Ergebnis steht zudem im Widerspruch zu den Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und führt zu einer Umgehung der Wertungen des Deliktsrechts. Entsprechendes gilt für die analoge Anwendung des § 404, die den Grundsatz der Privatautonomie verletzt. Schließlich hat die Drittschadensliquidation im Vergleich mit der Lehre vom normativen Schaden den Nachteil, daß ihre Anwendung zu einer Einschränkung des Dogmas vom Gläubigerinteresse führt.
§ 28 Entwicklung eines eigenen Lösungsweges Die Untersuchung zur Lehre vom normativen Schaden und zur Drittschadensliquidation hat ergeben, daß beide Lösungen nicht frei von Schwächen sind. Die Schwächen der einen Lösung können jedoch nicht durch die Stärken der anderen ausgeglichen werden, da eine Kombination der beiden Lösungen wegen ihrer unterschiedlichen dogmatischen Ansätze nicht möglich ist. Zudem weisen beide Lösungen auch gemeinsame Schwächen auf. Es sei hier nur an die Nachteile des Abtretungserfordernisses erinnert. Diese Klippen gilt es zu umschiffen, um einen Lösungsweg zu finden, der die bisher aufgetretenen Schwächen vermeidet. 15'
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
I. Methodischer Lösungsansatz
Die Kritik an den bisher bekannten Lösungswegen hat ergeben, daß der methodische Lösungsansatz für die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht bei der Regelung des § 644 Abs. I S. I zu suchen ist. Sowohl die Lehre vom normativen Schaden als auch die Drittschadensliquidation gehen zutreffend davon aus, daß es ohne die Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. I S. 1 keine Probleme bei der Fallösung gäbe. Dementsprechend muß die Ursache und damit dann auch die Lösung aller Probleme in der unvollkommenen Regelung des § 644 Abs. 1 S. 1 gesucht werden. Es fehlt den bisherigen Lösungen allein die Konsequenz, das Problem der vorliegenden Fälle bis an seine Wurzel zurückzuverfolgen. Während die Lehre vom normativen Schaden in das allgemeine Schadensrecht ausweicht,310 begnügen sich die Anhänger der Drittschadensliquidation mit der Feststellung, daß es sich bei den in § 644 Abs. 1 S. 1 geregelten Fällen um eine typische Fallkonstellation der Drittschadensliquidation handele, anstatt auf die Besonderheiten dieser Regelung einzugehen. 311 11. Ermittlung der eigentlichen Ursache für die Probleme in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht
Die Vorschrift des § 644 Abs. 1 S. 1 regelt die Gefahrtragung im Verhältnis zwischen Besteller und Unternehmer. Genaugenommen regelt sie die Vergütungsgefahr, d. h. die Frage, ob der Besteller auch bei zufälliger Verschlechterung oder Unmöglichkeit der Werkleistung den vereinbarten Werklohn zu entrichten hat. 312 Diese Frage wird durch die gesetzliche Regelung des § 644 Abs. I S. I zu Lasten des Unternehmers entschieden, indem ihm die Vergütungsgefahr bis zur Abnahme des Werkes auferlegt wird. Sinn und Zweck dieser Regelung liegen in der Erfolgsgebundenheit der Werkleistung begründet. Der Unternehmer soll nur dann eine Vergütung erhalten, wenn er die geschuldete Leistung in vollem Umfang erbracht hat und der geschuldete Erfolg damit eingetreten ist. Die Vorschrift des § 644 Abs. 1 S. 1 trifft lediglich eine Gefahrtragungsregelung im Innenverhältnis zwischen Besteller und Unternehmer. Es handelt sich um eine rein schuldrechtliche Regelung, die keinen Einfluß auf die sachenrechtlichen Eigentumsregelungen hat. Man spricht daher in den Fällen des § 644 Abs. I S. 1 von einer obligatorischen Gefahrentlastung. Eine ..dingliche Gefahrentlastung" ist hingegen nicht vorgesehen. Mit dieser 310 311 312
s. o.
§ 26 I.
s. o. § 27 I.
Zu den verschiedenen Gefahrbegriffen Fikentscher, Rdnr. 334.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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Feststellung nähert man sich der eigentlichen Ursache für die Probleme der vorliegenden Fallkonstellation. Der Gesetzgeber hat übersehen, daß er mit der Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. 1 S. 1 im Schuldrecht eine von den Eigentumsregeln der §§ 946 ff., 93 ff. im Sachenrecht abweichende Regelung getroffen hat. Der Bauunternehmer verliert sein Eigentum an den von ihm verwendeten Werkstoffen in der Regel bereits mit dem Einbau gemäß den §§ 946 ff., 93 ff., obwohl er gemäß § 644 Abs. 1 S. 1 noch die Vergütungsgefahr zu tragen hat. 313 Die Vorschrift des § 644 Abs. 1 S. 1 trifft nur eine Regelung zur obligatorischen Gefahrentlastung, ohne daß eine entsprechende Eigentumsregelung vorgesehen ist. Damit fallen Gefahrtragung auf der schuldrechtlichen Ebene und Eigentum auf der dinglichen Ebene regelmäßig auseinander. Das Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum bereitet in den Fällen, in denen der Eintritt der Gefahr auf natürliche Umstände, d. h. auf höhere Gewalt und nicht auf das Verhalten eines Dritten zurückzuführen ist, keine Probleme. In diesen Fällen spielt es keine Rolle, daß der Bauunternehmer das Eigentum an seinem Werk bereits verloren hat, obwohl er noch die Vergütungsgefahr zu tragen hat. Selbst wenn der Bauunternehmer in diesen Fällen noch Eigentümer seines Werkes wäre, gäbe es niemanden, von dem er für die Beschädigung seines Werkes Schadensersatz verlangen könnte. Anders verhält es sich in den Fällen, in denen - wie in der vorliegenden Fallgruppe - der Eintritt der Gefahr durch einen Dritten herbeigeführt wird. Die Beschränkung des § 644 auf eine Regelung zur obligatorischen Gefahrentlastung führt hier zwangsweise zu Problemen. Die dingliche Eigentumsregelung der §§ 946 ff., 93 ff., die im Außenverhältnis gegenüber dem Dritten maßgebend ist, steht im Wertungswiderspruch zu der Gefahrtragungsregelung, die im Innenverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmer gilt. Dieser Wertungswiderspruch führt in der weiteren Folge dazu, daß weder die schuldrechtlichen Regelungen zur Vertragsabwicklung noch die sich am Eigentumsrecht orientierenden deliktsrechtlichen Abwicklungsvorschriften zu sachgerechten Ergebnissen führen. Im Vertragsrecht mangelt es wegen der obligatorischen Gefahrentlastung an einem Schaden des Bauherrn, im Deliktsrecht mangelt es wegen der entgegengesetzten Eigentumslage an einem schützenswerten Rechtsgut des Bauunternehmers, das verletzt sein könnte. Diese Probleme würden nicht auftreten, wenn die Eigentumsregelung der §§ 946 ff., 93 ff. in Übereinstimmung mit der Gefahrtragungsregelung des § 644 stehen würde.
313 Es finden sich in den Gesetzesmaterialien keinerlei Hinweise dafür, daß der Gesetzgeber diese Problematik erkannt hätte.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
III. Rechtsfortbildung im Sinne des zuvor entwickelten Lösungsansatzes: Möglichkeit einer teleologischen Reduktion der §§ 946 tT., 93 tT.? Es bestehen zwei Möglichkeiten, um das Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum zu vermeiden. Entweder können die Eigentumsverhältnisse der Gefahrtragung angepaßt werden oder es kann umgekehrt die Gefahrtragung den Eigentumsverhältnissen gleichgestellt werden. Die zuletzt genannte Möglichkeit scheidet von vornherein aus, da der Gesetzgeber für die Gefahrtragung mit den Vorschriften der §§ 644, 645 bereits eine ausdrückliche Wertentscheidung getroffen hat. Auch wenn er dabei die Fälle übersehen hat, bei denen die Gefahr durch einen Dritten verwirklicht wird, muß eine Gefahrtragungsregelung zu Lasten des Werkunternehmers wegen der Erfolgsgebundenheit der Werkleistung auch in diesen Fällen angenommen werden. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 644 Abs. 1 S. 1. 314 Eine teleologische Reduktion des § 644 Abs. 1 S. 1 kommt daher auch für die Fälle der Drittverantwortung nicht in Betracht. Damit verbleibt nur noch die Möglichkeit, die Eigentumsverhältnisse an die Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. 1 S. 1 anzupassen. Einer solchen Anpassung stehen jedoch umgekehrt die Vorschriften der §§ 946 ff., 93 ff. entgegen. Eine Einschränkung dieser Vorschriften kommt im Wege einer Rechtsfortbildung nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion erfüllt sind. Es muß eine von dem Sinn und Zweck der §§ 946 ff., 93 ff. abweichende Interessenlage vorliegen, die es geboten erscheinen läßt, diese Vorschriften ausnahmsweise nicht anzuwenden. Sinn und Zweck der §§ 946 ff., §§ 93 ff. beruhen auf wirtschaftlichen Überlegungen. Es soll die nutzlose Zerstörung wirtschaftlicher Werte verhindert werden, die eintreten würde, wenn Bestandteile voneinander getrennt werden, die ihren wirtschaftlichen Zweck und damit ihren Wert nur in der von ihnen gebildeten Einheit haben. 315 Von einem solchen wirtschaftlichen Wert kann nicht mehr die Rede sein, soweit ein Bestandteil bereits beschädigt oder zerstört ist. In diesen Fällen gibt es keine wirtschaftliche Einheit mehr, deren Zerstörung verhindert werden soll. Sinn und Zweck der §§ 946 ff., 93 ff. greifen daher nicht mehr ein, soweit die Werkstoffe des Zweitunternehmers bereits beschädigt oder zerstört sind. Auf den ersten Blick scheinen daher keine Bedenken gegen eine teleologische Reduktion der §§ 946 ff., 93 ff. zu bestehen. Diese Vorschriften wären demzufolge in der vorliegenden Fallgruppe nicht anzuwenden, so daß der Zweitunternehmer Eigentümer der von ihm verwendeten Werkstoffe bleiben 314 315
s. o. 11.
BGHZ 20, 154 (157); Heinrichs, in: Palandt, § 93, Rdnr. 1.
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würde. Ihm stünde in der Folge gegen den Erstunternehmer ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 wegen einer Eigentumsverletzung zu. Bedenken gegen eine solche Lösung ergeben sich jedoch aus dem Umstand, daß in dem Zeitpunkt, in dem der Zweitunternehmer seine Werkstoffe mit dem Baugrundstück verbindet, noch ungewiB ist, ob und inwieweit die Werkstoffe später durch den Erstunternehmer beschädigt oder zerstört werden. Zu diesem Zeitpunkt ist daher eine teleologische Reduktion der §§ 946 ff., 93 ff. nicht möglich, so daß diese Vorschriften zunächst zur Anwendung kommen. Will man nun in dem Zeitpunkt, in dem die von dem Zweitunternehmer verwendeten Werkstoffe durch den Erstunternehmer beschädigt oder zerstört werden, eine Einschränkung der §§ 946 ff., 93 ff. vornehmen, so handelt es sich nicht mehr um das Problem, den Anwendungsbereich dieser Vorschriften im Wege einer teleologischen Reduktion zu beschränken, sondern um das Problem, die Rechtsfolgen dieser Vorschriften rückgängig zu machen. Es geht dann um eine Rückübertragung des Eigentums vom Bauherrn auf den Zweitunternehmer. Eine solche Eigentumsrückübertragung eines wesentlichen Sachbestandteils ist jedoch weder nach den Vorschriften der §§ 929 ff. im Mobiliarsachenrecht noch nach den Vorschriften der §§ 873, 925 im Immobiliarsachenrecht möglich. Sie würde gegen die Vorschrift des § 93 verstoBen, derzufolge ein wesentlicher Bestandteil nicht Gegenstand besonderer Rechte sein kann. Über diese methodischen Schwächen könnte man nur hinweggehen, indem man bei der teleologischen Reduktion der §§ 946 ff., 93 ff. eine wertende Gesamtbetrachtung - ähnlich wie bei der Problematik des Rückerwerbs des Nichtberechtigten vom gutgläubigen Erwerber - vornähme. Durch eine solche Vorgehensweise würde jedoch nur der Umstand verschleiert, daß eine Anpassung der Eigentumslage an die Gefahrtragung nach geltendem Recht nicht möglich ist. Es besteht damit keine Möglichkeit, den hier entwickelten Lösungsansatz im Wege einer einfachen Rechtsfortbildung umzusetzen.
IV. Alternative Lösungswege Eine Lösung für die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht ist nach dem hier entwickelten Ansatz im Wege einer einfachen Rechtsfortbildung ausgeschlossen. Auf der Grundlage des geltenden Rechts ist eine allgemeine Lösung allein im Wege der Lehre vom normativen Schaden oder der Drittschadensliquidation möglich. Die Kritik, die an diesen beiden Lösungen geübt worden ist, erweist sich jedoch auch nach geltendem Recht nicht als rein destruktiv, wenn die Möglichkeit besteht, diese beiden Lösungswege entsprechend weiterzuentwickeln.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
1. Weiterentwicklung der Lehre vom normativen Schaden aufgrund der im ersten Teil entwickelten Gesamtschuldkonzeption
Die Lehre vom nonnativen Schaden hat die Möglichkeit, die Nachteile des Abtretungserfordernisses, die mit der analogen Anwendung des § 281 verbunden sind, durch eine direkte oder zumindest analoge Anwendung des § 426 Abs. 2 zu venneiden. Eine derartige Lösung wird den Interessen aller Beteiligten eher gerecht. 3 !6 Allerdings kann auch durch eine Gesamtschuldlösung nicht vennieden werden, daß der geschädigte Bauunternehmer unangemessen benachteiligt wird, indem der gesetzliche Forderungsübergang erst mit der Befriedigung des Bauherm eintritt. Gleichwohl wäre eine solche Weiterentwicklung der Lehre vom nonnativen Schaden insbesondere für die Rechtspraxis von Bedeutung, da die Rechtsprechung nun nicht mehr gezwungen wäre, eine Klage des geschädigten Werkunternehmers mangels erfolgter Abtretung abzuweisen 3 !7 bzw. die Sache zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen?!8 Die übrigen Kritikpunkte, die anhand der Lehre vom nonnativen Schaden entwickelt worden sind, können jedoch nicht ausgeräumt werden. So gibt es auf der Grundlage dieser Lösung weiterhin keine Möglichkeit, eine sach- und interessengerechte Regelung zur Abwicklung von Folgeschäden zu entwickeln. Des weiteren bleiben die Bedenken gegen eine nonnative Einschränkung der Differenzhypothese bestehen. Der Lösungsweg, den die Lehre vom nonnativen Schaden beschreitet, soll daher hier nicht weiter verfolgt werden. 2. Reform des Drittschadensersatzrechtes durch Anknüpfung an die geltenden Bestimmungen zum Drittschadensersatz in Form der §§ 844, 845
Der Gesetzgeber hat im Bereich des Drittschadensersatzes die weitere Rechtsfortbildung der Rechtsprechung und Literatur überlassen. 3 !9 Auch wenn sich gezeigt hat, daß die eigentliche Wurzel des Problems in der Gefahrtragungsregelung des § 644 zu sehen ist, eröffnet sich damit nach geltendem Recht die Möglichkeit, die Probleme der vorliegenden Fallgruppe über den Umweg einer Drittschadensersatzregelung zu lösen. Während die Drittschadensliquidation im Wege der freien Rechtsfortbildung losgelöst von den gesetzlichen Vorgaben - drei neue Voraussetzungen S. o. § 26 III 2. So geschehen in der Entscheidung LG München 11, BauR 1990,508 (509). 318 So geschehen in den Entscheidungen BGH NJW 1970, 38 (41), und HansOLG Hamburg, MDR 1974,668 (669). 319 S. o. § 27 III 1. 316 317
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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postuliert,320 soll dieser Lösungsansatz an dieser Stelle auf eine gesetzliche Regelung zurückgeführt werden. Bevor man sich auf das unsichere Terrain einer freien Rechtsfortbildung begibt, liegt es näher, an die geltenden Bestimmungen zum Drittschadensersatz im BGB, die §§ 844-846, anzuknüpfen. 321 Es gilt zu untersuchen, ob diese Regelungen nicht im Wege der Analogie auch auf die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht angewandt werden können. Auszugehen ist dabei von der grundsätzlichen Regelung des § 844 Abs. 1. Nach dieser Bestimmung hat im Falle der Tötung der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.
a) Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 844 Abs. 1 in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung Will man dem Zweitunternehmer im Ausgangsfall gegen den Erstunternehmer einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch analog § 844 Abs. 1 zusprechen, so bestehen zwei Abweichungen vorn Wortlaut dieser Vorschrift. Zum einen liegt keine Tötung des Bauherm vor; dieser erleidet lediglich eine Eigentumsverletzung. Zum zweiten geht es nicht um den Ersatz von Beerdigungskosten, sondern um Schadensersatz für eine Eigentumsverletzung. Im übrigen sind die Voraussetzungen des § 844 Abs. 1 erfüllt. Im Verhältnis zwischen dem Bauherm und dem Erstunternehmer ist der Tatbestand einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 823 Abs. 1 gegeben. Insoweit ist auf § 823 Abs. 1 zurückzugreifen, da § 844 Abs. 1 keine eigenS. o. § 27 III 2. Soweit ersichtlich hat bislang allein Canaris, Lücken im Gesetz, 1. Aufl., S. 158, Fn. 58, einen Zusammenhang zwischen der Drittschadensliquidation und der Regelung des § 845 hergestellt. Canaris stützt die Drittschadensliquidation auf eine teleologische Reduktion des Verbotes des Ersatzes mittelbarer Schäden (s. schon ausführlich hierzu unter § 27 III 3. Es sei daher nur noch ein Schritt zu der praktischen Forderung, statt des Verletzten den Geschädigten als anspruchsberechtigt anzusehen. § 823 sei dann - schon de lege lata - folgerichtig so zu lesen: "Wer ... das Leben usw. eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen oder dem statt dessen Geschädigten zum Ersatze ... verpflichtet." In diesem Kontext weist Canaris darauf hin, "daß auch das Gesetz, wo es Drittschadensersatz gewährt, den Geschädigten und nicht den unmittelbar Verletzten als anspruchsberechtigt ansieht (vgl. § 845 BGB)." Diehle, S. 97, hält diese Überlegungen nicht für überzeugend, da man nicht ohne Grund von der rechtstechnischen Ausgestaltung der Drittschadensliquidation abweichen solle, die sich als praktikabel erwiesen habe. Das Gegenteil ist aber der Fall, wie im einzelnen gezeigt worden ist (s. o. § 26 III und § 27 III), so daß nicht ersichtlich ist, weshalb Canaris, Lücken im Gesetz, 2. Aufl., S. 158, nunmehr von seinen ursprünglichen Ausführungen Abstand genommen hat. 320 321
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
ständige Anspruchsgrundlage begründet, sondern lediglich eine Modifikation der deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen in den §§ 823-839 darstellt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die durch die Formulierung "im Falle der Tötung" auf die Vorschriften der §§ 823 ff. verweist. Demzufolge hängt auch die Frage des Verschuldensmaßstabs nicht von § 844 Abs. 1, sondern von den §§ 823 ff. ab. Um den Besonderheiten der §§ 831 ff., insbesondere der Gefährdungshaftung im Falle der §§ 833 f., Rechnung zu tragen, verzichtete der Gesetzgeber in § 844 Abs. 1 auf eine Verschuldensregelung mit einer umständlichen Verweisung auf die Spezialfälle der §§ 831 ff. 322 Ebenso hielt er eine Betonung der Widerrechtlichkeit als Voraussetzung für eine deliktsrechtliche Haftung für entbehrlich?23 Die Rechtsnatur des § 844 Abs. 1 als quasi akzessorische Ergänzung zu den §§ 823 ff. wird durch die systematische Stellung dieser Vorschrift unterstrichen. Die §§ 842 ff. enthalten Sonderregelungen im Bereich des haftungsausfüllenden Tatbestandes, die den allgemeinen Schadensersatzregelungen der §§ 249 ff. vorgehen. Die Voraussetzungen für eine rechtswidrige und schuldhafte Rechtsgutverletzung seitens des Erstunternehmers sind erfüllt. Dieser hat schuldhaft die Werkleistung des Zweitunternehmers und damit das Eigentum des Bauherrn verletzt. Er ist daher im Sinne von § 844 Abs. 1 als Ersatzpflichtiger anzusehen. Dem Zweitunternehmer obliegt im Sinne von § 844 Abs. 1 die Verpflichtung, die Kosten der Eigentumsverletzung zu tragen, da er dem Bauherrn gemäß den §§ 633, 644 Abs. 1 S. 1 zur Nachbesserung seiner Werkleistung verpflichtet ist. Wendet man § 844 Abs. 1 nunmehr auch auf den Fall der Eigentumsverletzung und der daraus erwachsenden Schäden an, so stößt eine Analogie zunächst auf grundlegende dogmatische Bedenken. Es handelt sich bei § 844 Abs. 1 um eine eng begrenzte Ausnahmeregelung, deren Analogiefähigkeit bisher stets verneint worden ist. 324 Der Gesetzgeber hat bewußt auf 322 Protokolle, Band 11, S. 614: "Die Mehrheit ... ging davon aus, daß, wenn auch die migetheilte Ausführung für zutreffend erachtet werde, dennoch die bemängelte Ungenauigkeit des Ausdrucks vom Standpunkte der Technik des Gesetztes erlaubt und unbedenklich sei. Die Fassung des Antrags 1 biete den Vortheil, daß sie an sich einfacher sei und die Verweisungen auf § 722 (Anm. des Verf.: heute § 844) in den §§ 734 bis 736 (Anm. des Verf.: heute §§ 833-841) entbehrlich mache. Sie sei überdies genauer als die Fassung des Antrags 2, indem sie auch die Fälle decke, in welchen es sich um eine Ersatzpflicht wegen versäumter Aufsicht (§§ 710 bis 712 (Anm. des Verf.: heute §§ 831 oder um die von einem Verschulden unabhängige Ersatzpflicht (§ 709 a (Anm. des Verf.: im 8GB nicht übernommen» handele." 323 Protokolle, Band 11, S. 614: "Als eine lediglich redaktionelle Frage sah man es an, ob nicht auch die Hervorhebung des Erfordernisses der Widerrechtlichkeit der Tödtung an dieser Stelle entbehrt werden könne."
f.»
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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eine weitergehende Regelung verzichtet. Diese Bedenken lassen sich jedoch ausräumen, wenn man berücksichtigt, daß die bisherige Diskussion sich auf die Frage konzentrierte, ob der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der §§ 844 ff. ausgedehnt werden könne. Diesen Bereich hat der Gesetzgeber für die in den §§ 844 ff. angesprochenen Rechtsgutverletzungen aber abschließend geregelt. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften kommt daher für weitere nicht benannte Personen bzw. für weitergehende Folgeschäden nicht in Betracht. Hingegen hat der Gesetzgeber keine abschließende Regelung für die hier in Frage stehenden Eigentumsverletzungen getroffen. Für die heute anerkannten Fallgruppen der Drittschadensliquidation hat der Gesetzgeber im Gegenteil bewußt von einer allgemeinen Drittschadensersatzregelung abgesehen, um die weitere Entwicklung der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung zu überlassen. 325 Aus diesem Grunde können aus dem Ausnahmecharakter der §§ 844-846 keine dogmatischen Bedenken gegen die hier angeregte Analogie hergeleitet werden. Diese stellt lediglich das Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Betrachtungen des Gesetzgebers dar, die dieser im Bereich des Drittschadensersatzrechtes angestellt hat, ohne eine Verbindung herzustellen. Die analoge Anwendung des § 844 Abs.l bietet die Möglichkeit, die bisher konträren Ansichten zusammenzuführen und zu harmonisieren. Für eine analoge Anwendung des § 844 Abs. 1 fehlt es an sich an einer "planwidrigen" Regelungslücke, da der Gesetzgeber bewußt auf eine allgemeine Regelung zum Drittschadensersatz verzichtet hat. Indes liegt in der Ermächtigung des Gesetzgebers zur freien Rechtsfortbildung erst recht die Befugnis zur Bildung einer Rechtsanalogie begründet. Ebenfalls gegeben ist die für die analoge Anwendung des § 844 Abs. 1 erforderliche vergleichbare Interessenlage. Die Vorschriften der §§ 844-846 bezwecken, in den Fällen der Tötung, der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung, in denen die genannten Schäden, wie zum Beispiel im Falle des § 844 Abs. 1 die Beerdigungskosten, typischerweise nicht den Verletzten, sondern einen mit diesem in enger Verbindung stehenden Dritten treffen, eine unbillige Privilegierung des Schädigers zu vermeiden. 326 Dieser könnte sich nach dem deliktsrechtlichen Enumerativprinzip gegenüber dem geschädigten Dritten darauf berufen, daß er ihm gegenüber 324 BGHZ 7, 30 (34), unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts. Ebenso Boujong, in: RGRK, § 844, Rdnr. 7; Kollhosser, AcP 1966, 277 (279); Schäfer, in: Staudinger, § 844, Rdnr. 4; Stein, in: Münchener Kommentar, § 844, Rdnr. 3. 325 S. o. § 27 III 1. 326 Die Motive, Band 11, S. 775, lauten wie folgt: "Der Entwurf hat sich diesen letzteren Gesetzgebungen angeschlossen. da die betreffende Vorschrift in hohem Grade die Billigkeit für sich hat." Entsprechend Schäfer, in: Staudinger. § 845, Rdnr. 1; Stein, in: Münchener Kommentar, § 844, Rdnr. 2.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
keine der in § 823 Abs. 1 abschließend aufgezählten Rechtsgüter verletzt hat. Der verletzte Gläubiger hat diesbezüglich hingegen keinen Schaden erlitten und ist gehindert, einen Drittschaden geltend zu machen. Dieser sogenannte Grundsatz vom Gläubigerinteresse wird in den Fällen der §§ 844-846 zugunsten des geschädigten Dritten durchbrochen?27 In den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung besteht eine vergleichbare Interessenlage. Wie in den in § 844 Abs. 1 geregelten Fällen treffen die Folgen einer deliktsrechtlichen Schädigung ausnahmsweise nicht den Inhaber des Rechtsguts, sondern einen Dritten. Mit den Worten der Drittschadensliquidation gesprochen handelt es sich in beiden Fällen um eine "zufällige Schadensverlagerung". Um zu verhindern, daß der Schädiger hieraus einen unbilligen Vorteil zieht, ist eine Ausgleichsregelung im Wege des Drittschadensersatzes sach- und interessengerecht. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 844 Abs. 1 sind damit erfüllt. Die Rechtsanalogie zu § 844 Abs. 1 tritt an die Stelle der bisherigen Drittschadensliquidation. Deren drei bisherige Voraussetzungen werden durch das Merkmal der obligatorischen Gefahrentlastung, des Auseinanderfallens von Gefahrtragung und Eigentumslage, konkretisiert. Dies hat eine weitere wichtige Korrektur der Drittschadensliquidation zur Folge. Die Berechtigung zum Drittschadensersatz ist nun nicht mehr an die Voraussetzung geknüpft, daß dem Dritten keine anderweitigen Anspruchsgrundlagen gegen den Schädiger, insbesondere aus Vertrag, zustehen. Da es sich bei § 844 Abs. 1 um eine rein deliktsrechtliche Regelung handelt, besteht Anspruchskonkurrenz gegenüber vertraglichen Ausgleichsregelungen. 328 Dies hat insbesondere Auswirkungen für die Abgrenzung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter?29 b) Rechts/olge bei der Berechtigung zum Drittschadensersatz Überträgt man die bisherigen Ergebnisse auf den Ausgangsfall, so steht dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer ein originärer deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch analog §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1 zu. Daraus ergeben sich bezüglich der Rechtsfolge zwei wesentliche Unterschiede gegenüber der Drittschadensliquidation nach ihrem bisherigen Ver327 BGHZ 7, 30 (33); Boujong, in: RGRK, § 844, Rdnr. 2; Schäfer, in: Staudinger, § 844, Rdnr. 3; Stein, in: Münchener Kommentar, § 844, Rdnr. 1. 328 Die Drittschadensliquidation kommt exakt zu der gegenteiligen Auffassung, indem sie deliktsrechtliche Ausgleichsansprüche bei der soeben genannten Voraussetzung unberücksichtigt lassen will. Auf diese Besonderheit wird bei den Obhutsfallen zurückzukommen sein, da die Anspruchskonkurrenz hier regelmäßig zum Tragen kommt, s. u. § 39. 329 Darauf ist an späterer Stelle noch im einzelnen einzugehen, s. u. § 29 VII.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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ständnis. Die Berechtigung zum Drittschadensersatz beschränkt sich zum einen auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen. Die sich daran anschließende Frage, wie die dem Gläubiger zustehenden Drittschadensersatzansprüche auf den Dritten überzuleiten sind, stellt sich hingegen nicht mehr, da § 844 Abs. 1 dem geschädigten Dritten einen originären Schadensersatzanspruch gewährt. Der Gesetzgeber hat die Beantwortung der Frage nach dem Übertragungsmechanismus vorweggenommen, indem er dem Dritten einen originären Drittschadensersatzanspruch gewährt. Reflexartig entfällt damit auch in den vorliegenden Fällen die umständliche Abtretungsregelung analog § 281 bzw. eine Legalzession gemäß § 426 Abs. 2 S. 1. Im Kern handelt es sich aber weiterhin um einen vom Gläubiger abgeleiteten Schadensersatzanspruch, weshalb bei dem Tatbestand der unerlaubten Handlung auf die Person des Gläubigers und nicht des Dritten abzustellen ist. 330 3. Beschränkung der Berechtigung zur Drittschadensliquidation auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen und Überleitung gemäß § 426 Abs. 2 S. 1
Alternativ zu der soeben vorgeschlagenen Reform des Drittschadensersatzrechts besteht für die Anhänger der Drittschadensliquidation die Möglichkeit, an der Berechtigung des Gläubigers zur Liquidation des Drittschadens festzuhalten. In diesem Falle ist aber aufgrund der bisherigen Untersuchung anzuregen, die Berechtigung zum Drittschadensersatz auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen zu beschränken. Durch den methodischen Ansatz im Drittschadensersatzrecht, den die Drittschadensliquidation bei der Lösung der vorliegenden Fallgruppe wählt, hat sie gegenüber der Lehre vom normativen Schaden den entscheidenden Vorteil, daß sie sich auf eine Legitimation des Gesetzgebers zur freien Rechtsfortbildung stützen kann. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben für die Beantwortung der Frage, welche Anspruchsgrundlagen zum Drittschadensersatz berechtigen. Dies eröffnet die Tür für neue Reformansätze, da sich die Drittschadensliquidation bisher nicht mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Beschränkt man die Berechtigung zur Drittschadensliquidation auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen, so kann man zwei Kritikpunkte ausräumen, die an der Drittschadensliquidation geübt worden sind. Die Drittschadensliquidation steht dann nicht mehr in Konkurrenz zum Rechtsinsti330 Vor diesem Hintergrund leuchtet es ein, weshalb § 846 für die Frage des Mitverschuldens auf die Person des Verletzten abstellt und eine entsprechende Anwendung des § 254 anordnet. Auf die analoge Anwendung des § 846 in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung ist an späterer Stelle gesondert einzugehen, s. u. § 29 VI.
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
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tut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und ebensowenig im Wertungs widerspruch mit den deliktsrechtlichen Vorschriften. Ebenso wie bei der Lehre vom normativen Schaden besteht auch bei der Drittschadensliquidation die Möglichkeit, die Nachteile des Abtretungserfordernisses durch eine Anwendung des § 426 Abs. 2 oder anderer Vorschriften über den gesetzlichen Forderungsübergang zu vermeiden. Es ergeben sich diesbezüglich keine Abweichungen gegenüber einer Reform der Lehre vom normativen Schaden. Folgt man der im ersten Teil der Arbeit entwikkelten Gesamtschuldkonzeption, so korrespondiert die Berechtigung des Gläubigers zur Drittschadensliquidation mit einer Gesamtschuldsituation. Der Schuldner ist dem Gläubiger aus Delikt zum Drittschadensersatz verpflichtet und inhaltsgleich haftet der Dritte dem Gläubiger aus Vertrag. Eine gleichstufige Haftung ist nicht erforderlich. Während die Drittschadensliquidation mithin die Frage nach der Berechtigung zum Drittschadensersatz beantwortet, regeln die Vorschriften über die Gesamtschuld den Forderungsübergang der Drittschadensersatzansprüche. Abschließend wird vorgeschlagen, bei der Drittschadensliquidation auf eine Anwendung des § 404 zu verzichten. Wegen der nachweislich unterschiedlichen Interessenlage zwischen den gesetzlich geregelten Fällen des Schadensersatzes und den gesetzlich nicht geregelten Fällen des Drittschadensersatzes sind die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 404 nicht erfüllt. 331 Macht man sich diese drei Vorschläge zu einer Weiterentwicklung der Drittschadensliquidation zu eigen, lassen sich fast sämtliche Kritikpunkte, die an der Drittschadensliquidation entwickelt worden sind, ausräumen. Es handelt sich dann bei der Drittschadensliquidation um eine rein deliktsrechtliche Lösung, die von ihrer Struktur her an die bestehenden Vorschriften zum Drittschadensersatz im Deliktsrecht, §§ 844-846, erinnert. Unterschiede bestehen allein hinsichtlich des Übertragungsmechanismusses der Drittschadensersatzansprüche. Während die Vorschriften der §§ 844-846 dem Dritten einen originären Schadensersatzanspruch zubilligen, bedarf es im Rahmen der Drittschadensliquidation eines Forderungsüberganges gemäß § 426 Abs. 2 S. 1. Beiden Lösungsvorschlägen gemeinsam ist aber der Umstand, daß sich die Berechtigung zum Drittschadensersatz auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen beschränkt. Im Ergebnis gelangt man daher auch bei einer Weiterentwicklung der Drittschadensliquidation zu einer analogen Anwendung des § 844 Abs. 1. Die direkte Anknüpfung an diese Vorschrift erscheint mithin als der geeignetere Lösungsweg im Vergleich mit der Drittschadensliquidation, die sich quasi im rechtsfreien Raum bewegt, losgelöst von sämtlichen gesetzlichen Vorgaben. Gegenüber 331
s. o. § 27 VI.
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einer Beibehaltung der Drittschadensliquidation hat die Lösung analog § 844 Abs. 1 den weiteren praktischen Vorteil, daß sie dem geschädigten Dritten, dem Zweitunternehmer, ohne zeitliche Verzögerung einen Schadensersatzanspruch zuspricht. Dieser ist nicht gezwungen, zunächst gegenüber dem Gläubiger, dem Bauherrn, seiner Nachbesserungspflicht nachzukommen, bevor er gegen den Schuldner, den Erstunternehmer, vorgehen kann. Eine unangemessene Verknüpfung des deliktsrechtlichen Schuldverhältnisses zwischen Erst- und Zweitunternehmer mit dem vertraglichen Schuldverhältnis zwischen Bauherrn und Zweitunternehmer wird vermieden. Im folgenden wird daher dieser Lösungsweg weiter verfolgt. V. Ergebnis Der hier entwickelte methodische Ansatz, die Probleme in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung durch eine Anpassung des Eigentums an die Gefahrtragung zu lösen, läßt sich nach geltendem Recht nicht verwirklichen. Es besteht aber de lege lata die Möglichkeit, die bisherigen Lösungswege der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation weiterzuentwickeln. Beide Lösungen haben die Möglichkeit, durch eine direkte oder zumindest analoge Anwendung des § 426 Abs. 2 S. I die Nachteile eines Abtretungserfordernisses zu vermeiden. Darüber hinaus vermag die Drittschadensliquidation der an ihr geübten Kritik nahezu gänzlich aus dem Wege zu gehen, indem sie die Berechtigung zum Drittschadensersatz auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen beschränkt und des weiteren auf eine Anwendung des § 404 verzichtet. In methodischer Hinsicht läuft dies auf eine analoge Anwendung der §§ 844-846 hinaus, den geltenden Bestimmungen zum Drittschadensersatz im BGB.
§ 29 Vorteile eines originären deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs des geschädigten Dritten analog §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1 im Vergleich mit den bisherigen Lösungen Die hier vorgeschlagene Lösung in Form einer Drittschadensregulierung analog § 844 Abs. 1 muß sich fragen lassen, ob sie geeignet ist, die Kritikpunkte auszuräumen, die anband der konventionellen Lösungswege entwikkelt worden sind. I. Methodischer Lösungsansatz Indem die hier entwickelte Lösung methodisch im Drittschadensersatzrecht ansetzt, unterliegt sie derselben Kritik, die an der Drittschadensliqui-
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
dation geäußert worden ist. Es ist aber gezeigt worden, daß der methodische Ansatz, die Probleme in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung durch eine Anpassung der Eigentumsverhältnisse an die Gefahrtragung zu lösen, sich nach geltendem Recht nicht realisieren läßt. Auf dieser Ebene bleibt als Anknüpfungspunkt nur eine Drittschadensersatzregelung. Gleichwohl führt die hier vorgeschlagene Lösung im Ergebnis zu denselben Konsequenzen. Es handelt sich bei der Analogie zu § 844 Abs. 1 um eine rein deliktsrechtliche Lösung im Verhältnis zwischen dem Zweitunternehmer, der die Gefahr trägt, aber "zufalligerweise" nicht mehr Eigentümer ist, und dem Erstunternehmer als Schädiger. Kein anderes Ergebnis wäre im Wege einer teleologischen Reduktion der §§ 946 ff., 93 ff. erzielt worden. Damit zeigt sich, daß es sich bei den vorliegenden Fällen nicht um Regreßralle im Dreiecksverhältnis handelt, die nach der Vorstellung der Drittschadensliquidation durch einen Zessionsregreß analog § 281 abzuwickeln sind, sondern um Fälle einer unerlaubten Handlung im Zwei-Personen-Verhältnis. Der Unterschied zur Drittschadensliquidation liegt darin begründet, daß dem Gläubiger, dem Bauherm, nach der hier entwickelten Lösung kein Drittschadensersatzanspruch mehr zusteht, sondern dem geschädigten Zweitunternehmer ein originärer Schadensersatzanspruch zugesprochen wird. Der Gläubiger scheidet aus dem Dreiecksverhältnis aus. Die bisherigen Regreßprobleme reduzieren sich auf eine deliktsrechtliche Schadensabwicklung. ß. Ersatz für Folgeschäden Bezüglich der Abwicklung von Folgeschäden sei noch einmal an die oben entwickelte Abwandlung des Ausgangsfalles erinnert: Der Zweitunternehmer muß einen Sachverständigen beauftragen, um gegen den Erstunternehmer als Schadensverursacher vorgehen zu können. Kann der Zwei tuntemehmer die Kosten des Sachverständigen als typischen Folgeschaden vom Erstunternehmer ersetzt verlangen?
Nach der hier vorgeschlagenen Lösung steht dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch analog §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1 zu. Dabei ist bisher offengeblieben, in welchem Umfang der deliktsrechtliche Schadensersatzanspruch besteht. Die Vorschriften der §§ 844, 845 beschränken die Schadensersatzpflicht auf Beerdigungskosten, Unterhaltsansprüche und Ansprüche wegen entgangener Dienste. Wendet man § 844 Abs. 1 aber analog auf die Fälle der Eigentumsverletzung an, so entfallt diese Schranke der §§ 844, 845. Es ist dann sachgerecht, im haftungsausfüllenden Tatbestand an die Stelle des Merkmals Beerdigungskosten etc. das Tatbestandsmerkmal "Kosten der Eigentumsverletzung" bzw. schlicht "Schaden" zu setzen. Zumindest sind insoweit die Voraussetzungen für eine zweite Analogie gegeben. Die Lücke
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ergibt sich aus dem gesetzgeberischen Auftrag zur Rechtsfortbildung. Die vergleichbare Interessenlage leitet sich aus folgender Überlegung ab: Die Vorschriften der §§ 844, 845 erstrecken die Schadensersatzpflicht auf Drittschäden, die typischerweise nicht den Geschädigten, sondern den Dritten treffen. In den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung treffen typischerweise sämtliche Schäden, insbesondere Folgeschäden,332 denjenigen, der die Gefahr trägt. Die Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. I S. 1 trifft keine Einschränkung. Demzufolge gelten in diesen Fällen für den Drittschadensersatz analog § 844 Abs. 1 die Regelungen der §§ 249 ff. uneingeschränkt. Der Dritte kann den Schaden, den er erlitten hat, gemäß den allgemeinen Schadensersatzregelungen uneingeschränkt geltend machen. Der tiefere Grund hierfür ist darin zu sehen, daß es der Sache nach nicht um eine Drittschadensersatzregelung geht, sondern um die Regulierung eines Schadens, den der Dritte als Eigentümer seiner Werkleistung klammert man die Vorschriften der §§ 946 ff., 93 ff. aus - und damit als Gläubiger eines deliktsrechtlichen Anspruchs erlitten hat. Wendet man die Vorschriften der § § 249 ff. uneingeschränkt auch auf den Drittschadensersatzanspruch analog § 844 Abs. 1 an, so umfaßt der Schadensersatz, den der Erstunternehmer in der Abwandlung des Ausgangsfalles gemäß § 249 S. 2 zu leisten hat, unstreitig auch die Kosten für ein Sachverständigengutachten, das zur Geltendmachung des Anspruchs erforderlich ist. 333 Die vorliegende Lösung geWährleistet demzufolge eine zufriedenstellende Abwicklung von Folgeschäden. Es besteht im Ergebnis kein Unterschied zur Drittschadensliquidation, die den Drittschadensersatz ebenfalls uneingeschränkt gewährt, soweit nur eine "zufällige" Schadensverlagerung vorliegt.
Irr. Originärer Schadensersatzanspruch Nach der hier entwickelten Lösung hat der Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch analog §§ 823 Abs. I, 844 Abs. 1. Die Frage nach einem Regreßanspruch des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer aus abgetretenem Recht des Bauherrn stellt sich deshalb nicht mehr. In der Folge ist der Zweitunternehmer auch nicht mehr den unnötigen Nachteilen einer Abtretung ausgesetzt. Er kann direkt gegen den Erstunternehmer vorgehen, ohne zuvor vom Bauherrn die Abtretung verlangen zu müssen. Diese Lösung erweist sich als praxisgerecht.
s. o. § 26 11. BGH NJW 1989,953 (956); Grunsky, in: Münchener Kommentar, Vor. § 249, Rdnr. 67, § 249, Rdnr. 21; Heinrichs, in: Palandt, § 249, Rdnr. 22; Mertens, in: Soergel, § 249, Rdnr. 60; Schiemann, in: Staudinger, § 249, Rdnr. 231. 332 333
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
An dieser Stelle besteht zugleich Gelegenheit, die Kritik, die in diesem Zusammenhang an der Lehre vom normativen Schaden und an der Drittschadensliquidation geübt worden ist, noch einmal zu verdeutlichen. Anhand der vorliegenden Lösung kann veranschaulicht werden,· daß durch das Abtretungserfordernis analog § 281 zwei unabhängige Schuldverhältnisse in unzulässiger Weise miteinander verknüpft werden. Es handelt sich dabei zum einen um das deliktsrechtliche Schuldverhältnis zwischen Erstund Zweitunternehmer und zum anderen um das werkvertragliche Schuldverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer. Indem die Geltendmachung der deliktsrechtlichen Ansprüche des Zweitunternehmers analog § 281 von der vorherigen Abtretung durch den Bauherrn abhängig gemacht wird, erhält der Bauherr ein unberechtigtes und auch unnötiges zusätzliches Druckmittel gegen den Zweitunternehmer. Dieser ist daher zunächst gezwungen, die vom Erstunternehmer verursachten Mängel nachzubessern, bevor der Bauherr die Abtretung erklären wird und der Zweitunternehmer aus seinen deliktsrechtlichen Ansprüchen gegen den Erstunternehmer vorgehen kann. Diese unzulässige Verknüpfung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer mit dem deliktsrechtlichen Schuldverhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer kann auch durch die im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation vorgeschlagene Anwendung des § 426 Abs. 2 S. 1 nicht gänzlich überwunden werden. Zwar wird gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 eine Abtretungserklärung des Bauherrn entbehrlich, gleichwohl tritt der gesetzliche Forderungsübergang ebenfalls erst in dem Moment ein, in dem der Zweitunternehmer die von ihm geschuldete Leistung an den Bauherrn erbringt. Auch bei dieser Lösung bleibt unberücksichtigt, daß das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer durch das Fehlverhalten des Erstunternehmers unberührt bleibt und gleichsam nur von vorn beginnt. Die Folgen des Fehlverhaltens auf Seiten des Erstunternehmers treffen allein den Zweitunternehmer. Es liegt schlicht ein Fall einer deliktsrechtlichen Schädigung im Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer vor! Diese deliktsrechtliche Lösung kann anband einer einfachen Abwandlung des Ausgangsfalles noch näher veranschaulicht werden: Wie ist der Ausgangsfall zu entscheiden, wenn der Erstunternehmer die Fenster des Zweitunternehmers kurz vor der endgültigen Verbindung mit dem Mauerwerk beschädigt? In diesem Fall hat der Zweitunternehmer sein Eigentum an den Fenstern noch nicht gemäß den §§ 946 ff., 93 ff. an den Bauherrn verloren. Folgerichtig wäre dem Zweitunternehmer ein eigener deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Erstunternehmer zuzusprechen. Warum soll die Ausgestaltung des Regreßweges gegen den Erstunternehmer aber von der
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aus dessen Sicht zufälligen Eigentumsverteilung der §§ 946 ff., 93 ff. abhängen?334 Warum soll der Erstunternehmer im Ausgangsfall einen Vorteil aus dem Umstand ziehen, daß der Zweitunternehmer sein Eigentum an den Werkstoffen bereits verloren hat? Die Vorschriften der §§ 946 ff., 93 ff. rechtfertigen nach ihrem Sinn und Zweck keine unterschiedliche Ausgestaltung des Regreßweges. Eine solche Unterscheidung setzt sich vielmehr dem Vorwurf der Willkür aus. Dieser Vorwurf wird ebenfalls durch die hier entwickelte Lösung ausgeräumt, indem im Ergebnis die Eigentumsvorschriften der §§ 946 ff., 93 ff. der Gefahrtragung angepaßt werden. Der Zweitunternehmer hat nun in allen Fällen gegen den Erstunternehmer einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch, der ihn nicht den Nachteilen eines Abtretungserfordernisses aussetzt. IV. Versagung vertraglicher Schadensersatzansprüche
Die Lösung analog § 844 Abs. 1 gewährt dem Zweitunternehmer keinen vertraglichen, sondern allein einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Erstunternehmer. Dies hat insbesondere Bedeutung für die unterschiedliche Gehilfenhaftung im Vertrags- und im Deliktsrecht. Während der Erstunternehmer sich auf der Ebene der deliktsrechtlichen Haftung gemäß § 831 Abs. 1 S. 2 für ein Fehlverhalten seiner Verrichtungsgehilfen ggf. exkulpieren kann, ist diese Möglichkeit auf der Ebene der vertraglichen Gehilfenhaftung gemäß § 278 ausgeschlossen. Es stellt sich daher die Frage, ob der Erstunternehmer auf der Grundlage der neuen Lösung nicht einen unberechtigten Vorteil aus der Gefahrtragungsregel des § 644 zieht, indem er für Gehilfen nur noch unter den Voraussetzungen des § 831 einzustehen hat. Erneut muß aber darauf hingewiesen werden, daß die Schädigung des Erstunternehmers aufgrund der Wertung des § 644 allein den Zweitunternehmer trifft, nicht den Bauherm. Aus diesem Grunde kann sich der Zweitunternehmer nicht auf die Vorschrift des § 278 berufen. § 278 setzt ein pflichtenbegründendes Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten voraus, das eine gesteigerte Gehilfenhaftung zu rechtfertigen vermag. Ein solches Schuldverhältnis liegt zwischen Erst- und Zweitunternehmer nicht vor. Die Plausibilität dieses Ergebnisses kann anhand der soeben gebildeten Abwandlung des Ausgangsfalles erläutert werden: Wie ist der Ausgangsfall zu beurteilen, wenn der Zweitunternehmer das Eigentum an den Fenstern noch nicht gemäß den §§ 946 ff., 93 ff. verloren hat? 334 Diese Kritik hat auch schon Junker, Wirtschaftliches Eigentum, AcP 1993, 349 (351, 358 f.), geübt. Seine deliktsrechtliche Lösung über die Rechtsfigur des "wirtschaftlichen Eigentums" hilft jedoch in den Fällen des § 644 nicht weiter, s. o. § 25 I 3.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Auch in diesem Fall steht dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer allein ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu. Warum soll aber in den Fällen, in denen der Zweitunternehmer bereits sein Eigentum an den Fenstern verloren hat, neben den deliktsrechtlichen ein idealiter konkurrierender vertraglicher Schadensersatzanspruch treten?335 Auch hier findet sich keine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Ausgestaltung des Regreßweges in Abhängigkeit von der zufälligen Eigentumsveiteilung. 336 Darüber hinaus ist auch der Umstand, daß den Bauherrn mit dem Schädiger in Person des Erstunternehmers ein Schuldverhältnis verbindet, aus der Sicht des Zweitunternehmers eher zufälliger Natur. Die Fälle der Schädigung durch einen Außenstehenden stellen sich aus der Sicht des Zweitunternehmers nicht anders dar. In diesen Fällen ist jedoch ebenfalls eine vertragliche Haftung des Schädigers ausgeschlossen. Es gilt daher auch hier, daß dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer als einheitlicher Ausgleichsweg lediglich ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zusteht. Dieses Ergebnis stimmt zudem mit dem eingangs dargestellten Grundprinzip überein, demzufolge eine vertragliche Schadensabwicklung nur in den jeweiligen Vertragsverhältnissen erfolgen kann. Mangels eines solchen Vertragsverhältnisses zwischen Erst- und Zweitunternehmer besteht in ihrem Verhältnis lediglich eine deliktsrechtliche Haftung. V. Berücksichtigung der DitTerenzhypothese
Der Meinungsstreit zwischen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation um die normative Einschränkung der Differenzhypothese bei der Berechnung des dem Bauherrn entstandenen Schadens verliert durch die hier vorgeschlagene Lösung seine Bedeutung. Bei den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung handelt es sich im Ergebnis um Fälle einer deliktsrechtlichen Eigentumsverletzung im Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer?37 Die Frage nach einer Berechnung des dem Bauherrn entstandenen Schadens stellt sich damit nicht mehr.
335 Man könnte antworten, dies sei ein gerechter Ausgleich für den Eigentumsverlust. Der Eigentumsverlust wird aber bereits durch die Regelung des § 951 ausgeglichen. 336 Diese Ungerechtigkeit soll zum Teil dadurch vermieden werden, daß deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche bei der Drittschadensliquidation unbeachtet bleiben, so daß dem Dritten stets ein derivativer vertraglicher Schadensersatzanspruch zugesprochen wird, auch dann, wenn er bereits Inhaber eines originären deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist. Da diese Rechtsprechung aber im wesentlichen die sogenannte Fallgruppe der Obhutsfälle betrifft, ist sie gesondert im dritten Teil der Arbeit zu untersuchen, s. u. § 39. 337 S. o. § 26 III 2 c.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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VI. Vermeidung unberechtigter vertraglicher Einreden
Die hier entwickelte Lösung gewährleistet, daß der Erstunternehmer dem Zweitunternehmer keine Einreden aus seinem Vertragsverhältnis mit dem Bauherrn entgegenhalten kann. Da der Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer bereits aus eigenem Recht ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zusteht, bedarf es keiner Abtretung mehr. Folglich kommt auch die Vorschrift des § 404 nicht mehr zur Geltung. Zu denken wäre allenfalls an eine analoge Anwendung des § 846 als lex specialis im Drittschadensersatzrecht. Hat in den Fällen der §§ 844, 845 bei der Entstehung des Schadens, den der Dritte erleidet, ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden nach dieser Vorschrift auf den Anspruch des Dritten die Vorschriften des § 254 Anwendung. Für die Frage des Mitverschuldens ist daher nicht auf die Person des Dritten, sondern des Verletzten abzustellen. Der Dritte muß sich ein Mitverschulden des Verletzten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. § 846 trägt dem Umstand Rechnung, daß die deliktsrechtliche Schädigung im Verhältnis zwischen Schädiger und Verletzten erfolgt und daher beim Mitverschulden auf diese Beziehung abzustellen ist. Zwar gewährt § 844 Abs. 1 dem geschädigten Dritten einen originären deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch, im Kern handelt es sich aber um einen übergeleiteten Schadensersatzanspruch des verletzten Gläubigers, der ausnahmsweise zum Drittschadensersatz berechtigt. 338 Die Regelung des § 846 korrespondiert mit der Vorschrift des § 404. Der Unterschied liegt allein darin begründet, daß der Gesetzgeber sich bei § 844 Abs. 1 dazu gezwungen sah, die Abtretung des Anspruchs gleichsam durch eine Fiktion bereits in den gesetzlichen Tatbestand zu integrieren, da im Falle der Tötung kein Gläubiger und damit kein Anspruchsinhaber mehr existiert.
Vor diesem Hintergrund kommt in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung eine analoge Anwendung des § 846 nicht in Betracht. Denn hier ist nach der Interessenlage nicht der Bauherr als der deliktsrechtlich Verletzte anzusehen, sondern der Zweitunternehmer. Der Sache nach handelt es sich nicht um einen derivativen, sondern um einen originären Schadenser338 Trotz der Selbständigkeit der Ersatzansprüche aus den §§ 844, 845 sind diese daher so anzusehen, als ob der unmittelbar Verletzte der Rechtsvorgänger der ersatzberechtigten Dritten sei, Boujong, in: RGRK, § 846, Rdnr. 1; Schäfer, in: Staudinger, § 846, Rdnr. 2. Der Dritte muß sich analog § 846 sämtliche Einreden aus dem Verhältnis zwischen dem Verletzten und dem Schädiger entgegenhalten lassen, die vor der Verletzung dem Grunde nach gegeben waren, RGZ 65, 313 (316 f.); 117, 102 (104); Boujong, in: RGRK, § 844, Rdnr. 4; Schäfer, in: Staudinger, § 844, Rdnr. 19. Dagegen unterliegen nach der Verletzung die entstandenen Drittansprüche nicht mehr der Verfügung des unmittelbar Verletzten, Boujong, in: RGRK, § 844, Rdnr. 5; Schäfer, in: Staudinger, § 844, Rdnr. 25.
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satzanspruch des Zweitunternehmers als Gläubiger, der eben nur "zufälligerweise" nicht mehr Eigentümer seiner Werkleistung ist, obwohl er hierfür noch die Gefahr zu tragen hat. Der Erstunternehmer kann daher Einreden aus seinem Vertragsverhältnis mit dem Bauherrn dem Zweitunternehmer nicht analog § 846 entgegenhalten?39 Damit besteht zugleich Gelegenheit, die Abwandlung des Ausgangsfulles, die in diesem Zusammenhang erörtert worden ist,340 sachgerecht zu lösen. Es handelte sich um das Problem, ob der Erstunternehmer eine mit dem Bauherrn vereinbarte Haftungserleichterung auch dem Zweitunternehmer einredeweise entgegenhalten kann. Diese Frage ist aufgrund der hier entwickelten Lösung zu verneinen, da die Vorschrift des § 404 ebensowenig wie § 846 zur Anwendung kommt. Die Haftungsabrede zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer begründet keinen Vertrag zu Lasten Dritter. Sie behält zwar im Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer ihre Gültigkeit. Dem Zweitunternehmer dürfen hingegen keine Einreden aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer aufgedrängt werden. VII. Klares Abgrenzungsmodell des vertraglichen Drittschutzes vom deliktsrechtlichen Drittschadensersatz Die vorliegende Lösung braucht sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, in Konkurrenz zum Rechtsinstitut des drittschützenden Vertrages den vertraglichen Rechtsschutz auf außerhalb des Vertrages stehende Personen auszudehnen. Die Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter werden durch die hier entwickelte deliktsrechtliche Lösung nicht umgangen, da zwischen vertraglichen und gesetzlichen Schadensersatzansprüchen Anspruchskonkurrenz besteht. In der Folge ergeben sich auch keinerlei Abgrenzungsprobleme. Während das Rechtsinstitut des drittschützenden Vertrages allein die Frage nach dem Umfang vertraglicher Schadensersatzansprüche regelt, trifft die vorliegende Lösung lediglich eine deliktsrechtliche Regelung. Im Ergebnis spiegeln damit die Begrifflichkeiten der "zufälligen Schadensverlagerung" als Wesensmerkmal der Drittschadensliquidation einerseits und der "Schadenserweiterung" als Kennzeichen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nichts anderes wider als die Trennlinie zwischen Delikts- und Vertragsrecht. Der Schädiger sieht 339 Demgegenüber kommt § 846 im Rahmen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bei vergleichbaren Fallgestaltungen analog zur Anwendung, Boujong, in: RGRK, § 846, Rdnr. 5; Schäfer, in: Staudinger, § 846, Rdnr. 11. Es handelt sich hier der Rechtsnatur nach wohl eher um einen derivativen Schadensersatzanspruch. 340 S. o. § 27 VI.
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sich im Falle des deliktsrechtlichen Eingriffs stets nur mit einem Gläubiger konfrontiert, dem Inhaber des geschützten Rechtes. Wechselt der Inhaber des Rechts, was bei höchstpersönlichen Rechtsgütern nicht möglich ist,341 tritt eine "zufällige Schadensverlagerung" ein, ohne daß sich aber an der Höhe des Schadens etwas ändert. Denn der Schaden an dem geschützten Recht tritt unabhängig von dessen Inhaber ein. Gleiches gilt für Folgeschäden, bezüglich derer ebenfalls nur eine Veränderung in der Person des Anspruchsinhabers, nicht aber der Höhe nach eintritt?42 Während der Kreis der deliktsrechtlichen Gläubiger unbegrenzt ist, muß der Schuldner für den Fall, daß er eine Vertragspflichtverletzung begeht, lediglich mit einer Haftung gegenüber seinem Vertragspartner, dem Gläubiger, rechnen. Erweitert man diesen vertraglichen Pflichtenkreis auf dritte Personen, so besteht die Gefahr der Schadenshäufung, der Haftungskumulation. Diese Begriffe charakterisieren damit den Anwendungsbereich des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Im Gegensatz zu der bislang h. M. schließt der Begriff der "Haftungskumulation" aber nicht das gleichzeitige Vorliegen einer "Schadensverlagerung" aus. Was sich auf vertraglicher Ebene als Haftungskumulation, als eine Erweiterung der vertraglichen Haftung gegenüber Dritten erweist, stellt auf deliktsrechtlicher Ebene lediglich eine Schadensverlagerung dar, weil der Kreis der deliktsrechtlichen Gläubiger nicht auf die Zahl der Vertragspartner begrenzt ist. Es sind daher entgegen der h. M. durchaus Fälle denkbar, in denen sich der vertragliche Drittschutz und die Drittschadensliquidation überlagern. 343 Diese bilden die Schnittmenge im Anwendungsbereich der beiden Rechtsinstitute. Es besteht keine Exklusivität. 344 Das soeben gewonnene Ergebnis wird durch folgende Überlegung untermauert. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird dogmatisch 341 Traugott, S. 94, kommt daher im Ergebnis zutreffend zu der Faustformel, daß bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter des Dritten nur ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht komme. Soweit er den Anwendungsbereich des drittschützenden Vertrages femer dadurch kennzeichnen will, daß ihm die Fälle zuzuordnen seien, die ohne Beteiligung eines Dritten nicht denkbar sind (sogenannte ,,Fälle ohne Bezugspunkt"), kehrt er zu dem Kriterium der "zufalligen Schadensverlagerung" zurück. Denn Kennzeichen der "zufalligen Schadensverlagerung" ist es, daß der Fall ohne Beteiligung eines Dritten denkbar ist, die Schadensverlagerung aus Sicht des Schädigers eben rein zufallig eintritt. Die Bezeichnung "Fälle ohne Bezugspunkt" stellt damit nichts anderes als die Negation des Merkmals der "zufälligen Schadensverlagerung" dar. 342 S. o. § 26 II und § 27 11. 343 Zu einer derartigen Überlagerung kommt es in den Fällen des Versendungskaufs, s. u. § 37 II und III. 344 Insoweit ist der Ansicht von Söllner, JuS 1970, 159 (164), zuzustimmen, der seine vermittelnde Meinung auf die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Drittschadensliquidation vom Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zurückführt.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
auf den Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung gestützt. 345 Die Drittbegünstigung leitet sich aus dem Partei willen her, der individuell festzustellen ist. Demgegenüber stützt sich die Drittschadensliquidation auf anerkannte Fallgruppen, insbesondere die gesetzlich geregelten Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung. Überschneidungen sind daher unausweichlich, soweit in diesen Fällen zugleich eine Drittbegünstigung vertraglich vereinbart ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn man die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation in diesen Fällen verneinen will, weil dem Dritten ein eigener vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner zusteht. Die Drittschadensliquidation würde dann nur subsidiär gelten. Damit würden dann aber die begrifflichen Unschärfen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf die Drittschadensliquidation kolportiert. Das Exklusivitätsprinzip wäre teuer erkauft, um den Preis einer hohen Rechtsunsicherheit. Es sei hier nur an den viel zitierten Rauchrohröffnungsfall erinnert. 346 Daß die jahrzehntelangen Bemühungen um klare Begrifflichkeiten nicht zum Ziel geführt haben, mag für die hier entwikkelte Lösung sprechen, die derartige Abgrenzungsversuche entbehrlich macht. VllI. Ergebnis
Macht man sich die hier entwickelten Vorschläge zu einer Reform des Drittschadensersatzrechtes zu eigen, so steht dem Werkunternehmer in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung gegen den Schädiger ein originärer deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch analog §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1 zu. Mit einer solchen rein deliktsrechtlichen Lösung können fast sämtliche Kritikpunkte, die an der Lehre vom normativen Schaden und an der Drittschadensliquidation entwickelt worden sind, ausgeräumt werden. 347 Es verbleiben allein Bedenken hinsichtlich des methodischen Lösungsansat345 BOHZ 56, 269 (273); BOR NJW 1984, 355 (356); Heinrichs, in: Palandt, § 328, Rdnr. 14. 346 S. dazu die entsprechenden Anmerkungen in Fn. 304 f. 347 Auch der BOR könnte mit seiner deliktsrechtlichen Lösung, BOR NJW 1984, 2569 f., einige der hier entwickelten Kritikpunkte an der Lehre vom normativen Schaden und an der Drittschadensliquidation aufdecken und zufriedenstellend lösen. Insbesondere bräuchte sich der BOR nicht dem Vorwurf auszusetzen, zum Nachteil des Zweitunternehmers ein unnötiges Abtretungserfordernis zu postulieren. Diese Lösung versagt aber zwangsweise in den Fällen, in denen der Zweitunternehmer "unglücklicherweise" keinen Besitz mehr an seinem Werk ausübt. Dementsprechend mußte der BOR in seiner Entscheidung BOR NJW 1970, 38-41, auf die Lehre vom normativen Schaden bzw. die Drittschadensliquidation zurückgreifen und die Klage des Zweitunternehmers mangels erfolgter Abtretung zurückverweisen. Zu den daraus sich ergebenden Bedenken gegen die deliktsrechtliche Lösung des BOR s. o. § 25 I I.
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zes. Diesbezüglich ist aber nachgewiesen worden, daß der hier entwickelte Lösungsansatz, die Eigentumsverhältnisse der Gefahrtragung anzupassen, nach geltendem Recht nicht umgesetzt werden kann. Die verbleibenden Bedenken gegen die Einschränkung des Dogmas vom Gläubigerinteresse verlieren ihre Bedeutung, wenn man berücksichtigt, daß der Gesetzgeber eine solche Einschränkung ausdrücklich gebilligt hat.
§ 30 Neue Ansätze zur Kritik an der hier entwickelten Lösung Die hier vorgeschlagene Lösung hält den bisherigen Kritikpunkten stand. Gleichwohl bleibt zu untersuchen, ob sie nicht ihrerseits neue Ansatzpunkte zur Kritik bietet. I. Drittschadensregulierung durch den Dritten anstelle einer Drittschadensliquidation durch den Gläubiger
Indem man dem Dritten analog §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1 einen (Dritt-) Schadensersatzanspruch zuspricht, nimmt man dem Gläubiger die Möglichkeit, den Drittschaden im eigenen Namen zu liquidieren. Dies ist die Kehrseite eines originären (Dritt-)Schadensersatzanspruchs. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß der Gläubiger in der Regel ohnehin kein Interesse an einer Drittschadensliquidation hat. Warum soll er sich mit einem unnötigen Prozeß- und Insolvenzrisiko belasten, anstatt seine Drittschadensersatzansprüche an den Dritten abzutreten? So ist es in den in Rechtsprechung und Literatur erörterten Fällen stets der Dritte, nicht der Gläubiger, der den Schädiger in Anspruch nimmt. Unter diesem Blickwinkel wird die Möglichkeit der Drittschadensliquidation zum Hindernis, da es allzu oft an der analog § 281 erforderlichen Abtretung mangelt. Es besteht daher kein praktisches Bedürfnis für eine Drittschadensliquidation. Eine Schadensregulierung im Verhältnis zwischen dem Drittem und dem Schädiger entspricht eher den Interessen des Rechtsverkehrs. Der Regreßfall im Dreiecksverhältnis, verbunden mit einem doppelten Prozeß- und Insolvenzrisiko für den geschädigten Zweitunternehmer, reduziert sich auf eine deliktsrechtliche Schadensabwicklung zwischen Erst- und Zweitunternehmer, die das unnötige "Hin und Her" von Schaden und Drittschadensersatzanspruch vermeidet. 11. Unliebsame Gläubigermehrheiten
Durch die hier entwickelte Lösung sieht sich der Schädiger, der Erstunternehmer, unvermittels mit zwei Gläubigern konfrontiert. Neben den deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch des Bauherrn aus § 823 Abs. 1
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wegen einer Eigentumsverletzung tritt der Schadensersatzanspruch des Zweitunternehmers analog §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1. Hierdurch erleidet der Schädiger aber keinen Nachteil, da der Anspruch des Bauherrn aus § 823 Abs. 1 nur dem Grunde nach besteht. Denn der Bauherr hat selbst aufgrund der Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. 1 S. 1 keinen Schaden erlitten, für den er den Schädiger haftbar machen könnte. Eine Liquidation des Drittschadens ist ihm nach der Wertung des § 844 Abs. 1 verwehrt. Das Entstehen unliebsamer Gläubigermehrheiten ist ausgeschlossen. Ill. Durchbrechung des deliktsrechtlichen Enumerativprinzips
Gegen die analoge Anwendung des § 844 Abs. 1 könnte eingewandt werden, daß sie zu einer Durchbrechung des Enumerativprinzips führe. Der Zweitunternehmer erhalte einen originären deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch, obwohl weder sein Eigentum noch ein sonstiges Recht verletzt worden sei. Die Vorschrift des § 844 trifft aber keine Ausnahmeregelung zum Enumerativprinzip auf der Ebene des haftungsbegründenden Tatbestandes, sondern durchbricht auf der Ebene des haftungsausfüllenden Tatbestandes den Grundsatz vom Gläubigerinteresse. Demzufolge knüpft § 844 Abs. 1 an eine Rechtsverletzung auf Seiten des Gläubigers an, für die der Schuldner einem Dritten zum Schadensersatz verpflichtet ist. Veranschaulicht wird dies durch die folgende Überlegung: Das Enumerativprinzip soll den Schädiger vor unabsehbaren Schadensfolgen schützen, indem es die Verletzung eines absoluten Rechtes bzw. Rechtsgutes zur Voraussetzung macht. Die Eigentumsverletzung ist für den Erstunternehmer aber vorhersehbar und entsprechend durch eine Versicherung abzudecken. Unabsehbar mag allein die Person des Gläubigers sein, die von der Gefahrtragung im Innenverhältnis zwischen Bauherrn und Erstunternehmer abhängt. Diese Frage betrifft aber nicht mehr das Enumerativprinzip, sondern allein die oftmals ungewisse Identität des Anspruchsstellers. IV. Neue Willkür der Ergebnisse
Der hier entwickelten Lösung könnte entgegengehalten werden, daß sie zu willkürlichen Ergebnissen führe, indem sie beim deliktsrechtlichen Schadensausgleich analog § 844 Abs. 1 an die aus der Sicht des Erstunternehmers zufällige Gefahrtragung anknüpfe. Trägt der Zweitunternehmer noch die Gefahr, so haftet der Erstunternehmer für eine Eigentumsverletzung an dem Bauobjekt nur nach Deliktsrecht gegenüber dem Zweitunternehmer,
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während er nach Vertragsrecht gegenüber dem Bauherrn haftet, wenn die Gefahr bereits auf diesen übergegangen ist. Diese Unterscheidung könnte aus der Sicht des Erstunternehmers willkürlich erscheinen. Dagegen ist aber einzuwenden, daß sich die hier vorgeschlagene Lösung an der Wertentscheidung des § 644 orientiert, die der Gesetzgeber für die vorliegenden Fälle getroffen hat. Zudem besteht bei der durch die hier entwickelte Lösung hervorgerufenen Differenzierung zwischen vertraglicher und gesetzlicher Haftung des Erstunternehmers ein wesentlicher Unterschied zu den bisherigen Lösungen. Die differenzierte Haftung des Erstunternehmers hängt vom Anspruchssteller ab und ist damit sachlich gerechtfertigt. Die vertragliche Haftung gegenüber dem Bauherrn rührt aus dem bestehenden Werkvertrag her, während gegenüber dem Zweitunternehmer nur eine gesetzliche Haftung in Betracht kommt. Im Gegensatz dazu nehmen die bisherigen Lösungen ausschließlich im Verhältnis zwischen Erst- und Zweitunternehmer eine Differenzierung zwischen vertraglicher und gesetzlicher Haftung des Erstunternehmers vor, anstatt sich an den unterschiedlichen Anspruchsstellern zu orientieren. V. Haftungserweiterung zu Lasten des Erstunternehmers Die neue Lösung scheint auf den ersten Blick zu einer Haftungserweiterung auf Seiten des Erstunternehmers zu führen, indem dieser sowohl gegenüber seinem Vertragspartner, dem Bauherrn, als auch dem Zweitunternehmer gegenüber mit einer Haftung rechnen muß. Es erscheint unbillig, daß der Erstunternehmer auch für Folgeschäden in der Person des Zweitunternehmers haften muß, obwohl er mit diesem in keinerlei rechtsgeschäftlichem Kontakt steht. Dieser Vorwurf könnte insbesondere von den Vertretern der Lehre vom normativen Schaden erhoben werden. Die neue Lösung spiegelt aber lediglich die Wertungen des Gesetzes wider, indem sie eine deliktsrechtliche Haftung des Erstunternehmers gegenüber dem Zweitunternehmer vorsieht. Eine solche Haftung kann den Erstunternehmer gegenüber jedermann treffen, ohne daß ein rechtsgeschäftlicher Kontakt bestehen muß. Der Erstunternehmer muß damit rechnen, daß Fehler der Werkleistung zu einer deliktsrechtlichen Haftung führen, insbesondere gegenüber dem Zweitunternehmer. Es liegt daher keine Haftungserweiterung zu Lasten des Erstunternehmers vor. Im Gegenteil kommen durch die rein deliktsrechtliche Haftung des Erstunternehmers gegenüber dem Zweitunternehmer nunmehr die Vorzüge des Deliktsrechts für den Erstunternehmer voll zur Geltung. Es sei hier nur an die erleichterte Gehilfenhaftung des § 831 und die im Einzelfall gegenüber dem Vertragsrecht günstigere Verjährungsregelung des § 852 erinnert. Die hier vorgeschlagene Lösung gibt damit lediglich die Wertungen des Deliktsrechts wider.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
VI. Ergebnis
Der Darstellung zu den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht ist zunächst eine Failvariante zugrunde gelegt worden, bei der die Sachmängelhaftung des Zweitunternehmers gegenüber dem Bauherrn dadurch hervorgerufen wird, daß der Erstunternehmer das noch nicht abgenommene Werk des Zweitunternehmers unmittelbar beschädigt oder zerstört. Die eigentliche Ursache für die Probleme bei den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung ist in dem Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum zu suchen. Der Gesetzgeber hat übersehen, daß die Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 S. 1 auf schuldrechtlicher Ebene regelmäßig von den Eigentumsregeln der §§ 946 ff., 93 ff. auf dinglicher Ebene abweicht. Die Probleme, die sich daraus ergeben, können vermieden werden, indem man die Eigentumsverhältnisse der Gefahrtragung anpaßt. Da dies nach geltendem Recht nicht möglich ist, insbesondere nicht im Wege einer teleologischen Reduktion der §§ 946 ff., 93 ff. wird vorgeschlagen, das Rechtsgebiet des Drittschadensersatzes zu reformieren, indem man dem Dritten gegen den Schädiger einen originären deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch analog §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1 zuspricht. Diese Lösung spiegelt lediglich die Wertungen des Deliktsrechts wider und steht in Übereinstimmung mit dem eingangs dargestellten Grundprinzip. Zwischen Erst- und Zweitunternehmer besteht mangels eines Vertragsverhältnisses allein eine deliktsrechtliche Haftung. Es liegt ein Fall einer deliktsrechtlichen Schädigung des Zweitunternehmers durch den Erstunternehmer vor. Die Frage nach einem Regreß des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer wegen einer von diesem verursachten Haftung des Zweitunternehmers gegenüber dem Bauherrn stellt sich damit nicht mehr.
§ 31 Exkurs: Überlegungen de lege ferenda Nachdem sich herausgestellt hat, daß der hier entwickelte Lösungsansatz nach geltendem Recht nicht uneingeschränkt umgesetzt werden kann, ist zu untersuchen, ob der Gesetzgeber durch eine Gesetzesänderung zu einer sach- und interessengerechten Ausgleichsregelung gelangen kann. I. Anknüpfung an die Überlegungen der Schuldrechtskommission Weyers schlägt in seinem vorbereitenden Gutachten zur Überarbeitung des Schuldrechts folgende Änderung des § 644 Abs. 1 vor: 348
348 Weyers, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band 11, S. 1190.
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"Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Übergabe des Werkes oder, soweit diese ausgeschlossen ist, bis zu seiner Vollendung. In den Fällen des § 641 I 2349 geht die Gefahr hinsichtlich eines jeden Teils mit seiner Übergabe oder Vollendung über. Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die Gefahr auf ihn über."
Durch die Neufassung des § 644 Abs. 1 S. 1 soll der Begriff der Abnahme präzisiert werden, der bisher insbesondere bei nicht körperlichen Werkleistungen Probleme bereitet. An die Stelle der Abnahme tritt die Übergabe oder, soweit diese ausgeschlossen ist, die Vollendung des Werkes. 35o § 644 Abs. 1 S. 2 n. F. regelt die weitere Besonderheit, daß bei umfangreichen Werkleistungen, die teilbar sind, der Gefahrübergang nicht erst mit der Erbringung der gesamten Werkleistung eintritt, sondern stückweise mit der Übergabe bzw. Vollendung eines jeden Teils der Werkleistung. Dies macht die gesonderte Vereinbarung einer Teilabnahme, wie sie in der Praxis bei umfangreichen Werkleistungen üblich ist, entbehrlich. § 641 Abs. 1 S. 2 n.F., auf den § 644 Abs. I S. 2 n.F. verweist, korrespondiert mit dieser Regelung, indem er mit der Teilabnahme bereits eine entsprechende Vergütung fällig stellt. § 644 Abs. 1 S. 3 soll nach dem Vorschlag Weyers' unverändert bestehen bleiben. Die vorgeschlagene Neufassung des § 644 Abs. I läßt die grundsätzliche Verteilung der Gefahrtragung gemäß § 644 Abs. 1 S. 1 unberührt. Zwar hat Weyers eine Umschichtung der Gefahrtragung in Anlehnung an die Bestimmungen der §§ 7, 12 Nr. 6 VOB/B 351 in Erwägung gezogen; er hat sich im Ergebnis aber von dem im Zivilrecht sowohl für die außervertragliche Haftung als auch für die innervertragliche Risikoverteilung weithin praktizierten Grundsatz leiten lassen, daß derjenige ein Risiko tragen soll, der es besser beherrschen kann. 352 Der Unternehmer kann als Sachkundiger die mit der Erhaltung des Werks verbundenen Risiken in der Regel besser überblicken als der Besteller und sich hiergegen absichern. 353 Im übrigen ermuntern die Auslegungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit den §§ 7, 349 § 641 Abs. 1 S. 2 n. F. soll nach Weyers' Vorschlag wie folgt lauten: "Ist das Werk in Teilen herzustellen und die Vergütun~ für die einzelnen Teile bestimmt, so ist sie im Zweifel für jeden Teil bei dessen Ubergabe oder Vollendung zu entrichten." 350 Zustimmend gegenüber einer solchen Neukonzeption des Werkvertragsrechts äußern sich Teichmann, in: Verhandlungen des 55. Deutschen Juristentages, S. A 70ff.; Brandner, in: Verhandlungen des 55. Deutschen Juristentages, S. I 16 f., und Veelken, S. 104. Soergel, in: Verhandlungen des 55. Deutschen Juristentages, S. I 34 ff., will hingegen im wesentlichen an der derzeitigen Abnahmeregelung festhalten. 351 Auf die Besonderheiten der VOB/B wird im sechsten Kapitel gesondert eingegangen, s. u. § 35. 352 Weyers, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band I1I, S. 1155. Zustimmend Keilholz, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band I1I, S. 273.
254
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
12 Nr. 6 VOB/B nicht eben dazu, eine gesetzgeberische Definition der dort genannten Fallkonstellationen zu versuchen. 354 Die Schuldrechtskommission hat sich im Gegensatz zu Weyers nicht dazu durchringen können, vom Begriff der Abnahme in vollem Umfang Abschied zu nehmen. Gleichwohl schlägt auch sie vor, den Begriff der Abnahme in das zweite Glied zurückzudrängen und die Auffangvorschrift des § 646 zur Ausgangsbestimmung zu machen. § 640 n. F. bestimmt daher in Abs. 1, daß der Anspruch auf die Vergütung mit der Fertigstellung des Werkes fallig wird, es sei denn, daß gemäß Abs. 2 eine Abnahme vereinbart oder nach der Beschaffenheit des Werkes üblich ist. Daran anknüpfend schlägt die Schuldrechtskommission für die hier interessierende Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 folgende Neufassung vor: "Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zu dem in § 640 bestimmten Zeitpunkt. Bei einem Werk, das dem Besteller zu übergeben ist, geht die Gefahr mit der Übergabe auf den Besteller über. Der Übergabe steht es gleich, wenn der Besteller im Verzug der Annahme ist...355
Die Besonderheit gegenüber der von Weyers vorgeschlagenen Gesetzesreform liegt in der Regelung des Satzes 2. Bei abnahmepflichtigen Werken, die übergabefahig sind, wird der Gefahrübergang fortan auf den Zeitpunkt der Übergabe vorverlagert. Dies ist sachgerecht, weil nicht einzusehen ist, weshalb der zufallige Untergang der Werkleistung in diesen Fällen aufgrund der Sachnähe nicht den Besteller treffen soll?56 Da die Schuldrechtskommission aber im übrigen unverändert an der Gefahrverteilung des § 644 Abs. 1 S. 1 festhalten will, wird es auch dann, wenn sich die vorgeschlagenen Änderungen durchsetzen sollten, weiterhin zu den Problemfallen der obligatorischen Gefahrentlastung kommen, bei denen ein Dritter die Werkleistung vor ihrer Fertigstellung beschädigt oder zerstört. Um die dabei auftretenden Konflikte zu vermeiden, gilt es eine weitere Gesetzesänderung vorzunehmen.
11. Ergänzung des § 644 durch einen neuen Absatz 2 Es muß eine gesetzliche Regelung gefunden werden, die das unbeabsichtigte Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum vermeidet. Eine Anpassung der Gefahrtragung an die Eigentumsverhältnisse kommt dabei nicht in Betracht, da der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 644 Abs. 1 353 Weyers, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, S. 1I57. 354 Weyers, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, S. 1I57. 355 Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 265. 356 Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 267.
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
255
S. I bereits eine grundsätzliche Wertentscheidung getroffen hat, an der die Schuldrechtskommission mit guten Gründen festhalten will. Diese Regelung soll daher nicht in Frage gestellt werden. Damit verbleibt nur die Möglichkeit, die eigentumsrechtlichen Vorschriften der §§ 946 ff. der Gefahrtragungsregel des § 644 anzugleichen. Da es sich demnach um eine ergänzende Vorschrift zu den §§ 946 ff. handelt, läge es nahe, eine solche Vorschrift systematisch bei den §§ 946 ff. anzusiedeln. Andererseits hat der Gesetzgeber für die hier zu erörternden Problemfälle allein in der Vorschrift des § 644 eine Wertentscheidung getroffen hat. Er hat dabei übersehen, daß er eine von der Eigentumslage abweichende Gefahrtragungsregelung geschaffen hat. Die eigentliche Ursache für die Probleme liegt also in der unvollkommenen Regelung des § 644 und nicht in der Regelung der §§ 946 ff. begründet. Aus diesem Grunde soll nicht an die Vorschriften über das Eigentum, sondern an die Gefahrtragungsregelung des § 644 angeknüpft werden und diese Vorschrift im Sinne der hier entwickelten Lösung vervollständigt werden. Eine solche ergänzende Regelung ist für die Fälle erforderlich, bei denen ein Dritter die Gefahrtragung zwischen Besteller und Unternehmer auslöst. 357 Dementsprechend könnte ein ergänzender Absatz 2 in die Vorschrift des § 644 eingefügt werden. § 644 Abs. 2 n. F. könnte etwa wie folgt lauten: ,,(2) Ist der zufällige Untergang oder die zufällige Verschlechterung des Werkes auf das Verhalten eines Dritten zurückzuführen und fallen die Person des Werkeigentümers und diejenige, die die Gefahr trägt, auseinander, so gilt der Träger der Gefahr zugleich als Eigentümer des Werkes, soweit es untergegangen oder verschlechtert worden ist."
Der bisherige Abs. 2 des § 644 würde unverändert als Abs. 3 fortgelten. IH. Erläuterung des § 644 Abs. 2 n. F.
Zum besseren Verständnis der hier vorgeschlagenen Gesetzesänderung werden nachfolgend der Anwendungsbereich, die Voraussetzungen und die Rechtsfolge des § 644 Abs. 2 n. F. im einzelnen erläutert. 1. Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich des § 644 Abs. 2 n. F. ist durch die systematische Einordnung dieses neuen Absatzes bereits vorgegeben. Die Regelung des § 644 Abs. 2 n. F. gilt nach ihrer systematischen Stellung nicht nur für die allgemeine Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 S. 1, sondern auch für die in den Fällen des Annahmeverzugs des Bestellers abweichende beson351
Siehe dazu die obigen Überlegungen zur Problemursache unter § 28 II.
256
2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
dere Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. I S. 2. Auch in diesen Fällen, in denen die Gefahr vorzeitig auf den Besteller übergeht, ist ein Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum denkbar. Es handelt sich spiegelbildlich zu § 644 Abs. I S. I genau um die umgekehrten Fälle, bei denen die Gefahr gemäß § 644 Abs. I S. 2 vorzeitig auf den Besteller übergeht, ohne daß dieser gemäß den §§ 946 ff., 93 ff. bereits Eigentümer der Werkstoffe geworden ist. Während der Eigentumsübergang also in den Fällen des § 644 Abs. I S. I verfrüht erfolgt, tritt er in den Fällen des § 644 Abs. I S. 2 verspätet ein. In den zuletzt genannten Fällen trägt daher nicht der Unternehmer, sondern der Besteller die Gefahr, ohne aber Eigentümer des Werkes zu sein. Fraglich ist, ob auch in diesem umgekehrten Fall Probleme bei der Schadensabwicklung auftreten, wenn der Untergang oder die Verschlechterung des Werkes durch einen Dritten herbeigeführt wird. In diesen Fällen steht dem Zweitunternehmer gegen den Erstunternehmer dem Grunde nach ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. I zu. Der Zweitunternehmer erleidet jedoch wegen der Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. I S. 2 keinen Schaden. Der eigentliche Schaden trifft nicht den Zweitunternehmer, sondern den Bauherm, der wegen der Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. I S. 2 an den Zweitunternehmer die vereinbarte Vergütung zahlen muß, ohne die Nachbesserung des beschädigten Werkes verlangen zu können. Dem Bauherm steht kein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Erstunternehmer zu, weil er nicht Eigentümer des beschädigten Werkes ist. Auch hier bereitet also das Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum Probleme bei der Schadensabwicklung. Im Unterschied zu der allgemeinen Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. I S. I kommen diese Probleme bei der besonderen Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. I S. 2 in der Regel jedoch nicht zum Tragen, da dem Bauherm in diesen Fällen gegen den Erstunternehmer zumindest ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zusteht. Gleichwohl sind auch hier Fälle denkbar, in denen der Bauherr auf den deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch angewiesen ist, um den Schaden, den er erlitten hat, vom Erstunternehmer ersetzt verlangen zu können. Es sei hier nur an die unterschiedlichen Verjährungsregelungen im Vertrags- und im Deliktsrecht erinnert. Die dreijährige Verjährungsregelung des § 852 kann für den Bauherm im Einzelfall günstiger sein. Zudem muß auch an die Fälle gedacht werden, in denen die Gefahr durch einen außenstehenden Dritten verwirklicht wird. Diese Fälle sind zwar nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit, sie müssen aber berücksichtigt werden, soweit es darum geht, eine abstrakte Gefahrtragungsregelung im Werkvertragsrecht zu entwickeln. Wird die Gefahr durch einen außenstehenden Dritten herbeigeführt, so stehen dem Besteller nicht einmal vertragliche Schadensersatzansprüche zu. Er ist zwingend auf einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch angewiesen. Aus diesem Grunde muß das Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigen-
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
257
turn auch bei der Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 S. 2 vermieden werden. 358 Die Vorschrift des § 644 Abs. 2 n. F. gilt nicht nur für die allgemeine, sondern auch für die besondere Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1. Nach ihrer systematischen Stellung gilt die Regelung des § 644 Abs. 2 n.F. nicht für die Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 2 a.F. LV. m. § 447. Da die Vorschrift des § 644 Abs. 2 a.F. auf § 447 verweist, muß eine Lösung für diese Fälle im Kaufrecht gesucht werden?59 Desgleichen gilt die Regelung des § 644 Abs. 2 n. F. nicht für § 645. Dies ist damit zu erklären, daß die Ausnahmevorschrift des § 645 in den Fällen, in denen ein Dritter für den Untergang oder die Verschlechterung der Werkleistung zur Verantwortung gezogen werden kann, nach ihrem Sinn und Zweck ohnehin nicht zur Anwendung kommt. 360 Es bedarf daher keiner Ergänzung dieser Vorschrift im Sinne der hier entwickelten Lösung. Die Regelung des § 644 Abs. 2 n. F. gilt nur für die beiden Gefahrtragungsregeln des § 644 Abs. I, nicht hingegen für die Gefahrtragungsregeln des § 644 Abs. 2 a. F. und des § 645. Aus diesem Grunde ist es sachgerecht, die Vorschrift des § 644 durch einen neuen Absatz 2 zu ergänzen. Ein solcher Einschub entspricht den systematischen Anforderungen des Gesetzes. 2. Voraussetzungen
Die Vorschrift des § 644 Abs. 2 n. F. enthält zwei Voraussetzungen. Sie setzt zunächst voraus, daß ein Dritter die Gefahr verwirklicht hat. Durch diese Voraussetzung werden die Fälle ausgegrenzt, bei denen die Unmöglichkeit oder Verschlechterung des Werkes auf natürliche Gefahrenquellen zurückzuführen ist. In diesen Fällen bereitet das Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum bei der Schadensabwicklung keine Probleme, da es ohnehin niemanden gibt, der zum Schadensersatz herangezogen werden könnte. Es bedarf insoweit keiner ergänzenden Regelung zu § 644 Abs. 1. Die erste Voraussetzung des § 644 Abs. 2 n. F. stellt damit sicher, daß der Anwendungsbereich dieser Regelung nicht unnötig weit ausgedehnt wird. Die Vorschrift des § 644 Abs. 2 n. F. setzt des weiteren voraus, daß Gefahrtragung und Eigentum auseinanderfallen. Durch diese zweite Voraussetzung werden die Fälle ausgegrenzt, bei denen Gefahrtragung und Eigen358 Fälle, in denen die besondere Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. I S. 2 Probleme bei der Schadensabwicklung bereitet, sind bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur bekannt. 359 Dazu im dritten Teil der Arbeit, s. u. § 37. 360 S. o. § 24 I 2 b. 17 Slamm
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
turn bereits ohne die Regelung des § 644 Abs. 2 n. F. in einer Person zusammenfallen. Es sei hier beispielsweise an die Fälle gedacht, in denen der Bauunternehmer sein Eigentum an seinem Werk noch nicht durch Verbindung oder Verarbeitung verloren hat. In diesen Fällen bedarf es keiner ergänzenden Regelung des § 644 Abs. 1, um zu einer sachgerechten Schadensabwicklung zu gelangen. Es ist damit zu konstatieren, daß die beiden Voraussetzungen des § 644 Abs. 2 n. F. zunächst nur den Zweck erfüllen, den Anwendungsbereich der Regelung auf das notwendige Maß zu beschränken. Die Vorschrift könnte daher verkürzt auch wie folgt formuliert werden: "Wird das Werk verschlechtert oder unmöglich, so .....
Eine derartig verkürzte Fassung würde aber den eigentlichen Regelungsgehalt des § 644 Abs. 2 n. F. unnötig verschleiern. Sinn und Zweck der Regelung wären kaum mehr erkennbar. Aus diesem Grunde soll auf die beiden Voraussetzungen des § 644 Abs. 2 n. F. nicht verzichtet werden. Sie beschränken nicht nur den Anwendungsbereich des § 644 Abs. 2 n. F. auf das notwendige Maß, sondern dienen vor allem dem besseren Verständnis dieser Regelung. Die anfanglich gewählte Formulierung des § 644 Abs. 2 n. F. verdient daher den Vorzug vor einer verkürzten Fassung. 3. Rechtsfolge
Dienen die beiden Voraussetzungen des § 644 Abs. 2 n. F. im wesentlichen dem besseren Verständnis, so liegt die eigentliche Bedeutung dieser Vorschrift in ihrer Rechtsfolge. Gemäß § 644 Abs. 2 n. F. "gilt der Träger der Gefahr zugleich als Eigentümer des Werkes." Mit dieser Fiktion wird genau das vermieden, was sich als eigentliche Ursache aller Probleme erwiesen hat: Gefahrtragung und Eigentum fallen nicht mehr auseinander. In den Fällen des § 644 Abs. 1 S. 1 wird eine Eigentumsrückübertragung auf den Werkunternehmer, in den Fällen des § 644 Abs. 1 S. 2 ein vorzeitiger Eigentumsübergang auf den Besteller fingiert. Zur Begründung dieser Fiktion kann auf die obigen Ausführungen zur Problemursache verwiesen werden?61 Es hat sich als allgemeines Prinzip erwiesen, daß Gefahrtragung und Eigentum miteinander verbunden sein müssen, um Friktionen zwischen Vertrags- und Deliktsrecht zu vermeiden. Durch die Formulierung "soweit das Werk untergegangen oder schlechtert worden ist" wird die Eigentumsfiktion des § 644 Abs. 2 zeitlich und sachlich auf das notwendige Maß begrenzt. In zeitlicher sicht gilt sie nicht für Ansprüche, die vor dem Untergang oder der 361
S. o. § 28 11.
vern. F. HinVer-
4. Kap.: Fälle der Drittschädigung
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schlechterung des Werkes aus dem unberührten Eigentum entstanden sind, beispielsweise Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche aus § 1004. Die Regelung gilt allein für Ansprüche aus dem verletzten Eigentum. Dabei ist insbesondere an deliktsrechdiche Schadensersatzansprüche zu denken. Im Einzelfall sind auch Schadensersatzansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis denkbar. In sachlicher Hinsicht gilt die Eigentumsfiktion nur, "soweit" das Werk verschlechtert oder untergegangen ist und dafür Ausgleichsansprüche entstanden sind. Dies hat insbesondere Bedeutung für die Fälle der Sachmängelhaftung, bei denen ein Teil der Werkleistung unberührt geblieben ist. IV. Lösung des Ausgangsfalles anhand der neuen Lösung Die soeben entwickelte Lösung kann nunmehr auf den Ausgangsfall übertragen werden. Welche Ansprüche hat der Zweitunternehmer gegen den Bauherrn und den Erstunternehmer, wenn dieser die noch nicht abgenommene Werkleistung des Zweitunternehmers beschädigt hat?
Der Zweitunternehmer ist dem Bauherm gemäß den §§ 633 Abs. 2 S. I, 644 Abs. 1 S. 1 zur Nachbesserung seiner Werkleistung verpflichtet, ohne daß er hierfür vom Bauherm eine zusätzliche Vergütung oder einen anderen vertraglichen Ausgleich verlangen könnte. Es stellt sich also die Frage nach einem deliktsrechdichen Ausgleichsanspruch des Zweitunternehmers. Im Rahmen eines solchen Ausgleichsanspruchs gilt der Zweitunternehmer, der gemäß § 644 Abs. 1 S. 1 die Vergütungsgefahr zu tragen hat, aufgrund der neuen Lösung zugleich als Eigentümer des Werkes, soweit dieses beschädigt worden ist, § 644 Abs. 2 n. F. Demnach kann dem Zweitunternehmer ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Erstunternehmer aus § 823 Abs. 1 wegen einer Eigentumsverletzung zugesprochen werden. Hingegen steht dem Zweitunternehmer gegen den Bauherm kein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 831 Abs. 1 S. 1 zu, da der Erstunternehmer nicht Verrichtungsgehilfe des Bauherm ist. 362 V. Kritik an der vorgeschlagenen Gesetzesänderung Die Vorteile einer rein deliktsrechtlichen Lösung sind bereits anhand der Überlegungen zum geltenden Recht erörtert worden. Gegenüber einer analogen Anwendung des § 844 Abs. 1 bietet eine Neufassung des § 644 den weiteren Vorteil, daß der methodische Lösungsansatz der Drittschadens362
17'
s. o. § 19 I.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
liquidation bis an die Wurzel des Problems zurückverfolgt werden kann. Durch die Anpassung der Eigentumsverhältnisse an die Gefahrtragung entfällt das Problem des Drittschadensersatzes, d. h. der Grundsatz vom Gläubigerinteresse bleibt unberührt. Es bleibt zu untersuchen, ob die vorgeschlagene Gesetzesänderung nicht neue Ansatzpunkte zur Kritik eröffnet, die nicht bereits bei der Lösung de lege lata angesprochen worden sind. 1. Verstoß gegen Art. 14 GG
Gegen die hier entwickelte Lösung könnte eingewendet werden, daß die Eigentumsfiktion des § 644 Abs. 2 n. F. im Ergebnis zu einer entschädigungslosen Enteignung des bisherigen Eigentümers führe und daher gegen Art. 14 GG verstoße. Die Eigentumsfiktion des § 644 Abs. 2 n.F. greift aber erst im Falle des Untergangs oder der Verschlechterung der Werkleistung ein. Diesbezüglich liegt schon keine Eigentumssubstanz mehr vor, die dem Eigentümer entzogen werden könnte. Die Eigentumsfiktion des § 644 Abs. 2 n. F. gilt allein für die Ausgleichsansprüche. Dem Eigentümer werden durch die Regelung des § 644 Abs. 2 n. F. nur seine Ausgleichsansprüche entzogen und dem Geschädigten zugesprochen?63 Da der bisherige Inhaber der Ausgleichsansprüche jedoch keinen Schaden erlitten hat, für den er Ausgleich verlangen könnte, sind die Ausgleichsansprüche für ihn ohnehin wertlos. Ihm werden gleichsam nur die Anspruchsgrundlagen entzogen. Aus diesem Grunde steht ihm auch keine "Entschädigung" für die Entziehung der "Ausgleichsansprüche" zu. Die Regelung des § 644 Abs. 2 n. F. verstößt demzufolge nicht gegen Art. 14 GG. Es handelt sich um eine verfassungskonforme Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, sofern man angesichts der geringen Eingriffsintensität überhaupt einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG bejahen will. 2. Wertungswiderspruch mit den Vorschriften der §§ 946 ff., 93 ff. und sonstigen eigentumsrechtIichen Vorschriften
Sinn und Zweck der §§ 946 ff., 93 ff. kommen in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung nicht mehr zur Geltung, soweit die vom Werkunternehmer verwendeten Werkstoffe beschädigt oder zerstört worden sind. 364 Diesbezüglich liegt keine schützenswerte Eigentumssubstanz mehr 363 Die Eigentumsfiktion des § 644 Abs. 2 n. F. bewirkt also im Ergebnis keinen Eigentumsübergang mehr, sondern nur noch eine besondere Art des "Forderungsübergangs". Die Besonderheit dieses "Forderungsübergangs" liegt darin begründet. daß die Forderung durch die zeitgleich mit der Schädigung eintretende Eigentumsfiktion gleichsam originär erworben wird. Es werden dadurch die Nachteile eines Regreßweges aus abgeleitetem Recht vermieden. 364 S. o. § 28 III.
5. Kap.: Grenzfälle
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vor. Die Vorschrift des § 644 Abs. 2 n. F. verstößt daher nicht gegen die Wertungen der §§ 946 ff., 93 ff. Um einen Wertungswiderspruch mit sonstigen eigentumsrechtlichen Vorschriften zu vermeiden, ist die Eigentumsfiktion des § 644 Abs. 2 n. F. mit der Formulierung "soweit" auf die Ausgleichsansprüche beschränkt worden, die im Zusammenhang mit der durch einen Dritten verursachten Leistungsstörung entstehen. Sonstige eigentumsrechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
VI. Ergebnis Die hier vorgeschlagene Gesetzesänderung setzt sich nicht den Kritikpunkten aus, die anhand der bisherigen Lösungen entwickelt worden sind. Sie bietet daher die Möglichkeit, sämtliche aufgedeckten Schwächen der Lehre vom normativen Schaden und der Drittschadensliquidation durch einen Federstrich des Gesetzgebers auszuräumen. Fünftes Kapitel
Grenzfälle im Spektrum zwischen vertraglichem Schadensausgleich, deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und Regreß Gegenstand der Erörterungen um die Drittschadensliquidation war eine Fallvariante aus dem Baurecht, bei der der Erstunternehmer im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer einen Fall der Sachmängelhaftung herbeiführt, indem er unmittelbar das noch nicht abgenommene Werk des Zweitunternehmers beschädigt oder zerstört. Im folgenden soll einer zweiten Fallvariante nachgegangen werden, bei der die Leistungsstörung erst mittelbar durch einen Sachmangel des vom Erstunternehmer erstellten Werkes ausgelöst wird. Da diese Fallvariante leicht mit den Fällen der Bauverzögerung, die im ersten Kapitel erörtert worden sind, zu verwechseln ist, bietet sie Anlaß, nochmals die Lösungsmöglichkeiten im Vorfeld des Regresses auszuloten und voneinander abzugrenzen. Es soll von folgendem Sachverhalt ausgegangen werden: Der Bauherr hat den Erstunternehmer mit der Verlegung des Estrichs und den Zweitunternehmer mit der Verlegung der Fliesen beauftragt. Noch vor Abnahme der Fliesen zeigt der Fliesenbe1ag Risse. Diese sind auf eine mangelhafte Verlegung des Estrichs zurückzuführen. Daraufhin müssen sowohl die Fliesen als auch der Estrich beseitigt und anschließend vom Erst- und Zweitunternehmer neu verlegt werden. Welche Ansprüche hat der Zweitunternehmer, wenn für ihn die fehlerhaften Vorarbeiten des Erstunternehmers nicht erkennbar waren, die Leistungsstörung also allein vom Erstunternehmer verursacht worden ist?
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
§ 32 Eingruppierung der Fallkonstellation in Abhängigkeit von der Frage nach der Eigenschaft des Zweitunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn Wie bereits bei der ersten Fallvariante, den Fällen der unmittelbaren Beschädigung oder Zerstörung der fremden Werkleistung, stellt sich auch hier zunächst die Frage, ob der Zweitunternehmer zur Nachbesserung seiner Werkleistung verpflichtet gewesen ist. Wird diese Frage verneint, so handelt es sich um einen Fall, bei dem der Zweitunternehmer aus rein altruistischen Motiven oder aus Unkenntnis von der bestehenden Rechtslage tätig geworden wäre. Diese Konstellation ist im dritten Kapitel untersucht worden, das dem verbleibenden Anwendungsbereich der GoA und der sogenannten Rückgriffskondiktion gewidmet war. Gegen eine Nachbesserungspflicht des Zweitunternehmers spricht der Umstand, daß der Zweitunternehmer keinerlei Verursachungsbeitrag für die Risse an den Fliesen geleistet hat. Gemäß § 644 Abs. 1 S. 1 trägt er aber bis zur Abnahme seines Werkes die Vergütungs gefahr, d. h. das Risiko des zufalligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung seiner Werkleistung. Ein solcher Zufall ist ausgeschlossen, wenn der Bauherr sich die Pflichtverletzung und das Verschulden des Erstunternehmers gemäß § 278 S. I, 2. Fall zurechnen lassen muß. Im Vorfeld einer möglichen Regreßlösung stellt sich also erneut die Frage nach der Eigenschaft des Voruntemehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherm im Verhältnis zum Nachunternehmer. Dabei muß zum besseren Verständnis zwischen den verschiedenen Schuldnerpflichten unterschieden werden, zu deren Erfüllung der Bauherr den Erstunternehmer als Erfüllungsgehilfen eingesetzt haben könnte. I. Pflicht des Bauherrn zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks Bei den Fällen der Bauverzögerung ist bereits ausgeführt worden, daß den Bauherm grundsätzlich nur eine Obliegenheit zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks trifft. 365 Selbst wenn aber ausnahmsweise eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Bauherm vereinbart sein sollte, so kann deren Verletzung nicht eine Leistungsstörung in Form der hier vorliegenden Sachmängelhaftung auslösen, sondern lediglich einen Fall des Schuldnerverzugs. Dementsprechend wird eine Haftung wegen Schuldnerverzugs gemäß § 286 Abs. 1 nur den Verzögerungsschaden, nicht aber den hier geltend gemachten Substanzschaden umfassen. Es kann also in der vorliegenden Fallgruppe nicht an eine ausnahmsweise bestehende Pflicht des Bauherm zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks angeknüpft 365
S. o. § 17 V.
5. Kap.: Grenzfälle
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werden, um die Eigenschaft des Erstunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn zu begründen. 11. Pflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten Es kommt eine Pflicht des Bauherrn gegenüber dem Zweitunternehmer zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten in Betracht, zu deren Erfüllung er den Erstunternehmer als Gehilfen herangezogen haben könnte. Die Annahme einer solchen Mitwirkungspflicht des Bauherrn scheint zunächst im Widerspruch zu der in den Fällen der Bauverzögerung getroffenen Aussage zu stehen, daß den Besteller nach den Wertungen der §§ 642 ff. grundsätzlich nur Mitwirkungsobliegenheiten treffen. 1. Abgrenzung zwischen Obliegenheit und Pflicht
Das Problem der Abgrenzung zwischen Mitwirkungsobliegenheiten und Mitwirkungspflichten des Bestellers ergibt sich in den Fällen der Sachmängelhaftung nur dann, wenn eine Obliegenheit des Bestellers zur mangelfreien Erstellung von Vorarbeiten überhaupt denkbar ist. Gegenstand einer Obliegenheitsverletzung im Sinne der §§ 293 ff., 642 ff. kann nur die Unterlassung einer Mitwirkungshandlung des Bestellers sein. Umgekehrt kann dann eine Obliegenheit auch nur in der Vornahme einer Mitwirkungshandlung bestehen, nicht aber in deren mangelfreier Erbringung. Bei der Frage der Mangelfreiheit handelt es sich nicht mehr um ein bloßes Problem des Unterlassens, also der Frage, ob der Gläubiger rechtzeitig gehandelt hat oder nicht, sondern es geht vielmehr um die Qualität der erbrachten Leistung, also um die Frage, wie der Gläubiger seine Handlung erbracht hat. Es kommt demzufolge keine Leistungsstörung in Form der bloßen Verzögerung in Betracht, sondern eine solche in Form der Gewährleistungshaftung seitens des Bestellers. 366 Während sich also bei der bloßen Verzögerung das Problem der Abgrenzung zwischen Obliegenheit im Fall des Annahmeverzugs und Schuldnerpflicht im Fall des Schuldnerverzugs ergibt, stellt sich dieses Abgrenzungsproblem im Gewährleistungsrecht nicht. Das Gewährleistungsrecht kennt keine Obliegenheit zur mangelfreien Erbringung einer Leistung, sondern nur eine entsprechende Pflicht. 2. Gewährleistungspflicht des Bauherrn gegenüber dem Zweituntemehmer?
Für die Beantwortung der Frage, ob dem Bauherrn gegenüber dem Zweitunternehmer eine Pflicht zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten 366 Auf die Besonderheit, daß den Besteller, und nicht den Unternehmer, eine Gewährleistungshaftung treffen soll, ist sogleich unter 2 einzugehen.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
obliegt, ist es hilfreich, wenn man sich die Pflichtenkreise zwischen den Beteiligten näher veranschaulicht. Es wird dann deutlich, daß die Mangelfreiheit der Vorarbeiten keine geschuldete Leistung im Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer darstellt, sondern die geschuldete Hauptleistung im Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer bildet. Die letzteren beiden haben eine entsprechende Verpflichtung des Erstunternehmers vereinbart, nicht aber der Bauherr und der Zweitunternehmer eine gleichlautende Verpflichtung des Bauherrn. Ohne besondere Vereinbarung kann deshalb nicht allein aus der Verpflichtung des Erstunternehmers gegenüber dem Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten zugleich auf eine inhaltsgleiche Verpflichtung des Bauherrn gegenüber dem Zweitunternehmer geschlossen werden. Die Plausibilität dieses Ergebnisses kann noch näher veranschaulicht werden, wenn man sich die Tragweite einer gegenteiligen Auffassung vor Augen führt. Wollte man im vorliegenden Fall eine Pflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten bejahen, so träfe den Bauherrn gegenüber dem Zweitunternehmer dieselbe werkunternehmerische Haftung, die umgekehrt auch dem Erstunternehmer gegenüber dem Bauherrn obliegt. Das Rollenverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer würde also bezüglich der Vorarbeiten vertauscht. Dem Zweitunternehmer stünde diesbezüglich gegen den Bauherrn ebenso ein Schadensersatzanspruch aus § 635 bzw. aus einer pFV des Werkvertrages zu, wie umgekehrt dem Bauherrn gegen den Erstunternehmer. Im Ergebnis würde der Erstunternehmer seine Arbeiten nicht mehr für den Bauherrn, sondern für den Zweitunternehmer erbringen. Dabei bliebe unberücksichtigt, daß die Erstellung der Vorarbeiten primär im Interesse des Bauherrn erfolgt und nicht zugunsten des Zweitunternehmers. Der Bau wird nicht für den Zweitunternehmer, sondern für den Bauherrn errichtet. Dementsprechend kommt eine Pflicht des Bauherrn gegenüber dem Zweitunternehmer zur mangelfreien Erstellung der Vorarbeiten, die inhaltlich der Pflicht des Erstunternehmers gegenüber dem Bauherrn entsprechen würde, ohne besondere Vereinbarung nicht in Betracht. Es kann sich im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer allenfalls um eine Nebenleistungspflicht in Form einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht handeln, zu deren Erfüllung der Bauherr den Erstunternehmer herangezogen haben könnte; die Pflicht, alles zu tun und zu unterlassen, was den Vertragspartner, den Zweitunternehmer, schädigen könnte. llI. Allgemeine Verkehrssicherungspflicht des Bauherrn
Als Anknüpfungspunkt für eine Leistungspflicht, zu deren Erfüllung der Bauherr den Erstunternehmer eingesetzt haben könnte, verbleibt nach den
5. Kap.: Grenzfälle
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vorangegangenen Erörterungen lediglich die allgemeine Verkehrssicherungspflicht gemäß § 242. Diesbezüglich ist aber wie bei der ersten Fallvariante, den Fällen der unmittelbaren Sachbeschädigung oder Sachzerstörung, festzustellen, daß der Bauherr den Erstunternehmer nicht "zur Erfüllung" der ihm gegenüber dem Zweitunternehmer obliegenden Verkehrssicherungspflicht eingesetzt hat, sondern zur Erbringung der in seinem eigenen Interesse liegenden Werkleistung. Wollte man allein aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht des Bauherm gegenüber dem Zweitunternehmer auf die Eigenschaft des Erstunternehmers als Erfüllungsgehilfe schließen, so wäre letztlich jeder Vertragspartner des Bauherm, der irgendwie mit der Leistung des Zweitunternehmers in Berührung kommen könnte, zugleich sein Erfüllungsgehilfe. § 278 würde zu einer Generalhaftungsnorm für Dritte.
IV. Ergebnis Da der Erstunternehmer nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Zweitunternehmer ist, kann dem Bauherrn das Fehlverhalten des Erstunternehmers nicht gemäß § 278 zugerechnet werden. Es liegt ein Fall einer zufälligen Verschlechterung der Werkleistung im Sinne von § 644 Abs. I S. 1 vor. Der Zweitunternehmer ist demnach gegenüber dem Bauherrn gemäß den §§ 633, 644 Abs. 1 S. 1 zur Nachbesserung seiner Werkleistung verpflichtet. Es liegt ein Fall der Sachmängelhaftung seitens des Zweitunternehmers vor.
§ 33 Die Auswahl der adäquaten Ausgleichsregelung im Vorfeld einer Regreßlösung Die Vorüberlegungen zur Eingruppierung der vorliegenden Fallkonstellation münden unmittelbar in den Vorschlag, auch hier eine Lösung im Wege des deliktsrechtlichen Drittschadensersatzes zu suchen, bevor man auf eine Ausgleichsregelung im Wege einer Regreßlösung verfällt. Im Vorfeld einer Regreßlösung stellt sich damit das allgemeine Problem, zwischen den verschiedenen Ausgleichsregelungen unterscheiden zu müssen, die das Gesetz anbietet.
I. Eigener Lösungsvorschlag: Differenzierung in Abhängigkeit von der eingetretenen Leistungsstörung Der verbleibende Unterschied zwischen den im vierten Kapitel erörterten Fällen der unmittelbaren Sachbeschädigung (erste Fallvariante) und der vorliegenden zweiten Fallvariante liegt in der Art und Weise, wie die Sachmängelhaftung des Zweitunternehmers verursacht worden ist. Während
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
diese bei der ersten Fallvariante unmittelbar durch eine Verletzungshandlung des Erstunternehmers herbeigeführt wurde, ist sie bei der vorliegenden zweiten Fallvariante erst mittelbar durch einen Sachmangel des vom Erstunternehmer erstellten Werkes verursacht worden. Es ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb diese Fallvarianten unterschiedlich behandelt werden sollten. Beide Male liegt ein Fall des § 644 Abs. 1 S. 1 vor. Diese Vorschrift trifft keinerlei Unterscheidung zwischen den Fällen der unmittelbar und der mittelbar verursachten Verschlechterung der Werkleistung. Ebensowenig findet sich eine solche Differenzierung im Deliktsrecht. Demzufolge hat der Zweitunternehmer aufgrund der hier vorgeschlagenen Lösung gegen den Erstunternehmer einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch. Diese Lösung gilt unabhängig davon, wie der Erstunternehmer die Leistungsstörung im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer hervorgerufen hat. Sie ergibt sich de lege lata aus einer Weiterentwicklung der Drittschadensliquidation analog § 844 Abs. 1 und de lege ferenda aus § 644 Abs. 2 n. F. Im Gegensatz zu dieser einheitlichen Lösung muß die Drittschadensliquidation nach ihrem bisherigen Verständnis - ebenso wie die Lehre vom normativen Schaden - unnötig differenzieren. Da sie auf vertragliche Ansprüche des Bauherrn gegen den Erstunternehmer abstellt, ist sie gezwungen, zwischen der Haftung des Erstunternehmers aus § 635 für Mangelschäden und unmittelbare Mangelfolgeschäden einerseits und der Haftung des Erstunternehmers aus einer pFV des Werkvertrages für entfernte Mangelfolgeschäden andererseits zu unterscheiden. Es mag für die hier entwickelte Lösung sprechen, daß diese willkürliche und im Einzelfall kaum nachvollziehbare Abgrenzung zwischen Schadensersatzansprüchen aus § 635 und solchen aus einer pFV zumindest in den vorliegenden Fällen ohne Bedeutung bleibt. Für die Schadensersatzansprüche des Zweitunternehmers analog § 844 Abs. 1 gilt die dreijährige Verjährungsfrist aus § 852, ohne daß es auf die Unterscheidung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden ankäme?67 Ordnet man die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht dem Anwendungsbereich des deliktsrechtlichen Drittschadensersatzes analog § 844 Abs. 1 zu, so gewinnt die Figur der Drittschadensliquidation klare rechtliche Konturen. Die Frage nach ihrer Rechtsnatur stellt sich nicht mehr. Es handelt sich um ein rein deliktsrechtliches Ausgleichsinstitut. Dies hat auch Auswirkungen auf die hier zu erörternden Fragen des Regreßrechts. Während der sogenannte Zessionsregreß analog § 255 im 367 Diese deliktsrechtliche Präferenz deckt sich mit einer Untersuchung von Jagenburg, Deliktshaftung, in: Festschrift für Horst Locher, S. 93 ff., der vom "Vormarsch der Deliktshaftung" im Bereich der Haftung des Werkunternehmers wegen Eigentumsverletzungen durch Baumängel spricht.
5. Kap.: Grenzfälle
267
ersten Teil der Arbeit auf seinen eigentlichen Anwendungsbereich zurückgeführt werden konnte, läßt sich der Zessionsregreß analog § 281 im Wege der Drittschadensliquidation gänzlich aus dem Regreßrecht lösen. Die Regelungen zum Drittschadensersatz reduzieren die Problematik um die Drittschadensliquidation auf einfache Fragen des deliktsrechtlichen Schadensausgleichs im Vorfeld einer Regreßsituation. Abgrenzungsprobleme zu anderweitigen Regreßlösungen stellen sich nicht mehr. Was bleibt, ist die Frage nach dem Verhältnis zu den anderweitigen vertraglichen Ausgleichsregelungen, die im ersten Kapitel erörtert worden sind und die ebenfalls eine Schadensausgleichung ermöglichen, bevor sich die Frage nach einer Regreßlösung stellt. Den dort erörterten Fällen der Bauverzögerung ist mit den hier zugrunde gelegten Fällen der Sachmängelhaftung gemein, daß jeweils ein alleiniges Fehlverhalten des Erstunternehmers zu einer Leistungsstörung im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer führt. Mit dieser Feststellung ist aber zugleich auch die Grenze zwischen diesen beiden Fallkonstellationen klar markiert. Während es sich in den Fällen der Bauverzögerung um Fälle des Annahme- und Schuldnerverzuges handelt, verursacht der Erstunternehmer in der vorliegenden Fallgruppe im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer eine Leistungsstörung in Form der Sachmängelhaftung. Die hier gewählte Unterscheidung spiegelt also lediglich die gesetzliche Differenzierung zwischen den verschiedenen Formen der Leistungsstörungen wider. Während das Werkvertragsrecht in den Fällen der Bauverzögerung die speziellen Ausgleichsregelungen der §§ 642ff. zur Verfügung stellt, bedarf es in den Fällen der Sachmängelhaftung und Unmöglichkeit einer Rechtsfortbildung im Sinne des hier propagierten deliktsrechtlichen Drittschadensersatzes. Neue Abgrenzungsprobleme ergeben sich daraus nicht. Unter diesem Blickwinkel soll noch einmal auf eine bereits im ersten Kapitel angesprochene Entscheidung des BGH eingegangen werden, die einen Grenzfall zwischen Bauverzögerung und Gewährleistungshaftung zum Gegenstand hat. 11. Nochmals: Die Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985 Az.: VII ZR 23/84368 Den im ersten Kapitel erörterten Fällen der Bauverzögerung liegt ein Sachverhalt zugrunde, wie ihn der BGH in seinem Urteil vom 27. Juni 1985 entschieden hat. 369 Infolge fehlerhafter Arbeiten des Vorunternehmers konnte der Nachunternehmer seine Arbeiten nicht termingerecht aufneh368 369
BGHZ 95, 129-137.
s. o. § 16 I.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
men, wodurch ihm Umsatzeinbußen entstanden sind. Diese kann er nach der im ersten Kapitel entwickelten Lösung gemäß § 642 vom Bauherrn ersetzt verlangen. Daneben steht ihm ein weitergehender Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 1 zu, soweit dem Bauherrn ausnahmsweise nicht nur eine Mitwirkungsobliegenheit, sondern eine Mitwirkungspflicht zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks obliegt. Der BGH knüpft in seiner Entscheidung - entgegen der hier favorisierten Lösung - nicht an eine Mitwirkungshandlung des Bauherrn zur rechtzeitigen Bereitstellung des Grundstücks, sondern an eine solche zur fehlerfreien Erbringung der Vorarbeiten an. Ausgehend von dieser Prämisse handelt es sich nach Ansicht des BGH nicht um einen Fall der Bauverzögerung, sondern um einen solchen der Sachmängelhaftung. Seine diesbezüglichen Ausführungen konnten daher bislang nicht berücksichtigt werden. Anband der vorliegend im fünften Kapitel gewählten Fallvariante besteht nunmehr Gelegenheit, diese Lücke zu schließen. Es handelt sich hier um einen Sachverhalt, bei dem der Erstunternehmer nicht durch die - wie auch immer begründete - verspätete Bereitstellung des Grundstücks, sondern durch die fehlerhafte Erbringung von notwendigen Vorarbeiten im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer eine Leistungsstörung herbeiführt. Es fragt sich, ob die Ausführungen, die der BGH in diesem Zusammenhang getroffen hat, eine abweichende Lösung gegenüber dem hier beschrittenen Weg rechtfertigen. Dabei ist zwischen den drei Anspruchsgrundlagen zu differenzieren, die der BGH in seiner Entscheidung erörtert hat. 1. Schadensersatzanspruch des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn aus § 286 Abs. 1370
Der Schwerpunkt der Entscheidung des BGH liegt auf der Beantwortung der Frage nach der Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer?71 Der BGH beruft sich zunächst auf zwei frühere Entscheidungen, in denen er diese Frage verneint hat. 372 Diesen beiden sogenannten Handwerkerentscheidungen liegen tatsächlich Fälle der Sachmängelhaftung, nicht der bloßen Bauverzögerung, 370 Im Originalfall erörterte der BGH einen Schadensersatzanspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B als Anspruchsgrundlage, da dem Werkvertrag die VOB/B zugrunde gelegt waren. Diese Abweichung ist für die hier anzustellenden Erörterungen aber ohne Bedeutung. 371 BGHZ 95, 128 (132): "Im Ergebnis geht es damit doch um die Frage, ob die Klägerin im Verhältnis zu der ARGE diese Mängel zu vertreten hat, weil sie sich der Beklagten als Erfüllungsgehilfin bedient hat. Das ist jedoch nicht der Fall." 372 BGHZ 95, 128 (131), verweist auf BGH DB 1971, 1764 (1765), und BGH WM 1972, 800 (802).
5. Kap.: Grenzfalle
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zugrunde. Da der BGH in diesen beiden Entscheidungen seine ablehnende Haltung nicht näher begründet hat, sieht er sich wohl nunmehr gezwungen, eine Begründung nachzureichen. Diese stützt sich auf die drei folgenden Argumente: Der BGH beschreibt zunächst den Pflichtenkreis zwischen den Beteiligten. Zutreffend stellt er fest, daß die Vorarbeiten des Erstunternehmers lediglich für den Pflichtenkreis des zwischen dem Bauherm und dem Erstunternehmer abgeschlossenen Werkvertrages von Bedeutung sind. Irreführend ist in diesem Zusammenhang jedoch die einleitende Bemerkung des BGH: "Für die Anwendung des § 278 verbleibt kein Raum, soweit der Gläubiger (Anm. des Verf.: hier der Zweitunternehmer) die betreffende Leistung selbst verantworten kann und will ...373
Die Vorstellungen des Gläubigers haben keinen Einfluß auf die Anwendung des § 278. Die Vorschrift enthält diesbezüglich keinen subjektiven Ausschlußgrund. Die Ausführungen des BGH dürfen deshalb wohl dahingehend verstanden werden, daß er im Wege der Vertragsauslegung die Pflichtenkreise der Beteiligten ermittelt hat. 374 Es wäre nur wünschenswert gewesen, wenn der BGH dies auch zum Ausdruck gebracht hätte, anstatt sich auf die Vorschrift des § 278 zu berufen. Dies gilt um so mehr, als keine Anhaltspunkte vorliegen, die Anlaß zu einer Vertragsauslegung geben, die von den gesetzlichen Vorgaben abweicht. Eine Pflicht des Bauherm gegenüber dem Zweitunternehmer zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten kann angesichts der damit verbundenen werkunternehmerischen Haftung des Bauherm nur angenommen werden, wenn sich der Bauherr ausdrücklich dazu verpflichtet hat. 375 Hätte sich der BGH die Konsequenzen einer solchen Haftung des Bauherm vor Augen geführt, so hätten sich seine Ausführungen zur Vertragsauslegung wohl erübrigt. Seine Ausführungen zum Pflichtenkreis des Bauherm stützt der BGH mit dem weiteren Argument, daß zwischen Erst- und Zweitunternehmer "eine Art objektive Zweckgemeinschaft bestehe". Dies werde durch die Wertungen der §§ 4 Nr. 3, 13 Nr. 3 VOBIB bestätigt, die dem Zweitunternehmer eine Prüfungspflicht für das Werk des Erstunternehmers auferlegten. Dementsprechend überschnitten sich bezüglich der Vorarbeiten die Risikosphären der bei den Unternehmer. Dies schließe einen gleichzeitigen Anspruch BGHZ 95, 128 (132). Gegen eine solche Annahme ist einzuwenden, daß der BGH als reine Rechtsinstanz nur ausnahmsweise zur Vertragsauslegung berechtigt ist. Anders lassen sich die Ausführungen des BGH zu der Interessenlage beim Bauvertrag aber nicht erklären. 375 S. o. einleitend unter § 32 11 2. 373
374
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn auf die mangelfreie Erbringung der Vorarbeiten aus. 376 Im Ergebnis bestätigt der BGH mit diesen Ausführungen, daß die Annahme einer Pflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten das Rollenverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer ins Gegenteil verkehren würde. 377 Wäre sich der BGH dieser Konsequenz bewußt geworden, so hätten sich wohl auch diese weiteren Ausführungen zur Bestimmung der Pflichtenkreise erübrigt. Selbst wenn sie aber die bisherigen Überlegungen des BGH zum Pflichtenkreis des Bauherrn bestätigen mögen, sind diese Äußerungen in dogmatischer Hinsicht unbefriedigend. Indem der BGH zur Bezeichnung der Pflichtenkreise von Erstund Zweitunternehmer den Begriff der "objektiven Zweckgemeinschaft" in die Erörterung einführt, verwendet er Begrifflichkeiten der Gesamtschuld, ohne diese abzuleiten. Er flüchtet sich in Worthülsen, deren Zweifelhaftigkeit bereits im ersten Teil der Arbeit dargestellt worden ist?78 Es bleibt unklar, weshalb eine Veranlassung bestehen soll, die Verträge des Bauherrn mit den jeweiligen Bauunternehmern zu einer "objektiven Zweckgemeinschaft" zu bündeln. Aus diesem Grunde sind auch diese Ausführungen wenig hilfreich. Nach Ansicht des BGH können Fehler des Vorunternehmers dem Bauherrn gemäß § 278 ausnahmsweise nur dann zugerechnet werden, wenn "der Auftraggeber (Anm. des Verf.: hier der Bauherr) dem Nachfolgeunternehmer (Anm. des Verf... : hier der Zweitunternehmer) für die mangelfreie Erbringung der Vorleistungen einstehen will." Allein aus der Existenz eines Bauzeitenplanes, auf dessen Erstellung der Bauherr in Erfüllung seiner Koordinierungspflicht hinwirke, könne aber noch nicht geschlossen werden, daß der Bauherr damit "gleichzeitig auch für die mangelfreie Erbringung der Vorleistungen verantwortlich zeichnen will". Es bedürfe vielmehr einer ausdrücklichen Vereinbarung. 379 Diese Ausführungen sind aus der Sicht des BGH konsequent, soweit er im Wege der Vertragsauslegung die Grenze zu den Fällen ermittelt, bei denen ausnahmsweise eine Pflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten anzunehmen ist. Im Ergebnis beschränkt der BGH eine solche Pflicht zutreffend auf die Fälle, bei denen eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten getroffen worden ist. Indem der BGH aber in diesem Zusammenhang auf die Koordinierungspflicht des Bauherrn 376 377 378 379
BGHZ 95, 128 (133). S. o. einleitend unter § 32 11 2. S. O. § 3 I 4 und 6. BGHZ 95, 128 (133 f.).
5. Kap.: Grenzfälle
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eingeht, verwischt er die Grenzen zwischen den Fällen der Bauverzögerung und der Sachmängelhaftung. Zwar sind die Ausführungen zur Koordinierungspflicht geeignet, um im Einzelfall die Anwendung des § 278 begründen zu können. Indes betrifft die Koordinierungspflicht allein den zeitlichen .Ablauf der einzelnen Werkleistungen. Sie bezeichnet in den Fällen der Bauverzögerung eine vom Grundsatz der Mitwirkungsobliegenheit ausnahmsweise abweichende Mitwirkungspflicht des Bauherrn. Dieses Abgrenzungsproblem zwischen Mitwirkungsobliegenheit und Mitwirkungspflicht stellt sich aber nicht bei den hier zu erörternden Fällen der Sachmängelhaftung. Soweit es sich um die mangelfreie Erbringung der Vorarbeiten handelt, kommt allein eine Pflicht des Bauherrn in Betracht, nicht aber eine Obliegenheit. 38o 2. Entschädigungsanspruch des Zweitunternehmers gegen den Bauherrn aus § 642
Da der BGH versehentlich von einem Fall der Sachmängelhaftung ausgegangen ist, hätte er die Vorschrift des § 642 nicht erörtern dürfen. Die Vorschrift des § 642 regelt keinen Fall der Sachmängelhaftung, sondern einen solchen des Annahmeverzugs. Der BGH hat nicht hinreichend zwischen diesen beiden Leistungsstörungen differenziert. Wäre er entgegen seiner Prämisse von einem Fall der Bauverzögerung ausgegangen, hätte er die Voraussetzungen des § 642 bejahen können und wäre zu einer angemessenen Ausgleichsregelung gelangt. 381 3. Drittschadensliquidation
Der BGH lehnt eine Drittschadensliquidation ab, da es an einer typischen Schadensverlagerung fehle. Es bestehe vielmehr die Gefahr einer Schadenshäufung, da neben dem Zweitunternehmer auch der Bauherr einen Bauverzögerungsschaden erleiden könne?82 Indem der BGH in diesem Zusammenhang auf einen Bauverzögerungsschaden des Zweitunternehmers abstellt, geht er zutreffend von einem Fall des Annahmeverzugs aus, wie er bereits erörtert worden ist. 383 Aus diesem Grunde ist die Ablehnung der Drittschadensliquidation im Ergebnis zutreffend. Durch die Anknüpfung an einen Bauverzögerungsschaden setzt sich der BGH jedoch in Widerspruch zu seinen vorangegangenen Ausführungen, bei denen er von einem Fall der Sachmängelhaftung ausgegangen ist. Der 380 381 382 383
s. o. einleitend unter § 32 11 1. S. o. § 16 IV 4 und einleitend unter § 16 VI. BGHZ 95, 128 (136 f.). S. o. §§ 16ff.
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2. Teil: RegreßregeJungen im Baurecht
BGH hätte deshalb konsequenterweise einen typischen Fall der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht annehmen und die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation bejahen müssen. Damit hätte er zugleich den berechtigten Vorwurf vennieden, es sei unbillig, den Zweitunternehmer für einen Schaden haften zu lassen, den allein der Erstunternehmer verursacht hat. 4. Ergebnis
Der BGH hat die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer zutreffend verneint. Die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation hätte er aber konsequenterweise bejahen müssen, da er versehentlich von einem Fall der Sachmängelhaftung ausgegangen ist. Die Untersuchung der Entscheidung veranschaulicht, daß der BGH nicht hinreichend zwischen den Fällen des Verzugs und der Sachmängelhaftung differenziert hat. 111. Nochmals: Alternative Lösungswege in der Literatur Auch in der Literatur wird zumeist nicht hinreichend zwischen den Fällen des Verzugs und der Sachmängelhaftung unterschieden, denen völlig unterschiedliche Wertungen des Gesetzgebers zugrunde liegen. Aus diesem Grunde gelten die Lösungswege, die von der Literatur für den der Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985 zugrunde liegenden Fall der Bauverzögerung vorgeschlagen worden sind, ebenso für den hier vorliegenden Sachverhalt. 1. Der Vorunternehmer als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn
In der Literatur wird die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn mit dem Argument begründet, die rechtzeitige und vertragsgemäße Ausführung der notwendigen Vorunternehmerleistungen falle in den selbst gewählten Verantwortungsbereich des Bauherrn. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob der Bauherr diese Bauleistungen als Eigenleistungen selbst erbringe oder sich zur Erfüllung seiner im Vertrag übernommenen Leistungspflichten eines anderen Unternehmers bediene. Im letzteren Fall sei daher der Voruntemehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer. 384 384 Vygen/Schubert/Lang, Rdnr. 212; Vygen, Behinderung des Auftragnehmers, BauR 1989, 387 (395), und im Anschluß Döring, in: Festschrift für Götz von Craushaar, S. 193 (196), und Grieger, BauR 1990,406 (409). Ebenso Hofmann, in: Beckscher VOB-Kommentar, B § 4 Nr. 1, Rdnr. 15, und Motzke, in: Beckscher VOBKommentar, B § 6 Nr. 6, Rdnr. 88.
5. Kap.: Grenzfälle
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Diese Ansicht geht auch in der vorliegenden Fallvariante fehl. Die Voraussetzungen des § 278 sind hier ebenfalls nicht erfüllt. 385 Abweichend von den Fällen der Bauverzögerung stellt sich hier zwar nicht das Problem der Abgrenzung zwischen Mitwirkungsobliegenheit und Mitwirkungspflicht, gleichwohl ergibt sich eine wesentliche Abweichung bei der Bestimmung der Pflichtenkreise. Die Pflicht zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten, auf die hier abzustellen ist, besteht nicht im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer, sondern sie stellt die Hauptleistungspflicht des Erstunternehmers gegenüber dem Bauherrn dar. Ohne ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer k~n nicht auf eine entsprechende Pflicht des Bauherrn zur mangelfreien Erbringung der Vorarbeiten geschlossen werden. Der Erstunternehmer ist daher nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Zweitunternehmer. Der eigentliche Grund für die Anwendung des § 278 liegt in dem unbilligen Ergebnis, das aus der Ablehnung des § 278 abgeleitet wird. Es wird als unbillig empfunden, daß der Zweitunternehmer für einen Schaden aufkommen soll, den der Erstunternehmer allein verursacht hat. 386 Dabei wird übersehen, daß die vom BGH erörterten Gewährleistungsfälle dem klassische Anwendungsbereich des § 644 Abs. 1 S. 1 zuzuordnen sind. Aus der berechtigten Ablehnung des § 278 folgt also kein unbilliges Ergebnis. Der Zweitunternehmer kann vielmehr auch nach der hier entwickelten Lösung vom Erstunternehmer vollen Schadensersatz verlangen. Anders als bei den Verzugsfällen ergibt sich nicht einmal mehr ein Unterschied hinsichtlich der Höhe des vom Erstunternehmer zu zahlenden Ersatzes. Während der Erstunternehmer im Falle des Annahmeverzugs nur eine Entschädigung gemäß § 642 zu leisten braucht,387 ist er hier zum vollen Schadensersatz verpflichtet. 388 Damit verliert der Streit um die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn an dieser Stelle jegliche praktische Bedeutung. Zugleich wird denjenigen, die die Anwendung des § 278 befürworten, die Grundlage für die vorwiegend ergebnisorientierte Kritik entzogen. S. o. einleitend unter § 32. Vygen/Schubert/Lang, Rdnr. 212: "Würde man hier mit dem BGH eine auf § 278 BGB gegründete Einstandspflicht des Auftraggebers ablehnen, so ginge der geschädigte Nachfolgeunternehmer leer aus, obwohl der Auftraggeber selbst ... abgesichert ist." 387 Genaugenommen ist der Bauherr dem Zweitunternehmer gegenüber aus § 642 zur Entschädigung verpflichtet, er kann diesen Schaden aber vom Erstunternehmer aus § 286 Abs. 1 ersetzt verlangen, so daß im Ergebnis der Erstunternehmer die Entschädigung zu leisten hat. 388 Auf die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung wird abschließend im sechsten Kapitel einzugehen sein, s. u. § 34 I. 385 386
18 Stamm
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Die Kritiker an der Entscheidung des BGR setzen sich dem weiteren Vorwurf aus, daß sie eine willkürliche Differenzierung zwischen den Fällen der mittelbar und der unmittelbar verursachten Sachmängelhaftung des Zweitunternehmers vornehmen. Obwohl sich eine solche Differenzierung nicht aus dem Gesetz ableiten läßt,389 wird gleichwohl davon ausgegangen, daß der Erstunternehmer bei der zweiten Fallvariante Erfüllungsgehilfe des Bauherm sein soll, während eine solche Eigenschaft des Erstunternehmers bei der ersten Fallvariante, den klassischen Anwendungsfällen des § 644 Abs. 1 S. 1, nicht in Betracht gezogen wird. Die Ursache für diese Differenzierung mag darin begründet liegen, daß der Erstunternehmer bei den klassischen Anwendungsfällen des § 644 Abs. 1 S. 1 zumeist nicht Vorunternehmer, sondern nur Neben- oder Nachunternehmer ist. Gleichwohl sind auch hier Fälle denkbar, bei denen der Erstunternehmer als Vorunternehmer den Zweitunternehmer unmittelbar schädigt. Es ist dann aber unklar, ob ein Fall des § 278 oder ein klassischer Fall der obligatorischen GefahrentIastung im Sinne von § 644 Abs. 1 S. 1 vorliegen soll. Diese Überlegungen machen deutlich, daß die differenzierende Anwendung des § 278 in Abhängigkeit von der Eigenschaft des Erstunternehmers als Vorunternehmer einerseits und als Nach- oder Nebenunternehmer andererseits nicht überzeugt, zumal eine solche zeitliche Unterscheidung im Einzelfall kaum möglich sein wird. Die Annahme, es handele sich beim Vorunternehmer um einen Erfüllungsgehilfen des Bauherm im Verhältnis zum Nachunternehmer, ist schon im Ansatz verfehlt. Sie führt zu willkürlichen Differenzierungen. 2. Drittschadensliquidation
Soweit in der Literatur generell die Anwendung der Drittschadensliquidation befürwortet wird,39o ist dieser Auffassung für die vorliegenden Gewährleistungsfälle zuzustimmen, sofern man sich nicht der Lehre vom normativen Schaden oder der hier entwickelten Lösung anschließen möchte. Die Vertreter einer solch generalisierenden Betrachtungsweise lassen aber unberücksichtigt, daß es sich bei der zweiten Fallvariante um einen klassischen Fall der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht handelt. Dementsprechend sind in diesem Zusammenhang Erörterungen über eine Ausdehnung dieses Rechtsinstituts entbehrlich. S. o. I. Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 6, Rdnr. 128. Zu dieser Auffassung tendiert auch Riedl, in: Heiermann/RiedllRusam, VOB, B § 6, Rdnr. 44: "In Betracht wird auch gezogen, ob der AN durch Anwendung der Grundsätze der Schadensliquidation im Drittinteresse ... oder durch Verlangen der Abtretung der Schadensersatzansprtiche gegen den VU durch den AG zu einem Ausgleichsanspruch kommen kann." 389
390
5. Kap.: Grenzfalle
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3. Schadensersatzanspruch analog § 645
Kapellmann ist wie die zuerst genannte Literatunneinung der Ansicht, daß der Voruntemehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis zum Nachunternehmer sei. Um jedoch einen Lösungsweg zu entwickeln, der auch aus der Sicht des BGH gangbar erscheint, schlägt Kapellmann vor, dem Nachunternehmer gegen den Bauherrn einen Schadensersatzanspruch analog § 645 zuzusprechen. 391 Das mangelhafte Vorwerk des Vorunternehmers stelle einen "von dem Besteller gelieferten Stoff' im Sinne des § 645 dar. 392 Der Bauherr trage gegenüber dem Nachunternehmer das Risiko, daß der von ihm eingesetzte Vorunternehmer seine Vorarbeiten mangelhaft ausführe. Aus diesem Grunde müsse der Bauherr für das Fehlverhalten des Vorunternehmers unabhängig von einem Verschulden analog § 645 einstehen. Diese Haftung des Bauherrn umfasse entgegen dem Wortlaut des § 645 nicht nur die "Auslagen" des Nachunternehmers, sondern den gesamten "Behinderungsschaden", den der Nachunternehmer erlitten habe. "Auslagen" und "Behinderungsschaden" seien in diesem Zusammenhang als stoffgleich anzusehen.
Dieser Lösungsweg leitet zu der bereits erörterten Entscheidung des OLG Köln vom 15. April 1975 über, so daß auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann. 393 Der Vorschlag, in den Fällen der Drittschädigung die Vorschrift des § 645 analog anzuwenden, ist ursprünglich vom OLG Köln anhand eines Falles der Unmöglichkeit entwickelt worden. Diese Entscheidung des OLG Köln hat Kapellmann vernachlässigt.
IV. Ergebnis Der Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur um die Eigenschaft des Voruntemehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn ist der Sache nach unbegründet. Unabhängig von der Eigenschaft als Vor-, Neben- oder Nachunternehmer ist der schädigende Bauunternehmer nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn. Der geschädigte Bauunternehmer ist dadurch aber nicht schutzlos gestellt. In den Fällen der Verzögerung hat er gegen den Bauherrn einen Entschädigungsanspruch aus § 642, in den Fällen der Sachmängelhaftung hat er gegen den schädigenden Bauunternehmer einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 bzw. analog § 844 Abs. 1, 391 Kapellmann, Behinderungshaftung für Voruntemehmer, BauR 1992, 433 (435 f.); ders./Schiffers, Rdnr. 1388 ff.; ähnlich Baden, BauR 1991, 30 (31 f.), der mit Risikosphären argumentiert und sich damit der Sphärentheorie annähert. 392 Kapellmann, Behinderungshaftung für Voruntemehmer, BauR 1992, 433 (435); ders./Schiffers, Rdnr. 1388. 393 S. o. § 24 1. Soweit die Lösung von Kapellmann von der Entscheidung des OLG Köln abweicht, finden sich spezielle Anmerkungen in den Fußnoten.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
sofern er das Eigentum an seinem Werk durch Verbindung mit dem Baugrundstück bereits an den Bauherrn verloren hat. 394 Für die Fragen des Regreßrechts haben diese Überlegungen zur Folge, daß im Vorfeld einer Regreßlösung zunächst die Möglichkeiten eines vertraglichen oder deliktsrechtlichen Schadensausgleichs auszutarieren sind. Dabei muß sorgfältig zwischen den Leistungsstörungen unterschieden werden, die das Fehlverhalten des Erstunternehmers im Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer hervorrufen kann. Sechstes Kapitel
Schlußbetrachtungen zum Regreß des Bauunternehmers § 34 Allgemeines Lösungsschema zur Bewältigung von Regreßsituationen Nachdem anhand von typischen Beispielsfällen zum Regreß zwischen Bauunternehmern die unterschiedlichen Regreßfiguren des Zivilrechts im einzelnen beleuchtet worden sind, besteht abschließend Gelegenheit, die auftretenden Fallkonstellationen zu systematisieren und ein allgemeines Lösungsschema zur Bewältigung von Regreßsituationen zu entwickeln. Der Vollständigkeit halber ist dabei zunächst von dem Regelfall auszugehen, daß die vom Erstunternehmer verursachte Leistungsstörung keinen Einfluß auf das Vertragsverhältnis des Bauherrn mit dem Zweitunternehmer hat. Ist beispielsweise die Werkleistung des Erstunternehmers mangelhaft ausgeführt worden oder beschädigt dieser Gegenstände des Bauherrn, so erfolgt die vertragliche Schadensabwicklung allein im Vertragsverhältnis zwischen dem Erstunternehmer und dem Bauherrn. Weitere am Bau beschäftigte Unternehmer werden in ihrer Rechtsstellung nicht berührt. Es treten keine Regreßprobleme auf. Diese entstehen erst dann, wenn sich Abweichungen vom Regelfall ergeben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Ausgangsfall durch drei Merkmale gekennzeichnet ist, von denen jeweils abgewichen werden kann. Zum einen wird die Leistungsstörung allein vom Erstunternehmer verursacht, des weiteren wirkt sie sich allein auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Erstunternehmer aus und zuletzt wird sie allein vom Erstunternehmer beseitigt. Kombiniert man nun die verschiedenen Abweichungsmöglichkeiten, so ergeben sich aus der Sicht des Zweitunternehmers theoretisch vier denkbare Fallgruppen, bei denen 394 Auf die Frage nach der Berechtigung dieser Differenzierung zwischen den Fällen der Bauverzögerung und der Sachmängelhaftung wird abschließend im sechsten Kapitel einzugehen sein, s. u. § 34 I.
6. Kap.: Schlußbetrachtungen zum Regreß des Bauunternehmers
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Regreßprobleme auftreten können. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß jeweils der Zweitunternehmer die Leistungsstörung beseitigt. Da er dies zumeist nur dann tun wird, wenn er vertraglich gegenüber dem Bauherrn dazu verpflichtet ist, d. h. die vom Erstunternehmer verursachte Leistungsstörung sich zugleich oder sogar ausschließlich auf sein Vertragsverhältnis ausgewirkt hat, ist hiermit zugleich eine erste Fallgruppe als Ausnahme vom Regelfall umschrieben. Es handelt sich um die im ersten, vierten und fünften Kapitel erörterten Sachverhalte, bei denen der Erstunternehmer eine Leistungsstörung zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer verursacht, zu deren Beseitigung allein der Zweitunternehmer verpflichtet ist. I. Erste Fallgruppe: Fälle der Alleinverpflichtung des Zweitunternehmers als möglicher Regreßberechtigter Bei der Untersuchung dieser ersten Fallgruppe ist zwischen den verschiedenen Formen der gesetzlichen Leistungsstörungen zu differenzieren. Die Lösungen, die hierzu entwickelt worden sind, bestätigen das eingangs dargestellte Grundprinzip, demzufolge eine vertragliche Abwicklung nur in den jeweiligen Vertragsverhältnissen möglich ist. Zwischen den Bauunternehmern kommt daher mangels eines Vertrags verhältnisses zumeist nur eine deliktsrechtliche Haftung in Betracht. Die Wertungen des Vertrags- und des Deliktsrechts führen zu sachgerechten Resultaten, so daß sich die Frage nach einem Regreß des Zweitunternehmers gegen den Erstunternehmer nicht mehr stellt. Im einzelnen ergibt sich die folgende Lösung: 1. In den Fällen des Annahmeverzugs trifft den Bauherrn gegenüber dem Zweitunternehmer eine vertragliche Haftung aus § 642. Diese Haftung besteht unabhängig von der Frage, ob der Zweitunternehmer oder der Bauherr für den Annahmeverzug verantwortlich ist. Der Bauherr seinerseits kann für die von ihm zu leistende Entschädigung gemäß § 286 Abs. I vom Erstunternehmer Schadensersatz verlangen. Eine deliktsrechtliche Haftung des Erstunternehmers gegenüber dem Zweitunternehmer besteht hingegen nicht, da es an einer Verletzung der Rechtsgüter des Zweitunternehmers mangelt. Dieser erleidet in den Fällen der Bauverzögerung einen reinen Vermögensschaden. 2. In den seltenen Fällen des Schuldnerverzugs seitens des Bauherrn, 395 in denen der Erstunternehmer Erfüllungsgehilfe des Bauherrn im Verhältnis 395 Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß der umgekehrte Fall eines vom Erstunternehmer verursachten Verzugs des Zweitunternehmers gegenüber dem Bauherm, vornehmlich eines Schuldnerverzugs, kaum geeignet ist, Regreßprobleme aufzuwerfen. In diesen Fällen mangelt es für einen Schadensersatzanspruch des Bauherm gegen den Zweituntemehmer aus § 286 Abs. I bereits an einem Verschul-
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2. Teil: Regreßrege1ungen im Baurecht
zum Zweitunternehmer ist, trifft den Bauherrn neben der Haftung aus § 642 eine weitergehende Schadensersatzhaftung aus § 286 Abs. 1. Erfüllungsgehilfe ist der Erstunternehmer aber nur dann, wenn der Bauherr und der Zweitunternehmer abweichend von der gesetzlichen Regelung der §§ 642 ff. eine Mitwirkungspflicht des Bauherrn zur rechtzeitigen Bereitstellung des Baugrundstücks vereinbart haben, zu deren Erfüllung der Bauherr den Erstunternehmer herangezogen hat. 3. Eine vertragliche Schadensabwicklung über das Dreieck Zweitunternehmer - Bauherr - Erstunternehmer scheidet in den Fällen der Sachmängelhaftung und der Unmöglichkeit, die wegen der gemeinsamen Regelung des § 644 einheitlich zu lösen sind, in der Regel aus, da das Fehlverhalten des Erstunternehmers dem Bauherrn nicht zuzurechnen sein wird. Den Bauherrn trifft gegenüber dem Zweitunternehmer ohne besondere Vereinbarung keine Pflicht, die notwendigen Vorarbeiten mangelfrei herstellen zu lassen, zu deren Erfüllung er den Erstunternehmer herangezogen haben könnte. Unabhängig von einer vertraglichen Abwicklung in den jeweiligen Vertragsverhältnissen besteht die Möglichkeit eines deliktsrechtlichen Ausgleichs zwischen Erst- und Zweitunternehmer. Eine solche deliktsrechtliche Lösung ergibt sich nach geltendem Recht über eine Weiterentwicklung des Drittschadensersatzrechtes analog § 844 Abs. 1. De lege ferenda wird vorgeschlagen, in die Vorschrift des § 644 ergänzend einen neuen Absatz 2 einzufügen. Den Erstunternehmer trifft also in den Fällen der Sachmängelhaftung und der Unmöglichkeit gegenüber dem Zweitunternehmer eine deliktsrechtliche Haftung. Mit dieser deliktsrechtlichen Lösung erklärt sich zugleich die unterschiedliche Behandlung der Verzugsfalle einerseits und der übrigen Fälle der Sachmängelhaftung und Unmöglichkeit andererseits. Während der Zweitunternehmer einerseits nur einen allgemeinen Vermögensschaden erleidet, für den den Erstunternehmer keine deliktsrechtliche Haftung trifft, liegt andererseits in den Fällen der Sachmängelhaftung und der Unmöglichkeit eine Verletzung der Rechtsgüter des Zweitunternehmers durch den Erstunternehmer vor, für die letzterer deliktsrechtlich einzustehen hat. Die Unterscheidung spiegelt also lediglich die gesetzgeberischen Wertungen des Deliktsrechts wider. Demnach trifft den Erstunternehmer lediglich in den Fällen eine Haftung, in denen er ein Rechtsgut des Zweitunternehmers verletzt. In den übrigen Fällen, in denen der Zweitunternehmer einen reinen Vermögensschaden erleidet, ist der Erstunternehmer nicht zum Schadenserden des Zweitunternehmers. Ebensowenig kann ihm das Verschulden des Erstunternehmers gemäß § 278 S. 1, 2. Fall zugerechnet werden, da der Erstunternehmer nicht vom Zweitunternehmer beauftragt worden ist. Es besteht daher keine Haftung des Zweitunternehmers, aus der sich Regreßprobleme ergeben können.
6. Kap.: Schlußbetrachtungen zum Regreß des Bauunternehmers
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satz verpflichtet, da ein solcher Schaden für ihn in der Regel weder vorhersehbar noch kalkulierbar ist. Der Zweitunternehmer muß daher in den Fällen des Annahmeverzugs die Schäden, für die den Bauherrn keine vertragliche Haftung gemäß § 642 trifft, selbst tragen. 11. Zweite Fallgruppe: Fälle der Mehrverptlichtung Eine zweite Ausnahme von dem eingangs beschriebenen Regelfall bilden die Konstellationen, bei denen Erst- und Zweitunternehmer gemeinsam eine Leistungsstörung verursachen. Diese Fälle bereiten keine Regreßprobleme, soweit sich die Leistungsstörung auf die beiden Vertragsverhältnisse aufteilen läßt. Es handelt sich dann um Sachverhalte, die sich gedanklich auf zwei Regelfälle in den jeweiligen Vertragsverhältnissen zurückführen lassen. 396 Probleme ergeben sich jedoch, wenn eine solche Trennung nicht mehr durchgeführt werden kann. Lediglich in diesen Fällen treten Regreßprobleme auf, die aber ihre sachgerechte Lösung in den Vorschriften über die Gesamtschuld finden. Es handelt sich um die im zweiten Kapitel erörterten Sachverhalte, bei denen mehrere Schuldner dem Gläubiger zur Beseitigung der Leistungsstörung verpflichtet sind. llI. Dritte Fallgruppe: Fälle der Alleinverptlichtung des Erstunternehmers als möglicher Regreßgegner
Eher ungewöhnlich dürften die Fälle sein, bei denen die Leistungsstörung allein vom Erstunternehmer verursacht wird und sich allein auf sein Vertragsverhältnis mit dem Bauherrn auswirkt, gleichwohl aber vom Zwei tunternehmer beseitigt wird. In diesen Fällen beseitigt der Zweitunternehmer aus rein altruistischen Motiven die Leistungsstörung im Verhältnis zwischen dem Erstunternehmer und dem Bauherrn, ohne hierzu verpflichtet zu sein. Es handelt sich um die im dritten Kapitel behandelten Anwendungsfälle der GoA. Diese Fälle unterscheiden sich dadurch von der zweiten Fallgruppe, daß lediglich ein Unternehmer dem Bauherrn zur Beseitigung der Leistungsstörung verpflichtet ist. Diese Alleinverpflichtung besteht - anders als bei der ersten Fallgruppe - nicht seitens des Zweitunternehmers, sondern seitens des Erstunternehmers. Dessen Fehlverhalten wirkt sich allein auf sein Vertragsverhältnis aus und hat keinen Einfluß auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer. Verwicklungen mit dem Zweitunternehmer treten erst dadurch auf, daß dieser bewußt oder versehentlich den Schaden, den der Erstunternehmer verursacht hat, beseitigt. 396 Das OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 527 (528), lehnt daher für den Fall der Mängelbeseitigung bei abgrenzbaren Teilleistungen eines Bauwerks zutreffend eine gesamtschuldnerische Haftung der betroffenen Bauunternehmer ab.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Diese Fälle können mit den Vorschriften der GoA sachgerecht gelöst werden, ohne daß sich Regreßprobleme ergeben. Es handelt sich um eine Abwicklung im Zwei-Personen-Verhältnis zwischen dem Erstunternehmer (Geschäftsherrn) und dem Zweitunternehmer (Geschäftsführer), von der der Bauherr nicht betroffen ist. Als vierte und theoretisch letzte Fallvariante verbleiben damit die Sachverhalte, bei denen eine Leistungsstörung gemeinsam von den beiden Bauunternehmern verursacht wird, sich aber allein auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und einem der beiden Bauunternehmer auswirkt. Solche Konstellationen sind jedoch kaum vorstellbar, da ein gleichzeitiges Fehlverhalten des anderen Bauunternehmers in irgendeiner Form immer auch Einfluß auf dessen Vertragsverhältnis mit dem Bauherrn haben wird. Zumindest wird hier der Tatbestand einer positiven Forderungsverletzung erfüllt sein. Damit handelt es sich dann jedoch um einen Sachverhalt, der der zweiten Fallgruppe, dem Anwendungsbereich der Gesamtschuld, zuzuordnen ist. Es bleibt damit abschließend festzustellen, daß für den Regreß des Bauunternehmers drei Fallgestaltungen denkbar sind, die im einzelnen Gegenstand der Untersuchung waren. Dabei hat es sich gezeigt, daß Regreßprobleme im eigentlichen Sinne lediglich in der zweiten Fallgruppe, den Fällen der Mehrverpflichtung, auftreten. Das Kriterium der Mehrverpflichtung markiert die Grenze zu den beiden übrigen Konstellationen, in denen eine Schadensabwicklung bereits im Wege der vertraglichen und gesetzlichen Ausgleichsmechanismen möglich ist. Anhand der drei Fallgruppen lassen sich die bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Sachverhalte zum Regreß des Bauunternehmers systematisieren und einem einheitlichen Lösungsschema zuführen, welches eine größere Rechtssicherheit gewährleistet. Dieses Schema läßt sich im übrigen auf das allgemeine Regreßrecht übertragen, da die Fälle aus dem privaten Baurecht lediglich als Anschauungsmaterial gedient haben. Die Besonderheiten des Werkvertragsrecht kamen lediglich in der ersten Fallgruppe zum Tragen. Ansonsten spiegelt das hier entwickelte Lösungsschema zum Regreß zwischen Bauunternehmern allein die gesetzgeberischen Wertungen zum Regreß wider. Es muß auch im Hinblick auf das allgemeine Regreßrecht zwischen den drei Fallgruppen unterschieden werden, die hier entwikkelt worden sind. Allein in Bezug auf die erste Fallgruppe stellt sich die Frage, ob das Vertrags- und das Deliktsrecht auch bei anderen Vertragstypen, außerhalb des Werkvertragsrechts, eine sachgerechte Schadensabwicklung für den Fall ermöglichen, daß ein Außenstehender im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner eine Leistungsstörung hervorruft, zu deren Beseitigung allein der Schuldner verpflichtet ist. Diese Fragestellung leitet zum dritten Teil der Arbeit über, der sich mit den übrigen Fallgruppen der
6. Kap.: Schlußbetrachtungen zum Regreß des Bauunternehmers
281
Drittschadensliquidation beschäftigt. Zuvor soll aber noch auf die Besonderheiten der VOB/B eingegangen werden, die im Baurecht von großer praktischer Bedeutung ist.
§ 35 Besonderheiten bei Verträgen,
denen die VOB/B zugrunde liegt
Im Rahmen der bisherigen Untersuchung ist unberücksichtigt geblieben, daß Bauverträgen in der Praxis zumeist die Bestimmungen der VOB/B zugrunde liegen. Diese können die gesetzlichen Regelungen aus dem Werkvertragsrecht des BGB durchkreuzen oder modifizieren. Es ist auch hier zweckmäßig, zwischen den verschiedenen Fallkonstellationen zu differenzieren, die zum Regreß des Bauunternehmers entwickelt worden sind. I. Der Regelungsgehalt der §§ 6 Nr. 6, 9 Nr. 3 VOB/B für die Fälle der Bauverzögerung Bei der ersten Fallgruppe, bei der ein Fehlverhalten des Erstunternehmers zu einer Leistungsstörung im Verhältnis zwischen dem Bauherm und dem Zweitunternehmer führt, treten keine Regreßprobleme auf. An diesem Ergebnis ändern auch die Bestimmungen der VOB/B nichts. Es wird lediglich das Recht der Leistungsstörungen modifiziert, ohne daß aber die Grundstrukturen des BGB tangiert werden. In den im ersten Kapitel erörterten Fällen der Bauverzögerung ist daher nach wie vor zwischen dem Annahmeverzug des Bauherm und dessen Schuldnerverzug zu unterscheiden. Erschwert wird diese Unterscheidung allerdings durch die Bestimmung des § 6 Nr. 6 VOB/B, die eine spezielle Regelung für den Fall der Behinderung und Unterbrechung der Bauausführung vorsieht. Sind die hindernden Umstände von einem Vertragsteil, d. h. vom Bauherm oder vom Bauunternehmer, zu vertreten, so hat gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B der andere Teil Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens, des entgangenen Gewinns aber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Der BGH ist in seiner im ersten Kapitel erörterten Entscheidung vom 27. Juni 1985 ohne weitere Begründung davon ausgegangen, daß es sich bei § 6 Nr. 6 VOB/B um eine Spezialregelung gegenüber der allgemeinen Verzugsregelung des § 286 Abs. 1 BGB handelt. 397 Hingegen trifft § 6 Nr. 6 VOBIB nach dieser Ansicht keine Regelung zum Annahmeverzug, weshalb der BGH gesondert untersucht hat, ob dem Zweitunternehmer gegen den Bauherm ein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB zusteht. Diese Frage 397 Der BGR erörtert Schadensersatzanspruche des Bauunternehmers aus .. § 6 Nr. 6 VOB/B bzw. §§ 284, 285", BGHZ 95 , 128 (129).
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
hat er verneint. 398 Die gesonderte Anwendung des § 642 BGB ist im Schrifttum, das sich mit der Entscheidung des BGH auseinandergesetzt hat, auf keine Kritik gestoßen. Im Vordergrund steht der Streit um die Eigenschaft des Vorunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Bauherm im Verhältnis zum Nachunternehmer. 399 Die Beantwortung dieser Frage ist auch unter Zugrundelegung der VOBIB nicht anders als im BGB zu beantworten, da § 10 Nr. 1 VOBIB uneingeschränkt auf § 278 BGB verweist. Von einer Anspruchskonkurrenz zwischen § 6 Nr. 6 VOBIB und § 642 BGB geht im übrigen auch Kraus aus,400 der die Fälle der Bauverzögerung zutreffend über § 642 BGB lösen will. Um sich auf das Recht der Leistungsstörungen im BGB konzentrieren zu können, konnten die Besonderheiten des § 6 Nr. 6 VOBIB daher bei der Besprechung im ersten Kapitel ausgeblendet werden. An dieser Stelle ist nunmehr gesondert zu untersuchen, welchen Einfluß die Bestimmung des § 6 Nr. 6 VOBIB auf die Regelungen des BGB hat. Handelt es sich lediglich um eine Spezialnorm gegenüber der allgemeinen Verzugsregelung des § 286 Abs. 1 BGB, so kommt § 642 BGB uneingeschränkt zur Anwendung. 401 Für diese Ansicht spricht der Umstand, daß § 6 Nr. 6 VOB/B lediglich eine verschuldensabhängige Schadensersatzpflicht begründet und daher keine Aussage über die verschuldensunabhängige Haftung aus § 642 BGB trifft. 402 Gute Gründe sprechen aber für die weitgehend im Schrifttum vertretene Ansicht, daß die Vorschrift des § 6 Nr. 6 VOB/B die Regelung des § 642 BGB verdrängt. 403 Es handelt sich um einen Auffangtatbestand für alle Fälle der Leistungsverzögerung. 404 Allein aus dem Schweigen der VOB/B in dem von § 6 Nr. 6 VOB/B geregelten Bereich kann noch nicht geschlossen werden, daß die Anwendung des § 642 BGB nicht ausgeschlossen sein soll.405 Der umfassende Regelungsgehalt der VOB/B spricht vielmehr dafür, daß § 6 VOB/B eine abschließende Regelung für die Fälle der Bauverzögerung trifft. Bedenken gegen die Anwendung des § 642 BGB in Anspruchskonkurrenz zu § 6 Nr. 6 VOB/B ergeben sich insbesondere auch unter systematischen GesichtspunkBGHZ 95, 128 (134 f.). S. o. § 16 H. 400 Kraus, BauR 1986, 17 (23 f.). 401 So etwa Glanzmann, in: RGRK, § 642, Rdnr. 17; Kraus, BauR 1986, 17 (23 f.); Motzke, in: Beckscher VOB-Kommentar, B § 6 Nr. 6, Rdnrn. 27 ff., und Soergel, in: Münchener Kommentar, § 642, Rdnr. 14. 402 So Motzke, in: Beckscher VOB-Kommentar, B § 6 Nr. 6, Rdnr. 28. 403 Kapellmann, Ersatzanspruch des Auftragnehmers, BauR 1985, 123 (123); ders., Behinderungshaftung für Vorunternehmer, BauR 1992,433 (434); ders.lSchiffers, Rdnr. 1400; Peters, in: Staudinger, § 636, Rdnr. 103; Riedl, in: Heiermannl Riedl/Rusam, VOB, B § 6, Rdnr. 39; Quack, Privates Baurecht, Rdnr. 118. 404 Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 6, Rdnr. 116. 405 Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 6, Rdnr. 116. 398
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6. Kap.: Schlußbetrachtungen zum Regreß des Bauunternehmers
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ten. 406 Gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 642 BGB nur im Falle der Kündigung zu. Ein Kündigungsrecht besteht gemäß § 9 Nr. 1 a) VOB/B unter anderem im Falle des Annahmeverzugs gemäß den §§ 293 ff. BGB. § 9 VOB/B entspricht insoweit der Regelung des § 643 BGB. 407 Da § 9 VOB/B aber die Anwendung des § 642 BGB einschränkt, darf diese Wertung ohne Anknüpfungspunkt in der VOB/B nicht umgangen werden. Eine Anspruchskonkurrenz zwischen § 6 Nr. 6 VOB/B und § 642 BGB ist daher ausgeschlossen. Das heißt aber noch nicht, daß der Bauunternehmer in den Fällen des Annahmeverzugs schutzlos gestellt wäre. Denn mit der ablehnenden Haltung gegenüber der Anwendung des § 642 BGB ist noch nichts über den Regelungsgehalt des § 6 Nr. 6 VOB/B ausgesagt. Korbion geht davon aus, daß § 6 Nr. 6 VOB/B gemäß seinem Wortlaut stets ein Verschulden voraussetze. 408 Demnach würde es sich bei dieser Bestimmung lediglich um eine Spezialvorschrift zu § 286 Abs. 1 BGB handeln, die en passant die Anwendung des § 642 BGB ausschließen würde. Auch Korbion gesteht aber ein, daß § 6 Nr. 6 VOB/B lediglich eine Regelung für die Haftungsfolgen, nicht aber für die Haftungsvoraussetzungen trifft. 409 Es ist daher davon auszugehen, daß die grundlegenden Strukturen im Leistungsstörungsrecht des BGB unberührt bleiben. Es ist weiterhin zwischen den Fällen des Schuldnerverzugs und des Annahmeverzugs zu differenzieren. Die Schwierigkeit liegt allerdings nunmehr darin begründet, daß die Haftungsfolgen in § 6 Nr. 6 VOB/B einheitlich geregelt sind. Dies führt zu einem vermeintlichen Systembruch, da der Annahmeverzug lediglich die Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit sanktioniert, nicht aber ein Verschulden voraussetzt, wie es § 6 Nr. 6 VOB/B verlangt. Dieser Konflikt läßt sich dadurch lösen, daß man im Anschluß an Peters den in § 6 Nr. 6 VOB/B verwendeten Begriff des "Vertretenmüssens" in Abhängigkeit von den Haftungsvoraussetzungen auslegt. 4JO Unter "Vertretenmüssen" ist sowohl die schuldhafte Pflichtverletzung beim Schuldnerverzug als auch im Falle des Gläubigerverzugs die bloße Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit zu verstehen. Soweit § 6 Nr. 6 VOB/B die Schadensersatzpflicht für entgangenen Gewinn auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt, hat dies in der weiteren Konsequenz lediglich Einfluß auf die Schadensersatzpflicht wegen Verzugs. Für dieses Ergebnis spricht insbesondere, daß die Entschädigungsleistung aus Annahmeverzug nach den Wertungen des § 642 BGB ohnehin nicht den entgangenen Gewinn abdeckt. 406 407 408 409
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Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 6, Rdnr. 116. Peters, in: Staudinger, § 643, Rdnr. 27. Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 6, Rdnr. 129. Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 6, Rdnr. 124. Peters, in: Staudinger, § 636, Rdnrn. 102 ff.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Der Regelungsgehalt des § 6 Nr. 6 VOBtB erschöpft sich damit in einer bloßen Einschränkung der Schadensersatzpflicht für entgangenen Gewinn. Abweichend von der allgemeinen Regelung des § 286 Abs. 1 BGB ist dieser nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zu ersetzen. Im Ergebnis besteht daher zwischen den verschiedenen Ansichten zum Regelungsgehah des § 6 Nr. 6 VOBtB kein erheblicher Unterschied. § 642 BGB kommt auch nach der hier befürworteten Literaturmeinung zur Anwendung, wenn auch im Gewande des § 6 Nr. 6 VOBtB. Diese Ansicht hat den Vorteil, daß sie den vermeintlichen systematische Widerspruch mit § 9 Nr. 3 VOBtB aufzulösen vermag. Gewährt § 6 Nr. 6 VOBtB in den Fällen des Annahmeverzugs eine Entschädigung, so kommt § 9 Nr. 3 VOBtB lediglich eine klarstellende Funktion zu: Der Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB wird durch die Ausübung des Kündigungsrechtes nicht tangiert. 411 In dem gleichen Sinne wird nach allgemeiner Ansicht auch der weitere Zusatz in § 9 Nr. 3 VOBtB verstanden, wonach etwaige weitergehende Ansprüche des Auftragnehmers, gemeint sind insbesondere solche auf Schadensersatz, unberührt bleiben. Überträgt man dieses Resultat auf die Entscheidung des BGH vom 27. Juni 1985, so hat dieser einen Schadensersatzanspruch aus § 6 Nr. 6 VOBtB unter dem Aspekt des Schuldnerverzuges mit Recht versagt. Er hätte dem Nachunternehmer aber eine Entschädigung aus § 6 Nr. 6 VOBtB zusprechen müssen, da der Bauherr in Annahmeverzug geraten war. Ohne Vereinbarung der VOBtB hätten dem Unternehmer hier Ersatzansprüche aus § 642 BGB zugestanden. Peters vertritt daher im Zusammenhang mit der Entscheidung des BGH die zutreffende Ansicht, es könne nicht angenommen werden, daß die VOBtB den Nachunternehmer schlechter stellen wolle. 412
11. Die spezielle Gefahrtragungsregelung der §§ 7, 12 Nr. 6 VOB/B Die Gewährleistungshaftung hat mit der Bestimmung des § 13 VOBtB eine eigene Regelung erfahren, die aber keine Abweichung von den allgemeinen Vorschriften der §§ 633 ff. BGB begründet, die für die hier in Frage stehenden Haftungsfragen von Bedeutung wäre. Bei den Fällen der Unmöglichkeit verbleibt es bei der allgemeinen Regelung der §§ 323 ff. BGB, da die VOBtB keine gesonderte Regelung trifft. Für beide Konstellationen ist aber die Gefahrtragungsregelung der §§ 7, 12 Nr. 6 VOBtB von Interesse. Wird die ganz oder teilweise ausgeführte Leistung vor der 411 Im Ergebnis ebenso Glanzmann, in: RGRK, § 642, Rdnr. 17, und Soergel, in: Münchener Kommentar, § 642, Rdnr. 14. 412 Peters, in: Staudinger, § 636, Rdnr. 105.
6. Kap.: Schlußbetrachtungen zum Regreß des Bauunternehmers
285
Abnahme durch höhere Gewalt, Krieg, Aufruhr oder andere unabwendbare und vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder zerstört, so hat dieser gemäß § 7 Nr. 1 VOB/B für die ausgeführten Teile der Leistung die Ansprüche nach § 6 Nr. 5 VOB/B;413 für andere Schäden besteht keine Ersatzpflicht. Für die Gefahrtragung ordnet § 12 Nr. 6 VOB/B an, daß die Gefahr mit der Abnahme auf den Auftraggeber übergeht, soweit er sie nicht schon nach § 7 VOB/B trägt. Diese Regelung entspricht der allgemeinen Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. 1 S. 1 BGB. 414 Im Zusammenspiel mit § 7 VOB/B wird die Grenze zu den Ausnahmefällen des § 645 BGB enger gezogen. Es kommt zu einer Umverteilung der Gefahrtragung, die aus Sicht des Bauherrn nachteilhaft ist. Denn nunmehr trägt er die Gefahr für sämtliche Fälle, in denen die Werkleistung durch unabwendbare, vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder zerstört wird. Die Vorschrift des § 7 VOB/B trägt damit den Eigenarten des Baurechts Rechnung. Bauleistungen wohnt die Besonderheit inne, daß sie bei der Erstellung wesentlich schlechter vor Beschädigungen oder Zerstörungen zu schützen sind als andere Werkleistungen, die in Betriebsräumen gefertigt werden. 415 Die Umverteilung der Gefahrtragung hat zur Folge, daß sich in diesem Bereich Probleme der Driuschadensliquidation von vornherein nicht mehr stellen können. Die VOB/B bewirkt eine Rechtsvereinfachung, indem sie den Bereich, in dem Gefahrtragung und Eigentumsverteilung auseinander klaffen, einschränkt. Durch eine vertragliche Regelung wird das erreicht, was mit der hier vorgeschlagenen Korrektur des § 644 BGB de lege ferenda bezweckt wird. Gleichwohl darf die Regelung des § 7 VOB/B nicht überschätzt werden. Sie stellt nur in geringem Umfang eine Ergänzung des § 645 BGB dar. 416 Denn diese Vorschrift, deren Anwendungsbereich durch § 7 VOB/B nicht tangiert wird,417 kommt in den Fällen, in denen der Untergang oder die Verschlechterung der Werkleistung auf ein willentliches Verhalten des Bestellers zurückzuführen ist, ohnehin bereits analog zur Anwendung. 418 413 § 6 Nr. 5 VOB/B regelt die Abrechnung von erbrachten Leistungen nach den Vertragspreisen, sofern die Ausführung der Werkleistung für längere Zeit behindert oder unterbrochen ist. 414 Peters, in: Staudinger, § 644, Rdnr. 31. 415 Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 7, Rdnr. 19. 416 Peters, in: Staudinger, § 644, Rdnr. 32. 417 BGH NJW 1997,3018 (3019); BGH NJW 1998,456 (457) = BGH JZ 1998, 410 (411); Kohler, JZ 1998,413 (414); Peters, in: Staudinger, § 644, Rdnr. 31. 418 S. o. § 24 I 2 a. Peters, in: Staudinger, § 644, Rdnr. 36, plädiert dafür, daß diese Fälle vorrangig nach den zu § 645 entwickelten Grundsätzen zu bewerten sind.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
Für die Fälle hingegen, in denen ein Dritter für den Untergang oder die Verschlechterung verantwortlich gemacht werden kann, kommt eine analoge Anwendung des § 645 BGB nicht in Betracht, da der Dritte, der Erstunternehmer, ansonsten privilegiert würde. 419 Anstatt in vollem Umfang zum Schadensersatz verpflichtet zu sein, schuldete er dem Bauherrn lediglich Ersatz für die Teilvergütung, die dieser seinerseits dem Zweituntemehmer analog § 645 BGB zu zahlen hätte. Aus denselben Überlegungen scheidet in den Fällen der Drittverantwortung auch eine Anwendung des § 7 VOB/ B aus. Insbesondere für die hier interessierenden Fälle, in denen der am Bau tätige Erstunternehmer schuldhaft die Werkleistung des Zweitunternehmers beschädigt oder zerstört, ergeben sich daher keine Abweichungen von der bisherigen Lösung. Die Anwendung des § 7 VOB/B kommt nur dann in Betracht, wenn den Erstunternehmer kein Verschuldensvorwurf trifft und sich die Schadensabwicklung allein auf schuldrechtlicher Ebene zwischen dem Bauherrn und dem Zweitunternehmer abspielt. Während eine analoge Anwendung des § 645 BGB hier zweifelhaft erscheint,420 ist eine Umverteilung der Gefahrtragung gemäß § 7 VOB/B nach dem eigentlichen Sinn und Zweck dieser Vorschrift gerechtfertigt. Die Ursache für die Verschlechterung der Werkleistung liegt hier in der Risikosphäre des Bauherrn, auf dessen Grundsttick der Zweitunternehmer seine Werkleistungen erbringt. Für den Zweitunternehmer wird der Eingriff durch den Erstunternehmer daher zumeist unabwendbar sein. 421 111. Die Ausgleichsregelungen des § 10 Nr. 2-6 VOB/B im Innenverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmer
Für die Fälle der Mehrverpflichtung, die Fälle der gemeinsam von mehreren Bauunternehmern verursachten Leistungsstörungen, die sich nicht voneinander trennen lassen, trifft die VOB/B keine von der Gesamtschuld abweichende Regreßregelung. Die Vorschrift des § 10 Nr. 2-6 VOB/B sieht lediglich Sonderregelungen für das Innenverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmer für die Fälle vor, daß beide Vertragsparteien gemeinsam einem Dritten zum Schadensersatz verpflichtet sind. Auch hier wird aber an die Vorschriften der Gesamtschuld angeknüpft, indem die allgemeine Ausgleichsregelung des § 426 BGB, die im Innenverhältnis von einer Haftung nach Kopfteilen ausgeht, modifiziert wird. 422 Begriffsnotwendig kann die VOB/B, die dem Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn 419 Zu der analogen Anwendung des § 645 in den Fällen der Drittverantwortung s. ausführlich oben unter § 24 I 2 b. 420 s. o. § 24 11. 421 Ähnlich Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 7, Rdnr. 22. 422 Peters, in: Staudinger, Anhang IV zu § 635, Rdnm. 20 ff.
6. Kap.: Schlußbetrachtungen zum Regreß des Bauunternehmers
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und dem Bauunternehmer zugrunde liegt, keine Regelungen im Außenverhältnis mit dem Dritten, dem Gläubiger, treffen, der am Vertrag nicht beteiligt ist. 423 Die VOB/B trifft daher keine Ausgleichsregelung für den Fall konkurrierender Bauunternehmer. IV. Die Vergütungsregelung des § 2 Nr. 8 VOB/B als weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs der GoA Für die dritte Fallgruppe, die Fälle des uneigennützig handelnden Bauunternehmers, trifft § 2 Nr. 8 VOB/B eine Vergütungsregelung, die die Vorschriften der GoA einschränkt. Für den Auftragnehmer ist Vorsicht geboten. 424 Eine Vergütung steht ihm nur dann zu, wenn entweder der Auftraggeber solche Leistungen nachträglich anerkennt oder wenn die Leistungen für die Erfüllung des Vertrages notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprachen und ihm unverzüglich angezeigt wurden. Für das Gros der hier interessierenden Regreßkonstellationen ergeben sich damit durch die Regelungen der VOB/B keine Besonderheiten. Lediglich in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung, die nach dem hier entwickelten Lösungsmodell ohnehin keine Regreßfälle darstellen, beugt die VOB/B in einem kleinen Bereich Problemen bei der Schadensabwicklung vor. Sie trifft mit § 7 VOB/B eine gesonderte Gefahrtragungsregelung, die den Anwendungsbereich des § 644 Abs. 1 S. 1 BGB eingrenzt.
§ 36 Resümee Im zweiten Teil dieser Arbeit ist anhand von typischen Fallkonstellationen aus dem Baurecht zunächst der Frage nachgegangen worden, inwieweit sich mögliche Regreßsituationen nicht bereits im Vorfeld anhand der vertraglichen und gesetzlichen Ausgleichsmechanismen, die das BGB zur Verfügung stellt, sachgerecht lösen lassen. Für den verbleibenden Anwendungsbereich des Regreßrechts ist erörtert worden, ob die unterschiedlichen Regreßwege, die in Rechtsprechung und Literatur beschritten werden, zu sachgerechten Lösungen führen. Die Untersuchung bestätigt die Resultate des ersten Teils, der sich in allgemeiner Form mit den verschiedenen Regreßfiguren des Zivilrechts auseinandersetzt, und unterstreicht die Forderung nach einer Rückbesinnung auf die Gesamtschuld als dem maßgeblichen Regreßinstitut des BGB. Demgegenüber hat der Zessionsregreß gemäß § 255 keine praktische Bedeutung. Die GoA und die sogenannte Rück423 424
Korbion, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B § 10, Rdnr. 4. Knacke, Auseinandersetzung im privaten Baurecht, S. 62.
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2. Teil: Regreßregelungen im Baurecht
griffskondiktion verlieren ihre Existenzberechtigung als Regreßfiguren, wenn man den Reformvorschlägen aus dem ersten und zweiten Teil der vorliegenden Arbeit folgt. Wählt man die Gesamtschuld zum Dreh- und Angelpunkt im Regreßrecht, so gewinnt auch die Drittschadensliquidation neue Konturen. Die Anwendung des § 426 liegt in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung wesentlich näher als eine Analogie zu § 281. Im Wege einer weiteren Rechtsfortbildung wird angeregt, den Drittschadensersatz künftig auf eine Analogie zu § 844 Abs. 1 zu stützen. Dadurch werden zahlreiche Nachteile der Drittschadensliquidation vermieden, insbesondere ist eine klare Abgrenzungsformel zwischen deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und vertraglichem Drittschutz gewonnen. Konkurrenzprobleme zum Zessionsregreß gemäß § 255 oder zur Gesamtschuld stellen sich ebenfalls nicht mehr, da eine auf § 844 Abs. 1 gestützte Drittschadensersatzregelung im Vorfeld einer möglichen Regreßlösung anzusiedeln ist. Damit gewinnt die sogenannte Drittschadensliquidation zugleich klare rechtliche Konturen. Die Frage nach ihrer Rechtsnatur stellt sich nicht mehr. Es handelt sich um eine einfache deliktsrechtliche Schadensersatzregelung.
Dritter Teil
Die Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts Im nachfolgenden dritten Teil der Arbeit ist der Frage nachzugehen, inwieweit sich die bisher zur Drittschadensliquidation gewonnenen Einsichten verallgemeinern lassen. So wurde im zweiten Teil der Arbeit angeregt, den Drittschadensersatz künftig auf eine Analogie zu § 844 Abs. 1 zu stützen, um den Nachteilen der Drittschadensliquidation aus dem Weg zu gehen. Ob dieser Lösungsvorschlag aus dem privaten Baurecht auf die übrigen Anwendungsfälle der Drittschadensliquidation übertragbar ist, soll zunächst anband eines weiteren typischen Falles der obligatorischen Gefahrentlastung untersucht werden, bevor auf die anderen Fallgruppen der Driuschadensliquidation einzugehen sein wird.)
§ 37 Obligatorische Gefahrentlastung im Kaufrecht Dieser Fallgruppe liegt folgender typischer Sachverhalt zugrunde: K kauft bei V einen Eichenschrank. V beauftragt auf Bitten des K den Fuhrunternehmer F mit dem Transport. Dieser verschuldet einen Verkehrsunfall, bei dem der Eichenschrank beschädigt wird. Ansprüche des K?
I. Unterschiede zu den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht Es läge nahe, die zum Werkvertragsrecht entwickelte Lösung ohne weiteres auf das Kaufrecht zu übertragen und dem Käufer gegen den Fuhrunternehmer analog § 844 Abs. 1 einen Schadensersatzanspruch zuzusprechen. Dies entspräche dem Ansatz der Driuschadensliquidation, die keine DiffeI Die Lehre vom normativen Schaden braucht insofern nur noch vereinzelt angesprochen zu werden, da sie vorwiegend im Zusammenhang mit den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung erörtert wird. So stimmt beispielsweise Hagen, Drittschadensliquidation. S. 285, in den Fällen der mittelbaren Stellvertretung der Anwendung der Drittschadensliquidation zu, während er in den Obhutsrallen einen gänzlich anderen Lösungsweg verfolgt. S. dazu die entsprechende Anmerkung in Fn. 60 unter § 39.
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renzierung zwischen den einzelnen Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung vorsieht. Eine solche Gleichbehandlung ist dann nicht gerechtfertigt, wenn sich die Interessenlage im Kaufrecht wesentlich von der im Werkvertragsrecht unterscheidet. 1. Abweichende Interessenlage im Kaufrecht bezüglich des Zeitpunktes des Gefahrubergangs
Auch im Kaufrecht bildet das Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum die eigentliche Ursache für die Probleme bei der Fallösung. Es handelt sich hier um eine unbeabsichtigte Nebenfolge des Trennungsprinzips.2 Der geschädigte Käufer trägt gemäß § 447 bereits die Vergütungsgefahr, ohne aber Eigentümer des Kaufgegenstandes geworden zu sein. In der Folge trifft ihn der Schaden, ohne daß ihm ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Dritten zusteht. Ein grundlegender Unterschied zwischen den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht und im Werkvertragsrecht besteht aber hinsichtlich des Zeitpunktes, in dem die Gefahr übergeht. Während die Gefahr im Kaufrecht entgegen der Eigentumslage bereits auf den Gläubiger, den Käufer, übergegangen ist, ist es bei den Problemfällen im Werkvertragsrecht entgegen der Eigentumslage noch nicht zum Gefahrübergang gekommen. Im Werkvertragsrecht treten die Probleme vor dem Gefahrübergang, im Kaufrecht erst nach dem Gefahrübergang auf. Im Kaufrecht trägt der Gläubiger bereits die Vergütungsgefahr, obwohl der Schuldner, der Verkäufer, noch Eigentümer ist (verspäteter Eigentumsübergang gemäß den §§ 929 ff.). Dagegen trägt im Werkvertragsrecht der Schuldner (Unternehmer) noch die Vergütungsgefahr, obwohl der Gläubiger (Besteller) bereits Eigentümer geworden ist (verfrühter Eigentumsübergang gemäß den §§ 946 ff.). Während demzufolge beim Werkvertrag die wechselseitigen Leistungspflichten wegen des noch nicht erfolgten Gefahrübergangs unberührt bleiben, kommt es beim Kaufvertrag wegen des bereits erfolgten Gefahrübergangs zum Austausch der gegenseitigen Leistungen. Dabei tritt an die Stelle des zu übereignenden Kaufgegenstandes der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger. Es kommt der Rechtsgedanke des § 281 zum sogenannten stellvertretenden commodum zur Anwendung. Dementspre2 Zutreffend hat von Caemmerer, Drittschadensersatz, ZHR 1965,241 (261-264), deshalb darauf hingewiesen, daß sich vergleichbare Probleme in Rechtsordnungen, die anstelle des Trennungsprinzips das Konsensprinzip vorsehen (beispielsweise in Frankreich, Großbritannien und in den USA), nicht stellen. Um die Probleme im deutschen Recht lösen zu können, schlägt von Caemmerer die Anwendung der Drittschadensliquidation vor. Er betrachtet sie als eine wichtige Modifikation des Rechts des Eigentumsübergangs bei Veräußerungsgeschäften, in der eine Annäherung zwischen Traditions- und Konsensprinzip liege.
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chend ist im Kaufrecht gesondert zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 281 erfüllt sind. 2. Unterschiede bei der analogen Anwendung des § 281
Im Werkvertragsrecht konnte festgestellt werden, daß sich das Verhältnis zwischen Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem im Vergleich zur Regelung des § 281 genau umgekehrt verhält. 3 Nicht der Schuldner, der Unternehmer, ist Inhaber des Ersatzanspruchs und damit zur Abtretung verpflichtet, sondern der Gläubiger, der Besteller. Durch die analoge Anwendung des § 281 auf dieses umgekehrte Verhältnis werden Sinn und Zweck der Vorschrift in ihr Gegenteil verkehrt. Anders verhält es sich im Kaufrecht. Hier ist die Gegenleistungsgefahr bereits auf den Gläubiger, den Käufer, übergegangen, während der Schuldner, der Verkäufer, noch Eigentümer der Kaufsache geblieben ist. In Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 281 wird folglich der Schuldner und nicht der Gläubiger Inhaber des Ersatzanspruchs gegen den Schädiger. Dieser Ersatzanspruch tritt an die Stelle der geschuldeten Leistung. In der Folge kommt auch der Schutzzweck des § 281 zur Geltung. Das Abtretungserfordernis des § 281 gewährleistet dem Schuldner seine Zug-um-ZugEinrede wegen des vom Gläubiger noch zu zahlenden Kaufpreises. Anders als im Werkvertragsrecht ergeben sich deshalb im Kaufrecht aus dem Rollenverhältnis zwischen Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem keinerlei Bedenken gegen eine Anwendung des § 281. 4 3. Drittschadensliquidation im Kaufrecht
In den Fällen des Versendungskaufs erleidet der Verkäufer infolge der Beschädigung oder des Untergangs der Kaufsache keinen Schaden, da ihm der Käufer wegen des vorzeitigen Übergangs der Preisgefahr zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet bleibt. Der Substanzschaden trifft daher nicht den Verkäufer, sondern den Käufer. Es handelt sich ebenso wie bei den nutzlosen Aufwendungen des Bestellers im Werkvertragsrecht um einen Drittschaden. Diesbezüglich gewährt die Drittschadensliquidation dem Verkäufer die Berechtigung, den Drittschaden des Käufers gegenüber dem Schädiger aus Vertrag und aus Delikt geltend zu machen. Unabhängig von der analogen Anwendung des § 281 stößt die Drittschadensliquidation hier auf dieselben Bedenken, die bereits im WerkvertragsS. o. § 26 III 2. Dieser Umstand mag ursächlich dafür sein, daß die Drittschadensliquidation generell auf die Vorschrift des § 281 zurückgreift. Dabei wird übersehen, daß sich das Rollenverhältnis im Werkvertragsrecht genau umgekehrt verhält. 3
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recht geäußert worden sind. Sieht man von den Schwächen in ihrem methodischen Lösungsansatz ab, stellt sich auch hier die Frage, weshalb der Käufer einerseits durch die Gewähr vertraglicher Schadensersatzansprüche privilegiert und andererseits benachteiligt werden soll, indem der Schädiger sich auf Einreden aus dem Vertragsverhältnis mit dem Verkäufer berufen darf. Eine abschließende Antwort auf diese Fragen ist erst unter Einbeziehung der Wertungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter möglich, auf die - wegen einiger weiterer Besonderheiten gegenüber dem Werkvertragsrecht - gesondert einzugehen ist. 5 4. Ergebnis
Anders als im Werkvertragsrecht ergeben sich aus dem Rollenverhältnis zwischen Abtretungsberechtigtem und Abtretungsverpflichtetem im Kaufrecht keine Bedenken gegen eine Anwendung des § 281. Die Anwendung des § 281 sichert dem Schuldner, dem Verkäufer, seine Zug-um-Zug-Einrede gegen den Käufer wegen der noch zu erbringenden Gegenleistung. Diese vom Werkvertragsrecht abweichende Bewertung ist auf den unterschiedlichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs im Kaufrecht und im Werkvertragsrecht zurückzuführen. Im übrigen geben aber dieselben Kritikpunkte, die bereits im zweiten Teil der Arbeit an der Drittschadensliquidation geäußert worden sind, auch im Kaufrecht Anlaß zur Skepsis.
11. Problemlösung unter Berücksichtigung der aufgezeigten Unterschiede Bei der Lösung für die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht ist zunächst - wie im Werkvertragsrecht - zu untersuchen, ob sich der hier entwickelte Lösungsansatz de lege lata realisieren läßt. 1. Überwindung des Trennungsprinzips durch Anpassung der Eigentumsverhältnisse an die Gefahrtragung
Der hier entwickelte Lösungsansatz läßt sich nach geltendem Recht nur dann umsetzen, wenn sich die Eigentumsverhältnisse in Übereinstimmung mit den sachenrechtlichen Bestimmungen des BGB der Gefahrtragung angleichen lassen. Anders als im Werkvertragsrecht handelt es sich hier nicht um das Problem, einen verfrühten Eigentumsübergang gemäß den §§ 946 ff. rückgängig zu machen, sondern darum, einen vorzeitigen Eigentumsübergang herbeizuführen. Ein solcher Eigentumsübergang kann nach s S. u. III.
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den Vorschriften des Sachenrechts nur durch Einigung und Übergabe im Sinne der §§ 929 ff. erfolgen. Eine Einigung liegt in den problematischen Fällen jedoch regelmäßig (noch) nicht vor. Ein Eigentumsübergang läßt sich auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung herleiten. Es widerspricht regelmäßig den Interessen des Verkäufers, den Kaufgegenstand bereits mit Abschluß des Kaufvertrages zu übereignen, ohne daß der Käufer den Kaufpreis entrichtet hat. Der hier entwickelte Lösungsansatz für die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung läßt sich daher auch im Kaufrecht nach geltendem Recht nicht verwirklichen. 2. Drittschadensersatz analog § 844 Abs. 1
Nicht anders als im Werkvertragsrecht besteht auch hier die Möglichkeit, die Drittschadensliquidation fortzuentwickeln, indem man an die geltenden Regelungen zum Drittschadensersatz im BGB anknüpft. Dem Käufer kann gegen den Schädiger analog § 844 Abs. I ein Schadensersatzanspruch zugesprochen werden. Diese Analogie vermeidet die bisherigen Nachteile der Drittschadensliquidation und führt de facto zur Anpassung der Eigentumsverhältnisse an die Gefahrtragung, indem sie dem Käufer einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch gewährt, obwohl dieser noch nicht Eigentümer der Kaufsache geworden ist. Bei der Analogie zu § 844 Abs. I ist aber die abweichende Interessenlage im Kaufrecht gegenüber dem Werkvertragsrecht zu beachten. Im Werkvertragsrecht beginnt das Vertragsverhältnis nach dem deliktsrechtlichen Eingriff durch den Dritten quasi von vorn, da der Unternehmer unverändert die Gefahr trägt. Er bleibt zur Erbringung der Werkleistung verpflichtet, ohne daß er für seine bisherige Leistung, die durch den Dritten zerstört oder beschädigt worden ist, eine Gegenleistung erhält. Demgegenüber ist die Preisgefahr im Kaufrecht im Zeitpunkt der deliktsrechtlichen Einwirkung durch den Dritten bereits auf den Käufer übergegangen, so daß der Verkäufer keine weitere Leistung erbringen muß, der Käufer aber zur Entrichtung des Kaufpreises verpflichtet bleibt. Diese Unterschiede bei der Gefahrtragung haben auf die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 844 Abs. 1 keinen Einfluß. Während im Werkvertragsrecht den Unternehmer die Verpflichtung im Sinne von § 844 Abs. 1 trifft, die Kosten des deliktsrechtlichen Eingriffs zu tragen, obliegt diese Verpflichtung im Kaufrecht dem Käufer. Die Gemeinsamkeit besteht darin, daß Unternehmer wie Käufer zur Erbringung ihrer Leistung verpflichtet sind, ohne eine Gegenleistung hierfür zu erhalten. Unterschiede treten aber hinsichtlich der Rechtsfolge auf. Der geschädigte Unternehmer kann unmittelbar mit dem deliktsrechtlichen Eingriff in seine Werkleistung analog § 844 Abs. 1 gegen den Schädiger vorgehen. Er
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hat bereits zu diesem Zeitpunkt einen Drittschaden erlitten, da er für die Aufwendungen, die er bis zu diesem Zeitpunkt vergeblich erbracht hat, kein Honorar erhält. Den zukünftigen Werklohn, zu dessen Entrichtung der Besteller nach Abnahme des Werkes verpflichtet bleibt, erhält er erst für die erneute - nunmehr fehlerfreie - Werkleistung. Anders verhält sich die Situation im Kaufrecht. Der Käufer hat im Zeitpunkt des deliktsrechtlichen Eingriffs noch keinen Drittschaden erlitten, den er analog § 844 Abs. 1 vom Dritten ersetzt verlangen könnte, da er noch keinerlei (nutzlose) Aufwendungen getroffen hat. Die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung, die bestehen bleibt, begründet keinen kausalen Schaden, da diese Verpflichtung bereits vor dem deliktsrechtlichen Eingriff bestand. Allenfalls der Wegfall des Anspruchs auf Übereignung der (unbeschädigten) Kaufsache kann einen Schaden begründen. Die Ersatzansprüche, die an die Stelle der (beschädigten) Kaufsache treten, haben für den Käufer keinen Wert, da der Verkäufer keinen Schaden erlitten hat. Dieser Schaden aktualisiert sich für den Käufer aber erst mit der Entrichtung des Kaufpreises, da es erst zu diesem Zeitpunkt zur Abwicklung des Kaufvertrages kommt. Erst jetzt erleidet der Käufer einen Drittschaden, den er analog § 844 Abs. 1 vom Dritten ersetzt verlangen kann. Dieses Resultat entspricht der Interessenlage, wonach der Verkäufer erst mit der Zahlung des Kaufpreises zur Übereignung der Kaufsache bereit sein wird. 6 Zugleich bleibt dem Verkäufer de facto seine Zug-um-Zug-Einrede erhalten, da der Käufer erst nach Entrichtung des Kaufpreises zum Drittschadensersatz berechtigt ist. Der Käufer wird dadurch nicht benachteiligt. Denn in der Zwischenzeit besteht keine Gefahr, daß der Verkäufer etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger zum Nachteil des Käufers vereitelt, indem er sie selbst geltend macht. Letzteres ist nur möglich, wenn der Verkäufer selbst einen Schaden erlitten hat. Ein solcher Schaden entsteht ihm aber allenfalls bei Insolvenz des Käufers. 7 In diesen Fällen besteht dann aber keine Vereitelungsgefahr mehr zu Lasten des zahlungsunfähigen Käufers. Das Insolvenzrisiko, welches der Verkäufer in diesen Fällen zu tragen hat, veranschaulicht nochmals, daß der Käufer bis zur Entrichtung des Kaufpreises keinen Drittschaden erleidet. 3. Drittschadensliquidation und Forderungsübergang gemäß § 426 Abs. 2 S. 1
Alternativ zu einer Drittschadensersatzregelung analog § 844 Abs. 1 besteht die Möglichkeit, die Drittschadensliquidation fortzuentwickeln, S. o. I 2. Dabei ist bereits fraglich, ob dieser mittelbar verursachte Schaden überhaupt ersatzfähig ist. 6
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indem man sie nicht mit einer analogen Anwendung des § 281 verknüpft, sondern zum Forderungsübergang die Vorschriften über die Gesamtschuld heranzieht. Nach dem hier entwickelten Verständnis kommen die Vorschriften der §§ 421 S. I, 426 Abs. 2 S. 1 direkt zur Anwendung, da der Käufer dem Verkäufer zur Entrichtung des Kaufpreises und der Schädiger dem Verkäufer zur Entrichtung des Drittschadensersatzes verpflichtet ist. Es liegt die erforderliche Leistungsidentität vor. Eine Gleichstufigkeit ist entbehrlich. Käufer und Schädiger sind Gesamtschuldner. Selbst wenn man mit der h. M. an dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Gleichstufigkeit festhalten wollte, so läge zumindest eine analoge Anwendung des § 426 Abs. 2 S. 1 näher als eine Analogie zu § 281. 8 Die Vorschrift des § 426 Abs. 2 S. 1 gewährleistet ebenso wie § 281 dem Verkäufer den Erhalt seiner Zug-um-Zug-Einrede hinsichtlich seines Anspruchs auf die Gegenleistung. Gegenüber der Vorschrift des § 281 bietet die Regelung des § 426 Abs. 2 S. 1 jedoch den weiteren Vorteil, daß sie eine Abtretung entbehrlich macht. Die Ansprüche des Verkäufers gegen den Schädiger gehen mit der Zahlung des Kaufpreises kraft Gesetzes auf den Käufer über, ohne daß es einer weiteren Vereinbarung bedarf. Beschränkt man die Berechtigung zur Drittschadensliquidation des weiteren auf deliktsrechtliche Ansprüche des Verkäufers und verzichtet in der weiteren Folge auf eine Anwendung des § 404 bezüglich vertraglicher Einreden aus dem Verhältnis zwischen Verkäufer und Drittem, so kommt man nahezu zu denselben Ergebnissen wie bei einer Analogie zu § 844 Abs. 1. Zugleich ist der Weg frei, um auf vertraglicher Ebene zu einer Ausgleichsregelung im Wege des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu gelangen. Auch hier ergeben sich wesentliche Abweichungen gegenüber der Interessenlage im Werkvertragsrecht, wie im folgenden zu zeigen sein wird. III. Unterschiede zu den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht bezüglich des vertraglichen Drittschutzes
Gewährt man dem Käufer in den Fällen des Versendungskaufes nach der hier favorisierten Lösung analog § 844 Abs. I einen deliktsrechtlichen Drittschadensersatzanspruch, so ist damit noch keine Aussage über die Frage getroffen, ob dem Käufer nicht auch vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Fuhrunternehmer zustehen können. Es besteht 8 Die h. M. müßte an sich zu einer analogen Anwendung des § 255 gelangen. da es sich um einen Fall der gestuften Haftung handelt. Eine direkte Anwendung ist auch hier ausgeschlossen, da kein Fall eines Besitzverlustes vorliegt. Das Abtretungserfordemis des § 255 weist aber dieselben Nachteile auf wie die Regelung des § 281. Die nachfolgenden Ausführungen gelten daher entsprechend für einen Zessionsregreß analog § 255.
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Anspruchskonkurrenz zwischen der deliktsrechtlichen Berechtigung zum Drittschadensersatz analog § 844 Abs. 1 und dem vertraglichen Drittschutz, was insbesondere Bedeutung für abweichende Regelungen der Gehilfenhaftung oder unterschiedliche Verjährungsregelungen hat. Eine ähnliche Frage, wenn auch in anderem Gewande, stellt sich für die Anhänger der Drittschadensliquidation. Soll die Berechtigung zum Driuschadensersatz auf vertragliche Anspruchsgrundlagen ausgedehnt werden? Es liegt nahe, diese Frage an den Kriterien des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu messen. Denn eine Ausdehnung der Drittschadensliquidation ist entbehrlich, soweit bereits anderweitige vertragliche Ausgleichsmechanismen zu angemessenen Ergebnissen führen. 1. Abweichende Interessenlage im Kaufrecht hinsichtlich der Drittbegünstigung des Frachtvertrages
In den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht kommt dem Werkvertrag zwischen dem Besteller und dem Erstunternehmer in der Regel keine drittschützende Wirkung für andere Werkunternehmer zu. 9 Das liegt daran, daß der Werkvertrag ausschließlich im Interesse des Bestellers abgeschlossen wird, für den die Hauptleistung erbracht wird. Es besteht kein für den Erstunternehmer erkennbares Interesse des Bestellers an der Einbeziehung anderweitiger Werkunternehmer in die Schutzwirkung des Werkvertrages. Im Kaufrecht sieht die Interessenlage wesentlich anders aus. Erst auf Bitten des Käufers schließt der Verkäufer mit dem Fuhrunternehmer einen Frachtvertrag ab. Die Hauptleistung, die Beförderung des Kaufgegenstandes, erfolgt zuvörderst im Interesse des Käufers, dem an einem fachgerechten Transport gelegen ist, zu dem er selbst nicht in der Lage ist. Würde man dem Käufer in dieser Situation für den Fall einer Vertragspflichtverletzung des Fuhrunternehmers vertragliche Schadensersatzansprüche gegen diesen versagen, sei es aus eigenem oder aus abgetretenem Recht des Verkäufers, bliebe ein Fehlverhalten des Fuhrunternehmers auf vertraglicher Ebene gänzlich sanktionslos. Denn anders als im Werkvertragsrecht, wo die Hauptleistung für den Vertragspartner erfolgt, wird die Frachtleistung allein im Interesse des Dritten, des Käufers, erbracht. Da der Verkäufer mithin keinen Schaden erleiden kann, ginge die vertragliche Haftung aus dem Frachtvertrag ins Leere! Die abweichende Interessenlage gegenüber dem Werkvertragsrecht kommt auch darin zum Ausdruck, daß der Frachtvertrag denknotwendig erst im Anschluß und mit Rücksicht auf den Kaufvertrag abgeschlossen 9
s. o. einleitend unter § 25 I.
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wird. Hingegen verhält sich die zeitliche Abfolge im Werkvertragsrecht zumeist umgekehrt. Hinsichtlich der möglicherweise drittschützenden Wirkung des Werkvertrages zwischen Besteller und Unternehmer wird auf einen Vertrag rekurriert, der bereits im Vorfeld des Werkvertrages zwischen dem Besteller und dem geschädigten Dritten abgeschlossen wurde, also noch bevor die Person des Dritten für den Unternehmer erkennbar war. 2. Konsequenzen für den vertraglichen Drittschutz im Kaufrecht
In den Fällen des Versendungskaufs läßt sich eine Leistungsnähe des Käufers zu dem Frachtvertrag zwischen Verkäufer und Fuhrunternehmer bejahen. Der Käufer kommt zumindest in gleicher Weise, wenn nicht sogar vorrangig, mit der Beförderungsleistung des Fuhrunternehmers in Kontakt, da diese Leistung auf seinen Wunsch und in seinem Interesse vorgenommen wird. Der Käufer ist als Dritter auch für den Fuhrunternehmer erkennbar, da er diesem als Adressat der Beförderungsleistung namentlich bekannt ist. Ein Interesse des Verkäufers an der Einbeziehung des Käufers in die Schutzwirkungen des Frachtvertrages läßt sich damit begründen, daß der Verkäufer dem Käufer gegenüber zur Auswahl eines sorgfältigen Fuhrunternehmers verpflichtet ist und die Beförderung des Kaufgegenstandes der Abwicklung des Kaufvertrages dient. Zuletzt ist der Dritte, der Käufer, auch schutzbedürftig, da ihm selbst keine vertraglichen Ansprüche gegen den Gläubiger, den Verkäufer, zustehen, die eine Schadensabwicklung über das Dreiecksverhältnis Fuhrunternehmer - Verkäufer - Käufer ermöglichen würden. Deliktsrechtliche Drittschadensersatzansprüche des Dritten bleiben hierbei außer Betracht, da sie sich zum einen nicht gegen den Verkäufer, sondern den Fuhrunternehmer richten, und zum anderen der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein rein vertragliches Ausgleichsinstrumentarium darstellt. Da der Frachtvertrag mithin zugunsten des Käufers eine drittschützende Wirkung entfaltet, steht dem Käufer in den Fällen des Versendungskaufs gegen den Fuhrunternehmer ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus dem Frachtvertrag zu. Dieser ergibt sich entweder unter dem Gesichtspunkt der Unmöglichkeit oder einer pFV des Frachtvertrages. Ein solches Ergebnis ist sachgerecht, da der Frachtvertrag ansonsten ins Leere ginge und der Frachtführer im Falle einer vertraglichen Pflichtverletzung mit keinerlei Sanktion zu rechnen hätte. 1O Es zeigt sich, daß es sich bei den vier Kriterien des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter letztlich nur um eine Konkretisierung der ergänzenden Vertragsauslegung handelt, die in Anbetracht der dargestellten Interessenlage zu demselben Resultat gelangen würde. 10
Zur Interessenlage s. o. I.
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3. Teil: Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts 3. Besonderheiten des HGB-Transportrechts
Die bisherige Einordnung der Versendungsfälle als typische Fallkonstellation der Drittschadensliquidation erfährt durch eine Neufassung des Transportrechts, die am 1. Juli 1998 in Kraft getreten ist, neue Brisanz. Nach dem bislang geltenden Frachtrecht, § 435 S. 1 HGB a. F., war der Empfänger einer Frachtleistung nach der Ankunft des Gutes berechtigt, die durch den Frachtvertrag begründeten Rechte im eigenen Namen gegen den Frachtführer geltend zu machen, ohne Unterschied, ob er hierbei in eigenem oder in fremdem Interesse handelte. Schon diese alte Regelung hätte an sich der Anwendung der Drittschadensliquidation entgegengestanden, da dem Käufer mit § 435 S. 1 HGB a. F. ein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Frachtführer zugesprochen werden konnte. Soweit man diese Vorschrift nicht ohnehin als abschließende Sonderregelung auffassen wollte, fehlte es zumindest in den Fällen, in denen das Frachtgut beim Empfänger ankam, an einer maßgeblichen Voraussetzung der Drittschadensliquidation. Dem Dritten stand dann bereits ein Anspruch gegen den Schuldner zu, so daß sich die Probleme der Drittschadensliquidation nicht mehr stellen konnten. ll Die Neufassung des Transportrechts verschärft nunmehr diesen Konflikt, indem § 421 Abs. 1 S. 2 HGB n.F. normiert, daß der Absender zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem Frachtvertrag auch nach der Ablieferung des Frachtguts befugt bleibt. 12 Damit ist eine weitere Voraussetzung der Drittschadensliquidation zu verneinen. Dem Gläubiger steht nicht nur ein Anspruch zu, er ist auch berechtigt, den (Dritt-)Schaden geltend zu machen. Der vertragliche Drittschutz ist in den Fällen des Versendungskaufs erschöpfend geregelt, so daß der Drittschadensliquidation der Boden entzogen wird. Berücksichtigt man zudem, daß der Frachtvertrag schon in seiner bisherigen Form als Vertrag zugunsten Dritter qualifiziert worden ist,13 ist dies ein weiteres Argument dafür, dem Frachtvertrag eine drittschützende Wirkung zuzusprechen. Versteht man § 421 HGB n. F. als Ausprägung dieses allgemeinen Rechtsinstituts, so fügt sich die Regelung Ebenso Huber, in: Soergel, Vor. § 446, Rdnr. 46. Der Gesetzgeber, Deutscher Bundestag, Drucksache 13/8445, S. 55, führt hierzu aus: ,,Die Statuierung einer Doppellegitimation von Empfänger und Absender soll eine Durchsetzung der Ersatzansprüche sichern. Insbesondere soll vermieden werden, daß ein Anspruchsverlust dadurch eintritt, daß die "falsche" Partei reklamiert oder klagt. Die Fortdauer der Aktivlegitimation des Absenders neben der des Empfängers erscheint des weiteren im Hinblick darauf gerechtfertigt, daß das Gut während des Transports ... dem Verfügungsrecht des Absenders unterliegt. Dem Absender muß es daher auch möglich sein, zumindest neben dem Empfänger den Schadensersatzanspruch - als Gütersurrogat - geltend zu machen." 13 BaumbachIHopt, § 433, Rdnr. 2; Geßler, in: Schlegelberger, § 435, Rdnr. 17; Huber, in: Soergel, Vor. § 446, Rdnr. 33; Karsten Schmidt, § 32 11 6 a. 11
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harmonisch in die bisherigen Überlegungen zum vertraglichen Drittschutz ein. 14 4. Das Konkurrenzverhältnis von deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und vertraglichem Drittschutz
Die bislang angestellten Überlegungen bestätigen, daß die Annahme einer Anspruchskonkurrenz zwischen deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und vertraglichem Drittschutz sinnvoll ist. Beide Rechtsinstitute sind unabhängig voneinander zu beurteilen, da sie auf unterschiedlichen Ebenen zur Anwendung kommen. Zu einer Überlagerung dieser beiden Ebenen kommt es im Bereich der Versendungsfälle, die gleichsam die Schnittmenge im Anwendungsbereich des Drittschadensersatzes und des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bilden. Dem Käufer steht gegen den Fuhrunternehmer ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus dem Frachtvertrag und daneben ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch analog § 844 Abs. 1 zu. Damit erhebt sich die Frage, inwiefern der vertragliche Anspruch geeignet ist, Einfluß auf den deliktsrechtlichen Anspruch zu nehmen. Da zwischen vertraglichen und deliktsrechtlichen Ansprüchen eine echte Anspruchskonkurrenz besteht, sind die Ansprüche grundsätzlich isoliert voneinander zu beurteilen. Dies gilt insbesondere für die unterschiedliche Gehilfenhaftung und Fragen der Verjährung. 15 Zu Überschneidungen kommt es regelmäßig bei der Geltendmachung vertraglicher Einreden, insbesondere bei vertraglichen Haftungsfreizeichnungen. Diese beziehen sich regelmäßig auch auf deliktsrechtliche Ansprüche, da sie ansonsten bedeutungslos wären. Fraglich ist, ob dies auch in den Fällen des Versendungskaufs gilt, wenn der Verkäufer und der Fuhrunternehmer eine Haftungsbeschränkung vereinbaren. Auf vertraglicher Ebene kommt die Regelung des 14 Der Gesetzgeber, Deutscher Bundestag, Drucksache 13/8445, S. 55, knüpft statt dessen an die Drittschadensliquidation in ihrer bisherigen Fonn an: "Satz 4 (Anm. des Verf.: gemeint ist Satz 3), der in der Fonnulierung an § 435 Satz I, 2. Halbsatz HGB angelehnt ist, stellt klar, daß entsprechend den zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen sowohl der Empfänger als auch der Absender zur Drittschadensliquidation berechtigt sind." Diese Fonnulierung ist ungenau, da von einer Drittschadensliquidation lediglich auf Seiten des Absenders gesprochen werden kann. Der Empfänger macht seinen eigenen Schaden geltend. Nach der hier entwikkelten Konzeption wäre es daher sachdienlicher, § 421 HGB n. F. in Anlehnung an § 335 BGB dahingehend auszulegen, daß der Absender befugt ist, die Leistung an den Empfänger zu fordern, auch dann, wenn diesem selbst ein Forderungsrecht zusteht. IS Eine Ausnahme wird lediglich für die kurze Verjährung des § 558 gemacht, die auch für deliktsrechtliche Ansprüche gilt, da die Regelung sonst untergraben würde.
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§ 334 zum Zuge, die für den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter analog gilt. 16 Der Fuhrunternehmer kann seine Einrede aus dem Frachtvertrag nicht nur seinem Vertrags partner, dem Verkäufer, sondern auch dem Dritten, dem Käufer, entgegenhalten. Denn dieser kann aus dem drittschützenden Frachtvertrag nicht mehr Rechte herleiten, als dem Gläubiger selbst zustehen würden. Dem Wesen nach begründet der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter damit Ansprüche, die eher derivativer Rechtsnatur sind, auch wenn der Dritte sie unmittelbar, d. h. ohne Abtretung seitens des Gläubigers, geltend machen kann. Vor diesem Hintergrund wird die enge Verwandtschaft zwischen der Regelung des § 334 und derjenigen des § 404 deutlich.
Gegen die analoge Anwendung des § 334 könnte eingewandt werden, daß sie auf einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter hinauslaufe. Dem Dritten werde durch die Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung zwischen Gläubiger und Schuldner im Ergebnis sein vertraglicher Schadensersatzanspruch genommen. Eine solche Betrachtung ließe aber außer Betracht, daß dem Dritten vertragliche Schadensersatzansprüche von vornherein zur nach Maßgabe des zwischen Gläubiger und Schuldner ausgehandelten Vertrages zustehen können. Durch die analoge Anwendung des § 334 wird ihm daher keine Rechtsposition genommen. Das Problem spitzt sich aber zu, wenn man die analoge Anwendung des
§ 334 auf deliktsrechtliche Ansprüche erweitert. 17 Denn diese stehen dem
Drittem, dem Käufer, unabhängig von einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Verkäufer und dem Fuhrunternehmer zu. Der Vorwurf, daß es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter handelt,18 gewinnt an Gewicht. Andererseits ist nicht zu leugnen, daß es unbillig erscheint, dem Dritten mehr Rechte zuzusprechen, als dem Gläubiger zustehen würden. Dem Gläubiger gegenüber als seinem Vertragspartner könnte sich der Fuhrunternehmer auf die vertragliche Haftungserleichterung berufen. Kommen dem Dritten aber die Vorteile eines vertraglichen Anspruchs zugute, so muß er auch für die Nachteile einstehen. Der Vorwurf, es handele sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter, verliert vollends seine Berechtigung, wenn man sich noch einmal die Interessenlage vor Augen führt. Der Frachtvertrag wird erst auf Bitten des Dritten, des 16 BGHZ 33, 247 (250); BGH NJW 1975, 867 (868 f.); Heinrichs, in: Palandt, § 328, Rdnr. 20; Rebe, JA 1979, 148 (150). 17 Die h. M. nimmt keine Differenzierung zwischen vertraglichen und delikts-
rechtlichen Ansprüchen vor, BGHZ 33, 247 (250); BGH NJW 1975, 867 (868 f.); Heinrichs, in: Palandt, § 328, Rdnr. 20. 18 So Berg, Verträge mit Drittschutzwirkung, JuS 1977, 363 (367); ders., Vertragliche Drittschutzwirkung, NJW 1978, 2018 (2019), der die Analogie zu § 334 auf vertragliche Ansprüche beschränkt.
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Käufers, abgeschlossen. Dieser willigt damit ggf. in die Vereinbarung einer handelsüblichen Freizeichnungsklausel ein. Die Interessenlage beurteilt sich nicht anders, als wenn der Verkäufer den Frachtvertrag mit dem Fuhrunternehmer als Stellvertreter des Käufers abschließen würde. Auch in diesem Fall müßte der Käufer die Vereinbarung zwischen dem Verkäufer und dem Fuhrunternehmer gegen sich gelten lassen, § 164 Abs. 1 und 3. 19 In der Praxis wird aber VOn einer Stellvertretung abgesehen, da die Abwicklung des Frachtvertrages zwischen dem Verkäufer und dem Fuhrunternehmer, bei denen es sich zumeist um Kaufleute handelt, weniger Umstände bereitet. Der Fuhrunternehmer braucht sich wegen seines Frachtlohnes nicht an jeden einzelnen Abnehmer des Verkäufers zu wenden, und der Verkäufer kann den von ihm zu entrichtenden Frachtlohn bereits bei der Berechnung des Kaufpreises berücksichtigen. Dem Käufer steht es in jedem Fall frei, den Verkäufer - ggf. durch Zahlung eines erhöhten Kaufpreises - zu einer Vereinbarung einer günstigeren Haftungsregelung zu veranlassen. Weicht der Verkäufer VOn dieser Vereinbarung ab und werden dem Käufer dadurch deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche vereitelt, haftet der Verkäufer seinerseits dem Käufer für den dadurch entstehenden Schaden aus einer pFV des Kaufvertrages. Es ist daher sachgerecht, die Regelung des § 334 analog auch gegenüber dem deliktsrechtlichen Drittschadensersatzanspruch des Käufers aus § 844 Abs. 1 gelten zu lassen?O Der Käufer erkauft sich gleichsam die Vorteile eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs um den Preis seiner uneingeschränkten deliktsrechtlichen Drittschadensersatzansprüche. Die grundsätzlich geltende Anspruchskonkurrenz zwischen deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und vertraglichem Drittschutz wird insoweit - wie im übrigen auch sonst bei vertraglichen Freizeichnungsklauseln - durchbrochen. 5. Auswirkungen für die bisher an der Drittschadensliquidation geäußerte Kritik Gegen die Drittschadensliquidation ist im Rahmen des Werkvertragsrechts der Einwand ins Feld geführt worden, daß sie die Berechtigung zum Drittschadensersatz zu Unrecht auf vertragliche Anspruchsgrundlagen erstrecke?1 In engem Zusammenhang steht der Vorwurf, die Drittschadens19 Diese Überlegungen veranschaulichen die Nähe der Drittschadensliquidation zu den Regeln der Stellvertretung. Diese Nähe hat Junker dazu bewogen, in Analogie zu den §§ 164 ff. die Rechtsfigur der ..Vertretung im Vertrauen (V.i. V.)" ins Leben zu rufen. Ausführlich dazu unter § 40. 20 Genausogut kann in diesen Fällen wegen der besonderen Interessenlage § 846 analog angewandt werden. Im übrigen ist diese Vorschrift in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung aber nicht anwendbar, s. o. § 29 VI. 21 S. o. § 27 III 3.
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3. Teil: Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts
liquidation setze sich in Widerspruch zu den Wertungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Einerseits werde der geschädigte Dritte durch die Gewähr zusätzlicher vertraglicher Schadensersatzansprüche privilegiert, während er andererseits dadurch benachteiligt werde, daß ihm der Schädiger gemäß § 404 seine Einreden aus dem Vertragsverhältnis mit dem Gläubiger entgegen halten könne. 22 Die Untersuchung der Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht hat hingegen ergeben, daß die Gewähr vertraglicher Schadensersatzansprüche für den Dritten genauso interessengerecht ist, wie die Geltendmachung vertraglicher Einreden durch den Schuldner. Dieses Ergebnis entspricht den Vorgaben des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Der Drittschadensliquidation kann daher für diesen Sektor nicht vorgeworfen werden, daß sie sich über die Wertungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hinwegsetze. Es mangelt ihr bisher aber an einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit den Kriterien dieses Rechtsinstituts. Dessen Anwendung bleibt im Kaufrecht unberücksichtigt. Das mag daran liegen, daß man im Wege der Drittschadensliquidation zu ähnlichen Ergebnissen gelangt, indem man die Berechtigung zur Drittschadensliquidation uneingeschränkt auf vertragliche wie auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen stützt. Geschmälert wird diese Bilanz jedoch um die umständliche Abtretungsregelung des § 281. Zudem bleibt das eigentliche Problem, die Abgrenzung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von der Drittschadensliquidation, durch eine solche Vorgehensweise ungelöst. Die Drittschadensliquidation setzt sich dem Vorwurf aus, daß sie in Konkurrenz zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein weiteres Modell zur Abwicklung vertraglicher Drittschäden zur Verfügung stellt. Eine Antwort auf die maßgebliche Frage, weshalb die Drittschadensliquidation nicht nur auf deliktsrechtlicher, sondern auch auf vertraglicher Ebene zum Drittschadensersatz berechtigen soll, bleibt sie schuldig. Das ist nicht verwunderlich, da diese Frage allein an den Kriterien des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu messen ist. Wenn man so will, handelt es sich hier auf vertraglicher Ebene um das notwendige Pendant zum deliktsrechtlichen Drittschadensersatz. Die Wesensverwandtschaft zur Drittschadensliquidation kommt unter anderem auch in der Nähe des § 334 zu § 404 zum Ausdruck. Konstruktiv hat der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aber den praktischen Vorteil, daß er in Anlehnung an den Vertrag zugunsten Dritter dem Dritten einen unmittelbaren Anspruch gewährt und nicht auf eine umständliche Abtretungsregelung angewiesen ist.
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S. o. § 27 VI.
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Vor dem soeben geschilderten Hintergrund erklärt sich, weshalb bis heute kein taugliches Kriterium zur Abgrenzung der Drittschadensliquidation vom Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gefunden worden ist. Das Problem stellt sich gar nicht erst, wenn man das Drittschadensersatzrecht analog § 844 Abs. 1 reformiert oder die Berechtigung zur Drittschadensliquidation auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen begrenzt. Die Drittschadensliquidation in ihrer bisherigen Form schießt über ihr Ziel hinaus, indem sie dem Dritten neben deliktsrechtlichen zugleich vertragliche Schadensersatzansprüche gewährt. Sie begibt sich damit in unauflösbare Konkurrenzprobleme und Wertungswidersprüche mit dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Auf vertraglicher Ebene führt dies zu den allseits bekannten Abgrenzungsproblemen. Der Streit um taugliche Abgrenzungskriterien kommt einen Schritt zu spät und gleicht der Suche nach einem Phantom. IV. Exkurs: Lösung de lege ferenda Ebenso wie die Regelungen der §§ 644, 645 im Werkvertragsrecht berücksichtigen auch die Vorschriften der §§ 446, 447 im Kaufrecht nicht diejenigen Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung, bei denen die Gefahr durch einen Dritten verwirklicht wird. Auch hier bieten sich grundsätzlich zwei Lösungsansätze an. Entweder man verzichtet auf die Sonderregelungen zur obligatorischen Gefahrentlastung oder man gleicht die Eigentumsverhältnisse der Gefahrtragung an. 1. Vorschlag der Schuldrechtskommission: Beschränkung des § 447 auf den Handelskauf
Huber hat in seinem vorbereitenden Gutachten für die Schuldrechtskommission folgende Neufassung des § 447 vorgeschlagen: ,,(1) Ist der Verkäufer zur Versendung der verkauften Sache an den Käufer ver-
pflichtet, so geht die Gefahr, wenn nichts anderes bestimmt ist, auf den Käufer über, sobald die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur selbständigen Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt zur Übermittlung an den Käufer ausgehändigt ist. Der Verkäufer ist im Zweifel verpflichtet, die Sache in dem erforderlichen und angemessenen Umfang gegen die Gefahren der Vers!;ndung zu versichern. Die Kosten der Versicherung trägt, wenn nichts anderes bestimmt ist, diejenige Partei, die die Versendungskosten zu tragen hat. (2) Ist der Kaufvertrag nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebs, einer selbständig ausgeübten beruflichen Tätigkeit oder eines sonstigen Unternehmens des Käufers abgeschlossen und hat der Verkäufer es übernommen, die verkaufte Sache an den Käufer zu versenden, so trägt im Zweifel der Verkäufer die Gefahr bis zur Ablieferung an den Käufer."
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3. Teil: Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts
§ 447 Abs. 2 a.F. gilt als § 447 Abs. 3 n.F. unverändert fort. 23
Bereits die Systematik des § 447 n. F. verdeutlicht, daß Huber an dem Prinzip festhalten will, daß die Transportgefahr im Zweifel den Käufer trifft. § 447 Abs. 1 n. F. schreibt diesen Grundsatz fest, obwohl er nach der Regelung des § 447 Abs. 2 n. F. nur den Handelskauf betrifft, der nicht im BGB, sondern im HGB geregelt ist. Den Regelfall des BGB, den Verbraucherkauf, erfaßt mithin erst die "Ausnahme"regelung des § 447 Abs. 2 n. F. Huber ist bei der Neufassung des § 447 von dem rechtspolitischen Grundsatz ausgegangen, daß deIjenige ein Risiko tragen sollte, der es am besten beherrscht und am leichtesten Vorkehrungen dagegen treffen kann?4 Dies entspricht den Beweggründen, die die Schuldrechtskomrnission im Werkvertragsrecht dazu bewogen hat, unverändert an der Gefahrtragungsregel des § 644 Abs. 1 S. 1 festzuhalten. 25 Wie im Werkvertragsrecht der Unternehmer, so hat es im Kaufrecht regelmäßig der Verkäufer in der Hand, das allgemeine unternehmerische Risiko durch eine Versicherung aufzufangen. Für eine derartige Gefahrverteilung spricht ferner die Verkehrsauffassung, derzufolge die Verkaufsware auf Gefahr des Verkäufers reist. Dies entspricht Beobachtungen in der Praxis, daß die Verkäufer vielfältig darauf verzichten, ihre Rechte aus § 447 geltend zu machen. 26 Huber verweist ferner darauf, daß eine Änderung des § 447 die Möglichkeit eröffne, zugleich einige Unklarheiten zu beseitigen, die sich aus der Formulierung des Gesetzes ergeben. Angesprochen sind insbesondere die Strekkengeschäfte, bei denen die Versendung nicht vom Erfüllungsort, sondern einem dritten Ort erfolgt. 27
Um eine Divergenz mit dem einheitlichen Kaufrecht zu vermeiden, ist
Huber gleichwohl bestrebt, an der grundSätzlichen Verteilung der Transport-
gefahr festzuhalten. Er will nicht von einer fest verwurzelten Tradition abweichen, die in zahlreichen Handelsbräuchen und allgemeinen Geschäftsbedingungen ihren Niederschlag gefunden hat. 28 Vor diesem Hintergrund
23 Huber, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band I, S. 942. 24 Huber, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band I, S. 919. Aus ähnlichen Gründen argumentiert auch Hager, S. 105 ff., dafür, die Versendungsgefahr in Abkehr von der geltenden Regelung des § 447 dem Verkäufer aufzuerlegen. 2S S. o. § 31 I. 26 Huber, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band I, S. 919. 27 Huber, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band I, S. 921. 28 Huber, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band I, S. 920.
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erklärt sich die eigenartige systematische Gliederung des § 447, insbesondere das Verhältnis von Abs. 1 und Abs. 2, die das Regel-Ausnahme-Verhältnis für den Verbraucherkauf auf den Kopf stellen. Zwar verbleibt es rechtstechnisch bei der grundsätzlichen Gefahrtragungsregel des § 447 Abs. 1, dies aber um den Preis eines Bruchs mit der dogmatischen Unterscheidung zwischen dem allgemeinem Zivilrecht (BGB) und dem besonderem Zivilrecht für Kaufleute (HGB). Dieses Spagats hätte es nicht bedurft, da die von Huber genannten Gründe einen Bruch mit der bisherigen Tradition rechtfertigen würden. Ohnehin begründet § 447 Abs. 2 n. F. nunmehr für den Verbraucherkauf den Regelfall, daß der Verkäufer die Transportgefahr zu tragen hat. Daran ändert auch die vorgeschobene Regelung des § 447 Abs. 1 nichts. Konsequent wäre es gewesen, wenn Huber vorgeschlagen hätte, die Regelung des § 447 Abs. 1 n. F. in die besonderen Vorschriften zum Handelskauf, §§ 373 ff. HGB, zu verlagern. Der Regelung des § 447 Abs. 2 n.F. hätte es dann nicht mehr bedurft, da sie als Gegenausnahme zu der Ausnahmeregelung des § 447 Abs. 1 n. F. nichts anderes besagt als die Grundsatznorm des § 323, die dem Schuldner die Gegenleistungsgefahr auferlegt. Die Schuldrechtskommission schlägt daher in ihrem Abschlußbericht vor, die Regelung des § 447 zu streichen. Gleichwohl will sie aber an der Regelung des § 448 festhalten, wonach die Kosten der Versendung nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort dem Käufer zur Last fallen. Gefahrtragung und Kostentragung seien verschiedene Dinge. § 447 n. F. soll daher wie folgt lauten: ,,Der Verkäufer trägt die Kosten der Übergabe der Sache, der Käufer die Kosten der Abnahme und der Versendung der Sache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort...29
Für das Handelsrecht schlägt die Kommission vor, an einer dem § 447 a. F. vergleichbaren Regelung festzuhalten, da entsprechende Regelungen im nationalen und internationalen kaufmännischen Geschäftsverkehr weit verbreitet seien. Im übrigen greift die Kommission zur Begründung des § 447 n. F. auf den von Huber unterbreiteten Änderungsvorschlag zurück?O Unabhängig von den gesetzestechnischen Unterschieden zwischen dem Vorschlag Hubers und dem der Schuldrechtskommission spricht für die vorgeschlagene Neufassung des § 447, daß sie den im Rahmen der vorliegenden Arbeit angesprochenen Problemen in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung, in denen ein Dritter den Kaufgegenstand beschädigt oder zerstört, zumindest beim Verbraucherkauf aus dem Weg geht. Da nunmehr nach der allgemeinen Regelung des § 323 der Verkäufer die Gegenleistungsgefahr zu tragen hat, stimmen Gefahrtragung und Eigentum in der 29 30
Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 235. Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 234.
20 Stamm
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Vielzahl aller Fälle miteinander überein. Sollte der Käufer bereits ausnahmsweise Eigentümer der Kaufsache geworden sein, wird dies in der Regel keine Probleme bei der Schadensabwicklung begründen, da dem Verkäufer zumindest aus Vertrag ein Schadensersatzanspruch gegen den Dritten zustehen wird. Einen Schaden hat der Verkäufer unter Zugrundelegung des § 447 n. F. auch vom Standpunkt der Drittschadensliquidation erlitten, da ihm kein Kaufpreisanspruch gegen den Käufer mehr zusteht. Der Anspruch geht gemäß §§ 275, 323 Abs. 1 unter. 2. Kritik an dem Vorschlag der Schuldrechtskommission in der Literatur
Für eine Beibehaltung des § 447 a. F. und gegen den Vorschlag der Schuldrechtskommission hat sich Ernst ausgesprochen. Er kritisiert unter anderem, daß der Reformvorschlag das deutsche bürgerliche Recht sehenden Auges von den meisten vergleichbaren Nachbarrechten entferne?! Das Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Kostentragung begründe zudem einen neuen Schuldtypus des Versendungskaufs, was in der Konsequenz zu Unstimmigkeiten hinsichtlich des Weisungsrechts des Käufers führe. 32 Im übrigen sei der Gesichtspunkt der besseren Versicherbarkeit durch den Käufer nicht von hinreichender Allgemeingültigkeit, um eine für jeden Kauf statuierte Gefahrtragung rechtfertigen zu können. 33 Diese Kritik demonstriert, daß die Wertungen, die sich hinter der Gefahrtragungsregelung des § 447 verbergen, in der Literatur noch nicht abschließend erörtert sind. Einigkeit besteht lediglich darüber, die bisherige Gefahrtragungsregelung des § 447 zumindest für den Handelskauf beizubehalten. Insoweit setzt sich die Schuldrechtskommission mit ihrem Vorschlag aber dem berechtigten Vorwurf aus, daß sie die Probleme des Versendungskaufs nicht löst, sondern lediglich in das Handelsrecht verlagert. 34 Die Suche nach einer Lösung für die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht ist auch nach der Vorstellung der Schuldrechtskommission noch nicht beendet. Im folgenden wird daher nicht zwischen Handels- und Verbraucherkauf unterschieden, sondern an die bestehende Regelung des § 447 angeknüpft.
31
32 33
34
Ernst, Ernst, Ernst, Ernst,
ZIP ZIP ZIP ZIP
1993,481 1993,481 1993,481 1993,481
(482). (484). (485 f.). (482,490).
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3. Ergänzung des § 447 durch einen neuen § 447 a
Will man an der Gefahrtragungsregelung des § 447 festhalten, so muß eine dem § 644 Abs. 2 n. F. vergleichbare Regelung gefunden werden, die das unbeabsichtigte Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum vermeidet. Denn es hat sich gezeigt, daß hierin die Wurzel für die aufgezeigten Probleme des Drittschadensersatzes zu suchen ist. Die Lösung hat sich an der vom Werkvertragsrecht abweichenden Interessenlage im Kaufrecht zu orientieren. Im Werkvertragsrecht beginnt das Vertragsverhältnis in den Fällen, in denen ein Dritter die Werkleistung beschädigt oder zerstört, quasi von vorn. Das Vertragsverhältnis zwischen Besteller und Unternehmer wird durch die deliktsrechtliche Schädigung des Dritten nicht berührt, da die Gefahr noch nicht auf den Unternehmer übergegangen ist. Im Kaufrecht muß hingegen berücksichtigt werden, daß es wegen des bereits erfolgten Gefahrübergangs zur Abwicklung des Kaufvertrages kommt; es tritt der Ersatzanspruch gegen den Schädiger an die Stelle des untergegangenen oder verschlechterten Kaufgegenstandes. Diesbezüglich steht dem Verkäufer also eine Zug-um-Zug-Einrede zu, die er durch eine dem § 644 Abs. 2 n. F. vergleichbare Regelung verlieren würde. Der Käufer erhielte bereits mit dem Eintritt der Schädigung als Ersatz für den vom Verkäufer geschuldeten Kaufgegenstand einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger, ohne daß er seine Gegenleistung erbracht hätte. 35 Für eine solche Privilegierung des Käufers besteht kein Anlaß. Es stellt sich daher die Frage, wie dem Verkäufer de lege ferenda seine Zug-um-Zug-Einrede gesichert werden kann. Bei der Lösung de lege lata hat sich gezeigt, daß der Verkäufer dadurch geschützt wird, daß dem Käufer ein Drittschaden analog § 844 Abs. 1 erst dann erwächst bzw. der Forderungsübergang analog § 426 Abs. 2 erst in dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Käufer seine Gegenleistung erbringt. Eine vergleichbare Wirkung läßt sich de lege ferenda dadurch erzielen, daß man die Anpassung der Eigentumsverhältnisse an die Gefahrtragung von der vorherigen Zahlung des Kaufpreises abhängig macht. Eine solche zeitliche Verschiebung der Eigentumsfiktion sichert dem Verkäufer seine Zugum-Zug-Einrede, ohne daß der Käufer dadurch benachteiligt würde. 36 Die 35 Auch im Werkvertragsrecht erhält der Besteller in den Fällen des § 644 Abs. I S. 2 aufgrund der Regelung des § 644 Abs. 2 n. F. einen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger, ohne daß er seine Gegenleistung erbracht hat. Es handelt sich hier ebenfalls wie im Kaufrecht um Fälle, bei denen es wegen des vorzeitigen Gefahrübergangs zum Austausch von Leistung und Gegenleistung kommt. Gleichwohl liegt hier keine Benachteiligung des Unternehmers vor, da der Unternehmer im Werkvertragsrecht zur Vorleistung verpflichtet ist. Ihm steht also im Gegensatz zum Verkäufer keine Zug-um-Zug-Einrede zu, die er durch eine vorzeitige Eigentumsfiktion verlieren könnte. Aus diesem Grunde bedarf es in den Fällen des § 644 Abs. 1 S. 2 keiner von § 644 Abs. 2 n. F. abweichenden Regelung. 20·
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Vorschriften der §§ 446, 447 könnten dementsprechend durch die folgende Vorschrift ergänzt werden: ,,§ 447 a. Ist in den Fällen der §§ 446, 447 der zufallige Untergang oder die
zufällige Verschlechterung der verkauften Sache auf das Verhalten eines Dritten zurückzuführen und ist der Käufer zu diesem Zeitpunkt noch nicht Eigentümer der Kaufsache geworden, so gilt er rückwirkend mit der Zahlung des Kaufpreises als deren Eigentümer, soweit sie untergegangen oder verschlechtert worden ist."
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß dem Käufer gegen den Dritten ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 zusteht, sobald er an den Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis entrichtet hat. Die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht lassen sich ebenfalls über das Deliktsrecht zufriedenstellend lösen, ohne daß es einer gesonderten Regreßregelung bedarf. V. Ergebnis zu den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht
Die Einsichten, die bei der Lösung der Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht gewonnen worden sind, lassen sich weitestgehend auf das Kaufrecht übertragen. De lege ferenda bedarf es auch im Kaufrecht einer ergänzenden Vorschrift, die das Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum verhindert. Eine Differenzierung ist aber insoweit geboten, als es im Kaufrecht wegen des vorzeitigen Gefahrübergangs zum Austausch der gegenseitigen Leistungen kommt. Demzufolge steht dem Verkäufer eine Zug-um-Zug-Einrede wegen des vom Käufer noch zu entrichtenden Kaufpreises zu. Diesem Umstand trägt die hier entwickelte Lösung Rechnung, indem die Gleichstellung von Gefahrtragung und Eigentum erst mit Entrichtung des Kaufpreises erfolgt. De lege lata läßt sich die soeben beschriebene Differenzierung zwischen den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kauf- und Werkvertragsrecht durch eine Drittschadensersatzregelung analog § 844 Abs. 1 vornehmen. Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine solche Analogie treten keine Unterschiede auf. Bezüglich der Rechtsfolge ist aber im Kaufrecht zu berücksichtigen, daß der Käufer einen ersatzfähigen Drittschaden erst in dem Zeitpunkt erleidet, in dem er den Kaufpreis an den Verkäufer entrichtet. Dem Verkäufer bleibt damit seine Zug-um-Zug-Einrede erhalten. Alternativ läßt sich dieses Ergebnis im Kaufrecht durch eine Fortentwicklung der Drittschadensliquidation erzielen, indem man die Berechtigung zur Drittschadensliquidation auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen beschränkt, diese in direkter oder zumindest analoger Anwendung des § 426 36
S. o. 11 3.
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Abs. 2 S. 1 überleitet und auf eine Anwendung des § 404 verzichtet. Im Werkvertragsrecht führt eine solche Fortentwicklung hingegen nicht gänzlich zu dem gewünschten Ziel. Denn auch durch eine Überleitung der Drittschadensersatzansprüche gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 kann nicht vermieden werden, daß der Unternehmer seinen Drittschadensersatzanspruch erst nach Abnahme der Werkleistung geltend machen kann. Dies ist im Werkvertragsrecht - anders als im Kaufrecht - wegen der abweichenden Gefahrtragungsregelungen nicht sachgerecht. Die Anwendung des § 426 Abs. 2 S. 1 bringt insoweit nur im Kaufrecht Vorteile, weswegen eine grundlegende Reform des Drittschadensersatzrechtes analog § 844 Abs. 1 den Vorzug verdient. Die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht zeichnet im Vergleich mit denjenigen aus dem Werkvertragsrecht eine weitere Besonderheit aus. Da der Frachtvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Fuhrunternehmer vornehmlich im Interesse des Käufers abgeschlossen wird, lassen sich die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bejahen. Der Käufer ist auf vertraglicher Ebene nicht schutzlos gestellt. Es kommt zu einer Überlagerung von deliktsrechtlichem Drittschadensersatz analog § 844 Abs. 1 und vertraglichem Drittschutz. Die Anspruchskonkurrenz wird lediglich insoweit durchbrochen, als der Fuhrunternehmer dem Käufer auch auf deliktsrechtlicher Ebene analog § 334 seine vertraglichen Einreden aus dem Vertragsverhältnis mit dem Verkäufer, insbesondere Haftungsfreizeichnungsklauseln, entgegenhalten kann.
§ 38 Fälle der mittelbaren Stellvertretung Einen weiteren in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Typus der Drittschadensliquidation bilden die Fälle der mittelbaren Stellvertretung. 37 Es handelt sich dabei insbesondere um die Fälle der Kommissions- und Auftragsgeschäfte. Aus dem Kommissionsrecht ergeben sich hier keine Besonderheiten, so daß sich die nachfolgende Untersuchung auf die Eigenarten des Auftragsrechts beschränken kann. Die Drittschadensliquidation wird hier nicht nur in den Fällen des Untergangs und der Verschlechterung des Auftragsgutes, sondern auch in den Fällen des bloßen Verzugs angewandt, ohne daß zwischen den verschiedenen Leistungsstörungen unterschieden wird. Angesichts der bisher gewonnenen Erfahrungen mit der Drittschadensliquidation mahnt eine solche Gleichbehandlung zur Vorsicht. 37 BOHZ 25, 250 (258); 40, 91 (100); BOH WM 1987,581 (581 f.); Berg, Verträge mit Drittschutzwirkung, JuS 1977, 363 (365); Hagen, Drittschadensliquidation, S. 253-255, der die Anwendung der Drittschadensliquidation in diesen Fällen für gewohnheitsrechtlich anerkannt hält; ebenso Lange, § 8 III 4; Heinrichs, in: Palandt, Vor. § 249, Rdnr. 115; Schiemann, in: Staudinger, Vor. §§ 249 ff., Rdnr. 69; Steding, JuS 1983,29 (29 f.).
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3. Teil: Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts
Sie wird den Eigenarten der verschiedenen Fallkonstellationen nicht gerecht. Es muß deshalb auch bei der nachfolgenden Untersuchung zwischen den einzelnen Leistungsstörungen unterschieden werden. Dabei sollen zunächst die Fälle des Untergangs und der Verschlechterung der Auftragsware untersucht werden, da sich bei dieser Art von Leistungsstörungen auch im Kauf- und Werkvertragsrecht eine Rechtsfortbildung als notwendig erwiesen hat. I. Untergang und Verschlechterung des Auftragsgutes Der folgende Sachverhalt38 soll der Untersuchung zugrunde gelegt werden: K kauft für seinen Freund F, der unerkannt bleiben will, im eigenen Namen bei V ein Gemälde für 10.000,- DM. Bevor K dieses Gemälde an F übergeben kann, wird es durch den bei K tätigen Handwerker H schuldhaft zerstört. 1. Drittschadensliquidation
Die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation sind auch in diesem Fall erfüllt: 1. K hat als Eigentümer des Gemäldes dem Grunde nach gegen H sowohl einen vertraglichen als auch einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch. Thm ist jedoch kein Schaden entstanden, da er den von ihm aufgewendeten Kaufpreis von F gemäß § 670 ersetzt verlangen kann, ohne seinerseits dem F zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. 39 Gemäß § 275 ist er von seiner Verpflichtung aus § 667 zur Herausgabe des Gemäldes40 ersatzlos frei geworden, da ihn kein Verschulden am Untergang des Gemäldes trifft und ihm das Verschulden des H gemäß § 278 nicht zuzurechnen ist. H ist nicht Erfüllungsgehilfe des K im Verhältnis zu F. 2. F hat gegen H keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1, da er noch nicht Eigentümer des Gemäldes geworden ist. Zwischen Fund K ist noch keine dingliche Einigung und keine Übergabe erfolgt. F hat aber den Schaden erlitten, da er K den Kaufpreis ersetzen muß. 3. Aus der Sicht des H handelt es sich um eine zufällige Schadensverlagerung. 38 Ähnliche Sachverhalte bei Steding, JuS 1983, 29 (29), und Peters, AcP 1980, 329 (350). 39 Im Kommissionsrecht ist § 670 gemäß § 396 Abs. 2 HGB ebenfalls anwendbar. 40 Die Herausgabepflicht ergibt sich im Kommissionsrecht aus § 384 Abs. 2 HGB.
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Im Ergebnis steht F gegen H aus abgetretenem Recht des K sowohl ein vertraglicher als auch ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu. 2. Kritik an der Drittschadensliquidation
Die Lösung des vorliegenden Falles im Wege der Drittschadensliquidation stößt auf dieselben Bedenken, die bereits im zweiten Teil der Arbeit anband eines vergleichbaren Falles im Werkvertragsrecht geäußert worden sind. Es braucht deshalb an dieser Stelle nicht noch einmal im einzelnen auf die Kritik an der Drittschadensliquidation eingegangen zu werden. Es sei nur angemerkt, daß auch im vorliegenden Fall der Geschädigte F gegen den Schädiger H einen vertraglichen Schadensersatzanspruch erhält, obwohl zwischen beiden kein Vertragsverhältnis besteht. Hätte K im vorliegenden Fall das Gemälde bereits an F im Wege eines Insichgeschäfts oder eines antizipierten Besitzkonstituts gemäß den §§ 929 S. I, 930, 868, 688 übereignet, so würde F ebenfalls nur ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen H zustehen. 41 Es ist nicht einsichtig, weshalb sich F in dem vorliegenden Fall, in dem er noch nicht Eigentümer des Gemäldes geworden ist, besser stehen soll und zusätzlich einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen Herhalten soll.42 3. Vergleich mit den Fällen der obligatorischen GefahrentIastung im Kaufrecht
Die eigentliche Ursache für die Probleme des vorliegenden Falles ist auch hier in dem unbeabsichtigten Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum zu suchen. Der geschädigte Auftraggeber trägt die Gefahr für den zufälligen Untergang des Gemäldes, obwohl er noch nicht dessen Eigentümer geworden ist. Die Interessenlage verhält sich nicht anders als in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht. Der einzige Unterschied besteht darin, daß Auftraggeber und Auftragnehmer kein vollkommen gegenseitiger Vertrag, sondern lediglich ein sogenannter unvollkommen gegenseitiger Vertrag verbindet. 43 Aus diesem Grunde kann im 41 Der BGH ist hingegen der Ansicht, daß deliktsrechtliche Ansprüche bei der Drittschadensliquidation außer Betracht bleiben sollen, BGH NJW 1985, 2411 (2411 f.). Zu dieser Auffassung soll erst bei der nachfolgenden Fallgruppe Stellung genommen werden, da der Entscheidung BGH NJW 1985, 2411 f., ein sogenannter Obhutsfall zugrunde liegt. 42 Anhand des zweiten Falles wird noch eingehend zu zeigen sein, daß ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Geschädigten auch nicht der Interessenlage zwischen den Beteiligten entspricht. So sind die Voraussetzungen für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter - anders als im Kaufrecht - regelmäßig nicht erfüllt, s. u. 11 1.
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Auftragsrecht nicht von einer Gegenleistungsgefahr im eigentlichen Sinne gesprochen werden. Gleichwohl ist aber auch hier der Auftragnehmer dazu verpflichtet, die Kaufsache herauszugeben, während der Auftraggeber ihm im Gegenzug den aufgewendeten Kaufpreis zu ersetzen hat. Geht die Kaufsache nun zufällig unter, so kommt mangels eines Gegenseitigkeitsverhältnisses nicht etwa die Vorschrift des § 323 zur Anwendung, sondern der Aufwendungsersatzanspruch bleibt mangels einer vergleichbaren Regelung für die unvollkommen gegenseitigen Verträge bestehen. 44 Im Ergebnis trägt damit der Auftraggeber - genauso wie der Käufer in den Fällen der §§ 446, 447 - die Vergütungsgefahr, ohne Eigentümer der Kaufsache geworden zu sein. Entsprechend muß auch hier das willkürliche Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum korrigiert werden. Dabei muß ebenso wie im Kaufrecht berücksichtigt werden, daß dem Auftragnehmer wegen des noch zu ersetzenden Kaufpreises eine Zug-um-Zug-Einrede zusteht. Es spielt keine Rolle, daß sich diese Zug-um-Zug-Einrede mangels eines gegenseitigen Vertrages nicht wie im Kaufrecht aus § 320, sondern aus § 273 ergibt. Wegen der vergleichbaren Interessenlage ist hier der unvollkommen gegenseitige Vertrag dem vollkommen gegenseitigen Vertrag gleichzustellen. 4. Problemlösung
Nach dem zuvor Gesagten wäre es denkbar, den hier entwickelten Lösungsansatz, die Eigentumsverhältnisse und die Gefahrtragung gleichzuschalten, in der Weise zu realisieren, daß man die Gefahrtragung im Auftragsrecht durch eine analoge Anwendung des § 323 vom Auftraggeber auf den Auftragnehmer verlagert. Es besteht keine dem § 447 vergleichbare Regelung im Auftragsrecht, die einer solchen Analogie entgegenstünde, und die Interessenlage im Auftragsrecht beurteilt sich im Ergebnis nicht anders als bei einem gegenseitigen Vertrag. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, daß der Gesetzgeber die wechselseitigen Verpflichtungen im Auftragsrecht nicht ins Gegenseitigkeitsverhältnis gestellt hat. Dies läßt sich bereits daraus ablesen, daß die Geschäftsführung gemäß § 662 unentgeltlich 43 Im Unterschied dazu handelt es sich beim Kommissionsvertrag um einen gegenseitigen Vertrag. Im Oegenseitigkeitsverhältnis stehen zum einen der Provisionsanspruch und zum anderen der Anspruch auf Vornahme des Ausführungsgeschäfts und auf Herausgabe des Kommissionsgutes. Daraus ergibt sich jedoch für die hier zu behandelnden Probleme keine Besonderheit, da der Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 396 Abs. 2 HOB, 670 auch im Kommissionsrecht nicht im Oegenseitigkeitsverhältnis steht. Dieser Anspruch ist aber für die hier zu erörternden Probleme der Oefahrtragung allein von Bedeutung, wie gleich zu zeigen sein wird. 44 Dies gilt auch im Kommissionsrecht, da der Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 396 Abs. 2 HOB, 670 ebenfalls nicht im Oegenseitigkeitsverhältnis steht, s. dazu bereits die vorangegangene Fußnote.
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zu besorgen ist und § 670 unabhängig hiervon eine Aufwendungsersatzpflicht des Auftraggebers begründet. Diese gesetzliche Wertung würde durch eine analoge Anwendung des § 323 umgangen. Auch der umgekehrte Ansatz, die Eigentumsverhältnisse der Gefahrtragung im Auftragsrecht anzupassen, läßt sich de lege lata nicht verwirklichen, da eine antizipierte Übereignung des Auftragsgutes nicht fingiert werden kann. Es bleibt - wie im Kaufrecht - die Möglichkeit, entweder dem Auftraggeber analog § 844 Abs. 1 einen Drittschadensersatzanspruch zuzusprechen, sobald er dem Auftragnehmer seine Aufwendungen erstattet hat, oder die Drittschadensliquidation fortzuentwickeln, indem man sie auf das Deliktsrecht beschränkt, die Ansprüche gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 überleitet und auf eine Anwendung des § 404 verzichtet. Ersetzt F also im Ausgangsfall dem K seine Aufwendungen, so steht ihm gegen Hein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu. Auch hier gewährleistet das Deliktsrecht eine sach- und interessengerechte Abwicklung zwischen den Beteiligten, ohne daß es eines Regreßanspruchs bedarf.
s. Lösung de lege ferenda in Anlehnung an das Kaufrecht De lege ferenda wird vorgeschlagen, dem Auftragsrecht eine dem § 447 a n. F. vergleichbare Vorschrift hinzuzufügen. Eine solche Vorschrift könnte etwa wie folgt lauten: ,,§ 667 a. Ist ein zufalliger Untergang oder eine zufällige Verschlechterung des
aus der Geschäftsführung erlangten Gegenstandes auf das Verhalten eines Dritten zurückzuführen und ist der Auftraggeber zu diesem Zeitpunkt noch nicht Eigentümer des Gegenstandes geworden, so gilt er rückwirkend mit der Erstattung der dem Auftragnehmer entstandenen Aufwendungen als Eigentümer des Gegenstandes, soweit dieser untergegangen oder verschlechtert worden ist." 6. Möglichkeiten der Rechtsvereinheitlichung im allgemeinen Schuldrecht für sämtliche Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung
Die im Kaufrecht und im Auftragsrecht aufgetretenen Parallelen legen es nahe, die hier entwickelte Rechtsfortbildung zu verallgemeinern und in einer neuen Vorschrift im allgemeinen Teil des Schuldrechts zusammenzufassen. Andererseits belegen aber die Unterschiede zum Werkvertragsrecht, daß eine solche Vorschrift den Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps Rechnung tragen müßte. Es ist schwer vorstellbar, wie ein allgemein gültiger Wortlaut für eine solche Vorschrift ermittelt werden sollte. Zudem ist fraglich, wie eine solche Vorschrift systematisch einzuordnen wäre. Eine systematische Stellung im Allgemeinen Schuldrecht wäre ausgeschlossen, da die Vorschrift an die speziellen Gefahrtragungsregeln im Besonderen
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3. Teil: Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts
Schuldrecht anknüpfen müßte. Diese sind es, die in den bisher erörterten Fällen Probleme bereiten. Die eigentliche Ursache für die angesprochenen Probleme liegt nicht im Drittschadensersatzrecht, auch wenn sich auf diesem Umweg de lege lata ähnliche Ergebnisse erzielen lassen. De lege ferenda ist es wegen der Bedenken im Hinblick auf den Wortlaut und die systematische Stellung einer allgemeinen Vorschrift deshalb sachgerecht, die Gefahrtragungsregeln im Besonderen Schuldrecht jeweils gesondert zu ergänzen. Eine Verallgemeinerung der hier entwickelten Rechtsfortbildung ist nicht möglich. 7. Ergebnis
Der Fall des Untergangs bzw. der Verschlechterung des Auftragsgutes ist entgegen der allgemeinen Meinung nicht der Fallgruppe der mittelbaren Stellvertretung, sondern der Fallgruppe der obligatorischen Gefahrentlastung zuzuordnen. Es handelt sich nur scheinbar um ein Problem der mittelbaren Stellvertretung, während die eigentliche Ursache für die Probleme erneut in dem unbeabsichtigten Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum zu suchen ist. Es gibt folglich auch im Auftragsrecht Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung. Diese sind nicht anders zu behandeln als die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht. 45 Soweit daher in Rechtsprechung und Literatur von den Fällen der mittelbaren Stellvertretung als eigenständiger Fallgruppe gesprochen wird, handelt es sich ihrem Wesen nach lediglich um eine Klassifikation der Fallgruppe der obligatorischen Gefahrentlastung. 11. Verzugsfälle
Der Drittschadensliquidation werden im Bereich der mittelbaren Stellvertretung auch die Fälle zugeordnet, bei denen der Auftraggeber einen Verzugsschaden erleidet. Bei der Untersuchung dieser Fälle soll von folgendem Sachverhalt46 ausgegangen werden: K kauft für F, der unerkannt bleiben möchte, ein Gemälde bei V. V verzögert die termingerechte Auslieferung des Gemäldes, so daß F ein günstiger Weiterverkauf an X unmöglich wird. Kann F von V den entgangenen Gewinn ersetzt verlangen? 45 Eine Abweichung ergibt sich allein auf vertraglicher Ebene, da im Auftragsrecht - anders als im Kaufrecht - die Voraussetzungen für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter regelmäßig nicht erfüllt sind. Dies hat insbesondere für die Verzugsfälle erhebliche Auswirkungen, auf die im folgenden unter H. einzugehen ist. 46 Ähnliche Fälle bei Steding, JuS 1983, 29 (29 f.), und Peters, AcP 1980, 329 (350).
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K hat gegen V dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch aus § 286 Abs. 1. Den Verzögerungsschaden hat aber nicht K, sondern F erlit-
ten. Vom Standpunkt der Drittschadensliquidation darf V aus dieser zufalligen Schadensverlagerung keinen Vorteil ziehen. K soll daher den Drittschaden des F bei V liquidieren können. Tritt K seinen Anspruch an F ab, so kann dieser selbst den entgangenen Gewinn von Versetzt verlangen. 1. Anknüpfungspunkte für eine Rechtfertigung der Drittschadensliquidation in den Fällen des Verzugs
Ansatzpunkt für eine Rechtsfortbildung in den Fällen des Untergangs und der Verschlechterung der Auftragsware ist die unbeabsichtigte Divergenz von schuldrechtlicher Gefahrtragung und dinglicher Eigentumslage. Diese Abweichung bereitet in den Fällen des Verzugs hingegen keine Probleme. Da es um die Geltendmachung eines reinen Vermögensschadens geht, kann eine deliktsrechtliche Eigentumsverletzung nicht Ausgangspunkt für eine Verpflichtung zum Schadensersatz sein. Das Vermögen stellt kein dem Eigentum vergleichbares "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 dar, so daß den Verkäufer im Ausgangsfall nach den Wertungen des Deliktsrechts weder dem Käufer noch dem Auftraggeber gegenüber eine deliktsrechtliche Haftung treffen kann. Ein Schadensausgleich ist allein auf vertraglicher Ebene denkbar. Die Drittschadensliquidation gewährt dem geschädigten Auftraggeber einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer, obwohl er mit diesem in keiner Vertragsbeziehung steht. Hier tritt ein grundsätzlicher Kritikpunkt an der Drittschadensliquidation zutage, auf den bereits an früherer Stelle hingewiesen worden ist. 47 Die Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter werden umgangen. Das Kriterium der "Erkennbarkeit des Dritten" ist in den Fällen der mittelbaren Stellvertretung regelmäßig nicht erfüllt. Es zeichnet diese Fälle gerade aus, daß der Hintermann unerkannt bleiben will. Aus diesem Grunde ist nach den Wertungen des drittschützenden Vertrages eine vertragliche Haftung ausgeschlossen. Als Ansatzpunkt für eine Rechtfertigung der Drittschadensliquidation bleibt die Möglichkeit, den Begriff der Gefahrtragung nicht auf den zufälligen Untergang oder die zufällige Verschlechterung der Auftragsware zu beschränken, sondern ihn auf die Fälle des Verzugs zu erweitern. Dazu müßte in ähnlicher Weise wie in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung ein unbeabsichtigtes Auseinanderfallen von Lieferanspruch und Verzögerungsgefahr festzustellen sein. Dies leitet zu der Frage über, ob es sich in den Verzugsfällen um eine "zufällige Schadensverlagerung" handelt. 47
S. o. § 27 VII.
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3. Teil: Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts 2. "Zufällige Schadensverlagerung" oder Ausuferung der Drittschadensliquidation?
Überträgt man die bisherigen Ergebnisse auf den vorliegenden Fall, so bedeutet dies, daß F weder gegen K noch gegen V Schadensersatzansprüche zustehen. F hat das Risiko für Verzögerungsschäden, die ihm aus der verspäteten Lieferung des Gemäldes durch V entstehen, selbst zu tragen. Ein solches Ergebnis wird von den Vertretern der Drittschadensliquidation als unbillig empfunden. Der für den Schaden verantwortliche Verkäufer dürfe keinen Vorteil aus der "zufalligen Schadensverlagerung" vom Auftragnehmer auf den Auftraggeber ziehen. 48 In den Verzugsfallen tritt der Schaden allein beim Auftraggeber, nicht aber beim Auftragnehmer ein, da dieser kein eigenes Interesse an dem Auftragsgut hat. Eine "Schadensverlagerung" läßt sich bejahen. Hingegen handelt es sich nicht um eine "zufallige" Schadensverlagerung. Von den Anhängern der Drittschadensliquidation wird übersehen, daß der geschädigte Auftraggeber ganz bewußt auf ein Vertragsverhältnis mit dem Verkäufer verzichtet. Er schaltet einen Mittelsmann ein, anstatt selbst als Käufer aufzutreten oder von der Möglichkeit der (unmittelbaren) Stellvertretung Gebrauch zu machen. Der Auftraggeber erhofft sich durch ein solches Vorgehen in der Regel einen für ihn günstigeren Vertragsschluß. Er befürchtet, daß der Verkäufer an ihn selbst entweder überhaupt nicht oder nur zu einem erhöhten Kaufpreis verkaufen werde. Des weiteren vermeidet der Auftraggeber durch die Einschaltung eines Mittelsmannes eine eigene vertragliche Haftung gegenüber dem Verkäufer. Nimmt der Auftraggeber einerseits diese Vorteile der mittelbaren Stellvertretung für sich in Anspruch, dann muß er andererseits auch für die damit verbundenen Nachteile einstehen. Verzichtet er auf ein eigenes Vertragsverhältnis mit dem Verkäufer, dann kann er sich später nicht auf ein solches berufen. Ein solches Vorgehen verstößt gegen das aus § 242 abgeleitete Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium).49 Indem die Drittschadensliquidation dem Verkäufer einen Vertrags48 Heinrichs, in: Palandt, Vor. § 249, Rdnr. 112 i. V. m. Rdnr. 115; Medicus, in: Staudinger, 12. Aufl., § 249, Rdnr. 194. 49 Mit einer ähnlichen Argumentation beschränkt Peters, AcP 1980, 329 (353 f.), die Haftung des Verkäufers auf die typischen Schadensfolgen. Er kommt damit auch in den Fällen der mittelbaren Stellvertretung zur Anwendung der Lehre vom normativen Schaden. Peters hält in diesen Fällen eine völlige Freistellung des Verkäufers von seiner Schadensersatzpflicht für unbillig, da seine Pflichtwidrigkeit andernfalls sanktionslos bliebe (S. 351). Er übersieht dabei, daß die Vorschriften der §§ 325, 326 dem Käufer anstelle eines Schadensersatzanspruchs auch ein Rücktrittsrecht gewähren. Von diesem Rücktrittsrecht kann der Kommissionär unabhängig von der Frage, ob er selbst einen Schaden erlitten hat, Gebrauch machen. Die Pflichtwidrigkeit des Verkäufers bleibt also entgegen der Ansicht Peters' nicht sanktionslos.
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partner aufzwingt, mit dem er gar nicht oder nur unter veränderten Vertragsbedingungen kontrahiert hätte, verletzt sie des weiteren den Grundsatz der Privatautonomie. Im Ergebnis kann daher weder festgestellt werden, daß eine "zufallige" Schadensverlagerung vorliegt, noch, daß sonstige Umstände vorliegen, die es aus Gründen der Billigkeit geboten erscheinen lassen, einen Ausgleich im Wege der Drittschadensliquidation oder einer Analogie zu § 844 Abs. I herbeizuführen. Es gilt, der Gefahr einer Ausuferung des Drittschadensersatzrechtes vorzubeugen, da es an klaren Kriterien fehlt, anhand derer eine "Billigkeit" des Schadensausgleichs festzustellen ist. Der Begriff der "zufalligen Schadens verlagerung" genügt diesen Anforderungen jedenfalls nicht. Dies zeigt die bisherige Untersuchung. Präzisiert man diesen Begriff hingegen, indem man ihn durch das Kriterium der obligatorischen Gefahrentlastung ersetzt und beschränkt die Berechtigung zum Drittschadensersatz auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen, gewinnt das Drittschadensersatzrecht klare Konturen, die es von anderen Rechtsinstituten, insbesondere dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, abhebt. Hingegen führen Bemühungen um eine Ausdehnung der Drittschadensliquidation zu einer Ausuferung in Form einer reinen Billigkeitsrechtsprechung. Folgt man der Rechtsprechung, so müßte beispielsweise auch der Käufer in den Fällen des Versendungskaufs vom Transportunternehmer etwaige Verzögerungsschäden ersetzt verlangen können. Ebenso könnten am Bau konkurrierende Unternehmer in den Fällen der Bauverzögerung ihre Schäden voneinander ersetzt verlangen,50 was aber auch von der Rechtsprechung nicht angenommen wird. 51 Auch wenn der Gesetzgeber die Fortentwicklung des Drittschadensersatzrechtes der Rechtsfortbildung überlassen hat, ermächtigt dies nicht zu einer Einschränkung elementarer RechtsgrundSätze des BGB. Der Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse wird unzulässig untergraben,52 indem vertragliche Schadensersatzansprüche auf Dritte ausgedehnt werden. Derartig weitgehende Entscheidungen bleiben dem Gesetzgeber vorbehalten. Die Heranziehung zum Drittschadensersatz bedarf daher im Einzelfall einer sorgfaltigen Rechtfertigung, die für die Fälle des Verzugs bisher nicht gelungen ist.
so Zu den dabei auftretenden Wertungswidersprüchen zwischen der Drittschadensliquidation und den Vorschriften der §§ 642 ff. siehe bereits ausführlich im zweiten Teil der Arbeit unter § 18 II. SI
S2
S. o. § 16 I. S. o. § 27 III 3.
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3. Teil: Drittschadensliquidation außerhalb des Werkvertragsrechts 111. Ergebnis zur Fallgruppe der mittelbaren Stellvertretung
Es hat sich erwiesen, daß auch die Fälle der mittelbaren Stellvertretung keine einheitlich zu behandelnde Fallgruppe der Drittschadensliquidation darstellen. Bei den Leistungsstörungen in Form des zufalligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung des Auftragsgutes handelt es sich um Probleme der obligatorischen Gefahrentlastung im Auftragsrecht. Die Lösung stellt sich hier nicht anders dar als im Kaufrecht, allerdings mit der Besonderheit, daß auf vertraglicher Ebene die Voraussetzungen für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter regelmäßig nicht erfüllt sind. Dagegen bedarf es in den Fällen des Verzugs keiner Korrektur des Gesetzes. Die Regelungen des Vertragsrechts, insbesondere zum vertraglichen Drittschutz, sowie die Vorgaben des Deliktsrechts führen hier zu einer angemessenen Lösung. Soweit auch diese Fälle der Drittschadensliquidation zugeordnet werden, wird ihr Anwendungsbereich unzulässig ausgedehnt. Die Wertungen des vertraglichen Drittschutzes werden umgangen. Die Fälle der mittelbaren Stellvertretung verlieren damit im Ergebnis ihre Bedeutung als eigenständige Fallgruppe der Drittschadensliquidation.
§ 39 Obhutsf31le Eine weitere anerkannte Fallgruppe der Drittschadensliquidation stellen die sogenannten Obhutsfälle dar. 53 Folgender typischer Sachverhalt soll hier zugrunde gelegt werden: Der Eigentümer E hat einige Möbel an L verliehen. Als L seine Wohnung renovieren will, stellt er die Möbel im Einverständnis mit E beim Lagerhalter D unter. Dort werden die Möbel durch einen von D verschuldeten Lagerbrand zerstört. Ansprüche des E? Die Voraussetzungen für eine DriUschadensliquidation sollen auch hier erfüllt sein: 1. L hat dem Grunde nach gegen Deinen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, da die Herausgabe der Möbel infolge des von D verschuldeten Lagerbrandes unmöglich geworden ist. L soll aber keinen Schaden erlitten haben, da er gemäß § 275 von seiner Rückgabepflicht gegenüber E ersatzlos frei geworden ist. 54
53
BOHZ 40, 91 (101); BOH NJW 1974, 1614 (1616); BOH NJW 1985, 2411
54
Kritisch dazu sogleich unter 11.
(2411); Berg, Verträge mit Drittschutzwirkung, JuS 1977, 363 (365); Heinrichs, in: Palandt, Vor. § 249, Rdnr. 116; Lange, § 8 III 7; Schiemann, in: Staudinger, Vor. §§ 249 ff., Rdnr. 72; Steding, JuS 1983,29 (31).
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2. E, der den Schaden erlitten hat, steht gegen L kein vertraglicher Schadensersatzanspruch zu, da er nicht Vertragspartner des L geworden ist. Der deliktsrechtliche Schadensersatzanspruch soll im Rahmen der Drittschadensliquidation unberücksichtigt bleiben. 55 3. Aus der Sicht des D handelt es sich um eine zufallige Schadensverlagerung. L steht gegen D ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 auf Erstattung des dem E entstandenen Schadens zu. I. Drittschadensliquidation trotz bestehender deliktsrechtlicher Ausgleichsansprüche des Dritten gegen den Schädiger Die vorliegende Fallgruppe veranschaulicht das eigentliche Dilemma der Drittschadensliquidation, deren Rechtsnatur im Zwiespalt zwischen Vertrags- und Deliktsrecht bislang ungeklärt ist. Da die Anhänger der Drittschadensliquidation keine Differenzierung zwischen vertraglichem und deliktsrechtlichem Drittschadensersatz vornehmen, müßten sie die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation konsequenterweise verneinen. Anspruch und Schaden fallen nicht auseinander, weil dem Eigentümer bereits ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zusteht. Die Befürworter der Drittschadensliquidation kommen zu einer gegenteiligen Ansicht, indem sie den deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch ausblenden. Eine dogmatische Begründung bleiben sie schuldig. Hinter der Ausklammerung des deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs steckt wohl die Überlegung, daß der geschädigte Eigentümer durch den bereits bestehenden Anspruch aus § 823 Abs. 1 nicht benachteiligt werden soll. Wie in den übrigen Fällen der Drittschadensliquidation sollen ihm auch hier die Vorteile eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs gebühren. Die Drittschadensliquidation versteht sich insoweit ausschließlich als vertragliches Korrektiv, womit die gesetzgeberischen Vorgaben zum Drittschadensersatzrecht auf den Kopf gestellt werden. Beschränkt man die Berechtigung zum Drittschadensersatz hingegen entsprechend den Vorschriften der §§ 844-846 auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen, so erfolgt der Drittschadensersatz unabhängig von bestehenden vertraglichen Ausgleichsansprüchen. Im Kaufrecht kommt dies darin zum Ausdruck, daß deliktsrechtlicher Drittschadensersatz und vertraglicher Drittschutz einander überlagern. Ein Korrektiv im Sinne der Drittschadensliquidation ist nur auf deliktsrechtlicher Ebene sinnvoll. Diese Wertungen verkehrt die Drittschadensliquidation in ihr Gegenteil, indem sie einen vertraglichen Drittschadensersatz 55 BOR NJW 1985, 2411 (2411 f.); Heinrichs, in: Palandt, Vor. § 249, Rdnr. 114; Steding, JuS 1983,29 (31).
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unter Ausblendung deliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche gewähren will. Für eine solche Durchbrechung der Voraussetzungen der Drittschadensliquidation besteht keine Veranlassung. Denn um zu einer vertraglichen Ausgleichsregelung zu gelangen, bedarf es keines Rückgriffs auf die Drittschadensliquidation, wie im folgenden zu zeigen ist. 11. Schadensverlagerung auf vertraglicher Ebene als Prämisse der Drittschadensliquidation
Die Drittschadensliquidation geht von der Prämisse aus, daß dem Obhutsgeber in der vorliegenden Fallkonstellation kein Schaden entstehe. Er werde gemäß § 275 von seiner Rückgabepflicht gegenüber dem Eigentümer ersatzlos frei. Bereits dieser Ansatz der Drittschadensliquidation ist äußerst fragwürdig, da dem Entleiher das Verschulden des Obhutspflichtigen regelmäßig gemäß § 278 zugerechnet werden kann. 56 Dem Entleiher obliegt gegenüber dem Eigentümer eine vertragliche Obhutspflicht, zu deren Erfüllung er den Lageristen herangezogen hat. Da ihm dessen Verschulden gemäß § 278 zuzurechnen ist, haftet er dem Eigentümer aus § 280 Abs. 1 auf Schadensersatz. Diesen Schaden kann er seinerseits vom Lageristen aus § 280 Abs. 1 ersetzt verlangen, so daß es im Dreiecksverhältnis zwischen Eigentümer, Entleiher und Lageristen zu einer angemessen Ausgleichsregelung über die jeweiligen Vertragsverhältnisse kommt. Ein Rückgriff auf die Drittschadensliquidation, deren Voraussetzungen ohnehin nicht erfüllt sind, ist entbehrlich. 111. Interessenlage bei den Obhutsverhältnissen unter der Prämisse der Drittschadensliquidation .
Läßt man die Schwächen im Lösungsansatz der Drittschadensliquidation außer Betracht, stellt sich die Ausgangslage wie folgt dar: Der Verleiher hat bereits nach geltendem Recht einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger. Ein vertraglicher Ausgleichsanspruch steht ihm hingegen nicht zu. Eine solche deliktsrechtliche Lösung bringt für den Verleiher im Vergleich mit der vertraglichen Lösung der Drittschadensliquidation einige Nachteile mit sich. Es sei hier nur an die unterschiedliche Gehilfenhaftung erinnert, §§ 278, 831. Daher stellt sich die Frage, ob der Schädiger nicht einen unberechtigten Vorteil aus der Schadensverlagerung von seinem Vertragspartner auf den Verleiher zieht. Anders als in den Fällen der mittelbaren Stellvertretung scheint kein rechter Grund S6 Ebenso Esser/Schmidt, Schuldrecht 112, § 34 IV 1 d; Lange. § 8 III 7 a. und Traugott. S. 50.
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ersichtlich zu sein, weshalb eine solche Privilegierung des Schädigers gerechtfertigt sein könnte. Zwar hat auch hier der Verleiher auf ein eigenes Vertragsverhältnis mit dem Lagerhalter verzichtet, indem er sein Einverständnis zu dem Vertrags schluß des Entleihers erteilt hat. Er hat diesem Vertragsschluß aber nicht zugestimmt, um unerkannt zu bleiben und eine für ihn günstigere Vertragsgestaltung zu erreichen, sondern um dem Entleiher die Verwahrung des Leihguts zu ermöglichen. Der Verleiher handelt nicht wie der Auftraggeber in den Fällen der mittelbaren Stellvertretung im eigenen Interesse, sondern aus altruistischen Motiven, auf Initiative des Entleihers hin. Es scheint daher in der Tat unbillig zu sein, daß der Lagerhalter sich seiner vertraglichen Haftung entziehen können soll. Der Verwahrungsvertrag ginge ins Leere, da eine Pflichtverletzung des Lagerhalters auf vertraglicher Ebene sanktionslos bliebe.
IV. Vergleich mit der Interessenlage in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht Die soeben geschilderte Interessenlage erinnert an die Fälle des Versendungskaufs. Wenn man so will, wird auch dort durch den Frachtvertrag zugleich ein Obhutsverhältnis begründet. In beiden Fällen verzichtet der später deliktsrechtlich Geschädigte aus rein praktischen Erwägungen darauf, von den Regeln der Stellvertretung Gebrauch zu machen. Eine vertragliche Abwicklung unmittelbar im Verhältnis zwischen Obhutsgeber und Obhutspflichtigem bereitet weniger Probleme, weswegen der später Geschädigte hierin einwilligt. Aufgrund der vergleichbaren Interessenlage stellt sich die Frage, ob das Lösungsmodell aus dem Kaufrecht nicht auf die Obhutsfälle übertragbar ist und das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu einer sachgerechten Lösung auf vertraglicher Ebene führt. Auf deliktsrechtlicher Ebene bedarf es hingegen keiner Reform des Drittschadensersatzrechtes analog § 844 Abs. 1, da sich im Leihvertragsrecht keine Vorschriften finden, die eine vom Eigentum abweichende Gefahrtragung begründen. Dem Eigentümer, der zugleich die Gefahr des zufälligen Untergangs des Leihgegenstandes zu tragen hat, steht bereits ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 gegen den Schädiger zu. V. Lösung über den Vertrag mit Schutz wirkung zugunsten Dritter? Stellt man auf die Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ab, so lassen sich in den Obhutsfällen die Leistungsnähe des Dritten und das Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Drit21 SIaßUll
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ten in die Schutzwirkungen des Vertrages ähnlich wie im Kaufrecht bejahen. Als Eigentümer des Obhutsobjekts kommt der Dritte zumindest in gleicher Weise wie der Gläubiger, wenn nicht sogar vorwiegend, mit der Obhutsleistung des Schuldners in Kontakt. Das Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, des Obhutsgebers, läßt sich damit begründen, daß der Dritte der Eigentümer des Obhutsgegenstandes ist und die vertragliche Haftung des Obhutspflichtigen ohne eine Einbeziehung des Dritten ins Leere ginge. 57 Hinsichtlich der beiden verbleibenden Merkmale eines drittschützenden Vertrages fallen im Kaufrecht zwei Besonderheiten ins Auge. Zunächst trifft den Verkäufer in den Versendungsfallen keine eigene Obhutspflicht für den Transport, zu deren Erfüllung er den Fuhrunternehmer herangezogen haben könnte. Ein Verschulden des Fuhrunternehmers kann ihm daher nicht gemäß § 278 zugerechnet werden mit der Folge, daß dem Käufer kein vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer zusteht. Anders verhält es sich bei den Obhutsfallen. Man stößt hier erneut auf die unzutreffende Prämisse der Drittschadensliquidation, die die Voraussetzungen des § 278 verneint. Bejaht man hingegen die Eigenschaft des Obhutspflichtigen als Erfüllungsgehilfen des Obhutsgebers im Verhältnis zum Eigentümer, so entfallt eine wesentliche Voraussetzung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Dem Dritten steht dann bereits gegen den Gläubiger ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zu, der eine sachgerechte Schadensabwicklung im Dreiecksverhältnis ermöglicht. Geht man über die fehlerhafte Prämisse der Drittschadensliquidation hinweg, so bleibt zu untersuchen, ob der Dritte für den Obhutspflichtigen erkennbar ist. Die Besonderheit der Versendungsfalle besteht diesbezüglich darin, daß durch den Frachtvertrag, der zugleich ein Obhutsverhältnis begründet, der Dritte dem Fuhrunternehmer als Empfanger namentlich mitgeteilt wird. An einer solchen Mitteilung fehlt es in der Regel in den reinen Obhutsfallen. Dies führt aber noch nicht notwendig dazu, das Merkmal der "Erkennbarkeit des Dritten" zu verneinen. 58 Denn im Gegensatz zu den Fällen der mittelbaren Stellvertretung ist dem Eigentümer ja nicht daran gelegen, gegenüber dem obhutspflichtigen Lageristen unerkannt zu bleiben. Die Umstände sprechen eher dafür, die Erkennbarkeit des Dritten zu bejahen: Das Obhutsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Lagerhalter bezweckt den Schutz der eingelagerten Gegenstände. Der zu schützende Substanzwert ist Gegenstand des Eigentums. Es ist daher für den Obhutspflichtigen erkennbar, daß er letztlich dem Eigentümer gegenüber zur Obhut verpflichtet sein soll. Insofern spielt es auch keine Rolle, ob der 57
58
S. o. III. So aber lAnge, § 8 III 7, und Traugott, S. 50.
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Obhutspflichtige Kenntnis davon hat, daß der Obhutsgeber nicht Eigentümer des Lagergutes ist. Unabhängig von dieser Frage ist der zu schützende Personenkreis für den Obhutspflichtigen erkennbar auf den Eigentümer beschränkt, so daß das Haftungsrisiko für den Obhutspflichtigen überschaubar bleibt. Ein Irrtum über die Person des Eigentümers ist für ihn ohne Bedeutung, da er einerseits seine Vertragsleistung sachbezogen erbringt und er andererseits seinen Lohn in jedem Fall personenbezogen von seinem Vertragspartner, dem Obhutsgeber, erhält. Es liegt aus diesen Gründen nahe, in den Fällen, in denen der Obhutsgeber nicht zugleich Eigentümer ist, eine drittschützende Wirkung des Obhutsverhältnisses anzunehmen. 59 Eine solche Lösung liegt jedenfalls näher, als der Ansatz der Drittschadensliquidation, die gezwungen ist, die von ihr postulierten Voraussetzungen zu durchbrechen. Unabhängig von diesen Überlegungen sei jedoch noch einmal betont, daß das Kartenhaus aus Drittschadensliquidation und vertraglichem Drittschutz im Bereich der Obhutsfälle zusammenbricht, wenn man die gemeinsame Prämisse, daß der Obhutspflichtige kein Erfüllungsgehilfe des Obhutsgebers im Verhältnis zum Eigentümer sei, zurechtrückt. Wendet man die Vorschrift des § 278 konsequent an, bedarf es für die Obhutsfälle keiner Rechtsfortbildung im Sinne der Drittschadensliquidation, um dem Eigentümer einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen den Obhutspflichtigen zusprechen zu können. 60 Ebensowenig ist im Bereich des Vertrages mit Schutzwirkung S9 Im Ergebnis ebenso Canaris, Lücken im Gesetz, S. 157, Fn. 56; Peters, AcP 1980, 329 (365), der für die übrigen Fallgruppen die Lehre vom normativen Schaden vertritt; Puhle, S. 102 f., 123 f., der im übrigen die Drittschadensliquidation befürwortet, und Winterfeld, S. 192 ff., die den Anwendungsbereich der Drittschadensliquidation auf die Fälle der mittelbaren Stellvertretung beschränken will und im übrigen die Lehre vom normativen Schaden befürwortet. Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 34 IV 1 d, haben sich der Ansicht Peters angeschlossen. Peters und Puhle rechtfertigen ihre abweichende Bewertung der Obhutsfälle damit, daß es wegen der bereits bestehenden deliktsrechtlichen Ansprüche lediglich um eine Haftungserweiterung auf vertragliche Ansprüche gehe. Die hier entwickelte Lösung veranschaulicht aber, daß auch bei den übrigen Fallgruppen ein interessengerechter Ausgleich bereits über das Deliktsrecht erfolgt. Es handelt sich daher auch bei diesen Fallgruppen bezüglich der vertraglichen Ansprüche um eine Haftungserweiterung. Eine solche Haftungserweiterung ist nur im Wege des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter möglich, dessen Voraussetzungen bei den übrigen Fallgruppen jedoch nicht erfüllt sind. 60 Aus diesem Grunde ist auch die Lösung von Hagen abzulehnen. Hagen, Drittschadensliquidation, S. 225 f., schlägt vor, in den Obhutsfällen analog § 991 Abs. 2 den Verletzungstatbestand zum Geschädigten zu ziehen. Für eine solche Analogie mangelt es an einer gesetzlichen Regelungslücke, da das Vertragsrecht bereits zu angemessenen Ergebnissen führt. Die Analogiefähigkeit des § 991 Abs. 2 wird auch von Traugott, S. 51, angezweifelt. Kritisch gegenüber seinem eigenen Lösungsansatz äußert sich nunmehr auch Hagen, Buchbesprechung Junker. AcP 1992. 568 (569).
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zugunsten Dritter eine Aufweichung des Merkmals der "Erkennbarkeit des Dritten" erforderlich, wodurch dieses Rechtsinstitut unnötig an Überzeugungskraft verlieren würde.
§ 40 Abschließende Stellungnahme
zu der Lösung von lunker
Junker hat für die Fälle der Drittschadensliquidation ein kombiniertes Lösungsmodell entwickelt. Vorrangig kommt die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen" zur Anwendung, hilfsweise greift Junker in den Fällen der rein deliktsrechtlichen Schädigung auf den Begriff des "wirtschaftlichen Eigentums" zurück. 61
I. Die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen (V.i. V.)"
Da es bisher in Rechtsprechung und Lehre weder gelungen sei, eine tragfähige dogmatische Grundlage für den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und die Drittschadensliquidation zu finden, noch, verläßliche Abgrenzungskriterien zu entwickeln, schlägt Junker vor, beide Rechtsinstitute in einem gemeinsamen Prinzip aufzulösen. 62 Gemeinsamer Grund für die Haftung des Partners einer Sonderverbindung gegenüber einem Dritten, an dieser Sonderverbindung Unbeteiligten, sei vom Schädiger in Anspruch genommenes und vom Geschädigten entgegengebrachtes Vertrauen. Um das fehlende Vertragsband zu überbrücken, wendet Junker die Vorschriften der Stellvertretung, §§ 164 ff., analog an. Es gehe nicht um die Vertretung in der Abgabe oder Entgegennahme von Willenserklärungen, sondern um eine "Vertretung im Vertrauen".63 Wie durch die wechselseitige Abgabe und den Zugang aufeinander bezogener Willenserklärungen ein Vertrag, also eine rechtsgeschäftliche Sonderverbindung zustande komme, so komme durch die Inanspruchnahme und Gewährung von Vertrauen ein Schutzverhältnis, also ein gesetzliches Schuldverhältnis, zustande. 64 Unter den Voraussetzungen der Stellvertretung berechtige dieses zum Schadensersatz bei Verletzung des Vertrauens. Indem Junker sämtliche Anwendungsfälle der Drittschadensliquidation über das Rechtsinstitut der "Vertretung im Vertrauen" lösen will, setzt er 61 Dieser Lösungsweg konnte beim Regreß des Bauunternehmers nicht weiter beschritten werden, da er dort - wie Junker selbst einräumt - nicht zum Ziel führt; Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 45 f.; Junker, Wirtschaftliches Eigentum, AcP 1993,348 (354, Fn. 27; 362 f.). 62 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 23. 63 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 23. 64 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 25.
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sich dem Vorwurf aus, wie die Drittschadensliquidation nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Fallgruppen zu differenzieren. Er kommt zu dem Ergebnis, daß sich die "Vertretung im Vertrauen" geradezu mit mechanischer Gleichförmigkeit auf alle Konstellationen anwenden lasse, die man bislang mit der Drittschadensliquidation zu bewältigen suchte. 65 Das Gegenteil ist aber der Fall. Die mit der Drittschadensliquidation erfaßten Konstellationen sind durchaus unterschiedlich zu bewerten. Dabei führen in der Vielzahl der Fälle bereits die vertraglichen und deliktsrechtlichen Bestimmungen des BGB zu einem angemessenen Schadensausgleich, so daß es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, die Voraussetzung für eine analoge Anwendung der §§ 164 ff. ist. In den verbleibenden Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung liegt hingegen keine vergleichbare Interessenlage zwischen den gesetzlich geregelten Fällen der Stellvertretung und den Fällen der Drittschadensliquidation VOr. 66 Junker untergräbt das Offenkundigkeitsprinzip im Recht der Stellvertretung, indem er die Rechtsgrundsätze des "Geschäfts für den, den es angeht" auf sämtliche Fälle der Drittschadensliquidation, in denen der Schädiger keine Kenntnis von der Existenz des Dritten hat, ausdehnen will. 67 Im Ergebnis wird damit dem Schädiger ein Vertragsverhältnis mit dem Dritten aufgezwungen, auch wenn Junker von einem gesetzlichen Schuldverhältnis spricht. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich die Interessenlage in den Fällen der mittelbaren Stellvertretung vor Augen hält. Die Annahme einer vertraglichen Haftung des Schädigers gegenüber dem Dritten führt zu einem Eingriff in die Privatautonomie des Schädigers, der ein Schuldverhältnis mit dem Dritten gerade nicht bezweckt. 68 Indem Junker in diesen Fällen die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen" heranzieht, verwischt er die Grenzen zwischen den Fällen der mittelbaren und der unmittelbaren Stellvertretung. Er vernachlässigt die Eigenarten dieser unterschiedlichen Fallkonstellationen. Junker sieht sich in diesem Zusammenhang mit einem weiteren Widerspruch konfrontiert. In den anerkannten Fallgruppen der Drittschadensliquidation kommt es auf der vertraglichen Ebene der Primärleistung zu keinem Vertragsschluß zwischen dem Schädiger und dem Dritten. Die Voraussetzungen für eine Stellvertretung sind nicht erfüllt. Diese Wertung der §§ 164 ff. umgeht Junker, indem er auf der Ebene der sekundären Vertragshaftung eine Vertrauenshaftung analog §§ 164 ff. begründen will. Dem sich daraus ergebenden Wertungswiderspruch zwischen einer (nicht) beabsichtigten rechtsgeschäftlichen Sonderverbindung einerseits und einer unabhängig Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 57. Ebenso kritisch Hagen, Buchbesprechung Junker, AcP 1992, 568 (569), und Esser/Schmidt, Schuldrecht I12, § 34 IV 1, Fn. 54. 67 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 29 ff. 68 S. o. § 38 II 2. 6S
66
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vom Willen der Parteien kraft Gesetzes zustande kommenden gesetzlichen Sonderverbindung begegnet Junker mit dem Argument, daß darin gerade die Ungleichheit der Tatbestände liege, die durch die Analogie überwunden werden solle. 69 Junker setzt damit voraus, was er letztlich erst beweisen will. 70 Die Ungleichheit der Tatbestände ersetzt nicht eine Prüfung der vergleichbaren Interessenlage. Sie zwingt im Gegenteil zu einer sorgfältigen Interessenabwägung. Dabei führt die aufgezeigte Diskrepanz zwischen vertraglicher Primär- und Sekundärhaftung zu dem Ergebnis, daß eine vergleichbare Interessenlage zwischen den Fällen der §§ 164 ff. und der Drittschadensliquidation nicht besteht. Die "Vertretung im Vertrauen" führt zu einer bloßen Fiktion eines Schuldverhältnisses, das nicht bezweckt iSt. 71 Junker läßt in methodischer Hinsicht außer acht, daß das eigentliche Problem in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung, auf die sich der Anwendungsbereich der Drittschadensliquidation nach der hier vorgeschlagenen Lösung reduzieren läßt, in den unvollkommenen Gefahrtragungsregeln des BGB zu suchen ist. Es kommt entweder eine schuldrechtliche Ausgleichsregelung auf der Ebene der Gefahrtragung oder ein deliktsrechtlicher Schadensausgleich über § 823 Abs. 1 in Betracht, einen dritten Lösungsweg gibt es nicht. Indem Junker einen Zwischenweg einschlägt, verwischt er die Grenzen zwischen Vertrags- und Deliktsrecht. In diesem Dilemma, in dem sich auch die Drittschadensliquidation befindet,72 gesteht Junker ein, daß es sich bei der "Vertretung im Vertrauen" um eine zwischen den Kategorien der vertraglichen Haftung und der deliktsrechtlichen Haftung stehende Vertrauenshaftung handelt. 73 Dies kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß er für das auf die vertraglichen Regeln der Stellvertretung gestützte Schuldverhältnis auf die deliktsrechtliche Verjährungsregelung zurückgreifen Will. 74 Im Wege der Analogie können aber lediglich die tatbestandlichen Voraussetzungen der § § 164 ff. ersetzt werden, nicht deren Rechtsfolge. Demzufolge müßte Junker auf die Verjährungsregelungen der §§ 194 ff. zurückgreifen.
Die soeben angestellten Überlegungen veranschaulichen die Nähe der "Vertretung im Vertrauen" zu der culpa in contrahendo (c.i.c.), deren Rechtsnatur im Spannungsfeld zwischen vertraglichem und gesetzlichem Schuldverhältnis bislang ebenfalls ungeklärt ist. Auch die c.i.c. beruht letzt69 70 71
Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 26. Ähnlich kritisch Hagen, Buchbesprechung Junker, AcP 1992, 568 (569). Traugott, S. 47, hat bereits darauf hingewiesen, daß der Wille des Vertrags-
partners, den geschädigten Dritten zu vertreten, zuweilen eine bloße Fiktion ist. Der Drittschutz dürfe daher nicht vom Willen des "vermittelnden Partners" abhängen. 72 S. o. § 39 I. 73 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 39. 74 Junker, Vertretung im Vertrauen. S. 44 f.
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lich auf dem Prinzip der Gewährung von in Anspruch genommenem Vertrauen. 75 Eine Drittbeteiligung kommt hier ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Außenstehende ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Vertragsdurchführung hat. 76 Die c.i.c. kann sich dabei im Grundsatz auf eine analoge Anwendung der §§ 122, 179, 307 berufen. Hingegen ist eine allgemeine Vertrauenshaftung, insbesondere gegenüber Dritten, wie sie Junker vorschlägt, dem BGB fremd. Junker räumt daher ein, daß die Grundlage der "Vertretung im Vertrauen" in einem ungeschriebenen Satz des objektiven Rechts und letztlich in § 242 zu suchen sei. 77 In der weiteren Konsequenz bleibt unklar, auf welche Anspruchsgrundlagen Junker den Schadensersatzanspruch aus der "Vertretung im Vertrauen" stützen will. Es besteht lediglich die Möglichkeit eines deliktsrechtlichen Schadensausgleichs. Die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen" umschreibt daher nichts anderes als den allgemeinen Vertrauensschutz vor deliktsrechtlichen Eingriffen Dritter. Anhand der eigenen Lösung kann veranschaulicht werden, daß die Bemühungen Junkers um eine Rechtsvereinheitlichung zwischen dem Institut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und der Drittschadensliquidation unbegründet sind. Es handelt sich um heterogene Rechtsfiguren, die auf die grundlegende Unterscheidung des Gesetzgebers zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ausgleichsansprüchen zurückzuführen sind. Junker hebt die Grenzen zwischen vertraglichem Drittschutz und deliktsrechtlicher Drittschädigung auf. Es verwundert daher nicht, daß die "Vertretung im Vertrauen" in den Fällen der rein deliktsrechtlichen Drittschädigung nicht zum Ziel führt. Die Lösung über den Begriff des "wirtschaftlichen Eigentums" markiert hier den eigentlichen Anwendungsbereich des deliktsrechtlichen Drittschadensersatzes. Hingegen weist die "Vertretung im Vertrauen" ähnliche methodische Ansätze wie die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf. Junker gewährt dem geschädigten Dritten ebenfalls einen eigenen Schadensersatzanspruch. Vertragliche Haftungsbeschränkungen, die der Schädiger mit seinem Vertragspartner getroffen hat, soll er auch dem Dritten entgegenhalten können. 78 Dies entspricht beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter der analogen Anwendung des § 334. Es handelt sich im Kern also auch bei der "Vertretung im Vertrauen" um einen derivativen Schadensersatzanspruch. 79 Zum Schutz des Schädigers vor unabsehbaren Haftungsfolgen greift Junker auf ein ähnliches Kriterium zurück wie das Merkmal der "Erkennbarkeit". Wisse der Schädiger, 7S 76 77 78
Heinrichs, in: Palandt, § 276, Rdnr. 66 m. w. N. Heinrichs, in: Palandt, § 276, Rdnm. 93 ff. Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 39. Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 42 f.
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daß ein Dritter in die zwischen ihm, dem Schädiger und dem vermittelnden Partner bestehende Sonderverbindung mit eigenen Interessen involviert sei, so habe er dem Geschädigten den gesamten Schaden zu ersetzen. 80 Wisse er hingegen nichts von der Existenz des Dritten, so sei der Schaden allein in der Person des vermittelnden Partners zu berechnen. Junker schafft hier eine neue Abgrenzung, die sehr an die bisherigen Abgrenzungskriterien zwischen dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und der Drittschadensliquidation erinnert. Im ersten Fall tritt eine Schadenshäufung ein, in letzterem Fall lediglich eine Schadensverlagerung. Der Oberbegriff der "Vertretung im Vertrauen" leistet daher nicht mehr, als es die bisherigen Rechtsinstitute tun, zumal Junker in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Werkvertragsrecht weiterhin auf die Drittschadensliquidation zurückgreifen will. Dieser Rückgriff auf die Drittschadensliquidation bzw. die Rechtsfigur des "wirtschaftlichen Eigentums" stellt mehr als nur einen Schönheitsfehler dar,81 wenn man berücksichtigt, daß ein derart verallgemeinerndes Rechtsinstitut wie die "Vertretung im Vertrauen" die Gefahr einer weiteren und unabsehbaren Ausuferung des Drittschadensersatzrechtes in sich birgt. 11. Das "wirtschaftliche Eigentum" als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 Die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen" führt in den Fällen der rein deliktsrechtlichen Drittschädigung zu keiner Lösung, da zu dem Dritten kein Vertragsverhältnis besteht. Derartige Konstellationen treten insbesondere in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung auf. Junker ergänzt hier sein Lösungsmodell durch den Begriff des "wirtschaftlichen Eigentums".82 Dem Geschädigten stehe ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 wegen einer Verletzung des "wirtschaftlichen Eigentums" zu. Das "wirtschaftliche Eigentum" stelle ein "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 dar.
79
S. dazu schon die ausführliche Untersuchung im zweiten Teil der Arbeit unter
§ 29 VI zu der analogen Anwendung des § 846 in den Fällen der obligatorischen
Gefahrentlastung. 80 Junker, Vertretung im Vertrauen, S. 33. 81 Darauf haben auch schon Hagen, Buchbesprechung Junker, AcP 1992, 568 (570), und im Anschluß Traugott, S. 47, hingewiesen. Die Fachwelt müsse daher weiter auf den erhellenden Gedankenblitz warten, der die Probleme der Drittschadensliquidation und gar auch noch des Vertrages mit Schutzwirkungen für Dritte mit einem Schlage löse. Ähnlich äußert sich Grunsky, Buchbesprechung Traugott, AcP 1998, 105 (105). 82 Junker, Wirtschaftliches Eigentum, AcP 1993, 348-363.
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Bedenken gegen diesen Lösungsansatz ergeben sich zunächst aus dem Umstand, daß das Konkurrenzverhältnis zwischen der "Vertretung im Vertrauen" und dem deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 ungeklärt bleibt. Junkers Ausführungen zum "wirtschaftlichen Eigentum" dürfen wohl dahingehend verstanden werden, daß es sich nur um ein subsidiäres Rechtsinstitut handeln soll. Denn Junker hat diese Lösung nur für die Fälle der rein deliktsrechtlichen Drittschädigung entwikkelt, in denen die "Vertretung im Vertrauen" nicht zum Ziel führt. Unklar bleibt jedoch, aus welcher Norm Junker eine Subsidiarität zwischen der "Vertretung im Vertrauen" und dem Deliktsrecht herleiten will. Das Deliktsrecht kann schlechterdings nicht hinter einer Analogie zu den §§ 164 ff. zurücktreten, da zwischen vertraglichen und deliktsrechtlichen Ausgleichsregelungen Anspruchskonkurrenz besteht. Es leuchtet auch nicht ein, weshalb dem geschädigten Dritten in den Fällen der "Vertretung im Vertrauen" ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 wegen einer Verletzung des "wirtschaftlichen Eigentums" versagt sein soll. Denn der Begriff des "wirtschaftlichen Eigentums" bemißt sich allein nach dem Verhältnis zwischen dem Dritten und dem rechtlichen Eigentümer, nicht aber nach der Existenz eines Vertrages zwischen dem rechtlichen Eigentümer und dem Schädiger. Abgesehen von dem ungeklärten Konkurrenzverhältnis zwischen der "Vertretung im Vertrauen" und dem deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung des "wirtschaftlichen Eigentums" führt der von Junker geprägte Eigentumsbegriff, der dem Steuerrecht entlehnt ist, zu schwerwiegenden terminologischen Schwierigkeiten. Der Begriff des "wirtschaftlichen Eigentums" stellt einen Fremdkörper im bürgerlichen Recht dar. 83 Es bestehen nunmehr zwei Eigentumsbegriffe, die - über die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung hinaus - zu unabsehbaren Konkurrenzproblemen führen. Für den Fall des Auseinanderfallens von rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum entstehen unliebsame Gläubiger- bzw. Schuldnermehrheiten. Es wäre daher wünschenswert, an dem Eigentumsbegriff des Zivilrechts festzuhalten, den § 903 voraussetzt. 84 Junker räumt ein, daß der Begriff des "wirtschaftlichen Eigentums" im Werkvertragsrecht ebenso fehlschlägt wie die Rechtsfigur der "Vertretung im Vertrauen".85 Der Unternehmer hat kein "wirtschaftliches Eigentum" am Bauwerk des Bestellers. 86 Auch in den Fällen des § 447 ist es aber sehr fraglich, ob dem Käufer das "wirtschaftliche Eigentum" an der Kaufsache
83 84
85 86
So Traugott, S. 48. So auch Traugott, S. 48. Junker, Wirtschaftliches Eigentum, AcP 1993,348 (354, Fn. 27; 362 f.). S. o. § 25 I 3.
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zusteht. 87 Solange die Ware sich noch auf dem Transportweg befindet, ist der Käufer nicht in der Lage, einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Kaufsache zu ziehen. Man wird daher wohl nur in den Fällen des § 446 ein "wirtschaftliches Eigentum" des Käufers bejahen können. Junker setzt sich aber auch in diesen Fällen dem Vorwurf aus, daß er dem Käufer bereits einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch einräumt, bevor dieser den Kaufpreis entrichtet hat. Der Verkäufer verliert dadurch seine Zug-um-ZugEinrede. Die Lösung von Junker bietet gleichwohl im Vergleich mit der Drittschadensliquidation nach deren bisherigen Verständnis zahlreiche Vorteile. Da es sich um eine rein deliktsrechtliche Lösung handelt, vermag auch Junker einige Bedenken auszuräumen, die im ersten Teil der Arbeit an der Drittschadensliquidation geäußert worden sind. Es liegt in der Natur seiner deliktsrechtlichen Lösung, daß Junker dem Geschädigten keinen vertraglichen Ersatzanspruch zuspricht. Des weiteren braucht sich Junker nicht dem Vorwurf auszusetzen, ein unnötiges Abtretungserfordernis zu statuieren. Ebensowenig kommt § 404 zur Anwendung. Der entscheidende Nachteil der Lösung Junkers liegt aber in ihrem methodischen Ansatzpunkt. Junker setzt mit seiner Lösung nicht bei den Ausnahmevorschriften zur obligatorischen Gefahrentlastung an, die sich als eigentliche Ursache für die vorliegenden Probleme erwiesen haben, sondern bei der Grundsatznorm des § 823 Abs. 1. Mit der Begriffsbildung des "wirtschaftlichen Eigentums" fügt er dem Deliktsrecht ein weiteres Rechtsgut hinzu. Da jedoch, wie eingangs dargelegt, eine wie auch immer geartete Eigentümerstellung des Käufers zumeist nicht erkennbar ist, handelt es sich bei dem Begriff des "wirtschaftlichen Eigentums" letztlich nur um einen anderen Begriff für das Vermögen, das nicht durch § 823 Abs. 1 geschützt wird. Junker schränkt damit im Ergebnis das Enumerativprinzip ein. 88 Die 87 Darauf hat bereits Kohler, in: Staudinger, § 447, Rdnr. 38, als Vertreter der Lehre vom nonnativen Schaden hingewiesen, ohne allerdings auf die Auffassung Junkers Bezug zu nehmen. Eine entsprechende Aussage findet sich auch schon in der Vorauflage, Kohler, in: Staudinger, 12. Aufl., § 447, Rdnr. 18, die fünfzehn Jahre vor der Veröffentlichung Junkers erschienen ist. 88 Junker, Wirtschaftliches Eigentum, AcP 1993, 349 (358), stellt fest, daß die Relevanz der Absolutheit eines Rechts für seine Einordnung als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 von vornherein fraglich sei. Er kritisiert, daß der dogmatische Kunstgriff der Drittschadensliquidation, der rein fonnal und dogmatisch geradezu abenteuerlich an dem Kriterium der Verlagerung eines absoluten Rechts, nämlich des Eigentums des Gläubigers, festhalte, nur den Blick für die Wertungen verstelle, die durch die Rechtsfigur des "wirtschaftlichen Eigentums" offengelegt würden. Junker ist darin zuzustimmen, daß die Drittschadensliquidation den Blick für einen deliktsrechtlichen Schadensausgleich zwischen dem Schädiger und dem Dritten versperrt. Dieser deliktsrechtliche Schadensausgleich zwingt aber nicht zu einer Durchbrechung des Enumerativprinzips. wie im zweiten Teil der Arbeit ge-
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eigentliche Ursache für die Probleme liegt aber nicht in dem Enumerativprinzip begründet, sondern in einer unbeabsichtigten Nebenfolge des Trennungsprinzips. Demzufolge bedarf es keiner Aufweichung des Enumerativprinzips im Sinne einer deliktsrechtlichen GeneralklauseI, sondern einer Korrektur des Trennungsprinzips hin zum Konsensprinzip. Die Lösung von Junker führt zu einer unnötigen Problemverlagerung, was die eingangs dargestellten Schwächen dieser Lösung erklärt.
§ 41 Ergebnis zum dritten Teil Die Untersuchung zu den einzelnen Fallgruppen der Drittschadensliquidation hat ergeben, daß sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen Fallgruppen differenziert werden muß. Dabei ergibt sich folgende Lösung: 1. Lediglich in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung besteht ein begründeter Anlaß zur Rechtsfortbildung. Diese ist erforderlich, um das unbeabsichtigte Auseinanderfallen von Gefahrtragung und Eigentum zu korrigieren. Dabei kann die im Werkvertragsrecht entwickelte Lösung nicht ohne weiteres auf das Kaufrecht übertragen werden. Wegen der im Kaufrecht abweichenden Interessenlage ist eine gesonderte Lösung erforderlich. 2. Im Bereich der mittelbaren Stellvertretung sind die Fälle des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der Auftragsware der Fallgruppe der obligatorischen Gefahrentlastung zuzuordnen. Für die übrigen Fälle bedarf es keiner weiteren Rechtsfortbildung. 3. Bei Obhutsverhältnissen bedarf es nicht der Drittschadensliquidation, um eine vertragliche Haftung des Obhutspflichtigen begründen zu können. Da das Verschulden des Obhutspflichtigen dem Obhutsgeber gemäß § 278 zuzurechnen ist, trifft den Obhutsgeber gegenüber dem Eigentümer eine vertragliche Schadensersatzhaftung. Den Schaden, den er dadurch erleidet, kann der Obhutsgeber vom Obhutspflichtigen aus § 280 Abs. 1 ersetzt verlangen. Die Drittschadensliquidation entpuppt sich als eine oberflächliche, verallgemeinernde Umschreibung für verschiedenartige Fallkonstellationen. Diese generelle Kritik an der Rechtsfigur der Drittschadensliquidation hat auch schon Selb geübt. 89 Im Anschluß an Selb hat Kollhosser für den Aufbau einer sorgfältigen Typologie der von der Drittschadensliquidation zu erfassenden Fälle plädiert. 90 Für jede Fallgruppe sei eine gesonderte Wertung zeigt worden ist. Traugott, S. 48, stellt daher zutreffend fest, daß es kaum gerechtfertigt sei, einen solchen Grundpfeiler des deutschen Deliktsrechts einzureißen, um eine - wie dargelegt - ohnehin nur unvollständige Lückenfüllung der Lehre von der "Vertretung im Vertrauen" zu erreichen. 89 Seih, Kritik formaler Drittschadensthesen, NJW 1964, 1765 (1766, 1771); ders., Buchbesprechung Hagen, NJW 1972,621 (621).
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nach den ihr eigenen Grundsätzen vorzunehmen. Der Begriff der "Drittschadensliquidation" stelle demnach nicht viel mehr als einen Arbeitstitel dar, unter dem recht heterogene Rechtsfiguren vereinigt seien. Es ist nicht verwunderlich, daß bis heute noch keine überzeugende dogmatische Begründung für die Drittschadensliquidation gefunden worden iSt. 91 Eine solche einheitliche Begründung ist wegen der Verschiedenartigkeit der einzelnen Fallkonstellationen nicht möglich. 92 Im übrigen besteht auch kein Bedürfnis für eine verallgemeinernde Rechtsfortbildung im Sinne der Drittschadensliquidation, weil die meisten Fallkonstellationen bereits nach geltendem Recht angemessen gelöst werden können. Abgesehen von den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung sollte daher auf das Rechtsinstitut der Drittschadensliquidation verzichtet werden. Zumindest aber stoßen Bestrebungen zu einer Erweiterung dieses Rechtsinstituts auf ernsthafte Bedenken. 93 Kollhosser, AcP 1966,277 (304 f.). Ebenso kritisch zu den Bemühungen um eine dogmatische Rechtfertigung der Drittschadensliquidation äußern sich Diederichsen, S. 146; Canaris, Lücken im Gesetz, S. 156, und zuletzt Hagen, Buchbesprechung Junker, AcP 1992,568 (570). 92 Der Gesetzgeber hat daher mit Recht eine allgemeine Regelung zum Drittschadensersatz in Form eines § 253 a wegen der mangelnden dogmatischen Erfassung abgelehnt; Protokolle, Band I, S. 298 f. 93 Im Baurecht gilt dies insbesondere für den Ansatz von Brandt, BauR 1973, 13-20. Dieser stellt die Anwendung der Drittschadensliquidation in den Fällen zur Diskussion, in denen Mehrvergütungsansprüche oder Schadensersatzansprüche des Bauunternehmers (bzw. umgekehrt des Architekten), die an sich wegen schuldhafter Verursachung des Architekten (bzw. umgekehrt des Bauunternehmers) begründet wären, im Verhältnis zum Bauherm vertraglich ausgeschlossen sind. In diesen Fällen soll gleichwohl der Bauherr den Schaden des Bauunternehmers (bzw. umgekehrt des Architekten) liquidieren können. Dieser Ansicht hat sich das LG Freiburg, BauR 1980, 466 (467), ausdrücklich angeschlossen. Dieser Ansatz stößt jedoch auf Bedenken, da reine Vermögensschäden allein in den jeweiligen Vertragsverhältnissen zu ersetzen sind. Diese Wertung des Gesetzgebers wird im Dreiecksverhältnis zwischen dem Bauunternehmer, dem Bauherm und dem Architekten durch den Ansatz von Brandt umgangen, da zwischen Bauunternehmer und Architekt eben kein Vertragsverhältnis besteht, das eine Ausdehnung der Haftung auf Vermögensschäden rechtfertigen könnte. Zudem mangelt es in den von Brandt erörterten Fällen an einer zufälligen Schadensverlagerung. Die Schadensverlagerung beruht auf der vertraglichen Ausgestaltung der jeweiligen Vertragsverhältnisse und hängt damit lediglich vom Verhandlungsgeschick der Parteien ab. So wird ein Haftungsausschluß regelmäßig bereits bei der Bemessung der Vergütung berücksichtigt sein. Ein Eingriff in diese vertraglich begründete Schadensverlagerung verstieße gegen den Grundsatz der Privatautonomie. Kritisch zu dem Ansatz von Brandt auch LocherlLöffelmann, NJW 1982, 970 (971 f.). Im gleichen Sinne äußert sich Feudner, BauR 1984, 257-261, gegen eine Ausdehnung der Drittschadensliquidation im Verhältnis zwischen General- und Subunternehmer. Generell gegen einen Ausbau der Drittschadensliquidation wendet sich Hagen, Schadensbegriff, JuS 1969,61 (66). 90
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Schluß § 42 Folgerungen für das allgemeine Regreßrecht Zum Abschluß der vorliegenden Arbeit sollen ihre wichtigsten Ergebnisse noch einmal kurz zusammengefaßt werden: Die Untersuchung bestätigt die Motive des Gesetzgebers, der mit der Gesamtschuld ein einheitliches Regreßinstitut zur Bewältigung von Schuldnermehrheiten schaffen und den gemeinrechtlichen Streit zwischen Korrealund Solidarobligation beilegen wollte. Anstatt diesen Streit auf neuen Schauplätzen, wie etwa dem Zessionsregreß analog § 255, fortzusetzen, ist es sinnvoll, sich auf die Gesamtschuld als das maßgebliche Regreßinstitut des BGB rückzubesinnen. Dementsprechend ist im ersten Teil der Arbeit eine neue Gesamtschuldkonzeption entwickelt worden, die mit den vertraglichen und gesetzlichen Ausgleichsmechanismen im Dreiecksverhältnis harmoniert und zugleich dem Ausnahmecharakter des Zessionsregresses gemäß § 255 Rechnung trägt. Die Gesamtschuld stellt für sämtliche Schuldnermehrheiten ein angemessenes Ausgleichsinstrumentarium zur Verfügung. Die Legaldefinition des § 421 S. 1 bedarf daher keiner weitergehenden Einschränkung. Ebensowenig ist eine Typologie der Gesamtschuld erforderlich, um den Wesensgehalt der Gesamtschuld zu charakterisieren. Lediglich in den seltenen Ausnahmefallen des § 255 ist nach den Wertungen des Gesetzgebers eine von der Gesamtschuld abweichende Regreßlösung sinnvoll. Bei der Vorschrift des § 255 muß zwischen der vorrangigen Schadensersatzregelung und der sich daran anschließenden Zessionsregelung unterschieden werden. Hinsichtlich dieser zweiten Regelung stellt § 255 eine lex specialis zu der allgemeinen Ausgleichsregelung des § 426 dar. Diese spezielle Regreßregelung gilt aber nur für die in § 255 geregelten Fälle des Besitzverlustes. Für die Abgrenzung zur Gesamtschuld gilt folgende Faustformel: "Der Zessionsregreß gemäß § 255 kommt nur zur Anwendung, solange und soweit in dem jeweiligen Dreiecksverhältnis ein dinglicher Herausgabeanspruch gemäß § 985 wegen der in Streit befindlichen Sache besteht."
Um den Anwendungsbereich des Zessionsregresses und den doppelten Regelungsgehalt des § 255 zu verdeutlichen, wurde de lege ferenda eine präzisere Formulierung des § 255 vorgeschlagen.
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Versuche in der Literatur, den Anwendungsbereich des Zessionsregresses im Wege der Analogie auszudehnen, haben sich als unbegründet erwiesen. Ihnen liegt die unberechtigte Annahme zugrunde, die Gesamtschuld biete für die Fälle der gestuften Haftung keine sachgerechte Lösung. Die Einschränkung der Gesamtschuld durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Gleichstufigkeit, die aus dieser Annahme herrührt, läßt sich jedoch weder unter dogmatischen noch unter praktischen Gesichtspunkten rechtfertigen. Die Gesamtschuld bietet auch für die Fälle der gestuften Haftung diejenige Lösung, die den Interessen aller Beteiligten am besten gerecht wird. Insbesondere das Zusammenspiel von § 426 Abs. 1 und Abs. 2 gewährleistet sowohl vor als auch nach der Befriedigung des Gläubigers eine dynamische und ökonomische Ausgleichsregelung, die in die Wertungen des Vertrags- und des Deliktsrechts eingebettet ist. Im Gegensatz zu der Gesamtschuld und dem Zessionsregreß gemäß § 255 stellt die GoA kein taugliches Regreßinstitut zur Abwicklung von
Schuldnermehrheiten dar. Die unbegründete Angst vor dem falschen Regreß in Form der Gesamtschuld führt auch hier zu einer unnötigen Problem verlagerung, indem Wertungen aus der Gesamtschuld auf die GoA übertragen werden. Befreit man hingegen die Gesamtschuld von der Fessel der "Gleichstufigkeit" als ungeschriebenem Tatbestandsmerkmal, so finden die Fälle der sogenannten "auch fremden Geschäfte" eine sachgerechte Lösung in der Ausgleichsregelung des § 426. Auch diese Begrifflichkeit ist damit obsolet. Der Anwendungsbereich der GoA reduziert sich auf ihren ursprünglich vom Gesetzgeber zugedachten Geltungsbereich. Sie trifft nach ihrem eigentlichen Sinn und Zweck lediglich Wertungen im Zwei-Personen-Verhältnis und dient zur Abwicklung derjenigen Fälle, in denen der Geschäftsführer aus rein altruistischen Motiven tätig wird, ohne selbst dem Dritten gegenüber zur Vornahme des Geschäftes verpflichtet zu sein. Gesamtschuld und GoA lassen sich daher abstrakt anhand des Kriteriums der Allein- bzw. Mehrverpflichtung voneinander abgrenzen. Ebensowenig wie die GoA bildet die sogenannte Rückgriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Fall ein Regreßinstitut. Es handelt sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis, das dem Bereicherungsausgleich zwischen zwei Personen dient. Es fehlt der sogenannten Rückgriffskondiktion an tauglichen Kriterien zur sachgerechten Abwicklung von Schuldnermehrheiten. Bemühungen um die Akzeptanz einer nachträglichen Fremdtilgungsbestimmung fußen - ebenso wie im Bereich der GoA Bestrebungen, den Fremdgeschäftsführungswillen zu vermuten - auf einer unnötigen Problemverlagerung. Diese Probleme lösen sich auf, wenn man den Blick auf die Gesamtschuld lenkt. Im Unterschied zur GoA und der sogenannten Rückgriffskondiktion bedarf diese mit der Vorschrift des § 422 keiner subjekti-
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ven Tatbestandsmerkmale, um eine Fremd- bzw. Gesamttilgungswirkung zu begründen. Im zweiten und dritten Teil der Arbeit hat es sich erwiesen, daß die Drittschadensliquidation nach ihrem bisherigen Verständnis neben der Gesamtschuld und dem Zessionsregreß gemäß § 255 ein weiteres Regreßinstitut zur Abwicklung von Schuldnermehrheiten darstellt. Im Unterschied zum Zessionsregreß analog § 255 stützt sich dieser von der Rechtsprechung und Literatur entwickelte Lösungsweg zur Überleitung von Schadensersatzansprüchen im Dreiecksverhältnis auf eine Analogie zu § 281. Die Untersuchung hat ergeben, daß das Vertrags- und das Deliktsrecht für sämtliche Fallgruppen der Drittschadensliquidation zu angemessenen Ergebnissen führen, ohne daß es der Drittschadensliquidation als Regreßinstitut bedarf. Lediglich in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kauf-, Auftrags- und Werkvertragsrecht hat sich eine geringfügige gesetzgeberische Korrektur als sinnvoll erwiesen. Die Ursache für die hier auftretenden Probleme ist in der vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Abweichung der dinglichen Eigentumsverhältnisse von der schuldrechtlichen Gefahrtragung zu sehen. Dieser Lösungsansatz läßt sich nach geltendem Recht nur durch eine Reform des Drittschadensersatzrechtes umsetzen. Dabei hat sich herausgestellt, daß die Fälle der mittelbaren Stellvertretung bisher zu Unrecht einem eigenen Typus der Drittschadensliquidation zugeordnet worden sind. Soweit es sich um Konstellationen des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der Auftragsware handelt, sind diese Fälle nicht anders zu beurteilen als die Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht. In den verbleibenden Verzugsfällen bedarf es hingegen keiner Korrektur des Gesetzes, um zu angemessenen Ergebnissen zu gelangen. Die Fallgruppe der mittelbaren Stellvertretung verliert damit ihre Daseinsberechtigung. Ähnliches gilt für die sogenannten Obhutsfälle. Soweit man hier nicht bereits den Lösungsansatz, die Eigenschaft des Obhutspflichtigen als Erfüllungsgehilfen des Obhutsgebers zu verneinen, in Frage stellt, führt das Institut des drittschützenden Vertrages zu sachgerechten Ergebnissen. Die Drittschadensliquidation entpuppt sich als oberflächliche Umschreibung verschiedener Fallgruppen. Sie setzt sich zahlreichen dogmatischen wie praktischen Widersprüchen aus. Um diesen Bedenken aus dem Wege zu gehen, wird vorgeschlagen, die Berechtigung zum Drittschadensersatz in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung künftig auf eine Analogie zu § 844 Abs. 1 zu stützen. Diese Lösung hat unter anderem den praktischen Vorteil, daß sie eine Abtretung zwischen Gläubiger und Drittem entbehrlich macht und dem Dritten einen originären (Dritt-)Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner gewährt. Umgekehrt wird eine Privilegierung des Dritten vermieden, indem ihm nunmehr kein vertraglicher Schadenser-
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Schluß
satzanspruch gegen den Schuldner, mit dem ihn kein Vertrag verbindet, zugesprochen wird. Der Schuldner seinerseits kann dem Dritten keine Einreden aus dem Vertragsverhältnis mit dem Gläubiger entgegenhalten. Dahinter steht die Überlegung, daß es sich bei den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung lediglich um eine deliktsrechtliche Schädigung im Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem handelt. Die vermeintlichen Probleme im Dreiecksverhältnis mit dem Gläubiger ergeben sich erst aus dem Umstand, daß die Eigentumsverhältnisse von der Gefahrtragung abweichen. Handelt es sich demzufolge beim Drittschadensersatz um eine rein deliktsrechtliche Lösung, so treten auch keine Abgrenzungsprobleme mehr zur Gesamtschuld und zum Zessionsregreß gemäß § 255 auf. Die Schnittstelle liegt auch hier - wie bei der Abgrenzung zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen der GoA und der sogenannten Rückgriffskondiktion - bei dem Merkmal der Allein- bzw. Mehrverpflichtung. Eine Reform des Drittschadensersatzrechtes analog § 844 Abs. 1 bietet gegenüber der bisherigen Drittschadensliquidation den weiteren Vorteil, daß nunmehr auch ein klares Abgrenzungsmodell zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gewonnen ist. Während letzterer seinem Wesen nach allein den vertraglichen Drittschutz regelt, beschränkt sich die Berechtigung zum Drittschadensersatz auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen. Es best~ht Anspruchskonkurrenz, so daß es in den Fällen der obligatorischen Gefahrentlastung im Kaufrecht zu einer Überlagerung von deliktsrechtlichem Drittschadensersatz und vertraglichem Drittschutz kommt. Alternativ zu einer Reform des Drittschadensersatzrechtes analog § 844 Abs. 1 wird vorgeschlagen, die Drittschadensliquidation fortzuentwickeln, indem man auch hier die Berechtigung zum Drittschadensersatz auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen beschränkt. Zieht man des weiteren zur Überleitung der Drittschadensersatzansprüche künftig die Vorschrift des § 426 Abs. 2 S. 1 heran und verzichtet auf eine Anwendung des § 404, lassen sich ähnliche Ergebnisse wie bei einer Analogie zu § 844 Abs. 1 erzielen. Durch die Anknüpfung an § 426 wird insbesondere die umständliche Abtretungsregelung des § 281 durch eine flexible Legalzession ersetzt. Eine solche Lösung kann aber nicht verhindern, daß der Gläubiger in die Schadensabwicklung verwickelt wird. Es kommt zu einer Überlagerung von Drittschadensliquidation und Gesamtschuld. Die vorliegende Arbeit stellt im Ergebnis eine Neuordnung und Vereinfachung der Strukturen im Regreßrecht zur Diskussion. Es liegt ein allgemein gültiges Lösungsschema zur Beantwortung von Regreßfragen im Zivilrecht vor, das dem Wesen der Gesamtschuld als umfassendem Regreßinstitut des BGB gerecht wird. Dieses Schema genügt ferner dem Grundprinzip des BGB, demzufolge Dreiecksverhältnisse immer nur nach Maßgabe der jeweiligen Vertragsverhältnisse abgewickelt werden dürfen. Folgt man daher
Schluß
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dem vorliegenden Lösungsmodell, so bewahrheitet sich dieses Grundprinzip des BGB nicht nur im Vertrags- und im Bereicherungsrecht, sondern auch im Regreßrecht.
§ 43 Gesamtergebnis Die Gesamtschuld ist das maßgebliche Regreßinstitut des BGB. Versuche in Rechtsprechung und Literatur, neben der Gesamtschuld einen Zessionsregreß analog § 281 im Wege der Drittschadensliquidation oder analog § 255 im Wege der sogenannten "unechten Gesamtschuld" zu etablieren, haben sich als unbegründet erwiesen. Die praktischen Nachteile eines solchen Zessionsregresses dürfen dem ausgleichsberechtigten Schuldner nur in den vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelten Fällen auferlegt werden. Allein in diesen Fällen rechtfertigen die gesetzgeberischen Wertentscheidungen, die den Vorschriften der §§ 255, 281 zugrunde liegen, eine von der Gesamtschuld abweichende Ausgleichsregelung. Die Vorschriften der §§ 255, 281 sind daher als Ausnahmevorschriften nicht analogiefahig.
22 Slamm
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Die Abgrenzung der Gesamtschuld von anderen Schuldnennehrheiten - BGHZ 59,97; JuS 1974,292-298 (zitiert: Rüßmann, Gesamtschuld, JuS 1974).
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Buchbesprechung zu Horst Ehmann, Die Gesamtschuld, AcP 1975, 173-177 (zitiert: Rüßmann, Buchbesprechung Ehmann, AcP 1975).
Schmalzl, Max: Die Auswirkung des § 278 BGB im Verhältnis des Bauherrn zu den anderen Baubeteiligten, in: Festschrift für Horst Locher zum 65. Geburtstag, Düsseldorf 1990, S. 225-234 (zitiert: Schmalzl, in: Festschrift für Horst Locher, S.225).
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Unechte Solidarität, JherJb 72, 1-116 (zitiert: Rudol[ Schmidt, Unechte Solidarität, JherJb 72).
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Schwark, Eberhard: Der Fremdgeschäftsführungswille bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, JuS 1984, 321-328 (zitiert: Schwark, JuS 1984). Schwerdtner, Peter: Geschäftsführung ohne Auftrag, Jura 1982, 593-599 (zitiert: Schwerdtner, Jura 1982). Selb, Walter: Schadensbegriff und Regreßmethoden, Heidelberg 1963 (zitiert: Selb, Regreßmethoden).
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Kritik formaler Drittschadensthesen, NJW 1964, 1765-1771 (zitiert: Selb, Kritik formaler Drittschadensthesen, NJW 1964).
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Buchbesprechung zu Horst Hagen, Die Drittschadensliquidation im Wandel der Rechtsdogmatik, NJW 1972, 621-622 (zitiert: Selb, Buchbesprechung Hagen, NJW 1972).
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Entstehungsgeschichte und Tragweite des § 255, in: Festschrift für Karl Larenz zum 70. Geburtstag, München 1973, S. 517-548 (zitiert: Selb, Entstehungsgeschichte des § 255, in: Festschrift für Karl Larenz, S. 517).
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Buchbesprechung zu Horst Ehrnann, Die Gesamtschuld, NJW 1975, 965 (zitiert: Selb, Buchbesprechung Ehrnann, NJW 1975).
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Sachwortverzeichnis Abgrenzungsformel 46,57, 60, 63, 72, 78, 82, 84, 104, 163,288
Entstehungsgeschichte des Zessionsregresses 84 ff.
Abnahme 139, 173 ff., 187, 191, 199, 228, 253, 285
Enumerativprinzip 235, 250, 330
Abtretungserfordemis 50, 67, 74, 111, 201 ff., 220, 242, 291, 295, 330 aliud 56 ff., 72 ff., 88 ff. analoge Anwendung des § 255 73 ff., 162,204
33 ff.,
analoge Anwendung des § 844 Abs. 233 ff., 293 auch fremde Geschäfte 96 ff. Auftrag
116, 241
Ausgleichsregelung 32 ff., 56, 75 ff., 85 ff., 105, 111, 147 f., 161, 166, 175,236,265,286,326 berechtigte GoA
101, 157, 164 ff.
Besitzverlust 34, 64 f., 77, 80, 84 f. culpa in contrahendo 326 Drittschadensersatz 193, 214 ff., 226 f., 232 ff., 246, 293 ff., 317 ff. Drittschadensliquidation 122 f., 147 f., 159 ff., 193 f., 213 ff., 237 ff., 249, 271, 274 f., 294 ff., 301, 309 ff., 318 ff. Eigentümergemeinschaft 75, 77, 80, 86,89 f.
119 ff., 143 ff., Erfüllungsgehilfe 174 f., 262 ff., 267 ff., 310, 323 Erfüllungsgemeinschaft 36 ff., 109 f.
57,
Frachtvertrag 296 ff., 321 f. Freistellungsanspruch 30, 48, 69, 105, 111 Fremdgeschäftsführungswille 157 ff., 169
99 ff.,
Fremdtilgungsbestimmung 43, 51, 102, 157, 167 ff. Gefahrtragung 178 ff., 228 ff., 239 ff., 252 ff., 284 ff., 290 ff., 292 ff., 303 ff., 314 ff. Gesamtschuld 29 ff., 35 ff., 59 ff., 68 ff., 97 ff., 150 ff. gestufte Haftung
47 ff.,
38 ff.
Gleichstufigkeit 38 ff., 67, 96, 104, 204 GoA 95 ff., 157 ff., 164 ff., 170 f., 287 Haftungserweiterung 214, 224, 251, 323 Kommission 309 ff. Konkurrenz 246,299 ff.
Eigentumsverlust 34, 65 f., 80, 244
Legalzession 50 f., 106, 237
Einreden 51, 106, 108, 221 ff., 245 f., 292 ff., 299 ff.
Lehre vom normativen Schaden 192 f., 197 ff., 232
Sachwortverzeichnis Leistungsidentität 162, 295
152, 155 f., 160 f.,
lex specialis 61 ff., 66, 76, 90
351
Schutzzweck des § 281
206 ff., 220
teleologische Reduktion des § 421 S. 1 38 ff.
mittelbare Stellvertretung 309 ff.
Traditionsprinzip 62, 86, 91
Mitwirkungshandlung 263, 268
Typologie 54 ff., 331
125 ff., 130 ff.,
nachträgliche Fremdtilgungsbestimmung 170 f.
Übertragungsmechanismus 214 ff.
Nebenrechte 52, 107 f., 112 f.
unberechtigte GoA 101 f., 158 f., 166 f.
Nichtleistungskondiktion 168 ff.
109 ff., Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens 99 ff.
Obhutsflille 318 ff. planwidrige Regelungslücke 177 ff., 203 ff.
35,
Praktikabilität 46 ff., 104 ff. Regreß 25, 29 ff., 60 ff., 68 ff., 95, 105, 119, 151, 276 ff. Regreßregelung 30, 46 ff., 57, 60 ff., 68 ff., 85 ff., 106, 119 ff., 142 f. Rückgriffskondiktion
88 ff., 205,
109 ff., 167 ff.
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 223 ff., 246 ff., 297 ff., 311, 321 ff. Vertretung im Vertrauen
189 f., 324 ff.
Vorrang des Gläubigers
52, 107
Vorteilsausgleichung 197 ff., 226
109, 192 f.,
Wille des Geschäftsführers wirtschaftliches Eigentum
101 190, 328 ff.
Schadensberechnung 31 f., 64 f., 72 ff., 192 ff., 198 ff., 210 ff.
Zessionsregreß analog § 255 33 ff., 64 ff., 68 ff., 108, 162, 206, 295
Schuldrechtskommission 84, 303 ff.
zuflillige Schadensverlagerung 217,236,247,316 ff., 319
252 ff.,
194,