Die Zerbrechlichkeit des Wahren: Richard Rortys Neopragmatismus und Adornos Negative Dialektik [1. Aufl.] 9783839414101

Das Zentrum der Philosophie Rortys bildet keine - wie oftmals angenommen - neue Spielart des Relativismus, sondern die K

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German Pages 386 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Der Anstoß von außen
Einleitung
1. Rortys neopragmatische Kritik am Wahrheitsbegriff
2. Sprachspielnominalismus
3. Naturalistischer Sprachspielnominalismus
4. Erkenntnistheoretischer Behaviorismus
5. Neopragmatismus und Subjektphilosophie: eine Kritik
6. Begriff und Realität in der Negativen Dialektik Adornos
7. Zweite Reflexion und die Dialektik der Subjektivierung
8. Residualisierung und Aufklärungsdialektik
9. Mimesis und Deresidualisierung
10. Erfahrung im gesellschaftlichen Immanenzzusammenhang
Siglenverzeichnis und zitierte Literatur
Thematische Übersicht
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Die Zerbrechlichkeit des Wahren: Richard Rortys Neopragmatismus und Adornos Negative Dialektik [1. Aufl.]
 9783839414101

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Bernd Kronenberg Die Zerbrechlichkeit des Wahren

Bernd Kronenberg (Dr. phil.) hat an der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam promoviert und lebt in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Gebieten der Gesellschafts- und Erkenntnistheorie, Sprachphilosophie sowie neuzeitlichen Metaphysik und Metaphysikkritik.

Bernd Kronenberg

Die Zerbrechlichkeit des Wahren Richard Rortys Neopragmatismus und Adornos Negative Dialektik

Dissertation an der Universität Potsdam, 2008 Erstgutachter: Prof. Dr. Christoph Menke Zweitgutachter: Prof. Dr. Christoph Demmerling

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Bernd Kronenberg Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1410-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

I nhal t

Der Anstoß von außen

7

Einleitung

13

1. Rortys neopragmatische Kritik am Wahrheitsbegriff

69

2. Sprachspielnominalismus

111

3. Naturalistischer Sprachspielnominalismus

145

4. Erkenntnistheoretischer Behaviorismus

181

5. Neopragmatismus und Subjektphilosophie: eine Kritik

199

6. Begriff und Realität in der Negativen Dialektik Adornos

235

7. Zweite Reflexion und die Dialektik der Subjektivierung

259

8. Residualisierung und Aufklärungsdialektik

291

9. Mimesis und Deresidualisierung

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10. Erfahrung im gesellschaftlichen Immanenzzusammenhang

351

Siglenverzeichnis und zitierte Literatur

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Thematische Übersicht

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Meiner Mutter

Der Anstoß von außen

Es hätten auch andere Philosophien für die Entwicklung meines Interesses an philosophischen Themen eine maßgebliche Rolle spielen können; der Beginn ist nicht frei von Zufällen. Doch spielte diese Rolle nun einmal die Philosophie Adornos, deren Einfluss natürlich auch dazu führte, dass ich mich mit der dieser Philosophie vorausliegenden Theorieentwicklung auseinandersetzte. Schließlich folgte dieser philosophischen Begegnung eine lange Beschäftigung mit der Fortentwicklung der Kritischen Theorie durch Habermas. Mir sind die Kontroversen somit nicht entgangen zwischen denen, die an der Kommunikationstheorie von Habermas das kritische Potential der frühen Kritischen Theorie vermissen, und denjenigen, für die erst mit der Theorie des kommunikativen Handelns die normativen Grundlagen einer kritischen Gesellschaftstheorie erhellt worden sind; Grundlagen, die Horkheimer und Adorno noch nicht in ihren Blick bekommen konnten, und zwar ± wie ihre Kritiker meinen ± aufgrund der subjektphilosophischen Prämissen ihres Ansatzes. Die Konzeption einer kommunikativen Vernunft betrachte ich als die bisher wichtigste Weiterentwicklung der Kritischen Theorie durch Habermas. Mit dieser Konzeption sind wichtige Theorieströme konstruktiv aufgenommen worden, von denen sich die frühe Kritische Theorie noch abgegrenzt hatte. Gleichwohl meine ich, dass mit der theoretischen Etablierung einer kommunikativen Vernunft in ihrer habermasschen Fassung etwas an der Philosophie Adornos unabgegolten geblieben ist, das den Nerv der Kritischen Theorie berührt und in neuen theoretischen Zusammenhängen zur Geltung gebracht werden sollte, wenn diese Theorie nicht zur philosophischen Tradition erstarren soll. Es ist Adornos nicht anthropozentrischer Begriff von Kommunikation, der sich mit einer noch so komplexen und kritisch angelegten Intersubjektivitätstheorie nicht einholen lässt und dem gegenüber selbst noch eine kommunikative Handlungs- und Vernunftkonzeption subjektphilosophische Züge trägt. Martin Seel hat, wohl vor dem Hintergrund des sogenannten Paradigmenwechsels in der Kritischen Theorie, mit Blick auf Adornos Philosophie treffend angemerkt, dass die Ä$UEHLWVWHLOXQJ]Zi-

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schen einer rücksichtslosen Manipulation der Natur und einer rücksichtsvollen Kultivierung der GesellVFKDIW³1 nicht aufgeht. Diese Einschätzung, mit der zugleich eine genuine Problematik der Theorie von Habermas angesprochen ist, werden viele von denen teilen, die der Philosophie Adornos einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer philosophischen Bildung verdanken. Ich hatte ± vor Jahren ± eine breit angelegte Untersuchung zu Adorno und Habermas ins Auge gefasst, in der eine auf diese Problematik bezogene Kontroverse ausgetragen werden sollte. Doch zu diesem Austrag ist es nicht gekommen. Das Unbehagen, in einer philosophischen Tradition mit ihren zahlreichen akademischen Debatten zu verharren, entfremdete mich allmählich meinem eigenen Projekt. In seiner Negativen Dialektik gibt Adorno, im Hinblick auf eine Kritik am Idealismus, zu bedenken, dass ohne ein Wissen von außen keine immanente Kritik ihre Aufgabe erfüllen kann. Auch das Subjekt durchschaue seinen idealistischen Trug, es sei das konstitutive Zentrum, erst durch einen Anstoß von außen, wie ihn der auf das Kräutlein Niesmitlust verzauberte Zwerg Nase durch die Weisheit der Gans Mimi erhält. In Abwandlung dieser These möchte ich behaupten, dass eine philosophische Tradition erst lebendig und produktiv werden kann und sich ihr unabgegoltener kritischer Gehalt neu entfalten lässt, wenn auch sie einen Anstoß von außen erhält. Auch die Philosophie Adornos, die mitunter auf ihre eigene Auseinandersetzung mit dem Idealismus verzaubert ist, braucht die Weisheit Mimis. Wenn Adorno unter geistiger Erfahrung versteht, sich der Tradition zu entäußern und sie verwandelnd aufzubewahren, so besteht die Tradition, auf die er sich primär bezieht, aus Kant, Hegel, Marx und Nietzsche. Auf diese Tradition kann sich eine erneute Aneignung der Philosophie Adornos heute freilich nicht mehr beschränken. Dementsprechend wird, meines Erachtens, eine den philosophischen Gehalt der Kritischen Theorie aufbewahrende Verwandlung dieser Theorie am ehesten dann gelingen, wenn sie ± mitsamt der Tradition, die bereits durch sie verwandelt wurde ± mit einer späteren und aus einer ganz anderen Strömung hervorgegangenen Theorie sowohl zusammengebracht als auch konfrontiert wird. Es war Zufall, dass ich unmittelbar nach der wiederholten Lektüre von Adornos Metakritik der Erkenntnistheorie Rortys Spiegel der Natur zu lesen begann, meine erste Lektüre der Schriften Rortys. Adorno entfaltet seine Metakritik an der Erkenntnistheorie im theoretischen Rahmen von Hegels Dialektik und Nietzsches Metaphysikkritik. Rorty, der ebenfalls eine Metakritik an der Erkenntnistheorie entwickelt, versucht dies auf dem vor allem mit Wittgensteins Sprachphilosophie und Deweys Pragmatismus erarbeiteten Niveau philosophischer Reflexion. ± Zwei Ansätze, die den epistemologischen Versuch der Wissensfundierung qua Rückgang auf das, was einem Subjekt am nächsten ist, einer Kritik unterziehen und deren wechselseitige Befruchtungsmöglichkeiten für mich ± im 1

M. Seel: Adornos Philosophie der Kontemplation, S. 60.

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zweifachen Wortsinn ± nicht zu übersehen waren; nicht zu übersehen vor allem im Hinblick auf die Entfaltung und Auflösung der subjektphilosophischen Problematik, an der sich die Kontroverse zwischen der frühen Kritischen Theorie und ihrer kommunikationstheoretischen Weiterentwicklung entzündete. Und so sollte meine Lektüre Rortys zum Anlass werden, mich mit einem Theoriestrom auseinanderzusetzen, dessen Bedeutung für eine Neuinterpretation und Aktualisierung der Philosophie Adornos immer noch unzureichend wahrgenommen wird. Was eines Anstoßes von außen bedurfte, das war vor allem die implizite Voraussetzung einer cartesianischen Ontologie der frühen Kritischen Theorie, die sich in Gestalt einer metaphysisch aufgeladenen Entgegensetzung von Geist und Natur zeigt und die daran hindert, pragmatistische Einsichten für eine Erkenntnis- und Gesellschaftskritik fruchtbar zu machen. Der Neopragmatismus bietet die theoretischen Mittel, um den Antagonismus von Geist und Natur, der in einem Zustand der Versöhnung ± normativer Gehalt der Kritischen Theorie ± aufgehoben sein soll, als einen solchen zu rekonstruieren, der sich innerhalb der gesellschaftlichen Praxis zuträgt: zwischen den in Sprache sedimentierten, naturbeherrschenden Praktiken und dem, was Menschen, Tiere und Dinge jenseits dieser Praktiken und jenseits dessen, was diese Praktiken aus ihnen machen, für Menschen sein könnten. Auf diese Weise lässt sich die Praxis einer sich verständigenden, jedoch selbstzentrierten Sprachgemeinschaft beleuchten und ein erweitertes Verständnis von Kommunikation vorbereiten. Wenngleich insbesondere Habermas die Kritische Theorie den pragmatischen Strömungen der Philosophie gegenüber weit geöffnet hat, so geht es ihm jedoch, etwa mit Pierce, in erster Linie um die Variante des Pragmatismus, an die sich eine transzendental ausgerichtete Diskurs- und Handlungstheorie anschließen lässt. Mit Rorty aber erlangt die transzendental- und fundierungskritische Variante, wie sie auf Dewey und James zurückgeht, ein neues Gewicht. Dass die Negative Dialektik auf keinen transzendentalen Ansatz hinaus will, einen solchen ebenso wie Positivismus und Ontologie vielmehr kritisiert, dass sie sich nachdrücklich gegen philosophische Fundierungsansprüche wendet, darin kommuniziert sie mit dem Neopragmatismus Rortys. ± Für den weitaus überwiegenden Teil der philosophischen Tradition, die sich nicht selten die Mathematik zum Vorbild genommen hat, gilt, dass Wissen, unkorrigierbares Wissen, das in der Moderne zunehmend aus der Analyse transzendentaler Strukturen gewonnen werden soll, der Wahrheit am nächsten kommt und der Philosophie einen wichtigen Platz in der Kultur und den Wissenschaften sichert. Mit dieser Vorstellung bricht die Negative Dialektik Adornos nicht weniger als der Neopragmatismus Rortys. Wird die Dimension des Gewünschten, Möglichen und Zukünftigen in relevanter Weise in die philosophische Reflexion einbezogen, so wird das theoretische Ziel, Philosophie auf ein Kompendium unwiderlegbarer Sätze zu reduzieren, die zugleich eine transhistorische Matrix bilden, mehr als skeptisch zu betrachten sein. ± Im Laufe meiner Auseinandersetzung mit dem Neopragmatismus

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und meiner erneuten Aneignung der Kritischen Theorie wurde mir deutlich, wie eng der fundierungskritische Impuls dieser Philosophien mit dem intellektuellen Engagement für eine offene und bessere Zukunft zusammenhängt. Mir wurde auch deutlich, wie sehr Adornos fundierungskritische Einstellung mit einer Offenheit der Realität gegenüber verbunden ist, die in menschlichen Zweckbestimmungen nicht aufgeht und von einer selbstzentrierten Kommunikationsgemeinschaft verfehlt wird. Sie war gleichwohl nicht purer Zufall, die Lektüre von Rortys Spiegel der Natur, denn ihr ging das Interesse am Pragmatismus voraus. Und dieses Interesse hätte sich nicht entwickeln können, hätte der Pragmatismus mit der Kritischen Theorie nicht etwas Wichtiges gemeinsam. Ein Verständnis von Philosophie, das deren Aufgabe in der Verbesserung grundlegender Disziplinen und Methoden und der hermeneutischen Traditionspflege sieht, während es ein soziales und geschichtliches Sensorium und damit auch die begriffliche Reflexion geschichtlicher Erfahrung für verzichtbar hält, hat bisher mein nachhaltiges Interesse nicht wecken können. Der Kritischen Theorie ging es nie darum, sich philosophisch zu fundieren, sondern sich gesellschaftlich zu kontextuieren und auf diesem Wege ihr Selbstverständnis als kritische Philosophie zu gewinnen. An die Stelle von Letztbegründungen setzt sie die begründete Parteilichkeit des Denkens für die verletzte Kreatur. Auch der Pragmatismus hat die Philosophie stets im Kontext gesellschaftlich-kultureller Probleme reflektiert; für Rorty ist sie eine Form der Kulturpolitik und nicht der Erforschung kultureller Fundamente jenseits der PoliWLN :HQQ $GRUQR GHQ ÄHLQHQ XQG ZDKUKDIW IUHLHQ -RKQ 'HZH\³2 erwähnt und dessen Experimentalismus dem Hegelleser empfiehlt, deutet sich eine Affinität in der philosophischen Einstellung an, für die der Fortschritt zur Humanität und die Freiheit eines Denkens, das sich nicht länger an vermeintliche Fundamente kettet, zusammengehören. Doch so wie die verzauberte Mimi der Hilfe Jakobs bedurfte, der sie aus dem Palast führte, in dem sie gefangen war, und sie bis hin zum Meeresstrand begleitete, so bedarf auch der Pragmatismus und insbesondere der Neopragmatismus der Kritischen Theorie ihrer Einsicht wegen, dass es keine bessere Zukunft geben kann ohne ein gelingendes Verhältnis der Menschen zur Natur und dass dieses Gelingen eine kritische Sicht auf die Praktiken der Naturbeherrschung und des menschlichen Zentrismus erfordert, der zu einer realen wie theoretischen Gefangenschaft geworden ist, die durch diese Praktiken gefestigt wird, und der sich erkenntnistheoretisch im Primat des Subjekts wie der Subjektgemeinschaft gegenüber dem Objekt niederschlägt. Der Pragmatismus und der Neopragmatismus haben in ihrem Fortschrittsoptimismus das Problem eines menschlichen Naturverhältnisses, in dem Natur als Beherrschte auf die Menschen zurückschlägt, bis heute nicht sehen wollen. Und darin teilen sie das Defizit der Konzeption einer kommunikativen Vernunft, die keinen objektiven Begriff von Kommunikation 2

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 7, S. 498.

DER ANSTOSS VON AUSSEN | 11

zulassen möchte und der die theoretischen Mittel fehlen, nicht nur zu sagen, was der Natur angetan wird, sondern auch, was sich die Menschen antun mit dem, was sie der Natur antun. Abgesehen von diesen konzeptionellen Überlegungen soll die nachfolgende Untersuchung dazu beitragen, die Philosophie Rortys von ihrem Image der postmodernen Frivolität zu befreien, das eine produktive Auseinandersetzung mit ihr seitens der Kritischen Theorie noch immer behindert. Im Hinblick auf Adorno möchte diese Untersuchung dazu anregen, durch eine weite theoretische Öffnung zu anderen Theoremen als den im Umkreis der Kritischen Theorie entwickelten neue Wege der Interpretation zu gehen, indem sie einen solchen Weg aufzeigt. Natürlich ist, was den vorliegenden Interpretationsversuch der Philosophie Adornos betrifft, nicht alles neu, aber hoffentlich vieles in einem neuen Licht gesehen, in dem sich die Aktualität Adornos denen zeigen kann, die ihn nicht der Tradition überlassen wollen. Wenn in die Untersuchung akademische Diskurse und Diskussionen wenig einbezogen werden und auf monografische Beiträge zu den behandelten Autoren nur selten Bezug genommen wird, so weder aus Geringschätzung noch aus heimlicher Originalitätssucht. Denn zum einen verdanke ich solchen Beiträgen ± auch wenn sie in der folgenden Untersuchung nicht mehr als eine indirekte Rolle spielen ± wichtige Einsichten und Anregungen, zum anderen stellt aus meiner Sicht der akademische Diskurs eine wichtige Form der öffentlichen Auseinandersetzung dar. Jedoch hat die Beschäftigung mit den zwei Protagonisten meine intellektuelle Aufmerksamkeit in einer Weise in Anspruch genommen, die mir die ständige Bezugnahme auf bekannte und weniger bekannte Beiträge zu diesen Autoren künstlich erscheinen ließ, wenn sie sich nicht aus der gedanklichen Entwicklung ergab. Dementsprechend wollte ich auch dem Literaturverzeichnis nicht die Funktion zuweisen, philosophische Kompetenz ± eine Kompetenz qua Belesenheit ± zu signalisieren. Es ist daher von geringem Umfang. Bedanken möchte ich mich für die besondere Aufgeschlossenheit und das Interesse, das Prof. Christoph Menke von Anbeginn meinem Dissertationsprojekt an der Universität Potsdam entgegengebracht hat, dessen überarbeitete Fassung diese Untersuchung darstellt. Mein Dank gilt ebenfalls Prof. Christoph Demmerling, der sich aus Interesse an der Sache umstandslos dazu bereit erklärte, sich mit meiner Untersuchung auseinanderzusetzen. Inga Meincke gilt mein besonderer Dank für die kritische Durchsicht und die Korrektur des Typoskripts. Anderen, wenngleich nicht namentlich erwähnten, gilt ebenfalls mein Dank ± für die freundschaftliche Unterstützung meines Projekts, darunter auch Unterstützungen unscheinbarer, aber doch unentbehrlicher Art, Anregungen durch kontroverse oder scheinbar harmlose Gespräche, deren weitreichende Folgen für meine eigenen Überlegungen ich häufig erst sehr viel später sehen konnte. Berlin, im Februar 2010

B. K.

Wahrheit ist ein ungeschickter Dienstbote, der beim Reinemachen die Teller zerschlägt. Karl Kraus

Ei nleitung

Die folgende Untersuchung befasst sich mit der Epistemologie sowohl des Neopragmatismus Rortys als auch der dialektischen Philosophie Adornos und versucht, die jeweils mit diesen Epistemologien verbundene Metakritik an der tradierten Erkenntnistheorie und der Wahrheitsauffassung der Neuzeit zu rekonstruieren. Mit der Philosophie Adornos und Rortys stoßen Theorieströme aufeinander, die bisher kaum in produktiven Kontakt miteinander getreten sind, obgleich die konsequent fundierungskritische Einstellung beider Autoren gegenüber der philosophischen Überlieferung auf gemeinsame Motive ihres theoretischen Hintergrundes verweist. Theoriegeschichtlich gesehen sind der frühe Pragmatismus und die Kritische Theorie, aus der die Idee negativer Dialektik hervorgegangen ist, auf den ersten Blick eher gegensätzliche Ansätze. Aus der Sicht der frühen Kritischen Theorie ist der Pragmatismus eine Gestalt instrumenteller und subjektiver Vernunft. Denn im Pragmatismus übernimmt das Funktionieren einer gemeinsamen Praxis der Menschen, einschließlich der Praxis des Argumentierens und Rechtfertigens von Überzeugungen, die Rolle des Wahrheitsmaßstabes, der sich in der abendländischen Philosophie hingegen vorwiegend aus dem Begriff der Erkenntnis als adaequatio rei atqXHFRJLWDWLRQLVHUJLEWXQGDXFKGRUWQRFKJLOWZRHWZDGLHÃUHVµ als dieser Maßstab im Bewusstsein des Erkennenden verortet wird. Einem solchen Wahrheitsbegriff gemäß funktioniert eine Praxis kraft der Erkenntnis des an sich Wahren, nicht aber ist das Wahre durch das Funktionieren praktischer Vollzüge ausgewiesen, in welchen sich die gerechtfertigten Überzeugungen niederschlagen und bewähren. Dass diese im Pragmatismus immer schon vor dem Hintergrund der sozialen Bestimmung des für uns, die menschliche Gemeinschaft, Erstrebenswerten verstanden werden, spielt aus der Sicht der traditionellen Wahrheitsauffassung für eine Kritik am pragmatischen Wahrheitsbegriff keine Rolle. Und in dieser wahrheitstheoretisch dem Pragmatismus entgegengesetzten Tradition befindet sich durchaus auch die von Adorno und Horkheimer repräsentierte frühe Kritische Theorie. Ihre Stellung zum Pragmatismus ist doppeldeutig:

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Soweit es darum geht, dass das für uns Erstrebenswerte das partikulare Interesse zu einem gemeinsamen Interesse aller Mitglieder eines solidarischen, demokratischen Gemeinwesens hin übersteigt, konvergiert die frühe Kritische Theorie mit dem Pragmatismus. Sieht die Kritische Theorie doch in der kein Individuum mehr beherrschenden oder von sich ausgrenzenden Allgemeinheit, das heißt in einer Solidarität des Ganzen, subjektive Vernunft transzendiert. Auf der anderen Seite jedoch, nämlich der Natur gegenüber, bleibt die Vernunft im Pragmatismus aus der Sicht der Kritischen Theorie eine subjektive, weil für ihn der Erfolg einer naturbeherrschenden Praxis den Maßstab der Rechtfertigung solcher Überzeugungen bildet, die ein gegenständliches Wissen beinhalten. Diese Anschauung hat Horkheimer in seiner Kritik der instrumentellen Vernunft dem Pragmatismus als Verkennung und Verkehrung dessen, was das Wahre ist, vorgeworfen, ihn freilich damit auch als Ganzen auf einen planen Instrumentalismus reduziert. 1 Die Sicht des Pragmatismus auf die frühe Kritische Theorie gibt es nicht, denn diese wurde vom Pragmatismus bis auf den heutigen Tag bedauerlicherweise erst gar nicht rezipiert. Würde man aber für den Pragmatismus fiktiv eine solche Sicht einnehmen, so könnte ihm die Kritische Theorie als ein widersprüchliches Bemühen erscheinen: Einerseits gehen Horkheimer und Adorno seit der Dialektik der Aufklärung vom unwiderruflichen historischen Verfall der objektiven Vernunft mitsamt ihren substantiellen Grundbegriffen aus, zu denen vor allen anderen der Wahrheitsbegriff zählt. Um die Defizite der etablierten subjektiven wie instrumentellen Vernunft jedoch beleuchten zu können, die zu keinem emphatischen Wahrheitsbegriff mehr fähig ist, können sie ihr gegenüber ± denn einen alternativen und erweiterten Vernunftbegriff haben sie nicht entwickelt ± nur wieder die Perspektive der objektiven Vernunft einnehmen. Epistemologisch gewendet würde dies aus der Perspektive des Pragmatismus Folgendes besagen: Wenn die Kritische Theorie weder zu einem naiven oder metaphysischen Realismus zurückkehren kann, wenn sie weder begriffsrealistisch eine Reontologisierung vollziehen und damit die erkenntniskritische Wendung zum Subjekt widerrufen will noch bei der neuzeitlichen Etablierung des autonomen wie monologischen Subjekts als Folge dieser Wendung es belassen möchte, weil sie in ihr die Unterwerfung der außermenschlichen Natur und der menschlichen Natur unter die instrumentelle Ratio sich vollends durchsetzen sieht, dann hat sich die Kritische Theorie offenbar selbst in eine Sackgasse manövriert. Diese entsteht dadurch, dass das Verhältnis der Menschen zueinander und ihr Verhältnis zur Natur unter ein und dieselbe Herrschaftskritik fallen und damit der subjektiven und instrumentellen Vernunft ein emanzipatorisches Potential kaum zukommen kann, auf das jedoch noch der frühe Pragmatismus setzt. In der Kritischen Theorie wird diese ungetrennte herrschaftskritische Sichtweise folgendermaßen legitimiert: Nicht nur die Herrschaft über die äußere und die innere Natur hängen dergestalt zusammen, dass das Anwachsen der Selbstbe1

Vgl. M. Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, S. 61 ff.

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herrschung der Menschen, die im Dienste der Naturbeherrschung steht, durch die sich die Menschen vom Naturzwang befreien wollen, diese Befreiung zugleich von Grund auf konterkariert: Indem die Menschen voreinander zum Objekt naturbeherrschenden Denkens werden, schlägt die Beherrschung der Natur auch als innergesellschaftliche Herrschaft durch. Deshalb steht das neuzeitliche autonome Vernunftsubjekt mit seinem denkerischen Totalitätsanspruch, äußere Natur, innere Natur und das je andere Subjekt gleichermaßen zu beherrschen, im Mittelpunkt der Kritik. Es ist nämlich dieses eine Subjekt, welches in seinem Weltbezug ebenso wie in seinem intersubjektiven Bezug alles unter die eigene Herrschaft zu subsumieren trachtet. Freilich: Wie ein nicht repressives, nicht instrumentelles Verhältnis der Menschen zueinander zu denken ist, lässt sich am Begriff einer umfassenden menschlichen Solidarität und eines demokratischen Gemeinwesens erläutern. Es bedarf hierzu ± und diesem Denkweg folgt die Fortentwicklung der Kritischen Theorie durch Habermas ± nur der philosophischen, insbesondere gesellschaftsphilosophischen Darlegung dessen, was es heißt, den anderen Menschen nicht mehr nur aus der Perspektive eines monologischen Subjekts als Objekt beziehungsweise als Mittel zu betrachten, sondern als anderes Subjekt, als Kommunikationsteilnehmer, schließlich als Zweck an sich selbst. Ein nicht instrumentelles Verhältnis in intersubjektiver Hinsicht lässt sich überzeugend kommunikationsund handlungstheoretisch rekonstruieren, mit dem Resultat einer kommunikativen Vernunft, mit welcher die Restriktionen einer subjektiven Vernunft auf dem Gebiet der Intersubjektivität überwunden werden können. Innergesellschaftliche Repression ist dann der Ausdruck einer Verdrängung des kommunikativen Handelns durch strategisches Handeln. In Übereinstimmung mit einer solchen philosophischen Handlungstheorie lässt sich sodann gegen den adäquationstheoretischen ein konsenstheoretischer Wahrheitsbegriff formulieren, wobei jetzt zum Maßstab solcher Konsenswahrheit wird, wie ungezwungen eine diskursive Einigung hergestellt werden konnte. Doch wie ein repressionsfreies Verhältnis zur Natur zu denken ist, mit dem die Restriktionen subjektiv instrumenteller Rationalität zugunsten einer erweiterten Vernunft überwunden wären, diese Frage, die die frühe Kritische Theorie ihrer Konzeption gemäß beantworten muss, um aus jener Sackgasse der Kritik an der instrumentellen Vernunft zu gelangen, und zwar ohne in eine vorkritische Epistemologie zurückzufallen, ist schwerer zu beantworten als die Frage nach herrschaftsfreier Intersubjektivität. Denn nun geht es zugleich um die Frage, was es in epistemischer Hinsicht heißen würde, dass Natur nicht mehr Objekt des vergegenständlichenden, beherrschenden Denkens ist, ohne doch wieder nur zu einem anderen Subjekt anthropomorphisiert oder an einen vorkritischen Begriff objektiver Vernunft angepasst zu werden. (Zweifellos ist die Frage nach der Möglichkeit eines nicht instrumentellen Naturverhältnisses im erkenntnisrelevanten Sinne anders zu beantworten als die Frage nach repressionsfreier Intersubjektivität, und insofern ist die Trennung von Naturverhältnis und Intersubjektivität, wie sie in der pragmatischen Wende konzeptionell vollzo-

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gen wurde, nicht einfach zu ignorieren.) Horkheimer und Adorno haben zur Kennzeichnung eines nicht instrumentellen Verhältnisses der Menschen zur Natur auf die Mimesis verwiesen. Der Einwand, den sie sich ± vor allem von Habermas ± mit ihrem Hinweis auf den mimetischen Impuls eingehandelt haben, besteht darin, dass die Rede von der Mimesis in kein epistemologisches Konzept XPJHVHW]WZHUGHQNDQQGHQQGLHÄPLPHWLVFKHQ,PSXOVHODVVHQVLFKQLFKWLQ(LnVLFKWHQ YHUZDQGHOQ³. 2 Damit kann die Mimesis auch nicht ohne Weiteres auf wahrheitstheoretischer Ebene der subjektiv instrumentellen Vernunft konzeptionell entgegengesetzt werden. Wirft man vor diesem Hintergrund einen Blick auf den Pragmatismus, so zeigt sich, dass sich diesem die schwierige Aufgabe, die Horkheimer und Adorno zu lösen versuchen, nämlich ein repressionsfreies Naturverhältnis erkenntniskritisch einzuholen, gar nicht stellt. Der Pragmatismus, zumal der von Dewey entwickelte, sieht von vornherein das Anwachsen der Naturbeherrschung in keinem notwendigen Zusammenhang mit der innergesellschaftlichen Herrschaft. Er sieht vielmehr die Naturbeherrschung ± im Gegensatz zur Kritischen Theorie, die genau diese Sicht an der szientistischen Aufklärung seit Bacon kritisiert ± in Allianz mit der gesellschaftlichen Emanzipation.3 Erst nämlich an der gesellschaftlichen Verfassung entscheidet sich, ob die Naturbeherrschung in den Dienst der sozialen Emanzipation gestellt wird oder der gesellschaftlichen Herrschaft dient. Hier besteht angesichts der sozialen Rückständigkeit technisch fortgeschrittener Gesellschaften aus der Sicht Deweys ein großer Nachholbedarf beim Anpassen des sozialen an den technischen Fortschritt, damit dieser seine Früchte endlich für alle abwerfe. Der naturbeherrschende Geist muss sich, nach Auskunft des Pragmatismus, keineswegs auch in der Vergesellschaftung der Menschen niederschlagen. In den Dienst der gesellschaftlichen Emanzipation gestellt, wird die Naturbeherrschung mitsamt der ihr entsprechenden szientistischen Epistemologie nicht nur nicht zu einem Problem, sie ist vielmehr ein treibender Faktor in der sozialen Emanzipation, die eine wachsende Emanzipation vom Naturzwang beinhaltet. Mehr noch: Es ist wiederum die soziale Emanzipation, die einen experimentellen, auf neue Möglichkeiten ausgerichteten und nicht mehr ideologisch belasteten Zugang zur Natur ermöglicht hat, der zuvor von einer repressiven Gesellschafts2

3

Vgl. J. Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns, Band I, S. 512. ± Doch trägt dieser Einwand nicht, weil er voraussetzt, dass das Mimetische als ein vom diskursiven, rationalen Denken isoliertes und ihm entgegengesetztes Moment zu betrachten wäre, das sich unabhängig vom Diskursiven eigens artikulieren müsste. Eine Konzeption aber, die unter einer solchen dualistischen Voraussetzung im Hinblick auf Diskursivität und Mimesis operiert, haben Horkheimer und Adorno, wie ich im Verlauf der Untersuchung zeigen möchte, aus guten Gründen nicht verfolgt. Vielmehr wird das Mimetische als ein im begrifflichen Denken selbst liegendes Potential zur Geltung gebracht. Vgl. J. Dewey: Die Erneuerung der Philosophie, S. 84, wo es, Bacon zustimmend, heißt, die Herrschaft des Menschen über die Natur solle an die Stelle der Herrschaft des Menschen über den Menschen treten.

EINLEITUNG | 17

ordnung blockiert war. Damit lässt sich in Bezug auf die Natur die subjektiv instrumentelle Vernunft in Anspruch nehmen, während die Vernunft der Verständigung, der herrschaftsfreien Übereinkunft, den normativen Rahmen der gesellschaftlichen Aneignung der Natur bildet. In diesem Modell gibt es nicht das Problem, ein nicht instrumentelles, versöhntes Naturverhältnis konzipieren und es auch epistemologisch einholen zu müssen. In Bezug auf die Natur bleibt der Erfolg instrumentellen Handelns der Maßstab für die Richtigkeit von Theorien und Überzeugungen, der Maßstab der Wahrheit unseres gegenständlichen Wissens. Demgegenüber betonen Horkheimer und Adorno die Ambivalenz der Naturbeherrschung, die sie nicht abstrakt verneinen. Denn dass der Druck einer unbeherrschten, drohenden Natur in die gesellschaftlichen Verhältnisse hineinwirkt als Repression zwischen den Menschen, bestreiten sie nicht. Sie insistieren jedoch auf der negativen Dialektik der Herrschaft: Während ohne Naturbeherrschung keine soziale Emanzipation wäre, so wäre doch ebenso wenig eine Naturbeherrschung ohne die Herrschaft der Menschen über sich selbst und andere, und diese Herrschaft droht den emanzipatorischen Aspekt der Naturbeherrschung im Laufe des neuzeitlichen Rationalisierungsprozesses vollständig zu neutralisieren. Bei aller Gegensätzlichkeit zwischen Pragmatismus und Kritischer Theorie ist nicht zu übersehen, dass die Kritische Theorie mit ihrem Anschluss an den Pragmatismus durch Habermas ihre bisher wohl umfangreichste Weiterentwicklung erfahren hat. 4 Nicht nur ohne die linguistische, auch ohne die pragmatische Wende gäbe es keine Theorie des kommunikativen Handelns, die an diese Theorieströme die kritische Gesellschaftstheorie anschließt.5 Mit dem Anschluss an den Pragmatismus übernimmt Habermas allerdings seit Erkenntnis und Interesse einen zentralen Aspekt des Pragmatismus: Der Zusammenhang von Naturbeherrschung und gesellschaftlicher Herrschaft ist kein immanenter, durch die subjektzentrierte Vernunft begründeter. Auch Habermas denkt wie der Pragmatismus das instrumentelle Naturverhältnis unter den Bedingungen seiner gesellschaft4

5

Nicht weiter ausführen und an dieser Stelle nur erwähnen möchte ich, dass Habermas an die transzendentale Variante des Pragmatismus, also an den von Peirce und nicht an den von Dewey geprägten Pragmatismus anschließt. Dies führt zu einer Transzendentalisierung der Kritischen Theorie, die ursprünglich keinen transzendentalen Ansatz darstellt, denn Adornos Anforderung an die Philosophie, sich ÄZHJ]XZHUIHQ DQ GLH *HJHQVWlQGH³ VHLQ LQ GHU 9RUUHGH ]XU Negativen Dialektik formulierter Anspruch, inhaltliches Denken möge allein im Vollzug sein Selbstbewusstsein gewinnen, will sich weder auf eine universelle Struktur der Subjektivität noch der Intersubjektivität verlassen. Was die Negative Dialektik gegen einen Transzendentalismus implizit einwendet, ist dies, dass er um den Gehalt der philosophischen Reflexion betrügt, der allein aus der Objektzugewandtheit des Denkens gewonnen werden kann. Vgl. J. Habermas: Nachmetaphysisches Denken, S. 63 ff.

18 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN

lichen Funktion, und er denkt die Naturbeherrschung als eine grundsätzlich von gesellschaftlicher Herrschaft isolierbare. Liefert in Erkenntnis und Interesse der Pragmatismus von Peirce das Modell für das epistemische Verständnis des Naturverhältnisses unter den Bedingungen des für die materielle Reproduktion der Gesellschaft notwendigen instrumentellen Handelns, so liefert die Hermeneutik das Modell dafür, Intersubjektivität als Bedingung der symbolischen Reproduktion der Gesellschaft zu verstehen, ohne die auch die materielle Reproduktion nicht ausreichend erklärt werden kann. 6 Die basale Funktion der Hermeneutik für das Verständnis der gesellschaftlichen Reproduktion weist bereits in Richtung einer Theorie des kommunikativen Handelns. In der weiteren Theorieentwicklung geht Habermas im Anschluss an Max Weber bekanntlich von der geschichtlichen Ausdifferenzierung von Rationalitätstypen als irreversiblem Faktum aus. Diese Ausdifferenzierung stellt selbst einen durchaus emanzipatorischen Rationalisierungsprozess dar, in dem nun der Bereich des Normativen von dem des Faktischen getrennt und somit kommunikativ verflüssigt wird. Die theoretischinstrumentelle Rationalität, als die sich die subjektive Vernunft zu erkennen gibt, kann fortan als ein Rationalitätstypus neben anderen (neben der moralischpraktischen und ästhetisch-expressiven Rationalität) relativiert werden, der innerhalb des Rahmens einer übergreifenden kommunikativen Vernunft konzeptionalisiert wird, welche die Unversehrtheit der Menschen in ihrem Verhältnis zueiQDQGHU ]XP 0D‰VWDE KDW JHQDXHU JHVDJW GHQ Ä9RUVFKHLQ YRQ V\PPHWULVFKHQ Verhältnissen freier reziproNHU$QHUNHQQXQJ³.7 Allerdings findet diese Unversehrtheit im Verhältnis der Menschen zur Natur kein Pendant, das sich handlungs- und erkenntnistheoretisch einholen ließe. Natur bleibt Gegenstand der Beherrschung auch dann, wenn sich die Menschen einst repressionsfrei vergesellschaften sollten. Die Theorie einer kommunikativen Vernunft von Habermas schließt ihrer Konzeption nach Natur, die als Substrat von Zwecksetzungen den Menschen nichts mitzuteilen vermag, von der Kommunikation aus. Die Transformation der Kritischen Theorie in eine kommunikative Handlungstheorie kann einen Begriff von ± mit Adornos Worten ± objektiver Kommunikation nicht vollständig umwandeln, den die frühe Kritische Theorie als normativen Maßstab für sich in Anspruch genommen hat und den Adorno auf die Intersubjektivität und auf das Naturverhältnis gleichermaßen bezieht. Ä'HUJHJHQZlUWLJH>%HJULIIYRQ.RPPXQLNDWLRQ ± d.A.] ist so schmählich, weil er das Beste, das Potential eines Einverständnisses von Menschen und Dingen, an die Mitteilung zwischen Subjekten nach den Erfordernissen subjektiver Vernunft verrät. An seiner rechten Stelle wäre, auch erkenntnistheoretisch, das Verhältnis von Subjekt und Objekt im verwirklichten Frieden sowohl zwischen den Menschen wie zwischen ihnen und ihUHP$QGHUHQ³ 62 743)8 6 7 8

Vgl. J. Habermas: Erkenntnis und Interesse, S. 57 f., 178 ff. J. Habermas: Nachmetaphysisches Denken, S. 185. Zur Zitierweise siehe Siglenverzeichnis S. 375.

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Dass die Kommunikation zwischen den Menschen in mehr als in der bloßen Ä0LWWHLOXQJ]ZLVFKHQGHQ6XEMHNWHQ³EHVWHKWKDW$GRUQRYHUNDQQW'RFKKDWHU auch nicht ± wie sich hier zeigt ± die Idee der Versöhnung unbewusst am Bild der unversehrten Intersubjektivität gewonnen und es dann auf das Naturverhältnis projiziert.9 Die Theorie des kommunikativen Handelns ist, was ihre Grundbegriffe und ihre Konzeption betrifft, allmählich Bildungsgut geworden und braucht hier nicht weiter referiert zu werden. Das Problem, das für die vorliegende Untersuchung motivierend war, kann vor dem bisherigen Hintergrund deutlich genug mit dem Hinweis herausgestellt werden, dass seit Erkenntnis und Interesse Habermas ein anderes als ein instrumentelles Verhältnis der Menschen zur Natur erkenntnistheoretisch überhaupt nicht für thematisierbar hält; dass in diesem Zusammenhang die epistemologischen Fragen zunächst ganz im Rahmen der Kommunikationstheorie und einer Konsenstheorie der Wahrheit abgehandelt werden; dass Habermas aber schließlich in der Auseinandersetzung mit Rorty vor genau der Konsequenz zurückschreckt, die eine Pragmatisierung der Kritischen Theorie im Hinblick auf das Naturverhältnis und für den Begriff einer gegenständlichen Wahrheit unweigerlich hat. Diese Konsequenz besteht darin, dass sich kein konsistenter Begriff einer von der intersubjektiven Rechtfertigung unterschiedenen Wahrheit mehr gewinnen lässt und dass diese Rechtfertigung in Bezug auf gegenständliche Wahrheit sich in letzter Instanz nur auf das Funktionieren einer instrumentellen Praxis berufen kann. Ob mit der Rechtfertigung von Aussagen auch zugleich ein die lokalen Grenzen einer Sprachgemeinschaft übersteigender Wahrheitsanspruch verbunden wird, ob die Rechtfertigung unter den Bedingungen einer idealen Sprechsituation zustande kommt oder diese Situation kontrafaktisch unterstellt wird ± von diesen Fragen, ja von allen Formen der Idealisierung bleiben die Erkenntniskriterien selbst, die im Modell von Habermas allein solche der theoretisch-instrumentellen Rationalität sein können, ganz unberührt. Wenn wir in Bezug auf die Natur nur ihren ± wenngleich im weitesten Sinne ± Instrumentalisierungserfolg als Erkenntnismaßstab haben und als Wahrheitskriterium gegenständlicher Erkenntnis nur den frei zustande gekommenen Konsens argumentierender Sprachbenutzer, ist nicht erkennbar, warum ein mehr als nur rein diskursiver Wahrheitsbegriff, der auf eine wie immer auch geartete adaequatio hinausläuft und den Habermas in Wahrheit und Rechtfertigung gegen Rortys Kontextualismus einklagt, überhaupt erforderlich sein soll, um den Gehalt der Kritischen Theorie gegenüber einer allzu konsequenten Pragmatisierung auch ihrer Epistemologie zu bewahren; abgesehen davon, dass unklar bleiben muss, wie er unter den Bedingungen eines instrumentellen Naturverhältnisses, demgegenüber ein nicht instrumentelles Verhältnis hoffnungslose Romantik darzustellen scheint, sich überhaupt sollte rekonstruieren lassen. Damit gerät Habermas ge9

Dies die Lesart von Habermas in seiner Theorie des kommunikativen Handelns, Band 1, S. 505 ff.

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genüber Rorty, der Wahrheit durch Rechtfertigung ± mit allen theoretischen Mitteln ± endgültig substituieren will, in die Sackgasse, in der sich aus der Sicht von Habermas bereits die frühe Kritische Theorie zu befinden schien. Zu einem metaphysischen oder einem naiven Realismus gibt es kein Zurück, der Konsensbegriff der Wahrheit aber reicht wiederum nicht aus zur Begründung eines über den Begriff der Rechtfertigung hinausgehenden Wahrheitsbegriffs. Die Konzeption einer instrumentellen Rationalität bleibt in Bezug auf die Natur bei Habermas ausdrücklich in Kraft, während sie für ihn in allen anderen Fällen Ausdruck der subjektphilosophischen Engführung der neuzeitlichen Philosophie ist. Die Subjektphilosophie mit ihrem monologischen Erkenntnissubjekt im Zentrum soll durch das Kommunikationsparadigma und die Idee einer kommunikativen Vernunft überholt werden, und damit sollen auch die Ansätze obsolet werden, die ± wie die frühe Kritische Theorie ± noch nicht vom Kommunikations- und Verständigungsparadigma ausgehen, sondern immer noch vom monologischen Einzelsubjekt, das kein alternatives Vernunftkonzept zur subjektiv instrumentellen Vernunft zulässt. Dass aber die Konzeption einer kommunikativen Vernunft von Habermas per se zu keinem Wahrheitsbegriff führt, der einer Erkenntnisfähigkeit entspricht, die in Bezug auf die Natur über den Geltungskreis des instrumentellen Handelns hinausreicht, lässt den Schluss zu, dass die philosophische Kommunikationstheorie, die beansprucht, die Subjektphilosophie vollständig hinter sich gelassen zu haben, hierbei auf halbem Wege stehen geblieben ist, indem in Bezug auf die Natur die kommunikativ miteinander verständigten Sprecher einer Sprachgemeinschaft die Subjektzentrierung an den Tag legen, die auch dem monologischen Subjekt eignet. Soll dieser Schluss erst gar nicht gezogen werden, so muss Habermas mit seiner Kommunikationstheorie den philosophischen Wahrheitsbegriff aufgeben und sich mit der intersubjektiv gerechtfertigten Überzeugung und dem pragmatischen Kriterium von Wahrheit, das heißt dem Funktionieren einer Überzeugung zu einem bestimmten Zweck, zufriedengeben. Es dürfte dann zwischen ihm und Rorty keine nennenswerte Kontroverse geben. Die von Habermas geübte Kritik an Rorty, in einem Diskurs würden die Sprecher mit ihren Aussagen immer schon den Anspruch auf eine Raum und Zeit transzendierende Wahrheit erheben,10 die mit dem Begriff der sprachspiel- und kulturabhängigen Rechtfertigungspraxis sich nicht einholen lässt, kann so lange nicht überzeugen, wie die Theorie kommunikativer Vernunft, die auf die Geltungsbasis der Rede abhebt, theoretisch gar nicht einholt, was das ist, worauf ein Anspruch namens Wahrheit erhoben wird. So kann der Wahrheitsanspruch darin bestehen, dass ein Sprecher davon ausgeht, dass er seine Aussage, dass Elefanten keine Eier legen, auf der Grundlage der gemeinsamen Hintergrundüberzeugungen seiner Sprachgemeinschaft so gut rechtfertigen kann, dass sie allen Widerlegungsversuchen in Zukunft standhalten wird. Ob er dazu ein geistiges Auge braucht, durch das er die Dinge, wie sie wirklich sind, repräsentiert, oder ob es 10 Vgl. J. Habermas: Wahrheit und Rechtfertigung, S. 268.

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reicht, dass er nur überhaupt sehen kann und mit den Rechtfertigungspraktiken seiner Sprachgemeinschaft vertraut ist, ist dem universell erhobenen Anspruch auf die Wahrheit von Aussagen als solchem nicht zu entnehmen. Davon abgesehen ist auch der Alltagskommunikation, in der die kommunikative Vernunft ihren Ort hat, gar nicht entnehmbar, dass mit Aussagen ein kontrafaktischer Anspruch auf eine unbedingte, Zeit transzendierende Wahrheit erhoben wird. Wird doch zunächst einmal nur der Anspruch erhoben, dass eine Aussage so lange als wahr gilt, solange sie nicht widerlegt worden ist und keine überzeugendere Alternative geboten wird. Die Theorie kommunikativer Vernunft weckt den Verdacht, dass in ihr ein starker Wahrheitsbegriff bereits vorausgesetzt wird, der in Form eines apriorischen Anspruchs von Diskursteilnehmern auf die Wahrheit fraglos abgesichert zu sein scheint. Indessen bleibt fraglich, ob dieser bloße Anspruch unabhängig von der vollzogenen, je konkreten Erkenntnis, mit der über wahr und falsch entschieden wird, überhaupt von wahrheitstheoretischer Bedeutung sein kann. Die bisher erörterte theoriegeschichtliche Problematik bildet den Ausgangspunkt, an dem die folgende Untersuchung zu Rorty und Adorno einsetzt. In Rortys Theorem findet sich, so die These, die Ambivalenz der habermasschen Philosophie wieder, allerdings in einer zugespitzten Weise. Rorty bietet nämlich eine radikalisierte Fassung der intersubjektivitätstheoretischen Auflösung der Subjektphilosophie, indem er mehr noch als Habermas von der Gesellschaft als epistemischer Autorität vor dem Einzelsubjekt und seiner Gewissheit ausgeht. Das bedeutet: Wahrheit ist nicht weniger und nicht mehr als Rechtfertigung in einer Sprachgemeinschaft. Rorty bietet in anderer Hinsicht aber auch eine radikalisierte Fassung der Subjektphilosophie, indem er den Weltbezug ganz nach dem pragmatischen Modell des Funktionierens unserer Sprache und unserer Überzeugungen zu bestimmten subjektiven Zwecken interpretiert, einem Modell, das im Hinblick auf den Erkenntnis- und Wissensbegriff an die Stelle eines perzeptuellen den rein instrumentellen Bezug zur Umwelt setzt. Erst die Kombination beider Strategien: epistemologischer Vorrang der Gesellschaft, Funktionalisierung des Weltbezuges, führt zur Verabschiedung der metaphysischen Idee der Wahrheit (freilich nicht zur Auflösung eines alltagspraktischen Wahrheitsbegriffs). Mit dieser Konzeption soll die Philosophie Adornos konfrontiert werden, der in seiner Kritik an der Subjektphilosophie sowohl die epistemisch dominierende Rolle der Gesellschaft gegenüber dem Einzelsubjekt reflektiert als auch den Vorrang des Objekts gegenüber der Zurüstung, die es durch die zwecksetzende Subjektivität erfährt. Rorty destruiert zwar, wie HaEHUPDVIHVWVWHOOWGDVÄVXEMHNWSKiORVRSKLVFKH %LOG YRP Ã6SLHJHO GHU 1DWXUµ³ PLWQLFKWHQ DEHU LVWGDV ZDV HU GLesem Bild entgegensetzt, grundsätzlich weniger subjektphilosophisch.11

11 Vgl. J. Habermas: Nachmetaphysisches Denken, S. 173.

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Die nachfolgende Untersuchung geht von folgendem Befund aus: Mit dem sogenannten Paradigmenwechsel zur Kommunikationstheorie und dem Ausweis einer kommunikativen, sprachlichen Vernunft, die bereits in den elementaren Akten der Vergesellschaftung, nämlich dem kommunikativen Handeln, und damit in der Alltagspraxis angelegt ist, wird die Subjektphilosophie nicht in der umfassenden Weise überwunden, wie es die Theorie des kommunikativen Handelns verspricht. Habermas möchte nicht anders als die frühe Kritische Theorie die Subjektphilosophie hinter sich lassen, weil die ihr entsprechende Konzeption subjektiver Vernunft normativ nicht gehaltvoll genug ist, um einer Sozialphilosophie die kritischen Maßstäbe zu liefern. Die Wendung zur Intersubjektivität kann aber nur zu einer Überwindung der Subjektzentrierung in Richtung Intersubjektivität führen. Hiervon unberührt bleibt die subjektphilosophische Interpretation unseres Weltverhältnisses. Eine Intersubjektivierung des Vernunft- und Wahrheitsbegriffs stellt per se noch keine Überwindung der neuzeitlichen Subjektphilosophie in vollem Umfang dar. Auch unter Kommunikations- und Verständigungsbedingungen ist das uneingeschränkt denkbar, was Adorno als den gesellschaftlichen Immanenzzusammenhang beschreibt, das ist ± verkürzt gesprochen ± der gegenüber der Natur geschlossene Zusammenhang gesellschaftlich organisierten instrumentellen Handelns in Bezug auf die Natur, in dem jedes sozialisierte und kommunizierende Subjekt als Moment kollektiver Selbsterhaltung teilhat am gesellschaftlichen Anthropozentrismus, der sich als nüchterner Objektivismus missversteht. An diese Kritik an Habermas schließt eine zentrale These dieser Untersuchung an: Erst ein Überschreiten der Subjektphilosophie und damit der Subjektzentrierung auch in Richtung Welt, und nicht nur in Richtung eines anderen Subjekts beziehungsweise anderer Subjekte, entspräche dem ganzen normativen Gehalt der Kritischen Theorie, der bei ihrer oben beschriebenen Pragmatisierung durch Habermas, die Natur auf das Objekt der Beherrschung reduziert und Unversehrtheit allein der Intersubjektivität vorbehält, verloren ging. Ich entnehme der Dialektik der Aufklärung wie auch der Negativen Dialektik die implizite These, die ich selbst nachdrücklich vertrete und begründen werde, dass eine innerweltliche Praxis, in welcher der reale wie theoretisch sanktionierte Primat des Subjekts ± der nicht mit dessen Autonomie zu verwechseln ist ± nicht auch in Bezug auf die Natur reflektiert und zurückgenommen wird, von einem konstitutiven Misslingen im Ganzen gekennzeichnet ist. Das Spezifische an Adornos epistemologischer Kritik besteht darin, dass sie diesen Primat bricht, dass sie einen Ausweg aus der Subjektphilosophie in einer objektorientierten Weise aufzeigt und ± wie ich darzulegen versuche ± über die Alternative zwischen einem naiv oder metaphysisch realistischen und einem subjektphilosophischen Wahrheitsverständnis, zwischen Realismus und Subjektivismus hinausgeht. Der theoretische Austrag zwischen dem Modell des Pragmatismus und dem der Kritischen Theorie wird also von mir hinsichtlich einer Problematik wieder aufgenommen, die vor der Etablierung des kommunikationstheoretischen Para-

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digmas noch aktuell war. Aber ich setze dort ein, wo der Pragmatismus mit Rorty seine sprachphilosophisch reflektierte Gestalt erlangt hat. Wie kaum von einem anderen Denker werden von ihm die Konsequenzen der linguistischen Wende auf eine pragmatische Epistemologie hin gebündelt, welche in der (Inter-)Subjektivierung des Wahrheitsbegriffs bis zum Äußersten geht. Die Untersuchung zu Rorty und Adorno läuft dementsprechend auf die Konfrontation hinaus zwischen einer Philosophie, die durch die Wendung zur Intersubjektivität, zum Gespräch, den Primat des monologischen Einzelsubjekts der Bewusstseinsphilosophie zu Fall bringt, zugleich aber umso nachdrücklicher den epistemischen Vorrang der Subjektivität gegenüber der Welt instradiert ± und einer Philosophie, die gegenüber der Subjektivität den Vorrang des Objekts innerhalb der dialektischen Bezogenheit beider aufeinander aufzeigen und einklagen möchte, die jedoch nicht über die konzeptionellen und terminologischen Mittel verfügt, diesen Vorrang anders als in dem von der Ontologie und der Bewusstseinsphilosophie vorgegebenen Explikationsrahmen darzulegen, der mit der pragmatischen und linguistischen Wende bereits verlassen wurde. Mit der Aufarbeitung dieser Wende anhand der Philosophie Rortys, die bereits nicht mehr ontologisch und nicht mehr bewusstseinsphilosophisch argumentiert, gleichwohl aber ± wie ich zeigen werde ± Subjektphilosophie ist, soll jener Explikationsrahmen erweitert und auf diese Weise ± was für die Gesamtkonzeption der Arbeit sehr wichtig ist ± ein erweitertes und neues Verständnis von Adornos Kritik an der Subjektphilosophie gewonnen werden, damit zugleich auch ein besseres Verständnis von der zu dieser Kritik komplementären These vom Vorrang des Objekts, der Konzeption des gesellschaftlichen Immanenzzusammenhanges sowie der Rede von der Mimesis, die ein Korrektiv zu einem Erkenntnisbegriff darstellt, dem gemäß das Subjekt die :HOW GLH Ä0DQQLJIDOWLJNHLW GHU *HJHQVWlQGH³ QXU DOV Ä6SLHJHO³ 1' 25) benutzt. Trotz der gravierenden Differenzen zwischen Rortys Pragmatismus und Adornos Kritischer Theorie lässt sich ein gemeinsamer Bezugspunkt dieser Philosopheme formulieren, den ich zugleich als den normativen Fluchtpunkt des von mir unternommenen theoretischen Austrages der Differenzen im Folgenden verdeutlichen möchte. Aufgestellt wurde mit der Kritischen Theorie die These, dass eine gesellschaftliche Praxis der Naturaneignung unter den Bedingungen des Primats des Subjekts, und der ist Ausdruck der Selbsterhaltung, entgegen der These des Pragmatismus so konfliktvoll ist, dass es dem Subjekt dabei selbst an den Kragen geht, wenn sein Primat nicht durch aufklärende Selbstreflexion mit handlungsrelevanten Folgen gebrochen wird. Die epistemologische Konfrontation zwischen fortgeschrittenster Subjektphilosophie (Rorty) und einer Philosophie der Kritik am subjektphilosophischen Denken schlechthin (Adorno) steht dementsprechend in engem Zusammenhang mit dem Einnehmen einer normativen Perspektive auf die menschliche Praxis. In der Weise, in welcher der Pragmatismus und die Kri-

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tische Theorie selbst diese Perspektive in die Epistemologie hineinnehmen, hineinnehmen müssen, operieren sie auf gleicher Ebene. Jener gemeinsame Bezugspunkt besteht in erster Linie darin, dass der Pragmatismus und die Kritische Theorie die zwei philosophischen Strömungen sind, in denen das Selbstverständnis der Philosophie bis in die epistemische Fragestellung hinein durch die Reflexion auf ihre Rolle in der gesellschaftlichen Praxis gewonnen wird. Es sind die Probleme dieser Praxis, die den Ausgangspunkt der Reflexion bilden, welche auch die rein theoretischen, wahrheitstheoretischen Fragen umfasst. Was Adorno kritisch zum Begriff einer reinen Vernunft anmerkt, gilt ebenso für die PhilosoSKLHÄVLHGXUFKVFKDXWHVLFKDOVGHUHQ>GHU3UD[LV± d.A.] Moment; wüßte, anstatt VLFKDOVGDV$EVROXWH]XYHUNHQQHQGD‰VLHHLQH9HUKDOWHQVZHLVHLVW³ 62 628). Es ist geradezu definierend für die wahrheitstheoretische Position des Pragmatismus, die Rorty sprachphilosophisch radikalisiert, dass die traditionelle Auffassung von Wahrheit als Übereinstimmung von Denken (oder Aussagen) und Wirklichkeit einer metakritischen Betrachtung unterzogen wird, weil diese Auffassung über kein widerspruchsloses Wahrheitskriterium verfügt, denn sie enthält die unerfüllbare Forderung an die Erkenntnis, eine transsubjektive Perspektive auf das Subjekt und die Welt gleichermaßen einzunehmen. Oder das konventionelle Wahrheitsverständnis wird, wie bei James, als die Übereinstimmung von Natur und Handlungssubjekt zumindest so interpretiert, dass es sich um keine Übereinstimmung repräsentationaler Art handelt. Und in der Weise, wie er Wahrheit interpretiert, zeigt der Pragmatismus, vom normativen Gehalt der kommunikativen und diskursiven Entstehungsbedingungen wahrer Überzeugungen einmal abgesehen, seine normativ praktische Dimension. Denn die Übereinstimmung bezieht sich auf die reale Auseinandersetzung der Menschen mit der Natur, in der sich die Überzeugungen und Theorien für die Realisierung der beabsichtigten ± wie James und Dewey herausstellen ± humanen Zwecke bewähren; und an dieser Bewährung haben Überzeugungen ihren Wahrheitsmaßstab, nicht hingegen an den perzeptuellen Kriterien einer angemessenen Repräsentation, wie sie einst als Klarheit und Deutlichkeit formuliert wurden. In diesem Sinne ist wahr das, was funktioniert. An dieser Wahrheitskonzeption ändert sich auch bei Rorty nichts grundlegend. Läuft dies auch auf einen Wahrheitsbegriff von instrumentalistischem Charakter hinaus, so wird doch konzeptionell bereits von humanen und emanzipatorischen Zwecksetzungen ausgegangen, auf die sich Menschen öffentlich einigen können. Dementsprechend konnte das Subjekt des instrumentellen Naturverhältnisses im Pragmatismus das frei vergesellschaftete Subjekt sein, das Natur für menschlich emanzipatorische Zwecke instrumentalisiert. Und eben damit ist die Naturbeherrschung kein Selbstzweck, zu dem sie aus der Sicht der Kritischen Theorie jedoch durch die historische Verselbständigung instrumentellen Denkens geworden ist, die in der Naturbeherrschung unter anderem deshalb angelegt war, weil diese die Repression gegenüber der subjektiven Natur und damit deren Verstummen einschloss. Denn wird die Erfüllung der Bedürfnisse und Wünsche, deren Befriedigung Naturbeherrschung verspricht, zu-

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rückgestellt, indem das Bewusstsein ganz in die gesellschaftlichen Aufwendungen der Naturbeherrschung eingespannt ist, so verschwindet auf diesem Wege zugleich das Bewusstsein von einem menschlichen Wozu dieser Beherrschung. Auch Horkheimer und Adorno betrachten wie der Pragmatismus den traditionellen Wahrheits- und Erkenntnisbegriff der adaequatio aus einer metakritischen Perspektive. Als kritische verstehen sie ihre Theorie schon deshalb, weil diese das, was nun einmal ist und was angeblich von den Subjekten auf neutralem Boden repräsentiert wird, nicht als Maßstab des Wahren gelten lässt. Auch in der Kritischen Theorie hat Wahrheit eine normativ praktische Dimension, sie geht auf einen richtigen Zustand der Welt, der erst herbeizuführen ist. Zu seiner Beförderung und Erkenntnis bedarf es statt eines Objektivismus repräsentationaler Art vielmehr der Parteilichkeit des Denkens, welche die Negative Dialektik mit ihrer Solidarität mit der Metaphysik im Augenblick ihres Sturzes zum Ausdruck bringt. Denn auch der wie immer unzulängliche Wahrheitsbegriff der antiken und mehr noch der christlichen Metaphysik geht auf die Wahrheit einer Wirklichkeit, in der kein Leid der Kreatur mehr widerfährt. (Stürzen muss die Metaphysik, weil ihr Sinnversprechen, dessen objektiven Grund sie vor der erkenntniskritischen Reflexion nicht ausweisen kann, sich nach Auschwitz, Ort und Inbegriff äußerster Sinnlosigkeit, gegen die Opfer vergeht.) Gerade im Hinblick darauf, wie bereits im frühen Pragmatismus und in der frühen Kritischen Theorie die Erkenntnisrelation vor dem Hintergrund des praktischen Verhältnisses der Menschen zur Natur begriffen wird, lässt sich über die oben angesprochene bloße Gegensätzlichkeit dieser philosophischen Richtungen ein Schritt hinausgehen. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass der Pragmatismus von Anbeginn nicht nur die pragmatische Komponente (im Sinne eines zweckorientierten Handelns) unseres theoretischen Weltverhältnisses entwickelt, sondern auch jene normative Komponente in diesem Verhältnis mitdenkt, die darin besteht, dass, in den Worten von James, Wahrheit sei, woran zu glauben bzw. was für wahr zu halten für uns gut sei, was anders gesagt bedeutet, dass der Wahrheitsmaßstab von Überzeugungen in einer für die menschlichen, solidarisch verfolgten Zwecke funktionierenden Praxis liegt, in welche die Überzeugungen eingehen. Man kann den normativen, nicht bloß instrumentellen Gehalt dieser Konzeption dadurch in den Vordergrund rücken, dass man sich von einer begrifflichen Verengung, die vom Pragmatismus selbst vorgegeben war, löst und nicht mehr vom Funktionieren unserer Überzeugungen und Praktiken im Umgang miteinander und mit der Natur spricht. Funktionieren kann auch eine Fließbandfabrik für Tretminen, in der lauter erfolgreiche Handlungen von spezialisierten Technikern vollzogen werden. Der Pragmatismus ist aber kein bornierter Instrumentalismus. Ein erfolgreiches Handeln, erfolgreiche Praktiken in Bezug auf ein sozial geteiltes, allgemein wünschbares Telos lassen sich allerdings statt mit dem Begriff des Funktionierens eher mit dem des Gelingens beschreiben. Mit dieser Unterscheidung kann man den Pragmatismus als eine zwei grundlegende Thesen umfassende Konzeption rekonstruieren. Die erste These lautet: Der theoretische

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Anspruch auf gegenständliche Wahrheit hat das Gelingen unseres praktischen Verhältnisses zur Natur zum Maßstab. Die zweite These lautet darüber hinaus: Ein gelingendes Naturverhältnis wird durch die wachsende Beherrschung der Natur möglich. Hinsichtlich der Wahrheitsauffassung konvergiert die Kritische Theorie mit der ersten Aussage und deren normativem Gehalt, der Letzteren jedoch widerspricht sie von Grund auf. Diese letztere These wird allerdings durch Rortys sprachphilosophische Wendung des Pragmatismus aufgeweicht. Rorty setzt sich vom mehr oder minder ausgeprägten Szientismus von Dewey und Peirce ab, indem er in Bezug auf die Natur keineswegs das Funktionieren ihrer Beherrschung zum Wahrheitskriterium erhebt. In Rortys Pragmatismus kann noch die Enthaltung von der Herrschaft als ein möglicher menschlicher Zweck interpretiert werden (vgl. HE, 55). Freilich betont dieser Pragmatismus die Relativität der Zwecke. Aber es gerät unter die Räder der Relativität eben auch der Zweck der Naturbeherrschung und damit, wie schon bei Nietzsche, insgesamt der Anspruch des Szientismus, über den rechten Wahrheitsmaßstab zu verfügen. Indem aber nichtsdestoweniger auch der Pragmatismus auf das unabsehbare, sich zeigen müssende Gelingen von Praxis geht, sind seinem Zweckrelativismus wiederum Schranken gesetzt, denn der Realisierungserfolg von Zwecken impliziert noch kein gelingendes Naturverhältnis. Rortys Pragmatismus ist mit seiner besonderen Sympathie für James und Dewey DXIHLQHÄEHVVHUH=XNXQIW³EH]RJHQGLHWKHRUHWLVFKVR weit vage bleibt, wie sich die von den Menschen intendierten Verbesserungen als wirkliche Verbesserungen erst praktisch herausstellen und in einer Demokratie bewähren müssen. Vor diesem Hintergrund der Zukunftsbezogenheit des Pragmatismus wird das Offene der Zukunft, aus deren Aufwertung sich der Antiplatonismus pragmatischen Denkens ergibt, auch in epistemologischer Hinsicht relevant. Rorty will im Spiegel der Natur daher nicht bloß den Repräsentationalismus treffen, mehr noch richtet sich seine Kritik gegen die Idee einer fundierenden Philosophie, als welche insbesondere die Erkenntnistheorie auftritt, die eine transhistorische Matrix unseres Wissens zu fixieren versucht und damit eine offene Zukunft, in der sich das Wissen qualitativ verändern kann, ausschließt. Mit der Differenzierung zwischen Funktionieren und Gelingen lässt sich zeigen, dass auch die Kritische Theorie eine kaum explizierte, pragmatische Komponente im epistemischen Weltverhältnis mitdenkt. Denn indem sie Wahrheit als ein versöhntes Verhältnis der Menschen zur Natur begreift, von dem antizipatorisch GLH (UNHQQWQLV LKU /LFKW HPSIlQJW XP GLH ÄYHUKlUWHWHQ *HJHQVWlQGH³ GLH DOV repräsentierte nicht die Wahrheit sind, auf ihre utopische Möglichkeit hin denkend zu überschreiten, kann sie in letzter Instanz nur das Gelingen menschlicher Praxis als Kriterium auch eines philosophisch anspruchsvollen, nicht allein allWDJVSUDNWLVFKHQ:DKUKHLWVEHJULIIVDQHUNHQQHQÄ'D‰&DUQDSXQG0LHVHVZDhrer seien als Kant und Hegel, könnte selbst dann nicht die Wahrheit sein, wenn es ]XWUlIH³ 1' 377). In Anbetracht der normativen Dimension des Wahrheitsbe-

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griffs ist Kriterium von Wahrheit nicht die Realitätsangemessenheit von Aussagen. Am Gelingen als Wahrheitsindex ändert auch Horkheimers gegen den Pragmatismus vorgebrachte These nichts, dass eine Praxis deshalb gelinge, weil die ihr zugrunde liegende Theorie wahr sei, und nicht umgekehrt die Theorie wahr sei, weil die ihr entsprechende Praxis gelinge; eine These, die dem Begriff der Wahrheit zwar alle Ehre macht, jedoch das für eine kritische Theorie relevante Wahrheitskriterium, das auf mehr gehen soll als auf Repräsentation oder auf ein konsistentes Denken, welches auch der Pragmatismus nicht in Zweifel zieht, schuldig bleibt, wenn Gelingen nicht als Kriterium zugelassen wird. Eine gelingende Praxis liegt freilich nicht im Verfügungsbereich einer subjektiven, naturbeherrschenden Rationalität; sie ist unplanbar und unkonstruierbar. Etwas muss dem subjektiv Gewünschten von objektiver Seite entgegenkommen, durch welches das Gewünschte sich wiederum erhellt. Objektive Natur und subjektive Natur müssen, anders und vorsichtig gesagt, zusammenstimmen können. Doch kann die Kritische Theorie auf kein begrifflich repräsentiertes transzendentes Sein verweisen, das ihr wenigstens die Möglichkeit solchen Gelingens garantieren würde. Ihr bleiben allein die für die Erkenntnis des Wahren konstitutive Hoffnung und der Weg der bestimmten Negation des falschen Zustandes der Welt. Weil dem versöhnungsphilosophischen Ansatz gemäß die Philosophie nach Adornos eigenen Worten sich auf das Wünschen verstehen muss, um zu erkennen (vgl. ND, 399), kann die Kritische Theorie nicht das epistemologische Sekuritätsbedürfnis unverlierbarer Wahrheit befriedigen und sich zu diesem Zwecke bis an die Zähne gegen den Skeptizismus mit apodiktischem Wissen bewaffnen. Erkenntnis von Gehalt, gerade sie, ist für die Kritische Theorie mit Fehlbarkeit geschlagen. Philosophie steht daher auch und geraGHDOVNULWLVFKHIUÄHLQH9HrKDOWHQVZHLVHGLHQLFKWV(UVWHVXQG6LFKHUHVKWHW³ 1' 44). Für Adornos Antiplatonismus steht der mit Nietzsche und Benjamin sympathisierende und in seiner philosophischen Tragweite nicht ernst genug zu nehmende Satz der Metakritik der Erkenntnistheorie: Ä0LWGHU8QWHUVFKLHEXQJGHV%OHLEHQGHQDOVGHV:Dhren wird der Anfang der Wahrheit zum Anfang der Täuschung. Es ist ein FehlVFKOX‰ZDVGDXHUWVHLZDKUHUDOVZDVYHUJHKW³ 0( (EHQVRZLHGLHVH8nterschiebung entspringt GLHÄ6XFKHQDFK*HZL‰KHLW³GLHEHUHLWV'HZH\DOV$Xsdruck eines sozialen Sicherheitsbedürfnisses interpretiert, 12 auch aus der Sicht $GRUQRVGHP Ä%HGUIQLVQDFK+DOW³ 1' 102) ± Selbsterhalt. Das Denken, das in der Negativen Dialektik vorgeführt werden soll, fürchtet sich dagegen nicht YRU GHP Ä6WXU] LQV %RGHQORVH³ XQG YHUVFKDIIW VLFK GDKHU DXFK QLFKW IU DOOHV Weitere ein Erkenntnisfundament, um sicher fortschreiten, jedoch nirgends mehr eindringen zu können. Adornos Ansatz ist wie derjenige Rortys entschieden gegen den Transzendentalismus unveränderlicher Strukturen gewendet. Nur in einer Hinsicht ist vom Transzendentalen zu sprechen, in derjenigen nicht metaphysischen nämlich, in der die Gesellschaft realiter vor dem einzelnen Erkenntnis12 Vgl. J. Dewey: Die Suche nach Gewißheit, S. 10 f.

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subjekt liegt und dessen Welterschließung formiert. Denn erst das vergesellschaftete Subjekt ist zugleich auch das Erkenntnissubjekt, das sich mit anderen über eine gemeinsame Realität verständigen kann. Erst die Einsicht in das gesellschaftliche Apriori der Erkenntnis führt auf den immanenten Zusammenhang von Erkenntnis- und Gesellschaftstheorie, und keine vordergründige Verknüpfung YRQ :LVVHQVLQKDOWHQ XQG hEHU]HXJXQJHQ PLW VR]LDOHQ ,QWHUHVVHQODJHQ Ã*HVHOlVFKDIWµELHWHWDEHUDOOHVDQGHUHDOVHLQLQYDULDQWHV)XQGDPHQWGHU Erkenntnis, sie ist kein Gegenstand der unmittelbaren GewissKHLW9LHOPHKULVWVLHÄGHPSULPäUHQ VXEMHNWLYHQ (UIDKUXQJVNUHLV³ 1' 172) vorgeordnet und nur durch eine erkenntniskritische Reflexion einzuholen. Der kritische, nicht fundierende Rückgang auf Gesellschaft wird zum Korrektiv des subjektphilosophisch fundierenden Rückgangs auf das Einzelsubjekt und das, was diesem unmittelbar gewiss dünkt. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Epistemologie Adornos folgendermaßen für einen ersten Zugang grob skizzieren: Zunächst tritt sie in Gestalt seiner Metakritik der Erkenntnistheorie auf. Besteht die Metakritik des Pragmatismus vor allem in der Kritik am Wahrheitsbegriff der adaequatio und der mit ihm verbundenen perzeptuellen Metaphorik der Rede von der Erkenntnis, welche diese letztendlich als in der sinnlichen oder geistigen Anschauung fundiertes Wissen versteht ± zwei Aspekte, die von der Erkenntnistheorie als selbstverständlich vorausgesetzt werden ±, so besteht die Metakritik Adornos im Kern in der Entfaltung folgender These: Die neuzeitliche Erkenntnistheorie, wie sie schließlich bei Husserl ihre bewusstseinsphilosophisch radikalisierte Fassung erhält, ist ein MoGHOOGDVGLHÄZLVVHQVFKDIWOLFKH*HVWDOWGHU8UVSUXQJVSKLORVRSKLH³ 0( 29) darstellt, indem sie ± das Bedürfnis nach Halt befriedigend ± auf ein unanzweifelbares Erstes und Unmittelbares zurückzugehen versucht. Auf ein Erstes allerdings nicht im ontologischen Sinne (als das eine identische Sein, das Prinzip o.Ä.), sondern auf ein Erstes in der Erkenntnis. Ontologie und Erkenntnistheorie ist der Rekurs auf ein Erstes gemeinsam. Indem die Philosophie sich die Fundierung des Wissens in einem Ersten anmaßt ± sei dieses Erste vom Denken unterschieden als Sein, Materie, oder sei es das Subjekt, der Bewusstseinsinhalt, der Begriff selbst ±, wird grundsätzlich der Primat des Denkens behauptet gegenüber dem, was es erfahren kann. Dieser Primat zeigt sich damit, dass das Denken entweder selbst als das Erste auftritt oder dass es sein Anderes mit der abstrakten Denkbestimmung dessen, was es als das Erste ausgibt, identifiziert. Auch das berühmte Nichtidentische, von dem die Philosophie Adornos handelt, darf in der Negativen Dialektik nicht diesen Status des Ersten beanspruchen. Vielmehr folgt aus der Insistenz auf das mit dem Denken nicht Identische, dass schon die Frage nach einem Ersten falsch gestellt ist, weil sie implizit vom Primat des abstrahierenden Denkens, das fundieren will, ausgeht. Eine der vielleicht gröbsten Fehlrezeptionen Adornos besteht darin, das Nichtidentische und auch Nichtbegriffliche als ein fundamental Erstes zu behandeln und es als dieses zu mystifizieren, als ein Erstes gegenüber dem identifizierenden Begriff, und somit die begriffliche Ver-

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mittlung alles dessen, was gedacht werden kann, mit der Identifizierung eines QHEHQÃ6HLQµRGHUÃ0DWHULHµZHLWHUHQ$EVWUDNWXPVMHW]WJHQDQQWÃ1LFKWEHJULIIOiFKHVµ DEHUPDOV ]X XQWHUVFKODJHQ ]X XQWHUVFKODJHQ HEHQVR ZLH GLH 8WRSLH GLH am Nichtidentischen als einem erst noch Herzustellenden haftet, als einem Mehr gegenüber dem die Wirklichkeit determinierenden Begriff, für das in Adornos Philosophie das Kunstwerk einsteht. Die wissenschaftliche Gestalt der Ursprungsphilosophie als Erkenntnistheorie geht zurück auf das philosophische Programm von Descartes, nach welchem auf methodisch streng geregelte Weise vom Bedingten und Differenzierten auf das Unbedingte und Einfache zurückgegangen wird, was epistemologisch einen Rückgang bedeutet vom begrifflich komplexen Wissen auf das einfache und unanzweifelbare, unabgeleitete, intuitive Wissen als Wissensfundament. Im 20. Jahrhundert geht Husserl in ebenfalls streng geregelter Weise bewusstseinsphilosophisch zum transzendentalen ego zurück und entwirft eine an dem Gewissheitsgrad der Selbstgewissheit orientierte transzendentale Wissenschaft von einer Evidenz und Strenge, die er bei den empirischen Wissenschaften prinzipiell vermisst. Demgegenüber versucht Adorno zu zeigen, wie alles Erste in der Erkenntnis, ein unmittelbares Sein ebenso wie das Erkenntnissubjekt selbst, bereits vermittelt ist durch das, was der ursprungsphilosophischen Rechnung nach das Zweite sein müsste. Vermittelt ist alles gegenständliche Wissen durch das Subjekt, kein unmittelbar Seiendes ist damit ein Erstes, auch kein Sein, keine Materie. Dieses Subjekt aber ist auch nicht das Erste, denn zum einen ist es als vergesellschaftetes durch die Gesellschaft vermittelt, zum anderen ist all sein Wissen immer auch durch die Objekterfahrung konstituiert, kein Wissen aus reiner subjektiver oder gesellschaftlicher Immanenz hervorgezaubert. Nicht nur aber ist das Objekt der Erfahrung durch das vergesellschaftete Subjekt vermittelt, sondern es ist auch gesellschaftlich real vermittelt in der Weise, dass es Produkt gesellschaftlicher, die Natur umgestaltender Tätigkeit ist. In allem anscheinend unmittelbar Ersten und Festen für die Erkenntnis ist somit immer schon der unabgeschlossene, auf keines der einzelnen Momente zurückführbare, geschichtliche Vermittlungsprozess stillgestellt. Die subjektive Gewissheit eines Unmittelbaren, die seit je ein Heilmittel gegen den Skeptizismus sein sollte, beträfe sie auch die ÃLQQHUVWHQµXQGÃHLJHQVWHQµ(UIDKUXQJHQXQG,QWXLWLRQHQGHV6XEMHNWVEOHLEW± so dieser Prozess nicht ins Auge gefasst wird ± mit derselben Naivität geschlagen, die von einem subjektphilosophischen Standpunkt aus vermeintlich überlegen am unreflektierten Realismus konstatiert wird. Dies ist die metakritische Sicht Adornos auf die Erkenntnistheorie als Ursprungsphilosophie. Adorno erweitert diese Sicht dahingehend, dass er hinter dem erkenntnistheoretischen Rückgang auf das Subjekt nicht allein eine selbstaufklärende Intention sieht, sondern den Versuch des Subjekts, sich auf diesem Wege seinen Primat, der in den ontologischen Theorien ± und zwar in Form des auf Einheit drängenden Bewusstseins, des Identitätsdenkens, das von der reinen Identität des eleatischen Seins dann schließlich zur reinen Identität des cogito führt ± schon enthal-

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ten war, nachdrücklich zu bestätigen. Die Rückführung alles Seienden oder zumindest aller seiner Eigenschaften nunmehr auf das denkende Subjekt ± anstelle der ontologischen Rückführung auf ein ursprüngliches Sein ± ist die geistige Reflexionsform von dessen realer Herrschaft über die Natur und Essenz der Subjektphilosophie. Adorno kann daher weder den naiven Realismus vertreten, der blind gegenüber dem Anteil des naturbeherrschenden Subjekts an der Realität ist, der die Welt unmittelbar so nimmt, wie sie bereits auf die subjektiven Zwecke hin praktisch zugerüstet ist, noch kommt eine subjektphilosophische Position in Frage, sie sei idealistisch, realistisch oder phänomenologisch, die den Primat des Subjekts erkenntnistheoretisch zementiert. (Was übrigens auch im Rahmen einer dialektischen Theorie möglich ist, sofern Vermittlung selbst zum Unmittelbaren des Subjekts wird und so in dessen Sphäre aufgeht. Deshalb Adornos Vorwurf gegen Hegel, dass dieser den Vorrang des Subjekts innerhalb der Dialektik bestäWLJWÄ'DV+HJHOVFKH6XEMHNW-2EMHNWLVW6XEMHNW³13) Adornos metakritischer Ansatz besteht im Vollzug einer zweiten Reflexion auf jene erste Reflexion, mit der die Wendung zum Subjekt eingeleitet wurde und hinter die eine kritische Philosophie nach wie vor nicht mehr zurückfallen darf. Die erste Reflexion mündete jedoch in die reductio ad hominem, und bei ihr will es die Metakritik nicht belassen. Es ist die zweite Reflexion eine aufklärende Reflexion in Bezug auf die blinden Flecke der intentio obliqua, welche einst den blinden Fleck der intentio recta aufgezeigt hat, in welchem sich das Erkenntnissubjekt selbst befand. Der zweiten Reflexion zeigt sich, wie durch diese selbstzentrierte Rückwendung der Subjektivität auf sich selbst als die konstitutive Subjektivität und als das Fundament der Erkenntnis das Andere der Subjektivität notwendig und zunehmend mehr ausgeblendet wird; es zeigt sich somit ein zur Ausblendung der Subjektivität im unreflektierten Realismus komplementärer Vorgang. Doch ebenso wie ein naiver Realismus durch die selbstkritische Reflexion auf das, was ihm als das Reale gilt, über den subjektiven Anteil darin belehrt wird, so führt umgekehrt die kritische, sich besinnende Reflexion auf Subjektivität, die nicht schon deren Primat im Auge hat, nicht schon von dem Zwang getrieben ist, alles auf sich selbst zurückzuführen, auf den notwendigen Anteil des Objektiven in der Subjektivität. Indem Adorno zu zeigen versucht, wie die Reflexion auf das Objekt auf Subjektivität stößt, die Reflexion auf Subjektivität aber immer wieder zum Objekt hingeführt wird, ist seine Argumentation dialektisch im klassischen Sinne. Dem Transzendentalismus wird somit keine naiv realistische Gegenthese kontrastiert. Das Andere des reinen cogito, schließlich des konstitutiven Subjekts, das theoriegeschichtlich das höchste Resultat der ersten erkenntnistheoretischen Reflexion darstellt, ist in dreifacher Hinsicht thematisierbar. Und zwar thematisierbar aus der Perspektive der zweiten Reflexion, der wie der ersten Reflexion das Moment der kritischen Distanzierung vom Unmittelbaren zukommt und die zu 13 Vgl. Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 5, S. 261.

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der Entfaltung dessen führt, was sich in der Unmittelbarkeit verbirgt. Und wie sich einst im Unmittelbaren des Seienden Subjektivität verbarg, so nun in der Unmittelbarkeit der Subjektivität ein Nichtsubjektives, in der Unmittelbarkeit des begrifflichen Denkens ein Nichtbegriffliches. Es hat die Kritische Theorie das Andere erstens als innere Natur des Subjekts zum Thema. Zu ihm gelangt Adorno, indem er die Unhaltbarkeit einer ontologischen Trennung zwischen empirischem und transzendentalem Subjekt aufzeigen kann. Das konstitutive Subjekt ist unauflöslicher Teil der natürlichen Welt, die es erst zu konstituieren meint. Zu unterstreichen ist in diesem Zusammenhang, dass die innere Natur immer auch Moment dessen bleibt, wovon sie innere Natur ist, vom denkenden Subjekt, wiewohl sie in diesem, seinen kognitiven Operationen, nicht aufgeht. Die vielleicht bündigste Formulierung Adornos, die das ausdrückt, ist die von dem Ä%HGUIQLV im 'HQNHQ³ 1' 399 ± H.d.A.), aus dem gedacht wird und ohne das nicht gedacht würde. Die innere Natur, wie sie die Kritische Theorie versteht, ist kein Resultat einer dichotomischen Abspaltung des Bedürfnisses vom Denken. Deshalb ist Denken auch mehr als formale Operation, lässt es sich nicht vollständig formalisieren, ohne aufzuhören, Denken zu sein. Zweitens wird das Andere als Gegenstand des Denkens thematisch. Es ist das mit der gedachten Bestimmung, dem Begriff nicht Identische, für das Adorno den Ausdruck des Nichtbegrifflichen verwendet, mit dem die Einsicht zum Zuge kommen soll, dass Denken immer Denken von etwas sei, welches konstitutiv ist für das Denken, sich in Denken jedoch nicht auflösen lässt. Adorno drückt diesen $VSHNW PLWGHUIROJHQGHQ 7KHVHDXV Ä.HLQH 2EMHNWLYLWlWGHV'HQNHQV DOVHLQHV Aktes wäre überhaupt möglich, wäre Denken nicht in sich selber, der eigenen Gestalt nach, immer auch gebunden an das, was nicht selbst Denken ist: darin ist ]XVXFKHQZDVDQ'HQNHQ]XHQWUlWVHOQZlUH³14 Auch hier ist zu sehen, dass das Nichtbegriffliche nicht in isolierter Entgegensetzung zum Begrifflichen zu verVWHKHQLVW'HQQHVLVWGDVÄ1LFKWEHJULIIOLFKHim %HJULII³ 1' 23 ± H.d.A.), das sowohl deontologisch gegen den Begriffsrealismus angeführt wird, der das Begriffliche absolut setzt, als ebenso auch gegen den Nominalismus, der für die von $GRUQR NULWLVLHUWH 6XEMHNWSKLORVRSKLH VWHKW TXD Ä=XUFNIKUXQJ GHU %HJULIIH DXIV GHQNHQGH 6XEMHNW³ 0( 13). Für den Nominalismus in seiner klassischen Variante ist der Begriff auf das mit ihm nicht Identische nur äußerlich bezogen; er ist nicht mehr als ein das Singuläre zusammenfassender und den Gegenständen angehefteter Name; und er bezieht von dieser Anheftung seine Bedeutung. Gegen das metaphysische Denken des Begriffsrealismus, für den der Begriff als Wesenseinheit autark ist, wird in der Negativen Dialektik der Begriff ± auch dies ein Ergebnis zweiter Reflexion ± als ein Moment innerhalb der menschlichen Praxis YHUVWDQGHQ VR GDVV ÄHU VHLQHUVHLWV LQ HLQ QLFKWEHJULIIOiches Ganzes verflochten ist, gegen das er durch seine VerdinglichunJ HLQ]LJ VLFK DEGLFKWHW³ 1' 24). Damit wird der Begriff wiederum auch gegen den Nominalismus akzentuiert, ge14 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 10.2, S. 601.

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rade weil er als Moment der menschlichen Praxis real ist und ihm qua Verflochtenheit zudem ein realitätsprägender Aspekt eignet. Allerdings muss betont werden, dass es sich im Hinblick auf Adornos Nominalismuskritik immer um den, fast möchte man sagen: traditionellen und konventionellen, nämlich um den namenstheoretischen Nominalismus handelt. Einen ganz anderen, nämlich sprachspieltheoretischen Nominalismus freilich vertritt Rorty. Drittens schließlich entdeckt die zweite Reflexion in der Unmittelbarkeit der denkenden Subjektivität deren Anderes in dieser selbst als Gesellschaft. Sie geht auf die gesellschaftliche Konstituiertheit gerade desjenigen Erkenntnissubjekts, das sich als monologisches und sich selbst unmittelbares gegen seine gesellschaftliche Genese abdichtet. Gesellschaft liegt diesem Subjekt aufgrund seiner epistemischen Selbstzentrierung, die seinem Gewissheits- und Fundierungsbedürfnis entspringt, im Rücken. ± Wenn zunächst herausgestellt wurde, dass kein begriffliches Denken sei ohne ein nicht selbst schon mentales Agens, ohne ein ± wie es in der Negativen Dialektik auch heißt ± VRPDWLVFKHV 0RPHQW ÄDOV GDV nicht rein cognitive an der (UNHQQWQLV³ 1' 194), wenn als weiterer Aspekt ins Spiel kam, dass von keinem begrifflichen Denken sinnvoll gesprochen werden kann, ohne dass es auf ein mit ihm nicht identisches Etwas bezogen wäre, so wird nun von Adorno darauf insistiert, dass sich ohne den überindividuellen und damit gesellschaftlichen Aspekt des Denkens gegenüber dem monologischen 6XEMHNWYRQEHJULIIOLFKHP'HQNHQEHUKDXSWQLFKWVLQQYROOUHGHQOLH‰HÄ'LHDbstrakte These von der Bedingtheit jeden Denkens ist höchst inhaltlich an die eigene zu erinnern, die Verblendung gegen das überindividuelle Moment, durch ZHOFKHVLQGLYLGXHOOHV%HZX‰WVHLQDOOHLQ'HQNHQZLUG³ 1' 46). Aufgrund dieses überindividuellen Moments kann Gesellschaft unter epistemologischen Gesichtspunkten nicht nur in die Sphäre des durch das Erkenntnissubjekt Konstituierten fallen, zeugt der Ausgang vom singulären Subjekt als dem Fundament der Erkenntnis von einem falschen Verständnis der Subjektivität von sich selbst. Das Gesellschaftliche ist damit nicht äußerlich mit dem begrifflichen Denken verbunden, sondern mit allen epistemologischen Konsequenzen ihm inhärent. 'HQQ Ä'HQNHQ LVW DOOHLQ VFKRQ GXUFK 6SUDFKH XQG =HLFKHQ GHP MH (LQ]HOQHQ YRUJHRUGQHWXQGGHVVHQ0HLQXQJÃIUVLFKµ ]XGHQNHQHQWKlOWQRFKLQGHUlußersten Opposition zum Allgemeinen ein Moment des Scheins: was dem individuellen Denkenden von seinem Gedanken zugehört, ist dem Inhalt wie der Form QDFK HLQ 9HUVFKZLQGHQGHV³ 0( 66). Dass Denken durch Sprache dem einzelnen Erkenntnissubjekt vorgeordnet ist, ist eine Einsicht, die Adorno schlicht unentwickelt gelassen hat, die aber als entwickelte ± wie ich zeigen werde ± seiner These von der Einheit von Erkenntnistheorie und Gesellschaftstheorie erst die ganze Nachvollziehbarkeit verschafft. Für ein angemessenes Verständnis der Epistemologie Adornos sollten alle drei oben genannten Aspekte, mit denen er sich kritisch gegen die subjektphilosophische Tradition wendet, im Auge behalten werden. Sie sind Pole in einem ± um einen Ausdruck Adornos zu gebrauchen ± Kraftfeld, in welchem sich das Er-

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kenntnisproblem nicht zu einem Pol hin auflösen lässt. Die Negative Dialektik JHKW YRQ GHU Ä9RUJlQJLJNHLW YRQ *HVHOOVFKDIW YRUP (LQ]HOEHZX‰WVHLQ XQG DOO VHLQHU(UIDKUXQJ³DXVGRFKGLHVH Ä(LQVLFKW LQ GLH 9HUPLWWHOWKHLW GHV 'HQkens durch die Objektivität negiert nicht das Denken und die objektiven Gesetze, durch die es Denken ist. Daß aus diesem nicht herauszuspringen sei, deutet seinerseits auf eben den Halt am Nichtidentischen, welches Denken ebenso verleugnet wie durch die eigene Gestalt sucht und ausdrückt³ (ND, 182)

Fehlte dem Erkenntnissubjekt aber die subjektive, innere Natur, so auch der Impuls, Nichtidentisches zu suchen und auszudrücken. Mit der zweiten Reflexion ± die auch als Selbstreflexion der subjektiven Vernunft thematisiert werden kann ± soll fortgeführt werden, was mit der Aufklärung begann, welche im Rückgang auf das Erkenntnissubjekt die Selbstbesinnung der Erkenntnis wollte, in der Selbstzentrierung aber die Besinnung auf den unauflöslichen Zusammenhang des Denkens mit seinem Anderen verlor. Aufgrund der Kritik an jener Zentrierung kann die Selbstbesinnung nicht wiederum nur nach dem Modell monologischer Selbstvergewisserung verstanden werden, VLHLVWYLHOPHKUGLHÄgesellschaftliche Selbstbesinnung der ErkHQQWQLV³ 62 748 ± H.d.A.), die das Denken von den Zwängen befreit, die zu seiner relativen Verselbständigung gegenüber seinem Anderen geführt haben. Qua Besinnung in Form der zweiten Reflexion hält die Kritische Theorie an der Erkenntnistheorie als Aufklärungsprojekt fest, indem sie diese in ihrer subjektzentrierten Gestalt als Subjektphilosophie reflektiert und kritisiert. Adorno bezeichnet daher seine erkenntnistheoretische Position auch als reflektierten Realismus. Dieser Realismus ist insofern reflektLHUW DOV HU DXV GHU Ä8PZHQGXQJ GHU VXEMHNWLYHQ 5HGXNWLRQ³ (ND, 178) hervorgeht, die Naivität des Realismus des Unmittelbaren damit längst KLQWHU VLFK JHODVVHQ KDW Ä'HU *DQJ GHU HUNHQQWQLVWKHRUHWLVFKHQ 5HIOH[LRQ ZDU der vorwaltenden Tendenz nach, der, immer mehr an Objektivität aufs Subjekt zurückzuführen. Eben diese THQGHQ] ZlUH XP]XNHKUHQ³ HEG). Dieser Realismus versucht, den subjektiven Anteil an der Erkenntnis ebenso zu reflektieren wie umgekehrt den von der Subjektivität unlösbaren objektiven Anteil, der aus der Subjektzentrierung hinausführt, ohne ihn freilich vom subjektiven zu isolieUHQ,QGHPGLH5HIOH[LRQEHLGHÃ$QWHLOHµGHU(UNHQQWQLVXPIDVVW XQGZlUHGLHV nicht möglich, dann wäre Denken nicht Denken von etwas, sondern in der Tat eine leerlaufende Operation), kann sie überhaupt eine erkenntniskritische Reflexion sein, die sich auf das richtet, was bei der fortschreitenden Abstraktion des begrifflich diskursiven Denkens verloren geht, als Bedingung von Abstraktion jedoch miterfasst werden musste und dessen nichtbegriffliches Substrat bleibt ± GDVZDVÄDQ'HQNHQ]XHQWUlWVHOQZlUH³(UUHLFKEDULVWGHUHUNHQQWQLVNULWLVFKHQ Reflexion aber auch, wie die Realität nach dem identifizierenden Denken zugerüstet wird, denn wie erwähnt ist der Begriff mit der realen Praxis verflochten.

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Dass der gesellschaftliche Abstraktionsmechanismus zugleich eine instrumentalisierende Determinierung der Gegenstände bedeutet, die wiederum als in der menschlichen Praxis real wirksame Determinierung die Subjekte, die auf die Gegenstände in scheinbarer Unmittelbarkeit sich beziehen, selbst in den Zauberkreis der Identifikation des miteinander nicht Identischen gefangen hält, ist das, worauf sich das Erkenntnissubjekt besinnen soll. Es selbst ist als die abstrakte Identität des cogito, in dem die Subjektphilosophie einst alles Wissen fundieren wollWH DXI VHLQHQ HLJHQHQ ,GHQWLILNDWLRQVPHFKDQLVPXV ÄYHU]DXEHUW ZLH =ZHUJ 1DVH DXI GDV .UlXWOHLQ 1LH‰PLWOXVW³ 1' 183), der sein in der Unmittelbarkeit verborgenes hypertrophes Organ, durch das sein menschliches Antlitz entstellt ist, nicht sieht. Doch weil das abstrahierende Denken nicht völlig leerlaufen kann, ohne aufzuhören, Denken zu sein, kann es sich aus eigener Kraft auch gegen das kehren, was an ihm gegenüber dem Objekt verselbständigt ist, prinzipiell also auch gegen seinen ureigenen Mechanismus der Identifikation. Denn der Kontakt mit dem Nichtbegrifflichen ist notwendiges Moment des identifizierenden Denkens, das bei aller Nivellierung des Besonderen nicht einmal irgendetwas miteinDQGHULGHQWLIL]LHUHQN|QQWHZHQQHVGLHVHVÃHWZDVµLPPHUVFKRQYHUIHKOHQZrde. Somit kann auch hier der Speer die Wunde heilen, die er schlug. Die Negative Dialektik ist daher kein aporetisches Projekt, mit dem begriffen werden soll, was nicht begrifflich ist. Sie ist vielmehr Aufklärung des Denkens über sich selbst und seinen untilgbaren Zusammenhang mit dem, wovon es qua Identifizierung der Dinge miteinander absieht. Adornos Reflexion auf die Rückführung alles Objektiven auf das denkende Subjekt, die Reflexion auf die Herstellung von dessen Primat klärt zudem über einen problematischen Aspekt des traditionellen Wahrheitsbegriffs auf: Diese Rückführung nämlich ist die Konsequenz aus einem Wahrheitsbegriff, den Adorno mit Hegel und Nietzsche als einen residualen kritisiert. Mit diesem platonischen wie auch objektivistischen Wahrheitsbegriff, wie ihn die prima philosophia voraussetzt, wird vom Wahren alles das subtrahiert, was kontingent ist und vergänglich wie der Mensch, und damit wird Subjektivität einer Objektivität zuliebe geopfert, die sich auf diese residualisierende Weise nicht herstellen lässt und den Subjektivismus erst unvermeidlich macht, der jetzt auf den untilgbaren subjektiven Anteil an der Erkenntnis umso mehr beharrt, darauf, dass es in Raum und Zeit situierte Menschen sind, die etwas erkennen. Wird ein objektivistischer Wahrheitsbegriff das Subjekt nicht los, so die Subjektphilosophie nicht den Dualismus, der bereits am Anfang mit jenem Wahrheitsbegriff gesetzt wurde. Nun möchte ich Rortys Metakritik an der Erkenntnistheorie und seine neopragmatische Epistemologie nochmals vor dem bis hier skizzierten Hintergrund der Philosophie Adornos kurz beleuchten, und zwar sowohl im Hinblick auf ihre Defizite als auch im Hinblick auf den konzeptionellen Gewinn, den sie dem Modell einer Negativen Dialektik bieten können.

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Die neopragmatische Kritik an dem von der Rechtfertigung unterschiedenen Wahrheitsbegriff und damit an der Erkenntnistheorie führt, so lässt sich nun sagen, die realismuskritische erste Reflexion unter den Bedingungen der linguistischen und pragmatischen Wende konsequent durch. Diese Reflexion stellt den Rückgang auf die zwecksetzende Subjektivität dar, genauer gesagt auf die Zwecke verfolgenden Sprecher einer Sprachgemeinschaft. Die Auflösung des Wahrheitsbegriffs zugunsten von Rechtfertigung ist eine Konsequenz der Rückführung von Wahrheit und Objektivität auf das praktische Zwecke verfolgende, denkende und nun vor allem sprechende Subjekt. Im Hinblick auf diese Rückführung stellt der Neopragmatismus eine ± im Unterschied zur bewusstseinsphilosophischen ± nachmetaphysische und linguistisch ausgereifte Gestalt der Subjektphilosophie dar. Was der Realismus an Eigenschaften den Objekten an sich zuspricht, sind nach der linguistischen reductio ad hominem immer schon sprachlich inferentiell gebildete Bedeutungen, die den Dingen innerhalb eines Sprachspiels nur zugesprochen werden, innerhalb des Ensembles der gesellschaftlichen Praktiken des Sprachgebrauchs zu bestimmten Zwecken. Wahrheit wird dementsprechend in Rortys Pragmatismus von Grund auf subjektiviert, indem sie als eine Eigenschaft von Sätzen verstanden wird und eben damit die von Menschen gebildete Sprache ]X LKUHU 9RUDXVVHW]XQJ KDW %HKDXSWHW ZLUG YRQ LKP ÄGD‰ HV NHLQH :ahrheit gibt, wo es keine Sätze gibt, daß Sätze Elemente menschlicher Sprachen sind und daß menschliche Sprachen von Menschen geVFKDIIHQVLQG³ .,6 24). Unter den Bedingungen des Rückgangs auf die Subjektivität, besser nun gesagt auf den Sprachbenutzer, lässt sich zumindest kein solcher Wahrheitsbegriff mehr denken, der in irgendeiner Weise in der Übereinstimmung zwischen Sprache und einer von ihr unterschiedenen, mit den sprachsubjektiven Bestimmungen nicht identischen Realität bestünde, denn diese Realität kann in der ausschließlichen Rückführung aller ihrer Eigenschaften auf die Sprache schon gar nicht mehr als eine von sprachlichen Bestimmungen unterschiedene ± nur mit einer solchen wäre Übereinstimmung überhaupt möglich ± angetroffen werden. Wird nun dieser Rückgang nicht seinerseits reflektiert und damit die Bewegung auf die Subjektivität hin wieder über sich hinausgetrieben, so ist in der Tat nicht zu sehen, in welcher Weise Wahrheit auf ein wie immer auch geartetes Nichtsubjektives gehen oder es zumindest einbeziehen sollte. Dass Rortys Kritiker, die in ihm einen Relativisten sehen, den Kürzeren ziehen, sowie er sie auffordert, ihren Realismus der Wahrheit gegen seinen rein diskursiven Wahrheitsbegriff überzeugend zu begründen, ist häufig darauf zurückzuführen, dass sie ihren Wahrheitsbegriff nach wie vor unter den theoriegeschichtlich irreversiblen Anforderungen nur der ersten Reflexion, die den Anteil der Sprache an der Realitätsbestimmung erfasst, verständlich machen wollen. Theoriegeschichtlich tritt die Subjektphilosophie freilich vor allem als Bewusstseinsphilosophie auf. Das hat dazu geführt, dass zwischen Subjektphilosophie und Bewusstseinsphilosophie häufig nicht mehr unterschieden wurde und die Hinwendung zur Sprache, schließlich ± wie vor allem bei Habermas ± zum

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kommunikativen Sprachgebrauch bereits als der Schritt verstanden wurde, der, weil er vom einzelmenschlichen Bewusstsein wegführt, so auch aus der Subjektphilosophie hinausführt. Zwar ist im Unterschied zu Inhalten des Bewusstseins die Sprache, ist die sprachliche Bedeutung öffentlich zugänglich. Man kann zwar in keinen fremden Kopf schauen, aber durchaus in ein Wörterbuch. Doch entscheidend für den Begriff der Subjektphilosophie ist nicht allein der monologische Charakter der Erkenntnis, sondern ebenso jene Rückführung von Wahrheit und Wissensinhalten auf das Subjekt oder die Subjekte. Und die wird bei Rorty in Gestalt seines spezifischen Nominalismus unbeirrt vollzogen, den ich als naturalistischen Sprachspielnominalismus rekonstruieren werde und der, neben dem erkenntnistheoretischen Behaviorismus, in dieser Untersuchung als das Zentrum der neopragmatischen Epistemologie kritisch betrachtet werden soll. Oben wurde darauf hingewiesen, dass Adorno in der Negativen Dialektik sowohl den platonischen Begriffsrealismus wie auch den Nominalismus kritisiert, weil Ersterer den Begriff zu einem an sich Seienden verdinglicht, während LetzWHUHULKQQXUDOVÄGLHGHILQLWRULVFKH9HUDQVWDOWXQJGHV6XEMHNWV³ 0( 346) kennt und damit seinen konstitutiven Bezug zum Nichtbegrifflichen verkennt. Rorty nimmt nun gleichfalls mit seinem Nominalismus, in welchem er zunächst insbesondere Einsichten von Wittgenstein, Sellars und Davidson sowie später auch Einsichten Brandoms zusammenführt, seinem Sprachspielnominalismus, eine Position zwischen Begriffsrealismus und dem konventionellen Nominalismus ein. Gegen den Begriffsrealismus wird von Rorty geltend gemacht, dass ± ganz im Sinne Wittgensteins ± Begriffe zunächst solche Wörter sind, Begriffswörter nämlich, deren Bedeutungen kein ideelles Sein verkörpern, sondern in den ± keineswegs starren ± Regeln ihres Gebrauchs bestehen, und dieser ist Teil der menschlichen, gesellschaftlichen Praxis. Damit zeugt auch aus einer solchen Sicht, dem Verständnis Adornos nicht unähnlich, die Vorstellung von Begriffen als ein mit sich identisches und identisch bleibendes, ideelles Sein von deren Verdinglichung, bei der die Begriffe von der Alltagspraxis der Sprachbenutzer, um nicht zu sagen von den Praktiken des Lebendigen, isoliert und ihnen gegenüber als eigenes Sein verselbständigt werden. Zugleich enthält Rortys Sprachspielnominalismus aber auch ein begriffsrealistisches Moment gegenüber dem konventionellen Nominalismus insofern, als nach diesem Nominalismus den Begriffsworten ihre reale und inferentiell bestimmte Verwendungsweise, durch die sie Teil der gesellschaftlichen Praktiken und Elemente eines historisch entstandenen Sprachspiels sind, als Bedeutung quasisubstantiell ist. Die Begriffsbedeutung ergibt sich also nicht auf namenstheoretische und subjektivistische Weise daraus, dass eine Wortmarke einem Gegenstand gleichsam angeheftet wurde, ein flatus voci mit ihm assoziiert ist. Eine im nicht ontologischen Sinne substantielle Bedeutung haben Begriffsworte als Elemente eines von Sprachbenutzern gemeinsam beherrschten Sprachspiels, innerhalb dessen unter anderem der Zusammenhang von Wort und Gegenstand als Moment des Spiels auf unmysteriöse Weise immer schon geregelt ist. Allerdings wird in dieser Konzeption die Be-

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griffsbedeutung und mit ihr aller Wissensinhalt auf die Praktiken der Sprachsubjekte zurückgeführt, nicht auf intrinsische Eigenschaften von Objekten. Um diese subjektphilosophische Rückführung genauer zu verstehen ± um genau zu verstehen, was Sprachspielnominalismus nicht nur als Terminus meint, der sich am (QGHZLHGLHHLQJHEUJHUWHQ7HUPLQLÃ6SUDFKVSLHOµRGHUÃ'LDOHNWLNµYLHOIDFKEequem und mit der Autorität des philosophisch Gebildeten handhaben lässt, sondern welche philosophische Konzeption ihn trägt, werde ich in dieser Untersuchung den Nominalismus Rortys, der von ihm selbst nicht explizit entwickelt wird, sondern nur in den verschiedenen realismuskritischen und wahrheitstheoretischen Argumenten besteht, als kohärentes Theorem stufenweise aufzubauen versuchen. Dazu werde ich vor allem die Sprachphilosophie Wittgensteins interpretierend einbeziehen. Rortys Nominalismus soll für den Pragmatismus zweierlei leisten: Er soll zum einen den Mentalismus auflösen, mit dem ein platonischer und auch repräsentationaler Wahrheits- und Erkenntnisbegriff eng verbunden ist, denn die Rede von dem Mentalen impliziert bereits die repräsentationalistische Metaphorik, weil schon das Verständnis des Mentalen sich von seiner epistemischen Funktion her bestimmt, medialer Spiegel der Natur zu sein, mit der übereinzustimmen Wahrheit sein soll. Zum anderen soll dieser Nominalismus es ermöglichen, das referentielle Verhältnis von begrifflichem Denken und gegenständlicher Welt beziehungsweise Sprache und Wirklichkeit so zu beschreiben, dass es, gemäß dem reinen Inferentialismus sprachlicher Bedeutung, keine Erkenntnisrelation mehr darstellt, sondern in Übereinstimmung mit dem Modell des Pragmatismus als funktionaler Weltbezug verstanden werden kann, wonach eine gesellschaftliche Praktik, hier die des Sprechens, für bestimmte Zwecke funktioniert und nicht das Sosein der Welt repräsentiert. Die theoretischen Schritte, die es erlauben, in allen epistemologischen Fragen statt von einem erkenntnisrelationalen und medialen Weltverhältnis fortan von einem instrumentellen Verhältnis auszugehen, sollen mit der Rekonstruktion von Rortys Nominalismus explizit nachvollzogen werden, denn erst mit diesen Schritten wird es überhaupt möglich, dass die Rechtfertigung von Überzeugungen an die Stelle der Erkenntnis des Wahren tritt. Um eine solche Substituierung gründlich durchführen zu können, erfolgt bei Rorty ± und das ist das Spezifische und Konsequente seiner Sprachphilosophie ± zudem eine Naturalisierung des Sprachspielnominalismus. Jene Schritte, die von einem an der Anschauung orientierten Erkenntnisbegriff im Sinne eines im Grunde geistigen Sehens oder sehenden Denkens wegführen, lassen sich, die spätere Darstellung grob vorwegnehmend, folgendermaßen kennzeichnen: Der erste Schritt besteht in der bereits von Wittgenstein vollzogenen Versprachlichung des begrifflichen Denkens, wonach der Gedanke nicht weniger, aber auch nicht mehr als der sinnvolle Satz ist, der verstanden werden kann. Der nächste Schritt besteht darin, diesen Sinn anhand der Verwendung von Wörtern in einem Sprachspiel zu erklären. Sodann setzt die Naturalisierung des Nominalismus dort an, wo Wörter als Bestandteil der natürlichen Welt vorkom-

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men; quasiintelligibel sind nur die Regeln ihrer Verwendung und das Netz ihrer inferentiellen Bezüge in einem Sprachspiel. Die Fähigkeit zur richtigen Verwendung von Wörtern wird interpretiert als habituelles, komplexes Sprachverhalten von Sprachbenutzern, welches zugleich ein Verhalten der Sprachbenutzer als Naturwesen ist. Mit dem Verhaltensbegriff ist der Nominalismus zugleich an den Pragmatismus angeschlossen, der kulturelle Fähigkeiten als Verhaltensweisen interpretiert und somit keinen ontologischen Graben mehr überbrücken muss, wie er zwischen einem Transzendentalsubjekt und einem Naturwesen besteht. Jetzt kann der entscheidende Schritt getan werden, nämlich das Verhältnis von Sprecher und Welt als ein kausales zu konzipieren: Überzeugungen werden von der Welt nicht bewahrheitet, die Sprecher können aber zum Fürwahrhalten bestimmter Sätze und Überzeugungen von der Wirklichkeit veranlasst werden (und im Diskurs ihre Überzeugungen rechtfertigen). An dieser Stelle wird genau zu sehen sein, was im neopragmatischen Nominalismus, das heißt im naturalistischen Sprachspielnominalismus, im Hinblick auf die angesprochene Rückführung allen Wissens auf das den Vorrang beanspruchende Subjekt vor sich geht. Vollends verständlich wird das Modell eines kausalen statt eines erkenntnisrelationalen Bezugs zur Welt nämlich erst, wenn man, wie ich ausführlich darlegen werde, diese Kausalität als eine reflexive denkt. Das heißt, es ist die sprachlich bestimmte Wirklichkeit, anders gesagt diejenige gegenständliche Welt, die bereits in einem Sprachspiel durch die sozialen Praktiken determiniert ist, in welcher etwas zum Anlass dafür werden kann, dass ein Sprecher bestimmte Meinungen vertritt, bestimmte Sätze für wahr und andere für falsch hält. Erst wenn in GHU UHDOHQ 3UD[LV GHV 6SUDFKVSLHOV LQ ZHOFKHP GHP :RUW Ã5LQQVDOµ HLQH Eestimmte Verwendungsweise zukommt und es also eine Bedeutung hat, zugleich etwas sprachlich als ÃRinnsalµ bestimmt und damit in ein inferentielles Geflecht sprachlicher Bedeutung integriert worden ist, kann jemand beim Anblick dieses bereits bestimmten Etwas den Satz für falsch halten, hier sehe man einen reißenden Strom. In dem, was einen Sprachbenutzer in seiner Umwelt zur Äußerung von Sätzen veranlasst, trifft er nach diesem Modell des Nominalismus die sich DXVGHU,QIHUHQ]HUJHEHQGH%HGHXWXQJDQQDFKGHU]%HWZDVÃKHOOµLVWZHLOHV als GegenteiOYRQÃGXQNHOµYHUVWDQGHQXQGEHUKDXSWYRQHLQHP6SUHFKHULQHLQ Netz inferentieller Bezüge eingegliedert werden kann, eine Bedeutung, die den Dingen von einer Sprachgemeinschaft gleichsam zugeordnet wird, woraufhin Aussagen über ein Etwas, das auf diese Weise in einen sprachholistischen Kontext gestellt ist, überhaupt erst möglich sind. Und es gibt nicht nur ein inferentielles Netz zugewiesener Bedeutung mit den entsprechend möglichen Realitätsbeschreibungen, sowenig es nur ein mögliches Sprachspiel gibt, nur einen möglichen und festgelegten Zweck, dem sprachliche Praktiken dienen. Ein Sprachspiel kann sich als Bezugsrahmen sprachlichen Bestimmens ändern und damit auch eine gültige Beschreibung der Wirklichkeit an die Stelle einer anderen treten. ± Natur ist nicht Gegenstand von Erkenntnis, sondern Substrat von Beschreibung, und steht unter den Bedingungen ihres Beschriebenseins mit den Sprachbenut-

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zern in epistemologischer Hinsicht in einer kausalen Beziehung. Damit kommt am Ende der nominalistischen Konzeption, kommt am Nominalismus in einer seiner elaboriertesten Fassungen der Primat des Subjekts als Primat der Sprachsubjekte deutlich zum Vorschein. Rortys Modell stellt im sprachphilosophischen Explikationsmedium recht genau den Sachverhalt dar, den AdornR DOV GHQ Ä=LUNHO GHU ,GHQWLILNDWLRQ³ 1' 174) beschrieben hat, auf den sich seine Erkenntniskritik in der Negativen Dialektik bezieht. Und soweit dieser Zirkel in der erkenntnistheoretischen Rückführung von Objektivität auf das Subjekt nur bestätigt wird, der Rückgang auf das Subjekt sich keiner weiteren, kritischen Betrachtung mehr aussetzen mag, ist diese Betrachtung als Metakritik an der Erkenntnistheorie im Sinne Adornos nachzuholen. Dieser Zirkel lässt sich in Bezug auf den Nominalismus dahingehend reformulieren, dass ein Sprecher, der wahrheitsfähige Aussagen formuliert, sich hierbei immer schon, und zwar ausschließlich, auf das kontextuell sprachliche Bestimmtsein der Wirklichkeit bezieht, auf ein Bestimmtsein, das seine Genese in den Praktiken der sich zweckgerichtet mit ihrer Umwelt auseinandersetzenden Sprachgemeinschaft hat. Die sprachlich bereits determinierte Wirklichkeit ist es, die als das öffentliche Äquivalent von Aussagen einen Sprecher zu bestimmten Aussagen veranlassen kann. Im Neopragmatismus Rortys wird zwar der metaphysische Wahrheitsbegriff der adaequatio im Sinne einer Übereinstimmung von Begriff und an sich seiendem Gegenstand, von Denken und Sein oder auch von Satz und Sachverhalt verabschiedet, zugleich aber ist die Vorstellung von Wahrheit als Übereinstimmung-mit-der-Wirklichkeit in ihrer sozusagen philosophischen Harmlosigkeit zugelassen. Wenn wir etwas als Nashorn beschrieben haben, EUDXFKWVLFKGDUEHUNHLQ6WUHLW]XHQWIDFKHQREGHU6DW]ÃIn diesem Gehege befindet sich ein NaVKRUQµPLWGHU:LUNOLFKNHLWDXFKZLUNOLFKEHUHLQVWLPPWZHQQ sich in dem Gehege etwas befindet, das als Nashorn mit entsprechenden relationalen Merkmalen bereits sprachlich bestimmt wurde. Es sind jedoch, was die Negative Dialektik zu vollem Bewusstsein bringen möchte, die begrifflichen Bestimmungen, durch die etwas zum Gegenstand des Denkens oder zu dem wird, worüber gesprochen werden kann, Resultate des Identifizierens von Unterschiedenem miteinander. Dass ± wie Rorty behauptet ± alle Eigenschaften deshalb nicht intrinsisch sind, weil sie relational sind, ist nicht der springende Punkt, den die Negative Dialektik gegen realistische Theoreme geltend macht. Der liegt vielmehr darin, dass Eigenschaften, von denen wir behaupten, dass sie den Dingen zukommen, deshalb nicht intrinsisch sind, weil sie Abstraktion in sich enthalten. Diese hängt gleichwohl mit der Relationalität von Eigenschaften zusammen, die sich aus dem Zweck ergibt, auf den hin die Dinge determiniert werden, die nur das und kein Gramm mehr sein sollen, was sie in einem bestimmten funktionalen Zusammenhang für anderes sind. Grundsätzlich aber gilt: Erst qua Identifizierung von nicht Identischem können wir uns auf etwas beziehen, das Eigenschaften hat. Die Abstraktion als solche aber, in der Besonderes unter Allgemei-

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nes subsumiert wird, ist ein Akt des Subjekts, und die Gleichsetzung des Realen mit dem, als was es identifizierenderweise bestimmt wird, produziert die Verblendung, die von der Selbstbesinnung der Erkenntnis aufgeklärt werden soll, welFKHLKUH*HJHQVWlQGH ÄQLFKWDOV 6SLHJHODXVGHPVLHZLHGHUXPVLFKKHUDXsOLHVW³ 1' 25), benützt. Richtet sich nun in der Auseinandersetzung mit dem Sprachspielnominalismus eine Reflexion auch auf den nichtsubjektiven Anteil der sprachlichen Bedeutung, auf den Anteil des Nichtsprachlichen an der kohärenten Beschreibung, so stößt sie darauf, dass zwar keine sprachliche Bedeutung denkbar ist, die nicht sprachintern generiert, die nicht durch den inferentiellen Zusammenhang der Wörter in einem Sprachspiel gebildet wäre, aber ihr zeigt sich ebenso, dass ohne eine gleichzeitige Referenz auf das, was real und nicht nur in der Beschreibung eines Sprachbenutzers nicht identisch ist, keine sprachinterne Differenzierung und damit auch kein inferentielles Netz der Bedeutungen überhaupt möglich wäre. Natur als Substrat von Beschreibung muss an sich mindestens so differenziert sein, sie muss an sich ± diese Wendung in ihrem ganzen erkenntnistheoretischen Gewicht genommen ± die Konkretion aufweisen, wie sie eine Beschreibung, die nicht aus HLQHP EOR‰HQ Ã;µ DOV :RUW IU DOOHV XQG MHGHV besteht, objektiv voraussetzt. Anders gesprochen: Wir geben zu, dass alle sprachlich ausgedrückten Eigenschaften relationaler Natur sind; sie sind Produkte des Subjekts insofern, als es keine Eigenschaft geben kann, ohne dass etwas miteinander identifiziert wird ± doch wäre komplementär hierzu keine Differenzierung möglich ohne ein Nichtidentisches, welches nicht erst ein Produkt des Subjekts ist und welches genau den notwendig nichtsubjektiven Anteil im Beschreiben bildet, der sich als solcher nicht vom begrifflichen Denken, nicht vom propositionalen Gehalt eines Satzes vollständig absorbieren lässt. In einer Beschreibung, in welcher Begriffsworte Bedeutung erst durch ihren Ort in einem Sprachspiel haben, schlägt sich das Andere der Bedeutung, ohne welche diese bezugslos wäre, in der sprachlichen Differenzierung als Komplement zur Differenzierbarkeit nieder. Während der Sprachspielnominalismus die sprachliche Referenz nur vom Sprachspiel als der bedeutungskonstituierenden Praktik her denkt, wird die sprachliche Bedeutung jedoch ebenso ± und zwar in ihrer Untrennbarkeit vom Sprachspiel ± durch den Weltbezug mit konstituiert. Dies zu konzedieren wäre bereits ein erster Schritt des Neopragmatismus in einen reflektierten Realismus unter sprachphilosophischen Bedingungen. Damit aber ist zudem unvermeidlich geworden, ein nichtdiskursives Moment im Wahrheitsbegriff wieder zuzulassen. Denn bestünde jegliche Referenz nur in der sprachlichen Determinierung des Realen im Hinblick auf ein Allgemeines, in der Setzung von Identität, und nicht ebenso in der sprachlichen Erfassung des Differenten in seinem Zusammenhang, könnte Sprache selbst sich nicht ausdifferenzieren ± es gäbe keine Sprache. Das erhellt auch, warum die Negative Dialektik in ihrer Kritik an der Subjektphilosophie ebenso Kritik am identifizierenden Denken ist und warum sie von vornherein vom Nichtidentischen her argumentiert und dort ausgetragen wird, wo Identitätssetzungen, in denen das Nichtidentische als Bedingung solcher Gleichset-

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zung JOHLFKVDP DXIJHVSHLFKHUW LVW ZLHGHU YHUIOVVLJW ZHUGHQ Ä$OV %HZX‰WVHLQ von Nichtidentität durch Identität hindurch ist Dialektik nicht nur ein fortschreiWHQGHUVRQGHUQ]XJOHLFKUHWURJUDGHU3UR]H‰³XQGGLHÄ(QWfaltung des Begriffs ist auch Rückgriff, Synthesis die Bestimmung der Differenz, die im Begriff unterJLQJ³ 1' 160). Nun möchte ich einleitend auf die Aspekte hinweisen, unter denen der Nominalismus Rortys sich für das Modell der Negativen Dialektik fruchtbar machen lässt, und zwar zunächst in der Hinsicht, in der es in der Kritischen Theorie um das Andere des Subjekts als Natur (und also noch nicht als Gesellschaft) geht. Bereits in der Dialektik der Aufklärung steht der Antagonismus von Geist und Natur im Mittelpunkt der philosophischen Reflexion, und deren Versöhnung ist Telos emphatischer Erkenntnis. Dieser Antagonismus aber wäre ohne das implizite Fortwirken der dualistischen Ontologie des Cartesianismus unverständlich, und mit ihr halst sich die Kritische Theorie Probleme auf, deren Lösungsversuche aussichtslos sind und auf Kosten einer genauen Erklärung des Antagonismus in der Praxis der Menschen gehen. Einerseits muss der Antagonismus vom Geist her betrachtet werden. Um seine Überwindung antizipierend formulieren zu können, kommt daher eine mentalistische Beschreibung, um nicht zu sagen eine spiritualistische Metaphorik zum Zuge. Mit ihr wird in der Negativen Dialektik Wahrheit beschrieben als ± wie es dort hegelianisch heißt ± ÄGLH .RQVWHOODWLRQ voQ 6XEMHNW XQG 2EMHNW LQ GHU EHLGH VLFK GXUFKGULQJHQ³ 1' 133). Von Ä'XUFKGULQJXQJ³DEHUNRQQWHVLQQYROOQXULPDEVROXWHQ,GHDOLVPXVXQWHUGHU%edingung der Vergeistigung auch des Objekts die Rede sein, doch auf diese Vergeistigung soll die Dialektik im Sinne Adornos, die negativ ist und die nicht einPDO HLQH 2QWRORJLH GHV Ä1LFKWRQWRORJLVFKHQ³ 1' 140) sein soll, gerade nicht hinauslaufen. Sie darf es auch nicht, wenn sie nicht sogar den ontologischen Primat des Subjekts, gegen den sie sich so nachdrücklich richtet, unbemerkt in Gestalt eines absoluten Geistes wieder einführen will. Andererseits muss jener Antagonismus von Geist und Natur als ein in der Natur überwindbarer gedacht werden, was ± im Gegensatz zur spiritualistischen Beschreibung des Objekts ± nun eine naturalisierende Beschreibung des Geistes erfordert. Diesen Erfordernissen versucht die Kritische Theorie auf der einen Seite dadurch nachzukommen, dass sie in der Dialektik der Aufklärung Geist in naturalistischen Kategorien der Selbsterhaltung thematisiert. So verkörpert das begriffliche Denken zunächst die spiritualisierte Naturbeherrschung. In der Negativen Dialektik KHL‰W HV Ä'HU Primat von Subjektivität setzt spiritualisiert den Darwinschen Kampf ums Dasein IRUW³ 1' 181).15 Zudem wird in AQOHKQXQJ DQ )UHXG %HZXVVWVHLQ DOV ÄDEJe15 In der Dialektik der Aufklärung (S. 254 f.) wird mit pessimistischem wie naturalistischem und in Bezug auf den Darwinismus sarkastischem Unterton formuliert: Ä)UDJZUGLJ LVW HV RE HLQH HFKWH QDWXUJHVFKLFKWOLFK QlFKVWK|KHUH *DWWXQJ QDFK dem Menschen überhaupt entstehen kann. Denn soviel ist in der Tat am Anthropomorphismus richtig, daß die Naturgeschichte gleichsam mit dem glücklichen Wurf,

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]ZHLJWH 7ULHEHQHUJLH³ 1' 262) interpretiert, um das cogito auf Natur zurückführen zu können. Auf der anderen Seite wird der Antagonismus von Geist und Natur seit der Dialektik der Aufklärung als ein Antagonismus der Natur selbst formuliert, angelegt im Prinzip der Selbsterhaltung: Leben muss, um zu leben, DQGHUHV /HEHQ YHUVFKOLQJHQ 'HPHQWVSUHFKHQG VHW]W GLH Ä>P@HQVFKOLFKH *eVFKLFKWH >«@ GLH EHZX‰WORVH GHU 1DWXU )UHVVHQ XQG *HIUHVVHQZHUGHQ IRUW³ (DA, 349), und dementsprechend tritt der Gedanke erst aus dem Bann der Natur KHUDXV ÄLQGHP HU DOV GHUHQ HLJHQHV (U]LWWHUQ YRU LKU VHOEVW VLFK EHNHQQW³ (DA, 58). Indem die Naturhaftigkeit des Geistes damit zutage tritt, dass seine Tätigkeit der Selbsterhaltung des Menschen als Naturwesen dient in Gestalt seiner Herrschaft über die Natur, ist das spirituelle Verhältnis zur Natur selbst ein Naturverhältnis von der Art, nach welcher sich alles Lebendige in einem Kampf ums Dasein befindet. Erst in der Versöhnung würde dieses Verhältnis ein freies, GHU*HLVWÄhEHUQDWXU³$XIdieser konzeptionellen Ebene lässt sich das versöhnte Verhältnis von Geist und Natur freilich nicht als Durchdringung beider beschreiben. Seit der Dialektik der Aufklärung wird daher die Möglichkeit eines versöhnten Naturverhältnisses mit dem Verhaltensbegriff der Mimesis erläutert. Die spiritualisierte Naturbeherrschung soll durch eine mimetische Angleichung des Geistes an sein Anderes überwunden werden. Eine solche zwischen Durchdringung und Angleichung schwankende Metaphorik ist Ausdruck davon, dass die Kritische Theorie dem Dualismus ihrer impliziten cartesianischen Ontologie verhaftet ist. Sie oszilliert zwischen zwei unterschiedlichen Explikationsmedien, dem naturalistisch verhaltenstheoretischen und dem bewusstseinsphilosophischen, deren Vokabulare sie zugleich ineinander verschränkt: vergeistigter Kampf ums Dasein auf der einen, mimetisches Verhalten des Geistes auf der anderen Seite. Wenn die Entgegensetzung von Natur und Geist keine ontologisch zu verstehende Entzweiung kennzeichnet, sondern einen Antagonismus im menschlichen Naturverhältnis, und wenn man keine Hilfskonstruktionen bemühen möchte, um die Kluft zwischen Geist und Natur in der Theorie zu überbrücken, wie etwa mit jeQHUÄDEJH]ZHLJWHQ7ULHEHQHUJLH³GLHNHLQZHVHQWOLFKEHVVHUHU1RWEHKHOILVWDOV die Zirbeldrüse des Descartes, dank derer Seele und Körper miteinander in Kontakt treten können, dann bietet der naturalisierte Nominalismus ein vielversprechendes Modell, der theoretischen Engführung des cartesianischen Dualismus zu entgehen, ohne den Konflikt, der sich als Dualismus äußert, deswegen unterschlagen zu müssen. Rortys Neopragmatismus lässt sich nicht zuletzt auch als ein Versuch lesen, die Bemühungen Deweys fortzuführen, Hegel und Darwin zusammenzudenken. Von keiner wesentlich anderen Bemühung zeugt übrigens auch die Dialektik der Aufklärung, die den Kampf ums Dasein zum Ausgangs-

der ihr im Menschen gelungen ist, nicht gerechnet hat. Seine Vernichtungsfähigkeit verspricht so groß zu werden, daß ± wenn diese Art sich einmal erschöpft hat ± taEXODUDVDJHPDFKWLVW³

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SXQNWHLQHUQHJDWLYHQ*HVFKLFKWVSKLORVRSKLHKDWLQZHOFKHUGDV'HQNHQDOVÄ2rJDQGHU+HUUVFKDIW³ '$ 56) in seiner Perfektionierung und Anpassung diesem Kampf und damit dem Bann der Natur verhaftet bleibt; einer Geschichtsphilosophie, die jedoch ± als Bedingung ihrer Kritik ± ebenso von einem emphatischen Erkenntnisbegriff eines im Anderen (der Natur) zu sich kommenden, freien Geistes zehrt. Einen Ausweg aus dem ontologischen Dualismus von Geist und Natur und der ihm zugehörenden Unvermittelbarkeit von Geistphilosophie und Naturalismus bietet Rortys Modell in Form der keineswegs reduktionistischen Schritte einer Versprachlichung des Denkens und einer verhaltenstheoretischen Naturalisierung der Sprache. Dass Rorty mit seinem Naturalismus unnötigerweise vom Lebendigen nur ein funktionalistisches Verständnis gewinnt und ihm daher nicht gerecht wird, wird Gegenstand der Kritik werden. Mit diesem Verständnis ist jedoch nicht die Aussicht versperrt, den ontologischen Dualismus zu unterlaufen; einen Dualismus, der seinen Schatten dort noch wirft, wo die reflexhafte Abwehr der Metaphysik, welche diese vor der erscheinenden Natur ins Hirngespinst flüchten sieht, der reflexhaften Abwehr des Naturalismus gegenübersteht, der für flach gehalten wird, weil er nicht vom Geist handelt. Dagegen hätte sich ± um dies an dieser Stelle einzuwerfen ± die Philosophie von derartigen Reflexen endlich und vollständig zu befreien und eine Theorie nicht zuletzt danach zu beurteilen, wie differenziert sie ist, wie kohärent, und in welchem Maße sie auf Hilfskonstruktionen verzichten kann. Die zentralen Motive der Kritischen Theorie lassen sich nicht nur erhalten, sie lassen sich sogar besser entfalten, wenn man sie mit dem Pragmatismus von ihrer cartesianischen Last erst einmal befreit hat. So lässt sich das epistemologisch relevante mimetische Verhalten unter Rückgriff auf den fortentwickelten Nominalismus Rortys neu formulieren, nämlich als spezifisches Sprachverhalten, das ein Verhalten des Lebendigen auf derselben Ebene ist, auf der es sich ernährt und Laute von sich gibt, und auf keiner ontologisch anderen. Es ist die Ebene, auf welcher der Mensch verletzbar ist wie das Tier und wie dieses Schmerzen erleidet und auf der die Utopie zu verwirklichen wäre, die in der frühen Kritischen Theorie die menschliche Solidarität mit allen Kreaturen mit umfasst. Was zu beleuchten ist, will man das menschliche Naturverhältnis verstehen, wie es schließlich als Entgegensetzung von Geist und Natur resümiert wird, mit der Möglichkeit ihrer mimetischen Annäherung, das ist die Differenzierung und die Höherstufigkeit des Sprachverhaltens und dessen Ausdifferenzierung als gesellschaftliche Praktik bis hin zur Niederschrift eines Epos und der Durchführung finanzieller Transaktionen; mithin als gesellschaftliche Praktik, durch die sich die vergesellschafteten Menschen der Natur, die zum Objekt ihrer Herrschaft geworden ist, entgegensetzen. Mit der Vorstellung von einem Geist, der seit je als Gegenpart zur Materialität verstanden wurde, und einer von ihm qua Stofflichkeit fundamental unterschiedenen Natur eröffnet sich hingegen für eine kritische Rekonstruktion des menschlichen Naturverhältnisses in epistemiVFKHU+LQVLFKWNHLQH3HUVSHNWLYH'LH5HGHYRQHLQHUÄ6SLULWXDOLVLHUXQJ³QDWUOicher Vorgänge, derer sich Horkheimer und Adornos bedienen und die gegen den

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Dualismus eine Kontinuität stiften soll zwischen bloßer Natur und Geist, überspringt lediglich terminologisch die cartesianische Kluft, solange nirgends zu lesen ist und niemand zu sagen weiß, was bei diesem Vorgang geschieht, bei dem Natur zu Geist wird ± sofern man der Einteilung der Welt in eine materielle und eine immaterielle Dimension denn überhaupt folgen möchte. Einen Komplexitätszuwachs und einen Abstraktionsprozess von Praktiken aber können wir ohne ontologische Spekulationen nachvollziehen. Es verwundert deshalb nicht, dass Adorno in seiner Negativen Dialektik die mimetische Fähigkeit des Erkenntnissubjekts, die von der Affinität von Denken und seinem Gegenstand zeugt, als eine genuin sprachliche auffasst. Erkenntnis, die Erkenntnis ist und keine Tautologie, keine Übereinstimmung mit den eigenen Identitätssetzungen, gleicht sich ihUHP *HJHQVWDQG DQ TXD 'LIIHUHQ]LHUXQJ Ä,Q LKUHP >GHU 'LIIHUHQ]LHUWKHLW G$@ Postulat, dem des Vermögens zur Erfahrung des Objekts ± und Differenziertheit ist dessen zur subjektiven Reaktionsform gewordene Erfahrung ± findet das mimetische Moment der Erkenntnis Zuflucht, das der Wahlverwandtschaft von ErkenQHQGHPXQG(UNDQQWHP³ 1' 54). Diese Zuflucht ist eine zur Sprache, denn ÄQXUDOV6SUDFKHYHUPDJbKQOLFKHVGDVbKQOLFKH]XHUNHQQHQ³ 1' 65). Warum dies so ist, lässt sich mit dem Konzept eines naturalistischen Sprachspielnominalismus erklären. Denn Sprache, im Unterschied zu einem antithetisch zur Natur verfassten Geist, manifestiert sich als ein spezifisch leibgebundenes Verhalten in Bezug auf die Umwelt, bei dem sich die Frage gar nicht stellt, wie ein Nichtnatürliches den Hiatus zum Natürlichen überwinden kann. Als in sinnlich wahrnehmbaren Äußerungen verkörperte kann Sprache dem Natürlichen nicht unähnlich sein. Dass ± wie Adorno immer wieder herausstellt ± der sprachliche Ausdruck dem Gedanken wesentlich ist, liegt daran, dass der Gedanke ± wie sich von Wittgenstein lernen lässt ± wesentlich der sprachliche Ausdruck ist, und dessen DiffeUHQ]LHUWKHLWGHVVHQNRQNUHWH*HVWDOWÃNRPPXQL]LHUWµPLWGHU.RQNUHWLRQGHV Realen, das sich durch keinen Allgemeinbegriff einfangen lässt. Weil ± und dies ist ein relevantes Resultat jener Versprachlichung des Denkens, die ich als Resultat der sprachphilosophischen Reflexion Wittgensteins im zweiten Kapitel ausführlich erläutern werde ± das begriffliche Denken nicht getrennt von der sprachlichen Äußerung als einer sinnlichen verläuft, lässt sich die epistemische Rede YRQGHU0LPHVLVHUVWRKQHNRQ]HSWLRQHOOHÃ/HHUVWHOOHµNRQNUHW nachvollziehen. ± Mimesis als subjektive Reaktionsform auf die Umwelt, als das sich dem real Unterschiedenen angleichende Verhalten, bedeutet für Sprachbenutzer: Angleichung des sprachlichen Ausdrucks an das, worüber gesprochen wird in Form der sprachlichen Differenziertheit, des Reichtums sowohl des Vokabulars wie seiner Verwendung. Dies beinhaltet ein entsprechendes komplexes Sprachspiel, in welchem dieses Vokabular verwendet, verbunden, gleichsam synthetisiert wird, und es beinhaltet damit eine innerweltliche Praxis, in der das Einzelne sich nicht in der Rolle erschöpft, Exemplar seiner Gattung zu sein. Versteht man das Erkenntnissubjekt als den Benutzer einer natürlichen Sprache, braucht man keine innere Natur zu dem epistemologischen Zweck zu konzi-

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pieren, dieses von der Natur getrennte Subjekt über den Weg seines inneren WeVHQV ZLHGHU PLW GHU lX‰HUHQ 1DWXU ]XVDPPHQ]XEULQJHQ XQG LQ GLHVHU ÃLQQeUHQµ Schicht all die verborgenen Tätigkeiten anzusiedeln, die von einer Affinität zwischen Natur und Subjektivität zeugen. Es ist nicht im Geringsten ominös, dass ein leibgebundenes Verhalten schließlich die Differenziertheit gesellschaftlicher Praktiken erreicht; deren Kontinuität zur Natur muss nicht konstruiert werden. An die Stelle der Frage, was Natur ihrem Wesen nach ist, was der Geist, tritt die Frage, wie sich die geschichtliche Ausdifferenzierung der Praktiken von Sprechbenutzern verstehen lässt. Und zwar schließlich die Praktik des Identifizierens ± denn die Praktik des Identifizierens von Unterschiedenem ist selbst ein Moment im Beherrschen eines Sprachspiels, in dem Dinge im Hinblick auf ihre Funktion im praktischen Vollzug miteinander gleichgesetzt werden. Auch wenn man die Rede von einem Antagonismus von Natur und Geist nicht übernimmt, so lassen sich doch die Antagonismen, die für die Kritische Theorie als Gegenstand ihrer Kritik relevant sind, anhand von naturbeherrschenden, identifizierenden Praktiken erläutern, die dazu führen, dass die Menschen selbst unter diese Praktiken geraten, selbst zum Objekt dieser Praktiken werden, die Mensch und Natur auf Funktionen reduzieren. Nach dieser Interpretation prallt mimetisches Verhalten ab an dem, was insofern denaturalisiert ist, als es zum Element eines von menschlichen Praktiken konstituierten abstrakten Funktionszusammenhanges geworden ist, in den die Menschen zwangsvoll eingegliedert sind und an dessen Engmaschigkeit sie selbst mitweben. Dieser Funktionszusammenhang meint die Gesamtheit derjenigen Praktiken in ihrem Zusammenhang, die ihren Zweck in der Naturbeherrschung haben, und die entsprechende Gesamtheit der Gegenstände, die durch diese Praktiken auf diese Praktiken hin determiniert sind. Die Hinwendung des Neopragmatismus zur Sprache ist zugleich eine Wendung zur Intersubjektivität, und in dieser Hinsicht freilich eine Gegenbewegung zur Subjektphilosophie, die in ihrer bewusstseinsphilosophischen, monologischen Gestalt Intersubjektivität und Gesellschaft erkenntnistheoretisch dem konstitutiven Bewusstsein nachordnet. Während der Nominalismus Rortys die Verabsolutierung des diskursiven Denkens gegenüber der Natur als das mit dem Denken nicht Identische theoretisch untermauert, stellt der von ihm vertretene erkenntnistheoretische Behaviorismus zugleich einen konsequenten Versuch dar, den erkenntnistheoretischen Primat des Einzelsubjekts gegenüber der Gesellschaft zu brechen. ± Wie erwähnt, tritt theoriegeschichtlich die Subjektphilosophie als Bewusstseinsphilosophie auf, und das heißt als die Philosophie, die vom singulären wie allgemeinen Selbstbewusstsein ausgeht und in ihm Wissen zu fundieren versucht. Nähe des Erkenntnisgegenstandes zum monologischen Bewusstsein, Unmittelbarkeit des Gegenstandes ± und am unmittelbarsten ist dieses sich selbst mitsamt seinen Inhalten ± wurden in der Bewusstseinsphilosophie seit je zur Quelle der Gewissheit des Subjekts und damit zur Waffe gegen den Skeptizismus, der letztendlich immer wieder die Vermittlung alles Wahren durch das Be-

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wusstsein als Medium eingeklagt hatte. Nähe zum Bewusstsein gilt in einer Epistemologie als selbstverständlicher index veri von Gedanken und Aussagen, die auf eine adäquationstheoretische Vorstellung von der Wahrheit festgelegt ist. Kann man aber überzeugend dafür argumentieren, dass diese Selbstverständlichkeit eine gewordene ist, Ausdruck nämlich eines epistemischen Sprachspiels einer Sprachgemeinschaft und nicht eines transhistorischen Wissens, so gerät die epistemische Autorität des Einzelbewusstseins gegenüber der Gesellschaft gehörig ins Wanken. Rorty führt den Ausgang von der Sprache, genauer gesagt ± denn Sprache ist im Pragmatismus keine freischwebende, transsubjektive Ursprungsmacht ± von der Sprachgemeinschaft konsequent durch, um an die Stelle der bewusstseinsphilosophischen Epistemologie den erkenntnistheoretischen Behaviorismus treten zu lassen. Von Behaviorismus ist allerdings nur insofern die Rede, als überhaupt der Verhaltensbegriff im Zentrum der Epistemologie steht. Mit ihr wird keineswegs ein reduktionistisches Programm vertreten, nach dem der Nachvollzug begrifflichen Denkens in eine Beschreibung von Körperverhalten transponierbar sein soll. Dem widerspräche bereits die inferentialistische Bedeutungstheorie, welche die bedeutungskonstitutive Wortverwendung immer vor dem Hintergrund eines wandelbaren, holistischen Gebrauchskontextes versteht. Im sogenannten erkenntnistheoretischen Behaviorismus wird das Sprechen einer Sprache nur überhaupt als eine Weise des Verhaltens verstanden im Gegensatz zu einem Haben von inneren Episoden, die in der Bewusstseinsphilosophie fraglos als Quelle des direkten Wissens betrachtet werden. Um das vermeintliche Fundament der bewusstseinsphilosophischen Epistemologie aufzulösen, vollzieht Rorty in einem ersten Schritt mit Wittgenstein und Sellars eine Versprachlichung dessen, was als Bewusstseinsinhalt dieses Fundament bildet; wobei Sprache wiederum als ein offenes, das heißt ein allen Sprechern gleichermaßen zugängliches Verhalten aufgefasst wird. Soweit dieser Schritt gelingt, und ich meine, dass er gelingt, leuchtet ein, wie aus der subjektiven Gewissheit des Einzelbewusstseins die Vertrautheit des Sprechers einer historisch wandelbaren Sprachgemeinschaft mit deren ebenso wandelbarem Sprachspiel wird. Vertrautheit ist sodann Ausdruck der verinnerlichten Nachahmung des in der Sprachgemeinschaft offen anzutreffenden Sprachverhaltens. Auf diese Weise führt der Weg, auf dem Gewissheiten entstehen, von der Sprachgemeinschaft zum einzelnen Mitglied dieser Gemeinschaft. Aufgelöst wird die bewusstseinsphilosophische Epistemologie Schritt für Schritt: Aus dem direkten Wissen eines repräsentierenden Bewusstseins wird die in einer Sprachgemeinschaft bisher unwiderlegte Aussage beziehungsweise die Überzeugung einer Person. Aus der Fundierung des Wissens in einem Bewusstsein, seiner intuitiven Gewissheit, wird die Rechtfertigung einer Überzeugung im Rückgriff auf ein inferentiell verfasstes, holistisches Wissen eines Sprechers. Mit der Rechtfertigung greift ein Sprecher auf sein Netzwerk aus Überzeugungen zurück, das sich im kommunikativen Prozess der Zustimmung und des Widerspruchs, der Rechtfertigung und der Korrektur von Überzeugungen herausbildet und nicht

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durch eine Introspektion, die auf ein anscheinend vorgesellschaftliches Wissensfundament im Subjekt stößt. Von diesem neopragmatischen Konzept ausgehend führt kein weiter Weg bis zu Adornos These ± die einen Aspekt seiner Zusammenführung von Erkenntnistheorie und Gesellschaftstheorie beziehungsweise von Erkenntniskritik und Gesellschaftskritik darstellt ±, dass in dem, was dem monologischen Subjekt sein unmittelbares Wissen, seine innerste und daher unanzweifelbare Gewissheit dünkt, kraft derer es eben zugleich einen Anspruch auf ein für alle Subjekte, alle Vernunftwesen gültiges Wissen erhebt und keine privative Ansicht vertritt; dass in dieser über das nur Gemeinte hinausgehenden inneren Gewissheit des Subjekts sich sein gesellschaftlicher Charakter verbirgt; verbirgt hinter der eigenen Unmittelbarkeit, dem eigenen Zentrismus. (Dass sich freilich im Haben dieser und jener Privatmeinung, die nur auf vordergründige oder gar keine Weise begründet wird, auch gesellschaftliche Mechanismen reflexhafter Meinungsbildung niederschlagen, steht auf einem ganz anderen Blatt und wäre Thema eher der Sozialpsychologie als der Erkenntnistheorie.) Der Schein, dass das TranszendentalsubMHNWVR$GRUQRGHUÄDUFKLPHGLVFKH3XQNWVHL³HUÄHQthält, ohne daß es aus den Vermittlungen des Denkens herauszupräparieren wäre, jenes Wahre der VorgänJLJNHLW YRQ *HVHOOVFKDIW YRUP (LQ]HOEHZX‰WVHLQ XQG DOO VHLQHU (UIDKUXQJ³ (ND, 182). Diese Vorgängigkeit lässt sich, wie Adorno sieht, keiner Analyse des Bewusstseins entnehmen, weshalb der Primat des Erkenntnissubjekts als des konstitutiven, das nach dem Rückgang auf sich selbst auch wieder von sich selbst ausgeht, aus Adornos Sicht ein transzendentaler Schein und kein gewöhnlicher Irrtum ist. Adorno, der seine Argumentation im Rahmen der Epistemologie der Bewusstseinsphilosophie vorträgt, gerät jedoch in folgende Schwierigkeit: Eine Analyse des Bewusstseins vermag den transzendentalen Schein nicht aufzulösen, denn dieses ist aus seiner monologischen Perspektive immer das konstitutive, nichts wäre ohne es. Zugleich wird dieser Schein mit der unbestreitbaren wie allgemeinen These der Vorgängigkeit der Gesellschaft vor dem Einzelbewusstsein kon-trastiert und das konstitutive Bewusstsein vor dem Hintergrund dieser These interpretiert. Weil Adorno gegenüber der Bewusstseinsphilosophie aber kein alternatives Modell entwickelt, das zeigen könnte, wie Gesellschaft als Konstituens dessen gedacht werden kann, was als welterschließendes Bewusstsein sich für das Primäre in der Erkenntnis hält, muss er sich mit den Konsequenzen aus der allgemeinen These von der Vorgängigkeit der Gesellschaft begnügen, die er dem ursprungsphilosophischen Anspruch der Bewusstseinsphilosophie und ihren impliziten Normen nur entgegensetzen kann, wie etwa der Konsequenz, dass, um vom Vorrang der Gesellschaft ausgehen zu können, mit der cartesianischen 1RUP ]X EUHFKHQ VHL HLQH Ä(UNOlUXQJ PVVH GDV 6SlWHUH ZHQLJVWHQV ORJLVFK 6SlWHUHDXVGHP)UKHUHQEHJUQGHQ³ 1' 144), der entsprechend sich aus der

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faktischen Gesellschaft nicht das herleiten lässt, was als konstitutives Bewusstsein aller Faktizität vorausliegt. Rortys Ausgang von der Sprachgemeinschaft und ihren diskursiven Praktiken führt hingegen zu einem Modell, das ohne Thesen auskommt, die sich dem Paradoxievorwurf aussetzen und die ± wenn man sich erst einmal im Rahmen der bewusstseinsphilosophischen Konstitutionslehre befindet ± ihr von außen Herangebrachtes nie ganz verlieren. (An der cartesianischen Norm, der zu widersprechen in die Paradoxie führt und die als unzerstörbare Gewissheit auftritt ± denn wer wollte das Frühere durch das Spätere erklären? ±, könnte überhaupt die normative Dimension der Gewissheit aufblitzen, auf welche die neopragmatische Epistemologie abhebt.) Was hingegen Rorty im Spiegel der Natur als den erkenntnistheoretischen Behaviorismus, den Kern der neopragmatischen Epistemologie, entwickelt, kann in aufschlussreicher Weise zeigen, wie der Weg von der Gesellschaft ± wenn man sie zunächst als eine Sprachgemeinschaft auffasst, worin sie sich freilich nicht erschöpft ± zum direkten, oder anders gesagt allgemeingültig unmittelbaren Wissen des Einzelbewusstseins verläuft. In diesem Modell wird anhand der Relation von Sprecher und Sprachgemeinschaft (statt von Bewusstsein und Gesellschaft) gezeigt, wie die eigene Gewissheit eines Sprechers hinsichtlich des von ihm Ausgesagten (bewusstseinsphilosophisch: die Gewissheit hinsichtlich der Bewusstseinsinhalte) untrennbar ist von der Akzeptanz der sprachlichen Äußerung durch eine Sprachgemeinschaft und den in ihr etablierten Sprachspielen. Um es an dieser Stelle kurz und bündig zu sagen: Die neopragmatische Epistemologie zeigt die Gesellschaft im Zentrum des Erkenntnissubjekts mit seinem Anspruch auf wahres Wissen. Sie leistet damit das, was Adornos Metakritik an der Erkenntnistheorie fordert: eine zweite Reflexion auf das Subjekt, das sich auf der Grundlage der ersten, aufklärenden, realismuskritischen Reflexion als epistemische Autorität etabliert hatte. Die zur subjektiven Gewissheit geronnenen Regeln eines Sprachspiels und die mit ihm verbundenen Überzeugungen stellen, statt das transhistorische Wissen eines an sich Wahren zu sein, ein Gewordenes und Veränderliches dar, das sich freilich so wenig der subjektiven Zufälligkeit und Beliebigkeit verdankt wie die Sprache selbst. Die zweite, metakritische Reflexion Adornos als Reflexion auf den Primat des Subjekts, der aus der erkenntnistheoretischen Rückführung von Objektivität auf die Leistungen des Subjekts folgt, bezieht sich ± unter anderem ± auf die Gesellschaft im Subjekt. Adorno versteht das Erkenntnissubjekt, auf das alles gegenständliche Wissen zurückgeführt werden soll, als ein bereits vergesellschaftetes, das damit ebenso eine Rückführung seiner selbst verlangt, wenn die Reflexion nicht dogmatisch abgebrochen werden soll. Die zweite Reflexion vollzieht die Umwendung des subjektphilosophischen Rückgangs auf das Subjekt und führt, jedenfalls dem theoretischen Anspruch nach, immer mehr an Subjektivität auf Gesellschaft zurück, allerdings als eine die erste voraussetzende und präsent haltende zweite Reflexion, und nicht als naiver Realismus zweiten Grades; denn es soll nicht der subjektive Anteil an der Objektivität unterschlagen werden, son-

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dern der ebenso objektive, nämlich gesellschaftliche Anteil an der konstitutiven Subjektivität in den Blick geraten. Dieser Anteil aber erfährt mit dem vom Neopragmatismus eingeführten Modell, das an die Stelle der epistemischen Autorität des Einzelbewusstseins die Gesellschaft als Sprach- und Kommunikationsgemeinschaft mit ihren gemeinsamen Sprachspielen setzt, allererst seine Konkretisierung. Rorty führt jene spezifische Umwendung epistemologisch durch, während sie von Adorno tendenziell nur postuliert wird. Seit der Dialektik der Aufklärung besteht die Kritik Horkheimers und Adornos am konstitutiven Subjekt vor allem im vielfältigen Nachweis der Natur im Subjekt, der in der Rezeptionsgeschichte der Kritischen Theorie zumeist in den Mittelpunkt gestellt wurde. Als eine zu dieser Kritik komplementäre Destruktion des konstitutiven Subjekts wurde die Sprachphilosophie Wittgensteins interpretiert, die den Nachweis der Sprache im Subjekt erbringt. 16 Die neopragmatische Epistemologie Rortys ± und besonders unter diesem Aspekt bietet sie die Möglichkeit, die Kritische Theorie an sie anzuschließen ± lässt sich auf die Pointe hin formulieren, dass sie die Gesellschaft qua Sprache im Subjekt aufzeigt. Und man muss diese Einsicht nur mit derjenigen Adornos zusammenführen, dass ± wie erwähnt ± Denken durch Sprache dem je Einzelnen vorgeordnet ist, um die konzeptionelle Rolle ermessen zu können, die der neopragmatische Sprachspielnominalismus und sein Versuch, subjektive Gewissheit und geltende Erkenntnis im Rückgang auf das Sprachspiel zu erklären, für die Erklärung des gesellschaftlichen Charakters der Erkenntnis einnehmen können. Denn diesen Charakter versteht gerade die Kritische Theorie als einen der Erkenntnis keineswegs äußerlichen. Andernfalls wäre die Einheit von Erkenntnistheorie und Gesellschaftstheorie selbst nur eine äußerliche. Gleichwohl erschöpft sich Erkenntnis nicht in 16 Vgl. hierzu Albrecht Wellmer: Zur Dialektik von Moderne und Postmoderne, S. 88: Ä'DVÃ(LQJHGHQNHQGHU1DWXULP6XEMHNWµGDVGLH'LDOHNWLNGHU$XINOlUXQJIRUGHrte, reicht nicht aus, um die idealistische Subjektphilosophie zu entmythologisieren. Erst das Eingedenken der Sprache im Subjekt führt aus dem Bann der Subjektphilosophie heraus; es macht die kommunikative Praxis sichtbar, die dem Leben des sprachlichen SinneV ]XJUXQGHOLHJW XQG GHUHQ EOR‰HU6FKDWWHQUL‰ GDV ÃYRUVWHOOHQGHµ XQGÃXUWHLOHQGHµGDVEHJULIIOLFKÃLGHQWLIL]LHUHQGHµXQGLQVWUXPHQWHOOKDQGHOQGH6XbMHNWLVW³=ZDUIKUWGDV(LQJHGHQNHQGHU6SUDFKHDXVGHULGHDOLVWLVFKHQ6XEMHNWSKilosophie hinaus. Doch an Rorty lässt sich zeigen, dass dieses Eingedenken durchaus wiederum in eine sprachphilosophische Subjektphilosophie münden kann. Der entscheidende Punkt ist, dass zwar die Dialektik der Aufklärung die Destruktion der idealistischen Subjektphilosophie primär von der inneren Natur des Subjekts her in Angriff nimmt; die Negative Dialektik, die an dieser Konzeption festhält, erweitert aber die Kritik an der Subjektphilosophie in Bezug auf die ausgegrenzte Natur auch YRQGHU2EMHNWVHLWHKHULQGHPVLHHLQH5HIOH[LRQDXIGDVÄ1LFKWEHJULIIOLFKHLP%eJULII³ YROO]LHKW 'LHVH (UZHLWHUXQJ ZLUG GXUFK GDV (LQJHGHQNHQ GHU 6SUDFKH LP Subjekt erst dann eingeholt, wenn dieses Eingedenken nicht allein auf die kommunikative Praxis hinausläuft, sondern auf die Rolle des Nichtsprachlichen als ein dem sprachlichen Sinn Immanentes. Andernfalls reproduzierte sich sprachphilosophisch der Ausschluss des Anderen der Subjektivität aus ihrer eigenen Sphäre, sei diese nun eine kommunikativ sprachliche oder monologisch mentale.

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diesem Charakter, und zwar aufgrund der Bedeutung des Nichtbegrifflichen für die Erkenntnis. An dieser Stelle möchte ich den Faden der oben angesprochenen Nominalismuskritik Adornos wieder aufnehmen. Diese Kritik betrifft nicht nur die UnterVFKODJXQJ GHU NRQVWLWXWLYHQ 5ROOH ÄGHV 1LFKWEHJULIIOLFKHQ LP %HJULII³ IU GDV begriffliche Denken. Weil dem auf sich zentrierten Subjekt auch sein Anderes als Gesellschaft im blinden Fleck liegt, richtet sich dementsprechend Adornos Kritik DP1RPLQDOLVPXVQRFKJHJHQHLQHQDQGHUHQ]HQWUDOHQ3XQNWÄ(U>GHU1RPLQalismus ± d.A.] verleugnet die Gesellschaft in den Begriffen dadurch, daß er sie ]XU$EEUHYLDWXUIU(LQ]HOQHVKHUDEVHW]W³ 62 758). Der Nominalismus versteht anders gesagt das Allgemeine allein als Denkprodukt des abstrahierenden monologischen Subjekts, während in der gesellschaftlichen Praxis die Subsumierung des Einzelnen unter das Allgemeine real vollzogen wird und dem begrifflich Allgemeinen damit zugleich gesellschaftliche Realität zukommt, wodurch allererst die Denkbegriffe apriorisch die allgemeine Gültigkeit haben können, die der Transzendentalismus vorfindet. Der Begriff ist ± wie Adorno betont ± Moment in der gesellschafWOLFKHQ3UD[LVHULVWÄLQHLQQLFKWEHJULIIOLFKHV*Dnzes YHUIORFKWHQ³ (ND, 24). Das ist das partielle Recht des Begriffsrealismus gegenüber dem Nominalismus, das von Adorno gesellschaftskritisch gewendet wird: Die Gesellschaft ist real gebildet nach dem Primat des Subjekts in Form der Herrschaft des identifizierenden Denkens über das miteinander nicht Identische wie auch gleichursprünglich in Form der realen Herrschaft des Allgemeinen über das Einzelne, dem unter dieser Herrschaft eine uneingeschränkte Individuierung bis heute verwehrt ist. Es ist die Gesellschaft als Totalität des Funktionszusammenhangs, in der alles Reale wie ein jedes Lebendige nur für ein anderes fungiert und DXIGLHVH)XQJLELOLWlWUHGX]LHUWLVW,QJHQDXGLHVHP3XQNWQlPOLFKGHUÄ*HVHOlVFKDIWLQGHQ%HJULIIHQ³UHIOHNWLHUWJHUDGHXQGHUVWGHUSprachspielnominalismus das an den Begriffen, wodurch sie in gesellschaftlicher Hinsicht mehr sind als die Ä$EEUHYLDWXUIU(LQ]HOQHV³*HVHOOVFKDIWJHKWQDFKVHLQHU.RQ]HSWLRQNRQVWLWutiv in die begriffliche Bedeutung ein, indem diese sich aus den von einer Sprachgemeinschaft generierten Regeln des Wortgebrauchs in einem Sprachspiel ergibt und das Sprachspiel mit der gesellschaftlichen Praxis auf untrennbare Weise verflochten ist. Wenn Adorno unterstreicht, dass ± ebenso wie das Nichtbegriffliche in einem konstitutiven Bezug steht zum Begrifflichen und von ihm nicht getrennt werden kann ± GLH 9RUJlQJLJNHLW GHU *HVHOOVFKDIW VLFK ÄQLFKW DXV GHQ 9HUPLWtOXQJHQGHV'HQNHQVKHUDXVSUlSDULHUHQ³OlVVWVRNann dies aus sprachspielnominalistischer Sicht damit bestätigt werden, dass der bedeutungskonstitutive Wortgebrauch Teil der sozialen Praktiken einer Sprachgemeinschaft ist, in der ein Einzelner durch Teilnahme an diesen Praktiken sozialisiert und damit überhaupt erst zu jemand wurde, der in Begriffen denkt. Diese Praktiken stellen sich aus der Perspektive der Kritischen Theorie allerdings als solche dar, die von dem Zweck der Naturbeherrschung geprägt sind und das Erfahrbare auf seine Funktion in instrumentellen Handlungszusammenhängen abstrahierend reduzieren. Wenn nun

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Gesellschaft qua erworbener gesellschaftlicher Praktiken in Gestalt der Sprache im Innersten der Subjekte haust und diese Praktiken, worauf die Negative Dialektik abhebt, solche des Gleichsetzens von Unterschiedenem zu Herrschaftszwecken sind, so heißt das für Adornos kritische Theorie, dass die einzelnen Subjekte qua Vergesellschaftung den Schein der Identität reproduzieren, der durch die Praktiken der Gleichsetzung von nicht Identischem gesellschaftlich real produziert wird. In dem Versuch der Auflösung dieses Scheins koinzidieren Gesellschaftskritik, als die Kritik an den sozialen Praktiken der Gleichsetzung, und Erkenntniskritik, als die Kritik am identifizierenden Denken. Ein einziges Mal, in den Minima Moralia, verortet Adorno die Mimesis nicht allein im Verhältnis der Menschen zur Natur, sondern ausdrücklich im Verhältnis der Menschen zueinander. Obgleich die Folgen dieses Verständnisses von Mimesis alles andere als gering wären, würde man es konzeptionell aufnehmen, kommt Adorno hierauf nie wieder zurück. Gegen die konventionelle ethische Forderung nach Echtheit, die ein Mensch an den Tag legen solle als Ausweis seiner Unbestechlichkeit, seiner Menschlichkeit, wird in den Minima Moralia eingewandt: Ä(FKWKHLWLVWQLFKWVDQGHUHVDOVGDVWURW]LJHXQGYHUVWRFNWH%HKDUUHQDXIGHUPRQDGROogischen Gestalt, welche die gesellschaftliche Unterdrückung den Menschen aufprägt. Was nicht verdorren will, nimmt lieber das Stigma des Unechten auf sich. Es zehrt von dem mimetischen Erbe. Das Humane haftet an der Nachahmung: ein Mensch wird zum 0HQVFKHQEHUKDXSWHUVWLQGHPHUDQGHUH0HQVFKHQLPLWLHUW³ 17

Was hier im moralphilosophischen Kontext formuliert wird, hat Folgen weit über diesen hinaus. Es erstaunt, dass das mimetische Verhalten dort, wo es am offenkundigsten auftritt, bisher am wenigsten theoretisch reflektiert wurde, nämlich beim Erwerb der Sprache. Wie ich oben herausgestellt habe, lässt sich der mimetische Aspekt des Erkennens anhand gerade eines naturalisierenden Sprachverständnisses verdeutlichen, das sich nicht mehr in den cartesianischen Substantialismus einer res cogitans zwingen lässt. So lässt sich Mimesis in epistemischer Hinsicht als ein offenes Sprachverhalten verstehen, das auf die feinsten Differenzen dessen, worauf es sich bezieht, reagiert. Nun erwerben wir aber keine Sprache, indem wir sprechend die äußere Natur zu imitieren versuchen, sondern wir imitieren das Verhalten anderer Sprachbenutzer. Wenn Rorty in seinem Pragmatismus ein naturalisierendes Sprachverständnis, das vom sinnlich manifesten, sprachlichen Ausdruck ausgeht, mit dem erkenntnistheoretischen Behaviorismus zusammenführt, dann bedeutet dies, dass die verinnerlichende Nachahmung von offenem Sprachverhalten den Ausgangspunkt des Spracherwerbs bildet, der bis zur Vertrautheit mit einem Sprachspiel und den diskursiven Praktiken einer Sprachgemeinschaft reicht. 17 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 4, S. 176.

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Damit eröffnet sich ein Weg, das unmittelbar und intuitiv Gewisse eines Subjekts auf die Gesellschaft beziehungsweise die Sprachgemeinschaft zurückzuführen ± entVSUHFKHQGGHPHUNHQQWQLVNULWLVFKHQ 0RWLYGHU Ä8PZHQGXQJGHUVXEMHNWLYHQ 5HGXNWLRQ³ LP 6LQQH $GRUQRV 'LH Vertrautheit mit einem Sprachspiel, Grundlage dessen, was nach traditioneller Epistemologie als das Unanzweifelbare zum Fundament der Erkenntnis erklärt wird, lässt sich nun interpretieren als ± dies eine These der vorliegenden Untersuchung ± Resultat mimetischen Verhaltens zwischen den Menschen. Wenn Adorno gegen den positivistischen und objektivistischen Wahrheitsbegriff betont, dass keine Erkenntnis möglich sei ohne einen PLPHWLVFKHQ*HJHQVWDQGVEH]XJRKQHHLQHÄ9HUZDQGWVFKDIWYRQ6DFKHXQG*eGDQNHQ³,18 dann möchte ich vor dem Hintergrund der hier im Zusammenhang mit dem Sprachspielnominalismus vorgestellten These darauf insistieren, dass ebenso auch ohne ein mimetisches Verhältnis der Subjekte zueinander keine in wahren Sätzen verkörperte Erkenntnis wäre. Um zu dieser These zu gelangen, braucht man nur Wittgensteins 9RUVWHOOXQJ YRQ GHU VR]LDOHQ Ã$EULFKWXQJµ HLQHV Sprechers zum regelförmigen Gebrauch der Worte ± die so kurios ist wie die Behauptung, man lerne laufen, indem man dazu gestoßen werde ± durch die Einsicht zu ersetzen, dass ohne den Impuls zur Nachahmung und ohne die sich diesem Impuls verdankende, elementare Fähigkeit, sich sprachlich zu äußern, es erst gar nichts gäbe, das sich korrigieren und disziplinieren lässt. Die mimetische Schicht der Sprache muss auch und gerade von einem naturalisierten Nominalismus mitbedacht werden, denn wir lernen nicht nur den Gebrauch von Wörtern, wir lernen zugleich, sie auszusprechen, ohne dass das Denken zum Sprechen oder das Sprechen zum Denken erst noch hinzukommen müsste, und wir sind hinsichtlich unserer Herkunft unter Umständen an unserem Dialekt oder Akzent erkennbar. Wenn die sprachliche Differenzierung mit den Praktiken einer Sprachgemeinschaft verwoben ist, wenn sie sich ausdrückt in einer Lebensform, dann kann dieses Differenzierungsvermögen auch nur über eine mimetische Schicht in der Kommunikation von den Sprechern erworben werden, in der sich die Nuancen mitteilen und in der sie aufgehoben sind. Andernfalls wäre die Konkretion des sprachlichen Ausdrucks, durch den das Besondere artikuliert wird, wäre die gelingende sprachliche Wendung keine von den Sprachbenutzern einer Sprachgemeinschaft objektiv nachvollziehbare. Um Hegel zu verstehen, so ein von Adorno wiederholtes Aperçu, müsse man schwäbisch sprechen ± gerade weil die sprachlichen Nuancierungen dem gedanklichen Gehalt nicht äußerlich sind. Vor dem Hintergrund des bis hier Dargestellten ergibt sich folgende Schwierigkeit, die das Kraftfeld der Philosophie Adornos bildet ± eine Schwierigkeit, die überhaupt die Crux einer jeden Epistemologie darstellt, die den Primat des monologischen Subjekts hinter sich lassen möchte sowohl im Vertrauen auf den erfah18 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 5, S. 285.

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rungskonstitutiven Bezug des Subjekts zur äußeren Natur als auch im Hinblick auf den für die Objektivität der Erfahrung konstitutiven Bezug des Subjekts zu anderen Subjekten beziehungsweise zur Gesellschaft. Es stellt sich nämlich mit dem Versuch der doppelten Rückführung dessen, was ein Subjekt als sein begriffliches Wissen in Anspruch nimmt: einmal auf das Nichtbegriffliche, ein anderes Mal auf die Gesellschaft qua Sprache, ohne die kein einzelnes Subjekt über die begrifflich diskursiven Mittel verfügen würde, Aussagen zu formulieren, die allgemein, also auch für alle anderen Sprecher verbindlich sind ± es stellt mit dieser doppelten Rückführung die Frage nach der Quelle gültigen Wissens. Dass nach GHU7KHVH$GRUQRVDXVGHQÄREMHNWLYHQ*HVHW]HQGHV'HQNHQV³ DQGHUVJeVDJW GHQ GLVNXUVLYHQ 5HJHOQ HLQHV 6SUDFKVSLHOV  QLFKW ÄKHUDXV]XVSULQJHQ VHL³ deutet ± wie oben bereits zitiert ± auf den Halt des Denkens, den es an dem mit ihm nicht Identischen hat. +LHUPLW ZLUG MHGRFK GLH (LQVLFKW LQ GLH Ä9RUJlQJLgNHLW YRQ *HVHOOVFKDIW YRUP (LQ]HOEHZX‰WVHLQ XQG DOO VHLQHU (UIDKUXQJ³ LQ GLH ÄJHVHOOVFKDIWOLFKH 3UlIRUPLHUWKHLW GHU NRQWLQJHQWHQ LQGLYLGXHOOHQ (UIDKUXQJ³ (ME, 160) nicht zurückgenommen. Für Adorno aber ist es wiederum die individuelle (UIDKUXQJ GXUFK GLH GDV 'HQNHQ MHQHQ Ä+DOW DP 1LFKWLGHQWLVFKHQ³ KDW und das differenzierende Vermögen zum Zuge kommen kann, ohne welches keine Erkenntnis wäre. Wie aber lassen VLFK ÄGLH XQYHUNPPHUWH .RQNUHWLRQ GHU LQGLYLduellen ErIDKUXQJ XQG GLH 9HUELQGOLFKNHLW GHV %HJULIIV³ 0( 103) zusammenbringen? Anders und mit Rücksicht auf den entwickelten Sprachspielnominalismus formuliert: Wie lässt sich die auf die Konkretion des Objekts bezogene individuelle, ÄVXEMHNWLYH5HDNWLRQVZHLVH³ 1' 57) in Begriffe und Aussagen transformieren, deren Bedeutung sich erst in einem gemeinsamen Sprachspiel und damit einer gemeinsamen Lebensform bestimmt? Bei Rorty gibt es ± zumindest vordergründig ± dieses Problem nicht. Denn indem er von vornherein die epistemische Autorität vollständig bei der Sprachgemeinschaft verortet und in epistemologischer Hinsicht unter dem Realitätsbezug der Sprecher ihren kausalen Bezug zur sprachlich determinierten Realität versteht, gibt es nichts, was als das mit den sprachlichen Bestimmungen nicht Identische zum erkenntnisrelevanten Inhalt individueller Erfahrung werden könnte. Bei Adorno hingegen bilden individuelle Erfahrung und allgemeingültige Urteile die Pole, von denen her der Wahrheitsbegriff der Negativen Dialektik erst zu verstehen ist. Ihr Erkenntnisideal besteht darin, mit begrifflichen Mitteln, zu denen kein Sprachbenutzer eine Alternative hat, wenn er überhaupt einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit seiner Erkenntnis erheben will, das verbindlich zu artikulieren, woran der einzelne Begriff, der immer schon seine Identität mit dem Seienden behauptet und der doch Resultat von Abstraktion bleibt, nicht heranreicht. Dass individuelle Erfahrung und die Allgemeingültigkeit begrifflich diskursiven Denkens sich weder ausschließen noch nahtlos ineinander übergehen, hat Konsequenzen für den Erkenntnis- und Wahrheitsbegriff. Erst die Erfahrung, die von keiner diskursiven Praktik, von keinem Sprachspiel reglementiert ist, ist der

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Möglichkeit nach gesättigt mit der Fülle des Objekts, an dem sie als individuelle (UIDKUXQJVLFKVHOEVWNRQNUHWLVLHUW$OOHUGLQJVEOHLEWGHPPLPHWLVFKHQÄGHPGLfferenzierenden Vermögen soviel an Zufälligkeit gesellt wie jeglicher ungeschmälerter Individualität gegenüber dem Allgemeinen GHU9HUQXQIW³ 0( 55), die auf das Allgemeingültige geht und nicht auf das vom Allgemeinen Unterschiedene des Objekts individueller Erfahrung. Soweit die Erkenntnis auf die individuelle Objekterfahrung zurückgeht ± und die ist kein Fundament der Erkenntnis, wie es mit der subjektiven, intuitiven und zugleich allgemeingültigen Gewissheit, die keineswegs mit individueller Erfahrung koinzidiert, beansprucht wird ±, soweit also das denkende Individuum, statt sich auf erkenntnistheoretisch gesichertem Fundament zu bewegen, mit der Hinwendung zum Objekt ins Ungewisse, Offene JHKW DXIV Ä%RGHQORVH VFKOlJW³ 1' 45), gewahrt es die verlierbare Wahrheit. Ä6FKZHEHQG LVW VLH ]HUEUHFKOLFK YHUP|JH LKUHV ]HLWOLFKHQ *HKDOWV³ HEG  'HU aber ist einer auch des Objekts, nicht nur des subjektiven Vermögens, das sich unabhängig vom Objekt gar nicht ausbilden könnte. Wenn kein transhistorisches Wissensfundament die Erkenntnis des Wahren garantiert, keine zeitlos gültigen Regeln des Verstandes oder der Sprachspiele, die ± um Rorty ausdrücklich zuzustimmen ± mitsamt ihrem Vokabular historisch kontingent sind, dann ist Erkenntnis des Wahren, und mit ihr alle Theorie über Erkenntnis, auf das konkrete Objekt angewiesen. Im Funktionszusammenhang instrumentellen Handelns aber ist dieses ein real reduziertes Objekt, ein Seiendes nur für anderes. Gesellschaftlich präformiert ist die Erfahrung des Individuums keineswegs nur durch die 6SUDFKH VRQGHUQ LQ XQWUHQQEDUHP =XVDPPHQKDQJ PLW LKU GXUFK GLH ÄUHDOH 'eWHUPLQDWLRQGHU3KlQRPHQH³ 1' 58). Reglementierte Erfahrung und damit die geschmälerte Erfahrung des Subjekts verhält sich komplementär zum reduzierten Objekt. Diese Reduktion ist das Mal einer misslingenden Praxis, deren Maßstab die Verfügbarkeit der Dinge und Menschen zu subjektiven Zwecken ist. Dagegen ist das unreduzierte Objekt der ungeschmälerten Erfahrung des Individuums, das naheliegenderweise vor allem das Kunstwerk ist, unverfügbar. Eine utopische Praxis freilich, eine Lebensform, in der die Dinge, und nicht erst die Kunstwerke, eine Erfahrung ermöglichen, in der dem bedürftigen Subjekt die Fülle entgegenkommt, durch die es mehr sein kann als das Reagenz auf das Reduzierte, mehr auch als das, was in Gestalt des reinen cogito als sein erkenntnistheoretisch so unangreifbarer Selbstbesitz aus ihm geworden ist, ist unkonstruierbar. Geht, nach dem Bilde negativer Utopie, unter dem praktischen Primat des Subjekts das qualitative Objekt und mit ihm die unreduzierte Erfahrung historisch verloren, so schwindet ebenso die Wahrheit der individuierten Erkenntnis. Diese ist keineswegs monadologisch in sich verschlossen, sondern kommunizierbar, was sich nicht zuletzt dadurch einsehen lässt, dass die von Adorno kaum beachtete mimetische Schicht der sprachlichen Mitteilung es ist, die der individuellen Erfahrung ihre sprachliche Konkretion und damit ihre Verstehbarkeit ermöglicht, ohne dass doch die erkennenden Individuen zur Identität des einen Sprachsubjekts zusammengezwungen wären. Weil das Objekt der individuellen, freien Reaktionsweise

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und Phantasie des individuierten Sprechers bedarf, um sich als Besonderes mitzuteilen, koinzidiert Wahrheit nicht mit strikter Allgemeingültigkeit. Ein perspektivisches Moment ist in ihren Begriff einzubeziehen. Weil aber das individuierte Subjekt der Erkenntnis sowohl VHLQHQÃ+DOWµ hat am konkreten Objekt als auch seine mögliche Artikulation durch eine den Menschen gemeinsame Sprache, muss die individuierte Erkenntnis nicht auf die Objektivität verzichten, die der Objektivismus verfehlt und die der Subjektivismus nicht wahrhaben will. Einleitend in die Untersuchung habe ich bisher erörtert, in welchem Verhältnis der Neopragmatismus und die frühe Kritische Theorie zueinander stehen, wenn man sie im Hinblick auf die normative Dimension des Wahrheitsbegriffs betrachtet und ein gelingendes Verhältnis zur Natur als seine Implikation mitdenkt. Ich habe des Weiteren herausgestellt, was die vorliegende Untersuchung zu Rorty und Adorno motiviert: Nach meiner These impliziert die Philosophie Adornos eine Kritik am subjektphilosophischen Ansatz, die das Naturverhältnis der Menschen mit umfasst und daher von einer Reichweite ist, die mit dem kommunikationstheoretischen Paradigmenwechsel theoriegeschichtlich zu Unrecht aus dem Blick geraten ist. Schließlich habe ich zur inhaltlichen Orientierung skizziert, unter welchen Aspekten ich Adornos und Rortys Philosophie rekonstruieren, miteinander konfrontieren und füreinander fruchtbar machen möchte. Abschließend möchte ich nun in Form einer Kapitelvorschau angeben, wie das bis hier skizzierte Programm in den einzelnen Kapiteln der Arbeit schrittweise umgesetzt werden soll. Im ersten Kapitel, Rortys neopragmatische Kritik am Wahrheitsbegriff, entfalte ich die zentralen Aspekte von Rortys Kritik am Wahrheitsbegriff, die sich auf die platonische und korrespondenztheoretische Fassung dieses Begriffs bezieht, wonach das Wahre mit dem Unvergänglichen koinzidiert und die Erkenntnis des Wahren auf die Übereinstimmung eines erkennenden Subjekts mit der Realität hinausläuft, wie sie wirklich ist (und nicht nur einem Subjekt erscheint). Diese Kritik umfasst auch die Problematisierung eines Wissensbegriffs, mit dem die voraussetzungsvolle Vorstellung verbunden ist, dass es ein nichtdiskursives Wissen gibt, das in einem perzeptiven oder noetischen Verhältnis des Erkennenden zum Erkenntnisgegenstand gründet. Rorty stellt diese Voraussetzungen in Frage, von denen erkenntnismetaphysische und erkenntnistheoretische Modelle ausgehen, indem sie auf ein direktes Wissen zurückgehen wollen, und er vollzieht damit eine metakritische Reflexion auf die Erkenntnistheorie. Ich werde, als die andere Seite der Kritik am traditionellen Wahrheitsbegriff, Rortys rein diskursives Verständnis von Wahrheit explizieren, nach dem die Erkenntnis des Wahren auf nicht mehr als auf die gelingende Rechtfertigung hinausläuft, indem ich zeige, wie der Neopragmatismus pragmatische, linguistische und metaphysikkritische Motive bündelt und dafür nutzt, den Wechsel von der repräsentationalen und sprachexternen Relation zwischen Erkenntnissubjekt und gegenständlicher Welt zu der diskurs-, sprach- und intersubjektivitätsinternen

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Relation als die epistemologisch allein relevante zu vollziehen. Im Neopragmatismus Rortys geht es, wie deutlich werden soll, vor allem um diesen Wechsel, nicht um die Abschaffung des Wahrheitsbegriffs im Dienste eines Relativismus. Des Weiteren werde ich vor diesem Hintergrund genauer darlegen, wie bei Rorty das perspektivistische Moment ins Spiel kommt, das ihm erlaubt, die Rede von der Wahrheit aufzugeben, was ihm bei oberflächlicher Betrachtung den Vorwurf des Relativismus einbringen kann und eingebracht hat. Dazu versuche ich, seine wahrheitstheoretische Position als Folge der Auflösung des ÃDings an sichµ unter pragmatisch nominalistischen Bedingungen (im Unterschied zur idealistischen Auflösung) zu rekonstruieren. Am Ende dieser Auflösung soll die pragmatistische Interpretation des Wahren nachvollzogen sein, die unter dem Wahren die gerechtfertigte Überzeugung versteht, die als Aussage über die gegenständliche Welt zugleich eine funktionierende Beschreibung der Wirklichkeit zu einem bestimmten Zweck darstellt. Nun ist jedoch für das Verständnis des Neopragmatismus genauer zu klären, von welcher Art für ihn das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit ist, wenn es kein lohnendes Thema einer Wahrheits- und Erkenntnistheorie darstellt. Um diese Frage zu beantworten, werde ich den von Rorty konzeptionell in Anspruch genommenen Nominalismus, der zunächst nur in seiner Funktion ins Spiel kam, den adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff zu destruieren, eigens zu rekonstruieren versuchen. Im zweiten Kapitel, Sprachspielnominalismus, soll die erste Stufe dieser Rekonstruktion erreicht werden. Rortys spezifischen Nominalismus werde ich hier zum einen vom Begriffsrealismus abgrenzen, um die für den Neopragmatismus relevanten deontologischen Implikationen dieses Nominalismus deutlich zu machen, ihn zum anderen aber auch vom konventionellen, namenstheoretischen Nominalismus absetzen, um die antirepräsentationalistischen Implikationen hervorzuheben. Zunächst betrachte ich in diesem Kapitel Rortys Nominalismus hinsichtlich der deontologischen Implikationen der oben formulierten These von der zweckrelationalen Beschreibung. Denn indem der Korrespondenzbegriff der Wahrheit aufgegeben wird zugunsten der Zweckrelationalität von Beschreibungen, verliert auch die erkenntnismetaphysische Frage nach der immanenten Natur dessen, womit ein erkennendes Subjekt, auf der Basis seiner immanenten Natur, übereinstimmt, ihre Bedeutung, wie sie etwa noch die Frage zum Verhältnis von Geist als ideellem Sein und Natur als materiellem Sein voraussetzt. Soll sich nun, nachdem ein rein diskursiver Wahrheitsbegriff keiner Erkenntnistheorie mehr bedarf, die Erkenntnistheorie durch eine Geschichte sozialer Praktiken vollständig ersetzen und Sprache sich als ein Werkzeug interpretieren lassen, sind einige Schritte nötig, die Rorty selbst nicht ausdrücklich vollzieht, die ich jedoch mithilfe der Einsichten Wittgensteins nachholen möchte, indem ich dessen Argumente für die Untrennbarkeit von Denken, Sprache und Praxis nachzuzeichnen versuche. Diese Untrennbarkeit ist die entscheidende Voraussetzung dafür, Wissen in Form der Verbindlichkeit begrifflicher Vollzüge als ge-

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ronnene gesellschaftliche Praktiken rekonstruieren zu können, was nicht möglich wäre, würden diese Vollzüge ± wie in begriffsrealistischen Modellen ± als ursprünglich intelligible Vorgänge nur durch die Introspektion eines Bewusstseins erreichbar sein. Der erste rekonstruktive Schritt in diese Richtung wird darin bestehen, mit Wittgenstein überhaupt die Versprachlichung des begrifflichen Denkens zu vollziehen. Im Nachvollzug seiner gebrauchstheoretischen Ansichten über das Funktionieren von Sprache und die Konstituierung sprachlichen Sinns liegt der nächste Schritt, der in der Sozialisierung sprachlichen Sinns und der Funktionalisierung der Sprache besteht. Sprache ist nun nicht mehr Hülle des Denkens und nicht Erkenntnismedium eines monologischen Bewusstseins, sondern gemeinsames Werkzeug einer Sprachgemeinschaft in ihrem Realitätsbezug. Das Sprachspielmodell vereinigt diese Schritte in sich und erklärt, wie Sprache bzw. begriffliches Denken und Welt im und durch das Sprachspiel aufeinander bezogen sind, ohne dass sprachlicher Sinn dabei eine außersprachliche Realität repräsentieren würde, und wie durch soziale Praktiken, die in der Fähigkeit bestehen, dieses Spiel zu beherrschen, sprachlicher Sinn generiert wird. Im dritten Kapitel, Naturalistischer Sprachspielnominalismus, der zweiten Stufe der Rekonstruktion von Rortys Nominalismus, werde ich den von ihm vertretenen Naturalismus näher kennzeichnen und die naturalistische Komponente des Sprachspielnominalismus entwickeln. Rortys Naturalismus ist untrennbar von seinem metaphysikkritischen Anspruch und von entscheidender Bedeutung, wenn man genau verstehen möchte, wie das Verhältnis von Sprache und Welt im Neopragmatismus funktionalisiert wird. Mit seiner Metakritik an der Erkenntnistheorie hatte Rorty bereits im Spiegel der Natur besonders die Äquivokation von Erklären und Rechtfertigen gültiger Aussagen im Auge, die im Empirismus dazu führt, durch einen Paramechanismus bzw. eine Paraoptik erklären zu wollen, wie begriffliche Urteile aus Sinneseindrücken entstehen. Der Empirismus unterscheidet noch nicht, wie Rorty im Anschluss an Sellars ausführt, zwischen dem physikalischen Raum der Ursachen und dem sozialen Raum der Gründe. Nun folgt, wie ich im dritten Kapitel darstellen möchte, auf der anderen Seite aus dem Verzicht auf einen Paramechanismus, der ungleiche Beziehungsglieder wie res cogitans und res extensa verbinden soll, ein naturalistischer Monismus, dem gemäß der Gebrauch der Sprache bzw. diskursiver Praktiken selbst nicht aus dem Naturzusammenhang herausfällt, den Rorty nicht anders als Kant als das gesetzliche, raumzeitliche Folgeverhältnis der Erscheinungen versteht. Vor diesem Hintergrund soll dieses Kapitel klären, wie sich der soziale Raum der Gründe und der natürliche Raum der Ursachen im Neopragmatismus zueinander verhalten müssen, wenn die Entstehung eines neuen Dualismus vermieden werden soll, bei dem sich diese Räume unvermittelt gegenüberstehen. Ich versuche deshalb zu zeigen, dass die von Rorty genutzte Möglichkeit, den Raum der Gründe in den Raum der Ursachen zu integrieren, allein in einem reflexiven Kausalverhältnis zwischen Sprachbenutzern und gegenständlicher Welt besteht, bei welchem die Sprachbenutzer von der sprachlich determinierten Realität zu bestimmten Aus-

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sagen kausal veranlasst, diese aber nicht von einer nicht sprachlichen Wirklichkeit hervorgerufen werden. Wenn Naturalisierung bedeutet, die sprachlichen Leistungen als Teil des Naturzusammenhangs zu verstehen, dann darf zwischen sprachlichem Sinn und dem offenen Sprachverhalten kein Hiatus wie zwischen res extensa und res cogitans bestehen. Dementsprechend lege ich dar, was es heißt, begriffliche Fähigkeiten aus einer evolutionstheoretischen Perspektive als Sprachäußerungen in Gestalt des sinnlich wahrnehmbaren, hochdifferenzierten Verhaltens zu verstehen, ohne zusätzlich einen gesonderten Bereich des Mentalen thematisieren zu müssen. Der quasiintelligible Charakter sprachlichen Verhaltens liegt dann nicht in einer Substanz namens Geist, sondern in der Normativität dieses Verhaltens begründet, darin nämlich, dass mit ihm zugleich eine soziale Praktik vollzogen wird, die man den Lautäußerungen buchstäblich nicht ansieht. In diesem Zusammenhang werde ich auch auf den psychologischen Nominalismus zu sprechen kommen, den Rorty von Sellars übernimmt. Dieser Nominalismus versucht, diejenigen Inhalte, die für die Bewusstseinsphilosophie bewusstseinsimmanente Entitäten nicht begrifflicher Art darstellen, wie zum Beispiel das bewusste Haben von Zahnschmerzen, von den offen zugänglichen, sprachlichen Leistungen hHU ]X YHUVWHKHQ GXUFK GLH VLH HUVW ]X GHQ Ã,QKDOWHQ HLQHV %HZXVstVHLQVµZXUGHQ'HQQVRODQJHGLH5HGHYRQYRUVSUDFKOLFKHQXQGJOHLFKZRKOJHLstigen Inhalten eines Bewusstseins nicht nominalistisch rekonstruiert werden kann, gibt es Entitäten, die wie die res cogitans selbst dem Naturzusammenhang unvermittelbar gegenübergestellt bleiben und die Naturalisierung des Nominalismus insgesamt in Frage stellen. An die Ergebnisse dieses Kapitels werde ich später anschließen, wenn ich auf Adornos Zirkel der Identifikation und auf ein naturalisiertes Konzept von Sprache, durch das der Mimesisbegriff verständlicher gemacht werden soll, zu sprechen komme. An die Rekonstruktion des naturalistischen Sprachspielnominalismus schließt sich nun mit dem vierten Kapitel die Darstellung des erkenntnistheoretischen Behaviorismus an. Zeigt die Konzeption des Sprachspielnominalismus, auf welche Weise Wissensinhalte auf die Sprachgemeinschaft mit ihren sozialen Praktiken zurückgeführt werden können, so kann mit dem Konzept des erkenntnistheoretischen Behaviorismus gezeigt werden, dass subjektive Gewissheit gesellschaftlich generiert ist. Entscheidend am erkenntnistheoretischen Behaviorismus ist der Versuch, den Weg, auf dem subjektive Gewissheit entsteht, gleichsam von außen nach innen, von der Gesellschaft zum einzelnen Subjekt zu verfolgen. Sprachspielnominalismus und erkenntnistheoretischer Behaviorismus werden später, wie ich behauptet habe, ein besseres Verständnis der These Adornos von der Gesellschaft in den Begriffen wie auch von der Gesellschaft im Subjekt ermöglichen. Der Behaviorismus in einem erkenntnistheoretischen Sinne ± es handelt hier DOOHUGLQJV HKHU XP HLQH Ã$QWLWKHRULHµ GHU (UNHQQWQLV DXFK ZHQQ 5RUW\ GLHVHQ

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$QVDW]VRJDUV\QRQ\PPLWÄSUDJPDWLVFKHr ErkenntnistheorLH³JHEUDXFKW± ist so zu verstehen, dass in ihm nicht mehr die mentale oder sprachliche Repräsentation, sondern das intersubjektive Verhalten den Ausgangspunkt der Epistemologie bildet. Mit der Hervorhebung des Verhaltensbegriffs bleibt der Naturalismus virulent, während der epistemologisch relevante Begriff der sozialen Praktik als dasjenige Verhalten, das einen normativen Charakter hat, sich wiederum an den Begriff des Verhaltens anschließen lässt. Vor diesem Hintergrund der entwickelten neopragmatischen Epistemologie soll erkennbar werden, warum alle erkenntnistheoretischen Versuche, Wissen im Einzelsubjekt zu fundieren, aus der Sicht des Pragmatismus scheitern müssen. Veranlasst sind solche Fundierungsversuche vom traditionellen Wahrheitsbegriff der adaequatio, der bereits im ersten Kapitel problematisiert wurde, jetzt aber die mit ihm verbundene erkenntnistheoretische Sackgasse erst ganz zu erkennen gibt. Wenn Wahrheit in der Übereinstimmung von Erkennendem und Wirklichkeit bestehen soll, so muss Wissen statt aus seiner Relation zu anderem Wissen sich kraft seiner Relation zur Wirklichkeit als wahres Wissen qualifizieren. Weil es aber keine transsubjektive Perspektive auf die Erkenntnisrelation zwischen Subjekt und Wirklichkeit geben kann, werden die Nähe des Bewusstseins oder des Sprachbenutzers zum Erkenntnisgegenstand und die Unanzweifelbarkeit von Aussagen, die mit dieser Nähe auf das Engste zusammenhängt, zum Index wahren Wissens. Damit wird zum Kandidaten für die Wissensfundierung das, was einem Einzelsubjekt das Unmittelbare und das Unkorrigierbare ist und den subjektphilosophischen Rückgang auf die Subjektivität motiviert. Diesbezüglich werde ich in diesem Kapitel zeigen, wie Rorty das Konzept eines Wissensfundaments qua subjektiver Gewissheit durch das Aufdecken sozialer Praktiken, die der subjektive Gewissheitsanspruch impliziert, auflöst, und diese Auflösung als eine kritische Leistung der pragmatischen Metakritik an der Erkenntnistheorie herausstellen. Den erkenntnistheoretischen Behaviorismus rekonstruiere ich in der Weise, dass ich darlege, wie er die für eine Subjektphilosophie zentralen Begriffe der Gewissheit und des unkorrigierbaren Wissens in seiner Verknüpfung mit der Nähe, die etwas ± wie z.B. die vom psychologischen Nominalismus propositionalisierten Bewusstseinsinhalte ± zu einem Einzelbewusstsein hat, in die intersubjektiven Kategorien der Unwidersprochenheit und Unwiderlegtheit und der daraus resultierenden Vertrautheit mit einem Sprachspiel übersetzt, und diese Begriffe damit auf soziale Praktiken zurückführen kann. Im fünften Kapitel, Neopragmatismus und Subjektphilosophie, setze ich mich kritisch mit Rortys ambivalenter Stellung zur Subjektphilosophie auseinander. Zunächst würdige ich seine Kritik an der Subjektphilosophie in ihrer monologischen Gestalt und analysiere folgendes Problem als die Crux dieser Philosophie: Was das Einzelbewusstsein als seine Gewissheit beansprucht, gewinnt es aus der Unmittelbarkeit der Inhalte seines eigenen Bewusstseins, zu denen nur es selbst vollständigen und unmittelbaren Zugang hat und von denen alle anderen strikt ausgeschlossen sind. Dies aber steht im direkten Widerspruch zu der all-

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gemeinen Gültigkeit, die das Bewusstsein zugleich für sein untrügliches Wissen von diesen Inhalten beansprucht und die vom nichtdiskursiven Wissensbegriff untrennbar ist, so dass es im Hinblick auf die allgemeine Geltung seines Wissens alle anderen gerade einschließen müsste, für die sodann dasselbe unmittelbar zu sein hätte. Als besondere Stärke von Rortys Ansatz hebe ich in diesem Kapitel daher noch einmal hervor, wie in ihm die auf das Einzelsubjekt hin fokussierte Erkenntnistheorie geradezu vom Kopf auf die Füße gestellt wird, indem nun der rekonstruktive Weg von der allgemeinen Geltung zur Gewissheit des Einzelbewusstseins verläuft. Sodann versuche ich, in kritischer Absicht den subjektphilosophischen Charakter, den Rortys Neopragmatismus selbst aufweist, genauer zu beleuchten, der vor allem in seinen nominalistischen Voraussetzungen begründet liegt. Dazu werde ich die strukturelle Verwandtschaft der Argumentation aufzeigen, die zwischen Rortys Rückgang auf die Sprachgemeinschaft und dem klassischen subjektphilosophischen Rückgang auf das erkennende Subjekt besteht. Der Rückgang auf Subjektivität ist die entscheidende Reflexionsbewegung der Erkenntnistheorie, die den adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff zur Voraussetzung hat und die sich durch diesen Rückgang Sicherheit verschaffen möchte hinsichtlich der Frage, was wir erkennen können und was nicht. Gelangt aber die erkenntnistheoretische Reflexionsbewegung beim Subjekt an ihr Ende, so wird der Dualismus, in dem sich erkennendes Subjekt und gegenständliche Welt gegenüberstehen, unausweichlich. Die Erkenntnistheorie der Neuzeit reagiert hierauf damit, dass sie immer noch mehr vom Erkenntnisgegenstand in das Subjekt verlagert. In diesem Kapitel möchte ich darlegen, wie sich in diesem Punkt der Neopragmatismus gar nicht wesentlich anders verhält als die Bewusstseinsphilosophie, der er sich strikt entgegensetzt. Er verfolgt die vollständige Rückführung aller Realitätseigenschaften auf die vergesellschafteten, zwecksetzenden Sprecher einer Sprachgemeinschaft, denen nichts unmittelbarer ist als ihr Sprachgebrauch, über den sie vollständige Gewissheit erlangen können. Wie alle Subjektphilosophie kompensiert auch der Neopragmatismus, jedoch eher latent als offen, die Unsicherheit der Erkenntnis einer Welt ÃdRUWGUDX‰HQµ mit der Sicherheit der Erkenntnis über die subjektiven Bedingungen ihrer Aneignung. Der Antirealismus und Antifundamentalismus Rortys wäre haltlos ohne den Rückgang auf das erkennende Subjekt, durch den die Stellung der Subjektivität zur Objektivität geklärt werden soll. Die Kriterien einer mit diesem Rückgang angestrebten Sicherheit aber sind, wie ich ebenfalls zeigen möchte, keine anderen als diejenigen, die der Subjektphilosophie in die Wiege gelegt wurden: die cartesianischen Normen der Klarheit und Deutlichkeit, die keiner anderen als der repräsentationalistischen Wahrheitsauffassung entspringen. Den mit dem Rückgang auf die Subjektivität allererst evozierten Dualismus versucht auch Rorty, vergleichbar der idealistischen Bewusstseinsphilosophie, unmittelbar zur Subjektseite hin aufzulösen. Durch diesen Auflösungsversuch aber tendiert sein Pragmatismus, wie sich zeigen wird, zur Geschlossenheit wie

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alle subjektphilosophischen Ansätze, in die man leicht hinein, aus denen man aber nur schwer wieder hinaus gerät, und immunisiert sich tendenziell gegen Einwände, die nicht seinen eigenen Prämissen folgen. Dennoch lässt er sich im Hinblick auf seine zentralen Thesen immanent kritisieren: Als die Achillesferse des Neopragmatismus werde ich sein verkürztes Verständnis des Verhältnisses von begrifflicher Form und nichtbegrifflichem Inhalt thematisieren. Für den Wissenden lässt sich keine Beschreibung von der Wirklichkeit ablösen, ohne damit das Wissen selbst zu negieren, darauf, und damit auf der Untrennbarkeit jener beiden Pole Form und Inhalt, insistiert ± zusammen mit Davidson ± Rorty. Aber er denkt das, worüber ein Sprecher in Bezug auf die gegenständliche Welt redet, allein in seiner epistemischen Abhängigkeit vom beschreibenden Vokabular, ohne umgekehrt ± was Untrennbarkeit impliziert ± ebenso dieses Vokabular in seiner Abhängigkeit von der Qualität des Gegenstandes der Rede zu reflektieren. Mit einer solchen Reflexion, die sich auf keinen adäquationstheoretischen Begriff von Wahrheit zubewegt, weil sie die subjektive Vermitteltheit nicht unterschlägt, gelangt man zum Modell der Negativen Dialektik Adornos und zu der Idee einer metakritischen Reflexion auf die Subjektivierung in der neuzeitlichen Erkenntnistheorie. Im sechsten Kapitel, Begriff und Realität in der ÃNegativen Dialektikµ Adornos, in dem ich zur Philosophie Adornos übergehe, geht es um dieses Modell negativer Dialektik. Um das komplexe Verhältnis zwischen begrifflichem Denken und dem mit ihm ± so Adorno ± ÄQLFKW LGHQWLVFKHQ 6DFKKDOWLJHQ³ 1' 139) zu rekonstruieren, nehme ich zunächst Differenzierungen an dem vor, was mit dem begrifflichen Denken nicht identisch ist. In der Folge greife ich das pragmatische Begriffsverständnis auf, das begriffliche Vollzüge anhand sozialer Praktiken erläutert. So thematisiere ich das Andere des Denkens zum einen unter dem Aspekt, dass es nicht begrifflich ist; das heißt, es unterscheidet sich vom begrifflichen Vollzug lediglich wie der Fluss Moldau von der sinfonischen Dichtung, die ihm gewidmet wurde. Zum anderen werde ich das Andere unter dem Aspekt betrachten, dass es nichtbegrifflich ist, was besagen soll, dass es vom Begriff nicht einfach nur unterschieden ist, sondern darüber hinaus in konstitutivem Bezug zum Begriff steht, also den begrifflichen Vollzug von der Objektseite aus erst ermöglicht. In dieser Rekonstruktion gehe ich zunächst von der mit dem Neopragmatismus verwandten Auffassung Adornos aus, dass der Begriff ein Werkzeug ist im Dienst der Naturbeherrschung. Adorno denkt den so verstandenen Begriff zunächst als Merkmalseinheit und als Resultat von Abstraktion. Der Begriff geht aus den Identitätssetzungen hervor, die selbst einen idealen und realen gesellschaftlichen Vorgang darstellen. Um diesen Sachverhalt genauer zu fassen, reformuliere ich ihn im Anschluss an den Pragmatismus so, dass ich von den gesellschaftlichen Praktiken der Gleichsetzung von Unterschiedenem zu Zwecken der Naturbeherrschung sprechen werde. Mit den identifizierenden Praktiken wird

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das, was im oben angeführten Sinne lediglich nicht begrifflich ist, begrifflich determiniert (oder im Sinne des neopragmatischen Nominalismus beschrieben) und, weil es Gegenstand von Praktiken ist, auch real determiniert. Von dieser Differenzierung ausgehend, möchte ich das neopragmatische Sprachkonzept eines reflexiven Kausalverhältnisses in kritischer Absicht vertiefen und in die Interpretation der Negativen Dialektik aufnehmen, indem ich den realitätsprägenden Aspekt der menschlichen Praxis des Identifizierens von nicht Identischem und der mit ihr verwobenen sprachlichen Praktiken herausarbeite. An dem Vorgang sodann, dass die Begriffe idealiter die gesellschaftlich generierte Abstraktion enthalten, nach der realiter die Gegenstände in der menschlichen Praxis geprägt werden, so dass die determinierte Realität reales Äquivalent zum determinierenden Begriff bzw. dem beschreibenden Vokabular ist und uns zu entsprechenden Aussagen und Handlungen veranlasst, werde ich das erläutern, was bei Adorno als Zirkel der Identifikation und als gesellschaftlicher Immanenzzusammenhang im Zentrum seiner Gesellschafts- und Erkenntniskritik steht. Der gesellschafts- und erkenntniskritische Gehalt der Negativen Dialektik wird in diesem Kapitel durch eine Interpretation dessen erschlossen, was Adorno als das Nichtbegriffliche einklagt, das oben vom nicht Begrifflichen unterschieden wurde und das in der herrschenden Erkenntnispraxis unterschlagen wird. Um ein angemessenes Verständnis der Rede vom Nichtbegrifflichen zu bekommen, werde ich den Doppelcharakter darlegen, der dem Begriff in der Negativen Dialektik zukommt und durch den er wiederum mehr als nur ein Werkzeug ist. Indem der Begriff Seiendes reduziert auf die Identität mit anderem Seienden, entfernt er sich vom Ontischen. Zugleich jedoch muss das begriffliche Denken stets auch etwas am Ontischen treffen, um es identifizieren und von ihm sich wieder entfernen zu können. Dieses Etwas erst wird als Nichtbegriffliches verstanden und erläutert. Die Explikation dieses dialektischen Zusammenhanges soll Folgendes erhellen: Die selbst nicht begriffliche Realität wird nicht nur begrifflich determiniert, sondern die begrifflichen Vollzüge werden ebenso ihrerseits vom Nichtbegrifflichen geprägt. Damit ist die subjektphilosophische und nominalistische Rückführung aller Eigenschaften auf das denkende, determinierende Subjekt in Frage gestellt, das heißt: in Frage gestellt ist nicht nur der Primat des Einzelsubjekts, sondern überhaupt derjenige der vergesellschafteten Subjekte insgesamt gegenüber dem Seienden. Nun wurde aber ausgeführt, dass in der nach dem Identitätsprinzip determinierten Realität die Gegenstände begrifflichen Denkens real reduziert sind. Soweit das Nichtbegriffliche nicht mit dem begrifflich Determinierten zusammenfällt, steht es daher ± was in diesem Kapitel als Erkenntnis vorbereitet werden soll ± für ein utopisches Potential, das erst durch eine veränderte Praxis zum Zuge käme, in der die Dinge nicht mehr auf ihre Funktion im Prozess der Naturbeherrschung reduziert wären. Dazu bedarf es freilich eines ± in Adornos Worten ± qualitativen Subjekts und eines Verhaltens, durch das sich das Denken vom Nichtbegrifflichen prägen lässt und damit der Herrschaft über die Dinge entsagt.

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Dieser Punkt wird später im neunten Kapitel, das den Begriff der Mimesis behandelt, näher erläutert. Im siebten Kapitel, Zweite Reflexion und die Dialektik der Subjektivierung, wird das für Adornos Metakritik an der Erkenntnistheorie zentrale Motiv der zweiten Reflexion entwickelt und dargestellt, was diese Reflexion auf den erkenntnistheoretischen Rückgang auf die Subjektivität in den Blick bekommt und wie durch sie der subjektphilosophische Vorrang des Subjekts gebrochen und der dialektische Vorrang des Objekts eingeleitet wird. Herausstellen werde ich im Anschluss an die Resultate des sechsten Kapitels zunächst die Bedingungen, unter denen sich das Subjekt beim Rückgang auf sich selbst als epistemisches Zentrum erfahren kann. Dem Subjekt liegt der gesellschaftliche Prozess im Rücken, in dem die Realität durch identifizierende Praktiken real determiniert wurde. Das Einzelsubjekt kann sich deshalb als konstitutives Subjekt im Hinblick auf die begriffliche Bestimmtheit der Realität erfahren, weil das Identitätsprinzip gesellschaftlich real verankert ist und das Subjekt zum Subjekt gerade dadurch wurde, dass es diese gesellschaftlichen Praktiken zu beherrschen gelernt hat. Diesen Umstand, der vom Neopragmatismus auf eine gerade für die Kritische Theorie instruktive Weise beleuchtet wurde, blendet der erkenntnistheoretische Rückgang auf das Einzelsubjekt und seine Gewissheit aus. Doch bedarf es auch einer immanenten Auseinandersetzung mit der Subjektphilosophie, welche die Subjektivierung qua Selbstreflexion, nicht jedoch die abermalige, zweite Reflexion vollzieht, die sich auf den Subjektivierungsprozess bezieht. Deshalb werde ich in diesem Kapitel zudem Adornos dialektische Kritik an der erkenntnistheoretischen Begrifflichkeit der Subjektphilosophie resümieren, die darauf hinausläuft, dass die Begriffe, in denen der subjektive Pol in der Erkenntnis gedacht werden soll, unvermeidlich ein nicht nur Subjektives implizieren, ein Seiendes, das über die Subjektivität hinausweist. Die erste Reflexion aber gelangt nur bis zu den subjektiven Implikationen angeblich subjektunabhängiger Sachverhalte, um sodann willkürlich abzubrechen. Gleichwohl wird diese erste, erkenntnistheoretische Reflexion auch von Adorno vorausgesetzt. Deshalb soll in diesem Kapitel ihr kritisches Recht beleuchtet werden. Sodann wird der Punkt genauer bestimmt, an dem die berechtigte Kritik am reflexionslosen Realismus in die Hypostasis des Subjekts umschlägt. Dazu werde ich des Weiteren einen theoriegeschichtlichen Exkurs einfügen, der den Subjektivierungsprozess in der Bewusstseinsphilosophie des mittleren Husserls kulminieren sieht. Wie ich zeigen möchte, liegt der entscheidende Fehler subjektzentrierter Ansätze darin, dass in ihnen unter der Hand aus einem Verhältnis der Unhintergehbarkeit (des begrifflichen Denkens und des Subjekts) ein Fundierungsverhältnis zugunsten des Subjekts, aus einem Abhängigkeitsverhältnis (wonach jede Erfahrung der begrifflichen Vermittlung bedarf) ein Vorrangverhältnis zugunsten des Subjekts wird. Abschließend soll betrachtet werden, nach welcher Logik der theoretische Prozess der neuzeitlichen Subjektivierung verläuft, an dessen Ende der erkennt-

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nistheoretische Primat des Subjekts steht. Dieser Prozess gibt sich zugleich als Residualisierung zu erkennen, die darauf hinaus läuft, dass das Objekt sowohl vollständig entqualifiziert als auch entprozessualisiert wird, denn zunehmend werden alle Objektbestimmungen auf das Subjekt zurückgeführt, das zudem alle Aktivität auf seiner Seite verbucht und sich einem Objekt entgegensetzt, das komplementär hierzu nur noch das qualitätslose, abstrakte Substrat subjektiven Bestimmens darstellt. Zeigen werde ich, wie drei Aspekte dynamisch ineinandergreifen, die von Adorno je getrennt thematisiert werden: (1) Das Identitätsdenken, das darin gipfelt, dass es das Objekt auf die abstrakte Identität des qualitätslosen X reduziert und das Subjekt auf die reine Identität des ego. (2) Die Komplementarität von Subjektivierung und Verdinglichung, die dazu führt, dass in genau dem Maße, in welchem das Subjekt sich selbst alle formende Aktivität zuspricht, das Objekt nunmehr als bloßes Ding, totes Material erscheint. (3) Die mit dem Rückgang auf das Subjekt unvermeidliche Objektabgewandtheit, welche die unreduzierte Objekterfahrung als Korrektiv zur geschlossenen subjektiven Sphäre verhindert. Als die Pointe dieses Prozesses versuche ich herauszuarbeiten, worin die Dialektik der Subjektivierung besteht: Auch wenn Subjekt und Objekt unter den Prämissen des subjektiven Primats zu abstrakt entgegengesetzten Polen werden, so wird dennoch das Subjekt weiterhin von seinem Anderen geprägt, was bedeutet, dass es an dem von ihm selbst reduzierten Objekt seinerseits verarmt und als verarmtes sich zu der Immanenz verschließt, die ± mit der absoluten Gewissheit endlich ± nur noch von sich selber weiß. Auch Adorno will ± darin dem Pragmatismus nicht unverwandt ± philosophischen Gehalt nicht durch die Suche nach Gewissheit erlangen, die den Subjektivierungsprozess mit in Gang gebracht hat. Seine Kritik an der Subjektphilosophie, darauf möchte ich in diesem Kapitel hinaus, will nicht festere Fundamente freilegen, sondern die Fülle der unreduzierten Erfahrung restituieren. Im achten Kapitel, Residualisierung und Aufklärungsdialektik, wird es darum gehen, das, was im Vollzug einer zweiten Reflexion als Kritik an der neuzeitlichen Erkenntnistheorie und Subjektphilosophie entwickelt wurde, im Hinblick auf die Probleme der menschlichen Praxis wie überhaupt des okzidentalen Zivilisations- und Rationalisierungsprozesses, wie ihn die Dialektik der Aufklärung resümiert, näher zu betrachten. Denn in diesem Kontext erhält die Kritik an der Subjektphilosophie ihre praxistheoretische Bedeutung, lässt sich die pragmatismuskritische These begründen, dass menschliche Praxis so lange nicht gelingen kann, wie sie unter der Prämisse des Subjektvorrangs vollzogen wird. Auf diese Weise soll nicht zuletzt die Einheit von theoretisch-kritischem und praktischemanzipatorischem Interesse der Philosophie Adornos hervorgehoben und somit die auch im Sinne des Pragmatismus wahrheitsrelevante Frage beantwortet werden, was die theoretischen Aussagen der Kritischen Theorie für die menschliche Praxis bedeuten. Ich werde in diesem Zusammenhang die Kritische Theorie als ein Programm darstellen, das einen offenen Aufklärungsprozess fortzuführen versucht. Folgen-

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der Zusammenhang soll diesbezüglich entfaltet werden: Aufklärung bedeutet Deanthropomorphisierung und Entmythologisierung der Natur durch die Reflexion des subjektiven Projektionsanteil an ihrem vermeintlichen Ansichsein. Aufklärung entspricht damit dem, was in der Epistemologie als erste Reflexion die Wendung zum Subjekt darstellt. Die Aufklärung als Entmythologisierung der Natur durch die reductio ad hominem führt zugleich jedoch zu einer Selbstmythologisierung der Subjektivität, die sich zum übermächtigen, erzeugenden Prinzip wird, das realiter über die Natur herrscht, ihr idealiter die Gesetze vorschreibt und alle Realitätsbestimmung in sich selbst gegründet sieht. Mythologisch ist dieses Selbstverständnis des Subjekts, weil es als naturbeherrschendes seinen konstitutiven Zusammenhang mit der beherrschten Natur ebenso verkennt wie es mit diesem Selbstverständnis zugleich seine alte Ohnmacht dem Auswendigen gegenüber real reproduziert. Was Letzteres bedeutet, werde ich in diesem Kapitel insbesondere anhand der realen Dialektik von Subjektivierung und Verdinglichung darstellen. Beschrieben wird ein Prozess, in welchem Subjektivität als souveränes Agens in Bezug auf die Natur, das diese im expandierenden, um nicht zu sagen explodierenden gesellschaftlichen Produktionsprozess in eine funktionale Dingwelt umwandelt und auf subjektive Zwecke reduziert, zugleich zunehmend mehr zum Reagens auf diese Welt wird. Es bedarf also auch die Subjektivität selbst einer aufklärenden Entmythologisierung, die als Selbstreflexion der Aufklärung verstanden werden kann, so wie es im erkenntnistheoretischen Kontext der zweiten Reflexion bedurfte. Deutlich werden soll dementsprechend, wie erst die zweite Entmythologisierung und damit eine Fortführung der Aufklärung die Bedingungen für eine befreite Subjektivität und für ein gelingendes Naturverhältnis erfüllen kann. In diesem Zusammenhang werde ich zudem ein Licht auf den zutiefst ambivalenten Charakter des komplexen historischen Aufklärungsprozesses werfen, der als dialektischer Zusammenhang von Herrschaft und Emanzipation entwickelt werden soll. Bedingung von Aufklärung und Entmythologisierung ist die Distanzierung von der Natur, ohne die zugleich keine Herrschaft über sie möglich gewesen wäre. Zwar ermöglicht im Aufklärungsprozess erst das Distanzierungsvermögen über den Weg der Selbstdistanzierung die emanzipatorische Selbstbesinnung. Diese wird jedoch zugleich durch das Anwachsen einer repressiven Unmittelbarkeit der Dingwelt, die sich im Aufklärungsprozess qua Subjektivierung etablieren konnte, blockiert. Am Ende des Kapitels werfe ich einen Blick auf die Bedeutung der ästhetischen Praxis, die für Adorno Statthalter und Vorschein einer gelingenden Praxis darstellt. Zeigen werde ich, inwiefern hier das Subjekt der eigenen Reduktion durch das reduzierte Objekt entgeht, indem es diesem zu seiner unabschließbaren Bedeutungsfülle verhilft. Das neunte Kapitel, Mimesis und Deresidualisierung, ist dem Thema Mimesis gewidmet und zeigt in wechselnden Kontexten, von welcher konzeptionellen Bedeutung sie in der Philosophie Adornos ist und wie sich der Mimesisbegriff

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sprachphilosophisch (und auch intersubjektivitätstheoretisch) weiterentwickeln lässt. Mimesis wird von Adorno als eine versöhnende Verhaltensweise der Subjektivität epistemologisch und anthropologisch zur Geltung gebracht, mit der das Subjekt keinen Vorrang mehr gegenüber der Natur beansprucht. Mit Blick auf die bereits dargestellte Aufklärungsdialektik werde ich zeigen, inwieweit die mimetische Schicht des menschlichen Verhaltens, obgleich sie der Herrschaft entgegengesetzt ist, eine untilgbare Komponente auch des naturbeherrschenden Verhaltens darstellt. Darüber hinaus wird erläutert, was mimetisches Verhalten als Angleichung an das in der menschlichen Praxis real reduzierte Objekt bedeutet und wie sich hiervon das freie mimetische Verhalten unterscheidet, das zu einer lebendigen Verschränkung von qualitativem Objekt und aktiv-rezeptivem Subjekt führt. Im engeren epistemologischen Kontext werde ich sodann näher betrachten, wie sich das untilgbar Mimetische als Moment im begrifflichen Denken darstellt, das Adorno durch die Umwendung der neuzeitlichen Subjektivierung gleichsam freisetzen möchte und das sich als Differenzierungs- und Ausdrucksfähigkeit begrifflichen Denkens artikuliert. Ich werde dieses Moment, unter anderem durch Bezugnahme auf das Schematismuskapitel der Kritik der reinen Vernunft, am dialektischen Verhältnis von Aktivität und Passivität, Spontaneität und RezeptiviWlW GHV 'HQNHQV VRZLH GHU Ã9HUZDQGWVFKDIWµ YRQ $QVFKDXXQJ XQG EHJULIIlichem Denken näher erläutern. Damit soll zugleich der Gedanke weitergeführt werden, der im sechsten Kapitel PLW GHU 5HGH YRP Ä1LFKWEHJULIIOLFKHQ LP %eJULII³EHUHLWVentwickelt wurde, in der es um das konstitutive Geprägtsein des begrifflichen Bestimmens durch das ging, worauf sich dieses Bestimmen bezieht. In diesem Kontext soll sodann Adornos eng mit dem Konzept der Mimesis zusammenhängende, antirepräsentationalistische These eingeführt und präzisiert werden, dass Wahrheit Affinität sei und nicht adaequatio; eine Auffassung, die mit der Kritik an der absoluten Gewissheit als Index des Wahren korrespondiert. Neben seiner Rolle, für ein befriedetes Naturverhältnis zu stehen, hat der Mimesisbegriff aber auch ± wie ich anhand seines auf die Leiblichkeit verweisenden Gebrauchs, den Horkheimer und Adorno von ihm machen, zeigen werde ± für Adorno die konzeptionelle Bedeutung, ein Kontinuum zwischen dem begrifflichen Denken ± und dieses steht bei ihm auch für ÃGeistµ als das Andere der Natur, das sich der Natur entgegensetzt und doch auch Natur ist ± und der Natur verständlich machen zu können. Hier nun setze ich vor dem Hintergrund des Verständnisses vom begrifflichen Denken, das sich mit der Rekonstruktion des Sprachspielnominalismus gewinnen ließ, mit der Kritik an. Den Ausgang bildet das Problem, dass Adorno ungeklärt lässt, wie der durch die idealistische Subjektphilosophie überlieferte Geistbegriff sich auf eine nicht idealistische Weise noch verwenden lässt. Diese Ungeklärtheit hindert ihn an der Versprachlichung des begrifflichen Denkens, obgleich er, wie ich belegen werde, die mimetischen Fähigkeiten im epistemologisch relevanten Sinne seit der Negativen Dialektik als

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genuin sprachliche exponiert. Was in dieser Einleitung diesbezüglich angesprochen wurde, soll hier nun ausgeführt werden: Gewonnen werden soll ein neues Verständnis von Mimesis dadurch, dass sie im sprachspielnominalistischen Kontext der Versprachlichung des Denkens und der Naturalisierung der Sprache betrachtet wird. Damit ergibt sich eine neue Sicht auf die Problematik von Geist und Natur, aber auch auf die intersubjektive Bedeutung mimetischer Leistungen, wie sich an dem von Adorno selbst ins Spiel gebrachten Begriff der Tradition zeigen lässt, den er dem Ausgang vom monologischen Subjekt entgegengesetzt. Im zehnten Kapitel, Erfahrung im gesellschaftlichen Immanenzzusammenhang, wird versucht, anhand der gewonnenen Einsichten sowohl des neopragmatischen als auch des negativ dialektischen Ansatzes den Prozess der Aufklärung in einem Sinne weiterzudenken, der über die neuzeitliche Subjektzentrierung hinausführt in Richtung auf eine gesellschaftstheoretische Dezentrierung der Subjektivität und auf deren Objektzugewandtheit, die freilich einem unreflektierten Objektivismus keine Konzessionen macht. Im fünften Kapitel geriet bereits der subjektphilosophische Charakter des Neopragmatismus in den Mittelpunkt der Kritik: Rorty führt die Reflexion nur bis zu dem Punkt, an dem die sprachsubjektive und diskursive Vermitteltheit gegenständlichen Wissens gegen den Anspruch eines direkten Wissens verteidigt wird. In diesem Kapitel möchte ich auf der einen Seite zeigen, wie die neopragmatische Epistemologie in Bewegung gebracht werden kann, wenn man unter ihren eigenen Theoriebedingungen die Reflexion auf die Vermitteltheit der subjektiven Seite durch ein Nichtsubjektives, Nichtsprachliches vollzieht, sie also überhaupt der Dialektik zuführt. Der negativen Dialektik lässt sie sich zuführen, soweit dem Nichtsprachlichen in Gestalt seiner subjektiv unausschöpflichen Beschreibbarkeit, in der es Rorty zur Geltung bringt, ein Mehr gegenüber der sprachlichen Determinierung zuerkannt wird, das seiner Auflösung in begriffliche Bestimmungen widerstreitet. Auf der anderen Seite wird es um die Frage gehen, wie die Einsichten der neopragmatischen Epistemologie die von Adorno behauptete Einheit von gesellschaftstheoretischer und erkenntnistheoretischer Reflexion konzeptionell zu stärken vermögen. Für Adorno reflektiert sich in der Allgemeingültigkeit des begrifflichen, identifizierenden Denkens die Vorgängigkeit der Gesellschaft vor dem einzelnen Bewusstsein als das überindividuelle Moment des Denkens. Diese theoretische Annahme, die den Ausgangspunkt der Einheit von Gesellschaftstheorie und Erkenntnistheorie bildet, lässt sich, wie erkennbar werden soll, jedoch erst und nur unter den Bedingungen einer Versprachlichung des begrifflichen Denkens und einer Naturalisierung der Sprache rekonstruieren. In diesem Zusammenhang werde ich auch Adornos ± bisher wenig beachtete ± eigene naturalistische Argumentation im Hinblick auf den gesellschaftlichen Charakter des begrifflichen Denkens beleuchten. ± Das im Zirkel der Identifikation sich vollziehende Denken bildet die subjektive Immanenz, die vor sich selbst zum Fundament des Wissens und der Erfahrung wird. Weil die Allgemeinheit des begriff-

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lichen identifizierenden Denkens selbst kein erkenntnistheoretisches Postulat, sondern eine Allgemeinheit ist, die durch den Zusammenschluss der Subjekte zur gesellschaftlichen Einheit real hervorgebracht wird, kann Adorno von einem gesellschaftlichen Immanenzzusammenhang sprechen. Auch der Begriff dieses Zusammenhangs, der an dieser Stelle nochmals unter einem anderen Gesichtspunkt als im sechsten Kapitel entwickelt wird, nämlich unter dem der Interpretation des transzendentalen Charakters der Subjektivität, wird, wie ich zeige, nachvollziehbar erst mit der Erkenntnis, die auf die gesellschaftliche Dimension des Erkenntnissubjekts qua Sprache stößt und im erkenntnistheoretischen Behaviorismus terminiert. Im Anschluss an die subjektkritische Reflexion des gesellschaftlichen und des objektvermittelten Charakters des begrifflichen Denkens soll eine Antwort auf die Frage entwickelt werden, wie sich diese beiden Aspekte, die zugleich den von Adorno unterstrichenen Doppelcharakter des Begriffs bilden, zueinander verhalten. Spezifiziert wird diese Antwort dahingehend, dass der inferentielle Zusammenhang des Begrifflichen, der für den rein diskursiv-gesellschaftlichen Charakter des Denkens steht, und die Bezogenheit des Denkens auf Seiendes immanent aufeinander angewiesen sind. Sie bilden jedoch auch einen Widerspruch, den Widerspruch zwischen dem normierenden Erkenntnisanspruch auf Allgemeingültigkeit und der individuellen Erfahrung qua unreglementierter Zugewandtheit des Subjekts zu seinem Anderen. Im Hinblick auf diese Zugewandtheit, die ihrerseits das Defizit identifizierenden Denkens ebenso erkennen lässt wie dessen utopisches Potential und die die subjektive wie gesellschaftliche Immanenz transzendiert, wird zum Ende dieses letzten Kapitels Adornos Begriff der metaphysischen Erfahrung exponiert. Diese ist nicht mehr die Erfahrung eines reinen Ichs, in dem alle Gewissheit gründet, nicht die Erfahrung eines seine Zwecke verfolgenden Sprachsubjekts, das auf seine determinierte und funktionalisierte Umwelt reagiert, sondern die des bedürftigen Individuums, dem erst unter den Bedingungen seiner Individuierung objektiv etwas entgegenkommt, mit dem sich ein gelingendes Verhältnis zur Natur ankündigt. Eine solche metaphysische Erfahrung aber bleibt in gerade dem Maße dem Irrtum ausgesetzt, wie in ihr ein Unverfügbares, das menschliche Glück, aufscheint, um dessen willen am Ende all die subjektiven Veranstaltungen getroffen werden, die funktionieren oder misslingen und denen gerechtfertigte Überzeugungen zugrunde liegen.

1. Ror tys neopragmati sche Kri ti k am W ahr heitsbegr iff

Hat man verstanden, wie Rorty aus einem antiplatonischen Impuls linguistische mit pragmatistischen und metaphysikkritischen Argumenten zur Kritik am traditionellen Wahrheitsbegriff zusammenführt, befindet man sich im Zentrum seiner Philosophie. Als Resümee dieser Zusammenführung lässt sich die Aussage verstehen, dass das, was wir die Erkenntnis der Wirklichkeit nennen, eine Beschreibung der Wirklichkeit zu einem bestimmten Zweck sei, wobei die Wirklichkeit als HLQH Ä:HOW RKQH 6XEVWDQ] XQG :HVHQ³ YHUVWDQGHQ ZLUG In seinem Werk Der Spiegel der Natur nennt Rorty die Theoreme, an die sein Nominalismus anknüpft: Er favRULVLHUW HLQH ÄÃSUDJPDWLVWLVFKHµ DP %HJULII GHV Ã6SUDFKVSLHOVµ orientierte BetrachtungsweiVHYRQ6SUDFKH³GLHLKPÄDPEHVWHQGXUFKGLH$UEHiWHQYRQ6HOODUV:LWWJHQVWHLQXQG'DYLGVRQLOOXVWULHUW³ 61 ]XVHLQVFKHLQW Die pragmatische Seite des Nominalismus, den Rorty vertritt, liegt in dem mit Wittgenstein geteilten Verständnis von sprachlicher Bedeutung, das gegen die klassische, auch den konventionellen Nominalismus kennzeichnende Namenstheorie der Bedeutung geht. Nach diesem Verständnis besteht die Begriffsbedeutung im Gebrauch der Begriffsworte als Zug in einem gemeinsamen Sprachspiel, LQGHPVLFK]XJOHLFKHLQH/HEHQVIRUPDXVGUFNW'HPHQWVSUHFKHQGJLOWÄ[E]ine begriffliche Fähigkeit besitzen heißt nichts anderes als: ein Wort verwenden N|QQHQ³ :) 215). Ebenso wichtig für Rortys Nominalismus ist die dem Pragmatismus eigene Sichtweise auf die Sprache ± für sie argumentiert vor allem Sellars ±, die diese als eine offene Leistung, ein offen zugängliches Verhalten ansieht und in der die Formen diskursiver Rechtfertigung von Aussagen und Überzeugungen als ebenso offen zugängliche soziale Praktiken behandelt werden. BeUHLWVGHUIUKH3UDJPDWLVW-DPHVEHWRQWÄ$OOHVPHQVFKOLFKH'HQNHQZLUGGLVNXrsiv. Wir tauschen Gedanken aus, wir geben und nehmen Verifikationen, wir beNRPPHQ VLH YRQHLQDQGHU LP VR]LDOHQ 9HUNHKU³1 So hat der Pragmatismus seit 1

W. James: Der Wahrheitsbegriff des Pragmatismus, S. 171.

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Anbeginn mit dem Begriff von Wahrheit nicht unumstößliche Urteile und subjektive Evidenzen, sondern den sozialen Verifikationsprozess der für wahr gehaltenen Aussagen im Blick. Dass sich Sprache als eine offene Leistung wie Malen oder Singen oder Fußballspielen erschließt und dabei nicht etwa eine Ã+OOHµ aus Zeichen und Lauten ist, durch die hindurch ein verstehendes Subjekt auf vorsprachliche Entitäten oder Ereignisse eines Bewusstseins erst vorgedrunJHQVHLQPXVVXPGLHÃ+OOHµ zu verstehen, diese Auffassung Rortys hat ihre Entsprechung in einer Metaphysikkritik, die konsequent gegen die Aufteilung der Welt in Wesen und Erscheinung gerichtet ist und eine naturalistische Position zur Folge hat. Naturalistisch ist Rortys Ansatz in der Weise eines Panrelationismus, der nur die Relationen von Erscheinungen kennt und keine Spekulation über deren Substanz und Wesen anstellt, keine über deren innere Natur als eine materielle oder intelligible. In diesem monistischen Philosophem ist die Sprache, besser gesagt das Sprachspiel, gleichfalls ein holistisches Gebilde, in welchem die Bedeutung des einzelnen Begriffswortes nicht wie in einem konventionell namenstheoretischen Nominalismus in der entsprechenden Referenz auf ein Außersprachliches liegt; ebenso wenig liegt die Bedeutung wie im Begriffsrealismus in einer nur der ersten Person zugänglichen Idealität. Sie liegt vielmehr allein in der Stellung des Begriffs, in der Gesamtheit seiner inferentiellen Bezüge in diesem offenen Spiel. Rortys Nominalismus hat somit nicht nur seine pragmatistische Seite, er ist zugleich eingebettet in einen spezifischen Naturalismus, der wiederum der Anforderung eines konsequenten Nominalismus Rechnung trägt, die Entgegensetzung zwischen Wesen und Erscheinung nicht als Entgegensetzung von geistigem Inhalt und sprachsinnlicher Äußerung zu reproduzieren. (Es geht in diesem Naturalismus gerade nicht um eine biologische oder sinnesphysiologische Betrachtung menschlicher, insbesondere sprachlicher Leistung, sondern darum, dass diese Leistung offen zugänglich ist, so offen wie die Züge in einem Schachspiel, ohne dass man auch dieses biologisch deuten oder sich für den weiteren Verlauf die Frage stellen müsste, aus welchem Material die Figuren bestehen.) Rortys spezifischen Nominalismus und seinen Pragmatismus werde ich vorerst im Zusammenhang mit seiner Kritik an einem bestimmten Wahrheits- und Erkenntnisbegriff der philosophischen Tradition nachzuvollziehen versuchen. Dieser Tradition gegenüber soll die Epistemologie seines Pragmatismus die bessere Alternative darstellen. Diese Kritik am Wahrheitsbegriff ist zugleich eine Metakritik an dem Modell der Erkenntnistheorie, welche die Möglichkeit von Erkenntnis anhand der Frage zu klären versucht, wie Subjekt und Objekt, Bewusstsein und Gegenstand oder Sprache und Welt zueinanderkommen, und damit bereits die von Rorty kritisierte Vorstellung von der Wahrheit als einem Sein, mit dem das Denken übereinstimmt, voraussetzt. Das Missverständnis einer Erkenntnistheorie, die meint, diese Frage beantworten zu müssen und zu können, besteht schRQLQGHU $QQDKPH ÄÃ(UNHQQWQLVµ sei ein geeigneter Gegenstand der

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UntersuFKXQJ³ +( 26). Dafür, dass sie das aber nicht ist, wird Rorty in immer neuen Varianten argumentieren. Bereits Hegel nimmt in seiner Vorrede zur Phänomenologie des Geistes eine die Erkenntnis fundieren und legitimieren wollende Philosophie aufs Korn mit dem Hinweis, sie gleiche dem Versuch, schwimmen zu wollen, bevor man sich ins Wasser begebe. Wenn die erkenntnistheoretische Untersuchung unseres Verhältnisses zur Welt gar nicht die Frage beantwortet, warum einige unserer Aussagen wahr und andere falsch sind, dann aus Sicht des Pragmatisten nicht zuletzt desKDOEZHLOÃZDKUµ uQGÃIDOVFKµ ihre Funktion nur innerhalb einer sozialen, sprachlichen Praxis haben, innerhalb derer der Weltbezug im Sinne einer Interaktion mit der Umwelt, ihren Anforderungen entsprechend, sich schon bestimmt hat, so dass erst eine Untersuchung der sozialen Praxis Aufschluss darüber geben kann, warum wir einige Aussagen für wahr, andere für falsch halten. Die Erkenntnisrelation von erkennendem Subjekt und Welt ist daher für Rorty nicht länger epistemologisch relevant, soweit diese Relation nicht innerhalb einer historisch kontingenten und sich verändernden Sprachpraxis thematisiert wird, in der Sprache immer schon mit der Welt verbunden ist. Auf die Untersuchung der Erkenntnisrelation lässt sich also dann verzichten, wenn es um das Verhältnis eines Erkenntnissubjekts zu dem ÃZLUNOLFKHQ 6RVHLQµ der Welt geht, wie sie auch ohne 0HQVFKHQ XQG GHUHQ 6SUDFKH H[LVWLHUW HV DQGHUV JHVDJW XP GLH ÄZLUNOLFKH %eschaffenheit der Sache im Sinne dessen, was sie an und für sich und unabhängig vom Nutzen menschlicher Werkzeuge IU PHQVFKOLFKH =ZHFNH LVW³ :) 196), geht, mithin darum, wie diH 6DFKH ÄXQDEKlQJLJ YRQ XQVHUHQ PHQVFKOLFKHQ %edürfnisseQXQG,QWHUHVVHQH[LVWLHUW³ :) 194). Aussichtslos ist eine Theorie der Erkenntnis, die von einem Erkenntnisbegriff ausgeht, dem gemäß je nach Stand der Verbesserung des Verstandes dieser mehr oder weniger mit der Welt, wie sie an sich ist, übereinstimmt. Wenn Rorty die Repräsentations- und Korrespondenztheorien kritisiert, dann nicht solcheGLHÄVRVHLFKWXQGWULYLDOVLQGGD‰HVGDUüber nicht zum Streit kommen kann³ :) 124). Und wenn er die philosophische Unterscheidung von Schein und Wirklichkeit, die erst mit einem korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff relevant wird, wie alle Pragmatisten ablehnt, dann be]LHKWVLFKGLHVH$EOHKQXQJQLFKWDXILKUHQÄOHJLWLPHQXQSKLORVRSKLVFKHQ Gebrauch, wenn es darum geht, Wahrnehmungsfehler, betrügerische Finanzoperationen, Regierungspropaganda, irreführende Reklame und dergleichen zu beVFKUHLEHQ³ 3K= 128). Selbstverständlich gibt es wahre Aussagen über etwas in der Welt, so wie es auch ausweislich falsche gibt, diese Simplizität wird nicht tangiert. Jemand, der behauptet, es gäbe keinen Hunger in der Welt, weil er noch keinem Hungernden begegnet ist, spricht die Unwahrheit; man müsste schon die bisherigen gesellschaftlichen Praktiken der Rechtfertigung und den gemeinsamen Gebrauch der Sprache im Ganzen in Frage stellen, vor allem in Frage stellen können, um eine solche Behauptung ernsthaft aufzustellen. Rorty vertritt so wenig die These, es gäbe keine Wahrheit, soweit unter dieser zunächst nicht mehr

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als der Inbegriff wahrer Aussagen verstanden wird, wie etwa Kant die These vertritt, die Natur sei das Werk des Transzendentalsubjekts, nur weil er dafür argumentiert, dass sich etwas für ein erkennendes Subjekt nicht objektiviert, wenn eben dieses Subjekt nicht vorab eine das Mannigfaltige synthetisierende Leistung erbringt. Man sollte daher in einer Auseinandersetzung mit Rorty ein solches Missverständnis und die mit diesem verbundene Sorge, die Philosophie komme auf einen Relativismus herab und Sprache verliere zudem noch den Kontakt zur Welt, vermeiden, wenn eine solche Auseinandersetzung ergiebig werden soll. ÄÃ(VJLEWNHLQH:DKUKHLWµ. Was könnte das heißen? Warum sollte irgend jemand dergleichen EHKDXSWHQ"³(WF, 7). Es könnte jedenfalls nichts Sinnvolles heißen. Ä7DWVlFKOLFKJLEWHVIDVWQLHPDQGHQGHUVRHWZDVEHKDXSWHW>«]. Es wird jedoch oft gesagt, daß Philosophen meines Schlages diesen Anspruch erheben >«@³ (ebd.). $XVGHU6LFKW5RUW\VKDWGHQQDXFK1LHW]VFKHÄYLHO9HUZLUUXQJGDPLWJestiftet, daß er aus GHP6DW]Ã:DKUKHLWLVWNHLQH6DFKHGHU.RUUHspondenz mit der RealiWlWµ VFKOR‰ Ã:DV ZLU :DKUKHLW QHQQHQ VLQG QXU QW]OLFKH /JHQµ³ (KIS, 29). 'HQQVROFKH.RQIXVLRQHQVHW]HQ1LHW]VFKHÄGHP9RUZXUIGHUVHOEVtEH]JOLFKHQ ,QNRQVLVWHQ] DXV³ HEG  ± er beansprucht ein wahres Wissen, von dem er behauptet, es nicht haben zu können. Einen solchen Widerspruch begeht GHU3UDJPDWLVWQLFKW6HLQH]HQWUDOH7KHVHEHWULIIWÄGHQrein negativen Punkt, daß wir die herkömmliche Unterscheidung zwischen Wissen und Meinung fallenlassen sollten, wenn sie als Unterscheidung zwischen Wahrheit als Übereinstimmung mit der Wirklichkeit und Wahrheit als empfehlender Ausdruck für hinlängOLFKJHUHFKWIHUWLJWHhEHU]HXJXQJJHGHXWHWZLUG³2. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie Rorty unser kognitives Weltverhältnis, wenngleich unter der Bedingung von dessen erkenntnistheoretischer Bedeutungslosigkeit, sprachphilosophisch beschreibt. Und so soll im Verlauf der Untersuchung schon deshalb genau betrachtet werden, wie sein Nominalismus beschaffen ist, weil dieser eine spezifische Auffassung des Verhältnisses von Sprache und Welt impliziert, die zu diskutieren sein wird. Diese Auffassung ist für Rortys eigenen theoretischen Ansatz und für seine Metakritik an der Erkenntnistheorie von ebenso zentraler Bedeutung wie es die adäquationstheoretischen Voraussetzungen für die Idee einer Erkenntnistheorie sind. Bevor ich Rortys spezifischen Nominalismus im Zusammenhang mit seiner Metakritik an der Erkenntnistheorie und an einem ihr entsprechenden Wahrheitsbegriff, der, indem er sich von der Rechtfertigung unterscheidet, kein diskursiver ist, eingehender betrachte, möchte ich einführenderweise zunächst dem Leser vergegenwärtigen, wodurch Rortys Kritik an diesem Wahrheitsbegriff motiviert ist. Man braucht keinen Subjektivismus zu vertreten, noch muss man zum Biografen werden, um zu sehen, wie sich theoretische Motive im Kontext individueller und gesellschaftlicher Erfahrungen biografisch herausbilden. Reduziert sich 2

R. Rorty: Solidarität oder Objektivität?, S. 16.

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doch die Philosophie nicht auf eine erlernbare Technik, etwa des Argumentierens oder der Textauslegung; auf verbindliche Argumentation und kohärente Theoriebildung braucht deshalb jedoch nicht verzichtet zu werden. Am Beginn der philosophischen Karriere Rortys steht die Lektüre des 15Jährigen, dHUDOOHVYRQ3ODWRQODVXQGGHU]XGHUhEHU]HXJXQJJHODQJWHÄGD‰6okrates Recht hatte: TuJHQG ZDU WDWVlFKOLFK (UNHQQWQLV³ 3K= 144). Der PlatonOHNWUHJLQJHQÄVQRELVWLVFKH,QWeUHVVHQ³GHV.LQGHVYRUDQ5RUW\EHULFKWHW Ä(LQ SDDU -DKUH IUKHU KDWWH PHLQ Interesse Tibet gegolten. Dem eben inthronisierten Dalai Lama hatte ich ein Geschenk geschickt zusammen mit einem Begleitschreiben, in dem ich dem ebenfalls Achtjährigen herzlich gratulierte, dass er es zu etwas gebracht hatte. Als meine Eltern wenige Jahre später begannen, den Teil ihrer Zeit, den sie nicht im Chelsea Hotel tätig waren, in den Bergen nordwestlich von New Jersey zuzubringen, wandte sich mein Interesse den Orchideen zu. In diesen Bergen kommen etwa vierzig Arten wilder Orchideen vor, und mir gelang es schließlich, siebzehn von ihnen ausfindig zu machen. Wilde Orchideen sind selten, und sie sind ziemlich schwer zu erkennen. Ich hielt mir enorm viel darauf zugute, der einzige in der Gegend zu sein, der wußte, wo sie wuchsen, welches ihre lateinischen Namen warHQXQGZDQQVLHEOKWHQ³ 3K= 141)

Nach der ausführlichen Bekanntschaft mit der Philosophie Platons malte sich der +HUDQZDFKVHQGHDXVÄ:HQQLFK3KLORVRSKZUGHN|QQWHLFKGLH6SLW]HGHUÃJeWHLOWHQ/LQLHµ3ODWRQVHUUHLFKHQ± GHQ2UWÃMHQVHLWVGHU+\SRWKHVHQµDQGHPGDV strahlende Sonnenlicht der Wahrheit in die geläuterte Seele der Weisen und Guten scheint: ein von immateriellen Orchideen übersätes elysisches *HILOGH³ (PhZ, 145). Der Orchideenkenner und ehemalige Platonleser bezeugt: Ä,FKKDtte den dringenden Wunsch, so etwas wie ein Platoniker zu werden, und ab meinem fünfzehnten Lebensjahr tat ich mein BesWHV (V KDW DEHU QLFKW JHNODSSW³ (ebd.). Warum es nicht klappen konnte, das legt Rorty im Spiegel der Natur sowie in seinen zahlreichen Aufsätzen dar, in denen er dafür argumentiert, dass es jenseits der Hypothesen keinen Ort gibt, genannt die (unveränderliche) Wahrheit, die durch ein unwiderlegliches, zeitlos gültiges Wissen vom Unveränderlichen repräsentiert wird und auf die nach ausgiebiger Verbesserung des Verstandes das Denken als auf sein eigenes, nichtdiskursives Fundament stoßen kann, ohne dass zuvor der Spaten sich zurückbiegen wird. Dass die Karriere zum erfolgreichen Platonisten schiefgelaufen ist, liegt aber nicht daran, dass Tibet, Orchideen und schließlich Platon durch ein neues snobistisches Interesse verdrängt worden wären. Ausschlaggebend war das Insistieren auf der Frage, die ohne Antwort geblieben ist, ob es Platon in den Dialogen letztendlich auf öffentlich auszutragende, überlegene Argumente ankam oder auf das eigene Glück einer Erkenntnis qua Vernunft, die in der Anschauung ansichseiender Wahrheit kulminiert. ± Stellt diese Vorstellung von Erkenntnis, die im Unterschied zur bloßen Meinung ein unfehlbares Wissen darstellen soll, letztendlich die Hypostasierung des Unwiderlegten dar und nicht die Ankunft am Ort des Unwiderlegbaren? Im Menon

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geschieht der Übergang von der wahren Meinung zum Wissen durch die Angabe von Gründen, die durch die Anamnesis möglich werden soll.3 Und der Theätet, dieser quasi erkenntnistheoretische Dialog, endet mit der begründeten These, dass Wissen weder eine Wahrnehmung ist (oder die bloße Bekanntschaft mit etwas, durch die allein dieses Etwas noch nicht verstanden worden ist) noch wahre Meinung (die man auch haben kann, ohne in der Lage zu sein, sie entsprechend zu begründen). 4 Ä,QGLHVHP'LDORJ³VR5RUW\ ÄVDJW3ODWRQ, daß S weiß, daß p genau dann wahr ist, wenn p wahr ist und wenn S sowohl glaubt, daß p, als auch berechtigt ist zu glauben, daß p. Sobald man das gesagt hat, ist dem nichts Erkenntnistheoretisches mehr hinzuzufügen, es sei denn, man vermag etwas Allgemeines und Interessantes ausfindig zu machen, das sich über die Rechtfertigung oder über die Wahrheit sagen ließe. Die Philosophen haben die Hoffnung gehegt, durch Aufspüren eines Zusammenhangs zwischen den beiden interessante Angaben über beide ausfindig zu machen und dadurch das Zeitliche mit dem Zeitlosen zu verknüpfen, das vergängliche, menschliche Subjekt mit dem, was ohnehin da ist, einerlei, ob es MenVFKHQJLEWRGHUQLFKW³(HE, 26)

Erfüllt hat sich diese Hoffnung jedoch bis heute nicht. Berechtigt sein zu glauben und eine gerechtfertigte Meinung ]X KDEHQ LVW QLFKW MHQHV ÄHO\VLVFKH *HILOGH³ nicht jene unzerbrechliche Wahrheit des vollkommen Wissenden, die der Orchideensucher meinte. Zum Platoniker wurde er am Ende nicht zuletzt deshalb nicht, weil jenes intelligible Reich des Unveränderlichen keine theoriegeschichtliche Bestätigung erfahren hat: Ä-HPHKU3KLORVRSKHQLFh las, desto klarer schien es, daß jeder von ihnen seine Ansichten auf Grundprinzipien zurückführen konnte, die mit den Grundprinzipien seiner Gegner nicht zu vereinbaren waren, und daß es keinem von ihnen je gelang, zu jenem sagenhafWHQ2UWÃMHQVHLWVGHU+\SRWKHVHµ vorzudringen. Offenbar gab es so etwas wie einen neutralen Standpunkt nicht, von dem aus diese alternativen Grundprinzipien beurWHLOWZHUGHQNRQQWHQ³ 3K= 146)

Wer sich gegenüber der Philosophie eine Portion ± freilich nicht zu viel ± Naivität erlaubt bei gleichzeitigem Bemühen, sich kanonische Werke unterschiedlicher Traditionen gedanklich anzueignen, statt es sich in einer einzigen gemütlich zu machen, bei dem halten sich möglicherweise Faszination und Zweifel die Waage, sofern er sich gegen die Zweifel nicht mit der Vorstellung bewaffnet hat, widersprechende Ansätze würden schon ihre Lösung in einem alle Probleme auflösenden Ansatz finden, wie es Philosophiegeschichten, die zumeist selbst schon auf ein Philosophem vereidigt sind, fortschrittsgläubig suggerieren. Ist die Monadologie von Leibniz, dessen begrifflicher Scharfsinn kaum zu überbieten ist, wirk3 4

Vgl. Platon: Menon, 85b-86c; 97e-98b. Vgl. Platon: Theätet, 210a-b.

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lich vermittel- und zusammenführbar mit der Substanzlehre Spinozas, von dem man schlecht sagen könnte, welchen vermeidbaren Denkfehler er begangen hat? Bedarf es nur einer dritten, aufhebenden Position gegenüber zwei vollständig entgegengesetzten Ontologien, die lediglich einseitig sind? ± Dort, wo die Unentscheidbarkeit von Kontroversen als Antinomie ernst genommen wurde, bei Kant, führt dies immerhin zu einer Begrenzung des Gültigkeitsbereichs der Vernunft (der überhaupt einer des diskursiven Denkens ist). Und der Preis, nämlich die Absolutheit des Denkens, der gezahlt wird, wenn im absoluten Idealismus die antinomische Struktur selbst als Moment des Absoluten gedacht wird, war auch den Hegel nachfolgenden begriffskritischen Ansätzen, wie etwa dem Adornos, zu hoch. Haben Geistphilosophie und Materialismus ihre Kontroverse entschieden und einen gemeinsamen Nenner gefunden? Zumindest weckt diese Kontroverse, außer vielleicht in neurophysiologischen oder theosophischen Fachzeitschriften, heute wenig philosophisches Interesse, was keineswegs zu bedauern ist. ± Was aber bedeutet es für die Philosophie, wenn der Ort eines transhistorischen, unbezweifelbaren Wissens, der stets in der Gegenwart intendiert wird, stets noch zur überholten Vergangenheit wurde und keine Kriterien jenseits der Gegenwart für das genannt werden können, was in der Zukunft keinem Einwand mehr unterliegen wird? Was bedeutet es, wenn jener Ort im genauen Sinne des Wortes transzendent bleibt, der seit Platon der gesamten abendländischen Metaphysik ± die seit je vom Skeptizismus als ihrem Schatten begleitet wurde ± als ihre Grundlage fraglos dünkt und an dem sich die Philosophie bis ausschließlich Nietzsche orientiert hat und teilweise immer noch orientiert? Ein Ort, den auch die Erkenntnistheorien, ob vor- oder nachkantisch, für sich besetzen wollen, indem sie eine geschichtslose Matrix, ein einmal entdecktes Fundament unseres Wissens behaupten, ein untrügliches Wissen von den Grundlagen der Erkenntnis. Denn mit gerechtfertigten Meinungen ließe sich keine Erkenntnis fundieren. ± Der Ausweg aber in den Fallibilismus ist allenfalls vordergründig plausibel. Der Fallibilismus funktioniert unbestreitbar innerhalb eines Diskurses, innerhalb eines theoretischen Bezugssystems, das durch behobene Fehler kohärenter wird. Die Vorstellung aber, dass wir mit jedem behobenen Irrtum uns um einen Schritt mehr jener Transzendenz annähern wie eine gerade Linie einer anderen, zehrt weiterhin vom platonischen Wahrheitsbegriff, dem gegenüber lediglich die leider nie ganz überwindbare Unzulänglichkeit der Subjektivität immerfort in Rechnung gestellt wird. Das zentrale Motiv von Rortys Auseinandersetzung mit der philosophischen Tradition als jemand, der jenes elysische Gefilde nicht gefunden hat, lässt sich folgendermaßen beschreiben: Rorty möchte, gleichsam nach dem Zerbrechen der Gewissheit des jugendlichen Platonikers, das platonische Selbstverständnis der Philosophie, die davon ausgeht, Wissen habe ein zeitloses Fundament jenseits der argumentativen Rede, konstruktiv hinter sich lassen. Der Spiegel der Natur, der als eine Metakritik der Idee einer fundierenden Philosophie konzipiert ist,

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VROOWH5RUW\VÄKLstoristischen AQWLSODWRQLVPXV³ PhZ, 148) artikulieren. Als eine Alternative zum Platonismus aber lässt sich sein Pragmatismus in der Weise verstehen, dass er einen Weg jenseits der Positionen eröffnet, die den absolutistischen Erkenntnisansprüchen des Platonismus noch negativ verhaftet sind, nämlich Skeptizismus und Relativismus, und jenseits auch derjenigen Disziplin, die wiederum gegen diese Positionen motiviert ist, nämlich der Erkenntnistheorie. Der Pragmatismus hält den einen absoluten Bezugspunkt der Erkenntnis, den der Platonismus für erreichbar, der Skeptizismus für unerreichbar, der Relativist für inexistent erklärt, für etwas, das sich einfach nicht als Fundament wahrer Aussagen ausweisen lässt und auf das er vor allem verzichten kann bei der Beantwortung der Frage, warum manche Aussagen wahr und andere falsch sind. Aus den Schwächen des ± platonischen wie empirischen ± Realismus, keinen kohärenten Begriff von einer menschenunabhängigen Größe geben zu können, gewinnt Rorty seine Argumente dafür, Wahrheit auf das menschliche Maß des 3URWDJRUDV¶ zurückzuführen. Sein Pragmatismus ist epistemologisch gesehen komplementär zur Kritik am nichtdiskursiven Wahrheitsbegriff entwickelt. Diesem Wahrheitsbegriff gemäß sind Sätze und Theorien nicht aufgrund von diskursiver Rechtfertigung wahr, sondern in letzter Instanz dank einer schlechteren oder besseren geistigen Betrachtung, einer denk- oder sprachmedialen Repräsentation eines nicht Menschlichen, nicht Subjektiven, nicht Sprachlichen, einer vom Menschen unabhängigen Welt. Für einen platonischen Realisten wird diese Welt in Erscheinung und Wesen zerfallen und dieses als eine unvergängliche Ordnung der Ideen erkannt werden können. Für einen empiristischen Realisten wird uns die Welt mit den Eigenschaften begegnen, die wir ihr subjektiv zusprechen, und solchen, die sie unabhängig von uns als primäre Qualitäten hat und zu denen sich der Erkennende allmählich vorarbeitet. Eine monologische und vordiskursive Betrachtung der Welt durch ein Erkenntnissubjekt soll in diesen Modellen eine diskursiv erfolgreiche Rechtfertigung in Diskursen erst ermöglichen. Dabei ergibt sich jedoch das Problem, dass diese Betrachtung nur trägt, wenn sie wiederum Bestandteil der Rechtfertigung und damit nicht deren Fundament ist. Anderenfalls entsteht jene Situation, wie sie sich zwischen einem Investor und einem Pionier in Brasilien abgespielt haben soll: Auf die Frage des Investors, womit der Pionier ihm beweisen könne, dass es den großen Verbindungsfluss auch wirklich gebe, antwortet diHVHU Ä'DPLWGDVV LFKLKQJHVHKHQKDEH³ 6W|‰W man jedoch hinter jedem Anschauungswissen auf soziale Praktiken der Rechtfertigung, ist nicht zu erkennen, was eine Theorie über den Kontakt eines Subjekts oder eines Sprechers zur Welt mehr leisten soll als ein philosophisches Modell, dass diese Praktiken beschreibt. Genauer besehen, stehen im Zentrum von Rortys Kritik am platonisch geprägten Wahrheitsbegriff zwei relevante Aspekte dieses Begriffs: Das Wahre ist zeitlos und ansichseiend; mit ihm soll das Denken übereinstimmen. Zur Kritik steht anders gesagt der Wahrheitsbegriff, der alles Zeitliche und menschlich Subjektive ausschließt und den Adorno, aus dialektischen Motiven, auch als den

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Ä5HVLGXDOEHJULIIGHU:DKUKHLW³NULWLVLHUW:DKUVROOVHLQZDVQDFK$bzug genetischer und subjektiver Implikationen vom Erkenntnisprozess nach Art einer Nettoleistung als das Unvergängliche und Ansichseiende übrig bleibt. Es geht damit zugleich um die zwei entscheidenden Aspekte, durch die notwendiges Wissen von gerechtfertigter Meinung unterschieden wird. Denn etwas, das wir denken, stellt seit der rationalistischen Metaphysik nur dann ein wirkliches Wissen dar, wenn es nicht mehr, im Gegensatz zur Meinung, korrigiert werden kann, was dann der Fall ist, wenn sich das Wissen auf das Notwendige und damit Unveränderliche bezieht, das der Zufälligkeit des einzelnen Subjekts (seinen Interessen, Wünschen, Werturteilen) nicht mehr unterliegt. Was wir mit Notwendigkeit denken und was daher in der Form eines apodiktischen Urteils ausgesagt wird, darin können wir uns nicht irren, indem wir es etwa nur ungenau denken, es uns durch unsere Subjektivität verschleiert ist und wir vor allem eine andere Möglichkeit zu urteilen nicht bedacht haben. Zudem ist nach diesem Verständnis Wissen von der per se subjektiv gefärbten Meinung unterschieden, da es sich auf das beziehen soll, was auch wirklich, das heißt, was an sich genau so ist, wie es beschrieben und gedacht wird. Diese beiden Aspekte, Unveränderlichkeit und Ansichsein des Wahren, zeichnen auch der Erkenntnistheorie ihren quasiplatonischen Weg vor. Das platonische Motiv der Zeitlosigkeit geht in die Vorstellung von einem Fundament der Erkenntnis ein, in die Konzeption transhistorischer Erkenntnisbedingungen im Subjekt, die in den Verstandesbegriffen, der Logik, der Grammatik, der Art der Verarbeitung von Sinnesdaten usw. liegen können. Soweit die Erkenntnistheorie phänomenologisch angelegt ist, sucht sie nach einem unkorrigierbaren Wissen im Subjekt, wie z.B. das Haben von Schmerzen, an dem sie das Fundament unseres Wissens studieren kann. Das Motiv des Ansichseins wird in der empiristischen Erkenntnistheorie unter dem Aspekt diskutiert, inwieweit Eigenschaften den Dingen an sich zukommen oder durch die subjektive Projektion und durch eine verzerrte Repräsentation verstellt werden, so dass die Aufgabe einer fundierenden Epistemologie darin besteht, Verfahren zu entwickeln, durch die sich der subjektive Anteil an der Erkenntnis minimieren oder gar restlos extrahieren lässt. Doch auch die transhistorischen Erkenntnisbedingungen im Subjekt stellen, wie in der kantischen Theorie des Erkennens, ein gegenüber dem einzelnen empirischen Subjekt an sich Geltendes und Gegebenes dar. Gegen diese Modelle setzt der Neopragmatismus Rortys die korrigierbare, auf der temporären Basis aller unserer derzeitigen Überzeugungen gerechtfertigte Meinung. Man könnte einwenden, dass ein adäquationstheoretischer Wahrheitsbegriff, der auf das Unveränderliche und das Ansichseinde geht, heute, angesichts der zur Geltung gelangten Konsenstheorien der Wahrheit und nach der Destruktion der platonischen Metaphysik im philosophischen Diskurs der Moderne, ohnehin von niemandem mehr vertreten wird. Zu sehen ist aber, was der kritisierte Wahrheitsbegriff auch im Hinblick auf einen philosophischen Realismus impliziert, der Gegenstand der Kontroverse zwischen Rorty und seinen Kritikern ist, wenn es darum geht, in Rorty den Antirealisten oder gar Relativisten zu kritisieren. Dann

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zeigt sich auch dem Konsenstheoretiker die partielle Berechtigung des Korrespondenzbegriffs der Wahrheit.5 :HQQ+DEHUPDVKHUYRUKHEWGDVVÄZLUWahrheit als eine unverlierbare [H.d.A.] Eigenschaft YRQ $XVVDJHQ³ YHUVWHKHQ, was sie von einer gerechtfertigten Meinung unterscheidet, erst dann kann das, was eine Aussage wahr macht, nicht allein in den sozialen Rechtfertigungspraktiken bestehen. Das heißt: Es muss der realistischen Position letztendlich um den Nachweis gehen, dass an der Schnittstelle zwischen Erkenntnissubjekt und Welt gewissermaßen eine ± über einen Korrekturprozess vermittelte ± Abgleichung stattfindet, die ermöglicht wird durch einen in letzter Instanz direkten Kontakt zwischen zwei Relata, die in der Erkenntnistheorie einander gegenübergestellt werden: zwischen Denken und Sein, sprachlichem Sinn und Wirklichkeit. Ein Kontakt, der nicht anders als quasiperzeptuell sein kann. Er kann entweder durch eiQHQ ÃlX‰HUHQ 6SLHJHOµ hergestellt VHLQ GDV KHL‰W HLQ GLUHNWHV ÃSeKHQµ qua VerQXQIWRGHUGXUFKHLQHQÃLQQHUHQ6SLHJHOµ, der wie Bewusstsein oder Sprache als repräsentierendes Medium fungiert. Ein Wissen, wie es ein nicht epistemischer Wahrheitsbegriff impliziert, ist ein ± nach innen oder außen gerichtetes ± direktes Wissen, eine Intuition, eine Art geistiges Sehen; es ist nicht aus einer sprachlichen oder gedanklichen Operation, einer Begründung oder Rechtfertigung hervorgegangen, womit es erst im und durch den Begründungs- und Rechtfertigungskontext bestimmt wäre. Der theoretische Streit, der sich hieran entfacht, ist der, ob Wissen rein inferentiell bestimmt ist oder in einem nicht Inferentiellen gründet. Deshalb sollte, wenn im Folgenden nun Rortys Nominalismus zur Spra5

Vgl. J. Habermas: :DKUKHLWXQG5HFKWIHUWLJXQJ6Ä$EHUGHU.RUUHVSRQGHQzbegriff der Wahrheit konnte immerhin einem wesentlichen Bedeutungsaspekt des Wahrheitsprädikats Rechnung tragen; und dieser Aspekt von unbedingter Geltung fällt unter den Tisch, wenn die Wahrheit einer Aussage als Kohärenz mit anderen Aussagen oder als gerechtfertigte Behauptbarkeit innerhalb eines zusammenhängenden Systems von Behauptungen begriffen wird. Während sich gut gerechtfertigte Behauptungen als falsch herausstellen können, verstehen wir Wahrheit als eine unverlierbare Eigenschaft von Aussagen. Kohärenz von Aussagen hängt von Rechtfertigungspraktiken ab, die sich mal von diesen, mal von anderen Maßstäben leiten ODVVHQ³± Die Schwäche dieser Argumentation scheint mir in der Berufung auf das ÄZLU³DOV eine epistemische Autorität mit gleichsam transzendentalem Status zu liegen. Dass wir Wahrheit als eine unverlierbare Eigenschaft verstehen, kann entweder besagen, dass wir erfahrungsgemäß Wahrheit als unverlierbare Eigenschaft von Aussagen betrachten; eine solche Auffassung könnte sich wie alle Überzeugungen freilich ändern. Oder es besagt, dass wir Wahrheit so verstehen müssen. Dann wäre jedoch zu klären, warum wir sie so verstehen müssen und nicht anders verstehen können. Diese Klärung findet sich bei Habermas jedoch nicht. Um diese Klärung durchzuführen, bedürfte es einer weiterführenden epistemologischen Reflexion, mit der unter anderem das abgearbeitet würde, was Rorty dem Korrespondenzbegriff der Wahrheit entgegenhält. Solange dies nicht geschieht, kann Rorty immer noch einwenden, dass ± weil jene Unverlierbarkeit selbst eine für jede einzelne Aussage immer nur behauptete bleibt ± dieses allgemeine Wahrheitsverständnis ein falsches Verständnis ist, dem er sich nicht anschließt und das er auf argumentativem Wege aufzulösen versucht.

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che kommen wird, neben dem möglichen Missverständnis, Rorty meine, es gäbe keine Wahrheit, auch das Missverständnis von vornherein vermieden werden, es ginge im Spiegel der Natur lediglich um die Schwächen repräsentationalistischer oder abbildtheoretischer Wahrheitsbegriffe. Es geht theoriegeschichtlich um mehr, nämlich um die Frage, ob Wissen in letzter Instanz in einem perzeptiven oder quasiperzeptiven Kontakt mit der Welt gründet oder ob nicht vielmehr umgekehrt der Kontakt zur Welt allein durch die sozialen wie sprachlichen Praktiken und in ihrem Rahmen sich herstellt und bestimmt, so dass nur sie für eine Epistemologie relevant sein können. Unter dem Gesichtspunkt einer bloßen Kritik am Repräsentationalismus wäre im Spiegel der Natur eine Auseinandersetzung mit Kant unpassend. Die Frage nach jener Schnittstelle als Zentrum von Erkenntnistheorie aber macht gerade das Kapitel der Kritik der reinen Vernunft so brisant, welches das Verhältnis von Begriff und Anschauung erhellen will, um an HLQHP ÄYHUERUJHQHQ 0HFKDQLVPXV GHU PHnVFKOLFKHQ 6HHOH³ GLH (UKHOOXQJ VLFK tendenziell wieder verdunkeln zu lassen, nämlich das Schematismuskapitel. Bei jedem nichtdiskursiven, adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff geht es darum, die ÃSchnittstelleµ zwischen Denken und Nichtdenken aufzuhellen oder zu konstruieren, und solche Konstruktionen sind Gegenstand der Kritik durch den Pragmatismus. Zur besseren Orientierung in der weiteren Darstellung sollte der Leser Folgendes vor Augen haben: Rortys Antiplatonismus, der im Augenblick des Sturzes der Metaphysik noch zusätzlich alle Seile kappen möchte, kraft derer sie sich noch halten könnte, verhält sich destruktiv in der Kritik am nichtdiskursiven Wahrheitsbegriff. Diese Destruktion ist ein durchgehender Strang seiner theoretischen Auseinandersetzungen; mit ihr will er den Weg frei machen für seine Konstruktion eines rein diskursiven Wahrheitsbegriffs, und für diesen werden Pragmatismus und Nominalismus als die Spitzen einer antimetaphysischen Bewegung konzeptionell zusammengeIKUWÄ'HU1RPLQDOLVPXVLVW>«] ein Protest gegen jede Art von 0HWDSK\VLN³ 3K= 125). Pragmatismus und Nominalismus sind strikt unmetaphysisch aus der Sicht Rortys im Unterschied zum Positivismus und Szientismus, im Unterschied zum Materialismus als dem klassischen Gegenpart zur idealistischen Metaphysik. Und zwar sind sie es vor allem deshalb, weil beide die Rede von einer Differenz zwischen Schein und Wirklichkeit, Wesen und Erscheinung, Ansichsein und Für-uns-Sein, außer Kraft setzen. Sie behaupten nicht etwa, die immanente Natur der Dinge sei geistig, intelligibel, materiell, korpuskular, energetisch ± wie auch immer. Beide wollen bereits auf die Rede von einer immanenten Natur der Dinge und des Erkennenden verzichten. Man kann ohne eine solche Natur auskommen und braucht nicht zu befürchten, weniger erklären zu können. Der metaphysikkritische Einwand Rortys gegen die Idee einer immanenten Natur der Dinge, von der, als dem eigentlichen Sein, wir die bloße Erscheinung oder Illusion abtrennen können, ist daher streng genommen nicht einmal ein negativ ontologischer, der auf die Wesenlosigkeit der Dinge hin-

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ausläuft. Es wird bereits angezweifelt, dass die Metaphysik des Wesens wahrheitstheoretisch relevant ist, dass sie epistemologisch etwas erklären kann und dass sie für die innerweltliche Praxis eine Bedeutung hat. Das spezifisch pragmatische Argument, wie es etwa James gegen die metaphysische Frage vorbringt, ob die Welt zu allerletzt geistig oder materiell sei, besteht darin, dass nicht erkennbar ist, was es für die innerweltliche Praxis der Menschen bedeuten könnte, wenn dieser Streit tatsächlich entschieden würde. 6 Mit der Auflösung einer Täuschung oder gar Selbsttäuschung verbinden wir, in welcher mittelbaren Weise auch immer, Konsequenzen für unser Verhalten und Handeln; unabhängig von jeglichem Handlungsbezug wird die Frage nach dem Wesen von etwas selbst unwesentlich. Gerade weil dem Denken und Sprechen der Verhaltens- und Handlungsbezug inhärent ist, können wir ± und die Einsicht in diese Umkehrbarkeit bildet die Pointe pragmatistischer Epistemologie ± Denken und Sprechen auch verstehen, indem wir die Reflexion auf das richten, was jemand tut, welche Praktik er beherrscht, wenn er wahrheitsfähige Aussagen formuliert; eine Metaphysik der Subjektivität ist dazu nicht nötig. Der nominalistische Einwand gegen die metaphysische Substanzfrage ist etwas anders gelagert und drückt sich am besten in Wittgensteins Feststellung aus, dass etwas, über das sich nichts sagen lässt, uns die gleichen Dienste erweist wie etwas, das nicht ist. Können wir über das, was QLFKWVSUDFKOLFKLVWZDVDOVÃwirkliFKHV6RVHLQµ der Welt, als deren eigentliche Substanz angesprochen wird, nichts sagen, ohne dass es eben damit schon nicht mehr das sprachlich Unvermittelte ist, so können wir es ganz außer Betracht lassen. Mit seiner Kritik am Dualismus von Wesen und Erscheinung knüpft Rorty an die Metaphysikkritik Nietzsches, James¶ und Wittgensteins an. Rortys nominalistische Kritik an der Metaphysik läuft darauf hinaus, dass die klassischen Dualis6

Vgl. hierzu W. James: Der Pragmatismus, S. 'RUWKHL‰WHVÄ,VWGLH:HOWPDWHUiell oder geistig? Hier liegen Urteile über die Welt vor, die ebenso gut gelten als nicht gelten können, und die Streitigkeiten darüber sind endlos. Die pragmatische Methode besteht in solchen Fällen in dem Versuch, jedes dieser Urteile dadurch zu interpretieren, daß man seine praktischen Konsequenzen untersucht. Was für ein Unterschied würde sich praktisch für irgend jemanden ergeben, wenn das eine und nicht das andere Urteil wahr wäre? Wenn kein, wie immer gearteter, praktischer Unterschied sich nachweisen läßt, dann bedeuten die beiden entgegengesetzten Urteile praktisch dasselbe und jeder Streit ist müßig. Soll ein Streit wirklich von ernster Bedeutung sein, so müssen wir imstande sein, irgend einen praktischen Unterschied aufzuzeigen, der sich ergibt, je nachdem die eine oder die andere Partei recht KDW³± Es soll übrigens der Materialismus der frühen Kritischen Theorie, die dezidiert metaphysikkritisch argumentiert, gerade nicht als eine metaphysische Position verstanden werden, wie Horkheimer ± für den der Pragmatismus leider Inbegriff instrumentellen und oberflächlichen Denkens ist ± in seinem Aufsatz Materialismus und Metaphysik ausführt. Materialismus ist ein kritischer Begriff, ein moralischer Einspruch gegen eine Metaphysik, die durch die Fetischisierung des Geistes das physische Leiden der Kreatur marginalisiert. Er wendet sich also gegen eine menschliche Praxis, die das verletzbare IndividuXPJHULQJVFKlW]WJHJHQEHUGHPÃgroßen Gan]HQµGHQÃXQVWHUEOLFKHQµ Ideen.

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men von Erscheinung und Wesen, Veränderlichem und Unveränderlichem, wie auch von hypothetischen Meinungen und notwendigem Wissen ± die allesamt untrennbar zusammenhängen, denn das Wesen wird mit dem Unveränderlichen identifiziert und dieses mit dem Allgemeinen und Notwendigen des Denkens ± selbst nur einen sprachinternen Gehalt haben und keine repräsentierenden Bestimmungen sind, die dem wirklichen Sosein der Welt entsprechen. Die Kritik an einem auf die Entsprechung von Sprache und Welt hinauslaufenden Wahrheitsbegriff, der diese nominalistische These nicht gelten lassen kann, steht deshalb auch zusammen mit der Kritik an einem inneren Wesen von Subjektivität und Welt, die in der Erkenntnis zueinander kommen sollen, im Zentrum von Rortys Metaphysikkritik. Diese richtet sich gegen einen ontologischen Dualismus, der zusammen mit der Idee der adaequatio die Spekulation erzwingt, von der immanenten Natur des Erkennenden und des zu Erkennenden so auszugehen, dass deren erkenntnistheoretische Beziehbarkeit aufeinander erst durch eine ontologische Angleichung zwischen der Seinsart des Erkennenden und der Seinsart des zu Erkennenden hergestellt werden muss. Was Rorty gegen Berkeley einwendet, ist als genereller Einwand gegen die Metaphysik zu verstehen: Ä%HUNHOH\V0HWDSKysik ist ein typisches Resultat der Vorstellung, Gedanken oder Sätze befänden sich auf der einen Seite eines Abgrundes und seien nur dann wahr, wenn sie mit etwas in Verbindung stehen, das sich auf der anderen Seite des Abgrundes befindet. Dieses Bild hielt Berkeley gefangen und führte ihn zu der Schlußfolgerung, das, was sich auf der einen Seite befinde, sei von der gleichen Art wie das, was es auf unserer Seite gebe: Die Realität sei in ihrem Wesen irgendwie von mentaler oder geistiger BeVFKDIIHQKHLW³ 3K= 129)

Man könnte übrigens ebenso die folgende umgekehrte Position konstruieren: Wenn es um die Übereinstimmung zwischen Denken und Wirklichkeit geht und nun diese physische Wirklichkeit als eine betrachtet wird, deren immanente Natur materiell ist, so tritt unter den Bedingungen, dass nur Gleiches Gleiches erkennen kann, ein eliminativer Materialismus auf den Plan: Denken ist eigentlich ein materieller, hirnphysiologischer Vorgang. Dagegen sollte man von Leibniz bereits gelernt haben, dass eine solche Position geradewegs in den Unsinn führt. Denn auch wenn das menschliche Gehirn die Größe einer Fabrik hätte und sein Funktionieren bis ins letzte Detail einsehbar wäre, würden wir dort keine Gedanken antreffen. Doch davon abgesehen würde im letzten Fall behauptet, das Ideelle sei eigentlich, nämlich seiner immanenten Natur nach, materiell, auch wenn es ihm selbst, oder einem Ich, anders erscheinen mag und es sich als etwas ganz und gar Immaterielles wahrnehme. Für den Idealisten Berkeley wiederum, wie für seine Nachfolger, ist es nur ein Schein, dass die Wirklichkeit eine materiell existierende sei, immanent ist sie vielmehr eine ideelle. Bleibt noch die dritte Variante, in welcher der adäquationstheoretische Wahrheitsbegriff das metaphysische Denken zur Spekulation ermuntert: Ist die immanente Natur des Denkens

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nichts als mental, die der zu erkennenden Wirklichkeit in sich nicht mehr als materiell, stehen sich also res cogitans und res extensa als ungleiche Substanzen gegenüber, so muss auf der Basis dieses Dualismus nun ein Paramechanismus oder eine Paraoptik konstruiert werden, wodurch Denken und physische Realität so aufeinander abgestimmt sind, dass sie als Unterschiedene auf irgendeine Weise miteinander korrespondieren können. Schaut man sich die prominenten Lösungsversuche in der Geschichte der Philosophie an, so zeigt sich, dass sie allesamt den Charakter von metaphysischen Hilfskonstruktionen haben. So muss im Okkasionalismus Gott in die Lücke, die der Dualismus vorab aufgerissen hat, einspringen und für die Übereinstimmung von realen und mentalen Vorgängen sorgen, wenn er nicht schon am Anfang der Schöpfung gründlich genug war und für die prästabilierte Harmonie dieser Vorgänge gesorgt hat. Und die naiv materialistische Vorstellung einer Paramechanik, nach welcher der Gegenstand dem denkenden Bewusstsein kleine Bildchen sendet, gehört wohl ins gleiche Kuriositätenkabinett unbewältigter Probleme der Philosophiegeschichte wie die Zirbeldrüse, die im Menschen Leib und Seele miteinander verbindet. Der weniger naive, sensualistische Empirismus schließlich musste erklären, wie denn aus verstreuten Sinneseindrücken Kategorien, verstanden als ideelle Einheiten, entstehen können, damit das sinnlich Erfahrbare auch als Basis und Verifikationsmaßstab des abstrakten, diskursiven Denkens legitimiert werden kann. Er ist an der erkenntnistheoretischen Unhintergehbarkeit dessen, was er aus der sinnlichen Wahrnehmung erst noch resultieren lassen wollte, gescheitert, nämlich an der Unhintergehbarkeit der Kategorien. Schließlich übernimmt im Rationalismus Kants, ungeachtet seiner konstitutionstheoretischen Einsichten, eine verborgene Tätigkeit in den Tiefen der menschlichen Seele die Rolle, die ehemals Gott zugesprochen wurde, welche die sinnliche Anschauung nach einem Parallelismus qua Zeitfolge vorab so schematisiert, dass sie mit der begrifflichen Form des Denkens zusammenpassen kann. 7 Wiederum zählt zur Erkenntnisbedingung etwas in der immanenten Natur des Subjekts, das uns nicht offen zugänglich ist und über das wir daher spekulieren müssen. Wie Rorty in seiner Auseinandersetzung mit dem klassischen Empirismus zeigt, ergeht es den paramechanischen Konstruktionen nicht besser als den Gedanken im fabrikgroßen Gehirn, wenn sie einen Mechanismus dafür aufzeigen sollen, warum wir einen Satz für wahr halten (vgl. SN, 158 ff.). Eine paramechanische Erklärung der Erkenntnis trägt nichts bei zur Beantwortung der Frage, wie wir ein Urteil rechtfertigen, wenn es angezweifelt wird. Denn mit einer Rechtfertigung eines Satzes wird sein interner, sein inferentieller Zusammenhang mit anderen Sätzen realisiert. Ein deiktischer Hinweis auf ein Referentielles etwa könnte die Anzweifelung eines Satzes gar nicht außer Kraft setzen, wenn dieser Hinweis 7

Vgl. I. Kant: Kritik der reinen Vernunft, darin: Vom dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe.

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selbst nicht in einem wiederum verifizierbaren Satz formuliert wäre, der seinerseits durch einen weiteren Satz gerechtfertigt werden kann, welcher wiederum wie der gerechtfertigte Satz Bestandteil eines holistischen Hintergrundwissens beziehungsweise eines Netzwerks aus Überzeugungen ist. Dass nur Gleiches Gleiches erkennen kann, dass ± wie Berkeley behauptet ± eine Idee nur einer Idee gleichen kann, diese metaphysische Erkenntnisbedingung wird deshalb von Rorty so reformuliert, ÄGD‰QXUHLQ6DW]IUGLH:DKUKHLWHLQHVDQGHUHQ6DW]es reOHYDQW VHLQ NDQQ³ 3K= 129). Mit dieser Gleichung aber, so Rorty, sei eine noPLQDOLVWLVFKH7KHVHDXIJHVWHOOWZRUGHQÄGLe keine metaphysischen Implikationen HQWKlOW³ HEG ± Soweit Rationalismus und Idealismus in der Weise gegen den Sensualismus die Idealität stark machen, dass sie im Hinblick auf die Wahrheitsfrage bereits inferentialistisch argumentieren, um nicht zu sagen diskursimmanent, sind sie aus der Sicht Rortys bereits auf dem richtigen Weg. Sie sind über die erkenntnistheoretische Kontamination von Erklären und Rechtfertigen hinaus, die vor allem den Empirismus Lockes kennzeichnet. Doch wird der Weg in den Inferentialismus von ihnen deshalb nicht konsequent genug beschritten, weil sie auf der Linie der platonischen Tradition auf eine immanente Natur des Erscheinenden hinaus wollen und diese dem Inferentiell-Gedanklichen gleichmachen, das gegenüber den sinnlichen Erscheinungen den Vorzug hat, gleich der immanenten Natur nicht sichtbar zu sein. Als die zwei zentralen Quellen seines Antiplatonismus erwähnt Rorty Hegels Phänomenologie des Geistes und Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, GHUHQÄJHPHLQVDPHBindung an die Zeitlichkeit ± das spezifisch AntiplatoQLVFKHLKUHV:HUNHV³(PhZ, 147) ± er sich zu eigen gemacht habe. Allerdings in einer Weise, die, wie man hinzufügen muss, Hegel wohl nicht gebilligt hätte, bei dem der notwendige Prozess, den der Geist in seiner Entwicklung durchläuft, qua Notwendigkeit zu dem Zeitlosen wird, das der Platonismus lediglich zu statisch dachte. Das Sympathisieren des Antiplatonikers und Nominalisten mit der Philosophie Hegels, die das äußerste Gegenteil zu einer nominalistischen Philosophie darstellt, führt denn auch zu einem stark verfremdenden Blick auf Hegels Phänomenologie. Rortys Lesart erscheint geradezu kurios, wenn er die phänomenologisch rekonstruierte Entwicklung des Geistes konsequent nominalistisch als eine Abfolge von Neubeschreibungen interpretiert, mit denen ein neues philosophisches Vokabular zum Zuge komme, dem gegenüber die älteren Beschreibungen überholt erscheinen (vgl. ebd.). Verständlich wird diese Interpretation nur, wenn man den inferentialistischen Aspekt des Idealismus von dessen Metaphysik strikt trennt. Rortys Stellung zum Idealismus und damit die Beschaffenheit seines eigenen Inferentialismus lässt sich vor diesem Hintergrund auf folgende Weise erhellen: Der Pragmatist versteht den Inferentialismus unter deontologischen und rein nominalistischen Vorzeichen, während Hegel ihn unter explizit ontologischen und begriffsrealistischen Bedingungen entfaltet. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Inferentialität sich natürlich nicht nur auf Sätze bezieht, die Rorty mit Wittgenstein als den elementaren gedanklichen Sinnzu-

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sammenhang versteht, sondern auf die Sprache in allen ihren Elementen, dass sie also auch für Begriffe gilt, die ihren Gehalt erst in einem Satz und schließlich im holistischen Begründungs- und Verwendungskontext von Sätzen erhalten, in dem auch der einzelne Satz seinen Gehalt gewinnt. 8 Hegels Philosophie nun kann in folgender Weise inferentialistisch gelesen werden: Im Element des reinen Denkens, in dem über philosophische Wahrheit entschieden werden soll, beziehen wir nicht Begriffe auf ein Gegenständliches nichtbegrifflicher Art, an welches Prädikate geheftet sind, sondern Begriffe aufeinander, genauer gesagt: entfalten wir ihre Implikationen, durch die sie immanent mit anderen Begriffen zusammenhängen.9 Denn einen Begriff von Etwas zu haben heißt (und das ist natürlich kein nominalistisches Begriffsverständnis), dass alles Wesentliche dieses Etwas im Begriff auch schon enthalten ist, nichts daher dem Begriff weiterhin äußerlich gegenübersteht. Solange noch eine Entgegensetzung besteht, ist auch die Ã$rEHLWµ des Begriffs noch zu leisten. Das Andere des Begriffs ist hier das noch unvollständig Begriffene oder gar das Unbegriffene. Wäre das Andere des Begriffs sein schlichtes Gegenteil, so wäre es platterdings das Unbegreifbare und damit jenes Nichts, das dadurch zustande kommt, dass man über ein X einfach nichts sagen kann. Der Idealist Hegel geht anders als seine Vorgänger deutlich über den Dualismus hinaus, weil er das Verhältnis von Ansichsein und Füruns nicht als eine ontologische Differenz betrachtet, sondern ± wie ich Hegel interpretieren möchte ± es von vornherein als ein begrifflich internes und prozessuales Verhältnis versteht, nämlich als das Verhältnis zwischen dem Begriff eines noch nicht vollständig begriffenen Gegenstandes, eines Gegenstandes, der begrifflich darin bestimmt ist, vom entwickelten Begriff dieses Gegenstandes unterschieden zu sein, und dem Begriff eines begriffenen Gegenstandes, in dem dieser Unterschied aufgehoben ist und wir uns im Element des rein begrifflichen Denkens befinden, das mit nichts Äußerlichem mehr behaftet ist. Damit ist Hegel bereits über den Repräsentationalismus weit hinaus; denn es geht nicht darum, ob wir etwas mental repräsentieren, ob wir realitätsangemessene abstrakte Vorstellungen haben. Wir verwandeln die Vorstellungen in Gedanken, 10 und interessant wird es eigentlich erst nach dieser Verwandlung, wenn wir uns nämlich von nun an auf die in einem inferentiellen Ganzen (als dem Wahren) sich bestimmenden Gedanken ± nach Rortys Verständnis besser gesagt Sätze ± beziehen. Als wirklich begriffener ist 8

Vgl. zu dieser Betrachtungsweise R. B. Brandom: Begründen und Begreifen. Eine Einführung in den Inferentialismus, Kapitel 7. 9 Dementsprechend zerfällt in Hegels Phänomenologie des Geistes der (spekulative) Satz nicht einfach in das abstrakte Subjekt und die ihm einzeln zugeordneten Prädikate; vielmehr ist die prädizierende Bewegung Moment des Subjekts, das dieses JOHLFKVDPDXVVLFKKHUDXVEULQJWHVH[SOL]LWPDFKWÄ'DV6XEMHNWLVWDOVIHVWHU3XQNW angenommen, an den als ihren Halt die Prädikate geheftet sind, durch eine Bewegung, die dem von ihm Wissenden angehört und die auch nicht dafür angesehen wird, dem Punkt selbst anzugehören; durch sie aber wäre allein der Inhalt als SubMHNWGDUJHVWHOOW³ *:)UHegel: Phänomenologie des Geistes, S. 27). 10 Vgl. G. W. Fr. Hegel: Phänomenologie des Geistes, S. 34 ff.

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im Idealismus der Gegenstand des Denkens auch begrifflich aufgelöst und kann so vom Denken selbst in seinen Momenten entwickelt werden und seinen inferentiellen Zusammenhang mit anderen Begriffen systematisch entfalten. Und gerade ZHLO GLHVH EHJULIIVDXWRQRPH (QWZLFNOXQJ GLH Ä6HOEVWEHZHJXQJ GHV %HgULIIV³ wie sie die absolute Methode Hegels vorführen soll, möglich ist, muss aus der Sicht Hegels den Begriffen auch selbst ein Substantielles eignen, erweisen sie sich als mehr denn als flatus voci. Nach dieser Interpretation wäre Hegels Philosophie strikt inferentialistisch und begriffsrealistisch. Man könnte gar von einem platonischen Inferentialismus sprechen, würden die Konnotationen des Statischen dieses Ausdrucks nicht der Prozessualität des Hegelschen Denkens entgegenstehen. Bei Hegel wird der Begriff, genauer gesagt der bis zum System ausgedehnte, immanente wie prozessuale Zusammenhang der Begriffe, zum Substantiellen; die immanente Natur des Erkenntnisgegenstandes liegt deshalb nicht außerhalb der begrifflichen Realisation, sie fällt zusammen mit der Selbstbewegung des Begriffs. Somit ist der absolute Idealismus ebenso strikt begriffsrealistisch, wie Rortys Modell im Gegensatz zu diesem strikt nominalistisch ist. Was dementsprechend Hegels Wissenschaft der Logik betrachtet, ÄLVW QXU GLH %HZHJXQJ GHV %HJULIIV VHOEVW GHUHQ 1DWXU schon erkannt worden, aber erstlich nunmehr mit der Bedeutung, daß der Begriff alles und seine Bewegung die allgemeine absolute Tätigkeit, die sich selbst bestimmende und selbst realisierende Bewegung LVW³11. Die Methode, welche die Wissenschaft der Logik befolgt, ÄLVWGHVZHJHQDOVGLHRKQH(LQVFKUlQNXQJDOlgemeine, innerliche und äußerliche Weise und als die schlechthin unendliche Kraft anzuerkennen, welcher kein Objekt, insofern es sich als ein äußerliches, der Vernunft fernes und von ihr unabhängiges präsentiert, Widerstand leisten, gegen sie von einer besonderen Natur sein und von ihr nicht durchdrungen werden N|QQWH³12

Hegel versteht, wenn man ihn auf die sprachphilosophische Philosophie hin interpretiert, die Inferentialität ± GLHVH DOV ÄGLH VLFK VHOEVW EHVWLPPHQGH XQG VHOEVW UHDOLVLHUHQGH %HZHJXQJ³ JHQRPPHQ die gleichsam zum System expandiert und gerinnt ± ontologisch als eine den empirischen Subjekten gegenüber an sich substantielle, und er kann diese Substantialität ohne eine Dualität gegenüber einer ansichseienden Realität denken, gerade weil der Gehalt des Realen das Begriffliche und also von geistiger Natur ist, andernfalls es gar nicht begreifbar wäre. Negativ formuliert: Eine immanente Natur, von der wir keinen Begriff haben, die wir also nicht begriffen haben, ist nichts, was man als äußere Grenze begrifflicher Erkenntnis gegen diese einschränkend oder skeptizistisch anführen kann, ohne in einen unlösbaren Selbstwiderspruch zu geraten. Vor diesem Hintergrund

11 G. W. Fr. Hegel: Wissenschaft der Logik II, S. 551. 12 Ebd., S. 551.

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ist Hegels Philosophie auf eine radikale Weise nicht dualistisch und bedarf keiner paramechanischen Konstruktion, die voneinander Getrenntes erst wieder zusammenbringt. (Subjektivistisch ist sie schon gar nicht, und zwar aufgrund der dem Begriffsrealismus entsprechenden Objektivität des Begriffs.) ± Würde Hegels Philosophie allerdings eine Dualität irgend zulassen, so wäre ihr begrifflicher Inferentialismus widersinnig, der Begriff hätte an dem von ihm Getrennten bereits einen unaufhebbaren immanenten Mangel und müsste zugleich so tun, als wüsste er davon nichts, denn in einem solchen Wissen würde sich der Mangel sogleich bestimmen ± begrifflich, wie auch sonst? Was die Hegelsche Philosophie bekanntermaßen zeigt, das ist die begriffliche Vermitteltheit von allem, was Gegenstand von Erkenntnis ist. Sie will demonstrieren, dass die Form der Erkenntnis und ihr Inhalt, das Wie des Denkens und das Was des Denkens, durcheinander vermittelt sind. Denn die Bewegung des Begriffs (unhegelisch gesprochen: die Bewegung des Begreifens) ist selbst das Substantielle des Denkens, substantiell ist gerade nicht etwa die fixe Bestimmung eines Etwas als eines Ansichseienden. In der Geistphilosophie verschwindet die Dualität von Form und Inhalt, Denken und Sein, wie sie die Erkenntnistheorie voraussetzt. Daher teilt Hegel auch nicht mit der traditionellen Metaphysik den Dualismus von Wesen und Erscheinung, die selbst zu ineinander vermittelten Momenten des Begriffs werden. Der erkenntnistheoretische Dualismus wird von einer Geistphilosophie ausrangiert, die das vermeintlich Andere des Denkens selbst in begriffliche Bestimmungen auflöst und die Identität von Begriff und Gegenstand im Gang ihrer Entwicklung als erweisbar betrachtet. Diese Argumentation gegen den Dualismus: dass der Gehalt dessen, was überhaupt für das Denken real sein kann, das Begriffliche ist, so dass nicht ± hegelimmanent argumentiert ± DP(QGHQRFKHWZDVEOHLEWHLQÃ'LQJDQVLFKµHLQ X, das als rein abstrakte Bestimmung den konkreteren Bestimmungen entgegengesetzt wird und zugleich begrifflich nicht bestimmbar sein soll ± dieses Argument erlaubt eine metaphysische Auslegung, die sich doch wieder der platonischen Vorstellung von einer immanenten, nämlich geistigen Natur des Erscheinenden anschließt, auf die sich Rortys Kritik am Idealismus bezieht: Wenn BerNHOH\PHLQWGLHÄ5HDOLWlWVHLLQLKUHP:HVHQirgendwie von mentaler oder geisWLJHU%HVFKDIIHQKHLW³VRKDEHQÄVSlWHUH ,GHDOLVWHQZLH+HJHO³GHQÄ)HKOHUZLederholt, denn von ihnen wurde die Realität im Sinne der vollkommenen Erkenntnis oder des vollkommeQHQ 6HOEVWEHZX‰WVHLQV EHVWLPPW³ 3K= 129). Während +HJHOV Ä%LQGXQJ DQ GLH =HLWOLFKNHLW³ 5RUW\V DQWLSODWRQLVFKHP ,PSXOV HEHQVR entgegenkommt wie Hegels Inferentialismus seiner Kritik am adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff, dem auch der Empirismus verhaftet ist, sieht Rorty in der Geistphilosophie die zu kritisierende Metaphysik. Trotz der Überwindung des erkenntnistheoretischen Dualismus bleibt der Idealismus der Idee einer immanenten Natur verhaftet. Doch was man gegen den Dualismus auch gebraucht KlWWH ÄXQG ZDVVLFKGLH ,GHDOLVWHQQLFKW YRUVWHOOen konnten, war die Zurückweisung schon der Idee, daß irgend etwas ± Geist oder Materie, Selbst oder Welt ±

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eine ausdrückbaUH RGHU GDUVWHOOEDUH 1DWXU KDEH³ .,6 23). Rorty möchte einen Inferentialismus ohne metaphysische Implikationen. Die Enthaltung vom metaphysischen Denken erstreckt sich daher nicht nur auf das Realitätsverständnis, sondern ebenso auf das denkende Subjekt und die Inferentialität der Begriffe selbst, sie erstreckt VLFKDXIGLH$XIIDVVXQJGDVVÃLQ:DKUKHLWµ, dass in substantieller HinsicKW %HJULIIH ÄJHLVWLJH :HVHQKHLWHQ³ VLQG13 Die ontologische Frage, was Begriffe sind, aber wäre, folgt man dem Konzept einer sprachphilosophischen Ontologiekritik, aufzulösen in die hermeneutische Frage, wie wir sie verstehen; so wie überhaupt die essentialistische Frage nach dem, was etwas ist, durch die nominalistische Frage zu ersetzen wäre, wie wir es beschreiben können. Ein theoriegeschichtlich wichtiger Schritt in den nachkantischen Idealismus war GLH$EVFKDIIXQJGHVÃ'LQJs DQVLFKµ GLHVHV]XQlFKVWQXUDOVÃ'LQJµLQGHP6Lnne verstanden, dass es ein Etwas ist, das unabhängig davon existiert, wie es unter den Bedingungen unserer sinnlich-kategorialen Betrachtung erscheint). Diese Abschaffung impliziert die Auflösung des erkenntnistheoretischen wie metaphysischen Dualismus, wonach theoretische Naturerkenntnis nur auf Erscheinungen, auf Objekte der sinnlichen Anschauung geht und damit nicht auf den Grund dessen, was als Erscheinung sinnlich angeschaut werden kann. 14 Diese Abschaffung wurde zum einen dadurch erleichtert, dass GDVÃ'LQJDQVLFKµDOVHUNHQQWQLVWKHoretischer Grenzbegriff fundamental unterschieden sein soll von der sinnlichen Erscheinung, und zwar als denknotwendig zu postulierender Erscheinungsgrund, der selbst nicht phänomenal ist, selbst nicht erscheint, somit als die immanente 13 Hegel formuliert in der Phänomenologie des Geistes (S. 37) folgenden Passus, der eine rein inferentialistische Lesart gestattet, bei der noch die Subjektivität in der Inferentialität, die substantiell wird, aufgehoben ist. Dazu muss man die Metapher von GHU ÃVerIOVVLJXQJµ der Gedanken so verstehen, dass sich das Denken von seiner verdinglichenden Entgegensetzung zu seinem Inhalt befreit, den erkenntnistheoretischen Dualismus damit im Erkenntnisvollzug überwindet und DXIHLJHQHQÃ)ü‰HQµ stehtGHUHQÃ%RGHQµ der Begriff geworden ist, der sich in einem inferentiellen Zusammenhang bestimmt, und nicht ein von ihm Unterschiedenes, dem er sich verGDQNW RGHU GDV HU UHSUlVHQWLHUW Ä'LH Gedanken werden flüssig, indem das reine Denken, diese innere Unmittelbarkeit, sich als Moment erkennt, oder indem die reine Gewißheit seiner selbst von sich abstrahiert, ± nicht sich wegläßt, auf die Seite setzt, sondern das Fixe ihres Sichselbstsetzens aufgibt, sowohl das Fixe des reinen Konkreten, welches Ich selbst im Gegensatze gegen unterschiedenen Inhalt ist, als das Fixe von Unterschiedenen, die, im Elemente des reinen Denkens gesetzt, an jener Unbedingtheit des Ich Anteil haben. Durch diese Bewegung werden die reinen Gedanken Begriffe und sind erst, was sie in Wahrheit sind, Selbstbewegungen, .UHLVHGDVZDVLKUH6XEVWDQ]LVWJHLVWLJH:HVHQKHLWHQ³ 14 Hierzu Kant in den Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik [«], § 13 Anmerkung II Ä(V sind uns Dinge als außer uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben; allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen, d.i. die Vorstellung, die sie in uns bewirken, indem sie unsere Sinne aIIL]LHUHQ³

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Natur der Erscheinung anzusprechen wäre. Damit kann die immanente Natur der Erscheinungen als eine ± wenngleich unerkennbare ± zum Vernunftdenken äquiYDOHQWEHVFKDIIHQHÃ1DWXUµQlPOLFKDOVQRXPHQDOHDXIJHIDVVt werden. Ist dieser Schritt erst einmal getan, so lädt, wie im Idealismus, die begrifflich vollständige Unbestimmtheit dieses noumenalen Kerns der Dinge dazu ein, ihn auf substantielle Weise als die noch unentfaltete begriffliche Bestimmung zu betrachten. Damit wird in Denken restlos aufgelöst, was sich der Erkenntnis entziehen soll; es kann vollständig erschlossen werden, was die Welt im Innersten zusammenhält. In Bezug auf die phänomenale Welt werden jetzt die Denkbestimmungen zum Fundamentalen. Das Festhalten an einem starken Wahrheitsbegriff unter den %HGLQJXQJHQ GLHVHU LGHDOLVWLVFKHQ $EVFKDIIXQJ GHV Ã'LQJs DQ VLFKµ IKUW LP deutschen Idealismus dementsprechend zur Idee des An- und Fürsichseins der Wahrheit, zur Idee der Wahrheit als Gleichheit des Geistes, der seine Entäußerung überwunden hat, mit sich selbst. Der adäquationstheoretische Wahrheitsbegriff verliert hiermit seinen Sinn; zumindest dann, wenn man ihn als Übereinstimmung des voneinander Getrennten und Unterschiedenen versteht. Das erkennende Selbst ist selbst nicht mehr außerhalb des Seins und nicht mehr außerhalb der Wahrheit. Wie die Philosophiegeschichte zeigt, kann das von der Subjektivität fundaPHQWDO XQDEKlQJLJH Ã'LQJµ XQWHU YHUVFKLHGHQHQ EHZXVVWVHLQVSKLORVRSKLVFKHQ Vorzeichen nivelliert werden: unter sensualistischen (Berkeley), mentalistischen (wie im absoluten Idealismus), phänomenologischen (Husserl) oder gar positivisWLVFKHQ ZLHLP(PSLULRNULWL]LVPXV :DQQLPPHUGDVÃ'LQJDQVLFKµZDQQLmmer eine von der menschlichen Betrachtung unabhängige Realität verschwinden sollte, wurde in der Philosophiegeschichte die entsprechende Position leichthin als idealistisch gekennzeichnet. Dementsprechend muss sich auch Rorty, trotz seines metaphysikkritischen Ansatzes, mit dem Vorwurf des Sprachidealismus auseinandersetzen.15 Denn was er natürlich ebenfalls vollzieht, und was den argumentativen Hintergrund seiner Kritik am Wahrheitsbegriff der adaequatio bildet, ist gerade die ± gleichwohl recht spezifische ± Abschaffung der Vorstellung YRP Ã'LQJ DQ VLFKµ -HGRFK KDW diese Abschaffung überhaupt keine ontologischen Implikationen, denn sie folgt aus einer rein nominalistischen Argumentation, die nicht dazu führt, dass die Existenz einer vom Denk- oder Sprachsubjekt unabhängigen Realität und auch nicht ihre Unterschiedenheit vom begrifflichen Denken nur im Geringsten in Zweifel gezogen wird. Folgende Problematik hat diese Argumentation freilich aufzulösen: Nach der Metaphysikkritik des Nominalismus bleibt auf der einen Seite eine Natur zurück, für deren Beschreibung auf 15 Und zwar auch vor dem Hintergrund der besonders kruden Vorstellung vom Idealismus: Ä'LH DEVXUGH %HKDXSWXQJ XQVHU *HEUDXFK YRQ :|UWHUQ HUVFKDIIH *HJHQstände, ist eine Sache; etwas gänzlich anderes ist es, zu sagen, daß wir nicht wissen, wie wir eine zeitlose Matrix für die vergangene und künftige Erforschung der Natur anders als in unserer jeweiligen Begrifflichkeit beschreiben können sollen³ (SN, 306).

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die Vokabeln Substanz und Wesen verzichtet werden kann; wir reden über die Natur allein als Erscheinung. Auf der anderen Seite haben wir einen sprachlichen Inferentialismus, dem gemäß sprachlicher Sinn sprachintern generiert ist. Ein Dualismus entstünde, wenn ein Ansich als sprach- und sinnferne Erscheinung auf der einen und ein inferentielles Füruns als sprachlicher Sinn auf der anderen Seite sich beziehungslos gegenüberstünden. Um einen solchen Dualismus zu vermeiden, sollte dieses Ansich vom Neopragmatismus aber nicht so interpretiert werden, dass es am Ende wieder mit dem inferentiellen sprachlichen Sinn ± dem VSUDFKOLFKHQ6LQQYRQÃ$QVLFKµ ± einfach sprachidealistisch zusammenfällt; denn damit wäre etwas etabliert, das man wohl als sprachmetaphysischen Monismus bezeichnen dürfte, der dem metaphysikkritischen Neopragmatismus nur die schlechtesten Dienste erweisen könnte. Vor diesem Hintergrund ist für das Verständnis von Rortys pragmatistisch nominalistischer Philosophie im weiteren Verlauf dieser Untersuchung die Frage so genau wie möglich zu beantworten, ZDV LQ GLHVHU 3KLORVRSKLH PLW GHP Ã'LQJ DQ VLFKµ JHVFKLHKW XQG GDV KHL‰W ob und vor allem wie seine kritische Auflösung möglich ist, bei der keine metaphysischen Prämissen in Anspruch genommen werden und die vom Erkennenden unabhängige Existenz der empirischen Realität überhaupt nicht tangiert wird. Denn die Pointe der neopragmatischen Kritik der Idee der Wahrheit als Thema von philosophischer Relevanz und damit auch an der Idee einer fundierenden Theorie der Erkenntnis besteht darin, dass mit dieser Kritik lediglich die KonseTXHQ]HQ GHV 9HUVFKZLQGHQV GHV Ã'LQJV DQ VLFKµ XQWHU nominalistischen ± und gleichfalls metaphysikkritischen ± Bedingungen theoretisch entfaltet werden. Auf den ersten Blick hingegen scheint gerade eine nominalistische Konzeption GDV Ã'LQJ DQ VLFKµ YHUWHLGLJHQ ]X PVVHQ ZHLO %HJULIIH von dem Seienden abprallen, ihm nur als Zeichen zugeordnet sind, nichts Wesentliches an ihm treffen. ± Dass GLH$XIO|VXQJGHVÃ'LQJs an sichµEHL5RUW\YRQ]HQWUDOHU%HGHXWXQJLVW ergibt sich übrigens schon daraus, dass ÄPLWGHP:HJJDQJGHV'LQJDQVLFKDXFK GHUhEHUHLQVWLPPXQJVEHJULIIYRQGHU%LOGIOlFKHYHUVFKZLQGHQ³ (WF, 127) würde. Denn es ist nach einem metaphysischen Wahrheitsbegriff schließlich dieses vom Denken unabhängige Sein, mit dem unsere gedanklichen Inhalte übereinstimmen VROOHQ :LH DEHU N|QQWH GDV Ã'LQJ DQ VLFKµ YRQ GHU %LOGIOlFKH YHrschwinden, ohne dass der adäquationstheoretische Wahrheitsbegriff noch identitätsphilosophisch EHUERWHQRGHUEHUGLH)UDJHQDFKGHPÃ'LQJDQVLFKµQXUHLQ Tabu verhängt wird? Auf diese Frage werde ich gegen Ende dieses Kapitels die neopragmatische Antwort zu geben versuchen, die ich in den darauffolgenden Kapiteln im Hinblick auf die Art der Beschaffenheit des sprachlichen Weltbezuges, wie ihn der Neopragmatismus denkt, weiter entwickeln werde. Jedoch möchte ich zuvor die im engen Zusammenhang mit der Ding-an-sichProblematik stehende kontextualistische Position Rortys erörtern und seine Stellung zum Relativismus sowie seine Kritik am erkenntnistheoretischen Dualismus betrachten.

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Rorty will dem Wahrheitsbegriff jegliche metaphysische Dimension nehmen und LKQ DXI GDV EHVFKUlQNHQ ZDV ÄGHU WULYLDOH XQLQWHUHssante Common-SenseRealismus ist, der besagt, alle wahren Überzeugungen seien deshalb wahr, weil die Dinge so liegen, wie sie lieJHQ³ :) 138). Für den Neopragmatismus bleibt nach dieser Beschränkung jedoch insofern mehr als nur der alltagsgebräuchliche, harmlose Sinn von Wahrheit übrig, als nun auf der Kontextgebundenheit einer jeden wahren Aussage insistiert wird, und vor allem hierdurch hat Rorty sich den Vorwurf des Relativismus eingehandelt. Um seine Position zu stärken und ihrer voreiligen Subsumierung unter den Oberbegriff des Relativismus etwas entgegenzusetzen, möchte ich zeigen, dass der von Rorty vertretene Kontextualismus, der unbestreitbar einen relativistischen Aspekt hat, sich gleichwohl nicht als Fortführung und auch nicht als Vorstufe eines relativistischen und skeptizistischen Standpunktes verstehen lässt. Rortys Kontextualismus ist nicht nur eine Konsequenz aus der Kritik am Anspruch auf ein transhistorisches Wissen, wie es die Metaphysik und die Erkenntnistheorie zu präsentieren vorgeben. Er ist zugleich eine Konsequenz aus der Kritik am erkenntnis- wie sprachtheoretischen Dualismus, GHU DXI GHU 9RUVWHOOXQJ YRP Ã'LQJ DQ VLFKµ DXIEDXW XQG den Relativismus und Skeptizismus unvermeidlich macht, die seit je aus dem Dualismus ihre Plausibilität und Stärke bezogen haben. Ist nämlich GLHVHV Ã'LQJµ SHU GHILQLWLRQHP nie ganz erkennbar, so lädiert das, im Sinne des Skeptizismus, den menschlichen Anspruch auf Wahrheit von Grund auf. Alle Erkenntnis und jeglicher Anspruch auf Wahrheit gelten, im Sinne des Relativismus, dann gleich viel, wenn sich alle begrifflichen Bestimmungsversuche zu einem vom Denken und Sprechen Unterschiedenen, auf das sie sich als Erkenntnisobjekt beziehen, inkommensurabel verhalten. Dementsprechend konnte umgekehrt der Idealismus durch die AuflöVXQJGHVÃ'LQJs an siFKµGLH9RUDXVVHW]XQJHQIUHLQHQGHQDGlTXDWLRQVWKHRUHWischen Wahrheitsbegriff überbietenden Wahrheitsbegriff geschaffen sehen, der auf die Identität von Denken und Sein hinausläuft. Wenn Rorty, um den Kontextualismus zu etablieren, die Vorstellung von eiQHPÃ'LQJ DQVLFKµ NULWLVLHUWXQG auf diesem Wege ebenfalls den erkenntnistheoretischen Dualismus, so hat auch er die Prämissen des Skeptizismus und des Relativismus hinter sich gelassen. Ein konventioneller Relativismusvorwurf gegen Rorty ± als ginge dieser von der sich selbst durchstreichenden These aus, es gäbe viele Wahrheiten oder eben keine Wahrheit ± würde Rortys eigentliche These verfehlen, die besagt, dass die Wahrheit nicht als Gegenstand einer solchen philosophischen Theorie taugt, die mehr zutage fördern soll als der Common Sense, für den die Aussage, dass der Schnee fällt, wahr ist, wenn tatsächlich der Schnee fällt und man ihm entgegenschauend eine feuchte Stirn bekommt, wenn also zutrifft, was der deskriptive Satz beschreibt, und hierfür weitere Argumente vorgebracht werden können, falls dieser Satz bestritten wird; oder für den etwa die Aussage allgemein verbindlich ist, dass niemand einem anderen Menschen vorsätzlich schaden solle, da kein Mensch, einschließlich des möglichen Schädigers, vorsätzlich geschädigt werden möchte. Rortys Ausgangsthese war, Ädaß ein interessanter Zusammenhang zwi-

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schen dem Wahrheitsbegriff und dem Begriff der Rechtfertigung niemals aufgesSUW ZLUG³ +E, 29), dass anders gesagt die Wahrheit einer Aussage in nicht mehr als in ihrer gelingenden diskursiven Rechtfertigung besteht. Die Kritik am traditionellen philosophischen Wahrheitsbegriff richtet sich, das wurde bereits unterstrichen, daher vor allem gegen das platonische und repräsentationalistische beziehungsweise paraoptische Vorverständnis von Wahrheit, wonach es eine von Menschen unabhängige Realität oder gar zeitlose Wahrheit gibt, die erschaut und adäquat repräsentiert werden kann. ± Was aber im Hinblick auf einen Relativismusvorwurf nicht einfach zu übergehen ist, ist Rortys Verständnis von der geschichtlichen und kulturellen Situiertheit unseres Wissens, die er, und das ist wichtig, nicht in ein transhistorisches Entwicklungs- und Konvergenzmodell des Wissens integriert, wonach unser Wissen sich der Wahrheit allmählich annähert, was mit dem platonischen Wahrheitsbegriff immer noch vereinbar wäre. Rorty konstatiert nicht nur die Gebundenheit des Wissens an einen zeitlichen, kulturellen und instrumentellen Kontext, sondern begrüßt die damit unumgängliche Relativität des Wissens als Ausdruck einer Mannigfaltigkeit unserer InterpretatioQHQ GHU :LUNOLFKNHLW ,Q GHQ :RUWHQ 1LHW]VFKHV Ä'LH :HOW LVW XQV >«@ QRFK HLQPDOÃunendOLFKµ geworden: insofern wir die Möglichkeit nicht abweisen können, dass sie un en dli ch e Int er pre ta ti on en i n s ic h s chl ie ss t³16 ± Die Relativität des Wissens liegt für den Neopragmatisten zum einen in der Kontextabhängigkeit aller einzelnen, wahrheitsfähigen Aussagen,wie auch des Vokabulars, der Bedeutung der Begriffe, zum anderen aber, wie sich später zeigen wird, in der Relativität, die mit dem Nominalismus selbst gesetzt ist, nämlich in dem Sinne, dass unterschiedliche Realitätsbeschreibungen möglich sind, in deren Rahmen erst Aussagen wahr oder falsch sein können. Rortys Nominalismus ist also nicht nur verbunden mit dem oben erwähnten Inferentialismus sprachlichen Sinns, sondern ebenso mit einem Kontextualismus in Bezug auf die diskursive Rechtfertigung unserer Urteile: Sie werden in einem sprachlichen und theoretischen Kontext legitimiert, der, was ein Inferentialismus als solcher noch nicht impliziert, sich ändern kann und der seinen kulturellen und geschichtlichen Ort hat und daher keinen extramundanen, neutralen Boden bietet, auf dem unser Wissen aufruhen könnte. Bereits im Spiegel der Natur argumentiert Rorty kontextualistisch im Hinblick auf die vergeblichen Bemühungen der sprachanalytischen Philosophie, mit einer Referenztheorie zu klären, ÄÃwie die Sprache auf die :HOWEHUJUHLIWµ, und wie daher Wissen und :DKUKHLW P|JOLFK VLQG³ 61 291). Eine solche Theorie, die eine transhistorische Funktionsweise unserer Erkenntnis meint aufzeigen zu können, muss zirkulär blieben, weil sie die Relation von Sprache und Welt nur im Rahmen des Wissens thematisieren kann, das wir bereits von der Sprache und YRU DOOHP GHU :HOW KDEHQ Ä1XU innerhalb unserer gegenwärtigen Theorie über die übrige Welt können wir nämlich herausfinden, wie die Sprache funktioniert; 16 Fr. Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft, Nr. 374, S. 627.

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wir können nicht einen Teil unserer gegenwärtigen Theorie dazu benutzen, uns der Gültigkeit ihrer übrLJHQ 7HLOH ]X YHUVLFKHUQ³ 61 322). Die Theorie selbst aber hat eLQHQKLVWRULVFKHQ,QGH[Ä'HQQÃGLH:HOWµ, von der eine solche Theorie spricht, ist keine andere als die Welt, von der die jeweils zeitgenössische Wissenschaft handelt³ SN, 315). Und diese 7KHRULH ZLUG DOV HLQH Ä7KHRULH EHU GLH Verfassung der Welt trivialerweise eine eo ipso gerechtfertigte Theorie über diese ReODWLRQ PLW SURGX]LHUHQ³ 61   'HQQ HV LVW HLQH %LQVHQZHLVKHLW ÄGD‰ wir sprachlichen Ausdrücken Referenten und Wahrheitswerte immer nur im Lichte unserer besten Auffassungen über das, was es in der Welt gibt, zuschreiben könQHQ³ 61 304). Und also nicht kraft eines kontextlosen und transhistorischen Mechanismus der Zuordnung von sprachlichem Ausdruck und theoriefernem Referenten. In diesem Sinne ± aber nur in diesem ± akzeptiert Rorty die Rede Quines, Kuhns und Feyerabends von einem Begriffssystem, auf dessen Grundlage wir eine Auffassung von Wahrheit und Referenz haben. Das Begriffssystem VWHKW GHVKDOE QXU IU GDV ÄZDV ZLU JHJenwärtig glauben ± für das Ensemble der Überzeugungen, die unsere heXWLJH .XOWXU DXVPDFKHQ³ 61 304). Rorty vertritt nicht die dualistische 7KHVHÄGD‰ZLUQXUHLQHQDXIHLQÃ%HJULIIsV\VWHPµ relatiYLHUWHQ %HJULII YRQ Ã:DKUKHLWµ unG Ã5HIHUHQ]µ YHUVWHKHQ³ (SN, 302). Er vertritt also nicht die positive These, dass Wahrheit und Referenz relativ qua Bezug auf ein Begriffssystem sind. Was hier in den Blick zu bekommen ist, besteht darin, dass auch im Hinblick auf Erkenntnis- und Referenztheorien das zu sagen ist, was überhaupt für unser Wissen von etwas gilt: dass diese Theorien nicht kontextfrei sind und dass unsere wahren Aussagen wie auch ihre Rechtfertigungen allesamt auf einen gewordenen Kontext aus Überzeugungen, auf implizite Hintergrundannahmen angewiesen sind, aus denen unser holistisch verfasstes Wissen besteht, auf das wir zurückgreifen, wenn wir inhaltlich argumentieren, und zu denen unsere einzelnen Äußerungen als gerechtfertigte sich kohärent verhalten müssen. Referenztheoretisch gesehen, führt dieVHKROLVWLVFKH3RVLWLRQ]XGHU7KHVHÄGD‰VLFKHLQ*HJHQVWDQG nicht anders herausgreifen läßt denn als derjenige Gegenstand, auf den die meisWHQ GHU LQ HLQHU EHVWLPPWHQ 0HLQXQJ HQWKDOWHQHQ 6lW]H ]XWUHIIHQ³ :) 151). Das Netzwerk unserer zusammenhängenden Überzeugungen kann so wenig als Ganzes angezweifelt werden, wie sich auch nicht alle Überzeugungen zugleich anzweifeln lassen.17 Diese zum großen Teil impliziten und holistisch verfassten 17 In der Theorie von Habermas wird unseren Hintergrundüberzeugungen in ihrer holistischen Verfassung im Anschluss an das Lebensweltkonzept eine transzendentale Rolle zugewiesen im Hinblick auf die Möglichkeit intersubjektiver Situationsdeutung und Verständigung (vgl. J. Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns, Band 2, S. 182 ff.). Eine solche Rolle erhalten unsere impliziten Überzeugungen bei Rorty freilich nicht. Ihm geht es nicht darum, dass uns etwas konstitutiv im Rücken unserer Alltagserfahrung liegt, das nicht ohne Weiteres objektivierbar ist. Entsprechend seinem metaphysikkritischen Ansatz geht es Rorty allein darum, dass sich aus geradezu pragmatischen Gründen immer nur ein Teil des Überzeugungsnetzwerkes in Frage stellen lässt.

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Hintergrundüberzeugungen der Benutzer einer Sprache stellen selbst die Ressourcen für die Möglichkeit des Zweifelns an einzelnen Überzeugungen bereit. Diese können freilich jederzeit kritisiert und die entsprechenden Aussagen als nur unzureichend oder überhaupt nicht gerechtfertigte Aussagen bestritten werden. Gleichwohl kann sich unser Netzwerk aus Überzeugungen, wenn es auch nicht auf einmal bestritten werden kann, so doch allmählich ändern, wie Kulturund Wissenschaftsgeschichte zeigen. Deshalb lassen sich keine einzelnen Äußerungen, die auf ihren sich durchaus verändernden Kontext angewiesen sind, mit Äußerungen, die von einem anderen Kontext abhängen, unmittelbar so konfrontieren, dass über ihre Gültigkeit auf der Basis eines übergeordneten neutralen und zeitlosen Kontextes entschieden werden könnte. Und deshalb schon verkörpert keine einzelne Äußerung ein unbedingtes Wissen, auf dem sodann abgeleitete Einsichten aufruhen. Sondern alle Äußerungen sind bedingt, sie sind relativ durch den zeitlichen und kulturellen Index ihres holistischen Rechtfertigungskontextes. Ein veränderliches Netzwerk aus kohärenten Überzeugungen tritt im Neopragmatismus daher an die Stelle eines transhistorischen Wissensfundaments, das eine fundierende Philosophie meint offenlegen zu können: sei es in Gestalt einer philosophischen Systematik, einer Letztbegründung, einer Ontologie, einer Theorie der Erkenntnis oder einer Theorie über das Verhältnis von Sprache und Welt; sei es ein Fundament im erkennenden Subjekt oder ein ihm unmittelbar Gegebenes. Stattdessen hat eine jede Theorie ihre Geltung auf der Ã%DVLVµ des Diskurses ihrer Zeit. Einwenden ließe sich, dass unser Wissen dennoch fortschreiten, allmählich konvergieren könnte mit der Welt, wie sie wirklich ist und wie sie nicht nur fehlbaren Menschen mit Bedürfnissen und Interessen erscheint. Das Netzwerk aus Überzeugungen könnte sich in Richtung wachsender Übereinstimmung mit der Welt entwickeln, so dass die Relativität unseres Wissens keine prinzipielle ist, sondern Ausdruck eines noch unabgeschlossenen Lern- und Erkenntnisprozesses. Unser Wissen wäre dann zwar relativ, aber doch zugleich approximativ auf einen absoluten Endpunkt hin, die Wahrheit nämlich. Doch ein solches, durchaus konventionelles Modell kann Rorty deshalb nicht überzeugen, weil es einen nichtdiskursiven Wahrheitsbegriff voraussetzt, der gerade in der neopragmatischen Kritik steht. Lässt sich eine adäquationstheoretische Vorstellung von Wahrheit nicht halten, so auch kein evolutionäres Erkenntnismodell im Sinne einer Annäherung an die Wahrheit. Gegen dieses Modell kann Rorty sofort das gängige skeptizistische Argument ins Spiel bringen und fragen, welches Kriterium wir denn wohl hätten, um zu entscheiden, ob wir endlich am Ziel unserer Wahrheitssuche angekommen sind, wenn wir seit je für die Wahrheit von Aussagen unseren holistischen Rechtfertigungskontext in Anspruch nehmen müssen und über kein metatheoretisches Kriterium verfügen, anhand dessen wir auch nur den Grad unserer Annäherung ermessen können. So stellt sich die Frage, welche wahrheitstheoretische Bedeutung ein projizierter Endpunkt unseres Erkenntnisprozesses ± und zwar nicht nur für den Neopragmatisten, der nicht erneut den Weg in

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einen Skeptizismus und Agnostizismus gehen möchte ± überhaupt haben kann, über dessen Entfernung wir zu keiner Zeit eine Auskunft geben können. 18 (Wie weit hingegen zum Beispiel die Menschheit von einer gerechten und gewaltlosen Welt entfernt ist, das können wir immerhin einigermaßen ermessen, wenn halb18 Die von Habermas stark gemachte und viel diskutierte Geltungsbasis der Rede ± die kontrafaktische Unterstellung, wir seien an einem solchen Endpunkt, die wir immer schon mit unseren Aussagen kraft der mit ihnen erhobenen Wahrheitsansprüche machen ± setzt dagegen einen solchen Endpunkt als Regulativ voraus. Hierdurch wird im Modell des kommunikativen Handelns unsere Rede überhaupt zu einer vernunfthaltigen. Wenn wir mit unseren als wahr vertretenen Aussagen den universalistischen Anspruch erheben, dass ihre Geltung Raum und Zeit transzendiert, so setzen wir in unserer Alltagspraxis immer schon das voraus, was die Philosophie als Absolutes jenseits unserer Praxis angesiedelt hat. Die Evidenz dieser Auffassung, die sich dem transzendentalen Charakter der Argumentation verdankt, Wahrheitsansprüche seien in der herrschaftsfreien Kommunikation unvermeidbar, erstreckt sich keineswegs auf den hier ins Spiel gebrachten Wahrheitsbegriff selbst, auf den GLH :DKUKHLWVDQVSUFKH EH]RJHQ ZHUGHQ )U GHQ HLQIDFKHQ )DOO GDVV ÄGLH 'LQJH so liegen, wie sie ebeQ OLHJHQ³ JLOW VHOEVWYHUVWlQGOLFK GDVV GDQQ ZHQQ MHW]W GHU +LPPHOEHZ|ONWLVWPLWGHP8UWHLOÃ'HU+LPPHOLVWEHZ|ONWµGHU$QVSUXFKHUKoben wird, dass jeder andere Benutzer derselben Sprache unter den identischen Realitätsbedingungen auch zu jeder anderen Zeit und an jedem anderen Ort zu einem solchen Urteil gelangen muss. Dies gehört jedoch selbst noch zu den Verstehensbedingungen einer Sprache, denn wer angesichts eines wolkenlosen Himmels dieses 8UWHLO IlOOW ZHL‰ RIIHQEDU GDV :RUW ÃEHZ|ONWµ QLFKW ULFhtig zu gebrauchen, sofern seine Wahrnehmung nicht gestört ist. Für den etwas komplizierteren Fall von theoretisch verwickelten Thesen statt von empirisch eindeutigen, deskriptiven Aussagen stellt sich manches jedoch wahrheitstheoretisch etwas anders dar. Wer etwa eine machiavellistische These aufstellt, in Zeiten wirtschaftlicher Krisen bedürfe es einer starken Hand, eines mächtigen Staatsoberhauptes, welches die widerstreitenden Einzelinteressen zur Erhaltung des Ganzen repressiv in ihre Schranken weist, ist von der Richtigkeit seiner These durchaus fest überzeugt. Der Anspruch, mit dem er seine Überzeugung als einzig wahre gegenüber anderen Sprechern vertritt, kann jedoch so rekonstruiert werden, dass er sich dabei nicht auf eine raum- und zeitunabhängige Wahrheit bezieht, sondern darauf, dass bisher keine Widerlegung seiner These gelungen ist und es bisher keine bessere Alternative zu ihr gibt. Hat sich eine These in der Auseinandersetzung als nicht kohärent begründet herausgestellt, so ist der fehlgegangene Begründungsversuch als solcher zwar für immer falsch und möglicherweise sogar die These, die er begründen sollte, für immer und überall unhaltbar. Ein positiver Wahrheitsbegriff wird auf diese Weise dennoch nicht gewonnen, denn nahezu unbegrenzt viel kann einfach falsch sein, ohne dass daraus eine zeitlose Gültigkeit dessen sich ergibt, was als richtig begründet angenommen wird. Der Geltungsanspruch der Rede kann also auch so verstanden werden, dass es bisher keine besser begründeten Urteile gibt. Dann hätten wir es mit einem rein diskursiven Wahrheitsbegriff zu tun. Vertritt man nun dementsprechend eine reine Konsenstheorie der Wahrheit, so fragt sich auch hier, ob wir in unseren Diskursen tatsächlich unsere Wahrheitsansprüche an einem fiktiven, finalen, aber kontrafaktisch unterstellten Forscherkonsens messen oder ob wir nicht vielmehr implizit beanspruchen, dass uns bisher kein besseres Argument geliefert wurde und uns deshalb alle zustimmen sollten. ± Die Frage ist also nicht, ob wir Wahrheitsansprüche mit unserer Rede erheben, sondern an welchem Begriff von Wahrheit sich diese Ansprüche orientieren.

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wegs eine Übereinstimmung im SprachgeEUDXFK YRQ ÃJHUHFKWµ XQG ÃJHZDOWORVµ besteht.) Das einzig gängige Kriterium für eine Annäherung an die Wahrheit, das immer wieder fortschritts- und siegesgewiss vom Szientismus verkündet wird, soll in der unverkennbar wachsenden Naturbeherrschung und das heißt letztlich in verbesserter Prognosefähigkeit bestehen. Doch ist leicht zu sehen, dass auch diese kein Kriterium für einen nichtdiskursiven, erkenntnisrelationalen Wahrheitsbegriff abgeben kann; denn daraus, dass etwas unseren Vorhersagen gemäß sich verhält, folgt nicht, dass unsere Beschreibung mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Andernfalls müsste der Erkenntnisprozess bereits dort an seinem Ziel angelangt sein, wo ein erleuchteter Gelehrter die Wirkung des Opiums ± ein Beispiel, auf das Rorty gerne verweist ± auf eine geheime Kraft des Opiums zurückführt, die sich immer dann entfaltet, wenn man es konsumiert. Rortys Kontextualismus kehrt sich bereits gegen die Idee eines transhistorischen Bezugssystems für die Rechtfertigung von Aussagen, das mit einer sich allmählich vervollkommnenden Erkenntnis- und Referenztheorie hergestellt werden soll. Alle kulturellen und theoretischen Bezugssysteme von Aussagen und deren Rechtfertigungen bleiben auf die Weise unaufhebbar relativ, dass es nicht möglich ist, aus diesen Systemen herauszutreten und sie aus einer transmundanen Perspektive nochmals zu verifizieren, um die Welt des radikalen Skeptikers endgültig zum Einsturz zu bringen. Sie bleiben ein historisch gewordenes und veränderliches Netzwerk aus Überzeugungen. ± Wenn aber davon die Rede ist, dass unser Bezugssystem relativ sei in Bezug auf die Realität und nur eines unter alternativen Begriffssystemen darstelle, die zudem untereinander inkommensurabel sind, wird man von jenem konventionellen Relativismus sprechen dürfen, der nur den Gegenpart zum Absolutismus bildet und einer konstruktiven Auflösung der Wahrheitsproblematik fern steht. Solchen Relativismus vertritt Rorty nicht, auch wenn er, wie noch genauer zu sehen sein wird, für die These argumentiert, dass es unterschiedliche Beschreibungsweisen derselben Wirklichkeit gibt, die epistemisch gleichberechtigt sind. Während hinsichtlich der ersten, gegen einen Objektivismus und Absolutismus gewendeten These sich die Frage nach einer ansichseienden Realität gar nicht stellen muss, denn verneint wird zunächst nur der Anspruch auf ein transhistorisches Wissen über die Welt und über unsere Welterkenntnis, bedarf hingegen die zweite Relativitätsbehauptung, in der das Begriffssystem ein Weniger in Bezug auf die Realität darstellt, an der als dem selbst nicht relativen Bezugspunkt sich das System relativiert, der Idee eines Ansichseienden als dem absoluten Maßstab. Die Wahrheit ist wieder ÃGRUWGUDX‰HQµ wie die Welt, über die eine Aussage so wahrheitsrelativ bleibt wie eine mögliche andere. Die theorie- und kontextabhängigen Beschreibungen gelten hier nicht nur als gleichwertig, sondern vor allem als relativ gerade in Bezug auf ein unbeschriebenes Ansich, ein nicht sprachliches Etwas, das zur Aufrechterhaltung der Relativitätsthese immer als von der Sprache dualistisch Geschiedenes mitgedacht werden muss und das nach Subtraktion aller sprachlichen Bestimmungen übrig bleiben soll, zugleich aber nie sprachlich bestimmt werden

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darf. In dem einen, von Rorty vertretenen Fall sage ich, dass ich keine Möglichkeit sehe, aus dem sprachlichen Weltverhältnis herauszutreten und es aus einer transzendenten Einstellung zu reflektieren, die Sprache und Welt miteinander vergleicht, so dass die Frage, ob beide übereinstimmen, unerfüllbare Voraussetzungen für ihre Beantwortung impliziert. Im anderen Fall aber behaupte ich, dass Sprache relativ ist gegenüber einer ansichseienden Welt; eine Behauptung, die jene gottgleiche Perspektive erfordert ± denn nun möchte man mehr wissen darüber, wie die Welt ohne SpraFKH ÃEHVFKDIIHQµ ist, von der zu reden mir erst erlaubt, alles Sprachliche als relativ ihr gegenüber anzusehen; nun möchte ich wissen, ob sie nicht etwa doch, wenngleich nichtsprachlich, auf eine bestimmte, von Menschen unabhängige Weise beschaffen ist. Vor diesem Hintergrund sind ein ungebrochener Realismus und der Relativismus zwei Seiten eines Problems. Rortys Position ist hingegen, wie oben bereits bemerkt, zunächst nur von dem her zu versteKHQZDVVLHYHUQHLQWÄ'HQQGHU3UDJPDWLVWYHUWULWWNHLQHSRVLWLYH7KHRULH die besagt, etwas sei relaWLY]XHWZDVDQGHUHP³19 Diese Verneinung bezieht sich auf die Vorstellung ± ganz gleich, ob mit ihr eine realistische oder eine relativistische Auffassung verbunden ist ±, unser wahres Wissen resultiere aus einem direkten Kontakt mit der Welt und wir könnten in irgendeiner Weise zwischen sie und die Sprache treten, um den Grad dieses Kontaktes zu beurteilen. Lässt sich hierfür nicht überzeugend argumentieren, so lässt sich auch der metaphysische Wahrheitsbegriff der adaequatio nicht retten, der die Möglichkeit eines solchen Wissens zusammen mit einer es legitimierenden transzendenten Perspektive erfordert, ohne die kein Wissen darüber gewonnen werden kann, wann Übereinstimmung vorliegt. Rortys Position, die zunächst nur als Verneinung einer inkohärenten Behauptung darüber zu verstehen ist, was Wahrheit sei, wie sie manifest werden soll, beinhaltet die Ablehnung einer begriffsrelativistischen Konzeption, die in der analytischen Philosophie eine Zeit lang ± das heißt bis zum Erscheinen von Davidsons Kritik an ihr ± für wenig fraglos galt und nicht wenige Anhänger gefunden hat (Quine, Feyerabend, Strawson, Kuhn, Whorf). Man kann sie als einen erkenntnistheoretischen Dualismus kennzeichnen, der sich der Metapher von Begriffsschema und empirischem Inhalt bedient. Es handelt sich um einen Begriffsrelativismus, nach welchem sich unser begriffliches Schema, welches die Welt, besser gesagt unsere sinnlichen Eindrücke auf elementare Weise strukturiert oder sich der Welt angleicht, relativ zum empirischen, sinnlichen Inhalt verhält. Hierbei kann entweder das Schema konstant bleiben, der Inhalt jedoch wechseln (Strawson), oder es variiert das Schema, während der Inhalt identisch bleibt (Kuhn). Die Variationsmöglichkeit, bei welcher ein Relat (das Schema oder der Inhalt) konstant bleibt, während das andere veränderlich ist, indiziert die Dualität, das äußerliche Verhältnis der Relata zueinander. Dieser Dualismus ist verbunden mit 19 R. Rorty: Solidarität oder Objektivität? Drei philosophische Essays, S. 16.

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der These der Inkommensurabilität unterschiedlicher Schemata qua unterschiedlicher Sprachen (sowohl natürlicher Sprachen als auch Theoriesprachen), welche die Schematisierungen des empirischen Inhalts enthalten. ± Ausgangspunkt dieses Dualismus war die Überwindung eines anderen Dualismus durch Quine in dem bekannten Aufsatz Two dogmas of empiricism³20. Dieser Dualismus bestand zwischen analytischen und synthetischen Sätzen, also zwischen solchen Sätzen, die aufgrund ihrer Bedeutung wahr sind, und solchen, die aufgrund ihres empirischen Gehalts wahr sind. Davidson resümiert treffend die Konsequenzen der quineschen Kritik an diesem Dogma mit den Worten: Ä:HQQPDQGLH8QWHUVFKHLGXQJ]ZLVFKHQDQDO\WLVFKXQGV\QWKHWLVFKDOVHLQH*UXQGODJH des Sprachverstehens fallen läßt, gibt man damit die Idee auf, wir könnten deutlich zwischen Theorie und Sprache unterscheiden. Die Bedeutung ± das Wort im vagen Sinne gebraucht ± ist kontaminiert durch die Theorie, durch das, was für wahr gehalten ZLUG³21

Das heißt, die Bedeutung ergibt sich aus dem theoretischen Kontext, sie ist im Netzwerk der Überzeugungen durch dieses bestimmt, erlangt also ihre Bestimmtheit nicht durch ein Referenzobjekt, das als ein empirisch Unmittelbares vom Begriff repräsentiert wird. Zwar referieren die Begriffe auf etwas, doch ist ihre Referenz ohne ihren sie vorab bestimmenden, sprachlichen und theoretischen Kontext unergründlich. Da aber Theorien nicht unveränderlich sind, ändert sich auch die Art und Weise, wie wir empirische Inhalte begrifflich schematisieren und auf Basis der Schematisierung eine kontextbestimmte Referenz herstellen. Die Auflösung des Dualismus zwischen analytisch und synthetisch lässt sich an die Auflösung eines anderen Dogmas des Empirismus anschließen, das von 6HOODUV NULWLVLHUW XQG PLW GHU :HQGXQJ YRP Ä0\WKRV GHV *HJHEHQHQ³ EHNDQQW geworden ist. Sellars kritisiert die Vorstellung eines vorsprachlich und unmittelbar Gegebenen als empirischer Maßstab unseres Wissens. 22 Nach dieser Kritik haben wir keinen Zugang zu etwas Vorsprachlichem dergestalt, dass es als dieses Vorsprachliche zugleich Inhalt von propositionalem Wissen ist. Und so kann das vordiskursive, sinnlich Gegebene auch nicht unser Wissen begründen, dazu müsste es selbst bereits propositional beschaffen sein. Eine Einsicht, die ebenso in der inferentialistischen These Rortys enthalten ist, dass ein Satz nur durch einen anderen Satz gerechtfertigt werden kann und nicht durch etwas Nichtsprachliches. Führt man, wie Rorty, die Kritik Sellars¶ und Quines zusammen, kann man den Empirismus bedeutungstheoretisch ins Mark treffen. Denn nun erscheint es höchst aussichtslos, die Begriffsbedeutung auf ein sinnliches Äquiva20 Vgl. W. V. O. Quine: Von einem logischen Standpunkt. Neun logisch-philosophische Essays, darin: Zwei Dogmen des Empirismus. 21 D. Davidson: Wahrheit und Interpretation, S. 267. 22 Vgl. W. Sellars: Der Empirismus und die Philosophie des Geistes, Kapitel 1 und 8.

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lent als deren Basis zurückzuführen, an ihm zu kontrollieren und schließlich unser propositionales Wissen mit dieser Rückführung auf Nichtsprachliches zu begründen. ± Wenn nun Rorty kontextualistisch argumentiert, dann immer nur mit dem Hinweis darauf, dass sich kein neutraler Boden ausfindig machen ließe, kein metatheoretischer Kontext, wodurch es möglich würde, Referenzfragen so zu klären, dass an einem je empirischen Gegenstand sich entscheiden lässt, wann, in welcher (Theorie-)Sprache, er richtig begriffen und wann er verfehlt wird. Rorty eignet sich die referenz- und bedeutungstheoretischen Konsequenzen der erwähnten Empirismuskritiken in der analytischen Philosophie an, weil sie gute Argumente gegen eine empiristisch fundierende Erkenntnistheorie liefern, aber er übernimmt ± in Anlehnung an Davidson ± nicht den Dualismus von begrifflichem Schema und empirischem Inhalt. Dieser Dualismus erfordert nach wie vor die außersprachliche Perspektive auf die Relation zwischen unseren Begriffen und der Realität, um auf diese Weise zu der Feststellung zu gelangen, dass das Begriffsschema äußerlich zum Inhalt gehört, zu dem folglich ebenso ein anderes Schema passen kann. Damit aber würde der philosophischen Reflexion wieder das von der sprachsubjektiven Form unabhängige Sinnesmaterial, schließlich das Ã'LQJ DQ VLFKµ LP 6LQQH HLQHV XQVFKHPDWLVLHUWHQ $QVLFKVHLQV DOV WKHRUHWLVFKHU Gegenstand aufgebürdet. Den von Rorty im Anschluss an Davidson kritisierten Begriffsrelativismus könnte man auch als spezifisches Resultat einer quasikantianischen Kritik der sprachanalytischen Philosophie am Empirismus und schließlich am Realismus auffassen. In diesem bilden ÄVeQVDWLRQV³RGHUÄLmpressions³ den Ausgangspunkt unserer Objekterkenntnis; sie werden bereits als die eigentlichen Gegenstände unserer Erfahrung genommen. Außer Acht bleiben ± wie bekanntlich die kantische Philosophie gezeigt hat ± die kognitiven Vorleistungen des Subjekts in Gestalt seiner reinen Anschauungsformen sowie der Anwendung seiner Verstandesbegriffe, durch die das Mannigfaltige in der Anschauung zur Einheit des Gegenstandes nach Regeln synthetisiert und so erst der Gegenstand der Erkenntnis konstituiert wird. In Kants Apriorismus geht es von vornherein allerdings darum, die Objektivität der Erkenntnis zu begründen. Denn die Erkenntnisformen im Subjekt liegen nicht einfach dem Empirischen voraus, sie haben in ihrer Unabhängigkeit vom Empirischen und damit Kontingenten universellen Charakter, sind allen vernunftbegabten Wesen eigen. Aufgrund ihrer universellen Gültigkeit lassen sich die Denkformen ihrerseits nicht aus der Erfahrung gewinnen. Wird nun zwar nicht angezweifelt, dass es der Erfahrung vorausliegende Formen gibt, wohl aber ihre Universalität in Zweifel gezogen, wird also die Möglichkeit ± historisch oder kulturell bedingter ± unterschiedlicher Denkformen behauptet, die sich miteinander nicht zur Deckung bringen lassen, so ist ein Erkenntnisrelativismus nur konsequent. Freilich ist schwer zu sehen, unter welchen Bedingungen sich ein solcher Relativismus verifizieren ließe. Wer ihn begründen wollte, müsste nämlich über mehr als nur seine eigenen Formen verfügen und ± wie erwähnt ± diese und die anderen zudem auch noch aus einer Metaperspektive miteinander

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vergleichen können, und zwar in ihrem Bezug auf den identischen nichtsprachlichen Inhalt. In der metaphorischen Figur des Verhältnisses von Form und Inhalt, wie sie der Relativismus denkt, ist die Form von ihrem Inhalt, mögen beide auch für das Zustandekommen von Erfahrung und Wissen aufeinander verwiesen sein, prinzipiell abtrennbar. Ohne eine gewisse Abtrennbarkeit, ohne eine Dualität von Form und Inhalt war schon der Apriorismus gar nicht denkbar, der in der sprachanalytischen Philosophie die Relativität der Form bzw. des Schemas in Bezug auf den Inhalt nicht gänzlich unplausibel erscheinen lässt. Der Dualismus lässt sich aber vor allem dann relativistisch ausschlachten, wenn Form und Inhalt in einem äußerlichen Bezug des Passens oder des Entsprechens zueinander gedacht werden. Denn dann braucht man nur den weiteren Schritt zu tun und es für möglich zu halten, dass verschiedene Formen mit demselben Inhalt zusammenstimmen. Vom ansichseienden Inhalt her betrachtet ist die Form dann subjektiv und relativ. So jedenfalls verfährt die sprachanalytische Unterscheidung von Begriffsschema und dem nicht subjektiv Gesetzten, den Sinneseindrücken, die zu der Instanz werden, zu der das Schema passt. Bei Kant freilich ist, bei allem Apriorismus, eine solche Relativität noch nicht denkbar, weil er die spezifische Aktivität des Subjekts noch im Auge hat, das konstituiert, also den Gegenstand der Erfahrung aus dem sinnlichen Material formend hervorbringt; mit einer andersartigen ÃForPXQJµ müsste daher ± jenseits aller Relativität ± ein anderer Gegenstand der Erfahrung entstehen, über den es entweder wahre oder falsche Urteile geben kann. Nach diesem Modell wird nicht lediglich ein empirisches Material unter verschiedene Schemata gebracht, die im Hinblick auf ihre Realitätsangemessenheit miteinander konkurrieren. In seinem Aufsatz Was ist eigentlich ein Begriffsschema?, der mittlerweile zu den kanonischen Texten der sprachanalytischen Sprachphilosophie gehört, unterzieht Davidson die epistemologische Konstruktion eines Schema-InhaltDualismus einer Kritik, die diese Konstruktion zum Einsturz bringt. Dem Dualismus gemäß müssen wir beide, Schema und Inhalt, unter wahrheitstheoretischen Gesichtspunkten dergestalt aufeinander beziehen, dass der Inhalt dem Schema entspricht. Als Inhalt fungiert in diesem Dualismus dasjenige, was als nicht subjektive Quelle der Erfahrung unser begriffliches Schema verifiziert. Der Dualismus aber suggeriert, dass mit der Eruierung dieser Quelle eine Entität zusätzlich zu all dem ins Spiel kommt, wovon unsere Sprache in verifizierten Sätzen bereits explizit handelt, so dass anhand dieser zusätzlichen Entität sich ein Begriffsschema auf seine Realitätsentsprechung hin beurteilen lässt. Seine zentrale These gegen diese Vorstellung formuliert Davidson folgendermaßen: ÄWenn man, anstatt von den Belegen oder bloß von den Fakten zu reden, von der Sinneserfahrung spricht, so bringt man damit eine Ansicht über den Ursprung oder das Wesen der Belege zum Ausdruck, ohne dem Universum jedoch eine Entität hinzuzufügen, mit deren Hilfe Begriffsschemata auf die Probe gestellt werden können. Die Gesamtheit der sinnlich wahrnehmbaren Belege ist das, worauf wir es abgesehen haben, sofern es

100 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN wirklich alle Belege sind, die es gibt; und die Gesamtheit der existierenden Belege ist genau das, was erforderlich ist, um unsere Sätze oder Theorien wahr zu machen. Es gibt jedoch nichts, kein Ding, das Sätze und Theorien wahr macht; weder Erfahrung noch Oberflächenreizungen noch die Welt sind imstande, einen Satz wahr zu machen. Daß die Erfahrung einen bestimmten Verlauf nimmt, daß unsere Haut erwärmt oder durchstoßen wird, daß das Universum endlich ist ± diese Tatsachen machen (sofern wir uns in dieser Weise auszudrücken belieben) Sätze und Theorien wahr. Doch dieser Sachverhalt läßt sich besser ausdrücken, ohne Tatsachen zu erwähnen 'HU 6DW] ÃPHLQH +DXW LVW ZDUPµ ist dann und nur dann wahr, wenn meine Haut warm ist. Hier wird weder auf eine Tatsache noch auf eine Welt, weder auf eine Erfahrung noch auf Belegmaterial Bezug genommeQ³23

Was Davidson mit seiner Argumentation hervorhebt, ist der Umstand, dass unsere sprachliche Bezugnahme auf die Realität zugleich eine beschreibungsimmanente Relation bildet. Wir nehmen nicht Bezug auf eine unbeschriebene Entität, die wir ganz der Sphäre sinnlichen Materials zuordnen und die sodann DOVÃ+DXWµ XQGPLWGHP:RUWÃ+DXWµ passender- oder unpassenderweise beschrieben werden kann. Vielmehr nehmen wir in einer entsprechenden Aussage auf nicht mehr und nicht weniger Bezug als auf das, was bereits als Ã+DXWµ beschrieben ist. Wenn es sich stattdessen dennoch einmal um etwas handelt, das etwa in der deutschen Sprache als das Federkleid eines Flamingos beschrieben wird und sich warm anIKOWVRLVWGLH$XVVDJHÃ0HLQH+DXWLVWZDUPµ nicht wahr, weil es nicht meine Haut, sondern das Federkleid ist. Nicht anders verhielte es sich etwa mit dem :RUWÃSinnesrei]XQJµ, wenn mit ihm jemand Bezug nähme auf seine MenschenrHFKWHXQGVDJHQZUGHHUKDEHÃXQYHUlX‰HUOLFKH6LQQHVUHL]XQJHQµ. Eine Sinnesreizung haben wir in all den Fällen, in denen wir eine Sinnesreizung haben und nicht etwas anderes, sR ZLH GLH +DXW LQ DOOHQ )lOOHQ ÃZDUPµ ist, in denen sie warm ist. Das heißt(VZLUGGHU6DW]Ã0HLQH+DXWLVWZDUPµQLFKWGDGXUFKZDKU dass zusätzlich zur Wärme noch eine nicht sprachliche Sinnesreizung sprachlich identifizLHUWZHUGHQNDQQDXIGLHVLFKÃWärPHµ bezieht. Davidsons Argumentation zeigt nochmals auf eine bestimmte Weise, warum wir nicht zwischen Sprache und Welt treten können. Im Fall der warmen Haut wird etZDPLWÃSinnesrei]XQJµ allenfalls ein allgemeineres und damit unspezifischeres Vokabular gewählt. Würde jemand sagen, er habe eine Sinnesreizung, oder würde er die Aussage treffen, er besitze materielle Dinge, so würden wir gerne wissen, welche Sinnesreizung und welche Dinge. Wir kämen aber nicht auf den Gedanken, die Aussage von jemandem, er habe Bauchschmerzen, durch die Beantwortung der Frage zu verifizieren, ob seinem Gebrauch des Wortes Ã%DXFKVFKPHU]HQµ auch etwas entspricht, das eine Sinnesreizung wäre; eine Sinnesreizung freilich, die dann noch sprachlich genauer zu bestimmen wäre. Doch was anderes als ± genauer bestimmt ± eben Bauchschmerzen könnte das Aussageäquivalent am Ende wohl sein? Was wie eine zusätzliche wahrheitslegitimierende, ontische Quelle der 23 D. Davidson: Wahrheit und Interpretation, S. 276.

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Aussage erscheint, ist nur ihre überflüssige Neu-, Um- und Minderformulierung. Es wird nur das Nomen gewechselt in Richtung eines höheren Allgemeinheitsgrades, die Beschreibung aber nicht verlassen in Richtung eines direkten Kontaktes mit dem eigentlichen Sosein von Erfahrungsgegenständen. Warum sollten allgemeine Termini der Realität angemessener sein oder erst sie den Kern des Beschriebenen treffen? Seit dem Platonismus behauptet die Philosophie durch die Parteinahme für das Allgemeine Zeitlosigkeit als Wesen des Seins und der Wahrheit, die qua Abstraktheit immateriell ist, so dass der menschliche Geist, der ebenfalls nicht materiell oder gegenständlich ist, ihr vollständig adäquat sein kann. Wer Rortys Kritik am platonischen Wahrheitsbegriff nicht für verfehlt hält und ihre Konsequenzen EHGHQNWZLUGGDKHUDXFKIROJHQGHQ6DW]QLFKWIUVNDQGDO|VKDOWHQÄ'HU1RPiQDOLVW KlOW :|UWHU ZLH Ã3K\VLVǥ RGHU Ã:HVHQǥ nicKW IU ÃHOHPHQWDUHUµ als Wörter ZLH Ã5RVHQNRKOµ RGHU Ã)X‰EDOOµ³ 3K= 125). Kaum leugnen lässt sich der kritische Aspekt des Nominalismus, der darin besteht, dass er dem Abstrakten per se keinen Vorzug gegenüber dem weniger Abstrakten zuspricht, denn er versteht das Allgemeine und damit auch die Begriffe nicht als ein an sich Substantielles. Die Sprache ist nicht je nach Allgemeinheitsgrad ihres Vokabulars dem, was beschrieben wird, auch nicht seinem Wesen, näher oder ferner, angemessener oder weniger angemessen. Es ist nicht mehr als eine Setzung der Ursprungsphilosophie, das Allgemeinere sei das Elementarere und das Fundamentalere der Wirklichkeit und in ihm müsse schließlich auch unser Wissen fundiert sein. ± Wenn wir über die Realität sprechen, so nehmen wir auf sie unter Beschreibungsbedingungen Bezug, wir nehmen auf sie Bezug als eine sprachlich beschriebene und nicht als unbeschriebene. Erkenntnistheoretische AusGUFNH ZLH ÃSinnesmateriDOµÃ6LQQHVUHL]µÃ6LQQHVGDWHQµ und ähnliche aber wecken die Illusion, sie würden ein Unbeschriebenes und möglicherweise an sich Konkreteres repräsentieren, mit dem eine Beschreibung alsdann verglichen werden kann, so als gäbe es eine WUHQQVFKDUIHÄ8QWHUVFKHLGXQJ]ZLVFKHQ*HJHQVWlQGHQXQGGHQDXIVLH]XWUHIIHnden SätzHQ³ :) 151). Ist der Mythos eines vorsprachlich unmittelbar Gegebenen, auf dem sprachliche Bedeutung basieren soll, aufgelöst und eine Referenztheorie durch einen epistemologischen Holismus abgelöst, demgemäß unser Realitätsbezug durch den gesamten Kontext unserer Sprache und der in ihr formulierten und sedimentierten Überzeugungen bestimmt ist, dann wird mit der zusätzlichen Überwindung des Dualismus von Begriffsschema und empirischem Inhalt der Argumentationsspielraum für eine realistische Position, die an einer ansichseienden Realität als Erkenntnismaßstab festhält, mit der unsere sprachlichen Äußerungen besser oder schlechter übereinstimmen, äußerst gering. Wir befinden uns nun, nachdem in der analytischen Philosophie die Dogmen des Empirismus abgearbeitet sind, an einem Punkt analog zu dem, an dem der nachkantische Systemidealismus den DXDOLVPXVXQGGDPLWGLH,GHHHLQHVÃ'LQJs DQVLFKµIDOOHQJHODssen hat, das vom Denken radikal geschieden sein soll und sich der Erkenntnis entzieht.

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Für den Idealismus nach der Kritik an Kant gibt es laut Hegel nichts mehr im Himmel und auf Erden, das der Erkenntnis Widerstand leisten könnte. ± Und bei Davidson, in seinem Philosophem können wir, und zwar gerade vor dem Hintergrund der Aufhebung des Dualismus von Schema und Inhalt, anders gesagt im Anschluss an den Nachweis der Untrennbarkeit von Sprache und Welt, erneut die Idee der objektiven Wahrheit verteidigt finden: ÄIndem wir uns der Abhängigkeit vom Begriff einer uninterpretierten Realität (eines Etwas, das außerhalb aller Schemata und aller Wissenschaft liegt) entziehen, verzichten wir nicht auf den Begriff der objektiven Wahrheit ± ganz im Gegenteil. Ist das Dogma eines Dualismus von Schema und Realität gegeben, erhalten wir Begriffsrelativität und Wahrheit relativ zu einem Schema. Ohne das Dogma geht diese Art von Relativität über Bord. Natürlich bleibt die Wahrheit der Sätze sprachrelativ, aber objektiver geht es nun einmal nicht. Indem wir den Dualismus von Schema und Welt fallen lassen, verzichten wir nicht auf die Welt, sondern stellen die unmittelbare Beziehung zu den Gegenständen wieder her, deren Possen unsere Sätze und unsere Meinungen wahr oder falsch maFKHQ³24

Dass es objektiver nun einmal nicht gehe, braucht dann nicht als Einschränkung verstanden zu werden, wenn man erkannt hat, dass der Objektivismus, um nicht zu sagen der residuale Wahrheitsbegriff, wonach Wahrheit erst nach der Subtraktion des Subjekts zum Vorschein komme, in letzter Instanz auf nicht sehr viel mehr hinausläuft als auf einen naiven Realismus, welchen methodischen und szientistischen Ansprüchen er auch immer gerecht werden mag. Gleichwohl ± Rorty wird von objektiver Wahrheit nicht mehr sprechen, und wenn er stattdessen von dem für eine philosophische Untersuchung uninteressanten Wahrheitsbegriff des Common Sense spricht, so geht diese andere Akzentsetzung auf Rortys spezifisch neopragmatische und betont deontologische Fassung des Wahrheitsbegriffs zurück, dem allem Antidualismus zum Trotz dennoch ein relativistischer Aspekt in Gestalt der Beschreibungsrelativität eignet. Dass bei Davidson ein solcher relativistischer Aspekt nicht zum Zuge kommt, liegt daran, dass ein tragendes Argument seiner Kritik am Schema-Inhalt-Dualismus gegen dessen XQKDOWEDUH 9RUDXVVHW]XQJ JHKW ÄGHQ %HJULII GHU :DKUKHLW PLW %H]XJ DXI GLH 6SUDFKH XQDEKlQJLJ YRP %HJULII GHU hEHUVHW]XQJ ]X YHUVWHKHQ³.25 Wäre diese Unabhängigkeit, wie es der Dualismus von Schema und Inhalt will, denkbar, dann wären unterschiedliche Sprachen aufgrund ihres vermeintlich unterschiedlichen Begriffsschemas unübersetzbar und dennoch unter ihren Bedingungen wahr. Doch die Annahme einer solchen Inkommensurabilität scheitert an sich selbst, weil zu der Bedingung, etwas als Sprache zu verstehen, gehört, dass man weiß oder zumindest eine Theorie darüber hat, wann in ihr ± oder einem lautlichen Gebilde ± eine Aussage getroffen wird, die wahr ist, womit die These der 24 D. Davidson: Wahrheit und Interpretation, S. 282. 25 Vgl. ebd., S. 276 ff.

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Unübersetzbarkeit und damit der ganze Sprachrelativismus schon untergraben ist. (Hierbei kann man zunächst ganz außer Acht lassen, auf welche Weise wir uns etwas als eine andere Sprache zugänglich machen, ob etwa durch die Beobachtung von Sprechern oder durch die Zuhilfenahme von Wörterbüchern.) Man kann also mit Blick auf Davidson sagen, dass in der prinzipiellen Übersetzbarkeit von Sprachen sich eine Objektivität durchsetzt und niederschlägt, die ± wollte man hier terminologisch genau sein ± unauflösbar sprachrelational ist, aber doch nicht sprachrelativ. Die Untrennbarkeit von Sprache und Welt wird, wenn diese auch nicht unmittelbar zugänglich ist, von der Welt her verstanden. Der Angelpunkt aber der Argumentation Rortys besteht darin, dass unter den Voraussetzungen, dass die Idee einer immanenten Natur aufgegeben wird und sich HEHQVRNHLQÃHLJHQWOLFKHV6RVHLQGHU'LQJHµ von der nur beschriebenen Realität trennen lässt, auch der Gedanke hinfällig wird, dass die vom Dualismus verkannte Untrennbarkeit von Sprache und der Welt, in der wir handeln, mit einem bestimmten Vokabular und mit einer bestimmten Beschreibung manifest würde, weil dieses Vokabular und diese Beschreibung dem Wesen der Realität näher stünden, so dass sich zwischen unterschiedlichen Beschreibungen deren größere oder geringere Angemessenheit beurteilen und sich am Ende eine Idealsprache als die angemessenste qualifizieren ließe. Die Kritik an der Dualität von Erscheinung und Wesen fungiert nicht einfach nur als eine antimetaphysische Generalthese gegen den Platonismus. Sie erweist sich vor allem als unentbehrlicher Bestandteil des Nominalismus selbst wie auch als Voraussetzung für die These der Beschreibungsrelativität. Rorty, der im Unterschied zu Davidson unter Relativismusverdacht steht, setzt von vornherein den Hauptakzent darauf, dass es unterschiedliche Realitätsbeschreibungen gibt, ohne dass eine Beschreibung der anderen im Sinne einer Annäherung an das wahre Sein überlegen sei. Und dem Verstehen der unterschiedlichen Beschreibungen steht gar nichts, schon gar nicht eine Unübersetzbarkeit, im Wege. Weil die Differenz zwischen Erscheinung und Wesen im pragmatischen Nominalismus nicht mehr aufrechterhalten wird, wird auch bestritten, dass die Unterschiedlichkeit der Beschreibungen von ontologischer Bedeutung sei. Wer die Natur spiritualistisch als im Wesentlichen immaterielle beschreibt, der beschreibt sie zunächst anders als ein Atomphysiker, und noch anders wird sie im Rahmen eines Panpsychismus oder gar Pantheismus beschrieben. Während ein Physikalist sich vielleicht etwas auf die Exaktheit seiner Beschreibung zugute hält, die von deren Angemessenheit der Natur gegenüber zeugen soll, wird der Vitalist ihm vorwerfen, das Lebendige mit starren Formeln zu verfehlen. Unter der Voraussetzung des metaphysischen Anspruchs auf eine endgültige Wesensbeschreibung, die der Nominalist für verzichtbar hält, erscheint die von Rorty vertretene Gleichberechtigung der Beschreibungsweisen als Relativismus. Denn die Unterschiedlichkeit solcher Vokabulare und Beschreibungen (und das mit ihnen verbundene Netzwerk aus Überzeugungen) hat VR ZHQLJ HLQ RQWRORJLVFKHV *HZLFKW ZLH ÄGHU 8QWHUVFKLHG ]ZLVFKHQ %HVFKUHi-

104 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN

bungen der heiligen Messe in orthodoxer katholischer Terminologie und in der Terminologie der verglHLFKHQGHQ9|ONHUNXQGH³ 3K= 127). Keine Beschreibung eines Ausschnittes des Universums kann und wird das, worum es in ihr geht, ontologisch verfehlen. Wenn Rorty, die Auflösung der Dogmen des Empirismus vorausgesetzt, aus dem holistischen und antidualistischen Verständnis unseres Weltwissens die Konsequenz zieht, dass keinem Vokabular und keiner Beschreibung das Privileg zukommt, weltangemessener und wahrheitsgemäßer zu sein als andere Vokabulare und Beschreibungen, dann versteht er jene Untrennbarkeit von Sprache und Welt immer im Unterschied zu Davidson von der Sprache her: Wir können nicht von einer unbeschriebenen, sprachlich unvermittelten Welt sinnvoll sprechen. Sie auch von der Welt her zu verstehen, diese Untrennbarkeit nämlich so aufzufassen, dass wir immer auch über etwas sprechen müssen, der Weltbezug auch für die Sprache selbst konstitutiv ist, dieser Aspekt wird in Rortys Sprachphilosophie wenig berücksichtigt. Könnten wir die Sprache nicht zugleich immer auch von der Welt her verstehen, so ergäbe die Rede von der vielfältigen Beschreibungsmöglichkeit der einen Welt und ihrer Untrennbarkeit von der Sprache keinen Sinn, weil diese Rede den Zusammenhang von Unterschiedenem impliziert. Fiele der Unterschied fort oder ganz in die Sprache selbst, dann wäre in einem ontologisch überzogenen Sinn, um nicht zu sagen Widersinn, alles Sprache. Alles Sprechen wäre ein Sprechen über Sprache, nicht ein Sprechen über etwas, auf das Sprache bezogen ist. Dieser zweite Aspekt der Realitätsbezogenheit unseres Sprechens ist bei Rorty dem ersten Aspekt, bei dem es um die Sprachvermitteltheit alles Realen geht, nachgeordnet und wird allein ± wie ich im dritten Kapitel zeigen und im fünften Kapitel kritisieren werde ± unter den Voraussetzungen der schon vollzogenen Realitätsbeschreibung thematisiert, unter denen erst sich das Weltverhältnis als ein nicht repräsentationales, nicht epistemisches, sondern als ein rein kausales verstehen lässt. Weil Rorty die Welt von der Sprache her versteht, stellt sich die Sprach- und Beschreibungsrelativität gerade nicht in Bezug auf eine außersprachliche Realität dar, die als diese besser oder schlechter repräsentiert werden kann. Vielmehr ergibt sich diese Relativität allein aus dem Verhältnis der verschiedenen Vokabulare und der entsprechenden Beschreibungen zueinander, die sich nicht auf eine Skala ihrer besseren oder schlechteren Übereinstimmung mit einer außersprachlichen Realität übertragen lassen. Keine in sich stimmige Beschreibung ist enger mit dem, wovon sie handelt, verbunden, als dies bei einer anderen Beschreibung der Fall ist. Wenn Rorty selbst mitunter von einer sprachrelativen oder beschreibungsrelativen Realität spricht, so ist deshalb genau zu sehen, wie hier die Argumentation verläuft. Den Ausgangspunkt bildet die Verschiedenheit der Vokabulare und Beschreibungen zusammen mit der generellen Unmöglichkeit, zwischen Sprache und Welt treten zu können (die gleichbedeutend ist mit der Unmöglichkeit eines direkten, sprachlich unvermittelten Zugangs zur Welt, mit dem der sprachliche Zugang alsdann abzugleichen wäre), zusammen also mit der ge-

RORTYS NEOPRAGMATISCHE KRITIK AM W AHRHEITSBEGRIFF | 105

nerellen Unmöglichkeit, Sprache und Welt so auseinanderzudividieren, wie es zwischen Momenten möglich ist, die äußerlich miteinander verbunden sind und ± worauf der Skeptizismus aufbaut ± sich gerade deshalb auch permanent verfehlen können. Die Relativität, die hier ins Spiel kommt, resultiert nicht daraus, dass kein Sprechen und Denken der Realität je ganz gerecht werden kann und wir jeweils aktuell nicht ausschließen können, dass wir sie verfehlen. Sondern sie resultiert allein aus dem Umstand, dass wir von Realität immer nur als einer Realität unter einer bestimmten von mehreren möglichen Beschreibungen sprechen können. ± Dagegen behauptet eine realistische und repräsentationalistische PosiWLRQ ÄGD‰ HV eine Wahrheit gibt ± eine Annahme, die wiederum voraussetzen muß, daß Wahrheit Entsprechung zur Wirklichkeit ist und daß es nur eine Wirklichkeit gibt. Der Barwert dieser Annahme ist das Postulat, daß einige Sprachen besser als andeUHGLH:LUNOLFKNHLWEHVFKUHLEHQ³ 3K= 113). Auf den ersten Blick scheint diese These einem simplen Relativismus Tür und Tor zu öffnen, für den es Wahrheiten und Wirklichkeiten wie Konfektionsgrößen gibt, von denen man sich am Ende eine aussuchen kann. Dass sich bei Rorty jedoch nirgends die positive Formulierung findet, es gäbe viele Wahrheiten und Wirklichkeiten, hat auch hier wieder den Grund darin, dass es weder um eine metaphysische noch um eine erkenntnistheoretische These geht. Denn vorausgegangen war die Einsicht, dass es keine Möglichkeit gibt, beschreibungsunabhängige Gegenstände als Maßstab für die Realitätsangemessenheit einer Sprache fungieren zu lassen. Es geht deshalb vielmehr allein um die kritische Feststellung, dass mit der These, es gäbe eine Wahrheit, im Sinne der Gesamtheit wahrer Sätze, nicht mehr gesagt wird, als dass es nur eine weltangemessene Sprache gibt, in der über die Welt wahre Sätze formuliert werden können. Dass eine beschreibungsunabhängige Wirklichkeit kein Wahrheitsmaßstab sein kann, impliziert zudem nicht die positive These, dass Wirklichkeit ein sprachliches Erzeugnis ist und man von ihr folglich wie von den Sprachen im Plural reden kann. Die Existenz der einen außersprachlichen und von Menschen fundamental unabhängigen Realität, die nicht identisch ist mit dem Vokabular, wird von Rorty daher selbstverständlich nicht in Zweifel gezogen. Übrigens würde diese Realität auch nur ein extrem subjektiver Idealist, der zugleich ein Solipsist wäre, bestreiten, und der dürfte etwa so selten sein wie jener Relativist, der behauptet, es gäbe keine Wahrheit, und mit dem Rorty mitunter verwechselt wird. Für den Nominalisten gilt: Ä:LUPVVHQ]ZLVFKHQGHU%HKDXSWXQJGD‰GLH:HOWGRUWGUDX‰HQLVWXQGGHU%HKDXptung, daß Wahrheit dort draußen ist, unterscheiden. Daß die Welt dort draußen ist, daß sie nicht von uns geschaffen ist, heißt für den gesunden Menschenverstand, daß die meisten Dinge in Raum und Zeit die Wirkungen von Ursachen sind, die menschliche mentale Zustände nicht einschließen. Daß die Wahrheit nicht dort draußen ist, heißt einfach, daß es keine Wahrheit gibt, wo es keine Sätze gibt, daß Sätze Elemente menschli-

106 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN cher Sprache sind und daß menschliche Sprachen von MensFKHQ JHVFKDIIHQ VLQG³ (KIS, 24)

Rortys Überlegungen nehmen ihren Ausgang von dem Befund, dass verschiedene Beschreibungen in Bezug auf dieselbe existierende Realität möglich sind, diese Realität einem Sprachbenutzer jedoch immer schon und nur als beschriebene zugänglich ist, Wahrheit somit eine beschreibungsinterne Relation kennzeichnet. Doch mit diesem nominalistischen Wahrheitsbegriff, so scheint es, entgeht auch Rorty nicht der Frage, ob mit der Vorstellung eines von uns nicht Geschaffenen, das als dieses von unserer Beschreibung unabhängig sein muss, denn sonst würde sich Wahrheit nicht auf die sprachliche Sphäre allein begrenzen lassen, nicht GRFK ZLHGHU GDV Ã'LQJ DQ VLFKµ LQV 6SLHO NRPPW $XFK GDV NDQWLVFKH Ã'LQJ DQ VLFKµEDVLHUWDXIGHU7KHVHGDVVGHUDXWRQRPH,QWHOOHNWZHQQJOHLFKHU seine Erkenntnisgegenstände konstituiert, nicht die Ursache der Erscheinungen ist. Es hat die erkenntniskritische Funktion, das Erkenntnissubjekt trotz seines konstitutiven Charakters immer noch unter den Bedingungen seiner Endlichkeit denken zu können. ,FKNRPPHQXQ]XUFN]XGHU)UDJHQDFKGHU$XIO|VXQJGHVÃ'LQJs DQVLFKµXnter nominalistischen Bedingungen. Rekapituliert man die bisherigen Einwände Rortys gegen die Vorstellung einer sprach- und beschreibungsunabhängigen Realität, die den Maßstab wahrer Aussagen bilden soll, und rekapituliert man seine (LQZlQGH JHJHQ GLH ,GHH HLQHV Ã'LQJs DQ VLFKµ VR ]HLJW VLFK GDVV HV VLFK KLHU nicht um eine erkenntnismetaphysische Kritik handelt, die mit einer ontologischen Aussage darüber verbunden wäre, was dieses Ã'LQJµ MD ZDV GLH :HOW eigentlich ist. 'HU 3UDJPDWLVW 5RUW\ KDW QLFKW HQWGHFNW GDVV HV VWDWW HLQH ÄHKHUQH Größe von Kraft, welche nicht größer, nicht kleiner wird, die sich nicht verEUDXFKWVRQGHUQQXUYHUZDQGHOW³26 GDVVGLHVHVÃ'LQJµVWDWWGiese Kraft oder statt Geist zu sein, in Wahrheit nichts als sprachlicher Sinn, ein durch und durch VSUDFKOLFKHV (U]HXJQLV LVW (U KDW DXFK QLFKW HQWGHFNW GDVV GLHVHV Ã'LQJµ EHrhaupt inexistent ist. Ebenso wenig übrigens hat er herausgefunden, dass es ein Wesen, also eine immanente Natur nicht gibt und dass stattdessen alles nur Erscheinung ist, ein reines, vorübergehendes Wahrgenommenwerden. Zwar macht 5RUW\QLFKWH[SOL]LWZLHVHLQ1RPLQDOLVPXVPLWGHPÃ'LQJDQVLFKµIHUWLJZLUG Doch nach dem Bisherigen lässt sich sagen, dass es in seinem Philosophem um den Versuch einer sinnkritischen Auflösung GHU 5HGH EHU GDV Ã'LQJ DQ VLFKµ JHKW%HVWULWWHQZLUGGDVVGDVÃ'LQJDQVLFKµGDVVHLWGHUNDQWLVFKHQ3KLORVRSKLH für die Endlichkeit menschlicher Erkenntnis steht, überhaupt noch von einer erkenntnistheoretischen Bedeutung sein kann, wenn es sich per Definition der Erkenntnis entzieht. Nicht einmal wird ein negatives Existenzurteil über dieses Ã'LQJµJHIlOOWGHQQHLQVROFKHV8UWHLOZUGHEHUHLWVGLH5HGHEHUGDVÃ'LQg an 26 Fr. Nietzsche: Aus dem Nachlaß der Achtzigerjahre, S. 916.

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VLFKµ DOV VWLPPLJ DIILUPLHUHQ :LH KHUYRUJHKREHQ KlOW 5RUW\ VLFK DOOHLQ DQ GLH negativ formulierte Einsicht, dass wir nicht außerhalb unseres sprachlichen Weltbezuges über die Welt sprechen können, die es gleichwohl unabhängig von uns gibt. Und so kann der radikale Nominalist keinen Sinn mit der Frage verbinden, wie eine von Menschen unbeschriebene Realität sich anders thematisieren lassen sollte denn als etwas, worüber sich nichts sagen lässt. Denn was könnten wir mit einer solchen Realität meinen, das mehr wäre als das Nichts der Bestimmungslosigkeit? Sinnkritisch auflösen lässt sich die erkenntnismetaphysische 5HGHEHUGDVÃ'LQJDQVLFKµ LQGHU :HLVHGDVV PDQDXIVLHGLH(LQVLFKW :LWtJHQVWHLQVDQZHQGHWÄGD‰HLQ1LFKWVGLHJOHLFKHQ'LHQVWHWlWHZLe ein Etwas, woUEHUVLFKQLFKWVDXVVDJHQOl‰W³27. Genauso witzlos ist es, etwas zum Thema einer erkenntnistheoretischen Untersuchung zu erklären, das nicht erkennbar ist. Im Grunde argumentiert Rorty auf dieser deontologischen Linie. Er kommt dabei keineswegs auf den abenteuerlichen Gedanken, dass Dinosaurier Geschöpfe sind, die erst mit der menschlichen Sprache in der Erdgeschichte auftreten. Doch ehe PDQ ]XP %HLVSLHO HWZDV DOV 'LQRVDXULHU EHVFKULHEHQ KDW ÄLVW HV VLQQORV ]X beKDXSWHQ HV VHL ÃGRUW GUDX‰HQµ und habe Eigenschaften. Was ist denn dort drau‰HQ" 'DV 'LQJ DQ VLFK" 'LH :HOW" 6DJ XQV PHKU %HVFKUHLEH HV HLQJHKHQGHU³ (WF, 128); sobald dies versucht wird, reden wir schon nicht mehr über etwas, das vor oder unabhängig von unserer Beschreibung Eigenschaften hat. Ebenso könnten wir über unsere sinnliche Anschauung nachdenken wollen, noch bevor wir über Begriffe verfügen. Vor diesem Hintergrund wäre eine Lesart von Rortys Philosophie nicht ganz abwegig, die sie ± ungeachtet seiner Kantkritik ± als eine kantianisierte Sprachphilosophie interpretieren würde, wonach der Sprache beziehungsweise der Grammatik eine weltkonstitutive Rolle in einem ausdrücklich nicht ontologischen Sinne zukommt. Auch bei Kant werden die Gegenstände nicht vom Vernunftsubjekt erschaffen, sondern das Sinnesmaterial durch den Verstand so synthetisiert und strukturiert, dass dabei das Objekt des Denkens entsteht, das als so entstandenes mit dem Denken kommensurabel ist ± ganz wie es eine Idee der adaequatio erfordert, nach der nur Gleiches Gleiches erkennen kann. Vergleich27 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 304, S. 376. Wittgenstein bezieht diese Kritik auf den Unterschied zwischen Schmerzverhalten und Schmerzen. ,QGLHVHU1RWL]1UKHL‰WHVÄ=XJHJHEHQ":HOFKHU8QWHUVFKLHGN|QQWHJU|‰HU sein! ± Ã8QGGRFKJHODQJVWGXLPPHUZLHGHU]XP(UJHEQLVGLH(Ppfindung selbst VHL HLQ QLFKWVµ Nicht doch. Sie ist kein Etwas aber auch nicht ein Nichts! Das Ergebnis war nur, daß ein Nichts die gleichen Dienste täte wie ein Etwas, worüber sich nichts aussagen läßt. Wir verwarfen denn nur die Grammatik, die sich uns hier DXIGUlQJHQ ZLOO³ $XFK :LWWJHQVWHLQ JHKW HV QLFKW GDUXP ]X NOlUHQ ZDV ein Schmerz nun eigentlich ist, oder gar zu behaupten, statt seiner gäbe es nur unser Schmerzverhalten. Der entscheidende Punkt ist, dass es sich von vornherein um keine erkenntniskritisch-ontologische, sondern um eine sinnkritisch-deontologische Thematisierung dessen handelt, was gegenüber dem sprachlichen Sinn transzendent erscheint.

108 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN

bar ist die Gegenstandskonstitution mit dem nominalistischen Vorgang der Beschreibung insofern, als auf der einen Seite nur etwas Objektiviertes Gegenstand des diskursiven Denkens ist, so wie auf der anderen Seite etwas erst als Beschriebenes Gegenstand von Aussagen sein kann. Rorty jedoch will, wie gesagt, PLW GHQ ,GHDOLVWHQ GHQ HQWVFKHLGHQGHQ 6FKULWW ZHLWHU JHKHQ XQG GDV Ã'LQJ DQ VLFKµORswerden, das eine nicht idealistische Konstitutionslehre als unerkennbares X zurücklässt, wenn sie am Wahrheitsbegriff der adaequatio und an der Unterscheidung von Wesen und Erscheinung festhält. Er möchte es jedoch nicht unter idealistischen, um nicht zu sagen identitätsphilosophischen Bedingungen hinter sich lassen, unter denen diesHVÃ'LQJµPLWGHPBegriff von ihm identifiziert und seine Andersheit ihm gerade dadurch genommen wird. Die Frage, die mit einer Sinnkritik noch nicht beantwortet wird, sich nun aber stellt, ist die, was über das Verhältnis von Sprache zur nicht erst von Sprachbenutzern geschaffenen Realität, die sich platterdings nicht in Sprache auflösen lässt, zu sagen ist, wenn dieses Verhältnis ein grundsätzlich anderes als ein repräsentationales sein soll; wenn es also um ein Verhältnis geht, in dem weder perzeptive noch quasiperzeptive Momente eine wahrheitsrelevante Rolle spielen. Der entscheidende Schritt, mit dem GLH5HGHYRPÃ'LQJDQVLFKµDOVHSLVWHPRORJLVFKLUUHOHYDQWHEHUKROWZLUGLVWIU den Neopragmatisten zugleich der Schritt in eine pragmatische XQG ÃUHineµ GDV heißt von allen ihr äußerlich zugewiesenen erkenntnistheoretischen Aufgaben suspendierte Sprachphilosophie. In ihr wird Sprache nicht als ein Medium der Repräsentation, sondern als ein Werkzeug zu bestimmten Zwecken aufgefasst. Das sprachliche Weltverhältnis wird dementsprechend als ein kausales verstanden. Was dies bedeutet, werde ich in den folgenden Kapiteln zu zeigen versuchen. Statt von Rechtfertigung und Wahrheit zu reden, ließe sich auch auf der einen Seite von einem rein diskursiven Wahrheitsbegriff sprechen, wonach Wahrheit auf eine Relation zwischen Sätzen und eine Relation zwischen Sprechern hinausläuft, die ihre Überzeugungen voreinander rechtfertigen, und auf der anderen Seite von einem nichtdiskursiven Wahrheitsbegriff, der perzeptuelle und repräsentationale Implikationen hat, der also auf eine Relation zwischen einem anschauenden Subjekt und einer angeschauten Welt verweist. Dementsprechend lassen sich die zentralen epistemologischen Aspekte von Rortys Pragmatismus in einem ersten resümierenden Schritt am genauesten verstehen, wenn man sich vor Augen führt, dass sein Pragmatismus geradezu eine bestimmte Negation aller Prämissen beinhaltet, die der traditionelle, nichtdiskursive Wahrheitsbegriff als sein metaphysisches Erbe bis weit in die Moderne hineinträgt. Allen Prämissen voran steht die Identifikation der Wahrheit mit dem Unvergänglichen und die Vorstellung, unsere Erkenntnis müsse, um dieser Wahrheit zu genügen, ihrerseits in einem Unvergänglichen, einer transhistorischen Matrix fundiert sein. Wahres Wissen ist nicht zeit- und ortsgebunden, sondern von universeller Gültigkeit. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn Wahrheit etwa

RORTYS NEOPRAGMATISCHE KRITIK AM W AHRHEITSBEGRIFF | 109

als regulative Idee einer Sprachgemeinschaft oder als Endziel der Forschung ins Spiel kommt. Die unvergängliche Wahrheit ist in diesem Modell eine transsubjektive Größe, mit der das Denken des Erkennenden im gelingenden Fall übereinstimmt. Dies bedeutet wiederum, dass die Beziehungsglieder dieser Übereinstimmung, nämlich Denken und wahres Sein, bestimmte Bedingungen erfüllen müssen, um überhaupt übereinstimmen zu können, darunter die, dass sie nicht völlig inkommensurabel sein dürfen. Solche Prämissen zwingen das Denken in die Metaphysik und die Erkenntnistheorie hinein. Die Metaphysik möchte die Frage beantworten, ob die immanente Natur der Dinge eine intelligible oder ob etwa die immanente Natur des Denkens eine materielle oder physikalische ist. Die Erkenntnistheorie möchte die Frage beantworten, wie jene Beziehungsglieder kraft ihrer immanenten Natur aufeinander bezogen sein müssen, damit eine Übereinstimmung zwischen ihnen entstehen kann. Sie möchte mit diesen Aussagen transhistorische Bedingungen der Erkenntnis formulieren, sei es im Rahmen einer empiristischen oder einer rationalistischen Theorie. Gefragt wird nur nach der Übereinstimmung, nicht allgemeiner nach dem Zusammenhang von Erkenntnissubjekt und Welt, und für diese Frage nach der adaequatio hat die philosophische Tradition keine anderen Modelle bilden können als solche, die von einer sinnlichen oder geistigen Perzeption als dem entscheidenden epistemischen Weltverhältnis ausgehen, ganz gleich, ob von Wahrnehmung, Anschauung, Referenz oder Repräsentation die Rede ist. ± Die Probleme, in die sich diese Modelle verwickeln, bestehen darin, dass sie die Vorstellung der Übereinstimmung ± oder auch der immerwährenden Nichtübereinstimmung ± nicht plausibel machen können. Sie scheitern entweder bei dem Versuch, eine neutrale Perspektive auf die Erkenntnisrelation einzunehmen, oder bei dem Versuch, durch die besondere Nähe zum Erkenntnisgegenstand, durch ein Verhältnis perzeptiver Unmittelbarkeit, eine adaequatio herzustellen. In dem Maße, wie beides nicht gelingt, bleibt eine unYHUPLWWHOWH 'XDOLWlW ]XUFN GHUHQ $XVGUXFN GLH 9RUVWHOOXQJ YRP Ã'LQJ an sichµLVW Bestimmte Negation dieses Wahrheitsbegriffs und seiner Folgen, die zu einem rein diskursiven Wahrheitsbegriff führen soll, heißt nun: An die Stelle des Wissens der Wahrheit als eines universell gültigen und daher unkorrigierbaren Wissens tritt die gerechtfertigte Überzeugung in Gestalt korrigierbarer Aussagen. An die Stelle der in der empiristischen und rationalistischen Tradition je unterschiedlich ausgelegten Relation von Erkenntnissubjekt und Realität, Satz und Sachverhalt, tritt die Relation von rechtfertigenden Aussagen und gerechtfertigten Sätzen sowie die Relation von Sprechern zueinander, die in ihren Aussagen übereinstimmen oder nicht. An die Stelle eines Erkenntnisfundaments im Subjekt, einem unmittelbar Einleuchtenden und Gewussten, und damit auch an die Stelle des Anspruchs auf Letztbegründung tritt das holistisch verfasste, veränderliche Netzwerk aus Überzeugungen als das Quasifundament einzelner Aussagen. An die Stelle transhistorischer Wissensinhalte und feststehender begrifflicher Bedeutungen tritt das Netzwerk geschichtlich situierter, veränderlicher Überzeu-

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gungen, die sich in dem ihnen entsprechenden, ebenso veränderlichen Gebrauch sprachlicher Ausrücke sedimentieren. An die Stelle einer immanenten Natur der Dinge oder der Erkenntnissubjekte tritt die Funktion, die das Sprechen über diese Ã1DWXUµ LQ GHU PHQVFKOLFKHQ 3UD[LV KDW $Q GLH 6WHOOH GHV 'XDOLVPXV YRQ Eeschriebener und ansichseiender, unbeschriebener Realität tritt der Monismus einer durchgehend kausalen Welt, in der die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft soziale Praktiken herausbilden, mit denen sie sich auf einen bestimmten Gebrauch der Sprache zu bestimmten Zwecken festlegen, mit der sie zugleich auf die Welt als beschriebene Welt Bezug nehmen. Alle diese Aspekte sollen im Folgenden näher betrachtet und entfaltet werden.

2. Sprachspiel nomi nali smus

In seinem Aufsatz über Spinoza deutet Rorty dessen Lehre von den Attributen in seinem (nominalistischen) Sinne als das erste Philosophem, das zwei alternative, aufeinander irreduzible Beschreibungen derselben Realität, nämlich als Geist und als Materie, als gleichermaßen gültige betrachtet. Denn worauf es beim spinozistischen Erkenntnisbegriff ankomme, sei das Begreifen aller Beziehungen zwischen den Einzelmomenten, die als körperliche oder geistige beschrieben werden können (vgl. PhZ, 105). Mit diesem Ansatz ist aus der Sicht Rortys theoriegeschichtlich bereits ein Prozess in Gang gebracht, der zur Auflösung des nicht diskursiven, metaphysischen Wahrheitsbegriffs führt. Denn nun stellt sich die FraJH ÄRE HV HLQHQ 8QWHUVFKLHG PDFKW RE PDQ EHU GLHVHOEH :LUklichkeit mittels zweier gleichermaßen angemessener Beschreibungen spricht ± oder über zwei JOHLFKHUPD‰HQ LOOXVLRQlUH %HVFKUHLEXQJHQ GLHVHU 5HDOLWlW³ ebd.). Im strengen Sinne adäquat, das heißt in dem Sinne, dass die Beschreibung tatsächlich wiedergibt, wie die Realität an sich beschaffen ist, könnte nur eine Beschreibung sein. 'DKHUEHWULWW PDQ PLWGLHVHU)UDJH ÄMHQHQDEVFKVVLJHQ:HJGHU YRQ 6SLQR]DV völlig erkennbarer Substanz zu Kants völlig unerkennbarem Ding an sich führen ZLUG³GHQQPDQZLUGMHW]W GDQDFKIUDJHQÄREGLHHLQHZLHGLHDQGHUH%HVFKUHibung überhaupt noch etwas damit zu tun hat, wie die Dinge an sich ± als unbeschriebene ± VLQG³ HEG :HUGHQSODWRQLVFKHQ'XDOLVPXV]ZLVFKHQ:HVHQXQG Erscheinung, der kaum etwas anderes meint als den zwischen Veränderlichem und Unveränderlichem, aufgibt, dem ist der Dualismus von Körper und Geist ein Beispiel dafür, dass GHUVHOEH$XVVFKQLWWGHV8QLYHUVXPVÄDXI]ZHLVHKUQW]OLFKH Weisen ± unter anderen sehr nützlichen Weisen ± EHVFKULHEHQZXUGH³GHQQÄnun scheint es plausibel anzunehmen, daß der einzige Wertmaßstab einer BeschreiEXQJ LKUH 1W]OLFKNHLW IU PHQVFKOLFKH =ZHFNH LVW³ 3K= 106). Die medizinische Beschreibung des Menschen etwa ist dann zweckbezogen auf die lebenserhaltende Naturbeherrschung, wohingegen eine Beschreibung seiner als moralisches Wesen seine Freiheit und Verantwortung in den Mittelpunkt rückt. In diesem ± nicht etwa in einem simpel utilitaristischen ± Sinne ist eine Beschreibung

112 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN

zweckgebunden, ohne dass den differenten Zwecken ein ontologischer Unterschied zwischen dem Menschen als körperlichem und als moralischem Wesen zugrunde läge und ohne dass zu entscheiden wäre, ob der Mensch essentiell ein moralisches Wesen ist und nur an der Oberfläche ein Lebewesen mit Verdauungsorganen und Gehirnzellen oder ob er letztendlich nur als ein gut funktionierender und hochkomplexer Organismus agiert, der sich seine Freiheit aus Unkenntnis über seine physiologischen Abläufe nur einbildet. Mit Humanbiologie oder Gehirnphysiologie lässt sich die moralische Freiheit so gut nachweisen oder widerlegen, wie man etwa auf Grundlage der Grafologie ein Gedicht Hölderlins interpretieren oder mit einer chemischen Farbanalyse ein Gemälde Chardins erschließen kann. Das, worüber der Chemiker und der Kunstwissenschaftler reden, ist gewiss etwas anderes. Doch wenn man dergestalt die Ontologie fallen lässt, dass der Körper und der Geist eines Menschen außerhalb ihrer raumzeitlichen Manifestation zwei fundamental verschiedene Welten bilden, dann beziehen sich physiologische wie mentalistische Beschreibungen, wenngleich auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichen Kontexten, auf denselben Ä$XVVFKQLWW GHV 8QLYHUVXPV³8QGJHUDGHLQGLHVHU+LQVLFKWLVW5RUW\V1RPLQDOLVPXVQLFKWLGHalistisch, denn der Ä$XVVFKQLWW³ über den mit einem bestimmten Vokabular geredet wird, ist nicht erst durch seine Beschreibung konstituiert worden; zugänglich aber ist er nur als das, was zu einem bestimmten Zweck an ihm thematisiert, anders gesagt beschrieben ZLUG-HQHUÄ$XVVFKQLWW³LVt Erscheinung, aber der pragmatistischen Ontologiekritik entsprechend keiner im Gegensatz zu einem nicht erscheinenden Wesen. Noch bevor der Pragmatismus sprachphilosophisch argumentierte, behaupteten seine Vertreter, dass mit dem Funktionieren von gerechtfertigten und gemeinsamen Überzeugungen der Legitimationsgrund dafür angegeben sei, sie für wahr zu halten, und das heißt sie anderen zu empfehlen. Mit der häufig von den Gegnern des Pragmatismus zitierten, simplifizierenden Formel, wahr sei, was funktioniere, die von ihm selbst stammt, hatte sich der frühe Pragmatismus Missverständnissen exponiert. Gemeint war nichts von der Art, dass zum Beispiel die Ansicht, die Arbeitskraft von Kindern sollte so gut als möglich ausgebeutet werden, als wahr gelten kann, weil die Vermehrung des materiellen Reichtums als der verfolgte Zweck auf diese Weise schon im frühindustriellen England für eine wohlhabende Schicht gut funktioniert habe. Abgesehen davon, dass es im Pragmatismus immer schon um gemeinsame Überzeugungen geht und um intersubjektiv geteilte Zwecke, liegt der springende Punkt der pragmatistischen Funktionalitätsthese darin, dass wir, um den Wahrheitsgehalt von Aussagen und Theorien zu beurteilen, über keinen anderen Maßstab verfügen als die gelingende Verwirklichung menschlicher Zwecke, denen Aussagen und Theorien dienen. Diese Zwecke müssen selbstredend nicht technischer Natur sein, es kann sich ebenso um das soziale Ziel handeln, den Hunger in der Welt abzuschaffen. Schließlich müssen diese Zwecke auch keineswegs praktische Zwecke in einem engeren Sinne sein, sie können sich durchaus auf die Lösung theoretischer Pro-

SPRACHSPIELNOMINALISMUS | 113

bleme und Aufgaben beziehen. Bereits James beklagt das mitunter gewollte Missverständnis, bei dem der Pragmatismus mit einem bornierten Instrumentalismus gleichsetzt wird, der nur die praktischen Folgen und Erfolge von Überzeugungen bedenkt und unmittelbar zum Maßstab ihrer Wahrheit erhebt. Wenn der Pragmatismus jedoch in wahrheitstheoretischer Hinsicht auf die Folgen von Überzeugungen abhebt, dann VLQG GLHVHLQVRIHUQÃSUDNWLVFKHUµ1DWXUZLHHVXP Konsequenzen in praktischer und theoretischer Hinsicht geht, die real zu ziehen sind.1 Das Funktionieren von Überzeugungen und theoretischen Modellen zeigt sich sowohl an dem Grad ihrer Kohärenz, an ihrem Vermögen, unterschiedliche Phänomene integrieren zu können, und daran, dass in ihnen theoretische Probleme nicht mehr bestehen, die zuvor kaum lösbar schienen. Es steckt hinter der pragmatistischen Funktionalitätsthese deshalb weniger ein planer Utilitarismus als vielmehr die Einsicht in die Unmöglichkeit, die Wahrheitsgeltung einer Überzeugung oder auch die Leistungsfähigkeit einer Theorie (sei es die Berechnung der Planetenbahnen, die Erklärung der Klimaveränderung, die Berechnung der primären Akkumulation des Kapitals, die Rekonstruktion der Moralentwicklung des Kleinkindes, die Beschreibung komplexer Strukturen der Verwandtschaftsverhältnisse totemistischer Stämme, die Rekonstruktion der indogermanischen Sprache usw.) darauf zurückzuführen, dass eine Überzeugung oder Theorie mit der Wirklichkeit, wie sie an sich ist, übereinstimmt oder diese repräsentiert. 2 1

2

Vgl. W. James: Pragmatismus und radikaler Empirismus, S. 132 f. Den frühen Pragmatisten ging es vor allem darum, dass Überzeugungen nicht durch Reflexion auf ihr repräsentationales Verhältnis zur Realität bewahrheitet werden können, sondern dadurch, dass sie sich praktisch und theoretisch bewähren, und es ist dieses Bewähren, auf das der Gebrauch des Wortes Ãpraktischµ im Pragmatismus abzielt. Die theoretische Bewährung einer von uns für wahr gehaltenen Ansicht besteht in dem Grad ihrer Stimmigkeit mit unseren übrigen Ansichten und zukünftigen Aussagen. Konsistenz ist für James nicht lediglich eine Norm elaborierter Wissenschaft. Nach dem Bedürfnis, frei zu atmen, ist ± wie er unterstreicht ± dasjenige nach Konsistenz das stärkste Bedürfnis des Menschen (vgl. ebd. S. 134). Hätte die Konsistenz im Pragmatismus keinen so außerordentlichen Stellenwert, so hätte der Pragmatismus unter linguistischen Theoriebedingungen, unter denen erklärt werden soll, was genau wir tun, wenn wir als Sprecher Überzeugungen formulieren, theoriegeschichtlich kaum zu dem von Brandom favorisierten rationalistischen Pragmatismus fortentwickelt werden können. Laut diesem Pragmatismus müssen wir uns mit unseren Aussagen, um sie und die in ihnen gebrauchten Begriffe richtig zu verwenden, zugleich implizit darauf festlegen, woraus wir diese Aussagen folgern können und woraus nicht und was wir aus ihnen folgern können und was nicht (vgl. R. Brandom: Einführung in den Inferentialismus, S. 31). In seiner Kritik der instrumentellen Vernunft reduziert Horkheimer den Pragmatismus als vermeintlichen Vertreter dieser Vernunft geradezu auf einen begriffsblinden, praxisfixierten Verifikationismus. In seiner ± so muss man wohl leider sagen ± nicht unvorbelasteten Lesart des Pragmatismus gelangt er zu folgendem GeneraleinwanGJHJHQGHVVHQ(SLVWHPRORJLHÄ>@ so könnte man versucht sein, einer Lehre jegliche philosophische Herkunft abzusprechen, die behauptet, daß unsere Erwartungen nicht deshalb erfüllt werden und unsere Handlungen nicht deshalb erfolgreich sind, weil unsere Ideen wahr sind, sondern daß unsere Ideen vielmehr wahr

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Gemeint ist gerade nicht, das Funktionieren einer Theorie indiziere ihre Wahrheit im adäquationstheoretischen Sinne, sondern dies: dass aus einer unüberschreitbar internen Perspektive handelnder und denkender Subjekte die Realität als eine externe, die nicht von den Subjekten hervorgebracht ist und die von ihnen unterschieden bleibt, sich in ihrer Eigenständigkeit gar nicht anders als in der Weise zeigen kann, dass die Bedingungen für die je bestimmten, von den Überzeugungen implizierten Interaktionen, welche die Subjekte mit ihrer Umwelt unterhalten, auch von dieser Umwelt erfüllt werden müssen. Das Erfülltsein dieser realen Interaktionsbedingungen wird als ÃFunktionierenµ manifest. Wenn es nun um das Funktionieren der Sprache geht und darum, dass etwas zu einem bestimmten Zweck neben anderen möglichen Zwecken beschreiben wird, so ist selbstverständlich auch hier eine utilitaristische Simplifizierung zu vermei-

sind, weil unsere Erwartungen erfüllt werden und unsere Handlungen erfolgreich sind³ 6 61). Kant KLQJHJHQ VR +RUNKHLPHU YHUVXFKWH ÄGLH DEVROXWH *OWLJNHLW bestimmter Ideen per se, um ihrer selbVWZLOOHQ]XHWDEOLHUHQ³(ebd.). Er fährt weQLJVSlWHUIRUWÄ1DFKGHP3UDJPDWLVPXVLVW:DKUKHLWQLFKWXPLKUHUVHOEVW willen wünschenswert, sondern insofern, als sie am besten funktioniert, als sie uns zu etwas führt, das der Wahrheit selbst fremd ist odHU]XPLQGHVWYRQLKUYHUVFKLHGHQLVW³ (S. 63). ± Horkheimer bleibt freilich dem Leser das schuldig, was er nach diesen Thesen zu tun hätte, nämlich den Zusammenhang näher darzulegen zwischen der Wahrheit der Ideen und dem Erfolg unserer Handlungen, der angeblich auf die Wahrheit zurückgeht. Beide, Wahrheit und Erfolg, müssen von Horkheimer deshalb strikt auseinandergehalten werden, weil Wahrheit ja um ihrer selbst willen erstrebt wird und nicht um eines Effektes willen. Wie aber Erfolg sich von der Wahrheit der Ideen herleiten soll, bleibt bei ihm indessen ebenso unbestimmt wie die Idee der Wahrheit selbst. Will man auf die Frage, wann eine Idee Ãwahrµ sei, sich nicht tautologisch auf die Wahrheit selbst verweisen lassen, so dass die Ideen dann wahr sind, wenn sie mit dem Wahren übereinstimmen, sondern will man Genaueres erfahren, tauchen all die Probleme auf, an denen sich der Pragmatismus versucht hat abzuarbeiten. Sind die Ideen wahr, weil sie ein intelligibles Sein richtig repräsentieren oder weil sie mit der empirischen Welt, so wie sie ist, übereinstimmen oder allein deshalb, weil sie in sich selbst zwingend und kohärent sind? In letzterem Fall hätten wir einen reinen Kohärenzbegriff der Wahrheit, bei dem unklar bleibt, inwiefern er sich von der diskursiven Richtigkeit unterscheidet und wie er wiederum mit der Welt, über die wir schließlich etwas sagen und in der wir erfolgreich handeln, zusammenhängt. In den ersten Fällen aber begegnen wir dem alten Problem eines fehlenden Wahrheitskriteriums. Die These, dass ein Handeln erfolgreich ist, weil die ihm zur Orientierung dienende Idee wahr ist, legt einen adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff nahe, und jetzt hätte man gerne gewusst, wodurch eine das erfolgreiche Handeln (das nicht per se naturbeherrschend sein muss) ermöglichende adaequatio angezeigt wäre, noch bevor man sie auf einen Handlungserfolg bezieht. ± Es entspricht diese Problematik der Kontroverse zwischen Taylor und Rorty, die VSUDFKSKLORVRSKLVFK IRUPXOLHUW VR ODXWHW Ä:HU GLH .RUUHVSRQGHQ]WKHRrie vertritt, muß behaupten, daß einige Vokabulare (z.B. Newtons) nicht nur besser funktionieren als andere (z.B. das von Aristoteles), sondern deshalb besser funktionieren, weil sie die Wirklichkeit angemessener repräsentieren. Taylor glaubt, diese Behauptung ODVVHVLFKYHUVWlQGOLFKPDFKHQXQGLFKJODXEHGDV*HJHQWHLO³ :) 

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den. Die These von einem zweckrelativen Sprachgebrauch tangiert nicht die ± um es möglichst früh hervorzuheben ± beschreibungsimmanente Referenz. Wird etwas in einer Sprache als ÃParadiesapfelµ beschrieben, so entspricht diesem Beschriebenen in dieser Sprache nicht der Ausdruck ÃGlühbirneµ, und es wäre ganz unnötig, in diesem Fall das Wort ÃEntsprechungµ dergestalt durch Ãfunktionierenµ zu ersetzen, dass man nun besser sagen würde, die Vokabel ÃGlühbirneµ funktioniere nicht als Bezeichnung eines Paradiesapfels. Dass der Paradiesapfel keine ÃGlühbirneµ ist, sagt nur etwas über den Wortgebrauch in der Sprache; wobei bei einem falschen Wortgebrauch nicht einfach nur eine falsche Objektbezeichnung vorliegt, sondern ± entsprechend der inferentialistischen Sprachauffassung ± natürlich auch fälschlich all die Inferenzen zitiert werden, die dieses Wort eingehen kann und durch die es begrifflich bestimmt ist. Im Hinblick auf ein theoretisches Vokabular und auf eine Sprache im Ganzen jedoch, innerhalb welcher der Wortgebrauch durch die Grammatik beziehungsweise durch die Regeln des Sprachspiels bestimmt ist, kann die Frage nach der Übereinstimmung mit einer unbeschriebenen, vorsprachlichen Realität nicht sinnvoll gestellt werden, weil niemand aus der Sprache heraustreten und dennoch kluge Gedanken formulieren kann ± und auf dieser Metaebene bleibt als Maßstab für die Beurteilung eines BeVFKUHLEXQJVYRNDEXODUVQLFKWVDQGHUHVEULJDOVGHVVHQÄ1W]OLFKNHLWIUPHQVFKOLFKH =ZHFNH³ 'HPHQWVSUHFKHQG GLHQW GDV PXVLNZLVVHQVFKDIWOLFKH 9RNabular zur Beschreibung von etwas als Sonate, um deren künstlerisches Konstruktionsprinzip und ihre Einbettung in eine kulturelle, musikgeschichtliche Überlieferung zu verstehen. Und niemand würde sich die Frage stellen, ob der Ausdruck Ãin As-Durµ dem Gehörten auch tatsächlich entspricht und nicht Ausdrücke einer Analyse des Frequenzspektrums ± also ein physikalischer Theoriekontext ± ihm letztlich angemessener wären. Eine physikalische Theorie dient lediglich einem anderen Zweck. Als Instrumente wurden im noch nicht sprachphilosophisch argumentierenden Pragmatismus die Begriffe und Überzeugungen angesehen, deren Bedeutung implizite Handlungsregeln darstellen. Mit Rortys pragmatisch-nominalistischer, dem Repräsentationalismus entgegenstehender These, dass Vokabulare für bestimmte Zwecke besser oder schlechter funktionieren, gerät nun der instrumentelle Charakter insbesondere der Sprache in den Mittelpunkt. Sie ist aus der Sicht des Neopragmatismus ein Werkzeug, das von anderen Werkzeugen sich nicht ontologisch unterschiedet, sondern wie diese Bestandteil der erscheinenden, empirischen und beobachtbaren Wirklichkeit ist. Allerdings will Rorty den Werkzeugcharakter in einer eingeschränkten Weise verstanden wissen, denn das Werkzeug Sprache ist nicht auf einen vorab gesetzten Zweck hin konstruiert, dem es sodann dient. Neue Vokabulare bilden sich eher naturwüchsig heraus und bieten nicht nur neue Möglichkeiten der Weltbeschreibung, sondern vor allem der Zwecksetzung selbst. (Ohne dieses Moment der Intentionslosigkeit würde ± wie später deutlich wird ± Rortys theoretische Einbettung der menschlichen Sprache in die QDWUOLFKH (YROXWLRQ DQ 3ODXVLELOLWlW YHUOLHUHQ  Ä'DV QHXH 9RNDEXODU PDFKW GLH

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Formulierung seines Zwecks erst möglich. Es ist Werkzeug für eine Arbeit, die man sich vor der Entwicklung eines besonderen Sortiments von Beschreibungen nicht hätte vorstellen können, von Beschreibungen, die es selbst mit herstellen KLOIW³ .,6 36). Ungeachtet dieser Spezifizierung ist die Auffassung vom Werkzeugcharakter der Sprache für Rortys Pragmatismus von zentraler Bedeutung, denn nun lässt sich ein grundsätzlich anderes Modell des Verhältnisses von Sprache und Welt entwickeln als das, von dem zumal sprachphilosophische Erkenntnistheorien ausgehen, die Sprache als ein Medium der Repräsentation betrachten. Es führt deshalb nicht schon der Schritt von der Bewusstseinsphilosophie zur Sprachphilosophie in Form des linguistic turn, sondern erst der Schritt zu einem pragmatischen Sprachverständnis von einer fundierenden und platonischen Philosophie weg. Und es verschwindet der repräsentationalistische Wahrheitsbegriff auch nicht mit dem Schritt in den Nominalismus als solchen, sondern ± wie sich zeigen wird ± erst mit dem Schritt in einen Nominalismus, der in der Gestalt des von Wittgenstein theoretisch eingeführten Sprachspiels sich vom klassischen Nominalismus grundlegend unterscheidet. Im ersten Teil vom Spiegel der Natur versucht Rorty, die cartesianische Bewusstseinsphilosophie theoriegeschichtlich zu rekonstruieren, indem er den Weg vom aristotelischen Vernunft- und Wahrheitsbegriff zum cartesianischen nachzeichnet, um zu erhellen, wie im Rahmen eines sich verändernden epistemologischen Sprachspiels aus dem Erkenntnissubjekt als einem Ãdirekten 6SLHJHOµ der Natur ein ÃLQQHUHU6SLHJHOµ wird, ein eigener, fest umgrenzter Forschungsbereich PLWGHP1DPHQÃdas Mentaleµ (vgl. SN, Kap. 1). Nach dem antiken Modell wird qua Vernunft ein begrifflich Allgemeines erschlossen in der Art einer direkten Erkenntnis. Das Allgemeine wird in der intentio recta, in direkt auf die Gegenstände gehender Reflexion, erkannt; denn es wird vom einzelnen Gegenstand als dessen essentielle Formbestimmung verkörpert. In einem solchen Begriff objektiver Vernunft sind Denken und Sein einander äquivalent hinsichtlich begrifflicher Allgemeinheit. Trotz dieser adäquationstheoretischen Grundauffassung ist von dem ÃMenWDOHQµ XQG GHP ÃBewussWVHLQµ (als Medium der Erkenntnis) noch keine Rede im epistemisch relevanten Sinne. Das Allgemeine, beziehungsweise das Universale, ist allerdings selbst unsinnlich, und das heißt in der abendländischen Philosophie, es ist ideell. Das Denken, das per se auf das Allgemeine geht, hat, sofern es dieses umfasst oder repräsentiert, selbst einen unsinnlich medialen Charakter. Die Vorstellung von der reinen Medialität, die transparent und zugleich unsinnlich ist, hängt eng mit dem Abstraktionsmechanismus selbst zusammen. Sie ist Resultat der Vergegenständlichung, Substanzialisierung des an sich nicht gegenständlichen Allgemeinen der Abstraktion (das der Nominalismus seit je entsubstanzialisierte). Der Skeptizismus kann an diesem Modell unschwer ansetzen und die Übereinstimmung zwischen Denken und Sein bezweifeln, denn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Medium, in welchem sich etwas darstellt, Ãver]HUUWµÃHLQWUEWµ und das Repräsentierte anders erscheinen lässt, als es

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an sich ist. So werden, entsprechend dem Mediumcharakter der Erkenntnis, entsprechend nicht weniger dem der visuellen Metaphorik verhafteten Erkenntnisbegriff, Klarheit und Deutlichkeit zum Index gelingender adaequatio. Im cartesianischen Modell, das diese Metaphorik ebenso voraussetzt wie die Möglichkeit radikalen Zweifelns, wird ± wie einst in der intentio recta die von der abstrahierenden Vernunft unmittelbar erkannte Welt ± nun außerdem das erkennende Subjekt in Gestalt des Bewusstseins sich selbst zum Unmittelbaren, das entsprechend der vollständigen Transparenz des Allgemeinen seiner medialen Inhalte vor sich selbst als ÃgOlVHUQH1DWXUµ fungiert, als das Medium, innerhalb dessen alles Mediale unmittelbar zugänglich ist, das also auch vom Denken sehr viel unverzerrter erfasst werden kann als die Entitäten der Außenwelt. Erneut ist der repräsentationalistischen Gleichung entsprochen, nach der nur Gleiches Gleiches erkennen kann. Die Vernunft ist damit jedoch zunächst einmal bewusstseinsphilosophisch subjektiviert. Der Repräsentationalismus, wie überhaupt ein nicht diskursiver Wahrheitsbegriff, ist an die mediale Auffassung unserer Erkenntnis als des Verhältnisses zur Welt, das wir qua Vernunft haben, gebunden. Tritt nun ± mit der linguistischen Wende ± die Sprache in den Vordergrund der philosophischen Untersuchung, so ist damit nicht schon der medial repräsentationale Charakter der Erkenntnis, der gerade in der Bewusstseinsphilosophie wenig bezweifelt wird, in Frage gestellt. Auch die Sprache kann als Medium beWUDFKWHW ZHUGHQ Ä]ZLVFKHQ GHP 6HOEVW XQG GHU 5HDOLWlW >@, das Realisten für WUDQVSDUHQW XQG 6NHSWLNHU IU RSDN KDOWHQ³ KIS, 38). Als tertium zwischen Erkenntnissubjekt und Realität stellt sie, nicht anders als das Mentale der Bewusstseinsphilosophie, selbst eine Einheit (und einen eigenen Forschungsbereich) dar, GLHLQHLQHUIHVWJHOHJWHQ%H]LHKXQJ]XGHQÄ]ZHLDQGHUHQ(LQKHLWHQGHP6HOEVW und der RealiWlWVWHKW³ .,6 37). Diese Auffassung entspricht dem Modell von Sprache, das der abendländischen Philosophie nicht weniger als jeglichem Alltagsverstand so selbstverständlich dünkt, dass es schon einer bewussten Vorurteilslosigkeit bedarf, um sich auf die Infragestellung dieses Modells einzulassen. Es lässt sich knapp als die Annahme wiedergeben, ÄGD‰HVQLFKW-VSUDFKOLFKH'LQJHPLW1DPHQÃ%HGHXWXQJµ gibt, die auszudrücken Aufgabe der Sprache ist, und daß es nicht-sprachliche Dinge mit Namen Tatsachen gibt, die darzustellen Aufgabe der Sprache ist. Beide Vorstellungen schließen die Auffassung von SprDFKHDOV0HGLXPHLQ³ (EG)

Bedeutungen sind ideell, Tatsachen real, und die schriftlich oder verbal geäußerte Sprache repräsentiert entweder die (ideellen) Bedeutungen oder die (realen) Dinge und Vorkommnisse in der Welt. Sprache können wir demnach von den nichtsprachlichen Gedanken oder nichtsprachlichen Phänomenen subtrahieren. 3 3

Ich übergehe an dieser Stelle solche Sprachauffassungen, die im Anschluss an Hamann und Herder den Doppelcharakter der Sprache, untrennbar sinnlich und intelligibel zu sein, gegen eine dualistische Vorstellung stark machen, nach der Sprache

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Die einen wie die anderen werden von ihr, die hierbei der Ordnung der Dinge oder Ideen zwangsläufig folgt, lediglich bezeichnet. Genau besehen ist auch und gerade in diesem Modell Sprache nichts weiter als ein Mittel, und zwar der Mitteilung von mentalen Inhalten oder wahrgenommenen Entitäten. Es war daher ein nicht unbedeutender sprachphilosophischer Schritt, der Sprache beziehungsweise der Grammatik nicht länger eine repräsentational passive, sondern ± wie vor allem bei Wittgenstein ± ihr eine für die Welterschließung konstitutive Rolle zuzusprechen. Das von Rorty im Anschluss an Davidson kritisierte Modell hingegen, welches Sprache als ein Drittes zwischen Selbst und Welt positioniert, festigt einen Dualismus, der von keiner grundsätzlich anderen Art ist als derjenige, gegen den Rorty seine Metakritik an einer sprachphilosophischen Erkenntnistheorie in der im vorangegangenen Kapitel dargelegten Weise formuliert. Wie beim Begriffsrelativismus die Rede von einer begrifflichen Form, die abtrennbar von einem nichtbegrifflichen Inhalt ist, zur Kritik steht, so in diesem Kontext die Vorstellung, es gäbe auf der einen Seite ein transzendentales Ich oder reine Gedanken, die unabhängig von der Sprache bestehen, sodann auf der anderen Seite eine Sprache, bestehend aus Wörtern (in Form schriftlicher und verbaler Äußerungen) und den Regeln für ihre Verbindung zu Sätzen, die das Gedankliche signifizieren und dadurch ihren Sinn erhalten. Zur Kritik steht gleichfalls die Vorstellung, es gäbe auf der einen Seite etwas an sich nicht Sprachliches in der realen Welt, das durch sprachliche Zeichen repräsentiert wird und auf diese Weise deren Bedeutung ausmacht. Nach dem konventionellen, hier kritisierten Verständnis der Sprache als eines Dritten zwischen Subjekt und Welt ergibt sich die sprachliche Bedeutung einmal aus dem, was sich im BewussWVHLQ LP Ãinneren Spiegel der Naturµ, abspielt, ein anderes Mal daraus, was von der Natur gespiegelt wird. ± Mit dieser Ansicht will die den Werkzeugcharakter der Sprache berücksichtigende Konzeption des Sprachspielnominalismus vollständig brechen. Die repräsentationalistische Vorstellung von Sprache hat seit je in der Namenstheorie der Bedeutung ihren Ausdruck gefunden. Von dieser Theorie ist untrennbar der von Sellars vor allem gegen den Empirismus gerichtete und so bezeichnete Mythos des Gegebenen. Die naiv vorsprachphilosophische Einstellung gegenüber der Sprache äußert sich in der Annahme, dass qua Sprache etwas nicht Sprachliches benannt wird ± abstrakte oder konkrete Vorstellungen oder reale Entitäten und Ereignisse ±, das wir prinzipiell auch ohne Sprache haben und verstehen, nur eben nicht kommunizieren können. Wir müssen die Sprache als Instrument der Mitteilung nur beiseite lassen, um mit dem Intendierten in unmittelbarem Kontakt zu stehen oder eines unmittelbar Gegebenen innezuwerden. Unter Umständen hindert uns die Sprache sogar daran, die Erkenntnis aus diesem direkten Kontakt unreduziert zu artikulieren oder das Unsagbare zu erfassen. In entweder das Intelligible oder das Sinnliche, das Empirische oder das Überempirische signifiziert.

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dieser Vorstellung ist Sprache nicht ein ± wie es bei Wittgenstein heißt ± Ä9HKiNHOGHV'HQNHQV³RGHUDXch der Realitätserschließung. Die epistemische Autorität, durch die eine Aussage als gültige qualifiziert wird, kommt dementsprechend wie selbstverständlich immer schon dem Einzelbewusstsein zu, das sich in direktem Kontakt mit seinen Bewusstseinsinhalten oder der von ihm unmittelbar angetroffenen Wirklichkeit befindet. Für und vor sich selbst bedarf dieses Bewusstsein nicht zwangsläufig der sprachlichen Mitteilung, und so kommt diese lediglich zum direkten Wissen des individuellen Bewusstseins, auf das sie sich bezieht, hinzu.4 Mit der Sprache wird bestenfalls ± lässt man den Skeptizismus in Bezug auf das Fremdpsychische einmal beiseite ± das erst öffentlich, was sich ursprünglich in der nichtöffentlichen Dimension des Mentalen abspielt, in dem sich die Wahrheit dem monologischen Erkenntnissubjekt zeigt. Dass aber die Differenz zwischen einem öffentlich zugänglichen Medium namens Sprache und einem nicht öffentlich zugänglichen Medium namens Bewusstsein selbst sprachlich generiert sein könnte, und diese These wird der Nominalist Rorty vertreten (was in Kap. 4 dieser Arbeit näher ausgeführt werden soll), wird kaum in Betracht gezogen. Gegenüber der namenstheoretischen Sprachvorstellung sind die sprachphilosophischen Weichen theoriegeschichtlich längst auch anders gestellt worden. Vor allem mit Wittgenstein verliert die Sprache ihre Äußerlichkeit gegenüber dem Mentalen und Realen, zugleich tritt ihr Werkzeugcharakter und ihre Verflochtenheit mit der menschlichen Praxis in den Mittelpunkt, was wiederum den theoretischen Weg dahin öffnet, sie als Vehikel nicht nur des Denkens, sondern auch der Vergesellschaftung zu verstehen. Die im Anschluss an die sprachphilosophische Wende aufgekommene, berühmt gewordene Sprachakttheorie und Transzendentalpragmatik geht bekanntlich gegen die Reduktion der Sprache auf ihre Darstellungsfunktion und reflektiert auf ihre umfassendere pragmatische Dimension, in der sprachliche Äußerungen sich als eine Form der Handlung zu erkennen geben. Von Habermas werden die sozialphilosophischen Implikationen dieser Sicht am Modell des kommunikativen Handelns ausbuchstabiert: Die Sprechhandlung stellt eine intersubjektive Beziehung her und dient der Erzielung eines intersubjektiven Einverständnisses, durch das die Handlungen der einzelnen Akteure überhaupt erst aneinander angeschlossen werden können und so einen gesellschaftlichen Nexus bilden. Dieses kommunikative Handeln führt zur Vergesellschaftung der Akteure und ermöglicht auf dem Wege der gemeinsamen Situati4

Es ist an dieser Stelle anzumerken ± im Vorausbezug zur späteren Auseinandersetzung mit Adornos Kritik am erkenntnistheoretischen Primat des Einzelsubjekts vor dessen gesellschaftlicher Situiertheit ±, dass der Schein des individuellen Bewusstseins, das sich gegenüber der Gesellschaft für das epistemisch Fundamentalere hält, sich ohne ein solches Sprachverständnis schwerlich bis in die moderne Bewusstseinsphilosophie hätte halten können. ± Dagegen könnte sich, folgt man Adorno, individuelles Bewusstsein erst dort ausbilden, wo es sich gegenüber seiner gesellschaftlichen Genese nicht mehr verschließt, die ± geht man einen Schritt weiter als Adorno ± mit der Sprache manifest wird.

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onsdeutung die kulturelle Reproduktion der Gesellschaft als der symbolisch strukturierten Lebenswelt, ohne die eine nichtsprachliche, rein systemische Vergesellschaftung in den formalisierten und institutionell gegliederten Handlungsbereichen nicht möglich wäre. Mit einer ausgreifenden handlungs- und kommunikationstheoretischen Konzeptionalisierung von Sprache will Habermas die Weichen von einer Gesellschaftskritik qua Erkenntniskritik, wie sie die frühe Kritische Theorie unternimmt, zu einer (sprach-)handlungstheoretischen Gesellschaftskritik verschieben, die sich den Umweg über die Erkenntnistheorie ersparen kann. Die Konsequenzen aber, die ein pragmatisch erweiterter Sprachbegriff für die Idee der Erkenntnistheorie und die Metakritik an ihr hat ± sie werden erst von Rorty gezogen. Um diese Konsequenzen besser verstehen zu können, sind jetzt vor allem zwei zusammenhängende philosophische Innovationen näher zu betrachten, die von der klassischen Sprachauffassung wegführen und für das angemessene Verständnis von Rortys Nominalismus und seiner Metakritik an der Erkenntnistheorie von besonderer Bedeutung sind. Es handelt sich um die durch Wittgenstein vollzogene Versprachlichung des begrifflichen Denkens und um die im Anschluss an Wittgenstein prominent gewordene Gebrauchstheorie der Bedeutung. Diese Innovationen berühren den Kern der epistemologischen Problematik des Verhältnisses von Denken und Sprache wie auch von Sprache und Welt, und deshalb werden sie hier noch einmal genauer erörtert. Sie stellen wichtige Schritte in der Entwicklung eines sprachphilosophischen Pragmatismus dar, der anstelle des Mediumcharakters der Sprache ihren Werkzeugcharakter und anstelle des repräsentationalen Weltverhältnisses ein kausales Verhältnis setzt. Auf diesem Wege wird die naturalistische Prägung von Rortys Nominalismus, die im dritten Kapitel eine zentrale Rolle spielen wird, erst nachvollziehbar. Gerade Rortys Naturalismus verführt zusammen mit seiner Auffassung vom Werkzeugcharakter der Sprache dazu, seine Sprachphilosophie insgesamt für reduktionistisch zu halten. Einer solchen Rezeption soll die Rekapitulation der Versprachlichung des begrifflichen Denkens und der Pragmatisierung sprachlicher Bedeutung entgegenwirken. Beide theoriegeschichtlichen Vorgänge werden von Rorty nicht als Elemente seines Pragmatismus eigens expliziert, nichtsdestoweniger aber von ihm, indem er seinen Lesern ausdrücklich empfiehlt, sich ganz dem Sprachverständnis Wittgensteins anzuschließen (vgl. KIS, 49), jederzeit vorausgesetzt. Mit der Versprachlichung des begrifflichen Denkens fällt der Dualismus von sprachlichem Ausdruck und gedanklicher Bedeutung fort. Die Gebrauchstheorie der Bedeutung bestimmt den pragmatischen Aspekt der Sprache nicht äußerlich (ein solcher etwa bestünde darin, dass sie ein Mittel der Mitteilung und Verständigung ist), sondern deckt ihn im Zentrum der Sprache und damit des Denkens, nämlich im sprachlichen Sinn beziehungsweise im Begriff selbst auf. Anzumerken ist allerdings, dass Rorty, der sich selbst als pragmatischen Wittgensteinianer (vgl. PhK, 281) bezeichnet, sich gleichwohl nicht den Vertretern einer Gebrauchstheorie der Bedeutung zurechnet, sondern sich stattdessen

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als jemand versteht, der eine Theorie der Sprache vertritt, die auf soziale Praktiken abhebt (vgl. PhK, 287, 300). Seine pragmatische Lesart Wittgensteins sieht dessen Leistung vor allem darin, eine unzureichende repräsentationalistische Theorie über das Verhältnis von Sprache und Nichtsprache durch eine bessere Theorie ersetzt zu haben (vgl. PhK, 281). Dieser Lesart geht es nicht darum, mit der Gebrauchstheorie ein philosophisches Verfahren an die Hand zu bekommen oder einzuüben, durch das auf sicherem Wege ein für alle Mal Sinn von Unsinn unterschieden werden kann, um auf diese Weise abermals wissensfundierende Ansprüche erheben zu können. Der Neopragmatismus möchte schließlich nicht mit den Regeln des alltäglichen Wortgebrauchs die transzendentale Logik auswechseln, wie er übrigens auch nicht am Sturz der platonischen Metaphysik mitwirken möchte, um anschließend auf eine Metaphysik des Alltags anzustoßen. Es geht anders gesagt nicht darum, durch systematische Bedeutungsanalyse in der Weise einer Analyse des alltäglichen Wortgebrauchs den wahren Sinn zu bestimmen (vgl. PhK, 298) und in einer universellen Grammatik den richtigen Wortgebrauch zu fixieren. Wenn daher im Folgenden von einer Gebrauchstheorie die Rede sein wird, dann in dem Sinne, dass sie Elemente für ein nicht repräsentationalistisches Modell der Sprache und der Generierung von Sinn enthält, das Rorty favorisiert. Zunächst zur Versprachlichung des begrifflichen Denkens. Die Versprachlichung durch Wittgenstein lässt sich als ein Auflösungsversuch des sinnkritischen Zweifels verstehen, wie ich wissen kann, was ich meine und wovon wir reden. Dieses Problem drängt sich gerade dann auf, wenn man mit der Tradition zunächst davon ausgeht, dass Sprache sich auf an sich nichtsprachliche Gedanken bezieht und Mentales wie auch Reales repräsentieren soll. Wir sprechen mit dem Mund und denken im Kopf. Also müssten wir ± wie es in Büchners Dantons Tod heißt ± ÄXQVGLH6FKlGHOGHFNHDXIEUHFKHQXQGGLH*edanken einander aus den Hirnfasern zHUUHQ³ ZHQQ ZLU GHU 6SUDFKH PLVVtrauen. Aber während wir sichtbar mit dem Mund sprechen, so denken wir doch, wie es scheint, unsichtbar im Kopf. Denn wie Leibniz wusste: Würde unser Gehirn die Größe einer Fabrik annehmen, und würden wir durch die Hirnwindungen gar hindurchspazieren und alle physischen Prozesse betrachten können, keinem einzigen Gedanken würden wir begegnen, sondern immer nur etwas, das wir beobachtenderweise beschreiben und interpretieren, das wir also allererst in Gedanken, welche die je unseren sind und die niemand anschauen kann, verwandeln und fassen müssen. So treffend diese antimaterialistisch gemeinte Einsicht ist, so wenig beschädigt sie das Bild vom Denken, das sich in einem Innenraum vollzieht. Bewusstsein fungiert als Medium, in dem wir denken, ohne dass es als Innenraum je öffentlich zugänglich sein könnte. Denken wir also nicht mit dem Kopf oder direkt in unserem Kopf, dann doch wenigstens im Bewusstsein und kraft unseres Bewusstseins, das Inhalte hat und das seinerseits im Kopf ist ± wie auch immer es seelenwandlerisch dort hineingelangt sein mag. Hier kann der

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Skeptizismus in Bezug auf die Sprache sogleich vor Anker gehen: Wie können wir wissen, ob die Worte, die über unsere Lippen kommen, über welche ebenso in umgekehrter Richtung manchmal ein erfrischendes Getränk in den Körper gelangt; wie können wir wissen, ob die Worte, die aus einer Schreibfeder fließen, mit der in Musils Törleß nebenbei noch eine Fliege gemartert wird, tatsächlich das sagen und mitteilen, was wir im Innersten, im Reich des Unsinnlichen, durch das wir als sinnliche Wesen nicht wie in einer übergroßen Maschine spazieren gehen können, meinen? Wie können wir uns des ideellen Sinns unserer sinnlichsprachlichen Ausdrücke vergewissern? Wir könnten unser Denken sprachlich immer schon verfehlen, und zwei Sprecher könnten vielleicht sogar einen blitzgescheiten Diskurs führen, in welchem sie, die sich bestens zu verstehen glauben, etwas ganz Unterschiedliches meinen, ohne es nur zu ahnen. Was jedoch so selbstverständlich erscheint, dass noch kein radikaler Skeptiker auf die Idee gekommen ist, es zu bezweifeln, dass wir nämlich eine von unserer sichtbaren Leistung (dem Sprechen) fundamental unterschiedene unsichtbare Leistung vollbringen, wenn wir denken, wird von Wittgenstein durchaus mitsamt der konventionellen Verortung des DenkeQVLP.RSILQ=ZHLIHOJH]RJHQÄ(LQH der gefährlichsten Ideen ist, merkwürdigerweise, daß wir mit dem Kopf oder im .RSIGHQNHQ³5 :LUN|QQWHQGXUFKDXVDXFKVDJHQÄÃich denke mit der Feder auf dem Papierµ und diese Ortsangabe ist mindestens so gut wie die HUVWH³6. Doch VWDWWGHVVHQ]XVDJHQÄ'HQNHQVHLHEHQHLQH7lWLJNHLWGHV*HLVWHVZLH6SUHFKHQ GHV 0XQGHV LVW HLQH 7UDYHVWLH GHU :DKUKHLW ³7. Wittgenstein führt dem Leser keine Lösung vor Augen in dem Sinne, dass er einen anderen Ort des Denkens oder einen anderen Akteur, dessen Tätigkeit begriffliches Denken ist, benennt. Gleiches ließe sich kritisch über die konventionelle Vorstellung sagen, Begriffe seien im Kopf oder in einem Bewusstsein. Worum es geht, ist ein deontologisches Verständnis vom begrifflichen Denken selbst. Wenn hinter dieser Kritik an der konventionellen Vorstellung vom Denken seine Versprachlichung steht, dann stellt diese eine Alternative zu dem Versuch dar zu erklären, was für ein Sein der Begriff oder das Denken ist (etwa ein immaterielles oder spirituelles Sein, ein materielles und neurophysiologisch beschreibbares Sein oder auch eine Art kinetischer Realität). Die Versprachlichung stellt keinen ontologischen, sondern zunächst einen methodischen Zugang zum begrifflichen Denken dar. Der entscheidende Punkt der Kritik an der Frage nach der Verortung und der Seinsart des Denkens und des Begriffs besteht darin, dass eine Beantwortung dieser Frage nichts beiträgt zur Klärung dessen, was das Denken, was der Begriff ist, sondern eine Klärung gerade verhindert und das Denken entweder zu etwas hinter dem öffentlich Sichtbaren Verborgenem mystifiziert, das von der sprachlichen Äußerung immer nur unvollkommen wiedergegeben werden kann, oder es auf das re-

5 6 7

L. Wittgenstein: ÃThe Big Typescriptǥ, S. 52. Ebd. Ebd.

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duziert, was eine Apparatur am Gehirn apparaturgemäß sichtbar machen kann, die jedoch bisher noch keine Begriffe messen konnte. Würde jemand erklären wollen, was es mit der Arie 0RQF°ur s¶ouvre à ta voix auf sich hat, indem er die Funktion menschlicher Stimmbänder erforscht und deren Schwingungen misst, indem er eine Frau namens Dalila mit elektronischen Sensoren ausstattet, wir würden ihn bestenfalls für zutiefst amusisch halten. Und jemand, der in dieser Arie einen Repräsentationsversuch nie ganz erreichbarer innerer Vorgänge sieht, der behelfsweise durch besonders trainierte Stimmbänder ermöglicht wird, könnte sich zwar an seinem Tiefsinn erfreuen, von den allermeisten Opernfreunden aber würde er nicht recht verstanden werden. Als erste Abhilfe würden wir vielleicht eine musikalische Wochenendschulung und die Lektüre des Librettos empfehlen, eventuell noch einen Blick ins Alte Testament, um die Arie zu verstehen. ± Doch nicht nur das Singen kann gelernt werden, auch das Denken. Im Hinblick auf die bereits erwähnte Kritik an der Unterscheidung von Wesen und Erscheinung ließe sich an dieser Stelle sagen, dass die pragmatistische Betrachtung diesem Unterschied nun auch in Bezug auf das, was wir das Denken nennen, keine Bedeutung mehr zuerkennt. Das Denken ist nicht seiner Erscheinung nach eine geistige Äußerung, in Wirklichkeit aber nur ein neuronaler Prozess; oder seiner Erscheinung nach ein physiologischer Vorgang, im Wesentlichen aber ein mentaler. Geht es darum zu verstehen, was ein Gedanke oder ein Begriff wesentlich ist, was schlicht gesagt einen Gedanken erst zum Gedanken macht, so ist simplerweise wesentlich das, was ihn für uns zum Gedanken oder gedachten Begriff macht, nämlich: dass wir ihn nachvollziehen, dass wir ihn verstehen können. Es ist ein fulminanter Irrtum zu meinen, zum Verstehen des Denkens könnte jemals die Beantwortung der Frage beitragen, wo der Gedanke oder der Begriff seinen Ort hat und von welcher Art Substanz er ist. Nimmt man die versprachlichende Sinnfrage der linguistischen Wende ernst, so gelangt man zu der Auffassung, dass für das, was das begriffliche Denken ist, allein relevant sein kann, was es als verstehbares wie auch verstehendes Denken ist. Und zur Verstehensbedingung zählt keineswegs, dass es etwa unsinnlich ist. Im Gegenteil: Wir könnten einen Gedanken unabhängig von seiner sprachsinnlichen Äußerung nicht nachvollziehen, und er könnte sich unabhängig vom Sprachmateriellen auch nicht manifestieren; das Denken lässt sich vom realen, sichtbaren Sprachverhalten ± als beträfe dies nur die sinnliche Sphäre seiner Mitteilung ± QLFKWWUHQQHQÄ'HQNHQLVWNHLQ unkörperlicher Vorgang, der dem Reden Leben und Sinn leiht, und den man vom Reden ablösen könnte, gleichsam wie der Böse den Schatten Schlemiehls vom %RGHQDEQLPPW³ 8 Es ist gerade diese Abtrennung, die zu der Vorstellung führt, Denken vollziehe sich unsichtbar im Kopf und sei nur dem Einzelnen als sein Geheimnis unmittelbar zugänglich, das er mittels der Sprache teilweise nach außen mittHLOHQNDQQÄ0DQKDWQLFKWGHQ*HGDQNHQXQG d a n e b e n die Sprache. ± Es ist also nicht so, daß man für den anderen die Zeichen, für sich selbst aber 8

L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 339, S. 387.

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einen stummen Gedanken hat. Gleichsam einen gasförmigen oder ätherischen *HGDQNHQLP*HJHQVDW]]XVLFKWEDUHQK|UEDUHQ6\PEROHQ³ 9 Das besagt umgekehrt, dass Denken nur als sprachlich ausgedrücktes auch Denken ist und dass es unabhängig vom sprachlichen Ausdruck, der als etwas Reales in der wahrnehmbaren Welt manifest ist, kein Denken gibt, über das sich sinnvoll reden und das VLFKYHUVWHKHQOLH‰HÄ:HQQLFKLQGHU6SUDFKHGHQNHVRVFKZHEHQ mir nicht neEHQ GHP VSUDFKOLFKHQ $XVGUXFN QRFK Ã%HGHXWXQJHQµ vor; sondern die Sprache VHOEVWLVWGDV9HKLNHOGHV'HQNHQV³10 Damit wird entgegen dem metaphysischen Mainstream der abendländischen Philosophie Bedeutung ± und das ist entscheidend ± nicht mehr einer von der gesprochenen Sprache abgesetzten mentalen Dimension zugeordnet, deren Inhalte von der Sprache bezeichnet werden. In dieser Tradition verhält sich die Sprache zum Denken, dem sie ihren Sinn verdankt, der sie zur Sprache erst werden lässt, gleich der äußeren Erscheinung als des Vergänglichen in der Wahrnehmung zu ihrem nur dem Denken sich zeigenden, immanenten, zeitlosen, geistigen oder geistadäquaten Wesen. Es ist daher nicht zu weit gegriffen, die Versprachlichung des Begrifflichen zugleich als Zentrum der Metaphysikkritik zu verstehen, welche das Scheitern der Aufteilung der Welt in sinnliche Erscheinung und unsinnliches Wesen an der Sprache, ja am Denken wie also auch an des metaphysischen Denkens eigener Sprachbeschaffenheit aufzeigt. 11 Solange sprachliche Ausdrücke einen außerhalb ihrer liegenden, ideell begrifflichen Gehalt nur bezeichnen, muss die Zuordnung von Bezeichnendem und Bezeichnetem (als der Bedeutung des Bezeichnenden) zur Freude des somit seine Rolle gesichert wissenden Skeptikers intersubjektiv ungesichert bleiben. Die Zuordnung könnte subjektiv divergieren, weil das Bezeichnete, und damit auch der sprachliche Sinn, im psychischen Privatbesitz bliebe wie das imaginierte Bild einer Jugendliebe oder die Erinnerung an eine Schandtat. Hätte man separat zum sprachlichen Ausdruck noch gleichsam im Geiste die ideelle Bedeutung, auf die er geht, könnten wir niemals wissen, ob und wann wir unsere Gedanken für andere so ausgedrückt haben, dass die anderen kraft unseres sprachlichen Ausdrucks die gleiche Bedeutung realisieren, wie sie vor der Kommunikation und unabhängig von ihr schon gegeben ist. Das Problem ist jedoch noch radikaler zu fassen: Es wäre nach einem Modell, das den sprachlichen Ausdruck und die begriffliche Bedeutung wie ein voneinander getrenntes Außen- und Innengeschehen aufeinander bezieht, ganz 9 L. Wittgenstein: ÃThe Big Typescriptǥ, S. 222. 10 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 329, S. 384. 11 Genau betrachtet verfolgt Wittgenstein in seiner Metaphysikkritik qua Versprachlichung eine doppelte Strategie: Auf der einen Seite wird gezeigt, wie Denken sich nicht vom sinnlichen Vorgang des Sprechens lösen lässt; auf der anderen Seite führt diese Versprachlichung dazu, die Begriffsbedeutung, damit auch die nicht empirischen Kategorien der Metaphysik, kritisch mit der alltäglichen Verwendung der Begriffsworte in einem Sprachspiel konfrontieren zu können.

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unerklärlich, wie Sprache und Denken überhaupt zusammenkommen sollen, weil doch die Folge von Lauten, die wir als Sprache identifizieren müssen, als ein vom Gedanklichen strikt Unterschiedenes, als ein an sich nicht Gedankliches ein Vorgang in der wahrnehmbaren Welt bliebe von der Art der Kaubewegung des Mundes, die uns gewöhnlich nicht dazu veranlasst, sie mit einer intelligiblen Sphäre in Verbindung zu bringen. (Freilich, und das ist der entscheidende Punkt, ist eine Kaubewegung auch noch kein Ausdruck einer sozialen Praktik.) Wie geVDJW Ä0DQ KDW QLFKW GHQ =HLFKHQDXVGUXFN XQG GDQHEHQ IU VLFK VHOEVW GHQ (gleichsam dunklen) Gedanken. Dann wäre es doch auch zu merkwürdig, das PDQ GHQ *HGDQNHQ GXUFK GLH :RUWH VROOWH ZLHGHUJHEHQ N|QQHQ³ 12 Man kann den Gedanken nur dann durch Worte wiedergeben, wenn der Gedanke selbst schon wesentlich sprachlich ist. Es ist der Denkbegriff selbst, der bei Wittgenstein, statt mit einer ontologischen These verknüpft zu werden, der sinnkritischen Reflexion unterzogen wird. Das heißt, es werden die Aussagen über Denken und Sprache zum Gegenstand der Untersuchung, die klärt, ob und wann jene Bedingungen der Verstehbarkeit dieser Aussagen in Bezug auf den Denkbegriff erfüllt sind. Oder anders gesagt: Ä:LU DQDO\VLHUHQ QLFKW HLQ 3KlQRPHQ ]% GDV 'HQNHQ  VRQGHUQHLQHQ %HJULII ]%GHQGHV'HQNHQV XQGDOVRGLH$QZHQGXQJHLQHV:RUWHV³ 13 Diese Analyse fördert zutage, dass der Gedanke im sprachlichen Sichausdrücken vollzogen wird und dass sich auf diesen wahrnehmbaren Vorgang ebenso auch das Verstehen der :RUWEHGHXWXQJHQ EH]LHKW E]Z GDV9HUVWHKHQ YRQ $XVVDJHQ 'HQQ Ä9HUVWHKHQ IlQJWHUVWPLWGHP6DW]DQ³.14 Verstehen ist Satzverstehen. Wenn wir etwas verstehen, so verstehen wir es als Satz. Wir erkennen also nicht, dass etwas ein Satz ist, und alsdann verstehen wir ihn. Man könnte sagen, es ist der Satz die transzendentale Form, in der uns überhaupt etwas verstehbar LVWÄ.DQQPDQGHQQHtwas anderes als einen Satz verstehen? Oder: Ist es nicht erst ein Satz, wenn man es versteht? Also: Kann man etwas anders als als S a t z verstehen"³15 (Die Parallele zur transzendentalen Betrachtung Kants ist offensichtlich: Etwas wird zum Erfahrungsobjekt nur, sofern es vom Erkenntnissubjekt zur Einheit synthetisiert ist. Der entsprechende Satz Kants könnte lauten: Kann man denn etwas anderes erfahren, als was unter die Einheit des Selbstbewusstseins gebracht ist?) Was wir also verstehen, das ist der sinnvolle Satz. Nicht aber ein einzelnes Wort; das gleichwohl haben wir in einem Satz wie überhaupt in der Sprache zu gebrauchen 12 L. Wittgenstein: ÃThe Big Typescriptǥ, S. 222; vgl. auch S. Ä0DQVLHKW in dem Verstehen das Eigentliche, im Zeichen das Nebensächliche. ± Übrigens, wozu dann das Zeichen überhaupt? ± Nur um sich anderen verständlich zu machen? Aber wie ist das möglich? ± Hier wird das Zeichen als eine Medizin betrachtet / angesehen >«@³ 13 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 383, S. 400. 14 L. Wittgenstein: ÃThe Big Typescriptǥ, S. 1. 15 Ebd.

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gelernt. DemHQWVSUHFKHQG LVW ]X VDJHQ Ä'HU *HGDQNH LVW ZHVHQWOLFK GDV ZDV GXUFKGHQ6DW]DXVJHGUFNWLVW³16 Dies heißt nicht, der Gedanke sei die Zeichenoder Lautfolge als Zeichen und Lautfolge, es gäbe sonst nichts, das durch sie ausgedrückt würde. Es besagt freilich ebenso wenig, der Gedanke ließe sich vom Satz dergestalt unterscheiden, dass man von einem unausgedrückten Gedanken sprechen könnte als einem solchen, der Ãätherischµ in einem Menschen schon vorhanden ist und sodann zusätzlich noch durch eine Wortfolge ausgedrückt werden muss, um kommuniziert zu werden. Denken und sprachliches Aus drücken sind keine auseinanderdividierbaren Vorgänge, ohne dass das Denken DXIK|UHQZUGH 'HQNHQ ]X VHLQ Ä'HU *HGDQNH EUDXFKWVRODQJH ZLH VHLQ $XsGUXFN :HLO GHU $XVGUXFN GHU *HGDQNH LVW³17 Dass GHU ÄDUWLNXOLHUWH *HGDQNH DEHU >@ LQ DOOHP :HVHQWOLFKHQ HLQ 6DW]³18 ist, in allem Wesentlichen, wohlgemerkt, erklärt zur Genüge, warum wir uns selbst dann die Mühe sparen können, ein menschliches Gehirn von innen zu betreten, wenn es so groß wie eine Fabrik wäre, warum wir uns ersparen können, Hirnwellen zu messen oder Geister zu beschwören. Es reicht, wenn wir eine Sprache, also einen Satz verstehen, denn dann haben wir einen Gedanken verstanden und damit alles, was wir am Denken YHUVWHKHQ N|QQHQ Ä*HGDQNHQOHVHQ NDQQ QXU GDULQ EHVWHKHQ GD‰ ZLU =HLFKHQ interpretieren, also einfach lHVHQ³ 19 Das Denken wird nach dem hier dargelegten sprachphilosophischen Verständnis zu einer offenen Sprachleistung, der nichts 0\VWHUL|VHV DQKDIWHW Ä0DQ N|QQWH VDJHQ DP G e d a n k e n ist nichts wesentlich privat. ± (VNDQQMHGHULQLKQ(LQVLFKWQHKPHQ³20 Und was könnte man erkennenderweise mehr wollen, als in ihn Einsicht zu nehmen? Das ist sogar mehr, als ihm nur in einem fabrikgroßen Gehirn zu begegnen. Da als die kleinste, verstehbare Sinneinheit der Satz als der artikulierte Gedanke aufzufassen ist, lässt sich leicht verstehen, warum ± wie es in Rortys inferentialistischer Umformulierung von Berkeleys These, dass nur eine Idee einer Idee gleichen könne, hieß ± ÄQXUHLQ6DW]IUGLH:DKUKHLWHLQHVDQGHUHQ6DW]HV UHOHYDQWVHLQNDQQ³ 3K= :HLOGHUVDW]I|UPLJH$XVGUXFk nicht auf seinen Sinn als auf sein Anderes bezogen ist, sondern ihn enthält, wird er auch nicht durch solch ein Anderes erst legitimiert. Es kann ein Sinn nicht durch etwas, das kein Sinn ist, begründet, gerechtfertigt oder garantiert werden. Es hieße andernfalls, etwas Verstehbares überhaupt erst durch etwas zu verstehen und als Sinn zu legitimieren, das jenseits sprachlichen Sinns wäre. Bevor wir uns genauer die Versprachlichung des Begriffs anschauen, bevor wir genauer betrachten, was es mit dem Denken ± GHQQ GLH Ä(UNHQQWQLV GXUFK %e-

16 17 18 19 20

L. Wittgenstein: ÃThe Big Typescriptǥ, S. 222. Ebd., S. 224. Ebd., S. 222. Ebd., S. 223. Ebd., S. 222.

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griffe heißt das 'HQNHQ³21 ± nach der sinnkritischen Reflexion auf sich hat, um Rortys Nominalismus besser zu verstehen, der von einer nichtdiskursiven Erkenntnisrelation wegführt und auf eine jegliche perzeptuelle Erkenntnismetaphorik verzichtet, sei zunächst ein Blick geworfen auf das Verständnis der abendländischen Philosophie von dem, was ein Begriff ist. Es ist mindestens ebenso diversifiziert wie die Philosophie selbst, hauptsächlich natürlich nach nominalistischen und begriffsrealistischen, nach empiristischen und rationalistischen Ansätzen. Gleichwohl werden in der traditionellen Auffassung des Begriffs bestimmte Aspekte weitgehend geteilt, die simpel und selbstverständlich zu sein scheinen, für den vorliegenden Zusammenhang jedoch aufschlussreich sind. Der Begriff wird entweder nominalistisch nur als subjektives Produkt, nämlich als Resultat der abstrahierenden Denktätigkeit aufgefasst. Oder er wird darüber hinaus begriffsrealistisch als das im Denken erfasste Wesen der Dinge verstanden. Denn indem er auf die Einheit und die Allgemeinheit dessen geht, was in der veränderlichen sinnlichen Anschauung verschieden ist, ist er selbst, je nach philosophischer Schule, ein mehr oder weniger Unwandelbares und selbst nicht Sinnliches. Er hat damit die Eigenschaft dessen, was in der traditionellen Metaphysik dem wahren Sein, der immanenten Natur der veränderlichen Dinge zugesprochen wird, nämlich selbst nicht sinnlich und nicht vergänglich, und das heißt: selbst ein Ungewordenes zu sein. Hier wie dort ist der Begriff vor allem Merkmalseinheit, in ihm sind verschiedene Eigenschaften von etwas zur gedanklichen Einheit verbunden. Er hat also einen definierbaren Inhalt, und er hat einen definierbaren Umfang entsprechend der Reichweite seiner Identifikation von Unterschiedenem miteinander. Für einen empirischen Begriff (lassen wir einstweilen Kategorien und Verstandesbegriffe außer Betracht) heißt dies Folgendes: Inhaltlich referiert zum Beispiel der Begriff ÃEichhörnchenµ auf etwas, das bestimmte verschiedene Merkmale aufweist, die auf eine bestimmte Weise miteinander verbunden sind; und der Begriff ÃEichhörnchenµ trifft in seiner Extension auf alle Tiere zu, die genau diese Merkmale in ihrem Zusammenhang aufweisen, wenngleich sie als Individuen voneinander unterschieden sind. Der philosophische Streit, in dem diese Auffassung bereits vorausgesetzt wird, entzündet sich in der abendländischen Philosophie denn auch erst an der Frage, ob der Begriff qua Allgemeinheit sich vom Wahren, von dem, was die Dinge wirklich sind, entfernt oder dank ihrer überhaupt erst mit deren unwandelbarem Wesen korrespondiert, das nur mit der Vernunft, oder schlichter gesagt durch das Denken in Begriffen, erkannt werden kann. Ganz unzweideutig ist der Begriff etwa bei Thomas von $TXLQÄVLPLOLWXGRUHLLQWHOOHFWDHTXDQWXPDGHLXVHVVHQWLDP³ 22, die Reproduktion 21 I. Kant: Logik, § 1, A 139. 22 Th. v. Aquin: Summa contra gentiles, Viertes Buch, S. 94. Gemäß einer strikt adäquationstheoretischen Wahrheitsauffassung heißt es im Kontext des oben zitierten Satzes: Ä'DMHJOLFKH(UNHQQWQLVJHPl‰HLQHU]ZLVFKHQ(UNHQQHQGHPXQG(UNDQntem vermittelnden Abbildung [secundum similitudinem] zustande kommt, so muß sich das Abbild [similitudo] der Akzidentien der sinnlich wahrnehmbaren Sache im

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des Wesens der Dinge im Denken. Der philosophische Streit entzündet sich also noch nicht daran, ob der Begriff als das Allgemeine in einem Bewusstsein unabhängig vom konkreten sprachlichen Zeichen besteht oder nicht. Aufgrund seiner Allgemeinheit und seines Ursprungs im Verstand wird der Begriff ± und dies natürlich nicht erst seit Kant ± von der sinnlichen Anschauung wie auch von der Imagination von etwas unterschieden. Wenn wir verstehen wollen, was ein Begriff ist, dann dürfen wir nicht das Haben eines Begriffs mit dem Haben einer sinnlichen Anschauung oder eines inneren Bildes kontaminieren oder gar verwechseln. Wenn für den Sensualismus die originären Sinneseindrücke immerhin Substrat der allgemeinen Begriffe bleiben, so stehen diese doch stets für die abstrahierende und vereinheitlichende Leistung des Verstandes und eben nicht der Einbildungskraft. Wenn wir einen Begriff von etwas haben, dann steht uns nicht etwa die gegenüber dem Original blassere, imaginäre Skizze eines Eichhörnchens vor Augen, sondern wir beziehen uns verstandesmäßig auf ein Allgemeines, das als dieses in keiner sinnlichen Anschauung gegeben ist. Und seit je hat es die Philosophie mit diesem Allgemeinen zu tun. Wer nicht einmal versteht, was ein Begriff ist, kann kein Philosoph sein. Platon, Kant, Hegel hat er offenbar nicht gelesen. Wenn er gleichwohl Vernunft besitzen sollte, dann weiß er, der sich wegen dieses Unverständnisses dem bildbefangenen Alltagsverstand verhaftet zeigt, sie jedenfalls nicht zu benutzen. Noch immer wird bei einem philosophisch Gebildeten die Anekdote als Witz durchgehen, nach der Hegel einer philosophisch ungebildeten Dame bei einer Tasse Tee auf die Frage, was sie sich denn überhaupt unter einem Begriff vorstellen solle, die Antwort erteilt: eben den Begriff. Ein ± hier leider nur flüchtiger ± Blick auf die philosophische Begriffsgeschichte des Begriffs zeigt allerdings, dass sich die Philosophie in einer gewissen Verlegenheit befindet, wenn sie den Begriff auf der einen Seite auf platonische Weise der sinnlichen Anschauung so weit als möglich kontrastiert, ihn auf der anderen Seite aber von dieser auch wieder nicht zu sehr entfernen darf, will sie nicht ein jegliches nichtoperative, rezeptive Moment, das an sinnliche Anschauung zumindest erinnert, so weit aus ihm ausscheiden, dass er überhaupt nicht mehr in einem medialen Verhältnis zu einem Subjekt steht, das auf ihn gerichtet ist. Plotin und Spinoza etwa wie auch spätere Rationalisten verneinen nachdrücklich den Bildcharakter von Begriffen. Diese sind bei Plotin geistige Wesenheiten, KrafWIHOGHU ÄORJRL³  IU 6SLQR]D VLQG VLH DOV ÄLGHD³ XQG ÄPHQWLV FRQFHSWXV³ YRP 9RUVWHOOXQJVELOG GHU LPDJR grundverschieden. Bei den Empiristen hingegen entspricht den Begriffen immerhin die objektive Ähnlichkeit der Dinge. Bei Hume sind sie die gewohnheitsmäßige Tendenz, ähnliche Vorstellungen ins Bewusstsein zu rufen; der sinnlichen Anschauung sind sie also nicht völlig entfremdet. Solange Begriffe aber als tertium zwischen Selbst und Welt ver-

Sinnesvermögen befinden, die Abbildung der Wesenheit der erkannten Sache jedoch im Verstand. Das im Verstand konzipierte Wort ist mithin das Bild oder das Urbild der Substanz der erkannten Sache³ (S. 95).

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mitteln oder das Wesen der Dinge repräsentieren und solange sie als eine an sich bestehende Merkmalseinheit erscheinen, erhält sich auch die Frage, welches Verhältnis dieses Selbst auf der einen Seite zu Begriffen auf der anderen Seite hat. Man könnte es geradezu als die Crux der Bewusstseinsphilosophie ansehen, dass sie von der Art dieses Verhältnisses keine grundsätzlich andere Auffassung entwickeln kann als von dem Verhältnis der sinnlichen Anschauung; sie muss das Verhältnis des Denkenden zum Begriff auf quasiimaginative oder quasiperzeptuelle Weise beschreiben, und das heißt den Begriff selbst als Vorstellung auffassen, gleichwohl als eine von nicht sinnlicher Art oder gar als eine die Wirklichkeit wiederum repräsentierende nicht sinnliche Vorstellung. Wie Rorty zu Recht feststellt, ist mit diesem Begriffsverständnis, das den Begriff als Medium zwischen Selbst und Welt verortet, der Repräsentationalismus mitsamt seinen wahrheitstheoretischen Aporien schon auf den Weg gebracht. Auch der Rationalismus kann das an die sinnliche Anschauung erinnernde noetische Moment des Erkennens, wonach das Selbst die reinen, ansichseienden Begriffe, die Ideen, mit dem geistigen Auge erblickt, sie anschaut, nicht vollständig tilgen. Vielmehr gewinnt gerade durch die Verbindung von Nichtsinnlichem und perzeptueller Metaphorik der Erkenntnisbegriff der abendländischen Metaphysik sein philosophisches Profil. Und wem die Metapher vom ÃSehen PLW GHP JHLVWLJHQ $XJHµ missfällt, weil er dem Hören den Vorzug gibt, der wird im Geiste die Stimme der Vernunft vernehmen. Was das geistige Auge sieht, ist als solches nicht mehr kommunizierbar; es kann sich nur einem je einzelnen Subjekt zeigen. Was der Geist vernimmt, ist jenseits aller sinnlichen Eindrücke. ± Kants Definition des Begriffs lautet: Ä'LH $QVFKDXXQJ LVW HLQH HLQ]HOQH 9RUVWHOOXQJ >...], der Begriff eine a l l g e m e i n e oder r e f l e k t i e r t e Vorstellung. [...] Der Begriff ist der Anschauung entgegengesetzt; denn er ist eine allgemeine Vorstellung oder eine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist, also eine Vorstellung, sofern sie in verschiedenen enthalten VHLQNDQQ³23

Und bei Schopenhauer ist ± als illustres Gegenprogramm zur oben erörterten sprachphilosophischen Auffassung des begrifflichen Denkens, die dieses versprachlicht ± in § 9 der Welt als Wille und Vorstellung zu lesen: Ä'LH %HJULIIH ELOGHQ HLQH HLJHQWKPOLFKH YRQ GHQ ELVKHU EHWUDFKWHWHQ DQVFKDXOLFKHQ Vorstellungen toto genere verschiedene Klasse, die allein im Geiste des Menschen vorhanden ist. [...] Offenbar ist die Rede, als Gegenstand der äußeren Erfahrung, nichts Anderes als ein sehr vollkommener Telegraph, der willkürliche Zeichen mit größter Schnelligkeit und feinster Nüancirung mittheilt. [...] Es ist die Vernunft die zur Vernunft spricht, sich in ihrem Gebiete hält, und was sie mittheilt und empfängt, sind abstrakte Begriffe, nichtanschauliche Vorstellungen, welche ein für alle Mal gebildet und 23 I. Kant: Logik, § 1, A 139.

130 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN verhältnißmäßig in geringer Anzahl, doch alle unzähligen Objekte der wirklichen Welt befassen, enthalten und vertreten. Hieraus allein ist es erklärlich, daß nie ein Thier sprechen und vernehmen kann, obgleich es die Werkzeuge der Sprache und auch die anschaulichen Vorstellungen mit uns gemein hat: aber eben weil die Worte jene ganz eigenthümliche Klasse von Vorstellungen bezeichnen, deren subjektives Korrelat die Vernunft ist, sind sie für das Thier ohne Sinn und Bedeutung. So ist die Sprache, wie jede andere Erscheinung, die wir der Vernunft zuschreiben, und wie Alles, was den Menschen vom Thiere unterscheidet, durch dieses Eine und Einfache als seine Quelle zu erklären: die Begriffe, die abstrakten, nicht anschaulichen, allgemeinen, nicht in 5DXPXQG=HLWLQGLYLGXHOOHQ9RUVWHOOXQJHQ³ 24

Es haben nicht wenige Philosophen sich offenbar nie an der Widersinnigkeit gestoßen, dass eine Vorstellung abzüglich aller sinnlichen Spuren ± selbst das gleichseitige Dreieck hat sichtbare Winkel ± noch eine Vorstellung sein soll, nur eben eine von rein nicht sinnlicher Art. Diese Rede ist nicht sehr viel besser als die von einem Hörerlebnis, bei dem man nur den Ton ausfiltern muss, weil es als abstraktes vom sinnlichen Hören strikt unterschieden sein soll. Nur um unräumliche und womöglich zeitlose Begriffe in einem Bewusstsein und schließlich in einem Kopf verorten zu können, von dem aus sie nach außen Ãtelegrafiertµ werden, aus eben diesem Grund müssen sie, muss das Gedachte in Analogie zu sinnlich Angeschautem gebracht werden. Einen Begriff zu verstehen heißt nach diesem Modell, eine Vorstellung als eine mentale Entität zu haben, die ein Ich zum Zwecke der verbalen Kommunikation mit Wörtern benennt, so dass es in einem anderen Bewusstsein wiederum nur der rückübersetzenden Zuordnung der benennenden Wörter zu allgemeinen Vorstellungen bedarf. Wir verstehen einander dann, wenn wir denselben Vorstellungen dieselben sprachlichen Ausdrücke zuordnen. Eventuell haben klügere Menschen bessere, das heißt klarere und schärfere Vorstellungen als andere, von denen sie deshalb manchmal schlecht verstanden werden; oder sie haben Vorstellungen, die andere nicht haben, und dann werden sie überhaupt nicht verstanden. Wären Sprache und Denken so getrennt, wie es in der sprachvergessenen Tradition der abendländischen Philosophie geglaubt wird, dann könnten wir nicht einmal feststellen, ob ein Gedanke, den wir nicht als den unseren erkennen, falsch ist. Wir könnten stattdessen allenfalls sagen, jemand habe offenbar die Sprache falsch verwendet oder er verwende sie anders, als wir es gewohnt sind, und wir verstehen seine Aussagen deshalb nicht. Was er aber Wahres und Richtiges gedacht hat, das müsse, so wäre zu konstatieren, offen oder uns gar verborJHQEOHLEHQQXUHUVHOEVWNDQQHVZLVVHQ'RFKÄ$XIGLH)UDJHÃZDVPHLQVW'Xµ, muß zur Antwort komPHQ S XQG QLFKW Ãich mHLQH GDV ZDV LFK PLW ÃSµ PHiQHµ³ 25 Es spricht sehr viel dafür, bei der Klärung der Frage, wie wir einen Begriff verstehen, nicht von einer inneren Vorstellung und einer geistigen Wesen24 A. Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, Erstes Buch, § 9, S. 76 f. 25 L. Wittgenstein: ÃThe Big Typescriptǥ, S. 1.

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heit, sondern von der manifesten sprachlichen Äußerung selbst auszugehen, in der das zu Verstehende objektiv ausgedrückt ist. Das heißt, statt von einem Nichtöffentlichen, Unräumlichen und Unsichtbaren, von einem Mentalen im Bewusstsein zu handeln und davon, wie dieses einem anderen Bewusstsein per Sprache Ãtelegrafischµ übermittelt wird, sollten wir besser die öffentliche, sichtbare, raumzeitlich situierte sprachliche Äußerung zum Ausgangspunkt wählen. Das ist damit legitimiert, dass ± wie gezeigt ± sich kein Sinn mit der Behauptung verbinden lässt, Denken verlaufe unabhängig von der Sprache, die Bedeutung würden wir zusätzlich zum sprachlichen Ausdruck haben. Auch wenn man die Rede von einem Bewusstseinsleben und inneren Vorstellungen nicht schon als philosophisch überholt betrachtet, und dies muss man keineswegs, so ist doch der Erklärungsweg des Begrifflichen YRQ ÃaX‰HQµ QDFK ÃiQQHQµ ]X ZlKOHQ ZHLO QXU dieser Weg einer öffentlich zugänglichen Klärung überhaupt das sinnkritische Problem auflösen kann, wie wir uns objektiv selbst vergewissern können, was wir meinen und anderen mitteilen wollen. Hat man auf diesem Wege das Problem gelöst, braucht man erst gar nicht zu befürchten, etwa bewusstseinsimmanente Vorstellungen unaufgehellt und Ãuntelegrafiertµ gelassen zu haben; es sei denn, es wären solche, die wir selbst nicht verstehen können. :HQQ PDQ GLHVHQ :HJ GHU YRQ ÃaX‰HQµ QDFK ÃiQQHQµ IKUW mit Wittgenstein geht, muss man allerdings mit einer Auffassung des Begriffs brechen, die nicht in der einen philosophischen Strömung mit mehr, in der anderen mit weniger Selbstverständlichkeit herrscht. Sie ist vielmehr unisono bis Wittgenstein keinerlei Zweifel ausgesetzt gewesen. Eng hängt sie damit zusammen, dass Begriffe die Gestalt von nicht sinnlichen Vorstellungen in einem Bewusstsein haben sollen, die von der sprachlichen Äußerung, die immer auch sinnlich wahrnehmbarer Natur ist, fundamental getrennt werden müssen. Ä*DQ]JOHLFKZDs man im einzelnen unter einer Idee oder einem Begriff verstehen mag ± eines, so kann man also die traditionelle Auffassung zusammenfassen, verbietet sich in jedem Fall: daß man das mit der Rede von Ideen oder Begriffen Gemeinte als eine spezielle Art spraFKOLFKHU=HLFKHQDOVHLQHVSH]LHOOH$UWYRQ:|UWHUQDXIID‰W³26

Genau hierauf aber läuft bei Wittgenstein die Versprachlichung des Begriffs hinaus. Sie folgt der Einsicht, dass der Begriff durch eine sprachliche Erläuterung eines sprachlichen Zeichens, nämlich der Art von Wörtern, die als generelle Ausdrücke fungieren, anders gesagt von Begriffswörtern, expliziert und verstanden werden kann und dass damit der Gehalt des Begriffs selbst sprachlicher Natur ist. Ä'LH %HGHXWXQJ HLQHV :RUWHV LVW GDV ZDV GLH (UNOlUXQJ GHU %HGHXWXQJ HUNOlUW³27 Diese aber wird dadurch erklärt, dass die Verwendungsweise eines

26 A. Ros: Begründung und Begriff, S. 24. 27 L. Wittgenstein: Philosophische Grammatik, I 23, S. 59.

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Wortes, und das impliziert auch die Verwendungsweise eines generellen Ausdrucks, dargelegt wird. Begriffswörter stellen hinsichtlich der Erklärung ihrer Bedeutung keine anderen Anforderungen als alle anderen Wortarten in einer Sprache. Was der Begriff ist, ist kein von der Verwendungsweise eines sprachlichen generellen Ausdrucks LosJHO|VWHV Ä'LH %HGHXWXQJ HLQHV :RUWHV LVW VHLQ *HEUDXFKLQGHU6SUDFKH³28 Der Umstand, dass ein Sprecher nur dadurch zu dokumentieren vermag, was er unter einem bestimmten Begriff versteht, dass er erklärt, in welchen Kontexten ein Begriffswort wie zu verwenden sei, er also die Grammatik des entsprechenden Wortgebrauchs zu liefern imstande ist, dies stellt ± folgt man den sprachphilosophischen Analysen Wittgensteins ± zu dem, was der Begriff ist, keinen nur äußerlichen Zugang dar, sondern es ist für unser Begriffsverständnis essentiell. Damit ist der Begriff nicht etwas, das man sich als eine feststehende und einheitliche, gut abgezirkelte Vorstellung losgelöst vom sprachlichen Verwendungskontext vor das innere Auge bringen könnte. Dies heißt wiederum keineswegs, dass es nicht schemenhafte Vorstellungen und sinnliche Eindrücke gibt, deren wir uns bewusst sind, und dass niemand über die Fähigkeit verfügt, das Ähnliche der Dinge zu gewahren. Dasjenige, zu dem wir ein perzeptionales Verhältnis haben, erhält jedoch erst als Moment in einem uns vertrauten sprachlichen Verwendungskontext seine Bedeutung und somit seine begriffliche Natur, durch die es zum Inhalt unseres Wissens geworden ist. 29 Der je spezifische Verwendungskontext eines Begriffs und der Umfang möglicher Wortverwendung, den ein Sprachbenutzer kennen und erläutern können muss, sie sind kein Objekt der sinnlichen Anschauung, und sie stellen ebenso wenig ein mentales Gebilde dar, das von einem Ich zu erfassen wäre. Nach dem Bisherigen lässt sich von Versprachlichung in doppelter Hinsicht sprechen. Einmal in derjenigen, dass unser Denken nicht neben dem sprachlichen Ausdruck verläuft und sich der Gedanke als sinnvoller Satz ausdrückt. Zum anderen in der Hinsicht, dass die Erklärung von Begriffen gleichbedeutend ist mit der sprachlichen Erläuterung des Gebrauchs von generellen Ausdrücken. Damit lässt sich das Verständnis des Begriffs übrigens vollständig deontologisieren. Denn die Pointe von Wittgensteins Ansatz liegt darin, dass die Beantwortung der Frage, wie wir einen Begriff verstehen, zugleich die Antwort auf die Frage ist, was wir unter einem Begriff immer schon verstanden haben: nämlich die Verwendungsweise des Begriffswortes, wie vielseitig diese Verwendung auch immer sein mag. Wenn, nach der knappen Definition Kants, die Erkenntnis durch Begriffe das Denken heißt, so läuft eine sprachphilosophische Epistemologie nach Wittgenstein darauf hinaus, dass die Fähigkeit zu denken mit der begrifflichen

28 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 43, S. 262; siehe auch: Philosophische Grammatik, I 23, S. 60: Ä'HU *HEUDXFK GHV :RUWHV LQ GHU 6SUDFKH LVW VHLQH%HGHXWXQJ³ 29 Vgl. hierzu Wittgensteins Bemerkung in den Philosophischen Untersuchungen Nr. 72 und 73, S. 281.

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Fähigkeit der richtigen Verwendungsweise eines Wortes koinzidiert. Und diese Fähigkeit wird sich als eine soziale herausstellen. Die bisherige Betrachtung von Wittgensteins Verständnis von Begriffen impliziert bereits einen gebrauchstheoretischen Zugang zur sprachlichen Bedeutung, indem diese auf die Verwendungsweise eines Wortes zurückgeführt wird, die für den Pragmatisten eine soziale Praktik darstellt. Einen Begriff zu haben heißt, ein Begriffswort richtig verwenden und seine richtige, kohärente Verwendungsweise auch erläutern zu können. ± Ich bin, als ich kurz die klassische Auffassung vom Begriff erörtert habe, um ihr die versprachlichende Betrachtung Wittgensteins entgegenzusetzen, etwas einseitig von der mentalistischen Verstehensweise ausgegangen, die Begriffe als ideelle Einheiten behandelt, und habe die Frage gestellt, inwiefern sprachliche Ausdrücke Zeichen für Begriffe sein können. Offen ist deshalb geblieben, was im Hinblick auf ein empiristisches und nominalistisches Verständnis zu sagen ist, für das sprachliche Ausdrücke Bezeichnungen von Realem in der empirischen Realität sind, das konventionellerweise deren Bedeutung und den Inhalt von Begriffen ausmacht. Offen geblieben ist anders gesagt, wie es sich mit einer empiristischen Namenstheorie der Bedeutung verhält. Immerhin könnte man noch versucht sein, Rortys Nominalismus trotz seines inferentialistischen und holistischen Charakters mit einem schlichten, traditionellen Nominalismus in Verbindung zu bringen. Rorty bestreitet zwar, man könne aus der Sprache heraustreten und zu den Dingen an sich gelangen, dennoch müssen im Nominalismus Nomen und Realität in irgendeiner Weise einander zugeordnet sein und auf eine den Begriffsinhalt definierende Weise zugeordnet werden können. Dieses Problem kann nun im Kontext gebrauchstheoretischer Überlegungen zur Bedeutung von Begriffen geklärt werden. Hierfür ist über die bisherigen Thesen über das Verhältnis von Sprache und Denken hinaus ein weiterer Schritt notwendig, nämlich den Gebrauch der sprachlichen Ausdrücke im Hinblick auf die Funktion zu reflektieren, die sie in der menschlichen Praxis haben. Diese Reflexion führt zur prominenten Idee des Sprachspiels, in das Wittgenstein gleich zu Beginn seiner Philosophischen Untersuchungen einführt. Wir verwenden Wörter und bilden Sätze nicht nur in einer für sich genommenen, isoliert von der menschlichen Praxis verstehbaren Sprache, sondern in der Sprache, GHUHQ6SUHFKHQÄHLQ7HLOLVWHLQHU7lWLJNHLWRGHUHLQHU/HEHQVIRUP³30. In die sprachphilosophische Konzeption des Sprachspiels einführen lässt sich vielleicht am besten durch die Beantwortung der Frage, wie wir überhaupt dazu kommen, Wörter richtig zu gebrauchen, auf diese Weise Begriffe zu verstehen und uns zu verständigen. Hierzu kann man sich vergegenwärtigen, inwiefern uns eine konventionelle Namenstheorie der Bedeutung ein reduziertes Bild der Sprache liefert und in welche offenkundige Sackgasse sie führt, die Wittgenstein zu Beginn seiner Philosophischen Untersuchungen in der Auseinandersetzung mit 30 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 22, S. 250.

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dem Sprachverständnis des Augustinus aufzeigt. Nach einer solchen Namenstheorie erwerben wir bestimmte Begriffe und überhaupt die Sprache in der Weise, dass wir die Benennung der Gegenstände von anderen Sprechern lernen, die unter Umständen auf die Gegenstände direkt verweisen können, in denen die Wörter ihre Bedeutung haben. So eignet sich jemand, der rasch und auf einfache Weise eine fremde Sprache lernen will, Substantive an, um mit anderen kommunizierend auf entsprechende Gegenstände Bezug nehmen zu können. Stellen wir uns nun vor, jemand ± ein Weltreisender ± möchte in einem fernen Land, dessen Sprache er fast nicht beherrscht, unter anderem die sprachliche Fähigkeit erwerben, die es ihm ermöglicht, dort in einer Lokalität, die er für ein Restaurant hält, eine Flasche Wein zu bestellen, um sich für seine Tagesmühen zu belohnen. Es gibt für die betreffende Sprache noch keinen touristischen Sprachführer, der einem Reisenden eine sprachliche Anleitung an die Hand gäbe, wie er seine Absicht verwirklichen könnte. Er möchte sich von einer fremdenfreundlichen Person erklären lassen, was Rotwein heißt, indem er eine halb volle Rotweinflasche aus seinem Gepäck holt und mit fragendem Blick und Richtung Flasche ausgestrecktem Zeigefinger in seiner Sprache nach dem Namen des Gegenstandes fragt. Das Wort, das er sodann genannt bekommt, heißt übersetzt jedoch Ãgrünes Glasµ. Nun geht er in ein Restaurant und fragt nach einem Ãgrünen Glasµ. Daraufhin bringt ein freundlicher Kellner ein grünes Trinkglas, leer noch dazu, und verschwindet wieder. Etwas irritiert versucht der Fremde den Kellner wieder an seinen Tisch zurückzurufen, und zwar mit dem diesmal korrekten Wort der fremden Sprache für ÃKellnerµ, das bereits zum minimalen Wortschatz des Fremden gehört, indem er das entsprechende Wort ÃKellnerµ ausruft. Daraufhin verfallen viele der in dem Restaurant anwesenden Gäste in ein dezentes Lachen, denn ihnen war, als hätte ein Kind, indem es soeben einen Kellner gesehen hat, eine so große Entdeckung gemacht, dass es nicht an sich halten konnte, sie öffentlich mitzuteilen, wo doch ein Kellner für jemanden, der nicht zum ersten Mal in seinem Leben ein Restaurant betritt, wahrlich keine außergewöhnliche Begegnung darstellt; der Kellner versucht, vor der peinlichen Situation sich in die Küche zurückzuziehen. Nun ist der Weltreisende recht verwirrt und scheint sich in dem fremden Land ganz und gar nicht verstanden zu fühlen. Zugegeben, ein solches Land ist im globalen Zeitalter nur schwer vorstellbar, und ÃKellner!µ ist nicht die freundlichste Variante einer Kontaktaufnahme. Doch was ist mit dem hier konstruierten Missverständnis anders gelaufen, als man es mit einem augustinischen Sprachverständnis hätte erwarten dürfen? Vor allem zwei Vorleistungen, und zwar sprachliche Vorleistungen, die eine Namenstheorie, welche Sprache erklären will, als erfüllte stets schon voraussetzen muss, sollten in diesem Beispiel durch ihr zumindest partielles Misslingen zum Vorschein gebracht werden. Die erste Leistung fasst Wittgenstein in die :RUWHÄ1DFKGHU%HQHQQXQJIUDJWQXUGHUVLQQYROOGHUVFKRQHWZDVmit ihr an-

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]XIDQJHQZHL‰³.31 Wir müssen etwa eine deiktische Geste als Benennung schon verstehen können, wenn wir lernen sollen, einen Gegenstand als Bedeutung eines Wortes aufzufassen. Es hätte also durchaus sein können, der Fremdenfreundliche hätte die Geste, mit welcher der Weltreisende auf die halb volle Flasche Rotwein verwies, als Einladung zum Trinken aufgefasst. Wir müssen also schon die sprachliche Praktik der hinweisenden Definition kennen und verstehen gelernt haben, sofern diese Praktik keiner eingeborenen Idee entspringen soll. Diese Praktik ist Bestandteil dessen, was Sprecher bereits beherrschen, und nicht etwas, dessen sich jemand bedient, um zum Sprecher erst zu werden. Deutlicher wird diese Voraussetzung, wenn man bedenkt, dass eine hinweisende Worterklärung, ohne wiederkehrende Verwendungskontexte des Wortes zu kennen, wenn überhaupt, so nur dann gelingen kann, wenn man schon ein sprachliches Vorverständnis und eine sprachliche Vorverständigung darüber hat, was benannt werden soll, und man gegebenenfalls dieses Was sprachlich genauer erläutern und einkreisen kann. Die Benennung soll im vorliegenden Fall auf den Inhalt der Flasche gehen und nicht auf die Materialbeschaffenheit des Gefäßes, auch nicht auf das Licht, das sich durch das Glas bricht, oder auf die bereits getrunkene und jetzt fehlende Weinmenge. Auch mit der hundertsten Weinflasche als Gegenstand deiktischen Verweisens könnte immer noch das Glas, also das Material, und nicht das Gefäß gemeint sein. ± Wichtig aber ist noch eine andere, zweite Leistung: Der Sprecher (Weltreisende) muss wissen, wie er das Wort, das anscheinend nur etwas ± hier den Kellner ± designiert, verwenden kann, um in der Praxis eine bestimmte Absicht zu verwirklichen. Und in dieser Praxis ging es gerade nicht darum, eine Person als Kellner zu bezeichnen, es ging darum, sie herbeizurufen. Die hinweisende Bezeichnung ist eine Verwendungsweise eines Wortes neben anderen möglichen, ungleichartigen Verwendungsweisen, und diese sind allesamt immanenter Bestandteil der Bedeutung des Wortes. Sie sind keine sekundären Verwendungsweisen gegenüber der Benennung, diese ist nicht der sprachpraktisch fundamentalere Vorgang. Und daher irrt eine Namenstheorie, welche die elementare Leistung, die zum Erwerb der Sprache und dem Verständnis der Bedeutung führt, im Akt der ursprünglichen und mitgeteilten Benennung von etwas sieht. Die Sackgasse dieser Theorie besteht darin, dass sie in ihrer Erklärung des Erwerbs von Sprache bereits zahlreiche sprachliche Fähigkeiten voraussetzen muss, für deren Erwerb sie keine Erklärung hat. Man bedenke hierbei, dass die hinweisende Definition ein kommunikativer praktischer Akt neben anderen Akten ist; eine Praktik, die wir als Sprachbenutzer, und das heißt als Teilnehmer einer gemeinsamen Sprachpraxis, beherrschen müssen. Diese Praktik ist selbst nicht außersprachlich, sie ist kein fundamental vorsprachlicher Vorgang in Bezug auf den Spracherwerb, sondern ihre Beherrschung zählt bereits zur Kompetenz eines Sprachbenutzers einer bestimmten

31 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 31, S. 255.

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Sprachgemeinschaft, die eine solche Praktik ausgebildet hat. Aber sie ist eben doch eo ipso zugleich eine der menschlichen Praxis inhärente und keine von ihr isolierte Tätigkeit von Sprachbenutzern. Diese Praktik muss uns, die wir nach der Beziehung von Wort und Bedeutung, Name und Benanntem fragen, ebenso vertraut sein wie zahlreiche andere Praktiken, etwa nach Hilfe zu rufen, einen Wunsch zu äußern oder eine Einladung zu übermitteln. Sie muss uns vertraut sein wie andere soziale, nicht unbedingt sprachliche (wenngleich zumeist sprachlich vermittelte) Praktiken, bei denen wir etwa mit unserer rechten Hand jemandem die Hand geben oder bei einem Kartenspiel die Karten richtig herum in Händen halten. Ohne solche allgemeine Vertrautheit wäre eine gemeinsame Praxis nicht möglich ± während ohne eine gemeinsame Alltagspraxis die Möglichkeit zum Spracherwerb, zum Vertrautwerden mit der Sprache, für den Einzelnen von vornherein nicht bestünde, zu dessen Erfolg die Fähigkeit gehört, einen sinnvollen Satz formulieren zu können. Schon bei dem anscheinend sprachfundierenden Vorgang, nämlich dem der Bezeichnung, zeigt sich das, was Wittgenstein als das Verwobensein von Sprache und Tätigkeit aufdeckt und zur Idee des Sprachspiels fortentwickelt. Wie sich im Hinblick auf die Versprachlichung die Untrennbarkeit von Sprechen und Denken gezeigt hat, so zeigt sich nun ± gleichsam zur anderen, weltbezogenen Seite der Sprache hin ± die Untrennbarkeit des Sprechens von der realen Tätigkeit. Was mit der Sprachpragmatik zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, nämlich Sprache vor dem Hintergrund ihres Gebrauchs zu unterschiedlichen kommunikativen Zwecken zu betrachten, ist sowohl für den Erwerb von Sprache relevant als auch und vor allem für das Verhältnis zwischen Sprache und Welt. Fragen wir noch einmal danach, wie der Erwerb der Sprache inklusive der von der Namenstheorie ausgeblendeten Fähigkeiten vor sich geht, so liegt die einfache Antwort darin, dass er selbst über die praktische Einübung in eine gemeinsame Sprachpraxis läuft, und das bedeutet durch die alltägliche Eingewöhnung in eine Lebensform als das Ensemble der sozialen Praktiken einer Sprachgemeinschaft. Beim öffentlichen und kontextuellen Gebrauch der Wörter wird demjenigen, der in entsprechende Praktiken eingeübt, ja sozialisiert ist, sich beispielsweise zeigen, dass und als was etwas bezeichnet wird, so wie sich ihm auch zeigt, dass etwa eine Aufforderung gemacht oder ein Ratschlag erteilt oder eine Bewertung ausgesprochen wird usw. Wir lernen in der alltäglichen Praxis, Wörter auf verschiedene Weisen, und das heißt zu unterschiedlichen Zwecken zu verwenden und ihre Bedeutung zu verstehen. In der gemeinsamen Praxis wird von den Sprechern der unterschiedliche, umfangreiche Wortgebrauch immer wieder objektiv einander vorgeführt und durch das Funktionieren der Interaktion bestätigt. Vor dem Hintergrund, dass wir Wörter, in deren Gebrauchsweise ihre Bedeutung liegt, zu ganz verschiedenen Zwecken (um etwas mitzuteilen, etwas darzustellen, um jemand zu grüßen etc.) und in unterschiedlichen Kontexten gebrauchen, schlägt Wittgenstein folgenden

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bekannten Vergleich vor, der sein gebrauchstheoretisches Sprachverständnis illustrieren soll:32 ÄDenk an die Werkzeuge in einem Werkzeugkasten: es ist da ein Hammer, eine Zange, eine Säge, ein Schraubenzieher, ein Maßstab, ein Leimtopf, Leim, Nägel und Schrauben. ± So verschieden die Funktionen dieser Gegenstände, so verschieden sind die Funktionen der Wörter. (Und es gibt Ähnlichkeiten hier und dort.)³

Und er fährt fort: ÄFreilich, was uns verwirrt ist die Gleichförmigkeit ihrer Erscheinung, wenn die Wörter uns gesprochen, oder in der Schrift und im Druck entgegentreten. Denn ihre Verwendung steht nicht so deutlich vor uns. Besonders nicht, wenn wir philosophieren!³'LHVH $XIIDVVXQJOlVVt nicht nur die Namenstheorie der Bedeutung hinter sich zurück, sondern auch die von der abendländischen Metaphysik weitgehend vorausgesetzte Vorstellung von der Bedeutungsidentität der Begriffe, deren vermeintlich unveränderliches Ansichsein, ist erst HLQPDO HLQH Ã9HUELQGXQJµ YRQ LVROLHUWHP :RUW XQG %HJULIIVEHGHXWXQJ DOV Dbstrakter Vorstellung hergesWHOOW VLFK LQ GHU ,GHQWLWlW LKUHU Ã:RUWKOOHµ QLHGHU]uschlagen scheint. 33 Die Charakterisierung der Sprache als Werkzeug stellt theoriegeschichtlich die Station dar, an die Rortys Nominalismus anschließt. Es ist der praktische, zweckbezogene und damit zugleich bedeutungskonstitutive Gebrauch der Wörter, der erstmals bei Wittgenstein in den Mittelpunkt der philosophischen Betrachtung gerät, an den die neopragmatische Konzeption anschließen kann und dessen Konsequenzen weit in die erkenntnismetaphysische Thematik hineinreichen. Denn nun ist die Sprache nicht mehr Repräsentation von etwas Nichtsprachlichem, an sich Nichtdiskursivem, weder von ideellen Einheiten noch von reellen Entitäten. Gleichwohl aber ist zu sagen: Die Sprache, die die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft benutzen und in der sie denken, während sie in realer Interaktion mit ihrer Umwelt wie auch miteinander stehen, ist mit dieser Interaktion konstitutiv verflochten. Bereits aufgrund solcher Verflochtenheit muss übrigens eine nicht repräsentationalistische Sprachauffassung, die bei Rorty Bestandteil seiner Metakritik an der Erkenntnistheorie ist, keineswegs per se auf die Welthaltigkeit der Sprache verzichten.

32 Vgl. für das Folgende L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 11, S. 242 ff. 33 Die Bedeutungsidentität ist der neuralgische Punkt zumindest der vorhegelschen Metaphysik und dementsprechend ins Zentrum der Metaphysikkritik auch der frühen Kritischen Theorie geraten, wie sich in der Auseinandersetzung mit Adorno noch zeigen wird. Aufgrund dieser Identität nämlich kann den Begriffen ein eigenes Sein zugesprochen werden, können Begriffe gegenüber der veränderlichen Wahrnehmung unabhängig erscheinen. An dieser Identität hängt zudem der metaphysische Dualismus von unveränderlichem Wesen und veränderlicher Erscheinung, von Ideellem und Realem.

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(VJLEWÄ*HVLFKWVSXQNWHQDFKGHQHQPDQ:HUN]HXJHLQ:HUN]HXJDUWHQHLnteilen kann. 2GHU6FKDFKILJXUHQLQ)LJXUHQDUWHQ³34, entsprechend dem Gebrauch, der mit ihnen möglich ist. Das Beispiel des Schachspiels aber geht einen wichtigen Schritt über die Werkzeugmetaphorik hinaus, weil für den Gebrauch des Ã:HUN]HXJNDVWHQVµ vorwiegend technische und nicht zugleich auch soziale Regeln beherrscht werden müssen. Und so kommt die Gebrauchstheorie der Bedeutung bei Wittgenstein erst mit seinem Sprachspielmodell zur Entfaltung. Denn der praktische Wortgebrauch zu bestimmten Zwecken ist sozial verankert, er unterliegt anders gesagt Spielregeln, die jemand anzuwenden gelernt haben muss, der an dem entsprechenden Sprachspiel teilnimmt. Wer Schach spielt, muss die Regeln des Schachspiels nicht nur kennen, er muss ihre Anwendung beherrschen, und diese HUOHUQWHU GXUFKGLH ÄWlJOLFKH 3UD[LV GHV6SLHOHQV³ 35. Es reicht mithin nicht, dass er meint, er befolge eine Regel, er muss sie tatsächlich befolgen, sonst kommt das Spiel nicht zustande.36 Nichts anderes gilt für die Teilnahme an einem Sprachspiel. Wie es etwa verschiedene Brettspiele gibt, so auch verschiedene, mannigfaltige Sprachspiele: eine Hypothese aufstellen, einen Witz machen, Rätsel raten, eine Geschichte erfinden usw.37 Ein Wort zu gebrauchen, dabei einen Satz zu formulieren und eine Rechtfertigung für diesen Satz zu liefern heißt demgemäß: Züge in einem Sprachspiel zu tun. Entsprechend holistisch ist das sprachliche Verstehen aufzufassen, im Ausgang nämlich vom Sprachspiel als einer sozialen Praxis und nicht von singulären Objektbezügen, in denen die Dinge ihren Namen erhalten und durch die Sprache in der Welt fundiert zu sein scheint. Ä(LQHQ 6DW] YHUVWHKHQ KHL‰W HLQH 6SUDFKH YHUVWHKHQ (LQH 6SUDFKH YHUVWHKHQ KHL‰WHLQH7HFKQLNEHKHUUVFKHQ³38 Also in einer Sprachgemeinschaft sozialisiert worden und mit deren sozialen Praktiken vertraut zu sein. An die Entdeckung der pragmatischen Dimension von Sprache, an die Gebrauchstheorie der Bedeutung und die Idee des Sprachspiels haben produktive und differenzierte Theorien angeschlossen, und die hier nur in ihren Hauptzügen erläuterte Auffassung Wittgensteins aus den Philosophischen Untersuchungen ist längst mehr oder weniger zum Lehrinhalt der Sprachphilosophie geworden. Dass Rorty in mehrfacher Hinsicht sich diese Auffassung zu eigen gemacht hat, liegt auf der Hand: Das holistische, inferentialistische und instrumentalistische Verständnis von Sprache ist bereits im Konzept des Sprachspiels enthalten, das eine namenstheoretische und repräsentationalistische Betrachtung der Sprache nicht mehr zulässt. Doch sollte der Rekurs auf Wittgenstein hier nicht einfach an die 34 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 17, S. 245. 35 Ebd., Nr. 197, S. 343. 36 Wittgenstein sieht darin bekanntermaßen ein Argument gegen die Vorstellung einer privaten Regelbefolgung und damit gegen die Möglichkeit einer Privatsprache. Vgl. ebd., Nr. 202, S. 345. 37 Vgl. ebd., Nr. 23, S. 20. 38 Ebd., Nr. 199, S. 344.

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Quelle moderner Sprachphilosophie erinnern, sondern bei der Beantwortung einer für das Verständnis von Rortys Nominalismus wichtigen Frage helfen, der Frage nämlich, wie der neopragmatische Nominalist, der die verschiedenen Kritiken gegen die erkenntnistheoretische Vorstellung der Wahrheit als Adäquation des Denkens mit der Wirklichkeit bündelt, selbst das Verhältnis von Sprache respektive Denken und Welt versteht. Bisher wissen wir nur, dass dieses Verhältnis gemäß seiner strikt inferentialistischen Betrachtungsweise von keiner epistemischen Relevanz mehr ist; wir wissen nur, dass diskursives Wissen durch keine referentiellen, perzeptiven oder repräsentationalen Bezüge fundiert sein soll. Und wir haben erfahren, dass Rortys Nominalismus die Konsequenz daraus zieht, dass es keinen Zugang zu einer vorsprachlichen und unbeschriebenen Realität gibt und keine Position zwischen Beschreibung und unbeschriebener Wirklichkeit eingenommen werden kann. Doch was ist hierüber hinaus über das Verhältnis der Sprecher zur Realität vor dem Hintergrund einer Metakritik an der Erkenntnistheorie zu sagen? Grob erwähnt wurde bereits Rortys These, dass dieses Verhältnis ein rein kausales ist. Was diese These genauer besagt und wie sie argumentativ einzuholen ist, soll nun näher erläutert werden, und zwar anhand der neuen Sichtweisen auf die Sprache, die der Rekurs auf Wittgenstein zum Ergebnis hatte. Bei diesem Rekurs, um die Hauptgesichtspunkte noch einmal herauszustellen, ging es zunächst um die Versprachlichung des begrifflichen Denkens, sodann um die Gebrauchstheorie der Bedeutung und damit um das Konzept des Sprachspiels. Zunächst zur Bedeutung der Gebrauchstheorie für das von der Erkenntnistheorie adäquationstheoretisch gedachte und in Rortys Pragmatismus ganz anders interpretierte Weltverhältnis der Sprachsubjekte. Dieses Weltverhältnis wurde im Konzept des Sprachspiels schon thematisiert, nämlich im Hinblick auf die Vorgänge der Bezeichnung und Benennung. Gleich zu Beginn der Philosophischen Untersuchungen ist eine unscheinbare wie aufschlussreiche Beschreibung der Verwendung des Wortes Ãbezeichnenµ zu lesen: Ä$PGLUHNWHVWHQLVWGDV:RUWÃbezeichQHQµ vielleicht da angewandt, wo das Zeichen auf dem Gegenstand steht, den es bezeichnet. Nimm an, die Werkzeuge, die A beim Bauen benützt, tragen gewisse Zeichen. Zeigt A dem Gehilfen ein solches Zeichen, so bringt dieser das Werkzeug, das mit dem Zeichen versehen ist. So, und auf mehr oder weniger ähnliche Weise, bezeichnet ein Name ein Ding, und wird ein Name einem Ding gegeben. ± Es wird sich oft als nützlich erweisen, wenn wir uns beim Philosophieren sagen: Etwas benennen, das ist etwas Ähnliches, wie einem Ding ein Namenstäfelchen anhefWHQ³39

Der Vorgang, bei dem A dem Gehilfen das Zeichen zeigt, ist ein Mittel, um ein bestimmtes Werkzeug zu bekommen, wobei auch andere Motive des Zeichenge-

39 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 15, S. 244.

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brauchs als das der Werkzeugbeschaffung denkbar wären, wie zum Beispiel dem Gehilfen zu signalisieren, er möge jetzt das dem Zeichen zugehörige Werkzeug vor jemand anderem verstecken, dem es entwendet wurde; denkbar wäre auch, dass der Gehilfe ± ähnlich wie bei einer Vokabelaufgabe ± nur daran erinnert werden sollte, das richtige Werkzeug dem Zeichen zuzuordnen, und nun stellt er fest, dass dieses Zeichen ebenfalls an einem Schraubenzieher angeheftet ist und nicht, wie er glaubte, an einer Zange. Der relevante Punkt ist, dass eine Bezeichnung, selbst wenn sie in einem streng referentiell festgelegten Bezug zu einem Gegenstand steht, ja diesem als Name aufgeschrieben stünde, sich von ihrem Gebrauchskontext doch keineswegs lösen lässt, und bestünde dieser auch nur darin, zum Zwecke des Lernens der Zeichenzuordnung sich diesen für künftige Gebrauchssituationen ins Gedächtnis zu rufen. Es ist also nicht so, dass wir qua referentieller Festlegung die Bedeutung eines Wortes haben und es sodann mit dieser Bedeutung in bestimmten Situationen gebrauchen; vielmehr geht der reale wie kontextuelle Zweck des Wortgebrauchs in die Bedeutung konstitutiv ein. In der bloßen Zuordnung von Zeichen und Bezeichnetem hätte, diese Zuordnung nur für sich genommen, weder das Zeichen noch das Bezeichnete überhaupt irgendeine Bedeutung. Das anscheinende Bezeichnungsverhältnis gliche dem Verhältnis zwischen einem Ei und seiner bunten Bemalung. Erst wenn das Zeichen und das, was bezeichnet wird, zu einem Element in einem Sprachspiel geworden sind, das heißt, erst wenn sich mit ihnen ein Zug in diesem Spiel machen lässt, wenn also beispielsweise die Aufforderung erteilt wird, das bezeichnete Werk]HXJ ]X EULQJHQ LVW EHUKDXSW %HGHXWXQJ VSUDFKOLFKHU 6LQQ UHDOLVLHUEDU Ä'DV Benennen ist noch gar kein Zug in einem Sprachspiel, ± so wenig, wie das Aufstellen einer Schachfigur ein Zug im Schachspiel. Man kann sagen: Mit dem Benennen eines Dings ist noch nichts getan. Es hat auch keinen Namen, außer im 6SLHO³40 Dass etwas einen Namen erst und nur im Spiel hat, nicht schon durch die bloße Zuordnung etwa einer Buchstabenfolge, meint genau der Terminus Sprachspielnominalismus, mit dem dieses Kapitel überschrieben ist. Also ist der %HJULII GHQ GHU NODVVLVFKH 1RPLQDOLVPXV DOV ÄIODWXV YRFL³ GHP %HJULIIVUHDOLsmus kontrastiert, jetzt mehr als nur ein Hauch, ohne deswegen zu einem Ansichsein zu avancieren; denn das Spiel, in dem er seinen Sinn erhält, ist selbst wie seine Funktion im Spiel höchst real. Jetzt ist genau zu sehen, was die Beziehung zwischen Namen und Benanntem ist. Auf einem Ei könnte auch das Wort ÃEiµ stehen. Die Beziehung selbst bestünde in ± wohlgemerkt ± diesem Fall in der materiellen Verbindung, bei der auf einem Ei etwas aufgetragen ist, nämlich auf seiner Schale ein Wort geschrieben steht. Dieses wird aber erst dann zur Bezeichnung und es wird das Ei erst dann zu einem Bezeichneten, wenn Ei und Aufschrift eine Rolle in einem Sprachspiel erKDOWHQ KDEHQ LQ ZHOFKHP ÄGDV 6SUHFKHQ HLQHU 6SUDFKH HLQ 7HLO LVW HLQHU 7lWLg-

40 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 49, S. 267.

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NHLW³41, in der das Bezeichnete ein Element ist. (Ein entsprechendes Sprachspiel, neben anderen möglichen, könnte zum Beispiel so aussehen, dass in einem Sprachunterricht mit Gegenständen hantiert wird, auf denen die zu ihnen passende Bezeichnung aufgedruckt ist, die Sprachschüler die Gegenstände, die ihnen zuvor vom Lehrer gegeben wurden, austauschen und jeweils von ihrem neuen Gegenstand das aufgedruckte Wort ablesen, um sich die Bezeichnung einzuprägen.) Es ist ein in sich untrennbarer Vorgang, dass etwas einen Namen bekommt und einem Sprachspiel gleichsam einverleibt wird, in dem der Name verwendet werden kann, um eine bestimmte Tätigkeit zu vollziehen oder zu ermöglichen. Zum Verhältnis zwischen Namen und Benanntem notiert Wittgenstein Folgendes: Ä:DVLVWGLH%H]LHKXQJ]ZLVFKHQ1DPHXQG%HQDQQWHP"± Nun, was ist sie? Schau auf das Sprachspiel [...]! dort ist zu sehen, worin diese Beziehung etwa besteht. Diese Beziehung kann, unter vielem andern, auch darin bestehen, daß das Hören des Namens uns das Bild des Benannten vor die Seele ruft, und sie besteht unter anderem auch darin, daß der Name auf das Benannte geschrieben ist, oder daß er beim Zeigen auf das Benannte DXVJHVSURFKHQZLUG³42

Die Verbindung von Name und Benanntem ist keine mysteriöse und fundamental vorsprachliche Verbindung und auch keine vorpraktische, mit der ein Subjekt sich vor seiner Teilnahme an einem Sprachspiel auf die Welt bezieht. Sie ist auch keine Verbindung, mit der eine ontologische Kluft zwischen Geist und Natur überwunden werden muss. Vielmehr besteht diese Verbindung auf derselben empirischen Ebene, auf der unser Sprechen mit unserer Tätigkeit funktional verflochten ist; auf derselben Ebene, auf der etwas Empirisches mit etwas anderem Empirischen von uns verknüpft wird: ein Baum, das Zeigen auf diesen Baum und das Aussprechen des WRUWHV Ã%DXPµ 'DVV man auf das jeweilige Sprachspiel schauen solle, lenkt den Blick zugleich auf die Pointe des sprachspielnominalistischen Ansatzes im Hinblick auf das Verhältnis von Sprache und Welt: Die Beziehung von Wörtern und der übrigen Wirklichkeit wird in dem jeweiligen Sprachspiel hergestellt. Sie ist ein Bestandteil des Spiels, und das heißt einer gemeinsamen Tätigkeit und Lebensform. Jonathan Swift lässt seinen Protagonisten Gulliver auf dessen Reisen die große Akademie von Lagado besuchen, wo er mit einem wissenschaftlichen Projekt der Fakultäten für Sprachen bekannt gemacht wird. Es besteht darin, alle Wörter, GLH 'LQJH EH]HLFKQHQ EHUKDXSW DE]XVFKDIIHQ GHQQ HV VHL Ä]ZHFNGLHQOLFKHU wenn alle Menschen die Dinge bei sich führten, die zur Beschreibung der AngeOHJHQKHLWHQEHUGLHVLHVLFKXQWHUKDOWHQZROOHQQRWZHQGLJVHLHQ³(LQHVROFKH Sprache könnte sodann als eine Universalsprache zum Beispiel auch den Diplomaten vieler Länder die besten Dienste erweisen. Dieses Projekt wurde von sei41 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 23, S. 250. 42 Ebd., Nr. 37, S. 259.

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nen eisernen Verfechtern teilweise umgesetzt und funktionierte so: Wenn sich zwei von ihnen auf der Straße begegneten, öffneten sie ihre Säcke und unterhielWHQ VLFK HLQH 6WXQGH ODQJ ÄGDQQ SDFNWHQ VLH LKUH 8WHQVLOLHQ ZLHGHU HLQ KDOIHQ einander, ihre Bürde wieder auf den Rücken zu nehmen, und verabschiedeten VLFK³$XFKGLHVHV6SLHOIXQNWLRQLHUWZHQQGLH'LQJH]XHLQHP(OHPHQWGHVYRQ den Teilnehmern beherrschten Spiels geworden sind. Diese übernehmen in diesem Fall die sprachliche Funktion von Wörtern, und ihre Beziehung zu den Dingen, über die geredet wird, besteht darin und ist dergestalt geregelt, dass sie diesen in ihrem Aussehen gleichen oder ihnen zumindest ausreichend ähnlich sind. Auch diese Beziehung spielt sich im Rahmen der mit dem Spiel vorgegebenen Regeln ab. Leider brachte, wie von Gulliver berichtet wird, dieses Spiel die Unbequemlichkeit mit sich, dass jemand, dessen Angelegenheiten sehr umfangreich waren und von verschiedener Art, ein entsprechend größeres Bündel von Dingen auf dem Rücken tragen musste, falls er es sich nicht leisten konnte, mehrere DieQHUKLHUIU]XEHDXIWUDJHQÄ,FKKDEHRIWJHVHKHQZLH]ZHLGLHVHU:HLVHQXQWHU GHU/DVWLKUHU%QGHOIDVW]XVDPPHQEUDFKHQ³WHLOWGHUZHOWUHLVHQGH*XOOLYHUPLW ± Abgekürzt gesprochen: Das Verhältnis von Sprache und Welt wird ± was nicht ohne subjektphilosophische Problematik ist ± im Sprachspielnominalismus im Sprachspiel geregelt; es wird in ihm sozial festgelegt. Das vermeintlich repräsentationale Verhältnis zwischen Sprachsubjekten und Welt wird im Sprachspielnominalismus zu einem funktionalen, das von einer Sprachgemeinschaft selbst initiiert worden ist. Genau diese Sicht auf unser sprachliches Weltverhältnis erlaubt es Rorty, der Wittgensteins Sprachauffassung vollständig teilt, die Sprachphilosophie überhaupt von erkenntnistheoretischen Ansätzen zu entlasten, die nach der Übereinstimmung von Sprache und Welt von der Welt her fragen, die also einen Erkenntnisbegriff verlangen, mit dem erklärt werden soll, wie unsere Aussagen der wahren Welt entsprechen können. Stattdessen wird nun die Beziehung zwischen Sprache als einem Moment unserer Praxis und der übrigen Praxis und Wirklichkeit als eine kausale Beziehung beschrieben (so zum Beispiel, dass GHU1DPHÄEHLP=HLJHQDXIGDV%HQDQQWHDXsgesprocheQZLUG³RGHUÄGDV%LOGGHV%HQDQQWHQYRUGLH6HHOH³WULWW $OOHUGLQJV wird das kausale Weltverhältnis auf eine spezifische Weise verstanden, der im folgenden Kapitel noch weitere Erläuterungen zugedacht sind. Denn nicht aus den Augen zu verlieren ist die nominalistische Einsicht, dass wir nicht aus unserer Sprache heraus und zwischen sie und die Welt treten können, die Kausalitätsthese sich also kaum auf eine vorsprachliche und unbekannte Ursache unserer Benennung beziehen darf. Doch zunächst noch zu dem zweiten Aspekt des Rekurses auf Wittgenstein, zur Versprachlichung des begrifflichen Denkens und dessen Bedeutung für Rortys Nominalismus. Durch die oben dargestellte Versprachlichung wird es für eine nominalistische Sprachphilosophie konzeptionell überflüssig, über die Fähigkeit, an einem Sprachspiel teilnehmen, Sätze formulieren und sie mit anderen Sätzen

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rechtfertigen zu können, hinaus noch eine zusätzliche Fähigkeit begrifflicher wie mentaler Art zu erklären, kraft derer etwas repräsentiert oder medial erfasst wird, das den eigentlichen, den außersprachlichen Gehalt unseres Wissens ausmacht und in Form der Sprache lediglich kommuniziert wird. Es besteht kein theoretischer Anlass mehr zu problematisieren, wie ein mental repräsentierender Teil der Natur mit dem repräsentierten realen und essentiell anders verfassten anderen Teil, der res extensa, in Beziehung treten kann. Wenn das Verhältnis zwischen Sprache und Welt sich als ein kausales beschreiben lässt, so bleibt vor dem Hintergrund der Versprachlichung des Denkens nicht noch ein repräsentationales Verhältnis, das mental und medial wäre, übrig, das dem Denken im Unterschied zum Sprechen und also im Unterschied zum Gebrauch von Wörtern vorbehalten bliebe. (Die Frage, die in einer kritischen Untersuchung von Rortys Nominalismus gestellt werden muss, ob nämlich dem Denken in Sprache, wenngleich diese kein Medium ist, nicht dennoch ein rezeptives Moment nicht nur neben, sondern untrennbar von der rein diskursiven Fähigkeit innewohnt, soll an dieser Stelle noch dahingestellt bleiben. Die Auseinandersetzung mit dieser Problematik wird im Schlusskapitel dieser Untersuchung im Mittelpunkt stehen, wenn auch die Metakritik Adornos an der Erkenntnistheorie aufgearbeitet ist.) Weil nun aber kein Hiatus mehr besteht zwischen einem unsinnlichen Vorgang, verstanden als Denken in Begriffen, und einem sinnlichen, verstanden als das Sprechen und Schreiben einer Sprache, und weil in der Sprachpraxis das Verhältnis von Name und Benanntem unter empirischen und öffentlichen Bedingungen hergestellt wird, lässt sich das Weltverhältnis in epistemischer Hinsicht und vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Erkenntnistheorie insgesamt naturalisieren. Die Beschreibung der erkenntnisrelationalen Beziehung zur Wirklichkeit als eine repräsentationale wird vollständig durch das Modell einer Kausalbeziehung ersetzt. Dazu braucht Rorty keinen eliminativen Materialismus oder einen reduktiven Naturalismus zu vertreten, der immaterielle Vorgänge auf rein materielle oder physiologische Mechanismen zurückführt. Schon die Vorstellung, Denken sei seinem Wesen nach immateriell und das Sprechen als empirischer Vorgang seinem Wesen nach materiell, setzt bereits den Rahmen voraus, innerhalb dessen sich der Pragmatismus, wie bereits ausgeführt wurde, gar nicht mehr zu bewegen gedenkt, nämlich den metaphysischen der Unterscheidung einer äußeren und einer immanenten Natur. 43 9HUZRUIHQ ZLUG YRQ 5RUW\ ÄMHGH 2QWROR43 In diesem Zusammenhang ist folgende Passage aus Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen aufschlussreich (Nr. 316, S.   Ä8P EHU GLH %HGHXWXQJ des :RUWHVÃGHQNHQµNODU]XZHUGHQVFKDXHQZLUXQVVHOEVWEHLP'HQNHQ]X:DVZLU da beobachten, werde das sein, was das Wort bedeutet! ± Aber so wird dieser Begriff eben nicht gebraucht. (Es wäre ähnlich, wenn ich, ohne Kenntnis des Schachspiels, durch genaues Beobachten des letzten Zuges einer Schachpartie herausbrinJHQZROOWHZDVGDV:RUWÃPDWWVHW]HQµ EHGHXWHW ³± Was das Denken ist ± und dies ist eine abgewandelte Fassung der Erklärung dafür, warum wir in einem fabrikgroßen Gehirn keinen Gedanken antreffen würden ±, wird überhaupt nicht durch Beobachtung, also auch nicht durch die Selbstbeobachtung erkennbar, sondern nur

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JLHREUHGXNWLRQLVWLVFKHURGHUVRQVWLJHU$UW³ :) :LUGHQNHQin Sprache und unsere sprachlichen Äußerungen sind erst verständlich als Bestandteil der menschlichen Praxis in einer Welt, die zwar nicht immer und allerorts greifbar, aber doch als die durch unsere Praxis gestaltete Welt stets öffentlich zugänglich ist oder zumindest zugänglich sein könnte, in der unter anderem Verträge geschlossen werden, monetäre Transaktionen stattfinden, Kontinente täglich tausendfach überflogen werden und in der die Atmosphäre sich erwärmt und Menschen millionenfach hungern. Einer Welt, die nicht weniger enthält als all das, worüber wir reden, und nicht mehr als das, worüber jemals gesprochen werden kann.

durch den Vollzug des Verstehens von etwas, und hierfür bedarf es der Kenntnis des Kontextes, in dem dieser (Voll-)Zug möglich ist. Die Selbstbeobachtung eröffnet uns nicht, was die ÃNaturµ des Denkens ist, weshalb die Versuche zu erkennen, was Denken, das der res extensa entgegengesetzt sein soll, seiner Substanz und Beschaffenheit nach ist, stets zu so nichtssagenden Lösungen führen, wie dass es ein unkörperlicher Vorgang, etwas Immaterielles sei, etwas, das an sich unräumlich ist und dennoch im Kopf der Menschen stattfindet.

3. Natur ali stischer Spr achspi el nomi nal ismus

Ä>,@I*RGFDQEHcausa sui, ZK\VKRXOGQRWWKHZRUOGEH"³1 Wenn Rorty den von ihm vertretenen Naturalismus als strikte Gegenposition zur Metaphysik versteht, dann nimmt er die zentrale Gedankenfigur, die Idee des Unbedingten, durch welche andererseits die Metaphysik sich seit je vom Naturalismus absetzen wollte, als Bestätigung naturalistischen Denkens auf. Nicht zu entscheiden ist nämlich die Frage ± die sich zu Beginn des letzten Kapitels auf ähnliche Weise bereits im Hinblick auf die Beschreibung der Realität als Geist oder als Materie ergeben hatte ±, ob Naturalist und Theist von einem anderen totum reden oder dasselbe totum nur anders beschreiben. In jedem Fall jedoch muss eine Beschreibung alle Relationen, durch die es sich definiert, in diesem totum verorten, in dem alles bedingt sein muss. Daraus ergibt sich für Rorty die Definition des Naturalismus: Ä,VKDOOGHILQHÃQDWXUDOLVPµDVWKHYLHZWKDWanything might have been otherwise, that there can be no conditionless conditions. Naturalists believe that all explanation is causal explanation of the actual, and that there is no such thing as a noncausal condition of possibility.³2 In anderem Zusammenhang definiert Rorty den Naturalismus ausdrücklich ÄLP6LQQH der folgenden These: (a) Es gibt keinen Bewohner der Raum-Zeit, der nicht in einem einzigen Netz kausaler Beziehungen mit allen übrigen Bewohnern der RaumZeit verbunden wäre; (b) jede Erklärung des Verhaltens eines raum-zeitlichen Gegenstandes muß darin bestehen, daß man dem Gegenstand in diesem Netz seine Stelle zuweist >«@³ :)

Eine Erklärung besteht also nicht darin, dass ein Ereignis kausal auf ein Unbedingtes bezogen wird, das selbst nicht in diesem Netz lokalisierbar ist. Anders JHVDJW Ä(Lne kausale Erklärung der Beziehungen zwischen raumzeitlichen (UHLJQLVVHQEHGDUINHLQHV:LUNHQVQLFKWSK\VLNDOLVFKHU.UlIWH³ 3K. 178). 1 2

R. Rorty: Essays on Heidegger and others, S. 55. Ebd.

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Ich möchte an dieser Stelle keinen Diskurs eröffnen über eine Ontologie des Nichtsubstantiellen, sondern den Blick darauf richten, von welcher konzeptionellen Bedeutung der diesem Naturalismus inhärente Gedanke durchgängiger kausaler Bestimmtheit der Welt für Rortys Nominalismus ist. Was über sprachliche Bedeutung, den Sinn eines Satzes, die Rechtfertigung von Sätzen gesagt wurde, dass sie nämlich in der holistisch verstandenen Sprachspielpraxis sich inferentiell bestimmen, hat seine Entsprechung in einem Relationalismus, mit Rorty gesprochen Antiessentialismus, der seit je für den Pragmatismus von konzeptioneller Bedeutung gewesen ist. Nach diesem Relationalismus wird zur erkennbaren Natur, anders gesagt zu dem, worüber man überhaupt reden kann, nicht ein Etwas, das durch eine immanente Beschaffenheit seiner selbst bestimmt ist und nichtrelationale Merkmale aufweist, sondern etwas, das allein durch die Gesamtheit seiner Bezüge zu anderen Erscheinungen bestimmt werden kann, die ihrerseits den gleichen Bedingungen der Relationalität unterliegen. 3 Nach Rortys Vorschlag VROOWH PDQ DOOH *HJHQVWlQGH Ä7LVFKH 6WHUQH (OHNWURQHQ DNademische Fächer, soziale EinULFKWXQJHQ³ VRDXIIDVVHQ Äals ähnelten sie den Zahlen in der Hinsicht, daß es nichts über sie zu wissen gibt außer einem unendlich umfassenden und stets erweiterbaren Netz von Beziehungen zu anderen Gegenständen. Es hat keinen Sinn, Beziehungsglieder von Relationen zu verlangen, die ihrerseits keine Relationen sind, denn alles, was als Glied einer Beziehung dienen kann, läßt sich in eine weitere Menge von Relationen auflösen, und so geht es immer weiter. Es gibt ± ob nach unten oder nach draußen ± sozusagen in alle Richtungen Beziehungen; niemals wird man auf etwas stoßen, das nicht seinerseits bloß wieder eine 9HUNQSIXQJYRQ%H]LHKXQJHQLVW³ HE, 46)

Dieser Antiessentialismus respektive Relationalismus ist maßgeblich nicht nur für die Auffassung von Natur (als dem Netz kausaler Beziehungen), er betrifft DXFKGLH%H]LHKXQJGHU 6SUDFKEHQXW]HU]XU1DWXU'HU6SUDFKEHQXW]HUDOV Ä%ewohner der Raum-=HLW³ LVW HLQ (OHPHQW LQ HLQHP 5DXP-Zeit-Netz, und dieses Element lässt sich wiederum in epistemischer Hinsicht als ein Netzwerk aus Überzeugungen beschreiben. Er ist durch den Gebrauch der Sprache auf vielfältige Weise, kraft der im Sprachspiel aktivierten Verbindung zwischen Wörtern und den übrigen Erscheinungen der Welt, mit diesen Erscheinungen kausal verknüpft. Entsprechend dem von Rorty immer wieder betonten, im Rückgriff auf Wittgensteins Philosophische Untersuchungen unterstrichenen Werkzeugcharakter der gesprochenen und geschriebenen Sprache, die selbst ein reales Element der wahrnehmbaren Wirklichkeit ist, ja die nur einen Spezialfall von Werkzeugen darstellt (vgl. WF, 140), bringt der anhand des Sprachspiels beschriebene Ge3

Dieser Relationalismus und Antiessentialismus ist ein durchgehender Zug des Pragmatismus. Besonders ausgearbeitet findet er sich in J. Deweys Schrift Die Suche nach Gewißheit. Dewey verfolgt diesen Punkt bis hin zur physikalischen Relativitätstheorie (vgl. ebd., S. 148 ff.).

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brauch der Sprache ihren Benutzer in direkten Kontakt mit der Wirklichkeit. Letztere muss nicht mehr von einem Bewusstsein, das ein dieser Wirklichkeit gegenüber fundamental anderes, nicht in der Raum-Zeit verortbares Sein ist, repräsenWLHUWZHUGHQÄ'LH%H]LHKXQJ]ZLVFKHQ:HUN]HXJHQXQGGHPZDVPLWLKQHQ EHDUEHLWHW ZLUG LVW NHLQH %H]LHKXQJ GHU ÃhEHUHLQVWLmmungµ, sondern eine der Nützlichkeit für einen bestimmten Zweck. Eine Magensonde kommt der Natur GHV0HQVFKHQQLFKWQlKHUDOVHLQ6WHWKRVNRS³ HE, 61). Kausal ist die Beziehung von Sprache und Wirklichkeit in dem Sinne, dass ein Werkzeug in Letztere verändernd und zweckbezogen eingreift. Dieser kausale Kontakt von Sprache und Nichtsprache mittels beispielsweise schwingender Stimmbänder ist so direkt wie das Betätigen einer Türschelle, um Einlass zu bekommen, oder das, mit Rorty JHVSURFKHQ Ä7UHWHQ JHJHQHLQHQ)HOV³ PDJOHW]WHUHV%HLVSLHOGHV3UDJPDWisten auch nicht zu den alltäglichsten Verrichtungen gehören. Oder so direkt, um das Beispiel Wittgensteins zu gebrauchen, wie der Ausruf des Wortes ÃPlatteµ durch A und der sich daran anschließenden realen Handlung des Gesellen, der A einen so bezeichneten Gegenstand bringt. Vor diesem gesamten, sprachspielnominalistischen Hintergrund vermag Rorty nicht die über den inferentialistischen Wissensbegriff aufkommende Sorge seiner Kritiker ± vor allem die von McDowell ± ]X WHLOHQ GLH GDULQ EHVWHKW ÄGD‰ GHU Geist den Kontakt mit dem Rest der Wirklichkeit verliert und nicht mehr in der /DJHLVW]XHLQHP:LVVHQ YRQLKU]X JHODQJHQ³ 4 Als leibhafte Personen stehen ZLU ÄVWlQGLJ LQ :HFKVHOZLUNXQJ PLW 'LQJHQ ZLH PLW 3HUsonen, und eine der Möglichkeiten der Interaktionen mit beiden besteht darin, daß sie auf unsere SinQHVRUJDQHXQGVRQVWLJH7HLOHXQVHUHU.|USHUHLQZLUNHQ³ WF, 204). Eine weitere Möglichkeit der Interaktion wird mit dem Sprachgebrauch eröffnet: Dieser aber läuft nicht etwa ± wie gezeigt wurde ± neben dem Denken, neben dem, was ÃJHLsWLJµ LVW KHU (V EUDXFKW DOVR NHLQH 6RUJH EHU HLQH GURKHQGH .Rntaktarmut des Geistes zu bestehen, solange die Sprache funktioniert. Was freilich von Rorty entschieden bestritten wird, ist dies, dass der Gehalt des Begrifflichen auf das Einwirken der Welt auf die rezeptiven Fähigkeiten der Subjekte zurückgeht (ein von der klassischen Empirismuskritik des Rationalismus übrigens nicht grundverschiedener Einwand). In Anlehnung an Wittgenstein geht Rorty von der These DXVÄ(LQHEHJULIIOLFKH)lKLJNHLWEHVLW]HQKHL‰WQLFKWVDQGHUHVDOVHLQ:RUWYHrZHQGHQN|QQHQ³ WF, 215). Dem widerspricht McDowell noch nicht. Drastisch und eindeutig formuliert Rorty aber alsdann seine weitergehende inferentialistische Position, mit welcher er sich mit Davidson, Sellars und Brandom einig ZHL‰GLHZLHHUDOVÄJXWH,QIHUHQWLDOLVWHQXQG3DQUHODWLRQDOLsten glauben [...], um Inhalt zu haben, brauche ein Begriff nichts weiter, als daß das entsprechende Wort DOV .QRWHQ HLQHV )ROJHUXQJVPXVWHUV IXQJLHUW³ WF, 217). Damit vertritt 5RUW\HEHQVRZLH %UDQGRPGDVZDVGLHVHUDOVHLQHQ ÄVWDUNHQ ,QIeUHQWLDOLVPXV³ 4

J. McDowell: Geist und Welt, S. 13.

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bezeichnet. Für diesen Inferentialismus ist die inferentielle Gliederung unserer Begriffe und Aussagen, mit denen wir uns auf Nichtsprachliches beziehen, hinreichend GDIU *HKDOW ]X KDEHQ ZlKUHQG LQ HLQHP ÄVFKZDFKHQ ,QIHUHQWLDOLsPXV³GLHLQIHUHQWLHOOH*OLHGHUXQJQXUHLQnotwendiges Element des begrifflichen Gehaltes darstellt.5 Wenn Brandom seinen starken Inferentialismus wiederum YRQ HLQHP Ä+\SHULQIHUHQWLDOLVPXV³ DEJUHQ]W GDQQ OLHJW GLH 3RLQWH GLHVHU $bgrenzung darin, dass der Hyperinferentialismus das Inferentielle gegenüber dem Referentiellen isoliert, jegliche Verbindung zu ihm kappt, während der starke Inferentialismus die Rolle der Referenz anerkennt ± anerkennt aber unter den Bedingungen der inferentiellen Gliederung. Der Referenz selbst kommt, sowie wir über sie reden und sie in Begründungszusammenhänge einbinden, wogegen der starke Inferentialismus nichts einzuwenden hat, der auf diese Weise unsere Überzeugungen über die Referenz in der Welt verankert, inferentieller Gehalt zu. Das Inferentielle übergreift gleichsam das Referentielle, doch bildet Letzteres nach wie vor nicht den begrifflichen Gehalt. (Eine epistemologische Figur, die dem absoluten Idealismus nicht völlig unähnlich ist, bei dem der Gegenstandsbezug selbst, weil seinerseits begrifflich bestimmbar, ganz der begrifflichen Sphäre zugeschlagen wird.) Für die inferentialistische Theorie bedeuWHWGLHVÄHVZLUGHLQH Analyse von referentiellen Relationen zu Gegenständen in Begriffen von letzten Endes inferentiellen 5HODWLRQHQ]ZLVFKHQ%HKDXSWXQJHQJHOLHIHUW³ 6. Das aber bedeutet, dass eine Referenz nur als ÃHLQJHJOLHGHUWHµ GHQ ÃJHLVWLJHQµ .RQWDNW mit der Welt gewährleistet, niemals von sich aus. Wer einen Schneemann wahrnimmt, auf ihn mit seinen Sinnen reagiert, ohne eine Aussage über diese Wahrnehmung formulieren und ihr die Rolle einer Prämisse oder Konklusion in Inferenzen verleihen zu können, ohne auch etwa gegebenenfalls Gründe angeben zu können, warum er seine Wahrnehmung für verlässlich hält, der reagiert auf etwas, aber er weiß von nichts.7 Wenn im Zusammenhang mit der Einführung in den Sprachspielnominalismus bereits erläutert wurde, inwiefern die Verbindung von Sprache und Welt eine sprachspielinterne Leistung darstellt, so kann hiermit auch klar werden, dass eine Referenz nur als in Inferenzen eingegliederte überhaupt ihre Rolle als Referenz spielen kann. Wenngleich also die Welt auf unsere Sinne einwirkt, so ist diese Einwirkung doch keine auf unsere begrifflichen Fähigkeiten in der Weise, dass sie in irgendeiner Weise den Begriffen erst deren Inhalt verschafft. Hier beginnt die Kontroverse und die Befürchtung McDowells, das begriffliche Denken bleibe am Ende hermetisch bei sich selbst, stammt sein Inhalt nach Auskunft der Inferentialisten doch ausdrücklich nicht aus der sinnlichen Erfahrung, die Menschen von der Welt haben. In Anlehnung an Kants Diktum, dass Begriffe ohne Anschauung leer und Anschauungen ohne Begriffe blind seien,

5 6 7

Vgl. R. Brandom: Begründen und Begreifen, S. 45. Ebd., S. 44 Ebd., S. 149 ff.

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sind nach McDowells Einschätzung die rezeptiven Fähigkeiten der Subjekte von den von ihnen in einer Sprachgemeinschaft sozialisatorisch als zweite Natur erworbenen begrifflichen Fähigkeiten gewissermaßen infiltriert. Auf diese Weise soll die These von der Untrennbarkeit von Anschauung und Begriff in der Erfahrung ernst genommen werden, und zwar mit dem Resultat, dass ± so könnte man sagen ± die Anschauung, die als nur begriffslose Ãblindµ ist, durch ihr Einschließen begrifflicher, wenngleich noch nicht diskursiver Fähigkeiten nun zu einer Ãsehendenµ Anschauung wird. Damit wäre genau jenes adäquationstheoretische Erkenntnisverhältnis zur Welt gerettet, das zu einem Wahrheitsbegriff gehört, der über den Begriff der Rechtfertigung hinausgeht. (Kant, um dies en passant kritisch anzumerken, versucht immerhin im Schematismuskapitel der Kritik der reinen Vernunft den Zusammenhang von Anschauung und Begriff über die allgemeine These ihres wechselseitigen Verwiesenseins hinaus am Leitfaden ihrer zeitlich homologen Strukturen aufzuzeigen. 8 Ein ähnlicher Versuch, über die These in ihrer Allgemeinheit hinauszugelangen, findet sich bei McDowell nicht.) Aufgrund der von McDowell beschriebenen spezifischen Beschaffenheit unserer Rezeptivität haben wir aus seiner Sicht als rationale, begrifflich denkende Wesen auch ein rationales und nicht allein kausales Verhältnis zur Natur. Und nun kann sich die Natur über ihr Einwirken auf die dem Menschen eigene Rezeptivität als eine solche, in der bereits begriffliche Operationen virulent sind, die nicht erst in der Bildung von Urteilen bestehen, in ihrer eigenen begriffsadäquaten Beschaffenheit bemerkbar machen. Anders gesagt: Die begriffskonforme Natur findet auf rezeptivem Wege Eingang in das begriffliche Denken, das nun nicht mehr leer zu sein braucht. Der Gehalt der Begriffe läge also mitnichten in einem inferentiell bestimmten Wortgebrauch, nicht in jenem diskursiv gebildeten ÃKnotenµ, der von einem Wort gebildet wird. Der Natur kann dank jener der Rezeptivität immanenten begrifflichen Operationen zur Sprache verholfen werden.9 Aus der 8 9

Vgl. I. Kant: Kritik der reinen Vernunft, darin: Von dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe. McDowell formuliert seine in Geist und Welt vielfach variierte Generalthese zum Beispiel folgendermaßen: Ä%HJULIIOLFKH )lKLJNHLWHQGHUHQ%H]LHKXQJHQ LQGHQ Oogischen Raum der Gründe sui generis gehören, kommen nicht nur in Urteilen ± Ergebnissen aktiver Entscheidungsprozesse seitens der Subjekte ± zur Anwendung, sondern bereits in den natürlichen Vorgängen, die durch die Einwirkung der Welt auf die rezeptiven Fähigkeiten geeigneter Subjekte zustande kommen, d.h. auf solche Subjekte, die die entsprechenden Begriffe besitzen. Eindrücke können Fälle sein, wo es einem Subjekt in der Wahrnehmung so erscheint ± wo es ihm offenkundig ist ±, daß die Dinge so und so sind. Indem ein Subjekt Eindrücke erhält, kann ihm erschlossen sein, wie die Dinge offenkundig sind. Das führt zu einer zufriedenstellenden Erläuterung der Tatsache, daß Einstellungen gegenüber der Welt verantwortlich sind, indem sie geJHQEHUGHU(UIDKUXQJYHUDQWZRUWOLFKVLQG³ 6 ± Ich meine, dass Rorty gegenüber diesem Ansatz die besser begründete Position vertritt. Und er könnte gegen McDowell auch ein anderes Argument vorbringen als die an Ort und Stelle (WF, 201 ff.) formulierten Argumente. In McDowells zitierter Wendung Einwirkung der Welt auf die rezeptiven Fähigkeiten geeigneter Subjekte

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Sicht Rortys zeigt ein solcher Ansatz seine Schwächen in McDowells fast notgedrungen anthropomorphisierender Beschreibung der epistemischen Funktion der Natur, Crux der wiederbelebten Vorstellung von der Wahrheit als Übereinstimmung: besteht deren Eignung für die Einwirkung darin, dass sie Begriffe besitzen, also eine weitere Fähigkeit aufweisen, eben die des Begriffsgebrauchs. Also lässt sich die These ohne explanatorische Einbußen auf die Wendung bringen: Einwirkung der Welt (über die Rezeptivität) auf die erworbenen begrifflichen Fähigkeiten. Wie die sinnliche Welt auch direkt auf die begrifflichen Fähigkeiten sollte einwirken können, wenn Begriffe erst einmal von den rezeptiven Fähigkeiten unterschieden werden, ihnen also selbst kein rezeptives Moment zukommt, wäre ohnehin schleierhaft. Die Sinnlichkeit ist hier nur konzeptionell eingesetztes Durchgangsmoment, um den Hiatus loszuwerden zwischen Geist und Natur und den Empirismus nicht einer Art von Phänomenologie preiszugeben, die erst gar nicht durch die Sinnlichkeit kürzen muss, weil sie gleich zur geistigen Anschauung übergeht. Wenn auch nicht die erste Natur die begrifflichen Fähigkeiten verursacht hat, sondern auf die als zweite Natur erworbenen begrifflichen Fähigkeiten einwirkt, so ist doch nicht zu sehen, warum dieses Einwirken ein rationales statt ein kausales Verhältnis darstellen soll, nur weil es letztlich statt Einwirken auf unsere Sinnlichkeit jetzt Einwirken auf unsere rationalen Fähigkeiten als die des Begriffsgebrauchs vermittelt über die Sinnlichkeit ist, was doch die kategoriale Beschreibung nach dem Ursache-Wirkung-Verhältnis selbst gar nicht tangiert. Nur weil etwas auf rationale Wesen statt auf vernunftlose einwirkt, wird das Wirkungsverhältnis nicht schon selbst zu einem rationalen im Unterschied zu einem kausalen. Was aber vielmehr und ironischerweise gerade gegen den rationalen Charakter dieses von McDowell stark gemachten Verhältnisses spricht, ist dies, dass die Wirkungsweise eines Außerbegrifflichen auf davon unterschiedene begriffliche Fähigkeiten vom Standpunkt des begrifflichen Denkens aus gesehen als des Adressaten der Wirkung völlig im Dunkeln bleiben muss, weil dieses Außerbegriffliche nicht schon vor dem begrifflichen Erkennen als Verursacher der Wirkung erkannt werden kann. Wäre es anders und wäre es schon als selbst begrifflich Bestimmtes erkannt, so würden wir uns bereits auf dem Boden des Inferentialismus befinden und Begriffe aufeinander beziehen. Wenn entgegen diesem empiristischen Ansatz aber von vornherein Begriffe auf Begriffe, Sätze auf Sätze bezogen werden, so sind in diesem diskursiven Bezug tatsächlich alle Bezugsmomente verstehbar und erkennbar, insofern kann man einen diskursiven Zusammenhang auch als einen rationalen, weil selbst rational nachvollziehbaren Zusammenhang im Unterschied zu einem kausalen solcher Art verstehen, von dem wir nur die Wirkung kennen und uns die Ursache hinzudenken müssen. ± Freilich, gegen die oben formulierte Kritik ließe sich die Lesart einwenden, welche betont, dass es McDowell um eine begriffliche Aktivität geht, die in der Sinnlichkeit zum Zuge kommt, allein aber diese Sinnlichkeit Adressat der Wirkung der sinnlichen Welt ist, während die autonom begriffliche Tätigkeit in der bewirkten Sinnlichkeit vor sich geht. Doch läuft dieses Modell genauer betrachtet darauf hinaus, dass die sinnliche Wahrnehmung bereits begrifflich vorgeprägt und damit selbst Resultat zweiter Natur ist, die mit der ersten als der die Sinne affizierenden Natur in Kontakt tritt. Der Schritt bis zur Neuauflage der Vorstellung von einem Begriffsschema, durch das wir uns die Welt aneignen, ist nicht allzu weit und damit ein Skeptizismus in greifbarer Nähe, der die Frage aufwirft, ob nicht das, was wir in der Welt objektiv zu erkennen meinen, dem unterliegt, was mit dem Erwerb einer zweiten Natur ± wenn diese Natur keinen tieferen erkenntnisteleologischen Plan erfüllt ± aus uns geworden ist und nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort aus uns hätte werden müssen.

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Ä0F'RZHOOLVW]ZDUHEHQIDOOVGHU0HLQXQJGD‰6WHLQHXQG%lXPHQLFKWVSUHFKHQDEHU er glaubt auch, daß sie uns nicht bloß dazu veranlassen, Urteile zu fällen. Er begreift eine wahrnehmbare Erscheinung als eine von der Welt ausgehende Aufforderung zu einem Urteil ± sie selbst ist zwar noch kein Urteil, aber sie hat immerhin schon die begriffliche Form eines Urteils. Steine und Bäume offerieren uns also Gründe für Überzeugungen, indem sie sozusagen bei unserer Fähigkeit zum Gebrauch von Wörtern eine Anleihe machen ± bei einer Fähigkeit, die ihnen nicht zu Gebote stand, ehe die Menschen eine Sprache ausbildeten >«@³ WF, 215)

McDowell sieht auf der einen Seite die Gefahr, den durch Kant etablierten Begriff eines freien und autonom erkennenden Subjekts einem Naturalismus zu opfern, der auf den frühen Empirismus zu regredieren scheint, welcher die Rechtfertigung von Wissen mit der Verursachung von Wissen verwechselt und in dieser Weise das begriffliche Denken dem Naturdeterminismus einverleibt. Gleichwohl kommt der begrifflichen Tätigkeit nicht nur bei Kant, sondern auch im Sprachspielkonzept Autonomie gegenüber der empirischen Natur zu. Deshalb wird zunächst die Gebrauchstheorie der Bedeutung vom empiristischen Ansatz McDowells nicht abgelehnt. Mit dem Inferentialismus aber sieht er auf der anderen Seite diese Autonomie, die epistemologisch gesehen in eine pathische Gleichgültigkeit gegenüber der Natur zu führen scheint, dann doch zu weit getrieben. Verloren geht die Frage der Angemessenheit der Urteile an die Welt, es verschwindet die Kontrolle, welche die Erfahrung von der Welt über unser Urteilen ausüben soll. McDowell versucht nun ein aristotelisches Modell zu konstruieren, nämlich das der zweiten Natur, das Autonomie und Kontrolle integrieren kann. Soweit wir durch die Sozialisation in einer Sprachgemeinschaft die autonome Fähigkeit begrifflichen Urteilens erwerben, sind unsere Begriffe und begrifflichen Urteile nicht durch die (erste) Natur verursacht. Darin besteht McDowells Hauptargumentation gegen den Naturalismus. Wir haben uns mit der Fähigkeit zum Begriffsgebrauch eine zweite Natur, eine zweite natürliche Fähigkeit zugelegt, die ± so ließe sich diese Fähigkeit interpretieren ± als intellektualisierte Rezeptivität uns den nichtinferentiellen Gehalt unseres Wissens sichert. Diese spezielle Art der Rezeptivität ist es, durch welche der ersten Natur, die auf die Rezeptivität einwirkt, die Kontrolle über das Urteilen ermöglicht wird. Wenn aber die Natur qua Erfahrung Kontrolle über das begriffliche Denken erhält, so ist ± was auf den ersten Blick durchaus nicht der Fall zu sein scheint, denn es ist ja die Natur, die kontrolliert ± darin theoretisch der Primat des Begriffs verhüllt und schließlich jener der begriffsgebrauchenden Subjekte, weil der ganze Vorgang nur funktioniert, wenn die Natur an sich mit unseren Begriffen konform ist. Es ist in diesem Modell ja keinesfalls so, dass unsere Begriffe durch die Rezeptivität korrigiert oder durch sie geprägt würden, sondern sie kommen in ihr intuitiv und latent zur Anwendung; sie haben noch nicht die Form bewusster Tätigkeit. Die begrifflichen Tätigkeiten müssen in Bezug auf die Rezeptivität strukturierend und synthetisierend, sie müssen formierend sein, so dass durch die be-

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grifflich präformierte Rezeptivität der Kontakt zur Welt so hergestellt werden kann, dass deren Begriffsentsprechung über die Sinne dem Erkenntnissubjekt sich mitteilt. Kein bloßer Scherz ist es, sondern ein unwillentlicher Hinweis darauf, dass der Primat des Erkenntnissubjekts verhohlen zur Geltung kommt, wenn Rorty oben bemerkt, nach McDowell würden Steine und Bäume bei uns Anleihen machen ± ÄEHL HLQHU )lKLJNHLW GLH LKQHQ VHOEVW QLFKW ]X *HERWH VWDQG HKH GLH MenschHQHLQH6SUDFKHDXVELOGHWHQ³± Die Frage ist zu stellen, was mit der These, dass Natur nicht allein auf unser perzeptives Reaktionsvermögen, sondern auf unsere begrifflich präformierte Rezeptivität einwirkt, für einen empiristischen Erkenntnis- und Wahrheitsbegriff und gegen den Inferentialismus eigentlich gewonnen ist? Gewonnen wäre nur dann etwas, wenn aus diesem Umstand hervorgehen könnte, dass die Natur als die eine Seite in der Erkenntnisrelation selbst begriffs- und urteilsadäquat beschaffen ist und es deshalb beim begrifflichen Urteilen ± wie es der adäquationstheoretische Wahrheitsbegriff erfordert ± zur adaequatio rei et intellectus kommen kann. Es wäre, anders gesagt, dann erst wirklich etwas gegenüber dem reinen Inferentialismus gewonnen, wenn mit der rationalistischen Aufwertung der Rezeptivität zugleich mehr als wieder nur ein internalistischer Wahrheitsbegriff herausspringen würde, bei dem das zu Erkennende das nach dem Maß des Erkennenden bereits Zugeschnittene ist. Das ist aber nicht der Fall. Wer wollte zum Beispiel darin, dass wir die Welt durch eine rote Brille sehen, die wir uns selbst auf unsere Nase gesetzt haben, die Gewähr finden, dass nun äquivalent hierzu die Natur auch in ihrer Röte auf uns einwirken kann und dann ± tatsächlich ± auch mit rötlichen Strahlen auf die Sehorgane trifft, so dass wir verantwortlicherweise nicht mehr von einer anderen Farbe als der roten sprechen sollten? Alles, was auf die oben beschriebene Weise gezeigt werden kann, besteht darin, dass wir uns als denkende Wesen die Natur auf unsere, das heißt auf eine autonom begriffliche Weise aneignen können und dass sie umgekehrt uns ± mit Rorty gesprochen ± zu bestimmten Urteilen veranlassen kann. Anders noch gesagt: Gezeigt werden kann, dass Naturerscheinungen sich in eine Sprachspielpraxis integrieren lassen und integriert sind. Das muss noch keineswegs bedeuten, dass Natur damit ihre Eigenständigkeit verliert; die Menschen haben in ihrer Praxis lediglich mit der Natur umzugehen gelernt. Mehr behauptet zunächst auch der Inferentialismus gar nicht, sieht sich aber keineswegs dazu veranlasst, hierüber hinaus nach dem zu fragen, worauf jene von McDowell eingeklagte rationale Kontrolle in letzter Instanz geht, nach der Möglichkeit nämlich der Entsprechung zwischen einer ersten Natur vor ihrem begrifflichen Bestimmtwerden in Urteilen und dem begrifflichen Denken als einer erworbenen zweiten Natur. Erkenntnistheoretische Modelle, die dem Empirismus unter den Bedingungen eines adäquations- oder korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriffs treu bleiben, sind vor ein unlösbares Problem gestellt, auch wenn sie unter rationalistischen und sprachphilosophischen Voraussetzungen argumentieren und längst

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nicht mehr dem Mythos eines sinnlich unmittelbar Gegebenen als des Fundaments der Erkenntnis verhaftet sind. (Von diesem Mythos hat sich übrigens nicht erst eine hegelianische Philosophie verabschiedet, sondern bereits die konstitutionstheoretische Kants.) Sie müssen nämlich das empirische Äquivalent des Begriffs, das als erste Natur von ihm unterschieden wird und das zugleich seinen (nichtbegrifflichen) Inhalt bilden soll, als ein Sein behaupten, das gegenüber dem Begriff zuerst da ist und als Vorbegriffliches den Begriff mit aus den Sinnen stammendem Inhalt erfüllt, andernfalls der Begriff ± entgegen dem Begriffsverständnis der rationalistischen Metaphysik ± Ãleerµ bliebe. Das Andere des Begriffs, als Vorbegriffliches in Bezug auf ihn, ist gegenüber dem Begriff im (ontologischen) Sinne des Empirismus das Erste und Fundamentale. Daran ändert auch die soziale Genese des Begriffsgebrauchs, seine Beschreibung als zweite Natur sui generis gegenüber der ersten Natur und damit seine relative Autonomie nichts, wie sie ein gemäßigter Rationalismus in Anspruch nimmt. Diese Autonomie soll an dem nicht sozial generierten, empirischen Inhalt ja gerade ihre Grenze haben, der zugleich als das dem Begriff vorausliegende Nichtbegriffliche sein Begriffsein in vollem Umfang erst begründet. Soll über das Verhältnis zwischen Begriff und dessen empirischem Äquivalent in der Anschauung nun aber mehr gesagt werden, als dass ein entsprechender Begriff auf ein Angeschautes im Hinblick auf das Funktionieren der menschlichen Praxis, in welcher er sich bestimmt, erfolgreich applizierbar ist; mehr, als dass ± wie auch der Inferentialismus zugeben kann ± er zum Angeschauten passt: Soll nämlich hierüber hinaus das empirisch-sinnliche Äquivalent einen je konkreten Begriff seinem Inhalt nach objektiv begründen, so ist, um dieses Abhängigkeitsverhältnis zu erkennen, erfordert, nicht nur zwischen Begriff und das, was nicht Begriff ist, zu treten, sondern erkennenderweise hinter den gebildeten Begriff zurückzutreten, um das zu erkennen, wovon wir noch keinen Begriff haben, und zwar als dasjenige, durch dessen Anschauung wir alsdann einen Begriff auf nicht kontingente Weise haben werden. Man muss also von einer Erscheinung zeigen, dass sie vor dem Begriff ÃSonneµ schon eine bestimmungs- und begriffsäquivalente Beschaffenheit aufweist, die ihr durch den sie als Sonne bestimmenden Begriffsgebrauch in Urteilen dann explizit zugesprochen wird, wie etwa viereinhalb Milliarden Jahre alt zu sein und aus Wasserstoff und Helium zu bestehen. ± Andernfalls müsste von vornherein das sinnlich Angeschaute, weil es in sich durch und durch immer schon begrifflich bestimmt wäre, der Sphäre des Begriffs zugerechnet werden, so dass wir in unserer Fragestellung erst gar nicht zu einem Anderen des Begriffs als dessen sinnlich fundierendem Äquivalent gelangen. Der metaphysische und strikte Rationalismus hat denn auch von vornherein den Begriff ohne Abstriche als im sinnlich Angeschauten objektiv und essentiell enthalten gedacht, damit der nichtdiskursive Erkenntnisbegriff nicht inkonsistent wird und man erst gar nicht danach zu fragen genötigt ist, wie man von (a) zu (b): von einer sinnlichen und begrifflich noch unbestimmten Erscheinung ausgehend zu dem begrifflichen Urteil, sie sei ein ÃBaumµ, gelangt, ohne schon über den Begriff als einen qua An-

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schauung bereits verinhaltlichten Begriff zu verfügen. 10 Eine problematische Antwort darauf, wie man von (a) zu (b) gelangt, ist die anthropomorphisierende dadurch, dass uns eine Erscheinung ein Urteil Ãofferiertµ, es von uns als rationalen Wesen erwartet. Eine andere, wenn je ernst genommene Antwort bestünde in einer paramechanischen Erklärung, wonach das nicht begriffliche Sinnesmaterial die Bildung eines Begriffs und eines begrifflichen Urteils bei einem Verstandeswesen verursacht. Abenteuerlich wäre ebenso die Vorstellung, die Wirklichkeit würde durch ihr Angeschautwerden die Bildung sprachlicher Zeichen bewirken. Derartige Erklärungsmodelle müssen zirkulär bleiben, denn das Material als die Begriffsbildung verursachend ist je bereits vom bestimmten Begriff her als dessen Material bestimmt und ohne ihn überhaupt kein Objekt der Erkenntnis, über das sich eine Kausalaussage machen ließe. Und nun noch einmal zurück zur weiteren Erörterung der These Rortys, dass in epistemologisch folgenreicher Hinsicht unser sprachliches Weltverhältnis kausaler Art ist. Es wurde in der Darstellung des Sprachspielnominalismus herausgestellt, dass das Verhältnis von Sprache und Welt in der Realität des Sprachspiels als sich je nach Spiel spezifizierende, offen zutage liegende Verbindung von Name und Benanntem manifest ist. Wie ebenso unterstrichen wurde, bezieht sich die Rede vom Werkzeugcharakter der Sprache auf deren zweckmäßigen Gebrauch als reales Element in der kausalen Interaktion der Sprecher mit ihrer Umwelt und mit anderen Sprechern. Dennoch bedarf es der weiteren Spezifizierung jener Kausalitätsthese, weil sich gezeigt hat, dass bezüglich Rortys Nominalismus Ãkausalµ natürlich nicht heißen kann, dass die Benennung von etwas und vor allem dass der begriffliche Gehalt eines Wortes durch die Natur oder durch das, was an der Natur benannt wird, verursacht ist. Die Benennung findet nämlich, wie gesagt, im Rahmen eines Sprachspiels statt. Eine Holzfigur, egal wie lange und wie genau man sie mit allen rezeptiven Fähigkeiten im Blick hat und mit anderen Holzgegenständen vergleicht, kann per se nicht die Benennung ÃKö10 Vgl. hierzu etwa Spinoza: Ein emphatischer, eng an der perzeptuellen Metaphorik angelehnter Erkenntnisbegriff muss den Begriff als einen dem Angeschauten immanenten Begriff verstehen, was dann genau die objektive Geltung des Begriffs garantiert; andernfalls müsste erklärbar sein, wie es von der Anschauung zu dem kommt, was als begriffliche Bestimmung in ihr nicht enthalten ist und also ihr nur aufgeprägt wäre, mit ihr aber wiederum dergestalt übereinstimmen soll, dass das begriffliche Denken am Angeschauten seine externe Kontrolle, seinen Wahrheitsmaßstab hat, der ± was gerade der Empirismus fordern muss ± nicht in das begriffliche Denken selbst fallen soll. ± Ä'HQQ ZDV LPPHU ZLU DOV LQ GHQ 2EMHNWHQ YRQ ,GHHQHQWKDOWHQZDKUQHKPHQLVWLQGLHVHQ,GHHQVHOEVWREMHNWLY³,QGHUKLHUDXIIRlgenden DefiQLWLRQIlKUW6SLQR]DIRUWÄ9RQGHPVR(QWKDOWHQHQVDJWPDQGDß es an sich in den Objekten von Ideen ist, wenn es so in ihnen ist, wie wir es wahrnehmen, und daß es dort in eminenter Weise ist, wenn es in ihnen nicht so ist, aber doch in HLQHP VR KRKHQ 0D‰ GD‰ HV VWHOOYHUWUHWHQG GDIU DXIWUHWHQ NDQQ³ 6SLQR]D 'HscDUWHV¶ Prinzipien der Philosophie in geometrischer Weise dargestellt, Teil I, Def. IV.)

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nigµ verursachen, denn diese Benennung ist immer schon und erst im Rahmen eines Schachspiels geregelt. Fraglos bedarf es der Rezeptivität, um einen ÃBauernµ nicht mit einer ÃDameµ zu verwechseln. In diesem Sinne muss unser Wortgebrauch mit rezeptiven Fähigkeiten verbunden sein; vorausgesetzt werden muss, DQGHUVJHVDJWÄXQVHUHYHUOl‰OLFKH'LVSRVLWLRQ>«@, auf Reize unterscheidend zu UHDJLHUHQ³11. Rorty sieht in Übereinstimmung mit Sellars in dieser Fähigkeit diskriminativen Verhaltens aber nicht mehr als eine kausale Vorbedingung unseres sprachlichen Weltverhältnisses (vgl. SN, 204). Zu ihr könnte man ebenso die Fähigkeit zählen, die Stimmbänder differenziert zu benutzen; niemand würde jedoch auf die Idee kommen, in der Stimmbänderanatomie den Schlüssel zur Bildung sinnvoller Sätze zu suchen. ÃKausalµ kann zudem auch nicht heißen, es gäbe, um die kausale Relation zu erkennen, eine Möglichkeit, zwischen Sprache beziehungsweise Sprachspiel und unbenannte Realität (ganz gleich, ob eine Realität im oder außerhalb des Bewusstseins) zu treten. Auch diese Möglichkeit bestreitet Rorty. Wie bereits ausgiebig dargestellt, stützt er hierauf nichts Geringeres als seine Kritik am adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff. Über die Unmöglichkeit hinaus, zwischen Sprache und Welt zu treten, verhält sich für den Inferentialisten der soziale Raum der Gründe ± und das heißt der sozialen Praktiken der Rechtfertigung ± ohne Einschränkung autonom gegenüber dem natürlichen Raum der Ursachen (oder wie es in der Debatte zwischen Rorty und McDowell im Anschluss an Sellars heißt: der logische Raum der Gründe gegenüber dem logischen Raum der Gesetze.) Unser holistisches Wissen als Netzwerk von Überzeugungen, das Netz inferentieller Bezüge, das nach Auskunft der Inferentialisten allein den Inhalt eines Wortes als Element in diesem Netz ausmacht und in dem ein Satz durch einen anderen Satz und nicht durch den direkten Kontakt mit der Wirklichkeit gerechtfertigt wird, wird von Rorty strikt unterschieden von dem Netz kausaler Bezüge, in dem ein jedes durch ein anderes bewirkt wird und auf anderes einwirkt; oder anders gesprochen: in dem ein jedes seine eigene, unverwechselbare Position in einem raumzeitlichen Nexus hat. Hinsichtlich ihrer sozialen Akzeptabilität begründen wir unsere Aussagen, verursachen können wir sie allenfalls mit unseren Stimmbändern, oder wir können gegebenenfalls akute Kopfschmerzen als Ursache dafür anführen, dass wir unsere Aussagen nicht begründen. Die Autonomie des sozialen Raums der Gründe liefert Rorty ein wichtiges Argument dafür, die Konzeption einer Theorie der Erkenntnis für überholt zu halten, die über den diskursiven Zusammenhang des Wissens hinaus zu einem nichtdiskursiven Erkenntnisfundament im Bewusstsein oder in der Welt gelangen möchte, oder zu einem Außerdiskursiven, das unsere Wissensansprüche, die wir in Sätzen formulieren, verursacht. Die Hauptschwäche der empiristischen Erkenntnistheorie seit Locke sieht Rorty ± wie gesagt ± in der Kontamination der 11 Vgl. R. Brandom: Begründung und Begreifen, S. 143.

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Rechtfertigung von Wissensansprüchen mit ihrer Verursachung (vgl. SN, Kap. III.2). Und auch die erkenntnistheoretische Fragestellung Kants führt trotz der Idee des autonomen Intellekts noch nicht zum autonomen sozialen Raum der Rechtfertigung. Denn gefragt wird nach deU 9HUELQGXQJ YRQ Ä]ZHL UDGLNDO YHrschieGHQHQ 6RUWHQ YRQ9RUVWHOOXQJHQ³ 61 YRQ $QVFKDXXQJXQG%HJULII also nach dem Verhältnis zwischen Komponenten von Propositionen statt nach der Relation zwischen Propositionen mit je unterschiedlichem Gewissheitsgrad. Wissensansprüche werden nach wie vor anhand des Verhältnisses von diskursivbegrifflichem und außersprachlichem Sein erklärt, wobei Letzteres jedoch, wenn wir versuchen, zwischen beide zu treten, um ihre Relation zu beurteilen, in irgendeiner Weise propositional bestimmt werden muss, zum Beispiel so, dass es Mannigfaltigkeit im Gegensatz zur Einheit sei. Und so wird im kantischen Modell die Voraussetzung gemacht, sinnliche Mannigfaltigkeit sei gegeben und Einheit werde mittels begrifflicher Synthesis erst hergestellt (vgl. SN, 171). Rortys Verständnis unseres kausalen Weltbezuges muss nicht nur von den oben genannten Aporien frei sein, die daher rühren, dass als Ursache des begrifflichen Bestimmens ein Außerbegriffliches behauptet wird, das diesem Bestimmen vorausliegt. Vor allem auch muss mit jener strikt gefassten Autonomie des sozialen Raums der Gründe, muss mit dem reinen Inferentialismus der von Rorty vertretene Naturalismus, der zunächst den anderen Raum beschreibt, nämlich die Ä5DXP-=HLW³LQder sich alles kausal verorten lassen muss, in einen theoriestimmigen Zusammenhang gebracht werden. Und das nicht nur, weil man als Holist einen erkenntnistheoretischen Dualismus vermeiden sollte. Völlig isoliert können beide Räume nämlich schon um des Naturalismus willen nicht sein. Dieser wäre unstimmig, wenn mit dem Verhältnis von Sprache und Welt, Sprachspiel und Wirklichkeit sich ein Riss in jenem KausalQHW] GHU Ä5DXP-=HLW³ DXIWXQ ZUGH Griffe aber der Raum der Gesetze durch den der Gründe hindurch, dann wäre es ein inkonsequenter Inferentialismus, wenn in die Rechtfertigung von Sätzen doch wieder Naturkausalität hineinspielen würde, Rechtfertigungen in letzter Instanz einen sie auslösenden Naturgrund hätten. Was also heißt vor diesem Hintergrund, dass ÄGLH %H]LHKXQJ ]ZLVFKHQ XQVeren Wahrheitsansprüchen und dem Rest der Welt nicht repräsentational, sonGHUQNDXVDO³ HE, 24) ist? Unzweifelhaft wird mit dieser These der Naturalismus konsequent bis in die Epistemologie hinein umgesetzt. Der soziale Raum der Gründe und der Raum der gesetzförmigen Natur sind kausal miteinander verbunden, so wie es der Naturalismus fordert. ± Genau betrachtet sind Inferentialismus und Naturalismus freilich zwei untrennbare Seiten des pragmatischen Modells unter dessen Voraussetzung, dass es auf der einen Seite eine vom menschlichen Denken und Sprechen unabhängige Welt gibt, eine vormenschliche Natur, auf der anderen Seite aber die erkenntnistheoretische Thematisierung einer Natur an sich wie gesehen aus sinnkritischen Überlegungen heraus verworfen werden muss, weil sie nur bis zu der witzlosen These führt, dass wir nicht erkennen können, was sich

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per definitionem unserer Erkenntnis entzieht. Nicht einmal ein Agnostizismus ließe sich in Bezug auf eine ansichseiende Natur vertreten, denn man kann in Bezug auf eine solche Natur überhaupt keinen konsistenten, positiven oder negativen Erkenntnisbegriff gewinnen. Und auch die zuletzt von Husserl wieder aus methodischen Gründen aufgeworfene Frage des radikalen, cartesianischen Skeptikers danach, ob es eine vom Medium des menschlichen Bewusstseins unabhängige Welt gibt, lässt sich aus Rortys Perspektive gar nicht mehr mit theoretischem Gewinn stellen, weil der sprachphilosophische Zugang zum Bewusstsein das Sprechen EHUÃ%HZXVVWVHLQµ als eine offene Leistung behandelt, die ebenso wirklich ist wie die Welt, in der die Menschen leben und sich äußern ± so denn Ã%HZXVVWVHLQµ etwas ist, über das verschiedene Sprecher überhaupt etwas sagen können, und in der Tat wird von der Bewusstseinsphilosophie so manches in einem öffentlichen Diskurs über das Bewusstsein ausgesagt. (Ich werde an späterer 6WHOOHEHLGHU(U|UWHUXQJGHV ÄSV\FKRORJLVFKHQ1RPLQDOLVPXV³GHQVSUDFKSKilosophischen Zugang zum Bewusstsein näher betrachten, vgl. Kap. 4.) Die anfangs erörterte Auflösung des Dings an sich unter nominalistischen Bedingungen führte denn auch nicht zur Auflösung einer außersprachlichen Natur, sondern allein zur Auflösung ihrer Funktion als fundamental bewahrheitende Instanz von Aussagen. Rorty will, wie in früherem Zusammenhang bereits angesprochen, sich von einem Idealismus, auch einem Sprachidealismus, absetzen, soweit in diesem Existenz- und Wahrheitsfrage in der Weise zusammengeworfen werden, dass mit der Einsicht, die Erkenntnissubjekte selbst lieferten den Maßstab wahrer Aussagen, an ihrem Maßstab zugleich hängen soll, was ist. Hält man aber beide Aspekte auseinander und verficht man einen reinen Inferentialismus unter den realistischen Bedingungen einer von Menschen unabhängigen Natur, dann kann das Weltverhältnis in epistemischer Hinsicht überhaupt kein anderes als ein kausales sein. Es allein stellt nämlich ± sollen natürlicher Raum und sozialer Raum nicht unverbunden nebeneinander bestehen ± die Alternative zu einem perzeptuell verstandenen Verhältnis dar, das sich als geistiges Sehen oder gar als substantielle Einheit mit dem Erkenntnisgegenstand von einem Kausalzusammenhang unterscheiden würde und damit den inferentiell geschlossenen Zusammenhang des Wissens referentiell aufbräche oder sogar die Unabhängigkeit der Natur solipsistisch verneinen müsste. Um nun aber die Art der kausalen Verbindung zu verstehen, die erfordert ist, damit das pragmatische Modell insgesamt kohärent bleibt und die Autonomie des sozialen Raumes nicht wieder zurückgenommen wird, reicht eine einfache Überlegung aus; und im Grunde wurde die Antwort bereits im dargestellten Konzept des Sprachspiels mitgedacht, sie ist sogar in der Idee der Autonomie des sozialen Raumes enthalten. Empiristische Erkenntnismodelle ± bei ihnen ist das Problem besonders deutlich ± wollen eine kausale Verbindung von ± handle es sich um Äsensations³, Äimpressions³ oder Sinnesdaten ± einer nicht begrifflichen Entität (a) zu dem Begriff von ihr (b) und gelangen so in die Sackgasse, nur unter den Bedingungen des Letzteren, des Begriffs, über (a) etwas sagen zu können, wenn

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dieses sich nicht vollständig die Dunkelheit mit dem ÃDing an sichµ teilen soll. Rortys Pragmatismus als eine Konstruktion aus Naturalismus und Nominalismus fängt simplerweise mit (b) an. Er geht von vornherein den Weg von (b) zu (a); und er geht ihn wieder zurück zu (b). Anders gesprochen: In einem Sprachspiel, einer bestimmten Praxis, in der Sprache und Tätigkeit miteinander verwoben sind, erhalten die Dinge ihre begriffliche Bestimmung, die ihnen also nicht entnommen wird; und zwar in der Weise, dass sie ihren Namen erhalten, der als Begriffswort im Sprachspiel inferentiell bestimmt ist (sie sind ± wie gesagt wurde ± von nun an Bestandteil dieses Spiels). Als etwas, das seine Benennung erhalten hat und das je nach Sprachspiel auf unterschiedliche Weise mit seiner Benennung verbunden ist ± erst als dieses können Gegenstände in der Welt zur Ursache unserer Überzeugungen und Diskurse werden, lassen sich ihnen die begrifflichen Bestimmungen dann auch wieder Ãentnehmenµ; entnehmen als solche Bestimmungen, die sie in unserer Praxis sodann tatsächlich haben. Und schließlich: Die begrifflichen Bestimmungen können in dieser Praxis den Dingen qua autonom begrifflicher Tätigkeit ± der Leistung des autonomen Verstandessubjekts nicht unähnlich ± entnommen werden. Letzteres ist deshalb möglich, weil die Dinge ihre begriffliche Bestimmung dem autonomen sozialen Raum verdanken, ihrer Inkorporation in ein Sprachspiel. In unserer sprachspielvermittelten Praxis kommen beispielsweise einer Holzfigur realiter die Bestimmungen zu, durch die sie ]XHLQHP(OHPHQWLQHLQHP 6FKDFKVSLHOZLUGHWZD]XHLQHPÃ/lXIHUµ(LQHEestimmte Konstellation von Figuren auf einem Schachbrett kann den Spielteilnehmer in Zusammenhang mit seinen Absichten und den Spielregeln kausal dazu YHUDQODVVHQ PLW HLQHP Ã/lXIHUµ HLQHQ =XJ ]X XQWHUQHKPHQ PLW GHP HU HLQHQ Ã.|QLJµ PDWW VHW]W 'LH HQWVSUHFKHQGH )LJXU KDW DEHU HEHQ QXU in dieser Praxis, als Element dieser Praxis, die Eigenschaften, GLHVLH]XPÃ/lXIHUµRGHUÃ.|QLJµ macht. Diese Eigenschaften kennzeichnen kein Ansichseiendes unabhängig von aller Praxis, sie sind anders gesagt keine intrinsischen Eigenschaften (gleichwohl sind sie nicht einfach nur im Kopf des Spielers, sie gehören zum sozialen Raum). Allenfalls in einer magischen Praxis würde einer Holzfigur die Eigenschaft, eiQHQ Ã.|QLJµ PDWW ]X VHW]HQ DQ VLFK ]XJHVFKULHEHQ ZHUGHQ :DV VLFK EH]üglich der Schachfigur sagen lässt, gilt im Inferentialismus für Prädizierungen schlechthin. Kurz gesagt: Alles Reale ist als sprachlich determiniertes ± und nur als solches ± mit unserem Wissen kausal verknüpft; ebenso ist alles Wissen auf dieses so verstandene Reale notwendig bezogen. Vor diesem Hintergrund ist die Bemerkung Rortys zu erschließen, die an Ort und Stelle gegen die anthropomorphisierende Vorstellung formuliert wird, dass die Welt an sich selbst sprachförmig sei, sich in Sätze und Tatsachen zerlege: Ä'LH:HOWNDQQZHQQZLUXQVHLQH6SUDFKHHLQSURJUDPPLHUWKDEHQGLH8UVDFKH dafUVHLQGD‰ZLU0HLQXQJHQYHUWUHWHQ³ .,6 5RUW\IROJWKLHUEHLGHU7KHVH 'DYLGVRQV ÄHLQH :DKUKHLWVWKHRULH PLW %H]XJ DXI HLQH QDWUOLFKH 6SUDFKH VHL nicht mehr und nicht weniger als eine empirische Erklärung der kausalen Beziehung zwischen Merkmalen der Umwelt und dem Für-wahr-+DOWHQ YRQ 6lW]HQ³

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(HE, 23). So ist zum Beispiel in Des Kaisers neue Kleider ein Kind ± eingeführt in eine Lebensform ± davon überzeugt, dass der Kaiser, da es ihn unbekleidet die prächtige Parade anführen sieht, nicht nur keine neuen, sondern überhaupt keine Kleider anhat, wohingegen die Erwachsenen, hohe Beamte und Würdenträger, allesamt angesichts der Tatsache, dass sie den Kaiser unbekleidet sehen, zu der anderen und für sie unangenehmen Überzeugung gelangt sind, je selbst zu den Unfähigen und Dummen zu zählen, was sie ± dies ihre sich erfüllende Dummheit, die das Band zwischen Umweltmerkmalen und Sprachbenutzung zerschneidet ± YRUHLQDQGHUHLIULJEHPKWVLQG]X YHUEHUJHQ Ä$EHUHUKDW MDQLFKWVDQHU KDW QLFKWV DQ³ ± Und so wird mit diesem unschuldigen Ausruf des Kindes der Zusammenhang zwischen den Merkmalen der Umwelt und dem Für-wahr-Halten von Sätzen vor den Augen der Erwachsenen vom Kind wieder hergestellt, der mit jener Wahrheitstheorie vollständig verstanden werden kann. Mit dem Konzept eines in epistemologischer Hinsicht kausalen Weltverhältnisses von Sprechern wird von Rorty nur die Konsequenz aus einem strikten Nominalismus gezogen, dass das originäre Verhältnis von Sprache und Welt in einem von den Sprachsubjekten determinierten Zusammenhang zwischen einem jeweiligen Vokabular und dem besteht, was es in der Realität einer gemeinsamen Praxis von Sprechern gibt. Auf die Dinge reagieren wir und beziehen wir uns dem entsprechend, zu was sie von uns, bei ihrer uneingeschränkten kausalen Eigenständigkeit (denn der Kaiser wird nicht dadurch bekleidet, dass ihm neue Kleider besonderer Art angedichtet werden), in unserem Sprachspiel bestimmt worden sind. Obwohl Rorty meist schon in einem Atemzug mit seiner Kritik am Repräsentationalismus mit wenigen Worten auf das kausale Weltverhältnis hinweist und sich dabei der Position Davidsons anschließt, habe ich erst in den letzten Abschnitten, nachdem bereits zahlreiche Aspekte des Nominalismus und der Metakritik an der Erkenntnistheorie entwickelt wurden, das epistemologische Kausalmodell, das im Neopragmatismus eher implizit bleibt, ausführlicher thematisiert, und zwar nicht nur, um es vor einem möglichst differenzierten Theoriehintergrund zu verstehen, sondern auch, um es in der Gesamtdarstellung des naturalistischen Sprachspielnominalismus zu exponieren. Dieses kausale Modell bildet nämlich die Crux eines Pragmatismus, der sich auch nach dem Sturz des für die neuzeitliche Erkenntnistheorie fast unverzichtbaren konstitutiven Subjekts (an dessen Stelle nun ein Netzwerk aus Überzeugungen tritt) in den Bahnen der Subjektphilosophie mit ihren erkenntnistheoretischen Voraussetzungen bewegt, die ich im fünften Kapitel dieser Untersuchung problematisieren werde. Gegen die subjektphilosophischen Suppositionen der neuzeitlichen Philosophie wendet sich auch Adornos dialektische Metakritik der Erkenntnistheorie, die ich auf der Kontrastfolie des Neopragmatismus behandeln, mit dessen sprachphilosophischen Einsichten allerdings auch produktiv erweitern möchte. ± Um das kausale Verhältnis von Sprache und Welt zu beschreiben, bedient sich Rorty wie gesehen

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einer Metaphorik, mit welcher er auf die Informationstechnologie rekurriert. Eine Sprache haben wir uns einprogrammiert, damit haben wir sowohl uns selbst determiniert als auch das, worauf wir uns sprachlich beziehen. Etwas ist für uns und in unserer Praxis realiter eine Schachfigur, ein Regenschirm, eine Sonnenblume. Rorty bedient sich eher selten der von Wittgenstein gewählten Spielmetaphorik, mit der er weniger Gefahr laufen würde, sich eines Reduktionismus, wie etwa eines eliminativen Materialismus, vor allem bei den Lesern verdächtig zu machen, die nicht den deontologischen Kontext des Pragmatismus immer schon mit ins Auge fassen. 12 Stattdessen wählt er eine Metaphorik für die Beschreibung des funktionalen Zusammenhangs von Sprechern und ihrer Welt, die auf kybernetische Maschinen Bezug nimmt. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Wahl dieser Metaphorik in ihrer zeitgeschichtlichen Abhängigkeit von der global sich installierenden Informationstechnologie etwa so aufschlussreich ist wie DescarWHV¶%HVFKUHLEXQJGHV2UJDQLVPXVDOVHLQHU0DVFKLQHLP=HLWDOWHUGHU0DQXIDktur und des aufkommenden mechanistischen Weltbildes. ± Rorty möchte Erfahrung DQGHUVDOVHLQHÄYRQVLFKDXVUHFKWIHUWLJHQGH,QVWDQ]³ WF, 205) interpretieren und dementsprechend auf jegliche visuelle Metaphorik verzichten (die auf ein geistiges Sehen oder eine intellektuelle Anschauung hinausläuft, mit denen diese Instanz erfasst wird). Seine Interpretation ÄGHUÃ(UIDKUXQJµNDQQPDQDXFKVRIRUPXOLHUHQGD‰PDQVDJWGLHHLQ]LJH)RUPLQGHU 0HQVFKHQ GHU :HOW ÃJHJHQEHUWUHWHQµ VHL GLH JOHLFKH ZLH EHL &RPSXWHUQ &RPSXWHU sind so programmiert, daß sie auf bestimmte kausale Transaktionen mit Inputvorrich-

12 Stellvertretend für diese Problematik steht die Diskussion zwischen Keil und Rorty (vgl. G. Keil: Rorty und der eliminative Materialismus ± eine Mesalliance?). Die häufig missverstehende Lesart Rortys seit dem Erscheinen von Spiegel der Natur, die Rortys Philosophem mitunter in das Fach eliminativer Materialismus ablegt, beruht auf der schlichten Gleichsetzung der 3RVLWLRQ GHU Ã6SUDFKVSLHOHUµ DOVR GHU dramaturgischen Personen, die in Rortys Sprachspielbeispielen eine solche Position vertreten, mit Rortys eigener sprachphilosophischer Position, der an diesen Beispielen etwas in pragmatistischer und sprachphilosophischer Hinsicht Generelles erhellen möchte. In seiner Erwiderung (ebd.6 DXI.HLOV.ULWLNVFKUHLEWHUÄ,FKKabe keine Ahnung, ob sich eine neurologische Redeweise als eine bessere Möglichkeit dieser Art [gemeint ist die Art der cartesianischen Redeweise über das Mentale ± d.A.] erweisen wird, und es ist mir auch egal, ob das geschieht oder nicht. Meine Spielart des eliminativen Materialismus hat ausschließlich den Zweck, daß sie mir als Argumentationshilfe dient bei der Begründung meiner These, es könne keine mangelnde Übereinstimmung zwischen unserer Sprache und der Welt geben, die nicht in der Unfähigkeit unserer Sprache zutage kommt, diesen oder jenen unserer praktischen Zwecke zu erfüllen. Die Erfüllung dieser Zwecke ist das einzige Kriterium, auf das sich die Philosophen berufen dürIHQ³ Indem Rorty für die Beschreibung des sprachlichen Weltverhältnisses Anleihen bei der Informationstechnologie macht, um den epistemologisch relevanten, kausalen Zusammenhang zu kennzeichnen, der sich im Rahmen des Sprachspielmodells erklären ließe, halst er sich leider jene Diskussionen wieder auf, die seinen Pragmatismus in einem reduktionistischen und szientistischen Licht erscheinen lassen.

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tungen reagieren, indem sie in bestimmte Programm-Zustände eintreten. Wir Menschen programmieren uns selbst so, daß wir auf kausale Transaktionen zwischen den höheren Gehirnzentren und den Sinnesorganen mit Dispositionen zur Aufstellung von Behauptungen reagieren. Zwischen den Programm-Zuständen einer Maschine und unseren Dispositionen gibt es keinen erkenntnistheoretisch interessanten Unterschied, und man darf VLHEHLGHJOHLFKHUPD‰HQDOVÃhEHU]HXJXQJHQµRGHUÃ8UWHLOHµEH]HLFKQHQ,PHLQHn Fall liegt kein höheres Maß an Intentionalität, Weltgerichtetheit oder Rationalität vor als im anderen. Wir können sowohl uns selbst als auch Maschinen mit Hilfe normativer, programmbezogener Begriffe oder mit Hilfe nicht normativer, hardwarebezogener Begriffe beschreiben. Weder im einen noch im anderen Fall ergeben sich Probleme bezüglich der Schnittstelle zwischen Software und Hardware, zwischen dem Intentionalen und dem Nichtintentionalen, zwischen dem Raum der Gründe und dem Raum der Gesetze.³ (WF, 206)

In diesem Passus wird das epistemologische Modell eines kausalen Verhältnisses von Sprechern und Umwelt als Alternative zur adäquationstheoretischen Auffassung erstmals etwas näher beschrieben. Ich möchte den Charakter einer technizistischen Selbstverfremdung, den die Neubeschreibung der einstigen Beziehung zwischen Geist und Welt durch die Beziehung zwischen Software und Hardware hat, im Folgenden außer Acht lassen. Es kommt hier nämlich allein darauf an, wie die Verbindung der Realität eines inferentiellen Zusammenhanges mit dem nichtinferentiellen Sein in dieser BescKUHLEXQJ NRQVWUXLHUW ZLUG (LQ ÃProgUDPPµ, ein ausschließlich intern bestimmter, geschlossener Funktionszusammenhang ist als VROFKHU PLWGHPZDVLKQGXUFKÃ(LQJDEHQµ auslöst und modifiziert, äußerlich verknüpft, das heißt, es könnten mit denselben Ereignissen auf der Inputseite ebenso andere Programme in Gang gebracht werden, je nachdem wie die Weiterverarbeitung des Inputs geregelt LVW 'HU ÃLQQHUHµ Zustand eines Programms (als die Gesamtheit der Festlegungen auf mögliche Inferenzen) und dessen Modifikation bedürfen, wenn auch notwendigerweise, lediglich der externen Auslösung, die zum intern determinierten Programmzusammenhang selbst nicht zählt. Die Rede von einer unproblePDWLVFKHQ Ã6FKQLWWVWHOOHµ zwischen einem Programm als einem internen Zusammenhang und den es auslösenden nichtinternen Vorgängen, also der ÃSchnittstelleµ zwischen den Dispositionen zu einer Proposition, einem Diskurs auf der einen und den Sinnesreizungen auf der anderen Seite, läuft bei Rorty auf die Vorstellung einer kausalen Transaktion hinaus, die nicht geheimnisvoller ist als die Übertragung von Schallplattenrillen in Schallwellen, die einen musikalischen Ablauf erkennen lassen, bei dem gewöhnlich niemand ins Grübeln darüber gerät, ob nun eigentlich eine Klaviersonate oder doch nur eine abgetastete Rille zu hören ist. Nur dass in Bezug auf die kausale Transaktion zwischen dem, was in der Philosophie als das Verhältnis von Geist und Welt thematisiert und von Rorty analogisierend als Beziehung zwischen Hardware und Software beschrieben wird, variabel geregelt und festgelegt werden kann, wie die Einwirkungen verarbeitet werden und für was VLHDOVÃEin-

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JDEHQµ fungieren, weil an der Schnittstelle kein Naturdeterminismus durchgreift. Sprachliche Dispositionen sind anders gesagt nicht von Perzeptionen kausal determiniert, sondern beide sind ± in der internalisierten Praxis eines Sprachspiels, wie hinzuzufügen wäre ± miteinander verknüpft. Der Inhalt inferentiell begründeter Überzeugungen steht mit den Sinneseindrücken in einer von den Benutzern einer Sprache habituell hergestellten Verbindung. Wenn Rorty davon spricht, dass ZLU XQV HLQH 6SUDFKH ÃHLQSURJUDPPLHUHQµ, dann gebraucht er in Bezug auf das Verhältnis von Sinneseindruck und sprachlicher Disposition diese technische Metapher für einen Vorgang, den Wittgenstein hinsichtlich des Spracherwerbs als Regelaneignung beschreibt, bei der es um den Zusammenhang von sprachlichen Zeichen und der erworbenen Fähigkeit des Sprachbenutzers geht, mit diesen Zeichen umgehen, das heißt einen Spielzug tätigen zu können. ÄWas hat der Ausdruck Regel ± sagen wir, der Wegweiser ± mit meinen Handlungen zu tun? Was für eine Verbindung besteht da? ± Nun, etwa diese: ich bin zu einem bestimmten Reagieren auf dieses Zeichen abgerichtet worden, und so reagiere ich nun. Aber damit hast Du nur einen kausalen Zusammenhang angegeben, nur erklärt, wie es dazu kam, daß wir uns jetzt nach dem Wegweiser richten; nicht, worin dieses DemZeichen-Folgen eigentlich besteht. Nein; ich habe auch noch angedeutet, daß sich einer nur insofern nach einem Wegweiser richtet, als es einen ständigen Gebrauch, eine Gepflogenheit, gibt.³13

Auf die verfremdende Analogie zwischen Menschen und Computern lässt sich ohne Erklärungsverlust verzichten. Statt davon, dass die Menschen sich eine 6SUDFKH ÃHLQSURJUDPPLHUHQµ, ließe sich ebenso von der Aneignung und Verinnerlichung von Regeln des Sprachgebrauchs durch den ständigen Gebrauch und die Anwendung dieser Regeln sprechen, was dazu führt, dass sinnliche Affizierungen und die Fähigkeit zu einem verlässlichen diskriminativen Verhalten auf sozial erworbene, sprachliche Verhaltensdispositionen von ebenso verlässlicher Art treffen. Besser sogar wäre es ± würde man Wittgensteins Vorstellung vom Abrichten ebenfalls ausrangieren ±, schlicht vom spielerischen Einüben in ein Sprachspiel, in soziale Praktiken des praktischen und diskursiven Gebrauchs der Sprache zu sprechen. Auch hier gibt es kein ProbleP EH]JOLFK HLQHU ÃSchnittstelOHµ zwischen den sinnlichen Vorgängen und den auf diese bezogenen Verhaltensdispositionen von Sprachbenutzern. Mit der epistemologischen Analogie von Mensch und Maschine, die Autoren einer Geistphilosophie wie auch Vertreter eines Minimalempirismus herausfordert, lädt Rorty seine Kritiker allerdings zu einer Diskussion ein, die an dem von ihm intendierten Sachverhalt vorbeizugehen droht. Die These, dass sich auch in Bezug auf Maschinen von Überzeugungen sprechen lässt, die diese haben, regt hinsichtlich ihrer ungewollt ontologischen Implikationen zum Widersprechen an schon wegen der Identifizierung eines Produktes konstruierenden Denkens und 13 L. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Nr. 198, S. 344.

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Handelns mit dem Denken und Handeln selbst, die, weil sie dem Lebendigen entspringen, nicht konstruierbar sind. Deshalb wäre Rorty vorzuschlagen, das pragmatische Verständnis unseres sprachlichen Weltverhältnisses zunächst von kybernetischen Konnotationen frei zu halten und es, was die Kausalität betrifft, zunächst nur als reflexives Kausalverhältnis zu beschreiben. Mit dem Ausdruck reflexives Kausalverhältnis möchte ich ± vor dem Hintergrund des im Anschluss an das Sprachspielkonzept entwickelten Verhältnisses von Sprache und Welt ± im weiteren Verlauf der Untersuchung den Vorgang bezeichnen, bei welchem die Sprachsubjekte innerhalb ihrer Praxis und ihres Sprachspiels Elemente und Ereignisse der realen Welt als Ursache für das Formulieren bestimmter Behauptungen und für das Vertreten ihrer Überzeugungen festlegen. Die Subjekte werden gemäß der von ihnen selbst vollzogenen Determination der Phänomene zu Äußerungen und Einstellungen veranlasst. So bin ich zum Beispiel davon überzeugt, dass es sich bei der roten Rose, die man mir gegeben hat und deren Blätter sich weder knicken noch einreißen lassen, nicht um eine echte, sondern um eine aus Kunstfasern hergestellte Rose handelt, die aufgrund solcher Beschaffenheit nicht welken wird; entsprechend dem, was ich als Sprachbenutzer über eine ÃRoseµ gelernt habe, werde ich gegenteiligen Behauptungen widersprechen und nicht meinen, durch beständiges Gießen wachse ein Rosenstrauch. Von der Natur verursacht werden die propositionalen Einstellungen, indem die von den Sprachbenutzern real unabhängige Natur als in der Praxis sprachlich determinierte auf die Sprachbenutzer, unter der kausalen Vorbedingung ihrer diskriminativen Verhaltensfähigkeit, einwirkt. Reflexiv ist dieses Einwirken, weil die realitätsbezogenen sprachlichen Äußerungen der Sprecher in der kausalen Transaktion mit der Welt von dem bewirkt werden, was von ihnen selbst als mögliche Ursache ihrer Äußerungen bestimmt worden ist. Aus dieser Perspektive gesehen ist die These McDowells nicht erstaunlich, dass in der sinnlichen Anschauung begriffliche Tätigkeiten virulent sind, weil das Angeschaute erst und nur als bereits begrifflich Bestimmtes jene Kontrolle über unsere Überzeugungen ausübt, die Rorty problemlos als einen kausalen Vorgang beschreiben kann, für dessen Verständnis es keiner weiteren, adäquationstheoretischen Thesen zum Verhältnis von Denken und Welt bedarf. Deshalb betont er gegen eine sprachidealistische Fehldeutung seines Philosophems ± als würde alles, was ist, nur qua Sprache existieren ± die Unabhängigkeit der Natur von den Menschen. Denn ± wie er auf Taylor repliziert ± ÄNHiner von uns Antirepräsentationalisten hat je daran gezweifelt, dass die meisten Dinge im Universum in kausaler Hinsicht von uns unabhängig sind. UnVHU =ZHLIHO JLOW GHU )UDJH RE VLH HV LQ UHSUlVHQWDWLRQDOHU +LQVLFKW VLQG³ WF, 126). Das heißt, ob ihnen Eigenschaften unabhängig von ihrer Beschreibung durch Menschen zukommen, die von der Beschreibung repräsentiert werden. 5RUW\ EHVWUHLWHW NHLQHVZHJV ÄGD‰ GLH PHLVWHQ 'LQJH ± unter den meisten Beschreibungsformen ± ihre faktisch vorhandenen Merkmale in völliger kausaler Unabhängigkeit von der Art ihrHU%HVFKUHLEXQJEHVLW]HQ³ WF, 128). Wir bilden uns diese Eigenschaften schließlich nicht ein, und was wir als Eigenschaften ver-

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stehen, ist nicht etwas, dass durch uns verursacht sein muss. Der Mond kreist um die Erde nicht deshalb, weil wir ihn als einen Trabanten beschreiben. Was sollte das andernfalls auch für eine Himmelserscheinung sein, die durch unsere Beschreibung auf ihre Bahn gebracht wird. Nichtsdestoweniger aber ist zu sagen: Erst wenn etwas von uns ± und zwar auf eine spezifische, kontextuelle, zweckvariable Weise ± beschrieben worden ist, und nicht eher, hat es Eigenschaften und ÄVLQG ZLU EHrhaupt im Stande anzugeben, welche Merkmale des Gegenstandes in kausaler Hinsicht von der BeVFKUHLEXQJ XQDEKlQJLJ VLQG XQG ZHOFKH QLFKW³ (WF, 128). Haben wir ± so ein Beispiel Rortys ± etwas als Dinosaurier beschrieben, so ist dessen Geschlechtsleben im Unterschied etwa zu der Bestimmung, im letzten Jahrhundert entdeckt worden zu sein, in kausaler Hinsicht völlig unabhängig von dieser Beschreibung. Gleichwohl ist es witzlos, nach Eigenschaften (intrinsischer Art) von etwas vor seinem kontextgebundenen Beschriebenwordensein zu fragen, auf das sodann eine Beschreibung, die mit jenen Eigenschaften verglichen würde, besser oder schlechter passt. Zur Einsicht in die kausale 8QDEKlQJLJNHLWÄGHUPHLVWHQ'LQJHGHV8QLYHUVXPV³ als der vormenschlichen Natur gehört auch die von der kausalen Abhängigkeit der Menschen von der Natur, ihrem Ausgesetztsein gegenüber der Naturmacht, GHQQ ÄGLH :HOW SUlJW GHQ 5DXP GHU *UQGH >«@ GDGXUFK GD‰ >«@ VLH URKHQ Kausaldruck auf uns ausübt. Genauso wie der rohe Druck der Umwelt zu diversen aufeinanderfolgenden Stadien der biologischen Evolution geführt hat, so hat HU DXFK GLH VXN]HVVLYHQ 6WDGLHQ GHU NXOWXUHOOHQ (YROXWLRQ KHUEHLJHIKUW³ (WF, 215). Die vorgeschlagene Rede von einem reflexiven Kausalverhältnis ist jetzt noch dahingehend zu spezifizieren, dass die Reflexivität ± also das qua Beschreibung sprachsubjektive und zweckrelationale Bestimmtsein dessen, wovon sich ein Mitglied einer Sprachgemeinschaft zu bestimmten Behauptungen und Überzeugungen objektiv veranlasst sieht ± eine Reflexivität ist unter den Bedingungen der außermenschlichen Natur. Im Einklang mit Davidson besteht Rorty darDXI ÄGD‰ GLH hEHU]HXJXQJHQ GHU 0HQVFKHQ QLFKW in einem freischwebenden Verhältnis zur nichtmenschlichen Umwelt stehen können und daß die meisten unserer (und überhaupt jedermanns  hEHU]HXJXQJHQ ZDKU VHLQ PVVHQ³ (HE, 23). Ganz gleich, ob zwischen Nieselregen und Platzregen differenziert wird oder noch weitere Unterscheidungen getroffen werden, ob Menschen den Regen als die Tränen des Himmels auffassen, ihn als Urstoff oder als Molekularverbindung beschreiben, ob sie ihn als Trinkwasser betrachten oder gar als lebenspendendes Elixier, das sie dazu veranlasst, einen lang ersehnten Niederschlag als eine Gottesgabe zu verstehen: Wenn er nicht mehr fällt, trocknet die Erde aus, werden die Menschen in allen Beschreibungsweisen gemäß den Sprachspielkontexten, ob in einer alttestamentarischen Beschreibungsweise oder der eines internationalen Klimainstitutes, mit demselben Problem konfrontiert sein. Auch Kant, der dem Subjekt der praktischen Vernunft Freiheit von der Naturkausalität im Hinblick auf seinen moralischen Handlungsgrund zuerkennt und

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dem Subjekt der theoretischen Vernunft das Vermögen zuspricht, der Natur die Gesetze vorzuschreiben, hat keinen Augenblick daran gezweifelt, dass Menschen selbst immer auch unter diesen Gesetzen stehen, andernfalls die Kritik der reinen Vernunft auf einen transzendentalen Subjektivismus der Willkür hinausliefe und die Bemühungen um eine theoretische Beweisführung der Autonomie praktischer Vernunft gänzlich überflüssig wären. Mangelnder Zugang zu Nahrungsmitteln führt zur Unterernährung, Krankheiten und Tod, und auf das faktische Vorhandensein ausreichender Nahrungsmittel kann sich ein Einwand gegen die Behauptung beziehen, Hunger sei gegenwärtig unvermeidlich. Rortys Beschreibungskontextualismus hat nichts zu tun mit einem Relativismus, der kein gültiges Argument mehr gegen das ermöglichen würde, was in der Wirklichkeit mit Menschen geschieht und nicht geschehen müsste. Im Raum der Gründe schlagen sich immer auch die in der außermenschlichen Natur real zu erfüllenden Lebens- und Handlungsbedingungen nieder, unter denen handelnde und sprechende Akteure überhaupt bestimmte Interessen haben und bestimmte Zwecke durch Kenntnis der Kausalbedingungen realisieren können; Zwecke, die andererseits selbst die Beschreibungen formieren, die von der Natur nicht verursacht werden wie der Hunger durch einen leeren Magen, sondern welche die Realität dergestalt sprachlich determinieren, dass die Sprachbenutzer von der sprachlich determinierten Realität zu bestimmten propositionalen Einstellungen veranlasst werden. Während Beschreibungsweise und theoretischer Hintergrund verschieden sind, bleibt der kausale Nexus dessen, was beschrieben wird, konstant, ohne dass doch aus diesem Umstand Rorty dem Szientismus vor allen anderen kulturellen Äußerungen das Privileg objektiverer und adäquaterer Erkenntnis zuspräche. Der Szientismus versteht die abstrakte Bestimmung der kausalen Verbundenheit von je entqualifizierten Entitäten mit anderen Entitäten als deren an sich gültige Eigenschaft, deren Erkenntnis keinen subjektiven Bedingungen des beschreibenden Sprachsubjekts mehr unterliegt. Der wunde Punkt eines solchen Objektivismus aber ist, dass wir nicht ± und von dieser Illusion will der Szientismus nicht ohne Weiteres ablassen ± ohne Sprache, ohne ein deskriptives Vokabular auskommen, dass sich unser Wissen nicht allein auf den kausalen Nexus schlicht unbeschriebener, qualitätsloser Entitäten beziehen kann. Allenfalls können in einem wissenschaftlichen Modell Wahrnehmungsgegenstände für eine zweckbezogene Minimalbeschreibung weitgehend entqualifiziert werden, etwa auf ein Seiendes mit einer bestimmten konstanten Ausdehnung im Raum zu einem bestimmten Zeitpunkt, das eine bestimmte Rolle in einem bestimmten Ereignis spielt und mit anderen Entitäten der Raum-Zeit funktional verbunden werden kann, so dass am Ende die Formel als untilgbares Residuum einer DingEreignis-Sprache übrig bleibt. Aber auch mit jener wird notwendigerweise ein bestimmtes Vokabular, sei es auch noch so rudimentär und künstlich, in Anspruch genommen, und nicht begründen ließe sich, warum ausgerechnet dieses Vokabular und seine entsprechende Minimalbeschreibung der Wirklichkeit an-

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gemessener sein sollten als der Wortschatz einer poetischen Beschreibung, der es nicht um Prognostizierbarkeit, sondern zum Beispiel um sinnliche Differenzierungen, Nuancierungen und um Synästhesien geht. Es sei denn, man würde den Zweck der Naturbeherrschung gegenüber anderen Zwecken als denjenigen privilegieren, den nicht nur Menschen verfolgen, sondern welcher der Natur selbst am Ã+Hr]HQµOLHJWGLHGHQ0HQVFKen hervorgebracht hat, damit dieser unter anderem ihre ballistischen Gesetze entdecke, die ohne Rücksicht auf die qualitative Beschaffenheit der Dinge und ohne Ausnahme gelten, für Schneebälle ebenso wie für Kanonenkugeln, und die ihm neben dem Beherrschungszweck noch weitere Zwecke nur deshalb gelassen hat, damit er den rechten Zweck der weiteren Evolution durch seine Irrtümer hindurch erst finde. ± Ohne ein Vokabular wüsste schlechterdings niemand, worüber überhaupt geredet und eine Untersuchung angestellt wird. Und es gibt keine Garantie dafür ± etwa dank einer transhistorischen Wissensfundierung oder fundierenden Sprachanalyse ±, dass die Vokabeln ÃMasseµ und ÃEnergieµ in der theoretischen Physik nicht aufgrund eines veränderten Theoriekontextes, wie der Übergang von einer korpuskulartheoretischen zu einer quantenmechanischen Beschreibungsweise zeigen kann, inferentiell einmal weitgehend anders bestimmt sein werden und sich damit auch der Gegenstand des Wissens geändert haben wird. Rorty teilt mit dem S]LHQWLVPXVGHQ*HGDQNHQÄGD‰VLFKGDV9HUVWHKHQ]ZDU immer auf in bestimmter Weise beschriebene Gegenstände bezieht, die uns zu Schaden oder Nutzen gereichenden Kausalkräfte der Gegenstände aber unberührt EOHLEHQ YRQ GHU $UW LKUHU %HVFKUHLEXQJ³ 3K=  . Nichtsdestoweniger aber VLHKWHUGLH6FKZlFKHGHV6]LHQWLVPXVÄGDULQGD‰HUDXVGHUGXUFKHLQEHVWLPmtes Beschreibungsvokabular ermöglichten Prognose und Benutzung der Kausalkräfte von Gegenständen die These folgert, dieses Vokabular sei im Hinblick auf besseres Verständnis jedem anderen überleJHQ³ HEG  Nicht nur sind die Sprachbenutzer als Naturwesen ± GHQQ DXFK VLH ÄZHUGHQ erNUDQNHQ XQG VWHUEHQ³ HEG  ± selbst der Naturkausalität unterworfen, die den Raum der Gründe prägt (was natürlich ± um es ein letztes Mal zu erwähnen ± nicht heißt, dass Naturkausalität an die Stelle von Gründen tritt, die jemand dafür hat, Aussagen für wahr zu halten). Die Sprachbenutzer befinden sich mit ihren Überzeugungen und in ihren Sprachspielen auch in Wechselwirkung mit der ZDKUJHQRPPHQHQ ÄNDXVDOHQ 'UXFN³ DXVEHQGHQ 1DWXU 'HQQ GDVV XQV hEHrzeugungen aufgedrängt werden, JHVFKLHKWÄLP9HUODXIGHUNDXVDOHQ:HFKVHOZLrkung zwischen dem im Zuge des Bildungsprozesses verinnerlichten Programm XQGGHQ6LQQHVRUJDQHQ³ WF, 214). Und das heißt: Soweit wir ± wie oben gesagt wurde ± die Natur in unsere Sprachspielpraxis integrieren, wir sie sprachlich für uns determinieren, handelt es sich hierbei zugleich um einen Assimilationsprozess der Sprachgemeinschaft an die Natur. Denn für diese Integration sind immer auch die Bedingungen zu erfüllen, die vonseiten der Natur im Hinblick darauf bestehen, dass etwas zu einem realen Element in einer Praxis werden kann, die mit einem Sprachspiel verflochten ist. Die Akteure einer Sprachgemeinschaft

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müssen die kausalen Zusammenhänge berücksichtigen, die ihre Praxis und damit auch das Sprachspiel ermöglichen. Es handelt sich um einen Assimilationsprozess, in dem die Natur fundamental die Bedingungen stellt, unter denen sie verfügbar wird. Einerseits fällt somit auch das Sprachspiel aus dem kausalen Naturzusammenhang nicht heraus; doch andererseits wird in den Sprachspielen Natur erst zu dem geprägt, was die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft zum Gebrauch bestimmter Ausdrücke und zum Formulieren bestimmter Überzeugungen bewegt.14 Weil die sozialen Praktiken einer Sprachgemeinschaft nicht jenseits des 14 In Wahrheit und Rechtfertigung kritisiert Habermas im Hinblick auf die oben beVFKULHEHQH $VVLPLODWLRQGHU6SUHFKHUDQGLHQDWUOLFKH8PZHOW5RUW\V ÄQHRGDUZiQLVWLVFKH 6HOEVWEHVFKUHLEXQJ YHUQQIWLJHU :HVHQ³ (S. 267). Auch Rorty, der den Wahrheitsbegriff vollständig epistemisiere, komme nicht umhin, Rationalitätsstandards (und damit den Anspruch auf objektive Geltung von Aussagen) wenigstens zu erklären. Rortys Naturalismus, der nur die Beobachterperspektive kennt, fehlen, so Habermas, jedoch die begrifflichen Mittel, diese Standards aus der Teilnehmerperspektive einholen und verständlich machen zu können. Aus dieser Perspektive erst würde sich die regulative Idee der Wahrheit zeigen, die nicht als soziale Tatsache vorkommen kann, sondern allein als kontrafaktische, von den Sprechern vorgenommene unumgängliche Idealisierung ihrer Sprechersituation, in der sich der Anspruch auf eine Raum und Zeit transzendierende Wahrheit ihrer Aussagen einlöVHQODVVHQVROO5RUW\DEHUVRGLH.ULWLNYRQ+DEHUPDVWDXVFKHÄLQGHP HUGLHÃNRrUHNWH %HVFKUHLEXQJ YRQ 7DWVDFKHQµ GXUFK ÃHUIROJUHLFKH $QSDVVXQJ DQ GLH 8PJeEXQJµHUVHW]WQXUGHQHLQHQ2EMHNWLYLVPXVJHJHQHLQHQDQGHUHQHLQ± den ObjektiYLVPXVGHUÃYRUJHVWHOOWHQµJHJHQGHQGHULQVWUXPHQWHOOÃEHZlOWLJWHQµ:LUNOLFKNHLW³ (S. 269). Mir scheint diese Kritik nicht überzeugend, weil sie eine simple Verknüpfung zwischen dem kausalen Raum der Natur und dem sozialen der Gründe als Schwäche des Pragmatismus Rortys suggeriert, die so nicht vorliegt. Zumindest wird der Autonomie des sozialen Raumes in dieser Kritik nicht Rechnung getragen. Rortys These ist ja keineswegs, dass eine Aussage deshalb objektiv gelte, weil die Anpassung an die Natur gelungen ist, sondern sie gilt objektiv, weil sie sich rechtfertigen lässt und bisher noch nicht widerlegt worden ist, was der Einsicht nicht widerspricht, dass unsere diskursiven Praktiken sich unter den Bedingungen der äußeren Natur entwickeln. Rortys These liegt daher nicht mit dem Objektivismus der Ãvorgestelltenµ Wirklichkeit, also des Repräsentationalismus, auf einer Ebene. Denn dieser geht davon aus, dass eine Aussage deshalb objektiv gilt, weil sie das Sosein der Welt repräsentiere. Der Verweis auf das Sosein, auf die adaequatio, hat hier selbst den Stellenwert der Begründung dafür ± ohne doch selbst eine Begründung sein zu können ±, warum eine Aussage wahr ist; das Wahrheitskriterium fällt mit dem Sosein zusammen. Warum eine solche naiv realistische Konzeption zum Scheitern verurteilt ist, wurde im PragmDWLVPXV DXVUHLFKHQG GDUJHOHJW ÃGelungene AnpasVXQJDQGLH1DWXUµ fungiert im neopragmatischen Konzept aber weder als Argument noch als Kriterium für die Wahrheit oder die Objektivität einer Aussage. 'LH DQWLQDWXUDOLVWLVFKH .ULWLN JHUDGH VHLWHQV +DEHUPDV¶ GHU JHJHQ GLH QDWXUDOLVWische Beobachterperspektive die Teilnehmerperspektive einklagt, ist in folgender Hinsicht besonders aufschlussreich. Habermas verbindet mit der objektivierenden Beobachterperspektive einen Instrumentalismus und Kontextualismus, der erst in der performativen Perspektive von Kommunikationsteilnehmern bzw. Diskursteilnehmern aufgelöst werden kann. Hier zeigt sich nämlich ± wie gesagt ± mit der Geltungsbasis der Rede die Rationalität, über welche die Teilnehmer verfügen, indem

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Assimilationsprozesses an die Natur entstehen, sind sie auch nicht unveränderlich. Und weder ist der soziale Raum der Gründe durch Natur prädeterminiert, noch ist Natur das Produkt von sprachspielgemäßer Beschreibung. Beide jedoch, der natürliche und der soziale Raum, sind in der Ausprägung des Wissens wechselseitig aufeinander bezogen. Ich möchte nun einen kurzen Blick darauf werfen, welche Probleme sich erübrigen, wenn man dem neopragmatistischen Modell unseres sprachlichen Weltverhältnisses folgt, das oben als reflexives Kausalverhältnis beschrieben wurde. Wie deutlich geworden ist, besteht jetzt keine Schwierigkeit mehr, die Autonomie von Sprachbenutzern wie überhaupt die Autonomie des sozialen Raumes unter den Bedingungen einer außermenschlichen, kausal unabhängigen Natur zu verstehen. Denn Natur wird nur als von den Sprachbenutzern sprachspielimmanent determinierte zur Ursache von Überzeugungen und ist insofern nicht selbst determinierend. Allerdings funktioniert ihre verschiedenförmige Determinierung nur, sie immer schon den Anspruch auf eine räumlich und zeitlich unbeschränkt geltende Wahrheit mit ihren Aussagen erheben und sich darüber diskursiv miteinander verständigen. Man könnte sich fragen, wie mit diesem kommunikationstheoretischen Konzept Habermas den Naturalismus in Bezug auf das Naturverhältnis überwinden will. Das aber hat er gar nicht vor. Denn seit Erkenntnis und Interesse über die Theorie des kommunikativen Handelns, den Philosophischen Diskurs der Moderne, das Nachmetaphysische Denken bis hin zu Wahrheit und Rechtfertigung vertritt Habermas im Hinblick auf das Naturverhältnis der Menschen immer schon die eine These, dass in Bezug auf die manifeste Natur (als natura naturata) nach einer irreversiblen Aufklärung in erkenntnistheoretischer Hinsicht kein anderes Verhältnis als das instrumentalistische mehr möglich und denkbar ist und andere Versuche in einer aussichtslosen Naturromantik stecken bleiben. Die Richtigkeit dieser These dahingestellt, entsteht aber nun folgendes Problem: Alle Aussagen, welche die vernünftigen Kommunikationsteilnehmer in einer nicht instrumentellen, sondern konsensorientierten Einstellung zueinander mit einem Anspruch auf raum- und zeittranszendierende Wahrheit vertreten, verkörpern in Bezug auf die Natur ein instrumentelles Wissen, also dasjenige Wissen, das eine Anpassung an die Natur im naturalistischen Sinne darstellt. Für dessen Erklärung aber ist ein naturalistisches Konzept vollständig ausreichend, das nur die Beobachterperspektive in Anspruch nimmt. Aus der performativen Einstellung der Diskursteilnehmer kommt dann nur das Mehr an Rationalität hinzu, das im Geltungsanspruch auf eine kontextunabhängige Wahrheit liegt, der mit einer Aussage erhoben wird. In Bezug auf das Naturverhältnis kommt etwa zu der Aussage, die von der Anpassung an die Natur zeugt, dass sich ein Feuer mit Wasser löschen lässt, jetzt zusätzlich die Idealisierung ins Spiel, dass diese Aussage raum- und zeitunabhängig gilt. Der Unterschied zwischen einer naturalistischen und einer rationalistischen Erklärung dieses gegenständlichen Wissens besteht also letztendlich darin, dass Letztere das Anpassungswissen in Form zeitloser Gültigkeit betrifft. Die Beherrschung der Natur ist aus der Beobachterperspektive aber keine andere als aus der Perspektive der ersten Person oder aus der Perspektive eines Kommunikationsteilnehmers. Und deshalb ist der Naturalismus hinsichtlich der Beschreibung unseres Naturverhältnisses so lange im Recht, wie dieses Verhältnis nicht selbst ± wie in der frühen Kritischen Theorie ± Gegenstand der Kritik wird.

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wenn die kausalen Relationen berücksichtigt und bei alternativen Neubeschreibungen konstant gehalten werden, und insofern wird ein Sprachspiel immer auch unter Naturbedingungen gespielt. Des Weiteren besteht nicht mehr das adäquationstheoretische Problem, zwischen Sprache und Welt treten zu müssen und es nicht zu können. Denn wenn die Welt im Verhältnis zur Sprache immer schon das Äquivalent zu einer ÃHLQFRGLHUWHQµ Sprache ist, sie also die von den Sprachbenutzern zu deren Zwecken determinierte Realität ist, erübrigt sich die Frage nach der Übereinstimmung zwischen Sprache und Welt. Denn während sich im Fall eines adäquationstheoretischen Erkenntnisbegriffs die skeptische Frage stellt, ob das repräsentierende Erkenntnismedium das Repräsentierte angemessen wiedergibt, ergibt es keinen Sinn, nach der Angemessenheit der Determination an ihren Gegenstand zu fragen: Sie wird im funktionierenden Fall unter den Bedingungen der Determinierbarkeit dessen, was determiniert wird, einfach vollzogen wie ± metaphorisch verstanden ± die Abstempelung eines Dokuments. Die Gegenstandsreflexion steht immer schon unter den BeGLQJXQJHQ ÃHLQFRGLHUWHUµ Sprache und bezieht sich auf die in einem Sprachspiel bestimmten Gegenstände. Damit ist das kausale Weltverhältnis, wie es der Neopragmatismus beschreibt, selbst vollkommen transparent, es bedarf keiner erkenntnismetaphysischen Annahmen über das Zusammenkommen des Erkenntnis- und Sprachsubjekts mit der Welt. Mit dem determinierenden Realitätsbezug als dem epistemologisch primären Bezug erübrigt sich für Rorty sodann ein weiteres Mal das bereits sinnkriWLVFK DXIJHO|VWH 3UREOHP GHV Ã'LQJV DQ VLFKµ 'LHVHV QlPOLFK NDQQ QXU IU HLQ reflektierendes Subjekt relevant werden, für ein determinierendes ist das von aller menschlichen Bestimmung unabhängige Sein nichts weiter als das Substrat sprachlichen, inferentiell verankerten Bestimmens. Und hier wiederum wird eine Kritik am Neopragmatismus einsetzen müssen (vgl. Kap. 5), der aufs Neue ein theoretisch unbewältigtes Abstraktum zurücklässt. Denn dass sein Modell unseres Weltverhältnisses nicht unproblematisch ist, wird in dieser Untersuchung ebenso vertreten wie die These, dass sich mit diesem Modell ein Sachverhalt aufschlussreich beschreiben lässt, der kritisch interpretiert auf das mit theoretischem Gewinn hinausläuft, was Adorno in seiner erkenntniskritischen Reflexion als gesellschaftlichen Immanenzzusammenhang und als den Zirkel identifizierenden Denkens thematisiert. Was als reflexives Kausalverhältnis näher ausgeführt wurde, wird mit dem Zirkel der Identifikation seine kritische Wendung erhalten. Bei Adorno handelt sich um einen Immanenzzusammenhang sowohl in gesellschaftlich praktischer wie auch in epistemischer Hinsicht, der Ausdruck subjektiver Vernunft ist, die im Anderen immer nur sich selbst, die eigenen Bestimmungen antrifft. Beide Hinsichten lassen sich im sprachspielnominalistischen Konzept zusammenführen, und im Kontext dieses Konzepts lässt sich ± weit vorgreifend gesprochen ± mit der Idee einer versprachlichten Mimesis das projektieren, was über den epistemischen Selbstbezug hinausführt.

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Zunächst aber geht es weiter mit dem Nominalismus Rortys, der konstruktiven Seite seiner Metakritik an der These, Wahrheit sei Realitätsentsprechung, deren Möglichkeit eine fundierende Erkenntnistheorie erklären könne. Es ist nun allmählich die naturalistische Komponente des neopragmatistischen Nominalismus theoretisch eingeholt worden. Neben der inferentiellen Bestimmtheit sprachlichen Sinns und der holistischen Verfassung diskursiven Wissens, aufgrund derer repräsentationalistische und referenztheoretische Ansätze, die auf eine Namenstheorie der Bedeutung hinauslaufen, sich nur schlecht verteidigen lassen, waren die wichtigsten Etappen der Darlegung des Sprachspielnominalismus die Versprachlichung des Begriffs und die Aufdeckung der realen Verflochtenheit der Sprache (und damit des versprachlichten Denkens) mit der menschlichen Praxis. Wittgensteins Konzept des Sprachspiels bot in diesem Zusammenhang ein Modell, das den inferentiellen und pragmatischen Aspekt von sprachlichem Sinn vollständig enthält und das zudem das Verhältnis von Sprache und Welt als ein kausales zu verstehen ermöglicht. An die genannten Etappen schloss sich die nähere Ausführung darüber an, was es nach naturalistischer These heißt, das sprachliche Weltverhältnis sei ein kausales, da es ein Verhältnis auf der Ebene ist, auf der die Sprache einen Bestandteil der sinnlichen, erscheinenden Welt darstellt. Ein solcher Bestandteil zu sein heißt, dass sich sprachlicher Sinn aus der in einem Sprachspiel geregelten inferentiellen Bestimmtheit sprachlicher Zeichen ergibt und nicht aus etwas vorsprachlich Intelligiblem. Auf dieser Ebene sind Wörter (mit ihrer inferentiell bestimmten Bedeutung) auf vielfältige, sprachspielgemäße Weise mit der übrigen Wirklichkeit kausal verbunden. Zur Versprachlichung des Begriffs kommt in Rortys Nominalismus also die Naturalisierung der Sprache hinzu. Man kann nach dem bisher Gesagten das sprachliche Weltverhältnis aus einer doppelten Perspektive beschreiben: Das Verhältnis von Sprache und Welt ist ± naturalistisch gesehen ± selbst ein innerweltlich kausales, und dieses Verhältnis wird ± sprachphilosophisch gesehen ± zugleich sprachspielimmanent hergestellt. Die Naturalisierungs- und Kausalitätsthese war sodann mit einer Konzeption zusammenzudenken, die dem Sprachgebrauch in einer Sprachgemeinschaft und schließlich den sozialen Praktiken diskursiver Rechtfertigung einen autonomen Status gegenüber der vormenschlichen Natur zuspricht. Von hier aus wurde das kausale Weltverhältnis weiter bestimmt als reflexiv kausales Verhältnis der Sprecher zu einer im Sprachspiel sprachlich wie real determinierten Wirklichkeit. In diesem Zusammenhang habe ich bereits angedeutet, das sich als dieses Weltverhältnis das recht genau beschreiben lässt, was bei Adorno als der Zirkel der Identifikation diskursiven Denkens im Zentrum der Erkenntniskritik steht. Nun geht Rorty in der Naturalisierung der Sprache allerdings noch einen Schritt weiter, indem er sie in einen evolutionstheoretischen Zusammenhang stellt. Um die Konsequenz dieses Schritts zu verstehen, sind zwei bereits erwähnte Aspekte des Pragmatismus in Erinnerung zu rufen: der antiessentialistische Aspekt, demgemäß mit der Idee gebrochen wird, die Natur habe ein von ihrer

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sinnlichen Erscheinung unterschiedenes immanentes Wesen, das nur durch den menschlichen Geist erkannt werden kann, und der hiermit zusammenstimmende behavioristische Aspekt, der darin besteht, den Menschen als Naturwesen und dieses anhand seines Verhaltens zu verstehen. Auch sprachliche Äußerungen, wie sie sich auditiv oder visuell manifestieren, haben kein immanentes, spirituelles Wesen jenseits dieser Manifestation, durch das sie von anderen Äußerungen des Lebendigen, die als Naturphänomene betrachtet werden, sich fundamental unterscheiden. Daher lässt sich die Fähigkeit zu sprechen prinzipiell in eine evolutionsgeschichtliche Betrachtung integrieren. Im Pragmatismus Rortys wird daKHU GLH 7KHVH YHUWUHWHQ ÄGD‰ VLFK GLH (QWZLFNOXQJ GHV 6SUDFKYHUKDOWHQV ± also der sozialen Praktiken, die immer beweglichere Stimmbänder und Daumen brauchen, um längere und komplexere Reihen von Geräuschen und Krakeln hervorzubringen ± ohne weiteres mithilfe naturalistischer, darwinistischer Begriffe erNOlUHQOl‰W³ WF, 430). Weil das Sprechen nicht die Äußerung einer dem Sprechen vorausgehenden, für sich bestehenden Idealität ist, können das Erschließen eines Verhaltens als Sprachverhalten und das Erschließen des Sinns sprachlicher Äußerungen von den Menschen selbst überhaupt nur in der wechselseitigen Interpretation und Aneignung ihres Verhaltens zueinander und in Bezug zur Natur ihren Ausgangspunkt haben; ein Verhalten, das sich vom interaktiven Verhalten anderer Naturwesen vor allem durch seine Komplexität und Vielseitigkeit unterscheidet, sich von ihm aber, um sinnhaft zu sein, keineswegs ontologisch unterscheiden muss. Es sind keine eingeborenen Ideen oder mentale Entitäten im menschlichen Subjekt, welche durch das Sprechen vom Inneren des einen Subjekts über die Erscheinungswelt der hör- und sichtbaren Sprache zum Inneren eines anderen Subjekts übermittelt werden: Der Chorismus von innen und außen, der zwangsläufig eine Metaphysik der Intersubjektivität nach sich zieht, bildet sich ± und das ist die Spitze der anticartesianischen Ausrichtung des Neopragmatismus und seine implizite These, die im nächsten Kapitel noch deutlicher werden wird ± erst vor dem Hintergrund sozialer Praktiken, bildet sich erst in Sprachspielen, in denen Sprachbenutzer sich das Innere, das Mentale, als nur ihnen je selbst zugängliche Welt wechselseitig propositional zuschreiben und es von allem öffentlich Zugänglichen abspalten. Ohne ein intersubjektives, sprachlich vermitteltes Anerkennungsverhältnis bildet sich keine Egoität, die sich von der öffentlich zugänglichen Wirklichkeit sodann wiederum selbst ausnimmt. Gegen den erkenntnismetaphysischen Ausgang vom Einzelsubjekt wird die Fähigkeit der Sprachbenutzer, wird die Bildung sprachlichen Sinns, diskursiven Denkens und dessen, was als Wissen sich aussagen lässt, im Pragmatismus Rortys ganz von der zwischenmenschlichen Interaktion her verstanden: von dem Menschen als interaktiv sich verhaltendes Naturwesen. Denn das Verhalten ist genuin dasjenige, was als das Nachahmbare, Voraussagbare und schließlich Interpretierbare den Menschen voreinander manifest ist. Man wüsste auch nicht, wo hinein überhaupt die Menschen mit einer Art supraspirituellem Blick schauen sollten, um die Gedanken anderer Menschen erkennen zu können, welche der Spra-

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che allererst Sinn verleihen. Das Sprachverhalten ist dagegen ein in der Interaktion erworbenes, hochkomplexes Verhalten, das komplexe Bezüge und Handlungen im Verhältnis der Menschen zueinander und zur Natur ermöglicht. Es ist ein Verhalten, das qua Nachahmung und Eingewöhnung in eine Lebensform sich herausbildet, die es wiederum reproduziert. (Zu bemerken ist, worauf ich im neunten Kapitel zurückkommen werde, dass merkwürdigerweise die Nachahmung in Rortys Pragmatismus keine konzeptionelle Rolle spielt.) Folgt man der Argumentation für die Versprachlichung des begrifflichen Denkens und erläutert man Sprache verhaltenstheoretisch, so verliert der Verhaltensbegriff auch für das Verständnis der hochentwickelten Fähigkeit, einen komplexen Gedanken formulieren zu können, nicht seine Zuständigkeit. Es wäre allerdings ein behavioristisches Missverständnis reduktionistischer Art, um nicht zu sagen eine Primitivierung des Naturalismus zu meinen, es ginge darum, etwa leibliche Verhaltenskorrelate zu Gedanken angeben zu können und zu müssen oder gar leibhafte Verhaltensäußerungen unmittelbar als Denken zu bezeichnen. Entscheidend ist, dass das Formulieren von Aussagen und das Haben von propositionalen Einstellungen als eine Verhaltensweise verstanden wird, die von anderen Verhaltensweisen der Naturwesen durch keinen ontologischen Hiatus getrennt ist. Dem kann freilich eine platonische Konzeption nicht zustimmen, die sprachlichen Sinn immer schon als Ausdruck von ursprünglichem Geist als etwas Nichtnatürlichem EHWUDFKWHW Ä:LH HV JHNRPPHQ LVW GD‰ 6LQQ HLQH (LJHQVFKDIW EHVWLPPWHU 5HLKHQ YRQ .UDNHOQ XQG *HUlXVFKHQ GDUVWHOOW³ LVW IU 5RUW\ ÄHEHnsowenig rätselhaft wie der Vorgang, durch den die Tischhaftigkeit zu einer EiJHQVFKDIW EHVWLPPWHU 0ROHNOPHQJHQ JHZRUGHQ LVW³ WF, 430). Das will besagen, dass es hier keinen ontologischen Graben zu überbrücken gibt, als gehöre der Tisch einer anderen Welt an als die Moleküle ± beziehungsweise als etwas mit den definierten Eigenschaften von Molekülen ±, in die ihn die Naturwissenschaft ihrer Theorie zufolge zerlegen kann; oder als inkarniere sich wie der Geist aus einer unkörperlichen Welt im menschlichen Körper so der sprachliche Sinn aus einer anderen Welt als derjenigen, in der eine blaue Tinte auf weißem Papier verteilt ist, in der menschlichen Schrift. Und ebenso wenig sind die sprachlichen 3UDNWLNHQYRQDQGHUHQ3UDNWLNHQZLHHWZDYRQÄ3UDNWLNHQGHV2UWVZHFKVHOVXQG des WinterVFKODIV³ WF, 430), fundamental unterschieden. Der epistemologisch relevante Einschnitt in der Naturgeschichte des Lebendigen findet in Rortys naturalistischer Konzeption nicht zwischen den Tieren ohne Bewusstsein und dem Menschen mit einem Bewusstsein statt, während in mentalistischen Konzeptionen der Sprachgebrauch üblicherweise lediglich als ein Indiz für das Haben oder Nichthaben eines Bewusstseins angesehen wird (und der Mensch in der Reihe der Evolution die herausragende Kreatur ist, welche die bewusstlosen und also ahnungslosen Tiere zu seiner eigenen Erhaltung und im Unterschied zu ihnen nun bewusstermaßen verzehren kann). Vielmehr besteht dieser Einschnitt in der Herausbildung der Sprache, mit der sich der Übergang vom Nichtpropositionalen zum Propositionalen vollzieht, der satzbezogenen Ein-

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stellung, die wir selbst haben, die uns von anderen zugeschrieben wird und die wir auch anderen zuschreiben. Was ± fasst man den Sprachbegriff entsprechend weit als eine Praktik, über die auch Tiere verfügen können, wenn etwa ein Vogel Lock- oder Warnrufe von sich gibt ± das Spezifische des Sprachverhaltens im engeren Sinne der menschlichen Sprache sein dürfte, das ist die Fähigkeit, auf GHQ 6SUDFKJHEUDXFK PHWDVSUDFKOLFK %H]XJ QHKPHQ ]X N|QQHQ XQG Ä:|UWHU LQ intentionale KontexWHHLQ]XIJHQ³ YJOHE, 61). Entscheidend ist die Fähigkeit, HLQ ÄPHWDVSUDFKOLFKHV 9RNDEXODU ]XU %HVSUHFKXQJ XQG .ULWLN XQVHUHU RIIHQHQ VSUDFKOLFKHQ/HLVWXQJHQ³ WF, 183) gebrauchen zu können. 15 Die Frage ist demQDFK]XP%HLVSLHOÄZLHHLQ$XVGUXFNZLHÃEH]LHKWVLFKDXIµRGHUÃKDQGHOWYRQµ LQ*HEUDXFKJHNRPPHQLVW³ HEG 3UDNWLNHQYHUlQGHUQVLFKN|QQHQNRmplexer werden und wiederum höherstufigere Praktiken ermöglichen, die als solche freilich nicht auf weniger komplexe reduzierbar sind, ohne doch einen Bruch mit der phänomenalen Welt aufzuweisen. So wird zum Beispiel niemand meinen, dass wir zur Erklärung der gesellschaftlichen Praktik, durch die Kapitalströme um den Erdball zirkulieren und monetäre Derivate gebildet werden, eine eigene ätherische Realität postulieren müssen, um ihrem ± gewiss gewaltigen ± Unterschied zu den Praktiken des einfachen Naturalientausches gerecht zu werden. Die sprachtheoretische Frage, die auf nichts Ominöses und Geheimnisvolles abzielt, ist demnach, wie Menschen evolutionsgeschichtlich die sprachliche Fähigkeit HUZRUEHQ KDEHQ 6lW]H ]X IRUPXOLHUHQ ZLH ÄImmer wenn Kunze von Hinze als Tolpatsch beschimpft wurde, meinte Hinze, Kunze sei eine Person ohne Umsicht XQG )HLQJHIKO³ ZLH VLH DOVR GLH )lKLJNHLW HUZRUEHQ KDEHQ über die Verwendung von Äußerungen zu sprechen, so dass sie schließlich die Wortbedeutung erläutern und die Wortverwendung kontextgemäß alterieren, Sätze kritisieren oder ihnen zustimmen können. Zu sehen ist hier, dass der Gegenstandsbezug auch in Gestalt unseres Sprechens über unser Sprechen kein epistemologisches Problem aufwirft, vielmehr zum Funktionieren der Sprache gehört, Teil ihrer Einübung ist. Wir würden ein Wort nicht verstehen, wenn wir seine Verwendung in realen Kontexten, in denen wir auf die Wirklichkeit realiter bezogen sind, nicht erlernt hätten und also auch nicht erläutern könnten. Die evolutionstheoretische Bedeutung metasprachlicher Bezugnahme ist gewissermaßen nur die genealogische Seite dessen, worauf es Wittgenstein in methodischer Hinsicht bei der Versprachlichung begrifflichen Denkens ankommt, dass nämlich jemand, der einen Gedanken ausdrücken und sprachlichen Sinn verstehen will, in der Lage sein muss, nicht nur Wörter regelförmig zu verwenden, sondern die aus seiner Sicht richtige Verwendungsweise der Wörter auch mit anderen Wörtern zu erläutern.

15 Vgl. hierzu auch W. Sellars: Der Empirismus und die Philosophie des Geistes, Abschnitt 50.

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Rortys evolutionstheoretisches Sprachverständnis steht in direktem Zusammenhang mit Sellars¶ sogenanntem psychologischen Nominalismus.16 Der Ausgangspunkt dieses Nominalismus lässt sich mit der These formulieren, dass das Satzverstehen, das Verstehen geäußerter Sätze, diejenige Leistung darstellt, die auch für alles das sinnkonstituierend ist, was als das Mentale ± das Bewusstsein, darin mentale Entitäten, sinnliche Eindrücke, Wünsche und Absichten eine eigene Welt im Gegensatz zur sichtbaren darstellen ± die sprachliche Bedeutung erst zu fundieren scheint. Es ist also ein Nominalismus in Bezug auf die ÃPsycheµ, in Bezug auf Subjektivität und Bewusstsein. Was in der Bewusstseinsphilosophie der Neuzeit als Moment in einem Bewusstseinsleben gedacht wird, das erst noch seine sprachlich nach außen getragene, satzförmige Gestalt erhält, wird im psychologischen Nominalismus umgekehrt von der offen zugänglichen Sprachleistung her verstanden. Man kann unter diesem Ansatz den Versuch einer Versprachlichung des Bewusstseins verstehen, mit dessen Nachvollzug der Pragmatismus das Problem loswird, die Evolutionstheorie, an welcher die Philosophie der Neuzeit offenbar ebenso wenig vorbeikommt wie am Transzendentalismus, mit einer platonisch-cartesianischen Zweiweltenlehre vereinigen zu müssen und zu fragen: Wie konnte in der natürlichen Umwelt der Menschen so etwas ganz Anderes entstehen als Natur, nämlich Geist, Bewusstsein oder das Mentale, ein transzendentales Subjekt, durch das diese natürliche Umwelt im Bewusstsein repräsentiert und ideell erfasst wird? Um die Konzeption des psychologischen Nominalismus an einem einfachen Beispiel zu erläutern: Das gewöhnliche, unmittelbare Verständnis von dem, was ein Bedürfnis, zum Beispiel Hunger, ist, geht davon aus, dass der Hunger zwar organisch ausgelöst wird, als erfahrener und verstandener aber eine Entität ist, eine mentale Größe im Medium unseres Bewusstseins, durch das der organische Mangelzustand gleichsam in das Licht der Geistigkeit getaucht ist, so dass, wer Hunger verspürt, noch vor aller erworbenen Fähigkeit zur sprachlichen Äußerung weiß, was Hunger ist, weil er ein Bewusstsein vom Hunger hat. Die satzförmige ArtikulatiRQGHV+XQJHUVLQGHUbX‰HUXQJÃIch habe HXQJHUµ ist nur die Mitteilung des bewusstseinsimmanenten Wissens davon, Hunger zu haben. Vertritt man aber die These, dass dieses immanente Wissen erst von der Sprachfähigkeit herrührt, so bedeutet dies Folgendes: Erst dann, wenn wir auf den organischen Impuls hin den Satz ÃIFKKDEH+XQJHUµ formulieren können, weil wir in einem Sprachspiel und einer Lebensform gelernt haben, Hunger von Sättigung und anderen Gefühlen sprachlich zu unterscheiden und einen solchen Satz zu formulieren, können wir uns auch als dessen Urheber und damit als Subjekt des Hungers betrachten und kann uns dieser Satz bestätigend zugeschrieben werden ± kann anders gesagt Intentionalität entstehen, nämlich etwas zu einem bestimmten Zweck zu sagen und sich das Gesagte selbst zuzuschreiben. Um dies tun zu kön16 Im Spiegel der Natur äußert Rorty sich zum Nominalismus SellDUV¶insbesondere in Kapitel IV.3; vgl. auch WF, 182 ff.

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nen, muss das Gefühl des Hungers keine Entität in einem Bewusstsein darstellen. Es ist der kleine Hector, der den halben Tag nur Fußball gespielt und immer noch nichts gegessen hat, der von sich sagt, dass er Hunger hat, und indem er dies in passender Situation zu sagen gelernt hat, weiß er auch, was Hunger ist und dass er selbst es ist, der Hunger hat, und dass er soeben anderen gesagt hat, dass er Hunger hat. Ohne einen Satz formulieren, verstehen und sich oder anderen zuschreiben zu können, wüssten wir nicht, dass das, was wir haben, wenn der Magen knurrt, Hunger ist, unser je eigener Hunger ist. Kein Licht des Bewusstseins würde es uns unabhängig von dieser Fähigkeit, die wir erst als Teilnehmer einer Sprachgemeinschaft erwerben, im Innersten unseres Selbst erhellen. Wir hätten allein den Impuls, den höchstwahrscheinlich jedes leidensfähige Tier hat und auf den wir, wie auch das Tier, anders reagieren als auf das Gefühl der Sättigung; und ein ausgehungerter Mensch wird vielleicht, wie es in Hamsums Hunger beschrieben steht, einen kleinen Stein in den Mund stecken, um etwas auf der Zunge zu haben, ohne noch zusätzlich im Bewusstsein das zu haben, was ihn unmittelbar leibhaft quält. Ausgangspunkt ist im psychologischen Nominalismus nicht das Bewusstsein, sondern die offene Sprachleistung, kraft derer zuerst alles das satz- und damit verstehensförmig formuliert ist, was in der bewusstseinsphilosophischen Tradition als der selbstgegebene, unmittelbar gewusste Inhalt eines Bewusstseins den epistemologischen Ausgangspunkt bildet. Rorty braucht nun wiederum den Ansatz von Sellars nur sprachspielnominalistisch zu lesen und seinen eigenen Nominalismus nicht nur auf die gegenständliche Welt, sondern auf das Sprachsubjekt selbst zu beziehen, auf das cogito der neuzeitlichen Philosophie, um nicht nur den metaphysischen Wahrheitsbegriff der adaequatio, sondern auch die Idee einer Fundierung des Wissens im Subjekt für überholt halten zu können. (Das führt genau zu dem Ansatz des erkenntnistheoretischen Behaviorismus, der im vierten Kapitel näher besprochen werden wird.) Und damit ist fast der letzte wichtige Schritt getan, mit dem der Pragmatismus Rortys den platonisch geprägten Weg der abendländischen Philosophie und Metaphysik verlässt. Und zwar ohne den Preis des Szientismus und Positivismus zu zahlen, der lediglich die Metaphysik von vornherein tabuiert und dem Mentalen mit naturwissenschaftlichen Mitteln beizukommen trachtet, komplementär zur Problematik eines Transzendentalismus, der Natur nur auf der Grundlage des Geistes zu denken vermag. *HKWLQGHUREHQEHVFKULHEHQHQ:HLVHGLH %HZHJXQJ YRQÃDX‰HQµQDFKÃLnQHQµ, von der manifesten Sprachäußerung als einem leibgebundenen Verhalten und einer zugleich gesellschaftlichen Praktik zu dem, was in einem bewusstseinsimmanenten Denkakt jenseits der manifesten Sprachäußerung seinen Ursprung und Bestand haben soll, so bleibt auch die Fähigkeit, Gedanken formulieren zu können, nicht mehr von der natürlichen Evolution ausgenommen. Denn indem das, was die klassische, zumal die transzendentale Erkenntnistheorie der natürlichen Welt als rein mentales Vermögen kontrastiert, von dem pragmatischen Modell des komplexen Verhaltens und der sozialen Praktiken eingeholt werden

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kann, ist der theoretische Anschluss auch der Entwicklung epistemischer Fähigkeiten an die natürliche Evolution möglich geworden. Für diesen Anschluss bedarf es keiner szientistischen Metaphysik, die neurowissenschaftlich erklären will, was da im Organ nDPHQV*HKLUQ SDVVLHUWZHQQMHPDQG ÄLFK³VDJW Es beVWHKWQXQDQGHUVJHVDJWGLH0|JOLFKNHLWÄGLHNXOWXUHOOH(YROXWLRQPLWGHUELROoJLVFKHQ (YROXWLRQ ]X YHUNQSIHQ³ WF, 183), ohne deshalb ihre Unterschiede einzuebnen. Mit dieser Verknüpfung sind die sozialen Praktiken noch einmal anders in den Naturzusammenhang einbegriffen als dies im Hinblick auf die autonome Stellung des sozialen Raumes der Fall war, der selbst unter den Bedingungen der äußeren Natur steht, die gleichwohl nicht determinierend auf ihn einwirkt. Jetzt kommt Natur auch in einer für die neopragmatische Metakritik an den Epistemologien, die auf ein transhistorisches Wissen ausgerichtet sind, relevanten Weise ins Spiel. Um das zu verstehen, muss man sich das Evolutionsmodell und dessen Zusammenhang mit der nominalistischen Sprachphilosophie näher vor Augen führen. Die Sprachentwicklung ist im evolutionären Prozess der verhaltensmäßigen Anpassung der Menschen an die Natur eingebunden, weil das Sprechen selbst ein ± beziehungsweise das spezifisch menschliche ± Verhalten ist. Dem evolutionären Anpassungsprozess lässt sich freilich keine teleologische Perspektive abgewinnen, etwa auf eine vollkommene Angepasstheit hin. Dem deontologischen Ansatz des Neopragmatismus gemäß kommt für Rorty auch keine teleologische Betrachtungsweise der natürlichen Evolution in Frage. Der Neopragmatismus enthält sich einer Spekulation über ein immanentes Wesen der Natur, das als Naturgrund, Substanz oder Logos von ihrer manifesten Erscheinung unterschieden ist. Philosophisch wird am biologischen Evolutionsmodell für den Pragmatismus nun dies relevant, dass es eine Perspektive eröffnet sowohl jenseits des kausalmechanischen Naturbildes, das, wie es in der Dialektik der Aufklärung heißt, ÄQLFKWV1HXHVXQWHUGHU6RQQHNHQQW³ '$ DOVDXFKMHQVHLWVHLQHVWHOHRORJischen Modells, das nach Maßgabe immanenter Notwendigkeit auf die logisch rekonstruierbare Verwirklichung der vernunftbegabten Spezies Mensch hinausläuft. Eines ist dem mechanistischen und dem teleologischen Modell gemeinsam: In beiden Modellen ist der Zufall vom Zentrum der Naturbetrachtung ausgeschlossen. In diesem herrscht entweder das kausale oder das logische Gesetz. Was als Zufall erscheinen mag, rührt im einen Fall entweder von der Unkenntnis der Ursachen her, der kausalen Determination auf der Mikroebene, im anderen Fall ist der Zufall gegenüber der immanenten Logik sekundär, die sich früher oder später in den Phänomenen durchsetzt. Indem die organische Natur die Vorbereitung auf den Menschen hin ist, dieser als Naturwesen nur teleologisch die Vorbereitung auf die Erfassung des Logos hin, der zeitlosen Idee in ihrer inneren Notwendigkeit, ist der Logos auch schon immanent in der Natur wirksam, in ihrer zielbezogenen Entwicklungslogik. Im mechanistischen wie im teleologischen Modell der Natur ist die Natur darauf hin ausgelegt, dass über sie Aussagen von

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transhistorischer, keiner Revision mehr bedürftiger Gültigkeit möglich sind, soweit entweder ihre kausalen Gesetze oder ihre logischen Zusammenhänge mit diesen Aussagen einmal erfasst sind. Das Zufällige als solches widerstreitet der Idee einer zeitlosen Wahrheit. Es indiziert einen Mangel entweder der Erkenntnis oder der Wirklichkeit, die sich noch nicht weit genug aus dem Chaos herausentwickelt hat. Kontingenz besteht immer nur innerhalb eines natürlichen oder göttOLFKHQ Ã3ODQVµ DOV XPIDVVHQGH (LJHQDUW GHU 1DWXU NRPPW VLH QLFKW LQ %HWUDFKW Diese Marginalisierung des Zufälligen kann aber eine deontologische NaturbeWUDFKWXQJGLHDXIGLH1DWXU ÄRKQH 6XEVWDQ] XQG:HVHQ³ JHKWQLFKW EHVWlWLJHQ Und es ist nun gerade das Modell der natürlichen Evolution, das sich allein auf die manifesten Erscheinungen bezieht, nach dem sich Kausalität und Zufälligkeit bei der Entstehung des Neuen nicht ausschließen. Ä'HQQVFKOLH‰OLFKNDQQVLFKDXFKLQHLQHU:HOWEOLQGHUzufälliger, mechanischer Kräfte etwas genuin Neues ereignen. Unter Neuartigkeit muß man sich nur etwas von derselben Art vorstellen wie das, was geschieht, wenn ein kosmischer Strahl die Atome in einem DNA-Molekül durcheinanderbringt und damit eine Entwicklung in Richtung Orchideen oder Menschenaffen in Gang setzt >«@³ .,6 43)

Das Zusammenwirken aller Naturmomente und -prozesse mit seinen unvorhersehbaren Resultaten folgt weder dem Gesetz der Wiederholung noch einem geschichtlichen Plan. Die Vielfältigkeit der natürlichen und kulturellen Erscheinungen, die Vielfältigkeit auch der biologischen und kulturellen Prozesse, die nicht vorherzusagen waren, verdanken sich einer Kontingenz, durch die sich die Geschichte der Natur und der Kultur im Ganzen auszeichnet, die Geschichte der Sprache inklusive. Das Kontingente ist das Unkonstruierbare, als welches Sprache und schließlich die kulturelle Entwicklung in Erscheinung tritt. Aus der Vogelperspektive eines evolutionsgeschichtlichen Rückblicks sind wachsende Vielfalt und Kontingenz Merkmale einer übergreifenden Natur, die sich keiner gedanklichen Geschichtskonstruktion erschließt, in keiner teleologischen Hierarchisierung aufgeht und sich als ein offener Prozess darstellt. 17 Das ermöglicht, die

17 Weil in dieser Untersuchung keine Ausweitung zu einer geschichtsphilosophischen Thematik vorgesehen ist, sei Folgendes nur angemerkt: Gerade dann, wenn man sich ohne metaphysische Spekulation an die Natur als Gegenstand der Erfahrung hält, kann man auch einen ganz anderen Weg einschlagen als den evolutionstheoretischen. Dann wird nicht das Entwicklungsmoment an der Natur relevant, sondern das Verfallsmoment, dann rückt nicht der Zufall und das Neue in den Mittelpunkt der Betrachtung, die einen Bogen von der Natur zur Kultur spannt, sondern der Verfall, die Vergänglichkeit, durch die sich die Natur in ihrer Geschichtlichkeit zeigt und die menschliche Geschichte in ihrer Naturhaftigkeit. Dann ist der philosophische Affekt nicht wie bei Rorty die Freude an der Einmaligkeit und Vielfalt, sondern die metaphysische Trauer über das Unwiederbringliche, die sich mit der Hoffnung auf Unsterblichkeit verbindet. Diese benjaminsche Sicht auf Natur und Kultur wäre mindestens als Korrektiv zu einem Naturalismus im Auge zu behalten, der die

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Ä*HVFKLFKWHYRQ6SUache und damit Kulturgeschichte so anzusehen, wie Darwin XQVGLH*HVFKLFKWHHLQHV.RUDOOHQULIIVDQ]XVHKHQOHKUWH³ .,6 41). Vokabulare, entsprechende Sprachspiele und somit schließlich die gesellschaftlichen Praktiken der Rechtfertigung von in Sätzen ausgedrückten Überzeugungen sind aus dieser Perspektive geschichtlich kontingent. Damit sind sprachliche Praktiken keineswegs unmittelbar durch andere ersetzbar, wenn die Rede von einer Evolution nicht ihres Sinns beraubt werden soll. Totaler Zufall von allem und jedem wäre schlichtes Chaos. Jedoch sind die sprachlichen Praktiken nicht mehr als transhistorische konstruierbar. Durch nichts ist ausgeschlossen, dass sie sich ändern ± dass eine unter den Bedingungen einer kontingent entstandenen Kultur und ihrer Sprachspiele formulierte Wahrheit vergehen kann wie das geozentrische Weltbild im Zeitalter der kopernikanischen Wende. Erst durch die vollständige Berücksichtigung der Kontingenz einer Lebensform und der ihr entsprechenden Sprache, in der wahre und falsche, als wahr gerechtfertigte und ungerechtfertigte Aussagen gemacht werden können, wird der platonische Wahrheitsbegriff einer zeitlosen Wahrheit unterminiert. Der Naturalismus ist der eigentliche Gegenpart zum Platonismus. Damit, dass gegen die Vorstellung einer transhistorischen Matrix unseres Wissens von der Natur die Kontingenz der sprachlichen Bedingungen eingeklagt wird, unter denen es wahre Aussagen überhaupt geben kann, ist nun der letzte Schritt in einen naturalistischen Sprachspielnominalismus getan, der sich vom metaphysischen Wahrheitsbegriff der adaequatio und einer zeitlosen Wahrheit sowie den transzendentalen und empirischen Erkenntnistheorien, welche transhistorische Erkenntnisbedingungen zu ermitteln versuchen, verabschiedet. Damit nun ist die Konzeption von Rortys Nominalismus mit ihren wahrheitstheoretischen Konsequenzen weitgehend aufgerollt worden. Um einige Stationen der Darstellung abschließend noch einmal kurz zu markieren: Ausgeführt wurde das Konzept des Nominalismus im Hinblick auf die inferentialistische Beschaffenheit sprachlicher Bedeutung und die Auflösung der referentiellen Frage nach dem ÃDing an sichµ; damit verbunden war bereits die Kritik am nicht epistemischen Wahrheitsbegriff. Spezifiziert wurde der inferentialistische Nominalismus als Sprachspielnominalismus, der die bedeutungsrelevante Verwicklung des Sprachgebrauchs in der realen sozialen Praxis reflektiert (wohingegen der traditionelle Nominalismus noch einer Namenstheorie der Bedeutung und damit einem referentialistischen Ansatz verhaftet ist). Sodann wurde im Zusammenhang mit der These des kausalen Weltverhältnisses als der Alternative zu einem repräsentationalen Verhältnis der naturalistische Charakter des Nominalismus, der bereits in der Versprachlichung des Begrifflichen angelegt war, weiter ausgeführt mit dem für die weitere Untersuchung wichtigen Resultat, dass dieses kausale Verhältnis menschliche Geschichte auf eine Weise darstellt, dass man dieser Geschichte, wie es bei Simmel heißt, nicht mehr das Leiden der Menschheit ansieht.

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reflexiver Art ist. Ein weiterer Schritt war die Naturalisierung der Sprache (und damit des versprachlichten diskursiven Denkens) über den Verhaltensbegriff. Hieran schloss sich die naturalistische Einbeziehung der Sprache in den Kontext der Evolutionstheorie an. Eine kurze Erörterung des psychologischen Nominalismus, dessen besondere Bedeutung konzeptionell dort zu verorten ist, wo es um die Versprachlichung des Bewusstseins geht, sollte darauf hinweisen, dass nach dem neopragmatistischen Modell alle epistemischen Leistungen sich evolutionstheoretisch als sprachliche Fähigkeiten, die wiederum metasprachlich eingeholt werden können, interpretieren lassen. Rein mentale Vollzüge, die traditionellerweise einer naturalistischen Sicht unzugänglich sein sollen, lassen sich aus pragmatistischer Sicht ebenso als offene Sprachleistung beschreiben. Abschließend wurde die Bedeutung einer die Natur und Sprache umfassenden, evolutionsgeschichtlichen Kontingenz herausgestellt, die der Idee einer zeitlosen Wahrheit, mit welcher der für den Pragmatismus zentrale Begriff der gerechtfertigten Überzeugung kontrastiert, entgegensteht. Die evolutionstheoretische Perspektive stützt die wichtige These des Neopragmatismus, dass es kein transhistorisches Wissen gibt, kein Wissen, das nicht korrigierbar wäre. Stattdessen gibt es Rechtfertigungen von Wissensansprüchen, die jederzeit von besseren Rechtfertigungen widerlegt werden können. Das, was als unanzweifelbares Wissen in den Erkenntnistheorien eine zentrale, mitunter erkenntnisfundierende Rolle spielt, muss sich daher zumindest anders interpretieren lassen denn als Ausdruck der adaequatio mit der äußeren oder inneren Realität der Subjekte. Es muss so interpretiert werden können, dass die Konzeption, in der das Sprachverhalten den Ausgangspunkt der Erklärung epistemischer Fähigkeiten bildet, nicht zurückgenommen werden muss, zugleich aber die autonome soziale Dimension so weit in den Vordergrund gerät, dass dem Anspruch der Sprachbenutzer auf epistemische Autorität, kraft derer sie als das Subjekt auftreten, das sich eine zweifellose Gewissheit zuschreibt, Rechnung getragen werden kann. Die neuzeitliche Hinwendung der Philosophie auf das Subjekt der Erkenntnis versprach, den erkenntnistheoretischen Skeptizismus in die Schranken weisen zu können, weil das Unmittelbarkeitsverhältnis, welches das Erkenntnissubjekt zu sich selbst hat (oder ein jeweiliges Bewusstsein zu seinen Inhalten), die Dimension eines unbezweifelbaren und nichtdiskursiven Wissens eröffnet: die des cartesianischen cogito als eines Forschungsbereichs der Philosophie. Seither ist aller Naturalismus dem Vorwurf des Reduktionismus ausgesetzt, der von diesem intuitiven und unmittelbaren Wissen nichts wissen will. Die einfache Frage, die der Neopragmatismus in Anbetracht seines rein diskursiven Wahrheitsbegriffs und seines Naturalismus jetzt beantworten muss, ist die Frage danach, was hinter der unumstößlichen Gewissheit des (cartesianischen) Subjekts steckt, die immer wieder gegen die These gewendet wird, dass alles Wissen fallibel sei. Eine Antwort hierauf wird mit dem Modell des erkenntnistheoretischen Behaviorismus von Rorty zu geben versucht, das im folgenden Kapitel näher betrachtet wird. Dieses Modell soll allerdings nicht nur auf den Cartesianismus eine Antwort ge-

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ben, sondern auch auf die Ansätze, die das unmittelbare, nichtdiskursive, direkte Wissen, statt es an Entitäten in der Immanenz des Bewusstseins festzumachen, empiristisch auf die unmittelbar sinnliche Anschauung eines Bewusstseins beziehen. In beiden Fällen ± darauf wird es ankommen ± liegt die epistemische Autorität, die allein entscheidet, was wahr und was falsch ist, beim Einzelbewusstsein, dem etwas unmittelbar gegeben ist und das auf diese Weise über etwas Gewissheit hat. Diese Autorität soll gestürzt werden.

4. Erkenntnistheoreti scher Behavi ori smus

Die Wahrheiten, von denen Moore sagt, er wisse sie, sind solche, die, beiläufig gesprochen, wir Alle wissen, wenn er sie weiß. Ludwig Wittgenstein

:DV 5RUW\ DOV ÄHUNHQQWQLVWKHRUHWLVFKHQ %HKDYLRULVPXV³ EH]HLFKnet, bildet, zusammen mit seinem Sprachspielnominalismus und seinem Naturalismus, das Zentrum einer neopragmatischen Konzeption, die sich als striktes Gegenmodell zur fundierenden Philosophie versteht in ihrer Gestalt als Ontologie wie auch und vor allem als Erkenntnistheorie. Rortys Kritik an Letztere will nicht auf eine ÄIXQGLHUXQJVIHLQGOLFKH (LQVWHOOXQJ in [H.d.A.@ GHU (UNHQQWQLVWKHRULH³ :) 9) hinaus und sich lediglich gegen bestimmte erkenntnistheoretische Modelle richten, die mit einem starken Letztbegründungsanspruch auftreten. Indem Rorty gar nicht erst die erkenntnistheoretische Problematik zu seiner eigenen macht, da er die Idee einer Theorie des Erkennens aufgrund ihrer wahrheitstheoretischen und zur Fundierung verleitenden Voraussetzung, Wissen sei Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, als solche zur Kritik stellt, ist seine Kritik an der Erkenntnistheorie als Metakritik zu verstehen. Mit dieser verfolgt er zwei Strategien, durch die dem Objektbezug die wissenskonstitutive Rolle genommen werden soll. Die erste, antidualistische Strategie soll den ontologischen Graben zwischen Erkennendem und Gegenstand wieder zuschütten. Denn letztlich ist es der cartesianische Dualismus zwischen res cogitans und der ganz anders gearteten res extensa, anders gesagt: der Dualismus von Geist und Natur, durch den die Erkenntnistheorie vorvermittelt ist und den VLH ]X EHZlOWLJHQ YHUVXFKW DOV ÄGDV 6\VWHP GDV 6XEMHNW XQG 2EMHNW ZLHder zuVDPPHQEULQJW³ 61 130). Diese erste Strategie verfolgt Rorty in Gestalt der in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen inferentialistischen und naturalistischen Zuspitzung der linguistischen Wende. Mit ihr verschwindet das Ã'LQJ DQ

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VLFKµ besser gesagt seine epistemische Rolle, bestünde diese auch nur in der Grenzziehung des Erkennbaren, von der Bildfläche und damit ebenso der erkenntnistheoretische Dualismus, den selbst die kantische Konstitutionslehre weder abschaffen konnte noch wollte. Zudem wird die perzeptuelle Erkenntnisrelation konzeptionell von einer rein kausalen Relation zwischen Sprecher und Umwelt abgelöst und somit das Verhältnis von Subjekt und Welt in den Naturalismus hineingezogen. Die zweite Strategie der Metakritik an der Erkenntnistheorie besteht darin, anstelle des Realitätsbezuges den intersubjektiven Bezug als den epistemisch allein relevanten nachzuweisen. Für eine intersubjektive Auffassung des Wissens- und Wahrheitsbegriffs steht sodann der erkenntnistheoretische Behaviorismus. Holzschnittartig kann man die erste Strategie von Rortys Metakritik auch damit kennzeichnen, dass der ontologische Dualismus, welcher der klassischen Erkenntnisrelation von Subjekt und Objekt eignet, zugunsten eines naturalistischen Monismus aufgelöst werden soll. Schon der klassische Idealismus konnte die Erkenntnistheorie für ein überflüssiges Unternehmen halten, weil er den Dualismus, vergröbernd gesprochen, zur Seite des Geistes hin aufzulösen sich vorgenommen hatte und den Geist als das sich selbst und zugleich das die Natur, als sein Anderes, Übergreifende dachte. Bezieht sich begriffsidealistisch das Denken erkenntnisrelational auf etwas, das selbst begrifflicher Natur ist, bezieht es anders gesagt im Anderen sich immer schon und nur auf begriffliche Bestimmungen, so bedarf es keiner Theorie darüber, wie ein Erkenntnissubjekt und dessen Gegenstand erst noch zueinander kommen können. Der Naturalismus hingegen löst den Dualismus zur Seite der Natur hin auf. Man könnte sagen: So wie der Idealismus die Relation des Erkennenden zu seinem Gegenstand unter ontologisierenden Kategorien der Identität oder Nichtidentität beschreibt, so der Pragmatismus Rortys die Relation von Sprache und Welt unter der naturalisierenden Kategorie der Kausalität. Der Nominalismus geht nicht per se mit einem naturalistischen Monismus einher, denn gerade ein Nominalist könnte ebenso ein Skeptizist sein und wegen des Umstandes, dass durch Sprache alles Nichtsprachliche nur äußerlich bestimmt wird und dessen immanente Natur daher im Dunkeln bleibt, einen Dualismus verfechten. Deshalb muss Rorty vorab eine ± in einer Wendung Adornos gesprochen ± Ä2QWRORJLH GHV 1LFKWRQWRORJLVFKHQ³ NRQVWUXLHUHQ GL HLQH Ä:HOW RKQH 6XEVWDQ] XQG :HVHQ³ LQ GHU IU GDV :LVVHQ Vubstantiell nur das an den Dingen ist, was sie in einer sprachlichen Verknüpfung sind (vgl. HE, 64), und in der jede Verknüpfung eine kausale ist. Dieser Naturalismus ist nicht nur eine Beschreibungsweise neben möglichen anderen, kraft derer alles in einem kausalen Netz miteinander verknüpft wird, sondern Sprache selbst, das Vehikel allen Beschreibens, ist in einem solchen Netz mit der Welt verflochten, nämlich als ein in der Evolutionsgeschichte auftretendes, spezifisches Werkzeug des homo sapiens (vgl. HE, 60, 65).

ERKENNTNISTHEORETISCHER BEHAVIORISMUS | 183

Ä'HQQGHU8UVSUXQJGHU6SUDFKHOl‰WVLFK± im Gegensatz zum Ursprung des Bewußtseins oder zu eLQHU)lKLJNHLWQDPHQVÃ9HUQXQIWµ, die das innere Wesen der Dinge zu erfassen vermag ± mit Hilfe naturalistischer Begriffe verstehen. Wir können eine, wie LoFNHVDJWÃVFKOLFKWHKLVWRULVFKH'DUVWHOOXQJµ geben, aus der hervorgeht, wie es dazu gekommen ist, daß die Tiere zu sprechen begonnen haben. Dagegen sind wir außerstande, durch eine schlichte, historische Darstellung zu erklären, wie es gekommen ist, daß sie, anstatt die Realität zu meistern, angefangen haben, sie zu repräsentieren, und noch weniger sind wir imstande zu erklären, wie sie ihre bloß phänomenale Wesensart eingebüßt und begonnen haben, die phänomenale Welt zu konstituieUHQ>«@³ +(

Damit Rorty seinen Monismus ± welcher der Idee einer Erkenntnistheorie von vornherein den Boden entziehen soll ± auch gegen den Mentalismus verteidigen kann, muss gleich zu Beginn von Der Spiegel der Natur das Mentale als etwas QDFKJHZLHVHQZHUGHQGDVDOVÄXQVHUHJOlVHUQH1DWXU³LQHLQHPEHVWLPPWHQNXlturellen Sprachspiel erfunden wurde. Die bewusstseinsphilosophische Begrifflichkeit, die von der Erkenntnistheorie vorausgesetzt wird, versucht der erste Teil dieser Schrift dementsprechend in groben Zügen als mentalistisches Sprachspiel genealogisch nachzuzeichnen. Diesen Teil habe ich bisher nicht behandelt. Er stellt im Wesentlichen eine Kritik an der cartesianischen Ontologie dar, welche wegbereitend für die Erkenntnistheorie in ihrer lockeschen und kantischen Gestalt war. Weil die naturalistischen und monistischen Implikationen des Nominalismus Rortys nicht schon mit seiner Metaphysik- und Mentalismuskritik deutlich werden können, bin ich bisher nicht Rortys eigenem Vorgehen gefolgt und habe nicht seine Kritik referiert, die er an mentalistischen Modellen übt und an die sich im Spiegel der Natur die Entwicklung des erkenntnistheoretischen Behaviorismus anschließt, sondern ich habe in einem direkten Schritt versucht, die Einsichten zu entwickeln, die Rorty von Wittgenstein übernimmt und die in der Versprachlichung des begrifflichen Denkens liegen, und sodann zu verstehen versucht, wie sich durch den weiteren Schritt der Naturalisierung der Sprache bei Rorty der Monismus herstellt. Für die Nivellierung der ontologischen Unterscheidung von Geist und Natur scheint mir weniger der sprachspielnominalistische Nachweisversuch interessant zu sein, dass es ein ontologisch von der Natur getrenntes Reich QDPHQV Ã*HLVWµ Ã0HQWDOHVµ ÃUHV FRJLWDQVµ JDU QLFKW JLEW DXFK wenn diese Ausdrücke in epistemischen Sprachspielen eine große Rolle spielen, als vielmehr die weniger expliziten Schritte, die das Denken versprachlichen und Sprache wiederum unter eine naturalistische Beschreibung bringen. Während die erste Strategie einer Metakritik an der Erkenntnistheorie primär darauf abzielt, auf sprachnaturalistische wie auch sprachspielnominalistische Weise die dualistischen Voraussetzungen der Erkenntnistheorie zu unterlaufen, verfolgt die zweite das Ziel, die monologischen Voraussetzungen der Erkenntnistheorie außer Kraft zu setzen. Und diese Strategie, die von der ersten wesentlich gestärkt wird, führt erst zu dem Modell des erkenntnistheoretischen Behaviorismus, in dem sowohl die Suche nach unzerstörbarer Gewissheit als auch der kor-

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respondenztheoretische Wahrheitsbegriff keine Rolle mehr spielen. Der Anschluss der normativen Dimension der Rechtfertigung an den Naturalismus wird mit dem erkenntnistheoretischen Behaviorismus dadurch möglich, dass ÄJUXQdOHJHQGH HSLVWHPLVFKH %HJULIIH LQ GHU 7HUPLQRORJLH YRQ 9HUKDOWHQ HUNOlUW³ ZHrden (SN, 195). Damit wird an der Einsicht festgehalten, dass, wie in anderem Zusammenhang bereits betont wurde, Sprechen als eine offene Leistung manifest ist. Hierauf zielte bereits die Naturalisierung der Sprache, die in Wittgensteins Kritik an der konventionellen Vorstellung angelegt ist, Denken sei das, was sich im Kopf ereignet, und zusätzlich zu diesem Ereignis, wie auch substantiell getrennt von ihm, schrieben wir etwa mit einem Stift einen Satz auf das Papier, der das Ereignis, man kann sich zwar nicht vorstellen wie, enthalten soll. Denken im Kopf mögen wir uns noch vorstellen können, doch einen Gedanken in der Tinte zu suchen erscheint noch aussichtsloser als ein Spaziergang durch ein menschliches Gehirn. Rorty geht es freilich nicht um eine naturalistische Reduktion der Epistemologie. Entscheidend ist für den von ihm favorisierten Behaviorismus der gesellschaftliche Aspekt des Wissens und der Wissensansprüche, allerdings wird hierfür die erörterte Naturalisierung der Sprache vorausgesetzt. Beim erkenntnistheoretischen Behaviorismus geht es also nicht um eine Naturalisierung des Erkenntnisbegriffs, sondern vielmehr um dessen ÃSoziologisierungµ mit der Frage: Ä.|QQHQZLUGLH8QWHUVXFKXQJÃGHU1DWXUGHUPHQVFKOLFKHQ(rkenntnisµ als eine Untersuchung gewisser menschlicher Interaktionsweisen betrachten, oder bedarf es eines ontologischen Fundaments (einer spezifisch philosophischen Beschreibung menschlicher Wesen "³ 61 196). Es geht also nicht etwa darum, innere, mentale Operationen, die angeblich keiner Beobachterperspektive zugänglich sein sollen, in beobachtbare Verhaltensdispositionen zu übersetzen oder gar auf]XO|VHQ HV JHKW 5RUW\ QLFKW XP ÄEHKDYLRULVWLVFKH Ã$QDO\VHQµ von WissensanVSUFKHQ RGHU PHQWDOHQ =XVWlQGHQ³ GHU ÄHUNHQQWQLVWKHRUHWLVFKH %HKDYLRULsmus >«@ KDW QLFKWV PLW :DWVRQ XQG 5\OH ]X WXQ³ SN, 197).1 Vor dem Hintergrund von Rortys Sprachspielnominalismus aber bietet der erkenntnistheoretische Behaviorismus die Möglichkeit, epistemologische Kategorien, allen voran die der Gewissheit, statt sie anhand der monologischen Relation von Einzelbewusstsein und Gegenstand oder Sprachsubjekt und Welt zu erklären, anhand der Relation von sich zueinander verhaltenden Sprachbenutzern zu verstehen. Wenn das Konzept des Sprachspielnominalismus zeigt, wie der Erwerb der Fähigkeit, sinnvolle Sätze formulieren zu können, vom offenen Sprachverhalten seinen Ausgang nimmt und nicht von vorsprachlichen Wissensinhalten, die wir wiederum in 1

Den grundlegenden Fehler dieses logischen Behaviorismus sieht Rorty (vgl. SN, 121 f.) darin, dass dieser davon ausgeht, die Beschreibung des Verhaltens als physisches Geschehen könne per se beanspruchen, was der Rekurs eines Subjekts auf seine mentalen Zustände zu Unrecht beansprucht: ein direktes Wissen zu haben, ein dem Bewusstsein unmittelbar präsentes Wissensobjekt ausweisen zu können, nämlich das physische Verhalten selbst. Er bleibt damit dem Repräsentationalismus verhaftet.

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Sprache zu übersetzen gelernt haben, dann entwickelt der erkenntnistheoretische Behaviorismus die epistemologischen Konsequenzen dieser linguistischen EinVLFKW XQG ]ZDU ELV KLQ ]XU $XIO|VXQJ GHV 2UWHV ÄMHQVHLWV GHU +\SRWKHVHQ³ ELV hin zur antiessentialistischen Interpretation unzerbrechlichen Wissens. Im Folgenden möchte ich den erkenntnistheoretischen Behaviorismus von seinen zentralen intersubjektivitätstheoretischen Thesen her verstehen und diskutieren. Geht man der Frage nach, was es heißt, dass wahrheits- und wissensrelevant nicht das Verhältnis eines Erkenntnissubjekts zu ± intramentalen oder extramentalen ± Gegenständen, sondern allein das Verhältnis der Subjekte zueinander ist, lässt sich absehen, wie eine Metakritik der Erkenntnistheorie weiterhin aussehen wird, die sich gegen deren Versuch wendet, Wissen in einem Unmittelbaren des Bewusstseins zu fundieren und ein Modell fU GLH Ä5HODWLRQ ]ZLVFKHQ %HZX‰tsein und Bedeutung, Bewußtsein und unmittelbaren Bewußtseinsdaten [«], Denken und Sprache, BewußWVHLQ XQG *HKLUQ XVI³ 61 196) zu entwickeln. Wichtig im Zusammenhang mit der Kritik an der monologisch angelegten Erkenntnistheorie ist am von Rorty vertretenen Behaviorismus, dass erst mit diesem der logische Raum des Begründens eine dialogische Deutung erhält. Dieser Aspekt ist wichtig, wenn man bedenkt, dass zahlreiche Einwände gegen die fundierende Erkenntnistheorie sich auch unter monologischen Voraussetzungen formulieren lassen. So kann man den Dualismus der Erkenntnistheorie unterlaufen, indem man aufzeigt, dass alles Erkennbare begrifflicher oder sprachlicher Natur ist, dass anders gesagt alles immer schon begrifflich oder sprachlich vermittelt ist. Man kann zudem an die relevante These der linguistischen Wende anknüpfen und einer gegenstandstheoretischen Wahrheitsauffassung damit begegnen, dass nur Sätze wahr sein können und dass das Bewusstsein, da auch nur Sätze verstanden werden können, im Satzverstehen aufgeht. Man kann schließlich wie Rorty an die Stelle der Relation von Bewusstsein und Gegenstand oder Satz und Sachverhalt die nicht objekt- oder sachverhaltsbezogene Relation von Personen zu Propositionen setzen als die wissensrelevante Beziehung, und damit einen repräsentationalen Wahrheitsbegriff verabschieden.2 Statt dass Wissen sich auf die 2

+LHUDXI OlXIW GLH .DQWNULWLN 5RUW\V KLQDXV Ä:lUH GDV Ã(UNHQQWQLVSUREOHPµ in der Begrifflichkeit von Relationen zwischen Propositionen und ihrem Gewissheitsgrad formuliert worden, statt in der Begrifflichkeit vermeintlicher Komponenten von Propositionen [d.i. Begriff und Anschauung ± d.A.] ± wir wären vermutlich nicht mit unsereU KHXWLJHQ 9RUVWHOOXQJ YRQ GHU ÃGeschichte der PhilosopKLHµ JHERUHQ worden³ 61 167). Wäre ODXW5RUW\.DQW]XGHU(LQVLFKWIRUWJHVFKULWWHQÄ(UNHQntnis als eine Relation zwischen Personen und Propositionen aufzufassen, so hätte er den Synthesisbegriff QLFKW EHQ|WLJW³ 61 171). ± Die philosophische Konzeption, die ein Erkenntnismodell, nach welchem Wissen in einem erkenntnisrelationalen Bezug zu Gegenständen gründet, durch ein solches Modell ersetzen will, das Wissen als einen Bezug des Wissenden zu Wissensinhalten auffasst, seien es Propositionen oder Begriffe, ist relevant auch für den deutschen Idealismus als einer nachkantischen Philosophie. Deshalb wäre die Auffassung Rortys, Wissen indiziere eine

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direkte Bekanntschaft mit Gegenständen bezieht, drückt es dann eine bestimmte Einstellung einer Person zu Propositionen aus, die glaubt, meint, behauptet oder auch weiß, dass das Gletschereis des Großglockners begonnen hat, abzuschmelzen. In einem letzten Schritt kann man einen rein diskursiven Erkenntnisbegriff instradieren, der in der Herstellung der richtigen Inferenz von Propositionen aufgeht. Bis hier würde man der linguistischen Konstruktion gefolgt sein, die Rorty JHJHQ UHDOLVWLVFKH (UNHQQWQLVPRGHOOH PLW GHQ :RUWHQ IRUPXOLHUW Ä:LVVHQ N|nnen wir uns als eine Relation zu Propositionen denken, Rechtfertigung demnach als eine Relation zwischen den in Frage stehenden Propositionen und anderen Propositionen, aus denen die ersteren geIROJHUW ZHUGHQ N|QQHQ³ 61 178). Zudem kann, ja sollte man Rechtfertigung durchaus als einen sozialen Vorgang verstehen, bei dem sich ein Sprecher an ein Auditorium richtet, das die Rechtfertigung akzeptieren oder begründet ablehnen kann und in dem sich die Standards gelingender Rechtfertigung etablieren. Vor diesem Hintergrund sähe man sich vielleicht, wie Rorty, dazu legitimiert, die Vorstellung zu verabschieden, nach welcher unsere Erkenntnis in einem realen Äquivalent in der Realität gründet. Der monologische Charakter unseres Wissens aber bliebe auch in der bisherigen Konstruktion unangetastet. Er kehrt zunächst wieder in der Relation zwischen einer Person und den Propositionen, die für die Person ein sicheres Wissen verkörpern und von ihr kohärent verbunden werden können. Wie ein autonomes Erkenntnissubjekt über seine Bewusst-seinsinhalte und Verstandesbegriffe, so verfügt nun ein Sprecher über seine Propositionen und über die Grammatik der Sprache, in der er sich verständigt. Warum also nicht die erkenntnistheoretische Frage stellen, wie diese Person zu ihren Propositionen kommt ± und zu ihnen hat sie unmittelbaren, täuschungssicheren Zugang wie der Cartesianer zu Entitäten im Bewusstsein ±, mit denen sie eine untrügliche Gewissheit verbindet, wie etwa mit der Aussage, dass alle Menschen sterblich sind, und vor allem, wie sie dazu kommt, Propositionen kohärent mit-einander zum Zwecke der Rechtfertigung zu verbinden? Warum sollten nicht Propositionen, mit denen der äußerste Grad an Gewissheit verbunden ist, mitsamt der sie verbindenden Logik Personen eingeboren sein wie dem Platoniker die Ideen? Eine verneinende Antwort hierauf kann Rorty mit dem erkenntnistheoretischen Behaviorismus geben, der das Wissen gleichsam entmonologisiert. Der erkenntnistheoretische Behaviorismus setzt den Hebel der Kritik an der Erkenntnistheorie dort an, wo diese mit Selbstverständlichkeit davon ausgeht, ÄHSLVWHPLVFKH $utorität könne gewissen Behauptungen aufgrund gewisser RelaRelation zu Propositionen, nicht so sehr unterschieden von dem idealistischen Verständnis eines Denkens der Begriffe von Gegenständen, wobei auch hier die Begriffe von vornherein nicht atomistisch verstanden werden, sondern in ihrem holistischen Zusammenhang, der Urteile und Schlüsse einschließt und in dem Begriffe erst ihren Gehalt haben. Der entscheidende Unterschied zum Idealismus besteht allerdings darin, dass dieser Holismus Ausdruck des Absoluten ist und nicht als holistisches Hintergrundwissen sozial generiert wird.

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WLRQHQGHUÃ%HNDQQWVFKDIWµ zwischen Personen und etwa Gedanken, Eindrücken, UniYHUVDOLHQXQG3URSRVLWLRQHQ]XNRPPHQ³ZRVLHGLHÄAutorität der Äußerung Ã$OOH 0HQVFKHQ VLQG /HEewesenµ RGHU Ã'LHV VLeht wie ein Tisch ausµ durch die vorgängige (interne, private, nichtsoziale) Autorität einer Kenntnis von Bedeutungen odeU YRQ 6LQQHVHLQGUFNHQ³ HUNOlUW 61 198). Hiergegen vertritt Rorty GLH3RVLWLRQGHVHUNHQQWQLVWKHRUHWLVFKHQ%HKDYLRULVPXVÄHSLstemische Autorität VHL MHGHU]HLW HLQH )XQNWLRQ YRQ VR]LDOHU 3UD[LV³ HEG  'LHV LVW keine Kritik daran, dass Sprachbenutzer unmittelbar auf die Bedeutung von Ausdrücken bezogen sind und wahrnehmende Sprachbenutzer auf Sinneseindrücke, die sie haben. Bestritten wird, dass dieser Bezug als der eines unvertretbaren Subjekts zu seinen Sinneseindrücken und seinem Bedeutungswissen die Grundlage dafür liefert, dass Äußerungen eine intersubjektive Gültigkeit erlangen und für den jeweiligen Sprecher den Status der GewissKHLW HUKDOWHQ ,VW ÄHSLVWHPLVFKH $XWRULWlW³ HLQH Ä)XQNWLRQVR]LDOHU3UD[LV³VRHUEULJWVLFKDXVGHU6LFKW5RUW\VHLQH(UNHQQWQLstheorie, die irrtümlich diese Autorität auf eine Relation der Bekanntschaft oder des unmittelbaren Vertrautseins von Personen mit intra- oder extramentalen Entitäten zurückführt. 'HU$XVGUXFNÄHSLVWHPLVFKH$XWRULWlW³ZLUGYRQ5RUW\QLFKWHLJHQVHUOlXWHUW fungiert jedoch als Schlüsselbegriff für einen theoretischen Ansatz, der die Relevanz des Objektbezuges, des Bezuges ]XÄ1LFKWSURSRVLWLRQHQ³ 61 181) für ein Verständnis des Erkenntnis- und Wahrheitsbegriffs zugunsten einer rein intersubjektiven Relation von Sprachbenutzern, die ihre Aussagen rechtfertigen und gegenseitig bestätigen, bestreitet. Betrachtet man den Verwendungskontext von ÄHSLVWHPLVFKHr $XWRULWlW³ LQ 5RUW\V $XVIKUXQJHQ ]XP %HKDYLRULVPXV VR Eezieht dieser Ausdruck sich nicht nur auf eine Instanz, die über die Wahrheit von Aussagen entscheidet, zum Beispiel ein einzelnes Erkenntnissubjekt oder eine Sprachgemeinschaft, sondern auch auf Aussagen selbst. Epistemische Autorität NDQQ ÄJHZLVVHQ %HKDXSWXQJHQ >«@ ]XNRPPHQ³ Gie sich dadurch auszeichnen, dass ihr Gehalt für Sprachbenutzer den Status einer Gewissheit hat. In der neuzeitlichen Philosophie wird seit dem Rationalismus zwischen empirischen Wahrheiten und Vernunftwahrheiten unterschieden, seit Kant zwischen hypothetischen und apodiktischen Aussagen und anhand dieser Unterscheidung das Terrain der Philosophie abgesteckt. Aussagen, die notwendig und allgemeingültig und daher gegen mögliche Revisionen geschützt sind, sind damit zugleich solche, bei denen sich der Erkennende nicht täuschen kann und mit denen er daher eine letzte, gegen den Skeptizismus immune Gewissheit verbindet. Deshalb hängt die Möglichkeit einer Metaphysik als Wissenschaft für Kant zugleich davon ab, ob sie in der Lage ist, synthetische Sätze a priori zu bilden und damit ein unanzweifelbares und nicht nur ein ± im pejorativen Sinne ± spekulatives Wissen zu verkörpern. Während rationalistische Ansätze eine strikte Unterscheidung in (begrifflich) notwendige und daher unbezweifelbare Aussagen auf der einen und nur empirisch-hypothetische Aussagen ohne letzte Gewissheit auf der anderen Seite vornehmen, setzt sich der Pragmatismus über diese PolarisierunJKLQZHJÄ:LUZHr-

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GHQDOVR]ZLVFKHQÃQRWZHQGLJHQµ XQGÃNRQWLQJHQWHQµ Wahrheiten keinen prinzipiellen Unterschied anerkennen, sondern höchstens einen Unterschied des Grades der Leichtigkeit, mit der man gegen unsere Meinungen Einwände erheEHQNDQQ³ (SN, 176). Der Pragmatismus kennt im Verhältnis der Sprecher zu Propositionen QXU Ä*HZL‰KHLWVJUDGH³ 61 167). Er stellt sich mit Wittgenstein die Frage: Ä:LHZHQQ PDQLQ0RRUHV6lW]HQÃLFKZHL‰µGXUFKÃLFKELQGHUXQHUVFKWWHUOiFKHQ hEHU]HXJXQJµ HUVHW]W"³3 Denn weil die Wahrheit von Aussagen dergestalt subjektiv bestimmt ist, dass diese immer nur für wahr gehalten werden können XQG]XGHPÃZDKUµDOVHLQQRUPDWLYHV$WWULEXWLP+LQEOLFNDXIHLQH(PSIHKOXQJ fungiert, kann keine Aussage sich hiervon in der Weise abheben, dass sie in einem strengen Sinne wahr ist. Für einen subjektphilosophisch rationalistischen Ansatz aber müssen bestimmte Aussagen aufgrund einer fundamentalen Alternativlosigkeit wahr sein. Sie drücken einen Gedanken aus, der anders gar nicht gedacht werden kann und deshalb niemals falsch wird, deshalb werden sie nicht nur für wahr gehalten, sie sind es. Wenn aber nun der erkenntnistheoretische Behaviorismus ± ÄGHQPDQDXFKHLQIDFKÃ3UDJPDWLVPXVµQHQQHQN|QQWH³ 61 197) ± alle Aussagen unterschiedslos so behandelt, dass ein Sprecher sie für wahr halten und sie mit mehr oder weniger Sicherheit für wahr halten kann, so muss er auch die Aussagen mit umfassen, die nach rationalistischem Verständnis apodiktisch sind. Er muss ihren apodiktischen Charakter, den höchsten Grad der Gewissheit, erklären, ohne ihn auf die Erkenntnis eines Sachhaltigen zurückführen zu dürfen. Ä(SLVWHPLVFKH $XWRULWlW³ EH]LHKW VLFK YRU GLHVHP +LQWHUJUXQG XQG LP HQJHUHQ Sinne auf das von niemandem in Zweifel gezogene propositionale Wissen; sie meint den Aspekt des allgemeinen Fürwahrgehaltenwerdens von Aussagen und der Gewissheit, mit der sie vom je einzelnen Sprachbenutzer gemacht werden, die ± wie gesagt ± graduell variieren kann und bis zu Sätzen reicht, von denen jeder überzeugt ist, dass VLHÄPLW 6LFKHUKHLWZDKUVLQG³ 61 194). Auf Aussagen, denen eine besondere epistemische Autorität zukommt, da sie noch nie bestritten worden sind, können sich die Sprecher in ihren Rechtfertigungen zurückgreifend verlassen. Doch auch solche Aussagen bilden keine Talsohle für Letztbegründungen, sie bleiben für den Pragmatisten revidierbar. Diesen angesprochenen SUDJPDWLVWLVFKHQ +LQWHUJUXQG PXVV PDQ EHLP $XVGUXFN ÄHSLVWHPLVFKH $XWRUiWlW³EHUHLWV PLWGHQNHQ'LH(UNHQQWQLVWKHRULHNHQQWGLHVHQ $XVGUXFNQicht, weil unter ihren Voraussetzungen manche Aussagen objektiv wahr sind und sich von hypothetischen Aussagen streng unterscheiden. Erst wenn man Aussagen in letzter Instanz nur für wahr hält, kann man überhaupt die ÃAutoritätsfrageµ stellen. Mit dem AuVGUXFN ÄHSLVWHPLVFKH $XWRULWlW³ ZLOO5RUW\DOVRDXFKGDVWHUPinologisch einfangen, was für die abendländische Philosophie in ihrem rationalistischen Selbstverständnis von zentraler Bedeutung ist, nämlich die Idee einer notwendigen Wahrheit und unanzweifelbaren Gewissheit. Aussagen, die aus einer introspektiven Perspektive für ein je einzelnes Subjekt den Status einer 3

L. Wittgenstein: Über Gewißheit, Nr. 86, S. 137.

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unumstößlichen Gewissheit haben, zeigen ± zumindest für den erkenntnistheoretischen Behavioristen ± diesen Status zugleich als eine gesellschaftliche Eigenschaft dergestalt, dass sie von niemandem angezweifelt werden, dass anders gesagt alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft sie für wahr halten. Dieser gesellschaftliche Aspekt rückt in den Mittelpunkt der neopragmatischen Reflexion. Ä(SLVWHPLVFKH $XWRULWlW³ NDQQ DOVR HLQH $XVVDJH EHDQVSUXFKHQ die, betrachtet man sie in ihrem gesellschaftlichen Kontext, von allen bisher für wahr gehalten wird bzw. der bisher noch niemand widersprochen hat. Die Frage, die an dieser Stelle aufgeworfen werden kann und die der erkenntnistheoretische Behaviorismus neu und anders als empiristische und rationalistische Ansätze beantworten möchte, ist die nach der Erklärungsrichtung: ob nämlich der introspektive Charakter unanzweifelbarer Gewissheit Folge bzw. Ausdruck des gesellschaftlichen Charakters der entsprechenden Aussage ist oder ob umgekehrt dieser Charakter Folge oder Ausdruck davon ist, dass allen je einzelnen Erkenntnissubjekten etwas evident und unmittelbar präsent ist. Der erkenntnistheoretische Behaviorismus lässt sich so definieren, dass er in seiQHU (UNOlUXQJ ÄHSLVWHPLVFKHU $XWRULWlW³ YRP JHVHOOVFKDIWOLFKHQ &KDUDNWHU YRQ AusVDJHQDXVJHKWÄ5DWLRQDOLWlWXQGHSLVWHPLVFKH$XWRULWlWPLW%H]XJDXIGDV]X erklären, was die Gesellschaft uns sagen lässt, statt die umgekehrte Erklärung zu geben, ist das Wesentliche an einer Dewey und Wittgenstein gemeinsamen EinVWHOOXQJ GLH LFK ÃerkenntnistheoretiVFKHQ %HKDYLRULVPXVµ nennHQ ZHUGH³ (SN, 195). Die Gewissheit, die ein Sprecher mit seiner propositionalen Äußerung verbindet, ist nach diesem Ansatz Resultat der Erfahrung, dass ihm bisher noch nie widersprochen wurde. Aus der (behavioristischen) Perspektive auf eine Sprachgemeinschaft stellt sich das, was allen einzelnen Sprechern als unanzweifelbare Aussage erscheint, als ein Zug in einem gemeinsamen Sprachspiel dar, den man beherrschen muss, um am Sprachspiel teilzunehmen. Der einzelne Sprecher macht mit einer Aussage, mit der er eine unanzweifelbare Gewissheit verbindet, einen regelkonformen Zug in einem gemeinsamen Sprachspiel. Er verhält sich als Sprachbenutzer so, wie es von anderen Sprachbenutzern erwartet wird, und diese verhalten sich seinen Erwartungen gemäß. Hält man sich vor Augen, dass ± wie Wittgenstein gleich zu Beginn seiner Philosophischen Untersuchungen in Absetzung von einer Namenstheorie der Bedeutung darlegt ± für das Sprachverstehen die Einübung in den praxisverwobenen Gebrauch von Ausdrücken konstitutiv ist, der Spracherwerb zugleich die Einübung in eine Lebensform bedeutet, so ist die Erfahrung, dass bestimmten Äußerungen bisher nicht widersprochen wird, auf die der Pragmatismus die mit ihnen verbundene Gewissheit zurückführt, keine solche, die man erst als Sprachbenutzer und damit als Mitglied einer Sprachgemeinschaft macht. Sie ist vielmehr Bestandteil des Spracherwerbs. Erinnert man sich in diesem Zusammenhang an den Aspekt des Nominalismus Rortys, dass alles, wovon eine Person etwas weiß, sprachlicher Natur ist, und dass Wissen den Bezug von Sprechern zu Propositionen ausdrückt

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und nicht zu physischen oder psychischen Entitäten, dass zudem Sprache nicht einen medialen, sondern einen instrumentellen Bezug zur Umwelt ermöglicht, so wird klar, welche konstitutive Rolle der Pragmatismus der intersubjektiven Praxis von Sprachbenutzern für das zusprechen muss, was dem klassischen Erkenntnissubjekt als unrevidierbares Wissen dünkt und das seinem Verständnis nach Ausdruck einer unmittelbaren Vertrautheit mit Intramentalem oder einer notwendigen begrifflichen Wahrheit ist. Es geht also von vornherein nicht nur um die Erklärung der Art von Gewissheit, die sich nachträglich äußerer Zustimmung zu Aussagen seitens anderer Sprecher verdankt, sondern insbesondere auch um diskurstragende Hintergrundgewissheiten, die das Funktionieren einer Sprachgemeinschaft ermöglichen und nichts anderes als ein elementares Regelwissen der Sprachverwendung darstellen. Deshalb macht der erkenntnistheoretische BehaYLRULVPXV ÄJHOWHQG GD‰ ZLU YROOVWlQGLJ YHUVWHKHQ ZDUXP LQ HLQHP 6SUDFhspiel gewisse Spielzüge erfolgen, wenn wir über ein Verständnis der Regeln dieses SprachVSLHOV YHUIJHQ³ 61 195). Es ist dieser Behaviorismus, der die theoretischen Grundlagen für Rortys Kritik an der Fundamentalphilosophie in Gestalt der wissensfundierenden Erkenntnistheorie liefert. Wenn der erkenntnistheoretische Behaviorismus die innere Gewissheit über eine Aussage als Resultante menschlicher Interaktionsweise betrachtet, in welcher dieser Aussage nicht widersprochen wird, und diese Interaktion nicht umgekehrt aus der Gewissheit resultieren sieht, so sollte er ein Erklärungsmodell dafür anbieten können, wie es zu seinem prominentesten und polarsten Kontrahenten, der Epistemologie der Bewusstseinsphilosophie, überhaupt gekommen ist, die aus seiner Sicht einem Selbstmissverständnis aufsitzt, indem sie den Weg geht, Wissen in einem Unmittelbaren im Bewusstsein oder des Bewusstseins, dieser nach Rorty ÄJOlVHUQHQ1DWXU³]XIXQGLHUHQ'HUHUVWH7HLOYRQ Der Spiegel der Natur beschäftigt sich mit der Begriffsbildung des ÃMHQWDOHQµ seit der Antike und dessen neuer epistemologischer Rolle im Cartesianismus. Erzählt wird zugleich GLH Ä(UILQGXQJ GHV 0HQWDOHQ³ DOV GLH 9RUJHVFKLFKWH GHU (UNHQQWQLVWKHorie, wie sie schließlich von Locke und Kant erstmals vollständig entwickelt wurde. Mit MHQHUÄ(UILQGXQJ³PLWder cartesianischen Fassung einer res cogitans ist die Voraussetzung dafür geschaffen, dass GDV 0HQWDOH VLFK DOV HLQH ÄJHVFKORVVHQH )RrVFKXQJVGLPHQVLRQ³ 61 144) etablieren kann, dessen Untersuchung Aufschluss über das Funktionieren und die Reichweite des Erkennens geben soll. Im folgenden Zusammenhang möchte ich mich auf Rortys Kritik am Mentalismus nur so weit einlassen, wie sie einen Anwendungsfall des Erklärungsmodells epistemischer Autorität nach dem erkenntnistheoretischen Behaviorismus darstellt, der zum Ziel hat, das, worin die neuzeitliche Erkenntnistheorie das Wissen fundiert, nämlich ein dem Bewusstsein unmittelbar Zugängliches (und je nach theoretischem Ansatz gibt es hierfür unterschiedliche Kandidaten), als zur Fundierung untauglich zu erweisen. Es geht also nicht um eine ontologische Frage danach, was das Mentale nun sei oder nicht sei, sondern um die geltungstheoretische, inwieweit es Quelle epistemischer Autorität von Aussagen sein kann, wiewohl die-

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se Frage ontologische Aspekte implizieren mag. Dass die theoriegeschichtliche Herausbildung des Mentalen als Forschungsbereich eng mit dem repräsentationalen Erkenntnisbegriff selbst zusammenhängt, der seinerseits auf eine perzeptuelle Metaphorik zurückgeht, diesen Erklärungsansatz Rortys werde ich hier allerdings nur streifen. Rortys Erklärung dafür, warum es in der abendländischen Erkenntnistheorie als selbstverständlich gilt, dass letzte Gewissheit in einem dem Bewusstsein Unmittelbaren gründet (seien es Sinneseindrücke oder Ideen, sei es am Ende das Bewusstsein selbst), in einem direkten und nicht erst durch Rechtfertigung vermittelten Wissen, so dass die epistemische Autorität von Aussagen sich in letzter Instanz solcher Unmittelbarkeit verdankt und es gänzlich kontraintuitiv erscheinen mag, sie auf die gesellschaftliche Akzeptanz von Aussagen zurückzuführen, folgt der These, dass die Vertrautheit mit dem erkenntnistheoretischen Sprachspiel und seinen Regeln, die den bedeutungskonstituierenden Gebrauch epistemiVFKHU$XVGUFNHZLHÃ*HZLVVKHLWµÃ8QEH]ZHLIHOEDUNHLWµÃBewusstVHLQµÃ0HQWaOHVµ IHVWOHJHQ GDVV diese Vertrautheit, von der kontingenten Entstehungsgeschichte der Regeln des epistemischen Sprachspiels einmal getrennt, selbst die Gestalt von essentialistischen Intuitionen annimmt. Nach RoUW\VÄZLWWJHQVWHLQLanischer Auffassung ist eine Intuition nicht mehr und nicht weniger als die Vertrautheit mit einem Sprachspiel, die Entdeckung des Ursprungs unserer Intuitionen demnach das erneute Durchleben der Geschichte der philosophischen SprachspieOHGLHZLUWDWVlFKOLFKQRFKVSLHOHQ³ (SN, 46). Dementsprechend lässt sich der Spiegel der Natur als eine Historie des von Descartes ausgehenden, speziell erkenntnistheoretischen Sprachspiels lesen mit der Metapher der Erkenntnis als des Spiegels der Natur in seinem Zentrum, denn dieses Bild ist es, das die Erkenntnistheorie gefangen hält. Wie sich nun zeigen wird, versucht Rorty die bewusstseinsphilosophischen Intuitionen über das, worin Wissen gründet, in ein Regelwissen über epistemische Ausdrücke aufzulösen, das allein sozial generiert ist. Seine Untersuchung zur neuzeitlichen Epistemologie dreht sich zunächst um die 5HJHOQDFKGHUÃXQDQ]ZHLIHOEDUµ mit dem Gebrauch des Wortes ÃPHQWDOµ zu verknüpfen ist, ohne die sich das cartesianische Sprachspiel nicht verstehen lässt. Descartes arbeitete auf eine Auffassung hin, ÄIUGLH8QDQ]ZHLIHOEDUNHLWQLFKW PHKU0HUNPDO GHV(ZLJHQ LVW VRQGHUQHWZDVNHQnzeichnet, für das die Griechen keinen Namen hatten ± Bewußtsein. Während frühere Philosophen mehr oder weniger Platons Meinung folgten, nur das Ewige könne mit GewißKHLW HUNDQQW ZHUGHQ VXEVWLWXLHUWH 'HVFDUWHV IU Ã8QDQ]ZHLIHOEDUNHLWµ als einem 0HUNPDO HZLJHU :DKUKHLWHQGDV0HUNPDOGHUÃNODUHQXQGGHXWOLFKHQ :DKrnehmungµ, d.i. jener nicht verworrenen Erkenntnis, die man im Durchgang durch einen Prozeß der Analysis erwarb. Hierdurch konnte Unbezweifelbarkeit allererst zum Kriterium des Mentalen werden.³ (SN, 73)

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Voraussetzung der cartesianischen Epistemologie ist wie in der antiken Philosophie der Begriff der Wahrheit als Übereinstimmung, die nun aber nicht hylemorphistisch, sondern repräsentational aufgefasst wird und damit zur Auffassung vom Erkennen als akkurater Darstellung führt (vgl. SN, 60). Ohne diesen Wahrheitsbegriff würden Klarheit und Deutlichkeit nicht zum Merkmal wahrer Erkenntnis werden können. Damit aber wird im Cartesianismus ± dies die Interpretation Rortys ± unter der Hand Unbezweifelbarkeit mit einer Perzeptionsqualität, nämlich klar und deutlich gesehen zu werden, gleichgesetzt. Und somit besetzt ± einmal nicht in Rortys Terminologie gesprochen ± die Perzeptionsrealität selbst, die Präsenz aller klaren und deutlichen Wahrnehmung, als eigener Bereich den Mittelpunkt der philosophischen Reflexion, der fortan mit dem Mentalen identifiziert wird. (Das heißt aber zugleich, so möchte ich hinzufügen, dass die antike intentio recta abgedrängt wurde und die Reflexion von nun an auf das Bewusstsein selbst sich richtet. Ein Vorgang, der Rorty nicht interessiert, der aber noch von Interesse sein wird, wenn es darum geht, den behavioristischen Ansatz selbst einer Kritik zu unterziehen, der die objektabgewandte Reflexion auf das Bewusstsein durch die objektabgewandte Reflexion auf den sozialen Raum des Sprachspiels substituiert.) Man kann den hier angesprochenen Sachverhalt, auf den es Rorty ankommt, an dem gewöhnlichen Phänomen der Täuschung illustrieren. Würde eine Person A in einer Wüste eine Karawane als eine Fata Morgana sehen, so könnte eine andere Person B die Existenz des Gesehenen bestreiten, sie könnte A vielleicht sogar davon überzeugen, dass es jene Karawane nicht gibt, und die üblichen Standards der Rechtfertigung zum Zuge kommen lassen, von der physiologischen Erklärung von Sinnestäuschungen und Wahrnehmungsveränderungen bis zur ortsnahen Erkundung des angeblich Gesehenen. Person A wird vielleicht zustimmen, dass tatsächlich nicht existiert, was sie soeben gesehen hat. Dass Person A aber das gesehen hat, was sie gesehen hat, und zwar deutlich, wird nicht zum Gegenstand des Bestreitens. Person A würde nicht erwarten, dass bestritten wird, dass sie diese ihre Einbildung gehabt hat, und Person B würde wohl auch nicht bestreiten, dass A das gesehen hat, wovon A gesprochen hat. (Sieht man von dem speziellen Fall einmal ab, dass A eine absichtliche Lüge zu einem bestimmten Zweck unterstellt wird.) So wird nach der üblichen Vorstellung der soziale Bereich diskursiver Rechtfertigungspraktiken jene erste Aussage umfassen, mit der A behauptet, einige hundert Meter entfernt befinde sich eine Karawane. Nicht aber den zweiten Fall, dass A dergleichen gesehen hat. Dieser wird in den Bereich dessen fallen, worüber nur A zu befinden hat, nämlich den seines Bewusstseins. Die Trennbarkeit zweier Bereiche, wobei der erste sich dadurch auszeichnet, dass er Sachverhalte betrifft, die korrigierbar und gerade deshalb disputabel sind, der zweite dadurch, dass er das schlechthin Unkorrigierbare einfasst, zu dem immer eine jeweilige Person, und zwar allein sie Zugang hat, und zwar direkten Zugang, scheint selbst auf eine natürliche, ja fundamentale Trennung zweier un-

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terschiedlicher Gewissheitsgründe zurückführbar zu sein. Denn während unter den Bedingungen eines mentalistischen Sprachspiels das Extramentale in Erscheinung und Existenz zerfällt, fallen im Intramentalen beide ineinander, weshalb nur über Intramentales zweifelsfreie Gewissheit möglich zu sein scheint.4 Dass ich einen bestimmten Sinneseindruck habe, lässt sich sodann im Unterschied zu der Behauptung, dass diesem Eindruck eine extramentale Entität korrespondiert, nicht beVWUHLWHQ9RQGLHVHU7UHQQXQJXQGGHU Ä(UILQGXQJ³± so sie denn eine ist ± ÄGHV0HQWDOHQ³KlQJWIUGLH(QWZLFNOXQJHLQHU3KLORVRSKLHGLH nach einer von der sozialen Redepraxis unabhängigen Gewissheit strebt, ausserordentlich viel ab. Rationalismus und Empirismus bauen auf dem cartesianischen Mentalismus, der den sinnlichen und kategorialen Bereich umfasst, bereits auf, denn ihre Kontroverse besteht darin, ob den einem Bewusstsein unmittelbar gegebenen Sinneseindrücken oder den unmittelbar gegebenen Ideen der Primat zugesprochen werden soll, so dass entweder Ideen die Sinneseindrücke als Substrat der Abstraktion voraussetzen oder diese, um als bestimmte Eindrücke überhaupt gewusst werden zu können, die Ideen. Die kantische Philosophie versucht bekanntlich, beiden Ansätzen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, indem sie das wechselseitige Aufeinanderverwiesensein von Anschauung und Begriff zur *HOWXQJEULQJW0LWGHPÃ'LQJDQVLFKµDEHUHUKlOWVLHMHQHQ'XDOLVPXV]ZLschen Intra- und Extramentalem aufrecht. Der Idealismus löst sodann ± in seinen verschiedenen Varianten, die wiederum von der Konzeption des Verhältnisses von Sinnlichem und Begrifflichem abhängen ± diesen Dualismus zugunsten des Mentalen auf. Rortys oben zitierter Hinweis, dass wir immer noch gewisse Sprachspiele VSLHOHQRKQHVLH ÄGXUFKOHEW³]XKDEHQZLUG IULKQDP :LGHUVWDQGHUNHQQWQLstheoretischer Ansätze gegen die Erklärungsrichtung des Pragmatismus deutlich, Gewissheit auf das intersubjektive Verhalten von Sprachbenutzern zurückzuführen. Ohne jene Trennung jedoch, davon geht Rorty aus, würde es eine Erkenntnistheorie gar nicht geben, denn man hätte außer der sozialen Interaktionsweise nichts, worauf man die epistemische Autorität von Aussagen zurückführen könnte, wie etwa einen untrüglichen Kontakt eines Bewusstseins zu Ontischem. Vor dem Hintergrund dieser Trennung aber wird der philosophischen Reflexion gewissheitsverbürgend alles das, was dem Bereich des Bewusstseins als dem ± so könnte man sagen ± Raum des Unkorrigierbaren selbst angehört, Wissen wird deshalb in ihm fundierbar. Eine Untersuchung seiner verspricht also das Funda4

So heißt es bei Descartes resümierend gleich zu BHJLQQGHU'ULWWHQ0HGLWDWLRQÄIch bin ein denkendes Ding, d.h. ein solches, das bejaht, verneint, wenig versteht, vieles nicht weiß, das will, nicht will, auch Einbildung und Empfindung hat. Denn ± wie schon oben bemerkt ± wenngleich das, was ich in der Empfindung oder in der Einbildung habe, außer mir vielleicht nichts ist, so bin ich doch dessen gewiß, daß jene Weisen des Bewußtseins, die ich Empfindung und Einbildung nenne, insofern als sie nur gewisse Weisen des Bewußtseins siQG LQ PLU YRUKDQGHQ VLQG³ Descartes: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, S. 32).

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ment unseres Wissens selbst freizulegen, das vor und unabhängig von allen sozialen Interaktionsweisen besteht. Rortys pragmatistische Metakritik an der bewusstseinsphilosophischen Epistemologie besteht nun vor allem darin, dass bereits jene Trennung keine ontische, VRQGHUQ HLQH VR]LDOH LVW ZHLO ÃUnkorrigierbarkeLWµ allein eine soziale Funktion kennzeichnet, nämlich die: von niemandem korrigiert zu werden. ± Hierin besteht seine zentrale behavioristische These. Zu rechtfertigen versucht er sie dadurch, dass er ein funktionierendes Sprachspiel erfindet, GDVGHUÄ$QWLSRGHQ³ YJO61 85 ff.), in dem keine Aussagen einen inkorrigiblen Charakter haben, der nach phänomenalistischen und bewusstseinsphilosophischen Ansätzen gerade Aussagen über bewusstseinsimmanente Entitäten und Vorgänge zukommt. Dieses Experiment führt zu der unauflöslichen Situation, dass westliche Philosophen die Frage nicht bewäOWLJHQN|QQHQREGLHÄ$QWiSRGHQ³ GDV KHL‰W GLH 6SUHFKHU GHV HUIXQGHQHQ Sprachspiels) überhaupt ein Bewusstsein haben. Als Sprachbenutzer sind sie zum gemeinsamen Gespräch untereinander und auch ± mit spezifischen Einschränkungen ± mit den westlichen Philosophen in der Lage, beherrschen sie die Regeln eines bestimmten Sprachspiels. Ihnen ein Bewusstsein abzusprechen scheint daher unplausibel. Da in ihrem Sprachspiel jedoch die Möglichkeit eines Aussagetypus mit einer spezifischen epistemischen Autorität nicht angelegt ist, der darin besteht, dass Aussagen aufgrund einer Selbstzuschreibung bestimmter Art (wie z.B. derjenigen, Schmerzen zu haben) von keinem Sprecher korrigierbar sind, fehlt mit dieser Unkorrigierbarkeit den westlichen Philosophen das relevante Kriterium des Mentalen, so dass es wiederum auch kein ausUHLFKHQGHV,QGL]GDIUJLEWGDVVGLHÄ$QWLSRGHQ³ ein Bewusstsein haben. Sprachspielimmanent ist dieses Dilemma nicht zu lösen, zugleich gibt es keine sprachspielexterne Perspektive, welche die Frage nach dem Bewusstsein beantworten könnte. Was bleibt, ist alleine die Feststellung: Ä'LHVHV6SUDFKVSLHOZLUGJHVSLHOW³ 61, 105). Wichtig zu bemerken ist, dass hier ein funktionierendes Sprachspiel, nämlich das cartesianische, dem anderen als funktionierend vorgestellten Sprachspiel einer rein objektivistischen Selbstbeschreibung unmittelbar gegenübergestellt bleibt. Auf diese Weise verfolgt Rorty eine doppelte Strategie: Zum einen soll durch ein zum Mentalismus alternatives Sprachspiel entgegen dessen essentialistischen Intuitionen erst offengelegt werden, dass dieser selbst nur Ausdruck eines Sprachspiels ist. Zum anderen aber soll durch ein entgegengesetztes alternatives Sprachspiel das mentalistische erst in seiner Kontingenz zum Vorschein kommen, die nach Rorty allen Sprachspielen eignet. Das gedankenexperimentelle Vorgehen, die Erfindung des antipodischen Sprachspiels, soll genau die Regel des Mentalismus offenlegen, dass die Rede vom Bewusstsein als einem ontologisch eigenen Reich mit Entitäten, die dem Bewusstsein am nächsten, unmittelbarsten sind und als bewusstseinsimmanente zugleich ontologisch radikal geschieden sind von Physischem ± wie die ÄKrämpfe >«@ LQ MHPDQGHV 0DJHQ³ YRQ GHUHQ PHQWDOHU 5HSUlVHQWDWLRQ DOV Ä*HIKO LQ

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seinem BewußtVHLQ³ (vgl. SN, 77) ±, mit der privilegierten Zugangsweise zu diesen Entitäten sprachspielförmig verknüpft ist. Nach den Regeln dieses Sprachspiels kann nur eine Schmerzen habende Person selbst wissensadäquaten Zugang zu ihren Schmerzen haben, und zwar in Form eines unkorrigierbaren, direkten Wissens von ihren Schmerzen. Diese privilegierte Zugangsweise entspricht der Regel, dass bestimmte Typen von Aussagen, die in einer Selbstbeschreibung sich auf Intentionen und Empfindungen beziehen, nicht zum Gegenstand der Korrektur oder des Zweifels durch andere Sprecher werden. Die Gewissheit über das, was dem Bewusstsein am unmittelbarsten ist, wäre somit Resultat der Internalisierung von und damit der Vertrautheit mit einem Sprachspiel, in dem einem bestimmten Aussagetyp nicht widersprochen wird. Die besondere epistemische Autorität dieses Aussagentyps erscheint jedoch ± qua Internalisierung ± der einzelQHQ3HUVRQDOVHLQHVXEMHNWHQWVSUXQJHQHLQ*HVWDOWHLQHUÄHVVHQWLDOLVWLVFKHQ,QWXiWLRQ³± Was als besondere Unmittelbarkeit und Nähe zum Bewusstsein bestimmten Entitäten als deren immanente Bestimmung zugesprochen wird, verdankt sich ± so Rortys These ± der Unbezweifelbarkeit, und zwar aus dem einfachen Grund, weil das, was unter dem Mentalen verstanden wird, selbst schon nach dem Prinzip der Unbezweifelbarkeit gebildet wurde. Rortys Untersuchung zum *HEUDXFKGHV:RUWHVÃPHQWDOµ bei Descartes hatte nämlich bereits vor seinem sprachspielnominalistischen Experiment zum Ergebnis, dass Unkorrigierbarkeit ± und nicht Ortlosigkeit, denn diese setzt bereits eine Substantialisierung des Mentalen voraus (vgl. SN, 77) ± als essentielles, weil alle verschiedenen Phänomene verbindendes Merkmal des Mentalen fungiert. Sie ist die einzige Eigenschaft, die verschiedenen intentionalen Zuständen und phänomenalen Qualitäten wie Absichten, Wünschen, Eindrücken, Gefühlen, Vorstellungen, Ideen gemeinsam noch vor allen ihren vermeintlichen Wesensbestimmungen zugesprochen wird und deren Zusammenfassung zu dem Mentalen erlaubt (vgl. SN, 84). Wird Unkorrigierbarkeit als Ausdruck einer Regel für bestimmte Aussagetypen verstanden, stellen sich zudem Unkorrigierbarkeit und privilegierte Zugangsweise als regelförmig verknüpft heraus und führt dieser Zusammenhang zu einer Stellung des Sprechers zu Sinneseindrücken, Intentionen, Vorstellungen, Ideen als zu unmittelbar gewussten Entitäten, so ist der gesamte Bereich des Redens über meine eigenen, allein mir unmittelbar gegebenen und evidenten Inhalte meines Bewusstseins deontologisiert in einer Beschreibung, die ihn als ein sozial generiertes Sprachspiel auffasst. Das Reden über Empfindungen, Eindrücke, Wünsche, Absichten etc., also über spezifische rezeptive und intentionale Einstellungen von Personen findet in einem sozialen Kontext statt, einer gemeinsamen Praxis von Sprachbenutzern, in der Ausdrücke wie ÃSchmerzenµ und ÃHoffnung haEHQµVRYHUZHQGHWZHUGHQGDVV Aussagen von jemandem wie Ãich habe Bauchschmerzenµ oder Ãich hoffe, nicht erkrankt zu seinµ von ande-

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ren Sprachbenutzern nicht korrigiert oder bestritten werden.5 Man muss also von diesem intersubjektiven Kontext bereits abgesehen haben, um Unkorrigierbarkeit den Empfindungen, Eindrücken usw. an sich zuzusprechen und ihnen einen spe5

Rortys ausgeklügelte Konstruktion einer Konfrontation zwischen einem bewusstseinsphilosophischen Sprachspiel von Erkenntnistheoretikern und dem SpUDFKVSLHO GHU Ä$QWLSRGHQ³ GHUHQ ÄJDQ]H .RQ]HSWLRQ GHV Ã(UNHQQWQLVVXEMHNWVµ RGHUGHU3HUVRQDOV*HLVW>«@LQLKUHQ6HOEVWEHVFKUHLEXQJHQXQG3KLORVRSKLHQNHiQHQ2UW³hat (SN, 88), kann dieses Kapitel in seiner extensiven Detailargumentation nicht nachgehen und ihm deshalb nicht gerecht werden. Rorty selbst sieht, dass er den Mentalismus nicht auf direktem Wege widerlegen kann (vgl. SN, 114), ein wichtiges Eingeständnis, jedoch ein kohärentes, denn unter den Voraussetzungen seines Sprachspielnominalismus und Beschreibungsrelativismus dürfte das pragmatistische Sprachspiel nicht wahrer sein als das mentalistische, sondern allenfalls zweckmäßiger, zum Beispiel dafür, der Vielfältigkeit der Vokabulare und theoretischen Modelle gerecht zu werden, ohne einem planen Relativismus ohne Wahrheitsansprüche Tor und Tür zu öffnen. Der Mentalismus wird dennoch auf indirektem Wege widerlegt: Sein fundamentalphilosophischer Charakter hängt an der behaupteten Alternativlosigkeit seines Sprachspiels. Diese Behauptung will die Konstruktion eines alternativen Sprachspiels widerlegen. Hinsichtlich des Zusammenhangs von privilegierter Zugangsweise zu Gedanken und Empfindungen und dem Status des Bewusstseins als eines ontologisch eigenen und wissenskonstitutiven Bereichs ließe gegenüber dem konstruierten Sprachspiel GHUÄ$QWLSRGHQ³VLFKDXIHLQHQWKHRULHJHVFKLFKWOLFKUHDOHQXQGQDKHOLHJHQGHQ'Lskurs verweisen, in dem dieser Zusammenhang aufgebrochen wurde, nämlich den psychoanalytischen. Er baut darauf auf, dass Personen zu bestimmten Motiven und Empfindungen, die gleichwohl verhaltensrelevant sind, keinen eigenen und schon gar keinen privilegierten Zugang haben, dass sie sich aus Gründen der Verdrängung und gesellschaftlicher Zensur über ihre eigenen Motive und Empfindungen täuschen. Jener Zugang soll im gemeinsamen therapeutischen Diskurs mit dem Analytiker erst hergestellt werden. Konsequent werden, obwohl es sich um Motive und Empfindungen einer bestimmten Person handelt, diese gerade wegen der fehlenden privilegierten Zugangsweise der entsprechenden Person zu ihnen dem Bereich des 8QEHZXVVWHQGHULQHLQHU7HUPLQRORJLHYRQÄUHVFRJLWDQV³XQGÄUHVH[WHQVD³QLFKW beschreibbar ist, also nicht dem Bereich des Bewusstseins zugeordnet. Im Hinblick auf den cartesianischen Dualismus hätte also Rorty auch dem bewusstseinsphilosophischen das psychoanalytische Sprachspiel gegenüberstellen können, das im 19. -DKUKXQGHUW ELV LQ GHQ DOOWDJVVSUDFKOLFKHQ *HEUDXFK YRP Ä8QEHZXVVWHQ³ YRrgedrungen ist und für das es im 17. Jahrhundert kein Komplement gibt, um zu zeiJHQÄGD‰GDVÃ3UREOHPGHV%HZX‰WVHLQVµQLFKWPHKUXQGQLFKWZHQLJHULVWDOVGDV vermeintlich metaphysische, in Wirklichkeit erkenntQLVWKHRUHWLVFKHÃ3UREOHPXQVerer privilegierten Zugangsweiseµ³ 61 84). Ein Cartesianer dürfte mit der Rede YRPÃ8QEHZXVVWHQµVRZHQLJDQ]XIDQJHQZLVVHQZLHPLWGHUREMHNWLYLVWLVFKHQ5eGH GHU Ä$QWLSRGHQ³ YRQ GHQ JHUHL]WHQ &-Fasern als der Selbstbeschreibung einer Person, die Schmerzen hat. ± Dass wiederum der psychoanalytische Diskurs die 5HGH YRP Ã8QEHZXVVWHQµ GD]X QXW]W HLQH ]XU %HZXVVWVHLQVSKLORVRSKLH komplementäre Substantialisierung vorzunehmen, und der Analytiker für seine Aussagen eine epistemische Autorität in Anspruch nimmt, die sich seinem privilegierten Zugang zu den latenten Motivationen der analysierten Personen verdankt und im psychologischen Sprachspiel der Analytikergemeinde geregelt ist, steht auf einem anderen Blatt und indiziert nur das Vergessen des sozialen Kontextes, in dem sich der psychoanalytische Diskurs etablieren konnte.

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zifischen ontologischen Status zu geben, nach dem sie, im Unterschied zu Entitäten im Raum der Natur, wesentlich das sind, als was sie erscheinen. Resümierend gesprochen, spult der erkenntnistheoretische Behaviorismus den epistemologischen Zusammenhang der cartesianischen Bewusstseinsphilosophie ÃantipoGLVFKµ, das heißt in der ihr entgegengesetzten Richtung ab, entsprechend der Erklärungsrichtung hinsichtlich epistemischer Autorität, die auf die Gesellschaft zurückgeführt wird und nicht auf das Bewusstsein des Einzelnen. Das cartesianische Modell besagt, dass (1) ein einzelnes Bewusstsein aufgrund der Unmittelbarkeit des ihm selbst Immanenten von diesem Immanenten ein direktes und deshalb unanzweifelbares Wissen haben kann, dass (2) andere Subjekte zu den Inhalten dieses Bewusstseins keinen direkten Zugang haben, vielmehr Letzteres einen privilegierten Zugang zu seinen Inhalten hat, und dass deshalb (3) die Bedingungen nicht vorliegen, dass die Aussagen einer Person über die Inhalte ihres Bewusstseins von anderen korrigiert werden können. Von der Gesellschaft ± wie im erkenntnistheoretischen Behaviorismus ± aber ausgegangen, stellt sich folgende epistemologische Abfolge dar: Aufgrund der regelförmigen Unkorrigiertheit bestimmter Aussagen entsteht für das Subjekt dieser Aussagen ein mit ihnen verknüpfter Gegenstandsbereich, zu dem es qua ausbleibender Inzweifelziehung einen privilegierten Zugang zu haben scheint, denn nur es selbst ist in die Lage versetzt, über Gegenstände dieses Bereichs angemessene Aussagen zu machen. Auf diese Weise aber entsteht für den einzelnen Sprecher, der mit diesem epistemischen Sprachspiel vertraut ist, erst ein unmittelbar Gegebenes, an sich Evidentes, etwas, worüber er ein direktes, nämlich weder weiter begründbares noch begründungsbedürftiges Wissen hat. Ich möchte noch einmal herausstellen, dass es sich hinsichtlich der Kritik an der cartesianischen Epistemologie um nur einen, wenn auch besonders wichtigen Anwendungsfall des erkenntnistheoretischen Behaviorismus handelt. Liest man Rortys Ausführungen zum Problem des Bewusstseins ± die hier insofern noch unvollständig referiert worden sind, als z.B. die Frage nach dem Ãmentalen Stoffµ und die Universalienproblematik ausgelassen sind, weil die geltungstheoretische Problematik im Mittelpunkt stehen sollte ± als eine Art materialistischen oder gar essentialistischen Erklärungsversuch des Mentalen, an dessen Ende die These stünde, dergleichen gäbe es nicht, würde man die Pointe verfehlen, um die es hier geht. Es dreht sich nämlich alles um die Beantwortung der Frage, was es heißt, die epistemische Autorität von Aussagen auf ein Unmittelbares für ein Bewusstsein zurückzuführen. Gleichwohl scheint Rorty über die rein epistemologische Fragestellung nach der ÃAutRULWlWµ KLQDXV]XJHKHQ ZHQQ HU %HZXVVtsein sprachspielnominalistisch in das Reden über Bewusstsein aufzulösen versucht. Man kann jedoch hiervon zunächst absehen, denn im weiteren Verlauf seiner Untersuchung im Spiegel der Natur verfällt der (klassische) Behaviorismus nicht minder der Kritik des erkenntnistheoretischen Behaviorismus, ebenso wie der Szientismus oder der Semantizismus, die sprachanalytische Philosophie oder die

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empirische Psychologie. Alle Richtungen haben ihr Modell von dem, was dem Bewusstsein das Nächste ist, wovon also ein unerschlossenes, vom sozialen Raum der Rechtfertigung unabhängiges Wissen möglich ist, ein Wissen von etwas, zu dem eine einzelne Person einen direkten Wissenszugang hat. Der klassische Behaviorismus bestreitet, dass es Entitäten im Bewusstsein namens Schmerzen gibt, ihm ist das beobachtbare Schmerzverhalten das, was allein direkt und unmittelbar von einer Person gewusst werden kann. Dem Szientismus sind neuronale Zustände im Gehirn im Unterschied zu Inhalten des Bewusstseins, die spiritualistisch vielleicht über ihre physiologische Herkunft täuschen, Gegenstand eines direkten Wissens. Dem Sprachanalytiker sind Bedeutungen Kandidaten eines direkten Wissens, die man analysieren muss, um zu wissen, was ÃSchmerzenµ sind. Es ließen sich weitere Ansätze aufzählen, nämlich alle diejenigen, welche die epistemische Autorität nicht als eine Funktion in der sozialen Praxis betrachten. (Ich lasse an dieser Stelle zunächst dahingestellt, wie es sich mit Ansätzen verhält, die epistemische Autorität weder umstandslos auf die soziale Interaktion zurückführen noch der Idee eines direkten Wissens anhängen, indem sie ± nach dem Vorbild der Philosophie Hegels ± eine entwicklungstheoretische Auffassung von der Erkenntnis favorisieren, nach welcher der Anfang des Erkennens in Form eines direkten Wissens nicht zugleich das Fundament des Wissens bildet, sondern das holistisch entwickelte Wissen in seinem Entwicklungsgang Ãfundiertµ ist.) Aus der Sicht Rortys, die der prominent gewordenen Kritik Sellars am Mythos des Gegebenen folgt,6 müssen wechselseitige Widerlegungsversuche deshalb scheitern, weil alle diese Ansätze von der gleichen Voraussetzung ausgehen, epistemische Autorität sei auf ein dem einzelnen Bewusstsein direkt Gegebenes zurückzuführen, und dieses ist in concreto genau dasjenige, worauf ein jeweiliger Ansatz als sein Fundament aufbaut. Der Metakritik an der Erkenntnistheorie speziell durch den erkenntnistheoretischen Behaviorismus geht es also vor allem darum, dass diese die gesellschaftliche Bestimmtheit (was mehr ist als nur die gesellschaftliche Vermitteltheit) des Wissens unterschlägt. Die neopragmatische Epistemologie liefe, wenn sie sich nicht eine kritische Reflexion auf das ersparen würde, was als Sprachgemeinschaft mit ihren Praktiken, um nicht zu sagen was als Gesellschaft dem einzelnen, vergesellschafteten Sprecher konstitutiv vorausliegt und vermittelt über die Praktiken sein Weltverhältnis formiert, auf eine Epistemologie hinaus, die nicht mehr als eigener Forschungsbereich von der gesellschaftstheoretischen Betrachtung abgespalten wäre. Vor diesem Hintergrund bietet Rortys neopragmatischer Ansatz eine neue Perspektive für eine Zusammenführung von Gesellschaftskritik und Erkenntniskritik, die sich an den sozialen Praktiken der Gleichsetzung von Unterschiedenem konkretisieren ließe, denen sich die Selbstgewissheit und die Selbstvertrautheit des Identitätsdenkens verdanken ± ein Aspekt, der in der Betrachtung von Adornos Metakritik an der Erkenntnistheorie zur Geltung kommen wird. 6

Vgl. W. Sellars: Der Empirismus und die Philosophie des Geistes, S. 22 ff.

5. Neopragmati smus und Subjektphil osophi e: ei ne Kri tik

Rorty ist Kritiker und Verfechter der Subjektphilosophie. Indem er dem Ausgang vom Bewusstsein den Ausgang von der Gesellschaft entgegensetzt und die erkenntnistheoretische Zentrierung auf das Einzelsubjekt und dessen Gewissheiten kritisiert, wendet er sich von der subjektphilosophischen Tradition ab. Hierbei verfährt er radikaler als etwa die Konsens- und Kommunikationstheorie von Habermas, die zumindest offenlässt, ob Kommunikation und Konsens letztlich im Einzelsubjekt, seiner Erfahrung und Gewissheit, ihre epistemische Basis haben. Rorty versucht, Gesellschaft im Zentrum des Erkenntnissubjekts zu lokalisieren. Sie ist die Quelle der Autorität, durch welche die Erkenntnis eines Einzelsubjekts zu einer für dieses selbst wie für alle anderen Subjekte gültigen Erkenntnis wird. Rortys Sprachphilosophie ist jedoch in der Weise subjektphilosophisch, als sie lediglich die Gemeinschaft der Sprachsubjekte an die Stelle des einzelnen Subjekts setzt und den Primat der Sprachgemeinschaft beziehungsweise der vergesellschafteten Sprachbenutzer gegenüber der nichtsprachlichen Realität so unangetastet lässt wie bewusstseinsphilosophische Ansätze den Vorrang des monologischen Subjekts gegenüber der Realität. Im Folgenden möchte ich zunächst noch einmal die Vorzüge des neopragmatischen Modells gegenüber den Epistemologien betrachten, die vom Einzelsubjekt ausgehen, anschließend jedoch auf die subjektphilosophischen Züge und Schwächen von Rortys Pragmatismus zu sprechen kommen. Soweit Rorty sich von der Subjektphilosophie absetzt, gelangt man ihm zufolge von der Gesellschaft ± diese in dem zunächst sehr eingeschränkten Sinne YRQ Ã0LWJOLHGHU HLQHU 6SUDFKJHPHLQVFKDIWµ YHUVWDQGHQ ± zur Gewissheit des je einzelnen Subjekts in Gestalt seines unmittelbaren und notwendigen Wissens. Dagegen führt auf umgekehrte Weise eine traditionelle, dem Empirismus oder Rationalismus verpflichtete Erkenntnistheorie den gesellschaftlichen Charakter von zweifelsfreiem Wissen, durch den dieses ein für alle Subjekte gültiges ist, auf die Gewissheit der je einzelnen Subjekte zurück. Die Quelle epistemischer

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Autorität wird allein in ihnen lokalisiert. Unter den bewusstseinsphilosophischen Bedingungen dieser Erkenntnistheorie ist der Umstand, dass das Wissen der Einzelnen in der gesellschaftlichen Form eines für alle gültigen Wissens auftritt, erst unter der repräsentationalistischen Voraussetzung eines allen je auf gleiche Weise gegebenen Referentiellen verständlich, das in seiner Relation zum Bewusstsein ein Unmittelbares, deshalb perzeptiv oder perspektivisch Unverzerrtes ist (wie der sich mir unmittelbar aufdrängende Schmerz, der mir unmittelbar gegebene Sinneseindruck etc.). Zudem muss eine solche Theorie ± in Konsequenz aus der Abkehr vom naiven Realismus bei gleichzeitiger Inanspruchnahme eines Unmittelbaren ± ein allen Subjekten von Natur aus zukommendes identisches Vermögen voraussetzen, das von einem Bewusstsein unmittelbar Aufgenommene objektivierend verarbeiten zu können. Perzipiertes soll nach allgemeinen Regeln des Verstandes oder der Grammatik zur Einheit des Objekts zusammengefügt oder zur Einheit der Aussage über etwas in der Welt verbunden werden. Dies sind die Prämissen der vom Einzelsubjekt ausgehenden Epistemologie. Deren idealistische und bewusstseinsphilosophisch-phänomenologische Varianten schlagen jenes Unmittelbare ganz der res cogitans als ein ihr selbst Immanentes zu, die zugleich dessen regelgeleitete Verknüpfung leistet, so dass das Denken nichts zurücklässt, das nicht ganz und gar von ihm adäquat erfasst werden kann. Für eine Theorie darüber, wie wir erkennen, brauchen jene Regeln des logisch-diskursiven Sprachgebrauchs und auch das Funktionieren der Sinneswahrnehmung so wenig geschichtlich zu sein wie das fixe Erkenntnisobjekt, soll doch durch Analyse des jetzigen Erkenntnisvermögens Aufschluss über das Funktionieren der vergangenen wie aller zukünftigen Erkenntnis gewonnen werden. Selbst wenn dem Relativismus Zugeständnisse dahingehend gemacht würden, dass Menschen ihre äußere Wirklichkeit unterschiedlich perzipieren, dass ihre ÄLmpressions³ und ÄVensations³ voneinander abweichen, auf die eine empiristische Epistemologie das Erkennen gründen will und die damit den Skeptizismus hervorruft, der bestreitet, diese Unterschiedlichkeit lasse sich theoretisch auflösen ± die Possessivbestimmung des Erkenntnisgegenstandes, auf den die Phänomenologie aufbaut, unzweifelhaft von mir gewusst zu werden, und die Erfüllung von operationalen Anforderungen der Logik und der Grammatik, notwendig so gedacht und ausgesagt zu werden, diese beiden Aspekte, so scheint es, bieten zumindest die Aussicht auf ein für alle Zeiten gültiges Wissen. Erkenntnis ist in identischen intuitiven Gewissheiten der Einzelsubjekte fundiert, und sie vollzieht sich nach für alle Subjekte gültigen und unhintergehbaren Regeln.1 Die Entde1

'DV ÄFRJLWRHUJRVXP³NRQQWHRIIHQVLFKWOLFKGHVKDOE ODQJH =HLW HLQHDOOHQ6NHSWizismus abschmetternde Stellung einnehmen, weil in ihm beide genannten Aspekte in einer Intuition vereint zum Tragen kommen, die Gewissheit des Unmittelbaren und die logische Notwendigkeit. Letztere ist darin ausgedrückt, dass die ExistenzYHUQHLQXQJÄFRJLWRHUJRQRQVXP³]XHLQHP6HOEVWZLGHUVSUXFKIKUHQZUGH(Ustere darin, dass das Ich des Denkens sich wie kaum etwas anderes unmittelbar gegeben scheint. ± Man kann aber bezweifeln, ob dieser Satz überhaupt den Status ei-

NEOPRAGMATISMUS UND SUBJEKTPHILOSOPHIE: EINE KRITIK | 201

ckung der logischen Notwendigkeit, vornehmlich des Syllogismus, und schließlich die Wendung zum cogito, der Unmittelbarkeit als Selbstgewissheit des Subjekts, schienen theoriegeschichtlich eine Waffe gegen Relativismus und Skeptizismus an die Hand zu geben, die sich gegenüber allen geschichtlichen Veränderungen im weiteren Erkenntnisprozess als unzerbrechlich erweisen sollte. Das intuitive, auf Anschauung basierende Wissen aber übersetzt der Pragmatismus ebenso wie die Notwendigkeit diskursiven Denkens in die Vertrautheit mit einem Sprachspiel, und insbesondere hierin besteht der Bruch mit der philosophischen Tradition. Damit wird sowohl eine ahistorische als auch eine historisch-

ner antiskeptischen Beweisführung hat unGLPÄVXP³QLFKWEOR‰GLH5HGXplikation des im cogito enthaltenen Ichs vollzogen wird, dessen Begriff die Gebrauchsregel impliziert, mit einem Begriff von Existenz verbunden zu sein, der wiederum mit Einheit, Identität, Beharrung und Transparenz verknüpft ist. Dann besagt der Satz des cogito nur, ich (ein Existierender) denke. Warum also nicht ebenso sagen, ich laufe Schlittschuh (ob in der Einbildung oder auf einer Eisbahn), also bin ich? Anders, regelverletzend verwendet würden wir das Wort ÃIchµ einfach nicht verstehen können. Freilich, die Intuition des cartesianischen Satzes ist die, dass der an allem Zweifelnde nicht ohne performativen Widerspruch seine Existenz als Zweifelnder bezweifeln kann. Die Intention aber ist die, alles Sein vom Subjekt abhängen zu lassen. Das Resultat, dass die Existenz des Zweifelnden gesichert ist, führt nämlich bei Descartes sogleich dazu, alles Seiende als untrüglichen Besitz des zuvor alles bezweifelnden Ichs aus dem Bezirk des Bezweifelbaren zurückzuholen, ohne dass es nun zu mehr oder etwas anderem geworden wäre als es unter den Bedingungen der Skepsis gewesen ist. Und man kann sich fragen, ob denn der radikale Zweifel, dessen Harmlosigkeit Adorno zu Recht gerade in seiner Radikalität sieht, nicht schon von vornherein im Dienste der Etablierung des cogito gestanden hat. Es ist nämlich nun aus dem Grund, dass ich bin, alles Weitere gesichert: Es ist ebenso sicher, dass ich tatsächlich esse, wenn ich esse, dass ich wahrhaftig Magenschmerzen habe, wenn ich Magenschmerzen habe, dass ich einen Baum auch wirklich sehe, wenn ich einen Baum sehe, von dem dasselbe zu sagen ist wie es der regelkonform verwendete Begriff des Baumes vorschreibt, wonach es nämlich einen Baum platterdings auch wirklich gibt. Ein Skeptiker könnte daher immer noch ganz unbeeindruckt einwenden: Gewiss gibt es das Ich, das sich Descartes nennt, das einen Baum sieht, aber diesen Baum gibt es nur in der Phantasie dieses Ichs. Damit wäre der Existenzbegriff nicht mit dem einzelnen, monologischen Ich verknüpft, sondern so verwendet, dass er gerade die Unabhängigkeit vom einzelnen Ich benennt und der Skeptizismus überhaupt nicht getroffen wäre, der behauptet, das je einzelne Ich könne nicht wissen, ob etwas unabhängig von ihm als Einzelnem existiere. So wie den Cartesianer von vornherein nicht wirklich interessiert, was unabhängig vom Einzel-Ich besteht, so den Skeptiker erst gar nicht das, was in Abhängigkeit vom Einzel-Ich existiert. Beide haben eine andere Verwendungs- und Bewertungsweise von GHU ÃExisWHQ]µ eines Baumes. Daran wird aber auch die Beschränktheit ihrer Position deutlich. Während der Skeptizismus in der Vermittlung durch Subjektivität einen grundsätzlichen Mangel sieht, so sieht der Cartesianismus hierin den epistemischen Vorteil, Subjektivität zum Prinzip zu erheben. Beide gehen mit unterschiedlichen Konsequenzen immer schon davon aus, dass nur Gleiches Gleiches erkennen kann.

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teleologische Erkenntnistheorie obsolet; sie wird abgelöst von der Historiografie der Lebensformen und Sprachspiele. Abgesehen von der Ausklammerung der geschichtlichen Dimension im Modell der Erkenntnistheorie, ihrer Fixierung auf den Status quo, ihrer Voraussetzung eines starren Subjekt- und Erkenntnisbegriffs, mit dem sie die geschichtsphilosophische und historistische Kritik auf sich gezogen hat, muss für eine metakritische Auseinandersetzung mit der Erkenntnistheorie vor allem folgendes Problem von Interesse sein: Die possessive Form der Wissensfundierung in dem, was dem Bewusstsein quasi als sein unveräußerlicher Besitz das Unmittelbarste ist, diese in der neuzeitlichen Epistemologie so selbstverständliche Verbindung von Bewusstseinsnähe und Gewissheitsanspruch hat gerade nicht das Problem der Allgemeingültigkeit von Erkenntnis gelöst. Offengeblieben ist die Frage, was es besagt, dass begriffliches Wissen sich für alle Subjekte auf gleiche Weise vollzieht und für alle gleichermaßen gilt. Das Problem lässt sich zugespitzt so formulieren: Dass die subjektzentrierte Auffassung von epistemischer Autorität sich ausgerechnet auf das stützt, was einem Subjekt als seine Apperzeptionsrealität qua Ausschluss aller anderen Subjekte gewiss ist, das steht zunächst einmal diametral den Anforderungen der Allgemeingültigkeit seines Wissens, das dezidiert alle anderen einschließt, entgegen. Erinnern wir uns an Rortys Antipodenexperiment: Die Untrüglichkeit meiner Schmerzen ist untrennbar von der privilegierten Zugangsweise, die ich dergestalt zu ihnen habe, dass sie die anderen als Einspruchsinstanz von meiner Erfahrung ausschließt. Gerade hieraus aber kann ich überhaupt keinen Allgemeingültigkeitsanspruch ableiten, wonach auch für alle anderen dasselbe wie für mich gilt, dass sie nämlich ebenso ein mir unzugängliches, für sie aber unmittelbares Wissen haben, wenn sie von ihren Schmerzen reden, und wir zugleich ein gemeinsames unmittelbares Wissen davon haben, was Schmerzen als die je meinigen respektive was Schmerzen eines Subjekts als die je seinigen sind. Die anderen bleiben streng genommen einfach nur von meiner Erfahrung ausgeschlossen wie ich von der ihrigen. Und über eben diese Feststellung dürfte sich niemand hinauswagen, der einen Gewissheitsanspruch vertritt, der nur mit der Unmittelbarkeit der subjektiven Gewissheit befriedigt werden kann. Diese Problematik betrifft alle subjektiv perzeptiven oder phänomenalen Gewissheiten, die erkenntnisontologisch dazu dienen, allgemeingültige Erkenntnis in dem einem jeden Bewusstsein auf gleiche Weise unmittelbar Gegebenen zu fundieren. Hinter den kasuistisch sortierten Antwortmöglichkeiten, die Rorty hinsichtOLFK GHV 3UREOHPV RE GLH Ä$QWLSRGHQ³ 6FKPHU]HQ KDEHQ GDUELHWHW YJO 61 104 ff.), steckt letztlich die Einsicht, dass von der subjektiven Gewissheit kein überzeugender Weg zu der einer jeden Erkenntnis essentiell zukommenden AllgemeingülWLJNHLWIKUW'DKHUPXVVGHU9HUVXFKGHUÃ(LQKHLPLVFKHQµ ± der ÃPodenµ, die von sich als epistemischem Zentrum ausgehen ± scheitern, zu beweisen, dass ihre Kandidaten für ein unmittelbares Wissen wie z.B. Schmerzen zugleich

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die selbstverständlichen Kandidaten für die GewissKHLW GHU Ä$QWLSRGHQ³ VHLQ PVVHQ'LHÄ$QWLSRGHQ³EHVFKUHLEHQ6FKPHU]HQQLFKWDOVSKlQRPHQDOH(QWLWäten in ihrem Bewusstsein, sondern als offenbare Reaktionsweisen ihres Körpers (der in der abendländischen Bewusstseinsphilosophie dem Bewusstsein freilich weniger unmittelbar ist als es sich selbst). Die Rechtmäßigkeit aber jenes Allgemeingültigkeitsanspruchs, dass alle anderen Erkenntnissubjekte eine (Schmerz-) Erfahrung wie die meinige ebenso als die ihrige machen müssen, von der sodann ich ausgeschlossen bin, ist nur unter der Voraussetzung gegeben, dass ich an mir selbst schon die Verallgemeinerung vollziehe und das heißt, mich selbst bereits im gleichen Atemzug als allgemeines gesellschaftliches Subjekt verstehe, welches die nur ihm zugänglichen, unmittelbaren Gewissheiten hat, die die anderen nicht anzweifeln können. Doch legitimiert bin ich dazu nicht durch meine introspektive Erfahrung, die ganz jenseits jener an mir selbst vollzogenen Verallgemeinerung statthaben müsste. Aus meiner Unmittelbarkeitserfahrung als solcher ist diese Abstraktion gar nicht zu gewinnen, denn in ihr ist schlechterdings keine Bestimmung anzutreffen, die über die Privatheit hinausweist. Es sei denn, in dieser Erfahrung ist bereits die gesellschaftliche Konvention mitgedacht, dass niemand dem anderen widerspricht, wenn von dem gesprochen wird, was sich in der je eigenen Perzeptionsrealität zuträgt. Man kann diese Kritik am erkenntnistheoretischen Ausgang von der subjektiven Gewissheit als einen ± zunächst noch recht groben ± Argumentationsschritt zu der Einsicht hin betrachten, dass das Subjekt der Erkenntnis immer schon das vergesellschaftete ist und zu ihm seine Vergesellschaftung nicht als vereinender Akt auf der Basis subjektiver GewissKHLWHQ lX‰HUOLFK KLQ]XNRPPW GHQ PDQ GHVKDOE HEHQVR YRQ VHLQHQ ÃXUVSUQJOiFKHQµ Gewissheiten subtrahieren könnte. Ein erkenntnistheoretischer Ausgang vom Einzelsubjekt, der die Möglichkeit von Erkenntnis klären will, muss theorieaufwendig vermeiden, nicht in den Subjektivismus zu münden, und dies kann er nur durch die Konzeption des Einzelsubjekts als eines zugleich allgemeinen Subjekts. Dieses muss entweder auf induktivem Wege anhand identischer Eigenschaften menschlicher Erkenntnissubjekte gewonnen werden oder es muss von vornherein als wesenhaft allgemeines Subjekt, als Transzendentalsubjekt, auftreten. Jedes Einzelsubjekt muss unter erkenntnistheoretischen Prämissen eine ihm wesenhaft zukommende allgemeine Fähigkeit als Ermöglichungsbedingung der Allgemeingültigkeit implizieren. Ohne eine immanent identische, somit allgemeine Beschaffenheit des Erkenntnisvermögens ± ganz gleich, ob man sie transzendentalistisch oder naturalistisch verstünde ± würde der erkenntnistheoretische Ausgang vom einzelnen Subjekt direkt in den Subjektivismus führen, was gleichbedeutend mit der Auflösung epistemischer Autorität und damit allgemeinverbindlicher Erkenntnis wäre. Denn sich selbst gegenüber braucht ein Subjekt schließlich keine allgemeine Geltung seiner Aussagen zu beanspruchen. Gegenüber dem je empirischen, sich biografisch konkretisierenden Einzelsubjekt aber sind die drei den Subjektivismus

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übersteigenden, Allgemeingültigkeit versprechenden Größen, die in Betracht kommen: die identische Natur, ein intelligibles Sein oder die Gesellschaft. Eine ontologisch-naturalistische Epistemologie, die jene identische Natur beschreiben will, hat das Problem, dass sie zwar deutlich machen kann, wie Menschen auf gleiche Weise denken und sprechen und sich daher verständigen können. Da aber de facto nicht alle Menschen den gleichen Regeln ± gleichsam naturgesetzlich ± folgen, hat sie zu klären, warum alle bestimmten Regeln folgen sollten, ohne schon deren allgemeine Gültigkeit vorauszusetzen. Dies aber, wird eine gesellschaftliche Erklärung ausgeschlossen, ist nur möglich durch eine erkenntnistheoretische Konzeption, welche die Gültigkeit sodann auch referenztheoretisch oder adäquationstheoretisch begründen kann, womit die Aporie des Wahrheitsbegriffs einer adaequatio mitsamt der Sackgasse des naiven Realismus wieder zutage tritt, zu dem nach der erkenntniskritischen Wende jedoch kein Weg zurückführt. Würde man dennoch versuchen, die allgemeine Gültigkeit von Erkenntnis mit der Vorstellung von einer Naturgesetzlichkeit oder einer ontologischen Struktur, die dem einzelnen Erkenntnissubjekt grundhaft vorausliegt und gegen die es nichts auszurichten vermag, plausibel zu machen, so wäre das Subjekt, das den Ausgang der epistemischen Reflexion bildete, fundamental ermächtigt und weitgehend entmächtigt zugleich. Narzisstisch nämlich wäre der Anspruch, die Natur oder das immanente Sein des Erkenntnissubjekts selbst sei identisch mit den kognitiven Regeln, nach denen diese Natur von ihm gedacht wird. Dass es diese seine eigene Natur aber als eine das Denken determinierende behaupten und sie erfahren müsste wie den Verdauungsprozess, dass also seine Erkenntnis nicht länger mehr eine selbständig und frei vollzogene wäre ± darin läge zugleich seine Selbstverneinung als autonomes Erkenntnissubjekt. (Im pragmatistisch-behavioristischen Modell hingegen ist die Autonomie dergestalt bewahrt, dass jeder Sprecher jederzeit begründet einem anderen Sprecher wie überhaupt dem, was bisher von allen Sprechern als wahr behauptet wird, widersprechen kann.) Das Subjekt würde ironischerweise kraft eigener Autorität die Natur mit aller Autorität ausstatten. Was in einem transzendentalen Ansatz als allgemeine Regel des Erkennens objektiviert wird, wäre lediglich als allgemeines Gesetz der Natur oder als allgemeine Struktur des Seins vergegenständlicht. Die verbleibenden zwei anderen, nicht naturalistischen Erklärungsansätze epistemischer Autorität, der transzendentale und der gesellschaftstheoretische Ansatz, erklären die tragenden Intuitionen des Wissens und die Regeln des Sprechens und Denkens nicht ontologisch mit einer vorsubjektiven, letztlich materiellen Determiniertheit des Sprach- und Erkenntnisvermögens des einzelnen Menschen, sondern mit einer subjektförmigen Autorität, die über die Einsicht verfügt, warum eine Aussage allgemein gültig ist. Gegenüber dieser Autorität verhält sich das empirische Einzelsubjekt wie das einzelne Subjekt zu dem allgemeinen Subjekt. Nach klassisch idealistischer Lehre ist dies das Transzendentalsubjekt, das in kognitiver Hinsicht dem empirischen Subjekt fundamental wie fundierend vorausliegen soll. Doch hat der transzendentaltheoretische Ansatz das Problem,

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dass er das allgemeine Subjekt, damit dieses ein tätiges Subjekt ist und keine vergegenständlichte Abstraktion, mit Eigenschaften des empirischen, raumzeitlichen Subjekts ausstatten muss, damit aber in Konflikt mit der Idee reiner Transzendentalität gerät. Eine gesellschaftsbezogene Epistemologie hat dieses Problem ebenso wenig wie das Determinismusproblem, das den Naturalismus nicht verlässt. In ihrem Fall ist es das Verhältnis des einzelnen Erkennenden zur je gegenwärtigen sowie ihm vorausliegenden Gesellschaft als Interaktionszusammenhang und Quelle epistemischer Autorität, das den Subjektivismus ausschließt. Der erkenntnistheoretische Behaviorismus zielt, wie gesehen, darauf ab, den Anspruch des einzelnen Sprechers auf die Allgemeingültigkeit seines Wissens aus der Einübung in ein Sprachspiel und der Internalisierung des Umstandes herzuleiten, dass manche Aussagen unwidersprochen geblieben sind. Das heißt bei genauerer Betrachtung, dass die Internalisierung des Geflechts der sprachlichen Interaktion, durch das eine Person zum Erkenntnissubjekt sozialisiert wurde, das Allgemeine, allen Subjekten Gemeinsame im je Einzelnen ausbildet. Kraft dieses sprachgemeinschaftlich Allgemeinen im einzelnen Menschen ist dieser zu Erkenntnissen befähigt, die von anderen oder gar von allen anderen geteilt werden können. Genau dieses Verhältnis, bei dem das durch die Intersubjektivität vermittelte real Identische im sprachlichen Verhalten der Erkenntnis- und Sprachsubjekte sich zum Allgemeinen und gegenüber den Einzelnen (und ihrer Möglichkeit zu diskursiv ungedeckWHUÄXQUHGX]LHUWHU(UIDKUXQJ³ zum Quasisubjekt verselbständigt, wird sich als der Ansatzpunkt erweisen, an dem Adorno, wie ich später zeigen werde, das Transzendentale der klassischen Philosophie in kritischer Absicht als Gesellschaft interpretiert. Wenn Rorty alle epistemische Autorität bei der Gesellschaft verortet, so nicht ± wie hinreichend deutlich geworden sein sollte ± in der Weise, dass diese eine gegenüber den einzelnen Subjekten sakrosankte, abgespaltene Instanz bildet, denn sie tritt nicht als die dem Einzelsubjekt übergeordnete Funktion auf, sie ist nicht zum Inbegriff dessen, was unabhängig vom einzelnen Sprachbenutzer gültig ist, vergegenständlicht. Aus der Perspektive des Einzelsubjekts ist sie ± kommunikativ verflüssigt ± die Gesamtheit aller anderen Sprachbenutzer, die mir zustimmen oder widersprechen und denen ich ebenso widersprechen kann, und wenngleich ich nicht allen auf einmal widersprechen kann, so kann mein Widerspruch doch Konsequenzen für das Wissen haben, dem bisher allgemeine Gültigkeit zukam. Das pragmatische Konzept führt daher nicht in jene Sackgasse, an deren Ende eine machtvolle Selbstentmächtigung des Erkennenden steht. Weder übergibt das Einzelsubjekt seine Autonomie der Gesellschaft, noch beansprucht es alle Autorität für sich, noch wird am Ende ein dem einzelnen Menschen gegenüber vergegenständlichtes abstraktes, transzendentales Erkenntnissubjekt etabliert. Indem Rorty dafür argumentiert, dass die je eigene Gewissheit der Subjekte hinsichtlich dessen, worüber sie sich verständigen, gesellschaftlich vermittelt ist,

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trifft dies die Subjekt- und Bewusstseinsphilosophie tiefer als ein intersubjektivitätstheoretischer Ansatz, der zunächst nur gegen die Vorstellung eines monologischen Subjekts argumentiert. Ein solcher Ansatz kann die Frage nach der epistemischen Autorität durchaus offenlassen oder sie so beantworten, dass ein einzelnes Subjekt, das sich mit anderen verständigt und das nur in diesem Verständigungsprozess zum Subjekt geworden ist, dennoch ± epistemologisch gesehen ± aus seinem direkten Wissen oder seiner unmittelbaren Bekanntschaft mit den Dingen schöpft, wenn es sich verständigt. Rortys Pragmatismus zeigt hingegen das Gesellschaftliche tatsächlich im Zentrum des Erkenntnissubjekts auf: in dem nämlich, was diesem Subjekt als sein vorgesellschaftliches, unmittelbar perzeptuell Gewisses, Selbstgegebenes, weil ± wie das cogito selbst ± von niemandem Bezweifelbares erscheint, wie auch in seinem Anspruch auf apodiktisches Wissen. Man braucht sich nur daran zu erinnern, wie die Bewusstseinsphilosophie etwa bei Husserl in der Weise zu sich selbst getrieben wird, dass erst und allein das vom Einzelbewusstsein dergestalt Gewusste, dass es als selbstgegebener intentionaler Inhalt des Bewusstseinslebens von eben diesem Einzelbewusstsein nicht wegzudenken und deshalb nicht zu bezweifeln ist, das Fundament emphatischer Wissenschaft bilden soll ± und zwar in souverän bewusstseinsphilosophischem Verzicht auf die Frage danach, ob dem als Bewusstseinsinhalt Gewussten auch gegenständliche Realität zukommt ±, um zu sehen, dass die Auflösung gerade jener Gewissheit in eine gesellschaftliche Größe die erkenntnistheoretische Bewusstseinsphilosophie ins Mark treffen muss. Ihre Fundierung überzeugt nur so ODQJHZLHPDQGDVÃPHLQµ LQÃPHLQH9RUVWHOOXQJHQµXQGÃPHLQH,QWHQWLoQHQµ als eine vorgesellschaftliche, ontologische Bestimmung behandelt,2 die sich nicht 2

In seiner Kritik an Husserl beleuchtet Adorno dessen Problem wie auch die generelle Schwierigkeit, ausgehend von der Gewissheit, wie sie gerade an das Einzelbewusstsein geknüpft ist, nämlich daran, dass etwas mein Bewusstseinsinhalt ist (mit Rorty könnte man sagen, an der privilegierten Zugangsweise des Einzelnen zu sich selbst), zu einem die Einzelheit übersteigenden, allgemeinen, transzendentalen ego zu gelangen. Ohne diesen Schritt wäre keine Erkenntnistheorie konzipierbar. Einerseits will die Konzeption eines überpersönlichen Ichs der wahrheitsstörenden Kontingenz des je einzelnen Ichs sich entledigen, andererseits muss sie aber an der alOHLQ DP ÃPHLQµ GHV (LQ]HOEHZXVVWVHLQV KDIWHQGHQ *HZLVVKHLW IHVWKDOWHQ XP HLQ transzendentales ego als Wissensfundament zu etablieren. Es ist dies das Problem aller wissensfundierenden Bewusstseinsphilosophie, dass sie, ausgehend von der je HLJHQHQDXVJHKHQGYRQMHÃPHLQHUµ*HZLVVKHLWQXUGXUFK Abstraktion zum überindividuellen Ich und somit zur allgemeinen Geltung dessen gelangt, wessen ich mir als des Meinigen gewiss bin, das jedem anderen qua transzendentaler Allgemeinheit sodann als ebenso sein unbezweifelbar gewusster Inhalt wie selbstverständlich zugesprochen wird. Nur verlässt gerade dieser Abstraktionsschritt auch das wahrheitsversprechende Moment der eben am konkreten ÃPHLQµJHEXQGHQHQ*HZLVVKHLW*egen dieses problematische Modell setzt Adorno die durchaus sinnkritische Einsicht, GDVV EHUHLWV GDV 3HUVRQDOSURQRPHQ ÃPHLQµ DXI ,QWHUVXEMHNWLYLWlW YHUZHLVW DXI GDV Gesellschaftliche, das bereits in der Gewissheit des Einzelbewusstseins qua Einzelbewusstsein enthalten ist, so dass es in Bezug auf dieses Bewusstsein keiner zusätz-

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erst der Exklusion alles Gesellschaftlichen verdanken soll. Doch erhält der erkenntnistheoretisch aufgeladene Gebrauch des Possessivpronomens erst im Kontext des Gesellschaftlichen überhaupt einen intendierbaren Sinn. Ich möchte nun dazu übergehen, den subjektphilosophischen Charakter von Rortys linguistischem Pragmatismus herauszuarbeiten und zu problematisieren. Rorty entfaltet zwar eine Kritik an der repräsentationalistischen Subjektphilosophie, die ausgehend vom Einzelsubjekt mit der Vorstellung eines unmittelbar Gegebenen und eines am Maßstab der Selbstgewissheit ausgerichteten Wissens unlösbar verbunden ist. Er formuliert seine Kritik so, dass sowohl mentalistische, naturalistische als auch linguistische Ansätze getroffen werden, sofern sie alle durch den Rückgang auf ein direktes, unmittelbares, daher vorgesellschaftliches Wissen des Subjekts allem kommunizierten Wissen ein Fundament verschaffen wollen,

lichen, hypostasierenden Abstraktion, die epistemologisch zum allgemeinen BeZXVVWVHLQ IKUW EHUKDXSW EHGDUI Ã0HLQµ %HZXVVWVHLQ LVW EHUHLWV $XVGUXFN HLQHV gesellschaftlich Allgemeinen. ± Das Einzel-Ich ist qua Privation bereits Resultat, nicht Fundament, und seine monadologische Struktur folgt der gesellschaftlich generierten, einheitsbildenden Abstraktion, die ein jeder an sich selbst vollzieht und die er deshalb zum überindividuellen ego vergegenständlichen kann. Ä'HQQ >«@ QXU ÃPHLQµ ,FK VROO MD DOV XQPLWWHOEDU JHJHQZlUWLJHV GDV ]ZHLIHOVIUHL gewisse sein; soweit bleibt Husserl Cartesianer. Wenn der Erkenntnistheoretiker vaULLHUHQGYRQÃVHLQHPµ]XPHLGHWLVFKHQ,FKJHODQJWVRLVWGRFKIULKQGLH$EVROutheit ÃVHLQHVµ,FKGHU5HFKWVJUXQGGHPYRQGLHVHPDEVWUDKLHUWHQHLGRVHJRDSRGLNWiVFKH*HZL‰KHLW]X]XVSUHFKHQ'DKHUGHU%HJULIIGHUÃWUDQV]HQGHQWDOHQ(UIDKUXQJµ GLH QXUDPÃHLJHQHQµ%HZX‰WVHLQVVWDQGN|QQHJHPDFKWZHUGHQ'DV K\SRVWDVLHUWH eidos ego aber dienW+XVVHUOUFNOlXILJGDQQZLHGHUGD]XÃVHLQµXQG MHGHVDQGHUH ego durch die Apriorität des faktenfrei Wesenhaften zu begründen, die doch, seiner Lehre zufolge, selber in der unmittelbaren Gewißheit des faktischen persönlichen BewußtVHLQVIXQGLHUWZlUH>«] :lUHGHP(UNHQQWQLVWKHRUHWLNHULQGHU7DWEOR‰ÃVHLQµ,FKDOV$XVJDQJVSXQNWJHJeEHQRKQH LUJHQG PHKU :LVVHQDOVGDV YRQÃVHLQHPµDEHU PLWGHP YROOHQ :LVVHQ GDV MHGHVVHLQHU(UOHEQLVVH DOV 0RPHQWHLQHVHLQKHLWOLFKHQÃ%HZXVVWVHLQVµTXDOLIiziert, so könQWHDXFKGLH9DULDWLRQLPPHUQXULP5DKPHQÃVHLQ,FKµVSLHOHQZofern VLH ÃVHLQµ ,FK IHVWKlOW $OOH ZLH LPPHU DQ]XJHEHQGHQ ÃUHLQHQµ 0|JOLFKNHLWHQ EOLeEHQVROFKHYRQÃLKPµMHGHVYDULLHUWH,FKGDVGHV5HGHQGHQ'LH9DULDWLRQIKUWHDllenfalls auf wechselnden Inhalt, nicht aber auf transzendentales Bewußtsein. Wer das reine Ich vorstellt, wie Husserl es postuliert, nämlich ohne dabei im mindesten XQGVHOEVWQLFKWDOVEOR‰H0|JOLFKNHLWÃHLQHQDQGHUHQµYRU]XVWHOOHQLVWLPPHUEOR‰ selber dies reine Ich. Die Phantasievariation durch reine Möglichkeit vermag die Immanenz der Monade nicht zu brechen, weil der dieser Immanenz zugrundeliegende Einheitsbegriff, der bei Husserl das überindividuelle Wesen ego begründen VROO VHOEHU PRQDGRORJLVFK LVWÃ0HLQµ,FK LVW LQ :ahrheit bereits eine Abstraktion und nichts weniger als die Urerfahrung, als welche Husserl es reklamiert. Durch das 3RVVHVVLYYHUKlOWQLVEHVWLPPWHVVLFKDOVK|FKVWYHUPLWWHOWHV,QLKPLVWÃ,QWHUVXEMHkWLYLWlWµ PLWJHVHW]W QXU QLFKW DOV EHOLHELJH UHLQH 0|Jlichkeit, sondern als die reale %HGLQJXQJYRQ,FKVHLQRKQHZHOFKHGLH(LQVFKUlQNXQJDXIÃPHLQµ,FKQLFKWNDQQ verstanden werden. Indem Husserls Logik das Ich als sich gehörendes limitiert, GUFNWVLHDXVGD‰HVJHUDGHQLFKWVLFKVHOEHUJHK|UW³ 0( f.)

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ganz gleich, ob es sich hierbei um ein mentales oder sinnliches Anschauungswissen, ein Regelwissen oder ein Bedeutungswissen handelt, das eine transzendental ausgerichtete Sprachanalyse zutage fördert. Dabei führt der von Rorty in epistemischer Hinsicht vertretene Vorrang der Gesellschaft vor dem einzelnen Sprachbenutzer insoweit zu einem strikten Gegenmodell zur Subjektphilosophie, wie die Gewissheit des Einzelsubjekts nun nicht länger als Quelle des unzerbrechlich Wahren angesehen wird. Seine Kritik an der Erkenntnistheorie weitet Rorty aber nicht zu einer Kritik an derjenigen erkenntnistheoretischen Weichenstellung in der neuzeitlichen Philosophie aus, die nicht allein qua epistemischem Selbstbezug zum Primat des Subjekts gegenüber der Gesellschaft, sondern auch zum Primat von Subjekts und Gesellschaft gegenüber der Natur führt. Der Primat gegenüber dem Objekt geht bei ihm vom Einzelsubjekt auf die Gesellschaft und ihre Praktiken respektive die sprachlich vergesellschafteten Subjekte über, bezüglich derer sich ± wie ich im Folgenden zeigen möchte ± Voraussetzungen der vom monologischen Einzelsubjekt ausgehenden Subjektphilosophie transformiert statt überwunden wiederfinden. In diesem Doppelcharakter von Kritik und Fortführung der Subjektphilosophie besteht, so die These dieser Arbeit, die Crux des neopragmatistischen Ansatzes. Rorty setzt an die Stelle des adäquationstheoretischen, anschauungsorientierten Wahrheitsbegriffs, mit dem die Idee objektiver Wahrheit zumindest intendiert ist, die sprachspielinterne Rechtfertigung von Überzeugungen, an die Stelle des Begriffs als Erkenntnismedium die Sprache als Instrument in gesellschaftlichen Praktiken, so dass dem rezeptionalen Weltbezug selbst keine wissenskonstitutive Rolle mehr zuerkannt wird. Damit geht seine Philosophie vom Primat des Subjekts in Gestalt des Sprachbenutzers gegenüber der wahrnehmbaren und begreifbaren Wirklichkeit aus, der dieses sich gegenübersieht. Mit diesem Primat jedoch bleibt der Neopragmatismus, wie ich in diesem Kapitel zeigen werde, gerade als polare Entgegensetzung zur realistischen und adäquationstheoretischen Wahrheitsauffassung dieser Auffassung reaktiv verhaftet. RorW\VÃ$XVUDQJLHUHQµ der in visueller Metaphorik beschriebenen Idee der Wahrheit, dieses Großbegriffs der abendländischen Philosophie, ist nicht allein die Konsequenz aus der inneren Widersprüchlichkeit des adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriffs. Es ist darüber hinaus die Folge davon, dass der Neopragmatismus, nicht anders als die Erkenntnistheorie, die den Prämissen dieses Wahrheitsbegriffs folgt, in einem theoriegeschichtlich verfestigten, subjektphilosophischen Rahmen argumentiert. In ihm ist die Auflösung des Begriffs einer Wahrheit, in die Nichtsubjektives relevant einbezogen ist, eines Begriffs, der sich durch den Begriff der Rechtfertigung nicht substituieren lässt, bereits angelegt. Der Pragmatismus treibt lediglich, wie ich nun darlegen möchte, diese Auflösung, voraussetzungsvoll ebenso wie konsequent, zu ihrem Ende. In ihrer von Rorty kritisierten, bewusstseinsphilosophischen und konstitutionstheoretischen Ausrichtung kann eine subjektphilosophische Strategie sowohl der

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Sicherung von zweifelsfreier Erkenntnis als auch dem skeptischen Einspruch gegen überzogene Wissensansprüche dienen, je nachdem, welche Funktion dem Ausgang vom Subjekt zukommt. Wird der Grund des Wissens allein in der Subjektivität selbst aufgesucht und dabei das kontingent Empirische vom wahren Wissen in der Weise ausgeklammert, dass dem Empirischen die Rolle des Wissensfundaments abgesprochen und das Wissensobjekt allein als Entität im SubMHNWLQGHVVHQÃLQQHUHm 6SLHJHOµEHKDXSWHWZLUGLQGHPHVVLFKUHVWORVHUVFKOLeßen lässt, dann bleibt für den Skeptizismus, so er sich hierauf überhaupt einlässt, kein Argumentationsspielraum. Wird mit dem Ausgang vom Subjekt hingegen auf der subjektiven Bestimmtheit des Wissens beharrt, um das von der subjektiven Immanenz ausgeschlossene oder mit ihr nicht in Deckung zu bringende Reale zu betonen und dieses als eigentlichen und doch unerreichbaren Erkenntnisgegenstand zu rehabilitieren, so wird der Skeptizismus von einer subjektphilosophischen Strategie gar nicht getroffen, er kann sie vielmehr für sich selbst in Anspruch nehmen. Der Witz der Position Husserls in seiQHU3KDVHGHUÄ(QWGeckung der transzendental reinen, in sich absolut geschlossenen Subjektivität, die ihrer VHOEVW MHGHU]HLW LQQHZHUGHQ NDQQ LQ DEVROXWHU =ZHLIHOORVLJNHLW³3, besteht darin, dass er den transzendentalen Subjektivismus theoriegeschichtlich aus dem Skeptizismus ableitet, der aufgrund der Rückwendung zum Subjekt seine eigene AufO|VXQJEHUHLWV]XHQWKDOWHQVFKHLQWÄ'DV:HVHQDOOHV6NHSWL]LVPXVLVW6XEMHNWiYLVPXV³4 8QGGLHVHU6XEMHNWLYLVPXVPQGHWLQGHU(UNHQQWQLVÄGD‰ZDKUH2bjektivität etwas ist, das nur im Bewußtsein Sinn und ursprünglich realisierende %HZlKUXQJHUIDKUHQNDQQ³5. Dabei wird natürlich vorausgesetzt, dass der Skeptizismus an der fehlenden vollkommenen Gewissheit als solcher interessiert ist, und nicht an einem Wissen davon, was mit der Subjektivität nicht identisch ist. Die entgegengesetzten Möglichkeiten, den Ausgang vom Subjekt argumentativ in Anspruch zu nehmen, lassen sich mit einem Hinweis auf Kant beleuchten, dessen Ansatz noch beide Aspekte in sich enthält. Soweit Natur von der Sphäre transzendentaler Subjektivität als deren Konstituens eingeschlossen wird, ist sie ± gegen allen Skeptizismus ± vollständig erkennbar; soweit sie aber von dieser 6SKlUH DXVJHVFKORVVHQ LVW DOV Ã'LQJ DQ VLFKµ betrachtet wird, bleibt sie der Erkenntnis verschlossen. Aus der Sicht Rortys ist es die Idee der Wahrheit als adaequatio, die Vorstellung, Erkenntnis sei ungetrübte Repräsentation der Wirklichkeit durch das Medium des Begriffs, der im gelungenen Fall mit der Wirklichkeit übereinstimmt, ist es diese Idee, die sowohl fundamentalistische Wissensansprüche nährt ± und diese ziehen im äußersten Fall alles Erkenntnisreale in GLHVXEMHNWLYH,PPDQHQ]KLQHLQ DOV,QKDOWGHVÃ6SLHJHOVµ ± als auch den Skeptizismus hervorruft, der auf dem Anderen des Subjekts insistiert und so den ausweglosen Konflikt zwischen beiden bedingt. Gibt man nun bereits die in sich un-

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E. Husserl: Erste Philosophie, Erster Teil, S. 63. Ebd., S. 58. Ebd., S. 77.

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stimmige adäquationstheoretische, repräsentationalistische Wahrheitsauffassung vollständig preis, dann entledigt man sich auch der unnötigen Voraussetzung des Streits zwischen Realismus und Absolutismus auf der einen und Skeptizismus und Relativismus auf der anderen Seite. So stellt sich die Problemlösung für den Neopragmatisten dar. Die pragmatistische Kritik erscheint aber in einem anderen Licht, wenn der von Rorty vertretene epistemische Primat des Sprachsubjekts ± das zum Maß allen Wissens bereits deshalb erhoben wird, weil Wissen ohne es platterdings nicht wäre ± der beschreibbaren Realität gegenüber als genauso fraglich gilt wie eine Adäquationslehre, die Subjekt und Objekt, Sprache und Welt, Begriff und Realität, Denken und Sein als isolierte Relata statisch einander gegenüberstellt, ohne doch eine Perspektive auf diese Relation einnehmen zu können. Denn es ist das von Natur bereits losgerissene Denken, das, als Kehrseite seiner Entgegensetzung zu einer Realität, die zu einer dem Denken äußerlichen, bestimmungslosen geworden ist, alle Realitätsbestimmung auf sich als Ausgangspunkt der Erkenntnis zurückführt. Die subjektphilosophische Strategie dieser Zurückführung ist es, mit der die Entzweiung in der Erkenntnis erst produziert wird, als deren monistische, und zwar subjektivitätsmonistische Überwindung sich diese Strategie dann wieder empfiehlt. Bestreitet der reflexionslose Realismus den subjektiven Anteil jeder Erkenntnis und will der szientistische Objektivismus diesen Anteil qua Methode loswerden (was ihm aber, wie nicht erst der Pragmatismus zeigen konnte, nicht gelingt), so unterschlägt die Subjektphilosophie den relevanten Anteil des Objekts an der Erkenntnis als die nicht subjektive Ermöglichungsbedingung von Erkenntnis, sie unterschlägt das Bestimmtwerden der Erkenntnis durch das Objekt; und wegen dieser Unterschlagung muss solches abgespaltene Denken die Idee objektiver Wahrheit vollständig zurückweisen. Die adäquationstheoretische Wahrheitsauffassung vor allem ist es, welche die klare Aufspaltung der Erkenntnis in ihren subjektiven und objektiven Anteil erfordert; diese Aufspaltung ermöglicht sodann wieder die erkenntnistheoretische reductio ad hominem. Insofern hat auch und gerade eine subjektphilosophische Theoriestrategie die Adäquationsvorstellung zu ihrer latenten Voraussetzung. ± Die Vorstellung eines Objekts, das medial angemessen so, wie es ist, repräsentiert werden kann, wenn es von allen nur subjektiven und daher wahrheitsverzerrenden Zutaten gereinigt wird, ist der repräsentationalistische Irrtum, der den subjektiven Anteil im Objekt verkennt. Diesem vom Pragmatismus klar gesehenen Irrtum, bei dem Subjekt und Objekt wie getrennte Entitäten behandelt werden, bleibt Rorty trotz seiner Kritik am traditionellen Wahrheitsbegriff indirekt verhaftet, indem er den subjektiven Anteil, der in der Realitätsbeschreibung zu einem bestimmten Zweck bestehen soll, seinerseits gegen das Objekt ± nicht anders als der Objektivismus ± verselbständigt. Indem Rorty die Subjektphilosophie als fraglos etablierte und letzte Antwort auf den reflexionslosen und den metaphysischen Realismus voraussetzt und ihr seine pragmatistisch-linguistische Fassung gibt, reproduziert er gegen die eigene Inten-

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tion den Dualismus, der vom adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff nicht fortzudenken ist. Den erkenntnistheoretischen Dualismus allein zu einer Seite hin auflösen zu wollen, und sei diese auch die Subjektseite, heißt, ihn zu reproduzieren. Der Primat des Subjekts gegenüber der Natur, als dem nichtinferentiellen Erkenntnisrelat, ist ± das würde Rorty auch nicht bestreiten ± keineswegs an repräsentationalistische Modelle gebunden, die Bewusstsein oder Sprache als reflektierendes Medium, das sich selbst am nächsten ist, in den Mittelpunkt der Reflexion rücken. Wiewohl solche Theorien grundsätzlich zum epistemischen Primat des Einzelsubjekts gegenüber der Gesellschaft führen. Es können in subjektphilosophischer Absicht Erkenntnis und Wissen ebenso gut auf die erkennende Person, die Überzeugungen hat, oder den Sprachbenutzer, der Teilnehmer eines Sprachspiels ist und dessen Wissen über die Welt als sprachliche Äußerung und nicht als mentale Vorstellung oder sprachliche Repräsentation manifest ist, zurückgeführt werden. Eine Kritik an der Subjektphilosophie, die über eine Kritik an deren bewusstseinsphilosophischer und repräsentationalistischer Gestalt, die den epistemischen Primat des Einzelsubjekts gegenüber der Gesellschaft begründet, hinausgeht, liegt nicht in Rortys Sinn. Denn eine solche weiter gehende Kritik müsste sich zwingend gegen seinen radikal nominalistischen Ansatz wenden, der perspektivistisch auf die Möglichkeit alternativer, zweckrelativer und schließlich gleichberechtigter Beschreibungen der Wirklichkeit, die stets nur ein Mittel der Interaktion mit dieser sind, hin angelegt ist und damit ± wenn auch nicht in fundierender Absicht ± die Subjektivität wiederum ins Zentrum rückt. Diese ist in Anknüpfung an Davidson im Theorem Rortys zwar selbst zum Ä1HW]ZHUNYRQhEHU]HXJXQJHQ³dezentriert, sie steht also nicht in der Weise einer erfahrungskonstitutiven, identischen und einheitlichen Egoität im Mittelpunkt, sondern als die sprachbenutzende Person, die Überzeugungen hat. Nichtsdestoweniger ist diese Person der von Natur und Gesellschaft sich selbst unterscheidende Autor des Beschreibens und Neubeschreibens der Wirklichkeit. Denn nicht Überzeugungen oder ein Netzwerk von Überzeugungen beschreiben die Wirklichkeit, sondern eine Person, die diese Überzeugungen hat. Auch wenn man die Auffassung Rortys teilt, dass Natur nur als von Menschen beschriebene und beschreibbare eine für Menschen ist und in das Beschreiben perspektivbildende menschliche Zwecke eingehen, welche die Interaktion mit der Umwelt bestimmen, so muss man keineswegs ausschließen, dass eine Beschreibung auch ihrerseits vom zu Beschreibenden bestimmt wird, dass Natur also, im Rahmen ihrer kohärenten Beschreibbarkeit, mehr ist als nur Substrat zweckgebundener sprachlicher und damit subjektiver Determination. Eine Betrachtung der Sprache als Kommunikationsmittel und Werkzeug in der Auseinandersetzung der Menschen miteinander und mit der Natur schließt nicht aus, dass sie hierin keineswegs aufgeht, sowenig wie die Hand darin aufgeht, ein körpereigenes Instrument für allerlei praktische Verrichtungen des Menschen zu

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sein, sie ist auch Organ des Sichausdrückens und der Wahrnehmung, hat außer ihrer handlungsfunktionalen auch ihre expressive und rezeptive Seite. Mehr noch ist ohne eine jegliche rezeptive und mimetisch-expressive Schicht der Sprache diese auch nicht einmal als Instrument denkbar. Die rezeptive Schicht ist schon daran erkennbar, dass Sprache, um als Instrument differenzieren zu können, auf reale Differenzen reagieren können muss. Wer wollte schon ein Papiermodell mit Hammer und Nägeln zusammenbauen? Der Zusammenhang des Werkzeugcharakters mit der wohl kaum zu verleugnenden expressiven Schicht von Sprache ließe sich damit zumindest plausibel machen, dass ohne eine Fähigkeit zur sprachlichen Expression auch keine sprachliche Präzision möglich wäre, die an der spezifischen Sprachgestalt des Ausgesagten haftet. Rortys Nominalismus aber ist insofern reduktiv, als nach ihm ausschließlich der Beschreibende in seiner zweckorientierten Auseinandersetzung mit der Realität allem Realen die nennbaren Eigenschaften verleiht und auf diese Weise die Realität gleichsam GXUFKGDV:HUN]HXJ6SUDFKHHUNHQQWQLVSUlIRUPLHUHQGÃEHDUEHLWHWµÃNRQILJXULHUWµ wie in der transzendentalen Erkenntnistheorie der Verstand das sinnliche Material. Rortys Philosophie führt somit die Subjektzentrierung der neuzeitlichen Philosophie fort, auch wenn er die mit dem Cartesianismus einsetzenden bewusstseinsphilosophischen Epistemologien kritisiert. Denn jetzt tritt jene Zentrierung als Sprecherzentrierung wieder auf, als Zentrierung auf den Sprache benutzenden anthropos. Gewiss ist der Sprecher erst als Mitglied einer ihn prägenden Sprachgemeinschaft ein Autor der Wirklichkeitsbeschreibung, so dass neben seiner intrapsychischen Dezentriertheit auch seine gesellschaftliche Konstituiertheit nicht aus dem Blick geraten ist. Beide Aspekte kontrastieren zur klassisch subjektphilosophischen Auffassung, die vom autonomen, mit sich identischen und die Gesellschaft als empirische Realität transzendierenden, ihr vorausliegenden cogito als dem Fundament allen Wissens ausgehen. Dennoch: Die Stellung des Sprechers einer Sprachgemeinschaft, auf welche die epistemische Autorität übergegangen ist, und mithin die Stellung dieser Gemeinschaft zur Wirklichkeit ist eine solche, in der Wirklichkeit ausschließlich unter sprachsubjektiven Bedingungen gedacht wird. Der Sprachgemeinschaft kommt wahrheitstheoretischer Vorrang gegenüber dem zu, was als Nichtsprachliches zum bloßen bestimmungslosen Substrat determinierender Beschreibung im Rahmen der Praxis eines gemeinsamen Sprachspiels geworden ist. Damit nähert Rortys Pragmatismus sich der von ihm selbst kritisierten subjektiven Konstitutionslehre kantischer Prägung an, nach der dem Subjekt das Sinnesmaterial nur als an sich unbestimmtes Substrat der begrifflich synthetisierenden Verarbeitung zu einem Objekt dient. Immerhin ist bei Kant dieses Material insofern bestimmt, als es zur entsprechenden Synthesis gleichwohl geeignet sein muss. Im linguistischen Pragmatismus ist es das gemeinsame Sprachspiel, dem eine quasitranszendentale Rolle zugesprochen wird. In einem entscheidenden Punkt allerdings radikalisiert dieser Pragmatismus die subjektive Konstitutionslehre. Letztere kennt nur eine Möglichkeit, dem sinnlichen Material in der

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Synthesis, die es zu einem Objekt erstellt, gerecht zu werden; anderenfalls würde das Subjekt seine einzelnen Empfindungen nicht kohärent zusammenfügen. Damit geht die subjektive Konstitutionslehre, nach der immerhin die Natur in ihrem gesetzlichen Zusammenhang sich nach dem Subjekt zu richten hat, nicht in einer rein internalistischen Erkenntniskonzeption auf. Gemessen an der neopragmatischen Lehre aber ist sie damit noch nicht subjektiv genug. Indem bei Kant jegliche objektkonstituierende Bestimmung aufseiten des Subjekts verbucht wird, kann keine die subjektive Tätigkeit formende Beschaffenheit des Materials eine ebensolche objektkonstituierende Bedeutung erhalten wie die subjektive Tätigkeit. Dieses Moment der Äußerlichkeit der subjektiven Tätigkeit gegenüber dem, woran sie geübt wird, wird im Nominalismus Rortys zum Rechtsgrund dafür, das sinnlich-materielle Äquivalent der subjektiven Tätigkeit ausschließlich von Letzterer als einer veränderlichen, auf verschiedene Weise möglichen Tätigkeit her zu betrachten: Die grammatisch-synthetisierende Leistung ist zweckrelativ, das Material der Synthesen ausschließlich dadurch bestimmt, dass der kausale Nexus der Erscheinungen bei wechselnden Beschreibungen konstant bleiben muss. Es werden vom Subjekt im Hinblick auf bestimmte Zwecke Bestimmungen auf das sinnliche Material unter Berücksichtigung seiner Kausalität entlassen; eben diese Zwecke differieren und mit ihnen die Bestimmungen. Dementsprechend gibt es viele Möglichkeiten, etwas am nichtsprachlichen Material beschreibenderweise zu objektivieren. :LHJHVHKHQEOHLEWLP6WUHLWXPGDV,QQHQOHEHQGHUÄ$QWLSRGHQ³DQGHPDrgumentativen Punkt, wo sich der Spaten zurückbiegt, nur die FeststellXQJÄ'LeVHV 6SUDFKVSLHO ZLUG JHVSLHOW³ DXI GLH VLFK 5RUW\ NRQVHTXHQWHUZHLVH VHOEVW ]urückzieht. Nicht anders beruft sich die klassisch subjektive Konstitutionslehre darauf, dass die bei der Analyse des Verstandes (statt des Sprachspiels) entdeckten Verstandesregeln und -begriffe (statt der Grammatik) vorgegeben sind, und zwar allen vernünftigen Wesen. Dieser universalistische Anspruch wird vom Sprachspielnominalismus natürlich nicht geteilt, der die Unhintergehbarkeit der grammatischen Regeln auf eine jeweilige, historisch entstandene und veränderliche Sprachgemeinschaft bezieht und diese Regeln damit zudem einer genealogischen Betrachtung, die sie in ihrem Gewordensein erkennt, zugänglich macht. Für den einzelnen Sprachbenutzer sind jene Regeln wie die Sprache im Ganzen gleichwohl ebenso ein Vorgegebenes, das er, um Subjekt in einer gemeinsamen Sprachpraxis sein zu können, einüben muss. Gelingende Rechtfertigung läuft dementsprechend auf Kohärenz innerhalb eines Sprachspiels hinaus. Hinter dieses kann der Sprecher, ohne das Spiel zu wechseln und ohne sich nicht selbst als Teilnehmer einer Sprachpraxis durchzustreichen, zumindest nicht in einem einzigen Schritt zurück. Indem allein die Regeln des Begriffswortgebrauchs und der diskursiven Praktiken für ein begriffliches Wissen konstitutiv sind und nicht auch ein reales, nichtinferentielles Äquivalent, durch das sich diese Regeln bestimmen, und indem sie als solche (gleich den Verstandesregeln) den einzelnen Sprechern vorgängig wie vorgegeben sind, kann ein Sprecher sie auch nur auf eine

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kontingente Sprachspielgeschichte zurückverfolgen und diese Geschichte erneut durchleben. Den Grund aber, warum ein Sprachspiel funktioniert, kann er selbst gar nicht einsehen und auf ein Nichtsprachliches zurückführen; sehen kann er nur, dass dieses Spiel als eine bestimmte soziale Praktik, die bestimmten Zwecken dient, offenbar möglich ist. Mit seiner reductio ad hominem als reductio auf den Sprachbenutzer bewegt sich Rorty vollständig auf der subjektphilosophischen Bahn, nämlich der von der sprachlichen oder mentalen Tätigkeit des Subjekts im Zentrum vorgezeichneten. Das lässt sich besonders gut erkennen, wenn man betrachtet, wie die Subjektphilosophie mit der Frage nach der Existenz von etwas umgeht. Insbesondere die idealistische und phänomenologisch ausgerichtete Bewusstseinsphilosophie Husserls lässt sich als eine Theorie verstehen, die das Fundament unseres Wissens ganz in der Immanenz des Bewusstseins verortet. Ein solcher Ansatz muss gar nicht mit der positiven These verbunden sein, die ÃWHOW GRUW GUDX‰HQµ existiere nicht. Eine These, welcher Rorty die pragmatische und seinen Naturalismus festigende These entgegensetzt, diese Welt existiere sehr wohl, das Wissen von Sprachbenutzern sei mit ihr jedoch nur kausal (und eben nicht medial) verbunden, es komme ihr daher nicht die Rolle der repräsentationalen Bewahrheitung zu. Doch hiergegen ist an das zu erinnern, was jene Ansätze als ihre grundlegende, theorieprägende Einsicht proklamieren. Eine bewusstseinsphilosophische Position wie diejenige Husserls braucht in ihrer phänomenologischen Reduktion nur der These zu folgen, dass die Existenzfrage epistemologisch keine Rolle spielt und zur Wissensfundierung überhaupt nichts beiträgt, weil der Ausgang vom Bewusstsein damit begründet wird, dass die transzendentale Untersuchung die Wirklichkeitsfrage deshalb ausklammern kann, als es ihr allein darauf ankommt, wie etwas als Erkenntnisgegenstand einem Bewusstsein gegeben ist.6 Alles, was erkennbar ist, hat an sich selbst die erkenntnisförmige Gestalt, für ein Bewusstsein zu sein, und in dieser Gestalt wird alles Objektive in überlegener Weise gegenüber den positiven, objektivistischen Wissenschaften, die sich angeblich hierüber keine Rechenschaft ablegen, zum basalen Untersuchungsgegenstand. Nicht grundsätzlich anders als diese bewusstseinsphilosophische Argumentation hinsichtlich der epistemischen Bewertung von existierender Außenwelt aber ist Rortys Argumentation gestrickt. Nach ihr hat GLHÃ:HOWGRUWGUDX‰HQµ für die sprachlich-diskursiven Bedingungen, unter denen innerhalb eines Sprachspiels ein Satz wahr oder falsch wird, keine wahrheitstheoretische Relevanz. Schließlich: Der klassische, zumal hegelsche Idealismus bedarf ± statt jener von Rorty unterstellten Existenzbestreitung ± nur des Arguments, dass das, was relational zum Denken dessen Gegenstand ist, worauf der Erkennende referiert ± das also, was ihm nach Art der Anschauung direkt gegeben dünkt und woran sich unter adäquationstheoretischen Prämissen die Wahrheit und nicht nur die Kohä6

Vgl. E. Husserl: Erste Philosophie, Zweiter Teil, S. 69 ff.

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renz seiner Aussagen misst ±, immer schon, um überhaupt gedacht werden zu können, 'HQNEHVWLPPXQJHQ ÃYHUN|USHUWµ VR GDVV GLH %HKDXSWXQJ YRQ GHU GHP Denken gegenüber fundamentalen Andersheit des Erkenntnisgegenstandes, wenngleich dieser vom Denken auch unterschieden ist, ein auflösbares Selbstmissverständnis des Erkennenden bedeutet. Auch der Idealismus also behauptet nicht etwa ± welchem wirklich existierenden, von ihm unterschiedenen Diskutanten gegenüber sollte er so etwas behaupten? ±, es JlEH NHLQH :LUNOLFKNHLW ÃDu‰HUKDOEµGHV'HQNHQGHQVRQGHUQHUEHKDXSWHWGLHWirklichkeit der Denkbestimmungen, ihr Wirklichsein in der ÃWHOWGRUWGUDX‰HQµ, und kann deshalb, ohne irgendein relevantes Erkenntnisdefizit zu riskieren, diese als solche zum Untersuchungsgegenstand erheben, um zu einem vollkommenen Wissen zu gelangen. Wenn Rorty seine Kritiker beruhigt mit dem Hinweis, sein naturalistischer Nominalismus könne die Wirklichkeit deshalb nicht verfehlen, der Gebrauch der Sprache deshalb nicht leerlaXIHQZHLO6SUDFKHDOVÃ:HUN]HXJµLQXQPLWWHOEDUHP kausalem, gleichwohl aber nicht quasivisuellem Kontakt mit ihr stehe und nur unter diesen Bedingungen funktioniere, so ermöglicht ihm diese Argumentation, RKQH Ã:LUNOLFKNHLWVYHUOXVWµ beim Sprachspiel so anzusetzen, wie die obigen Konzeptionen beim Bewusstsein oder beim Denken selbst, das immer schon seinen Gegenstand enthält, insofern dieser umgekehrt Denkbestimmungen verkörpert und immer schon im Modus des Seins für ein Bewusstsein existiert, um gedacht und gewusst werden zu können. Dass in der idealistischen Bewusstseinsphilosophie die Erkenntnisrelation zu einer dem Bewusstsein immanenten werden kann, verdankt sich der Auffassung, dass die Beantwortung der Frage der Existenz von etwas, worüber wir ein begriffliches Wissen haben, diesem Wissen nichts hinzufügt. Die berüchtigten hundert Taler, an denen Kant die Problematik des klassischen Gottesbeweises demonstriert und die Hegel in der ebenso berühmt gewordenen Anmerkung der Wissenschaft der Logik wieder aufnimmt, lassen sich als theoriegeschichtliche Zuspitzung der Problematik von Wissen und Existenz lesen. Wenn mit hundert wirklichen Talern zu dem Begriff von hundert (nur gedachten) Talern prädikativ nichts hinzukommt, dann drückt das entweder kantisch die partielle Insuffizienz des Begriffs aus, dem es an der Wirklichkeit mangelt, man mit ihm also leider nicht einkaufen kann (so dass die Existenz Gottes auch nicht aus seinem Begriff gefolgert werden kann), oder es drückt hegelisch die Souveränität des Begriffs aus, dergestalt, dass Existenz unter begrifflichen Bedingungen selbst nichts als eine nur erst abstrakt leere Bestimmung ist. Man kann aber die Existenz auch als dasjenige verstehen, was erst und nur im praxisinvolvierenden, regelgeleiteten Gebrauch des Ausdrucks Ãhundert Talerµ seine Bedeutung erhält (wenn ich einkaufen gehe, so wird der Gebrauch ein real anderer sein als in der Illustrierung der Widerlegung eines Gottesbeweises, und damit wird auch die an den Verwendungskontext gebundene Bedeutung eine andere) und darüber hinaus überhaupt keine Bedeutung hat. So ließe sich eine linguistisch-pragmatistische Interpretation des Verhältnisses von Wissen und Existenz formulieren, die den gleichen Erklärungsweg geht, Wirklichkeit ausschließ-

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lich vom Wissen her zu sehen und nicht umgekehrt Wissen als ebenso durch die Wirklichkeit bestimmtes Wissen verständlich zu machen. Als Vorausblick auf die Erkenntniskritik Adornos, auf seine Kritik am identifizierenden Denken, die in den folgenden Kapiteln eine besondere Rolle spielen wird, wäre an dieser Stelle anzuPHUNHQGDVV$XVGUFNHZLHÃ:LUNOLFKNHLWµXQGÃ([LVWHQ]µHUVWXQWHUGHQ Bedingungen eines sich verabsolutierenden Denkens zu dem bedeutungslosen Abstraktum erstarren, auf dessen Gegenteil ihr Gebrauch oftmals hinauswill, der mit der Schwierigkeit konfrontiert ist, ihren abstrakten Bedeutungsumfang, den sie einmal erhalten haben, nicht abschütteln, sondern nur durch Kontextuierung zurücknehmen zu können. Ihr Gebrauch will gerade auf ein mit dem Begriff nicht Identisches hinaus, das nicht auf ein Weniger an Bestimmungen, wie sie einzelnen bestimmten Objekten zugehören, hinausläuft, so dass diese Bestimmungen alle auf das Objekt, die Wirklichkeit, das Reale schlechthin gekürzt werden, sondern auf ein Mehr ihrer Bestimmbarkeit gegenüber dem, was der bisherige Gebrauch der Begriffe an Bestimmungen umfasst. Der kognitive Selbstbezug, dessen bewusstseinsphilosophische Konzeptionalisierung Rorty als Sprachspiel vom ÃLQQHUHQSpiegeOµ dieser sich selbst gegebenen Realität des Mentalen, kennzeichnet und kritisiert, dieser Selbstbezug ist es, der mit der Konzeption der wissenskonstitutiven Sprachspielgemeinschaft seine sprachpragmatisch überarbeitete Neuauflage bekommt. Der Holismus der miteinander verbundenen Vorstellungen und Begriffe in einem Bewusstsein erscheint transformiert zum Holismus inferentiell-sprachlicher Bezüge in einem gesellschaftlichen Sprachspiel, das den Teilnehmern an diesem Spiel unmittelbar gegeben ist. Beide Male ist das Denken abgeblendet gegenüber dem Nichtinferentiellen als dem in diesem Holismus nicht aufgehenden Anderen. (Dem in einem Sprachspiel nicht Aufgehenden trägt allerdings bereits die Konzeption alternativer Sprachspiele Rechnung.) Indem die Regeln des Sprachspiels intersubjektiv generiert sind und sich bis auf die unmittelbaren Gewissheiten erstrecken, wird die Wahrheitsrelation ± als Relation zwischen Aussagen und dem, was diese bewahrheitet ± zu einer sprachgemeinschaftssinternen. Sie ist Relation nicht zwischen Bewusstsein und Gegenstand, sondern eine zwischen den Sprechern selbst. Nach der These des erkenntnistheoretischen Behaviorismus bilden sich in dieser Relation die gemeinsame Regelanwendung und das Vertrautsein mit den Regeln, den geteilten Gewissheiten, in denen die Regeln sich sedimentieren, durch Zustimmung und Widerspruch zwischen den Sprechern heraus. Die Sprachspielgemeinschaft ist, was ihre Stellung zum Nichtsprachlichen betrifft, gleich dem BeZXVVWVHLQHLQLQHSLVWHPLVFKHU+LQVLFKWJHVFKORVVHQHUÃ+RKOUDXPµGHQGHU6SUecher nicht verlassen kann, weil er für seine eigenen Gewissheiten konstitutiv ist. An die Grenzen zu einem Anderen scheint der Sprecher nicht gelangen zu können; er stößt immer nur auf sich gegenseitig tragende, sozial generierte Gewissheiten. Dafür braucht er aber auch kein Herausfallen ins Bodenlose zu fürchten; allenfalls kommt er nach langen Strecken der Begründungen in seinem Wissen wieder dort an, wo er schon einmal war. Wie in der Bewusstseinsphilosophie die

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je eigene Apperzeptionsrealität des Erkennenden die Grenzen seiner Welt bildet, so bildet das geteilte sprachliche Bedeutungswissen der Sprachgemeinschaft die Grenzen einer gemeinsamen sozialen Realität, in der Natur nur noch als determinierbares Substrat erscheint. Rorty, der das Sprachspiel des Cartesianismus, mit dem die Weichen für die neuzeitliche Erkenntnistheorie gestellt worden sind, wegen des wissensfundierenden Ausgangs von der Gewissheit des Einzelsubjekts kritisiert, bleibt diesem subjektphilosophischen Sprachspiel indirekt verhaftet. Und zwar in der Hinsicht, in der es um die Erkenntnis- und Diskursnormen der Klarheit und Deutlichkeit geht, die vom repräsentationalistischen Wahrheitsbegriff wie auch vom Streben nach fundamentaler Gewissheit kaum wegzudenken sind. An ihnen partizipiert nicht nur die analytische und sprachanalytische Philosophie, die Rorty wegen ihrer Fundierungsversuche kritisiert, sondern auch der Pragmatismus. Dies kann man sich genauer vor Augen führen, wenn man den Pragmatismus vor dem Hintergrund antiskeptizistischer Strategien betrachtet, die mit dem adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff verbunden sind. Bereits die oben erwähnte phänomenologische Strategie der Rückführung allen Wissens darauf, wie etwas dem Einzelbewusstsein gegeben ist, um Gegenstand des Bewusstseins zu sein, ermöglicht nicht nur die Ausklammerung der Existenzfrage als wissensirrelevante. Die äußerste Nähe des Bewusstseins zu dem phänomenologisch betrachteten Wie, in dem etwas für ein Bewusstsein gegeben ist, soll das gewähren, was einem letztgültigen Wissen unabdingbar zukommt, nämlich das höchste Maß an Unverschlossenheit und Transparenz. Bewusstseinsakte, in denen jenes Wie sich auflöst, haben als Gegenstand der Betrachtung für den Phänomenologen gegenüber empirischen Gegenständen den bedeutenden Vorteil, dass sie sich nicht wie das vom Bewusstsein isoliert betrachtete Empirische in eine dem Betrachter erscheinende und eine an sich existierenGH6HLWHDXIVSDOWHQODVVHQ(VJLEWEH]JOLFKGLHVHU$NWHNHLQÃ,QQHUHVµGDV dem Erkennenden verschlossen bliebe. Wie sich der Schmerz anfühlt, das ist der Schmerz, wie sich der Baum meinem Bewusstsein erschließt, welche Bewusstseinsakte ich wie zur Erfahrung des Baumes zusammenfüge, daraus besteht der Baum für ein erfahrendes Bewusstsein, ja für einen Wissenden. Der Phänomenologe ist bei jedem Schritt der Gegenstandskonstituierung selbst dabei, so dass gewissermaßen keine spekulativ zu füllende Lücke am Erkenntnisgegenstand zurückbleibt, die den Bereich dessen markiert, was einem Bewusstsein nicht erscheinen kann. Nicht wesentlich anders verfährt eine Untersuchung des Sprachspiels in quasikonstitutionstheoretischer Absicht. Sie macht sich in praxi, wenn auch nicht explizit programmatisch, vor allem die fundamentale Erkennbarkeit des Sprachspiels theoriestärkend zunutze. Über die intendierten sprachlichen Bedeutungen in einem Sprachspiel wie über dieses Spiel selbst, wenn wir es nur erneut durchleben und die Verwendungsweisen der darin vorkommenden sprachlichen Aus-

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drücke kennen, können wir uns ± wie übeUGDVYRQHLQHPFRJLWRÄ9HUPHLQWH³LQ der Konzeption Husserls ± vollkommene Klarheit verschaffen; inwieweit dies mit einer gewissen theoretischen Anstrengung und Übung verbunden ist, spielt hinsichtlich der prinzipiellen Möglichkeit keine Rolle. Auch die sinnkonstituierenden Züge eines Sprachspiels zerfallen nicht in eine erscheinende und eine existierende Seite, nicht in eine verschlossene und unverschlossene, sie sind vollständig zugänglich wie die gegenstandskonstituierenden Akte und Entitäten des Bewusstseins. Hier ist der Ort, an dem der Antifundamentalist Rorty keine theoretische Bodenlosigkeit zu fürchten braucht ± wie alle Subjektphilosophen, deren Horizont durch die intentio obliqua gebildet wird. Unübersehbar folgt in Bezug auf die Selbsttransparenz des Erkenntnis- bzw. Sprachsubjekts (freilich nicht des psychologischen Subjekts), dieses wichtige Motiv der erkenntnistheoretischen Wendung zum Subjekt, auch Rorty dem cartesianischen Ideal. Die Entdeckung der Bedeutung des cogito durch Descartes ist unschwer als exemplarische Applikation seiner Regeln zu erkennen, mit denen Klarheit und Deutlichkeit zum Maßstab wissenschaftlicher Erkenntnis erhoben werden. Doch dieser Maßstab ist nicht nur nicht von geringerer Fragwürdigkeit als der Repräsentationalismus, er ist auch ein Element desselben. Die Pointe der strengen Methodologisierung der Erkenntnis anhand der Normen Klarheit und Deutlichkeit liegt darin, dass sie implizit als Kriterium fungieren für eine intuitive Erkenntnis, für ein direktes Wissen, und das heißt: als Kriterium für die adaequatio rei et intellectus ± was am von Rorty kritisierten repräsentationalistischen Sprachspiel, mit seiner am Modell des Sehens gebildeten Metaphorik, auch unschwer zu erkennen ist. Je gründOLFKHUZLUGHQÃSpiegelµ der Natur putzen, umso klarer erstrahlt in ihm das Wahre. Wenn es nämlich für das erkennende Subjekt keinen Metastandpunkt gibt in Bezug auf die Erkenntnisrelation, von dem aus die adaequatio verifiziert werden könnte, so bleiben aus der Subjektperspektive als Adäquationskriterien nur die Klarheit und die Deutlichkeit des Erkannten übrig. Um in visueller Metaphorik zu sprechen: Kann ein Sehender, der etwas sieht, sein Verhältnis zu diesem Etwas als einem Wahrnehmungsobjekt nicht aus einer beiden übergeordneten Perspektive in den Blick bekommen und damit beurteilen, ob er das Etwas so sieht, wie es auch wirklich beschaffen ist, so kann er durchaus von der Klarheit und Deutlichkeit seiner Eindrücke auf ihre Übereinstimmung mit dem Gegenstand der Wahrnehmung schließen, wenn er hingegen etwas Unklares und Undeutliches sieht, so auf einen Mangel an seinem Sehorgan. Gerade die Ideale Klarheit, Deutlichkeit und auch Transparenz sind essentielle Bestandteile der perzeptuellen Metaphorik, die das Sprachspiel des Repräsentationalismus wesentlich bestimmt und die deshalb im Zentrum der neopragmatischen Kritik steht, ohne dass diese Ideale ± was doch konsequent wäre ± ebenfalls kritisiert würden. Gewiss sind sie, ebenso wie die Reflexion auf das Subjekt, auf Bewusstsein, auf Sprache, nicht schlicht als philosophischer Irrweg zu verwerfen. Man müsste anderenfalls auch die eminent aufklärerische Funktion bestreiten, die diesen Idealen zukommt. Jeglicher Dogmatismus ist Ausdruck fehlender Selbstreflexion, wäh-

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rend die ihn charakterisierende gedankliche Unschärfe oftmals gerade dem Interesse beisteht, das ungerne durchschaut wird. Problematisch werden Klarheit und Deutlichkeit jedoch, wenn sie implizit oder explizit als unbefragte Erkenntnisnorm gelten und zum Ausschluss ihres Gegenteils führen; wenn sie in der Reflexion nicht mehr mit dem Anderen des Subjekts, des Bewusstseins, der Sprache konfrontiert werden und wenn Unklarheit und Undeutlichkeit als Index des Falschen und Unwahren gelten. Unübersehbar aber hat der im Spiegel der Natur kritisierte Cartesianismus mit seiner grundlegenden Voraussetzung, das Mentale sei sich in aller Deutlichkeit unmittelbar selbst gegeben, unmittelbar selbst durchsichtig, seine unverkennbaren Spuren auch im Neopragmatismus hinterlassen: Rorty verlässt sich darauf, dass die Sprache dem Sprecher genauso unmittelbar gegeben ist wie das Mentale dem cogito, die Ideen dem Verstand. Darauf kann sich Rorty aber nur deshalb verlassen, weil die Bedeutungen sich klar und deutlich durch ihre eindeutige Funktion im Sprachspiel, die wiederkehrende Gebrauchsweise sprachlicher Ausdrücke, erkennen lassen und durch nichts anderes als durch diese Funktion im Sprachspiel bestimmt sein sollen. Die Frage ist, ob im Neopragmatismus nicht vielleicht auch deshalb eine epistemologische Relevanz des Realitätsbezugs ausgeschlossen wird, um auf sicherem Boden zu bleiben, statt sich dem von Erkenntnisnormen unpräformierten Gegenstand zu überlassen. Im erkenntnistheoretischen Behaviorismus ist eine theoriegeschichtliche Problematik geronnen, von der sich Rorty, der mit der von ihm kritisierten platonischen, schließlich cartesianisch-kantischen Tradition vollständig gebrochen zu haben meint, das Bewusstsein versagt. Der Pragmatismus soll ein neues Modell sein, das nicht wahrer ist als andere, das aber für die Erfordernisse einer demokratischen Kultur besser funktioniert als die fundamentaltheoretischen, auf zweifelsfreies Wissen statt auf gerechtfertigte und veränderliche Überzeugung bauenden Modelle. Hierfür spielt es keine Rolle, welchem ihm theoriegeschichtlich vorausgehenden Reflexionsprozess sich der neopragmatische Ansatz verdankt. Geht man dennoch einem solchen Reflexionsprozess nach, so gelangt man zunächst zu jenem erwähnten Versuch, dem Skeptizismus durch die Wendung auf das Subjekt zu begegnen. Man kann im neuzeitlichen Skeptizismus, der zu Recht der intentio recta nicht mehr ungebrochen folgen will, den Ausdruck der Krise gültiger Erkenntnis sehen: Können wir überhaupt zu einem sicheren Wissen von etwas gelangen? Im Anschluss an den radikalen Zweifel (Descartes) erfolgt die Wiederherstellung der Gewissheit im cogito selbst. Schließlich scheint mit dem kantischen Versuch, die Objektivität der Erfahrung durch die (transzendentale) Subjektivität hindurch zu retten, die Erkenntniskrise weitgehend entschärft, wenngleich um den Preis der Begrenzung von Erkenntnis, die ihren metaphysischen Anspruch eingebüßt hat. Die Klärung der gegenstandskonstitutiven Verstandesleistungen des Subjekts führt zu einer Gegenstandsgewissheit in dem Sinne, das aufgeklärt ist, was unter einem Gegenstand der menschlichen Erkenntnis

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zu verstehen ist, der den Bereich der Welt definiert, der erkennbar ist. (Wohingegen Descartes nur erst die Selbstgewissheit entdeckt, an der jede philosophisch anspruchsvolle Erkenntnis seither gemessen wird.) Analytische Klarheit und Deutlichkeit sind in der bewusstseinsphilosophisch-rationalistischen Epistemologie stets index veri, und sie hängen am gegenständlichen Charakter von Erkenntnis. Damit ist aus dem Erkenntnisbegriff ausgeschlossen, was sich nicht vergegenständlichen lässt und seither immer wieder Anlass zu metaphysischer Spekulation geboten hat. Legt man nicht wie Rorty den Akzent auf den übergeschichtlich fundierenden Charakter der Erkenntnistheorien, sondern auf ihren den Erkenntnisgegenstand normierenden (bei Kant ist es der Gegenstand der newtonschen Physik), so zeigt sich eine theoriegeschichtlich subkutane Kontinuität im Umgang mit dem Gewissheitsproblem, die bis zur antifundamentalistischen und zugleich naturalistischen Philosophie Rortys reicht. Diese Philosophie nämlich erntet die Früchte der Bewältigung einer weiteren Krise der Gewissheit: der Krise des sprachlichen Sinns. Die traditionelle, repräsentationalistische Philosophie unterstellt eine Eindeutigkeit und eine Klarheit der empirischen Begriffe, die auf deren gelingende Referenz auf ein Außerbegriffliches zurückgehen, das in der Vorstellung eines Bewusstseins repräsentiert wird, zu der sich wiederum komplementär der Begriff verhält. Was die Ideen betrifft, so können diese sogar schon deshalb klar und deutlich sein, weil das vernünftige Denken, auf sich selbst referierend, sie als Faktum in sich selbst vorfindet. Man muss also nur über klare und deutliche sinnliche Vorstellungen und abstrakte Ideen verfügen, um auch schon die Begriffe verstehen zu können, die sich auf diese Vorstellungen und Ideen beziehen und sie ausdrücken. (Dem Begriffsstutzigen mangelt es nur an Vorstellungs- und Abstraktionsvermögen.) Diese Sicherheit aber dürfte historisch zerbrochen sein; möglicherweise mit der modernen, beschleunigten Ausdifferenzierung von Theorien mit eigener, nur in ihrem holistischen Kontext lebendiger und nachvollziehbarer Theoriesprache, und nicht zuletzt auch mit dem Aufkommen der hermeneutischen Wissenschaften. Wittgensteins Wendung zur Sprache soll die Frage beantworten, wie wir wissen können, was wir meinen. Ihr geht es um Bedeutungsgewissheit. Unklarheit, Undeutlichkeit sind für den linguistischen Kritiker die Quelle der Metaphysik, diese ist Ausdruck einer verhexten, dem alltäglichen Gebrauch gegenüber verselbständigten Sprache. Laborierte bereits die bewusstseinsphilosophische Tradition an dem Problem, dass metaphysische Ideen, allen voran die Idee des Absoluten, der begrifflichen Fixierung entgleiten, wovon etwa jene berüchtigte Dunkelheit eines Plotins zeugt, so bedeutet die erkenntniskritische Grenzziehung zwischen Gegenstandserkenntnis und Metaphysik bei Kant zunächst nur, dass Erkenntnis des Absoluten nicht nach dem Modell von ± klar fixierender ± Gegenstandserkenntnis funktioniert, ein anderes wissenschaftliches Erkenntnismodell jedoch nicht verfügbar ist. Auch die sinnkritische Grenzziehung zwischen dem Sagbaren und dem Unsagbaren als die zwischen Sinn und Unsinn will im Namen von Klarheit und Deutlichkeit metaphysische Ambitionen in die Schranken weisen. Die Krise

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sprachlichen Sinns wird überstanden in der Weise, dass der eindeutige und klare Sinn, dass Bedeutungsgewissheit durch den regelförmigen Sprachgebrauch gewährleistet wird. Welche Regeln die maßgeblichen sind, muss in einer antifundamentalistischen Philosophie wie dem Neopragmatismus allerdings offenbleiben, wenn nicht der alltägliche Sprachgebrauch zu einem transhistorischen Faktum werden soll. Den Maßstab bildet jedoch in jedem Fall der kohärente Gebrauch, den die Sprecher einer Sprache von den sprachlichen Ausdrücken machen, denen sie selbst auf diese Weise einen Sinn geben und daher wissen, oder doch wissen können, wovon sie reden. Die sprachimmanente Verinhaltlichung der Ausdrücke, die sich auf etwas in der Welt beziehen, sichert den Sprechern die Gewissheit über das Gemeinte. Mit einer ähnlichen Strategie konnte der Skeptizismus nach der erkenntniskritischen Wende zunächst dadurch bewältigt werden, dass der Gegenstand der Erkenntnis in die Immanenz des Bewusstseins verlegt wurde. Die nachkantische Bewegung bis hin zum Idealismus versucht, diese Immanenz auszubuchstabieren.7 Die Bewusstseinsphilosophie trifft allerdings auf die Schwierigkeit, dass das Bewusstsein, und zwar als Agens erkennender Tätigkeit, sich der vergegenständlichenden Analyse nicht vollständig erschließt. Dieses Moment von Ungegenständlichkeit ist nur dem je einzelnen Bewusstsein an sich selbst, also aus der Perspektive der ersten Person erkennbar. Die introspektive Betrachtung, weil sie nur auf das je eigene Bewusstsein gehen kann, führt deshalb das ± an anderer Stelle bereits behandelte ± epistemologische Problem mit sich, dass ein jeweiliges Subjekt in seine Erkenntnisgewissheit andere Subjekte nicht einbeziehen kann. Diese müssen wiederum ihre Gewissheiten in sich selbst gewinnen. Erscheint etwa ein entsprechender philosophischer Text dunkel, für einen Rezipienten nicht nachvollziehbar, so erlaubt unter bewusstseinsphilosophischen Bedingungen diese Unnachvollziehbarkeit nicht, dass die Wahrheit indizierende Gewissheit, die jenes einzelne Bewusstsein ± hier als Autor ± hinsichtlich seiner inneren Ereignisse zu haben erklärt, als seine Gewissheit von einem anderen Bewusstsein erfolgreich in Zweifel gezogen werden kann. Vorausgesetzt natürlich, dass die Unverständlichkeit nicht auf simple Verstöße gegen Logik und Grammatik zurückführbar ist (und die sind bereits etwas Öffentliches), sondern dass eine verständlich machende Rückübersetzung der sprachlichen Darstellung in eigene introspektive Erfahrung misslingt, einem anderen Bewusstsein also in sich nicht reflexionsreal wird, wovon die Worte des ersten Bewusstseins die sprachliche Darstellung sein sollen. ± Darüber hinaus wäre eine Übereinstimmung der Beschreibungen introspektiver Erfahrungen noch keine Gewähr geteilter Gewissheiten. Denn es bestünde immer noch die Möglichkeit, dass mit übereinstimmenden Beschreibungen etwas Unterschiedliches in der je eigenen und inne-

7

Vgl. hierzu vor allem E. Cassirer: Das Erkenntnisproblem der Neuzeit, Dritter Band: Die nachkantischen Systeme.

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ren Erfahrung gemeint wäre. Die Referenz introspektiver Ausdrücke ist schon deshalb nicht öffentlich, weil das Referentielle es in diesem Fall nicht ist. Wegen dieser unausschließbaren Unklarheit, die zur Dunkelheit werden kann, richten sich positivistische und linguistische Ansätze gegen das Modell von Erkenntnis qua innerer Anschauung. Es wäre falsch, solchem Opponieren kein aufklärerisches Recht zuzubilligen. Verschanzen sich doch in der introspektiven Gewissheit gerne auch Autorität und Dogma des Propheten, der die Wahrheit von oben in sich empfangen hat. Nur führt diese aufklärende Absicht genau dort in den Dogmatismus zurück, wo nichts als reiner Tisch gemacht werden soll und die nach Ausdruck suchende individuelle Erfahrung zugunsten öffentlicher Konventionen, von denen sie nicht gedeckt wird, nicht mehr als wissensrelevant zugelassen ist. ± Man könnte eine positivistische Epistemologie so charakterisieren, dass sie mit der öffentlichen Herstellung von fixer Referenz, mit der determinierten und (methodisch) regulierten Zuordnung von Begriff als Spielmarke und sinnlichem Datum das Problem der Unklarheit der Referenz, man möchte sagen etwas holzfällerartig, beiseiteschaffen will. Ihr Modell orientiert sich an den experimentellen Naturwissenschaften mit ihrer entqualifizierten Ding-EreignisSprache, die aufgrund der strikten Zuordnung von Zeichen und Ding ein Referenzproblem nicht eigentlich kennen. Die oft übersehene Pointe dieses Modells besteht darin, dass Sprache (als Formelsprache) und Referenzobjekt, dass beide wie im Fall einer jeden Etikettierung ganz im Bereich des öffentlich Beobachtbaren liegen. Ein materielles Zeichen steht für ein materielles Ding oder Ereignis. Die Zuordnung selbst ist gleichwohl theorieimmanent vollzogen und methodisch reguliert. Hierin liegt zugleich der Grund, warum ein positivistisches Modell keine Erkenntnistheorie benötigt, sondern nur eine Methodologie. Denn was eine Erkenntnistheorie klären müsste, wie nämlich sinnliche Wahrnehmung und begriffliche Reflexion zueinanderkommen, hat ein solches Modell bereits denkpraktisch umgangen: Es setzt per Konvention eine Verbindung von Datum und Zeichen. Vorausgesetzt wird hierfür freilich ein theoretischer Atomismus, mit dem apriorisch festgelegt ist, wie die Äquivalente der festgelegten Referenz betrachtet werden sollen: auf der einen Seite isolierte Zeichen, auf der anderen Seite für sich isoliertes, klar umrissenes, identisch Seiendes, das mit anderem Seienden auf Basis zeitlicher Folge und räumlicher Verortung verknüpfbar ist. Das vermeintlich subjektunabhängige Datum enthält unaufgehellte Abstraktion, ist kategorial präformiert, es verdankt sich Praktiken, die etwas in der Wirklichkeit zu dem isolierten Dasein präparieren, das sich sodann als ursprüngliches, unmittelbares, von aller subjektiven Beitat unbeflecktes geriert. Ein Unterlaufen der Erkenntnistheorie durch Methodologie ist daher nur um den Preis der erneuten Naivität der Subjektivität sich selbst gegenüber erkauft, um den Preis der Ausblendung dessen, was das Subjekt selbst tut, wenn es etwa ein Datum oder einen Fakt zu etwas Objektivem erklärt. Die fehlende erkenntnistheoretische Selbstreflexion lässt das Referenzproblem daher erneut vor dem skeptizistischen Blick aufbrechen, sowie das Subjekt in die Betrachtung berechtigterweise wieder mit

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einbezogen wird. Das in der Wirklichkeit am Wirklichen als Referenzobjektiven je Gemeinte ist selbst nicht objektiv im Sinne eines Beobachtungsrealen für alle Erkennenden, ein Umstand, den Quine zur empirismuskritischen Theorie von der Unerforschlichkeit der Referenz ausbaut, auf die Rorty dann bei seiner Kritik an den repräsentationalistischen Voraussetzungen der Referenztheorien zurückgreift (vgl. SN, Kap. VI.4). Wenn nun Rorty den Sprachspielnominalismus in seiner behavioristischen Fassung vertritt, so hat er im Rückgang auf die historisch situierte Sprachgemeinschaft das Gewissheitsproblem inklusive des Problems der Klarheit und Deutlichkeit beiseitegeschafft, und zwar sowohl hinsichtlich der Referenz als auch hinsichtlich der sprachlichen Bedeutung. Es wollte der Pragmatismus freilich bereits das Streben nach Gewissheit als fundamentalphilosophischen Irrweg hinter sich lassen. Dieses Streben jedoch bestimmt latent jenen Rückgang auf die Sprachgemeinschaft, so wie es einst ausdrücklich den Rückgang auf das cogito motivierte. Rorty IDYRULVLHUW ZLH JHVHKHQ JHJHQEHU GHU HSLVWHPRORJLVFK ÃXnUHLQHQµGLHÃreineµ Sprachphilosophie, die er insbesondere bei Davidson durchgeführt sieht. Letztere befasst sich nur mit der Bedeutung von Begriffen, Erstere ist überdies mit der Referenzproblematik dieser Bedeutung beschäftigt, also mit etwas Sprachexternem, LQVRIHUQ GLH 6SUDFKH Ã9HUXQUHLQLJHQGHPµ 'HU UHLQHQ Sprachphilosophie folgend wird die Referenz der Frage nach der sprachlichen Bedeutung vollständig untergeordnet. Rortys Sprachspielnominalismus lässt die sprachliche Bedeutung im Gebrauch sprachlicher Ausdrücke innerhalb einer Sprachgemeinschaft aufgehen und erklärt allein unter diesen Gebrauchsbedingungen die Referenz. Diese kann nämlich nur verbindlich geklärt werden, wenn die Sprecher bereits über eine gemeinsame Sprache mit den dieser inhärenten möglichen Bezugnahmen verfügen. Ein gemeinsames Sprachspiel ist Ermöglichungsbedingung von Referenz, die immer schon intersubjektiv geteilt wird. Selbst die deiktische Klärung bestimmter Ausdrücke an dinglichen Gegenständen setzt ± wie in den Erläuterungen zum Sprachspielnominalismus sich gezeigt hat (Kap. 2) ± voraus, dass jemand eine Sprache in dem Maße beherrscht, dass er den handfesten Hinweis mit auf einen Gegenstand zeigenden Fingern als Bedeutungshinweis auch verstehen kann, und damit auch versteht, dass beispielsweise bei einem deiktischen Hinweis auf eine Blume weder die Berührung von ihr noch ihre bestimmte Form oder Farbe usw. gemeint ist, vielleicht nicht einmal sie als individueller Gegenstand, sondern sie als Exemplar ihrer Gattung. Im Unterschied zu rein positivistischen oder szientistischen Positionen sind in Rortys Modell freilich die Ermöglichungsbedingungen von Referenz aufseiten der Sprecher von vornherein reflektiert und konzeptioneller Bestandteil des Sprachpragmatismus geworden. Damit wird auch die Gewissheit an diese Bedingungen selbst geknüpft. Das gemeinte Referenzobjekt ist vom gemeinsamen, in sich komplexen Sprachspiel, ist vom intersubjektiven Gebrauch der Sprache aus konstituiert und hat über diesen hinaus grundsätzlich keinen Überschuss, kein Moment des Opaken und noch nicht Erfassten, der Unschärfe des an sich Bewegten, Prozessualen.

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Die Referenz wird im Kontext des Sprachgebrauchs realisiert, in dem das Referenzobjektive selbst ein funktionales Element in der Ausübung gesellschaftlicher Praktiken ist, in denen Sprache als Werkzeug fungiert. Indem der Sprachgebrauch intersubjektiv eingespielt ist, lässt sich jeglicher Zweifel an sprachlicher Bedeutung auflösen; durch den bedeutungskonstitutiven Sprachspielkontext des Wortgebrauchs wird sprachlicher Sinn klar und eindeutig. Darüber hinaus kann nun auch über das Referenzobjekt kein Zweifel mehr bestehen: Es ist ebenso klar und deutlich auf sprachliche Ausdrücke bezogen, weil dieser Bezug ausgehend von den klaren und deutlichen, kontextuierten Ausdrücken in einem Sprachspiel hergestellt wird, das für den Historisten Rorty freilich geschichtlich situiert und damit nicht von transhistorischer Geltung ist. Wenn daher Rorty das Gewissheitsproblem hinsichtlich unserer Gegenstandserkenntnis als fundamentalphilosophische Marotte verwirft, dann hat er die Ernte der sprachphilosophischen Bemühungen, gegen den Skeptizismus Klarheit und Deutlichkeit der Erkenntnis herzustellen, bereits eingefahren. Dass ein epistemologisches Modell, das beim Rückgang auf die Subjektivität eine objektzugewandte Reflexion nicht mehr vorsieht, selbst zur Geschlossenheit tendiert, wird durch den Neopragmatismus bestätigt. Wenngleich Offenheit in ihm dergestalt ins Spiel kommt, dass er die Möglichkeit und Rechtmäßigkeit alternativer Realitäts- und Selbstbeschreibungen theoretisch begründen möchte, so zeigt Rortys Pragmatismus dennoch seine Geschlossenheit als theoretisches Modell von Beschreibung und Realitätsbezug darin, dass, nachdem der adäquationstheoretische Wahrheitsbegriff verabschiedet worden ist, sein Modell allein nach Kohärenz- und Zweckmäßigkeitsanforderungen beurteilt werden möchte, die es selbst an alle anderen Modelle stellt. Rortys Argumentation gegen die traditionelle Erkenntnistheorie, die aus seiner Sicht in einer Kultur ohne Zentrum ihre Aufgabe verloren hat, besteht vor allem darin, dass nur repräsentationalistische Modelle einer solchen Theorie bedürfen, dass sich diese Modelle aber im Gegensatz zum pragmatischen Modell nicht kohärent entwickeln lassen und der Pragmatismus hieraus die einzig richtige Konsequenz zieht, indem er allein der Kohärenz eine wissenslegitimierende Funktion zuspricht. Rorty verpflichtet sich daher auf ein theoretisches Modell, das höchste Kohärenz gerade dadurch zu erreichen verspricht, dass es konsequent auf mögliche nichtdiskursive Erkenntnisgehalte verzichtet. Auf solche Gehalte a priori zu verzichten kann aber auch dazu ermuntern, sie gar nicht mehr zuzulassen. Nach der Konsequenzlogik des Neopragmatismus kann dieser denn auch allein solche theoretischen Einwände als zutreffend ansehen, die seinen eigenen Kriterien entsprechen und ihn damit im Ganzen nur bestätigen können. Die latente Immunisierung gegenüber sachhaltiger Kritik von außen ist, wie ich nun zeigen möchte, auf eine problematische Weise ein Bestandteil der Konstruktion von Rortys Neopragmatismus. Wenn Rorty die Unterschiedlichkeit und die Veränderung der Vokabulare und Sprachspiele thematisiert, vor allem in Bezug auf das erkenntnistheoretische

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Vokabular der Neuzeit, dem das pragmatistische entgegengesetzt wird, so gehen Unterschied und Veränderung auf die differenten Zwecke zurück, die selbst Bestandteil einer Lebensform sind und denen eine Beschreibung besser oder schlechter dient. Vermittelt über die anthropologisch nicht festgelegten menschlichen Zwecke ändern sich Sprachspiele und Vokabulare. Die erfahrbare Umwelt spielt für diese Veränderung nur insofern eine Rolle, als das Funktionieren einer Realitätsbeschreibung immer auch den Realitätsbedingungen unterliegt. Es gibt allerdings streng genommen im neopragmatischen Modell keinen Input aus der Erfahrung, der zu einer qualitativen Erweiterung des sprachlichen Inventars und einer Veränderung sprachlicher Inferenzen drängen würde. Der entscheidende Punkt nun ist folgender: Einerseits ist Rortys Sprachspielnominalismus eine linguistische Metatheorie über das Funktionieren von Sprache und ihr Verhältnis zur Realität, die dementsprechend hierüber generelle, nicht relative Aussagen trifft, wie etwa die der Zweckgebundenheit eines jeden Vokabulars und der Zweckrelativität einer jeden Realitätsbeschreibung, des Werkzeugcharakters von Sprache, und damit des nicht repräsentationalen Verhältnisses von Sprache und Wirklichkeit. Andererseits stellt sie natürlich selbst ein theoretisches Modell neben anderen Modellen dar, sie wendet ihr bestimmtes Vokabular an, verfolgt die ihr eigenen Zwecke. Im Hinblick auf diesen Doppelcharakter verhält sich Rortys Modell so, dass es sich selbst in die Zweckrelativität einbezieht und diese damit nochmals verifiziert. Die Nagelprobe für die Kohärenz eines philosophischen Theorems ist seit je, ob es bei seiner Selbstanwendung zu Inkohärenzen kommt. Rortys Pragmatismus aber schließt sich durch die Selbstanwendbarkeit hermetisch in sich zusammen. Er kann die konzeptionelle Ausgrenzung von Nichtintegrierbarem, die im Pragmatismus ja kein Indiz defizitärer, weil inadäquater Realitätsbeschreibung sein kann, gar nicht als Schwäche ansehen. Denn was immer an Erfahrungen, die als mystische selbst in Wittgensteins Tractatus nicht ausgeschlossen werden, oder an nachhaltigen Irritationserfahrungen, durch die etwas Neues in der Welt erschlossen werden kann, der Neopragmatismus nicht thematisieren will und auch nicht, wie im Fall der Untersuchung zur Rolle des Mentalen im Cartesianismus, sprachspielkritisch neu zu interpretieren vermag, kann er, wenn es seinem Modell als ein Nichtintegrierbares vorgehalten wird, mit dem Hinweis abwehren, dass das angeblich Ausgeschlossene mit einem Vokabular verbunden ist, das für sein epistemologisches Theorem über das Funktionieren unserer Sprache, das auf seine Weise gut funktioniert, einfach nicht gebraucht wird. So kann dem Neopragmatismus von außen nichts mehr zustoßen, sobald er als kohärentes Theorem über das Verhältnis von Sprache und Welt ÃIXQNWLRQLHUWµ Er kann sich allenfalls präzisieren und in sich theoretisch ausdifferenzieren. Zwar verfolgt Rorty keine systematische Darlegung seines Pragmatismus, dieser wird im Übrigen auch nicht vor den Augen des Lesers als Theorie entwickelt. Vielmehr werden linguistische und pragmatistische Positionen, wie gesehen, auf eine kohärente Weise allmählich zusammengeführt und in der theoretischen Ausein-

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andersetzung mit anderen, vor allem zeitgenössischen Theoremen der argumentativen Bewährung ausgesetzt. In dieser Hinsicht ist Rortys Denken nach außen orientiert, adaptiv, vermittelnd, konfrontativ. Dennoch verschafft die konzeptionelle Geschlossenheit, die dem Neopragmatismus als Metatheorem eignet, diesem contre c°ur einen fundamentalphilosophischen Zug, wie sehr er sich fundierender Philosophie auch entgegensetzen mag. Der gravierende Unterschied zu Letzterer besteht gewiss darin, dass Rortys Pragmatismus das beschreibende Vokabular historistisch relativiert und auf der geschichtlichen Offenheit menschlicher Zwecksetzung insistiert, die in keinem transhistorischen, immanenten Wesen des Menschen teleologisch angelegt ist. Indem aber die Zweckgebundenheit von Erkennen und Sprechen (ja aller menschlichen Aktivität) als transhistorische, alle epistemologischen Aspekte beherrschende und Einstimmigkeit herstellende Kategorie rangiert, die das menschliche, sprachvermittelte Verhältnis zur Welt fundamental definiert, das damit auch gar kein anderes, zweckfreies Verhältnis werden kann, verschafft sich Rortys Modell eine Sicherheit, die sich, wie in der gesamten subjektphilosophischen Tradition, dem Primat des zwecksetzenden und dabei epistemologisch bei sich selbst verharrenden Subjekts verdankt. Weil dem Pragmatismus der subjektive Zweck zur alleinigen Bedingung von Objektivität und damit, nach dem Modell von Protagoras, der Mensch zum Maß aller Dinge geworden ist, kann alles in den Zirkel der beschreibenden und neu beschreibenden Subjektivität gezogen, von ihr als dem zwecksetzenden Prinzip gleichsam eingeschlossen werden. Offenheit kennt der Pragmatismus deshalb nur im Rahmen eines zweckfunktionalen Naturverhältnisses des Menschen, nicht aber im Hinblick auf die Art seines Naturverhältnisses. Dagegen müsste ein Modell, entspränge es einem antifundamentalistischen Impuls, wie ihn Rorty betont, so weit entwickelt sein, dass es sowohl die Infiltration durch das ihm Heterogene konzeptionell einbezieht, durch das es ins Wanken geraten kann und bis in seine Grundzüge verändert werden muss, als auch die kategoriale Bestimmung des Naturverhältnisses selbst vergeschichtlicht, statt in diesem Verhältnis nur das identische Prinzip subjektiver Zwecksetzung endlos variiert zu finden. Doch wäre nur in einer theoretischen Konzeption eine Innervation von außen zugelassen, die ein nichtfunktionales, ein erkenntnisrelevant perzeptives Moment im Weltbezug, wie es zum Begriff der Erfahrung unabdingbar gehört, bewahrt, ohne es zu einem direkten Wissen oder gar zu einem Wissensfundament zu positivieren. Gemessen am subjektphilosophischen Charakter einer rein inferentialistischen Epistemologie stünde ein solches Moment gerade für das theoretisch Unkonstruierbare, nicht funktional Absorbierbare, allen Intentionen Entzogene, das für die Welterschließung im Ganzen relevant werden und deren kategorialen Rahmen ändern kann ± wovon etwa Hoffmantals Chandos-Brief ein großartiges Zeugnis ablegt: Ä6RKDWWHLFKXQOlQJVWGHQ$XIWUDJJHJHEHQGHQ5DWWHQLQGHQ0LOFKkellern eines meiner Meierhöfe ausgiebig Gift zu streuen. Ich ritt gegen Abend aus und dachte, wie Sie

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vermuten können, nicht weiter an die Sache. Da, wie ich im tiefen, aufgeworfenen Ackerboden Schritt reite, nichts Schlimmes in meiner Nähe als eine aufgescheuchte Wachtelbrut und in der Ferne über den welligen Feldern die große sinkende Sonne, tut sich mir im Inneren plötzlich dieser Keller auf, erfüllt mit dem Todeskampf dieses Volkes von Ratten. Alles war in mir: die mit dem süßlichen scharfen Geruch des Giftes angefüllte kühldumpfe Kellerluft und das Gellen der Todesschreie, die sich an modrigen Mauern brachen; diese ineinander geknäulten Krämpfe der Ohnmacht, durcheinander hinjagenden Verzweiflungen; das wahnwitzige Suchen der Ausgänge; der kalte Blick der Wut, wenn zwei eiQDQGHUDQGHUYHUVWRSIWHQ5LW]HEHJHJQHQ³

Dem Zug des Geschlossenen von Rortys neopragmatischem Theorieansatz aber, der Immunisierung, die er gegenüber solchen Einwänden bietet, die auf ausgegrenzte Erfahrungsinhalte nichtintentionaler Art pochen, bräuchten sich die phiORVRSKLVFKHQ Ä$QWLSRGHQ³ NHLQHVZHJV ]X EHXJHQ 6LH PVVHQ DOOHUGLQJV GLH Konfrontation dort mit ihm suchen, wo er auf die reale Welt, auf die ein jeder Sprecher Bezug nimmt, selbst interpretierend Bezug nehmen muss (wie etwa mit der Aussage, dass die Welt an sich nicht sprachlich bestimmt, gleichwohl kausal verfasst sei), um die Möglichkeit einer Adäquationstheorie der Wahrheit mit Argumenten bestreiten zu können. Denn die Möglichkeit dieses Bestreitens impliziert nicht allein Thesen über das Funktionieren von Sprachspielen und Sprachsubjekten, sondern ebenso Thesen darüber, wie im Verhältnis zu ihnen die Natur sich als ihr Anderes, Nichtsprachliches und darin als dieses Verhältnis erst Ermöglichendes bestimmt. An der Hegel geschuldeten Einsicht kommt auch Rorty nicht vorbei, dass von der prinzipiell sprachsubjektiven, zweckrelativen Bestimmtheit der Natur zu reden nur möglich ist, weil sie offenbar als eine mit der sprachlich-anthropomorphen Bestimmtheit nicht zusammenfallende Natur reflektiert worden ist. Unter der Hand sind die cartesianisch-subjektphilosophischen Normen clara et distincta ± um auf diese nun noch einmal zurückzukommen ± im Neopragmatismus Rortys auch in der Weise am Werk, dass der Begriff der Erfahrung, die auch unscharfe, teilweise nicht einordbare Phänomene umfasst, subjektive Impressionen, die sich nicht dingfest machen lassen, durch eine Epistemologie der Beobachtung verdrängt wird, die nur eindeutige Objekte und Relationen kennt. Wenn der linguistisch ansetzende Pragmatismus vom offen zugänglichen Sprachverhalten ausgeht, so scheint er diese Zugänglichkeit damit sichern zu wollen, dass er Sprachverhalten nur als Gegenstand von Beobachtung zulässt und nicht auch von Erfahrung, ohne die jedoch ein poetischer Gebrauch der Sprache nicht denkbar wäre, der auf die Rezeption der expressiven Dimension von Sprache angewiesen ist. Mit diesen Normen aber wird davon ausgegangen, dass alles, was Gegenstand des Wissens ist und werden kann, nicht anders als ein fixierbarer Beobachtungsgegenstand der Klarheits- und Deutlichkeitsnorm genügen muss; dass jeder Gegenstand so beschaffen ist, wie grob gesagt das aussagende Subjekt ihn gerne

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hätte. Dazu muss das denkende respektive das beschreibende Subjekt das Reale, worauf es Bezug nimmt, bereits dergestalt der Vergegenständlichung unterworfen haben, dass das Bezugsreale im Modus der es gegen anderes Reale abgrenzenden Identität mit sich selbst gesetzt ist. Die fehlende Reflexion hierauf war einmal Thema erkenntnistheoretisch verstandener Verdinglichungskritik, die QLFKWGDVVFKOLFKWH$X‰HUNUDIWVHW]HQMHQHU1RUPHQQLFKWGDVUHVWORVHÃ9HUIOVViJHQµGHV]X(UNHQQHQGHQQLFKWGDVVLPSOH*HJHQWHLOYRQ9HUJHJHQVWlQGOLFKXQJ verfolgt hat, das allzu schnell in kryptische Willkür umschlägt, gleichwohl aber die Grenze dieser tief verankerten Wissensnormierung zu Bewusstsein bringen wollte. Eine solche Kritik kann die These zulassen, dass die Rechnung eines zuletzt spannungslosen Verhältnisses zwischen dem Erkennenden, dem zu Erkennenden und der Kommunizierbarkeit des Erkannten nicht, wie implizit mit jenen Normen behauptet wird, aufgeht. Um die mit den Normen der Klarheit und Deutlichkeit mit zitierte, epistemologische Metaphorik zu Ende zu führen: Wer etwas sieht, das in Bewegung ist, wird diese Bewegung selbst in genau dem Maße nicht sehen, wie er nur das klar Umrissene intendiert. Die bis in die sinnkritische Reflexion hineinreichende, wenngleich bei Rorty nur implizite Orientierung an den Normen der Klarheit und Deutlichkeit, die Wissens- und Erkenntnissicherheit garantieren sollen, bleibt auch dann, wenn sich diese Orientierung nicht adäquationstheoretisch auf die diesen Normen entsprechende Beschaffenheit des Referentiellen beruft, verwickelt mit der visuellen Metaphorik des traditionellen Wahrheitsbegriffs. ± Dass ein Einzelnes, und vor allem der sprachliche Sinn selbst, durch prozessuale Veränderung, durch ein Moment des Nichtidentischen an ihm selbst vor dem denkenden Betrachter unscharf wird und sich sprachlich schwer fixieren lässt, braucht Rorty, der die Vorstellung von einer noetischen Erkenntnis einer überkommenen Metaphorik zurechnet, zwar nicht zu kümmern. Allerdings lässt sein kausalevolutionärer Naturalismus, in dem qua Kausalität und Kontingenz etwas Neues entsteht, Gegenstandswissen überhaupt nur in der sprachlichen Fixierung der Ereignisfolgen von Getrenntem, insofern an sich Deutlichem zu und setzt sich so von vornherein nicht der durchaus sprachlichen Schwierigkeit, ja dem epistemologischen Problem aus, etwas in seiner eigenen Prozessualität, seiner realen Veränderung, die es an sich selbst erfährt, zu denken und zu beschreiben, von dessen Bewältigung die hegelsche Philosophie das wohl exponierteste Zeugnis ablegt. Und doch ist es oftmals diese Problematik gewesen, die dem Anspruch auf Gewissheit und Unanzweifelbarkeit unmittelbaren Wissens und damit auch dem Versuch der Wissensfundierung besonders zu schaffen gemacht hat, weil sich diese Problematik im bewegten Unmittelbaren als dessen Unschärfe umso nachdrücklicher zeigt, je kompromissloser ein Sprecher auf letzte Klarheit dringt. Nur was klar und deutlich abgegrenzt ist, lässt sich auch klar und deutlich beschreiben und aussagen. Daher ist das Schweigegebot im Tractatus, der nichts Unklares und Undeutliches zu sagen erlauben möchte, Ausdruck subjektiver Erkenntnisnorm.

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Allerdings ist zu sehen, dass es wiederum die zentrale Funktion des Zweckbegriffs in der pragmatistischen Theorie ist, die dem Klarheits- und Deutlichkeitsanspruch entgegenkommt. Denn die von den Menschen gebildeten Zwecke selbst, auf die hin der Gebrauch der Sprache funktioniert und die Bestandteil der Lebensform der Sprecher sind, implizieren Eindeutigkeit als die von Sprechern zu erfüllende notwendige Bedingung erfolgreichen, zumal intersubjektiv erfolgreichen Handelns, das sich der Einübung in eine soziale Praxis verdankt. Was funktioniert, ist stets auf einen eindeutigen Zweck bezogen; es weist sein klares Bestimmtsein als Mittel auf. Somit ist im Pragmatismus Rortys die vollständige Eindeutigkeit und Fixierbarkeit sprachlichen Sinns bereits mit dem Werkzeugcharakter der Sprache gegeben. Ebenso aber ist zu sagen: Weil Eindeutigkeit nur auf die subjektive Zwecksetzung zurückgeht, kann die Erkennbarkeit eines nicht Subjektiven, das sich in der Zweck-Mittel-Determinierung nicht auflösen lässt, unter den Bedingungen des Pragmatismus von vornherein nicht in Betracht kommen und nicht zum Problem werden. Soweit ein nicht Subjektives, außermenschliche Natur, thematisiert wird, ist es nur das an sich bestimmungslose Substrat zweckgerichteter, determinierender Tätigkeit von Sprechern. Es ist kein Nichts, sonst verlöre alles zweckgerichtete Sprechen und Handeln seinen gegenständlichen Charakter und der Pragmatismus höbe sich selbst auf. Zugleich darf es aber auch nicht einmal die Minimalbestimmung aufweisen, durch die es ein gegenständliches Etwas ist, weil sämtliche Eigenschaften ihrem unbestimmten Ã7UlJHUµ HUVW GXUFK HLQ ]ZHFNJHEXQGHQHV EHVFKUHLEHQGHV 9RNDEXODU YHUOLHKHQ werden und damit alle Realitätsbestimmungen, somit auch die der Gegenständlichkeit, der subjektiven Zwecksetzung entspringen. Darin liegt die strukturelle Unstimmigkeit des linguistischen Pragmatismus Rortys, der theoretisch die Konsequenzen einer Kritik an der Rede vom ÃDing an sichµ zieht, nichtsdestoweniger aber ein unbestimmtes Bestimmungssubstrat zurücklassen muss, weil Sprache einerseits zum alleinigen Maß von Objektivität wird, andererseits auf ein NichtVSUDFKOLFKHVEH]RJHQVHLQ PXVVXPDXIGLHVHVKLQÃFRGLHUWµZHUGHQ]X N|QQHQ Dieser Widerspruch aber steht für nicht weniger als für das Misslingen der vollständigen Rückführung des Wissens auf die Subjektivität der ihre Zwecke verfolgenden Sprachgemeinschaft. Was nicht Sprache ist, ist für Rorty bedeutungstheoretisch neutral gegenüber einem sich rein inferentiell und sprachspielimmanent bestimmenden Begriffsinhalt und relevant nur insoweit, wie ein Sprecher auf Nichtsprachliches determinierend bezogen ist. Das Andere der Sprache spielt epistemisch keine Rolle mehr, sondern allein das am Anderen zu bestimmten Zwecken begrifflich Determinierte. Rortys Philosophie erkennt zwar die Andersheit des Realen gegenüber dem Begriff insofern an, als das Beschriebene vom Sprecher kausal unabhängig ist. Das Nichtsprachliche lässt sich von der Sprache allerdings ablösen wie das nichtVSUDFKOLFKH Ã:DFKVµ YRP ]ZHFNJHULFKWHW  SUlJHQGHQ Ã6LHJHOµ 'DUDQ lQGHUW auch die von Davidson übernommene Argumentation gegen den Form-Inhalt-

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Dualismus nichts. Davidson ± um die Pointe seiner Argumentation an dieser Stelle zu wiederholen ± greift die behauptete Inkommensurabilität verschiedener Begriffsschemata an, mit der zugleich die Pluralität begrifflicher Formen behauptet wird. Vorausgesetzt wird in diesem kritisierten Dualismus, dass ein Schema, so es ein solches gibt, nicht in ein anderes übersetzt werden kann, was gleichermaßen besagt, dass es Sprachen geben kann, die sich nicht in eine andere, nämlich die Sprache dessen, der von einem Schema redet, übersetzen lassen. Die Bedingung für die Behauptung solcher Unübersetzbarkeit aber ist die, dass ein Subjekt eine andere Sprache schon als Sprache, die sich nicht übersetzen lassen soll, erfasst haben muss. Die Bedingung dieses Erfassens aber ist bereits das Verstehen anderer Lautäußerungen als Sprache, also das Übersetztwordensein von Lautäußerungen einer fremden Sprache in Äußerungen der eigenen Sprache, womit widerlegt ist, was vorausgesetzt wurde. Wenn es also keine inkommensurablen Begriffsschemata gibt, so fällt auch der Dualismus von begrifflicher Form und nichtbegrifflichem Inhalt fort. Denn es liegt ja gerade die den Dualismus bedingende Äußerlichkeit der Form darin, dass inkommensurabel verschiedene Formen den gleichen nichtbegrifflichen Inhalt haben können. An diese Argumentation kann Rortys Pragmatismus, wie bereits gesehen, anschließen, denn sie löst den Form-Inhalt-Dualismus auf sprachimmanentem Wege und damit im Sinne einer Ãreinenµ Sprachphilosophie auf, ohne nämlich etwas über jenes (verunreinigende) Nichtbegriffliche sagen zu müssen. Denn für den Pragmatisten erschöpft sich alles, was sich über das, was mit dem Begrifflichen nicht identisch ist, sagen lässt, darin, dass sich über es nun einmal nichts sagen lässt; mit jeder Aussage ist es bereits in ein begrifflich Bestimmtes verwandelt. Die Untrennbarkeit von Form und Inhalt wird auf diese Weise ± und das ist entscheidend ± ausschließlich von der Form her gedacht, nicht auch vom Inhalt, nicht auch vom Nichtsprachlichen her gesehen. Dass es für Menschen keine erkennbare Realität abzüglich ihrer sprachlichen Bestimmtheit gibt, die Realität anders gesagt sprachlich vermittelt ist, liefert Rorty den Rechtsgrund für den Vorrang des Sprachsubjekts. Das KHL‰WLQVHLQHQ:RUWHQÄ(VJLEWDX‰HUKDOEGHU6SUDFKHQLFKWVGHPVLFK6SUDFKH DQ]XSDVVHQWUDFKWHW³ 3K.  Der Inhalt ist ± dies das Resultat der sprachphilosophischen Dualismuskritik ± abhängig von der Form, und das soll zu der These berechtigen, Wahrheit werde von den Sprachsubjekten, die den Inhalt formen, hervorgebracht. Doch warum sollte angesichts der Untrennbarkeit von Form und Inhalt das Gleiche nicht für die Form gelten, die ebenso wenig vom Inhalt unabhängig ist? Würde die Untrennbarkeit nicht von vornherein unter dem Primat der Sprache betrachtet, dann würde sie die komplementäre Fassung annehmen, dass sich zwar nichts über ein Nichtsprachliches sagen lässt, dass sich aber ebenso wenig ohne einen Bezug zu Nichtsprachlichem überhaupt irgendetwas Bestimmtes sagen ließe. Damit aber geht Nichtsprachliches in Sprache insofern ein, als es objektive Bedingung der immanenten Differenzierung von Sprache ist. Als von der Sprache nicht dualistisch Abgespaltenes ist das Nichtsprachliche mitnichten ein bestimmungsloses und insofern wieder abstrakt zu denkendes Substrat

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sprachlichen Bestimmens, sonst nämlich wäre ebenso auch die darstellende Rede ein in sich ununterschiedenes Gebilde, reduzierbar auf einen einzigen Laut. Dass sich über eine unbeschriebene Realität nichts aussagen lasse, weil es aussagbare Eigenschaften dieser Realität immer nur unter einer Beschreibung gibt, dieser Gedanke ist der Subjektivierung des Wahrheitsbegriffs, wie sie Rorty vollzieht, weniger hilfreich, als es zunächst scheinen mag. Gesagt werden müsste angesichts jener Untrennbarkeit vielmehr, dass das Nichtsprachliche aufgrund eigener Beschaffenheit so bestimmt werden kann, wie es bestimmt wird, und damit als ein Bestimmbares in einem komplementären Verhältnis zum sprachlichen Bestimmen steht, in dem es dennoch nicht aufgeht. Im Hinblick auf das Bestimmtwerden aber lässt sich dann auch kritisch fragen, ob die sprachlichen Bestimmungen dem Potential der Bestimmbarkeit dessen, was bestimmt wird, Gerechtigkeit widerfahren lassen oder ob der Gebrauch der Sprache das Beschriebene reduziert. Vor diesem Hintergrund aber ist die Sicherheit, in der sich der Neopragmatismus wähnt, nach der Verabschiedung des Repräsentationalismus sich auch mit keinem Erkenntnisproblem mehr herumschlagen zu müssen und gleichsam die Freiheit der zweckmäßigen und kohärenten Beschreibung propagieren zu können, eher eine trügerische. Das Differente in seinem Zusammenhang ist kein Resultat subjektiver Schöpfung, und das tangiert die inferentialistische Epistemologie des Pragmatismus im Ganzen. Dem Empirismus Lockes wurde von konstitutionstheoretischer Seite, welche die Aktivität des Subjekts in den Vordergrund rückt, stets sein naiver und mechanischer Zug vorgeworfen, denn er behandele das erkennende Subjekt wie eine wachsartige tabula rasa, in die von außen Eindrücke eingeprägt würden, ohne dass der Anteil subjektiver Tätigkeit an dem Zustandekommen von Erfahrung und damit die subjektive Vermitteltheit des Empirischen ausreichend in den Blick geraten würde. Rorty als Kritiker an der mitunter auch sehr sublimen Vorstellung, Erkenntnis funktioniere wie ein Spiegel der Natur, bestreitet seinem Naturalismus gemäß nicht, dass es von der äußeren Natur hervorgerufene Sinneseindrücke gibt, nur stellt eben dieser kausale Nexus keine Erkenntnisrelation dar; denn diese wäre eine solche Relation, in der ein Wissen hervorgerufen würde, das sich dementsprechend in einem anderen als sich selbst fundiert wüsste. Die Evozierung dessen, was erst unter sprachlichen Bedingungen als bestimmter Eindruck und bestimmte Empfindung sich darstellt, stellt im nominalistischen Modell Rortys aber ein lediglich rezeptives Verhältnis ohne eigenen Übergang in ein semantisches Verhältnis dar. Die Auflösung des klassischen Empirismus, soweit er mit dem Repräsentationalismus verbunden ist, verdankt sich in der Argumentation Rortys, wie zu sehen war, der Umkehrung der Kausalrichtung in der Erkenntnisrelation. Die Kategorie der Kausalität wird also keineswegs als subjektive problematisch. Weil die kausale Folge vom Subjekt selbst ausgeht, das die Realität sprachlich determiniert, scheint der Gebrauch der Kausalitätskategorie als eine den Weltbezug beschreibende Kategorie sich nicht der Spekulation ver-

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dächtig zu machen. Der kausale Nexus ist als der universelle Zusammenhang aller Erscheinungen definierend für Rortys monistischen Naturalismus, so auch für das Verhältnis von Sprache und Welt. Mit diesem Naturalismusbegriff folgt Rorty dem Mainstream des szientistischen Naturbegriffs, ohne dass darüber theoretisch Rechenschaft abgelegt würde, ob nicht Kausalität als das Folgeverhältnis von Dingen beziehungsweise von identifizierbaren, voneinander getrennten Entitäten eine den Naturalismus präformierende und ihn reduzierende Kategorie sei, die erst recht der Relativität des beschreibenden Vokabulars unterliege und als die epistemologisch durchaus zentrale Kategorie, die den Repräsentationalismus aus den Angeln heben soll, doch mehr zu sein beanspruchen müsste. Ist man nämlich in Bezug auf die Natur nicht auf den naturwissenschaftlichen Beschreibungszweck eingeschworen, der auf die raumzeitliche Verknüpfbarkeit von Daten hinausläuft, so müsste das Moment der kontinuierlichen Übergänge, das Moment der Prozessualität der Natur, das sich mit einem kausaltheoretischen Vokabular nicht beschreiben lässt, dem Linguisten vor Augen führen, dass es ein alternatives Vokabular selbst im Hinblick auf den Naturalismus gibt, von dem sodann aber die Beschreibung der Erkenntnisrelation, das theoretische Verhältnis zur Natur, nur willkürlich ausgenommen werden kann. Auch wenn der Neopragmatismus auf die sinnlich und öffentlich zugängliche Wirklichkeit abhebt, von der Denken und Sprechen ihren Ausgang nehmen, im Gegensatz zu einer von dieser Wirklichkeit ausgenommenen, hermetischen Sphäre des Mentalen als HLQHU PLW +XVVHUO JHVSURFKHQ Ä8UVSUXQJVVSKlUH³ VR EUDXFKW HU GRFK NHLQHswegs den Preis eines Restszientismus in Bezug auf die Konzeption der äußeren Natur zu zahlen. Es reicht zunächst, wenn der Mensch sich als Teil dessen begreift, was er selbst unter der ihm sinnlich zugänglichen Natur versteht, er also aus dem Naturzusammenhang nicht herausflOOW XQG QLFKW ÄDXV GHU YRQ 7LHUHQ EHZRKQWHQ:HOWGHU(UVFKHLQXQJLQGLHZLUNOLFKH:HOWIOFKWHW³ 3K. 0LW der zentralen Bedeutung der Kausalitätskategorie stellt sich aber die Frage, ob nicht in der durchgängig kausalen Erklärung der Welt als der res extensa der Primat des determinierenden Subjekts, Urheber der Rede von der Kausalität, grundlegend gesetzt ist, der ± auch nach der neopragmatischen wie linguistischen Destruktion der res cogitans als von der Natur unterschiedenes, unvergängliches Sein ± nun, da das Andere des Subjekts restlos unter dessen Kausalitätskategorie subsumiert ist, vollständig durchgesetzt wird; durchgesetzt bei aller Subordinierung der Sprachsubjekte unter die Kontingenz der Naturereignisse. Rorty, der das Sprachspiel der seit der Neuzeit entwickelten Erkenntnistheorien mit ihren unreflektierten sowie unbrauchbaren Metaphern nicht mehr für gewinnbringend erachtet und es vollständig verabschieden möchte, bleibt ihm in subjektphilosophischer Hinsicht verhaftet. Sein Auflösungsversuch erkenntnistheoretischer Prämissen ist so lange nicht konsequent genug, wie die für jede Erkenntnistheorie unerlässliche Wendung zum Subjekt und auch die Erkenntnisnormen und Ansprüche, welche diese Wendung bedient, nicht gleichfalls kritisch

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reflektiert werden. Der erkenntnistheoretische Rückgang auf die subjektive Seite des Weltbezuges erfolgte stets auch aus einem wissensabsichernden und nicht allein aus einem selbstkritischen Interesse, so dass sich dieser Rückgang aus einer metakritischen Perspektive als ein Rückzug aus der unsicheren ÃWelt dort drau‰HQµ in die sichere Welt subjektiver Unmittelbarkeit zu erkennen gibt. Zwar nimmt Rorty dem Subjekt das, was es bisher als sein Privileg betrachtet hat: das von der Selbstgewissheit getragene unmittelbare Wissen des Wahren. Er führt dann jedoch, was implizit dem subjektphilosophischen Sekuritätsbedürfnis geschuldet ist, alles Wissen auf die Teilhabe an einem gesellschaftlichen Sprachspiel zurück, unter dessen Bedingungen Überzeugungen sich qua Rechtfertigung bewähren müssen. Nichts ist einem Verstand unmittelbarer als die Verstandesbegriffe, diese daher von ihm ganz erkennbar; nichts ist einem Bewusstsein unmittelbarer als die eigenen Inhalte, die es unmittelbar erschauen kann ± nichts ist aber auch einem Sprachbenutzer unmittelbarer als die eigenen Zwecke, nichts ihm zugänglicher als der Gebrauch der Worte in einem Sprachspiel. Der Ausgang von diesem Spiel bietet dem Neopragmatismus die sichere Einsicht in den Trug angeblich zeitloser Fundamente unseres Wissens. Doch mit dem, was jenVHLWV GHV Ã5DXPHVµ GHU 6XEMHNWLYLWlW OLHJW MHQVHLWV GHV VR]LDOHQ 5DXPHV GHU Sprachgemeinschaft, beginnt eigentlich erst die unsichere Welt, in der es keinen Schutz vor dem Irrtum gibt und gegen die im Namen des aufklärenden Rückgangs auf die subjektiven Bedingungen gültigen Wissens die Bastion aus Gewissheiten errichtet wurde, die kaum noch einen Blick ins Offene gewährt. Und wie alle Subjektphilosophie entgeht auch der Neopragmatismus nicht der anthropozentrischen Verblendung 'HU Ä7RGHVNDPSI³ GDV Ä*HOOHQ GHU 7RGHVVFKUHLH³ MHQHVÄ9RONHV YRQ5DWWHQ³ JHKWXQWHULP3DWKRVGHV3UDJPDWLVWHQ'LHVHUILQGHW HVÄin der Kluft zwischen der heutigen Menschheit und einer utopischen Zukunft des Menschen, in der schon die bloße Vorstellung von einer nicht unseren Mitmenschen geltenden Verantwortung unverständlich geworden ist, was dann die HUVWHZDKUKDIWKXPDQLVWLVFKH.XOWXU]XU)ROJHKlWWH³ 3K. 

6. Begri ff und Reali tät i n der Negati ven Dialektik Ador nos

Wie die Erörterung der Kritik Rortys an der Erkenntnistheorie und deren Voraussetzung, Erkenntnis sei fundierbar in einem nichtdiskursiven, unmittelbaren Wissen des erkennenden Subjekts, gezeigt hat, entfaltet er diese Kritik in zwei Argumentationssträngen. Der erste Strang gehört der objektivitätstheoretischen Thematik an und besteht darin, dem Realitätsbezug des Wissens jegliche epistemologische Relevanz zu nehmen, die darauf basiert, dass unser Wissen sich einem perzeptiven Realitätsbezug oder einem noetischen Phänomenbezug fundamental verdankt und dergestalt bewahrheitet wird, dass es als wahres Wissen, auf welche Weise auch immer, eine Übereinstimmung mit der Realität aufweist, und zwar in dem grundlegenden Sinne der Entsprechung von sprachlichen Aussagen und der sprachunabhängigen, angeschauten, inneren oder äußeren Realität des Subjekts. ÃAusrangierenµ will Rorty die Vorstellung, das Bewusstsein ± Medium des Wissens ± sei ungeachtet seiner eigenen Aktivität ein direkter oder indirekter, LQQHUHUÃ6SLHJHOµGHU1DWXUXQGGHU%HJULII]ZHLIHOVIUHLHQ:LVVHQVHLQHDXI8nmittelbarkeit verkürzte Relation zwischen Gegenstand und Bewusstsein. Nach Rortys Verständnis ist unser Wissen inferentiell und nicht referentiell verfasst. Der Realitätsbezug von Sprachbenutzern wird streng nominalistisch aufgefasst als ein das Reale determinierend beschreibender. Gezeigt wurde, wie dieser Realitätsbezug in epistemischer Hinsicht von reflexiv kausaler Art ist. In diesem Bezug ist durch den Gebrauch eines inferentiell zusammenhängenden Vokabulars alles das bereits bestimmt, was für Sprachbenutzer real ist, insofern das Reale erst als beschriebenes etwas ist, über das überhaupt wahre oder falsche Aussagen gemacht werden können. Nicht repräsentiert Sprache eine nichtsprachliche Realität, sondern was repräsentiert wird, ist die in der gesellschaftlichen Praxis vorab immer schon sprachlich strukturierte und zu bestimmten Zwecken determinierte Realität. In dieser Hinsicht ist der Weltbezug von Sprachbenutzern ein sprachlicher Selbstbezug, in welchem das Sprachsubjekt im Anderen nur die eigene sprachliche Determinierung kennt und erkennt beziehungsweise dazu veranlasst

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wird, einen Satz für wahr oder falsch zu halten. Adaequatio in dem ± so möchte man sagen ± harmlosen, nicht erkenntnismetaphysischen Sinne besteht lediglich darin, dass Realitätsaussagen mit der Realität, wie sie sprachlich bestimmt ist, übereinstimmen und ein Sprecher schlechterdings nicht über etwas, das in seiner Sprachpraxis Holz genannt wird, wie über ein Etwas mit den Eigenschaften von Edelmetallen redet. In einem solchen Ansatz existieren unterschiedliche Vokabulare gleichberechtigt nebeneinander; sie sind als ganze historisch kontingent wie die unterschiedlichen Lebensformen, mit denen sie verflochten sind; Lebensformen, in denen sich je unterschiedliche Praktiken und Zwecksetzungen herausgebildet haben. ± Dieser erste Argumentationsstrang fasst einzelne Argumentationen zusammen, die allesamt der Strategie einer Entepistemologisierung des Weltbezuges dienen, was besagen soll: Dieser Bezug stellt keine Erkenntnisrelation im klassischen Sinne mehr dar. Der zweite Argumentationsstrang ist intersubjektivitätstheoretischer Natur und besteht darin, unmittelbare Gewissheiten, notwendiges Wissen, Wissen von allgemeiner Gültigkeit, woraus in der Philosophie traditionellerweise eine transhistorische Matrix für alles nur empirische und hypothetische Wissen gebildet wird, als Ausdruck der Vertrautheit mit einem Sprachspiel zu interpretieren und Überzeugungen an ihrer intersubjektiven Bewährung im logischen Raum der Gründe zu messen, statt an einer Übereinstimmung mit außersprachlichen Dingen im Raum der Natur. Diese Argumentation nimmt den erörterten erkenntnistheoretischen Behaviorismus in ihren Dienst. Das unmittelbare, subjekteigene Wissen fasst dieser als eine Sprachspielvertrautheit auf, die vermittelt über das Verhalten von Sprachbenutzern zueinander, nämlich über zustimmendes und verneinendes Verhalten, sich von der Gesellschaft als der Gesamtheit sich zueinander verhaltender Sprachbenutzer herleitet. Die Gewissheit von Sprachbenutzern ist demnach gesellschaftlich generiert und damit nicht mehr unveränderlich; was zudem bedeutet, dass keine Aussage von zeitloser Geltung ist. Wenn ich im Folgenden auf Adornos Epistemologie und seine Metakritik an der Erkenntnistheorie zu sprechen komme, so dient als Leitfaden der Auseinandersetzung die Frage, wie seine Philosophie sich zu diesen beiden Argumentationssträngen verhält. Es wird zu fragen sein, inwieweit in der Kritischen Theorie Wissen gesellschaftlich generiert ist und inwieweit es sich ± anders als bei Rorty ± zugleich vom Objekt her konstituiert. In diesem Zusammenhang wird das Motiv der Umwendung der erkenntnistheoretischen Reflexion auf die subjektiven Bedingungen der Erkenntnis in Richtung einer Reflexion auf die objektiven Bedingungen vermeintlich konstitutiver Subjektivität eine zentrale Rolle spielen. In Bezug auf Rortys erste, objektivitätstheoretische Argumentation stellt sich die Position Adornos als insgesamt entgegengesetzt dar. 'DVVGLHÄ,GHHGHU $nGHUVKHLW³ 1' 185) für ein Verständnis der Erkenntnisrelation höchst relevant ist; dass Erkenntnis ihrem eigenen Begriff wie ihrer Möglichkeit nach mehr ist aOVÄ7DXWRORJLH³ 1' 44), als die explizierende Wiederholung des subjektiv Ge-

BEGRIFF UND REALITÄT IN DER NEGATIVEN DIALEKTIK ADORNOS | 237

setzten, Hervorgebrachten oder Bestimmten, ist die gegen die Subjektphilosophie gerichtete These Adornos. Anders gesagt: Wissen geht auf mehr als nur auf das, was an der WirklichkHLW PLW HLQHU 6SUDFKH GLH VLFK GLH 0HQVFKHQ ÄHLQFRGLHUW³ haben, kausal verbunden ist; auf mehr als auf die Setzung subjektiver Zwecke in einem Anderen. ± Wenn von Rorty die Stimmigkeit des Gedankens bestritten wird, Wahrheit sei Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, und sodann alle Realitätsbestimmung auf die sprachsubjektive Vermittlung zurückgeführt wird, dann kritisiert Adorno ± gleichsam vom entgegengesetzten Pol her ± die Inkonsistenz eines Begriffs von Erkenntnis, nach welchem diese ohne objektiven Gehalt wäre, wenn das Andere des Subjekts nur als dessen Ä6SLHJHO³ 1' 25) fungieren würde, in dem das Subjekt seine projizierten Zwecke und Bestimmungen wiederfindet. Denken, das inferentialistisch rein in sich selbst bestimmt wäre und sich nicht mehr von einem anderen her bestimmen würde; Denken, das nicht Denken von etwas wäre, das mit dem Denken nicht identisch ist, wäre kein erkennendes Denken. Ja es wäre überhaupt kein Denken; es gäbe gar nichts, was sich mit der linguistischen Wende auf eine theoretisch relevante Weise versprachlichen ließe. Ä'HQNHQ Ziderspräche schon seinem eigenen Begriff ohne Gedachtes und dies *HGDFKWH GHXWHW YRUZHJ DXI 6HLHQGHV³ 1'   'HVKDOE DXFK VLQG Ä%HZHLVH in der PhiORVRSKLH>«@GLH$Qstrengung, dem Ausgedrückten Verbindlichkeit zu verschaffen, indem es den Mitteln des diskursiven Denkens kommensurabel ZLUG (V IROJW DEHU QLFKW UHLQ DXV GLHVHP³ 1' 72); ein Satz ist also nicht ausschließlich durch die Wahrheit eines anderen Satzes bewahrheitet. Man könnte, in Abwandlung von Wittgensteins These, dass etwas, über das sich nichts sagen lässt, uns die gleichen Dienste erweist wie ein Nichts, die Einsicht Adornos durchaus als eine sinnkritische formulieren: dass nämlich ein Denken, das nicht Denken von etwas ist, uns die gleichen Dienste erweist wie kein Denken. ± Damit wird im Gegensatz zum linguistischen Pragmatismus Rortys nun die Vermittlung des Erkenntnissubjekts durch Objektivität ± anstelle der Vermittlung der Objektivität durch Subjektivität ± akzentuiert, ohne dass ein die Subjektivität seinerseits fundierender Objektivismus verfochten würde. In einem linguistischen Theorierahmen formuliert würde dies besagen, dass gegen eine Sprachspielhermetik die Vermittlung des Sprechers wie auch der Sprachgemeinschaft durch ein Etwas, über das gesprochen wird, in den Vordergrund rückt. 'LHVHV Ã(WZDVµ P|FKWH LFK DOV VSUDFKOLFK %HVWLPPWHV ZLH DXFK DOV $X‰HUsprachliches verstehen. Diese Unterscheidung scheint der metaphysischen Vorstellung von einer Wirklichkeit unabhängig von ihrer sprachlichen Bestimmung verhaftet zu sein und damit sich eines Rückfalls hinter die intentio obliqua verdächtig zu machen. Gegen eine solche Kritik aber kann eingewendet werden, dass ohne diese Unterscheidung die Rede von der sprachlich bestimmten Realität, der Natur für die Menschen im Unterschied zu einer Realität unabhängig von den Menschen, keinen Sinn ergäbe. Ohne diese Unterscheidung könnte keine Erkenntnisreflexion den subjektiven Anteil am Erkenntnisgegenstand, der mit diesem Anteil nicht zusammenfällt, überhaupt in den Blick bekommen und ihn als

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subjektiven bestimmen, um ihn freilich sodann zu verabsolutieren. Denken würde erst recht als naiv unbegrenztes in der intentio recta verharren. In einer nicht linguistischen Terminologie, wie sie Adorno gebraucht, muss allerdings erweiternd formuliert werden, und zwar ohne Rücksicht auf seine eigenen Formulierungen: dass der Gegenstand erkennenden Denkens sowohl begrifflich bestimmt ist als auch nicht begrifflich und nichtbegrifflich ist. Anhand dieser Differenzierung, die Adorno so nicht explizit vornimmt, die nichtsdestoweniger aber für eine Interpretation seines Philosophems in dieser Untersuchung als relevante behauptet wird, möchte ich die weitere Darstellung konturieren, in der es vor allem darum geht, wie sich Adornos Begriffsverständnis von einem strikt nominalistischen unterscheidet, ohne doch ein begriffsrealistisches zu werden. Denn beide Positionen sind im Kern subjektphilosophisch, sie gehen vom Vorrang des die Realität bestimmenden Subjekts aus, das entweder die eigenen Bestimmungen für die Sache selbst nimmt oder diese zum Substrat subjektiven Bestimmens degradiert. Mit der oben getroffenen Unterscheidung soll zudem Äquivokationen vorgebeugt werden, welche die Anwendung des Wortes ÃNichtbegrifflichµ für alles, was selbst nicht Begriff, was außerbegrifflich ist, mit sich führen kann. Diese Unterscheidung zwischen dem Nichtbegrifflichen und dem Außerbegrifflichen, das begrifflich determiniert ist, soll nun zur besseren Orientierung skizziert werden. Dass der reale, mit dem Begriff selbst nicht zusammenfallende Gegenstand des Denkens begrifflich bestimmt ist, wir ihn nur als Gegenstand erkennen, indem wir über seinen Begriff verfügen, lässt sich zunächst so verstehen ± und zwar durchaus auch im Sinne des linguistischen Pragmatismus ±, dass ± geradezu in umgekehrter Richtung zum Repräsentationalismus ± ein Seiendes, über das wir VSUHFKHQGDV9RNDEXODUÃUHSUlVHQWLHUWµGDVLKPLQGHUUHDOHQ3UD[LVGHU6SUDFhgemeinschaft zugewiesen ist und dessen Funktion und Gebrauchsmöglichkeiten in der Grammatik festgelegt sind. So weist ein Gegenstand X objektiv die Merkmale auf, welche die adäquate Anwendung z.B. des empirischen Begriffs des Leuchtturms erfordert. X ist VRGDQQ HLQ /HXFKWWXUP VRQVW QLFKWV ÄHV ist kein %DXPHVLVW NHLQ=HOW³ZLHGHU'LFKWHU0RUJHQVWHUQ ZHL‰:HUGLHVHV;GHQ Leuchtturm, zudem noch selbst von innen bestiegen und sich somit von seiner Existenz überzeugt hat, der wird keinerlei Zweifel mehr daran haben, dass das, was er betritt, wirklich ein Leuchtturm ist. Dieses Objekt ist nicht weniger, es ist in der Praxis der Menschen aber auch realiter nicht mehr als ein Leuchtturm; dieser ist das empirisch reale Äquivalent des empirischen Begriffs des Leuchtturms, unter den er subsumiert wird. Dass der Leuchtturm selbst nicht begrifflich ist, besagt lediglich, dass er real ist in dem Sinne, dass ein Steuermann, der sich allein am Begriff des Leuchtturms in einer gedanklichen Introspektion orientieren würde, Gefahr liefe, mit seinem Schiff an einer Klippe zu zerschellen. In dieser Hinsicht ist der Begriff mit dem Gegenstand nicht identisch ± wenn der Gegenstand auch durch den Begriff bestimmt ist ±, als er nun einmal simplerweise nicht der

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reale Gegenstand ist; und keine Philosophie kann, ÄVHOEVWQLFKWGHUH[WUHPH(mpirismus, die facta bruta an den Haaren herbeischleppen und präsentieren wie Fälle in der Anatomie oder Experimente in der Physik; keine, wie manche MaleUHLORFNHQGLKUYRUJDXNHOWGLH(LQ]HOGLQJHLQGLH7H[WHNOHEHQ³ 1' 23). Diese Nichtidentität zwischen Begriff und Gegenstand ist im Grunde eine Banalität, doch gleichwohl eine, die nicht ohne epistemisch relevante Folgen sein wird. 1XQ IRUPXOLHUW $GRUQR Ä,Q :DKUKHLW JHKHQ DOOH %HJULIIH DXFK GLH SKLORVRSKischen, auf Nichtbegriffliches, weil sie ihrerseits Momente der Realität sind, die zu ihrer Bildung ± primär zu Zwecken der Naturbeherrschung ± Q|WLJW³ 1' 23). Mit dieser These wendet er sich gegen das platonisch-rationalistische Begriffsverständnis, von dem die abendländische Metaphysik geprägt ist, das heißt gegen GLHÄ$XWDUNLHGHV%HJULIIV³ HEG VHLQH9HUGLQJOLFKXQJ]XHLQHP $QVLFKVHLHnden. Der Begriff ist damit nicht mehr vom Seienden, ist nicht mehr als rein ideelles Sein von der res extensa substanzmetaphysisch getreQQWHULVWYLHOPHKUÄVHiQHUVHLWV LQ HLQ QLFKWEHJULIIOLFKHV *DQ]HV YHUIORFKWHQ³ 1' 24). Dieses nichtbegriffliche Ganze möchte ich, entgegen dem Wortlaut bei Adorno, jedoch ± wie sich zeigen wird ± nicht im Widerspruch zu ihm, in einem ersten Schritt als die im oben angegebenen Sinne an sich selbst nicht begriffliche Realität verstehen, die gleichwohl immer schon begrifflich bestimmt ist und als diese bestimmte das Ganze darstellt, das alle realen Äquivalente aller empirischen Begriffe enthält. In diesem Sinne verstehe ich ebenso Rortys Bemerkung, dass die Welt alle sprachlich genannten Gegenstände enthalte. Es ist die Welt all dessen, was es für Menschen gibt, XQGGHUÄ%HJULIIGHVVHQZDVHVJLEWPHLQWQLFKWVDnderes als der des 'DVHLHQGHQ³ 62 745). Bei diesem Stand der Reflexion kann der Begriff noch als ein ansichseiender erscheinen, denn alles Seiende erscheint überschusslos als das Äquivalent des Begriffs, als das selbst begrifflich Bestimmte; das heißt: nicht als ein seinerseits den Begriff bestimmendes, ihn übersteigendes und veränderndes Seiendes. Dass der Begriff in ein Ganzes verflochten ist, besagt, dass er zugleich selbst in gewisser Weise real, also antinominalistisch gesehen kein flatus voci ist, gleichfalls aber nicht autark. Verflochtensein heißt in diesem Zusammenhang weiterhin, dass der Begriff alles im Ganzen Vorkommende bestimmt, nämlich je als Objekt zu bestimmten Zwecken, wie auch, dass er im Ganzen sich EHVWLPPWQlPOLFKDOV,QVWUXPHQWÄSULPlU]X=ZHFNHQGHU1DWXUEeKHUUVFKXQJ³ Bis hier würde wahrscheinlich Rorty der Ausführung mutatis mutandis folgen. Sein naturalistischer Monismus entwickelt auf dem Wege der Versprachlichung des Begriffs und der Naturalisierung der Sprache die Ebene, auf der das diskursive Denken und die natürliche Umwelt von Sprechern sich aufeinander beziehen lassen, ohne dass eine ontologische Kluft zu überwinden wäre. Begriffe wie das menschliche Vokabular überhaupt sind zudem nach der von ihm vertretenen, von Wittgenstein übernommenen Gebrauchstheorie der Bedeutung Ausdruck einer Lebensform und verflochten in das Ensemble gesellschaftlicher Praktiken.

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Naturalistisch versteht, allerdings in kritischer Absicht, auch die Kritische Theorie den Begriff. Bereits in der Dialektik der Aufklärung heben Horkheimer und Adorno ± nicht anders als Dewey und Rorty und im 19. Jahrhundert Nietzsche ± GHQ:HUN]HXJFKDUDNWHUGHV%HJULIIVKHUYRUÄ*OHLFKGHP'LQJGHPPDWHULHOOHQ Werkzeug, das in verschiedenen Situationen als dasselbe festgehalten wird und so die Welt als das Chaotische, Vielseitige, Disparate vom Bekannten, Einen, Identischen scheidet, ist der Begriff das ideelle Werkzeug, das in die Stelle an alOHQ'LQJHQSDVVWZRPDQVLHSDFNHQNDQQ³ '$ 56 f.). Instrument der Naturbeherrschung ist der Begriff auf die Weise, dass mit ihm das voneinander Unterschiedene miteinander identifiziert, Einzelnes unter ein Allgemeines subsumiert ZLUGVRGDVVGHUVXEVXPLHUHQGH9HUVWDQGÄGDV%HVRQGHUHMHQXUDOV)DOOGHV$Olgemeinen wahrnimmt und das Allgemeine nur als die Seite des Besonderen, bei GHUHVVLFKIDVVHQ XQGKDQGKDEHQOl‰W³ '$ 14). Zudem fixiert der Begriff das Besondere damit auch als ein, ungeachtet der Veränderung des Besonderen, mit sich Identisches, Gleichbleibendes, um es unter sich subsumieren und es damit kognitiv verfügbar machen zu können. In seinem instrumentellen Charakter ist das Denken, das immer schon identifizierendes Denken ist ± Ä'HQNHQKHL‰WLGHnWLIL]LHUHQ³ 1' 17)1 ± XQG VLFK LQ %HJULIIHQ YROO]LHKW HLQ Ä2UJDQ GHU +HUrVFKDIW³ '$ 56), es fällt eben damit selbst nicht aus dem Naturzusammenhang heraus; es ist ein Moment in der realen Auseinandersetzung der Menschen mit der Natur, ein Moment menschlicher Praxis. Somit wird der Zusammenhang von Denken und Natur in der Kritischen Theorie zunächst nicht etwa damit begründet, dass am Denken irgendeine Eigenschaft der res extensa ausgemacht wird. Die Kritische Theorie braucht also gerade dort keine Hilfe in einer metaphysischen Spekulation zu suchen, wo sie allein an der Funktion, die das Denken (wie bei Rorty die Sprache) als Tätigkeit des Naturwesens Mensch hat, die Naturentsprungenheit des Denkens erkennt, die bis in seine weltkonstituierenden LeistunJHQ KLQHLQ YHUIROJW ZLUG Ä'DV 6\VWHP GHU 'LQJH GDV IHVWH 8QLYHUVXP YRQ dem die Wissenschaft bloß den abstrakten Ausdruck bildet, ist, wenn man die Kantische Erkenntniskritik anthropologisch wendet, das bewußtlos zustandeNRPPHQGH (U]HXJQLV GHV WLHULVFKHQ :HUN]HXJV LP /HEHQVNDPSI³ '$ 213). Mit diesem Kampf aber erweist sich das Naturverhältnis der Menschen als ein antagonistisches: Sie herrschen über die Natur, um deren Bedrohung zu entgehen, und erfahren damit zunehmend das Unbeherrschte an ihr als Bedrohung. Kritisch ist dieser Naturalismus der Kritischen Theorie, weil sie auf die Über1

%HL5RUW\KHL‰WHVÄ2KQHLGHQWLIL]LHUEDUH'LQJHJLEWHVNHLQ:LVVHQXQd so etwas wie Identifikation gibt es erst, wenn Menschen Ausdrücke wie ÃJOHLFKH)RUPµXQG ÃDQGHUH )DUEHµJHEUDXFKHQN|QQHQ³ 3K. 203). Erst wenn die Menschen in Form ihrer Sprache soziale Praktiken entwickelt haben, mit denen sie etwas qua Gleichsetzung und Unterscheidung identifizieren können, haben sie überhaupt ein Wissen. Die Kritische Theorie sieht in der Gleichsetzung von nicht Identischem allerdings GHQHSLVWHPLVFKSULPlUHQ $NW9RQÃDQGHUHrµ )DUEH OlVVWVLFK QXUUHGHQZHQQ Htwas bereits unter den Begriff Farbe subsumiert ist.

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windung dieses Antagonismus der Herrschaft in der Versöhnung hin denkt, einem Zustand der Menschheit ohne Lebensnot und ohne den Zwang expandierender Naturbeherrschung. Bei einem solchen geschichtlichen Stand von Humanität wäre nach Adornos These auch das begriffliche Denken nicht mehr primär das naturbeherrschende, gegen das die Kritische Theorie andenkt, und das tangiert auch ± wie sich später zeigen wird ± den Begriff des Begriffs, insofern der Begriff in seiner ursprünglich naturalistischen Bestimmung nicht aufgeht. Dass die Begriffe Momente der Realität sind, die zu ihrer Bildung nötigt, besagt also vor allem, dass sie von keinem der empirischen Realität gegenüber inkommensurablen geistigen Ansichsein sind, sonst könnten sie keine Funktion in der menschlichen Praxis haben. Daher liegt es nahe, sie ± GLHÄ,QVWUXPHQWH³± im pragmatischen Sinne als implizit verhaltens- und handlungsanleitend aufzufassen, unter ihnen immer auch geronnene Praktiken zu verstehen. Dass die Realität, in der die Begriffe ein Moment sind, zunächst einmal ± bevor sie als nichtbegriffliche thematisiert wird ± nicht begrifflich ist, bedeutet auch hier, dass diese Realität die reale ÃWHOW GRUW GUDX‰HQµ darstellt, in der ein Schiff, das sich an keinem Leuchtturm orientiert, zerschellen kann und in der Menschen mit den Folgen ihrer Handlungen spürbar konfrontiert sind. Die nicht begriffliche Realität, die sich von den Begriffen, die es von ihr gibt, unterscheidet, inkludiert diese Begriffe zugleich. Mit anderer Akzentuierung gesprochen: Das die Begriffe, in denen wir denken, real Umfassende ist selbst nicht begrifflich; und zwar ebenso wie die Welt an sich selbst nicht sprachlich ist (hierauf baut, wie gesehen, Rorty seine nominalistische Kritik an der Auffassung der Wahrheit als Übereinstimmung auf, wonach die Welt sich nicht selbst in satzförmige Einheiten zerlege), gleichwohl aber Sprache als einen Realitätsbestandteil, nämlich als Werkzeug des Menschen, umfasst. Im Hinblick auf diesen so verstandenen Unterschied zwischen Sprache und dem, was in ihr beschrieben wird, zwischen dem Begriff und dem, worauf er bezogen wird, vollzieht sich die nominalistische Reflexion Rortys und die begriffskritische Reflexion Adornos noch auf der gleichen Ebene. Übernimmt man die Rede Adornos vom instrumentellen Charakter des Begriffs und des Denkens mit ihrem ganzen Gewicht, so wird man zunächst ebenso wie Rorty das Weltverhältnis als ein funktionales interpretieren, angesichts dessen sich die Frage nach der adaequatio in einem mehr als nur sprach- und praxisimmanenten Sinne nicht mHKUVLQQYROOVWHOOHQOlVVW:DVGDVÄLGHHOOH:HUN]HXJ³PLWGHU:LUNOLFKNHLWODXW der Dialektik der Aufklärung macht, ist dies, dass es sie in ihrem je spezifischen 2EMHNWFKDUDNWHUIHVWOHJW'DV:HUN]HXJIXQNWLRQLHUWLQGHPHVGLH'LQJH]XÄSaFNHQ³ EHNRPPW den sicheren Zugriff auf sie zu bestimmten Zwecken ermöglicht. 1RFKYRUDOOHQZHLWHUHQ,QWHUSUHWDWLRQVVFKULWWHQGLHGHU(U|UWHUXQJMHQHVÄQLFKtEHJULIIOLFKHQ*DQ]HQ³GLHQHQVROOHQ, möchte ich nun betrachten, wie das bis hier erörterte Begriffsverständnis sich in der Philosophie Adornos niederschlägt respektive was der instrumentelle Realitätsbezug für die Kritische Theorie bedeutet.

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Das Verhältnis von Begriff und Realität ist in Anbetracht seines instrumentellen Charakters ein äußerliches, und zwar in der bereits in Bezug auf Rortys Nominalismus angesprochenen Weise, dass die vom Begriff unabhängige Realität nur das Substrat determinierender Begriffsbestimmungen abgibt, das in einer anderen Praxis mit anderen Zwecksetzungen auch anders bestimmt sein könnte. Die Abstraktion des Denkens, das Verschiedenes unter einen Begriff subsumiert und voneinander Unterschiedenes miteinander identifiziert, widerfährt den Dingen YRQÃDX‰HQµ'DVVVLHQLFKWHWZDGHUHQLPPDQHQWH)RUPEHVWLPPXQJDXVGUFNW wie sie der rationalistischen Substanzmetaphysik in einem nicht sinnlichen, sondern noetischen Zugang zur Welt sich offenbart, stellt sich Adorno, der erst gar nicht die ontologische Perspektive solcher Fragestellung einnimmt, nicht als das zentrale Problem dar. Äußerlich ist das abstrahierende und funktionale Denken, das die Dinge allein als Exemplare zweckgerichtet miteinander verknüpft, gerade darin, dass es das Besondere der Dinge, durch das sie mit anderen nicht identisch sind, übergeht. Was Adorno nahezu der gesamten philosophischen Tradition einschließlich Hegel vorwirft, das ist, dass sie das Besondere nicht wirklich zu seiQHP5HFKWNRPPHQOlVVWLQGHPVLHDXIJUXQGÄGHU8Q]XOlQJOLFKNHLWGHU(UNHQntnis, die keines Besonderen sich versichern kann ohne den Begriff, der keineswegs das BeVRQGHUHLVW³ 1' 175), das heißt aufgrund der Not, nur im Medium des Allgemeinen, nämlich des Begriffs, über Besonderes reden zu können, sich GD]X OHJLWLPLHUW VLHKW GLH Ä1LFKWLGHQWLWlW YRQ %HVRQGHUHP XQG %HJULII³ (ND, 149) überhaupt zu nivellieren. Ä6RZHQLJGDV%HVRQGHUHEHVWLPPEDUZlUH ohne das Allgemeine, durch welches es nach kurrenter Logik identifiziert wird, VRZHQLJLVWHVLGHQWLVFKPLWLKP³ 1' 175). Weil das Denken eines Etwas dessen Subsumtion unter einen Begriff bedeutet, weil Denken qua Identifikation vergegenständlicht, sind ihm auch nicht die Dinge als Wissensobjekte in einer Unmittelbarkeit jenseits ihrer Identifizierung zugänglich. Unter den Bedingungen identifizierenden Denkens kann über die Wirklichkeit nur das ausgesagt und an ihr erkannt werden, als was sie begrifflich determiniert ist, kann nur das an ihr zur Sprache kommen, was bereits Resultat identifizierender Akte ist. (Und wenn jener Leuchtturm gelb angestrichen ist, wogegen sich seine Funktion als Leuchtturm gleichJOWLJ YHUKlOWVRGUFNWGDV )DUEZRUWÃJHOEµVHLQHUVHLWVGDV5HVXOWDW einer Gleichsetzung von Sinneseindrücken aus.) ,QGHU $XVVDJHÃ'LHVLVWHLQ /HXFKWWXUPµVLQGHQWVSUHFKHQGGHU6XEVXPWLRQ eines Realen unter den Begriff des Leuchtturms synthetisierende Akte aufgehoben, die das begriffliche Objekt Leuchtturm zum Resultat haben. Das ermöglicht eine Identifizierung des je Realen, Synthetisierten, Objektivierten mit dem BeJULIIÃ/HXFKWWXUPµXQGLQGLeser Weise ist es Gegenstand des Denkens oder der menschlichen Rede. Indem alle unsere Handlungen sich auf ein Reales als auf einen Leuchtturm beziehen, ist es in unserer Praxis auch nicht mehr als ein Leuchtturm. Insofern ist im Pragmatismus Rortys der sprachliche Realitätsbezug genau beschrieben, wenn er als epistemischer Selbstbezug in Form eines kausalen Bezuges auf das qua Sprache zweckmäßig Determinierte aufgefasst wird. Ein

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nicht Sprachliches kommt dann allein so ins Spiel, dass sich im Funktionieren der Determinierung im Rahmen eines Sprachspiels immer auch die sprachexternen Restriktionen niederschlagen, denen sprachliche Praktiken unterliegen. Rortys Rede von der sprachlichen Codierung lässt sich ebenso als der Vorgang der Gleichsetzung von nicht Identischem qua Sprache, der Gleichsetzung in Bezug auf ein subsumierendes Vokabular zu einem bestimmten Beschreibungszweck verstehen. Und diese Gleichsetzung muss dem Zweck natürlich dienen können. Wer ein Etwas namens Windmühle sieht, kann es, entsprechend der gesellschaftlichen Sprachpraxis, in der er sozialisiert ist und in der dieses Etwas eine EHVWLPPWH )XQNWLRQ HLQQLPPW DXFK DOV HLQH :LQGPKOH ÃGHFRGLHUHQµ ZDV LP Theorierahmen Adornos formuliert heißt, dass er es mit dem Begriff der Windmühle identifiziert, der selbst Ausdruck von Identifikation, der Subsumierung differenter Phänomene unter eine sie gleichsetzende Bestimmung, LVW 'HU Ã'eFRGLHUHUµZLUGDOVRHLQHZLUNOLFKH:LQGPKOHDOV*HJHQVWDQGDQWUHIIHQXQGDOVR wissen, was dieser ist. Hat er jedoch nach allzu umfangreicher Lektüre alter Ritterromane sich von der inzwischen fortgeschrittenen Welt seiner zeitgenössischen Sprachgemeinschaft allzu sehr entfremdet und ist er wegen dieser Lektüre sehr abenteuerhungrig geworden, dann kann ihm diese Decodierung manchmal aus der Perspektive seiner Mitmenschen misslingen. Er kann dann zum Beispiel die Windmühlen für herausfordernde Ungeheuer halten. Der spanische Ritter aus GHU0DQFKDQlPOLFKÄZDUVRIHVWYRQGHQ5LHVHQEHU]HXJW>«], bis er dem Orte, wo sie standen, nahe gekommen war, worauf er mit lauter Stimme rief: Entflieht nicht, ihr feigherzigen und niederträchtigen Kreaturen! Ein einziger Ritter LVW HV GHU HXFK GLH 6WLUQ ELHWHW³2. Nicht die direkte Inaugenscheinnahme der Mühle also, ja nicht einmal die physische Konfrontation mit ihr ± gäbe es eine buchstäblichere Unmittelbarkeit? ±, EHL ZHOFKHU Ä3IHUG XQG 5HLWHU HLQH JUR‰H 6WUHFNH EHU GDV )HOG ZHJJHVFKOHXGHUW ZXUGHQ³ YHUPDJ GHP Einzigen ein falsches Verstehen seiner Umwelt vor Augen zu führen oder gar ein Scheitern seiner Praxis.3 Denn auf seine Niederlage weiß der edle Ritter GLH$QWZRUWÄ'DVLVW 2 3

M. de Cervantes Saavedra: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha, Übersetzung L. Tieck, Erstes Buch, Achtes Kapitel. Es ließe sich Cervantes¶ Don Quixote ± gegenüber der cartesianischen SprachgePHLQVFKDIWHLQÄ$QWLSRGH³GHUJDQ]EHVRQGHUHQ$UW± als das ideale Beispiel für den Irrweg anführen, Wissen in subjektiver Gewissheit, in dem von einem Bewusstsein Vermeinten und direkt Gewussten, fundieren zu wollen. Die epistemische Autorität steckt in den Ritterromanen, die Don Quixotes Diener eben nicht kennt, der deshalb auch nicht den größeren Zusammenhang, in dem die Windmühlen stehen, erkennen kann. Wenn Don Quixote als Ritter sich der Welt, wie sie in der gemeinsamen Alltagspraxis der Menschen bestimmt ist, entgegenstellt, indem er die Erscheinungen anders, auf phantasmagorische Weise deutet, zeigt sich mit dem Scheitern des Heldenlebens nicht nur die Relevanz von gemeinsamer Praxis, an der der lesende Held lange nicht teilgenommen hat, in die er nicht mehr eingewöhnt ist, sondern ebenso die Relevanz sprachlicher Weltvermittlung, ohne die eine Umdeutung der Phänomene, von der die subjektive Gewissheit nicht ablässt, nicht möglich gewesen wäre; so speist sich die Gewissheit ganz aus einer anderen, virtuellen Sprachgemeinschaft

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Kriegsglück, das am meisten von allen Dingen einem ewigen Wechsel unterworIHQ LVW³ $XFK HLQH DQGHUV GHWHUPLQLHUWH :HOW LQ GHU MHPDQG DXI :LQGPKOHQ wie auf Ungeheuer reagiert, vermag eine in sich konsistente Deutung zu erhalten und für den Deutenden eine gewiss wahre zu sein, die eine Praxis gar nicht als eine misslingende erfahren lässt, wenn der Zweck selbst partielles Misslingen einschließt. Was den Dingen angetan wird, wenn man sie wie mit einer Lanze aufspießen, wenn man sie auf das hin fixieren will, was sie repräsentieren sollen, das schlägt mitunter auf das Subjekt zurück, das weiterhin das Andere nur als das antrifft, als was es bestimmt wurde. Im Hinblick auf die Realität als nicht begriffliche kommt es in diesem Zusammenhang darauf an zu sehen, dass gerade dann, wenn der Begriff nur die ihr äußerliche Determinierung (zu bestimmten Zwecken) in der menschlichen Praxis darstellt, nur die vom Denken dem Objekt Äauferlegte %HVWLPPXQJ³ 1' 49 ± H.d.A.), der Realitätsbezug epistemisch zirkulär wird. Das Problem, das Adorno in der Negativen Dialektik auszutragen versucht, ist dies, dass begriffliches Denken, wenn es nicht seine eigene Bedingtheit durch ein Anderes reflektiert, sondern sich naiv oder bewusst als Grund der Realitätsbestimmungen setzt, VLFK LP Ä=LUNHO GHU ,GHQWLILNDWLRQ³ EeILQGHW ÄGLH schließOLFK LPPHU QXU VLFK VHOEVW LGHQWLIL]LHUW³ 1' 174). Es ist der Zirkel des ÄLGHQWLIi]LHUHQGHQ'HQNHQVGDV*OHLFKPDFKHQMHJOLFKHQ8QJOHLFKHQ³ HEG), und zwar sowohl das Gleichmachen der ungleichen Dinge durch den sie unter sich befassenden Begriff als auch das Gleichmachen von Begriff und dem, worauf er sich bezieht (was übrigens schon darin liegt, dass die Identifikation von nicht Identischem nur über den Begriff laufen kann). Und schließlich ± was allerdings nur für eine bewusstseinsphilosophische Position gilt ± schließt sich der Zirkel durch die Identifizierung, die das identifizierende Subjekt an sich selbst als lebendiges und ungeachtet seiner selbst als eines Besonderen vollzieht. Ergebnis dieser Identifizierung ist das Subjekt als reines cogito, das sich jetzt als Grund und Quelle alles dessen ansehen kann, was nach dem Identitätsprinzip determiniert wurde ± nach einem Prinzip, das vom cogito geradezu verkörpert wird. Ein Denken, das den Zusammenhang seiner Welt durch das Identitätsprinzip herstellt, durch die objektivierende Identifizierung von Unterschiedenem und dessen Einschluss in die logische und transzendentale Einheit des cogito (die dann von der einheitsstiftenden Grammatik der Sprachsubjekte abgelöst wurde), ist vollständig in sich geschlossen, ja nach Adornos Interpretation eingeschlossen, geIDQJHQ ZLH HLQ 7LHU GDV VHLQHQ 3DQ]HU DOV ÄDQJHZDFKVHQHV *HIlQJQLV³ (ND, 181) mit sich herumträgt. Wie dieser schützt aus der Sicht Adornos das Identitätsprinzip die Menschen vor der bedrohlich diffusen Natur. Eine Theorie, die dieses Prinzip affirmativ zum Wissensfundament erhebt, die dementsprechend ± wie die Identitätsphilosophie ± alles auf eine ursprüngliche Identität (als der Ritterromane. ± Reale und sprachliche Determinierung der Phänomene fallen auseinander, darin gründet die Dramaturgie des komischen Helden, der doch zugleich ahnen lässt, dass alles auch etwas anderes sein könnte als das, was es an Ort und Stelle für den Menschen ist.

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GDV $EVROXWH  ]XUFNIKUW EHILQGHW VLFK LP ÄLGHQWLWlWVSKLORVRSKLVFKHQ =DXEHrNUHLV³ 1' 178). Verzaubert ist alles auf das Prinzip der Identität hin. Dementsprechend ist das, was jenen Kreis und damit den Begriff transzendiert, für $GRUQRÄGDV%HVRQGHUHDOVGDV1LFKWLGHQWLVFKH³ 1' 172), das seinerseits nicht begrifflich zu nehmen ist, sondern eher als Chiffre für ein noch nicht Seiendes. Die Ausführung dieses letzten Aspektes möchte ich jedoch noch zurückstellen, um vorerst mit der Explikation von Adornos Begriffsverständnis fortzufahren. Wenn oben betont wurde, dass etwas, das wir als einen Leuchtturm zu verstehen gelernt haben, ein solcher ist, weil der entsprechende Gegenstand alle definitionsrelevanten Merkmale aufweist, die der empirische Begriff des Leuchtturms impliziert, dann liegt hierin, dass etwas real so bestimmt worden ist, dass es den begrifflichen Bestimmungen entspricht. Deshalb wurde oben gesagt, dass der Erkenntnisgegenstand real begrifflich bestimmt ist. Ein Leuchtturm ist als solcher in der menschlichen Praxis konstruiert und errichtet worden, und er nimmt als solcher realiter eine bestimmte Funktion in der menschlichen Praxis ein. Dass wir die Realität nicht nur sprachlich determinieren, sondern sie real determinieren durch unsere wirkliche Tätigkeit auf bestimmte Zwecke hin, mit der die sprachlichen Praktiken verflochten sind, ist ein Sachverhalt, der in Rortys linguistischem Pragmatismus, der allein die sprachliche Realitätsvermittlung thematisiert, angesichts der Bedeutung, die der zweckgerichteten Praxis im Pragmatismus sonst zukommt, merkwürdig schwach beleuchtet bleibt. Wenn Begriffe ein Instrument und damit ein realer Bestandteil der naturbeherrschenden Praxis sind, hängen sie mit dieser auch in real konstituierender Weise zusammen; dergestalt nämlich, dass sie vermittelt über gegenständliche Tätigkeit in das Produkt dieser Tätigkeit eingehen, dem wiederum seine praxisimmanente Bestimmung gewissermaßen wie eine Gebrauchsanleitung auf dem Leib geschrieben steht für den, der mit anderen Akteuren eine Sprache und eine Praxis teilt, in der unter einem Gegenstand X eine Windmühle verstanden wird. Die sprachliche Determinierung hat also in der zweckgerichteten Tätigkeit ihre reale Verankerung, so wie diese Tätigkeit nicht wäre ohne Sprache. Die Zirkularität des identifizierenden Denkens ist ebenso die Zirkularität der zweckgerichteten Tätigkeit. Was Adorno in verschiedenen Zusammenhängen als Immanenz beschreibt, die sowohl die Immanenz des identifizierenden Denkens als auch die gesellschaftliche Immanenz ist sowie schließlich auch die Immanenz der Natur meint, geht auf diese Kernstruktur der Zirkularität der naturbeherrschenden, der Selbsterhaltung dienenden Praktiken zurück. Deshalb kann Adorno sagen, dass GLHÄ*HIDQJHQVFKDIWLQGHU,PPDQHQ]³GHUHQDQVFKHLQHQGXQYHUUFNEDUH*UHnzen die kantische Grenzziehung ± in der Sprache Adornos: der kDQWLVFKHÄ%ORFN³ ± QDFK]HLFKQHW GLH *HIDQJHQVFKDIW ÄLQ GHU 6HOEVWHUKDOWXQJ³ LVW GDPLW HLQH LP blinden Naturzusammenhang (vgl. ND, 382). Diese ist zugleich gesellschaftliche Gefangenschaft, weil Selbsterhaltung zur kollektiven Erhaltung vergesellschaftet wird in Form gesellschaftlich etablierter, sprachlich vermittelter Praktiken. Durch

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Aneignung dieser Praktiken werden die Menschen ± pragmatistisch formuliert ± zu Teilnehmern an der Praxis einer Sprachgemeinschaft, und als diese Teilnehmer agieren sie selbst im Zirkel der Identifikation. Indem die Menschen mit ihren Praktiken dem Identitätsprinzip folgen, dem Gleichsetzen von Verschiedenem zum Zwecke seiner Beherrschung, haben innerhalb der menschlichen zweckgerichteten Praxis die Gegenstände realiter (denn sie fungieren wirklich innerhalb eines Zweckzusammenhanges) wie auch gezwungenermaßen (soweit ausgeblendet ist, dass die Praxis und ihre Zwecke immer auch anders sein könnten) die Bestimmungen, die ihnen nach Maßgabe subjektiver Zwecksetzung zukommen sollen. Doch handelt es sich eben nur um eine für Menschen gültige und den Gegenständen von Menschen auferlegte Eigenschaft; sprachphilosophisch gesprochen, um ihre extrinsische Eigenschaft. Es ist daher Ausdruck kritischer Reflexion, wenn der Pragmatismus (Deweys wie Rortys) an der szientistischen Realitätsbeschreibung, die intrinsische Eigenschaften zu präsentieren behauptete, nicht anders als an allen anderen Beschreibungen deren Zweckrelativität hervorhebt. Die naturwissenschaftlich objektivierte Natur besitzt alle die Bestimmungen, die keinem anderen als dem menschlichen Zweck ihrer Beherrschung entspringen, als ihre eigenen, von der menschlichen Praxis unabhängigen Eigenschaften nur deshalb, weil von allem Objektivierten bereits die gesellschaftliche Praxis subtrahiert worden ist. Doch die instrumentellen, von dem je Besonderen real abstrahierenden Praktiken vergehen sich aus der Sicht Adornos gegen die Dinge. Diese sind in der bisheriJHQ PHQVFKOLFKHQ 3UD[LV ÄYRP ,GHQWLWlWVSULQ]LS XQWHUMRFKW³ 1' 266). Und in dem Maße, in dem sie real unterjocht sind, kann die Dimension des Besonderen an ihnen selbst noch gar nicht erscheinen. Die Menschen praktizieren das UnUHFKW ÄGDV LQ GHU 9HUWDXVFKEDUNHLW XQG 6XEVXPWLRQ VHOEHU JHOHJHQ LVW³4, gegen die Dinge und verhindern somit deren Individuierung. Gegen ihre Determinierung in der naturbeherrschenden Praxis, in der die Dinge als unterschiedene gleichgesetzt werden, und das heißt bei Adorno immer auch: gegen ihre determinierende Gleichsetzung in der Praxis des Warentausches, VHW]W $GRUQRGDV ÄXnfunktionelle Selbstsein der Dinge, ihre Befreiung vom Identitätszwang, den der herrschDIWOLFKH*HLVWDXVEW³5. Damit aber wird ± wie zu Beginn dieses Kapitels mit Adornos Rede von der Ä,GHHGHU$QGHUVKHLW³RKQHGLH(UNHQQWQLV]XU7DXWologie werde, bereits angedeutet ± auch der Rückführung aller Realitätseigenschaften auf die Subjektivität HLQHU6SUDFKJHPHLQVFKDIWHLQÄ6HOEVWVHLQGHU'LnJH³ kritisch gegenübergestellt, welches das nicht Begriffliche der Realität in einer Weise akzentuiert, durch welche erst die Selbstbezüglichkeit naturbeherrschender, determinierender, um nicht zu sagen real abstrahierender Praktiken als ein Problem gesehen werden kann. Jenes Selbstsein ist freilich nicht das determi4 5

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 4, S. 85. Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 6, S. 485.

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nierbare Anderssein in abstracto, das bloße Substrat von Determination, sondern das mit dem Allgemeinbegriff nicht identische Besondere, dessen Verhältnis zur Kategorie in der Negativen Dialektik PLWGHQ:RUWHQEHVFKULHEHQZLUGÄ'HUDOlgemeine Begriff von Besonderheit hat keine Macht über das Besondere, das er DEVWUDKLHUHQG PHLQW³ 1'   6R ZLUG GDV ÄZRUDXI GDV %HVRQGHUH SRFKW GLH Eigenschaft, LKP YRP $OOJHPHLQHQ DQJHWDQ³ 1' 320). Doch auf die EigenVFKDIWÄSRFKW³HVXQGGDPLWDXIHLQH%HVFKDIIHQKHLWDXIJUXQGGHUHUGLHÄVXEMHkWLYHQ %HVWLPPXQJHQ NHLQ EOR‰ $QJHKHIWHWHV³ 62 747) sind, sondern ± so die These Adornos ± vom zu Bestimmenden verlangt werden. Andernfalls gäbe es keinen epistemologisch nachvollziehbaren Konflikt zwischen dem Selbstsein der Dinge und ihrem begrifflichen Bestimmtwerden, ihrer Subsumierung unter einen Begriff. Dieser Konflikt ist struktureller Art, weil über je Besonderes nicht anders als in identifizierenden und damit es objektivierenden Ausdrücken gesprochen werden kann. Es ist der Konflikt zwischen Besonderem und Allgemeinem, der in Form einer negativen Dialektik ausgetragen werden soll, in der sich Besonderes und Allgemeines wechselseitig bestimmen, ohne identisch zu werden; in der sich das begriffliche Denken daher fortwährend korrigiert und differenziert, und zwar im negativen Wissen von der Unauflöslichkeit des Besonderen im Oberbegriff. In der Konfrontation des den Dingen von außen qua Abstraktion Angetanen mit dem, worauf sie als die ihnen gemäße Beschreibung pochen, die sie in ihrer Besonderheit achtet, scheidet sich die Kritische Theorie strikt vom Neopragmatismus. Dieser kennt zwischen Realität und ihrer Beschreibung nur die Relation des Funktionierens Letzterer zu einem bestimmten Zweck. Allenfalls werden, wenn sie zu undifferenziert sind, ein Vokabular und eine entsprechende Wirklichkeitsbeschreibung schlecht IXQNWLRQLHUHQ,QGLHVHPÃ)XQNWLRQLHUHQµVLQGGLH nicht subjektiven Bedingungen aufgehoben, in denen die Realität ihre Selbständigkeit bewahrt, so dass sich mit dem Mahlwerk einer Windmühle keine Postkutsche antreiben lässt. Aber vom Funktionieren zu einem bestimmten Zweck kann, wie gesehen, auch im Fall des die Tugend des Edelmutes zurückerobernden Don Quixote gesprochen werden, und in dieser Hinsicht werden im instrumentellen Bezug zu den Dingen diese äußerlich erfasst. Ihre Selbständigkeit präsentiert sich immer nur vor dem Hintergrund ihrer subjektiven Zweckbestimmung. ± Die These der Kritischen Theorie ist in diesem Zusammenhang nun, dass ± so wie der tragische Held zu guter Letzt scheitert ± eine menschliche Praxis im Ganzen am Ende nicht gelingen kann, in der über die zweckgebundenen, naturbeherrschenden Praktiken hinaus die Menschen sich keine Perspektive eröffnen, in der das Individuierte zu seinem ungeschmälerten Recht käme. Die Selbstbezüglichkeit der identifizierenden Praktiken wird überhaupt erst mit der zusätzlichen, noch zu entwickelnden These zu einem Problem, dass diese Selbstreferenz nicht ± wie bei Rorty ± Manifestation subjektiver Freiheit oder menschlichen Schöpfertums ist, sondern Ausdruck davon, dass das Andere des Denkens auf praxisrelevante Wei-

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se verfehlt werden kann. (Wie sich dieses Scheitern von Praxis zeigt und worin es begründet liegt, werde ich im achten Kapitel näher erörtern.) Wenn Rorty die Vorstellung von Wahrheit als eine Übereinstimmung der außersprachlichen Realität mit ihrer Beschreibung bestreitet, dann ist ± wie mehrfach betont wurde ± damit in keiner Weise die Übereinstimmung tangiert, die sich klassischerweise als diejenige zwischen einem Begriff und seinem Gegenstand darstellt, soweit eben dieser Gegenstand selbst begrifflich bestimmt, soweit er bereits unter einen Allgemeinbegriff für sein Funktionieren in der menschlichen Praxis subsumiert ist. Aber genau diese Art der bis hier beschriebenen Übereinstimmung ist es, gegen die Adorno die Idee der Erkenntnis als gegen ihr Missverständnis abgrenzen will, nach welchem sie auf bloß tautologische Weise gefasst wird: ohne dass nämlich dem Erkenntnisgegenstand eine seinem subjektiven Bestimmtsein gegenüber objektive Seite zuerkannt würde. Misslingt eine solche Abgrenzung, ist nicht zu sehen, warum man mit Rorty nicht den Wahrheitsbegriff als philosophisch relevanten fallen lassen sollte, da er auf jene ihn erschöpfende Redundanz hinausliefe, dass der Satz, am Horizont befinde sich eine Windmühle, genau dann wahr ist, wenn sich am Horizont eine Windmühle befindet. Adornos Abgrenzung geht also gegen eine Idee der Wahrheit, die auf eine adaequatio zwischen dem identifizierenden Denken und einer Realität hinausläuft, die bereits die von diesem Denken real determinierte, unter den BedingunJHQLKUHUÄ=XUVWXQJ]XP2EMHNW³ 1' 31) manifeste ist; ungeachtet dessen, ob diese Zurüstung wie in der subjektiven Konstitutionslehre reflexiv geworden ist oder naiv realistisch vollzogen wird. Und dies schließt eine Realitätskritik wie auch eine Begriffskritik ein. Deshalb formuliert Adorno: Während die Philosophie Äder realen Determination der Phänomene durch ihren Begriff versichert ist [und das wäre jene adaequatio, in der die Phänomene durch abstrahierende Praktiken immer auch bereits zu etwas Allgemeinem real determiniert sind ± d.A.], kann sie diesen nicht ontologisch, als das an sich Wahre, sich vorgeben. Er ist fuVLRQLHUW PLW GHP 8QZDKUHQ GHP XQWHUGUFNHQGHQ 3ULQ]LS³ 1' 57), nämlich dem der Identifikation. Der beschriebene Selbstbezug, den die instrumentellen Praktiken des Gleichsetzens von Unterschiedenem installieren, durch welche denkende, sprechende, handelnde Subjekte eine zweite Natur konstituieren, nämlich ihre gesellschaftliche Realität, die selbst eine reale Totalität, selbst die Grenzen der Welt bildet, wird von Adorno als gesellschaftlicher Immanenzzusammenhang konzeptionalisiert. Es handelt sich um den Zirkel von identifizierendem Begriff als dem Allgemeinen und den vom Allgemeinen in der menschlichen Praxis real determinierten Phänomenen, an denen wiederum der Begriff sein ihn verifizierendes Äquivalent hat. Soweit er dieses Äquivalent hat, aus dem er, weil er ja selbst das Zurüstende ist, auch nicht abgeleitet werden kann, könnte eine begriffsrealistische Position sich bestätigt sehen. Dagegen aber trifft die adäquationskritische Konzeption eines naturalisierten Nominalismus, trifft die Vorstellung eines reflexiv kausalen Weltverhältnisses der Sprecher genau den Sachverhalt der Verifizierung von Aussagen durch das bereits begrifflich Zugerüstete.

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Weil das, was zugerüstet wurde, immer auch anders beschrieben werden kann, ist es mehr als das, was es in einer Beschreibung zu einem bestimmten Zweck ist. Doch werden nun auch die Grenzen des Nominalismus sichtbar: Er bekommt die reale EHJULIIOLFKHÄ'HWHUPLQDWLRQGHU3KlQRPHQH³QLFht in den Blick. Er berücksichtigt nicht, dass die allgemeinbegrifflichen Bestimmungen in die gesellschaftlich real determinierten Dinge eingegangen und ihnen nicht im Geringsten äußerlich sind. Und das ist eine andere Argumentation gegen den erkenntnistheoretischen Dualismus von Begriff und nicht Begrifflichem als diejenige, mit der der Neopragmatismus unter anderem die Ding-an-sich-Problematik abschafft, auf der epistemologischen Untrennbarkeit der nichtsprachlichen Dinge von ihrer Beschreibung insistiert und dennoch um der Möglichkeit alternativer Beschreibungen willen ein unbestimmtes Beschreibungssubstrat zurücklässt. In der gesellschaftlichen Praxis wird nicht nur eine Windmühle mit dem Begriffswort Ã:LQGPKOHµbeschrieben. Die Windmühle verkörpert all die Bestimmungen, die GDV%HJULIIVZRUWÃ:LQGPKOHµDXFKZHQQPDQVHLQH%HGHXWXQJDOVHLQHLQIHUHntiell gebildete versteht, von dem Gegenstand fordert. Hundert Taler verkörpern ÃKXQGHUW 7DOHUµ HLQ %OHLVWLIW HLQHQ Ã%OHLVWLIWµ 'HU %OHLVWLIW ist in der menschlichen Praxis durch und in seinem realen funktionalen Zusammenhang mit allen anderen Dingen bestimmt. Die kritische Frage ist deshalb nicht, worin ein Etwas QDPHQV%OHLVWLIWVLFKYRQGHPHPSLULVFKHQ%HJULIIÃ%OHLVWLIWµRQWRORJLVFKunterscheidet, sondern RE XQG DXI ZHOFKH :HLVH HV GHQ %HJULII GLHVH Ä(LQKHLW GHV 6LQQV³LPGHRQWRORJLVFKHQ+LQEOLFNDXIGHVVHQÄDEVWUDNWHQ%HGHuWXQJVXPIDQJ³ möglicherweise übersteigt. Die oben erwähnte Ausrichtung von Adornos kritischer Theorie, die in untrennbarer Weise Realitäts- und Begriffskritik ist und somit ein grundsätzlich Defizitäres der instrumentell bestimmten Realität wie auch des bestimmenden Begriffs behauptet, erfordert allerdings, sowohl in der Realität als auch im Begriff die Möglichkeit eines Anderen, Nichtfunktionalen zu denken und aufzuzeigen. Natur muss ihrer Möglichkeit nach qualitativ mehr sein können, als sie es in einem Verhältnis zum Menschen als funktional determinierte Realität ist. Und der Begriff darf sich nicht in seiner naturbeherrschenden Funktion erschöpfen. Aporetisch würde die Philosophie Adornos deshalb erst dann, wenn man diese Möglichkeit nicht antizipierend thematisiert und bei dem Widerspruch stehen bleibt, in naturbeherrschenden, identifizierenden Begriffen das sagen zu wollen, was sich mit ihnen nicht sagen lässt, weil es ihrer Herrschaft entgegengesetzt ist. Am eigenen Zopf kann sich niemand, nicht einmal ein Philosoph, aus dem Sumpf ziehen. Deshalb kann es mit einer Begriffskritik, die sich gegen den ausgrenzenden Abstraktionsmechanismus des Begriffs richtet, ohne eine in ihm schon angelegte, diesen Mechanismus übersteigende Möglichkeit aufzuzeigen, wie Adorno weiß, nicht sein Bewenden haben. Der Begriff ist nicht etwa nur das Unwahre, das von der Erkenntnis, wie die Dinge wirklich sind, absperrt, sondern er ist ± wie es oben hieß ± fusioniert mit dem Unwahren. Sein Doppelcharakter, sein Fu-

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sionscharakter, EHVWHKWGDULQHLQHUVHLWVÄDXI1LFKWEHJULIIOLFKHVVLFK]XEH]LHKHQ³ und in dieser Weise verbunden mit dem Wahren zu sein, andererseLWV ÄNRnträr, als abstrakte Einheit der unter ihm befaßten Onta vom Ontischen sich zu entferQHQ³ (ND, 24), es nach Maßgabe solcher Einheit zum Objekt im gesellschaftlichen Zweckzusammenhang zu determinieren, worin das Unwahre des Begriffs liegt. 6 Entfernen kann sich der Begriff vom Ontischen aber nur, wenn er es nicht 6

(EHQVRLVWGHU%HJULIIÄ2UJDQRQGHV'HQNHQVXQGJOHLFKZRKOGLH0DXHU]ZLVFKHQ diesem und dem zu DHQNHQGHQ³ 1' 27). Das Motiv des Doppelcharakters des Begriffs ist für ein Verständnis der dialektischen und weniger der aporetischen Erkenntniskritik Adornos von zentraler Bedeutung, wie sich im weiteren Verlauf der Untersuchung zeigen wird. Denn was später als die Umwendung der subjektiven Reduktion thematisiert wird, wäre ohne diesen doppelten Charakter nicht stimmig, weil gar nicht möglich. In der sprachphilosophischen Rekonstruktion von Adornos Begriffskritik, wie sie von A. Wellmer durchgeführt wird, scheint mir der Doppelcharakter des Begriffs, den Adorno betont dialektisch fasst, nicht ausreichend gewichtet zu werden. Wellmer kritisiert an Adornos Begriffskritik, dass der die Gegenstände zurüstende Begriffsgebrauch, wie er in der logischen Grammatik physikalischer Theorien angelegt ist, welche nicht zuletzt die Kritik der reinen Vernunft im Auge hatte, dem Begriff als solchem angelastet wird und damit auch der Begriffsgebrauch in der kommunikativen Alltagspraxis unberechtigterweise derselben Kritik untersteht. Dagegen beginnt aus der Sicht Wellmers das Problem erst, wenn die Zurüstung durch Wissenschaft und Technik auf die Alltagspraxis und den alltäglichen Sprachgebrauch EHUJUHLIW Ä:LOO PDQ LP (UQVW YRQ HLQHP =XVDPPHQKDQJ ]ZLVFKHQ GHP Ã$bschneideQµRGHUÃ*HZDOWVDPHQµGHPÃ8QZDKUHQµXQGGHUÃ$OOJHPHLQKHLWµVSUDFhlicher Urteile reden, so kann es sich nur um ein Problem innerhalb der Sprache hanGHOQ 'DV Ã=XUVWHQGHµ XQG Ã$EVFKQHLGHQGHµ ZlUH GDQQ QLFKW GHP $OOJHPHLQEegriff als solchem, sondern einem spezifischen Gebrauch allgemeiner Begriffe anzuODVWHQ XQG GDV Ã8QZDKUHµ DQ HLQHP VROFKHQ 6SUDFKJHEUDXFK P‰WH VLFK DOV 8nwahrheit in der Sprache (und nicht als Unwahrheit durch die Sprache) verstehen ODVVHQ³ $:HOOPHU=XU'LDOHNWLNYRQ0RGHUQHXQG3RVtmoderne, S. 87). Reduziert man den Begriff, wie er Gegenstand von Adornos Begriffskritik ist, auf seine Funktion, als identifizierender Begriff Instrument von Herrschaft zu sein, dann muss es so scheinen, als sähe Adorno nur die Unwahrheit des Begriffs, die zudem eine durch den Begriff beziehungsweise die Sprache bedingte ist, so dass Adorno sich die theoretischen Mittel einer Begriffskritik nimmt, wenn er das Defizitäre des Begriffs und damit die Begriffskritik nicht auf pathologische Sprachgebräuche beschränkt, bei denen Lebendiges unter die identifizierende Ding-EreignisSprache subsumiert wird. Verloren geht in dieser Lesart, dass Adorno die HerrVFKDIWGHV%HJULIIVVHLQÃ=XUVWHQGHVµXQGÃ$EVFKQHLGHQGHVµLQWHUQYHUNQSIWVLHKW mit seinem utopischen Potential, dem Besonderen und Lebendigen Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Deshalb ist der Begriff nicht das Unwahre, er ist fusioniert mit dem Unwahren. Der entscheidende Punkt, auf den Adorno nach der Lesart dieser Untersuchung abhebt, besteht darin, dass wir in unserem Gebrauch der Begriffe (auch dort, wo dieser Gebrauch in der Alltagspraxis noch keinen offenkundig pathologischen Charakter hat) immer schon etwas, das nicht identisch ist, miteinander identifiziert haben, dass aber die Identifikation, die das Besondere übergeht, die ÃDEVFKQHLGHWµJDUQLFKWP|JOLFKZlUHZUGHQZLUQLFKW]XJOHLFKHWZDVDQGHU6ache erfahren, das die IdenWLILNDWLRQGHV9HUVFKLHGHQHQDQGHUHUVHLWVDXFKÃWUlJWµXQG dem sich der Begriff verdankt. Wir schmeißen ± grob gesagt ± nicht Äpfel und Te-

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nur verfehlt, sondern sich ihm zugleich immer auch schon genähert hat. Deshalb sind beide Momente, das Wahre und das Unwahre des Begriffs, als miteinander fusionierte, nicht so einfach wieder voneinander zu lösen wie die Spreu vom Weizen. (So wie im dialektischen Sinne auch das Besondere und das Allgemeine sich nicht gegeneinander isolieren lassen, sondern immer auch aufeinander verweisen.) Gegen den rein naturbeherrschenden Charakter begrifflichen Denkens forPXOLHUW GDKHU $GRUQR Ä%HUHLWV LP HLQIDFKHQ LGHQWLIL]LHUHQGHQ 8UWHLO JHVHOOW sich dem pragmatistischen, naturbeherrschenden Element ein utopisches. A soll VHLQZDVHVQRFKQLFKWLVW³ 1' 153). Und gleich zu Beginn der Negativen Dialektik KHL‰WHVÄ'LH6SLW]HGLH'HQNHQJHJHQVHLQ0DWHULDOULFKWHWLVWQLFKWHLnzig die spirituell gewordene Naturbeherrschung. Während das Denken dem, woran es seine Synthesen übt, Gewalt antut, folgt es zugleich einem Potential, das in seinem Gegenüber wartet, und gehorcht bewußtlos der Idee, an den Stücken wieder gutzumachen, was es selber verübte; der Philosophie wird dies Bewußtlose EHZX‰W³ 1' 30). Ich werde mich mit dem nicht pragmatistischen, utopischen Aspekt des Begriffs im neunten Kapitel, im Zusammenhang mit dem Konzept der Mimesis, näher befassen und an dieser Stelle zunächst nur überleiten zu dem, was zu Beginn des Kapitels als das Nichtbegriffliche von der nicht begrifflichen Realität unterschieden wurde. Die Bedeutung des Nichtbegrifflichen bezieht sich DXIMHQHVÄ3RWHQWLDO³GDVLQGHPÄ*HJHQEHU³GHV'Hnkens darauf ÄZDUWHW³YRQ diesem synthetisiert zu werden, seine Eigenschaft, seinen Zusammenhang mit anderem Seienden realisiert zu bekommen. Es ist dies ein Mehr der Realität, das als ihre Möglichkeit, die durch die Zurüstung alles Realen im Funktionskreis instrumentellen Handelns unterdrückt wird, selbst kein Gegenstand identifizierenden Denkens ist. Die manifeste und nicht begriffliche Realität ist insoweit Gegenstand von Kritik, wie in ihr die Dinge verfehlt werden, weil sie in der naturbeherrschenden, zweckorientierten Praxis auf ihre Funktion festgenagelt sind und alles Lebendige in diesen Funktionskreis selbst mit hineingezogen wird. Kern von Adornos Realitätskritik ist die Kritik an dem, was die Dinge unter den Bedingungen von Praktiken ihrer zweckfunktionalen Gleichsetzung und Instrumentalisierung in der Lebenswelt der Menschen geworden sind und wie sie dieses sie selbst beschränkende Gewordensein, dieses subjektive Determiniertwordensein als ihre essentielle, von Menschen unabhängige Eigenschaft präsentieren. Pointiert formuliert Adorno in der Negativen Dialektik diese Kritik mit den Worten: Ä:RPLW QHJDWLYH 'LDOHNWLN LKUH YHUKlUWHWHQ *HJHQVWlQGH GXUFKGULQJW LVW GLH lefone in einen Obstkorb. Adorno reflektiert die untilgbare Bedeutung des Besonderen für das Allgemeine. Will man die dialektische Schärfe seiner Problemfassung nicht aufgeben, so müsste man sagen, dass die Wunde der Identifikation sowohl durch die Sprache verübt wird, wie sie auch durch die Sprache wieder geheilt werden kann und auch immer wieder geheilt wird, weil das Besondere wiederum nur durch Sprache erreichbar ist. Es ist dann das Verhältnis beider Aspekte, des regressiven wie des utopischen, an dem eine Pathologie alltäglicher Sprachgebräuche erkennbar wird.

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Möglichkeit, um die ihre Wirklichkeit betrogen hat und die doch aus einem jeden EOLFNW³ 1' 62). Als determiniertes zieht das Reale die Menschen in den Bann, den sie selbst in ihrer determinierenden Praxis über es gelegt haben. Im angeführten Beispiel Don Quixotes lässt sich dieser Umstand gut erkennen, indem mit der Außerkraftsetzung der konventionalisierten Alltagspraxis in einer unkonventionellen und unalltäglichen Handlung, dem stürmischen Angriff auf die Mühlen, der verborgene weil allzu selbstverständliche Mechanismus dieser Praxis sichtbar wird. Die Identifizierung der Windmühlen als Ungeheuer, die am wenigsten ein von Menschen Gemachtes darstellen, schlägt den Helden in ihren Bann, der sein eigener ist; ihm scheint keine andere Handlung möglich, als mit der Lanze loszupreschen in den Kampf. Was determiniert ist, das scheint keine andere Handlung zuzulassen als die mit dieser Determination im Einklang stehende. Wenn Adorno im Hinblick auf ein Mehr der Realität, wie oben zitiert, DQWKURSRPRUSKLVLHUHQG YRQ ÄZDUWHQ³ VSULFKW, so ist diese sprachliche Wendung keine bloße Hilfsmetapher. Sie ist vielmehr als Verweis darauf zu nehmen, dass Natur als vom Denken unterschiedene von diesem nicht gänzlich geschieden sein kann, sondern ihren anthropomorphen Zug darin hat, dass sie sich der Denktätigkeit des anthropos so erschließt, dass sie durch diese Tätigkeit über sich als bedrohliche, den Menschen die 6HOEVWHUKDOWXQJ ÄDXIHUOHJHQGH³ ZLH EHU VLFK DOV von den Menschen unterjochte Natur hinausgeführt wird. Das aber heißt, dass dieses Denken an den Dingen, statt sie nur erneut und anders zu determinieren, ein gegenüber ihrem subjektiv gesetzten Zweckcharakter Anderes erkennen können muss, mit dem das Denken GHUÄ9LHOKHLWGHV9HUVFKLHGHQHQ³ 1' 18), dem Ä1LFKWLGHQWLVFKHQ³JHUHFKWZUGH statt das Unterschiedene zu einer ± man könnte sagen: werkzeuggerechten ± Einheit zu verbinden, die dem Zweck seiner Verfügbarkeit dient. Weil Natur in der menschlichen Praxis den subjektiven Zwecksetzungen real unterworfen ist, muss sich dieser andere Charakter des Realen erst bilden. Mit Blick auf eine durch veränderte Praktiken noch zu bildende Realität, damit auch auf einen veränderten Objektbegriff, schließt Adorno an die Rede YRP1LFKWLGHQWLVFKHQGLH%HPHUNXQJDQÄ'HQQ2EMHNWZlUHHLQPDOGDV1LFKtidentische, befreit vom subjektiven Bann und zu greifen durch dessen Selbstkritik hindurch ± wenn es überhaupt schon ist³ 62 752 ± H.d.A.). Im Jargon der Eigentlichkeit ZLUG IRUPXOLHUW Ä'DV XQIXQNWLRQHOOH 6HOEVWVHLQ GHU 'LQJH LKUH Befreiung vom Identitätszwang, den der herrschaftliche Geist ausübt, wäre die Utopie. Sie setzt die Veränderung des Ganzen voraus.³7 Jenes Nichtidentische kann vom begrifflichen Denken aber nur dann befördert werden, wenn es das an der Wirklichkeit selbst gewahrt, was über die subjektive Zwecksetzung, die zweckmäßige Determiniertheit hinausweist. Wenn von Michelangelo überliefert wird, dass er die im Stein schlummernden Gestalten erblickte, so zeugt dies von einem durch Phantasie vermittelten Realitätsverhältnis, das ersichtlich anders ist als ein Verhältnis, in dem alle Steine in identische Qua7

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 6, S. 458.

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der zweckmäßig zurechtgeschliffen werden, weil sie als Material für den Bau eines Hauses dienen, so dass über ihre Zweckbestimmtheit nicht der geringste Zweifel bestehen kann. Damit soll nicht die Auffassung ästhetisiert werden, die in der Negativen Dialektik von der begrifflichen Erkenntnis besteht, vielmehr geht es um eine Beschreibung des Ineinanders aktiver und passiver Momente des Denkens, das sich in gleichsam einem Atemzug von dem, was es denkt, ebenso prägen lässt, wie es in seinem Geprägtwerden das Gedachte bestimmt und dieses, das bisher um seine Möglichkeiten betrogen wurde, über sich hinaus treibt. Gerade um sich prägen zu lassen, muss sich das Denken aktiv auf sein Anderes richten. Der subjektive Faktor kommt also, bei aller Kritik an der zurüstenden AktiviWlW GHV 6XEMHNWV ZLHGHU LQV 6SLHO 'RFK IU LKQ JLOW Ä6XEMHNW LVW GDV $JHQV QLFKWGDV.RQVWLWXHQV YRQ2EMHNW³ 62 752), und als Agens entbindet es die in den Dingen angelegten Möglichkeiten ihres Selbstseins, ihrer Individuierung, während es als Konstituens die subjektiven Zweckbestimmungen den Dingen aufprägt und aus einem sinnlichen Material das Erkenntnisobjekt herstellt. Ich werde im weiteren Verlauf der Untersuchung Adornos Rede vom Nichtbegrifflichen so verstehen, dass mit dem Nichtbegrifflichen auf das begrifflich nicht Determinierte verwiesen wird, das gleichwohl Äquivalent des Begrifflichen in der Weise ist, dass es die nicht subjektive Bedingung für den begrifflichen Vollzug des Denkens erfüllt. 8 Es ist einerseits nichts, was bereits eine Objektivation durch das bestimmende Denken darstellt, ist selbst kein begrifflich Identifizierbares (wie etwa das Windrad einer Mühle). Es repräsentiert keinen Begriff in der 8

Dieses Verständnis deckt sich nicht genau mit dem Gebrauch, den Adorno von diesem Ausdruck macht. So spricht er etwa im Zusammenhang mit Bergsons LebensSKLORVRSKLH YRP 1LFKWEHJULIIOLFKHQ IROJHQGHUPD‰HQ Ä%HUJVRQ KDW GHP 1LFKWEegrifflichen zuliebe, mit einem Gewaltstreich, einen anderen Typus von Erkenntnis kreiert. Das dialektische Salz wird im unterschiedslosen Fließen von Leben weggeschwemmt; das dinghaft Verfestigte als subaltern abgefertigt, nicht samt seiner SubDOWHUQLWlW EHJULIIHQ³ 1' 20). In diesem Gebrauch steht das Nichtbegriffliche für ein vom vergegenständlichenden Begriff Unterschiedenes in Gestalt des der Fixierung sich entziehenden, ununterbrochenen Bewusstseinsstroms. Diesem muss jedoch keine für das Begriffliche konstitutive, es ermöglichende Rolle zugesprochen werden. Es ist eher ein dem fixierenden Begriff gegenüber schlicht Unbegriffliches und Unbestimmbares. Ich möchte dagegen vom Nichtbegrifflichen nur dann reden, wenn das Andere des Begrifflichen gemeint ist, das mit dem Begriff nicht Identische, zu dem der Begriff allerdings in einem den Begriff selbst konstituierenden Bezug steht. Dieser Gebrauch steht bereits im Kontext einer bestimmten Epistemologie, die bei Adorno von einem mimetischen Erkenntnisbegriff bis zur Idee philosophischer Modellanalysen reicht. So schöpft mimetisches Erkennen das Potential des begrifflichen Denkens aus, sich vom Nichtbegrifflichen prägen zu lassen. Um Adornos Epistemologie möglichst genau nachzuvollziehen und um ihren Unterschied zu Rortys Nominalismus und den von diesem kritisierten erkenntnistheoretischen Ansätzen besser herausarbeiten zu können, möchte ich der oben vorgenommenen Unterscheidung auch teilweise entgegen Adornos eigenem Wortgebrauch YRQÃ1LFKWEHJULIIOLFKµ eine konzeptionell wichtige Bedeutung beimessen.

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Realität wie im Fall des Zirkels der Identifikation. Streng genommen gibt es also nicht den Begriff des Nichtbegrifflichen. Es kann nur quasibegrifflich auf dieses YHUZLHVHQ ZHUGHQ (V LVW GDKHU DEHU DQGHUHUVHLWV PHKU DOV QXU ÃNHLQ %HJULIIµ Denn es ist das ein jedes bestimmende Denken seinerseits erst formende, sein Bestimmen komplementär prägende, ja ermöglichende und auf diese Weise notwendig mitzudenkende Komplement zum begrifflichen Denken, ohne welches dieses leerlaufen würde und ohne Bezug zu Ontischem wäre. Das Nichtbegriffliche ist somit auch nicht lösbar vom Begrifflichen wie das nicht Begriffliche, ist kein unmittelbares Sein, kein sinnliches Datum oder Ähnliches, das ± wie es die fundierende Erkenntnistheorie gerne hätte ± sich als Fundament unserer begrifflichen Erkenntnis dingfest machen ließe. Aber es ist ebenso ZHQLJGDV Äbestimmungslose SubVWUDW GHV 5HGXNWLRQLVPXV³ 62 747 ± H.d.A.), welches vom determinierenden Denken sein begriffliches Siegel aufgedrückt oder sein Zeichen angeheftet bekommt. Das Nichtbegriffliche ± im Unterschied zu einem lediglich nicht Begrifflichen ± ist nach dem Verständnis Adornos dem begrifflichen Denken notwendig immanent. 'LH5HGHLVWGHVKDOEYRP Ä1LFKWEHJULIIOLFKHQ im BeJULII³ 1' 23 ± H.d.A.), dessen sich die philosophische Reflexion versichert. Damit ist ausgedrückt, dass der Bezug zu dem mit dem Begriff nicht identischen Nichtbegrifflichen eine immanente Bedingung des Begriffs selbst ist. Es ist das sein Wie bestimmende Was des Denkens, das mit dem Denken nicht identisch, gleichwohl aber auch nicht von ihm abtrennbar ist. Denn würde das erkennende Subjekt nicht etwas, und dieses nicht auf eine bloß beliebige, sondern auf eine bestimmte Weise, denken müssen, um es zu begreifen, wäre ± wie bereits hervorgehoben ± kaum anzugeben, was unter Denken zu verstehen ist. Adorno spricht GDKHUYRP Äkonstitutiven Charakter des Nichtbegrifflichen im Begriff³ (ND, 24 ± H.d.A.), ohne das Denken sich restlos formalisieren und funktionalisieren ließe und dessen zumindest negativen Nachweis Adorno damit erbringt, dass er das Scheitern derjenigen Ansätze aufzeigt, die das begriffliche Denken entweder wie LQGHU/RJLN]XIRUPDOLVLHUHQYHUVXFKHQRGHUGHQ%HJULIIDOVDQVLFKVHLHQGHÄ(LnKHLWGHV6LQQV³ HEG EHWUDFKWHQdie sich keinem Bezug zu einem von ihr Unterschiedenen verdankt. Der Hauptteil der Negativen Dialektik, in welchem Adorno Ä%eJULIIXQG.DWHJRULHQ³VHLQHV'LDOHNWLNPRGHOOVH[SOL]LHUWGLHVLFKLQVSlWHUHQ Analysen der theoretischen Modelle von Freiheit und von Geschichte bewähren sollen, wird mit der These eröffnet, kein Sein sei ohne Seiendes; eine These, die nicht zuletzt gegen das Ansichsein der Begriffe und Kategorien und damit gegen den Begriffsrealismus geht, der die ontologischen Kategorien als an sich substantielle denkt. 9 Sodann folgt der diese These bekräftigende und weiterführende 9

Vorort wird damit indirekt eine Kritik gegen Heideggers Seinsphilosophie formuliert. Adorno kritisiert Heideggers Behauptung, dass das Sein sich unabhängig von allem Seienden denken lasse. Während in der Rede vom Sein, die es von allem Seienden abhebt, Sein sich der Abstraktion von allem Seienden verdanke, so dass Sein ein Begriff ist, werde dem Sein zugleich die Substantialität des Seienden dadurch zugesprochen, dass Sein auf fundamentale Weise wiederum kein Begriff sein

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6DW] Ä'DV (WZDV DOV GHQNQRWZHQGLJHV 6XEVWUDW GHV %HJULIIV DXFK GHssen vom Sein, ist die äußerste, doch durch keinen weiteren Denkprozeß abzuschaffende Abstraktion des mit Denken nicht idHQWLVFKHQ 6DFKKDOWLJHQ >«@³ 1' 139). Dass begriffliches Denken ein Denken von etwas ist, wird Adorno nicht müde in immer neuen Zusammenhängen zu betonen. Von dieser Implikation des Denkbegriffs kann keine Verwendung dieses Begriffs absehen, mag dem Subjekt noch so sehr der Primat in der Erkenntnis zugesprochen werden. Soweit jedoch das Nichtbegriffliche dem Denken gegenüber als ontisches transzendent LVW LVW HV ]XJOHLFK MHQHV ÄQLFKWEHJULIIOLFKH *DQ]H³ in das die Begriffe ihUHUVHLWVÄYHUIORFKWHQ³VLQGDementsprechend der zweifache Verweis im EHUHLWV]X%HJLQQGLHVHV.DSLWHOVDQJHIKUWHQ=LWDWÄ'HQNHQZLGHUVSUlFKHVFKRQ seinem eigenen Begriff ohne Gedachtes und dies Gedachte deutet vorweg auf 6HLHQGHV³ 1' 139). Als Gedachtes ist das Nichtbegriffliche dem begrifflichen Denken immanent, als Seiendes ihm zugleich transzendent (vgl. ND, 25). Dass das Ganze, in das Begriffe verflochten sind, nichtbegrifflich ist, besagt nach dem Bisherigen allerdings auch, dass es mehr ist als das nicht Begriffliche, das begrifflich determiniert wurde und als dieses determinierte zusammen mit dem determinierenden Begriff die gesellschaftliche Totalität bildet. Diese ist das Ensemble der identifizierenden Praktiken, ist der Funktionszusammenhang, über den alle zweckorientierten Einzelhandlungen miteinander zusammenhängen und in den die Subjekte selbst eingebunden sind, dem gemäß sie sich auf systemische Weise vergesellschaften. Gegenüber der determinierten nicht begrifflichen TotaOLWlWLVWGDVÄQLFKWEHJULIIOLFKH*DQ]H³PHKULnsofern der Begriff sich erst in seinem konstitutiven Bezug zu einem ihn Prägenden bildet, das in dem DeterminierWHQQLFKWDXIJHKW'DVÄ*DQ]H³LVWQLFKWQXU,QEHJULIIGHVEHUHLWV,GHQWLIL]LHUWHQ sondern ebenso des nicht mit dem Begriff identischen Besonderen, es hat somit einen Überschuss über das Begriffliche. Doch auch das begriffliche Denken, reflektiert man seine Ermöglichungsbedingung, nämlich das Nichtbegriffliche, weist in sich konstitutiv ein Mehr, besser JHVDJWHLQHÃ0HKUOHLVWXQJµEHUVHLQHQIXnktionalisierenden, zweckorientiert determinierenden Realitätsbezug hinaus auf, die wie erwähnt darin besteht, sich YRQ VHLQHP $QGHUHQ SUlJHQ ]X ODVVHQ (V LVW HLQH Ã0HKUOHiVWXQJµ LP 6LQQH GHV Hinausführens über die Subjektzentrierung. Das hierin anzusprechende Erkenntnispotential aber bleibt in dem Maße gebannt, wie das Denken sich jener BedinJXQJ GHV Ä1LFKWEHJULIIOLFKHQ LP %HJULII³ QLFKW YHUVichert und sich stattdessen gegen dieses YHUVHOEVWlQGLJW 'DV HUNHQQHQGH 6XEMHNW ÄYHUJL‰W LQ VHLQHU 9HrselbständLJXQJ ]XU )RUP ZLH XQG ZRGXUFK HV VHOEVW NRQVWLWXLHUW ZLUG³ (SO, 743). Unter diesen Bedingungen der Verselbständigung erst wird das Verhältnis von Begriff und Realität (die jetzt nur noch als eine determinierte nicht

soll (vgl. Th. W. Adorno: Ontologie und Dialektik, S. 71, 258). Auf diese Doppeldeutigkeit führt Adorno die schlechte Aura zurück, die GHQ$XVGUXFNÃ6HLQµLQGHU Philosophie Heideggers umgibt.

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begriffliche Realität erscheint) ein äußerliches, erscheint die Realität als bestimmungsloses Substrat des Denkens. Die Rede vom Nichtbegrifflichen im Begriff, die zugleich dem Nichtbegrifflichen die Rolle zuweist, gegenüber dem Begrifflichen transzendent zu sein, zeigt ihren präzisen Sinn, wenn man ein statisches Verständnis des Begrifflichen vermeidet und sich vor Augen führt, was es für das begriffliche Denken heißt, von einem Anderen geprägt zu werden. Was den Vollzug des begrifflichen Denken, das sich in seinem Vollzug prägen lässt, prägt, ist qua Prägung zugleich zur immanenten Bestimmung dieses Denkens geworden und kein dem Denken gegenüber Äußeres und Anderes mehr. Zugleich aber ist das Prägende in Denken nicht auflösbar. Dasjenige Verhalten aber, das dieses Geprägtwerden ermöglicht, wird an späterer Stelle als mimetisches Verhalten noch ausführlich behandelt werden (vgl. Kap. 9).10

10 In seiner Interpretation der Philosophie Adornos geht Martin Seel von dem Motiv der Kontemplation als deren Zentrum aus. Kontemplation wird dabei nicht der Praxis schlechthin entgegengesetzt, sondern selbst als Element einer besseren Praxis aufgefasst, in der es statt um die instrumentelle Bemächtigung um die Anerkennung des Anderen und die Integrität des Individuellen geht. Als Kontrast zur instrumentellen Determinierung der Wirklichkeit steht Kontemplation schon dem Wortsinn QDFKIUHLQÃQXUµDQVFKDXHQGHVXQGGDPLW0HQVFKHQ7LHUHXQG'LQJHXQEHVFKDGHW lassendes Weltverhältnis. Wenn davon die Rede ist, dass das Denken sich in seinem begrifflichen Vollzug prägen lässt vom Nichtbegrifflichen, so kommt dies dem Motiv der Kontemplation, im Hinblick auf den Verzicht subjektiver Setzung, nahe. Jedoch wirft eine am Begriff der Kontemplation orientierte Interpretation der Philosophie Adornos Probleme auf, die Adorno möglicherweise davon abgehalten haben, diesen Begriff im engeren Kontext seiner dialektischen Erkenntniskritik zu verwenden. Rückt mit dem Motiv der Kontemplation die Anschauung in den Mittelpunkt auch dieses Kontextes, so wird die Idee der begrifflichen Vermittlung, die nach dem Modell einer negativen Dialektik freilich zu keinem endgültigen, positiven Resultat führt, tendenziell preisgegeben. Seel weist darauf hin, dass die Anschauung in der Philosophie Adornos mehr als nur Anschauung sei. (Wäre sie nur Anschauung, so wäre sie, nach der Einsicht Kants, ohnehin ohne Erkenntnisfunktion.) Dieses Mehr bestehe darin, dass sie wesentlich begrifflich sei (vgl. M. Seel: Adornos Philosophie der Kontemplation, S. 24). Die Rede von einer begrifflichen Anschauung rückt Adorno jedoch in die Nähe eines Empirismus, der, wie bei McDowell, bereits in der Anschauung begriffliche Fähigkeiten am Werk sieht. Dies wird nach meiner Einschätzung dem dialektischen Charakter der Philosophie nicht ganz gerecht. Das Nichtbegriffliche, welches das epistemologische Zentrum der Philosophie Adornos bildet, wird nicht angeschaut, auch nicht begrifflich angeschaut, sondern es ist als das, wovon der aktive begriffliche Vollzug, um Vollzug sein zu können, geprägt wird, diesem Vollzug immanent, so wie es diesem gegenüber auch transzendent ist, weil es nicht das Denken ist. Deshalb arbeitet der begriffliche Vollzug sich immer wieder an dem ab, von dem er sich prägen lässt. ÄBegriffliche Anschauung³ impliziert, so meine These, im Unterschied zu Adornos Fassung von der begrifflichen VeUPLWWOXQJ LQ )RUP GHV Ä1LFKWEHJULIIOLFKHQ LP %HJULII³ LPPHU QRFK DXFK ZHQQ kein Repräsentationalismus vertreten wird, ein repräsentationalistisches, paraoptisches Verständnis philosophischer Erkenntnis, das in die von Rorty beschriebene Sackgasse führt.

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Für die Begriffskritik heißt das bisher Erörterte unter anderem, dass der Abstraktionsmechanismus des Begriffs, weil er vom Ontischen entfernt ist, mit begrifflichen Mitteln ± denn andere stehen nicht zur Verfügung ± zu korrigieren ist, und das eben ist aufgrund der konstitutiven Bezogenheit der Begriffe auf Nichtbegriffliches auch grundsätzlich möglich. Adorno wird diese Korrektur durch die Konstellation der Begriffe zu vollziehen versuchen, in der ein Begriff qua Konstellation über seinen starren, abstrakten Bedeutungsumfang hinaus konkretisiert wird. Eine solche Begriffskritik richtet sich dagegen, dass sich das Denken trotz jener für es konstitutiven Bezogenheit auf Seiendes gegenüber dem nichtbegriffOLFKHQ *DQ]HQ ÄDEGLFKWHW³ XQG ]ZDU VRZRKO LQ GHU :HLVH GHV 6FKHLQV GHV $nsichseins des Begriffs, den die Negative Dialektik ÄHQW]DXEHUQ³ P|FKWH YJO ND, 23), als auch in der Weise der vollständigen Formalisierung des Denkens, die ebenfalls ad absurdum geführt werden soll. Diese Begriffskritik insistiert auf einem die Sphäre des Begriffs ± zugespitzt formuliert ± immanent transzendierenden RGHUYRQÃDX‰HQµLQLKPVLFKGXUFKVHW]HQGHQ1LFKWEHJULIIOichen. Dass sich der Begriff geJHQ GDV ÄQLFKWEHJULIIOLFKH *DQ]H³ abdichtet, ist wiederum ± durchaus im Sinne nominalistischer Kritik ± Resultat der zu eigenem Sein vergegenständlichten Abstraktion. Es heißt daher EHL$GRUQRGDVVGHU%HJULIIÄVHLQHrseits in ein nichtbegriffliches Ganzes verflochten ist, gegen das er durch seine 9HUGLQJOLFKXQJHLQ]LJVLFKDEGLFKWHW³ 1' 24). Es dichtet sich der Begriff gegen seine nicht subjektiven Ermöglichungsbedingungen allerdings auch real ab. Die Verselbständigung des Denkens vollzieht sich in der Realität gegen die Realität, indem die Praktiken des Gleichsetzens von Nichtidentischem zum Zwecke der Naturbeherrschung von einer gegenüber dem einzelnen Subjekt wie auch gegenüber der Realität eigenen, nämlich gesellschaftlichen Geltung sind, die das Subjekt, seinerseits abhängig von der kollektiven Selbsterhaltung, reflexionslos vollzieht. Anhand dieses bis hier erläuterten Verhältnisses zwischen dem Begriff und seinem Anderen, wie es die Philosophie Adornos thematisiert, lässt sich ihr Ansatz sowohl von einem realistischen als auch einem subjektphilosophischen Modell des Erkennens unterscheiden. Erkenntnis wird weder als Repräsentation oder Übereinstimmung (zwischen Denken und einer ansichseienden Realität außerhalb des Denkens) noch als Tautologie (als Selbstbezogenheit in Form einer Reflexion der in einem Anderen gesetzten, dieses determinierenden subjektiven Bestimmungen oder auch als Selbstbezogenheit in Gestalt der Reflexion des Bewusstseins auf seine Inhalte) aufgefasst. Indem in der Negativen Dialektik kein Realismus der Unmittelbarkeit und des Gegebenen vertreten wird, wird ihre Epistemologie von der skeptizistischen Kritik, welche den irreduzibel subjektiven Anteil in allem Erkannten in den Mittelpunkt stellt, nicht aufgezehrt. Das subjektive Moment wird gegen den Objektivismus und eine naive intentio recta in den Erkenntnisbegriff mit aufgenommen, Erkenntnis aber wird nicht wegen der Untrennbarkeit des subjektiven vom nicht subjektiven Moment, dem Nichtbegrifflichen, auf Subjektivität zurückgeführt. Gerade deswegen aber kann Ador-

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nos Philosophie bewusstermaßen nicht das Niveau epistemischer Sekurität, das ein erkenntnisfundierender Rückgang auf die ihrer selbst gewisse Subjektivität und ihre Setzungen verspricht, zu erlangen hoffen, wenn sie sich nicht selbst in solchem Rückgang reduzieren und um den Überschuss des Nichtidentischen als des Besonderen über den begrifflichen Bedeutungsumfang bringen will.

7. Zwei te Refl exi on und di e Di al ekti k der Subjektivi er ung

Ä$OOHVLVWBegriff, und sein Dasein ist der Unterschied der Momente desselben, so daß seine allgemeine Natur durch die Besonderheit sich äußerliche Realität JLEW³1 Die entgegengesetzte These drückt Adorno aus mit der Differenz zwischen der Relation, in welcher der Begriff die Realität übergreift, und derjenigen, LQGHUGDVQLFKWEHJULIIOLFKH*DQ]HGHQ%HJULIIPLWHLQVFKOLH‰WÄ'DVDOVZDVGLH begriffliche Vermittlung sich selbst, von innen her, erscheint, der Vorrang ihrer Sphäre, ohne die nichts gewußt wird, darf nicht mit dem verwechselt werden, ZDVVLHDQVLFKLVW³ 1' 23). Die Perspektive, die eine solche These voraussetzt, scheint eine extramundane zu sein, in der die begriffliche Vermittlung von außen erkennbar wird. Jeder subjektphilosophische Ansatz wird die Möglichkeit einer solchen Perspektive bestreiten und die Gegenbehauptung als Rückfall in die vorkritische intentio recta kritisieren. Hat nämlich ein jedes Einzelsubjekt ein Wissen von Seiendem nur durch den Begriff hindurch, dann erscheint aus der Perspektive dieses Subjekts der Begriff und mit ihm die subjektive Sphäre als das die innere und äußere Realität des Subjekts Übergreifende. Der begriffliche Zugang, den es zur Wirklichkeit hat, ist zudem sein begrifflicher Zugang, es bedient sich nicht der Begriffe von außen, als seien sie ersetzbare Werkzeuge. Das Subjekt denkt in Begriffen, die immer seine (wenn auch mit anderen geteilte) Begriffe sind, mit denen sich daher sein eigenes Denkvermögen manifestiert, ohne das es nicht Subjekt wäre. Zugleich sind die Begriffe von einer Allgemeingültigkeit auch für andere Subjekte, sie übersteigen die Zufälligkeit des jeweiligen Einzelsubjekts, das in ihnen denkt. Aus der Erfahrung können sie, zumal als die alle Erfahrung strukturierenden Verstandesbegriffe, wie die rationalistische Empirismuskritik gezeigt hat, nicht geradewegs gewonnen werden, weil die Möglichkeit der Erfahrung bereits das Verfügen über Begriffe zu ihrer Bedingung hat. Zudem 1

G. W. Fr. Hegel: Wissenschaft der Logik I, S. 27.

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haben Gattungsbegriffe kein Äquivalent in der sinnlichen Anschauung, sie können daher nicht ohne Weiteres qua Induktion gewonnen werden, wenn diese nicht schon vom Allgemeinbegriff angeleitet ist. Noch niemand hat den Baum oder das Dreieck schlechthin gesehen. Und die Vorstellung einer vorbegrifflichen Erfahrung, aus der Begriffe qua Induktion gewonnen werden, ist denn auch von der schlechten Aporie gezeichnet, den Inhalt gerade dieser Erfahrung für erkennbar zu halten, ohne über ihn etwas aussagen zu können, denn etwas auszusagen bedeutet, Begriffe zu gebrauchen. In ihrem Ansichsein, wie es die gesamte platonische Tradition behauptet, und in ihrem allgemeingültigen, die Sphäre der Einzelsubjektivität übersteigenden Charakter haben die Begriffe nichtsdestowenigeULKUHQÃ2UWµLP'HQNHQGHV(LQ]HOVXEMHNWVDOV dessen eigenster, welterschließender Tätigkeit, als dessen begrifflicher Fähigkeit. Kraft dieser Allgemeinheit im Subjekt ist dieses selbst nun nicht mehr nur ein empirischkontingentes Subjekt. Als solches wäre es nicht zu einer begrifflichen Erkenntnis fähig, die es mit allen anderen Subjekten teilen kann: einer Erkenntnis von allgemeiner Gültigkeit. Es gäbe nur eine zufällige Übereinstimmung dessen, was Einzelsubjekte als ihre je eigene Erkenntnis ansehen. Hierin konnte der Rationalismus die Rechtsquelle für seine Konzeption des autonomen Vernunftsubjekts sehen. Die Untersuchung der Funktionsweise dieses Vernunftsubjekts mündete in eine transzendentale Theorie, die sich seit ihrer Akademisierung im Anschluss an die nachkantischen Philosopheme unter dem Terminus der Erkenntnistheorie eingebürgert hat. Wenn bisher dargestellt wurde, was es heißt, dass in der Kritischen Theorie Adornos auf naturalistische Weise Begriffe als Instrumente in der menschlichen Praxis aufgefasst werden, die zum Zwecke der Naturbeherrschung gebildet wurden, und wie in diesem Zusammenhang die These zu verstehen ist, dass Begriffe LQ HLQ ÄQLFKWEHJULIIOLFKHV *DQ]HV³ YHUIORFKWHQ VLQG VR N|QQWH HV VFKHLQHQ DOV würde eine realistische These untersucht, mit der die neuzeitliche Wendung zum Subjekt, die schließlich zur Konzeption des Transzendentalsubjekts geführt hat, außer Kraft gesetzt, ja die intentio obliqua lediglich umgangen wird, ohne dass ein Bewusstsein davon bestünde, dass auch diese Reflexion auf den Begriff nur als begriffliche zur Erkenntnis werden kann. Doch das die Objektivität prägende Subjekt, auf das wissensfundierende Philosophien zurückgehen, wird von Adorno keinem Objektivismus zuliebe ausgeblendet und auch nicht zugunsten eines subjektlosen Agens der Welterschließung geopfert. Gegen einen Rückfall hinter GLH HSLVWHPLVFKH 6HOEVWUHIOH[LRQ IRUPXOLHUW $GRUQR Ä.HLQH 8QPLWWHOEDUNHLW auch kein Faktisches, in dem der philosophische Gedanke der Vermittlung durch sich selbst zu entrinnen hofft, wird der denkenden Reflexion anders zuteil denn GXUFKGHQ*HGDQNHQ³ 0( 16). Und dieser Gedanke ist der eines einzelnen, empirischen Subjekts, das etwas erkennt. Was aber kann Adorno dann jener mächtigen subjektphilosophischen und idealistischen Tradition entgegensetzen? Nach der bisherigen Erörterung dürfte dies fast klar sein. Adorno stellt nicht einfach das, was nicht begrifflich ist, auch

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kein Nichtbegriffliches, als ein vom Begriff isoliertes diesem gegenüber, denn mit einer solchen Gegenüberstellung bestünde die Gefahr eines Rückfalls in die UHIOH[LRQVORVHLQWHQWLRUHFWD(UVWHOOWGDVÄ1LFKWEHJULIIOLFKHLP%HJULII³GHP%egriff gegenüber, der vom Nichtbegrifflichen nichts mehr wissen will. Dem Begriff gegenüberstellen aber lässt sich dieses dem Begriff immanente Nichtbegriffliche, weil das, was mit dem Begriff nicht identisch ist im Akt des Begreifens, ÄVHOEHUGRFKQLFKWQXU%HJULII JHZRUGHQ>LVW@VRQGHUQGHVVHQ>«@ YRQLKP XnWHUVFKLHGHQHU*HKDOW³2 bleibt. Die begriffliche Vermittlung und damit die Selbstreflexion des Subjekts ist dementsprechend bei jener These von der Verflochtenheit des Begriffs in ein nichtbegriffliches Ganzes mitzudenken. Was also die Insistenz auf dem so verstandenen Nichtbegrifflichen bereits beinhaltet, das ist die Reflexion auf die objektive Vermittlung desjenigen begrifflichen Denkens, das bereits auf die Vermittlung seines Gegenstandes durch das begriffliche Denken reflektiert hat; es ist die Reflexion des Vermitteltseins des vermittelnden Denkens durch ein Anderes, durch das der begriffliche Vollzug überhaupt möglich wird, das aber gleichwohl vom Denken unterschieden bleibt. Ist die Einsicht in die subjektive und begriffliche Vermitteltheit des Erkenntnisgegenstandes Resultat der ersten Selbstreflexion, der intentio obliqua, so ist die Einsicht in die Vermitteltheit des begrifflichen Denkens durch ein Nichtbegriffliches Resultat einer zweiten Reflexion, einer intentio obliqua der intentio obliqua. Eine positive Dialektik zeigt die universelle Vermitteltheit der Erkenntnisgegenstände durch das begriffliche Denken und die universelle Vermitteltheit des Denkens durch die Gegenstände auf und führt beide Glieder der Vermittlung aufgrund der wechselseitigen Vermitteltheit in einer höheren Einheit, von Hegel Geist genannt, zusammen. Aus der Sicht Adornos wird damit das Nichtbegriffliche jedoch wieder nivelliert, das heißt doch nur wieder unter dem Primat seiner Vermittlung durch das Subjekt betrachtet. Eine negative Dialektik zeigt die universelle Vermitteltheit des vermittelnden Denkens durch das auf, was nicht mit diesem Denken identisch ist und was auch nicht qua wechselseitiger Vermittlung identisch wird. Es bleibt das durch das Denken Vermittelte vom Denken unterschieden, weil sonst auch hier Erkenntnis zur Tautologie würde und Denken seinem eigenen Begriff widerspräche. Adornos epistemologische zweite Reflexion, die das Nichtidentische in den Mittelpunkt rückt, ist die zentrale Figur seines dialektischen Denkens. Damit bleibt das Subjekt der kritischen, aufklärenden Selbstreflexion, mit der erst der eigene subjektive Anteil in der Erkenntnis des Objekts, ja die Zurüstung des Mannigfaltigen zum determinierten Objekt reflexiv wird, ein irreduzibles Moment im Erkenntnisprozess. Andernfalls wäre die Reflexionsinstanz der Selbstkritik wie der Begriffskritik ausgeblendet, die der Begrenztheit des identifizierenden Denkens, seiner Hermetisierung gegenüber seinem Anderen überhaupt innewerden kann, was einer intentio recta allein nicht möglich wäre. Aus einer 2

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 5, S. 375.

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reflexionslos realistischen Perspektive kann sich der ambivalente Charakter des Begriffs, sowohl in einem determinierenden Bezug zur Realität zu stehen als auch vom Nichtbegrifflichen her sich zu bestimmen, gar nicht zeigen. Doch bekommt gleichwohl die erste Reflexion noch nicht den denkkonstitutiven Charakter des Nichtbegrifflichen in den Blick, das erst zum Gehalt einer zweiten Reflexion wird. Ich habe bereits im vorangegangenen .DSLWHO YRQ Ã5HDOLWlWµ XQG ÃRHDOHPµ gesprochen, wenn das gemeint war, was nicht Begriff ist. Auch Adorno spricht häufig, wenn nicht der Begriff gemeint ist, von Realität. Es ist diese Unterscheidung von der gleichen Art, in der wir Blumen und Schriftzeichen unterscheiden, oder von der Art, in der wir einen Handschlag von einem ausgesprochenen Urteil unterscheiden. Und diese Unterscheidungsebene war unverzichtbar, um überhaupt einen verstehenden Zugang zu der dialektischen Struktur zu gewinnen, die aus der Realitätsdeterminierung begrifflicher Vollzüge und der Redeterminierung dieser begrifflichen Vollzüge besteht. Befindet man sich im Zentrum von Adornos erkenntniskritischer Reflexion, so zeigt sich, dass sein Gebrauch philosophischer Ausdrücke die Bewegung der zweiten Reflexion gleichsam in sich aufgespeichert hat. Wenn der unreflektierte Realismus auf das Andere des Begriffs immer nur mit einem anderen Begriff verweisen kann, wie z.B. Materie, Wirklichkeit, Stofflichkeit, der unreflektierte Idealismus hingegen das Andere des Begriffs nur als Repräsentation des Begriffs versteht, wonach das, was mit dem Begriff ÃBlumeµ bezeichnet wird, diesen Begriff repräsentiert, so verweist der reflektierte Realismus Adornos auf das Andere des Begriffs weder einfach in Gestalt eines anderen Begriffs noch spricht Adorno über das Andere des Begriffs wie über den Begriff, sondern er spricht vom Anderen des Begriffs ± und genau hiermit ist die erste Reflexion, die als abgebrochene in den Idealismus führt, vorausgesetzt, sie wird jedoch zu einer zweiten Reflexion fortgetrieben ± via Negation des Begrifflichen, das heißt, er spricht vom Nichtbegrifflichen. VergegenZlUWLJW PDQ VLFK GHQ 5HIOH[LRQVSUR]HVV GHU LQ GHU :RUWELOGXQJ YRP Ã1LFKWEeJULIIOLFKHQµHQWKDOWHQLVWVRYHUOLHUWGLHVHUYHUZHLVHQGH$XVGUXFNGHQP\VWLIL]Lerenden und schillernden Charakter, den er in der Rezeptionsgeschichte zur Philosophie Adornos mitunter bekommen hat. Wenn Adorno aus den genannten Gründen an dem Subjekt der Selbstreflexion festhält, so ist ± wie sich zeigen wird ± dieses Subjekt allerdings von vornherein das seinerseits gesellschaftlich vermittelte Subjekt, das seine Reflexion in subjekt- wie begriffskritischer und nicht in wissensfundierender Absicht vollzieht. Die Wendung zum Subjekt wird von Adorno deshalb auch nicht aus dem Motiv vollzogen, mit der Selbstgewissheit, der Nähe zu sich selbst, den Skeptizismus abzuwehren. Das epistemische Subjekt der Kritischen Theorie ist nicht das Subjekt eines subjektphilosophischen Rationalismus ± in dem es dergestalt als autonomes auftritt, dass es alles Wissen auf sich zurückführt und in sich fundiert ±, sondern das Subjekt, das sich in Form der Begriffskritik gegen sich selbst und seinen Absolutheitsanspruch kehrt und gerade in der aufklärenden Reflexion

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auf seine Bedingtheit und Begrenztheit Autonomie und Freiheit erst gewinnt; Freiheit vom blinden Naturzwang, der sich nach der These der Kritischen Theorie in der Selbstzentrierung, die Ausdruck von Selbstbehauptung ist, fortsetzt. Entgegen allen Erkenntnismodellen, welche die intentio obliqua durch eine Wiederauflage der intentio recta Ãunterwindenµ möchten, indem sie gezielt auf ein Unmittelbares vor allen Vermittlungen zurückzugehen versuchen, auf etwas, das dem Einzelbewusstsein am nächsten ist, auf ein ± anders ausgedrückt ± direktes Wissen des Subjekts, hält Adorno an der Einsicht fesWGDVVDOOHVÄ6HLHQGH QLFKW XQPLWWHOEDU VRQGHUQ QXU GXUFK GHQ %HJULII KLQGXUFK LVW³ 1' 156) und damit eben nicht als ein wie immer auch unmittelbar Gegebenes gewusst oder wissend angeschaut wird. Explizit nimmt deshalb die Negative Dialektik, die an der NULWLVFK UHIOHNWLHUHQGHQ 6XEMHNWLYLWlW IHVWKlOW GHQ Ä$XVJDQJ YRP %HJULII³ (ND, 156), der sich im Fortgang des Denkens jedoch selbst korrigieren soll ± und sich zu korrigieren vermag aufgrund seines konstitutiven Bezugs zum Nichtbegrifflichen. Aus begriffskritischer Perspektive, wie sie die Kritische Theorie einnimmt, stellt sich das Ansichsein der Begriffe zunächst wie im Nominalismus als vergegenständlichte und verselbständigte Abstraktion dar. Darüber hinaus ist die verdinglichungskritische These virulent, dass Begriffe ihr Ansichsein dem Vergessen ihrer Genese in der menschlichen Praxis verdanken. Über sie ist das zu sagen, was $GRUQR GHU 9RUVWHOOXQJ HLQHV UHLQHQ %HZXVVWVHLQV HQWJHJHQKlOW (V LVW ÄVHOEHU ein Gewordenes und ein Geltendes, in dem seine *HQHVHXQWHUJLQJ³ 1' 229). Deshalb zieht eine empiristisch-nominalistische Position, die selbst den Begriff als gewordenen voraussetzen muss, gegenüber einer begriffsrealistischen Position stets den Kürzeren. (Dementsprechend versucht Adorno in der Negativen Dialektik den Allgemeinbegriff auch nicht auf das Einzelne und Besondere zurückzuführen, sondern auf dem Wege einer begriffsinternen Konfrontation das Allgemeine mit seinem Anspruch zu konfrontieren, dem Besonderen gerecht geworden zu sein.) Wenn für den Platoniker und Phänomenologen hingegen BeJULIIHDOVÄDOOJHPHLQH:HVHQKHLWHQ³LQ(UVFKHLQXQJWUHWHQGLHDXFKÄ*HJHQVWlnGHVLQG³GLHGDV'HQNHQXQPLWWHOEDUHUVFKDXHQNDQQ, 3 so sind sie bereits vergegenständlicht zu einem durch das Bewusstsein angeschauten Unmittelbaren; der Begriff wird so genommen, wie ihn das Bewusstsein als allgemein geltende Ä(LQKHLW GHV 6LQQV³ YRUILQGHW XP LKQ DOV GDV )XQGDPHQWDOH VRZRKO gegenüber als auch in allen kontingenten empirischen Erscheinungen zu behaupten. In der Kritischen Theorie indiziert diese Geltung der Begriffe jedoch nicht ein im platonischen Sinne zeitlos Wesenhaftes gegenüber den vergänglichen Erscheinungen, sie wird vielmehr als Hinweis auf die gesellschaftliche Genese von Abstraktion verstanden. Danach wäre der alle Erscheinungen umfassende, sie in ihrem WeVHQWOLFKHQEHVWLPPHQGH&KDUDNWHUEHJULIIOLFKHQ'HQNHQVZlUHGLHÄEegriffliche 3

Vgl. E. Husserl: Erste Philosophie, Erster Teil, S. 129.

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7RWDOLWlW³ 1' 17), wiewohl sie die gesellschaftlich nach dem Identitätsprinzip determinierte Realität übergreift, immer auch Schein: Ausdruck davon, dass der Abstraktionsprozess aus dem Blick geraten ist, der in der dem einzelnen Erkenntnissubjekt vorgängigen gesellschaftlichen Praxis vollzogen wurde und in dem Nichtidentisches miteinander identifiziert worden ist. Die Pointe dessen, was sich unter dem in der Kritischen Theorie so bezeichneten gesellschaftlichen Verblendungszusammenhang verstehen lässt, liegt vor allem darin, dass die das begriffliche Denken übergreifende gesellschaftliche Realität mit diesem auf eine Weise verflochten ist, durch die das Denken vor sich selbst als das alle Realität begrifflich Übergreifende erscheint, anders gesprochen: das Subjekt sich für das Primäre halten muss. Denn es ist in dieser gesellschaftlichen Realität auch tatsächlich als das Primäre gesetzt. Um dies zu verstehen, braucht man sich nur zu vergegenwärtigen, was die im ersten Kapitel angestellte Betrachtung zum Verhältnis von Begriff und Realität zutage gefördert hat: Wenn die mit dem Begriff nicht identische Realität durch die gesellschaftlichen, real abstrahierenden Praktiken und produzierenden Tätigkeiten determiniert ist, dann wird das Subjekt, das sich diese, ihm als einzelnem vorausliegende, gesellschaftliche Determination zu eigen gemacht haben muss, um Subjekt in einer mit anderen Subjekten gemeinsamen gesellschaftlichen Realität zu sein, die begriffliche Bestimmung der Realität auch als seine eigene, seinem Denken immanente Begrifflichkeit reflektieren PVVHQ'HVKDOEGDUIGLH.ULWLVFKH7KHRULHGHQ%HJULIIQLFKWVRQHKPHQÄZLHHU LQQHUKDOE VHLQHV %H]LUNV QDLY VLFK DXVOHJW³ QlPOLFK DOV ÄHLQH VLFK VHOEVW JHQüJHQGH7RWDOLWlWEHUGLHSKLORVRSKLVFKHV'HQNHQQLFKWVYHUPDJ³ 1' 23). Ist aber das begriffliche Denken mit gesellschaftlicher Realität, in der alles Reale schon begrifflich determiniert ist, auf konstitutive Weise verflochten, so ist das, was dem erkennenden Subjekt sein Eigenstes dünkt, worin es bei sich selbst ist, sein Denken in Begriffen, zugleich Ausdruck gesellschaftlicher Tätigkeit. Dies führt zu der These, dass im allgemein akzeptierten Anspruch des Einzelsubjekts auf epistemische Autorität ± mit welchem es als autonomes Erkenntnissubjekt auftritt, das dank seiner anscheinend ureigenen Leistung begriffliche Erkenntnis von allgemeiner Gültigkeit formulieren kann ±, sich zugleich dessen gesellschaftlicher Charakter ausdrückt, der ihm essentiell ist und nicht etwa zu seiner Erkenntnistätigkeit hinzukommt. Indem sich das Subjekt als konstitutives selbst zum Fundament von Wahrheit wird, zeigt es daher eine Selbstverblendung, die nicht ohne seine philosophische Zentrierung auf sich selbst wäre. Es ist somit keine Frage mehr, dass der erkenntnistheoretische Rückgang auf Subjektivität, soweit er in fundierender Absicht geschieht, für eine kritische Theorie hochproblematisch sein muss, denn er ist tendenziell affirmativ: Was im Rückgang auf das Subjekt fundiert wird, ist das bereits gesellschaftlich Präformierte. Mehr QRFK$GRUQRVLHKWDP(QGHGLHVHV5FNJDQJV ÄGLH9HU]DXEHUXQJGHV 6XEMHNWV in seinen eigenen BestimmungsgrunGVHLQH6HW]XQJDOVZDKUHV6HLQ³ 62 749). Bevor ich darauf zu sprechen komme, was die zweite Reflexion gleichsam zutage fördert, möchte ich die Geduld des Lesers noch einmal dafür in Anspruch

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nehmen, an die theoriegeschichtlich zentralen Argumente zu erinnern, die eine Subjektphilosophie beanspruchen kann, die Adorno schließlich in der Bewusstseinsphilosophie Husserls, GLH UDGLNDO LKUHQ $XVJDQJ YRQ GHU ÄVXEMHNWLYHQ ,mPDQHQ]³ QLPPW kulminieren sieht.4 Denn um Adornos Argumentation gegen den epistemiscKHQ9RUUDQJGHV6XEMHNWVELVKLQ]XVHLQHUÄ9HU]DXEHUXQJ³ULFKWLJ gewichten zu können, sollte das theoriegeschichtlich erworbene ProblembewusstVHLQHLQHU3RVLWLRQGLHREMHNWLYJOWLJHV:LVVHQDXIGDV6XEMHNWDOVÄZDhUHV 6HLQ³ ]XUFNIKUW XQG DOOHV 2EMHNtive nur von diesem her versteht, nicht übergangen werden. Mit Kants transzendentaler Analyse der Objekterkenntnis ist eine theoriegeschichtliche Wende vollzogen, die eine Rückkehr zur intentio recta so wenig noch gestattet wie die kopernikanische Wende eine Rückkehr zum geozentrischen Weltbild. Zum geisteswissenschaftlichen Allgemeingut gewordenes Resultat dieser Betrachtung ist, dass die Tätigkeit des erkennenden Subjekts ± mit der transzendentalen Apperzeption als seinem Zentrum, in dem Mannigfaltiges nach Regeln des Verstandes zur Einheit des Objekts synthetisiert und dabei unter einen Begriff subsumiert wird ± überhaupt erst die Erfahrung einer gegenständlichen Welt ermöglicht, diese daher mitnichten als die Totalität von empirisch unmittelbar gegebener Dingwelt vorgefunden wird. Ohne die konstitutiven Leistungen der Subjektivität gäbe es kein Erfahrungsobjekt, kein Wissen von etwas. Dies ist die intentio obliqua auf ihrem theoriegeschichtlichen Höhepunkt in Form der subjektiven Konstitutionslehre. Die erfahrungsunabhängigen Verstandesbegriffe, die diese Erstellung des Objekts anleiten und die ihrerseits vom Subjekt als an sich seiende, unhintergehbare wie vorgefundene Funktionen sich vom Nominalismus nicht einverleiben lassen, können als das begriffsrealistische Erbe im Subjekt aufgefasst werden. (Seither ist vom Empirismus kaum die Kritik an einem dem Subjekt in der Anschauung oder Wahrnehmung unmittelbar Gegebenen zu entkräften, das es in den ÄLmpressions³ RGHU ÄVensations³ zu besitzen meint, die es dadurch, dass von ihnen jede gedankliche Zutat subtrahiert wird, direkt auf das Erkenntnisäquivalent führen sollen, in dem Wissen fundiert ist.) Sprachphilosophisch transformiert ist die bewusstseinsphilosophische Konstitutionstheorie in der Weise, dass nicht mehr die Verstandesregeln, sondern die grammatischen Regeln die konstitutiven Leistungen definieren, die nun nicht mehr die Leistungen eines Transzendentalsubjekts, sondern die Leistungen der Sprecher einer Sprachgemeinschaft darstellen. Die Kantianisierung und auch He4

Husserl ist für Adorno deshalb interessant, weil durch dessen geschärften Apriorismus im Subjekt das Andere des Subjekts wider Willen zum Vorschein kommt. Husserls Theorem ist gegenüber dem Positivismus das andere Extrem, das sich mit diesem berührt: Gegebenes im Subjekt statt für das Subjekt. Zudem kann man Husserls Ansatz, seiner eigenen philosophiegeschichtlichen Einordnung gemäß, als konsequente Zuspitzung der antiken indirekten und neuzeitlichen direkten Wendung zum Subjekt verstehen.

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gelianisierung der sprachanalytischen Philosophie, die zugleich als abermalige Kritik am Empirismus und Sensualismus vollzogen wurde, hat spätestens mit der Destruktion des Mythos vom Gegebenen, letztes Rudiment eines naiven Realismus, zu der philosophischen Einsicht geführt, dass keine Position zu retten ist, die ein vorsprachlich Gegebenes und Unmittelbares als verifizierende Entität aus der sprachlichen Vermittlung meint herauslösen zu können. 5 ± Theoriegeschichtlich radikalisiert wurde die kantische Konstitutionslehre mit der idealistischen Liquidierung des Dinges an sich als eines gegenüber dem Subjekt fundamental Anderen, von ihm nicht Konstituierten. Eine Liquidierung, die im Übrigen ± wie gesehen ± ebenso der Pragmatismus durchführt, gleichwohl unter anderen, linguistischen Bedingungen. Als eine weitere Radikalisierung von der Art, dass sie das Subjekt qua Bewusstsein noch nachdrücklicher ins Zentrum rückt, behauptet sich die gerade wegen dieser Radikalisierung von Adorno ausgiebig kritisierte Philosophie Husserls, die sich als theoriegeschichtliche Konsequenz aus den platonisch-bewusstseinsphilosophischen Strömungen der abendländischen Philosophie versteht. Für Husserl ist die kantische Philosophie trotz ihrer Konstitutionslehre nicht bewusstseinsphilosophisch, anders gesagt nicht immanenzphilosophisch genug. Die kantische Untersuchung des Bewusstseins, der Sinnlichkeit und des Verstandes zeigt sich aus einer immanenzphilosophischen Perspektive als ein nur konstruktives Vorgehen, welches die das sinnliche Material formierende Operation des Subjekts zwar logisch nachkonstruiert (so wie auch die reine Logik die logischen Formen des Denkens expliziert), doch sie betrachtet hierbei das Bewusstsein nicht als Bewusstseinsleben, in dessen Immanenz nicht nur etwas richtig vollzogen, sondern auch etwas gewusst wird, was nur rein intuitiv möglich sei, das heißt durch direktes Anschauen; dies wiederum ist am direktesten, wenn es sich auf das in einem sinngebenden Bewusstsein intentional Selbstgegebene, anders gesagt auf das je Vermeinte bezieht. Kant betrachtet also, so die Kritik, alles relevante philosophische, fundierende Wissen nicht nach dem Modell des in seiner ganz eigenen Sphäre unmittelbar selbst gewissen cogito. Er sieht seinen Untersuchungsgegenstand, das transzendentale Subjekt, nicht radikal aus der Perspektive, aus der diesem irgend etwas unmittelbar und intuitiv gewiss ist als ein im je VLQQJHEHQGHQ OHEHQGLJHQ %HZXVVWVHLQ Ä(UOHEWHV³.6 'HP KlOW +XVVHUO GHQ ÄLmmanenten Intuitionimus³ HQWJHJHQ LQ GHP VR OLH‰H VLFK VDJHQ GDV %HZXVstseinsleben in der unmittelbaren Anschauung seines Vermeinten als des Objektiven ganz bei sich selbst ist. Die Hinwendung der philosophischen Untersuchung zu dieser gesteigerten Immanenz wird damit begründet, dass für das Bewusstsein überhaupt nur das ist, was das ihm Bewusste LVW Ä%HZX‰WVHLQ VHOEVW ZLUG QLFKW vom bewußten Gegenständlichen getrennt betrachtet, sondern im Gegenteil, Be-

5 6

Auch in der Negativen Dialektik wird das Objekt ausdrücklich nicht als ein Gegebenes verstanden (vgl. ND, 187 f.). Vgl. E. Husserl: Erste Philosophie, Erster Teil, S. 198.

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wußtsein trägt Bewußtes selbst in sich, und so, wie es das in sich trägt, ist es ForVFKXQJVWKHPD³7 Das Bewusste als das unzweifelhafte Wissensfundament wird vom Bewusstsein unmittelbar gewahrt. Deshalb sehen die immer noch gleichsam REMHNWLYLVWLVFKQDFKDX‰HQJHZHQGHWHQ(PSLULVWHQQLFKWÄGD‰ZDKUH2EMHNWivität etwas ist, das nur im Bewußtsein Sinn und ursprüngliche Bewährung haben NDQQ³8 GDVV Ä2EMHNWLYLWlW RKQH WUDQV]HQGHQWDOH 6XEMHNWLYLWlW VFKOHFKWKLQ XnGHQNEDU³9 LVW*HOHLWHWZLUG+XVVHUOV$QVDW]VRPLWGXUFKGHQÄYHUWUDXWHQ+DXStgedanken: daß alles Objektive, das für mich je da ist und da war, je für mich dasein wird, mir in irgendeinem Sinne als seiend gelten wird, nur aus gewissen meiner eigenen Bewußtseinsleistungen Sinn, Erscheinungsweise, Geltung geVFK|SIWKDEHQNDQQ³10. Und also will der Phänomenologe ÄQLFKWVJHOWHQODVVHQDOVHQGJOWLJHUNDQQWDOVRQLFKWVHQGJOWLJÃDQHUNHQQHQµ als seiend oder so seiend und als in irgendeinem Seinsmodus seiend, was uns nicht als so seiend oder als in seinem Seinsmodus seiend selbst vor Augen steht, von uns selbst genau so erfaßt ist, wie es in unserem Erkenntnisglauben gemeint und gesetzt worGHQLVW³11.

Entscheidend für die Subjektphilosophie in Gestalt eines bewusstseinsphilosophischen Ansatzes wie des husserlschen ist demnach, dass alles Seiende gewusst wird nur in der Immanenz des wissenden Bewusstseins selbst: strikt nach dem Grundsatz, dass nur Gleiches Gleiches erkennen kann. 12 In Anlehnung an Rortys im vierten Kapitel beschriebene Untersuchung zur subjektiven Gewissheit, die zugleich als eine Kritik an der Bewusstseinsphilosophie gelesen werden kann, ließe sich diese Philosophie wie folgt interpretieren: Wie in Bezug auf das Phänomen Schmerz niemand, wenn ich von meinen Schmerzen berichte, in Zweifel ziehen kann, dass es auch wirklich Schmerzen sind, die ich als meine Schmerzen verspüre, so gilt das Gleiche erst recht für alles Intentionale: Niemand kann bestreiten, was ich vermeine, wenn ich mich auf etwas sinngebend beziehe. Das Vermeinte kann mir zwar noch undeutlich sein, doch bleibt es auch als noch zu klärendes das von mir unzweifelhaft Vermeinte, das mir als solches nicht streitig gemacht werden kann. So wenig, wie dem edlen Don Quixote nicht streitig gemacht werden konnte, dass er in den Windmühlen Ungeheuer sieht. (Um zu wissen, was ich mir unter einem bestimmten Begriff denke und unter einem be7 8 9 10 11 12

E. Husserl: Erste Philosophie, Erster Teil, S. 50. Ebd., S. 77. Ebd., S. 185. E. Husserl: Erste Philosophie, Zweiter Teil, S. 139. E. Husserl: Erste Philosophie, Erster Teil, S. 32. Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass niemand für einen anderen urteilen kann, was jedoch wiederum nur die Untrennbarkeit der Urteile von der Subjektivität zeigt; schließlich kann auch niemand für einen anderen von etwas überzeugt sein. Die Unvertretbarkeit wird aber unversehens für Fundierungszwecke genutzt: als sei Wahrheit im Einzelbewusstsein fundierbar, nur weil sie von niemand anderem als vom Einzelsubjekt gewusst werden kann.

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stimmten Objekt vorstelle, dazu bedarf es freilich keiner sinnkritischen Vergewisserung über den sprachlichen Sinn der Worte, in denen ich mich anderen mitteile.) Bei aller Differenz zu Hegel und seinem Versuch, das Verhältnis von Bewusstsein und Gegenstand dialektisch auszutragen, das heißt die Differenz beider zunächst zu wahren, statt sie in einem ursprünglichen Unmittelbarkeitsverhältnis aufzulösen, ist dennoch seine immanenzphilosophische Gemeinsamkeit mit der Philosophie Husserls nicht zu übersehen. Auch im absoluten Idealismus wird vom Sein gesprochen, soweit es Sein für ein Bewusstsein ist, innerhalb dessen die Entgegensetzung beider erst stattfindet und auch wieder aufgehoben werden kann; als denkimmanente Bestimmung schließlich ist Sein dem Denken vollständig kommensurabel, fällt es in dessen eigene Sphäre. Alles ist nur insoweit, wie es vom Wissen als Moment eben des Wissens durchdrungen ist; alles wird nur gewusst, soweit es dem reinen begrifflichen Denken auch selbst immanent, nämlich gewusste Bestimmung ist. Im Idealismus wie in der Phänomenologie beschreibt ein Holismus des Mentalen die Grenzen der Welt, das ± anders als bei Kant ±, selbst nicht mehr unter den Bedingungen der Endlichkeit gedacht, sich zum Absoluten wird. Adorno formuliert den Hegel und Husserl gemeinsamen subjektphilosophischen Zug, in dem bereits der Vorrang des Subjekts präsupponiert ist, in seiner Metakritik an der Erkenntnistheorie mit den Worten: Ä6FKUHLWHW3KLORVRSKLHEHUKDXSWHLQPDOGD]XQDFKRechtstiteln für Sein und Seiendes im Bewußtsein zu fahnden, so ist damit der Prinzipat des Bewußtseins gestiftet, selbst ZHQQPDQGHP%HZX‰WVHLQGDV6HLQDOVÃ*HJHQSROµ zuordnet. Als systematisch ist daher der Satz des zweiten Bandes der Logischen UntersuFKXQJ ]X LQWHUSUHWLHUHQ Ã:DV wir nicht denken können, kann nicht sein, was nicht sein kann, können wir nicht denken.µ>«@8QEHUK|UEDUGLH5HPLQLV]HQ]DQ+HJHOV)RUPHO6LHLVWGDV*HVWlQGQLVHiner latenten Ähnlichkeit. Husserl trachtet den Subjekt-Objekt-Dualismus zu versöhnen, nicht, indem er einfach Objektivität auf Subjektivität reduziert, sondern indem er den Gegensatz selbst in ein Umfassenderes ± EHL+HJHOKHL‰WHVÃ*HLVWµ ± tendenziell hineinnimmt; und bei beiden konstituiert dies Umfassendere sich doch wieder schließlich subMHNWLYEHLGHVLQGLQDOOHU$QVWUHQJXQJXPGLH$QGHUVKHLW,GHDOLVWHQ³ 0( 185)

'HVKDOEGLHDOV+DXSWHLQZDQGJHJHQ+HJHO]XQHKPHQGH7KHVHÄ'DV+HJHOVFKH Subjekt-2EMHNW LVW 6XEMHNW³ 0( 261). Ein epistemologisch gefasster Holismus ist der Philosophie auch lange nach ihrer klassischen sprachphilosophischen Wende keineswegs fremd. Nicht die vorsprachlichen Inhalte des Bewusstseins sind Inbegriff dessen, was wir wissen können, sondern der sprachliche Sinn ist Inbegriff dessen, was wir an Seiendem überhaupt verstehen und deshalb auch erfahren können; wenngleich ich als einzelner Sprecher über sprachlichen Sinn genau nur so weit verfüge, wie dieser in einer Sprachgemeinschaft vorab gebildet wurde und nur durch sie und in ihr besteht. (Doch auch der Idealismus beruft sich

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nicht auf das empirische Einzelsubjekt, wenngleich er nicht vermeiden kann, das transzendentale Subjekt als singuläres, monologisches zu konzipieren.) Man kann das nur schwer Bestreitbare subjektphilosophischer, und das heißt konstitutionstheoretischer wie auch immanenzphilosophischer Ansätze, denen Adornos metakritische Betrachtung gilt, allgemein so formulieren: Unabhängig davon, dass etwas von einem einzelnen Subjekt der Erkenntnis, und zwar auf eine bestimmte, eine logische, begriffliche, sprachliche Weise, gewusst respektive verstanden wird, kann von keinem Seienden geredet werden, weder von einem Phänomenalen noch von einem mit dem Subjekt nicht Identischen. Etwas wissen kann immer nur ein Wissender, ein Subjekt, so dass dieses Etwas als Gewusstes in das Denken selbst fällt, das in diesem Gewussten ± so scheint es ± sein Fundament hat. Das Subjekt verhält sich, indem es etwas weiß, immer schon zu seinem Wissen und so zugleich zu sich selbst. Was einem Subjekt gewiss ist, das kann und muss es selbst wissen. Als allgemeingültig kann zudem für ein einzelnes Subjekt nichts gelten, was es nicht von sich aus als allgemeingültig (an)erkennt. Somit ist Subjektivität nicht subtrahierbar von dem, was als das Wahre und Wirkliche das Andere des erkennenden Subjekts ist. ± Genauer betrachtet muss man sagen: Subjektphilosophische Ansätze zehren geradezu von der Schwäche des Realismus; davon nämlich, dass kein Modell von Erkenntnis den subjektiven Faktor der Erkenntnis ± ob als spiegelndes Medium oder als Begriffe wie Werkzeuge gebrauchendes Subjekt ± loswird, ohne den simplerweise von Erkenntnis nicht mehr sinnvoll gesprochen werden könnte. Subjektivität OlVVWVLFKQLFKWZLHHLQHÃ=XWDWµ]XP6HLHQGHQYRQGLHVHPO|VHQDQGHPsodann etwa intrinsische Eigenschaften oder primäre Qualitäten zurückbleiben. Subjektphilosophische Ansätze insistieren, kurz gesagt, auf der subjektiven Vermitteltheit alles Seienden, und zwar so, dass Seiendes als Erkanntes und Gewusstes selbst Bestandteil subjektiver und das heißt auch: sprachlicher Immanenz ist. Die Frage nach dem Wahrheitsmaßstab ist deshalb eine Frage der internen Übereinstimmung des Wissens, er ist den erkennenden Subjekten selbst immanent. In der Ausdrucksweise Adornos gesprochen wäre danach das Nichtbegriffliche den Begriffen ausschließlich immanent (und nicht zugleich ihnen auch transzendent) ± und darum nur Ausdruck einer terminologischen Inkonsistenz, der Umbenennung eines in Wahrheit doch wieder allein Begrifflichen in sein Gegenteil. Eine Philosophie, die aufgrund der Unhintergehbarkeit des Subjekts von eben diesem ausgeht, braucht kaum eine Widerlegung ihrer Argumentation zu fürchten, die $GRUQR LP +LQEOLFN DXI GLH 3KlQRPHQRORJLH DXI GLH )RUPHO EULQJW ÄGD‰ YRQ nichts gewußt ZHUGH HV VHL GHQQ GXUFKV HUNHQQHQGH 6XEMHNW KLQGXUFK³ (SO, 749). Ein Subjektphilosoph kann und wird aber immer darauf pochen, dass, wenn man die subjektive Vermittlung einmal zugestanden hat und den Weg zur intentio recta nicht zurückgehen will, es gar keine Alternative zur subjektphilosophischen Perspektive gibt, wie unbefriedigend diese auch immer nach dem Sturz der

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Metaphysik erscheinen mag. (Ohne diese behauptete Alternativlosigkeit könnte der Neopragmatismus gegenüber seinen Kritikern beim Ausrangieren objektiver Wahrheit kaum die eigene Sicherheit gewinnen.) Würde man einen der oben zitierten Sätze Hegels und Husserls, die der Legitimierung des Vorrangs des Subjekts dienen, verneinen, so würde man sich in einen ebenso unlösbaren wie leicht durchschaubaren Selbstwiderspruch begeben. Denn sollten wir als Wissen anerkennen, was wir nicht selbst einsehen können, was uns nicht vor Augen steht? Sollte sein können, was wir nicht denken können ± ZHQQÃN|QQHQµVHOEVWVFKRQ die Kategorie der Möglichkeit voraussetzt? Und inwieweit lässt sich eine Philosophie darin kritisieren, dass sie im Grunde nur die Implikationen solcher Einsichten entfaltet? Der entscheidende Schritt, der in der Subjektphilosophie vollzogen wird, den sie theoretisch aber so wenig hinterfragt wie der unreflektierte Realismus ein unvermittelt Objektives, besteht darin, dass sie von der Einsicht, dass sich kein Objekt ohne die Subjektivität denken lässt, unumwunden zum epistemischen wie ontologischen Vorrang des Subjekts fortschreitet, dem gemäß ± und zwar nach der Logik der Widerspruchslosigkeit ± alles Objektive erst durch das Subjekt seinen Gehalt bekommt, seine Bestimmtheit allein dem Subjekt verdankt oder gar in dessen eigener Sphäre aufgehen soll. Aus einem Untrennbarkeits- und Unhintergehbarkeitsverhältnis wird ein Rang- und Fundierungsverhältnis zugunsten der Subjektivität, die sich selbst actualiter nicht wegdenken kann von der Welt und die die Untrennbarkeit des Objektiven von sich immer schon unter den Bedingungen der Selbstzentrierung reflektiert, unter denen das Andere dann in die subjektive Sphäre ganz hineingezogen wird. Denn unter den Bedingungen dieser Zentrierung wird die Untrennbarkeit der Subjektivität von allem, was von ihr bestimmt wird und als Bestimmbares nicht aufhört, ein Anderes zu sein, nicht mehr reflektiert. Adorno fasst seine Argumentation gegen den epistemologischen Kurzschluss von der Unhintergehbarkeit auf die Fundierung mit den Worten zuVDPPHQÄ:LUG>«@DUJXPHQWLHUWHVJlEHNHLQH(UNHQQWQLV über das Objekt ohne erkennendes Subjekt, so folgt daraus kein ontologisches Vorrecht des Bewußtseins³ (ND, 186). (Von dieser Problematisierung bleibt auch der Neopragmatismus nicht verschont: Er zieht aus der Unablösbarkeit alles Objektiven von der Sprache den Schluss, dass alle Realitätsqualitäten anthropomorphen, weil sprachlichen Ursprungs sind und in der Sphäre sprachlichen Sinns aufgehen.) Überspitzt formuliert, läuft die subjektphilosophische Epistemologie in ihrer Reflexion auf das Subjekt Gefahr, die Naivität des ursprünglichen Realismus mit umgekehrten Vorzeichen zu wiederholen, indem sie sich das dem Subjekt ImmaQHQWHGLHÄ,GHDOLWlW[,] HEHQVRQDLYYRUJLEWZLHGHUQDLYH5HDOLVPXVGLH5HDOLWlW³ (ME,   XQG ÄGHU VXEMHNWLYHQ 9HUPLWWOXQJ VHOEVW ZLHGHUXP GHQ 6FKHLQ GHV 8QPLWWHOEDUHQ YHUOHLKW³ 0( 123). Während der naive Realismus das Moment der subjektiven Vermittlung in dem, was ihm das unmittelbare Sein ist, verkennt, so wird der Subjektphilosophie Vermittlung selbst zum Unmittelbaren. Die Wendung zum Subjekt als dem Fundamentalen, zu dem, was es selbst und was

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ihm immanent ist, will nicht zuletzt eine Unmittelbarkeit gewinnen, die mit dem der Unmittelbarkeit des Faktischen verhafteten naiven Realismus auf gleicher Stufe steht, insoweit sie das dem Subjekt Unmittelbare nicht als ein Gewordenes und seinerseits durch einen Reflexionsprozess Vermitteltes zu verstehen versucht. Gegen diese Naivität, der die Resultate der intentio obliqua zur Unmittelbarkeit geronnen sind, bedarf es, ebenso wie es einer Reflexion auf die intentio UHFWD EHGXUIWH GHU DQJHVSURFKHQHQ ÄLQWHQWLR REOLTXD GHU LQWHQWLR REOLTXD³ (SO, 747), der zweiten Reflexion, der Reflexion nämlich derjenigen auch aufklärende Reflexion, die Objektivität auf Subjektivität zurückführt. 0LWGLHVHUÄ]ZHiten Reflexion der Kopernikanischen WenGXQJ³ 62 752) wird das, was in dieser ersten Rückführung an subjektive Immanenz gebunden wird, als nicht bloß Subjektives wieder freigesetzt. (LQH Ä]ZHLWH .RSHUQLNDQLVFKH :HnGXQJ³ 62 746) in der Philosophie soll ± dies die Konzeption Adornos ± den Anspruch konstitutiver Subjektivität, den die erste Wende zum Resultat hatte, negieren; negieren als fixiertes Stadium eines unvollständigen Reflexionsprozesses, das in dieser Fi[LHUXQJGDV6XEMHNWDOVVHLQHQÄHLJHQHQ%HVWLPPXQJsJUXQG³Xnd als Fundament von Objektivität erscheinen lässt. Vollzogen wird der Bruch mit dem Primat des Subjekts durch die negierende %HZHJXQJDXVGHU3HUVSHNWLYHGHU]ZHLWHQ5HIOH[LRQÄ'HQNHQEULFKWLQ]ZHLWHU Reflexion die Suprematie des Denkens über sein andHUHV³ 1' 201). Auf diese Weise erst wird erkenntniskritisch die Sicht erarbeitet, der das konstitutive Subjekt sich als ein im realen geschichtlichen Prozess Gewordenes und von diesem Prozess, besser gesagt: von der prozessierenden gesellschaftlichen Totalität Übergriffenes zu erkennen gibt. Und aus dieser Perspektive einer zweiten Reflexion zeigt sich einmal der Schein des erkenntnistheoretischen Dualismus, sodann der Vorrang des Objekts und schließlich, vor allem, der Prozess einer Subjektivierung, die am Ende zur Verzauberung des Subjekts in seinen eigenen Bestimmungsgrund führt. Ich möchte im Folgenden diese Aspekte noch einmal beleuchten, den Subjektivierungsprozess allerdings genauer betrachten. Was die zweite Reflexion als Reflexion auf die intentio obliqua in den Blick bekommt, das ist ein Prozess, der in den klassisch erkenntnistheoretischen Dualismus von Subjekt und Objekt und zugleich zum Subjektvorrang führt. Denn ÄHLQPDO UDGLNDO YRP 2EMHNW JHWUHQQW UHGX]LHUW 6XEMHNW EHUHLWV GDV 2EMHNW DXI sicK³ 62 752). Komplementär hierzu löst sich einer Reflexion auf das konstitutive Subjekt, das bereits Resultat jenes Prozesses ist, der Schein seiner Autarkie ebenso auf wie sich dieser Reflexion das Scheinhafte des ± nicht nur scheinhaften ± Dualismus zeigt. In seiner Auseinandersetzung mit dem Idealismus stellt Adorno heraus, dass dessen Idee einer transzendentalen Subjektivität ihr Anderes, das sie erst konstituieren soll, Seiendes, als Sinnesimplikat enthält. Hatte die erste Reflexion zu der Erkenntnis geführt, dass alles Seiende durch die objektivierende Tätigkeit des Subjekts vermittelt ist, so bedeutet die Hinzunahme des Resultats der zweiten Reflexion, dass Subjekt und Objekt wechselseitig ineinan-

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der vermittelt sind, was der erkenntnistheoretische Dualismus ausblendet. Das Wort Dialektik ist seit Langem die für diese Vermittlung gebräuchliche Vokabel. Die Rede von der dialektischen Vermitteltheit liefert jedoch zunächst nicht mehr als eine Metapher für einen immanenten Zusammenhang der entgegengesetzten Pole in der Erkenntnis, der als solcher im Einzelnen auch aufgezeigt werden muss. Dementsprechend geht Adornos Metakritik an der Erkenntnistheorie gegen deren dichotomische Grundbegrifflichkeit, die sich in den einander entgegengesetzten Ausdrücken Form und Inhalt, Unmittelbarkeit und Vermittlung, Begriff und Anschauung, Aktivität und Rezeptivität, Verstand und Sinnlichkeit, Subjekt und Prädikat, Allgemeines und Besonderes, subjektiv bestimmter Gegenstand und schlechthin Gegebenes usw. äußert. Gegen den erkenntnistheoretischen DualisPXVZLOO$GRUQRGLHÄ'LDOHNWLNGHUHUNHQQWQLVWKHRUHWLVFKHQ%HJULIIH³± so das gleichnamige Kapitel X in seiner Metakritik der Erkenntnistheorie ± aufzeigen, und zwar so, dass das Aufeinanderverwiesensein der entgegengesetzten Begriffe als ihre immanente, sie erst verständlich werden lassende Bestimmung deutlich wird. Bis hier bestünde allerdings noch kein wesentlicher Unterschied zur Dialektik idealistischer Philosophie, nach welcher diese Vermittlung des dualistisch Getrennten in die reflexive Struktur des Geistes, des sich Erkennens im Anderen, integriert werden kann und die insofern den Primat des Subjekts erneut und um umso mehr bestätigt. Doch Adorno geht einen Schritt weiter, indem er zugleich an der theoretischen Unauflösbarkeit des mit dem Denken nicht Identischen in der dialektischen Vermittlung und damit am Wahrheitsmoment des Dualismus festhält. Die Anschauung ist nicht in den Begriff auflösbar, Sein nicht in Denken, Sinnlichkeit nicht in den Verstand, Leiblichkeit nicht in den Geist, Empfindung nicht in Bewusstsein.13 Erst mit seiner ÄhEHUVHW]XQJLQ(UNHQQWQLVWKHRULH³(ND, 193) wird alles nicht Geistige, alles Leibliche und Sinnliche vergeistigt und als bewusstseinsimmanenter Sachverhalt der Theorie kompatibel gemacht und in ihr auflösbar. 13 ,P*HJHQVDW]GD]X+HJHOÄ)UGDV'HQNHQXQGQXUIUGDV'HQNHQLVWGDV:HVHQ die Substanz die allgemeine Macht und Zweckbestimmung der Welt. Die sogenannten Beweise vom Dasein Gottes sind nur als die Beschreibungen und Analysen des Ganges des Geistes in sich anzusehen, der ein denkender ist und das Sinnliche denkt. Das Erheben des Denkens über das Sinnliche, das Hinausgehen desselben über das Endliche zum Unendlichen, der Sprung, der mit Abbrechung der Reihen des Sinnlichen ins Übersinnliche gemacht werde, alles dieses ist das Denken selbst, GLHVhEHUJHKHQLVWQXU'HQNHQ³ G.W.Fr. Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundriss, S. 131). ± Indem der Übergang vom Sinnlichen zum Denken des Sinnlichen nichts als ein denkimmanenter sein soll, ist schon die das Sinnliche in sich auflösende Vergeistigung und damit die Verabsolutierung des Geistigen besiegelt. Es handelt sich um einen Übergang innerhalb der umfassenden Struktur des Geistes. Adorno könnte ± auf der umgekehrten Relation insistierend ± einwenden, dass im Denken des Sinnlichen das Denken seinen konstitutiven Rückbezug zum Sinnlichen ± also nicht zum Denken ± hat, ohne welches das Denken gar nichts denken würde und eben damit auch kein Denken wäre.

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Das, was nun die zweite Reflexion über jene dialektische Vermittlung hinaus HQWGHFNWGDVLVWGHUÄ9RUUDQJGHV2EMHNWVDOV0RPHQWGHU'LDOHNWLN³ 1' 367), auf den die Umwendung GHU VXEMHNWLYHQ 5HGXNWLRQ KLQDXVOlXIW Ä'HU 9RUUDQJ des Objekts, als eines doch selbst Vermittelten, bricht die Subjekt-Objekt'LDOHNWLN QLFKW DE³ 1' 187). Und zwar im Gegensatz zum Vorrang des Subjekts, bei dem die Dialektik gerade wegen der behaupteten Auflösbarkeit des Seienden in Denken zum Stillstand gelangt; die Vermittlung kommt hier zu ihrem definitiven, identitätsphilosophischen Abschluss im Absoluten. Es ist die zweite Reflexion, die als Reflexion der Subjektivierung den Objektvorrang in den Blick bekommt, nicht etwa eine Rückkehr zum naiven RealismXV Ä(LQ]LJ subjektiver Reflexion, und der aufs Subjekt, ist der Vorrang des Objekts erreichEDU³ 1'  'HQQGHUÄ9RUUDQJYRQ2EMHNWLVWGLHLQWHQWLRREOLTXDGHULQWHntio obliqua, nicht die aufgewärmte intentio recta; das Korrektiv der subjektiven Reduktion, nicht die VerOHXJQXQJHLQHVVXEMHNWLYHQ$QWHLOV³ 62 747).14 Indem kritisch der Reduktionsprozess, wie eben auf seine Grenzen, reflektiert wird, wird zugleich thematisiert, was in diesem Prozess dem nicht Subjektiven widerfährt, das für das Subjekt zu dem wird, was die Subjektphilosophie respektive Immanenzphilosophie als fertiges Resultat der Abstraktion zu ihrem Ausgangspunkt hat, nämlich das an sich selbst völlig unbestimmte Substrat, das seine Bestimmtheit erst dem Subjekt verdanken soll. Die These vom Vorrang des Objekts ist unter folgendem Gesichtspunkt von besonderem Interesse: Ist der Primat des Subjekts gebrochen, kann auch die theoretische Einstellung legitimiert werden, welche die konstitutive Subjektivität und das begriffliche Denken als Moment in einem nichtbegrifflichen Ganzen verortet. Erst wenn dem Objekt ein Vorrang zukommt, kann das Inklusionsverhältnis von Denken und Seiendem ein solches sein, in dem das nichtbegriffliche Ganze das zuletzt Übergreifende ist über sich und sein Anderes, das begriffliche Denken, und also in nicht derselben Weise auch vom Begrifflichen inkludiert wird, also nicht genauso eine Seite in einer denkinternen Relation bildet. Erst mit dem Vorrang des Objekts kann zudem der gesellschaftliche Prozess gegenüber der Einzelsubjektivität, die das geschichtlich Seiende objektiviert und in deren Imma-

14 In seinen Vorlesungen über Negative Dialektik (S. 110) insistiert Adorno im Hinblick auf die Möglichkeit, aus der subjektiven Sphäre zu gelangen, auf der Fortset]XQJ NULWLVFKHU 6HOEVWUHIOH[LRQ Ä:HQQ VR HWZDV ZLH $usbruch möglich ist, dann kann er nicht erfolgen durch eine solche Setzung eines nicht Subjekteigenen, nicht durch die Setzung des Nicht-,FKV >«@ 6RQGHUQ ZHQQ HV HLQH VROFKH 0|JOLFKNHLW des Ausbruchs überhaupt gibt, dann ist der Weg dazu allein der einer kritischen Selbstreflexion der subjektiven Sphäre, in GHUGLHVHGLH(LQVLFKWLQVLFKVHOEVW>«@ als etwas erkennt, was seinerseits nicht bloß Subjektivität ist, sondern was notwendig die Beziehung auf das voraussetzt, was sie idealistisch erst zu stiften meint; also nur so, daß dem Subjekt nachgewiesen wird, daß es selber ein Gesetztes ist oder jedenfalls auch ein Gesetztes, und nicht durch den Nachweis, daß das Nicht-Ich eine Setzung ist³

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nenz der Prozess als gedachter eingeschlossen scheint, als das die Subjektivität bestimmende Vorausliegende verstanden werden. ,QGHP LFK VRHEHQ Ã2EMHNWµ XQG ÃQLFKWEHJULIIOLFKHV *DQ]HVµ lTXLYRN Jebraucht habe, scheint Letzteres nur eine terminologische Verschleierung des erkenntnistheoretisch streitigen Objektbegriffs zu sein. Angemerkt sei deshalb an dieser Stelle, dass Adorno, wenn er vom Vorrang des Objekts spricht, weder das ansichseiende Objekt des reflexionslosen Realismus noch das Objekt als Produkt subjektiver Konstitutionsleistungen meint. Vielmehr geht in Adornos Verständnis des Objekts die Negation der beiden philosophischen Positionen ein: Es ist weder ein Gegebenes noch Resultat objektivierender Tätigkeit, sondern selbst nichtbegrifflich in dem im vorigen Kapitel eingeführten SinneHVLVWGDVÄ2EMHNW der poVLWLYH $XVGUXFN GHV 1LFKWLGHQWLVFKHQ >«@ HLQH WHUPLQRORJLVFKH 0DVNH³ (ND, 193). Eine Maske deshalb, weil der Ausdruck ÃObjektµ genau auf dasjenige geht, das nicht dem Objektbegriff gleichgesetzt werden kann, das in dieser Gleichsetzung gerade verdeckt würde; auf das nichtsdestoweniger aber der Begriff konstitutiv bezogen ist. Als Kritik am erkenntnistheoretischen Dualismus zeigt Adorno die dialektische Vermitteltheit der erkenntnistheoretischen Begriffe auf, gegenüber der Subjektphilosophie aber argumentiert er für den Objektvorrang im Rahmen von Dialektik, und zwar anhand des Nachweises einer bis in die erkenntnistheoretische Begrifflichkeit hineinreichenden, durchgehenden Asymmetrie in der wechselseitigen Vermittlung von Subjekt und Objekt, die vom Idealismus unterschlagen wird. Asymmetrisch ist deren dialektisches Verhältnis schon darin, dass vom Objekt das Subjekt immerhin denkmöglicherweise fortgedacht werden kann, nicht aber umgekehrt das Objekt vom Subjekt. Ein Subjekt ohne Objektbezug ist nicht einmal virtuell zu denken (vgl. ND, 184).15

15 Auch in dieser These mit ihren Konsequenzen zeigt sich die in der zweiten Reflexion vollzogene Umwendung der subjektiven Reduktion besonders deutlich, wenn man sie etwa mit der phänomenologischen Vorgehensweise Husserls konfrontiert. Letztere besteht in der methodischen Ausklammerung des Objekts als das hinsichtlich seiner Existenz nicht absolut Gewisse. Diese Ausklammerung erst führt auf das seiner selbst absolut gewisse cogito. Dagegen zeigt umgekehrt die virtuelle, wenngleich nicht aktuell mögliche Ausklammerung des Subjekts, dass die Existenz einer Welt ohne Subjekte zumindest gedacht werden kann, nicht aber gedacht werden können Subjekte ohne eine Welt. Schon die Kritik an Kierkegaards Konzeption einer objektlosen Innerlichkeit galt bei Adorno dem Misslingen eines kohärenten Verständnisses von einer Subjektivität, die ohne Bezug auf ein mit ihr nicht identisches Objekt in sich selbst bestehen soll. Kein Subjekt ± so lässt sich Adornos Haupteinwand zusammenfassen ± ist überhaupt nur denkbar, das ohne jeglichen Bezug wäre auf etwas, das an sich ein wenn auch noch so rudimentäres Nichtsubjektives wäre. Es wäre, allem Seienden entgegengesetzt, selbst ein Nichts, nur eben nicht das Absolute als das nicht Seiende, sondern ein in sich widersprüchliches Produkt der Ausklammerung: denn es soll doch wiederum etwas sein, etwas tun, etwas erkennen, von ihm soll doch wieder etwas Bestimmtes ausgesagt werden.

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Nun möchte ich schwerpunktmäßig auf jenen Subjektivierungsprozess, den die Wendung zum Subjekt in Gang bringt, genauer zu sprechen kommen. Anzumerken ist, dass Adorno diesen Prozess keineswegs explizit nachzeichnet. Bestimmte Aussagen in seinem Werk, die These und Argument zugleich sein wollen und die in unterschiedlichen Kontexten eingebettet sind, legen jedoch nahe, wie dieser Prozess zu verstehen ist. In der Negativen Dialektik resümiert Adorno: Ä'HU*DQJGHUHUNHQQWQLVWKHoretischen Reflexion war, der vorwaltenden Tendenz nach, der, immer mehr an Objektivität aufs 6XEMHNW ]XUFN]XIKUHQ³ 1' 178). In Bezug auf das Objekt lässt sich daher komplementär zur Subjektivierung von einem Residualisierungsprozess sprechen, der am Objekt als das nicht Subjektive nur noch allgemeinste Minimalbestimmungen zurücklässt, etwa die, dass es stofflich, dass es ausgedehnt oder raumzeitlich ist. Die erkenntnistheoretische Unterscheidung von primären und sekundären Qualitäten war bei dieser Residualisierung nur der erste Schritt. ± Und eben diese ganze Tendenz der Residualisierung sei umzukehren (vgl. ebd.). Gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Wendung zum Subjekt zum Zweck sicherer Erkenntnis geschieht. Denn dass aus der Immanenz des SubMHNWVÄGLH:HOWKHUYRUJHEUDFKWRGHUDXFKQXUGLH*OWLJNHLWYRQ8UWHLOHQEHUGLH Welt verifiziert werden könnte, ist vorweg nicht weniger problematisch als das XPGLH9HUPLWWOXQJXQEHNPPHUWH8UWHLO³ 0( 30), so Adornos These in seiner Metakritik der Erkenntnistheorie, in der er mit seiner Kritik an der subjektiv geULFKWHWHQ$QDO\VHIRUWIlKUWÄ:Lllkür, Komplement des Zwangs, steckt bereits in der Unterstellung, jener Rekurs sei die zureichende Bedingung der Wahrheit, mag er auch durch die wissenschaftliche Besinnung Schritt um Schritt motiviert VHLQ³ HEG :DUXPKDWGLH ÄZLVVHQVFKDIWOLFKH%HVLQQXQJ³ QLFKWHLQHQDQGHUHQ Weg eingeschlagen? Wenn das Subjekt die Erfahrung macht, dass seine bisherige Objekterkenntnis sich immer wieder als unzureichend herausstellt und eine jede Wahrheitsbehauptung als eine der Übereinstimmung zwischen Denken und einer von diesem unabhängigen Wirklichkeit keine Chance auf Verifizierung hat; wenn das Subjekt ± das als das neuzeitliche der Aufklärung sich keinem Glaubensdogma mehr unterwirft ± zu der selbstkritischen Einsicht gelangt, dass subjektive Gewissheiten über Objektives immer wieder zerbrechen, so könnte es statt einer Hinwendung zu sich selbst mit gleicher, wenn nicht sogar größerer Plausibilität auf die Unzulänglichkeit bisheriger Erkenntnis mit einer gesteigerten Versenkung in seinen Erkenntnisgegenstand reagieren und außerdem seinen inkonsistenten Wahrheitsbegriff korrigieren. Stattdessen versucht es die Erkenntnis des Wahren zu retten, indem es sich auf sich selbst richtet und unter den Bedingungen des Selbstbezuges zugleich am Wahrheitsmodell der adaequatio festhält. Doch gerade damit wird ± zu dieser Einsicht wird ein Leser Adornos wie Rortys gelangen ± der Begriff der Erkenntnis und auch der Wahrheit erst aufgelöst. Denn zu Recht wird Erkenntnis unter diesen Bedingungen für den einen, Adorno, ]XU Ä7DXWRORJLH³ GDV Ä(UNDQQWH ZlUH VLH >GLH (UNHQQWQLV ± G$@ VHOEVW³ 1' 185); für den anderen, Rorty, wäre die solcherart verstandene Erkenntnis, weil

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Wahrheit als Übereinstimmung mit einem Anderen misslingt, ohne das Andere aber sinnlos wird, nur eine Bestätigung dafür, dass man auch ohne den Wahrheitsbegriff auskommt und die Adäquation erheischende Erkenntnis durch Hoffnung ersetzen sollte. Wie Adorno betont, hat sich die wissensfundierende WenGXQJDXIGDV6XEMHNWÄGHQQDXFKQXUVHKUDOOPlKOLFKLP)RUWJDQJGHU5HIlexion DOV3ULQ]LSGXUFKJHVHW]W³ 0( 30). Die Motive dieses Prozesses des Sichdurchsetzens hat Rorty in seinem Spiegel der Natur an der Eigenheit des epistemischen Sprachspiels der Neuzeit aufgezeigt, das von der cartesianischen Reflexion bereits vorgefunden wird. In diesem ± insgesamt kontingent entstandenen ± Sprachspiel setzen sich die Ausdrücke durch, die einer perzeptuellen Metaphorik folgen, welche Erkenntnis nach dem Modell einer Spiegelung der Natur auffasst. Die Eigenschaften des Bewusstseins werden dabei metaphorisch mit den Eigenschaften GHV6SLHJHOVDQDORJLVLHUW%HZXVVWVHLQLVWDOV6SLHJHOGHU1DWXUGLHPHGLDOHÃOXfWLJHµLPPDWHULHOOH6XEVWDQ]XQWHUVFKLHGHQYRQGHUPHQWDOJHVSLHJHOWHQlX‰HUHQ Natur, und kann so erst zu einer eigenen und geschlossenen Forschungsdimension ± nämlich zum eigentlichen Gegenstand der Erkenntnistheorie ± werden. Für Rorty ist die Wendung zum Subjekt, die zum Bewusstsein als eigenem Forschungsgebiet führt, eine solche, die mit der Kontingenz der Sprachspiele selbst verbunden ist, nicht Ausdruck einer immanenten wie historischen Entwicklungslogik. Im Rahmen dieser Kontingenz ist die Motivation dieser Wendung pragmatisch gedeutet die, der Philosophie vor den modernen Wissenschaften ihre eigene und überlegene Domäne zu sichern. Damit ist im Sinne des Pragmatismus die Motivation der Wendung zum Subjekt ausreichend beleuchtet. Ich habe, dieser Erklärung, nicht aber ihrer Gewichtung zustimmend, in meiner Kritik an Rortys Neopragmatismus das den Skeptizismus abwehrende, epistemische Gewissheitsbedürfnis in den Mittelpunkt der Erklärung für die Wendung zum Subjekt gerückt, das bei Descartes ja tatsächlich im Zentrum steht, stimme aber gleichwohl Adornos schlichtem Befund zu, dass es eine willkürliche Unterstellung ist, die Wahrheit von Aussagen könne allein und geradezu automatisch durch den Rekurs auf das Subjekt gesichert werden (nur weil dieses sich selbst am nächsten ist). Da es sich hier um eine willkürliche Weichenstellung in der neuzeitlichen Philosophie handelt, ist genauer zu fragen, was sich hinter dieser Willkür, Gewissheit auf diesem Wege erlangen zu wollen, an subjektiver Motivation verbirgt, wenn man in ihr nicht lediglich ein Hegemoniebestreben der philosophischen Wissenschaft und deren Bemühen um ein eigenes Forschungsgebiet wittert und wenn man die Dynamik jenes Prozesses, bei dem immer mehr an Objektivem aufs Subjekt zurückgeführt wird, verstehen will. Indem der wahrheits- und erkenntnissichernde Rückgang auf die Subjektivität niemandem einleuchten muss, der auf emphatische Objekterkenntnis aus ist, ist sie Ausdruck nur eines Anspruchs der Subjektivität, des Anspruchs auf den Ä.|QLJVWKURQ³ 1' 182) gegenüber dem Objekt, des Anspruchs auf die Herrschaft über ihr Anderes. Diesem Anspruch korrespondiert allerdings das Objekt als vom identifizierenden Denken bereits determiniertes, korrespondiert der Ge-

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JHQVWDQG DOV Ä]XJHUVWHW ]X GHP GHU (UNHQQWQLV³ 1' 193); was diesen Anspruch berechtigt erscheinen lässt, ist objektiv verankert. Um den Ausgangspunkt des Subjektivierungsprozesses in den Blick zu bekommen, muss man sich zum einen vor Augen führen, dass das Erkenntnissubjekt des Transzendentalismus, das von allem Empirischen gereinigte, reine cogito, in sich selbst bereits abstrakt ist, und zum anderen verstehen, wie dieses Subjekt ± als Verkörperung von abstrakter Identität! ± seinen Primat in doppelter Hinsicht realisiert: einmal in der Weise, dass es die Dinge nach dem Identitätsprinzip zurüstet, Verschiedenes begrifflich wie real miteinander identifiziert. Zum anderen dadurch, dass es Objektivität auf sich selbst ]XUFNIKUW VR GDVV GLH Ä:HQGXQJ ]XP 6XEMHNW GLH IUHilich von AnEHJLQQDXIGHVVHQ3ULPDWKLQDXVZLOO³ 62 746), Ausdruck eher der Selbstzentrierung ist als der kritischen Selbstdistanzierung. Der springende Punkt besteht darin, dass das Subjekt im Rückgang auf sich selbst auch tatsächlich das Identitätsprinzip antrifft, nach welchem alles Reale außerhalb VHLQHUVHOEVW Ä]uJHUVWHW³ LVW VR GDVV VLFK LKP GLHVHU 5FNJDQJ DOV WKHRUHWLVFKHU (UIROJ VHLQHV Fundierungsversuchs darstellen muss. Doch ist das Reale als kontingent Empirisches, als je Besonderes, nicht realiter identisch mit der abstrakten Bestimmung, durch die es mit anderem identifiziert wird. Für das reine Erkenntnissubjekt gilt jedoch nicht das Gleiche: Es ist geradezu die Verkörperung abstrakter Identität, unter die es, nach außen gewendet, alles Besondere subsumiert; es ist das mit sich identische cogito, das transzendentale Ich als Prinzip der Philosophie, als Einheitspunkt aller Erfahrung. Das erklärt, warum die Wendung zum Subjekt nahezu zwangsläufig zu dessen Primat führt. Das identifizierende Denken trifft in der intentio obliqua das intendierte Subjekt ± sich selbst ± als Verkörperung seines eigenen Identitätsprinzips an, als die reine Identität, als absolutes Ich. Eine epistemische Selbstverblendung, die genau jene geschlossene Immanenz bildet, an der gemessen alles nicht Subjekteigene als kontingent, äußerlich, von geradezu bloß hypothetischer Existenz und deshalb sekundär erscheint. Erst das kritisch distanzierende Verhältnis zum identifizierenden Denken, das seine eigene Identitätssetzung als subjektiven Akt durchschaut, besser gesagt: die Identitätssetzung als Setzung erkennt, würde zum Objekt auch wieder zurückführen. Und es ist wiederum die Objekterfahrung, soweit sie Erfahrung eines Nichtidentischen ist ± und in der Philosophie Adornos ist dies vor allem die Kunsterfahrung ±, die gewissermaßen das Reservoir der Selbstkritik des Denkens darstellt. Die aus zweiter Reflexion geübte Kritik am Identitätsdenken durch das Denken ist deshalb keine paradoxe Übung, sondern sie wird vom Denken des Nichtidentischen her gewonnen, ohne welches das identifizierende Denken, das etwas denkt, das es nicht selbst ist, nicht möglich wäre. Daher die Aufgabe dialektischer Erkenntnis, ÄGHU ,QDGäquanz von Gedanke und Sache nachzugehen; sie an der Sache >+G$@ ]X HUIDKUHQ³ 1' 156). Adorno handelt den Vorgang der Selbstverblendung unter dem Thema des transzendentalen Scheins ab:

278 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN Ä7UDQVSDUHQW DEHU LVW QRFK Ger Grund des weit über Kant hinaus transzendentalen Scheins: warum Denken in der intentio obliqua stets wieder, ausweglos, in den eigenen Primat, die Hypostasis des Subjekts mündet. Die Abstraktion nämlich, deren Verdinglichung in der Geschichte des Nominalismus seit der Aristotelischen Kritik an Platon dem Subjekt als sein Fehler vorgeworfen ward, ist selber das Prinzip, wodurch das Subjekt zum Subjekt überhaupt wird, sein eigenes Wesen. Darum muß ihm der Rekurs auf das, was es nicht selbst ist, äußerlich, geZDOWVDPGQNHQ³ 1' 183)

Bedeutet transzendentaler Schein bei Kant die metaphysische Vergegenständlichung der zwar unausweichlichen, aber nur regulativ geltenden Ideen als der subjektiven Bedingungen unseres Denkens ± der Ideen von Seele, Welt, höchstem Wesen ± zu angeblich erkennbaren Objekten, so bedeutet im Zusammenhang YRQ $GRUQRV 6XEMHNWNULWLN GHU WUDQV]HQGHQWDOH 6FKHLQ ÄZHLW EHU .DQW KiQDXV³ dass die abstrakte Subjektivität, der die Ehre zukommt, dass sie dasjenige sein soll, auf das alle Objektivität zurückführbar ist, aus dem abstrahierenden Denken und aus der Vergegenständlichung des Identitätsprinzips als der subjektiven Bedingung unseres Denkens zu einem ansichseienden, tätigen Subjekt resultiert.16 Transzendentaler Schein bei Kant ist ein Schein immer noch in der intentio recta, den die intentio obliqua auflöst. Bei Adorno ein Schein der intentio obliqua, den die intentio obliqua auf die intentio obliqua (als Kritik am Identitätsdenken) reflektiert. Drei Aspekte, die Adorno in seiner Metakritik der Erkenntnistheorie und der Negativen Dialektik unabhängig voneinander behandelt, braucht man sich nur in ihrem Zusammenhang klar werden zu lassen, um Charakter und Dynamik der subjektiven Reduktion zu erfassen, die in die geschlossene subjektive Immanenz der Subjektphilosophie führt, welche qua Umwendung aufgebrochen werden soll: das identifizierende Denken, die Konvergenz von Subjektivierung und Verdinglichung sowie schließlich die Objektabgewandtheit der intentio obliqua.

16 In seiner Argumentation, die gegen die Substantialisierung des cogito als einer vom Körper getrennten Existenz geht, wendet Rorty im Spiegel der Natur den Nominalismus auf die Idee einer solchen Existenz selbst an und kommt dabei zu einem kaum anderen Resultat als Adorno mit seiner verdinglichungskritischen Sicht auf das erkenntnistheoretische Subjekt (vgl. SN, Kap. I.4 und I.5). Was eine reine res cogitans aus der empirischen Welt, als dessen Bestandteil sie sich nicht verstehen mag, heraushebt, das ist die Fähigkeit zur Erkenntnis von Universalien, anders gesagt die Fähigkeit zur Abstraktion. Weil Universalien jedoch keine sinnlich wahrnehmbare Gegenständlichkeit eignet, sie keinen Ort und keinen Zeitindex haben, so ist komplementär hierzu das Subjekt, das im Besitz von Universalien ist, selbst nach ihrem Bilde beschaffen. Provokant gesprochen ist die körperlose Existenz die Substantialisierung des Umstandes als solcher, vergegenständlichte Abstraktionen zu besitzen; statt dass es leibhafte Personen sind, die über die Fähigkeit der Gleichsetzung verfügen. ± Die körperlose Existenz ist selbst das Resultat identifizierenden Denkens.

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Das identifizierende Denken ± man kann ebenso vom abstrahierenden Denken sprechen, denn Unterschiedenes unter einem (instrumentellen) Gesichtspunkt miteinander zu identifizieren, heißt nichts anderes, als abzusehen von dem, worin das miteinander Identifizierte untereinander nicht identisch ist ± vergegenständlicht das Erfahrene und hat in sich die Tendenz zu dem, was in der Kritischen 7KHRULH PLW GHP 7HUPLQXV GHU 9HUGLQJOLFKXQJ GHVLJQLHUW ZLUG Ä,GHQWLIL]LHUHndes Denken vergegenständlicht durch die logische Identität des BeJULIIV³ 1' 157). Von dieser Identität wird das, was konstanter Sichselbstgleichheit widerVWUHLWHW 9HUlQGHUXQJ JDU 3UR]HVVXDOLWlW DXVJHVFKORVVHQ Ä'HU LPPDQHQWH $Qspruch des Begriffs ist seine Ordnung schaffende Invarianz gegenüber dem Wechsel des untHU LKP %HID‰WHQ³ 1' 156).17 Deshalb rüstet das begriffliche 'HQNHQ GDV XQNULWLVFK GLH Ä$UFKDLVPHQ VHLQHU %HJULIIOLFKNHLW³ IRUWIKUW VHLQH Ä*HJHQsWlQGH]XXQYHUlQGHUOLFKHQVLFK VHOEHU JOHLFKEOHLEHQGHQ³ 1' 157) zu. Das spezifisch Subjektive des begrifflichen Denkens, das von diesem als Objektives missverstanden wird, besteht hiernach darin, dass die identitätslogische Form des Begriffs vom Denken a priori als die Form objektiver Sachverhalte geltend gemacht und damit das Identitätsprinzip dergestalt hypRVWDVLHUW ZLUG ÄGD‰ HLQ Sachverhalt an sich, als Festes, Beständiges, sei, was lediglich denkpraktisch SRVWXOLHUW ZLUG³ HEG  9RQ Verdinglichung in erkenntnistheoretischer Hinsicht ist dann zu sprechen, wenn Beständigkeit und Getrenntheit-vom-Denken als wesentliche Eigenschaften des Vergegenständlichten gelten und damit sowohl ± qua Getrenntheit ± der subjektive Anteil am Zustandekommen des Gegenständlichen unterschlagen als auch ± qua Unveränderlichkeit ± das Gegenständliche dem Eingriff des denkenden Subjekts entzogen erscheint. Adornos These ist, dass das, was die Subjektphilosophie (als die Philosophie der subjektiven Reduktion) der Subjektivität übrig lässt als deren extramentalem Gegenpol, ein Abstraktum darstellt, das zugleich Produkt von Verdinglichung ist. Dabei ist die Abstraktion in Gestalt des unbestimmten Ansichseins an ihre äußerste Grenze angelangt. Das identifizierende Denken hat in einem ganz Unbestimmten, welches aber dennoch ist, sein abstraktestes Resultat, indem es von allen Bestimmungen, mit denen auch Unterschiedenheit gesetzt wäre, absieht, ebenso auch vom denkenden Subjekt selbst, das somit von diesem unbestimmten Ansichsein getrennt ist. Hinsichtlich dieser Abstraktheit konvergieren die Kandidaten für den nichtsubjektiven Pol in der Erkenntnis in rationalistischen wie auch empiristischen ErkenntnisWKHRULHQ GLH LKQ DOV Ã'DWXPµ DOV Ã*HJHEHQHVµ RGHU DOV Ã'LQJ DQ VLFKµ HLQIh17 Man kann vor diesem Hintergrund die hegelsche Philosophie als die vielleicht radikalste Anstrengung verstehen, diese Statik der Begriffe von innen her aufzusprengen und, statt sie wie logische Einheiten miteinander zu verknüpfen, sie als selbst bewegte, sich verändernde und ineinander übergehende zu denken, was die Rezeption dieser Philosophie seit je außerordentlich erschwert hat. Was bei Adorno deren Starrheit aufsprengt, ist nicht ihre innere, geronnene Substanz als Absolutes und als Geist, sondern das, worauf die Begriffe sich beziehen, und das ist der geschichtliche Prozess als ein die Begriffe übergreifender und in ihnen zugleich sedimentierter Prozess.

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ren.18 Gänzlich unbestimmt ist dieses Ansichsein ± als Objekt nach dem Modell des erkenntnistheoretischen Dualismus verstanden, nämlich als das dezidiert Nichtsubjektive ±, weil alle Bestimmungen von ihm ferngehalten werden müssen, denn diese sollen ausschließlich subjektentsprungen sein. Die Bestimmungen, die ein Objekt zunächst noch in der intentio recta auszeichneten, werden damit zunehmend auf das Subjekt als Produkt seiner Tätigkeit des Bestimmens zurückgeführt und fallen am Ende vollständig in die subjektive Sphäre. Die Rückführung aller Bestimmungen auf die Subjektivität, welche den Dingen, die an sich keine Eigenschaften haben sollen, erst Eigenschaften verleiht, ist also zugleich eine Residualisierung der Bestimmtheit des Objekts, das schließlich als Unbestimmtes übrig bleibt und dem nach dem verdinglichenden Maß abstrakter Identität auch keine Aktivität, Bewegung, Veränderung mehr zugesprochen wird. Die Residualisierung der Objektbestimmtheit führt zum gleichen Resultat wie der Abstraktionsprozess des identifizierenden Denkens mitsamt seiner Tendenz zur Verdinglichung: zum höchst abstrakten, unbestimmten Ansichsein. Das aber heißt, dass die Rückführung der Objektivität auf das Subjekt als gleichzeitige Residualisierung des Objekts überhaupt dem Abstraktionsmechanismus folgt, der das identifizierende Denken vor aller Epistemologie auszeichnet. Die Subjektivierung aller Erfahrung verhält sich also komplementär zu dem in die Verdinglichung des Objekts mündenden Abstraktionsprozess des identifizierenden Denkens. Adorno hat diesen Zusammenhang als den von Subjektivierung und Verdinglichung thematiVLHUWÄGLHQLFKWbloß divergieren, sondern Korrelate sind. Je mehr das Erkannte funktionalisiert, zum Produkt der Erkenntnis wird, desto vollkommener wird das Moment von Bewegung an ihm dem Subjekt als seine TätigNHLW]XJHUHFKQHW³ 1' 97). Zurück lässt die Subjektivierung ein Objekt als caput 18 Das wird Kant ± HEHQVRZLHGLH.ULWLN+HJHOVDPÃ'LQJDQVLFKµGHUHVJOHLFKIDOOV als Resultat von Abstraktion fasst ± nicht ganz gerecht, insofern Kant mit diesem Ã'LQJµ QLFKW DOOHLQ GDV LQWHQGLHUW YRQ GHP GDV HUNHQQHQGH 6XEMHNW VLFK JHWUHQQW sieht, was es zudem unbestimmt lässt, weil alles Bestimmen ja eine subjektive Tätigkeit ist, sondern auch das meint, was mit dem Subjekt nicht identisch ist. Ein Aspekt, den Adorno keineswegs verkennt. Kant, so Adorno, hat vor Augen gestanden, dass an sich zu sein dem Begriff des Objekts nicht schlechthin widerspricht. Während EHL .DQW GDV 6XEMHNW ÄQLFKW DXV VLFK KHUDXV JHODQJWRSIHUW HU GRFK QLFKW die ,GHH GHU $QGHUVKHLW³ 1' 185). ± Die empiristische Selbstkritik am Mythos des Gegebenen, wie sie insbesondere durch Sellars geübt wird, kritisiert das Gegebene letztlich wegen seines behaupteten Ansichseins, mit dem verkannt wird, dass alle Realität immer schon durch diskursive Praktiken vermittelt ist, durch die allein ± und also eben nicht durch die Bewahrheitung seitens eines nicht Subjektiven ± über die Wahrheit von Aussagen entschieden wird. Die Vermitteltheit des vorgeblich unmittelbar Gegebenen wird natürlich auch von Adorno ± wie Sellars an der Lektüre Hegels geschult ± gegen die empiristische Objektvorstellung angeführt. Adornos Kritik am empiristischen Objektbegriff hat hierüber hinaus aber den Abstraktionsmechanismus im Blick, dem sich dieser Objektbegriff verdankt. Kraft seiner Leere und Abstraktheit ist die Rede von einem unmittelbar Gegebenen, das erst noch begrifflich bestimmt wird, das Produkt abstrahierenden Denkens und nicht dessen konkreter Ausgangspunkt.

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mortuum der Erkenntnis, dessen Zusammenhang auf die synthetisierende Leistung des Subjekts, die Ausdruck von dessen Lebendigkeit sein soll, angewiesen ist; eine Leistung, wegen derer sich das Subjekt von allem Dinglichen, aller Faktizität ausnimmt. Subjekt ist am Ende die pure Tätigkeit als solche. Stillgestellt ist auf diese Weise allerdings die innere Historizität des Objekts als eines Gewordenen, welche die Subjektivität in die Rolle einer nachvollziehenden statt einer spontan erzeugenden versetzen würde. Auf den ersten Blick scheinen Subjektivierung und Verdinglichung durchaus polar entgegengesetzt und nicht zwei Seiten eines Vorgangs zu sein. Denn gerade die von äußeren Fesseln befreite Aktivität des autonomen Subjekts ist dem Starren und Faktischen überhaupt entgegengesetzt und kennt es dementsprechend, wie die fichtesche Tathandlung, nur als Einschränkung seiner Freiheit, sofern es nicht zum Objekt seiner freien Tätigkeit funktionalisiert wird. Bei Husserl ist ein auf Subjektivität irreduzibles Objekt etwas, das außerhalb des Bewusstseinslebens allein von fragwürdiger Existenz ist und allenfalls das objektivistisch missverstandene, weil vom Bewusstseinsleben getrennte Ding des Naturalismus. Offenkundig betont und definiert das Erkenntnissubjekt sich als bewegendes Element in Entgegensetzung zu allem, was es nicht selbst ist; von einem Anderen wird es allenfalls affiziert. Der erkenntnistheoretische Dualismus, die Entgegensetzung von Subjekt und Objekt der Erkenntnis, ohne die es keine Theorie eigens darüber geben würde noch es einer solchen bedürfte ± wie diese Pole zueinanderkommen, ist ± und das ist eine wichtige Komponente von Adornos Metakritik ± selbst das Resultat des einen Vorgangs von Subjektivierung und Verdinglichung. Und dieser ist, wie im folgenden Kapitel zu sehen sein wird, kein bloß innertheoretischer Vorgang, sondern ein solcher, der in der menschlichen Praxis selbst stattfindet. In seinen Vorlesungen zu Kants Kritik der reinen Vernunft, in denen $GRUQRYRQÄ9HUGLQJOiFKXQJDOVHLQHU)XQNWLRQGHU6XEMHNWLYLHUXQJ³19 spricht, wird der Entzweiungseffekt dieses einheitlichen Vorgangs folgenderweise herausgestellt: Es liegt Ädadurch ein Anwachsen der Verdinglichung mit der anwachsenden Subjektivierung vor, daß durch diese Subjektivierung die Pole der Erkenntnis ± das Ich und das NichtIch ± immer stärker auseinandergerissen werden. Also: je mehr in das Subjekt selber YHUOHJWZLUGXPVRPHKUZLUG]XJOHLFKDXFK>«@DQ%HVWLPPXQJHQGHQ2EMHNWHQHQtzogen und um so mehr klaffen dadurch eigentlich die beiden auseinanGHU³20

Und mit explizitem Bezug auf Kant wird in Thesen zu Subjekt und Objekt formuOLHUWÄ$OVLQ:DKUKHLW1LFKWLGHQWLVFKHVZLUG GDV2EMHNWGHP 6XEMHNWGHVWRIHrner gerückt, je mehr das SubMHNWGDV2EMHNWÃNRQVWLWXLHUtµ. Der Block, an dem die Kantische Philosophie sich die Stirn eindenkt, ist zugleich Produkt jener PhilosoSKLH³ 62 753). Theoriegeschichtlich kann Adorno leicht auf die Philosophie 19 Th. W. Adorno: .DQWVÄ.ULWLNGHUUHLQHQ9HUQXQIW³, S. 174. 20 Ebd., S. 174 f. Zu dem Zusammenhang von Subjektivierung und Verdinglichung vgl. auch insbesondere Th. W. Adorno: Ontologie und Dialektik, S. 296 f.

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von Descartes verweisen, Geburtsstunde der modernen Subjektphilosophie und GHVVWULNWHQ'XDOLVPXVLQHLQHPÄ%HL'HVFDUWHVZDUHQXPGLH:HQGHGHVVHFhzehnten Jahrhunderts zum siebzehnten, die befreite Selbstgewißheit des denkenGHQ,FKVXQGGHU=ZDQJGHV0HFKDQLVPXVHLQDQGHUJHVHOOW³21 Die res cogitans, der das eigene Bewusstseinsleben am unmittelbarsten ist, definiert sich antithetisch zur res extensa, die noch das Organische als Dinghaftes kassiert. SubjektiYLHUXQJ XQG 9HUGLQJOLFKXQJ VLQG ÄLP 8UVSUXQJ ]ZHL 6HLWHQ GHV *OHLFKHQ³,22 nämlich des identifizierenden Denkens, das auf der einen Seite von dem Gegenstand seiner Erfahrung alles Bestimmte und Dynamische subtrahiert, um es auf der anderen Seite der starren und abstrakten Identität des Subjekts einzuverleiben, die sich kontrastiv zum solcheUDUW ÃDXVJHG|UUWHQµ (UIDKUXQJVREMHNt als das Primäre und Tätige setzt. Den oben behaupteten Zusammenhang von identifizierendem Denken und der Konvergenz von Subjektivierung und Verdinglichung fasst Adorno explizit ein einziges Mal in seiner Metakritik der Erkenntnistheorie mit folgendem Satz ins Auge: Ä9LHOOHLFKW LVW GHU LQQHUVWH HUNHQQWQLVWKHRUHWLVFKH =ZDQJ ]XU 9HUGLQJOLFKXQJ XQG ]ugleich das Einheitsmoment von Subjektivismus und verdinglichendem Denken im Prinzip der abstrakten Identität selber aufzusuchen. Sobald von einem völlig Unbestimmten etwas prädiziert werden soll; sobald Erfahrung vorweg abgespalten ist von dem, worauf sie sich bezieht, wird dem Worauf ein An sich zugebilligt, das ihm nicht gebührt. Gereinigt von jeglicher Prädikation wäre es jenes Nichts, in welches Hegel das abstrakte Sein umschlagen läßt, während zugleich diese völlige Unbestimmtheit das Ansichsein des abstrakten Bezugspunktes vor jeder Kritik sicherstellt, über das ja so wenig etwas ausgemacht werden kann wie über das Kantische Ding an sich als die Ursache der ErVFKHLQXQJ³ 0( 172)

Adornos Erklärung dafür, warum die intentio obliqua in den Primat des Subjekts mündet, besteht wie erwähnt darin, dass die Abstraktion, in der ebenso alles Nichtidentische als nicht Subjektives miteinander identifiziert wird, für das Erkenntnissubjekt selbst konstitutiv ist. Als abstrakter Bezugspunkt in Form des ÃLFK GHQNHµ GDV DOOHV PLWHLQDQGHU QLFKW ,GHQWLVFKH DXI VLFK DOV XUVSUQJOLFKH Einheit vereinigend bezieht, wird das Subjekt in der transzendentalen Erkenntnistheorie wie auch im subjektiven Idealismus explizit als an sich abstrakte, reine Identität reflektiert, die zum Maß von Gegenständlichkeit wird; weshalb Adorno den Grund für die Perpetuierung jenes Primats auch als transparenten ansehen kann. Es ist also das Erkenntnissubjekt keineswegs vom Residualobjekt der erkenntnistheoretischen Abstraktion dadurch unterschieden, dass es diesem Objekt gegenüber eine Fülle an Bestimmungen und ein Maß an Konkretion aufweist, die es ihm als Ansichseiendem nicht zusprechen mag; wie dies etwa bei einer Person mit all ihren vielfältigen Eigenschaften und ihrer spezifischen Biografie der Fall 21 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 10.1, S. 420. 22 Ebd.

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wäre. Eine solche Person ist in der neuzeitlichen Erkenntnistheorie gerade nicht das Erkenntnissubjekt, nicht einmal überschneidet sich dieses mit dem biografischen Subjekt, das durch das Erkenntnissubjekt, das sich nur als reines, tätiges Selbstbewusstsein weiß, erst objektiviert wird. Aufgrund seiner Abstraktheit ist GHQQDXFKGDV ÄNRQVWLWXWLYH 6XEMHNWGHU3KLORVRSKLHGLQJKDIWHUGHQQGHU EHVRndere seelische Inhalt, den es als dinghaft-QDWXUDOLVWLVFK DXV VLFK DXVVFKLHG³ (ND, 178). Wer sich auf die transzendentale Erkenntnistheorie einen Witz erlauben wollte, könnte das Verhältnis des ontologisch voneinander Getrennten, des Ichs auf der einen Seite als eines, von dem wir nur wissen, dass es eine mit sich identische Einheit bildet und dass es zwar tätig, aber kein Seiendes ist, denn dieses soll erst konstituiert werden, und des Seienden auf der anderen Seite als dem mit sich ebenso identischen Ding ± er könnte dieses Verhältnis mit demjenigen von verstreuten Himmelskörpern und einem schwarzen Loch illustrieren, in das alles, was sich an Sichtbarem in seiner Nähe befindet, verschwindet, ohne dass etwas Sichtbares aus seinem Dunkel wieder hervorkommt. Die transzendentale Subjektivität, bei der das Identitätsprinzip sozusagen zu Hause ist, ist eine verdinglichende wie auch reflexiv selbst verdinglichte, indem sie zum abstrakten, unbestimmten und fixen Pol der Erkenntnis geworden ist, kaum anders als der nichtsubjektive Ausgangspunkt der Erfahrung; so dass gerade durch die ± gemäß dem subjektiven Primat ± subjektzentrierte Rückführung alles Nichtsubjektiven auf Subjektivität ihr jeglicher Erfahrungsinhalt zum Dinghaften wird. In seinen Kantvorlesungen führt Adorno aus, ÄGD‰HVHLJHQWOLFKXPVRPHKU9HUGLQJOLFKXQJJLEWZLHHV6XEMHNWLYLHUXQJLQGHU3KLOosophie auch gibt. Schon der Versuch, alles überhaupt Erscheinende, alles Begegnende auf einen einheitlichen Bezugspunkt zu beziehen, also einer mit sich identischen, starren Einheit zu unterwerfen und eben dadurch aus seiner Bewegtheit eigentlich herauszunehmen; ja, die Tendenz überhaupt, bleibendes Sein darauf zu gründen, daß die Regeln des Denkens, also im Grunde die Konstituentien von Subjektivität selber, etwas Unveränderliches seien, hat ja einen solchen verGLQJOLFKHQGHQ=XJ³23

Das erklärt nochmals, warum dem Objekt im epistemologischen Rückgang auf das Subjekt alle Bewegtheit und Prozessualität genommen wird: Es wird auf sein subjektives Gegenüber, das selbst schon von dinghafter Identität ist, bezogen ± mag das Subjekt auch alle Aktivität bei sich verbuchen, weil es in der Erkenntnisrelation nun einmal das Beziehende, Agierende ist. Die polarisierende Trennung von Subjekt und Objekt ist als eine qua Subjektivierung vollzogene auch scheinhaft, und darum tragen sich Subjektivierung und Verdinglichung wiederum im Prozess wechselseitigen Bestimmens der Erkenntnispole zu. Das bedeutet, dass nicht nur die Dingförmigkeit des Objekts sich der

23 Th. :$GRUQR.DQWVÄ.ULWLNGHUUHLQHQ9HUQXQIW³, S. 174.

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abstrakten Identität des Subjekts verdankt, sondern dass umgekehrt diese Identität, gerade weil die Subjektivität sich auch vom Objekt her bestimmt, sich gleichIDOOVLQHLQHPQDLYUHDOLVWLVFKHQ%H]XJGHV6XEMHNWV]XP2EMHNWELOGHWÄ'DV)Hste des erkenntnistheoretischen Ichs, die Identität des Selbstbewußtseins ist ersichtlich der unreflektierten Erfahrung des beharrenden, identischen Objekts nachgeELOGHWZLUGDXFKYRQ.DQWZHVHQWOLFK GDUDXIEH]RJHQ³ 62 755). In der Dialektik der Aufklärung ZLUG GDV ÄLGHQWLVFK EHKDUUHQGH 6HOEVW³ '$ 71) anthropologisch aus der Selbsterhaltung qua Herrschaft über die innere und äußere Natur erklärt. Naturbeherrschung setzt das Beharren gegenüber dem Wechsel der Erscheinungen eines bedrohlichen Naturgeschehens voraus, das als das zunächst diffuse Auseinander durch die sich totalisierende Herrschaft des Menschen für diesen allmählich zur Einheit wird, entsprechend der einen, abstrakt identischen Bestimmung seiner Handlungen als naturbeherrschende. In der $QHLJQXQJGHU1DWXUÄHQWKOOWVLFKGDV Wesen der Dinge immer als je dasselbe, DOV 6XEVWUDW YRQ +HUUVFKDIW 'LHVH ,GHQWLWlW NRQVWLWXLHUW GLH (LQKHLW GHU 1DWXU³ (DA,   1LFKWVGHVWRZHQLJHU DEHU KDW VLFK GDV 6XEMHNW DOV ÄLQ VLFK IHVW LGHntisch geIJW>HV@³ '$ 65) reaktiv auf die Bedrohung der Naturmacht gebildet, es übernimmt quasi deren Rolle. Ä$OVVROFKHV(EHQELOG[der unsichtbaren Naturmacht ± d.A.] erst erlangt der Mensch die Identität des Selbst, das sich in der Identifizierung mit anderem nicht verlieren kann, sondern sich als undurchdringliche Maske ein für allemal in Besitz nimmt. Es ist die Identität des Geistes und ihr Korrelat, die Einheit der Natur, der die Fülle der Qualitäten HUOLHJW³ '$ 26)

Die Kritische Theorie interpretiert die Leistung des Subjekts, das Diffuse der Erscheinungen unter eine fixe Einheit, unter die Einheit des Begriffs ± des von seinem Archaismus, seiner starren Identität noch unbefreiten Begriffs (vgl. ND, 157) ± und des Selbstbewusstseins zu bringen und es somit zu objektivieren, als Ausdruck von Naturbeherrschung, die sich gemäß ihrem Gegenpart, der Naturherrschaft, gebildet hat (und insofern selbst die Züge blinder Natur trägt). Das soll zugleich die anthropologische Erklärung dafür liefern, dass sich der Primat des Subjekts in Form des Identitätsdenkens durchsetzt. Und es ist ebenso ein Argument dagegen, dass der herrschaftliche Primat, den das Subjekt beansprucht, seinen Ursprung allein im Subjekt hat, denn das würde diesen Primat gerade indirekt bestätigen: Gemäß seinem Anspruch nämlich darf das Subjekt nicht zulassen, dass es selbst durch ein Anderes bestimmt wird. Wichtig ist nun, dass nach dem Schema jener Identität des konstituierten, in der Terminologie der Negativen Dialektik gesprochen zugerüsteten Objekts sich auch die Subjektivität als der verdinglichende Bezugspunkt alles Objektiven herausbildet, von dem sie wiederum qua nivellierender Rückführung alles Qualitativen und Bewegten auf sich selbst nichts als ein abstraktes, nicht mehr weiter zu kürzendes Residuum zurücklässt, dem sie sich als dessen ebenso abstrakter Ge-

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JHQSROHQWJHJHQVHW]WÄ6XEMHNWXQG2EMHNWZHUGHQEHLGHQLFKWLJ>«] Die Gleichung von Geist und Welt geht am Ende auf, aber nur so, daß ihre beiden Seiten JHJHQHLQDQGHU JHNU]WZHUGHQ³ '$ 43). In fast ironischer Umkehrung dessen, was Hegel als Erfahrung des Bewusstseins beschreibt, könnte Adornos subjektkritische These so formuliert werden, dass der neue Gegenstand, der sich dem identifizierenden Denken der neuzeitlichen Epistemologie präsentiert, nachdem es den Schein vom Ansichsein seines Gegenstandes aufgelöst hat, keineswegs der an Inhalt reichere, konkretere Gegenstand ist, sondern dass dem Subjekt in der Rückführung alles Qualitativen auf sich selbst der reichere Gegenstand verloren geht und der abstrakt dingliche zurückbleibt, an dem als neuer Bezugspunkt das Subjekt wiederum selbst verarmt. ± Subjektivität und Natur sind im Residualisierungs- und Verdinglichungsprozess wechselseitig aufeinander bezogen, aber sie sind es paradoxerweise in einem Prozess ihrer wachsenden Entzweiung in statische und abstrakte Pole. Denn als auf sein Residualobjekt bezogenes wird das Subjekt selbst abstrakter, ihm fehlt der qualitative Inhalt, den es nur vom Objekt empfangen kann und durch dessen Aneignung es erst sich selbst zu einem Besonderen prägt wie auch prägen lässt. Gerade jedoch mit der erkenntnistheoretischen Polarisierung, die zugleich als Residualisierung verläuft, wird der lebendige Prozess zwischen der Subjektivität und ihrem Anderen unterbunden und damit deren eigene Lebendigkeit gelähmt. An Kant kritisiert Adorno: Ä6XEMHNWDOVUHLQH6SRQWDQHLWlWXUVSUQJOLFKH $SSHU]HSWLRQVFKHLQEDUGDVDEVROXWGynamische Prinzip, ist aber, vermöge des Chorismos von jeglichem Material, nicht weniger verdinglicht als die nach dem Modell der Naturwissenschaften konstituierte Dingwelt. Denn durch den Chorismos wird die behauptete Spontaneität, an sich, wenngleich nicht für Kant, stillgelegt; Form, die zwar die von etwas sein soll, der eigenen Beschaffenheit nach jedoch mit keinem Etwas in WechselwirkuQJWUHWHQNDQQ³ 62 753)

Weil Subjekt und Objekt nicht die Pole sind, zu denen sie erst in der abstrahierenden Erkenntnistheorie werden, ÄVRQGHUQ UH]LSURN VLFK GXUFKGULQJHQ DIIL]LHUW GLH 'HJUDGDWLRQ GHU 6DFKH ]X HLQHP chaotisch Abstrakten durch Kant auch die Kraft, die es formen soll. Der Bann, den das Subjekt ausübt, wird ebenso zu einem über das Subjekt; beide verfolgt die Hegelsche Furie des Verschwindens. In der kategorialen Leistung verausgabt es sich und verarmt; um, was ihm gegenüber ist, bestimmen, artikulieren zu können, so daß es zum Kantischen Gegenstand werde, muß es der objektiven Gültigkeit jener Bestimmungen zuliebe, sich zur bloßen Allgemeinheit verdünnen, nicht weniger von sich selbst amputieren, als vom Gegenstand der Erkenntnis, damit dieser programmgemäß auf seinen Begriff gebracht werde. Das objektivierende Selbst zieht sich zusammen zum Punkt der abstrakten Vernunft, schließlich zur logischen Widerspruchslosigkeit, die ihrerseits keinen Sinn hat unabhängig vom bestimmten Gegenstand³ 1' 142 f.)

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Die Inhalte des Erfahrungssubjekts, das sich selbst nicht auf das allgemeine und singuläre Transzendentalsubjekt reduziert, sind nach dessen Maßstäben nur zufällig und subjektiv eingefärbt wie der Geschmack einer Madeleine in Prousts Recherche, deshalb keine Resultate geltender Erkenntnis. Wenn, wie bereits zitiertGDVÄ)HVWHGHVHUNHQQWQLVWKHRUHWLVFKHQ,FKVLVW>«@ der unreflektierten Erfahrung des beharrenden, identischen Objekts nachgebilGHW³ (SO, 755), so argumentiert Adorno damit für die relevante Vorgängigkeit der intentio recta vor der subjektiv gerichteten Analyse. Gegen die subjektive Reduktion des Erkenntnisobjekts lautet sein Einwand, dass sich dieses hinsichtlich seiner Bestimmtheit nicht vollständig reduzieren lässt, ohne aufzuhören, überhaupt Objekt, überhaupt etwas zu sein HV DOVR NHLQ Ä6HLQ RKQH 6HLHQGHV³ JLEW Ä'HQQ HLQ]LJ DOV %HVWLPPWHV ZLUG 2EMHNW ]X HWZDV³ 62 747). An der Grenze der Reduzierbarkeit aber meldet sich die intentio recta ± als gleichsam unterdrückte ± wieder zu Wort, die von der intentio obliqua überholt schien. Ist aber das residuale, seiner Bestimmtheit entledigte Objekt erst einmal ebenso als 5HVXOWDWYRQ$EVWUDNWLRQGXUFKVFKDXWZLHPLWLKPGHQQRFKÄLQ*HVWDOWGHV*egebenen ein Objektives widersteht³ 1' 187), dann sind gerade die konkreten Objektbestimmungen, wenn auch keinem Ansich gleichzusetzen, so doch als objektiver DQ]XVHKHQ DOV HWZD GDV REMHNWLYLWlWVYHUEUJHQGH Ã*HJHEHQHµ GDV $bstraktum vor allem des Empirismus, denn es ist allemal das Gegebene das ResulWDWVXEMHNWLYHU7lWLJNHLWGHUGHV$EVWUDKLHUHQVÄ'DV2EMHNWXQJHVFKPlOHUWHU(rfahrung, zum Unterschied vom bestimmungslosen Substrat des Reduktionismus, LVW REMHNWLYHU DOV MHQHV 6XEVWUDW³ 1' 187). Was für das Residualobjekt gilt, nicht ohne die direkte Ausrichtung des Subjekts auf das Objekt zu sein, das gilt nicht weniger für das, was der Subjektphilosophie nur als Inhalt subjektiver Immanenz oder als ein den Gegenständen nur anthropomorph Auferlegtes zu sein scheint: Auch die konkreten Objektbestimmungen, wenngleich sie nicht in direkter Anschauung, nicht als direktes Wissen zu haben sind, verdanken sich dennoch GHU LQWHQWLR UHFWD Ä,Q GHQ %HVWLPPXQJHQ GLH VFKHLQEDU EOR‰ GDV 6XEMHNW LKP [dem Objekt ± d.A.] anheftet, setzt dessen eigene Objektivität sich durch: sie alle VLQGGHU2EMHNWLYLWlWGHULQWHQWLRUHFWDHQWOHKQW³ HEG /HW]WHUHZLUGYRQGHUHrNHQQWQLVWKHRUHWLVFKHQ:HQGXQJ]XP6XEMHNWYHUJHVVHQÄ'LHYRQGHUWUDGLWLRQHllen Erkenntniskritik am Objekt ausgemerzten und dem Subjekt gutgeschriebenen Qualitäten verdanken in der subjektiven Erfahrung sich dem Vorrang des ObMHNWVGDUEHUEHWURJGLH+HUUVFKDIWGHULQWHQWLRREOLTXD³ 62 747). Damit nun rückt neben dem Identitätsdenken und der Einheit von Subjektivierung und Verdinglichung der oben erwähnte dritte Aspekt des Prozesses der Subjektivierung LQV%OLFNIHOG'LHÄ+HUUVFKDIWGHULQWHQWLRREOLTXD³GLH9HUIHstigung der Blickrichtung auf das Subjekt und dessen Anteil an der Erkenntnis bedeutet und erfordert zugleich die Abwendung vom Seienden, an dem weltgerichWHWH (UIDKUXQJ LKUH 4XHOOH KDW Ä'HU *HGDQNH GHU QLFKW PHKU ZLH +XVVHUO HV QHQQWÃJHUaGHKLQµ YROO]RJHQZLUGVRQGHUQDXIVLFKVHOEHU]XUFNJHZDQGWZLUG dichtet sich mehr stets ab gegen alles, was in ihm und seinem Bannkreis, in der

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,PPDQHQ] GHV 6XEMHNWV QLFKW DXIJLQJH³ 0( 43). Es ist daher die ErkenntnisWKHRULH VHOEVW DOV HUVWH 5HIOH[LRQ GLH VLFK ÄGHQ =XJDQJ ]X GHQ 6DFKHQ YHrEDXW³24. Die Hinwendung zum Subjekt, deren kritische Motivation ± wie mehrfach betont ± Adorno ausdrücklich teilt, wird gerade dann, wenn das Denken bei ihr verharrt, zur unkritischen Hermetisierung der Subjektivität und zur Isolierung der subjektiven Vermittlung gegenüber dem Vermittelten, das nicht in die Subjektsphäre fällt. Mit der Fokussierung des Denkens auf den Anteil der Subjektivität an der Objekterkenntnis gerät deren objektiver Anteil zunehmend in den toten :LQNHO$QGHUVJHVDJWÄ'LHSKLORVRSKLVFKH(PSKDVHDXIGHUNRQVWLWXWLYHQ.UDIW des subjektiven Moments aber sperrt immer auch von der WahUKHLW DE³ 1' 181). Die Verselbständigung des Denkens, das Sichverschließen der Subjektivität zur Immanenz sind nicht nur Voraussetzungen der subjektphilosophischen Wende zum Subjekt, sondern auch deren Resultat, das sich durch einen Prozess der Subjektivierung erst allmählich durchsetzen musste. Wenn das Identitätsdenken den Abstraktionsmechanismus des Subjektivierungsprozesses bildet, die Komplementarität von Subjektivierung und Verdinglichung den Polarisierungsmechanismus beschreibt, so wird nun in der mit der intentio obliqua zugleich vollzogenen Abwendung von allem nicht Subjektiven die Hermetisierung der Subjektivität betrieben, die zusammen mit den anderen Aspekten zu jener subjektiven Immanenz führt, die sich zum Fundamentalen wird und aus welcher der Gedanke anscheinend so wenig entrinnen kann, dass jeglicher Rekurs auf ein Subjektexternes und jede (auch gesellschaftstheoretische) Perspektive von außen auf das erkennende Bewusstsein gewaltsam und unreflektiert erscheint, jede Perspektive, welche die subjektive Immanenz wie auch das begriffliche Denken nicht als das alle Wirklichkeit Übergreifende, sondern als vom gesellschaftlichen Prozess Übergriffenes denkt, als soziologistische oder naturalistische Zumutung. Adorno stellt den Zusammenhang der erstgenannten Aspekte mit jenem Ausblendungs- und Abwendungseffekt der intentio obliqua nicht eigens heraus; insofern möchte ich über seine Ausführungen an dieser Stelle hinausgehen und versuchen, alle drei Gesichtspunkte in einer Betrachtung zusammenzuführen. Ihr verbindendes Moment ist die Herrschaft des Subjekts, die sich erkenntnistheoretisch darin äußert, dass es sich seinem Anderen gegenüber den Primat zuspricht. Den Primat auszuüben heißt: Nichtidentisches miteinander zu identifizieren; abstrahieren heißt: von Nichtidentischem absehen. Indem das Subjekt in Form gleichsetzender Praktiken real seine Herrschaft installiert, Seiendes sich verfügbar macht, indem es immer mehr in die Wirklichkeit verändernd eingreift, sie nach dem Identitätsprinzip determiniert (in der menschlichen Praxis ist eine Windmühle alles das, was ihre Funktion ausmacht, ob in ihrem Flügel noch zusätzlich eine Lanze steckt oder nicht), kann es umso mehr von der Realität auch mit dem Bewusstsein der ± freilich vordergründigen ± vollen Berechtigung auf 24 Th. W. Adorno: Ontologie und Dialektik, S. 278.

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sich zurückführen. Die kantische Konstitutionslehre fällt nicht zufällig in die Epoche des homo faber. Seinem Primat entsprechend führt das Subjekt immer mehr an Objektivität auf sich zurück. Es ist das identifizierende, abstrahierende Denken, das sodann in dieser Rückführung die abstrakten, verdinglichten, bestimmungslosen Pole zurücklässt: reine Tätigkeit als Geist, res cogitans, auf der einen Seite, unbestimmtes wie undurchdringliches Sein auf der anderen Seite (wobei der Idealismus, reines Ansichsein als Abstraktion durchschauend, auch noch dieses Residuum auf die subjektive Tätigkeit zurückführt). Das identifizierende Denken trifft in der abstrakten Subjektivität sich selbst an ± doch zusammen erst mit der Objektabgewandtheit der intentio obliqua bildet es das Erkenntnissubjekt aus, das sich zur reinen Immanenz identifizierenden Denkens verVFKOLH‰W 'DPLW ZLUG DXFK GHU *HKDOW GHU 3KLORVRSKLH Ä]XP lUPOLFKHQ 5HVXltat eines 6XEWUDNWLRQVSUR]HVVHV QLFKW DQGHUV DOV >«@ GLH &DUWHVLDQLVFKH *HZißheit des Subjekts, der denkenden Substanz. Man kann nicht hinaussehen. Was jenseits ZlUHHUVFKHLQWQXULQGHQ0DWHULDOLHQXQG.DWHJRULHQGULQQHQ³ 1' 143). Weil ± und hier ist Adornos Philosophem mit anderen, schon erwähnten Einsichten des Neopragmatismus zu ergänzen ± Nähe zu sich selbst zum Wahrzeichen der Gewissheit geworden ist, das identifizierende Denken sich seiner selbst gewiss am nächsten ist, lässt die Subjektivierung alles konkret Bestimmte, alle qualitativen Inhalte objektzugewandter Erfahrung tendenziell als ein Ungewisses, epistemologisch Unabgesichertes erscheinen. Und auch hier sollte man einen Schritt weiter gehen: Gerade die Bedeutung der Nähe des Subjekts zu seinem Erkenntnisgegenstand für die Erkenntnisgewissheit ± und am nächsten ist es nun einmal sich selbst ±, die der Neopragmatismus als Vertrautheit mit einem Sprachspiel interpretiert, ist selbst ein Zug verdinglichenden Denkens, weil das epistemische Nähebedürfnis bereits ein Reflex auf die statische, unüberbrückbare Entgegensetzung von Subjektivität und Natur ist, die nur durch eine Distanzverringerung wieder überwindbar zu sein scheint. Doch auch wenn diese Verringerung durch die Reflexion auf die subjektive Vermittlung in der Erkenntnis, die näher ist als das Vermittelte, ermöglicht werden soll, so bleibt doch das zwar subjektiv wiederum unmittelbar, aber auf Subjektivität nicht vollständig zurückführbare Gegebene DOV Ä0HQHWHNHO GHU 2EMHNWLYLWlW LP 6XEMHNW³ 1' 187) unaufgelöst zurück. Der Dingcharakter, der gerade dem Gegebenen zukommt, wäre erst aufgelöst, wenn dem Anderen des Subjekts zwar nicht sein Anderssein genommen würde, wohl aber das Dinghafte des auf subjektive Tätigkeit Unreduzierbaren als selbst Geschichtliches erkannt, sein Gewordensein vom erkennenden Subjekt nachvollzogen würde und die Stimmigkeit, die Kohärenz dieses Vollzuges, nicht aber die Nähe zum Gegenstand, Index des Wahren würde, so dass auch die Dichotomisierung von tätigem Subjekt und totem Gegenstand verschwände. ± Wenn man sich eine Vermutung über die große Wahrheit erlauben würde, so wird sie wahrscheinlich sich nicht in einem stolzen Wissen offenbaren, das alle epistemischen Sicherheitsbedürfnisse und -anforderungen erfüllt, son-

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dern eher in dem enttäuschten Bedürfnis nach solcher Sicherheit, das von der objektiv bedingten Brüchigkeit der subjektiven Immanenz zeugt. Man wird bei Adorno keinen Versuch finden, das denkende Subjekt selbst dergestalt zum Angelpunkt der Gewissheit zu machen, dass die Unmittelbarkeit, in der es sich zu sich selbst verhält, zum Sekuritätsmaßstab von Erkenntnis wird. Ja der Frage nach der Gewissheit geht Adorno überhaupt nicht nach. Die Selbstreflexion des identifizierenden Denkens, schließlich auch der Dialektik, folgt dem Impuls weniger der Suche nach Gewissheit als vielmehr der Selbstdistanzierung: Sie ist Reflexion darauf, was das Subjekt an ungeschmälerter, unreduzierter Erfahrung des Objekts hindert, nicht darauf, wie es zweifelsfreies Wissen erwerben und dessen Möglichkeit erkenntnistheoretisch fundieren kann. Es ist ein kritisches Denken, das, ohne der Idee der Wahrheit abzuschwören, sich mit der Suche nach unzerbrechlicher Gewissheit nicht begnügt; nicht um jeden Preis sie, sondern den Gehalt, die Fülle will, den an seinem Anderen gesättigten Gedanken, sei dieser auch QLFKWGDYRUJHVFKW]WDE]XVWU]HQÄLQGHQ$EJUXQGYRQGHPGLH )XQGDPHQWDOLVWHQGHU0HWDSK\VLNVDOEDGHUQ³ 1' 45).

8. Resi duali si er ung und Aufklär ungsdi al ekti k

Ich möchte im Folgenden noch einmal die Idee einer zweiten Reflexion und der Umwendung der neuzeitlichen Subjektivierung in ihrer Bedeutung für das Gesamtprojekt der Kritischen Theorie erörtern. Die metakritische Reflexion auf die erkenntnistheoretische Wendung zum Subjekt wie überhaupt auf die Subjektphilosophie, die Adorno in seiner Metakritik der Erkenntnistheorie wie auch in seiner Negativen Dialektik vorführt, zeigt sich aus einer anderen Perspektive, in welcher der neuzeitliche, okzidentale Rationalisierungsprozess als eine Dialektik der Aufklärung rekonstruiert wird, selbst als der Versuch einer Fortführung des Aufklärungsprozesses. Ein Versuch, der einen Weg aus der negativen Dynamik aufzeigen soll, die mit der Rekonstruktion dieses Prozesses sichtbar wird. Mit ihr holt sich die Idee der metakritischen Reflexion zudem selbst ein: Die naturbeherrschende Ratio transzendiert ihre blinde Verstrickung in Natur in Gestalt ihrer Selbstbesinnung als Teil der Natur. Diese Selbstbesinnung hat epistemologisch die Gestalt der zweiten Reflexion. ± Um ihre Relevanz aufzuzeigen, soll im Folgenden zugleich ausgeführt werden, warum eine Praxis, in der reflexionslos das Subjekt seinen Primat durchsetzt, im Ganzen nicht gelingen kann. Enthalten ist jene zweite Reflexion in der bekannten Figur einer Aufklärung der Aufklärung über sich selbst, die Adorno und Horkheimer leisten wollen. Die erste, bereits in der Antike einsetzende Aufklärung hat durch Entmythologisierung die Befreiung des Individuums von ihm fremden Mächten zum Ziel. Die im Anschluss DQ GHQ +XPDQLVPXV XQG GLH 5HQDLVVDQFH YROO]RJHQH HUVWH ÄNRSHUQiNDQLVFKH :HQGH³ YHUVXFKW GHQ 0HQVFKHQ HQGJOWLJ DOV Ä+HUUHQ HLQ]XVHW]HQ³ indem sie in der Neuzeit das von dogmatischer Bevormundung emanzipierte, autonome, freie Vernunftsubjekt etabliert. Über die Naturgewalten wird in wachsendem Maße kollektiv verfügt und die im Individuum inkorporierte allgemeine Vernunft, die Fähigkeit zum richtigen Urteilen und Schlussfolgern, liefert der Aufklärung die richterliche Instanz für individuelle Lebensführung und gesellschaftliches Handeln. Knapp gesagt: Das autonome Subjekt wird später Thronnachfolger einer entmythologisierten Natur, zu dessen Förderern natürlich der

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neuzeitliche Rationalismus von Descartes, Bacon, Kant zu rechnen ist. Doch ist diese Aufklärung in den Augen ihrer Kritiker aus der Gegenaufklärung ± in den $XJHQ 6FKRSHQKDXHUV 1LHW]VFKHV XQG GHU ÄGXQNOHQ 6FKULIWVWHOOHU GHV %UJHrWXPV³ ± gescheitert, weil die Selbsterhöhung des Subjekts mit der Verblendung gegenüber dem bezahlt wird, was es an innerer Natur der Autonomie zuliebe vergeblich von sich auszugrenzen trachtet und was als Unterdrücktes fortan nur umso durchschlagender sein Unwesen treibt. Weil die Kritik vonseiten der Gegenaufklärung von Adorno und Horkheimer geteilt wird, sehen sie die kulturelle Vernichtung des autonomen Vernunftsubjekts im faschistischen Massenwahn mit der entsprechenden physischen Vernichtung des Individuums nicht nur als Bruch mit einer Kultur der Aufklärung an, in der alle Autorität sich noch vor der Vernunft zu rechtfertigen hat, sondern die faschistische Regression ist auch die Konsequenz aus dem Unaufgeklärten an der Aufklärung selbst. Denn die Inthronisierung des Subjekts, sein grenzenloser Herrschaftsanspruch, mit dem es seine berechtigte Emanzipation, seine Freiheit, verwirklichen will, dieser Anspruch ist es, in dem sich das Andere des Vernunftsubjekts, nämlich blinde Natur, nur verlängert und sich zunehmend gegen das Subjekt selbst wendet, das ebenso zum Objekt von Herrschaft wird und damit als freies Subjekt wieder negiert wird. Das Manko der Gegenaufklärung liegt jedoch darin, dass sie das rückschrittliche Moment der Aufklärung verabsolutiert und somit deren emanzipatorisches Motiv ausblendet, ja deren eigenes Ziel desavouiert, nämlich den Menschen aus seiner Ohnmacht gegenüber dem blinden Naturzusammenhang zu befreien. 'HPJHJHQEHU YHUVXFKHQ $GRUQR XQG +RUNKHLPHU ÄGLH 5HIOH[LRQ DXI GLHVHV rückläufige MoPHQW³ DA, 13) in den Begriff der Aufklärung, an der sie somit festhalten, hineinzunehmen. Auf diese Weise gerade wird die Dialektik der Aufklärung erkennbar, die sich als der geschichtliche Austrag der gegensätzlichen Momente Subjektherrschaft und Selbstbefreiung erweist. Aufklärung, die das befreite Individuum zum Ziel hat, ist nicht schon Herrschaft, sie ist verfilzt mit Herrschaft, allerdings in der Weise, dass sie ohne diese gar nicht möglich gewesen wäre, und das hat ihre Dialektik in Gang gebracht. Dass die Aufklärung die Befreiung des Individuums und das Glück der Menschen auf dem Wege der Beherrschung der inneren und äußeren Natur realisieren will ± und zunächst ist dies auch gar nicht anders möglich, wollen sich die Menschen ihrer Verschlungenheit im blinden Naturablauf entwinden ±, schlägt negativ um zugunsten der immer perfekteren Beherrschung als des primären Lebensziels: Statt reflektiertes Mittel der Befreiung zu sein, ZLUG GLH Ä%HKHUUVFKXQJ GHU 1DWXU GULQQHQ XQG GUDX‰HQ zum absoluten LeEHQV]ZHFN JHPDFKW³ DA, 49), unter den sich die Menschen beugen und ± entsprechend einer nach dem Zweck der Naturbeherrschung eingerichteten menschlichen Realität ± unter den sie gebeugt werden. Weil die organisierte, nach außen wie nach innen gerichtete Herrschaft über die Natur auf die Subjekte selbst, die ihrerseits ein Teil der Natur sind, zurückschlägt, bleiben die Menschen eben dadurch in Natur, ihrem blinden Geschehen, das sie überwinden wollten, gebannt. Den tieferen Grund für diesen Rückschlag, für dieses Ge-

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banntbleiben sehen Horkheimer und Adorno darin, dass Herrschaft Attribut blinder Natur ist.1 In ihr setzt im Kampf ums Dasein das Mächtigere sich gegen das Schwächere durch, und deshalb transzendiert Herrschaft schon per se nicht die Natur. Die Übernatur, welche der ÃGHLVWµ oder GLH Ã9HUQXQIWµ zu sein versprechen, auf die sich die Aufklärung stützt, ist selber nur Natur, solange sie nicht ihre Verstrickung mit der Herrschaft als Mechanismus der Selbsterhaltung erkennt. Denn ein]LJÄDOVGHUHQ5HIOH[LRQZlUH9HUQXQIWhEHUQDWXU³ 1', 285). Letztere manifestiert sich gerade nicht darin, dass es eine Spezies gibt, die unkörperliche wie unvergängliche Genera bilden kann und eine unmateriell innere, mentale Realität besitzt, sondern in der Fähigkeit zur selbstdistanzierenden Reflexion. Im Prozess der Aufklärung setzt sich deren rückläufiges Moment durch gerade als Verlust der Selbstreflexion, durch die sich die Aufklärung von der Mythologie zunächst unterscheidet; ein Verlust, der in der Herrschaft angelegt ist, weil in deren Ausübung die Subjektivität der Selbstreflexion nur bedarf, um der eigenen Herrschaft nicht selbst im Wege zu stehen, sie also entgegen einer von Furcht besetzten Natur ihr eigenes Potential der Naturbeherrschung erkennen muss. Deshalb kann die Aufklärung auf das Reflexionsniveau der Mythologie wieder zurückfallen, wenn die Naturbeherrschung die Gestalt eines hochgradig arbeitsteiligen und versachlichten gesellschaftlichen Prozesses angenommen hat. Ä$XIGHP:HJYRQGHU0\WKRORJLH]XU/RJLVWLNKDWGDV'HQNHQGDV(Oement der 5HIOH[LRQDXIVLFKYHUORUHQ³ DA, 55); und so gerät überhaupt der emanzipatorische Zweck aller Naturbeherrschung, nämlich Freiheit und Glück des Menschen, negativ formuliert: ein Leben ohne Angst, weitgehend aus dem Blickfeld. Gegen diese defizitäre, sich selbst negierende Idee von Aufklärung wollen Horkheimer und Adorno voQLKUÄHLQHQSRVLWLYHQ%HJULII>@ vorbereiten, der sie aus ihrer VerstriFNXQJLQEOLQGHU+HUUVFKDIWO|VW³ DA, 16). Für diesen Begriff ist die kritische Selbstreflexion der Vernunft zentral, die ihrer herrschaftlichen Entgegensetzung zur Natur das Eingedenken der eigenen Natur entgegensetzt, welche sie, nun nicht mehr Objekt von Herrschaft, entdeckt als Agens jenes Glücksversprechens, dass in der Naturbeherrschung um ihrer selbst willen nur endlos aufgeschoben wird. Ä$XINOlUXQJ YROOHQGHW VLFK XQG KHEW VLFK DXI ZHQQ GLH QlFKVWHQ SUDNWLVFKHQ =ZHFNH als das erlangte Fernste sich enthüllen, XQG GLH /lQGHU Ãvon denen ihre Kundschafter und Zuträger keine Nachricht brinJHQµ, nämlich die von der herrschaftlichen Wissenschaft verkannte Natur, als die des Ursprungs erinnert werGHQ³ DA, 60)

Mit der Rückbesinnung auf die subjektive Natur wird allerdings das cogito nicht so weit renaturalisiert, dass es seiner Einverleibung durch den Naturzusammen-

1

Ä+HXWH GD %DFRQV 8WRSLH GD‰ ZLU Ãder Natur in der Praxis gebietenµ in tellurischem Maßstab sich erfüllt hat, wird das Wesen des Zwanges offenbar, den er der unbeherrschten zuschrieb. Es war Herrschaft selbst³ '$6 .

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hang erneut preisgegeben wird.2 Genau das wäre der Rückfall in einen Naturalismus, der gerade überwunden werden soll, nur eben ohne den Preis einer wachsenden Kluft zwischen Subjektivität und Natur. Nicht in der Idee eines freien Subjekts liegt die Selbstverblendung, sondern in dem, was sich im Zuge der rationalistischen Aufklärung bereits dafür hält: Die Freiheit des Subjekts soll darin bestehen, unabhängig in der Weise von Natur zu sein, dass es souverän das nicht Geistige, Natur, beherrscht. Doch damit ist es negativ wie zwanghaft an Natur als Herrschaftsobjekt gebunden. Hinter der Betonung des geistigen Herrschaftsanspruchs verbirgt sich immer auch die alte Lebensnot, die Denken lehrt, in der das Denken als relativ Selbständiges entstand. Dementsprechend ließe sich das Telos des Vernunftsubjekts der Aufklärung, der positive Ausgang der Aufklärungsdialektik, wie ihn die Kritische Theorie implizit projektiert, allgemein so verstehen: Statt dass die Naturbeherrschung zum Selbstweck wird und das Denken ihr Mittel bleibt, hätte sie in der gesellschaftlichen Abschaffung der Lebensnot ihr genaues Ziel, nach dessen Realisierung die Menschen aller weiteren Naturbeherrschung und damit der Entsagung, die diese den Menschen abverlangt, entsagen könnten, so dass unter diesen Bedingungen Subjektivität ihre Freiheit endlich gewinnen würde. Und zwar eine Freiheit zur Natur, dem an ihr Raum zu geben und somit das zu erkennen, was außerhalb des Banns ihrer Instrumentalisierung liegt. Im Anschluss hieran lässt sich Adornos kritische Auseinandersetzung mit der Metaphysik, die zu voreilig eine positive Auskunft über das Wohin und Wozu gibt, anhand der Fragestellung verstehen, ob unter jenen Bedingungen einer Freiheit zur Natur diese den Menschen, und nicht zuletzt dem zur Besinnung gekommenen Vernunftsubjekt, auch eine versöhnende Seite zukehrt, die mit einer anderen Möglichkeit seiner selbst korrespondiert und das Humane erst zur Entfaltung brächte ± oder ob der Antagonismus zwischen Mensch und Natur eine unauflösbare, eine letzte Versöhnung ausschließende Schicht auch für eine 2

Von dieser Gefahr einer latenten Rückgewandtheit des Denkens zeugt für Habermas die bekannte Passage aus der Dialektik der Aufklärung, in der als der äußersten selbstkritischen Einsicht der Vernunft voQ LKUHP Ä(LQJHGHQNHQGHU1DWXU LP6XbMHNW³GLH5HGH LVWZHOFKH+HLGHJJHUV :HQGXQJYRP Ä$QGHQNHQDQ GDV6HLQ³ Eedenklich nahe komme (vgl. J. Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns, Band 1, S. 527). Gegen diese Gefahr spricht allerdings, dass die Autoren der Dialektik der Aufklärung die Versöhnung von Denken und Natur gerade in der Emanzipation des Denkens vom Naturzwang und nicht durch eine wie auch immer kaschierte Unterwerfung unter die Natur ± als das schlichte Gegenteil ihrer Beherrschung ± denken. In seiner Kritik der instrumentellen Vernunft formuliert HorkheiPHUÄ'LH*OHLFKVHW]XQJ von Vernunft und Natur, wodurch die Vernunft erniedrigt und die rohe Natur erhöht wird, ist ein typischer Trugschluß des Zeitalters der RaWLRQDOLVLHUXQJ >«@ 'LH /HKren, die die Natur oder den Primitivismus auf Kosten des Geistes erhöhen, begünstigen die Versöhnung mit der Natur nicht; im Gegenteil, sie drücNHQHPSKDWLVFK.lOWHXQG%OLQGKHLWJHJHQEHUGHU1DWXUDXV>«@'HU einzige Weg, der Natur beizustehen, liegt darin, ihr scheinbares Gegenteil zu entfesVHOQ GDV XQDEKlQJLJH 'HQNHQ³ 0 Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, S. 133 f.).

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zur Besinnung gekommene Menschheit aufweist, die keine gesellschaftlichen Antagonismen mehr kennt, mit deren Naturverfallenheit, physischen Hinfälligkeit jedoch Natur letztlich ihre Sinnferne und Inadäquanz dem hoffenden Menschen gegenüber erst recht hervorkehren würde. 3 Doch dem entwickelten positiven Aufklärungsbegriff der Kritischen Theorie steht die gesellschaftliche Wirkungslosigkeit gegenüber als Folge jener regressiven Tendenz, die nicht allein in das Grauen des Faschismus gemündet ist, sondern aus der Sicht Adornos und Horkheimers auch in eine repressive Massenkultur. In dieser Kultur vollzieht sich die das freie Subjekt verhindernde Naturbeherrschung am Menschen in der Weise, dass die unterdrückte Natur in industrielle Regie genommen wird und massenkulturelle Erzeugnisse zum verfügbaren Gebrauchsobjekt von Konsumenten werden, über das Wahrnehmungen und Verhaltensweisen sich so weit standardisieren lassen, dass die Idee eines autonomen und zur kritischen Distanz fähigen Vernunftsubjekts einer untergegangenen Frühkultur anzugehören scheint. Industrielle Massenkultur, möglich geworden durch die entfesselte Produktion des naturbeherrschenden menschlichen Subjekts, dank derer es sich vom Druck der Lebensnot befreien könnte, verhindert durch illusionäres GlücksYHUVSUHFKHQ HPDQ]LSDWRULVFKH %HVLQQXQJ Ä0LW GHU Flucht aus dem Alltag, welche die gesamte Kulturindustrie in allen ihren Zwei3

Ich möchte zu dieser Thematik hier nur noch so viel anmerken, dass $GRUQRÄGLH Möglichkeit eines richtigen BewußtVHLQV DXFK YRQ MHQHQ OHW]WHQ 'LQJHQ³ ZLH GHU 8QVWHUEOLFKNHLW ÄHUVW HLQHU =XNXQIW RKQH /HEHQVQRW³ ]XWUDXW 1' 390; vgl. auch S. 242). Gleichwohl kann die Kritische Theorie keine Versöhnung antizipieren ± deren Idee denn auch von Habermas aufgegeben worden ist ±, wenn in den Tod mündete, was als Geist sich der Natur entgegensetzt; und daher bleibt für die Kritische Theorie ± die an die spekulativen, dem Identitätsdenken verhafteten Antworten vergangener Metaphysik nicht anknüpft, deren Motive jedoch nicht aufgibt ± auch unausgemacht, ob in der Natur selbst die Möglichkeit von Versöhnung, ob in ihr schlicht gesagt ein der Humanität äquivalenter ÃKernµ überhaupt Ãenthaltenµ ist. Was hiergegen spricht, lässW VLFK IROJHQGHQ 6lW]HQ $GRUQRV HQWQHKPHQ Ä0DQ könnte zu anthropologischen Spekulationen darüber sich verleiten lassen, ob nicht der entwicklungsgeschichtliche Umschlag, welcher der Gattung Mensch das offene Bewußtsein und damit das des Todes verschaffte, einer gleichwohl fortwährenden animalischen Verfassung widerspricht, die es nicht erlaubt, jenes Bewußtsein zu ertragen. Dann wäre für die Möglichkeit des Weiterlebens der Preis einer Beschränkung des Bewußtseins zu entrichten, die es vor dem schützt, was es doch selber ist, Bewußtsein des Todes. Trostlos die Perspektive, die Borniertheit aller Ideologie ginge, gleichsam biologisch, auf eine Nezessität der Selbsterhaltung zurück und müßte keineswegs mit einer richtigen Einrichtung der Gesellschaft verschwinden, während freilich erst in der richtigen Gesellschaft die Möglichkeit richtigen Lebens aufginge³ 1' 388). Über diesen anthropologischen Widerspruch hinaus formuliert die Negative Dialektik VFKOLH‰OLFK Ä*OHLFKZRKO LVW GHU *HGDQNH GHU 7RG VHL das schlechthin Letzte, unausdenkbar. [«] Nicht nur die Lust, die, nach Nietzsches erleuchtetem Wort, Ewigkeit will, sträubt sich gegen Vergängnis. Wäre der Tod jenes Absolute, das die Philosophie positiv vergebens beschwor, so ist alles überhaupt nichts, auch jeder Gedanke ins Leere gedacht, keiner läßt mit Wahrheit irgend sich denNHQ³ 1'364).

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gen zu besorgen verspricht, ist es bestellt wie mit der Entführung der Tochter im DPHULNDQLVFKHQ :LW]EODWW GHU 9DWHU VHOEVW KlOW LP 'XQNOHQ GLH /HLWHU³ (DA, 164). Reflektiert sich auch die Kritische Theorie selbst in ihrem gesellschaftlichen Kontext als ± anders als der Pragmatismus ± bisher zwangsläufig wirkungslos, so gilt doch ihr genuines, praxisvermitteltes Erkenntnisinteresse der Fortführung des unvollendeten Aufklärungsprozesses mit der in der Dialektik der Aufklärung vage gehegten Hoffnung, das Blatt möge sich wenden, weil die Menschen an der erlittenen Macht der von ihnen beherrschten ± das heißt der zu bestimmten Zwecken funktionierenden und darin auch den Menschen bestimmenden ± Dinge allmählich lernen, der Macht zu entsagen (vgl. DA, 60). Dies könnten Adorno und Horkheimer auf die Nachfrage des Pragmatisten als ihr nicht nur theoretisches Interesse angeben, als ihren Zweck, zu dem die theoretische Reflexion unternommen wird und an den zu ÃgODXEHQµ auch der Pragmatist sich möglicherweise entschließen könnte. Das relevant praktische wie epochenspezifische Problem, um dessen Lösung es der Kritischen Theorie mit ihren theoretischen Mitteln geht, liegt in dem zunehmend sichtbar gewordenen Widerspruch zwischen der anwachsenden Naturbeherrschung und der ausbleibenden Emanzipation des Individuums. ± In diesem hier präsentierten, bereits mit der Dialektik der Aufklärung entwickelten Theoriezusammenhang muss die erkenntniskritische Auseinandersetzung gesehen werden, die auf eine zweite kopernikanische Wende hinaus möchte. Wenn man die oben vorgestellten Einwände Adornos gegen subjektphilosophische Theorien im Rahmen der Dialektik der Aufklärung näher formulieren will, so müssen sie allerdings in deren zivilisationstheoretischen Erklärungskontext EHUVHW]WZHUGHQGHQQYRQÄ8PZHQGXQJ³XQGÄ]ZHLWHU5HIOH[LRQ³RGHUÄ]ZHiter kopernikanischer Wende³ LVW LQ GHU Dialektik der Aufklärung noch nicht die Rede. Versucht man dies, dann zeigt sich eine ausgesprochen kohärente Theoriebildung, die vom theoretischen Konzept der Dialektik der Aufklärung bis in die Ãintimenµ Argumentationsstränge der Negativen Dialektik reicht, deren Zusammenhang mit der Aufklärungsdialektik in folgenden Worten zum Ausdruck kommt: ÄDas Negative, daß dem Geist mit der Identifizierung die Versöhnung mißlang, daß sein Vorrang mißriet, wird zum Motor seiner eigenen Entzauberung. Er ist wahr und Schein: wahr, weil nichts von der Herrschaft eximiert ist, die er auf ihre reine Form brachte; unwahr, weil er in seiner Verklammerung mit Herrschaft gar nicht der Geist ist, für den er sich hält und ausgibt. Damit transzendiert Aufklärung ihr traditionelles Selbstverständnis: sie ist Entmythologisierung nicht mehr nur als reductio ad hominem, sondern auch umgekehrt als reductio hominis, als Einsicht in den Trug des zum Absoluten sich stilisierenden Subjekts. Das Subjekt ist die späte und dennoch der ältesten gleiche Gestalt des MyWKRV³ 1', 187)

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Das Subjekt der Aufklärung, das sich der Mythologie entgegensetzt, behauptet seinen Vorrang in der Erkenntnisrelation in der Weise, dass es sein Anderes sich gleichmacht, indem es dieses entweder in seiner eigenen subjektiven Immanenz aufgehen lässt, zum Bewusstseinsinhalt inventarisiert, oder als Anderes mit der abstrakten Bestimmung identifiziert, die es nach Abzug alles subjektiv konkret Bestimmten von dem Anderen übrig lässt (als Datum, Gegebenes, als Faktum etc.). 'RFK ÄMH JUQGOLFKHU GDV 6XEMHNW QDFK LGHDOLVWLVFKHP %UDXFK GLH 1DWXU VLFK JOHLFKPDFKW GHVWR ZHLWHU HQWIHUQW HV VLFK YRQ DOOHU *OHLFKKHLW PLW LKU³ (ND, 266 f.), weil jenes sich Gleichmachen zugleich der trennende Akt des Beherrschens ist: Fremd wird alles, was nicht schon Besitz des Subjekts ist; Natur soll so sein, wie es das Subjekt ihr ± und in der kantischen Philosophie ausdrücklich ± vorschreibt. ± Der umgekehrte Fall der Mythologie, den bereits die antike Aufklärung aufzulösen versucht, besteht darin, dass der Mensch sich seinem Eigenen, nämlich seinen Projektionen auf die Naturkräfte, ihrer Anthropomorphisierung zu Göttern und Dämonen, ungleich macht. Das Anthropomorphisierte wird als fremde Macht erfahren. Allerdings wird in der Mythologie Naturgewalt auch imitiert (nicht also identifiziert), und insofern zeugt der Mythos noch ± zumindest rudimentär ± von einem mimetischen Verhältnis zur Natur. Doch sind die Naturkräfte als anthropomorphisierte bereits potentiell unter die (in diesem Vorgang aufkommende) Subjektivität gebracht; der Mythos ist somit bereits latent Aufklärung. Der Mensch wird nicht mehr vom Naturzusammenhang vollständig und unmittelbar verschlungen. In eins objektiviert und anthropomorphisiert er Natur in dieser zivilisatorischen Etappe und bildet dabei seine der Natur entgegengesetzte Subjektivität heraus. Beide, Aufklärung und Mythos, sind Epochen in einem antagonistischen Naturverhältnis. Im Mythos muss das Selbst sich jederzeit gegen fremde Gewalten erhalten, denen es jedoch bereits ein ÃGesichtµ gegeben und die es auf diese Weise objektiviert hat. Natur hat den ÃVorrangµ vor dem Menschen, dem es nicht in den Sinn kommt, durch eigenen Übermut den Zorn der Götter zu erregen, Naturgewalten herauszufordern. Um sich zu erhalten, gleicht er sich den äußeren Gewalten an. Das homerische Epos interpretieren Adorno und Horkheimer als eine frühkulturelle Überlieferung, die sich auf der Schwelle zwischen Mythos und Aufklärung gebildet hat, und das macht das Epos für eine genauere Betrachtung interessant, welche ihre Verschränkung verstehen will. In der Angleichung an die anthropomorphisierte Natur bildet und erhält sich das Selbst, tritt in dieser Angleichung jedoch zugleich in kontrollierender Distanz zu ihr. Odysseus vermag durch listige Selbstverleugnung den Zyklopen zu täuschen, und durch die bewusste Vorkehrung, sich selbst an den Schiffsmast fesseln zu lassen, entgeht er den Verlockungen der Sirenen, deren Gesang jedoch ihm nicht entgeht. Distanzierung und Kontrolle über die äußere Natur wird ermöglicht durch die Kontrolle und Distanzierung von der eigenen Natur; und so wird der mythische Zusammenhang mit der Natur durchbrochen mit der Bildung des sich distanzierenden Selbst, das sich gegen die Natur bildet und gegen sie definiert und sich zum Sub-

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jekt spiritualisierter Naturbeherrschung entwickelt. Die Distanzierung von der Natur ist bereits ein Moment von Aufklärung. Diese nun setzt die Distanzierung dergestalt fort, dass sie bewusst den Vorrang des Menschen gegenüber der Natur installieUHQZLOOÄ6HLWMHKDW$XINOlUXQJLPXPIDVVHQGVWHQ6LQQIRUWVFKUHLWHQGHQ Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren HLQ]XVHW]HQ³ DA, 19). Sie will dies durch Entzauberung, EntmythologiVLHUXQJGHU:HOWHUUHLFKHQÄ$OV*UXQGGHV0\WKRVKDWVLHVHLWMHGHQ$QWKURSomorphismus, die Projektion von Subjektivem auf die Natur aufgeID‰W³ DA, 22). Aufklärung, vor allem als fortschreitende Wissenschaft von der Natur, will sich diese gefügig machen und die Kräfte instrumentalisieren, die ehemals den Menschen in Furcht versetzten, weil er ihnen gegenüber schwach und wehrlos war, sie noch nicht planmäßig für seine eigenen Zwecke zu determinieren und zu manipulieren wusste. Was ihn subjektiv hieran hinderte, das gerade war die mythische Furcht, die sich mit der die Natur anthropomorphisierenden Projektion verband, welche das menschliche Schicksal in die Hände von Göttern, von undurchschaubaren, menschenähnlichen und dunklen Mächten legt. Die Deanthropomorphisierung der Natur, jene reductio ad hominem, die nur die andere Seite der wissenschaftlichen Objektivierung der Natur ist, stellt dementsprechend das zentrale Motiv von Aufklärung dar. Sie ist also die ± furchtauflösende ± Reflexion auf den menschlichen, projektiven Anteil an der Natur, der sich die Menschen entgeJHQVHW]HQ 6LH LVW GDV 0XVWHU GHU ÄHUVWHQ 5HIOH[LRQ³ GHU VSlWHUHQ LQWHQWLR obliqua. Das Versprechen der Aufklärung, die Befreiung von der Furcht durch Naturbeherrschung, ist anders ausgedrückt das Versprechen ebenso eines gelingenden Verhältnisses der Menschen zur Natur und zueinander; das Versprechen, dass im Gegensatz zum unaufgeklärten, mythischen, unversöhnten Naturverhältnis der Mensch sich nicht nur von den Fesseln der Natur befreit, sondern dass Natur als beherrschte statt anthropomorphisierte erst ihre menschengemäße Seite enthüllt. Es ist kurz gesagt der Traum der Aufklärung, dass das Naturverhältnis unter dem Vorrang des Subjekts gelingt. Natur hält dem ihr gebietenden menschlichen Verstand gewissermaßen die Schätze bereit, die durch ihre konsequente, entzaubernde Funktionalisierung zu menschlichen Zwecken nur noch alle gehoben werden müssen ± ihr wird ein Geheimnis ihres Funktionierens nach dem anderen durch den Verstand entlockt. Horkheimer und Adorno versuchen demgegenüber in ihrer Dialektik der Aufklärung zu zeigen, welchen Prozess die den Anthropomorphismus auflösende Reflexion mit dem Ziel der menschlichen Naturbeherrschung phylogenetisch in Gang gebracht hat. Es ist ein Prozess wachsender Entfremdung zwischen Menschen und Natur, der jene Vorstellung eines gelingenden Naturverhältnisses widerlegt und vielmehr erkennen lässt, dass Natur als Objekt der Beherrschung den Menschen nicht nur ferner rückt, sondern die ins Gigantische wachsende Apparatur dieser Beherrschung auf die Menschen selbst wie eine Naturgewalt zurückschlägt und deren alte Ohnmacht auf neuer Stufe reproduziert. Was an der knapp resümierenden Darstellung dieses Prozesses in der Dialektik der Aufklärung im

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Folgenden besonders interessieren soll, das ist die Verschränkung von Bildung und schließlich Selbsterhöhung des Subjekts, der Deanthropomorphisierung der Natur und ihrer Funktionalisierung. Diese Verschränkung funktioniert, wie sich zeigen wird, nach dem Muster der von Adorno kritisierten neuzeitlichen Epistemologie. Im ersten Kapitel der Dialektik der Aufklärung rekonstruieren Horkheimer und Adorno das neuzeitliche Konzept von Aufklärung und zeigen im historischen Zeitraffer Kontinuität und Veränderung eines Prozesses auf, der ÄPLPHWLVFKH mythische, metaphysische 9HUKDOWHQVZHLVHQ³ DA, 48) umfasst und bis zu den gesellschaftlichen Praktiken moderner, säkularisierter Gesellschaften reicht. In einer Art erhellender Montage werden diese Epochen so miteinander konfrontiert, dass die Kontinuität in Gestalt eines Fortwirkens des Naturzwangs, die Veränderung hingegen an der zunehmenden Distanzierung und Entzweiung von Mensch und Natur deutlich wird. Gezeigt wird in diesem Zusammenhang, wie die Deanthropomorphisierung der Natur mit einem wachsenden Abstraktionsgrad des Denkens verbunden ist, der in die Mathematisierung und vor allem Formalisierung des Denkens bis hin zu dessen Verselbständigung führt. Besser noch könnte man sagen: verbunden ist mit der Veränderung gesellschaftlicher Praktiken, die darauf zustreben, Natur zunehmend in Funktionszusammenhängen zu strukturieren. Herrschaft und Abstraktion hängen selbstredend unmittelbar zusammen, weil die Übertragbarkeit von einzelnen Phänomenen und Abläufen auf andere den Verfügungsradius über die Natur erweitert. Die Veränderung dieser Praktiken impliziert eine Veränderung im Verhalten der Menschen gegenüber der Natur. Ein mimetisches Verhalten, als früheste Gestalt der selbsterhaltenden Auseinandersetzung der Menschen mit der Natur, bei dem anhand der Ähnlichkeit der Zusammenhang sowohl zwischen den Naturerscheinungen untereinander als auch zwischen dem Menschen und diesen Erscheinungen gebildet wird, wird durch ein Verhalten der Menschen verdrängt, mit welchem sie sich von der Natur distanzieren. Es ist dies die Distanzierung, die mit der Beherrschung selbst gegeben ist, da diese keine Nähe duldet. Distanzierung ist zugleich Voraussetzung von Abstraktion (vgl. DA, 29). Die Menschen distanzieren sich von der Natur und können aus dieser Distanz Unterschiedenes überschauend gleichsetzen. Zugleich setzen sie ihre zweckfunktionalen, identifizierenden Bestimmungen der Naturerscheinungen an die Stelle von deren sinnlichen Qualitäten und schneiden DP (LQ]HOQHQ ÄGDV ,QNRPPHQVXUDEOH ZHJ³ DA, 28). Schließlich wird Natur YROOVWlQGLJIXQNWLRQDOLVLHUWPLWGHUÄXQLYHUVHOOHQ9HUPLWWOXQJGHP%H]LHKHQMHgOLFKHQ6HLHQGHQDXIMHJOLFKHV³ HEG GDVPLWeinander identifiziert und dabei unWHUHLQH=ZHFNUHODWLRQ JHEUDFKWZLUG Ä%H]DKOWZLUGGLe Identität von allem mit alOHPGDPLWGDVQLFKWV]XJOHLFKPLWVLFKVHOEVWLGHQWLVFKVHLQGDUI³ HEG GHQQ es ist das, was es als Mittel für anderes ist, ersetzbar durch alles, was als Mittel dieselbe funktionale Stelle einnehmen kann. Die erwähnte Veränderung des

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menschlichen Verhaltens und der menschlichen Praktiken umreißt die Dialektik der Aufklärung in folgender Passage: ÄIn der Magie gibt es spezifische Vertretbarkeit. Was dem Speer des Feindes, seinem Haar, seinem Namen geschieht, werde zugleich der Person angetan, anstelle des Gottes wird das Opfertier massakriert. Die Substitution beim Opfer bezeichnet einen Schritt zur diskursiven Logik hin. Wenn auch die Hirschkuh, die für die Tochter, das Lamm, das für den Erstgeborenen darzubringen war, noch eigene Qualitäten haben mussten, stellten sie doch bereits die Gattung vor. Sie trugen die Beliebigkeit des Exemplars in sich. Aber die Heiligkeit des hic et nunc, die Einmaligkeit des Erwählten, in die das Stellvertretende eingeht, unterscheidet es radikal, macht es im Austausch unaustauschbar. Dem bereitet die Wissenschaft ein Ende. In ihr gibt es keine spezifische Vertretbarkeit: wenn schon Opfertiere so doch keinen Gott. Vertretbarkeit schlägt um in universale Fungibilität. Ein Atom wird nicht in Stellvertretung sondern als Spezimen der Materie zertrümmert, und das Kaninchen geht nicht in Stellvertretung sondern verkannt als bloßes Exemplar durch die Passion des Laboratoriums. Weil in der funktionalen Wissenschaft die Unterschiede so flüssig sind, daß alles in der einen Materie untergeht, versteinert der wissenschaftliche Gegenstand und das starre Ritual von ehedem erscheint als schmiegsam, da es dem Einen noch das Andere unterschob. Die Welt der Magie enthielt noch Unterschiede, deren Spuren selbst in der Sprachform verschwunden sind. Die mannigfaltigen Affinitäten zwischen Seiendem werden von der einen Beziehung zwischen sinngebendem Subjekt und sinnlosem Gegenstand, zwischen rationaler Bedeutung und zufälligem Bedeutungsträger verdrängt. Auf der magischen Stufe galten Traum und Bild nicht als bloßes Zeichen der Sache, sondern als mit dieser durch Ähnlichkeit oder durch den Namen verbunden. Die Beziehung ist nicht die der Intention sondern der Verwandtschaft. Die Zauberei ist wie die Wissenschaft auf Zwecke aus, aber sie verfolgt sie durch Mimesis, nicht in fortschreitender Distanz zum Objekt.³ (DA, 26 f.)

Die Anthropomorphisierung korrespondiert mit dem Menschenähnlichen der Natur; die Deanthropomorphisierung negiert diese Ähnlichkeit, indem sie die Natur entqualifiziert und versachlicht, sie in abstrakt funktionale Beziehungen auflöst, an denen keine anthropomorphe Spur zurückbleibt. Die Deanthropomorphisierung ist also im Grunde genommen nur die andere Seite der Zurüstung der Natur zum Objekt von Manipulation. Das aber erklärt, warum die Eliminierung des menschlichen Projektionsanteils wie auch der Menschenähnlichkeit der Natur der Inthronisierung des Menschen, schließlich des sich der Natur entgegensetzenden Subjekts zum souveränen Herrscher über die Natur keinen Abbruch tut, sondern im Gegenteil mit ihr Hand in Hand geht. Immerhin läge es nahe sich vorzustellen, dass mit der Entzauberung der Welt, der Auflösung anthropomorphisierender Projektion, die Verlorenheit des Menschen in einer sinnfremden Natur in den Vordergrund tritt und sein Souveränitätsanspruch ihr gegenüber gerade gemindert wird. Doch während der Mensch schließlich aus dem kosmologischen Mittelpunkt der Schöpfung verschwindet, wird er zugleich selbst zum Schöpfer sei-

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ner Welt (bis hin zur bewusstseinsphilosophischen Fundierung transzendenten Seins). Subjektivität bildet sich, folgt man den Ausführungen der Dialektik der Aufklärung, im Maße ihrer Trennung und Entgegensetzung zur Natur als allmächtiger Souverän über die Natur heraus. In der oben zitierten Passage fahren Horkheimer und Adorno fort: ÄSie [die Zauberei ± d$@JUQGHWNHLQHVZHJVLQGHUÃ$OOPDFKWGHU*HGDQNHQµ, die der Primitive sich zuschreiben VROOZLHGHU1HXURWLNHUHLQHÃÜberschätzung der seelischen Vorgänge gegen die ReDOLWlWµ kann es dort nicht geben, wo Gedanken und Realität nicht UDGLNDO JHVFKLHGHQ VLQG 'LH Ãunerschütterliche Zuversicht auf die Möglichkeit der WeltEHKHUUVFKXQJµ, die Freud anachronistisch der Zauberei zuschreibt, entspricht erst der realitätsgerechten Weltbeherrschung mittels der gewiefteren Wissenschaft. Zur Ablösung der ortsgebundenen Praktiken des Medizinmanns durch die allumspannende industrielle Technik bedurfte es erst der Verselbständigung der Gedanken gegenüber den Objekten, wie sie im realitätsgerechten Ich vollzogen wird.³ (DA, 27)

%HKHUUVFKXQJ GHU 1DWXU XQG Ä9HUVHOEVWlQGLJXQJ GHU *HGDQNHQ³ VLQG LQVRZHLW komplementäre Vorgänge, als mit der Verselbständigung sich das Subjekt als )HVWHV$EJUHQ]HQGHVDXFK(LQKHLWOLFKHVGHPÄ'LIIXVHQGHU1DWXU³GHPÄXQWHrVFKLHGVORVHQ )OLH‰HQ YRQ /HEHQ³ 1', 20) erst entgegensetzen kann. Im Zuge der qua Naturbeherrschung wachsenden Entzweiung von Natur und Denken, der Entmythologisierung Ersterer und der Verselbständigung des Letzteren, einer Verselbständigung zugleich der die Natur instrumentalisierenden Praktiken des Identifizierens und funktionalen Beziehens, zieht das Subjekt jene Allmacht an sich, die es zuvor in der mythologisierten Natur den anthropomorphen Gestalten zusprach, in deren Bannkreis das Menschliche gefangen war. Die ± trotz seiner Abwehr gegen Anthropologie ± anthropologische wie auch erkenntniskritische These Adornos lautet, dass sich die Subjektivität mit der von ihr initiierten Aufklärung selbst zum Mythos geworden ist. Und zwar einmal in der Hinsicht, dass sie sich als eine Subjektivität versteht, die ihre Herrschaft über die Natur durch instrumentelles Handeln real und lückenlos um- und durchsetzt, zum anderen in der Weise, dass sie als Geist sich gegenüber der Natur als das Primäre setzt XQG HLQHQ ÄGHQNHULVFKHQ 7RWDOLWlWVDQVSUXFK³ DXVEildet, nach dem DOOHVÃ6HNXQGlUHµ von ihrer Einheit übergriffen und aus ihrer Immanenz lückenlos und systematisch begründet werden soll beziehungsweise alle Vorkommnisse der Natur nach einem methodisch geregelten Verfahren zu einen einzigen Zusammenhang nach Gesetzen totalisierbar sein sollen. Es LVWGHUÄ]XU]ZHLWHQ0ythoORJLH VLFK ]XVDPPHQVFKOLH‰HQGH *HLVW³ 0(, 22), der sich schon früh nach dem eigenen Identitätsprinzip bildet und die Natur selbst, damit sie seiner eigenen Totalisierung nicht entgeht, DXIGDVÃ(LQHµ als Ursprung alles Unterschiedenen zurückführt, um sich schließlich selbst als Erstes und alles in sich auflösende Einheit zu setzen, und der alles Seiende, Unterschiedene seinen methodischen

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Operationen unterwirft. Für Adorno spannt sich ein geschichtlicher Bogen des sich selbst fetischisierenden operativen Denkens, das immer mehr seine abstrakt funktionale Ordnung, wie sie in Logik und Mathematik und wissenschaftlicher Methode manifest ist, vor das Erfahrbare schiebt und immer weniger sein Anderes reflektiert, vom Eleatismus, überhaupt von der antiken prima philosophia, bis zum neuzeitlichen Szientismus und der Erkenntnistheorie eines ÄWUDQV]HQGHQWaOHQ 6XEMHNWLYLVPXV³ DOV GHQ $GRUQR +XVVHUOV 3Kilosophie kritisiert (vgl. ME, 17 ff.). Schon antike Ontologie und Mathematik, die ersten Zeugnisse methodischen und vereinheitlichenden Denkens, greifen als Wissenschaften ineinander, denn die Bestimmungen des Einen und des Vielen, des Ersten und des Folgenden, sind selbst bereits Ausdruck mathematisierten Denkens, sie wären nicht ohne die Praktiken des Zählens (vgl. ME, 17). Das methodische Denken des Szientismus, in der Neuzeit mit Bacon als Stammvater, will alle Naturerscheinungen und Ereignisse kraft der universellen Anwendbarkeit der Methode in eine systematische Ordnung bringen. Wie dieser ist auch der Gegenpol zum Szientismus, die logisch-begriffliche Systematik idealistischen Denkens, welchem die denkende Subjektivität selbst zum Fundamentalen, zum absoluten Ausgangspunkt des Wissens wird, aus der herrschaftskritischen Perspektive der Negativen Dialektik Manifestation einer Subjektivität, die in Form des totalisierenden wie auch reduzierenden Identitätsdenkens ihre Herrschaft über alles Natürliche durchzusetzen versucht. Ä(V LVW³± heißt es in Fichtes Bestimmung des Menschen ± ÄNHLQH1DWXUPHKUGXQXU du bist. ± Es erscheint mir nicht mehr, als Endzweck der gegenwärtigen Welt, dass nur jener Zustand des allgemeinen Friedens unter den Menschen und ihrer unbedingten Herrschaft über den Natur Mechanismus hervorgebracht werde, bloss damit er sey, sondern, dass er durch die Menschen selbst hervorgebUDFKWZHUGH>«@³4

In der Dialektik der Aufklärung ist nicht nur die Unzulänglichkeit einer Aufklärung thematisiert, die keinen Blick dafür hat, dass die Beherrschung äußerer Natur den Menschen die Repression ihrer eigenen Natur abverlangt und dass ÄPLW der VerOHXJQXQJGHU1DWXULP0HQVFKHQ>«@ nicht bloß das Telos der auswendigen Naturbeherrschung sondern das Telos des eigenen Lebens verwirrt und unGXUFKVLFKWLJ³ (DA, 71) wird; die Unzulänglichkeit einer Aufklärung, die nicht darauf reflektiert, dass ÄGLH ,QVWLWXWLRQHQ GLH 3UDNWLNHQ GHU %HKHUUVFKXQJ >«@ von der Unterjochung der Natur auf die Gesellschaft seit je zurückgeschlagen KDEHQ³ DA, 57) ± in den Brennpunkt gerät überhaupt das Scheitern des Primats, den das Subjekt gegenüber der Natur für sich theoretisch wie praktisch beansprucht. In der Dialektik der Aufklärung vor allem als Scheitern seiner Praxis, in welcher die Menschen von der Realität, die sie durch ihr instrumentelles Handeln determiniert haben, zunehmend beherrscht werden. Es ist ein Scheitern, das im 4

G. Fichte: Die Bestimmung des Menschen, S. 306.

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Kern darin besteht, dass die wachsende Naturbeherrschung selbst tiefer in den Naturzwang hineinführt, den Zwang, dass fortan die Menschen, um zu leben, für die blinde Erhaltung und Potenzierung der gesellschaftlichen Apparatur der Naturbeherrschung da zu sein haben, ihr gegenüber wie einst gegenüber der übermächtigen Natur ohnmächtig sind. In Adornos Metakritik der Erkenntnistheorie wird das Scheitern des theoretischen Subjektvorrangs als Scheitern ursprungsphilosophischer Theoreme reflektiert, das darin besteht, dass es dem Subjekt unablässig misslingt, ein fundamental Erstes und Unmittelbares in der Erkenntnisrelation ± sei es das transzendentale Subjekt, sei es ÃMDWHULHµÃ6WRIIµGDVÃGeJHEHQHµ± mit dem Allgemeinbegriff zu identifizieren und so wiederum in die Immanenz des Denkens (oder der Sprache) hineinzuziehen, wodurch Denken sich gerade als allübergreifend setzt, denn ÄGHU $QVSUXFK YRQ $EVROXWKHLW DOV GHU SRVLWLY HUUHLFKWHU ,GHQWLWlW YRQ 6XEMHNW XQG 2EMHNW³, LVW Ä1LHGHUVFKODJ GHV VXEMHNWLYHQ 7RWDOLWlWVDQVSUXFKV³ 1' 170). Dementsprechend zeigt auch die transzendentale Erkenntnistheorie das Scheitern des subjektiven Primats: Ä.HLQH0DWHULHLVWYRQGHQ)RUPHQDE]XVRQGHUQ'HQQRFKDEHULVWGLH)RUPHLnzig als Vermittlung der Materie. In solchem Widerspruch drückt Einsicht in die Nichtidentität, die Unmöglichkeit sich aus, in subjektiven Begriffen ohne Überschuß einzufangen, was nicht des Subjekts ist; schließlich das Scheitern von ErkenntnLVWKHRULH VHOEHU³ (ME, 152)

Und es ist ± wie dann die Negative Dialektik in einer weit ausgreifenden Perspektive ausführt ± das Scheitern eines Identitätsdenkens, das die Identität dessen behauptet, was es miteinander identifiziert, sowohl als Identität des Verschiedenen wie auch als Identität zwischen Denken und Natur, und das auf diese Weise für GLH Ä$OOKHUUVFKDIW GHV GHQNHQGHQ 6XEMHNWV³ 1' 169) steht. Was also, zum Pragmatismus gesprochen, nicht funktioniert, ja auf grundsätzliche Weise scheitert, das ist das anthropozentrische ± und deshalb noch weiterhin zu entmythologisierende ± Verhalten, das Natur ausschließlich vom Subjekt her versteht, ausschließlich von seinen naturbeherrschenden Praktiken in Gestalt des Identifizierens und Totalisierens, das anders gesagt sich die Natur gleichmacht. Sein Verhältnis zu ihr bleibt daher ein antagonistisches. Vor diesem Hintergrund lässt sich die oben zitierte Passage aus der Negativen Dialektik jetzt genauer verstehen: Ä'D‰ GHP *HLVW PLW GHU ,GHQWLIL]LHUXQJ³ der Subsumierung des Verschiedenen unter den Begriff und damit ebenso der Identifizierung des Verschiedenen mit den Denkbestimmungen, ÄGLH9HUV|KQXQJ mißlang, dD‰VHLQ9RUUDQJPL‰ULHWZLUG³± so war zu lesen ± Ä]XP0RWRUVHLQHU eigenen Entzauberung. Er ist wahr und Schein: wahr, weil nichts von der HerrVFKDIW H[LPLHUW LVW³ ± also alles vom identifizierenden Denken der Menschen auch praktisch determiniert wird ±, ÄGLHHUDXILKUHUHLQH)RUPEUDFKWH³nämlich

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die der Identität, Äunwahr, weil er in seiner Verklammerung mit HerrVFKDIW³deren AusGUXFNGLH,GHQWLIL]LHUXQJLVWÄgar nicht der Geist ist, für den er sich hält XQG DXVJLEW³ HU IROJW QlPOLFK VHOEVW dem naturhaften Mechanismus der Selbsterhaltung, statt ± wie es sein Vorrang behauptet ± unabhängig von Natur zu sein. 0LW MHQHU Ä(QW]DXEHUXQJ WUDQV]HQGLHUW $XINOlUXQJ LKU WUDGLWLRQHOOHV 6HOEVWYHrständnis: sie ist Entmythologisierung nicht mehr nur als reductio ad hominem, sondern auch umJHNHKUWDOVUHGXFWLRKRPLQLV³± entmythologisiert wird die Reduktion durch den Menschen: Nichts anderes aber bedeutet jene bereits ausführOLFK EHKDQGHOWH Ä8PZHQGXQJ³ KLHU QXQ DXV HLQHU ]LYLOLVDWLRQVJHVFKLFKWOLFKHQ Perspektive betrachtet. ± Dass, wie es dann weiter heißt, das Subjekt die späte und dennoch der ältesten gleiche Gestalt des Mythos sei, dürfte sich nun gleichfalls geklärt haben. Die älteste Gestalt des Mythos ist die, dass der trugvoll projizierende Mensch selbst es ist, der die Natur zu einer unausweichlichen Übermacht mythisiert. Die späte Gestalt des Mythos liegt darin, dass nun auch wieder nur der trugvoll projizierende Mensch selbst es ist, der sich als Subjekt zur alles Natürliche beherrschenden Macht mythisiert. Unter einem geschichtsphilosophischen Gesichtspunkt liest sich daher die Dialektik der Aufklärung wie auch die Negative Dialektik als eine Diagnose der Krisis des Subjekts, das an seinem eigenen Herrschaftsanspruch scheitert, ohne auf diesen selbst und die Hintergründe dieses Scheiterns aufklärend zu reflektieren. Stattdessen versucht es in permanenter Anstrengung, seinen eigenen Anspruch durch forcierte Beherrschung einzulösen. Es gleicht jener tragisch eifrigen Comicfigur, die das in ihr Boot eindringende Seewasser unter Kontrolle bringen will durch das Bohren von Abflusslöchern und die den durch die neuen Löcher stets mehr eindringenden Wassermassen entsprechend immer schneller und versessener neue (Abfluss-)Löcher bohrt. Doch der IdentitätsansSUXFK GHV 'HQNHQV SUlJW ÄDOV =DXEHUNUHLV³ DXFK GLH dialektische Kritik an ihm, welche ein negativ dialektisches Denken durchführt, das an jeder partikularen Erkenntnis die Nichtidentität zwischen Begriff und dem unter ihm BefassWHQ DXI]HLJW ÄGHQ 6FKHLQ DEsolXWHQ :LVVHQV³ 1' 398): als würde die bestimmte Negation des subjektiven Identitätsanspruchs das positive Resultat haben, dass das Andere des Denkens, an das die Metaphysik heranzureichen meinte, doch noch, nur eben auf Umwegen, von diesem übergriffen wird. Führt die kritische Reflexion auf den Absolutheitsanspruch des Subjekts, auf die behauptete Identität zwischen der Totalität der Denkbestimmungen und dem Absoluten, zur Negation dieses Anspruchs, so hat sie doch kein positives Resultat jenseits dieser Bestimmung. Erkenntniskritisch heißt dies: Die Kritik am Anspruch auf Identität zwischen dem Begriff und dem, worauf er sich bezieht, wird nicht vom positiven Wissen des Nichtidentischen her vollzogen, dieses bleibt negativ. Ganz anders ließe sich auch formulieren: Die Kritik an der erkenntnistheoretischen adaequatio wird nicht vom positiven Wissen eines Nichtsubjektiven und von dem mit den Denkbestimmungen Inkommensurablen her als der Wahrheit an sich vollzogen, sondern vom jeweiligen Zerbrechen positiver Setzung des

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Wahren, der Identität zwischen dem Denken und dem, worauf es sich bezieht. Wie Adorno am Ende der Negativen Dialektik herausstellt, ist es an der Selbstreflexion der Dialektik, jenen Zauberkreis selbstkritisch im Blick zu behalten und ÄHEHQ GDULQ 1HJDWLRQ GHU 1HJDWLRQ ZHOFKH QLFKW LQ 3RVLWLRQ EHUJHKW³ (ND, 398), zu sein. In dieser Hinsicht ist die Negative Dialektik eine entmythologisierende Reflexion auch auf die ÃpRVLWLYHµ Dialektik, die das Subjekt-Objekt als Subjekt zum Resultat hatte. Es hieß, dass das Scheitern des Vorrangs des Subjekts zum Ä0RWRUVHLQHUHLJeQHQ (QW]DXEHUXQJ³ ZLUG 'DULQ GUFNW VLFK DXV dass die Aufklärung, dass der Entmythologisierungsprozess dialektisch noch in einer anderen Hinsicht als der bisher angegebenen ist, in welcher das Emanzipatorische der Aufklärung sich mit dem rückläufigen Moment so verschränkt, dass es durch Letzteres sogar zurückgenommen wird. Umgekehrt wächst nämlich mit dem negativen Moment auch die Möglichkeit einer progressiven Wendung, die reale Alternative zur ebenso UHDOHQ 0|JOLFKNHLW GHU ÄWHOOXULVFKHQ .DWDVWURSKH³ %HUHLWV LQ GHU Dialektik der Aufklärung wurde DOV Ä9RUDXVVHW]XQJ GHU $EVWUDNWLRQ³ DOVR GHV LGHQWLIL]LHUHnden Denkens, der Bildung des Begriffs als Instrument der Herrschaft, die Distanzierung von der Natur hervorgehoben (vgl. DA, 29). Ä'LH0HQVFKHQGLVWDQ]Leren denkend sich von der Natur, um sie vor sich hinzustellen, wie sie zu beherrschen LVW³ DA, 56). In dieser Distanzierung erfüllt sich eine Bedingung sowohl der Herrschaft als auch der Emanzipation. Ä:DKUQHKPXQJ /LVW )UHVVHQ VLQG HLQHUOHL XQWHUP =ZDQJ GHU DXI GHQ 6XEMHNWORVHQ schwerer noch lastet als auf den Subjekten. List muß sich verselbständigt haben, damit die Einzelwesen jene Distanz vom Fressen gewinnen, deren Telos das Ende der HerrVFKDIWZlUHLQZHOFKHU1DWXUJHVFKLFKWHVLFKSHUSHWXLHUW³ 62, 768)

Distanzierung ist nicht nur Voraussetzung der spiritualisierten Naturbeherrschung, des begrifflichen Determinierens der Natur, sondern ebenso der Reflexion. Diese ist das die Naturbeherrschung übersteigende Moment des Begriffs, des abstrahierenden Denkens selbst, wie es in Kapitel 6 bereits angesprochen wurde. Das begriffliche Denken muss, um überhaupt etwas determinierend zu treffen, sich zugleich auch in einem konstitutiven Bezug zum Nichtbegrifflichen befinden. Darin bereits liegt das Potential des Denkens, seinem Gegenstand Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und die Wunde zu heilen, die es ihm selbst zufügt, indem es das Nichtidentische an ihm wegschneidet (vgl. ND, 62). Die Selbstkritik des identifizierenden Denkens ist daher gerade keine totalisierende Begriffswie Vernunftkritik. Den Aufklärungsprozess denkt Adorno daher als einen Prozess der Reflexion, die sich vom Zweck der Herrschaft emanzipiert und Selbstbesinnung wird (vgl. DA, 57 f.). Diese ist erst und nur dem begrifflichen Denken möglich. Die erste Reflexion der Aufklärung führt entmythologisierend die anthropomorphe Vergegenständlichung auf Subjektivität zurück; diese Reflexion

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ist noch keine von Herrschaft befreite, vielmehr affirmiert sie den Vorrang des Subjekts und macht diesem erst die Bahn für seine Selbstinthronisierung frei. Die zweite Reflexion durchschaut den Trug eines sich verabsolutierenden Denkens und entmythologisiert das Subjekt, weil sie Reflexion nicht nur auf dessen Herrschaft über die Natur ist, sondern auch auf das Misslingen dieser Herrschaft und auf die Selbstmythisierung als Naturbefangenheit. Am Misslingen erfährt das Subjekt den Einspruch gegen seine Selbstüberschätzung von der Objektseite her, wird es seiner Angewiesenheit auf Natur inne. Denkt Adorno auch verächtlich über jegliche Anthropologie, weil sich nicht ± den Totalitätsanspruch des Denkens auf den Menschen selbst ausdehnend ± sagen lasse, was der Mensch sei (vgl. ND, 130), so sind Distanz und Reflexion dennoch anthropologische Schlüsselmotive der Aufklärungsdialektik, die keineswegs den direkten Gang in die Zivilisationskatastrophe beschreibt. Wäre die distanzierende Reflexion keine den Menschen auszeichnende Fähigkeit, die nicht anders als die verbale Sprache einen Sprung in der Evolution indiziert (und zu fragen wäre, ob beide nicht als gleichursprüngliche zusammengehören), so käme überhaupt keine Dialektik der $XINOlUXQJLQ*DQJGHU0HQVFKZlUH ÄVXEMHNWORV³VLFKVHOEst erhaltend innerhalb vollständiger Naturverschlungenheit, einer Ungeschiedenheit, die keine ursSUQJOLFKH (LQKHLW YRQ 6XEMHNW XQG 2EMHNW ZlUH VRQGHUQ ÄGHU 6FKUHFNHQ GHV blinden NaturzuVDPPHQKDQJHV³ 62, 743). Die Distanzierung ist nicht nur eine notwendige Bedingung der Beherrschung und der Verdinglichung, sondern ebenso Bedingung von Emanzipation. 5 Weil das Denken als sich von der Natur dis5

Es ist deshalb falsch, von der Kritischen Theorie einen normativen Maßstab zu fordern als Bedingung ihrer Kritik an bestehenden Herrschaftsverhältnissen (vgl. J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Band 1, S. 502 f.). Die Kritik von Habermas an der frühen Kritischen Theorie, die das Fehlen des Ausweisens dieses Maßstabes als deren zentrale Schwäche behauptet, verfehlt geradezu die Konzeption der Dialektik der Aufklärung, die einen Reflexionsprozess nachzeichnet, der bis zum Reflexivwerden der Naturbefangenheit des Denkens reicht, das heißt bis zu einer frei reflektierenden, ihre eigene Befangenheit begreifenden und sie damit transzendierenden Vernunft, die von der Kritischen Theorie selbst gleichsam ins Leben gerufen werden soll. Sie ist noch nicht lebensweltlich verankert, dennoch resultiert die Idee einer solchen Vernunft aus der Negation der mit Herrschaft verfilzten Rationalität. Warum, nach der These von Habermas, ein positiver Vernunftmaßstab bereits vorausgesetzt werden muss, um die Kritik an der subjektiven Vernunft überzeugend vollziehen zu können, bleibt unklar. Habermas schneidet die Konzeption der frühen Kritischen Theorie auf die Alternative von objektiver und subjektiver Vernunft zu und behauptet, die Autoren der Dialektik der Aufklärung würden aus der virtuellen Perspektive der theoriegeschichtlich zerfallenen objektiven Vernunft die beschränkt subjektive kritisieren, könnten deshalb aber keinen eigenen positiven Vernunftbegriff entwickeln und in Anspruch nehmen, was wiederum Ausdruck ihrer Gefangenheit im subjektphilosophischen Paradigma sei, das keine Alternative zur subjektiven Vernunft zulasse. ± Es ist nicht Absicht dieser Arbeit, die Idee einer reflektierenden Vernunft, die Adorno und Horkheimer in Anspruch nehmen, im Einzelnen zu rekonstruieren. Deshalb sei zur vernunfttheoretischen Debatte nur so viel gesagt: In der konzeptionellen Verengung, der Habermas mit seiner alternativlosen Gegenüberstellung von objektiver und subjektiver Ver-

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tanzierendes, deren Zwang transzendierendes ± nicht aber sich verselbständigendes ± Denken gleichwohl aus dem Naturzusammenhang nicht herausfällt, verstehen Horkheimer und Adorno den Umschlagspunkt von der bis tief in die Epistemologie hineinreichenden Naturbefangenheit zur Distanzierung auch als ein spezifisches Verhältnis der Natur zu sich, die sich von sich selbst abstößt, dergestalt, dass GHU*HGDQNHÄDXVGHP%DQQHGHU1DWXUKHUDXVWULWWLQGHPHUDOVGHUHQHLJenes Erzittern vor ihr seOEVWVLFKEHNHQQW³ '$ 58) ± ein Verhältnis des HerausWUHWHQVDQZHOFKHPVLFKTXDÄ(U]LWWHUQ³PLWGHUQDWXUWUDQV]HQGLHUHQGHQ]XJOHLch die somatische Seite des (anscheinend wie real verselbständigten) kognitiven Naturverhältnisses bekundet, das weder monistische noch dualistische Erkenntnismodelle überzeugend beschreiben. Was den Schrecken der Natur erfährt, ist selbst Natur. In der Dialektik der Aufklärung entwickeln Horkheimer und Adorno, resümierend gesprochen, die destruktive Dynamik des Zusammenhangs von Naturbeherrschung ± bei welcher immer auch der emanzipatorische Impuls der Befreiung des Individuums vom Naturzwang mitzudenken ist ± und Naturverfallenheit, über die sich die emanzipatorische Reflexion auf diesen Zusammenhang erhebt, die mit der Distanzierung des Denkens ermöglicht wird, der bereits die Naturbeherrschung als Fähigkeit bedarf. In der Negativen Dialektik sodann ist es vor allem der Doppelcharakter des Begriffs, neben dem beherrschenden Aspekt der Identifikation auch den erkenntnisutopischen aufzuweisen, statt die Realität identifizierenderweise zu determinieren immer auch reflektierenderweise vom Nichtbegrifflichen her geprägt zu sein, wobei dieses Geprägtsein gerade zur Ermöglichungsbedingung des Identifizierens selbst gehört, unter den Bedingungen angestrebter Naturbeherrschung jedoch noch nicht zur Entfaltung gelangen kann. Die utopische Möglichkeit des Begriffs eröffnet sich überhaupt erst mit der Selbstreflexion des naturbeherrschenden, identifizierenden Denkens, das seine konstitutive Bezogenheit auf Nichtbegriffliches und damit seine eigene Fähigkeit entdeckt und ausbildet, sich vom Erkenntnisgegenstand prägen zu lassen; keinesfalls jedoch dadurch, dass es zu einer früheren, fiktiven Einheit von Subjektivität und Natur zurückzukehren versucht. Das vielfach variierte Motiv einer emanzipatorischen Reflexion, die, in der Naturbeherrschung selbst angelegt, über deren Zwang hinausführt, formuliert Adorno schließlich in seinem Aufsatz Fortschritt

nunft die frühe Kritische Theorie unterwirft, spiegelt sich die subjektphilosophische Engführung selbst wider, die als einzige Alternative zur intentio recta die intentio obliqua kennt und nicht auch die Alternative zu Letzterer als die weitere Reflexion auf die intentio obliqua; die also allein die Alternative zwischen unreflektiertem Realismus und Subjektzentrierung kennt. Folgerichtig kann Habermas ± wie bereits erwähnt ± das Naturverhältnis der kommunizierenden Vernunftsubjekte wieder nur als subjektzentriertes Verhältnis der Naturbeherrschung zu subjektiven Zwecken verstehen.

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als Dialektik des Fortschrittsbegriffs und der von Kant rekonstruierten Vernunft, der sich der reale Fortschritt verdankt. Ä'LDOHNWLVFKLPVWUHQJHQXQPetaphorischen Sinn, ist der Begriff des Fortschritts darin, daß sein Organon, die Vernunft, eine ist; daß nicht in ihr eine naturbeherrschende und eine versöhnende Schicht nebeneinander sind, sondern beide all ihre Bestimmungen teilen. Das eine Moment schlägt nur dadurch in sein anderes um, daß es buchstäblich sich reflektiert, daß Vernunft auf sich Vernunft anwendet und in ihrer Selbsteinschränkung YRP'lPRQGHU,GHQWLWlWVLFKHPDQ]LSLHUW³6

Dementsprechend ist es das Reflexionslose seines Vollzugs, durch welches diskursives 'HQNHQ GDV DQ VHLQHU ÄHLJHQHQ *HVHW]OLFKNHLW VLFK JHQXJ VHLQ³ (ND, 144) lässt und sich formalisiert, wiederum irrational wird. Deshalb erweist sich der im vorangegangenen Kapitel dargestellte Abstraktionsprozess der Subjektivierung, seinerseits im Bann der unreflektierten intentio obliqua mit dem Resultat eines bestimmungslosen Substrats als des der Subjektivität entgegengesetzten Erkenntnispols, nicht als die Rationalisierung der Erkenntnis, die die neuzeitliche Epistemologie geleistet zu haben vorgibt. Ä5DWLRVFKOlJWLQ,UUDWLRQDOLWlWXPVREDOGVLHLQLKUHPQRWZHQGLJHQ)RUWJDQJYHUNHQQW daß das Verschwinden ihres sei¶s noch so verdünnten Substrats ihr eigenes Produkt, Werk ihrer Abstraktion ist. Wenn das Denken bewußtlos seinem Bewegungsgesetz folgt, wendet es sich wider seinen Sinn, das vom Gedanken Gedachte, das der Flucht der subjektiven Intentionen Einhalt geELHWHW³ 1', 152)

Wenngleich das Rettende der Aufklärung mit der wachsenden Gefahr ihres regressiven Moments nicht ausbleibt, weil die mit der Realität konfligierende, selbstverblendete Subjektivität zur Selbstbesinnung gedrängt wird, das heißt zur Entwicklung einer Fähigkeit, die im Herrschaftsdenken selbst bereits angelegt ist, so ist doch abermals zu sehen, wie Adorno den gleichfalls mit der Naturbeherrschung entlassenen, zu solcher Rettung gegenläufigen Prozess genauer versteht und worin er dasjenige sieht, was objektiv jene Besinnung blockiert. Ungeachtet der geistigen Atmosphäre eines geschichtsphilosophischen Pessimismus, von welchem die Kritische Theorie nicht frei ist und dem sich in der Negativen Dialektik, GLHVLFKHLQHPÄQHJDWLYHQ*DQ]HQ³ 1', 370) entgegensetzt, der Horizont ÄVFKZDU]YHUKlQJW³ 1', 281), wird man den fragmentarisch angelegten Versuch Horkheimers und Adornos, den Aufklärungs- und Zivilisationsprozess zu rekonstruieren, vielleicht am ehesten dann verstehen, wenn man sich vor Augen führt, wie die Autoren diesen Prozess gerade in seiner komplexen Ambivalenz, seiner inneren Widersprüchlichkeit, ja als eigenes und einziges Spannungsfeld auszulegen versuchen, das die Bewegung hin zur Katastrophe ebenso wie die zu einer Menschheit ohne Not in sich zusammenhält. Für das Verständnis jenes gegenläu6

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 10.2, S. 626 ff.

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figen Prozesses ist die bereits unter erkenntniskritischem Gesichtspunkt von Adorno thematisierte Einheit von Subjektivierung und Verdinglichung zentral. Diese lässt sich im Hinblick auf den geschichtlichen Prozess der praktischen Auseinandersetzung der Menschen mit der Natur, den Marx noch nach dem Modell einer historischen Dialektik dachte, auch als eine negative historische Dialektik verstehen. Positiv war das marxsche Modell insofern, als die Menschen sich in ihrer geschichtlichen Umgestaltung der Natur durch produzierende Tätigkeit, durch Arbeit, zwar zunächst entäußern, denn ihrHHLJHQH7lWLJNHLWÃHrOLVFKWµ in einem von dieser Tätigkeit losgelösten Arbeitsprodukt, über dessen Austausch die Menschen sich vergesellschaften, so dass ihnen die Produkte ihrer Tätigkeit in toto als äußere Macht gegenübertreten und ihnen ihr gesellschaftliches Verhältnis als Wirkungszusammenhang von Dingen erscheint. Doch zum einen bilden die Menschen in dieser Entäußerung ihre ± wenngleich noch heteronom bestimmten ± Fähigkeiten aus, zum anderen kann zumindest diese Macht und Fremdheit dem Produzierten prinzipiell auch wieder genommen werden durch die gesellschaftlich bewusste, solidarisch organisierte Produktion des materiellen Reichtums wie auch seiner Distribution. Und so stellt sich diese Entäußerung als historisches Durchgangsstadium in der Aneignung der Natur dar, sieht man sie aus der Perspektive einer politisch zu erkämpfenden Wiederaneignung der selbstbestimmten Tätigkeit und des Produzierten im Sinne der solidarischen Teilhabe am materiellen Reichtum. Doch mit diesem Produktionsparadigma, der Idee einer Selbstkonstituierung der Menschheit durch Arbeit, folgt auch Marx dem subjektphilosophischen Mainstream, der jetzt lediglich sein idealistisches Gewand abwirft. Er KDWÄGDV3URJUDPPDEVROXWHU1DWXUEHKHUUVFKXQJHLQ8UErgerliches, unterschrieben³(ND, 242). Wenn Habermas das marxsche Modell kritisiert, so steht bekannterweise das Produktionsparadigma im Zentrum, die Reduzierung der menschlichen Tätigkeit auf Arbeit, und damit die Ausblendung der für die gesellschaftliche wie kulturelle Reproduktion basaleren Tätigkeit des kommunikativen Handelns, dessen theoretische Rekonstruktion das Paradigma der Subjektphilosophie sprengen soll. 7 Vor genau diesem Hintergrund nun lässt sich erneut und nochmals anders beleuchten, wie Adornos Kritik an der Subjektphilosophie beschaffen ist, die auf jenes negative Moment reflektiert, das der emanzipatorischen Selbstreflexion entgegensteht und den geschichtlichen Horizont einschwärzt. In seinen bereits erwähnten Vorlesungen zu Kants Kritik der reinen Vernunft weist Adorno auf die Antinomie des Naturverhältnisses der Moderne hin, die sich zugespitzt ± und jetzt in einem praxistheoretischen Kontext gesehen ± so formulieren lässt, dass dadurch, dass die Menschen zunehmend mehr die Natur ihrer produzierenden Tätigkeit unterwerfen und sie erfolgreich zum Konsumund Gebrauchsobjekt umwandeln, was die Subjektivität in ihrer Selbstzentrierung als Werkmeister der Welt bestätigt, die Natur immer mehr zu etwas Ding7

Vgl. J. Habermas: Erkenntnis und Interesse, S. 59 ff.

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haftem geprägt wird, von dem die Subjektivität selbst wiederum nicht ungeprägt EOHLEW1DWXUÄwird ± dadurch, daß das Lebendige nur beim Subjekt steht ±, je lebendiJHUGDV6XEMHNWZLUGHLJHQWOLFKLPPHUPHKU]XHWZDV7RWHP³ 8, und damit immer weniger zur Quelle einer Erfahrung, welche, wie noch die metaphysische, das subjektive Prinzip selbst in Frage stellen und anstelle der Herrschaft die Versöhnung vorscheinen lassen könnte. Die schwindende Möglichkeit metaphysischer Erfahrung dürfte Adorno deshalb nicht allein auf die krasse Inkompatabilität von Auschwitz mit einem möglichen Sinn von Geschichte zurückführen, sondern auch darauf, dass Natur im gesellschaftlichen Produktionsprozess zunehmend zu einer dem lebendigen Subjekt fremden geprägt wird, das an ihr wiederum kaum mehr etwas gewahrt, das subjektive Bestimmungen transzendiert. Die Menschen entwickeln mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten sich selbst im Prozess der instrumentellen Umgestaltung der Natur. Doch die fortschreitende Prägung der Natur zu einer toten, zum Objekt von Aktivität, und die Akkumulation der ins Dinghafte umgewandelten Natur, die Totalisierung einer zweiten Natur (als der umgestalteten ersten) zu einem funktionalen Zusammenhang von Dingen, von Gebrauchsobjekten, den Produkten und Mitteln der Naturbeherrschung ± dieser Prozess führt dazu, dass die Menschen mitsamt ihren emanzipatorischen Möglichkeiten zunehmend selbst von der toten Natur gebannt werden. Dies allerdings erst ab einem bestimmten Punkt und unter spezifischen Voraussetzungen, die in der Dialektik der Aufklärung als die Verkehrung der Zweck-MittelRelation der instrumentellen Aneignung der Natur, die Ä)HWLschisierung des MitWHOV³ '$, 142), beschrieben werden. Zweck der Naturbeherrschung ist nicht, ÄYRQGHQ0HQVFKHQGLH)XUFKW]XQHKPHQ³vor einer bedrohlichen Natur mittels deren Manipulation. Zweck ist die Naturbeherrschung als solche, was sich in der grenzenlosen Perfektionierung und Steigerung ihrer Mittel ausdrückt. Es ist soGDQQGLH PDWHULHOOH Ä3URGXNWLRQDOV 6HOEVW]ZHFN³ 1', 301), die sich in der industriellen Tauschgesellschaft vollständig durchgesetzt hat, durch welche die Akkumulation des Toten gewissermaßen erst ihren historischen Drive bekommen hat. Sie muss freilich auf die Tauschgesellschaft nicht beschränkt sein, denn die Ä(QWIHVVHOXQJGHU3URGXNWLYNUlIWH³LVWEHUKDXSWGLHÄTat des naturbeherrschenGHQ*HLVWHV³ HEG VLHEH]HXJWGHQ$QVSUXFKGHV6XEMHNWVDXIVHLQH9RUUDQJLgkeit. Die Subjektphilosophie ist denn auch untrennbar vom Produktionsparadigma im Hinblick auf das Naturverhältnis, vom Machen als Bestimmung des Menschen. Im Hinblick auf die Bedingungen der Intersubjektivität mag dieses ParaGLJPDKDQGOXQJVWKHRUHWLVFKQLFKWJUHLIHQ'LHÄ(QWIHVVHOXQJ³GHU3URGXNWLYNUlfte ist aber durchaus vereinbar mit einer kommunikationstheoretischen und hermeneutischen Kritik am Produktionsparadigma. Auch eine verständigte Menschheit könnte sich zu einer riesigen Aktiengesellschaft zur Ausbeutung der Natur vereinen.

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Th. W. Adorno: .DQWVÄ.ULWLNGHUUHLQHQ Vernunft³, S. 175.

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Das, was die Kritik Adornos am Produktionsparadigma vor allem beleuchtet, ist dies, dass das Subjekt durch seine Herrschaft über die Natur, seinen Primat ihr gegenüber, nicht nur, wie heute niemand mehr übersehen kann, seine natürlichen Lebensgrundlagen zerstört, sondern dass es sich überhaupt auf diese Weise selbst verfehlt, dass es ein fulminantes Selbstmissverständnis ist, erst mit vollkommener Naturbeherrschung würde sich die Menschheit allmählich zu dem Ihren entwickeln als zu dem, wozu sie als klügste Gattung berufen ist, und erst mit der Nutzbarmachung gewaltiger, heliumgleicher Energiequellen würde irgendwann die Not jedes Menschen abgeschafft werden können. Die Selbstverfehlung liegt zunächst darin, dass die Macht der Menschen über die Natur zur Macht der Dinge, durch welche sie ihre Naturbeherrschung ausüben, über die Menschen wird. Die Einzelnen werden objektiv nichtig gegenüber dem gewaltigen Getriebe, bei dessen Konstruktion sie sich verausgabt haben und das nun auch ohne die je Einzelnen funktioniert. In den Worten Horkheimers: Ä'LH0DVFKLQHKDWGHQ3LORWHQDEJHZRUIHQ³9 In ihrer durchrationalisierten Wirklichkeit werden die Menschen in den Funktionszusammenhang von Dingen eingespannt, der allein für sie da zu sein scheint, weil an ihm ihre eigene Selbsterhaltung hängt. Sie werden zunehmend von der akkumuliert toten, im unmetaphorischen Sinne verdinglichten Natur subjektiv wie objektiv gebannt (vgl. ND, 191). 1DFKGHQ:RUWHQYRQ.DUO.UDXVOLHJWDP(QGHÄHLQHWRWH0HQVFKKHLW neben ihren Werken, die zu erfinden ihr so viel Geist gekostet hat, daß ihr keiner PHKUEULJEOLHEVLH]XQW]HQ³10 ± für sich zu nützen, für ihren Fortschritt zur Humanität. ± Mit dem maßlosen Anwachsen der materiellen Produktion wird die Subjektivität also zu dem, was sie als unentwegt tätige, als Agent einer Menschheit, die mit Fahne und Kamera auf ihrem erdumkreisenden Trabanten landet, im Unterschied zur Natur gerade nicht zu sein meint: zum bloßen Reagens auf die funktionierenden Dinge wie überhaupt auf den Funktionszusammenhang von Dingen, welche die Bahnen des Denkens und Handelns vorzeichnen und denen die Subjekte mit der vermeintlichen Freiheit dessen folgen, der, indem er alles bedienen kann, zum Diener von allem wird. Aus der Perspektive der Kritischen Theorie verfehlt sich das neuzeitliche Subjekt der Aufklärung vor allem deshalb, weil die Natur als tote zu einer dem herrschenden Subjekt gegenüber immer fremderen wird und damit auch die nicht subjektive Quelle seiner Lebendigkeit versiegt, kraft derer es seine Andersheit gegenüber der passiven Natur seit je bestätigt fand. Überspitzt formuliert, mündet die blindläufige Beherrschung der Natur, in welcher der Mensch dieser immer mehr auf den Leib rückt, ihr alles zur eigenen Erfüllung entreißen will, in eine M. Horkheimer: .ULWLNGHULQVWUXPHQWHOOHQ9HUQXQIW6'RUWKHL‰WHVDXFKÄ-H intensiver das Interesse eines Individuums an der Macht über Dinge ist, desto mehr werden die Dinge es beherrschen, desto mehr werden ihm die wirklich individuellen Züge fehlen, desto mehr wird sein Geist sich in einen Automaten der formalisierten 9HUQXQIWYHUZDQGHOQ³ 10 K. Kraus: Untergang der Welt durch schwarze Magie, S. 9.

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pathische Fremdheit zwischen ihr und der Subjektivität. Wenn von Dialektik im historischen Sinne die Rede ist und sie den Prozess wechselseitiger Entfaltung von Mensch und bearbeiteter Natur meint, dergestalt, dass das Objekt subjektiver Tätigkeit immer schon durch diese Tätigkeit vermittelt ist, Subjektivität sich selbst aber nicht aus einem metaphysischen Prinzip, sondern allein in der aneignenden Umgestaltung der objektivierten Natur entwickelt, dann ist im Unterschied zu diesem latent harmonistischen Modell die Entäußerung des Menschen, trotz der enormen Ausdifferenzierung seiner Tätigkeit, in der beschriebenen Weise einer permanenten Selbstverfehlung qua Steigerung der Naturbeherrschung kein historisches Durchgangsstadium, das nur der Aufhebung im geschichtlich befreiten, allseitig entwickelten Individuum als dessen Vorbedingung bedarf, sondern ein Prozess des sich wiederholenden und unentwegt anwachsenden (Natur-)Banns über die Subjektivität, die diesen nicht ohne Weiteres zurückzunehmen vermag und demgegenüber ihre Ohnmacht wächst: eine historische Dialektik negativer Art. Ein Ausdruck weniger der List der Vernunft als eher der List des Vernunftlosen in Gestalt der blinden Natur. Eine Problematik, die mit dem kommunikationstheoretischen Paradigmenwechsel allein nicht aufzulösen ist. Bisher wurden mit der Fähigkeit zur Distanzierung vom Unmittelbaren und der Selbstbesinnung der Subjektivität auf ihre eigene mythische Zentrierung die Leistungen des Subjekts angesprochen, mit denen es aus Sicht der Kritischen 7KHRULH VLFK DXV GHP %DQQ GHU 1DWXU XQG GHP Ä)XQNWLRQV]XVDPPHQKDQJ³ ]X dem die Welt unter dem Primat des Subjekts geworden ist, lösen könnte, indem es sich selbst als Teil dessen erkennt, dem gegenüber es seinen Vorrang beansprucht und das es beherrscht, nämlich Natur. Das Subjekt, das mit seiner Herrschaft die Fähigkeit zur ± kritisch wendbaren ± Distanzierung gegenüber der Dingwelt und potentiell auch gegenüber sich selbst erworben hat, prägt zugleich jedoch die Natur qua Herrschaft zu einer auf ihm lastenden Dingwelt von einer Unmittelbarkeit gleich derjenigen Naturgewalt, von der sich das aufklärende Subjekt emanzipieren wollte. Das behindert wiederum zugleich die Selbstbesinnung, verringert die Möglichkeit, dass der Gedanke, mit Adorno gesprochen, Atem schöpft. Sowie in den Dingen die Menschen nur noch ihre sie selbst bindenden, ihr eigenes Denken und Tun bestimmenden instrumentellen Bestimmungen antreffen, sie in den Funktionskreis instrumentellen Handelns selbst funktional eingegliedert sind, schließt sich der Kreis von subjektiver Herrschaft und objektivem Beherrschtwerden, aus dem sie nur so schlecht entrinnen können wie einst aus ihrer Verschlungenheit im Kreislauf der Natur. Der dem Fluch der Götter entronnene Mensch sollte nicht auf den falschen Knopf drücken, muss sein Geld richtig anlegen, darf seinen Pass nicht verlieren. Die Macht der auf den Menschen lastenden Funktionalität ihres gesellschaftlichen Zusammenhanges, die doch nicht ohne die Menschen wäre, wird umso durchgreifender, je transparenter die erscheinende Realität auf ihre instrumentelle Bestimmtheit reduziert ist.

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Ä-H YHUJHVHOOVFKDIWHWHU GLH :HOW MH GLchter ihre Gegenstände mit allgemeinen Bestimmungen übersponnen sind, desto mehr ist, nach einer Bemerkung von Günther Anders, tendenziell der einzelne Sachverhalt unmittelbar durchsichtig auf sein Allgemeines; desto mehr läßt sich gerade durch mikrologische Versenkung in ihn herausschauen; ein 7DWEHVWDQGQRPLQDOLVWLVFKHQ6FKODJHVIUHLOLFK>«@.³ 1' 90)

Was Adorno unter dem Verblendungszusammenhang versteht, lässt sich, noch einmal anders akzentuiert als im vorletzten Kapitel, auch so fassen, dass immer mehr von der menschlichen Umwelt zum entqualifizierten Ding in einem Funktionszusammenhang und dieser damit zunehmend dichter gewebt, die Wirklichkeit immer engmaschiger mit abstrakten BestimPXQJHQÁEHUVSRQQHQµ wird. Letztere wird zugleich in wachsendem Maße durchsichtiger als Vergegenständlichung subjektiver Bestimmung; dabei ist die Durchsichtigkeit selbst der Schein insofern, als sie einerseits die völlige Entmythologisierung und Subjektivierung der natürlichen Umwelt bedeutet ± denn dem Subjekt ist das, wozu Natur subjektiv bestimmt ist, nicht unerkennbar, findet es doch seine eigenen Bestimmungen wieder ±, andererseits aber fundamental ausgeblendet ist, dass die Dinge mehr sein könnten als das, was sie unter der instrumentellen Bestimmung sind. In dieser Ausblendung wird die determinierte, mit dem Begriff identifizierte Realität gleich dem Subjekt absolut gesetzt und einem jeden Ding die Möglichkeit eines anderen Sinns als des ihm auferlegten instrumentellen genommen. Deshalb kann durch diesen Schein kein noch so akkurates, täuschungssicher repräsentierendes Denken, sondern nur das Bewusstsein der Möglichkeit dringen. Auch dies ein Einwand der Kritischen Theorie gegen eine die Erkenntnis fundierende PhilosoSKLH ZHOFKH GDV Ä*HJHEHQH³ VR QLPPW ZLH HV JHZRUGHQ LVW Ä:RPLW QHJative Dialektik ihre verhärteten Gegenstände durchdringt, ist die Möglichkeit, um die LKUH :LUNOLFKNHLW EHWURJHQ KDW XQG GLH GRFK DXV HLQHP MHGHQ EOLFNW³ 1' 62). Betrogen hat die Wirklichkeit, wie sie die Menschen vorfinden, weil in ihr die Gegenstände durch die instrumentelle Tätigkeit real determiniert und dabei auf das reduziert werden, als was sie in ihrer Gleichsetzung mit anderen in der menschlichen Praxis fungieren. Adorno sieht in einer historisch fortschreitenden Naturbeherrschung weder eine zivilisationsgeschichtliche Unerlässlichkeit noch eine vermehrte Emanzipationschance. In nicht allzu überzeichnender Weise kann man sagen, dass die Annahme, Ziel der Menschheit sei es, alle Möglichkeiten der Naturbeherrschung auszuschöpfen, die banale Geschichtsmetaphysik in der alltäglichen Hintergrundannahme einer Kultur ist, die den Mythos, jetzt den der Menschheit von sich selbst, noch nicht überwunden hat und ihrer zweiten Aufklärung bedarf, die auf den Sinn und Zweck der Naturbeherrschung reflektiert und deren Selbstläufigkeit negiert. Ungeachtet des gegen die frühe Kritische Theorie standardmäßig immer wieder erhobenen Vorwurfs einer die Geschichte totalisierenden Geschichtsphilosophie hat sie doch den strukturellen, jeder Kultur, die zu ihrer Naturbeherr-

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schung kein kritisch reflektierendes Verhältnis bekommt, immanenten Widerspruch richtig gesehen, der im Naturverhältnis des homo faber als der anscheinend einzigen Lebensform bereits angelegt ist: Die Umgestaltung der Natur zu determinierten Objekten des Gebrauchs emanzipiert die Menschen von der unmittelbaren Lebensnot, doch sie werden sodann in deren Bann geschlagen ± bis hin zu erneuter Lebensnot. Gerade mit der materiellen Produktion als Selbstzweck, wie überhaupt mit der Verselbständigung menschlicher Praktiken der Naturbeherrschung, der blinden gesellschaftlichen Reproduktion des Naturbanns der Herrschaft, setzt sich das Immergleiche in der Geschichte ja als die bisherige Geschichte durch, in welcher der relevante Fortschritt, das Heraustreten aus dem Bann der Natur, noch aussteht. Das Immergleiche, die Wiederholung des Schicksals beherrschter und bedrohter Kreatur ÄLP KRIIQXQJVORV JHVFKORVVHQHQ .UHLVODXI GHU 1DWXU³ (DA, 89), wird in der Geschichte der Naturbeherrschung prolongiert als fortdauernder Zwang zur Herrschaft wie auch als der aus dieser Beherrschung resultierende Mechanismus, nach dem alles, einschließlich der Menschen als Akteure der Naturbeherrschung, nur für Anderes da zu sein hat und nichts es selbst sein darf. Die Geschlossenheit des Natur und Mensch umfassenden Funktionszusammenhanges ist als eine zweite Natur die Immanenz des Immergleichen und dessen $IILUPDWLRQ ÄGLH WURFNHQH :HLVKHLW GLH QLFKWV 1HXHV XQWHU GHU 6RQQH JHOWHQ Ol‰W³ '$, 28), mythologisch. Denn: Ä0\WKLVFKLVWGDV,PPHUJOHLFKH³ 1', 66); Ä0\WKRV XQG :LHGHUKROXQJ VWHKHQ LQ .RQVWHOODWLRQ GHU GHV =ZDQJV YRQ ,mPHUJOHLFKHP LP 1DWXU]XVDPPHQKDQJ DXV GHP QLFKWV KHUDXVIKUW³11. Dementsprechend ist das Ä3ULnzip der Immanenz, der Erklärung jeden Geschehens als Wiederholung [gemeint ist die neuzeitliche Rationalisierung, die an der Natur und am gesellschaftlichen Austausch allein deren menschenunabhängige Gesetzlichkeit im Auge hat, die zur Basis eines säkularen Naturverhältnisses geworden ist ± d.A.], das die Aufklärung wider die mythische EinbildungsNUDIWYHUWULWW>«@ das des Mythos selber.³ (DA, 28)

Danach wäre die Idee des Fortschritts ÄGLH DQWLP\WKRORJLVFKH VFKOHFKWKLQ GHQ .UHLVODXI VSUHQJHQG GHP VLH DQJHK|UW )RUtschritt heißt: aus dem Bann heraustreten, auch aus dem des Fortschritts, der selber Natur ist, indem die Menschheit ihrer eigenen Naturwüchsigkeit innewird und der Herrschaft Einhalt gebietet, die sie über Natur ausübt und durch welche die der Natur sich fortsetzt. Insofern ließe sich sagen, der Fortschritt ereigne sich dort, wo er endet.³12

Der Herrschaft überhaupt zu entsagen erscheint heute denn auch als alles andere als das, was es aus der Sicht der Kritischen Theorie gerade wäre, nämlich Fort11 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 11, S. 382. 12 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 10.2, S. 625.

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schritt, weil dieser im Hinblick auf die Auseinandersetzung der Menschen mit der Natur ± auch wenn die soziale Dimension einbezogen wird ± anders denn als Steigerung der Naturbeherrschung gar nicht scheint gedacht werden zu können, und Ãandersµ hieße: als ein Fortschritt im Naturverhältnis; Fortschritt dergestalt, dass das Subjekt, statt über innere und äußere Natur zu herrschen, seiner selbst HUVWPlFKWLJZUGHLQGHU)UHLKHLWÄ0|JOLFKNHLWHQXQJHQW]W³]XODssen, Äanstatt unter irrem Zwang auf fremde Sterne einzustürmen. Einer Menschheit, welche Not nicht mehr kennt, dämmert gar etwas von dem Wahnhaften, Vergeblichen all der Veranstaltungen, welche bis dahin getroffen wurden, um der Not zu entgehen, und welche die Not mit dem Reichtum erweitert reproduzierWHQ³13

Was die gesellschaftlichen Tätigkeiten eines instrumentell verdinglichenden Naturverhältnisses in der Praxis selbst transzendieren würde, wären Praktiken wie auch eine fortgeschrittene Technik, die dem Interesse entspringen, der Natur ÄEHL]XVWHKHQXQGDXIGHUDrmen Erde ihr zu dem zu helfen, wohin sie vielleicht P|FKWH³14, die also nicht aus dem Zwang der Selbsterhaltung und der Bemächtigung als dem treibenden Motiv des Eingriffs in die Natur entstehen. Denn es ist dieses Eingreifen, das immerzu auf die Subjekte zurückschlägt. (Beim gegenwärtigen Stand der Dinge wäre dem wohl die Forderung voranzustellen, der natürlichen Vielfalt des Lebendigen überhaupt gegen dessen Zerstörung beizustehen.) Weil die bisherige gesellschaftliche Praxis sich jedoch an der Entfaltung der Produktion orientiert, Arbeit das Modell dieser Praxis ist, will Adorno gerade das offenlassen, was aus Praxis werden kann, wenn der Zwang dieser Orientierung YHUJLQJHÄ'LHP|JOLFKH5HGXNWLRQYRQ$UEHLWDXIHLQ0LQLPXPP‰WHGHQ%egriff Praxis radikal affizieren. Was an Einsicht einer durch Praxis befreiten Menschheit zufiele, wäre von Praxis, die ideologisch sich selbst erhöht und die 6XEMHNWH VR RGHU VR VLFK ]X WXPPHOQ YHUDQOD‰W YHUVFKLHGHQ³ 1', 242). Eine solche Praxis, so man sie noch Praxis nennen würde, hat bei Adorno ihr Modell DQGHUlVWKHWLVFKHQÄKunst ist nicht nur der Statthalter einer besseren Praxis als der bis heute herrschenden, sondern ebenso Kritik von Praxis als der Herrschaft brutaler Selbsterhaltung inmitten des Bestehenden und um seinetwillen. Sie straft Produktion um ihrer selbst willen Lügen, optiert für einen Stand der Praxis jenVHLWVGHV%DQQV YRQ $UEHLW³15 'LHÄ.ULWLNZHOFKH.XQVWDSULRULEW³LVWGemHQWVSUHFKHQGÄGLHDQ7lWLJNHLWDOVGHP.U\SWRJUDPPYRQ+HUrVFKDIW³. 16 Ich möchte Adornos Theorie des Ästhetischen nicht in diese Untersuchung einbeziehen, bei aller Problematik, zu der eine solche thematische Verkürzung in Bezug auf ein Verständnis von Adornos Philosophie führen mag. Für ein solches 13 14 15 16

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 4, S. 178 ff. Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 7, S. 107. Ebd., S. 26. Ebd., S. 358.

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wäre eine extensive Ausweitung der epistemologischen Thematik nötig, die hier nicht beabsichtigt ist. Dennoch sei ein grober Hinweis auf die Bedeutung des Ästhetischen im hier entwickelten Kontext gegeben, um auch diesen noch etwas besser zu erhellen. Von besonderem Interesse nämlich ist, wie sich die Problematik von Subjektivierung und Verdinglichung, die zu einem Anwachsen einer toten und daher den Menschen fremden wie bannenden Natur führt, im Hinblick auf die Erzeugnisse der Kunst als eine andere Weise der Umgestaltung der Natur darstellt. Als Ä6WDWWKDOWHU³als Antizipation einer noch unausdenkbaren, qualitativ anderen Praxis als derjenigen, welche die Menschen zunehmend unter die Macht von Dingen zwingt, haben Kunstwerke einen anderen Objektcharakter als Gegenstände des habituellen Gebrauchs. Während das naturbeherrschende, instrumentelle Handeln Natur zu einer dinghaft toten, nämlich zum Funktionsobjekt als Produkt dieses Handelns umwandelt, unter dessen Bann das Subjekt gerät, so gilt dies für ästhetische Objekte gerade nicht: Ihnen gegenüber ist das Subjekt frei in der Realisation ihres Sinns. In der Erfahrung solcher Objekte bleibt, ja wird es selbst lebendig. Zwei Aspekte wären hervorzuheben, anhand derer das Kunstwerk sich von den Produkten des instrumentellen Handelns und determinierenden Denkens, von den zu einem bestimmten Zweck produzierten Dingen, grundlegend unterscheidet. Adorno thematisiert sie zum einen als die Funktionslosigkeit der Kunstwerke und zum anderen als deren immanenten Prozesscharakter. Determinierte Objekte verstehen wir vollständig, wenn wir erkennen, wozu sie da sind, wir also deren Funktion-für-anderes in der menschlichen Praxis kennen. Ihre Übereinstimmung mit ihrem Begriff steht qua Determination schon fest, GHQQ GDV 2EMHNW LVW DQGHUV JHVDJW (OHPHQW GHV Ä%HJULIIVQHW]HV³ PLW dem das LGHQWLIL]LHUHQGH'HQNHQGLHÄ:HOWEHUVSRQQHQ³KDW:HQQZLULQGHU$SSHU]Hption eines entsprechenden Objekts zu dem Resultat gelangen, dies sei eine Standuhr, so kommt die Bewegung der Rezeption, die identifizierende Aufnahme seiner Eigenschaften und deren Verknüpfung zur Einheit des Begriffs, zu ihrem Ende in eben dem begrifflichen Ergebnis, dieses Ding habe alle notwendigen Eigenschaften einer Standuhr, es ist deshalb eine Standuhr. Dieses Ende ist komplementär zur Produktion, die in ihrem Objekt erlischt, indem eben dieses Objekt so und so real erstellt und zu einem Ding geworden ist. Es hat ein Uhrwerk, einen Zeiger, ein Zifferblatt und eine Reihe anderer Bestandteile. Bewegung ist dem Objekt äußerlich, sie ist nämlich nur die seines Hergestelltwerdens wie auch seines Gebrauchs. Dass GLHVHV 2EMHNW HWZDV Ã7RWHVµ ist, lässt sich simplerweise daran erkennen, dass die Bewegung seiner Rezeption zu ihrem Ende in der Zuordnung feststehender Bedeutung kommt und immer wieder zu diesem Ende kommen wird. Wie die Rezeption zu dieser Bedeutung gelangt, welche Bewegung sie am Objekt vollzieht, spielt für diese Bedeutung selbst keine Rolle, sofern sie eben zu dem begrifflichen Resultat führt. Wer eine Standuhr sieht, wird nicht erst von der Betrachtung der Zeiger zum Zifferblatt übergehen und in diesem Übergang deren Zusammenhang erstellen, sondern er wird diese Bestandteile unmittelbar auf den Begriff der Standuhr hin einander zuordnen, also den

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internen Zweckzusammenhang des Objekts durch Anleitung des empirischen Begriffs erstellen. Somit erlischt auch die Rezeption mit der Identifikation eines Gegenstandes mit seinem Begriff. Eine solche Rezeptionsleistung könnte, ohne die Phantasie zu überfordern, auch von einer Maschine, selbst etwas Totem, übernommen werden, die als mechanische Erkennung in Form der Verknüpfung von definierten Realitätsmerkmalen und maschinellem Code funktionieren würde; und auf nichts anderem basiert die Idee von Informatik und künstlicher Intelligenz. Man mag sich am Mentalen als einem Immateriellen festklammern als das, wodurch sich ± aber auch das ist nicht ausgemacht ± der Mensch von der Maschine auf ewig unterscheiden wird: in der Funktionsweise der Intelligenz wird sich kein qualitativer Unterschied angeben lassen, solange das funktional determinierte und determinierbare Objekt Inbegriff des Gegenstandes von Erfahrung ist. 'DJHJHQ LVW GLH (UIDKUXQJ YRQ .XQVWZHUNHQ ÄDGlTXDW QXU DOV OHEHQGiJH³XQGGDV ÄVDJW PHKU DOV HWZDV EHU GLH %H]LHKXQJ YRQ %HWUDFKWHQGHP XQG %HWUDFKWHWHP EHU psychologische Kathexis als Bedingung ästhetischer Wahrnehmung. Lebendig ist ästhetische Erfahrung vom Objekt her, in dem Augenblick, in dem die Kunstwerke unter ihrem Blick selbst lebendig werden. [...] Durch betrachtende Versenkung wird der immanente Prozeßcharakter des Gebildes entbunden. Indem es spricht, wird es zu einem in sich Bewegten. Was irgend am Artefakt die Einheit seines Sinnes heißen mag, ist nicht statisch sondern prozessual, Austrag der Antagonismen, die ein jegliches Werk notwendig in sich hDW³17

Indem ästhetische Erfahrung vom Objekt her lebendig ist, diese Lebendigkeit der intensiven Rezeption des Objekts bedarf, Lebendigkeit also erst im Aufeinanderbezogensein von subjektiver Rezeption und Objektbeschaffenheit entsteht, ist diese Erfahrung der verdinglichenden Subjektivierung überhaupt entgegengesetzt, die das Objekt von der scheinbar bereits aus sich tätigen Subjektivität her als dessen Produkt versteht, es deshalb als ein selbst Lebloses von ihr abspaltet. Und zwar in erkenntnistheoretischer wie in praktischer Hinsicht entgegensetzt. Die Möglichkeit ihres Lebendigwerdens liegt im Sprachcharakter der Kunstwerke, die ± wie gleichsam beim Lesen ± in der frei durch sie in Gang gehaltenen Rezeptionsbewegung zu Ãsprechenµ beginnen, die frei deshalb ist, weil sie nicht bereits von der begrifflichen Determination des Objekts her angeleitet ist, nicht also durch die determinierte Zuordnung der Elemente zu dem Begriff des Objekts, sondern durch den prozessualen Bezug der Elemente zueinander. Es ist diese Bewegung, die das Subjekt nicht aus sich heraus vollzieht, sondern an seinem Anderen, die ermöglicht und geformt ist durch dieses und die nicht in ein Resultat der Apperzeption, der Subsumierung unter einen Begriff, mündet, die das Kunstwerk also nicht als Ding, sondern als immanenten Prozess erstellt. Die

17 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 7, S. 262 f.

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Ä(LQKHLW GHV 6LQQV³ VHOEVW LVW prozessual, die Rezeption der Kunstwerke verschwindet daher nicht in einem begrifflichen Resultat: einer gelungenen Identifizierung. Der Zusammenhang der Einzelmomente ist nicht der funktionale Bezug voneinander isolierter Momente, sondern ein prozessualer Zusammenhang, der darin besteht, dass die Einzelmomente durch ihre eigene Beschaffenheit in ihr Anderes übergehen. Der Zeiger steht in einer Beziehung zum Zifferblatt, die durch die Funktion, die beide als Elemente einer Uhr erfüllen, definiert ist. Der Zusammenhang in Kunstwerken jedoch ist kein funktionaler, sondern manifestiert sich als deren Form, durch die ± wie vielschichtig und schwer bestimmbar diese Kategorie auch immer sein mag ± sich die Rezeptionsbewegung selbst bestimmt. Mögen die Ziffern der Uhr römische statt arabische Ziffern sein, sie erfüllen den identischen Zweck in ihrer Bezogenheit auf die Zeiger. Und ob jemand sagt, es ist Ä]HKQ0LQXWHQYRUeLQV³RGHUÄ.50 8KU³lQGHUWDQGHU8Krzeit nichts. Doch es würde schief klingen, würden die Unglücklichen von einer Stunde zur anderen wie Wasser von Klippe zu Klippe geschmissen, statt ± wie es bei Hölderlin heißt ± geworfen. Nicht dass die rhythmische Bewegung des Wassers und dessen Aufprallen nicht onomatopoetisch nachgezeichnet und somit ein Gemeintes schlecht imitiert würde, wäre das Problem, sondern dass diese Worte nicht zu der Ãinnerenµ Stimmigkeit kämen, die nicht eine funktionale Verknüpfung von isolierten Elementen ist, sondern ein von den sprachsinnlichen Elementen selbst ausgehendes Ineinanderübergehen ihrer zu einem Bewegungsstrang, der natürlich gleichwohl nicht ohne die sinnlich imitatorischen Aspekte wäre. Diese gleichsam bei sich seiende, mit sich selbst übereinstimmende Bewegung wäre Ausdruck des sich selbst gleichmachenden18 mimetischen Verhaltens an eiQHP$QGHUHQ'DKHUÄDKPWGDVPLPHWLVFKH9HUKDOWHQQLFKWHWZDVQDFKVRQGHUQ macht VLFKVHOEVWJOHLFK³XQGGLHÄKunstwerke [nehmen] es auf sich, eben das zu YROO]LHKHQ³.19 Im Kunstwerk geht das ihnen gegenüber Heterogene, nicht bereits Geformte, in der Formbestimmung, die etwas zu einem Artefakt macht, keineswegs auf; umso mehr veranlassWGHUÄ:LGHUVWDQGGHU$QGHUVKHLW³JHJHQGLH$UWHIDNWHDXI den diese angewiesen sind, sie dazu, ÄGLH HLJHQH )RUPVSUDFKH ]X DUWLNXOLHUHQ NHLQ XQJHIRUPWHV )OHFNFKHQ EULJ ]X ODVVHQ Diese Reziprozität macht ihre Dynamik aus; das Unschlichtbare der Antithetik, daß jene in keinem Sein sich stillt. Kunstwerke sind es nur in actu, weil ihre Spannung nicht in GHU5HVXOWDQWHUHLQHU,GHQWLWlWPLWGLHVHPRGHUMHQHP3ROWHUPLQLHUW³ 20

Darin eben unterscheiden sie sich von begrifflich determinierten Objekten, denen diese innere Spannung fehlt, da durch ihre subjektive Bestimmung die Objekte von vornherein funktionalisiert sind, sie in Übereinstimmung mit ihrem Begriff 18 Vgl. Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 7, S. 169, 487. 19 Ebd., S. 169. 20 Ebd., S. 263.

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sich befinden (wie der Begriff der Standuhr mit dem Objekt, das wir in unserer 6SUDFKSUD[LV DOV HLQH 6WDQGXKU EHKDQGHOQ  ÄGHU DOV NRQVWDQWHU 8PIDQJ ZHFhselnder Erfüllungen, seiner Form nach eben jene zeitlose Statik ambitioniert, geJHQGLHGHU6SDQQXQJVFKDUDNWHUGHV.XQVWZHUNHVVLFKZHKUW³21. Bezogen auf den allumfassenden Funktionscharakter instrumentalisierter Natur unterstreicht Adorno: Die Ä)XQNWLRQ GHU Kunst in der gänzlich funktionalen :HOWLVWLKUH)XQNWLRQVORVLJNHLW³22 Kunstwerke sind nicht durch ihre Rolle in einem Zweckzusammenhang definiert, in dem sie miteinander begrifflich identifiziert würden wie etwa Schlachtvieh mit Schlachtvieh und Zirkuspferde mit Zirkuspferden. .XQVWZHUNHVWR‰HQÄGLHHPSLULVFKH5HDOLWlWYRQVLFKDE³23, welcher VLHGRFKDOV'LQJH]XJHK|UHQÄ6LHYHUN|USHUQGXUFKLKUH'LIIHUHQ]YRQGHUYHrhexten Wirklichkeit negativ einen Stand, in dem, was ist, an seine rechte Stelle käme, an VHLQHHLJHQH³24 Es ist vor allem ihr Ausdruck, durch den sich die Kunst ÄGHP)UDQGHUHVVHLQGDVLKQVREHJLHULJYHrVFKOLQJW³25, sperrt. Durch ihn spricht VLHÄDQVLFKGDVLVWLKUPLPHWLVFKHU9ROO]XJ,KU$XVGUXFNLVWGHU:LGHrpart des HWZDV$XVGUFNHQV³.26 Ihr mimetischer Charakter ist daher nicht so zu verstehen, dass durch ihn die Kunstwerke etwas Bestimmtes repräsentierenderweise nachahmen, denn damit gerade wären sie funktionalisiert. Vielmehr ahmen sie das objektiv verstandene Ausdrucksmoment in der 1DWXUÄdessen vielleicht einmal das 6HQVRULXP DQ GHU :HOW LQQHZDUG³27, als solches nach. Verdeutlichen lässt sich dies bereits an dem einfachen Beispiel, dass der Ausdruck, den ein Mensch durch seinen Tonfall, die Intonation, seine Mimik und Gestikulation unverwechselbar macht, selbst nicht durch die Referenz auf etwas anderes bestimmt ist und seine Qualität erhält; ein Schauspieler, der nun das Ausdrucksverhalten dieses Menschen nachahmen würde, würde nicht ihn oder sein Verhalten als dasjenige bestimmen, was er ausdrückt. Ausdruck ist das an den Dingen, was durch ihre Instrumentalisierung gerade verschlungen wird und durch das sich etwas als ein an sich selbst Bestimmtes zeigt. Vor diesem Hintergrund dürfte klar werden, dass Adorno das ästhetische Weltverhältnis nicht einfach nur ± nach dem offiziellen Modell einer kulturellen Ausdifferenzierung der Moderne ± neben dem zweckrationalen Verhältnis ansiedelt, die beide ihre eigene Logik und Dynamik entfalten. Im Ästhetischen eröffnet sich die Möglichkeit eines Weltbezuges des Subjekts, das seinen eigenen Herrschaftsanspruch mildert oder gar zurücknimmt und damit die Rückschlägigkeit einer Praxis in Gestalt der Macht der produzierten Dinge nicht mehr zu fürchten braucht; eines Weltbezuges, in dem es nicht mehr selbst von dem bestimmt und beschränkt wird, was es reduzierend determiniert. 21 22 23 24 25 26 27

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 7, S. 264. Ebd., S. 475. Ebd., S. 336 f. Ebd. Ebd., S. 171. Ebd. Ebd.

9. Mimesis und Der esi dualisier ung

Die selbstkritische Reflexion des Subjekts auf den von ihm beanspruchten Primat gegenüber der Natur entdeckt die Naturbefangenheit der Subjektivität, die gerade in deren Anspruch liegt, sich gemäß dem Prinzip der Selbsterhaltung als das Primäre zu setzen (vgl. ND, 181). Sowie diese zweite Reflexion den immanenten Zusammenhang der Subjektivität mit der Natur in den Blick bekommt, Subjektivität sich selbst als Teil der Natur erkennt, die sie unentwegt reduziert, entdeckt sie an sich nicht nur die eigene Naturbefangenheit, sondern darüber hinaus das Versöhnende der eigenen Natur. Das Subjekt als Teil der Natur erfährt an sich seinen positiven, nicht antagonistischen Zusammenhang mit der übrigen Natur anhand seiner unwillkürlichen, nichtintentionalen Verhaltensweisen, mit denen es Natur nachahmt, statt sie zu beherrschen: anhand seines mimetischen Impulses. Während im Aufklärungsprozess aus der Naturbeherrschung selbst das rettende Moment der Distanzierung von der Naturbefangenheit erwächst, so indizieren die bis weit in die Phylo- und Ontogenese zurückverfolgbaren mimetischen Verhaltensweisen, und zwar als Gegenpart zur Distanz, die ja zunächst nicht den Zusammenhang des Subjekts mit der Natur realisiert, das am Denken, kraft dessen es einen herrschaftslosen, versöhnenden Bezug zur Natur ausbilden kann. Die nur selbstkritische Verneinung von Herrschaft würde noch keinen positiven Zusammenhang mit der Natur zum Resultat haben, denkbar wäre zunächst nur die weitere Fremdheit qua Distanz, durch die auch eine nicht mehr die Natur beherrschende Menschheit am Ende der Selbstverfehlung womöglich nicht entgehen würde. Ich möchte mich in diesem Kapitel vor allem auf diejenigen Aspekte der Mimesis beschränken, die mit der Aufklärungsdialektik zusammenhängen und die Thematik der zweiten Reflexion und der Umwendung der subjektiven Reduktion weiter vertiefen können. Zum Ende dieses Kapitels werde ich versuchen, eine Perspektive zu eröffnen, aus welcher sich der Mimesisbegriff sprachphilosophisch, genauer gesagt im Rückgriff auf einen spezifisch naturalisierten Nominalismus, erweitern und präzisieren lässt.

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Einige Argumentationsstränge der Dialektik der Aufklärung lassen sich rekonstruieren, wenn man sie auf die Dialektik von Mimesis und Rationalität, von ± spezifischer gesprochen ± Angleichung und Distanzierung hin untersucht. Allgemein anzumerken ist, dass erst beide Momente, Mimesis und distanzierende Selbstbesinnung, den vollständigen Begriff von Aufklärung und schließlich von Vernunft geben können, den die Kritische Theorie in Anspruch nimmt. Im Hinblick auf ihren konzeptionellen Rahmen ist vorab der schlichte Zusammenhang zu betonen, dass der Rekurs auf mimetisches Verhalten die unerlässliche Voraussetzung dafür liefert, ein anderes Naturverhältnis als das der Entgegensetzung zu konzipieren, das sich schließlich auch erkenntnistheoretisch formulieren lassen muss, komplementär zu der These, dass der erkenntnisrelationale Vorrang des Subjekts Reflexionsform realer Herrschaft ist. (Das Subjekt determiniert real die Natur zu seinen Zwecken und findet sie in seiner Praxis als determinierte vor; es bildet sich seinen Vorrang nicht ein, hat jedoch keine kritische Distanz ihm gegenüber.) Wenn Menschen der unbeherrschten, opaken und kontingenten Natur ausgesetzt sind, die sich mit Blitz und Donner ihrer Verfügung entzieht, ist sie instrumentell noch unbestimmt, sie ist potentieller Gegenstand der Beherrschung, damit ist aber auch noch nicht das an ihr neutralisiert, worauf sich das mimetische Verhalten bezieht, nämlich die sinnlich-expressiven (und nicht funktionalen) EiJHQVFKDIWHQGDVZDVDQGHU1DWXUVHOEVW$XVGUXFNLVWÄ'HU=DXEerer macht sich Dämonen ähnlich; um sie zu erschrecken oder zu besänftigen, gebärdet er sich schreckhaft odHUVDQIW³(DA, 26). Das Kind, das als Indianer durch die Prärie des Kinderzimmers mit hüpfenden Schritten Ãgaloppiertµ, imitiert absichtslos und OHLEKDIWHLQ(UIDKUHQHVGDVHVDXIGLHVH:HLVH]XJOHLFKVSLHOHULVFKYHUWLHIWÄ'HU ganze Körper ist ein Organ mimetischen $XVGUXFNV³1 Was das mimetische Verhalten für die Autoren der Dialektik der Aufklärung, der impliziten Rolle nach zu urteilen, die es in deren theoretischer Konzeption spielt, vor allem interessant machen dürfte, ist dies, dass es sowohl zuerst als Leibverhalten auftritt als auch ± auf späterer Stufe ± als kognitive Verhaltensweise sinnverstehender Subjekte. Näher betrachtet wird nämlich mit der Mimesis als durchgehender Ausdruck subjektiver Natur ein Kontinuum von Geist und Natur behauptet, wie weit diese auch immer auseinandergetreten sein mögen. Und zwar wird genau das Naturgebundene des Geistes, das nicht bereits das Naturhafte der Herrschaft ist, thematisiert. Mimesis ist eine Interaktionsweise des Lebendigen mit seiner natürlichen Umwelt, die zunächst originäres Körperverhalten ist, hierauf jedoch nicht beschränkt bleibt. Mimetisches Verhalten bezieht sich auf den Ausdruck dessen, was es nachahmt, und ist damit selbst Ausdrucksverhalten, das somit, wie bereits erwähnt, auch als Verhalten in der Kunst anzutreffen ist. Dieses Verhalten wird nun auch und gerade an dem relevant, was Adorno als philosophisches Denken EHVFKUHLEW Ä8QEHJULIIOLFK PLPHWLVFK³ LVW GDVÄ0RPHQW GHV $XVGUXFNV LP 'Hn1

M. Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, S. 125.

MIMESIS UND DERESIDUALISIERUNG | 323

NHQ³ 1'   LVW GDV GHP SKLORVRSKLVFKHQ 'HQNHQ ÄLQWHJUDOH $XVGUXFNsmoPHQW³ '$, 29). Es ist das Moment des Denkens, das mit dessen begrifflichoperativer Leistung des Verknüpfens und Begründens nicht zusammenfällt und sich der Formalisierung entzieht, nicht zu verwechseln jedoch mit Intuition oder Anschauung, sondern verstanden als Angleichung des Denkens an Nichtbegriffliches.2 Wenn in der Dialektik der Aufklärung insbesondere die Dialektik von Mimesis und Rationalität entwickelt wird, so stellt Mimesis den basalen und bis in die Kultur hineinreichenden Zusammenhang der Menschen mit der Natur dar. Die Rationalisierung des Naturverhältnisses arbeitet dem mimetischen Impuls zunächst entgegen, kann ihn aber nicht vollständig verdrängen. Zwar versteht das naturbeherrschende, sein Naturverhältnis rationalisierende Subjekt, indem es die Naturgesetze als Gesetze über sich anerkennt, Natur als übergeordnet. Aber diese Anerkennung ist dem subjektiven Zweck der Naturbeherrschung untergeordnet, den das Subjekt ebenso setzt wie die Extrapolation identischer Fälle zum Naturgesetz. Dass die mimetische Bezugnahme auf Natur von Horkheimer und Adorno als ein basales Naturverhältnis verstanden wird, kann folgende Überlegung verdeutlichen: Das Sich-der-Natur-Ähnlichmachen ist ein Anpassungsverhalten, das eine frühe Form auch der Selbsterhaltung darstellt. Hinsichtlich dieser Funktion der Anpassung weist das mimetische Verhalten in sich den Keim zum rationalen Verhalten auf als die bewusst und planmäßig vollzogene Selbsterhaltung qua Naturbeherrschung. Mit dieser als dem weitaus effektiveren Mittel der Selbsterhaltung distanzieren sich die Menschen hingegen von der Natur und setzen sich ihr entgegen. Die wachsende, der Naturbeherrschung dienende Rationalisierung verbietet die mimetischen Regungen, weil sie der Naturbeherrschung im Wege stehen, in der die Distanzierung und nicht die Nachahmung geübt wird. Wie bereits zitiertLVWGLHÄ=DXEHUHLZLHGLH:Lssenschaft auf Zwecke aus, doch sie verfolgt VLH GXUFK 0LPHVLV XQG QLFKW LQ IRUWVFKUHLWHQGHU 'LVWDQ] ]XP 2EMHNW³ '$, 27). Das Subjekt der rationalen Naturbeherrschung interessiert am Natürlichen nur, was es als deren kausalen Nexus beschreiben kann, nicht dessen Ausdrucksqualitäten. Wenn, im Unterschied zur Herrschaft, dem mimetischen Verhalten die primäre Bedeutung für den Zusammenhang der Menschen mit der Natur zukommen soll, dann lässt sich mimetisches Verhalten im Unterschied zur Beherrschung nicht ablegen, allenfalls kann der mimetische Impuls unentwegt tabuiert und verdrängt werden. Als verdrängter bleibt er aber nicht ohne Äußerung. Des2

Adornos These, dass gerade deswegen Philosophie nicht referierbar sei, hat unter seinen Rezipienten zwar viele Fürsprecher, doch fragt sich, ob wirklich so viel für diese These spricht. Zumal sie den Leser dazu einlädt, sich von der Geduld erfordernden Anstrengung des Verstehens zu dispensieren und sich als Eingeweihter in das Unreferierbare zu gerieren. Dieser These sei deshalb hier entgegengehalten, dass alles, was verstanden wird, sich auch referieren lässt, und zwar durchaus mit anderen Worten referieren lässt; freilich ist es witzlos, es dabei zu belassen, und falsch, die lebendige Auseinandersetzung hiervon abzuspalten.

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halb müssen auch Verhaltensweisen unter den Bedingungen der fortgeschrittenen Rationalisierung sich als solche interpretieren lassen, bei denen der verdrängte Impuls unwillentlich durchschlägt. Eine solche Interpretation versuchen Horkheimer und Adorno vor allem im Antisemitismuskapitel der Dialektik der Aufklärung zu geben. Am aufschlussreichsten für eine solche Interpretation ist am Antisemitismus, dass er die mimetischen Regungen der Menschen, die ihm zum Hassobjekt geworden sind, ihr Leib- und Sprachverhalten, selber nachahmt in einer Weise, die diese Regungen als animalische abwertet und damit den mimetischen Impuls in der Form sich ausleben lässt, in der allein er deshalb erlaubt ist, weil mit ihr zugleich das Tabu über ihn bestätigt wird. Doch muss Mimesis als nicht auflösbares Verhalten zur Natur, dem die Rationalisierung entgegenarbeitet, auch in das Rationale selbst spezifisch eingehen. Dialektisch wäre das Verhältnis von Mimesis und Rationalität nur dann zu nennen, wenn Erstere sowohl der naturbeherrschenden Rationalität entgegengesetzt als auch ein Moment derselben wäre. Dann würde sich anhand der Mimesis im rationalisierten Naturverhältnis sowohl die Entgegensetzung des Subjekts zur Natur als auch der unnegierbare Zusammenhang mit der Natur manifestieren. Die dementsprechend relevante These in der Dialektik der Aufklärung lautet: Ä'LH5DWLRZHOFKHGLH0LPHVLVYHUGUlQJWLVWQLFKWEOR‰GHUHQ*HJHnteil. Sie ist selber Mimesis: die ans Tote. Der subjektive Geist, der die Beseelung der Natur auflöst, bewältigt die entseelte nur, indem er ihre Starrheit imitiert und als animistisch sich selber auflöst. Nachahmung tritt in den Dienst der Herrschaft, indem noch der Mensch vorm Menschen zum Anthropomorphismus wird.³ '$, 75 f.)

Nachahmung verschwindet nicht mit der Rationalisierung. Wenn Nachahmung in den Dienst der Herrschaft tritt, die distanzierend vergegenständlicht, so modifiziert sie sich: Sie wird zur Nachahmung des Dinghaften. Dass der subjektive Geist die Beseelung der Natur auflöst, entspricht dem bereits erwähnten und nachgezeichneten Vorgang der Subjektivierung, bei welchem vom Objekt alles Anderswerden, alles Lebendige und Bewegte subtrahiert wird. Indem das Subjekt als das vermeintlich Ursprünglichere sich dieses Subtrahierte zuspricht, wird es blind dafür, dass es seine Lebendigkeit dem nachahmenden Bezug auf sein Gegenüber verdankt. Diesen Bezug aber kann es nicht kappen, wenn es nicht in der YROOVWlQGLJHQ %H]LHKXQJVORVLJNHLW ]XU 1DWXU OHW]WOLFK LP ÄSDWKLVFKHQ 1DU]LssPXV³3 enden soll.4 Es muss also weiterhin die Natur, wenn auch die entseelte, in der Weise des Sich-ihr-Gleichmachens Ãbewältigenµ. Das Subjekt folgt also wei3 4

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 5, S. 285. 9JODXFK1'Ä1RFKLQGHU.RQ]HSWLRQUDWLRQDOHU(UNHQQWQLVEDUDOOHU$IILQität, lebt das Tasten nach jener Konkordanz fort, die einmal der magischen Täuschung fraglos war. Wäre dies Moment gänzlich getilgt, so würde die Möglichkeit, daß Subjekt Objekt erkennt, unverständlich schlechthin, die losgelassene RationaliWlWLUUDWLRQDO³

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terhin dem Impuls, Natur nachzuahmen, nun aber als diejenige, die zu einer dinghaften gemacht wurde. Subjektivität wird damit selbst starr, dinghaft, abstrakt. Am Ende deanthropomorphisiert sich der Mensch, der alles Menschenähnliche am Objekt ausgemerzt hat, selber. Er ist das leiblose, allein mit sich identische Transzendentalsubjekt, dem erst ein Leib gegeben sein soll, und er ist ± in Kontrast ebenso wie in Übereinstimmung hierzu hinsichtlich der Deanthropomorphisierung ± das Objekt von Naturwissenschaft, das ihn allein als physiologischen Kausalzusammenhang kennt. Das Verhalten der Angleichung, auf das auch die Beherrschung nicht verzichten kann, der Angleichung noch ans Leblose, ist dasjenige am Subjekt, was dessen eigene, zurückgebildete, aber doch unauslöschliche Lebendigkeit ausmacht: seinen Zusammenhang mit der Natur, den es als ein Lebendiges statt eines nur Dinghaften bildet. Es ist die in keine an sich gültigen Regeln des Denkens und Sprechens auflösbare Lebendigkeit des subjektiven Pols der Erkenntnis, durch die überhaupt ein Objektbezug möglich ZLUG Ä'HQQ Mimesis ans vom Subjekt nicht Hergerichtete ist nirgends anders als im Subjekt als LebendiJHP³5 Auch die Angleichung ans Dinghafte dient wie die Mimesis vor der Rationalisierung der Selbsterhaltung. In diesem Angleichungsimpuls erst finden die Autoren der Dialektik der Aufklärung eine Erklärung dafür, warum der immer dichter werdende dingliche wie begriffliche Funktionszusammenhang der zweiten Natur VLFK ]X HLQHP JHVHOOVFKDIWOLFKHQ Ä9HUEOHQGXQJV]XVDPPHQKDQJ OFNHQORVHU ,mPDQHQ]³6 der ± scheinbaren wie dann auch wirklichen ± Unentrinnbarkeit verschließt, die Erfüllung der Aufklärung in Frage stellt und die geschichtlich negative Tendenz verstärkt. Ä7HFKQLN YROO]LHKW GLH $QSDVVXQJ DQV 7RWH LP 'LHQVW GHU 6HOEVWHUKDOWXQJ QLFKW PHKU wie Magie durch körperliche Nachahmung der äußeren Natur, sondern durch Automatisierung der geistigen Prozesse, durch ihre Umwandlung in blinde Abläufe. Mit ihrem Triumph werden die menschlichen Äußerungen sowohl beherrschbar als auch zwangsmäßig. Von der Angleichung an die Natur bleibt allein die Verhärtung gegen diese übrig.³ '$, 206)

In dieser automatisierten Nachahmung geht das sich distanzierende AufklärungsVXEMHNW YHUORUHQ 'RFK HV LVW QLFKW VFKRQ GLH ÄORVJHODVVHQH 7HFhQLN DOV VROFKH³ (DA, 59), von der die Emanzipation in Frage gestellt wird. (Und darin unterscheidet sich die Kritische Theorie von einer rückgewandten Kritik an technoloJLVFKHU 5DWLRQDOLWlWGLH YRULQGXVWULHOOH /HEHQVYHUKlOWQLVVH YHUNOlUW  Ä6FKXOGLVW ein gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang. Der mythische Respekt der Völker vor dem Gegebenen, das sie doch immHU]XVFKDIIHQ³ '$, 59), und dieVHU ÄP\WKLVFKH 5HVSHNW³ ZlUH QLFKW RKQH GHQ ,PSXOV GHV 6LFKgleichmachens. 5 6

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 7, S. 253. Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 13, S. 307.

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Die Verblendung besteht unter anderem darin, dass das Andersseinkönnen der Wirklichkeit, nämlich keinen Funktionszusammenhang mehr darzustellen, in dem ein jedes nur für ein Anderes ist, nicht gedacht und zugelassen wird, weil die Menschen qua Selbsterhaltungsinteresse an die Funktionalität ihrer Umwelt akkommodiert sind wie diejenigen, die sie als Eingeborene des Urwalds im Fernsehen betrachten können, die sich der lebendigen Tier- und Pflanzenwelt angleichen. Wenn es heißt, die Ratio sei Mimesis ans Tote, dann impliziert dies den Unterschied zur Mimesis ans Lebendige. Diese war im Animismus anzutreffen, der allerdings die Natur projektiv, anthropomorphisierend verlebendigt, sie beseelt. Die Aufklärung als Deanthropomorphisierung entseelt die Natur, verhindert die Mimesis, und zwar ± wie sich jetzt besser sagen lässt ± die Mimesis ans Lebendige, und lässt sie allein noch als Mimesis an das Entseelte zu. Die Frage ist nun, weil die Rückkehr zum Animismus keine Option ist, ob und wie Mimesis ans Lebendige mit der Rationalität, ohne die überhaupt keine Emanzipation von der Naturmacht zu denken wäre, so zusammenkommen kann, dass die unterdrückte Mimesis befreit und die ans Tote überwunden wäre. Das Lebendige im Gegensatz zum Entseelten, um nicht zu sagen zum Verdinglichten, kann natürlich nicht mehr das animistisch Beseelte sein, sondern nur das die subjektiven Regungen vielfach innervierende, mit der Subjektivität selbst im Wechselverhältnis stehende, qualitative Objekt, das Nichtbegriffliche in dem im sechsten Kapitel dargelegten Sinne, das aber ± außer in der von der Wirklichkeit sich separierenden Kunst ± im gesellschaftlichen Immanenzzusammenhang der determinierten Realität noch gar nicht hervorgetreten ist. Im erkenntnistheoretischen Kontext wurde das Mimetische insoweit schon angesprochen, als das Denken, statt seinen Gegenstand zu determinieren und zu fixieren, sich von diesem in seiner Erkenntnisaktivität prägen lässt, ja sich immer auch von ihm prägen lassen muss, um determinieren und Sachhaltiges überhaupt treffen zu können. Wenn Adorno gegen die transzendental fundierende Philosophie auf den Ä+DOW³ GHV EHJULIIOLFKHQ 'HQNHQV DP 1LFKWEHJULIIOLFKHn verweist, so ist es das mimetische Verhalten, das diesen Halt gleichsam sucht und subjektiv ermöglicht. Es ist sodann, wie erwähnt, insbesondere der Ausdruck des Gedankens, der vom mimetischen Verhalten zeugt, durch welches dieser selbst erst inhaltsvoll und stringent wird, das sich jedoch wiederum nicht isolieren lässt von der logischdiskursiven, rationalen Tätigkeit, ohne seine Bedeutung für die Erkenntnis zu verlieren. Adorno sieht Mimesis und Rationalität im begrifflichen Differenzierungsvermögen zueLQDQGHUNRPPHQ Ä'DV PLPHWLVFKH 0RPHQW >@ YHUVFKPLO]W auf der Bahn seiner Säkularisierung mit dem rationalen. Dieser Prozess fasst sich als Differenziertheit zusammen. Sie enthält ebenso mimetisches Reaktionsvermögen in sich wie das logische Organ fürs Verhältnis von Genus, Species und

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differentia speciILFD³ 1' 55).7 Das Subjekt eines solchen Vermögens wäre das ÄTXDOLWDWLYH 6XEMHNW³ LP 8QWHUVFKLHG ]X VHLQHP ÄWUDQV]HQGHQWDOHQ 5HVLGXXP³ (ND, 54), das jener im vorherigen Kapitel beschriebene Abstraktionsprozess der Rückführung alles Objektiven auf Subjektivität von der Subjektivität selbst noch übrig lässt, die jedoch des Objektiven bedürfte, um mehr als nur der abstrakte Gegenpol zur empirischen Welt zu sein, der dank eigener Leere nicht mehr befürchten muss, dass Skeptizismus und Relativismus ihm etwas nehmen. Was die Mimesis ans Lebendige rettet, das ist ± wie im vorigen Kapitel gesehen ± ihre Rationalisierung in der Kunst. Was sie in der und für die Erkenntnis rettet, das ist das Vermögen zur Differenzierung und das Vermögen, in diesem aktiven Differenzieren zugleich passivisch sich vom Gegenstand bestimmen zu ODVVHQ'HQQLQÄGHU6DFKHZDUWHWGDV3RWHQWLDOLKUHU4XDOLWlWHQDXIGDVTXDOLWDWiYH 6XEMHNW³ 1'   QLFKW QXU KlQJW YRQ GHU 'LIIHUHQ]LHUXQJ Ädie Wahrnehmung des Objekts ab: ebenso ist sie selber vom Objekt her konstituiert, das in ihr JOHLFKVDP VHLQH UHVWLWXWLR LQ LQWHJUXP YHUODQJW³ (ND, 57). Diese restitutio wäre nichts anderes als die aufklärende Entmythologisierung des Subjekts selbst. Das Verlangen des Objekts ist zugleich das Ãrealeµ, nicht mehr in der menschlichen Praxis der Naturbeherrschung reduziert zu werden auf seine Funktion für Anderes und damit zum fungiblen Ding zu erstarren. Formuliert ist damit zugleich die Idee der Umwendung der subjektiven Reduktion, und auch, welches Objektverhältnis diese Umwendung ermöglicht: nicht ein direktes geistiges Erschauen der Gegenstände, keine dem diskursiven Denken vorausliegende sinnliche Unmittelbarkeit, sondern das mimetische Verhalten als unlösbares Moment des begrifflich differenzierenden Denkens. Dieses Verhalten verändert sich qualitativ im Prozess der Distanzierung von der Natur und schließlich im Prozess einer sich über sich selbst aufklärenden und so zu sich selbst kommenden Aufklärung. Es wird in ihm reflexiv, und das bedeutet, es ist nicht mehr an blinde Selbsterhaltung gebunden, wird insofern zur freien Nachahmung. Wo es aber im Aufklärungsprozess weiterhin als unmittelbare Reaktionsweise der Selbsterhaltung folgt, in der noch nicht sich selbst kritisch reflektiert habenden Aufklärung, ist mimetisches Verhalten die Angleichung an das Reduzierte. Ausgangspunkt der Aufklärung ist die Deanthropomorphisierung. Aufklärung als Reflexion auf die subjektive Projektion negiert das Menschenähnliche an der Na7

Die Kritik von Habermas, Adorno und Horkheimer gäben keine Theorie der Mimesis und könnten nicht sagen, wie sich mimetisches Verhalten in Einsichten verwandeln könne, so dass auch ihre Rationalitätskritik vor dem Hintergrund der MimesisKonzeption der Grundlage entbehre, übersieht, dass Mimesis der Rationalität gar nicht in der Weise entgegengesetzt wird, wie eine solche Kritik unterstellt. Mimetisches Verhalten ist der Aspekt einer aufgeklärten Rationalität, die Mimesis nicht mehr tabuiert, sondern als sie qualitativ veränderndes Moment in sich aufnimmt. Losgelöst von Rationalität wäre Mimesis selbst nur ein blindes Verhalten. Was sollte eine Theorie über sie erklären? (Vgl. zur Kritik: J. Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns, Band I, S. 514.)

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tur, zersetzt ihre anthropomorphe Besetzung. In epistemischen Ausdrücken gesprochen: Aufklärung erkennt, dass alles, was objektive, intrinsische Eigenschaft des Natürlichen sein soll, subjektiv, dass es durchs Subjekt gesetzt ist. In solcher bewusst vollzogenen Subjektivierung aber ± so wurde gezeigt ± verabsolutiert sich in der intentio obliqua der subjektive Pol der Erkenntnis und verarmt, da er nicht mehr offen auf das gerichtet ist, was jene Anthropomorphisierung objektiv ermöglicht, indem es den Anthropomorphisierenden von außen innerviert, von objektiver Seite das mimetische Reagieren zulässt. Es ist leicht einzusehen, dass Projektion ohne Erfahrung eines Anderen gar nicht möglich wäre. Um etwas subjektiv besetzen zu können, muss es rezeptiv diskriminiert werden, sonst ließe sich in allem alles sehen und nichts; darin aber schon macht sich das auf Subjektivität Unreduzierbare geltend, auf das Adorno auch in epistemischer Hinsicht pochen kann. Subjektives Bestimmen und objektive Bestimmbarkeit der Natur gehen nicht identitätsphilosophisch ineinander auf. Dass Ersteres jedoch nicht ins Leere geht, kein ausschließliches Produkt subjektiver Setzung ist, sondern die äquivalente Bestimmbarkeit des Objekts voraussetzt, indiziert die Ähnlichkeit von ÄVXbMHNWLYHP *HLVW³ XQG 1DWXU 9HUZDQGW LVW 1DWXU GHP *HLVW XP QLFKW ]X VDJHQ dem Denken in Sprache) gerade nicht, indem sie von ihm Ãgespiegeltµ wird, sondern weil sie sich erst dem sie sprachlich bestimmenden, in dieser Weise anthropomorphisierenden Subjekt erschließt und diesem so erst anderes und mehr zurückgibt, als sie von ihm erhält, ohne dass doch das Subjekt zum Primären gegenüber dem Objekt, zum Grund aller Erfahrung und Objektivität würde. Gerade in diesem wechselseitigen Verhältnis von Bestimmen und Bestimmtwerden wird das Subjekt nicht zum Primären. Der in ein Wolkengebilde versenkte Blick, der in dessen verschlungenen Formen eine Berglandschaft mit allen ihren farblichen Schattierungen entdeckt, gewahrt am Ende, trotz projektivem Anteil und subjektivem Farbempfinden, an der Natur selbst womöglich qualitativ mehr als eine Sichtweise, die das Volumen des Gebildes ermisst und in ihm die Formel für den Gaszustand des Wassers sieht, die objektiv und unabhängig von dem jeweiligen Betrachter und dem jeweils in einer bestimmten Situation Betrachteten gilt und der subjektiven Einfärbung enthoben scheint. Das Mehr ist das Besondere, in sich Differenzierte, auf das mimetisches Verhalten reagiert und dessen Differenziertsein in sich eben nicht Projektion ist, wenngleich die Projektion einen releYDQWHQ $QWHLO DQ GHU (UVFKOLH‰XQJ GHV 2EMHNWV KDW Ä'D‰ GLH %HVWLPPXQJHQ durch die das Objekt konkret wird, ihm bloß auferlegt seien, gilt nur unterm unerschütterten Glauben an den Primat der SubjektiviWlW³ 1' 188). Würde er erschüttert, so würde GDV6XEMHNWVHLQHÄ0QGLJNHLWXQGGLH)UHLKHLW]XP4XDOitatiYHQ³ 1' 101) erst gewinnen, Erfahrung wäre nicht mehr die reduzierte, die einzig noch die abstrakte Andersheit, die bloße res extensa als das Nichtsubjektive gelten lässt und alle subjektiven Reaktionen auf Natur ausschließt, durch welche sich die Lebendigkeit des Subjekts eher bezeugt als durch die Fähigkeit, Natur zu bannen. Eine gelingende Interaktion zwischen Subjekt und Natur, die Be-

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dingungen einer unreduzierten Erfahrung beschreiben Horkheimer und Adorno im Antisemitismuskapitel der Dialektik der Aufklärung: Ä,QQLFKWVDQGHUHPDOVLQGHU=DUWKHLWXQGGHP5HLFKWXPGHUlX‰HUHQ:DKUQHKPXQJswelt besteht die innere Tiefe des Subjekts. Wenn die Verschränkung unterbrochen wird, erstarrt das Ich. Geht es, positivistisch, im Registrieren von Gegebenem auf, ohne selbst zu geben, so schrumpft es zum Punkt, und wenn es, idealistisch, die Welt aus dem grundlosen Ursprung seiner selbst entwirft, erschöpft es sich in sturer Wiederholung. Beide Male gibt es den Geist auf. Nur in der Vermittlung, in der das nichtige Sinnesdatum den Gedanken zur ganzen Produktivität bringt, deren er fähig ist, und andererseits der Gedanke vorbehaltlos dem übermächtigen Eindruck sich hingibt, wird die kranke Einsamkeit überwunden, in der die ganze Natur befangen ist. Nicht in der vom Gedanken unangekränkelten Gewißheit, nicht in der vorbegrifflichen Einheit von Wahrnehmung und Gegenstand, sondern in ihrem reflektierten Gegensatz zeigt die Möglichkeit von Versöhnung sich an.³ '$, 213 f.)

Angesichts dieser produktiven Verschränkung von Ich und Objektwelt liegt der Kritischen Theorie ein Repräsentationsmodell der Erkenntnis, das suggeriert, Natur werde, wenn nur alle subjektiven Störfaktoren schrittweise ausgeschaltet worden sind, in einem Medium namens Geist oder Bewusstsein oder Sprache noch einmal korrekt wiedergegeben, so fern wie nur dem Pragmatismus und Neopragmatismus. Deshalb sperrt sich Adorno auch gegen die mit dem Repräsentationsmodell verbundene visuelle Metaphorik. Was repräsentiert wird, das wird ± sehr simpel gesprochen ± eben nicht gedacht in dem Sinne von Denken, in dem wir es als ein Begreifen von etwas verstehen, sondern in einem an sich passiven Medium abgebildet. Doch indem ÄGLH6DFhe gedacht wird, ist sie nicht länJHUHLQHGHUPDQVLFKDQPHVVHQN|QQWH³XQGZHQQÄder frühere, eigentlich phänomenologische Husserl triftig gegen die Bilder- und Zeichentheorie der Erkenntnis polemisiert, so wäre solche Polemik auch gegen die sublimierte Idee zu wenden, ErkenntQLVVHL%LOGLKUHV*HJHQVWDQGHV³ (ME, 141).8 Doch gibt Adorno die Idee der Wahrheit nicht auf, sondern fasst sie, entgegen einem Modell, in dem Subjektivität zum bloßen Medium von Wahrheit neutralisiert ist, als Affinität auf, der erst jene Reflexion inne wird, welche die Grenze der Deanthropomorphisierbarkeit erkennt. Mit Blick auf Hegels spekulativem Begriff exponiert Adorno diesen Wahrheitsbegriff gegen den adäquationstheoretischen: Ä*lEHHV.DQWLVFKJHVSURFKHQNHin Ähnliches zwischen Subjekt und Objekt, stünden beide einander, nach dem Wunsch des losgelassenen Positivismus, absolut, unvermittelt entgegen, so gäbe es nicht nur keine Wahrheit, sondern keine Vernunft, keinen Gedanken überhaupt. Das Denken, das seinen mimetischen Impuls völlig exstirpiert hätte; die 8

In der Negativen Dialektik bemerkt Adorno: Ä%HZX‰WVHLQ GDV ]ZLVFKHQ VLFK XQG das, was es denkt, ein Drittes, Bilder schöbe, reproduzierte unvermerkt den Idealismus³ (ND, 206). Denn DOVMHQHVÄ'ULWWH³ wäre das Bezugsobjekt, das den Inhalt des Wissens bilden soll, wieder nur ein subjektimmanentes.

330 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN Art von Aufklärung, welche die Selbstreflexion nicht vollzieht, >«@ PQGHWH LQ GHQ Wahnsinn. Das absolut beziehungslose Denken [...] als vollkommener Gegensatz zur Identitätsphilosophie; jenes, das einen jeglichen Anteil des Subjekts, eine jegliche ÃBesetzungµ, jeglichen Anthropomorphismus von dem Objekt abzieht, ist das Bewußtsein des Schizophrenen. Seine Sachlichkeit triumphiert im pathischen Narzißmus. Der Hegelsche spekulative Begriff errettet die Mimesis durch die Besinnung des Geistes auf sich selbst: Wahrheit ist nicht adaequatio sondern Affinität, und am untergehenden Idealismus wird, durch Hegel, dies Eingedenken der Vernunft an ihr mimetisches Wesen als ihr MenVFKHQUHFKWRIIHQEDU³9

Mimetisches Verhalten zeugt von der Ähnlichkeit zwischen Erkenntnissubjekt und Natur. Genauer fassen lässt sich der epistemische Gehalt des Mimesisbegriffs und damit der Idee der Affinität, wenn man die ihnen entsprechende Konzeption von Erkenntnis in ihrem Unterschied zu zwei anderen Modellen der Erkenntnisrelation betrachtet. Das nominalistische Modell, wie es auch Rorty vertritt, läuft auf eine begriffliche Determinierung des Materials der Anschauung hinaus. Hierfür ist es unerheblich, ob die determinierenden Begriffe ihre Bedeutung, namenstheoretisch, qua Benennung eines Phänomens erhalten oder erst, gebrauchstheoretisch gesehen, durch ihre Rolle in einem Sprachspiel. Epistemologisch wird am Weltbezug nämlich jeweils nur das relevant, was nach dem kantischen Modell als die Aktivität des Erkenntnissubjekts, als seine Spontaneität, der Rezeptivität und Passivität entgegengesetzt wird. Zwar können die in einem Sprachspiel determinierten Phänomene Sprachbenutzer zu bestimmten Äußerungen kausal veranlassen, doch wird damit nicht schon die Rezeptivität, die Anschauung des Materials, erkenntnisrelevant; sondern es wird nur das sprachlich Determinierte des Angeschauten, in dem bereits die subjektive, determinierende Tätigkeit eingegangen ist, zu einem Pol in der Erkenntnis im Sinne einer Ãharmlosenµ, alltagspraktischen adaequatio. Das entgegengesetzte Modell, am reinsten von der Phänomenologie verkörpert, fasst den Erkenntnisgegenstand als etwas, das als ein im Bewusstsein repräsentierter Gegenstand geistig erschaut werden kann. Damit wird primär oder gar allein das rezeptive und passive Verhalten des Subjekts für den Erkenntnisbegriff wichtig. Indem Subjektivität dadurch, dass sie sich im Anderen auf ihre eigene Determination bezieht, gleichsam in der eigenen Sphäre verbleibt, braucht der Nominalismus Rortys keine paramechanische Erklärung, wie Subjektivität und Welt in der Erkenntnis aufeinander bezogen sind, es reicht, diesen Bezug als einen im schlichten Sinne kausalen zu verstehen. Das zweite, phänomenologische Modell ist in einer paraoptischen Metaphorik formuliert, in der jegliche Spur einer den Gegenstand prägenden Tätigkeit des Denkens verschwindet. Erkenntnis in diesem Modell heißt: eine adäquate geistige Vorstellung vom an sich Wahren zu haben, die sich durch Klarheit und Evidenz auszeichnet. In diesen beiden Modellen wird entweder qua Aktivität oder qua Passivität der Weltbezug hergestellt, mit dem Resultat, dass dieser Bezug im Nomina9

Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 5, S. 285.

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lismus im Grunde kein Erkenntnisbezug mehr ist, in einem phänomenologischen Realismus hingegen zwar ein reiner Erkenntnisbezug konzipiert ist, das Subjekt allerdings nur zum passiven Medium wird und ungeachtet aller Verweise auf Evidenz keine Auskunft darüber geben kann, wann die adaequatio erreicht ist. Während im einen Fall das Subjekt das allein seinen Gegenstand Prägende ist, ganz im Sinne des Primats des Subjekts, wird es im anderen Fall vom Gegenstand geprägt, der sich in ihm spiegelt. Dass angesichts der Kritik am Primat des Subjekts für Adorno auch das phänomenologische Modell unzureichend ist, liegt im Anspruch seiner Dialektik als einer negativen begründet. Denn negativ ist sie nicht zuletzt als Einspruch gegen das schlecht Gewordene, gegen die subjektiv real zugerüstete Wirklichkeit. Dabei beruft sie sich darauf, dass Denken nicht per VH $QSDVVXQJ DQ VHLQHQ *HJHQVWDQG LVW Ä'LH $QVWUHQJXQJ GLH LP %HJULII GHV Denkens selbst, als Widerpart zur passivischen Anschauung, impliziert wird, ist bereits negativ, Auflehnung gegen die Zumutung jedes Unmittelbaren, ihm sich zu beugen³ 1' 30). Und: Ä:DVQLFKWGHQNWVRQGHUQGHU$QVFKDXXQJVLFKEHUOl‰WQHLJW]XPVFKOHFKW3ositiven vermöge jener passivischen Beschaffenheit, die in der Vernunftkritik die sinnliche Rechtsquelle der Erkenntnis bezeichnet. Etwas so empfangen, wie es jeweils sich darbietet, unter Verzicht auf Reflexion, ist potentiell immer schon: es anerkennen, wie es ist; dagegen veranlaßt jeder Gedanke virtuell zu einer negatiYHQ%HZHJXQJ³ 1' 48)

Somit wird das Verhältnis von Aktivität und Passivität des Denkens, wird deren immanenter Zusammenhang für den Erkenntnisbegriff Adornos besonders wichtig, wie insbesondere seinem Essay Anmerkung zum philosophischen Denken zu entnehmen ist. Passivität des Denkens impliziert Aktivität in dem Sinne, dass der Denkende, der sich aufmerksam auf etwas richtet, die Anstrengung der Hinwendung und Konzentration aufbringen muss, damit ihm empfangenderweise etwas spontan aufgehen kann, das sich nicht konstruieren lässt. Umgekehrt würde eine pure Aktivität des Denkens schlicht ins Leere laufen und zur Willkür werden, wenn sich das Denken nicht seinerseits von dem, woran es tätig ist, passiv beVWLPPHQ OLH‰H 'HQQ ZR HV ÄZDKUKDIW SURGXNWLY LVW ZR HV HU]HXJW GRUW LVW HV immer auch ein Reagieren. Passivität steckt im Kern des Aktiven, ein sich Anbilden des Ichs ans Nicht-,FK³10. Das Ineinander von Aktivität und Passivität beschreibt zugleich den Vorgang der Angleichung an ein Anderes: Mimesis. Behauptet wird von Adorno, dass Erkenntnis weder adaequatio ist noch reine Konstruktion, bloße Tautologie, sondern in einem Verhältnis des Denkens zu seinem Anderen besteht, in welchem das Denken, indem es seinen Gegenstand prägt, sich zugleich von diesem prägen lässt (vgl. ND, 152). Dies berührt den zentralen Begriff der kantischen Konstitutionslehre: die Synthesis. Wenngleich die Synthesis, die Vereinigung des Mannigfaltigen, durch die das Subjekt überhaupt erst ein 10 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 10.2, S. 601.

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Wissen von etwas gewinnt, von ihm selbst und nach seinen Regeln vollzogen wird, so kann es die Synthesis doch nur vollziehen, soweit sie auch durch das, was synthetisiert wird, ermöglicht ist (vgl. ND, 142). Ä:DV LQ GHU ORJLVFKHQ 6\QWKHVLV YRQ 0HQVFKHQ JHWDQ ZDV ]XVDPPHQJHEUDFKW ZLUG bleibt nicht nur der Mensch, nicht die leere Form von dessen Willkür. Sondern vermöge der Gestalt dessen, worauf die Synthesis sich erstreckt, und was ohne diese sich verflüchtigte, reicht die Synthesis übers bloße Tun hinaus.³ (ME, 87; vgl. ebenso ND, 87)

'LHVHÄ*HVWDOW³LVWMHQHVÄ1LFKWEHJULIIOLFKHLP%HJULII³GDVJHJHQEHUGHP%egriff ebenso auch transzendent ist, auf das die Einleitung in die Negative Dialektik abhebt. Es ist ± wie im sechsten Kapitel hervorgehoben ± im Begriff, insofern es das Geprägtsein seines Inhalts ist, seine eigene Gestalt, zu der Mannigfaltiges in ihm sich verbunden hat. Weil der Begriff sachhaltig, aber kein absolutes Ansichsein ist, sondern geprägt ist von seinem Anderen, wird ihm ein nominalistisches Verständnis ebenso wenig gerecht wie ein begriffsrealistisches. Vor diesem Hintergrund stellt Wahrheit nicht das kontrafaktische Ziel einer Annäherung an den Gegenstand der Erkenntnis dar, mit dem das Denken allein im Unendlichen zusammentrifft, sondern die Angleichung an diesen Gegenstand, die jedes Subjekt immer wieder neu ± und fast möchte man an dieser Stelle hinzufügen: auf seine individuelle Weise, mit seiner Sprache ± vollzieht.11 Indem Aktivität und Passivität, Determination und Reflexion im Begriff der Wahrheit als Affinität ineinander verschränkt sind, erfordert dieser Wahrheitsbegriff nicht (so wenig zunächst wie der pragmatisch nominalistische Rortys), dass der Erkennende zwischen sich und die Welt tritt, um die Rechtmäßigkeit seines Wahrheitsanspruchs überprüfen zu können. Während ÃÜbereinsWLPPXQJPLWGHU:LUNOLFKNHLWµ auf einen statischen und finalistischen Wahrheitsbegriff hinausläuft, der ± wenn auch nur idealerweise ± in unanzweifelbaren, für alle Zeiten unwiderlegbaren Aussagen mündet, so stellt nach der Auffassung von Wahrheit als Affinität die Sicherheit unzerbrechlich wahrer Aussagen sich gar nicht als das Erkenntnisideal dar, 11 Gegenständliche Wahrheit bildet daher bei Adorno auch nicht, wie letztendlich bei Habermas, den Fluchtpunkt eines das Falsche eliminierenden, innerweltlichen Problemlösungsprozesses, an dessen Ende nur die vollends beherrschte Natur stehen kann ± ohne dass nun dieser Prozess zu bestreiten wäre. Gewiss wird, was einmal als falsch erkannt wurde, auch in Zukunft nicht mehr wahr werden, so wie auch eine misslungene Rechtfertigung nicht nachträglich zu einer gelingenden, ein unterlegenes, schwaches Argument nicht wieder zu einem stärkeren werden kann. Daraus lässt sich jedoch wenig Kapital für den Begriff einer raum- und zeittranszendierenden Wahrheit schlagen, sondern nur der dürftige Gewinn, dass für immer die Aussage wahr ist, dass X falsch ist. Warum etwas für alle Zeit unwiderlegbar bleiben sollte, das bisher noch nicht widerlegt worden ist, diese Frage kann auch auf dem Wege der Reflexion auf das Unwahre nicht beantwortet werden. Um eine solche Antwort aber geht es bei einem Wahrheitsbegriff, der auf die adaequatio hinausläuft. Daher ist die Idee der Affinität von vornherein nicht mit einem Begriff apodiktischer, unwiderleglicher Wahrheit belastet.

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von dem die abendländische Philosophie, wo immer sie sich nicht des Relativismus verdächtig machen will, fraglos ausgeht. Damit wird jedoch der Beliebigkeit QLFKW GLH JHULQJVWH .RQ]HVVLRQ JHPDFKW *HEURFKHQ ZLUG QXU PLW GHP Ä)HWischismus der ErkennWQLV³ 0(   XQG GDIU GHU ÄXQUHGX]LHUWHQ (UIDKUXQJ LP 0HGLXPGHUEHJULIIOLFKHQ5HIOH[LRQ³5DXPJHJHEHQGLHLP*HJHQVDW]]XPDntiskeptischen Reduktionsprozess auf das Unanzweifelbare, das Unfehlbare als Restgegenstand der Erkenntnis, für die ÄProduktiYLWlWGHV*HGDQNHQV³VWHKWIU seine Differen]LHUWKHLWIUGLH8QDEJHVFKORVVHQKHLWYRQ(UNHQQWQLVGLHÄNHLQHQ LKUHU*HJHQVWlQGH JDQ]LQQH³ 1',  KDWXQGGHUGDVÄ7DVWHQQDFK>«@.RnNRUGDQ]³ 1' 55) wesentlich ist. Entsprechend der Differenziertheit und Unabgeschlossenheit wird Philosophie, statt Unendlichkeit in die logische Kategorie ]XEDQQHQVHOEHUÄXQHQGOLFKLQVRIHUQDOVVLHYHUVFKPlKWLQHLQHP&RUSXV]lKlbarer Theoreme sich zu fixieren. Ihren Gehalt hätte sie in der von keinem Schema zugerichteten MannigfaltLJNHLWGHU*HJHQVWlQGH³ 1' 25), an der jene unreduzierte Erfahrung überhaupt erst möglich wird. Im Schematismuskapitel der Kritik der reinen Vernunft geht Kant der Frage QDFK ÄZLH UHLQH 9HUVWDQGHVEHJULIIH DXI (UVFKHLQXQJHQ EHUKDXSW DQJewandt ZHUGHQN|QQHQ³12. (Man bedenke, dass die Rede von der Anwendung der Begriffe auf Erscheinungen, wodurch erst Erkenntnis zustande kommt, Erkenntnis von der Aktivität des Subjekts her bestimmt und sich zunächst von einem nominalistischen Verständnis eines begrifflich determinierenden Realitätsverhältnisses wenig unterscheidet.) Diese Frage wird unausweichlich aufgrund der Ungleichartigkeit der selbst unanschaulichen Kategorien mit der sinnlichen Anschauung, deren Zusammenkommen erst den Begriff der Erkenntnis nach der Kritik der reinen Vernunft erfüllt. Aufgrund der Ungleichartigkeit muss es ein das Ungleichartige vermittelndes tertium JHEHQ ÄZDV HLQHUVHLWV PLW GHU .DWHJRULH Dndererseits mit der Anschauung in Gleichartigkeit stehen muß, und die AnwenGXQJ GHU HUVWHUHQ DXI GLH OHW]WH P|JOLFK PDFKW³13. Dieses tertium ist das transzendentale Schema, ein ÃBLOGµ HLQ Ã0RGHOOµ gleichsam, das eine Strukturhomologie zeitlicher Art sowohl auf der einen Seite zur Anschauung als auch auf der anderen Seite zum Begriff hin aufweist. Beide, sinnliche Anschauung und begriffliches Denken, werden über die Zeit als ihre gemeinsame Dimension im Schema kommensurabel. Sie sind zeitlich und in der Zeit strukturiert. Das Schematismuskapitel will diese Homologie aufzeigen. Diese kantische Problemfassung und ihren Lösungsversuch interpretiert Adorno als Ausdruck einer strukturellen Problematik der Kritik der reinen Vernunft, ja als redliches Eingeständnis dieser Problematik. Erkenntnis wäre als Verhältnis zwischen schlichtweg Ungleichartigem, zu dem die am Leitfaden des

12 I. Kant: Kritik der reinen Vernunft, darin: Von dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe. 13 Ebd.

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Apriorismus vollzogene Entgegensetzung von Sinnlichkeit und Verstand, Rezeptivität und Spontaneität, Anschauung und Begriff führt, gar nicht denkbar. Deshalb muss Kant im Schematismuskapitel nachholen, was der konstitutionstheoretische Ansatz aufgrund des Formaprioris zunächst nicht in Erwägung ziehen kann, er muss die Kommensurabilität der unterschiedlichen Stämme der Erkenntnis sichern, muss ihre Gleichartigkeit aufzeigen. 14 Wären Kategorien und Anschauung schlicht inkommensurabel, so wären Erstere auf ein Anschauungsmaterial nicht einmal anwendbar; oder zumindest anwendbar nur in der Weise ihrer völligen Äußerlichkeit, Beliebigkeit den Erscheinungen gegenüber, was zur Inanspruchnahme des Begriffs der Erkenntnis, selbst bei seinem anspruchslosen Gebrauch, wenig berechtigen würde. So wird im kantischen Modell die Ungleichartigkeit von Begriff und Anschauung, wenn auch vermittelt über das transzendentale Schema, wieder zurückgenommen. Damit aber findet Berücksichtigung, dass der Begriff nicht nur bestimmend, identifizierend ist, er muss anwendbar sein und also auch sich durch das bestimmen, worauf sich seine Anwendbarkeit erweist. Das heißt, dass das begriffliche Denken in seiner Spontaneität sich zugleich rezeptiv dem angleicht, was an sich selbst nicht ungestaltet, indifferentes BestimmunJVVXEVWUDW LVW Ä'HU %HJULII PX‰ der Anschauung in gewisser Weise lKQOLFKVHLQ³15, weil es andernfalls überhaupt kein homologes, kein komplementäres Geformtsein von begrifflichem Denken und sinnlicher Anschauung gäbe und damit keine Erkenntnis als die bestimmte, nämlich richtige Anwendung der Begriffe auf Erscheinungen.16 Was an Kants transzendentaler Reflexion auf den 14 Genau genommen ist schon die kantische Philosophie, die wie kaum eine andere die erkenntnistheoretische Wendung auf das Subjekt vollzieht, keine Subjektphilosophie. ± Zwar kommt erst durch die kantische Wendung auf das Subjekt der Apriorismus zustande, der zur Ungleichartigkeit von Begriff und Erscheinung, der sich keine Kategorie entnehmen lässt, führt XQGGDQQGDV3UREOHPDXIZLUIWÄZLH%HJULfIH DXI (UVFKHLQXQJHQ DQJHZDQGW ZHUGHQ N|QQHQ³ *HUDGH ZHLO .DQW DEHU DQ GHP integralen Sinn von Erkenntnis festhält, dass sie Erkenntnis von etwas nicht Subjekteigenem ist, führt die Reflexionsbewegung auch wieder vom Subjekt weg zu den Erscheinungen und deren Gleichartigkeit mit den begrifflichen Resultaten der vorgeblich konstitutiven Leistungen des Subjekts. Eine genauere Betrachtung von Adornos Verhältnis zu Kant würde wohl ergeben, dass am Ende Kant der eigentliche Kronzeuge für eine Philosophie des mit dem Denken Nichtidentischen ist, in der die Umwendung der subjektiven Reduktion, einer Reduktion, die gleichwohl PLW GHU ÄVXEMHNWLY JHULFKWHWHQ $QDO\VH³ 1' 193) fortgeschrieben wurde, bereits angelegt ist. 15 TK:$GRUQR.DQWVÄ.ULWLNGHUUHLQHQ9HUQXQIW³6 16 Damit ist ± um nochmals an die erwähnte Problematik der Konzeption McDowells (siehe Kap. 3) zu erinnern ± eine vielleicht nur schwer erkennbare, aber doch entscheidende Differenz zu einem Ansatz festzustellen, der den Zusammenhang des zunächst Ungleichartigen in der Weise auffasst, dass bereits in der Sinnlichkeit begriffliche Fähigkeiten am Werk sind, der also das aktive, spontane Moment in der Rezeptivität hervorhebt, nicht aber ± und das ist entscheidend für das epistemische Verständnis von Mimesis in der Philosophie Adornos ± das rezeptive Moment der begrifflichen Tätigkeit, das Geformtwerden des Begriffs durch sein Anderes statt des Präformierens der Anschauung durch ihn.

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Schematismus der reinen Vernunft für Adorno daher von besonderem Gewicht ist, besteht darin, dass LPÄJDQ]XQGJDUYRQ6XEMHNWLYLWlWGefinierten Raum[«] gleichwohl nun das NichtVXEMHNWLYH>«@GRFKLUJHQG]XU*HOWXQJNRPPW³17. Die Negative Dialektik formuliert diese Einsicht freilich als deutliche Kritik an Kant: Ä'LH aktivische Bestimmung ist kein rein Subjektives, und darum der Triumph des souveränen Subjekts hohl, das da der Natur die Gesetze vorschreiEH³ (ND, 142). Adorno spitzt diesen Umstand, dass der Begriff sich nach dem richtet, was nicht Begriff ist, in seinen Kantvorlesungen zu auf den einfachen Fall, dass wir āEHUKDXSWPLWXQVeren Verstandesbegriffen Erscheinungen subsumieren können, RKQH>«@GDEHLLQHLQHDQGHUH*DWWXQJ]XYHUIDOOHQRKQHGDEHL6FKUHLEPDVFKinen und Apfelsinen miteinander zu addieren, wie es sonst eben doch der Fall wäUH³18. Dass wir Schreibmaschinen von Apfelsinen unterscheiden und diese wiederum von Salatgurken, darauf ließe sich ± nach all dem, was bisher in Auseinandersetzung mit dem Sprachspielnominalismus an Einsichten zu gewinnen war ± auch eine andere Antwort finden, mit welcher der kontemplative und bewusstseinsphilosophische Bezugsrahmen, in dem sich Adorno in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der philosophischen Tradition immer wieder auch selbst bewegen muss, verlassen würGH 'LHVH $QWZRUW GLH QLFKW ÄHLQH YHUERUJHQH Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir der NaWXU VFKZHUOLFK MHPDOV DEUDWHQ³19, entbergen müsste, ließe sich den Philosophischen Untersuchungen Wittgensteins entnehmen. Würde jemand über Schreibmaschinen wie über Apfelsinen reden und beides in der Alltagspraxis auch noch völlig gleich behandeln, dürften Zweifel aufkommen, ob er in derselben Sprachgemeinschaft mit ihren Praktiken eingeführt worden wäre wie wir. Die Problematik der Anwendbarkeit von Begriffen in ihrer kantischen und auch von Adorno so übernommenen Fassung geht von einem monologischen Bewusstsein aus, das Begriffe hat, die es als dieses monologische Bewusstsein dann auf Erscheinungen anzuwenden versucht. Im Modell Wittgensteins kommt die Anwendung jedoch ± und zwar zu Recht ± nicht zu einem Begriff, den man auch unabhängig vom Kontext seiner Anwendung hat, hinzu. Der Begriff bildet sich vielmehr erst in der Praxis der Anwendung der Begriffsworte in einem Sprachspiel, einer Lebensform, in der sie einen inferentiellen Zusammenhang miteinander bilden. Damit wird die Frage unnötig, wie die Fähigkeit zu erklären ist, einen Begriff, den man bereits hat, über den man unabhängig von der Anschauung verfügt (mag er auch noch leer sein), richtig auf Erscheinungen anzuwenden. Er wird in der Praxis des Sprachspiels, in dem er ein Moment ist, immer schon nach intersubjektiven Regeln, die ihm selbst immanent sind, auf Erscheinungen bezogen. Mit seinem Begriffsverständnis, wonach Begriffe VHOEVWÄ7HLOGHU5HDOLWlWVLQGGLH]XLKUHU>«@ 17 Th. W. Adorno: KantVÄ.ULWLNGHUUHLQHQ9HUQXQIW³6 18 Ebd., S. 202. 19 I. Kant: Kritik der reinen Vernunft, A. 141.

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%LOGXQJQ|WLJW³ 1' 23), gelangt Adorno nahe an eine Konzeption des Begriffs, die den Begriff als Inventar des Einzelbewusstseins hinter sich lässt, wie überhaupt seine Reflexion auf den gesellschaftlichen Charakter begrifflichen Denkens bereits über jene monologische Vorstellung weit hinaus ist. Es ist interessant, dass das Mimetische, da es doch in dem erkenntnistheoretisch geradezu zentralen Zusammenhang des Schematismuskapitels an der Ähnlichkeit zwischen Anschauung und Begriff thematisiert wird, in der Negativen Dialektik ausdrücklich in der Sprache verortet wird, wie sie dem begrifflichen Denken immanent ist und überhaupt erst dessen Ausdruck ermöglicht. Die Schritte, die zur Aufwertung der Sprache für einen nicht um die mimetische Dimension verkürzten Erkenntnisbegriff führen, lassen sich aber unschwer nachvollziehen, wenn man sich vor Augen führt, wie in der Einleitung zur Negativen Dialektik der Übergang von dem Kapitel Tradition und Erkenntnis zum darauffolgenden Kapitel Rhetorik, exponiert als das die Einleitung abschließende Kapitel, themaWLVFK PRWLYLHUW LVW (LQ ZLFKWLJHV 0RWLY IU $GRUQRV $EZHQGXQJ YRP Ä+DXStVWURP GHU QHXHUHQ 3KLORVRSKLH³ LVW GHUHQ 9HUVXFK GHP Ä*HGDQNHQ VHLQH Jeschichtliche DiPHQVLRQ DXV]XWUHLEHQ³ 1' 63). Erkenntnis soll, in der platonischen Tradition, einen Ort jenseits der Hypothesen treffen, sich gegen allen Skeptizismus als ein notwendiges Wissen in unveränderlichen Begriffen darlegen. Nicht weniger geschichtsvergessen versucht die neuzeitliche ErkenntnisWKHRULH ÄLQ GHU YHUPHLQWOLFKHQ 8QPLWWHOEDUNHLW YRQ VXEMHNWLY *HJHEHQHP GDV )XQGDPHQW DOOHU (UNHQQWQLV³ VLFKHU]XVWHOOHQ GRFK GDPLW ZLUG ÄGDV ILNWLYH HLnGLPHQVLRQDOH -HW]W >«@ ]XP (UNHQQWQLVJUXQG GHV LQQHUHQ 6LQQV³ Hbd.). In den vorherigen Kapiteln wurde ausgiebig erörtert, zu welcher Residualisierung, um nicht zu sagen Verkümmerung von Subjektivität wie von Objektivität ihrem abstrakten Begriff nach ein Verständnis von der Erkenntnis des Wahren führt, das auf ein sicheres Fundament im abstrahierenden und methodischen Rückgang auf ein Erstes, Festes, weil Unanzweifelbares, zu stoßen für den Höhepunkt menschlicher Erkenntnisfähigkeit hält. Dagegen wird von Adorno auf dem insistiert, ZDVÄLP'HQNHQJHVFKLFKWOLFKLVWDQVWDWWGer Zeitlosigkeit der objektivierten LoJLN]XSDULHUHQ³ HEG 'DVV im Denken etwas geschichtlich ist, heißt anders geVDJW ÄGD‰ 7UDGLWLRQ GHU (UNHQQWQLV VHOEVW LPPDQHQW LVW DOV GDV YHUPLWWHOQGH 0RPHQWLKUHU*HJHQVWlQGH³ HEG 'DVKDW]XQlFKVW)ROJHQIU die Konzeption von SubMHNWLYLWlWÄ'DVUHLQHYROOHQGHWVXEOLPLHUWH6XEMHNW³GDV5HVLGXXPYRQ Subjektivität als ein an sich allgemeines cogito, das kaum noch einen Zusammenhang mit dem empirischen Subjekt hätte und am Ende seine Gegenstände selbst erzeugW ÄZlUH GDV WUDGLWLRQVORVH³ 1' 64). Das Mehr des Subjekts über seine allgemeine Funktionalität hinaus besteht dementsprechend in der EinbetWXQJ VHLQHU (UNHQQWQLVLQKDOWH LQ HLQH Ä.XOWXU GLH *HVHOOVFKDIW 7UDGLWLRQ³ (ND, 66). Weil der Traditionskontext, in dem sich das erkennende Subjekt befindet, ihm nicht äußerlich ist, kommt eine quasitranszendentale Perspektive ins Spiel, die freilich nicht auf ein subjektives Fundament der Erkenntnis zielt, son-

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dern auf die geschichtliche Vermitteltheit der Erkenntnisinhalte. Da auch Adorno den Form-Inhalt-Dualismus der transzendentalen Erkenntnistheorie nur für die halbe Wahrheit hält, insofern bei aller geschichtlichen Verselbständigung operativen Denkens das Denken dennoch seine konstitutive Inhaltsbezogenheit nicht loswird, ändert sich in der Negativen Dialektik der Charakter dessen, was nach erkenntnistheoretischer Konzeption für die Erkenntnis konstitutiv ist. Konstitutiv sind nicht die von einem Inhalt abtrennbaren Formen im Subjekt, mit denen es sich empirische Inhalte aneignet, sondern es konstituiert Welt anhand der überlieferten (und damit geformten) Inhalte, ohne die es so wenig ein Subjekt sein könnte wie Denken ohne ein gedachtes Etwas Denken wäre. Dank seiner traditionsvermittelten Inhalte ist der Erkennende nicht dazu verdammt, das operationaOH5HVWVXEMHNWGHU(UNHQQWQLVWKHRULH]XVHLQÄ:HQQJOHLFK:LGHUVSLHOGHVWUDQszendentalen Moments, ist das traditionale quasitranszendental, nicht die punktuelle Subjektivität, sondern das eigentlich Konstitutive, der laut Kant verborgene MechaQLVPXVLQGHU7LHIHGHU6HHOH³ 1' 64). Denn tradiert werden kann nicht ein formloser Inhalt, wer sollte einen solchen verstehen können; ein solcher könnte überhaupt nur von einem Subjekt als ein subjektiv Unmittelbares behauptet, freilich nicht kommuniziert und weitergegeben werden. Und so wird genau an diesem Punkt deutlich, dass das oben besprochene Schematismusproblem in gewisser Weise gar nicht besteht: Es besteht nicht in der Weise, dass ein Einzelbewusstsein allgemeine Verstandesbegriffe, über die es verfügt, durch eine spezielle, zusätzliche Fähigkeit auf ein Anschauungsmaterial anwenden können muss, um Erkenntnisse zu gewinnen, so dass sich die Frage ergibt, durch welchen Mechanismus es zu dieser Applikation fähig ist. In der Überlieferung, die es sich aneignet, sind sie immer schon aufeinander bezogen, man wüsste andernfalls kaum, wovon etwa in einem Text die Rede ist. Doch kann sich ein Subjekt mit der Überlieferung, den geformten Inhalten, aktiv auseinandersetzen, ja es wird jenes mimetische Ineinander von Aktivität und Passivität leisten, und das heißt: Es wird möglicherweise zu einer anderen begrifflichen Fassung dessen gelangen, worauf es sich erkennend bezieht. Doch es ist ± um es anders zu formulieren ± nicht der Kaspar Hauser, der zwar Begriffe aus seiner Dunkelheit mitbringt, nun aber, in die Welt tretend, sie den Erscheinungen anpassen muss. Mit der erkenntnisrelevanten Bedeutung der Tradition aber wird ebenso die Sprache wichtig, in der Erkenntnis überliefert ist. Jetzt muss Adorno auch ihr eine quasitranszendentale, wiederum nicht erkenntnisfundierende Rolle zusprechen. Er spricht ihr diese Rolle allerdings allein im Hinblick auf das Verhältnis zwischen der philosophischen Erkenntnis und der Überlieferung philosophischer 7H[WH]XÄ'XUFKGLHVHL¶s offenbare, sei¶s latente Gebundenheit an Texte gesteht die Philosophie ein, was sie unterm Ideal der Methode vergebens ableugnet, ihr sprachliches Wesen³ 1' . Doch wäre gerade hier an die Einsicht des Pragmatismus anzuknüpfen, der wiederum die philosophische Erkenntnis nicht einem Reinheitsideal zuliebe von der Erkenntnis abspaltet, die eine Orientierung in der Alltagspraxis ermöglicht. Wenn dem Denken, und nicht nur ex professo dem phi-

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losophischen Denken, tatsächlich jene geschichtliche Dimension eignet, die Adorno an der konstitutiven Bedeutung der Tradition festmacht, die genuin sprachlich verfasst ist, dann lässt sich die Geschichtlichkeit des Gedankens, vollzieht man zudem dessen Versprachlichung mit, durchaus am Leitfaden des Sprachspielmodells verVWHKHQ (V HQWVSULFKW GDQQ GHU ÄLQQHUHQ +LVWRUL]LWlW³ GHV Denkens die äußere Historizität einer Sprachgemeinschaft und ihrer Lebensform, in der ein Sprachsubjekt eingeführt ist, das auf diese Weise teilhat an den sich verändernden Sprachspielen ± teilhat an der Tradition. Möchte man nicht die These vertreten, es gäbe auf der einen Seite das geschichtslose Denken der unter dem Primat der Methode stehenden Wissenschaften und auf der anderen Seite das geschichtliche und deshalb erst philosophische Denken, sondern sieht man überhaupt jeden Gedanken in einer geschichtlichen Sprachgemeinschaft situiert und kontextuiert, in welcher der Gebrauch der Sprache geregelt ist, wird man von Geschichte qua Sprache im Denken reden dürfen in einem nicht nur das philosophisch reflektierende Denken betreffenden Sinne. Das sachhaltige, nicht formalisierte Denken ist somit in der Negativen Dialektik immer zugleich das Denken, das in seinem Zentrum, seinem begrifflichen Vollzug, selbst geschichtlich ist, indem es seine (geformten) Inhalte durch die Überlieferung qua Sprache empfängt, in der die Angleichung von Begriff und Anschauung schon vollzogen wurde. Man kann vor diesem Hintergrund den von Adorno reflektierten, neuzeitlichen Abstraktions- und Residualisierungsprozess von Subjekt und Objekt, der zugleich ein Prozess der wachsenden Alienation beider ist aufgrund der schwindenden Erfahrung, die ein reduziertes Subjekt an einem real wie begrifflich reduzierten Objekt noch machen kann, nun auch als einen Prozess der Entsprachlichung des (sich technifizierenden) Denkens und diese Entsprachlichung wiederum als verbunden mit der Marginalisierung von Tradition interpretieren. Man kann diesen Prozess ± anders gesagt ± interpretieren im Sinne der Dialektik der Aufklärung als einen Prozess der neuzeitlichen instrumentellen Rationalisierung durch das naturbeherrschende Denken. Diese Rationalisierung schlägt als Technifizierung und Funktionalisierung der Lebensformen durch, mit denen die Sprachspiele verflochten sind, die hiervon selbst nicht unverschont bleiben und in denen nun das geschichtlich Tradierte und damit eben auch sachhaltiges Denken zunehmend nivelliert werden. Die Sprache ökonomischer, technischer und bürokratischer Imperative ist die weitgehend entdifferenzierte. Die besondere Bedeutung der schriftlichen Überlieferung, auf welche Adorno im Einverständnis mit Benjamin hinweist, dürfte nicht zuletzt in dem Gewinn an sprachlicher Differenzierung und Ausdrucksfähigkeit bestehen, die sie dem Mitglied der Sprachgemeinschaft zuführt und deren jenes qualitative Subjekt bedarf, das den qualitativen Momenten des Objekts gerecht wird und sich von diesem her zu konstituieren vermag. In dem von der Dialektik der Aufklärung beschriebenen Rationalisierungsprozess, in dem eine Entmythologisierung betrieben wird, die unreflektiert ist, weil sie den Mythos des Subjekts mit dessen Herrschaftsanspruch nicht in den Blick bekommt, fällt Sprache selbst der deanthropomorphisierenden Kritik

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zum Opfer. Die menschliche Sprache ist vom Allzumenschlichen eingefärbt, nicht von der formelkonformen Exaktheit, die eine Erkenntnis des auf seine Funktion für Anderes reduzierten Objekts für sich in Anspruch nehmen kann. Allerdings vertrug sich auch schon das Zeitlose an sich identischer Begriffe im meWDSK\VLVFKHQ 'HQNHQ GHP ÄGHU /HLE GHU 6SUDFKH IU VQGKDIW JLOW³ 1' 66), wenig mit der Unreinheit der Sprache als einer gewordenen und veränderlichen, die sich zum Begriff verhält wie der hinfällige Körper zum alles überdauernden Geist. Die Negative Dialektik KlOW GDJHJHQ Ä'LH $EVFKDIIXQJ GHU 6SUDFKH LP Denken ist nicht dessen EQWP\WKRORJLVLHUXQJ³ 1' 65). Denn sie selbst folgt dem Mythos jenes Geistes, der nur wieder der Geist der Naturbeherrschung ist und nichts so sehr fürchtet als die Sterblichkeit.20 :HQQ$GRUQRGDVÄWUDGLWLRQDOH0RPHQW³GHV'HQNHQVIUGDVÄHLJHQWOLFK.RQsWLWXWLYH³HUDFKWHWDOVÄGHQYHUERUJHQHQ0HFKDQLVPXVLQGHU7LHIHGHU6HHOH³GHU ± wie gesehen ± von der mimetischen Angleichung zwischen Begriff und Anschauung zeugt, ohne die keine Erkenntnis wäre, und wenn dieses konstitutive traditionale Moment durch die Sprache vermittelt ist, dann muss das Mimetische, muss die Affinität von Erkennendem und Erkanntem eminenterweise in der Sprache sedimentiert sein und auch als sprachliche Leistung manifest werden können. Wäre Sprache nur Medium der Mitteilung und Hülle des Begrifflichen, so stünden wir vor dem Problem, das nun doch wieder ein Erkenntnissubjekt als jene monologische punktuelle Subjektivität unabhängig von der Überlieferung das konstitutive Subjekt wäre ± denn sprachlich überliefert würde nur eine ÃHül20 Die Entsprachlichung des Denkens mag mit der platonischen Vorstellung einer zeitlosen Wahrheit zusammenhängen, die sich mit der mathematischen und logischen Formel eher verträgt als mit dem sprachlichen Ausdruck, der weniger determiniert und feststehend ist. ± Man kann angesichts der Sprachvergessenheit der rationalistischen Aufklärung diese auch mit einer anderen Theorieströmung als der von Horkheimer und Adorno rezipierten Gegenaufklärung konfrontieren. Während sie in der Dialektik der Aufklärung vor allem Schopenhauer und Nietzsche und die Lebensphilosophie im Blick haben dürften, welche die Aufklärung über die eigene Naturvergessenheit des Subjekts aufklären, so bleibt mit Autoren wie Hamann, Humboldt und Herder ein theoriegeschichtlicher, nämlich sprachphilosophischer Strang unrezipiert und unberücksichtigt, der die Aufklärung über ihre Sprachvergessenheit aufklärt. Bei aller Problematik hamannscher Dunkelheit läuft diese Bewegung von vornherein weder auf eine totalisierende Rationalität noch auf eine totalisierende Rationalitätskritik hinaus, die vor einer Rückbildung in den Irrationalismus nicht gefeit ist und deren Einseitigkeit die Kritische Theorie veranlasst, die eher lebensphilosophische Aufklärungskritik der Kritik zu unterziehen, weil sie den Bann der Natur beschwört. Der Willensmetaphysiker Schopenhauer wird in der Negativen Dialektik JDU]XPÄ6SUHFKHUGHV%DQQV³ 1' 370). ± (VLVWGLHÄORVgelassene RaWLRQDOLWlW³ 1' 55), die reduktive Seite des Aufklärungsrationalismus ± nicht dieser im Ganzen ±, die in der Ausgrenzung alles Nichtlogischen, schließlich der Ausgrenzung des mit der Sprache gegebenen Ausdrucksmoments des Denkens besteht, die das Erkenntnisvermögen, das aus dem Naturbann herausführen könnte, beschädigt.

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leµ, deren begrifflichen Inhalt das Subjekt in sich selbst vorfinden müsste, um sie als Hülle zu erkennen, durch Tradition könnte es also auch gar nicht bereichert, geschweige denn zum welterschließenden Subjekt werden. Daher vollzieht auch Adorno, wenngleich nicht explizit und konzeptionell, eine Versprachlichung des begrifflichen Denkens in einem epistemisch relevanten Sinne, durch die es möglich wird, Wahrheit statt als adaequatio als Affinität zu interpretieren und diese Affinität als eine zwischen Sprache und Welt zu verstehen. Zwar spricht er zuQlFKVW QXU YRQ GHU 8QWUHQQEDUNHLW YRQ 6SUDFKH XQG 'HQNHQ YRQ GHVVHQ ÄQLFKW ganz zu zerbrechende[m] Zusammenhang PLWGHU6SUDFKH³ ND, 66). Man kann diese Fassung jedoch als eine Variante der These interpretieren, dass Denken sich nicht vollständig zur logischen Operation formalisieren, und das will sagen entsprachlichen lässWVRQGHUQ PLQGHVWHQVHLQHV ÄPHWDORJLVFKHn 5XGLPHQWV³Menes Etwas, ohne das Denken nicht gedacht werden kann, als Bezugspunkt bedarf und mit diesem benennbaren Etwas bereits eine sprachliche Bezugnahme stattfindet und ein sprachlicher Kontext zitiert wird. Dann bedeutet die Versprachlichung des Denkens vor allem Verinhaltlichung des Denkens. Hervorgehoben wird dementsprechend in der Einleitung zur Negativen Dialektik, wenn von der Thematisierung der Tradition übergegangen wird zu dem die Einleitung abscKOLH‰HQGHQ7KHPDÄ5KHWRULN³GDVV dem sachhaltigen Denken die sprachliche Artikulation essentiell ist. Erst als sprachlich ausgedrücktes, so Adorno, wird Denken stringent. (Nicht also schon dadurch, dass es eine logische Operation regelkonform vollzieht.) In der sprachlichen Darstellung, in der dem Objekt gegenüber nicht verselbständigten Rhetorik hat das Denken nicht etwa nur eine ihm äußere Form, sondern sein Ausdrucksmoment, und in diesem schlägt sich das mimetische Verhalten als sprachliches QLHGHU Ä5KHWRULN YHUWULWW LQ GHU Philosophie, was anders als in der Sprache nichWJHGDFKWZHUGHQNDQQ³ 1' 56). Was anders als in der Sprache dennoch gedacht würde, wäre jenes kaum sachhalWLJH Ä5XGLPHQW³ DEVWUDKLHUHQGHU 2SHUDWLRQ DQ GHUHQ (QGH GDV $ VWQGH GDV identisch ist mit A, anstelle des Konkreten und Mannigfaltigen. Wenn aber der sprachliche Ausdruck keine bloße Hülle des Gedanklichen ist, wenn sich sachhaltiges Denken in Sprache vollzieht und anders nicht vollziehen kann, dann liegt es nahe, von einem mimetischen Sprachverhalten in Bezug auf das Nichtsprachliche, das sprachlich Bestimmbare als das Andere des Sprachsubjekts zu sprechen. Die Idee der Mimesis wird von Adorno denn auch vor allem, wenngleich nicht proJUDPPDWLVFK DXI VSUDFKOLFKHV 9HUKDOWHQ EH]RJHQ Ä9HUEOHQGHW RSIHUW Philosophie mit der Sprache, worin sie zu ihrer Sache anders sich verhält als bloß signifikativ; nur als Sprache vermag Ähnliches das Ähnliche zu erkennen³ (ND, 65 ± H.d.A.). :DUXP JHUDGH GLH 6SUDFKH PHKU DOV ÄEOR‰ VLJQLILNDWLY³ LVW also mehr als bloßes Mittel der Registratur des Mannigfaltigen ± was einer konventionellen, namenstheoretischen Sprachauffassung nicht sofort einleuchtet ±, diese Frage lässt sich anhand von zwei Aspekten des Sprachverständnisses, das Adorno mehr oder weniger implizit voraussetzt, beantworten und so sich der Zu-

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sammenhang von sprachlichem und mimetischem Verhalten genauer erörtern. Dabei ist daran zu erinnern, dass ± wie oben im Zusammenhang der Umwendung subjektiver Reduktion einführend diskutiert ± epistemologisch gesehen mimetisches Verhalten beziehungsweise die mimetische Schicht des Erkennens außer in der Ausdrucksfähigkeit des Denkens in dessen Differenzierungsvermögen besteht. In der Negativen Dialektik führt Adorno vor allem anhand des Letzteren die Idee der Mimesis ein: Ä'LIIHUHQ]LHUW LVt, wer an dieser [der Sache ± d.A.] und in ihrem Begriff noch das Kleinste und dem Begriff Entschlüpfende zu unterscheiden vermag; einzig Differenziertheit reicht ans Kleinste heran. In ihrem Postulat, dem des Vermögens zur Erfahrung des Objekts ± und Differenziertheit ist dessen zur subjektiven Reaktionsform gewordene Erfahrung ± findet das mimetische Moment der Erkenntnis Zuflucht, das der Wahlverwandtschaft von Erkennendem und Erkanntem.³ (ND, 55)

Vor diesem Hintergrund ist, nebenbei bemerkt, die im Zusammenhang mit Kants Schematismuskapitel erwähnte Ähnlichkeit von Begriff und Anschauung vor allem auf das Geformtwerden des Begrifflichen durch das subjektive ReaktionsYHUP|JHQDXIGLHÄTXDOLWDWLYHQ%HVWLPPXQJHQGHU6DFKH³ 1' 54), auf das Differente, Nichtidentische zu beziehen, nicht auf den Vorgang des Subsumierens des Verschiedenen unter ein Schema. ± Das Ausdrucksmoment und das Differenzierungsvermögen sind seit der Dialektik der Aufklärung, und so auch in der Negativen Dialektik, die zwei wesentlichen Eigenschaften mimetischen Verhaltens im epistemischen Sinne und stellen, wie sich zeigen lässt, zugleich die zentralen Aspekte von Adornos Sprachverständnis dar. Im Hinblick auf die Differenzierungsmöglichkeit hebt Adorno auf die inferentiell holistische Beschaffenheit der Sprache ab, ohne die eine Differenzierung gegenüber dem signifikativen (und das heißt bestimmenden) und bloß klassifikatorischen Verfahren nicht zu gewinnen wäre und kraft derer Erkenntnis an den konkreten, nicht mehr nur residualen Gegenstand der Erkenntnis heranreichen kann. $GRUQRIRUPXOLHUWGDV(PSKDWLVFKHVHLQHV(UNHQQWQLVDQVSUXFKVGLHÄ(UNHQQWQLV GHV 1LFKWLGHQWLVFKHQ³, mit den Worten, diese wolle sagen, was etwas ist, nicht, worunter es falle und was es also nur repräsentiere, statt es selbst zu sein (vgl. ND, 152). An die Stelle der logischen Subsumtion der Begriffe, die genau genommen keinen Zusammenhang des Subsumierten realisiert, solle daher die .RQVWHOODWLRQ GHU %HJULIIH WUHWHQ Ä'LHVH EHOLFKWHW GDV 6SH]LILVFKH GHV *HJHnstands, das dem klassifikatorischen Verfahren JOHLFKJOWLJ LVW RGHU ]XU /DVW³ (ND, 164). Adorno fährt fort: Ä0RGHOOGDIU LVWGDV9HUKDOWHQGHU6SUDFKH6LHELHWHWNHLQ EOR‰HV=HLFKHQV\stem für Erkenntnisfunktionen. Wo sie wesentlich als Sprache auftritt, Darstellung wird, defi-

342 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN niert sie nicht ihre Begriffe. Ihre Objektivität verschafft sie ihnen durch das Verhältnis, in das sie die Begriffe, zentriert um eine Sache, setzt.³ 1' 164)

'DV Ä9HUKlOWQLV³ LQ GDV VLH GLH %HJULIIH VHW]W GUFNW GHUHQ LQIHUHQtiellen Zusammenhang (statt ihres logischen Subsumtionsverhältnisses) aus, durch den sie das, worauf sie sich als inferentiell zusammenhängende beziehen, zu konkretisieren vermögen; besser wäre zu sagen: seiner Konkretion gerecht zu werden vermögen. Dass SSUDFKHNHLQÄEOR‰HV=HLFKHQVyVWHPIU(UNHQQWQLVIXQNWLRQHQ³VHL ist gegen ein Modell gerichtet, das auf der einen Seite die durch Zeichen repräsentierten Sinnesdaten hat und auf der anderen Seite die unabhängig von diesen Zeichen gültigen logischen Regeln, nach denen die Zeichen verknüpft werden. Über etwas zu sprechen, statt es nur zu definieren, heißt, es in einen sprachlichen Kontext zu stellen, in dem es sich in dem Maße konkretisiert, wie es in seinen komplexen Zusammenhang mit anderem erscheint. Es ist dieser Zusammenhang jedoch kein logischer Funktionszusammenhang, in dem A in seiner Funktion für B und B in seiner Funktion für C betrachtet würde, sondern als Konstellation ein ZusamPHQKDQJGHUÄ]HQWULHUWLVWXPHLQH 6DFKH³GDs heißt von vornherein auf ein Konkretes geht, dessen Konkretion in dem Verhältnis der auf es bezogenen %HJULIIH]XHLQDQGHUJOHLFKVDPZLGHUVFKHLQW'DVÄ9HUKDOWHQGHU6SUDFKH³LVWDlso per se ein solches, das sich dem Spezifischen dessen, wovon sie handelt, angleicht und in dieser Hinsicht nicht signifikativ ist. Das rein determinierende Verhalten von Sprachbenutzern hingegen wäre das bloße Definieren des Gegenstandes, um ihn in einen Funktionszusammenhang einzupassen, durch den er verfügbar und der Prozess seiner Erkenntnis stillgestellt wird. Aber auch hier ist zu sehen, dass selbst das Definieren immer auch etwas an dem, was definiert wird, treffen muss, denn um bestimmbar zu sein, muss sich etwas von anderem real unterscheiden. ± Damit stellt die Idee der Konstellation, durch welche die Negative Dialektik an der Sache wieder gutmachen will, was das identifizierende Denken, das subsumiert und methodisch nach Regeln verbindet, an dieser verübt, das zur Quasimethode transponierte Verhalten der Sprache dar. Das bereits mit der Rhetorik angesprochene Ausdrucksmoment als der andere relevante Aspekt des Sprachverständnisses, das in der Negativen Dialektik zum Zuge kommt, ist für die Konzeption der Mimesis in doppelter Hinsicht von Bedeutung. Zum einen stellt der gedankliche wie jeder Ausdruck per se kein Determinationsverhältnis zum Ausgedrückten dar. Ein Ausdruck kann mehr oder weniger, je nach Ausdrucksfähigkeit eines Sprechers, gelingen. Dieses Gelingen kann durch keine Regel festgeschrieben werden, um seine Reproduzierbarkeit für ähnliche Fälle zu sichern. Ausdruck geht auf ein Unverfügbares, sich mitunter der sprachlichen Gestaltung Entziehendes. Rhetorik im schlechten Sinne des Wortes, als eine verselbständigte Technik, verdankt sich hingegen der kalkulierten Wirkung. Sinnfällig sind im Akt des Sichausdrückens Spontaneität und Rezeptivität ineinander verschränkt.

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Von besonderer Bedeutung für die Mimesis ist das Ausdrucksmoment aber auch deswegen, weil sich an ihm die Spur des Leibhaften nicht auslöschen lässt. Wie oben im zivilisationstheoretischen und anthropologischen Kontext gesehen, ist die leibliche Angleichung an die Natur der primäre Fall von Mimesis. Sie ist GDV ÄRUJDQLVFKH $QVFKPLHJHQ DQV DQGHUH³ '$, 205). In der Dialektik der Aufklärung wird der Bogen von der leiblichen zur kognitiven Angleichung geradezu LP +DQGXPGUHKHQ JHVFKODJHQ Ä$QVWHOOH GHU OHLEOLFKHQ $QJOHLFKXQJ DQ 1DWXU WULWW GLH Ã5HNRJQLWLRQ LP %HJULIIµ GLH %HIDVVXQJ GHV 9HUVFKLHGHQHQ XQWHU *OHiches³ '$, 205). Der sich an die Erscheinung abstrahierend angleichende Begriff tritt an die Stelle des sich an die Umwelt angleichenden Leibes. ± Mimetisches Verhalten ist bereits in der Dialektik der Aufklärung nachahmendes Ausdrucksverhalten. Es kommt deshalb, wie erwähnt, sein unterdrückter Impuls im Antisemitismus in Gestalt der diskriminierenden Nachahmung von menschlichen Gesten, menschlichem Tonfall wieder zum Vorschein. Nachahmung soll aber auch HLQH 6FKLFKW EHJULIIOLFKHU (UNHQQWQLV VHLQ Ä'LH 6\QWKHVHQ GHV 6XEMHNWV DKPHQ wie Platon wohl wußte, mittelbar, mit dem Begriff nach, was von sich aus jene SynWKHVH ZLOO³ 1' 161). Ist aber Mimesis untrennbar verbunden mit Leiblichem, untrennbar vom Sinnlichen, ahmt nicht ein Geist etwas Intelligibles nach, dann muss auch der subsumierende Begriff an sich selbst ein Kontinuum zum Sinnlichen aufweisen. Andernfalls wäre der Begriffsrealismus nur unzureichend überwunden, denn was spräche dagegen, dass die Rekognition im an sich seienden Begriff qua Ähnlichkeit das Essentielle der Erscheinungen trifft als ihr geistiges Wesen? Es wäre, anders gesagt, andernfalls der Vorherrschaft des Subjekts in Form seiner Inthronisierung als reiner Geist nur wenig entgegenzusetzen. In der Dialektik der Aufklärung hat die Mimesiskonzeption immerhin die nicht geringe Aufgabe, den Zusammenhang des voneinander Entfremdeten, von Subjekt und Natur, plausibel zu machen, und zwar unter den subjektkritischen Bedingungen, dass Natur nicht wiederum eine Erscheinung des Geistes ist. Nachahmen lässt sich allein ein sinnlich und offen Zugängliches. Wenn nun Begriffe ein solches nachahmen und die These, sie müssten der Anschauung ähnlich sein, auf mehr hinauslaufen soll als auf eine Strukturhomologie, und wenn zudem das Mimetische im Ausdrucksverhalten manifest wird, dann kann Adorno das leibliche, sinnliche Moment des begrifflichen Denkens überhaupt nur dadurch konzeptionalisieren, dass auch er Letzteres ± wenngleich nicht in der geradezu programmatischen Weise wie Wittgenstein ± versprachlicht. Denn von der Sprache, auch als sublimiert verinnerlichte, ist deren sinnliche Beschaffenheit als Laut, Schrift, Geste nicht wegzudenken, nicht ihre Leibgebundenheit in Form dessen, was jemand mit seinen Händen tut, wenn er schreibt und gestikuliert, mit seinem Mund, wenn er redet. Darin dürfte der tiefere, von Adorno nicht eigens reflektierte Grund dafür liegen, dass in der Negativen Dialektik vermittelt über die Rhetorik, den sprachlichen Ausdruck, die Sprache epistemologisch aufgewertet wird. Wenn das begriffliche Denken erst und nur als sprachlich ausgedrücktes seinen Ausdruck hat, dann ist das damit zu erklären, dass Sprache von sinnlicher Quali-

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tät ist und deshalb auch Ausdruck sein kann wie die Grimasse eines Zauberers, der das Schreckhafte der Dämonen nachahmt. Geht man mit Wittgenstein den Schritt, wie ungewohnt das neue Terrain von einem mentalistischen Ausgang aus gesehen auch scheinen mag, der konsequenten Versprachlichung des Denkens, bekommt die These Adornos ihren genauen Sinn, nur als Sprache könne Ähnliches das Ähnliche erkennen, lässt sich die Wendung von der Sprache im Denken unverkürzt auslegen, denn diese Wendung läuft darauf hinaus, dass Sprache dem Denken essentiell ist, genauso essentiell wie das Nichtbegriffliche. ± Der Nachahmungscharakter der Sprache als leibgebundenes Verhalten dürfte übrigens bereits an den Spuren ihres onomatopoetischen Charakters, die ebenso unverwischbar sind wie die mythologischen, die den Gegenständen ein Geschlecht zuweisen, als einer gleichsam spracharchäologischen Schicht unverkennbar sein. Die Negative Dialektik versucht den Nexus zwischen dem begrifflichen Denken als Geist und dem somatisch-naturhaften über das impulsive Moment des Denkens, das Treibende im Denken als einer Tätigkeit, herzustellen und gelangt ]XGHU7KHVHÄ$OOHV*HLVWLJHLVWPRGLIL]LHUWOHLEKDIWHU Impuls³ 1' 202), ohne deren recht hypothetischen Charakter für problematisch zu halten, wo es doch immerhin um den entscheidenden Schritt aus dem Cartesianismus geht. Diese These müsste zumindest dahingehend ausgeführt werden, will man die Kluft zwischen Geist und Natur nicht lediglich spekulativ überbrücken, dass ein genauerer Begriff des Geistes gegeben und gezeigt wird, worin diese Modifikation besteht. In den Minima Moralia KHL‰WHVÄ.HLQH,QWHQWLRQQLFKWVÃGeistigesµ, das nicht in leibhafter Wahrnehmung irgend gründete und wiederum nach leibhafter ErfülOXQJ YHUODQJWH³21 Die erneute Betonung des Somatischen geht einher mit dem zitatförmig distanzierenden Gebrauch des Wortes Geist. Schließlich wird in der Negativen Dialektik +HJHOVÄ*HLVW³GHUNHLQLndividuelles Subjekt mehr sein VROO DOV ÄVHPLWKHRORJLVFKHV :RUW³ 1' 49) kritisiert, das den Primat des Subjekts, seinen Abstraktionsmechanismus, demgemäß das Inhaltliche selbst aus der hegelschen Logik verEDQQWLVWÄFDFKLHUH³ Die unentschiedene Stellung der Kritischen Theorie zur theoretischen Rolle des Geistes, dessen Entgegensetzung zur Natur gleichwohl Thema der Dialektik der Aufklärung ist, die diese Entgegensetzung anthropologisch zu deuten versucht, legt die Vermutung nahe, dass ihr dieser Ausdruck problematisch geworden ist, sie aber über keine Konzeption verfügt, in der sie auf ihn verzichten kann, ohne fürchten zu müssen, einem naturalistischen Reduktionismus den Weg zu bereiten und die Autonomie des Erkennenden aufzugeben.22 Eine solche Kon21 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 5, S. 202. 22 Gegen einen Reduktionismus, mit dem das eigenständige, kritische Moment sowie der emphatische Erkenntnisanspruch geopfert würden, die mit der Rede vom Geist YHUEXQGHQVLQGLVWLQGHUbVWKHWLVFKHQ7KHRULH]XOHVHQÄ>1@XUGHU*HLVWDFKWHWGLH Menschen, der, anstatt ihnen wie sie gemacht worden sind zu willen zu sein, in die Sache sich versenkt, die, den Menschen unkenntlLFKLKUHHLJHQHLVW³ 7K W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 7, S. 217). Eine Untersuchung zum Geistbegriff in

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zeption ließe sich jedoch auf dem Wege einer nichtreduktionistischen Naturalisierung der Sprache und einer nichtreduktionistischen Versprachlichung des Denkens gewinnen, wonach sich keine ontologische Kluft auftut zwischen dem Vollzug eines Gedankens und der hörbaren Äußerung von Sätzen und in der die Autonomie der Person, die denkt, handelt, spricht und schreibt, gar nicht geopfert werden müsste, wohl aber die Vorstellung, sie habe in ihrem natürlichen Kopf einen nichtnatürlichen Geist, der ± um den Bruch zwischen dem Geist und der Natur nicht absolut werden zu lassen ± als Modifikation dessen betrachtet werden muss, was als leiblicher Impuls den Kopf erreicht. Was an der Sprache als natürlicher, im Sinne von sinnlicher Äußerung das irreduktibel Geistige ist, jenes Mehr, welches 6SUDFKH ]XU 6SUDFKH PDFKW³ (ND, 112), ist von gleicher Art wie das Mehr, das Adorno dem Wort ÃSeinµ geJHQEHU GHP 6HLHQGHQ ]XJHVWHKW Ä>'@D‰ DOOHV PHKU VHL DOV HV LVW PHLQW 9Hrflochtenheit, kein ihr TranszendentHV³ 1' 112); das Mehr der Sprache gegenüber der einzelnen sinnlichen Äußerung ist nicht weniger deren Verflochtenheit, um nicht zu sagen der inferentielle Zusammenhang mit allen anderen möglichen Äußerungen, ihre konstitutive Verflochtenheit in der gesellschaftlichen Praktik der Sprachspiele miteinander kommunizierender Personen. An einer solchen Fassung hindert Adorno eine philosophische Konzeption, in der die Versprachlichung des begrifflichen Denkens nicht so weit führt, dass Begriffe und Worte auf derselben Ebene erläutert werden können: der Ebene der offen zugänglichen Verwendung von Begriffsworten, sondern Begriff und Sprache doch wieder tendenziell nach dem Modell von Inwendigem und Auswendigem behandelt werden, so als würde zum Begrifflichen durch die Sprache etwas hinzukommen und Begriffe dementsprechend am besten durch ein Verfahren verstanden werden, GDVÄ%HJULIIHVRJHWUHXZLHQXUP|JOLFKGHPDQELOGHWZDVVLHLQGHU6SUDFKHVaJHQ³23. In sich als sprachliche verstanden, brauchen aber Begriffe der Sprache nicht erst angebildet zu werden, gleichwohl konkretisieren sie sich erst als Wort im sprachlichen Kontext, haben in ihm gewissermaßen ihr Leben. Es ist daher der Kritischen Theorie (die bis in die Meditationen zur Metaphysik reicht) würde wohl ergeben, dass er vor allem auf die Momente der Selbständigkeit der Person, die denkt, ihre Fähigkeit zur kritischen Distanzierung gegenüber dem Gegebenen und ± ZDV GLH Ä9HUVHQNXQJ LQ GLH 6DFKH³ PHLQW ± ihr begriffliches Differenzierungsvermögen geht, wie eben auch auf das Vermögen, zu identifizieren. Um an diesen Momenten festzuhalten, braucht es freilich keine ontologische Einteilung in Geist und Natur. Auf die Rede vom Geist, dem Großbegriff der abendländischen Philosophie, lässt sich gut verzichten. Kein Geist handelt und spricht, keiner bedient sich eines Mundes als bloßes Werkzeug, um mit anderen Geistern in Verbindung zu treWHQZRGRFKGHUGLUHNWHWHOHSDWKLVFKH:HJYLHOJHLVWJHPl‰HUZlUHÃ*HLVWµLVW± an dieser Stelle einmal provokativ und schlaglichtartig gesprochen ± die Vergegenständlichung von Tätigkeiten und Praktiken, die reale Abstraktion und insofern ein Intelligibles implizieren und die Tätigkeiten und Praktiken von Personen sind, die im Austausch miteinander stehen. Zu erklären ist die Abstraktion, nicht, woraus etZDVQDPHQVÃ*HLVWµLP8QWHUVFKLHG]XHWZDVQDPHQVÃ1DWXUµEHVWHKW 23 Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 4, S. 340.

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aufschlussreich, dass $GRUQRGLH,GHRORJLHLGHQWLIL]LHUHQGHQ'HQNHQVGHUÄ,GHnWLWlWVVHW]XQJHQ³ GLH LQ LKUHU Totalität den gesellschaftlichen Immanenzzusammenhang ausmachen, den ± so ließe sich ebenfalls sagen ± ImmanenzzusammenKDQJ HLQHU 6SUDFKJHPHLQVFKDIW HLQPDO DOV GLH Ä,GHRORJLH SRVLWLYHU VHLHQGHU IdentLWlWYRQ:RUWXQG6DFKH³ 1' 63) auffasst, ein andereV0DOYRQGHUÄ,GHntität von BeJULII XQG 6DFKH³ 1' 50) spricht und davon, dass 'LDOHNWLN Ä]unächst nichts weiter [sagt], als daß die Gegenstände in ihrem Begriff nicht aufgehen, daß diese in Widerspruch geraten mit der hergebrachten Norm der adaequatio. >«@(ULVW,QGH[GHU8QZDKUKHLWYRQ,GHQWLWlWGHV$XIJHKHQVGHV%HJULIIeQHQLP%HJULII³ 1' 16). 6RGDQQIRUPXOLHUW$GRUQRÄ$XFKGLH,QVLVWHQ]YRUP einzelnen Wort und Begriff, dem ehernen Tor, das sich öffnen soll, ist einzig ein wenngleich unabdingbares 0RPHQW³ 1' 63 ± H.d.A.). Soweit eben kein äquivoker Gebrauch von ÃWRUWµXQGÃ%HJULIIµ vorliegt, weist die unscharfe Trennung im Gebrauch dieser Ausdrücke selbst auf ein Sachhaltiges: dass nämlich der Begriff immer auch in der Verwendung eines Wortes besteht. Dass er nicht nur in der Verwendungsweise besteht, soll nicht besagen, dass er zudem eine geistige Entität ist, sondern dass er ebenso erst in seinem konstitutiven Bezug zu Nichtbegrifflichem, der in der gesellschaftlichen Praxis sowohl hergestellt als auch ausgeblendet wird, überhaupt Begriff ist. Ich werde diese für die Untersuchung relevante These im Schlusskapitel näher erörtern. Ausdruck und Differenzierung wurden als die in epistemischer Hinsicht relevanten Momente mimetischen Verhaltens näher betrachtet. An ihnen wurde erörtert, wodurch Sprache mehr als nur signifikativ ist. Was getrennt behandelt wurde, hängt indessen eng miteinander zusammen. Indem gerade im sprachlichen Ausdruck das Besondere einer sprachlichen Äußerung liegt, kann sie durch den Ausdruck dem Besonderen, und das heißt in sich Differenzierten, auf das sie bezogen ist, gerecht werden, sich ihm anschmiegen. Ausdruck ist an sich schon dasjenige, was in den sich rezeptiv mitteilenden Nuancen seinen Gehalt hat. Vorsichtig ließe sich ± selbst im Hinblick auf den alltäglichen Sprachgebrauch ± sagen: Wo die Beschreibungsfähigkeit an ihre Grenzen stößt, subjektiv an die Grenzen des Differenzierungsvermögens, objektiv an die Grenzen des Besonderen, bietet Nachahmung die Möglichkeit, auf nicht begriffliche Weise über diese Grenzen hiQDXV]XJHKHQXQGVHLHVGLH1DFKDKPXQJTXD6SUDFKH6RLVWGHQQDXFKGDVÄLntegrale AusdrucksPRPHQW³ GHU 3KLORVRSKLH GDV ÄGXUFK 'DUVWHOOXQJ ± die Sprache ± REMHNWLYLHUW³ ZLUG ÄXnbegrifflich-PLPHWLVFK³ 1' 29), selbst also nicht %HVWDQGWHLO GHV %HJULIIOLFKHQ (UNHQQWQLV VFKPLHJW VLFK LP $XVGUXFN GHP Ä,nZHQGLJHQ³ DQ DQGHUV JHVDJW GHP SUl]LVHQ 5HDJLHUHQ DXI GDV $XVZHQGLJH Adornos Mimesiskonzept im Hinblick auf die philosophische Erkenntnis läuft darauf hinaus, dass im sprachlichen Ausdruck des Gedankens, dass in der Ausdrucksqualität des Ausgesagten sich ein Mehr gegenüber dem propositionalen Aussagegehalt, der allein sich dem signifikativen Sprachgebrauch verdankt, gewinnen lässt. Ein Mehr, das sich aus der rezeptiven Erfahrung dessen speist, was

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± EHLP Ä9HUZHLOHQ YRU GHP .OHLQVWHQ³ 1' 44) ± sich der Signifizierung, der Subsumierung unter dem Allgemeinbegriff entzieht, deswegen aber nicht sprachlich unzugänglich ist. Allerdings stellt das Mehr des Ausdrucks wiederum keine vom Propositionalen abgespaltene, isolierbare Qualität dar, sondern es steht ihm gewissermaßen bei, ohne in ihm aufzugehen. Hierbei geht es um den Sachverhalt, der keinen Anlass zur Mystifizierung bietet, dass es eine regelkonforme Verknüpfung von Subjekt und Prädikat im Urteil gibt, die sich rein logisch ausdrücken lässt ± darüber hinaus ist es aber die konkrete sprachliche Wendung, durch die etwas genauer oder ungenau artikuliert ist. Zusammen mit der Konkretisierung des Ausgedrückten durch den konstellativen Sprachgebrauch kann auf diese Weise das seinen Gegenstand zurüstende begrifflich identifizierende Denken, anders gesagt der realitätsdeterminierende Sprachgebrauch überschritten werden unter den unumgänglichen Bedingungen der Sprache, unter den Bedingungen ihres Mehr gegenüber ihrer signifikativen Funktion. Doch ohne dass die Sprache bereits Ausdruck mimetischen Verhaltens wäre, könnte sie die ihr von Adorno zugewiesene Rolle gar nicht ausfüllen. Denn eins noch ± von Adorno kaum beachtet ± bleibt herauszustellen: Das unbegrifflichmimetische Ausdrucksmoment des Denkens könnte durch die Sprache gar nicht objektiviert werden, anders gesagt: von anderen nicht rezipiert werden, wenn nicht die mimetische Qualität der Sprache, die das erlaubt, nicht bereits eine intersubjektiv wahrgenommene, gleichsam eine durch einen sensus communis rezipierbare wäre und das heißt, wenn nicht bereits im Spracherwerb das Mimetische, das nachahmende Sensorium für die Nuancen, ebenso eine Rolle spielen würde wie die Aneignung und Verinnerlichung der allgemeinen Regeln des richtigen Wortgebrauchs. Denn es lässt sich die mimetische Qualität nicht als propositionaler Gehalt kommunizieren ± sowenig wie ein Dialekt dadurch erworben wird, dass man die Beschreibung seiner Eigenschaften auswendig lernt ±, sie muss aber dennoch kommuniziert werden. Für die Sprache, für sie erst recht, gilt die Einsicht, dass ÄGDV ,QZHQGLJH >«@ VWHWV DXFK HLQHV LKP bX‰HUHQ³ 1' 63) bedarf, die Adorno jedoch allein auf die Objekterkenntnis bezieht. Würde Sprache nur in Gestalt reduzierter, rein signifikativer Ausdrucksmittel als ein Auswendiges internalisiert, ließe sich nur schwerlich der Reichtum über den sprachlichen Ausdruck externalisieren, in dem sich die unreduzierte Erfahrung des qualitativen Objekts niederschlägt. Nach der Mimesiskonzeption Adornos steht die schon am nachahmenden Leibverhalten, das unter den Bedingungen gesellschaftlicher Tabuierung etwa die ÄVR]LDOH bFKWXQJ YRQ 6FKDXVSLHOHUQ³ '$, 205) provoziert, manifeste Ausdrucksqualität in eiQHP.RQWLQXXPPLWGHPÄ8QGLV]LSOLQLHUWHQGHU*HElUGH³GHV 5KHWRULVFKHQ GLH YRQ GHU SKLORVRSKLVFKHQ 7UDGLWLRQ ÄELV LQ GLH /RJLN KLQHLQ³ (ND, 65) geahndet wird. Wie dieses Kontinuum zu denken ist, darüber zerbricht sich freilich weder Horkheimer noch Adorno den Kopf. Dass schließlich noch der erkenntnisrelevante Ausdruck des Gedankens leibgebunden ist, diese These kann erst mit einer nominalistischen Konzeption ganz verständlich werden, die

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eine naturalistische Komponente zulässt. Erst mit dieser Komponente lässt sich einsehen, dass GDV 6XEMHNW GHU ÄVXEMHNWLYH *HLVW³ GHU 1DWXU lKQOLFK LVW TXD Sprache. 24 Eine Einsicht, die in der Negativen Dialektik, der durchgeführten Kritik am Identitätsdenken, nicht weiter entfaltet wird. Man kann von ihr jedoch zu einer sprachnaturalistischen Konzeption eines Ãnatürlichenµ Verhältnisses zur Natur qua Sprachverhalten gelangen, das als ein ± GHQQ GHU ÄJDQ]H .|USHU LVW HLQ Organ mimetiVFKHQ $XVGUXFNV³ +RUNKHLPHU  ± leibgebundenes Verhalten des Sichangleichens ]X YHUVWHKHQZlUHGDVELVLQÄ*HElUGH³GHV'HQNHQV ± gerade aufgrund der Untrennbarkeit von Sprache und Denken ± hineinreicht. Dass die Ausdrucksqualität der darstellenden Rede selbst erkenntnisrelevant sein könnte, ist eine Möglichkeit, die nun wiederum der strikte Nominalismus nicht zu thematisieren gedenkt. Denn für ihn ist die Sprache, weil sie ausschließlich Werkzeug, nämlich die Gegenstände determinierende Sprache ist, selbst determiniert, mag auch sprachlicher Sinn sich erst in einem hochkomplex inferentiellen Zusammenhang bilden und in diesem variieren. Der konzeptionelle Ausschluss eines nicht determinierenden Weltverhältnisses in Rortys Sprachphilosophie führt zurück auf seine Reduktion im Naturbegriff. Freilich ist nicht der Verzicht auf ein inneres Wesen der Natur, die Betonung der sinnlichen Zugänglichkeit der Natur, die selbst eine Geschichte hat, aus welcher die menschliche Geschichte nicht herausfällt, Ausdruck einer Reduktion, sondern dass der Nexus der Natur allein nach einem Modell gedacht wird, das in Raum und Zeit getrennte Entitäten mit der subjektiven Kategorie der Kausalität prognostisch oder historisch verknüpft. Das Kausalmodell geht immer schon von getrennten Erscheinungen aus, es kann Bewegung, Prozess und schließlich Affinität von Unterschiedenem theoretisch nicht bewältigen. Wahrscheinlich muss auch deshalb die Bewusstseinsphilosophie dem Neopragmatismus fremd sein, weil sie dem kausalen Modell nicht einverleibt werden kann. Während diese Untersuchung dem Neopragmatismus darin gefolgt ist, die epistemische Autorität des Einzelbewusstseins in Frage zu stellen, sieht sie es als entbehrlich an, Natur, sprachliches Weltverhältnis und sprachliche Vollzüge vollständig unter das atomisierende Kausalmodell zu zwingen. Zu Recht wird in der Negativen Dialektik kritisiert, dass für den NominalisPXV ÄGHU 1DPH EDU GHU OHW]WHQ bKQOLFKNHLW LVt mit dem, 24 Die Rede von der Ähnlichkeit zwischen Sprache und Welt betont einen anderen Aspekt der Mimesis als den, der sich sprachphilosophisch als reflektiert kontextueller und entdinglichender Begriffsgebrauch reformulieren lässt (vgl. hierzu Chr. Demmerling: Sprache und Verdinglichung, S. 155 ff.). Diese Reformulierung scheint aber daran zu zweifeln, dass sich die für Adornos Philosophie wichtige These von der Ähnlichkeit von Subjekt und Natur qua Sprache sprachphilosophisch einholen lässt. Wenn man jedoch plausibel machen kann, dass es gerade die Sprache ist, die den gedanklichen Ausdruck mit dem leiblichen Ausdruck verbindet, weil sie zur einen Seite hin sinnhaft, zur anderen Seite hin sinnlich ist (wir also nach Auskunft Wittgensteins nicht etwas auf das Papier schreiben und getrennt von diesem Vorgang denken), eröffnet sich zumindest eine Perspektive auf eine solche sprachphilosophische Einholung.

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ZDVHUVDJW³ 1' 66). Der Nominalismus weigert sich, anders gesagt, das Verhältnis von Sprache und Welt anders als ein reflexiv kausales Verhältnis zu denken: Sprachverhalten ist determiniert von dem sprachlich determinierten Substrat, für das einstweilen andere Allgemeinbegriffe wie ÃRealitlWµÃ1DWXUµÃWirkOLFKNHLWµ kaum zur Verfügung stehen. Doch kommt es auf diese Ausdrücke und ihre unvermeidbare Insuffizienz kaum mehr an, wird erst einmal die Einsicht geteilt, dass das Andere der Sprache zu dieser komplementär differenziert und an sich konkretisiert sein muss und es deshalb immer schon mehr ist als das abstrakte Substrat, das seine Bestimmungen allesamt angeblich erst der Subjektivität, schließlich der Sprache einer Sprachgemeinschaft verdankt. Eine solche Betrachtung lässt Natur als sinnlich zugängliche ganz zu ihrem Recht kommen; an sie lässt sich ein naturalisierter, aber nicht kausalmechanisch reduzierter Sprachspielnominalismus anschließen.

10. Erfahr ung i m gesell schaftl ichen I mmanenzz usammenhang

Das absolut Gewisse als solches aber ist immer die Unfreiheit. Th. W. Adorno

Philosophie soll uns, so Rorty, beim Erwachsenwerden helfen und dazu beitragen, dass wir glücklicher und freier werden (vgl. PhK, 218). In der für das Selbstverständnis des Neopragmatismus unverzichtbaren Verabschiedung vom Begriff der Wahrheit als adaequatio sieht Rorty offenbar den entscheidenden letzten Schritt der in der Moderne noch nicht vollständig vollzogenen Entmythologisierung. Wenn wir uns folgender These anschließen, so würde dies heißen, GDVV ZLU GLH :HOW HQWJ|WWHUQ Ä'D :DKUKHLW HLQH (LJHQVFKDIW YRQ 6lW]HQ LVW GD die Existenz von Sätzen abhängig ist von Vokabularen und da Vokabulare von Menschen gemacht werden JLOW GDVVHOEH IU :DKUKHLWHQ³ .,6 49). Entsprechend dieser These verschanzt sich hinter dem adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff lediglich der autoritäre Anspruch eines einzigen Vokabulars, das bestimmten Zwecken dient (wie zum Beispiel dem Zweck, Naturabläufe zu prognostizieren). Die nominalistische Entmythologisierung Rortys reflektiert den subjektiven Anteil der Erkenntnis in Form der Sprache und vollzieht damit epistemologisch die erste Selbstreflexion. Für den Neopragmatisten gibt es so wenig ein Wahres ohne Sprache, wie es für den Bewusstseinsphilosophen ein Wahres gibt ohne Bewusstsein, für den Transzendentaltheoretiker ein Wahres ohne die Verstandestätigkeit, und überhaupt gibt es für den Subjektphilosophen nichts Wahres ohne eben das Subjekt, das von dem Wahren weiß und es in die eigene Immanenz einschließen möchte. Freilich, dem kompromisslosen Kritiker aller fundierenden Philosophie kommt es nicht mehr in den Sinn, aufgrund des Umstandes, dass wir hinter die Sprache nicht zurückgehen können, sie als Fundament der Erkenntnis zu betrachten. Denn nach dem Verständnis eines naturalistischen Nominalismus ist Sprache so kontingent wie alle Phänomene der natürli-

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chen und kulturellen Evolution. Rorty zieht aus der Einsicht in den subjektiven Anteil jeder Erkenntnis und aus der Nichthintergehbarkeit dieses Anteils jedoch einen Schluss, der nicht weniger problematisch ist als derjenige, der einst zur Fundierung des Wissens im Subjekt führte. Er zieht den zu dieser Fundierung komplementären problematischen Schluss, dass alles nicht Subjektive vom Wahrheitsbegriff auszuschließen sei, was zwangsläufig die Auflösung des von dem Begriff der Rechtfertigung unterschiedenen Wahrheitsbegriffs zur Folge hat. Dabei gesteht er die mit seiner Epistemologie, seiner, mit Adorno gesprochen, ÄVXEMHNWLY JHULFKWHWHQ $QDO\VH³ 1'  , verbundene Objektabgewandtheit nachGUFNOLFKHLQÄ'DV%HGUIQLVQDFK:HOWJHULFKWHWKHLWKDOWHLFKIUHLQ5HOLNW des Bedürfnisses nach autoritärer Führung, also jenes Bedürfnisses, gegen das 1LHW]VFKH XQG VHLQH SUDJPDWLVWLVFKHQ 0LWVWUHLWHU UHYROWLHUW KDEHQ³ :) 208). Rorty empfiehlt, auf die Vorstellung zu verzichten, der Mensch sei einer nichtmenschlichen Instanz gegenüber verantwortlich (vgl. ebd.). Soweit sich seine Philosophie selbst aus dem Kontext der Aufklärung begreift (vgl. KIS, 48 ff.), vollzieht sie die Reflexion, die den anthropomorphen Charakter jeglicher Realitätsbeschreibung erkennt und in dem metaphysischen Anspruch auf die Realitätsangemessenheit einer Beschreibung die alte Autorität der Götter als verkappte Herrschaft der Menschen über sich selbst weiterhin am Werk sieht. Während Rorty die gesellschaftliche Genese subjektiver Gewissheit reflektiert und damit über eine subjektzentrierte Epistemologie entschieden hinausgeht, verharrt er jedoch im Hinblick auf das Realitätsverhältnis der Sprachbenutzer in dem, was die Kritische Theorie als die erste Selbstreflexion anerkennt, die sie aber ± wie gesehen ± in aufklärender Absicht über sich hinausführen möchte. Indem der Neopragmatismus sich in dieser Reflexion einrichtet, spricht aus ihm ± und dies war die Kritik im fünften Kapitel ± selbst noch das Sicherheitsbedürfnis, das zur Objektabgewandtheit der fundierenden Subjektphilosophie geführt hat. Die Fragen, auf die am Ende dieser Untersuchung eine Antwort skizziert werden soll, sind folgende: Zu fragen ist danach, was mit einem sprachspielnominalistisch erneuerten Pragmatismus, soweit er als ein subjektphilosophischer Ansatz auftritt, geschieht, wenn man ihn auf die Bahn einer zweiten Reflexion bringt. Zugleich stellt sich die Frage, ob Adornos Kritik am Primat des Subjekts, die jene zweite Reflexion durchzuführen versucht, indem sie sowohl auf die Vorgängigkeit der Gesellschaft gegenüber dem Einzelsubjekt als auch auf das Ä1LFKWEHJULIIOLFKHLP%HJULII³UHIOHNWLHUWVLFKPLWGHQ0LWWHOQGHUQHRSUDJPDWischen Epistemologie nicht teilweise theoretisch erweitern und überzeugender formulieren lässt. Hervorgehoben werden soll daher ebenso, was Rortys Theorem einer gesellschaftskritischen Epistemologie zu bieten hat, die gegen den Primat des Subjekts argumentiert und den Mythos einer vorgesellschaftlichen Subjektivität entzaubern will. Aus Sicht der Kritischen Theorie täuscht der fundierende Ausgang vom Subjekt darüber hinweg, dass es als Erkenntnissubjekt bereits das vergesellschaftete Subjekt vorstellt, in dem sich das gesellschaftlich Allgemeine, und das ist ver-

ERFAHRUNG IM GESELLSCHAFTLICHEN IMMANENZZUSAMMENHANG | 353

körpert in den identifizierenden Begriffen des Denkens, zur Bestätigung des gesellschaftlich Allgemeinen und zum Schaden für die unreduzierte Erfahrung des Einzelnen durchgesetzt hat. Auf welche Weise das identifizierende Denken in sich gesellschaftlich bestimmt ist, dies hat Adorno eigentlich nicht entwickelt. 1 Er geht in einer den kantischen Transzendentalismus anthropologisierenden Weise davon aus, dass die Konstituentien von Objektivität sich im Verlauf der menschlichen Naturbeherrschung und gesellschaftlichen Umgestaltung der Natur durch Arbeit als gesellschaftliche Denkformen herausgebildet haben. 2 Die Dialektik der Aufklärung EHJQJWVLFKPLWGHUDOOJHPHLQHQ7KHVHGDVVGLHÄ$OOJemeinheit der Gedanken, wie die diskursive Logik sie entwickelt, die Herrschaft in der Sphäre GHV %HJULIIV >«@ VLFK DXI GHP )XQGDPHQW GHU +HUUVFKDIW LQ GHU :LUNOLFKNHLW³ 1

2

In der Dialektik der Aufklärung findet sich eine an Durkheim angelehnte VorstelOXQJYRPJHVHOOVFKDIWOLFKHQ&KDUDNWHUEHJULIIOLFKHQ'HQNHQVÄ'HU]XPIHVWHQ%LOG vergegenständlichte Schauder wird zum Zeichen der verfestigten Herrschaft von Privilegierten. Das aber bleiben die allgemeinen Begriffe, auch wenn sie alles Bildlichen sich entäußert haben. Noch die deduktive Form der Wissenschaft spiegelt Hierarchie und Zwang. Wie die ersten Kategorien den organisierten Stamm und seine Macht über den Einzelnen repräsentierten, gründet die gesamte logische Ordnung, Abhängigkeit, Verkettung, Umgreifen und Zusammenschluß der Begriffe in den entsprechenden Verhältnissen der sozialen Wirklichkeit, der Arbeitsteilung. Nur freilich ist dieser gesellschaftliche Charakter der Denkformen nicht, wie Durkheim lehrt, Ausdruck gesellschaftlicher Solidarität, sondern Zeugnis der undurchdringlichen Einheit von Gesellschaft und Herrschaft. Herrschaft verleiht dem gesellschaftlichen Ganzen, in welchem sie sich festsetzt, erhöhte Konsistenz und .UDIW³ '$ 38). ± An einem solchen, eher simplen Erklärungsversuch begrifflicher Fähigkeiten als Abbild der gesellschaftlichen Organisation, der im Grunde nur eine Analogie zwischen begrifflicher und sozialer Hierarchie herstellt, womit eben die Genese der Begriffe selbst gar nicht geklärt wird, hat Adorno keineswegs festgehalten. Dieser Erklärungsversuch wird später, das heißt seit der Metakritik an der Erkenntnistheorie, als Soziologismus und vor allem als eine Variante der Ursprungsphilosophie kritisiert, nicht nur weil die Erklärung von Konstituentien der Erfahrung durch gesellschaftliche Konstituta undialektisch und zirkulär ist und Gesellschaft zur ominösen Ursprungsmacht verdinglicht, sondern vor allem weil der Wahrheitsbegriff unreflektiert ausgehöhlt wird, wenn jene Konstituentien sich nicht auch von einem Nichtsubjektiven her bestimmen. (Vgl. hierzu Th. W. Adorno: Kants ÄKritik der reinen Vernunft³, 14. und 15. Vorlesung.) Die Rückführung dieser Konstituentien auf die Internalisierung der Handlungsabstraktionen, die in einer Tauschgesellschaft von ihren Mitgliedern vollzogen werden müssen ± auf diesen von Sohn-Rethel entwickelten Ansatz, der seine deutlichen Spuren in der Negativen Dialektik hinterlassen hat, wird von Adorno nur selten verwiesen (vgl. ND,   ,Q LKU KHL‰W HV Ä$OV lX‰HUVWHU *UHQ]IDOO YRQ ,GHRORJLH rückt das transzendentale Subjekt dicht an die Wahrheit. Die transzendentale Allgemeinheit ist keine bloße narzißtische Selbsterhöhung des Ichs, nicht die Hybris seiner Autonomie, sondern hat ihre Realität an der durchs Äquivalenzprinzip sich durchsetzenden und verewigenden Herrschaft. Der von der Philosophie verklärte und einzig dem erkennenden Subjekt zugeschriebene Abstraktionsvorgang spielt VLFK LQ GHU WDWVlFKOLFKHQ 7DXVFKJHVHOOVFKDIW DE³ 1'  YJO des Weiteren A. Sohn-Rethel: Warenform und Denkform; ebenso ders.: Soziologie der Erkenntnis).

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(DA, 31) erhebt.3 Die begriffliche Identifizierung hat also ihre Basis in den realen gesellschaftlichen Praktiken des Identifizierens zum Zwecke der Verfügung. Doch bleibt unklar, wie der Weg von der Gesellschaft zum Einzelnen verläuft, der schließlich als das autonome Subjekt die Bühne betritt, das unmittelbares, unbezweifelbares Wissen für sich beansprucht und darüber erst die allgemeine, gesellschaftliche Gültigkeit seines begrifflichen Wissens definiert. Solange dies unklar bleibt, kann die Kritik an der Kritischen Theorie das Scheitern des konzeptionellen Zusammenhanges von Gesellschaftstheorie und Erkenntnistheorie für unausweichlich halten. Kann sich diese Kritik doch immer auf die fundamentale Gewissheit eines Subjekts berufen, die nicht erst gesellschaftlicher Natur ist, und den läppischen Einwand bekräftigen, Horkheimer und Adorno operierten unter dem Zwang, alles auf Gesellschaft zurückzuführen. Der Neopragmatismus bietet hingegen ein Modell, an dem der Weg von der Gesellschaft als der Sprachspielgemeinschaft zu der epistemischen Autorität, die der einzelne Sprecher als scheinbarer Ausgangspunkt seines Wissens in Anspruch nimmt, auch nachvollziehbar wird. Die Kritische Theorie wäre jedoch keine kritische Theorie, würde sie nicht auch die Quelle einer Erfahrung für sich in Anspruch nehmen, ja nehmen können, durch die sie die gesellschaftliche immanente Prägung des Wissens als eine Restriktion der Erfahrung kenntlich machen kann; eine Quelle, die Adorno mit GHPTXDVLEHJULIIOLFKHQ9HUZHLVDXIGDVÄ1LFKWEHJULIIOLFKH LP%HJULII³]XU*eltung bringen möchte, durch welches das dialektische Denken nicht in der gesellschaftlichen Immanenz gefangen bleiben muss wie die Bewusstseinsphilosophie in der Immanenz des Bewusstseins. Die Inanspruchnahme dieser Quelle, die der Subjektphilosophie verschlossen bleibt, eröffnet eine tief gehende Kontroverse zwischen Sprachspielnominalismus und einer negativ dialektischen Begriffskritik, deren Austrag erst zu einer theoretischen Bereicherung beider Ansätze führen kann. Bei dieser Kontroverse handelt es sich um nichts weniger als um den Streitpunkt, ob die Bedeutung unserer Begriffe, und damit unser Wissen, rein inferentieller Natur ist oder ob ihr nicht vielmehr ein nichtinferentielles Moment unabdingbar inhäriert; anders gefragt: ob das begriffliche Wissen sich selbst geQJWRGHUHLQHQÄ+DOWDP1LFKWLGHQWiVFKHQ³KDW'LH%HDQWZRUWXQJGLHVHU)UDJH aber ist gleichbedeutend mit eben jener Einführung der zweiten Reflexion in den Neopragmatismus Rortys. Adornos Kritik am Primat des Subjekts verhält sich komplementär zur Reflexion auf den dialektischen Vorrang des Objekts, die auch die Möglichkeit der Erfahrung eines gegenüber der subjektiven Immanenz Transzendenten, das heißt der metaphysischen Erfahrung, umfasst. Deshalb werde ich, über die Bedeutung der neopragmatischen Epistemologie für die Idee einer negativen Dialektik und

3

Dass für Adorno diese These einen zentralen Stellenwert hat, lässt sich daran sehen, dass er sie in der Metakritik der Erkenntnistheorie zitierenderweise erneut anführt (vgl. ME, 86).

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die Bedeutung der zweiten Reflexion für den Neopragmatismus hinausgehend, abschließend versuchen, mich diesem Motiv einer metaphysischen Erfahrung in der Philosophie Adornos zu nähern, und zwar unter den metaphysikkritischen Bedingungen, die bereits mit der Kritik an den Fundierungsansprüchen der Philosophie als erarbeiteter Reflexionsstand angesehen werden können, der keine Regression auf die unreflektierte intentio recta platonischer Metaphysik mehr erlaubt. Um die Kontroverse auszutragen zwischen einem starken Inferentialismus und GHU)LJXUGHVÄ1LFKWEHJULIIOLFKHQLP%HJULII³EHGDUIHVGHUDQJHVSURFKHQHQ5Hflexion auf die sprachphilosophische intentio obliqua, die hier nur erst vorgestellt werden soll. ± Die Pointe der Position des reinen Inferentialismus, wie ihn Rorty vertritt, erhält man, wenn man danach fragt, was er genau unter begrifflichem Wissen versteht und wie er es von bloßer Kenntnis unterscheidet. Begriffliches Wissen beginnt nach seinem Verständnis dort, wo jemand etwas, das er hat ± zum Beispiel einen Sinneseindruck, ein Gefühl, eine Farbwahrnehmung ±, durch seine Teilnahme an einer Sprachgemeinschaft, und das heißt durch den Gebrauch eines Wortes, auf etwas anderes beziehen kann, und zwar so, dass sich dieses Haben-von-etwas durch den sprachlichen Bezug beziehungsweise durch die sprachliche Beziehbarkeit bestimmt. Sieht jemand eine gelbe Rose, so hat er einen Sinneseindruck, kann ihn aber, solange er nicht über sprachliche Fähigkeiten verfügt, nicht einordnen, kann über ihn nichts sagen, durch das dieser Eindruck ein bestimmter Sinneseindruck würde, beziehungsweise überhaupt ein Etwas, das sich als Sinneseindruck bestimmen lässt. Vielleicht hat er schon tausendfach eine gelbe Rose gesehen, kennt ihre Erscheinung sehr genau, doch erst für den Benutzer einer Sprache wird sie zu einer gelben Rose, das heißt zu einer Rose, die sich als gelbe Rose von einer roten oder blauen unterscheidet. Dabei ist das Wort Ãgelbµ als Vokabel einer holistisch zu verstehenden Sprache erst in seiner Relation zu dem Gebrauch der Wörter Ãrotµ, Ãblauµ und aller anderen Farbwörter bestimmt, deren Gebrauch insgesamt in der Grammatik der Sprache inferentiell geregelt ist. Die Eigenschaft Ãgelbµ ist als diese Eigenschaft für uns also erst und nur dadurch verständlich, dass wir das Wort Ãgelbµ als Sprachbenutzer aus seiner Relationalität zu allen anderen Farbwörtern, ja zu allen anderen Wörtern der von uns gesprochenen Sprache heraus verstehen können, denn es besteht die Wortbedeutung in dieser Relationalität und damit auch die Eigenschaft eines von uns Bezeichneten. Ebenso müssen wir die Relation zwischen einer ÃRoseµ und einem ÃTannenbaumµ, einer ÃPflanzeµ und einem ÃElektrogerätµ durch unsere Kompetenz als Sprachbenutzer herstellen können. Wir müssen Ãgelbe Roseµ in einem Satz verwenden können, der durch einen anderen Satz gerechtfertigt werden kann oder der selbst der Rechtfertigung eines anderen Satzes dient. Dann erst haben wir ein Wissen darüber, was eine gelbe Rose ist, ein Wissen über ein Etwas, das wir als gelbe Rose beschreiben. Bevor wir eine Sprache benutzen können, werden wir eine gelbe Rose tatsächlich sehen, und wenn wir sodann einen blauen Stein sehen, werden wir auch etwas anderes sehen als eine gelbe Rose, aber wir

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haben kein Wissen über das Gesehene, wir haben es ± schlicht gesagt ± nur gesehen. Der springende Punkt des Inferentialismus liegt in diesem Zusammenhang darin, dass ein begriffliches Wissen nicht dadurch zustande kommt, dass ein X (eine gelbe Rose) von einem intelligenten Wesen gesehen wird, das der Eigenschaft dieses Gegenstandes ein Wort zuordnet, dann einen weiteren Gegenstand sieht und diesem wieder ein anderes Wort zuordnet, so dass es am Ende ein umfangreiches Vokabular hat, das die Welt repräsentiert. Nach diesem Modell haben Gegenstände an sich selbst Eigenschaften, intrinsische Eigenschaften, die wir an ihnen wahrnehmen und bezeichnen und die den Inhalt unseres begrifflichen Wissens bilden. Für den Inferentialisten aber sind die Eigenschaften eines Gegenstandes, sind seine begrifflichen Bestimmungen ausschließlich Resultat und Ausdruck sprachinterner Differenzierung und grammatischer Beziehbarkeit. Wir müssen bereits über eine Sprache verfügen, um einem Ding überhaupt nur eine einzige Eigenschaft zusprechen und somit von ihm ein Wissen haben zu können. Einen Gegenstand zu sehen, einen Sinneseindruck zu haben ist, wie Rorty im Anschluss an Sellars herausstellt, nur eine kausale Vorbedingung unseres Wissens, sie bildet, streng genommen, nicht einmal den Inhalt unseres Wissens. 4 Denn mit dem bloßen sinnlichen Eindruck von einer gelben Rose können wir noch keinen einzigen Satz rechtfertigen; das können wir erst mit einer Aussage über einen Gegenstand, den wir als eine gelbe Rose zu bezeichnen gelernt haben. Was demnach allenfalls zur kausalen Vorbedingung unseres Wissens zählt, das ist die Fähigkeit zu einem diskriminativen Verhalten: Unsere Sinne müssen auf eine gelbe Rose überhaupt anders als auf eine rote Flüssigkeit reagieren können. Doch dieses Reagierenkönnen ist noch kein Wissen. Unterscheiden und bestimmen und als unterschiedene und bestimmte aufeinander beziehen können wir aber die Gegenstände erst durch die Fähigkeit, ein beschreibendes Vokabular gebrauchen zu können, das wir als Mitglied einer Sprachgemeinschaft erworben haben. Wie könnten wir rein aus der Anschauung von etwas wissen, dass es eine Ãgelbe Roseµ ist, wenn wir zugleich nicht wüssten, dass sie nicht rot ist, sich von einer blauen unterscheidet, dass Ãgelbµ kein Flötenton ist usw. ± Sieht man an dieser Stelle zunächst noch ab von der spezifischen Gebrauchstheorie der Bedeutung, die Rortys Inferentialismus voraussetzt, kann man den Inferentialismus auch auf die einfache, rationalistische Einsicht zusammenkürzen, dass wir Wissen von etwas haben allein durch Begriffe, nicht durch die sinnliche Bekanntschaft mit etwas, und dass Begriffe miteinander in einem immanenten Zusammenhang stehen und nicht in einem Zusammenhang qua Repräsentation einer begriffsexternen Ordnung. Was Rationalismus und Idealismus zunächst nur den Verstandesbegriffen zusprechen, sich nämlich aus ihrem logischen Zusammenhang zueinander zu definieren und nicht durch die Anschauung, das gilt im

4

Die obige Ausführung zum Inferentialismus ist in erster Linie eine Interpretation des vierten Kapitels von Rortys Spiegel der Natur (vgl. SN, 194 ff.).

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Inferentialismus schlicht für alle Begriffe, für ÃSubstantialitätµ ebenso wie für ÃSalatkopfµ oder ÃTeilchenbeschleunigerµ. Rorty zieht jedoch einen fragwürdigen Schluss daraus, dass wir das Wissen nur als ein begriffliches haben und alle unsere begrifflichen Bestimmungen, anhand derer wir etwas in der Welt identifizieren oder beschreiben, allein sprachintern gegliedert sind; er zieht einen nicht ausreichend reflektierten Schluss aus dem Umstand, dass alle Eigenschaften, die wir einem X zusprechen, relationaler statt intrinsischer Natur sind ± keine Rose also an sich Ãgelbµ ist, kein Gegenstand an sich eine Rose ist, kein X an sich ein Gegenstand. Der problematische Schluss, den er zieht, besteht darin, dass alle Eigenschaften, die wir einem X zusprechen, sich allein der Sprache und dem holistischen Beschreibungskontext eines Sprechers verdanken. Die Eigenschaften sind das, als was ein X von einem Sprachsubjekt beschrieben wird; sie selbst sind sprachimmanent, fallen qua sprachinterner Gliederung in die Beschreibung. Sie fallen in die Beschreibung, wie sonst nur die begrifflichen Bestimmungen eines Gegenstandes für den Idealisten ganz ins Denken fallen. Der Neopragmatist sieht sich auf festem Boden, wenn er das Scheitern des Versuchs aufzeigen kann, den der hartgesottene Empirist oder Phänomenologe unternimmt, der hinter den deskriptiven Sprachgebrauch zurückgehen will, um das direkte Wissen von einem X mit intrinsischen Eigenschaften zu gewinnen, das eine unmittelbare Anschauung vor ihrer sprachlichen Kontextuierung erfordert, auf welcher sodann das diskursive Wissen begründeterweise zurückgeführt werden soll. Die dem Inferentialisten entgegengesetzte Position behauptet, von etwas als von einem Unbeschriebenen ein Wissen zu haben, das unseren deskriptiven Sprachgebrauch erst ermöglicht, kann aber nicht angeben, worin dieses Wissen jenseits der Sprache besteht. Man wird also den Inferentialismus, wenn man ein Ungenügen verspürt, ganz anders kritisieren müssen als durch die erneute Verteidigung einer intentio recta, die den konstitutiv sprachlichen Anteil am Wissen meint loswerden zu können. Man wird nicht umhinkommen, alles zu verteidigen, worauf der Inferentialist gegenüber seinen realistischen Kritikern pocht. Doch sollte man den oben gezogenen Schluss nicht voreilig mitvollziehen. Reflektiert man auf das Resultat dieses Schlusses, die Eigenschaften von etwas gingen in dessen Beschreibung auf, so sollte man dem Inferentialisten zunächst dort folgen, wo er sozusagen eine Tabelle mit Aktiva und Passiva aufstellt. Links werden die Leistungen des Sprachbenutzers eingetragen, der etwas beschreibt, indem er Begriffsworte gebraucht, mit ihnen Unterscheidungen trifft und zwischen ihnen Beziehungen herstellt. Rechts wird eingetragen, worüber ein Sprecher spricht, woran er sein begriffliches Vermögen aktualisiert, was die von ihm benannten Eigenschaften haben soll. Hilfe für das, was man auf der rechten Seite eintragen könnte, bietet der Spiegel der Natur. Dort heißt es: Ä(LQHQEHVWLPPWHQ*HJHQVWDQGZDKUQHKPHQEHPHUNHQYRQLKP1RWL]QHKPHQHUIROJW immer unter einer Beschreibung und ist daher kein bloßes diskriminatives Reagieren.

358 | DIE ZERBRECHLICHKEIT DES W AHREN Worin besteht also jenes Wissen, wie Schmerzen sind, wie sie sich anfühlen, wenn es nicht ein Wissen oder Bemerken ist, von welcher Art VLHVLQG">«@(VEHVWHKWHLQIDFK darin, Schmerzen zu haben. Hier dürfen wir nicht in die Falle tappen zu meinen, es gebe irgendeine innere Erleuchtung, die nur stattfindet, wenn Sprache, Begriffe, Beschreibungen und Propositionen das kindliche Bewußtsein erhellen, nicht jedoch, wenn das Kind auf unartikulierte Weise jammert und sich krümmt. Das Kind fühlt vor und nach GHP6SUDFKHUZHUEJHQDXGDVJOHLFKHXQGHVIKOWVLFKIUHVJHQDXVRDQ³ 61 205)

Ebenso sieht es das Gleiche vor und nach seinem Eintritt in eine Sprachgemeinschaft. Wir können also, wenn wir auf der linken Seite die Ãgelbe Roseµ eintragen, auf der rechten Seite auch das eintragen, was wir sehen, wenn wir eine Ãgelbe Roseµ sehen. Wenn das Kind vor dem Spracherwerb genau das Gleiche spürt wie der spätere Sprachbenutzer, dann heißt das, dass das Was, auf das sich unser Wissen bezieht, identisch ist mit dem, worauf sich unsere Wahrnehmung bezieht, es ist dieses identische Was in einem anderen Modus, nämlich das Was unter Beschreibungsbedingungen, durch die wir ein Wissen über es haben. Was beschrieben wird, ist also selbst keine tabula rasa, die qua Beschreibung mit subjektiven Bestimmungen versehen wird. Das gesteht auch der Inferentialist ein, der bereits zu merken scheint, dass er hier die Flucht nach vorne antreten sollte. Doch für den Inferentialismus ist die These unausweichlich, dass die Eigenschaften von etwas ausschließlich auf der Seite der Sprache verbucht werden müssen, sie fallen ganz in die Sphäre der Deskription. Wäre daraus, dass wir ein Wissen von etwas nur als Beschriebenes haben, zu schließen, dass die Eigenschaften des Beschriebenen sich allein dem Gebrauch einer Sprache verdanken, so müssten wir getrost die rechte Seite der Passiva ± um ein beliebtes Bild Rortys zu gebrauchen ± ÄDXVUDGLHUHQ³N|QQHQRKQHEHIUFKWHQ]Xmüssen, dem sprachlichen Sinn, der Bedeutung eines beschreibenden Vokabulars damit irgendetwas genommen zu haben. Doch worüber spricht dann noch der Inferentialist? Wovon hat er ein Wissen? Eine Frage, die keineswegs im Dienste der Legitimation einer realistischen Position stehen muss, die beansprucht, ein Wissen von einem unbeschriebenen Gegenstand zu haben, der sich aufgrund dieses Wissens beschreiben lässt. Die Lösung des hier thematisierten Problems liegt darin, dass man ein Wissen von etwas in der Tat nur in Gestalt einer Beschreibung, nur durch das sprachlich inferentielle Bestimmen des Etwas haben kann; hinter eine Beschreibung lässt sich nicht auf ein vorsprachliches Wissen zurückgehen. Jedoch haben wir ein Wissen erst durch eine Beschreibung, die sich samt ihren Inferenzen ebenso erst in ihrem Bezug auf Nichtsprachliches selbst bestimmt, an ihm ihren Halt hat. Dass die Menschheit irgendwann für die Bezugnahme auf den Himmel und die Erde unterschiedliche Laute gebildet hat, war kein sprachlicher Schöpfungsakt, der die Welt in Himmel und Erde teilte. Die Crux des reinen, inferentialistischen Nominalismus besteht darin, dass ihm der Grund für die sprachinterne Gliederung des Vokabulars, ja überhaupt dessen Bildung zu einem Mysterium werden muss, wenn sich in der konkreten Beschreibung nicht auch die Konkretion eines

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Nichtsprachlichen niederschlägt. Wenn die Qualitäten, die ein Etwas nicht erst durch eine Beschreibung erhält, die gleichwohl aber nur unter einer Beschreibung erschlossen und gewusst werden, nicht in einer einzelnen Deskription zu einem bestimmten Zweck aufgehen, so wäre doch keine Beschreibung ± zu welchem Zweck auch immer ± ohne eine komplementäre-konkrete Beschaffenheit des Beschriebenen. Damit wird die These vertreten, dass die Eigenschaften von einem Etwas nicht allein sprachlichen Ursprungs sind. Eine These, die keineswegs einen planen Realismus restauriert, sondern sich kritisch gegen die Rückführung alles Qualitativen auf die beschreibende Subjektivität wendet. Auf einen epistemologischen Holismus muss hierbei deshalb nicht verzichtet werden, weil die Vorstellung von einer Erfahrung, die sich einer atomistischen Bezugnahme auf Gegenstände verdankt, an denen intrinsische Eigenschaften festgestellt werden sollen, ohnehin ein erkenntnistheoretisches, vom szientistischen Beobachtungsmodell ausgehendes Konstrukt ist. Das Kind setzt sich die Welt nicht aus erfahrenen Einzelstücken wie ein Puzzle zusammen, sondern es beginnt mit dem Spracherwerb allmählich, seine Umgebung zu gliedern und zu differenzieren. ± Die Rede von einer Komplementarität zwischen Beschreibung und Beschriebenem aber ist nur eine andere Fassung der These, dass als Sprache das Ähnliche das Ähnliche zu erkennen vermag. Darauf werde ich zurückkommen. Ich habe in der Kontroverse zwischen Rortys inferentialistischem Nominalismus und dem Begriffsverständnis nach der Negativen Dialektik bis jetzt noch den gebrauchstheoretischen Aspekt von Rortys sich an Wittgenstein orientierender Sprachphilosophie außer Acht gelassen. Es liegt dem Modell der Negativen Dialektik fern, die Begriffsbedeutung in dem wissentlich richtigen Wortgebrauch aufgehen zu lassen. Denn für eine Gebrauchstheorie der Bedeutung bildet nicht ein Nichtbegriffliches den Gehalt der Begriffe, sondern die Verwendungsweise der Begriffsworte in einem Sprachspiel. Der Inferentialismus, für den die begrifflichen Inhalte allein durch die sprachlichen Inferenzen gebildet werden, baut auf dieser sprachspielnominalistischen Bedeutungskonzeption, die sich des Nichtbegrifflichen entledigt hat, auf. Denn die Inferentialität eines einzelnen Ausdrucks drückt die sprachintern geregelte, grammatische Funktion dieses Ausdrucks in einem Satz aus, der nach Regeln, nach sozialen Rechtfertigungspraktiken mit anderen Sätzen verbunden werden kann und wiederum in dieser satzübergreifenden Inferenz seinen Gehalt gewinnt. Die Entwicklung des vom Neopragmatismus theoretisch in Anspruch genommenen Sprachspielnominalismus im zweiten Kapitel sollte die philosophische Tragweite dieses Nominalismus unter Beweis stelOHQ GLH HLQH NULWLVFKH 5HIOH[LRQ DXI GDV Ä1LFKWEHJULIIOLFKH LP %HJULII³ QLFKW mehr ignorieren kann. Doch bevor diese Reflexion abschließend noch einmal mit der Bedeutungstheorie des Sprachspielnominalismus konfrontiert wird, möchte ich erneut beleuchten, warum gerade diese sprachspielnominalistische Theorie und insbesondere der erkenntnistheoretische Behaviorismus ein Erklärungsmodell bieten, das nicht nur erlaubt, die von der Kritischen Theorie behauptete Vor-

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gängigkeit der Gesellschaft vor dem Einzelsubjekt als allgemeine These zu begründen, sondern mit dem sich diese Vorgängigkeit auch rekonstruieren lässt. Adorno kritisiert, wie mehrfach betont, nicht nur die Subjektphilosophie im Sinne einer erkenntnistheoretisch folgenreichen Objektabgewandtheit des Denkens, sondern ebenso die vom Einzelsubjekt ausgehende Subjektphilosophie, die das begriffliche, und das heißt identifizierende Denken als das in letzter Instanz die gesellschaftliche Realität übergreifende Medium behauptet mit dem Argument, dass anders denn als Wissen eines Subjekts kein Gedanke von der gesellschaftlichen Realität zu fassen wäre, so dass das Subjekt sein unmittelbares und unbezweifeltes Wissen nicht als gesellschaftlich konstituiertes Wissen verstehen mag. Gegen das erkenntnisfundierende Modell einer transzendentalen Subjektivität, aus deren Perspektive die Idee einer konstitutionstheoretischen Vorgängigkeit der Gesellschaft vor dem autonomen Erkenntnissubjekt notwendig wie eine logische Verdrehung aussehen muss, führt Adorno im letzten Kapitel seiner Schrift Zu Subjekt und Objekt ein naturalistisches Argument ein: Ä$EHU GLH 7KHVH YRQ GHU 9RUJlQJLJNHLW LVW ZLGHUVLQQLJ QXU VRODQJH GDV ,QGLYLGXXP oder dessen biologische Vorform hypostasiert wird. Entwicklungsgeschichtlich ist eher das zeitliche Prius, wenigstens die Gleichzeitigkeit der GatWXQJ]XYHUPXWHQ'D‰ÃGHUµ Mensch vor jener soll gewesen sein, ist entweder biblische Reminiszenz oder schierer Platonismus. Die Natur ist auf ihren niedrigen Stufen voll von nicht-individuierten Organismen. Werden nach der These neuerer Biologen tatsächlich die Menschen soviel unausgerüsteter geboren als andere Lebewesen, so haben sie wohl überhaupt nur assoziiert, durch rudimentäre gesellschaftliche Arbeit am Leben sich erhalten können; das principium individuationis ist deren Sekundäres, hypothetischerweise eine Art biologischer Arbeitsteilung. Daß irgendein einzelner Mensch zuerst, urbildlich hervortrat, ist XQZDKUVFKHLQOLFK³ 6O, 757)

Diese Argumentation wird mit einer Kritik am Nominalismus fortgeführt. Der Nominalismus, der ontologisch allein das Einzelne zulässt und für den alles Allgemeine nur eine Abstraktion des menschlichen Intellekts ist, erkläre den Ein]HOPHQVFKHQ ]XP ÄZDKUKDIW 6HLHQGHQ³ 6RGDQQ ZLUG GLHVH .ULWLN JHQHUDOLVLHUW Ä(U>GHU1RPLQDOLVPXV ± d.A.] verleugnet die Gesellschaft in den Begriffen daGXUFK GD‰ HU VLH ]XU $EEUHYLDWXU IU (LQ]HOQHV KHUDEVHW]W³ 1RFKPDOV DN]Hntuiert wird diese Kritik am Nominalismus in der Negativen Dialektik: Ä-HLQGLYLGXHOOHV'DVHLQVROOGHn Vorrang haben vor seinem Begriff; Geist, das Bewußtsein von Individuen, soll nur in Individuen sein und nicht ebenso das Überindividuelle, das in ihnen sich synthesiert und wodurch allein sie denken. Verbissen sperren die Monaden sich ihrer realen Gattungsabhängigkeit ebenso wie dem kollektiven Aspekt all ihrer Bewußtseinsformen und -inhalte: der Formen, die selbst jenes Allgemeine sind, das der Nominalismus verleugnet, der Inhalte, während doch dem Individuum keine Erfahrung, auch kein sogenanntes Erfahrungsmaterial zufällt, das nicht vom Allgemeinen YRUYHUGDXWXQGJHOLHIHUWLVW³ 1' 307)

ERFAHRUNG IM GESELLSCHAFTLICHEN IMMANENZZUSAMMENHANG | 361

Was also der Nominalismus verleugnet, das ist das Allgemeine, das in der Weise real ist, dass es den kollektiven Aspekt der Bewusstseinsformen, anders gesagt: den kollektiven Charakter des begrifflich abstrahierenden Denkens auch wirklich ausmacht. Es ist die reale Gattungsabhängigkeit der Menschen, durch die jenes überindividuelle Moment, das in der von allen Menschen gleichermaßen realisierten begrifflichen Allgemeinheit selbst liegt, sich real durchsetzt und sich also nicht nur der Verallgemeinerung eines naiv nominalistischen Erkenntnistheoretikers verdankt. Man versteht den Dreh- und Angelpunkt des Zusammenhangs von Erkenntnis- und Gesellschaftstheorie erst, wenn man die Kritik am ± freilich noch nicht sprachspieltheoretisch fortentwickelten ± Nominalismus nachvollzieht. Der überindividuelle Charakter des vom Einzelnen vollzogenen begrifflichen Denkens, der darin besteht, dass eine begriffliche Erkenntnis nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen gilt beziehungsweise überhaupt gelten kann, und ohne den kein Denken des Einzelnen wäre, keine geltende Erkenntnis, ist das real Gesellschaftliche am Denken. Insofern gilt hier wie in kaum einem anderen Zusammenhang die Warnung Wittgensteins vor der naiven Vorstellung, Denken VHLHWZDVGDVVLFKLP.RSIDEVSLHOHHWZDLQ)RUPYRQÃQHXURQDOHQ=XVWlQGHQµ denn den kollektiven Aspekt, durch den das Denken überhaupt erst Denken ist, wird man in keinem wissenschaftlich noch so gut durchforschten Kopf finden. Wenn in Bezug auf alle Begriffe über Empirisches zu sagen ist, dass das Allgemeine Produkt des abstrahierenden Denkens ist, so ist dasjenige Allgemeine, das die Menschen als Erkenntnissubjekte zu einem allgemeinen Subjekt verbindet, ihrem Denken selbst essentiell und nicht erst Resultat des abstrahierenden Denkens eines Erkenntnistheoretikers. Daher das Zusammenfallen von subjektiver und gesellschaftlicher Geschlossenheit identifizierenden Denkens, jenes Zirkels, in dem ein jegliches Reale einem jeden einzelnen Subjekt unmittelbar immer nur als das gesellschaftlich Determinierte begegnet, das aus der zweckbezogenen Gleichsetzung des miteinander nicht Identischen resultiert. Das einzelne Subjekt setzt in Form seines epistemischen Autoritätsanspruchs, setzt in Form seines Allgemeingültigkeitsanspruchs das gesellschaftlich Allgemeine in sich selbst durch. Deshalb auch ist nur schwer als Irrtum nachweisbar, dass im Rückgang auf das Einzelsubjekt, welches das allgemein Gültige als seine eigene Gewissheit beansprucht, die es sich von niemandem mehr nehmen lässt, man im ontologischen Sinne das Fundament unseres Wissens findet, kraft dessen alle Subjekte prinzipiell über dasselbe Wissen verfügen können. Die Einzelnen bilden real als Subjekte, die alle in den identischen Kategorien wie z.B. Kausalität denken, ein Allgemeines, jenes Transzendentalsubjekt, das dem Idealismus zum Fundamentalen wird und die Welt der Objekte erst konstituieren soll. Aufgrund dieser immanenten Allgemeinheit des Erkenntnissubjekts kann es für alle anderen Subjekte gültige, allgemeingültige und deshalb wahre Aussagen treffen. Dass der Begriff eines allgemeinen Subjekts (wie es die Kritik der reinen Vernunft rekonstruiert), das in allgemeinen Begriffen denkt, auf die Subjektivität als eines an sich Allgemeinen, eines real Abstrakten geht ± dies ist es, was der konventionelle Nomina-

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lismus, fixiert auf seine antiessentialistische Position, nicht in den Blick bekommt. Darin besteht die Pointe der Nominalismuskritik Adornos. (Hegel ist denn auch deshalb für die Kritische Theorie so bedeutend, weil er ± im Gewand des Idealismus ± die gesellschaftliche Realität des Allgemeinen, des Begriffs, genau erfasst hat und damit realistischer ist als der Realismus, der die Realität des Allgemeinen bestreitet.) Ohne die reale Abhängigkeit der Einzelnen von der Gattung, schließlich von der Gesellschaft, hätte das begriffliche Denken ± weil es überhaupt erst durch sein überindividuelles Moment Denken ist ± gar nicht den ihm ureigensten Anspruch auf Allgemeingültigkeit entwickeln können, wäre epistemische Autorität gar nicht entstanden. Somit aber steht das Notwendige des Denkens, das vom epistemischen Sicherheitsbedürfnis gegen Relativismus und Skeptizismus als Schatz unwiderleglicher Aussagen gehütet wird, für Adorno zugleich für die Restriktion der Erfahrung, die, statt Inbegriff des Wahren zu sein, auf die Anforderungen kollektiver Selbsterhaltung zurückgeht. DemHQWVSUHFKHQGÄZlUHRKQHYLHO.QVWHOHLGHU*HGDQNHGHU1RWZHQGLJNHit im philosophisch Allgemeinen zu interpretieren auf das Bedürfnis, die Not zu wenden, GXUFKRUJDQLVLHUWH$UEHLWGHP0DQJHODQ/HEHQVPLWWHOQDE]XKHOIHQ³ 1' 180). Bis hier ist zu sehen, dass Adorno den gesellschaftlichen Charakter des Allgemeinen, der Begriffe, im Einzelsubjekt aus der Vorgängigkeit der Gattung beziehungsweise der Gesellschaft vor dem Einzelnen ableitet, das eine subjektphilosophische Erkenntnistheorie zur transzendentalen Fähigkeit des Einzelnen verklärt, indem sie vom Einzelnen ausgeht. Die Negative Dialektik entwickelt zwar die Konsequenzen der Vorgängigkeitsthese bis hin zum gesellschaftlichen Immanenzcharakter eines Denkens, das alles der Identifikation unterwirft, die Gegenstände begrifflich determiniert und dabei die verselbständigten gesellschaftlichen Praktiken fortwährend reproduziert, mitwebend an dem Netz, in dem alle gefangen sind. ± Wie aber der überindividuelle Charakter des Denkens zustande kommt, wie er produziert und reproduziert wird, wie die Gesellschaft in die Begriffe gelangt und begriffliches Denken somit ein allgemeingültiges sein kann ± dies wird in der Negativen Dialektik tendenziell doch wieder zu dem Mysterium HLQHVZLHHVKLH‰ÄhEHULQGLYLGXHOOHQGDVLQLKQHQ>GHQ,QGLYLGXHQ ± d.A.] sich synWKHVLHUW³ Genau die Frage nach jenem Wie beantworten erst der Sprachspielnominalismus und der erkenntnistheoretische Behaviorismus, ja schließlich der naturalistische Sprachspielnominalismus. Das Überindividuelle im Einzelsubjekt, das Überindividuelle qua Begriff, das in seiner Allgemeingültigkeit liegt und kraft dessen dem Begriff ein Ansichsein zugesprochen wird und er als das die Realität Übergreifende erscheint, kennzeichnet immer auch zugleich das dem je einzelnen Erkenntnissubjekt eigene Vermögen, auf das es beim Rückgang auf sich selbst stößt. Die Subjektphilosophie, die vom Einzelsubjekt ausgeht, muss das überindividuelle Moment als immanente Natur des Subjekts behaupten, es ist ja sein begriffliches Vermögen und stets sein allgemeingültiges Wissen. Sie gelangt von dieser immanenten Natur als dem überindividuellen Aspekt des Denkens zur Ge-

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sellschaft als dem Zusammenschluss gleichgearteter Subjekte. Der Neopragmatismus, der auf die Idee einer immanenten Natur des Subjekts verzichtet, entwickelt im Grunde nur die Konsequenzen, welche die der subjektzentrierten Epistemologie entgegengesetzte Erklärungsrichtung epistemischer Autorität hat: Er geht ± ebenfalls mit der These von der Vorgängigkeit (freilich nicht Vorrangigkeit) der Gesellschaft vor dem einzelnen Subjekt ± von der Gesellschaft aus, um von dort zur subjektiven Gewissheit und zu dem begrifflichen Vermögen des Einzelsubjekts zu gelangen. Aber er kann zeigen, wie er dort hingelangt, weil er begriffliches Denken bis hin zu offenem Sprachverhalten versprachlicht, die sprachliche Bedeutung anhand des Sprachspiels aus der Verflechtung der Sprache mit den realen Praktiken der Menschen erklärt und nicht zuletzt Sprache als sinnliche Äußerung in ihrem Zusammenhang mit der Natur begreift. Durch diese Naturalisierung wird auch die Einbeziehung des leibhaften Menschen in einen unmysteriösen Prozess möglich, der bis zur Herausbildung begrifflicher Fähigkeiten als des Allgemeinen in den Erkenntnissubjekten reicht, bis zur Herausbildung der subjektiven Gewissheiten, die ihre gesellschaftliche Genese in der Sprachgemeinschaft haben. Dabei geht es nicht um die Reduktion unseres Wissens auf das Produzieren von Kehlkopflauten technisch begabter Primaten. Ein Reduktionismusvorwurf sollte darauf reflektieren, ob es die Erklärungsrichtung ist, die missfällt, weil sie das Subjekt als weltfundierendes Geistwesen entthront, obgleich doch mit dieser Erklärung nicht bereits die Fähigkeit zur Autonomie und Freiheit des Menschen in Zweifel gezogen wird. Auch diese bilden sich nicht ± was nicht mehr als eine Binsenweisheit darstellt ± als Eigenschaften des Einzelnen jenseits der Gesellschaft heraus. Für Wittgenstein, so Adorno, ÄELOGHW GLH 6SUDFKH HLQHQLQ VLFK JHVFKORVVHQHQ ,PPDQHQ]]XVDPPHQKDQJ GXUFK ZHlchen die nicht-sprachlichen Momente der Erkenntnis, die sinnlichen Daten etwa, vermittelt sind; nicht minder jedoch liegt es im Sinn von Sprache, auf Nichtsprachliches sich zu beziehen. Sie ist sowohl Sprache als Autarkes, nach szientistischer Annahme mit bloß in ihr geltenden Spielregeln, wie ein Moment innerhalb der Realität, fait sociDO³5

Diese Interpretation Wittgensteins liest sich zugleich als eine Variante der im sechsten Kapitel explizierten Thesen Adornos, dass der Begriff Moment in einem nichtbegrifflichen Ganzen ist, das er zu übergreifen scheint, in diesem Ganzen sich abdichtet und dennoch konstitutiv auf Nichtbegriffliches bezogen bleibt. Zudem findet sich ± zum ersten und letzten Mal ± eine Reformulierung der WenGXQJ YRP Ä1LFKWEHJULIIOLFKHQ LP %HJULII³ LQ Bezug auf die Sprache, in deren Sinn es liege, sich auf Nichtsprachliches zu beziehen. Es wird diese Reformulie-

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Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 8, S. 302.

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rung sprachphilosophisch nicht weiter vertieft. Beide Fassungen, die sprachphilosophische ebenso wie die begriffstheoretische Fassung, bringen ein gedankliches Motiv zur Geltung, das für die Konzeption einer negativen Dialektik wie überhaupt für die ganze Philosophie Adornos in epistemologischer Hinsicht zentral ist und ± wie sich leicht zeigen lässt ± in zahlreichen Zusammenhängen vaULLHUWZLUG6SUDFKHLVWÄIDLWVRFLDO³HLQHUVHLWVDQGHUHUVHLWVDEHULVWVLHVLQQNRQstitutiv auf Nichtsprachliches bezogen. Gleiches kann vom Begriff gesagt werden: EU LVW HLQHUVHLWV ÄIDLW VRFLDO³ andererseits ebenso konstitutiv auf Nichtbegriffliches bezogen. Was mit diesen Thesen deutlich wird und was von nahezu entscheidender Relevanz für das Verständnis der Philosophie Adornos ist, besteht darin, dass er das begriffliche Denken von vornherein in einer zweistelligen Relation sieht: Es ist gesellschaftlich generiert und zugleich von seinem Gegenstand bestimmt. In Adornos Begriffsverständnis sind beide Momente von dem, was einen Begriff ausmacht, untrennbar und der Begriff ist nicht etwa ihre bloße Zusammensetzung, sie hängen durch den Begriff immanent miteinander zusammen. Dieser Zusammenhang wird deutlich, wenn man sich den Doppelcharakter des %HJULIIVQRFK HLQPDOYRU$XJHQIKUWÄ,KQFKDUDNWHULVLHUWHEHQVRDXI1LFKWEegriffliches sich zu beziehen ± so wie schließlich nach traditioneller Erkenntnistheorie jede Definition von Begriffen nichtbegrifflicher, deiktischer Momente bedarf ±, wie konträr, als abstrakte Einheit der unter ihm befaßten Onta vom OnWLVFKHQVLFK]XHQWIHUQHQ³ 1' 24). Der gesellschaftliche Charakter des Begriffs besteht darin, dass er Unterschiedenes unter sich subsumiert, besteht in seinem Bedeutungsumfang, in dem, wodurch der Begriff sich vom Nichtbegrifflichen entfernt. Als eigene Einheit des Sinns hängt er inferentiell mit anderen Begriffen zusammen. Um aber sich entIHUQHQ XP Ä2QWD³ XQWHU VLFK EHIDVVHQ ]X N|QQHQ, muss er etwas am Nichtbegrifflichen treffen, er ließe sich anderenfalls nicht einmal unterscheiden von anderen Begriffen, auf die er bezogen werden kann. Das Nichtbegriffliche, auf das der abstrahierende Begriff bezogen ist und durch das er geprägt wird, bildet den nicht gesellschaftlichen Aspekt des Begriffs. Formulieren ließe sich diese zweistellige Relation sprachphilosophisch im Hinblick auf den inferentiellen Zusammenhang der Sprache und ihren referentiellen Bezug zu Nichtsprachlichem. Gesellschaftlich ist der Gebrauch der Begriffsworte, ihre relationale Bestimmtheit in der Sprache, ohne die es kein begriffliches Wissen gäbe. Dass aber der deskriptive Gebrauch der Begriffe in der Beschreibung vom Nichtsprachlichen selbst bestimmt wird, andernfalls ebenso wenig ein Wissen von etwas möglich wäre und auch keine sprachinterne Differenzierung sich denken ließe, darin zeigt sich die nicht gesellschaftliche Seite des Begrifflichen. Ausdrücken lässt sich dieser doppelte Aspekt des Begriffs in knappen Worten damit, dass die Begriffsbedeutung im regelkonformen Wortgebrauch in Bezug auf Nichtsprachliches liegt. Ohne einen referentiellen Bezug ließe sich kein inferentieller Zusammenhang von unterschiedenen Begriffsinhalten denken, ohne eine inferentielle Gliederung kein referentieller Bezug herstellen, bei dem das, worauf Bezug genommen wird, wiederum durch die inferentielle Bestimmung zum

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Wissensinhalt wird. Das Entscheidende an einer Epistemologie, die sich der Dichotomisierung von Ãinferentiellµ und Ãreferentiellµ entzieht, ist, dass sie die Bildung und den Gehalt von sprachlicher Bedeutung von vornherein in einer untrennbar zweistelligen Relation der Begriffsworte sieht: in ihrem grammatischen Zusammenhang in der Sprache und ihrem Bezug zu Nichtsprachlichem. Weder besteht Bedeutung allein in jener Gebrauchsfunktion, die der Inferentialismus und nicht weniger der Sprachspielnominalismus gegenüber dem Nichtsprachlichen verselbständigen, noch in den nichtrelationalen Eigenschaften von etwas unmittelbar Erfahrenem, auf die sich sprachliche Äußerungen repräsentierenderweise beziehen. Auf diese vermittelte Weise aber sind auch die Eigenschaften von etwas nicht ausschließlich ein sprachintern Bestimmtes. Mit der zweistelligen Relation des Begriffs ± Ãvertikalµ als Objektbezogenheit, Ãhorizontalµ als grammatische Funktion ± ist die Sprache im Ganzen mit der Welt verbunden, von ihr geprägt, ohne dass sich doch an einem Gegebenen demonstrieren ließe, wie man von diesem als einem Vorsprachlichen zu der relationalen Bestimmtheit des Begrifflichen erst gelangt, und ohne dass das Nichtsprachliche erst als ein durch unsere begrifflichen Fähigkeiten Determiniertes unseren wissentlichen Kontakt mit der Welt ermöglicht. Adorno setzt diese Struktur des Begrifflichen immer schon voraus, ohne sie eigens sprachphilosophisch zu explizieren. Inferentiell bestimmt sind die Begriffe nämlich auch in der Negativen Dialektik insofern, als diese an die Einsicht der hegelschen Philosophie in die Vermitteltheit von Begriff, Urteil, Schluss anschließt und die Vorstellung einer starren Bedeutungsidentität isolierter Begriffe, zumal der Kategorien, als verdinglichte verwirft. In seiner Kritik an Heidegger merkt Adorno an: Ä,Q :DKUKHLW VLQG JHJHQ GLH 6SUDFKDWRPLVWLN >«@ DOOH (LQ]HOEHJULIIH EHUHLWV Ln sich mit den Urteilen verwachsen, welche die klassifizierende Logik vernachlässigt; die alte Dreiteilung der Logik nach Begriff, Urteil und Schluß ist ein Rückstand wie das Linnésche System. Urteile sind keine bloße Synthesis von Begriffen, denn kein Begriff ist RKQH8UWHLO>«@³ 1' 111)

Die Insistenz auf das referentielle Moment des Begrifflichen führt erst dann in einen planen Realismus, wenn dieses Moment vom inferentiellen isoliert und eine atomistische Zuordnung von Begriff und Gegenstand somit unausweichlich wird, die den Begriff dekontextuiert und den Gegenstand auf seine definitorische Zurüstung vorab reduziert. Begriffe aber haben, wovon Adorno ausgeht, in sich Geschichte aufgespeichert durch den sich spezifisch verändernden Kontext, in dem sie sich bestimmen und der kein weltloses Gespinst ist. 'HU %HJULII LVW Ä2UJDQRQ GHV 'HQNHQV XQG JOHLFKZRKO GLH 0DXHU ]ZLVFKHQ GLHVHP XQG GHP ]X 'HQNHQGHQ³ 1' 27), und das heißt, dass begriffliche Erkenntnis ± und eine andere könnte keine allgemeingültige, auch für andere Subjekte verbindliche Erkenntnis sein, zu der es jenes überindividuellen, gesellschaftlichen Charakters des Denkens unabdingbar bedarf ± in Spannung steht zu

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dem, was sie von nichtsubjektiver Seite ermöglicht. Und das ist unvereinbar mit GHU Ä'RNWULQYRP)XQGLHUWVHLQDOOHU(UNHQQWQLV³ 0( 136), denn weder hat Erkenntnis im Begrifflichen ihr Fundament, noch in einem vor- oder unbegrifflich Unmittelbaren des Subjekts. Sie trägt sich zu in der Spannung zwischen dem, was der Einzelne in seinem Objektbezug empfangen kann, und dessen diskursiver Objektivation, ohne die sich das Empfangene zum Beliebigen auch für den Erfahrenden verflüchtigen würde, in der es, Medium des Allgemeinen wie Gesellschaftlichen, aber nicht aufgeht. Doch vermag das mimetische Potential des sich sprachlich vollziehenden Denkens der nicht auf das Allgemeingültige und Vorgedachte reduzierten Erfahrung die verbindliche Artikulation zu verleihen. Dass Wahrheit allein eine Eigenschaft von Sätzen ist, ist deshalb nur die halbe Wahrheit, weil es keine wahren Sätze gäbe, in denen sich nichts von der Qualität dessen, worauf sie sich beziehen, als sprachliche Gestalt und Differenziertheit niederschlagen würde. Gleichwohl gewahrt und bewahrt Rorty ± das scheint als wahrheitstheoretisch vernachlässigter Gehalt seines sprachphilosophischen Perspektivismus durch ± das Nichtidentische in der Weise, dass keine einzelne Beschreibung und kein einzelnes Vokabular dem Beschriebenen adäquat ist in dem Sinne, dass es andere Beschreibungen und Vokabulare ausschließt oder besser als diese ist. Rorty gewahrt anders gesagt, dass die Identität von Beschreibung und Gegenstand eine nur gesetzte ist und mit dem unterschlagenen Mehr der Beschreibbarkeit des Gegenstandes über seine manifeste Beschreibung sein Anderssein ebenso ignoriert wird wie die Möglichkeit eines anderen Umgangs mit den Dingen als der durch eine einzelne Beschreibung festgeschriebene. Nicht nur macht daher gerade die zunehmende Fülle unseres Begriffsrepertoires den kulturellen Fortschritt aus (vgl. PhK, 218). Rorty geht noch einen Schritt weiter: Ä-H PHKU %HVFKUHLEXQJHQ]X*HERWHVWHKHQXQGMHEHVVHUGLHVH%HVFKUHLEXQJHQ ineinander integriert sind, desto besser verstehen wir den durch diese Beschreibungen ermitWHOWHQ*HJHQVWDQG³ 3K= 127). Dies aber wäre kaum der Fall, wenn der Gegenstand nicht an sich von der Konkretion wäre, die in der Reichhaltigkeit seiner zusammenhängenden Beschreibungen zum Ausdruck kommt, ohne die der Gegenstand sich für kein Denken konkretisieren würde. Er ist nicht das abstrakte X als Grundlage subjektiver Bestimmungen, und deshalb trifft auf ihn am ehesten die unverdinglichte, von Rorty selbst favorisierte Auffassung zu, wonach der Gegenstand das Gravitationszentrum der Beschreibung bildet (vgl. WF, 154 ff.). Sie kommt der Metaphorik Adornos nahe, in der Wahrheit als ein Kraftfeld des mit dem Denken nicht identischen Besonderen beschrieben wird; als Kraftfeld, an dem sich die Konstellation der Begriffe bildet (vgl. ME, 79).6 Die Kritik am Primat des Subjekts kehrt, nachdem sie dieses entzaubert und gezeigt hat, wie wenig es das Fundament des Wahren und Gewussten enthält, wie wenig seine Herrschaft über Natur diese humanisiert, zum Subjekt zurück; zu 6

Vgl. ebenso Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 11, S. 21, 571.

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dem Subjekt, das Halt auch nicht mehr an sich selbst sucht. Bei dieser Rückkehr hat die Negative Dialektik auch den adäquationstheoretischen Wahrheitsbegriff zurückgelassen, denn dieser erhebt in letzter Instanz das schlecht Gewordene zum Wahrheitsmaßstab. ÄDas triviale Bewußtsein, wie es theoretisch im Positivismus und unreflektierten Nominalismus sich ausspricht, mag der adaequatio rei atque cogitationis näher sein als das sublime, in fratzenhaftem Hohn auf die Wahrheit wahrer als das überlegene, außer wenn ein anderer Begriff von Wahrheit gelingen sollte als der vRQDGDHTXDWLR³ 1' 357)

Wenn es in der Negativen Dialektik um den Begriff von Wahrheit geht, der die Vorstellung der adaequatio sprengt, wenn es um die Utopie eines gelingenden Verhältnisses der Menschen zur Natur geht, die Utopie, in der die Sehnsucht des metaphysischen Gedankens nach Wahrheit gestillt wäre als Antwort auf die Frage: Was soll das alles? ± dann kann die Negative Dialektik nur vom einzelnen, verletzbaren Individuum ihren Ausgang, auch ihren epistemologischen Ausgang nehmen. Nicht vom selbstherrlichen Subjekt, das durch seine Herrschaft das Gelingen hintertreibt, nicht von einem zu repräsentierenden Objekt, das durch das Identitätsdenken in der realen Praxis der Menschen zugerüstet ist, nicht von der Gesellschaft, welche mit ihren Praktiken gegenüber der Natur die Immanenz kollektiver Selbsterhaltung verkörpert. Allein dem durch die Selbstbesinnung entzauberten Subjekt, dem Individuum, das noch keine epistemische Autorität auf seiner Seite hat, ist das Offene und Gewünschte erreichbar als das, was weder die Kriterien der zweifelsfreien Gewissheit noch der allgemeinen Gültigkeit nachweislich erfüllt, das aber dennoch dem Einzelnen in einer Weise entgegenkommt, die die subjektive Projektion vergeblich vorgaukelt und der sture Szientismus abwehrt. Somit ist Fundiertheit, Unverlierbarkeit, nicht mehr das Signum der Erkenntnis des Wahren. Adorno spitzt die Idee eines Wahren, das in mehr besteht als in bloßer Übereinstimmung, die, wie der Neopragmatismus gezeigt hat, am Ende auf nicht mehr als auf die pedestrische Alltagsweisheit hinausläuft, dass es schneit, wenn es schneit ± Adorno spitzt diese Idee auf die Möglichkeit metaphysischer Erfahrung zu. Dabei wird die kantische Fragestellung, ob Metaphysik als Wissenschaft möglich sei, verändert zu der Fragestellung, ob metaphysische Erfahrung möglich sei. Die kantische Metaphysikkritik misst Erfahrung vorab an den Kriterien der Gültigkeit wissenschaftlicher Sätze. Sie kann daher nur bis zu dem Resultat gelangen, dass Metaphysik als Wissenschaft ± nimmt man die Physik als deren Paradigma ± nicht möglich ist; nicht aber zu dem Resultat, dass, weil den metaphysischen Aussagen nichts in derjenigen Erfahrung korrespondiert, die den Spielregeln der mathematischen Naturwissenschaften genügt, prinzipiell keine andere Erfahrung von der Art möglich sei, die einen für die Beantwortung metaphysischer Fragen relevanten Gehalt aufweist. Hierbei kann es freilich nicht um

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eine Erfahrung gehen, die lediglich privat ist und die subjektive Sphäre überhaupt nicht übersteigt, denn dann wäre sie ohne bestimmbaren Erkenntnisgehalt. Um zu verstehen, was der von Adorno vollzogene Wechsel von der Frage nach der Metaphysik als Wissenschaft zu der Frage nach der Möglichkeit metaphysischer Erfahrung bedeutet, ist es hilfreich, sich die eigentümliche Verbindung vor Augen zu führen, die in der abendländischen Metaphysik zwischen der Vorstellung menschlichen Glücks und der Idee des Unendlichen und Zeitlosen hergestellt worden ist. Die metaphysischen Fragen nach dem Ursprung der Welt, nach Gott, Freiheit und Unsterblichkeit enthalten im Hinblick auf den Wesensbegriff nämlich zwei wichtige Aspekte. Der erste Aspekt besteht darin, dass die raumzeitliche Begrenzung, die allen Erscheinungen definitionsgemäß eignet, wodurch diese sich als ein unselbständiges, ein immer schon durch anderes Sein bedingtes Sein bestimmen lassen, von der Idee eines raumzeitlich Unbegrenzten und also Unvergänglichen überschritten wird, in dem als dem Wesen der Welt alles Endliche fundiert sein soll. Die Beantwortung der Frage, ob den metaphysischen Ideen eine Realität zukommt in dem Sinne, dass sie keine puren Fiktionen sind, hängt davon ab, ob diese Realität als unvergängliche im Medium des begrifflichen Denkens selbst manifest werden und nicht nur als gedankliches Konstrukt diskursiv gerechtfertigt werden kann. Der zweite Aspekt der metaphysischen Frage besteht darin, dass diese Fragen auf das gehen, was für Menschen wesentlich ist und von ihnen daher nicht beliebig gesetzt werden kann. Für die platonische und die platonisch-christliche Metaphysik, die den metaphysischen Hauptstrom der abendländischen Philosophie bilden, fallen beide Aspekte ineinander: Das Wesen der Welt ist das Wesentliche für den Menschen. Dies bedeutet: Das als zeitloses gedachte und damit erwiesene Wesen aller zeitlichen Erscheinungen muss auch als das für den Menschen Wesentliche erfahrbar sein, erfahrbar als außerordentlicher Zustand, dem des menschlichen Glücks. DementspreFKHQGGHU9HUVXFK3ODWRQVZLHLKQ5RUW\EHVFKUHLEWÄPDWKHPDWLVFKH*HZissheit und eroWLVFKH(NVWDVH³ 3K. ]XYHUVFKPHO]HQ'LHkantische Kritik freilich bezieht sich nur auf den Aspekt der kohärenten Denkbarkeit und Begründbarkeit der metaphysischen Ideen nach den allgemein verbindlichen Regeln des Verstandes und setzt sie als für die Menschen und ihre Praxis wesentliche Ideen bereits voraus (um sodann den Bescheid zu geben, dass ihr Begründungsversuch deshalb scheitern muss, weil den metaphysischen Ideen kein Gegenstand in der Erfahrung korrespondiert, auf die allein sich die diskursiven Praktiken des Begründens erfolgreich anwenden lassen). Doch was geschieht, wenn man sich nicht nur der kantischen Forderung wegen ihres heteronomen Charakters, eine wissenschaftskompatible Auskunft über die Realität zu geben, auf welche die metaphysischen Ideen abzielen, entzieht, sondern wenn man darüber hinaus die platonische Verbindung zwischen dem unvergänglichen Wesen der Erscheinungen und dem, was für den Menschen das Wesentliche ist, auflöst ± man aber an dem metaphysischen Motiv des für den

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Menschen Wesentlichen festhält? Man kann zu der Einstellung gelangen, die Rorty mit der romantischen Bewegung teilt: Ä6LH>GLHURPDQWLVFKH%HZHJXQJ± d.A.] weigert sich zu glauben, daß die spezielle Person, die spezielle Stadt oder das spezielle Buch, das man von ganzem Herzen und ganzem Gemüt liebte, nichts weiter war als eine vergängliche Hülle eines zeitlosen und unendlichen Etwas, das selbst weder der Kontingenz ausgeliefert sei noch besiegt werGHQN|QQH³ 3K.

Die Pointe der traditionell metaphysischen Auffassung besteht darin, dass der intelligible Kern des Subjekts mit dem intelligiblen Kern des Objekts korrespondiert. Die Frage ist weiterführender formuliert die, ob sich dieser Zusammenhang vom Platonismus auf eine spezifische Weise lösen lässt, nämlich so, dass nicht mehr eine immanente Natur als nicht empirisches, nicht sinnliches, zeitloses Wesen vorausgesetzt wird, die Frage nach dem für die Menschen Wesentlichen jedoch weiterhin als eine verstanden wird, die nicht ausschließlich in die Sphäre subjektiver Sinngebung fällt, sondern auf unkonstruierbare Weise nur vom Objekt, besser gesagt: von bestimmten Objekten beantwortet werden kann kraft ihres humanen, der menschlichen Subjektivität verwandten und wegen der Verwandtschaft gerade nicht unvergänglichen Kerns. Und zwar beantwortet jetzt vom Objekt als vergänglicher Erscheinung einer sterblichen Kreatur, das wesentlich mehr ist als das bereits subjektiv zugerüstete Objekt; wesentlich mehr ist als das, was sich an Faktischem nach Maßgabe strenger Allgemeingültigkeit über es DXVVDJHQ OlVVW :HQQ VLFK $GRUQR VROLGDULVFK HUNOlUW PLW GHU 0HWDSK\VLN ÄLP $XJHQEOLFN LKUHV6WXU]HV³VR LVWGLHVH 6ROLGDULWlWYRQGHU)UDJHQDFKGHP:esentlichen motiviert, während die Kritik am identifizierenden Denken dem platonischen Begriffsrealismus keine Konzessionen machen kann. Im Kontext der Frage nach dem Verhältnis von Wesen und Erscheinung (vgl. ND, 169 ff.) insistiert Adorno auf dem Wahrheitsmoment dieser metaphysischen Unterscheidung, soweit sie einst der Reflexion über das für Menschen Wesentliche und Unwesentliche entsprang. Aus dem Erfahrungsbegriff moderner Wissenschaften ist indessen diese Reflexion einem 2EMHNWLYLVPXV]XOLHEHDXVJHPHU]WXQGGHUÄREVWinate Drang, lieber über die Richtigkeit von Irrelevantem zu wachen, als über ReOHYDQWHV PLWGHU*HIDKUGHV,UUWXPVQDFK]XGHQNHQ³ 1' 172), ist zum Symptom regressiven Bewusstseins geworden. Demnach geht metaphysische Erfahrung auf das für Menschen als bedürftige Kreaturen Wesentliche, das an Objekten, die so unzugerüstet sind wie wilde Orchideen, erfahren werden kann; wobei der Erfahrungsgehalt hinsichtlich seiner Geltung nicht der Verbindlichkeit gesellschaftlicher, diskursiver Praktiken genügen kann. In der Negativen Dialektik denkt ihr Autor metaphysische Erfahrung als eine solche, deren Wahrheitsgehalt mit dem konkreten Objekt der Erfahrung verbunden ist, sowie mit der Konkretion der Erfahrung dieses Objekts. Der Wahrheitsgehalt misst sich also zunächst nicht an der Verallgemeinerbarkeit des Erfahre-

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nen. Die Sphäre der Subjektivität, des Verfügungsbereiches identifizierenden Denkens, wird im Objektbezug (und also nicht durch die Kollektivierung der Erfahrung) überschritten. Diese Überschreitung ist jedoch zugleich nur durch die Individuation der Erfahrung möglich; dadurch, dass sie Erfahrung eines Individuums ist. Man denke in diesem Zusammenhang erneut an die Nominalismuskritik Adornos im Hinblick auf das Transzendentalsubjekt. Dieses, so wurde gesagt, zeigt das Erkenntnissubjekt als ein an sich Allgemeines. Es ist allgemein, weil sein begriffliches Denken durch die reale Vorgängigkeit der Gesellschaft vor dem Einzelnen, zu der die Einzelnen zum Zwecke der Selbsterhaltung zusammengeschlossen sind, seinen überindividuellen Charakter, seine Allgemeingültigkeit erhält. Man kann auch sagen: In seinem Allgemeingültigkeitsanspruch reflektiert sich die epistemische Autorität der Gesellschaft. Doch das Individuum der metaphysischen Erfahrung kann mit dieser von vornherein keine epistemische Autorität beanspruchen, es bildet keine unbezweifelbare Gewissheit heraus in Bezug auf den Gehalt seiner Erfahrung. Anstelle meiner subjektiven Gewissheit von etwas (wie z.B. Schmerzen), die von niemand anderem in Zweifel gezogen wird, die aber von allen anderen Individuen je für sich genauso in Anspruch genommen werden kann, kann nur die Hoffnung treten, dass anderen die gleiche Erfahrung, die sich selbst nicht vollständig zu deuten vermag, an dem gleichen Konkreten zuteilwird. Ä'HP .LQG LVW VHOEVWYHUVWlQGOLFK GDß, was es an seinem Lieblingsstädtchen entzückt, nur dort, ganz allein und nirgends sonst zu finden sei; es irrt, aber sein Irrtum stiftet das Modell der Erfahrung, eines Begriffs, welcher endlich der der Sache selbst wäre, nicht das Armselige von den Sachen Abgezogene. Die Hochzeit, bei der der Proustsche Erzähler als Kind zum ersten Mal die Duchesse de Guermantes erblickt, mag ganz so, und mit derselben Gewalt fürs spätere Leben, an anderer Stelle und zu anderer Zeit stattgefunden haben. Einzig angesichts des absolut, unauflöslich Individuierten ist darauf zu hoffen, daß es genau dies schon gegeben habe und geben werde; dem nachzukommen erst erfüllte den Begriff des Begriffs. Er haftet aber am Versprechen des Glücks, während die Welt, die es verweigert, diH GHU KHUUVFKHQGHQ $OOJHPHLQKHLW LVW >«@³ (ND, 366)

Drei Momente bilden in der metaphysischen Erfahrung einen untrennbaren Zusammenhang: dass sie Erfahrung eines Besonderen ist (des Lieblingsstädtchens), dass sie eine individuelle Erfahrung ist (sein Lieblingsstädtchen), schließlich das Glücksversprechen in dieser Erfahrung. Damit liefert diese Erfahrung nichts, was der Allgemeinheit und Notwendigkeit des Wissens entspräche, dessen Ansprüchen traditionellerweise metaphysische Aussagen zu genügen hatten und an denen sie, wie seit der Kritik der reinen Vernunft bekannt ist, gescheitert sind. Die Individuierung dessen, der etwas erfährt, und das Besondere, an dem sich seine Erfahrung bildet, sind komplementär aufeinander verwiesen: Der einzelne individuiert sich in dem Maße, in dem von einem Besonderen das Versprechen sei-

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nes Glücks ausgeht. Umgekehrt würde ohne diesen individuierenden Bezug das Besondere unter das Allgemeine des seinerseits allgemeinen Subjekts, des identifizierenden Denkens gebucht werden. UnGQXQLVWÄHLQ]LJDQJHVLFKWVGHVabsolut, XQDXIO|VOLFK ,QGLYLGXLHUWHQ³GDUDXI]XKRIIHQGDVVGLH(UIDKUXQJGLHVXEMHNWive Sphäre übersteigt, dass ihr ± Allgemeinheit zukommt. Allgemeinheit aber als individuelle Erfahrung. Damit ändert sich das Verhältnis von Besonderem und Allgemeinem. Die Frage der idealistischen Metaphysik, ob das von ihr gedachte Allgemeine dem Einzelnen wesentlich ist, würde dann ihre Antwort in der Erfahrung finden, dass das Allgemeine nicht das dem Einzelnen Übergeordnete darstellt, wie es vom identifizierenden Denken gesetzt wird, sondern ± in aller Schärfe formuliert ± dass es, monadologisch, im Besonderen des Einzelnen besteht, und zwar als das eine Glücksversprechen, das als Allgemeines aber nicht aus dem Besonderen extrapolierbar ist wie der allgemeine Reaktionsmechanismus bei einem Lottogewinn aus zahlreichen Jubelanfällen. (Ein, wenn auch nur geringfügig anderes, ähnliches Städtchen vermag bereits das Glück nicht mehr zu versprechen.) 'DV :HVHQWOLFKH GDV Ã:HVHQµ IlOOW PLW GHP %esonderen zusammen, und zwar als das Glücksversprechen eben dieses Besonderen. Das Versprechen, das vom besonderen Gegenstand, genauer gesagt: von einem ganz bestimmten Gegenstand und nur von ihm, ausgeht, lässt eine Welt als mögliche aufblitzen, die als eine der menschlichen Hoffnung adäquate die letzte Sehnsucht stillt, statt eine für den Menschen stets besser beherrschte zu sein, die ihren sinnfernen Charakter proportional zur wachsenden Naturbeherrschung immer deutlicher hervorkehrt. Dies also ein Teil des Hintergrundes der Frage, ob und wie metaphysische Erfahrung möglich ist.7 Diese Frage stellt sich vor allem angesichts des antinomi7

Die Frage nach der Möglichkeit metaphysischer Erfahrung ist eine andere Frage als die nach der Vereinbarkeit metaphysischen Denkens, das traditionellerweise sich gegenüber der Erfahrung als autonom begrifflicher Vollzug verstanden hat, mit der Erfahrung; es ist eine andere Frage als die nach der Angewiesenheit metaphysischen Denkens auf Erfahrung. So ist die Erfahrung von Auschwitz natürlich keine metaphysische Erfahrung, sie hat aber Konsequenzen für den metaphysischen Gedanken, der geschehenes Unheil in die Sinnhaftigkeit des Weltgeschehens zu integrieren bemüht war. Worin diejenige (selbst nicht metaphysische) Erfahrung besteht, die auf die metaphysische Idee lähmend wirkt und die auf das nicht im subjektiven Verfügungsbereich liegende Gelingen menschlicher Praxis, das Glücken individueller Anstrengungen geht, lässt sich beantworten mit dem Hinweis auf den erfahrbaren Nichtzusammenhang, der zwischen dem Glück und dem Unheil auf der einen und den auf das Gelingen ausgerichteten theoretischen und praktischen AnVWUHQJXQJHQ DXI GHU DQGHUHQ 6HLWH EHVWHKW Ä'LH ,GHH GHV *OFNHQV VWHOOW VLFK QXU ein, wo der Gedanke des Gelingens und die Erfahrung des Glücks einander korresSRQGLHUHQ Ã1DFK $XVFKZLW]µ LVW IU $GRUQR GHU 1DPH HLQHU 6LWXDWLRQ LQ GHU GLH Fähigkeit zu dieser metaphysischen Idee gelähmt ist, weil dem Erfahrenden der Zusammenhang zwischen dem, was er tut, und dem, was ihm widerfährt, zerbrochen LVW³ &KU 0HQNH Spiegelungen der Gleichheit, S. 199; zu dem oben angeführten Aspekt der Angewiesenheit der metaphysischen Idee auf Erfahrung in der Negativen Dialektik vgl. ebd., darin: Metaphysik und Erfahrung, S. 184 ff.). Damit ent-

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schen Charakters des Begriffs dieser Erfahrung. Denn indem das, was zur Erfahrung GHV Ã:HVHQWOLFKHQµ avanciert, die individuelle Erfahrung eines einzelnen Subjekts ist, die sich nicht mehr auf ein begrifflich wie gesellschaftlich Präformiertes bezieht und dementsprechend auch nicht in intersubjektiv verifizierten Aussagen objektiviert ist, ist ihre Bewertung in besonderem Maße dem Irrtum ausgesetzt. Ä'HU %HJULII PHWDSK\VLVFKHU (UIDKUXQJ LVW DQGHUV QRFK DQWLQRPLVFK DOV GLH WUDQV]Hndentale Dialektik Kants es lehrt. Was an Metaphysischem ohne Rekurs auf die Erfahrung des Subjekts, ohne sein unmittelbares Dabeisein verkündet wird, ist hilflos vor dem Begehren des autonomen Subjekts, nichts sich aufzwingen zu lassen, was nicht ihm selber einsichtig wäre. Das ihm unmittelbar Evidente jedoch krankt an Fehlbarkeit XQG5HODWLYLWlW³ 1' 367)

Adorno versucht nicht nur nicht, diese Antinomie aufzulösen. Sie wird vielmehr verschärft, indem die Fragilität des Wahren auch auf die objektive Seite der Erfahrung bezogen wird. Wenn die Negative Dialektik den fundierenden Rekurs auf Subjektivität zugunsten eines Objektbezuges umwendet, wenn sie für den dialektischen Vorrang des Objekts argumentiert, dann bedeutet dies für eine Erkenntnis, die mehr wäre als die bloße Übereinstimmung von Aussage und determinierter Wirklichkeit, indem sie ihren Gehalt besonderen, nicht determinierten Ereignissen und Gegenständen verdankt, dass sie auf ein Unverfügbares angewiesen ist. Ich hoffe, um zu erkennen. Zu den Bedingungen einer nicht tautologischen, wesentlichen Erkenntnis gehört somit die Möglichkeit ihres vollständigen Misslingens. In seinen Vorlesungen zur Metaphysik stellt Adorno heraus, dass es zu den Täuschungen gehört, ÄLQ GLH GDV V]LHQWLILVFK-idealistische Denken uns verstrickt hat, daß wir glauben, eine Erkenntnis rangiere umso höher, je weniger sie die Möglichkeit des Mißlingens, der Enttäuschung ausgesetzt ist. Es könnte sehr wohl sein, daß nach diesem Kriterium alles das, worum es eigentlich geht, ausgeschaltet wäre als ein der Erkenntnis nicht WürdiJHVZlKUHQGLQ:DKUKHLW>«@QXUGDVZDVZLGHUOHJWQXUGDVZDVDXFKHQWWlXVFKWZHrGHQNDQQZDVDXFKIDOVFKVHLQNDQQMHQHV2IIHQHLVW>«@DXIGDVHVEHUKDXSWDQNäme. Im Begriff der Offenheit als des nicht bereits unter der Identität des Begriffs Subzieht sich selbst das Glück der Integration in einen menschheitsgeschichtlichen Sinnzusammenhang. ± Im oben Dargestellten geht es primär um die epistemologische Frage nach der inneren Zusammensetzung dessen, was in der Negativen Dialektik unter metaphysischer Erfahrung verstanden wird. Freilich ist diese Frage nicht trennbar von der Frage nach dem Zusammenhang von metaphysischer Idee und Erfahrung. Auch die metaphysische Erfahrung kann die Idee der Metaphysik bestätigen. Und wäre metaphysische Erfahrung ausweisbar nicht möglich, so wäre dies ein Einwand gegen die Sachhaltigkeit der Metaphysik. Denn dass etwas ± ja das, was Gegenstand von Hoffnung ist ± sein soll, das wie auch immer zu erfahren jedoch prinzipiell unmöglich ist, wäre nicht etwa als aporetisch, sondern schlicht als widersinnig zu bezeichnen.

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sumierten liegt ja die Möglichkeit eines Enttäuschtwerdens drin. Und ich möchte sagen: gerade im Sinne der Reflexion über eine mögliche Metaphysik liegt an dieser Stelle eine eigentümliche Affinität zum Empirismus, zum Betonen der empirischen Quellen, in denen ja auch wenigstens dieses Metaphysische drinsteckt, daß die Erkenntnisse die wesentlichen sind, die nicht in dem Begriff aufgehen, ± sondern die mir zukommen und die damit auch immer die Möglichkeit haben, daß sie mir nicht zukommen, daß sie mir nicht zufallen; die das Zufällige also in sich selbst haben, an das auf diese Weise etwas von dem Sinnhaften gerade übergeht, das nach gängiger Logik durch den Begriff des Zufälligen gerade ausgeschlossen wird. Fehlbarkeit, würde ich sagen, ist die Bedingung GHU0|JOLFKNHLWVROFKHUPHWDSK\VLVFKHQ(UIDKUXQJ³8

Damit ist die Frage nach der Möglichkeit metaphysischer Erfahrung keine subjektphilosophische mehr, der es ausschließlich oder primär auf die Bedingungen dieser Möglichkeit im Subjekt ankommt. Sowie die Bedingungen ebenso auf der Objektseite erfüllt werden müssen, von Gegenständen und Ereignissen, die unverfügbar sind, ist Erkenntnis von Gehalt dem Scheitern ausgesetzt, ohne dass dieses Scheitern nur das Resultat subjektiven Unvermögens wäre. Die Wahrheit der meWDSK\VLVFKHQ(UIDKUXQJKDWLKUH=HLWXQGLKUHQ2UWGHQGHVÄXQDXIO|VOLFK IndiviGXLHUWHQ³'LH+RIIQXQJDEHUÄGD‰HVJHQDXGLHVVFKRQJegeben habe und JHEHQ ZHUGH³ LVW GLH +RIIQXQJ GDUDXI GDVs uns die Wahrheit nicht verloren geht.

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Th. W. Adorno: Metaphysik. Begriff und Probleme, S. 220.

Si glenverzeichni s und zitier te Li ter atur

Th. W. Adorno ME Zur Metakritik der Erkenntnistheorie, in: Gesammelte Schriften, Band 5 ND Negative Dialektik, Gesammelte Schriften, Band 6 SO Zu Subjekt und Objekt, in: Gesammelte Schriften, Band 10.2

M. Horkheimer/Th. W. Adorno DA Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (= Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 3)

R. Rorty HE KIS PhZ SN WF PhK

Hoffnung statt Erkenntnis. Eine Einführung in die pragmatische Philosophie Kontingenz, Ironie und Solidarität Philosophie & die Zukunft. Essays Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie Wahrheit und Fortschritt Philosophie als Kulturpolitik

Adorno, Th. W.: Gesammelte Schriften, 20 Bände, Frankfurt a.M. 1977 ff. Adorno, Th. W.: Kants Ä.ULWLN GHU UHLQHQ 9HUQXQIW´, Nachgelassene Schriften, Abt. IV, Vorlesungen Band 4, hrsg. von R. Tiedemann, Frankfurt a.M. 1995. Adorno, Th. W.: Metaphysik. Begriff und Probleme, Nachgelassene Schriften, Abt. IV, Vorlesungen Band 14, hrsg. von R. Tiedemann, Frankfurt a.M. 1998.

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Themati sche Über sicht

Der Anstoß von außen

7

Einleitung 13 Pragmatismus und Kritische Theorie: zwei divergierende Theorieströme 13 ± Pragmatisierung der Kritischen Theorie durch Habermas und die wahrheitstheoretische Kontroverse mit dem Neopragmatismus 17 ± Theoriegeschichtlicher Ausgangspunkt der Untersuchung: Kritik der Subjektphilosophie 21 ± Gemeinsamer Bezugspunkt von Neopragmatismus und Kritischer Theorie: gelingende Praxis 23 ± Pragmatische Komponente der frühen Kritischen Theorie und die Unverfügbarkeit des Gelingens 26 ± Adornos Konzeption einer Metakritik der Erkenntnistheorie: Kritik am Subjektvorrang und die aufklärende, zweite Reflexion 28 ± Rortys Metakritik an der Erkenntnistheorie und seine sprachphilosophische Restitution der Subjektphilosophie 34 ± Der Nominalismus im ÄZirkel der Identifikation³ XQG GLH Ã,GHHµ GHV Nichtidentischen 39 ± Kritische Theorie ohne cartesianische Last: naturalistischer Sprachspielnominalismus als konzeptioneller Gewinn 41 ± Neopragmatismus als Kritik an der Subjektphilosophie: der erkenntnistheoretische Behaviorismus 45 ± Gesellschaft qua Sprache im Subjekt: der erkenntnistheoretische Behaviorismus und die Idee einer gesellschaftstheoretischen Epistemologie 47 ± Naturalistischer Sprachspielnominalismus und Mimesis 51 ± Individuelle Erfahrung und allgemeingültige Erkenntnis 52 ± Vorschau Kapitel 1-5 55 ± Vorschau Kapitel 6-10 61 1. Rortys neopragmatische Kritik am Wahrheitsbegriff 69 Zugang: Nominalismus, Pragmatismus, Naturalismus 69 ± Sprachphilosophischer Pragmatismus und die Metakritik an der Erkenntnistheorie 71 ± Antiplatonischer Impuls 72 ± Pragmatismus, Skeptizismus und platonischer Wahrheitsbegriff 75 ± Kritik am metaphysischen Dualismus 79 ± Inferentialismus: idealistisch und nichtidealistisch 82 ± Neopragmatismus und die Ding-an-sichProblematik 87 ± Dualismus und pragmatischer Kontextualismus 90 ± Kritik am

Begriffsrelativismus 96 ± Deontologisierung der Beschreibungsdifferenzen 103 ± $XIO|VXQJGHVÃ'LQJVDQVLFKµXQWHUQRPLQDOistischen Bedingungen 106 ± Resümee: Negation des nichtdiskursiven Wahrheitsverständnisses 108 2. Sprachspielnominalismus 111 Nominalistische Ontologiekritik und pragmatistische Funktionalitätsthese 111 ± Beschreibungsimmanente Referenz und Funktionalität der Sprache 114 ± Der ÃLQQHUH6SLHJHOµXQGGHU0HGLXPFKDUDNWHUGHU6SUDFKH 116 ± Namenstheorie der Bedeutung und pragmatische Sprachauffassung 118 ± Versprachlichung begrifflichen Denkens und deontologisches Begriffsverständnis 121 ± Wittgensteins Argumentation für die Untrennbarkeit von Sprache und Denken 125 ± Traditionelle Begriffsauffassung 126 ± Wittgensteins revolutionärer Bruch mit dieser Auffassung; doppelter Aspekt der Versprachlichung 131 ± Untrennbarkeit von Denken, Sprache und Praxis im Sprachspiel 133 ± Sprache und Welt im Sprachspielnominalismus 138 ± Naturalisierung des Weltverhältnisses 142 3. Naturalistischer Sprachspielnominalismus 145 Panrelationismus und sprachliches Weltverhältnis 145 ± Inferentialismus- und Naturalismuskontroverse 147 ± Vom Vorbegrifflichen zum Begrifflichen: zur Problematik empiristischer Erkenntnismodelle 152 ± Epistemisches Kausalverhältnis im Raum der Gründe? 154 ± Einheit von Inferentialismus und Naturalismus 156 ± Reflexives Kausalverhältnis 159 ± Reflexivität unter Naturbedingungen 164 ± Problemlösungen und Probleme des naturalistischen Nominalismus 168 ± Weiterer Naturalisierungsschritt: die evolutions- und verhaltenstheoretische Perspektive auf die Sprache 170 ± Rortys Adaption des psychologischen Nominalismus 174 ± Sprache in der kontingenten Evolutionsgeschichte 176 ± Resümee: Rortys naturalistischer Sprachspielnominalismus 178 4. Erkenntnistheoretischer Behaviorismus 181 Zur Rolle des erkenntnistheoretischen Behaviorismus für Rortys Metakritik an fundierenden Erkenntnistheorien 181 ± Dezentrierung monologischer Subjektivität: epistemische Autorität als Funktion sozialer Praxis 185 ± Unmittelbarkeit und Gewissheit als Vertrautheit und Unwidersprochenheit 189 ± Von der bewusstseinsphilosophischen Gewissheit zum Regelwissen epistemischer Ausdrücke 191 ± Experimentelle Offenlegung essentialistischer Intuitionen als vergessene Geschichte unserer Sprachspiele 194 ± Die Umkehrung der epistemologischen Erklärungsrichtung und die Illusion direkten Wissens 197 5. Neopragmatismus und Subjektphilosophie: eine Kritik 199 Rorty als Kritiker und Verteidiger der Subjektphilosophie 199 ± Das Problem der Allgemeingültigkeit in den subjektzentrierten Erkenntnistheorien und seine neopragmatische Lösung 202 ± Subjektphilosophisches Objektverhältnis bei Vorgängigkeit der Gesellschaft 207 ± Subjektphilosophie und Dualismus 208 ± Sub-

jektzentrierung als Sprecherzentrierung 211 ± Neopragmatismus und Bewusstseinsphilosophie 214 ± Die implizit cartesianischen Erkenntnisnormen des linguistischen Pragmatismus 217 ± Sekuritätsbedürfnis: der Neopragmatismus und die Bewältigung der Erkenntniskrise durch die intentio obliqua 219 ± Tendenzielle Geschlossenheit des Neopragmatismus 224 ± Vorrang der Beobachtungssprache 227 ± Noch einmal zur Form-Inhalt-Thematik; Natur als bestimmungsloses Substrat 229 ± Kausalitätskategorie und Subjektphilosophie 231 ± Subjektphilosophische Ã$XVVLFKWHQµ232 6. Begriff und Realität in der Negativen Dialektik Adornos 235 Resümee: Rortys doppelte Strategie der Fundierungskritik 235 ± Adorno: Erkenntnis ist keine Tautologie 236 ± Begriffliches, nicht Begriffliches und Nichtbegriffliches 238 ± Werkzeugcharakter des Begriffs 240 ± Begriffliche Determinierung als Zirkel der Identifikation 241 ± Reale Verankerung begrifflicher Determinierung und gesellschaftliche Immanenz 245 ± Das Äunfunktionelle Selbstsein der Dinge³ und die Selbstbezüglichkeit identifizierender Praktiken 246 ± Utopisches Mehr in Begriff und Realität 249 ± Gegen Tautologie und naiven Realismus: GDVÄ1LFKWEHJULIIOLFKHLP%HJULII³ 253 7. Zweite Reflexion und die Dialektik der Subjektivierung 259 Negative Dialektik und zweite Reflexion 259 ± Schein des subjektiven Primats: der Ausgang vom Subjekt 263 ± Das Problembewusstsein der intentio obliqua: der Transzendentalismus 265 ± Die Berechtigung immanenzphilosophischer Ansätze und die Kritik an ihnen 269 ± Zweite Reflexion und dialektischer Vorrang des Objekts 271 ± Logik der Subjektivierung 275 ± Dynamik des Subjektivierungsprozesses 278 ± Dialektik der Subjektivierung und die Genese der scheinbar unausweichlichen subjektiven Immanenz 283 ± Enttäuschtes Sekuritätsbedürfnis und die Fülle der Erfahrung 288 8. Residualisierung und Aufklärungsdialektik 291 Metakritische Reflexion im Aufklärungsprozess 291 ± Primat des Subjekts im zivilisationstheoretischen Kontext 296 ± Deanthropomorphisierung und mythologisierte Subjektivität 299 ± Scheitern des Subjektvorrangs 303 ± Entzauberung des Subjekts 305 ± Emanzipatorische Reflexion und blockierte Selbstbesinnung 307 ± Selbstverfehlung und Transparenz als Schein 311 ± Die Immanenz des Immergleichen und der Fortschritt im Naturverhältnis 313 ± Zur Bedeutung des Ästhetischen: Verlebendigung durch das Objekt und der Vorschein einer Praxis ohne Rückschlag 315 9. Mimesis und Deresidualisierung 321 Mimesis und Natur 321 ± Repressive Angleichung und befreite Mimesis als Umwendung der subjektiven Reduktion 325 ± Affinität statt adaequatio: mimetische Welterschließung 327 ± Mimesis und Schematismus 333 ± Mimesis, Spra-

che, Geschichte 336 ± Versprachlichung des Mimetischen 339 ± Differenzierung und leibgebundener Ausdruck 341 ± Mimetischer und signifikanter Sprachgebrauch: weitere Perspektiven 346 10. Erfahrung im gesellschaftlichen Immanenzzusammenhang 351 Neopragmatismus und Kritische Theorie: abschließende Fragestellungen 351 ± Die Weltgebundenheit der Beschreibung 355 ± Gesellschaft in den Begriffen 359 ± Begriffliches Denken in zweistelliger Relation 363 ± Hoffnung und Erkenntnis: Ausgang vom Individuum 366

Edition Moderne Postmoderne Friedrich Balke, Marc Rölli (Hg.) Philosophie und Nicht-Philosophie Gilles Deleuze – Aktuelle Diskussionen Juli 2010, ca. 350 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1085-7

Rita Casale Heideggers Nietzsche Geschichte einer Obsession September 2010, ca. 380 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1165-6

Christian Filk Günther Anders lesen Der Ursprung der Medienphilosophie aus dem Geist der ›Negativen Anthropologie‹ Dezember 2010, ca. 150 Seiten, kart., ca. 16,80 €, ISBN 978-3-89942-687-8

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Edition Moderne Postmoderne Martin Gessmann Wittgenstein als Moralist Eine medienphilosophische Relektüre 2009, 218 Seiten, kart., 23,80 €, ISBN 978-3-8376-1146-5

Claus Pias (Hg.) Abwehr Modelle – Strategien – Medien 2009, 212 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-876-6

Jörg Volbers Selbsterkenntnis und Lebensform Kritische Subjektivität nach Wittgenstein und Foucault 2009, 290 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-925-1

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Edition Moderne Postmoderne Miriam Mesquita Sampaio de Madureira Kommunikative Gleichheit Gleichheit und Intersubjektivität im Anschluss an Hegel Oktober 2010, ca. 224 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1069-7

Waltraud Meints Partei ergreifen im Interesse der Welt Eine Studie zur politischen Urteilskraft im Denken Hannah Arendts August 2010, ca. 176 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1445-9

Peter Nickl, Georgios Terizakis (Hg.) Die Seele: Metapher oder Wirklichkeit? Philosophische Ergründungen. Texte zum ersten Festival der Philosophie in Hannover 2008 Januar 2010, 244 Seiten, kart., 22,80 €, ISBN 978-3-8376-1268-4

Ulrich Richtmeyer Kants Ästhetik im Zeitalter der Photographie Analysen zwischen Sprache und Bild 2009, 250 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1079-6

Kurt Röttgers Kritik der kulinarischen Vernunft Ein Menü der Sinne nach Kant 2009, 256 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1215-8

Eckard Rolf Der andere Austin Zur Rekonstruktion/Dekonstruktion performativer Äußerungen – von Searle über Derrida zu Cavell und darüber hinaus 2009, 258 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1163-2

Mirjam Schaub (Hg.) Grausamkeit und Metaphysik Figuren der Überschreitung in der abendländischen Kultur 2009, 420 Seiten, kart., 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1281-3

Tatjana Schönwälder-Kuntze Freiheit als Norm? Moderne Theoriebildung und der Effekt Kantischer Moralphilosophie April 2010, 314 Seiten, kart., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1366-7

Detlef Staude (Hg.) Methoden Philosophischer Praxis Ein Handbuch Oktober 2010, ca. 258 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1453-4

Nikolaus Urbanek Auf der Suche nach einer zeitgemäßen Musikästhetik Adornos »Philosophie der Musik« und die Beethoven-Fragmente Juni 2010, ca. 320 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1320-9

Morris Vollmann Freud gegen Kant? Moralkritik der Psychoanalyse und praktische Vernunft Mai 2010, 262 Seiten, kart., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1360-5

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