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German Pages 220 [224] Year 2011
Pragmatismus und Hermeneutik Beiträge zu Richard Rortys Kulturpolitik
Sonderheft 11 der Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Herausgegeben von m atth i as busch m e i e r und espen h a m m er
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
Bislang erschienen im Felix Meiner Verlag folgende Sonderhefte der »ZÄK«: 1· 2· 3· 4· 5· 6· 7· 8· 9· 10 ·
Ursula Franke (Hg.): Kants Schlüssel zur Kritik des Geschmacks ( Jg. 2000) Rudolf Behrens (Hg.): Ordnungen des Imaginären ( Jg. 2002) Ursula Franke / Josef Früchtl (Hg.): Kunst und Demokratie ( Jg. 2003) Gert Mattenklott (Hg.): Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste ( Jg. 2004) Ursula Franke / A. Gethmann-Siefert (Hg.): Kulturpolitik und Kunstgeschichte ( Jg. 2005) Georg Braungart / Bernhard Greiner (Hg.): Schillers Natur ( Jg. 2005) Wolfgang Krohn (Hg.): Ästhetik in der Wissenschaft J. Früchtl / M. Moog-Grünewald (Hg.): Ästhetik in metaphysikkritischen Zeiten Gerhard Gamm / Alfred Nordmann / Eva Schürmann (Hg.): Philosophie im Spiegel der Literatur Marion Lauschke: Ästhetik im Zeichen des Menschen
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Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft Sonderheft 11 · ISBN 978-3-7873-2166-7 · ISSN 1439-5886 Gedruckt mit Unterstützung des Zentrums für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld. © Felix Meiner Verlag 2011. Alle Rechte vorbehalten. Dies betriff t auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: work:at:book/Martin Eberhardt, Berlin. Druck und Bindung: Druckhaus »Thomas Müntzer«, Bad Langensalza. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSINorm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100% chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.
INHALT
Espen Hammer/Matthias Buschmeier: Einleitung ..........................................
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Tei l 1: Pr agm atismus und Her m en euti k Matthias Buschmeier: Was ist pragmatische Hermeneutik? Anmerkungen zum Lektüreverfahren Richard Rortys .....................................................
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Bjørn Torgrim Ramberg: Turning to Hermeneutics. On Pragmatism’s Struggle with Subjectivity .........................................................................
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Hans-Herbert Kögler: Interpretation als Prima Philosophia. Rorty und die normativen Wurzeln des Dialogs .......................................
60
Oliver Jahraus: Sinn und Spiegel. Zum Verhältnis von pragmatischer und fundamentaler Hermeneutik bei Rorty und Luhmann ......................
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Simon Stow: «To him other continents arrive as contributions». Richard Rorty, European Theory, and the Poetry of American Politics ...
108
Espen Hammer: Contingency, Disenchantment, and Nihilism. Rorty’s Vision of Culture ..........................................................................
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Tei l 2: Pr agm atismus und Liter atur Richard Eldridge: Do Poets (First and Foremost) Have Ideas? ......................
141
Friedmar Apel: Erfahrung und Ausdruck bei John Dewey. Zum Narrativ einer poetischen Kultur ......................................................
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Christian Kohlross: Jenseits von Philosophie und Philologie. Der Literarische Epistemologe Richard Rorty ..........................................
160
Ulf Schulenberg: Pragmatismus und Romantik. Zu Richard Rortys antifundamentalistischer Geschichte des Fortschritts .................................
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ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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Inhalt
Florian Klinger: «Playing the New off against the old». Umriss einer pragmatischen Poetik nach Rorty ........................................
197
Autoren .....................................................................................................
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Einleitung Espen Hammer/Matthias Buschmeier
Wohl nur wenige andere zeitgenössische Philosophen, vielleicht mit Ausnahme Jacques Derridas und Michel Foucaults, haben die Geistes- und Kulturwissenschaften mehr beeinflusst als Richard Rorty. Selbst kontrovers und oft kritisiert, aber nie ignoriert, formulierte Rorty seine Vision einer humanen Existenz und eines humanen Diskurses, der, obwohl er kaum auf aktuelle Trends Rücksicht nahm, uns noch eine lange Zeit begleiten wird. Rorty war ein Humanist – aber weder im traditionellen Sinne, sich selbst in einem gesetzten Kanon der großen Bücher zu verorten, noch im Cartesianischen Sinn, die menschliche Fähigkeit zur Selbstreflexion zu feiern, sondern im pragmatischen Sinn, den er von seinen Vorbildern William James und John Dewey übernommen hat. In dieser pragmatischen Vision sind wir Geschöpfe eines natürlichen Evolutionsprozesses, ohne jeden transzendenten Rückhalt, nicht ausgestattet mit der Fähigkeit, absolute Wahrheiten über die Welt zu erkennen, aber mit Sprache, also der Fähigkeit, den Dingen Bedeutung zu geben, sich zu unterhalten, sich neue Möglichkeiten auszudenken. Wie Hegel und Nietzsche erzählt auch Rortys Philosophie eine Geschichte der Befreiung von Fesseln, die uns in vielerlei Hinsicht abhängig machen und unvereinbar mit unserer menschlichen Würde sind. Einst war eine dieser Fesseln die Idee eines Gottes, später im Lichte auf klärerischer Religionskritik bestanden die Fesseln in unserer Konzeption der Welt als eine objektive, von unseren Beschreibungen und Praktiken unabhängige Entität, die, wenn wir die Dinge nur richtig machen, unsere Überzeugungen als wahr erweist. Rorty war der Überzeugung, dass wir uns von dieser Idee der Objektivität befreien sollten.1 Die Vorstellung einer objektiven Realität, die verbürgt, dass Überzeugungen sich entweder als falsch oder wahr herausstellen, sei inkohärent, ergebe schlicht keinen Sinn. Anstatt an ihr festzuhalten, sollten wir bestrebt sein, unsere Unterhaltungen nützlicher, sozialer, gerechter, interessanter und phantasievoller zu machen. Kurz gesagt: Wir sollten die Unwägbarkeiten menschlicher Kommunikation und Interaktion emphatisch begrüßen, statt sie austilgen zu wollen. Die Wissenschaften, und die Geisteswissenschaften insbesondere, sollten wir als Schauplatz verstehen, sich Wir folgen hier der exzellenten Charakterisierung von John McDowell: Towards Rehabilitating Objectivity, in: Rorty and His Critics, hg. von Robert B. Brandom, Oxford/Malden 2000, 109 f.: »What Rorty takes to parallel authoritarian religion is the very idea that in everyday and scientific investigation we submit to standards constituted by the things themselves, the reality that is supposed to be the topic of the investigation. Accepting that idea, Rorty suggests, is casting the world in the role of the non-human Other before which we are to humble ourselve Full human maturity would require us to acknowledge authority only if the acknowledgement does not involve abasing ourselves before something non-human. The only authority that meets this requirement is that of human consensus.« 1
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Espen Hammer/Matthias Buschmeier
mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass wir die Hoff nung aufgeben müssen, die Welt an sich erkennen zu können. In einem metaphysischen Sinne (wenn der Ausdruck erlaubt ist, sofern man über Rorty spricht) sind wir gänzlich allein gelassen in unserem entleerten Universum. Trotz der unweigerlichen Kälte dieses Bildes der modernen Welt, die Rorty freilich begrüßt, bleiben wir im Gespräch, und es ist dieses Gespräch sowie unsere Fähigkeit, Sprache zur Aufnahme sozialer Beziehungen zu verwenden, die für Rorty unsere humane Existenz in der vermeintlich kalten Welt zu verbürgen vermögen. Der vorliegende Band sucht Rortys Denken auf fundamentale Fragen der Geisteswissenschaften produktiv zu beziehen. Die Beiträger interessieren sich für Rortys eigenen Blick auf die ›Humanities‹, sie verorten Rorty in bestimmten Denktraditionen (Stow) und diskutieren seine pragmatische Version der Hermeneutik (Ramberg) oder etablieren neue Verbindungen, etwa zu Luhmann, die bisher kaum in den Blick genommen wurden ( Jahraus), und suchen so neue Perspektiven für das umstrittene Verhältnis der Philosophie zu anderen Geisteswissenschaften, insbesondere der Philologie, zu gewinnen (Buschmeier, Kohlross, Klinger). Sollte die Philosophie die ›Königin der Wissenschaften‹, wie Kant sie nannte, sein, diesen ihre Grenzen und die Bedingungen ihrer Möglichkeit aufzeigen, oder sollte sie, wie Rorty uns nahelegt, zufrieden damit sein, am ›Gespräch der Menschheit‹ teilzunehmen, oder ist es nicht gerade dieses Gespräch, das universelle Geltungsansprüche sichtbar macht, wie Habermas es vorschlägt (Kögler)? In der Tat stellt sich die Frage, was mit einer intellektuellen Kultur geschieht, wenn der alte philosophische Traum sicher fundierten Wissens ausgeträumt ist, weil er sich auf falsche Behauptungen gründete. Wird daraus erst eine Blüte humanistischer Intellektueller, wie Rorty sie wünscht, erwachsen und werden die Geisteswissenschaften von ihrer Wahrheitsobsession befreit? Oder ist es vielleicht so, dass unser Gespräch unabdingbar auf der Unterscheidung von Realität und Schein, Wahrheit und Lüge aufruht und Bedeutung erst durch das Festhalten an diesen Unterscheidungen erhält (Hammer)? Einige der Beiträger nehmen darüber hinaus Rortys spezifi sche Fassung des Pragmatismus in den Blick und fragen, welche Rolle Rortys beständiger Rekurs auf die Romantik hier spielt (Apel/Schulenberg). Denn im Anschluss an die deutsche Frühromantik formuliert Rorty eines seiner einflussreichsten Anliegen: die systematische Trennung von Philosophie und Literatur in Frage zu stellen und zu überwinden. Beide sind für ihn nur unterschiedliche Formen der Entdeckung, die im besten Fall zu produktiven Begegnungen mit sich selbst und anderen führen. Ob aber die Literatur die spezifi schen Antworten der Philosophie zu geben vermag und sie tatsächlich in der Lage wäre, an deren Stelle zu treten, ist eine weiterhin offene Frage (Eldridge/Ramberg). Während seine Kritik der Philosophie vor allem in der zweiten Hälfte seiner akademischen Karriere in den Vordergrund trat, stellt seine Auseinandersetzung mit den Geisteswissenschaften als Befragung ihrer anthropologischen wie ihrer historischen Voraussetzungen und Erscheinungen ein kontinuierliches Moment
Einleitung
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seines Denkens dar. Wir wollen daher als Einleitung zu diesem Band Rortys intellektuelle Entwicklung und seine Rezeption zumindest skizzenhaft darstellen. In seinem autobiographischen Essay Trotsky and the Wild Orchids aus dem Jahr 1992 erinnert er sich an seine Herkunft aus einem linken, sozialdemokratischen Umfeld in New York.2 Sein Vater, James Rorty, war Sozialist, Journalist und Dichter. Auch Seine Mutter, Winifred Rauschenbusch, war eine Intellektuelle. Seine frühen, intensiven Lektüren hätten ihn, so Rorty, obwohl soziale Gerechtigkeit ihm ein genuines Anliegen war, skeptisch gegenüber der Platonischen Suche nach dem Absoluten und Ewigen werden lassen, die einige seiner Lehrer aber als notwendig erachteten, um die Provokation des moralischen Skeptizismus abwehren und die Idee des Guten und Gerechten weiter behaupten zu können. Stationen seiner intellektuellen Prägung waren die University of Chicago und die Yale University, wo er Lehrern wie Rudolf Carnap, Charles Hartshorne, Richard McKeon und Paul Weiss, seinem Doktorvater, begegnete. Seine erste akademische Anstellung erhielt er am Wellesley College. Bereits 1961 wechselte er in die philosophische Abteilung der Princeton University, wo er bis 1982 blieb, bevor er zum Kenan Professor of the Humanities an der University of Virginia berufen wurde, eine Position, die ihn an keine Fachabteilung band und ihm alle Freiheiten ließ. Seine letzte akademische Station war das Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft in Stanford, wo er von 1998 bis zu seinem Tod im Jahr 2007 lehrte. Der Rorty, der uns als gefeierter oder beschimpfter Denker der Postmoderne, als Fürsprecher einer post-metaphysischen und letztlich post-philosophischen Kultur bekannt ist, trat erst reichlich spät in Erscheinung. Während seiner Zeit in Princeton, wo er sich auf Bewusstseins- und Sprachphilosophie spezialisierte, scheint er keineswegs in Opposition zur Disziplin gestanden zu haben, seine Arbeit war analytisch genau in dem Sinne, wie es sich für akademische Philosophen in Amerika seit den 1960er Jahren gehörte. Neben anderen Dingen beteiligte Rorty sich an den Debatten um die Natur des Bewusstseins, in denen er sich als Materialist bekannte, und an Auseinandersetzungen über den Geltungsbereich transzendentaler Argumente. Er war wesentlich am ›Linguistic turn‹ beteiligt (und brachte sogar ein Buch unter diesem Titel heraus), da er der Überzeugung war, dass die Schlüsselprobleme der Philosophie sich durch linguistische Analyse und Klärung auflösen ließen.3 Erst die Veröffentlichung von Philosophy and the Mirror of Nature (dt. Der Spiegel der Natur) im Jahr 1979, worin er seine einflussreiche Kritik der Philosophie erstmals vortrug, machte ihn zu einer Berühmtheit des intellektuellen Kulturbetriebs. Rückblickend könnte man Philosophy and the Mirror of Nature als ein Übergangswerk sehen. In einer reichlich technischen Weise werden hier einige zentrale 2 Richard Rorty: Trotsky and the Wild Orchids, in: Wild Orchids and Trotsky. Messages from American Universities, hg. von Mark Edmundson, New York 1993, 3–20, dt., Richard Rorty: Wilde Orchideen und Trotzki, in: ders.: Philosophie & die Zukunft. Essays, Frankfurt/M. 2000, 137–160. 3 The Linguistic Turn. Recent Essays in Philosophical Method, hg. von Richard Rorty, Chicago 1958.
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Espen Hammer/Matthias Buschmeier
Probleme der Bewusstseinsphilosophie diskutiert, etwa der epistemologische Status von Gehirnzuständen und die behauptete Unbestreitbarkeit ihrer sogenannten Qualia. Die zentrale Frage aber, die im Verlauf des Buches immer deutlicher hervortritt, ist die der Repräsentation. Rorty beschuldigt die moderne Philosophie seit Descartes und Kant, unzulässiger Weise die Epistemologie gegenüber einer älteren Tradition des Selbstverstehens und der Erbauung privilegiert zu haben. Die postcartesianische Philosophie, so Rorty, solle als ein Zwischenspiel betrachtet werden: Sie stelle kein intrinsisches Argument bereit, um sich als einzig richtige Weise des Philosophierens zu legitimieren. Genauer, Rorty problematisiert die realistische Auff assung vom Bewusstsein als korrekter Repräsentation einer bewusstseinsunabhängigen Realität. Diese Auffassung, die Bilder des Bewusstseins als Spiegel der Natur zu verstehen, war, so Rorty, seit Descartes die Leitmetapher einer auf Epistemologie fokussierten Philosophie. In präziser Detailliertheit demonstriert Rorty, warum eine solche Vorstellung der Bewusstsein-Welt-Relation fehlgeht. Wir haben keinen direkten Zugang zur Welt an sich, sondern greifen nur mediatisiert durch Sprache und menschliche Bedeutungszuschreibungen auf sie zu. Als Pragmatisten sollten wir aber über ›Wissen‹ in Formulierungen reden wie ›Was ist gut für uns zu glauben?‹, ›Was befähigt uns, anstehende Probleme zu lösen?‹ und, vor allem, ›Was werden die Gesprächspartner auf dem Hintergrund ihrer bestehenden Überzeugungen als vernünftig akzeptieren?‹. Wenn wir Dewey zu folgen gewillt sind, dann sollten wir Wahrheit nicht »zu mehr als dem Umstand, daß unsere Mitmenschen eine Aussage, ceteris paribus, gelten lassen«, machen.4 Es geht nicht darum, die Wörter ›Wahrheit‹ und ›wahr‹ nicht mehr länger zu verwenden. Insbesondere auf der Ebene wissenschaftlicher Methode führt der Wahrheitsbegriff, wie Rorty ihn hier vorschlägt, ja keineswegs zu Beliebigkeit. Als ›wahr‹ kann der Wissenschaftsgemeinschaft nur gelten, was bestimmten Anfordernissen der jeweiligen Disziplin genügt. Aussagen, die diese Ansprüche nicht erfüllen, werden schlicht nicht gelten gelassen, sie sind in Rortys Sinne ›nicht-wahr‹, ohne dass damit eine Behauptung über ihren ontologischen Status ausgesprochen würde. Vielmehr, als eine wissenschaftliche Praxis der Wahrheitserörterung anzugreifen, möchte Rorty uns überzeugen, dass es keine abschließende philosophische Einsicht gibt, wie Repräsentationen und Realität miteinander in Verbindung stehen. Wenn wir sagen, etwas ist wahr, dann erkennen wir etwas als berechtigt an. Wir glauben, dass es sinnvoll ist, von einem Umstand als wahr zu reden, und dass es gute Gründe gibt, eine solche Redeweise zu akzeptieren – Gründe, von denen wir annehmen, dass die Gemeinschaft der Untersuchenden sie ebenfalls überzeugend fi nden werden.
4 Richard Rorty: Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie, Frankfurt/M. 1981, 197. Auf derselben Seite nennt Rorty diese Haltung »erkenntnistheoretischen Behaviorismus« und schlägt vor, »die Philosophie werde über Erkenntnis und Wahrheit nicht mehr zu sagen haben als der Common Sense (ergänzt durch Biologie, Geschichtswissenschaft etc.)«.
Einleitung
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Zentral für Rortys Ansatz ist eine bestimmte Form von holistischer Betrachtung, in der Überzeugungen nie isoliert von anderen Überzeugungen behandelt werden können. Im Anschluss an Quine, aber ebenso an Kuhn, den späten Wittgenstein sowie Davidson sieht Rorty jenen ›foundationalism‹, der Erkenntnis in unbestreitbaren isolierten Überzeugungen zu fundieren sucht, von denen andere Überzeugungen nun richtig abgeleitet werden können, auf dem Holzweg. Keine Überzeugung kann für sich gerechtfertigt sein, außer durch andere Überzeugungen. Hinter unseren Urteilen zeigt sich als ihre notwendige Voraussetzung die Lebensform, der wir angehören, ihre Sprachspiele und kulturellen Praktiken, die Bedeutungshorizonte, zwischen denen wir uns bewegen und die die Implikationen jeder einzelnen Wahrnehmung beeinflussen. Rorty war nie besonders von dem oft vorgetragenen Einwand beeindruckt, seine Position sei relativistisch und ende darum letztlich im Skeptizismus. Die übliche Formulierung dieses Einwandes lautet folgendermaßen: Wenn Praktiken der Rechtfertigung abhängig sein sollen von gegebenen Hintergründen und vorgeprägten Grundannahmen und wenn diese lediglich darauf ausgehen zu reflektieren, wie ›die Dinge gewöhnlich tun, was sie tun‹, dann wird das Wissen arbiträr, weil wir keinen Zugriff mehr auf die Realität haben. Alles, was uns dann zu tun bleibt, ist das Herumspielen mit unseren eigenen Symbolen, sie so zu verändern, dass sie mit den Anforderungen unserer Gemeinschaften (nicht aber mit der Realität) übereinstimmen. Dem hält Rorty entgegen, eine solche Beschreibung des Relativismus verbleibe immer noch im Rahmen des epistemologischen Bildes. Sie halte weiterhin an der Auffassung fest, dass wir nach adäquaten Repräsentationen streben sollten, in jenem metaphysischen Sinn, dass irgendwo ›dort draußen‹ eine unabhängige Realität zu fi nden sei, der wir unsere Überzeugungen nur anzupassen hätten. Aber auch der Relativist kehre lediglich die Spiegelbeziehung nur um, wenn er behaupte, wir projizierten unsere Form der Repräsentation lediglich auf die Welt, die dann von einem metaphysischen Standpunkt aus als bloße Illusion erscheine. Wenn diese Vorstellung einmal ausgetrieben sei, dann, glaubt Rorty, realisierten wir, dass der Relativismus keine Option ist und dass unsere individuellen Überzeugungen völlig hinreichende Wahrheitsträger im gewöhnlichen Sinne des Wortes sein können. Wir können falsch liegen, wenn wir die Dinge nicht richtig angehen, sie nicht adäquat beschreiben, ungenau erklären oder sie falsch klassifi zieren. Nur öff net sich kein fataler Riss zwischen dem, was wir sagen, und einer Welt, die nach philosophischer Erleuchtung schreit. Eine fehlgeleitete akademische Philosophie arbeite daran, uns einzureden, es gäbe einen tieferen metaphysischen Weg, auf dem unsere Überzeugungen zur Welt gelangten. Diese Arbeit, so Rorty, gehöre ein für allemal eingestellt. Die allgemeine These aus Philosophy and the Mirror of Nature kann in verschiedener Hinsicht interpretiert werden. Eine Lesart dessen, was Rorty mit diesem wichtigen Buch bezweckte, ist die grundlegende Revision der Philosophie – dass wir die Epistemologie als Königin der Wissenschaften hinter uns lassen und uns der Hermeneutik oder dem Gespräch zuwenden sollten: eine Philosophie ohne Spiegel.
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Espen Hammer/Matthias Buschmeier
Eine andere, stärkere Lesart sieht Philosophy and the Mirror of Nature in der Tradition Heideggers, der von der ›Philosophie‹ zum ›Denken‹ wollte, die Philosophie also nicht reformiert, sondern durch etwas anderes ersetzt sehen wollte, eine Praxis, die besser mit Rortys ›anti-foundationalism‹ zusammenpasse. Die vielleicht interessanteste Interpretation der Absichten Rortys ist, dass er nicht nur einen Streit mit der Philosophie (und insbesondere der analytischen Philosophie, die er selbst jahrelang betrieben hat) führte, sondern die Kultur insgesamt von der Epistemologie befreien, sie von der philosophischen Obsession der Wahrheit, Korrespondenz, Repräsentation und mehr dieser unheilvollen Dinge heilen wollte (gelegentlich nennt Rorty sein Vorgehen ›therapeutisch‹) und so, in der Tat, die Bedingungen für eine post-metaphysische und post-philosophische Kultur zu schaffen gedachte. In einer solchen Kultur wird die Philosophie auf Lektüren zurückgeführt, so dass »jemandes Selbstverständnis als Philosoph gänzlich davon abhängig sein wird, welche Bücher er liest und diskutiert, statt welche Probleme er zu lösen wünscht«.5 Bei dieser letzten Lesart allerdings wird man Rorty unterstellen, er räume der Philosophie nicht einen besonderen, sondern einen geradezu überwältigenden Einfluss auf die Kultur ein. Ist es aber wirklich der Fall, wie Rorty es in folgenden Werken immer wieder betont, dass die Philosophie eine solch außerordentliche Wirkung außerhalb ihrer akademischen Grenzen entfaltet hat? Und wenn es so wäre, war es wirklich das fundamentalistische Programm, das wir mit Namen wie Descartes, Locke oder Kant verbinden, das diesen Einfluss bewirkte? Man ist geneigt zu erwidern, dass die kulturell einflussreichste Philosophie der Moderne anti-fundamentalistisch war und dass jene bildende Philosophie, von der Rorty spricht, keineswegs neu ist, sondern seit Montaigne, Diderot, Rousseau, Herder und Nietzsche integraler Teil unseres kulturellen Selbstverständnisses ist. Wenn dies aber zutriff t, dann scheint Rortys Projekt einer befreiten Kultur längst begonnen zu haben, nur dass wir diesen Prozess bisher nicht recht erkannt oder verstanden haben. Was er will, ist, sich dieses Prozesses wieder zu vergewissern, ihn in unser Bewusstsein zu rufen, nicht bloß zu rebellieren, zurückzuweisen und eine ganz neue Konzeption der kulturellen Produktion begründen zu wollen. In diesem Sinn zeigt sein Projekt konservative Züge, die Kontinuitäten eher stärken denn dekonstruieren wollen – mit dem Unterschied, dass Rorty, anders als Gadamer etwa, weder an die Autorität des Historischen noch an kulturelle Kontinuitäten glaubt, die durch die schiere Überlieferung von Texten generiert werden sollen. Sein Blick auf die Geschichte offenbart Diskontinuitäten wie Kontinuitäten gleichermaßen. Gerade weil die menschliche Fähigkeit zur Imagination und Erfi ndung stets neue Bedeutungen erzeugt, glaubt er, dass die Produkte des Genies in einer chaotischen Bewegung, der jedes immanente Telos fehlt, immer wieder verworfen und ersetzt werden. Im Anschluss an Philosophy and the Mirror of Nature verfolgte Rorty in seinen Schriften unterschiedliche Aspekte. Weiterhin publizierte er seine Ansichten zu 5
Ebd., 426.
Einleitung
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bestimmten philosophischen Problemen (natürlich hat er das philosophische Geschäft nie ganz aufgeben wollen), aber er begann auch verstärkt über Literatur und vor allem Politik nachzudenken und zu schreiben. In Contingency, Irony, and Solidarity (dt. Kontingenz, Ironie und Solidarität) aus dem Jahr 1989 präsentiert er sich eher als ein öffentlicher und kulturell interessierter Intellektueller denn als ein akademischer Philosoph im engeren Sinne. Eine wichtige Aussage dieses Buches, die in Philosophy and the Mirror of Nature nicht so stark betont wird, ist, dass Philosophen die Bedeutung von Kontingenz stets unterschätzten, wenn sie über Dinge wie Sprache, Individualität und Gemeinschaft sprachen. Anders als die Philosophen glaubten, lassen sich für diese Begriffe keine essentiellen Wesenheiten postulieren – weder notwendige noch hinreichende Bedingungen angeben, unter denen sie sind, was sie sind. Vielmehr sind die Art und Weise unseres Redens, unserer Selbstbetrachtung und unsere sozialen Organisationsformen historisch kontingent; sie haben die Form, die sie haben, aufgrund einer Unzahl von Umständen, die von niemandem kontrolliert und die von keiner operativen Teleologie gesteuert worden sind. Neben dieses wichtige Argument tritt in dem Buch Rortys Emphase der Macht der Phantasie. Da ein Wesenskern menschlicher Existenz schlechterdings nicht ausgemacht werden kann, sind wir stets frei, andere Möglichkeiten zu imaginieren, alternative Interpretationen zu versuchen. Man mag diese Auffassung als romantisch bezeichnen, obwohl Rorty sich gleichermaßen auf Nietzsche wie auf Coleridge und Novalis bezieht.6 Der menschliche Geist ist weit produktiver im Entwerfen neuer Metaphern als in seiner Fähigkeit Wahrheit aufzufi nden. Die Phantasie sollte daher für unser menschliches Selbstverständnis weit wichtiger sein als die Vernunft, die Rorty versucht von essentialistischen Standpunkten, die von den Kathedern der akademischen Philosophie verkündet werden, freizuhalten. Rortys Romantiker ist dabei ein Ironiker. Die Zurückweisung von Wahrheit (d. h. einer metaphysischen, korrespondenztheoretischen Wahrheitskonzeption) auf der einen Seite führt zur Aufwertung der Erfi ndung, der Konstruktion, der Phantasie und Selbsterschaff ung auf der anderen Seite. All dies, scheint Rorty zu glauben, kann Nancy Frazer sieht darin nur eine »somewhat cartoonish characterization of the Romantic impulse«. Sie unterscheidet zwei Positionen, wie man Romantik und Pragmatik zueinander in Beziehung setzen könnte. Die eine Fraktion sieht Romantik und Pragmatismus als »natural partners. Here the ›strong poet‹ and the ›utopian reform politician‹ are simply two slightly different variants of the same species«. Die andere Fraktion, der Friedmar Apels Beitrag hier im Band nahe zu stehen scheint, behauptet hingegen »Romanticism and pragmatism are antithetical to one another, that one has to choose between sublime ›cruelty‹ of the strong poet and the beautiful ›kindness‹ of the political reformer. This view emphasizes the ›dark side‹ of Romanticism, its tendency to aestheticize politics and, so, to turn anti-democratic.« Rorty hingegen versuche, beide Positionen gleichzeitig einzunehmen, in dem er beiden eine je eigene Sphäre zuweise, hier das Private, dort die Öffentlichkeit. Fraser sieht darin keine dauerhafte Lösung: »Yet compromises based on partition are notoriously unstable.« Vgl. Nancy Fraser: Solidarity or Singularity? Richard Rorty between Romanticism and Technocracy, in: Reading Rorty. Critical responses to ›Philosophy and the Mirror of Nature‹ (and beyond), hg. von Alan Malachowski, Oxford 1990, 302–321, hier: 302–305. 6
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erfüllend und befreiend sein, und wir sollten unseren kreativen Fähigkeiten als Menschen huldigen. Viele der modernen Denker, eingeschlossen Hegel, Nietzsche, Heidegger, Foucault und Derrida waren für Rorty Ironiker in genau diesem Sinn: Leute, die zugunsten des Spiels und sprachlicher Neuschöpfungen den Verlockungen abschließender Vokabulare entsagten. Der Ironiker bevorzugt, Geschichten zu erzählen, zu lesen und ins Gespräch zu treten – meist auf eine neue, irritierende Weise. Kurz gesagt: Ironiker sind eher literarisch als philosophisch interessiert. Sie glauben, dass Wörter wie ›Wahrheit‹, ›Realität‹ und selbst ›Rechtfertigung‹ Gespräche eher ab- und unterbrechen als stimulieren, daher sollten wir sie meiden. In Rortys Beschreibung ist der Ironiker, obwohl er Gedanken anregen kann, vor allem an sich selbst interessiert, oder allenfalls an dem intimen Kommunikationszirkel, dem er angehört. Seine Haltung ist daher nie wirklich sozial oder politisch. Der Ironiker ist zunächst einmal asozial eingestellt. Der Ironiker ist für Rorty »von unschätzbarem Wert für unsere Versuche, uns ein privates Selbstbild zu machen, aber reichlich nutzlos, wenn es um Politik geht.«7 Er vertritt die liberalistische These, dass scharf zwischen der Idee privater Selbsterschaff ung auf der einen Seite und dem öffentlichen Bemühen, unsere Institutionen möglichst gerecht zu machen, auf der anderen Seite unterschieden werden müsse. Autoren wie Marx, Mill, Dewey, Habermas und Rawls stehen für ausgezeichnete Versuche in diesem politisch-öffentlichen Bereich. Anders als Ironiker und Selbstkreationisten versuchen diese so ernsthaft und aufrichtig wie möglich bestehende Institutionen zu reformieren oder, wenn nötig, neue zu entwerfen, so dass wir der Vision einer gerechten Gesellschaft näher kommen können. Das Ziel solcher Bemühungen wird mit Blick auf die Verpfl ichtung gegenüber anderen Menschen formuliert und besteht im Wunsch, Grausamkeiten zu verhindern, die Rorty für das Schlimmste hält, was Menschen einander antun können. Wenn sich die liberalen Ironiker in diese öffentliche Sphäre einmischen, dann werden sie kaum etwas Produktives beizutragen haben, eher würden einige Ironiker mit ihrem Hang zur Selbstverwirklichung destruktiv auf diese Sphäre wirken. Ja, das Entwerfen von Neubeschreibungen ist selbst ein prinzipiell grausamer Akt, denn »die meisten Menschen wollen nicht neubeschrieben werden. Sie wollen so genommen werden, wie sie sich selbst verstehen – ernstgenommen werden, so wie sie sind und so wie sie sprechen«.8 Andersherum aber hat der öffentliche Intellektuelle nicht viel beizutragen, wenn es um private Selbstbeschreibung geht. Beide Modelle sollten also voneinander getrennt bleiben, und – was wichtiger ist – die Kultur und die zwei Formen des beschriebenen Diskurses sollten entlang der liberalen Trennlinie von öffentlichen und privaten Interessen beschrieben werden. Im Hintergrund dieser Unterscheidung steht bei Rorty die pragmatische Überzeugung, dass Solidarität Wahrheit als zentrale Hoff nung der modernen Kultur ersetzen sollte. Wenn auch der liberale Ironiker uns für die Folgen von Grausamkeit zu sensibilisieren vermag, so bleibt 7 8
Richard Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt/M. 1992, 142. Ebd., 153.
Einleitung
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doch die öffentliche Sphäre letztlich dafür verantwortlich, Solidarität wertzuschätzen und umzusetzen. Für Rorty ist seine Konzeption der Solidarität, auf die wir unsere Hoff nungen richten sollen, keine, die ›Humanität an sich‹ oder andere verwandte, abstrakte Formulierungen, z. B. ›die Würde aller rationalen Lebewesen‹ anstreben sollte. Eher sollte sie sich auf die gemeinsamen Interessen der Gemeinschaft, der wir angehören wollen, richten. Obwohl Rorty durchaus ein starker Befürworter einer gut funktionierenden, liberalen Ordnung ist, die demokratische Institutionen und ein gerechtes Rechtssystem garantiert, ist er auch der Meinung, eine Gesellschaft ohne emphatische Projekte tendiere zu sozialer Kälte und politischer Regression. Nochmal, was diese Anerkennung einer allgemeinen Humanität begründet, ist nicht so sehr die philosophische Einsicht in die menschliche Natur, sondern unsere bloße Empathie mit unseren Mitmenschen. Wir sollten anderen die Hand reichen und Wege fi nden, wie wir unsere Vorstellung einer allgemeinen Würde ausdrücken und verwirklichen können, ohne den Anspruch ihrer ›Wahrheit‹ zu erheben. Eher als die Analyse oder eine hochgestochene Theorie von Gerechtigkeit zu formulieren (wenngleich wir dies im privaten Bereich als Ironiker durchaus tun können), sollten Intellektuelle konkrete Vorschläge einbringen, wie Menschen aus Unterdrückung befreit werden können, wie das Leben weniger unglücklich zu gestalten ist und wie Institutionen gebaut sein müssen, um gerechter zu sein. Rortys Kritik des Objektivismus und sein anti-essentialistisches Credo, das Gespräch auf neue und kreative Weise am Laufen zu halten, sei wichtiger, als dass Wahrheit daraus resultiere, scheinen seine Beiträge in die Nähe von anderen Ansätzen in den 1980er und 1990er Jahren zu rücken, die landläufig als »postmodern« bezeichnet werden. In der Tat wurde Rorty oft als postmoderner Denker gesehen, manchmal in verunglimpfender Absicht, an einer Stelle bezichtigt er sich selbst, ein Befürworter eines »postmodern bourgeois liberalism« 9 zu sein. Man könnte also denken, dass Rortys Philosophie, die keine sein wollte, leicht in das theoretische Feld der Geisteswissenschaften dieser Zeit einzuordnen wäre, insbesondere in den USA, wo ›Anti-Essentialismus‹ die Losung des Tages der vielen, einflussreichen Foucaultianer, Dekonstruktivisten und Diskursanalytiker verschiedener Couleur war. Tatsache aber ist, dass Rorty, der von eher traditionellen Philosophen, die an einer robusten Konzeption von Wahrheit und Rechtfertigung festhielten, immer kritisiert wurde, auch unter jenen wenig Fürsprache erfuhr, die sich für die Speerspitze geisteswissenschaftlicher Theoriebildung hielten. Einer der Gründe dafür war, dass Rorty die politischen und metaphysischen Bestrebungen von Leuten wie Derrida, Adorno und Foucault selbst nie ernstnehmen konnte. Er betrachtete sie als spielverliebte und ironische Meister privater Selbsterschaff ung, aber eben nie als Kritiker oder politisch engagierte Intellektuelle der westlichen Kultur und Gesellschaften. Ein weiterer Grund für die skeptische Rezeption Rortys in dieser Zeit Richard Rorty: Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers, Vol. I, Cambridge/ New York 1991, 197–202. 9
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war sein Vorwurf, dass die Geisteswissenschaften, ob ihrer melancholischen Weltmüdigkeit, sich mehr und mehr in einen Elfenbeinturm abgehobener Theorie (am nachdrücklichsten unter der Adresse ›Dekonstruktion‹) zurückgezogen und ihre soziale Verantwortung über die Balustrade ihres Turmes geworfen hätten. Während einige der Beschuldigten in Rorty einen Anti-Intellektuellen sahen, der sich den Möglichkeiten einer radikalen philosophischen Subjektanalyse und Gesellschaftskritik verweigere, diagnostizierte Rorty bei ihnen eine ausgeprägte utopische Dummheit, eine Unfähigkeit der Einsicht, dass wir keine völlige Umkehrung der Dinge brauchen, sondern einfach nur einen gerechten und stabilen, kapitalistischen Wohlfahrtsstaat, in dem sich der Respekt des Individuums und die Ansprüche der Gesellschaft ausbalancieren. Es war zur Verbesserung des Verhältnisses nicht gerade förderlich, als Rorty in den frühen 1990er Jahren sich affirmativ als amerikanischen Patrioten bezeichnete und eine nationalistische Lobrede auf die außergewöhnlichen amerikanischen Tugenden anstimmte, die er in der ›fortschrittlichen‹ Verfassung der USA, dem New Deal, der Auf hebung der Rassentrennung an Schulen durch den Obersten Gerichtshof (Brown v. Board of Education), der feministischen Bewegung und dergleichen ausmachte. Es war nicht so, dass niemand in den Geisteswissenschaften nicht auch mit diesen Maßnahmen sympathisiert hätte, anstößig erschien aber, dass Rorty sie für eine Eloge der USA, ihrer nationalen Identität und letztlich für seinen Nationalstolz zu instrumentalisieren versuchte.10 Er schreibt: »An unpatriotic left has never achieved anything. A left that refuses to take pride in its country will have no impact on that country’s politics, and will eventually become an object of contempt.«11 Rorty argumentiert weiter, dass die kulturalistische Linke (sein Synonym für verschiedene Vertreter der Elfenbeinturmtheoretiker) ein derartiges Kritikniveau erreicht habe, dass sie notwendigerweise den Glauben an die Möglichkeit einer konkreten Veränderung der Gesellschaft aufgegeben habe. Ihre Vertreter seien zu kulturellen und politischen Zynikern geworden. Im Gegensatz zu ihnen sei die ›fortschrittliche Linke‹ mit Figuren wie Dewey, Whitman und Baldwin immer dem realen sozialen Wandel verpfl ichtet gewesen, und in diese Reihe möchte Rorty sich auch gestellt sehen. Er war ein überzeugter Anhänger eines redistributiven, aber liberalen, sozialdemokratischen Politikentwurfs, der beklagte, dass ein solcher Entwurf in den Vereinigten Staaten nie ausprobiert worden sei. In den letzten Jahren seines Lebens, während der Regierungszeit George W. Bushs, wurde Rorty mit Blick auf die politischen Entwicklungen in den USA immer skeptischer. Mit der sich immer weiter öff nenden Kluft zwischen Arm und Reich sah er die Handlungen der Bush-Administration im ›Krieg gegen den Terror‹, in dem bestimmte Machtzentren gestärkt wurden, als Bedrohung der zentralen 10 Vgl. Richard Rorty: Achieving Our Country. Leftist Thought in Twentieth-Century America, Boston 1999, dt., ders.: Stolz auf unser Land. Die amerikanische Linke und der Patriotismus, Frankfurt/M. 1999. 11 Richard Rorty: Philosophy and Social Hope, London 1999, 254.
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demokratischen Institutionen, der Unabhängigkeit der Justiz sowie als Infragestellung des liberalen Prinzips der Gleichheit vor dem Gesetz in einem unmittelbaren Zusammenhang. In einem Vortrag, den er 2004 in Potsdam hielt, ging er soweit, die USA vor dem Rückfall in einen verderblichen Neofeudalismus zu warnen, in dem es keine Transparenz und Verantwortbarkeit des politischen Entscheidungsprozesses mehr gäbe, das Militär absoluten nationalen Vorrang genösse und öffentliche Ämter und Stellen nicht mehr auf der Grundlage von Fähigkeiten, sondern aufgrund guter Beziehungen und Loyalitätsbekundungen zu den mächtigsten Kräften im Land vergeben würden. Es scheint, als ob diese Entwicklung, die soziale Hoff nung, von der er mit so viel Emphase in den 1990er Jahren gesprochen und der Linken zum Vorwurf gemacht hatte, sie aufgegeben zu haben, es scheint, als ob diese Hoff nung nun bei ihm selbst zu schwinden begann; eine pessimistische Seite des notorischen Optimisten Rorty wurde sichtbar.12 Obwohl stark der akademischen Tradition verhaftet, wollte der späte Rorty zu allererst als öffentlicher Intellektueller in der Tradition Deweys wahrgenommen werden. Er war der Auff assung, dass die praktizierenden Philosophen und die meisten anderen Geisteswissenschaftler an Universitäten ihrer Verantwortung als Intellektuelle nicht gerecht werden. »Die Vorstellung, Literaturwissenschaft oder Philosophie sollten zur Expertenkultur werden, ist das Ergebnis bedauerlicher Bestrebungen, diese Bereiche der Kultur in ein Universitätssystem zu pressen, das auf die Bedürfnisse von Juristen, Medizinern und Naturwissenschaftlern zugeschnitten ist.«13 Obwohl er die analytische Philosophie keineswegs gänzlich verabschiedet sehen wollte, plädierte Rorty für eine ›Philosophie des Gesprächs‹ – eine intellektuelle Haltung, die auf Erfi ndung, Kommentar und soziale Kritik zielte und weniger auf die linguistische Analyse und einen epistemologischen Fundamentalismus. Viel wertvoller, so glaubte er, ist die Fähigkeit, die er bei Denkern wie Wittgenstein, Freud und Kuhn erkannte, neue Vokabulare zu entwerfen. Jedoch blieb seine humanistische Vision, die er bis zum Schluss nicht aufzugeben gewillt war und für die er selbst ein prägnantes Beispiel abgab, immer an die des öffentlichen Intellektuellen gebunden, der in der Lage ist, die Trennlinie zwischen der Universität und der Zivilgesellschaft zu überschreiten.
12 Rorty schloss seine im März 2004 gehaltene Potsdamer Rede mit den folgenden, beunruhigenden und bedrohlichen Worten: »In Europe and in North America elites have come to believe that they cannot carry out their mission of providing national security if their deliberations are carried out in public, and 9/11 only strengthened this conviction. Further attacks are likely to persuade those elites that they must destroy democracy in order to save it. Historians may someday have to explain why the West’s golden age lasted only 200 year. The saddest pages in their books will be those in which they describe how the citizens of the democracies, by their craven acquiescence in governmental secrecy, helped bring about the disaster.« Eine Videoaufzeichnung des Vortrags fi ndet sich unter http://www.youtube.com/watch?v=LN0ewYAO7Uwl. 13 Richard Rorty: Philosophie als Kulturpolitik, Frankfurt/M. 2008, 220.
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Wie bereits angedeutet, wurden Rortys Arbeiten ganz unterschiedlich rezipiert. Die professionelle analytische Philosophie in den USA hat ihn und seine Kritik eine Zeit lang sehr ernstgenommen. Philosophy and the Mirror of Nature gilt heute als ein Klassiker der modernen amerikanischen Philosophie. Doch seine Streifzüge in die kontinentale Philosophie und seine hartnäckige Kritik an Erkenntnisidealen wie Wahrheit und Objektivität ließen vermehrt Skepsis bis hin zum offenen Hohn auf kommen. Rorty stand vielen der praktizierenden analytischen Philosophen für die Korrumpierung einer traditionsreichen Philosophiekonzeption, die die Philosophen als Wächter der Vernunft verstand. Rortys ambivalente Selbstpositionierung zur akademischen Philosophie hat nicht gerade zur Verbesserung des Verhältnisses beigetragen. Obwohl zentrale Denker wie Hilary Putnam und Donald Davidson seine Beiträge bis zum Ende ganz klar substantiell geschätzt haben, wurden sie von anderen oft rundweg abgelehnt. Dies mag ein Grund dafür sein, dass Rorty sich in den letzten zwei Dekaden seines Lebens verstärkt anderen Geisteswissenschaften, insbesondere der Literatur-, Politik- und Religionswissenschaft zuwandte, wo er in der Tat ein aufnahmebereites Publikum vorfand. In Europa erlangte er zweifelhafte Berühmtheit als ein Denker der, wie es Lyotard genannt hat, ›postmodernen Bedingung‹.14 Entgegen Habermas’ zögerlicher Haltung gegenüber der Postmoderne begrüßte Rorty JeanFrançois Lyotards Beschreibung der Gegenwart als Zeitalter der auslaufenden Meta-Erzählungen. Aber während Lyotard damit das Ende der großen modernen Ideologien eingeläutet sah (der Auf klärung, des Marxismus und des Liberalismus), wollte Rorty darunter lediglich den Rückzug einer auf die Epistemologie fokussierten Philosophie und die Anerkennung von Kontingenz und Anti-Essentialismus verstanden wissen. Während Lyotard mit den großen Meta-Erzählungen auch die Figur des Intellektuellen als archimedischen Punkt dieser Erzählungen ins Grab senken wollte,15 führt Rortys Skepsis gegenüber jeder systematischen Metaphysik, wie gesehen, zu einem emphatischen Konzept des öffentlichen Intellektuellen. Dies macht einmal mehr deutlich, dass ›Postmoderne‹ vor allem ein Kampf begriff ist, weniger ein einheitliches Theoriefeld. In späteren Arbeiten verzichtete Rorty bewusst auf den Begriff, den er nun als zu unscharf und unpräzise auch zur Bezeichnung seiner eigenen Position ablehnte.16 Vor allem in Deutschland ist Rorty für sein Plädoyer für die Intellektuellen wertgeschätzt worden. Er war zu Zeiten tiefer Enttäuschung über die amerikanische Politik vor allem dem deutschen Feuilleton »der gute Amerikaner«, wie die ZEIT den Nachruf auf ihn betitelte.17 Überhaupt scheint Rorty primär ein Liebling des deutschen Feuilletons gewesen zu sein. Die wissenschaftliche Rezeption, beEtwa in Wolfgang Welsch: Unsere postmoderne Moderne, Berlin 2002. Vgl. Jean-François Lyotard: Grabmal des Intellektuellen, Graz/Wien 1985. 16 Dazu vgl. Rortys Bemerkung in Take Care of Freedom and Truth Will Take Care of Itself. Interviews with Richard Rorty, hg. von Eduardo Mendieta, Stanford 2006, 95. 17 Thomas Assheuer: Der gute Amerikaner. Zum Tode des großen Philosophen Richard Rorty, in: DIE ZEIT, 14.6.2007, Nr. 25, 53. 14
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sonders in literaturwissenschaftlicher Hinsicht, fällt äußerst sparsam aus.18 Die Auseinandersetzungen mit seinem Freund Jürgen Habermas auf Seiten der kritischen Theorie sowie seine Ablehnung der idealistischen und damit vor allem deutschen Philosophietradition sind sicherlich Gründe dafür, dass Rorty zwar diskutiert, aber selten akzeptiert wurde. Einen anderen, ungleich ergiebigeren Zugang zu Rortys Werk stellt indes die Hermeneutik dar, wie Rorty sie in Rückgriff auf und in Alteration von Gadamer bereits in Philosophy and the Mirror of Nature entwirft. Sie fungiert bei Rorty schon früh »as an antidote to epistemology«.19 So konnte die Hermeneutik auch die Eingangstür für den italienischen Denker Gianni Vattimo sein, mit dem Rorty für eine lange Zeit zusammenarbeitete. Vattimo und Rorty war die Begeisterung für Interpretationen gemein. Wo die Kultur kein Letztfundament fi ndet, da erscheint die Vorstellung von Kultur als Spiegelbild einer irgendwie unabhängigen Realität als bloßes Zerrbild. Stattdessen schlagen beide einen Kulturbegriff vor, der Kultur aus den unterschiedlichsten Interpretationen, die sich in unseren Gesprächen entwickeln, emergieren sieht. Was zählt, sind die Begeisterung, das Interesse und die Zustimmung, die diese Interpretationen hervorrufen, und weniger, ob diese Interpretation mit einer tieferen, postulierten, aber stets verborgenen Realität übereinstimmen. In seiner Zusammenarbeit mit Vattimo entdeckt Rorty die Religion als ein Gesprächsthema.20 In erstaunlich großer Übereinstimmung mit den jüngsten Arbeiten von Habermas kann Rorty den liberalen religiösen Diskurs, wenn er nicht zum fundamentalistischen Instrument verhinderter Kommunikation wird, durchaus als wertvollen Modus eines bereichernden und phantasievolleren Bildes unserer Selbst und unserer Beziehung zum Universum anerkennen. Rorty erkennt dabei sowohl im Atheismus als auch in der Religiosität die Gefahr, dass sie unproduktiv werden, ins Destruktive umschlagen können, wenn sie als abschließende und ausschließende Vokabulare betrachtet werden. Sobald man geneigt ist, eine nicht fundamentalistische Position einzunehmen, kann man die Trennung von Wissenschaft und Religion nicht mehr in dichotomischen Begriffen wie rational vs. irrational beschreiben. Der Naturalist und der Gläubige erzählen einfach andere Dies versuchte bereits ein Sammelband von 2001 zu ändern, in dem Rorty selbst auf Fragen antwortete. Vgl. Hinter den Spiegeln. Beiträge zur Philosophie Richard Rortys mit Erwiderungen von Richard Rorty, hg. von Thomas Schäfer, Udo Tietz und Rüdiger Zill, Frankfurt/M. 2001. Eine bemerkenswerte Ausnahme für die Literaturwissenschaft ist die Arbeit von Christian Kohlross: Literaturtheorie und Pragmatismus oder die Frage nach den Gründen des philologischen Wissens, Tübingen 2007. Zum Verhältnis von Literaturwissenschaft und Pragmatismus vgl. Pragmatism and Literary Studies, hg. von Winfried Fluck, Tübingen 1999. Über die Gründe der Probleme der philosophischen Rezeption des Pragmatismus in Deutschland gibt auch Auskunft: Die Renaissance des Pragmatismus. Aktuelle Verfl echtungen zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie, hg. von Mike Sandbothe, Weilerswist 2000. 19 Georgia Warnke: Rorty’s Democratic Hermeneutics, in: Richard Rorty, hg. von Charles Guignon und David R. Hiley, Cambridge/New York 2003, 105–123, hier: 105. 20 Richard Rorty, Gianni Vattimo: The Future of Religion, New York 2005, dt., dies.: Die Zukunft der Religion, Frankfurt/M. 2006. 18
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Geschichten, nutzen andere Metaphern und entgegenlaufende Vokabulare. Wenn das Gespräch zwischen beiden im Bewusstsein, dass kein Kampf um die wahre Realität, den wahren Glauben geführt wird, fortläuft, dann wird sich, so Rortys Hoff nung, eine Annäherung, vielleicht sogar gegenseitiges Verständnis entwickeln können, in dem beide Positionen als je nützlich akzeptiert werden. Obwohl Zweifel mehr als angebracht sind, dass in der aktuell verhärteten Debatte über den Status des Religiösen die führenden Vertreter je einen solchen nicht-fundamentalistischen Standpunkt einnehmen werden, da die meisten von ihnen daran festhalten, dass um Tatsachen, nicht um Interpretationen gestritten wird, ist die Zusammenarbeit mit Vattimo getragen von der Überzeugung, dass eine nicht-fundamentalistische Haltung die Menschen offener und aufmerksamer selbst für entgegengesetzte Positionen macht. Solche Gespräche, so Rorty, sind kultivierter und auch interessanter als Debatten, die aus den Gräben metaphysischer Glaubensgewissheiten heraus geführt werden. Was Rorty letztlich mit Verve vorschlägt, ist eine neue Diskursethik für eine liberale und offene Gesellschaft. Es ist die Hoff nung der Herausgeber, dass dieses Buch dazu beiträgt, das längst nicht ausgeschöpfte Gespräch über Bedeutung und Implikationen von Rortys Arbeiten für die Geisteswissenschaften am Laufen zu halten. Wenngleich in vielen Einzelpunkten zu befragen, so erscheint Rortys Forderung einer Kultur, die sich von der Bindung an jegliche Transzendenz als Bestimmungspunkt von Wahrheit frei macht, eher als Beschreibung unserer momentanen Lage denn als ein Reformprojekt. Egal, ob dieser Zustand als Krise oder Erlösung verstanden wird, ihn zu analysieren und sich zu ihm zu verhalten sollte ein Kernbestand geisteswissenschaftlicher Betätigung bleiben, woran zuweilen zu erinnern ist.
Teil 1 Pragmatismus und Hermeneutik
Was ist pr agmatische Her meneutik? Anmerkungen zum Lektüreverfahren Richard Rortys Matthias Buschmeier Dieser Beitrag ist der Versuch einer Rechtfertigung. Eine Rechtfertigung für die Zusammenziehung von Pragmatismus und Hermeneutik im Titel dieses Bandes. Das Fragezeichen deutet zwar die Zweifel an der Möglichkeit und Berechtigung der Formulierung an, doch setzt sie die Auffassung, dass es so etwas wie eine pragmatische Hermeneutik gibt, in der Frage nach dem spezifi zierenden Was bereits voraus. Müsste die Frage also nicht eigentlich viel grundlegender gestellt sein: Gibt es eine pragmatische Hermeneutik? Ganz pragmatisch gesehen, könnte die Existenz dieses Bandes mit der damit verknüpften Bewilligung der entsprechenden Fördergelder die Behauptung, Pragmatismus und Hermeneutik in eine erfolgversprechende, sogar attributive Verbindung bringen zu können, bereits als wahr erwiesen haben.1 Woher dann aber die Skepsis? Bereits ein flüchtiger Blick auf eine Liste mit Begriffen, die gewöhnlich mit Pragmatismus und Hermeneutik in Verbindung gebracht werden, zeigt eine sicherlich ausbaufähige Liste von Oppositionen, von denen einige eine ausschließende Disjunktion darzustellen scheinen. Ich nenne nur einige, die Rorty selbst gelegentlich benutzt: amerikanisch vs. europäisch, Zukunft vs. Tradition, Handeln vs. Verstehen, anti-autoritär vs. autoritär, Überzeugung vs. wahrer Sinn, Hoff nung vs. Wahrheit. Zugleich aber lassen sich Begriffe fi nden, die für beide Seiten gleichermaßen relevant sind, z. B. Sprachlichkeit, Gespräch, Geschichtlichkeit, Nominalismus und Historismus. Man könnte es sich leicht machen und diese Oppositionen und Gemeinsamkeiten schlicht mit dem berechtigten Verweis erklären, es gebe eben weder den Pragmatismus noch die Hermeneutik.2 Ich möchte im Folgenden in drei Schritten eine Verteidigung der Zusammenziehung trotz und gerade wegen der theoretischen Spannungen innerhalb der Dieser Band ist aus einer interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft mit dem Titel »Pragmatische Hermeneutik. Richard Rortys Poetik einer politischen Kultur und die Konsequenzen für die verstehenden Wissenschaften« entstanden, die im Juni 2009 am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld stattgefunden hat. 2 Georgia Warnke spricht von einer »apparent implausibility in Rorty’s appeal to hermeneutics«, unternimmt dann aber auch den Versuch einer Plausibilisierung. Vgl. Georgia Warnke: Rorty’s democratic Hermeneutics, in: Richard Rorty, hg. von Charles B. Guignon und David R. Hiley, Cambridge/New York 2003, 105–123, hier: 107. Jacek Holówka hingegen sucht Rortys Emphase der Hermeneutik gegen seine eigenen Theorieintentionen auszuspielen. Vgl. Jacek Holówka: Philosophy and the Mirage of Hermeneutics, in: Reading Rorty. Critical responses to ›Philosophy and the Mirror of Nature‹ (and beyond), hg. von Alan R. Malachowski, Oxford 1990, 187–197. Eine hervorragende Diskussion zu Rortys Gadamer-Rezeption fi ndet sich auch in Bjørn Rambergs Beitrag in diesem Band. 1
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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methodologischen Ansätze vorlegen, denn in ihr selbst zeigt sich bereits das, was ich pragmatische Hermeneutik nennen möchte und was, so meine Lesart, als Lektüre- und Schreibverfahren von Rorty selbst praktiziert und vorgeschlagen wird. Dafür werde ich mich kurz den zentralen Begriffen Sprache und Wahrheit zuwenden, weil Rortys Antiessentialismus die Grundlage der pragmatischen Hermeneutik ist. Da ich Rortys Werk also selbst einer pragmatisch-hermeneutischen Lektüre unterziehe, kann es dabei nicht darum gehen, Rortys ›eigentliche‹ Intentionen herauszuarbeiten. Es könnte durchaus sein, dass sich am Ende die Resultate einer pragmatisch-hermeneutischen Lektüre, wie sie Rorty praktiziert, gegen bestimmte propositionale Aussagen seiner Theorie wenden lassen. Doch zunächst seien einige zentrale Positionen noch einmal rekapituliert.
Sprache Eine zentrale Einsicht des Pragmatismus in seinen verschiedenen Ausprägungen ist, dass unsere Begegnungen mit der Welt und unseren Mitmenschen ohne Sprachlichkeit nicht zu denken sind. Der Pragmatismus schlägt vor, der sprachlichen Bezugnahme auf die Welt, ihrer sprachlichen Konstruktivität weder mit einer positivistischen Aburteilung noch einer melancholischen Trauer zu begegnen, sondern sich ihr produktiv zuzuwenden. Das bedeutet zunächst nicht mehr als zu akzeptieren, dass alle Aussagen über die Welt und uns auf Sprache verwiesen sind. Diese Feststellung zwingt keineswegs zu einer radikal nominalistischen Position, nach der es gar keine Welt gebe, weil ja alles nur unsere ›Konstruktion‹ sei. Diese idealistische Verwechselung, etwa bei Berkeley, vertauscht nämlich die epistemische Konstruktion allen Weltbezugs mit einer konstruktivistischen Ontologie, nach der selbst die Materie der Welt sich in Akte menschlicher Konstruktion auflöst. »Wir müssen zwischen der Behauptung, daß die Welt dort draußen ist, und der Behauptung, daß Wahrheit dort draußen ist, unterscheiden.« 3 Auch brauchen wir keineswegs in die Resignation der Dekonstruktivisten zu verfallen, die zwar die Unzulänglichkeit des Repräsentationsmodells erkannt haben, aber an dessen Ideal als Kriterium des Scheiterns festhalten, anstatt nach einem besseren Modell Ausschau zu halten.4 Es macht einfach keinen Sinn, beständig die Konsequenzen der Unüberbrückbarkeit der Differenz von Zeichen und Bezeichnetem vorzuführen, wenn der Begriff der Repräsentation selbst offenbar nicht zu halten ist. Dekonstruktivisten laufen wie Hamster im Rad und kommen nicht vorwärts. Nichts aber spricht dagegen mit Quine u. a. zu behaupten, dass Sinneseindrücke und neurologische Reize bei der Formierung von Begriffen eine Rolle spielen, dass Erfahrungen mit der Welt Auswirkungen auf unsere Körper haben, ohne dass Richard Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt/M. 2009, 23. Vgl. Robert Brandom: Begründen und Begreifen. Eine Einführung in den Inferentialismus, Frankfurt/M. 2001, 20. 3 4
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Sprache zunächst eine Rolle spielt. Bereits Nietzsche, der manchmal als Ahnherr eines skeptizistischen Nominalismus in Anspruch genommen wird, hat aber in Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne dezidiert auf den Mechanismus von Weltkontakt und Sprachbildung hingewiesen. Das Wort, so Nietzsche, »bezeichnet nur die Relationen der Dinge zu den Menschen und nimmt zu deren Ausdrucke die kühnsten Metaphern zu Hülfe. Ein Nervenreiz, zuerst übertragen in ein Bild! erste Metapher. Das Bild wieder nachgeformt in einem Laut! Zweite Metapher.« 5 Nietzsche insistiert darauf, dieser Vorgang bleibe relational und ermögliche keinerlei weitere Aufschlüsse über die Struktur des den Reiz auslösenden Objektes. Er schlägt daher vor, Kant beim Wort zu nehmen und seine metaphysische Hilfskonstruktion des ›Ding an sich‹, die Unterscheidung von ›Noumena‹ und ›Phaenomena‹ aus dem dritten Hauptstück der transzendentalen Analytik, zu vergessen. Was Nietzsche damit aufgeben möchte, ist ein Verständnis von Sprache als Vermittler, als Medium zwischen Welt und Subjekt. Es reicht festzustellen, dass es eine Welt gibt, die uns beeinflusst. Diese Auff assung hat Quine in The Roots of Reference prominent vertreten. Quine aber vertritt darüber hinaus die stärkere Auffassung, nach der das private Flackern der Neuronen in eine mehr oder weniger direkte Verbindung zur sprachlichen Bezeichnung eines Objektes durch mehrere Sprachverwender zu bringen ist. Donald Davidson hat dagegen eingewandt, dass auch das Feuern der Neuronen keine Schlüsse darüber zulässt, wie die Welt beschaffen ist, und auch nicht erklärt, wie die Sinnesreize »die Bedeutung – den Inhalt – der Beobachtungssätze bestimmen«.6 Es stellt sich dann das Problem, dass die Welt ganz anders strukturiert sein könnte, als wir aus unseren Sinnesreizungen schließen, und Wesen mit anderen Sinnesapparaten eine andere Welt vorfänden. Quine hingegen geht von einer grundsätzlich stabilen Relation zwischen Reizähnlichkeiten und Wahrnehmungsähnlichkeiten aus, die jedes Subjekt zunächst für sich nachvollzieht. Aufgrund dieser Individuation sieht Davidson Quine daher auch nicht gänzlich vor dem Einwurf des Skeptizismus und Relativismus gewahrt. Sprache ist nicht individuell, sondern kollektiv oder intersubjektiv.7 Sie dient nicht dazu, dem Individuum Wahrheiten über die Welt zu enthüllen, sondern sie verlangt nach Konventionalisierung zur Kontaktaufnahme zu anderen Menschen, um Probleme, die sich ergeben, mit Rekurs auf gemeinsame Reize zu lösen. Dem entspricht eine Umstellung der Fundierung von Wahrheit und Bedeutung in intrinsischer Wahrnehmung auf extrinsische Kommunikation. Nichts anderes meint Luhmann, wenn er sagt: Im Sinne dieses schon recht komplex bestimmten Begriff s ist alle Kommunikation strukturell gekoppelt an Bewusstsein. Ohne Bewusstsein ist Kommunikation un5 Friedrich Nietzsche: Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne, in: ders.: Werke. Kritische Gesamtausgabe, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin 1967– 2009, Bd. III/2, 367–384, hier: 373. 6 Donald Davidson: Wahrheit, Sprache und Geschichte, Frankfurt/M. 2008, 97. 7 Ebd., 104.
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möglich. Kommunikation ist total (in jeder Operation) auf Bewusstsein angewiesen – allein schon deshalb, weil nur das Bewusstsein, nicht aber die Kommunikation selbst, sinnlich wahrnehmen kann und weder mündliche noch schriftliche Kommunikation ohne Wahrnehmungsleistung funktionieren könnte.8
Und auch Luhmann hat ein triangulatorisches Modell von Kommunikation, weil: »Nur ein Bewusstsein kann denken (aber eben nicht: in ein anderes Bewusstsein hinüberdenken), und nur die Gesellschaft kann kommunizieren.« 9 Nietzsches Rede vom Begriff als konventionalisierte Metapher scheint immer noch nahezulegen, dass sich die Sprache nur ›verzerrend‹ zwischen Welt und Subjekt geschoben habe. Einer solchen Auffassung entspricht die Hoff nung auf eine Sprache, die nicht mehr verzerrend wäre, sondern dem Subjekt exakte Repräsentationen der Dinge gäbe. Einem solchen Repräsentationalismus hat Donald Davidson mit dem Argument widersprochen, dass sprachliche Ausdrücke nicht dann akzeptiert werden, wenn sie möglichst genaue Abbildungen von Dingeigenschaften sind, sondern dann als gültige gelten, wenn sich Gesprächspartner darauf verständigen, dass sie auf bestimmte, kausale Wirkungen passen. Der Satz ›Eine rote Ampel bedeutet anhalten‹ ist dann wahr, wenn Menschen anhalten, sobald das oberste Licht einer Ampel erscheint. Davidson spricht daher von intersubjektiver Triangulation: Welt – Sprecher – Interpret sind immer strukturell gekoppelt.10 Eine solche Formulierung führt uns bereits ganz in die Nähe der Hermeneutik. Halten wir einen Moment inne und fragen, wie z. B. Gadamer das Verhältnis von Sprache und Welt beschreibt. In Wahrheit und Methode fi ndet man zunächst die von Nietzsche, Wittgenstein, Davidson und Rorty kritisierte Position der abendländischen Metaphysik mit ihrer Trias von Welt – Sprache – Subjekt. Gadamer erkennt zwar den immer nur sprachlich vermittelten Zugang zur Welt an, sagt aber dann, »daß die Sprache ihrerseits gegenüber der Welt, die in ihr zur Sprache kommt, kein selbständiges Dasein behauptet. Nicht nur ist die Welt nur Welt, sofern sie zur Sprache kommt – die Sprache hat ihr eigentliches Dasein nur darin, daß sich in ihr die Welt darstellt.«11 Deswegen sei Sprache auch »kein bloßes Mittel zur Verständigung«, sondern Offenbarung von Welt. Gadamer hält also an der Welt als »der von allen anerkannte Boden, der alle verbindet, die miteinander sprechen«,12 fest. Der Vorwurf des Essentialismus liegt nahe, scheinen die Formulierungen doch exakt der metaphysischen Rede von einer Welt hinter der Sprache zu entsprechen, aus der dann ein korrespondenztheoretischer Wahrheitsbegriff abzuleiten ist.13 Doch Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2 Bde., Frankfurt/M. 2009, 103. Ebd., 105. 10 Davidson: Wahrheit, Sprache und Geschichte (Anm. 6), 277. 11 Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 41975, 447. 12 Ebd., 450. 13 Und damit wäre dann ein offener Widerspruch zum Pragmatismus gegeben: »Das Kernstück des Pragmatismus ist die Weigerung, die Korrespondenztheorie der Wahrheit gelten zu 8
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Gadamer ist nicht so weit von der pragmatischen Auffassung von Sprache entfernt, wie es scheint, denn auch er sieht den Begriff der »Welt an sich problematisch«.14 Er denkt keine identische Welt, an der sich die Sprache und das Subjekt empor bilden. Welt ist nur zu haben als »Weltansichten«. Solche Weltansichten sind nicht in dem Sinne relativ, daß man ihnen die ›Welt an sich‹ entgegenstellen könnte, als ob die richtige Ansicht von einem möglichen Standorte außerhalb der menschlich-sprachlichen Welt aus sie in ihrem Ansichsein anzutreffen vermöchte. […] Die Mannigfaltigkeit solcher Weltansichten bedeutet keine Relativierung von ›Welt‹. Vielmehr ist, was die Welt selber ist, nichts von den Ansichten, in denen sie sich darbietet, Verschiedenes.15
Bei Davidson klingt das etwas nüchterner: »Für Bedeutung und Wahrheit ist wichtig, was gemeinsam sein muß, damit die Kommunikation gelingt.«16 Damit ist aber keine ontologische Aussage über die Struktur der Welt impliziert, sondern ein kausaler Einfluss von Welt auf die Gesprächspartner. Davidson weist darauf hin, dass auch bei Gadamer Verstehen immer nur in »interpersoneller Kommunikation«17 möglich wird. Gesteht Rorty isolierten einfachen Aussagensätzen zu, ihre ausgedrückten Sachverhalte träfen Tatsachen der Welt (im Sinne des Satzes: »Die Ampel ist rot«) und wir hielten daher den Satz für eine wahre Überzeugung, so wird dies bei komplexeren Beschreibungen der Welt immer unwahrscheinlicher und unsinniger. Rorty will seinen Konstruktivismus daher weniger auf Sätze als auf Vokabulare der Weltbeschreibung bezogen sehen. Diese Vokabulare entsprechen bei Gadamer den ›sprachlichen Weltansichten‹. Beiden kommt der gleiche epistemologische Stellenwert zu. Gadamer lehnt die Idee einer Ursprache ab, auf die alle natürlichen Sprachen sich zurückführen ließen und die dann eine einheitliche Welt ergäbe; Rorty weist die Idee zurück, es gebe ein einheitliches »Supervokabular«, in das alle anderen Vokabulare sich zurückführen ließen.18 Diese Gemeinsamkeit wird möglich, weil alle, Gadamer wie Rorty wie Davidson, holistische Historisten sind. Sprachliche Beschreibungen sind für beide »Produkte von Zeit und Zufall«.19 Dem an James geschulten Rorty wie dem von Heidegger unterrichteten Gadamer ist zudem die Überzeugung gemein, dass die ›Weltansichten‹ oder ›Vokabulare‹, da sie sich im Vollzug als verlässlich erwiesen haben, keineswegs vorschnell aufgegeben werden. Sie sind hartnäckige Verkettungen von Dingen durch Sätze, die sich im Verlauf der Evolution verändern. Im normalen Diskurs des Alltags und der Wissenschaft wird diese Verkettung ›Wahrheit‹ genannt. James schreibt lassen, sowie die Vorstellung, Überzeugungen seien genaue Darstellungen der Realität.« Richard Rorty: Philosophie als Kulturpolitik, Frankfurt/M. 2008, 186. 14 Gadamer: Wahrheit und Methode (Anm. 11), 451. 15 Ebd. 16 Davidson: Wahrheit, Sprache und Geschichte (Anm. 6), 140. 17 Ebd., 417. 18 Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 34. 19 Ebd., 50.
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in Was ist Pragmatismus?: »Der Einfluss der älteren Wahrheiten ist absolut bestimmend. Loyalität ihnen gegenüber ist das oberste Prinzip.« 20 Daher können sie auch nicht einfach ignoriert oder abgelegt werden. Eine Einsicht, die Gadamer in der »Wirkung der Wirkungsgeschichte« 21 beschrieben hat. Rorty weist daher auch den »Vorwurf postmoderner Frivolität« 22 und relativistischer Willkürlichkeit vehement zurück. Vokabulare werden nicht individuell entworfen, akzeptiert und wieder abgelegt, sondern sind komplexe Entwicklungen, die nicht auf Einzelgründe zurückgeführt werden können. Vielmehr ist die Beschreibung des Wechsels von einem zum anderen Vokabular selbst wieder eine Neu-Erzählung von Kultur, die nur in einem dichten Rechtfertigungsnetz Anspruch auf Akzeptanz machen kann. Niemand kann sagen, ob es das Unterbewusstsein gibt und welcher Natur dieses ist. Aber die seit dem frühen 19. Jahrhundert geläufige Rede von der ›Nacht- oder Schattenseite des Bewusstseins‹, die Freud am Ende des Jahrhunderts in eine positivistisch-naturwissenschaftliche Terminologie einer Wissenschaft der menschlichen Psyche transformiert hat, galt lange Zeit überzeugender als der alte mechanistisch-materialistische Sprachgebrauch des 18. Jahrhunderts, wohingegen die modernen Neurowissenschaften heute zentrale Beschreibungen Freuds durch neue Modelle zu ersetzen suchen, wobei längst nicht entschieden ist, ob diese ein Vokabular anzubieten wissen, das auf ähnlich signifi kante Weise in alle Bereiche des kulturellen Lebens invadiert, wie es der Psychoanalyse im 20. Jahrhundert gelungen ist.23 Es macht daher auch wenig Sinn, sich argumentativ gegen bestimmte Sprechweisen zu verhalten, solange keine neue Beschreibung angeboten werden kann. Es bedarf einer hartnäckigen Insistenz, »so lange immer mehr Dinge auf andere Art neu zu beschreiben, bis dadurch ein Muster sprachlichen Verhaltens geschaffen ist, das die kommende Generation zur Übernahme reizt«.24 Daher ist es meiner Meinung nach auch nicht ganz zutreffend, wenn Christian Kohlross und Florian Klinger in diesem Band James und Rorty gänzlich auf die Zukunft verpfl ichten und jener darin eine Einseitigkeit erkennt, dieser den entscheidenden Vorzug.25 Der auf die Zukunft verpfl ichtete Pragmatismus kommt ohne die Idee von Zeitlichkeit nicht aus. Noch mehr: Rorty selbst beschreibt die Aufgabe des Pragmatismus als die Anpassung alter Vokabulare an neue und spricht
William James: Was ist Pragmatismus?, Weinheim 1994, 69. Gadamer: Wahrheit und Methode (Anm. 11), 306. 22 Rorty: Philosophie als Kulturkritik (Anm. 13), 161. 23 Rorty zitiert dafür Harold Bloom: »an Freud führt kein Weg vorbei, denn er ist noch mehr als Proust der Mythenschöpfer unseres Zeitalters und ebenso sehr unser Theologe und Moralphilosoph wie er unser Psychologe und unser wichtigster Geschichtenerfi nder war.« Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 63. Originalzitat in: Harold Bloom: Agon. Towards a theory of revisionism, New York 1982, 43 f. Für die Literatur siehe z. B. Sabine Kyora: Psychoanalyse und Prosa im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1992. 24 Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 30. 25 Vgl. Christian Kohlross: Literaturtheorie und Pragmatismus oder die Frage nach den Gründen des philologischen Wissens, Tübingen 2007, 206 und Florian Klingers Beitrag in diesem Band. 20 21
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dabei von »Versöhnung«.26 Sehr wohl verzichtet er darauf, der Geschichte, der Sprache wie der Welt selbst ein inneres Wesen und Ziel zu unterstellen, das es zu erkennen gäbe. Rorty sagt: »Daß die Wahrheit nicht draußen ist, heißt einfach, daß es keine Wahrheiten gibt, wo es keine Sätze gibt, daß Sätze Elemente menschlicher Sprachen sind und daß menschliche Sprachen von Menschen geschaffen sind.« 27 Ferdinand Canning Scott Schiller nannte seinen Pragmatismus daher auch ›Humanismus‹.28 Wahrheit Die pragmatische Auff assung von Wahrheit irritiert unser Common-sense-Verständnis, weil Wahrheit in ihr kein erkenntnisbezogener, sondern ein handlungsbezogener Begriff ist. Wie bereits angedeutet, bestreitet der Pragmatismus, Wahrheit werde durch die Annäherung an die Realität erreicht, die, wenn beide ›korrespondieren‹, in wahren Sätzen repräsentiert werde. So irre z. B. der Positivismus, wenn er wissenschaftlichen Fortschritt als immer größere Annäherung an die Tatsachen beschreibe. Nietzsche nannte ein solches Wahrheitsmodell ›hinterweltlerisch‹,29 weil es eine eigentliche Welt voraussetzt, der die zweite der Repräsentation angenähert werden muss, um Erkenntnis zu erreichen. Der ältere Pragmatismus, etwa bei James, nennt hingegen Vorstellungen wahr, wenn sich durch sie Erfahrungen derart miteinander verknüpfen lassen, dass sie nützlich sind und als erstrebenswert angesehen werden. Nützlich sind Erfahrungen, wenn sie bestimmte Probleme besser lösen als andere. Wahre Vorstellungen in diesem pragmatischen Sinn sind also solche, die sich im Gebrauch bewähren. Vorstellungen, die wir für wahr halten, suchen wir zu bestätigen, zu verifi zieren. Scheitert diese Verifi kation durch Erfahrung, so James, können wir nicht umhin, die Vorstellung falsch zu nennen. Peirce hat nun vorgeschlagen, anstatt von Wahrheit von Überzeugungen zu sprechen, die man rechtfertigen kann. Hatten James und Peirce noch an einem substantivischen Wahrheitsbegriff festgehalten und behauptet, man könne »durch schlußfolgerndes Denken mit Sicherheit feststellen, wie die Dinge wirklich und in Wahrheit sind«,30 vertritt Rorty mit Davidson die schwächere, adjektivische Auffassung, dass Überzeugungen immer ›wahr‹ zu nennen sind, weil wir sie sonst gar Richard Rorty: Hoff nung statt Erkenntnis. Eine Einführung in die pragmatische Philosophie, Wien 1994, 63: »Mit Dewey bin ich der Meinung, daß die Philosophie die Funktion der Vermittlung hat zwischen alten Ausdrucksweisen, die zur Erfüllung früherer Aufgaben entwickelt wurden, und neuen Ausdrucksweisen, die zur Erwiderung auf neue Anforderungen entwickelt wurden.« 27 Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 24. 28 Vgl. Ferdinand Canning Scott Schiller: Humanismus. Beiträge zu einer pragmatischen Philosophie, Leipzig 1911. 29 Friedrich Nietzsche: Von den Hinterweltlern, in: Also sprach Zarathustra, in: ders.: Werke (Anm. 5), Bd. VI/1, hier: 31–34. 30 Charles Sanders Peirce: Die Festlegung einer Überzeugung, in: Texte der Philosophie des Pragmatismus, hg. von Ekkehard Martens, Stuttgart 1975, 61–98, hier: 79. 26
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nicht hätten. Erst, wenn es uns nicht mehr gelingt, »eine Überzeugung zusammen mit anderen in ein Rechtfertigungsnetz zu verflechten«,31 werden wir diese Überzeugung aufgeben und sie falsch nennen. Da es für eine antiessentialistische Wahrheitsauffassung keine Möglichkeit des ›Belegs‹, etwa durch Sinnesdaten, gibt, sondern nur die intersubjektive, sprachliche Übereinkunft, ob sich bestimmte Aussagen bewährt haben oder nicht, bleibt nur die Rechtfertigung. Eine solche Auffassung hat Konsequenzen für den Begriff der Theorie. Theorien legitimieren sich nicht mehr durch die Wahrheitswerte, die sie generieren, sondern sind nur Anleitungen zur Generierung von Rechtfertigungsnetzen. Je umfassender diese Netze aus der Theorie abgeleitet werden können, desto länger hält man an ihr fest. Diese Rechtfertigungsnetze sind die Vokabulare, von denen Rorty so gerne spricht. Je dichter ein Rechtfertigungsnetz gewoben ist, desto geneigter sind wir, dieses als ›wahr‹ anzunehmen. Mit Mary Hesse aber insistiert Rorty darauf, dass Vokabulare menschliche Sprachverwendung sind, und ein Wandel innerhalb des Netzes oder der Übergang zu einem neuen Rechtfertigungsnetz nur durch eine neue, originelle Sprachverwendung möglich wird. Jede neue Sprachverwendung bleibt, solange sie nicht in ein Rechtfertigungsnetz eingesponnen wird, bedeutungslos, weil die Bedeutung von Sätzen sich aus den Zusammenhängen ihrer Verwendung ergibt. Rorty nennt im Anschluss an Davidson eine solche bedeutungslose Verwendung von Sprache metaphorisch. Metaphern laufen also Gefahr, entweder als bedeutungs- und folgenlos ignoriert zu werden, oder sie ermuntern dazu, sich neue Theorien zur Ausbildung von neuen Rechtfertigungsnetzen auszudenken.32 Es gibt daher für Rorty keine Unterscheidung eigentlicher (buchstäblicher) und uneigentlicher (metaphorischer) Vokabulare, sondern nur die von vertrauter und unvertrauter Zeichenverwendung. Mit Nietzsche gesprochen, sind eben die vertrauten Begriffe einer Sprache nichts als konventionalisierte, erstarrte Metaphern, »von denen man vergessen hat, dass sie welche sind.«33 Wenn es keine der Natur der Sache immanenten Gründe für die ein oder andere Sprechweise gibt, dann ist der Wechsel von einem zum anderen Vokabular auch keine auf gute Gründe gestützte Entscheidung für etwas, das dieser Sache mehr entspricht als anderes, also auch keine Fortschrittsgeschichte auf dem Weg zur ›wirklichen‹ Wahrheit. Vokabularen fehlt jede Teleologie, jede Teleologie aber bietet ihr eigenes Vokabular. Daher geht man fehl zu sagen, Rorty sehe in der Erfi ndung neuer Vokabulare einen Wert an sich, eine Annäherung an die Wahrheit oder eine ethische Verbesserung hin zum Guten. Über den Wert einer Beschreibung entscheidet allein ihre weitere Verwendung. Neue Vokabulare sind »bessere Werkzeuge für den Umgang mit der Welt zu diesem oder jenem Zweck«. 34 In dieser Bezogenheit auf einen Zweck besteht der Pragmatismus jeder Beschreibung. 31 32 33 34
Rorty: Hoff nung statt Erkenntnis (Anm. 26), 29. Vgl. Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 43 f. Nietzsche: Ueber Wahrheit (Anm. 5), 375. Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 49.
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Rorty nimmt sein eigenes Werk nicht von dieser Position aus. Vielmehr versteht er seine Philosophie selbst als Neubeschreibung, die mit der Sprache der institutionalisierten Philosophie bricht und sich daher auf deren argumentative Verfahren nicht mehr einlässt.35 Seine Unterscheidung von ›systematischen‹ und ›bildenden‹ Philosophen dürfte einer der wesentliche Gründe für die Ungnade sein, in die er bei vielen Fachphilosophen gefallen ist.36 Rorty selbst tritt der Philosophie weniger argumentativ als beschreibend gegenüber, indem er bestimmte Positionen der Philosophiegeschichte und -gegenwart beschreibt. Meine These ist, dass genau darin Rortys methodisches Verfahren besteht. Dieses Verfahren ist im Kern hermeneutisch. In der Relektüre der Davidson’schen Auffassung von Verstehen als Kommunikation besteht gelungenes Verstehen nicht darin, sich auf einen wahren Sachverhalt als ein Drittes der Kommunikation zu verständigen. Ein solcher Begriff von Verstehen ruhte auf einem von Rorty ja abgelehnten korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff auf. Die Bedingung der Möglichkeit von Verstehen besteht vielmehr in der Annäherung von vorläufigen Theorien.37 Theorien sind aber nichts anderes als Beschreibungen. Verstehen setzt also voraus, dass Ego und Alter ihre Beschreibungen aneinander annähern. Dafür suchen Alter wie Ego diese so attraktiv wie möglich zu machen, und das bedeutet, dass die Beschreibung möglichst viele Anschlussoptionen bieten sollte.
Was ist pragmatische Hermeneutik? Der Gedankengang Blumenbergs, Nietzsches, Freuds und Davidsons zielt darauf, daß wir versuchen sollten, an den Punkt zu kommen, wo wir nichts mehr verehren, nichts mehr wie eine Quasi-Gottheit behandeln, wo wir alles, unsere Sprache, unser Bewußtsein, unsere Gemeinschaft, als Produkte von Zeit und Zufall behandeln.38
Jeder mit den genannten Denkern nur einigermaßen Vertraute wird angesichts der Reihung wie der inhaltlich vorgenommenen Bestimmung mit der Stirn runzeln. Blumenberg etwa kann, wie der Beitrag Friedmar Apels zeigt, auch und gerade mit seiner Erzählung aus Die Legitimität der Neuzeit, auf die Rorty sich beruft, gegen diesen in Stellung gebracht werden. Nietzsche und Freud trennt sicherlich so viel, wie sie gemeinsam haben, und der Analytiker Davidson und der Philosophiehistoriker Blumenberg haben eines gewiss nicht, eine gemeinsame Sprache. Allein in der Beschreibung Rortys rücken diese Autoren unter dem Aspekt der Kontingenz zusammen. Es ist aber unsinnig, Rorty das Angleichen von Theorieoptionen oder Vgl. ebd., 31. Vgl. Rortys Unterscheidung von ›systematischen‹ und ›bildenden‹ Philosophen in Richard Rorty: Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie, Frankfurt/M., 62008, 396–403. 37 Vgl. Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 39: »Daß wir dazu kommen, dieselbe Sprache zu sprechen, heißt in Davidsons Worten so viel wie: daß wir ›uns tendenziell in vorläufi gen Theorien einander annähern‹.« 38 Ebd., 50. 35
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die unsaubere Lektüre bestimmter philosophischer Ansätze vorzuwerfen, denn genau dies ist sein heuristisches Verfahren, das ich ›pragmatische Hermeneutik‹ nennen möchte. Für einen Antiessentialisten wie Rorty ist dies legitim, weil Theorien weder Letztbegründungen haben noch sind. Letzte theoretische Sätze unterscheiden sich nicht von Glaubenssätzen: Sie sind wahr, weil wir der Überzeugung sind, dass sie sich rechtfertigen lassen. Die Rekonstruktion des pragmatischen Wahrheitsbegriff s von Davidson zeigt Verstehen als die Übereinkunft von Kommunikationsteilnehmern über die Wahrheitsbedingungen einer Aussage. Rorty interpretiert dabei Davidson derart, dass bei diesen Verständigungsversuchen in einer Sprache immer schon ein großes Maß an Überschneidungen und Wünschen geteilt wird. Besseres Verstehen erfordert also, den »Bereich der Überschneidungen […] recht groß« 39 zu gestalten. In den Texten Rortys fi nden sich daher immer wieder Formulierungen wie »Habermas und Baier miteinander in Einklang bringen«,40 »In der Hoff nung, den Gegensatz zwischen Habermas und Rawls noch weiter reduzieren zu können und beide in die Nähe von Walzer rücken zu können«,41 obwohl letzterer »einen Habermas völlig entgegengesetzten Standpunkt«42 vertritt, »dann können wir Orwell und Nabokov auf die gleiche Weise in Einklang miteinander bringen, wie ich Dewey und Heidegger miteinander versöhnen möchte«,43 oder auch »Brandom ist ebenso wie Spinoza Holist, […] bei Brandom – wie bei Hegel«44 und so weiter. Hier werden Positionen nicht auf einen gemeinsamen Grund reduziert, sondern schlicht zusammengezogen. Dieses Zusammenziehen von z.T. inkompatibel gedachten Theorieoptionen löst bei Puristen und strengen Systematikern Kopfschütteln oder gar allergische Abwehrreaktionen aus, da dies ein doch allzu leichtfertiger Umgang mit den für sich doch ernstzunehmenden Theorien sei. ›Leichtfertigkeit‹ ist bei Rorty kein wissenschaftliches Manko, sondern Stil als hermeneutisches Instrument. Seine Beschreibung des ›culture critic‹ wird so zu einer Beschreibung der eigenen Hermeneutik: »He passes rapidly from Hemingway to Proust to Hitler to Marx to Foucault to Mary Douglas to the present situation in Southeast Asia to Ghandi to Sophocles. He is a name-dropper, who uses names such as these to refer to sets of descriptions, symbol-systems, ways of seeing. His specialty is seeing similarities«.45 Inkompatibilität ist daher keine Kategorie dieser pragmatischen Hermeneutik, weil sie ein Maßstab ist, der zwar die Unmöglichkeit der Reduzierung auf einen letzten gemeinsamen Grundsatz konstatiert, aber am Ideal der Kommensuration festhält. Rorty spricht hingegen von Inkommensurabilität. InkommenRorty: Philosophie als Kulturkritik (Anm. 13), 103. Ebd. 41 Ebd., 100. 42 Ebd., 86. 43 Ebd., 236. 44 Ebd., 39. 45 Richard Rorty: Introduction, in: ders.: Consequences of Pragmatism. Essays 1972–1980, Minneapolis 1982, xl. 39
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surabel sind Sätze, die unterschiedlichen Sprachspielen und Rechtfertigungsnetzen entstammen. Inkommensurabilität bedeutet, den Versuch der Kommensuration durch Rückführung auf erste Sätze gar nicht erst zu unternehmen, sondern Heterogenität auszuhalten und durch Zusammenziehung auszustellen. Daraus kann dann eine »Folge fruchtbarer Angleichungen« 46 entstehen. Ziel dieser Angleichungen ist die Relativierung von Autoritätsansprüchen und die Ironisierung der eigenen Position.47 Ein weiteres prägnantes Beispiel für dieses Lektüreverfahren fi ndet sich im Versuch zu zeigen, »dass sich Derrida und Habermas eher ergänzen als widersprechen.«48 Natürlich weiß Rorty, dass der eine wie der andere die jeweilige Gegenposition nur bedingt für legitim hält, dass beide an gänzlich unterschiedlichen Projekten arbeiten. Beide werden aber nun geschickt in Rortys Projekt des liberalen Ironikers aus Kontingenz, Ironie und Solidarität eingebunden. Dabei ignoriert er keineswegs die »Divergenz […], die es schwer macht, beide Denker als komplementär zu sehen«.49 Zunächst pfl ichtet Rorty Habermas völlig in seiner Kritik der Denker, die Rorty Ironiker nennt, bei. Weder Nietzsche, Foucault noch Derrida trügen mit ihrem Programm einer radikalen Subjektphilosophie als eine Form der Verwirklichung »persönlicher Autonomie und Individualität« 50 dazu bei, dass soziale Fragen auch nur ein Stück ihrer Klärung näher gebracht würden. Ja, er weist sogar Derridas eigne Versuche, sein Projekt politisch zu deuten, scharf zurück. Vielmehr sei bei den Ironikern »das Interesse an der Emanzipation der Unterdrückten ersetzt durch das Interesse des einzelnen Philosophen, sich von seinen Vorgängern zu emanzipieren«.51 Anders als Habermas, der dagegen sein Programm einer ›politisierten Erkenntnistheorie‹ setzt, deren Rechtfertigungsstrategie auf universalisierbare Geltungsansprüche der kommunikativen Vernunft zielt und eine solche Rechtfertigung auch von den Ironikern verlangt, weist Rorty dies zurück. Habermas lese Derrida schlicht falsch als »schlechte[n] öffentliche[n] Philosophen«, Rorty: Der Spiegel der Natur (Anm. 36), 383. Ein Beispiel: In Der Spiegel der Natur stellt sich Rorty mit Davidson der analytischen Philosophie argumentativ, wenn er etwa ›reine‹ und ›unreine‹ Sprachphilosophie unterscheidet. So kommt er dazu, Davidsons Sprachphilosophie gegen die Positionen Michael Dummetts und Hilary Putnams zu positionieren (vgl. ebd.: (Anm. 36), 288.), weil diese immer noch an der sprachphilosophischen Bedeutungstheorie festhielten. In Kontingenz, Ironie und Solidarität werden dann aber »Philosophen wie Goodman, Putnam und Davidson« auf die gleiche Mission verpfl ichtet, »nämlich die Sterilität von Versuchen deutlich machen, die darauf abzielen, Phrasen wie ›die Weise, in der die Welt ist‹ oder ›auf Tatsachen passen‹ mit Sinn zu füllen« Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 48. Dies entspricht dem implizit an Putnam gerichteten Vorwurf aus Der Spiegel der Natur, ist hier aber der Versuch, Argumentationsgemeinschaften gegen eine starke Tradition korrespondenztheoretischer Wahrheitsauff assungen zu bilden. Dafür macht Rorty die Gemeinsamkeiten und nicht die Differenzen stark. 48 Richard Rorty: Habermas, Derrida und die Aufgaben der Philosophie, in: ders.: Philosophie & Zukunft. Essays, Frankfurt/M. 2000, 26–53, hier: 26. 49 Ebd., 37. 50 Ebd., 27. 51 Ebd. 46 47
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wohingegen er diesen nur als »gute[n] private[n] Philosophen« lese.52 Indem Rorty Habermas also zustimmt in seiner Kritik des Versuchs, aus privaten Ironikern politische Denker zu machen, zieht er daraus zugleich ein starkes Argument für seine strikte Trennung von privatem und öffentlichem Handeln. Ihr einziger, aber nicht unerheblicher Verdienst sei es, durch die Erschaff ung neuer Diskurse »das Reich der Möglichkeiten erweitert« 53 zu haben. Der Grund für die Differenz zwischen Derrida und Habermas sei die Verwechslung und Vermischung der Sphäre des Privaten und Öffentlichen. Derrida verwahre sich gegen die Zumutung, als Ironiker den universalistischen Geltungsansprüchen der kommunikativen Vernunft sich unterwerfen zu sollen, Habermas unterstelle Derrida, durch die Entgrenzung von poetischer und normaler Sprachfunktion jeden Blick auf die der Sprache eingesenkten Normen diskursiven Verhaltens verstellt zu haben. Aber auch hier greife Habermas zu kurz, weil er Derrida und seine amerikanischen Schüler an den Maßstäben des philosophischen Diskurses messe und propositional festklopfen wolle. Rorty hingegen bestreitet – mit einer für diesen Autor paradoxen Formulierung – bewusst die Intention Derridas und anderer Dekonstruktivisten, irgendetwas Neues über das Wesen der Sprache oder der Zeichen gesagt zu haben, das von nun an als neue Sprachmetaphysik Anspruch auf Geltung erheben könne. Wenn Sprache tatsächlich das wäre, was die amerikanische ›Literaturtheorie des Dekonstruktivismus‹ von ihr behauptet, dann müsste es schwierig sein, Zeichen und Geräusche als Werkzeuge bei der Lösung unserer öffentlichen Probleme zu verwenden. Wenn ›Philosophie‹ tatsächlich nachweisen kann, das ›Sprache‹ mehr ist als Zeichen und Geräusch […] wenn also ›bewiesen‹ werden kann, dass ›Sprache‹ […] etwas ist, das aus eigener Kraft wirksam werden, außer Kontrolle geraten, sich in den Rücken fallen, sich den Kopf abtrennen kann und so weiter – dann hätten wir ein Problem. Aber nichts spricht dafür, dass Sprache dies alles tun kann – nichts außer dem Versuch, Derrida zum Mann mit einer riesengroßen Theorie über ein riesengroßes Thema zu stilisieren.54
Eine Beschreibung, die Derrida sicherlich nicht ohne Weiteres akzeptiert hätte. Das von Habermas gemalte Schreckgespenst ›Dekonstruktion‹ löst Rorty in seine Dichotomie von Privatheit und Öffentlichkeit auf. Die Wahl zwischen Habermas und Derrida ist daher gar keine ausschließende Disjunktion, sondern lediglich die Entscheidung für private Autonomie oder die Lösung öffentlicher Probleme. Solange diese Trennung eingehalten wird und keine Geltungsansprüche von der einen auf die andere Seite projiziert werden, können beide »friedlich koexistieren«,55 auch wenn es die Autoren selbst anders sehen. Für die Idee einer kommunikativen Wahrheitstheorie wie Davidson, Habermas und übrigens auch Luhmann sie 52 53 54 55
Ebd., 29. Ebd., 30. Ebd., 34. Ebd., 39.
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vorlegen, braucht es aber keinen Rekurs auf eine der Kommunikation inhärente oder vorgängige ›kritische Vernunft‹ oder ›Idee des Menschen‹, sondern lediglich die »Behauptung, dass Schmerz und Erniedrigung jetzt unnötig sind«.56 Rorty gelingt es also in seiner Lektüre, beide Autoren für sein Projekt einer liberalen Solidarität in Haftung zu nehmen, diese zwei Schwergewichte des geisteswissenschaftlichen Diskurses auf seine Seite zu ziehen und die Basis der Gemeinsamkeiten zu vergrößern. Dabei nutzt er den alten hermeneutischen Grundsatz vom ›Besserverstehen des Autors als dieser sich selbst‹.57 Und so ist auch die Rekonstruktion der Derrida’schen Lektüreverfahren nichts anderes als die Beschreibung seiner eigenen pragmatischen Hermeneutik. Das Ergebnis dieser Lektüre ist nicht das Erfassen von Gehalten, sondern das Platzieren von Texten in Kontexten – das Platzieren von Büchern in der Nachbarschaft anderer Bücher […], das Ineinanderweben von Teilen dieser Bücher mit Teilen anderer Bücher. Das Ergebnis ist ein Verschwimmen der Gattungsgrenzen. Dies heißt aber keineswegs, dass Textgattungen nicht ›wirklich‹ seien. Es bedeutet ganz einfach, dass man neue Genres auch dadurch kreieren kann, dass man die Stücke alter Genres zusammennäht – ein Unternehmen, das keine neuen interessanten Ergebnisse zeitigen könnte, wären die alten Genres nicht tatsächlich so verschieden, wie wir das immer angenommen haben. Das Verweben von Fäden unterschiedlicher Farben in der Hoff nung, damit etwas Neues zu schaffen, ist etwas anderes als die Annahme, die ›Philosophie‹ habe ›bewiesen‹, dass Farben wirklich ›unbestimmt‹ und ›ambivalent‹ seien.58
Der produktive Effekt der Lektüren entsteht nicht dadurch, dass vermeintlich verschleierte Gemeinsamkeiten aufgedeckt würden, sondern diese Gemeinsamkeiten überzeugend zum Zweck größerer Gemeinsamkeit in Theorie und sozialer Praxis hergestellt, konstruiert werden. Die Agenten einer solchen Hermeneutik sind die »Literaturkritiker«,59 weil sie Menschen sind, die viele Vokabulare kennen und von jeher Skepsis gegen die Verabsolutierung eines dieser Vokabulare hegen. Die Kritiker sind daher die Geburtshelfer der liberalen Utopie, die Rorty anvisiert. Die Ironiker »hoffen, daß Kritiker ihnen helfen werden, eine Art Synthese durchzuführen und dadurch Bücher weiter zu bewundern, die sich auf den ersten Blick Ebd., 40. Da Rorty Lektüren vieler seiner Zeitgenossen vorlegt, führt die Vereinnahmung bei den Vereinnahmten nicht immer zur Begeisterung. Vgl. z. B. die Beiträge in Rorty and his critics, hg. von Robert Brandom, Oxford 2002. Für ein schönes Beispiel siehe auch die Reaktion von Williard V. Orman Quine: Let me accentuate the Positive, in: Reading Rorty (Anm. 2), 117–119. Wer einen visuellen Eindruck möchte, sehe sich ein Gespräch zwischen Rorty und Davidson an: http://youtube.com/watch?v=EjWTuF35GtY. 58 Rorty: Habermas, Derrida (Anm. 48), 35. 59 Den Terminus ›Literatur‹ gebraucht Rorty dabei im weiten Sinn der Auf klärung und schränkt ihn dezidiert nicht auf ›schöne Literatur‹ ein. Zur Funktion und Problematik eines solchen Konzeptes von ›Literatur‹ siehe auch weiter unten. 56 57
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antithetisch zueinander verhalten.« 60 Deutlich wird: Was ich pragmatische Hermeneutik nenne, ist zuallererst ein Lektüreverfahren, das zu Neubeschreibungen vorliegender Vokabulare führt, eine Neubeschreibung, die den intentionalen Absichten der Autoren nur soweit entgegenkommt, wie es für die Überzeugungsfähigkeit der Neubeschreibung nötig ist. Darin besteht das methodologische Verfahren Rortys. Mit ihr unterläuft er die Gefahr, den Pragmatismus als ›wahre‹ Methode erscheinen zu lassen, und gibt zugleich ein Beispiel dafür, was es heißt, ein neues Vokabular, einen ›nichtnormalen‹ Diskurs zu beginnen. In Der Spiegel der Natur wird die Anerkenntnis der Unmöglichkeit einer letztbegründeten Erkenntnistheorie eine hermeneutische Einsicht genannt. Eine letztbegründete Erkenntnistheorie bedeutet die Eliminierung inkommensurabler Sätze durch Reduzibilität. Die Hermeneutik aber steht ein für die Hoff nung auf eine Kultur, »in der das Bedürfnis nach Einschränkung und Konfrontation nicht mehr verspürt wird«.61 Hermeneutik ist ein Verfahren zur Steigerung der Annahmewahrscheinlichkeit eines Beschreibungsangebotes, das Vielfalt nicht auf Einheit reduziert, sondern Kontingenz als unhintergehbar emphatisch bejaht. Pragmatisch ist diese Hermeneutik, weil ein solcher Versuch von Wahrheit als Kriterium absieht und vielmehr auf die Folgen, die Nützlichkeit achtet. Sie ist nämlich eine »Weise, etwas zu bewältigen.« 62 Bewältigt wird damit die aporetische Situation, in der wir uns befi nden, wenn wir inkommensurable Sätze nicht weiter aufeinander reduzieren können, also im Rahmen der Erkenntnistheorie ihre Inkompabilität feststellen müssen, aber kein Kriterium angegeben können, welchen wir nun als der Wahrheit angemessener bezeichnen sollen. Rorty schlägt daher vor, Kontexte nicht zu reduzieren, sondern auszuweiten und derart ›fruchtbar anzugleichen‹. Hermeneutisch ist dieser Pragmatismus, weil er Verständigung anstrebt, indem die Schwellen zur Übernahme von Überzeugungen möglichst niedrig gehalten werden. Das ist aber etwas grundlegend anderes, als zu präsupponieren, dass Übereinstimmung aufgrund eines allen zugänglichen Regelsystems zur Erzeugung von idealen Kommunikationsvoraussetzungen (Habermas) erzielt werden könnte. Anders die Hermeneutik: Die Hermeneutik betrachtet die Beziehungen der unterschiedlichen Diskurse zueinander als Beziehungen zwischen den möglichen Strängen eines Gesprächs, das seinerseits keines die Sprecher verbindenden disziplinären Systems bedarf […]. Sie ist nicht eine Hoff nung auf die Entdeckung einer immer schon bestehenden Grundlage, sondern bloße Hoff nung auf Übereinstimmung – oder zumindest auf interessante und fruchtbare Nichtübereinstimmung.63 60 61 62 63
Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 139. Rorty: Der Spiegel der Natur (Anm. 36), 343. Ebd., 386. Ebd., 346.
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Eine so verstandene Hermeneutik ist universell, d. h. nicht disziplinär gebunden, sondern erstreckt sich als Forderung an alle Instanzen, die sich an kulturpolitischen Debatten und Kämpfen beteiligen.64 Gadamer lehnte Diltheys Hermeneutik ab, weil sie letztlich versuche, »die Erkenntnisweise der Geisteswissenschaften mit den methodischen Maßstäben der Naturwissenschaft in Einklang zu setzen«.65 Dilthey hafte, so Gadamer, noch immer an der erkenntnistheoretischen Frage. Rorty teilt mit Gadamer die Auffassung einer notwendigen Universalisierung der Hermeneutik, weil nur so auch die theoretischen Sätze der Naturwissenschaft als historischkontingente Beschreibungen erscheinen können. Er verweigert daher die Isolierung der Hermeneutik als geisteswissenschaftliche Methode. Rorty hegt überhaupt deswegen ein Misstrauen gegen akademische Disziplinen, weil sich in ihnen die Idee einer ›universitas‹ institutionalisiert hat, in der die Disziplinen notwendig darauf bedacht sein müssen, die eigene Systemgrenze zu sichern, um innerhalb der Institution nicht in Frage gestellt zu werden. Damit wird aber zugleich die gültige disziplinäre Redeweise innerhalb der Grenzen als normativ durchgesetzt. Die pragmatische Hermeneutik eignet sich hingegen nicht zur disziplinären Selbstvergewisserung, sondern zielt auf eine gesprächsbereite Gesellschaft (›societas‹), die durch keine gemeinsame Regel und kein verpfl ichtendes Erkenntnisziel zusammengehalten wird. Die Mitglieder der ›universitas‹ halten ihre Redeweisen für einen Automatismus, der innerhalb der Grenze Kommensurabilität der Ansichten gewährleisten soll und zur Folge hat, dass man sich über die Dinge jenseits der Grenze keine Gedanken zu machen braucht. Der Mitglieder der ›societas‹ haben überhaupt keine verbindliche Redeweise, die ihr gemeinsames Gespräch steuert. Kommensurabilität der Ansichten ist ein Glücksfall, der nur eintritt, wenn die Gesprächspartner bereits über ein geteiltes Set von Konventionen verfügen, das sie ihrem Gespräch zugrunde legen. Tritt aber ein neuer Gesprächspartner hinzu, so wird das Aushandeln dieser Konventionen von neuem beginnen – zumindest, wenn sich alle als Hermeneutiker verstehen. Für den Hermeneutiker ist das Inkommensurable eine willkommene Herausforderung. Der hermeneutische Versuch, eine Verbindung von inkommensurablen Vokabularen mit inkommensurablen Zielen herzustellen, ist für Rorty eine Praxis der Bildung, weil darin eine Irritation unser gewohnten Beschreibungen besteht. ›Bildung‹ wird daher von einem idealistisch-humanistischen Essentialismus, der sich noch im Begriff der Entfrem64 Genau darin bestand für Rorty als ›University Professor‹ eine attraktive Option: »In Princeton war ich Professor für Philosophie. Aber ich kam dort mit den Kollegen nicht sonderlich gut zurecht und dachte, manches würde leichter werden, wenn ich eine Stelle außerhalb eines philosophischen Fachbereichs f ände. Dann gab mir die University of Virginia […] genau das, was ich wollte – eine nicht fachbereichsgebundene Dozentur […]. Wenn man eine solche Stelle hat, bleiben einem Fachbereichskonferenzen erspart, und man kann lehren was man will.« Richard Rorty: Überreden ist gut. Ein Gespräch mit Richard Rorty, in: ders.: Philosophie & Zukunft (Anm. 48), 161–190, hier: 163. Vgl. auch Rorty: Philosophie als Kulturpolitik (Anm. 13), 220. 65 Gadamer: Wahrheit und Methode (Anm. 11), 244.
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dung bei Marx und in der kritischen Theorie hält (›Es gibt kein richtiges Leben im Falschen‹), losgelöst. Rorty schält aus Gadamer ein Modell humanistischer Bildung heraus, das keine weitergehenden Ziele verfolgt, außer der Auseinandersetzung mit alternativen Beschreibungen. In seinem Verfahren der ›fruchtbaren Angleichung‹ blendet er natürlich aus, dass die von ihm kritisierte Tradition sich selbst so beschreibt, als käme durch sie eine Ethik zur Geltung, die den Menschen näher ›zu sich‹ brächte. Damit aber wird die ethische Dimension der Hermeneutik wieder rückgebunden an eine essentialistische Auffassung vom Menschen. Es konfl igieren hier die hermeneutische Einsicht in die radikale Geschichtlichkeit des Menschen mit einer der Geschichte angeblich immanenten Ethik, die als anthropologisierte Ethik exakt diese Einsicht wieder ignoriert. Diesen Konfl ikt sucht Rorty durch radikale Historisierung zu vermeiden. Bildung heißt nun nicht mehr als eine Erweiterung der Beschreibungsmöglichkeiten. Die Attraktivität von Rortys pragmatischer Hermeneutik besteht darin, dass sie die ethische Dimension keineswegs aufgibt, aber nur noch als kulturpolitische Forderung weiterführt, als Ethik ohne allgemeine Pfl ichten.66 Die ›Ethik der pragmatischen Hermeneutik‹ 67 besteht nicht darin, sich an der Suche nach dem ›Wesen des Menschen‹, aus dem man allgemeine Rechte und Pfl ichten ableiten könnte, zu beteiligen, sondern den Kreis derjenigen zu erweitern, mit denen wir ins Gespräch kommen können und die wir vielleicht dazu überreden können, sich unseren Vorstellungen anzuschließen. Dafür arbeitet die pragmatische Hermeneutik nicht daran, aufs Grundsätzliche zielende Differenzen durch ein Identisches kommensurabel zu machen, sondern im Inkommensurablen nach kleinen Gemeinsamkeiten zu suchen, die die Annahmewahrscheinlichkeiten unserer Beschreibungsvorschläge erhöhen könnten. Dies gilt mit Blick auf die Wahl von Theorien wie für das Soziale. »Die Hoff nung richtet sich darauf, solche Gruppen durch tausend kleine Stiche zu verknüpfen und – anstelle der Berufung auf eine enorm große Gemeinsamkeit in Gestalt ihrer gemeinsamen Menschlichkeit – tausend kleine Gemeinsamkeiten zwischen ihren Mitgliedern zu beschwören.« 68 Pragmatische Hermeneutik sollte daher auch nicht missverstanden werden als Interpretationsmethode für im engen Sinne literarische Texte.69 Dies ist freilich eine unmittelbare Konsequenz der Zurückweisung des Habermas’schen Vorwurfs an Derrida, zwischen propositionaler und poetischer Rede keinen Unterschied zu Vgl. Rorty: Hoff nung statt Erkenntnis (Anm. 26), 67–90. Rorty weist den Begriff ›Ethik des Lesens‹ ganz zurück, offenbar weil mit ›Ethik‹ allzu oft bereits die Vorstellung eines ›eigentlich Wahren‹ mit impliziert ist. Vgl. Richard Rorty: Der Fortschritt des Pragmatisten. Interpretation und Überinterpretation, in: Zwischen Autor und Text, hg. von Umberto Eco, München 22004, 99–119, hier: 119. 68 Rorty: Hoff nung statt Erkenntnis (Anm. 26), 87. Vgl. auch Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 158.: »Für öffentliche Ziele ist es gleichgültig, ob alle abschließenden Vokabulare von untereinander verschiedenen sind, solange nur genug Überschneidungen da sind, um sicherzustellen, daß alle einige Wörter haben, mit denen sich die Wünschbarkeit des Eindringens in die Phantasien anderer und in die eigenen ausdrücken läßt.« 69 So auch Florian Klinger in seinem Beitrag. 66 67
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machen. Die Entprivilegisierung des philosophischen Vokabulars70 bedeutet bei Rorty zugleich auch die Missachtung einer spezifi schen Poetizität auf Seiten der Dichtung. Sowohl ein Text von Wittgenstein, Nietzsche wie von Blake heißen ihm Gedicht, ein ›strong poet‹ ist ein »Dichter – im allgemeineren Sinn eines Schöpfers neuer Worte, Formers neuer Sprachen«.71 Dichter sind also jene, die genug Phantasie auf bringen, alte Wahrnehmungsberichte durch neuartige zu ersetzen. Rorty setzt daher den Dichter und den Ingenieur durchaus als phantasievolle Schöpfer gleich.72 Und keineswegs sieht Rorty in der Phantasie selbst einen ethischen Wert gegeben wie Habermas etwa in der Sprache. Immer besteht die Gefahr, dass Menschen ihre Phantasie einsetzen, um grausam und gewalttätig zu agieren, wenn er diese defi niert als »Fähigkeit zur Veränderung sozialer Praktiken durch Empfehlung vorteilhafter neuer Verwendung von Zeichen und Lauten.« 73 Dagegen steht nur die Überzeugung, dass Gemeinschaften, in denen Konfl ikte durch Überreden gelöst werden, besser sind als jene, die Konfl ikte durch Gewalt lösen. Für den Ersatz von Gewalt durch Überredung aber scheint ihm die Erzeugung von Empathie für die Leiden anderer weit effektiver als philosophische Argumentation. »Solidarität wird nicht entdeckt, sondern geschaffen. Sie wird dadurch geschaffen, daß wir unsere Sensibilität für die besonderen Einzelheiten des Schmerzes und der Demütigung anderer, uns nicht vertrauter Arten von Menschen steigern.« 74 Das führt zu einer sehr instrumentellen Auffassung der Aufgabe von Literatur und anderen Medien, die Rorty vor allem darin sieht, die Emphatiefähigkeit der Rezipienten zu steigern. Seine ›literarische Kultur‹ verzichtet dabei – anders als Schillers ›ästhetischer Staat‹ – auf jede Form ästhetischer Normierung und f ällt dabei auf das Niveau pragmatischer Auf klärungspoetik zurück, wenn er Literatur nur auf die »moralische Relevanz« reduziert und vom Literaturkritiker »Revisionen im Kanon moralischer Beispiele und Ratgeber« 75 einfordert – letztlich ein Resultat seiner strikten Einweisung des neubeschreibenden, phantasievollen, ästhetizistischen IroVgl. Rorty: Philosophie als Kulturpolitik (Anm. 13), 208: »Aber für Dichter ist logisches Argumentieren […] nur ein rhetorisches Verfahren neben anderen.« Vgl. den Beitrag von Oliver Jahraus in diesem Band, der Rorty vorwirft, er könne die Einebnung des Unterschieds nur vermittels philosophischer Markierung vornehmen. Dem ist entgegenzuhalten, dass der erweiterte Dichtungsbegriff, wie ihn Rorty vorschlägt, auf ihn selbst auch anzuwenden wäre. Die Kritik von Jahraus beruht aber auf einem distinkten Literaturbegriff. Eigentlich geht es Rorty offenbar auch nicht darum, den etablierten Literaturbegriff in Frage zu stellen, vielmehr bestreitet er, dass es so etwas wie ›philosophisches Schreiben‹ gäbe, dem eine distinkte Funktion und Wert zugesprochen werden könnte. 71 Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 48. 72 Vgl. dazu auch Nancy Fraser: Solidarity or Singularity? Richard Rorty between Romanticism and Technocracy, in: Reading Rorty (Anm. 2), 302–321. 73 Rorty: Philosophie als Kulturpolitik (Anm. 13), 190. Vgl. auch: »Liberale Ironiker sehen keine Antwort auf die Frage: ›Warum nicht grausam sein?‹, keine nicht-zirkuläre theoretische Begründung für die Überzeugung, daß Grausamkeit schrecklich ist.« Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 14. 74 Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 16. 75 Beide Rorty: Philosophie als Kulturpolitik (Anm. 13), 141. 70
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nikers in die Sphäre des Privaten.76 Zugleich aber bleibt bei Rorty wie bei Adorno der privatistische Ästhetizist an das Politische gekoppelt: indem er unauf hörlich den normalen Diskurs mit nichtnormalen Beschreibungen irritiert, sorgt er für die Ausbreitung der Vorstellung der historischen Kontingenz des Normaldiskurses. Wenngleich in dieser Irritation auch eine Art von Grausamkeit gegeben ist,77 so leistet sie der Einsicht in die Relativität des eigenen abschließenden Vokabulars Vorschub und schaff t damit die Voraussetzung für die Bereitschaft der Anerkennung des Anderen. Daher kann Rorty sagen, dass »die Phantasie der Ursprung der Freiheit« 78 sei. Nun lässt sich auch klarer die Funktion der pragmatischen Hermeneutik in Rortys Ansatz beschreiben. Einer der vielen Standardvorwürfe gegen Rorty ist, dass bei ihm liberale Utopie und ironische Selbstbeschreibung unvermittelt nebeneinander stehen, und Rorty selbst legt dies immer wieder nahe.79 Ich möchte behaupten, die pragmatische Hermeneutik ist das Verbindungsglied, das den Emphatiker der privaten Selbsterschaff ung und den politischen Rorty verknüpft, ohne dass damit die Trennung des Privaten und Öffentlichen, des Liberalen und Ironikers, auf der er besteht, aufgehoben würde. Pragmatische Hermeneutik ist nämlich selbst überhaupt keine Theorie, die auf die Kommensuration dieser Bereiche abzielte, sondern eine Methode, auf die James’ Charakterisierung des Pragmatismus zutriff t: »Der Pragmatismus entkrampft alle unsere Theorien, macht sie beweglich und lässt jede arbeiten.« 80 Ein solcher Gebrauch stimmt mit Rortys Konzept von Kulturpolitik überein: Es gibt keine allgemein anerkannten Kriterien, auf deren Basis darüber entschieden wird, welche Sprachspiele gespielt werden, worüber – und zu welchem Zweck geredet und worüber nicht geredet wird. Kulturpolitik ist die am wenigsten von Normen bestimmte Tätigkeit des Menschen. Sie ist der Schauplatz von Kämpfen zwischen Generationen und somit Ausgangspunkt für kulturelle Entwicklungen. Sie ist der Ort, an dem man auf alle Traditionen und Normen gleichzeitig freien Zugriff hat.81
Kulturpolitik ist das Bestreben, andere zur Übernahme der eigenen Positionen ohne Gewalt zu bewegen. Dafür ist es hilfreich, möglichst viele Traditionen und Normen mit der eigenen Position in Überschneidungen zu bringen. Kulturpolitik ist also nur ein anderer Name für die pragmatische Hermeneutik. Die Herstellung einer gewissen Schnittmenge von inkommensurablen Selbstentwürfen dient dazu, die Grausamkeit, die in der beständigen Irritation durch die Ironiker besteht, weniger grausam zu gestalten. Rorty stellt die Hermeneutik zwischen die Ironie und 76 77 78 79 80 81
Klinger versucht Rortys Ansatz hier noch zu retten. Vgl. Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 156. Rorty: Philosophie als Kulturpolitik (Anm. 13), 201. Vgl. etwa Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 142. James: Was ist Pragmatismus? (Anm. 20), 65. Rorty: Philosophie als Kulturpolitik (Anm. 13), 46.
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die Liberalität, weil er natürlich weiß, dass die radikale Sprache der Ironiker auch eine Sprache der Gewalt ist. »Aus meiner Position folgt, daß Solidaritätsgefühle davon abhängen, welche Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten uns besonders auffallen, und daß der Grad der Auff älligkeit wiederum davon abhängt, was vom Scheinwerferkegel eines historisch kontingenten abschließenden Vokabulars erfaßt wird.« 82 Kulturpolitik ist die pragmatische Hermeneutik, weil sie eine subtile Technik darstellt, möglichst viele Anhänger für die eigene Position zu gewinnen. Marx, Hegel, Nietzsche, Foucault, Derrida, Proust, Gadamer, Brandom, Habermas, Heidegger, Rawls, Davidson, Wittgenstein, Shelly, Nabokov: sie alle werden in Rortys Scheinwerferlektüren zu Werkzeugen des Pragmatismus. Damit führt die pragmatische Hermeneutik auch die Kontingenz der eigenen Position vor. Ironische Leichtfertigkeit, darauf wäre zu bestehen, bedeutet aber nicht karnevaleske Beliebigkeit, sondern ist der beständige Hinweis darauf, die Vokabulare der Selbstbeschreibung nicht als abgeschlossen zu denken.83 Diese Hermeneutik bleibt pragmatisch, d. h. am konkreten Nutzen interessiert. Das neu zusammengestellte Vokabular soll überreden, sich der »Wir-Gemeinschaft« anzuschließen, also muss es überzeugend und zugleich irritierend sein, »es ist die Fähigkeit, auch Menschen, die himmelweit verschieden von uns sind, doch zu ›uns‹ zu zählen.« 84 Pragmatische Hermeneutik ist also ein Verfahren, das der Wirkung der Metapher entspricht, wie Rorty sie in eigensinniger Aneignung von Davidsons Terminologie beschreibt: »die Unterhaltung plötzlich für einen Augenblick unterbrechen, um eine Grimasse zu schneiden«.85 Eine Grimasse, die uns für den Moment des Lachens verbindet. Mehr nicht, weniger aber auch nicht.
Literaturwissenschaft als Kulturpolitik? Das Provokationspotential, das Rortys Thesen für die etablierte Philosophie darstellt, dürfte hinreichend deutlich geworden sein. Die Literaturwissenschaft hingegen reagiert deutlich weniger aufgeregt. Der Grund dafür dürfte in der Einsicht liegen, die Literaturwissenschaftler bereits im ersten Semester eingeimpft bekommen: es ist die Skepsis gegenüber abschließenden Beschreibungen ihres Gegenstandes. Institutionell gesehen ist das ein Problem, denn kaum mehr lassen sich die Geisteswissenschaften im Rahmen der Wahr-falsch-Codierung des Wissenschaftssystems beschreiben, die die sciences für sich weiter reklamieren. Das verstrickt sie innerhalb der Universität in unendliche Rechtfertigungsdebatten, in denen einige Literaturwissenschaftler wieder auf essentialistische Positionen zurückgreifen, um 82 83 84 85
Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 3), 309. Vgl. ebd., 128. Ebd., 310. Ebd., 44.
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den Kopf knapp über den Kürzungswellen zu halten. Hier wird an einem metaphysischen Denken festgehalten, das hinter bzw. über der Welt die Systematik ihrer Ordnung zu erkennen glaubt und diesen Ordnungsrahmen als Deutungsmuster der eigenen Existenz übernimmt. Die Literatur fungiert nur als dessen Exemplum, Konkretisierung und Versinnlichung, zu dem sie auch bei Rorty wird. Dabei bietet die pragmatische Hermeneutik, die sich als Kulturpolitik versteht, eine Position, von der aus Literaturwissenschaftler beruhigt argumentieren können, sind sie doch seit Jahrhunderten mit der historischen Kontingenz ihrer Gegenstände vertraut, wissen sie doch, dass keine Geschichte der Literatur frei ist von (kultur-) politischen Implikationen, ja die Literaturgeschichte immer schon eine Gattung mit pragmatischen Zwecken ist.86 Aus der Sicht des Pragmatismus sind also die ›Humanities‹ in einem epistemologischen Vorteil, weil sie die Epistemologie hinter sich gelassen haben und im vollen Bewusstsein ihrer eigenen Kontingenz stehen – ein Bewusstsein, das keineswegs zum melancholischen Begleitton poststrukturalistischer Theorie berechtigt. Denn auch hier ist der Vorwurf drohender Beliebigkeit leicht abzuwehren. Jede revolutionäre Neubeschreibung wird zunächst abgewehrt werden, sie muss sich durch die eigene Überzeugungsfähigkeit, ihre Wirkmächtigkeit erst durchsetzen. Diese Überzeugung aber wird in unserem Fach immer nur gelingen, wenn der Interpret seine Verknüpfungen selbst nicht willkürlich, sondern argumentativ und an den Texten methodisch abgesichert vornimmt – ebenfalls eine Erstsemesterlektion. Auch wenn Rorty in Auseinandersetzung mit Eco die strukturalistische Unterscheidung zwischen der intentio operis, einer inneren Textkohärenz, die den Leserimpuls stets diszipliniert, und einer intentio lectoris zurückweist, bedeutet dies keineswegs Beliebigkeit der Interpretation. Eines unserer Bedürfnisse ist jedoch, andere zu überzeugen. Daher betrachten wir Pragmatisten den Imperativ, unsere Interpretationen am Text als kohärenten Ganzen zu prüfen, bloß als Mahnung, daß es für plausible Interpretationen eines Buches nicht genügt, ausgewählte Zeilen oder Szenen zu kommentieren: Man muß auch etwas dazu ausführen, was die meisten anderen Zeilen oder Szenen darin zu suchen haben.87
Reduziert man Rorty einmal ganz auf sein Verfahren, dann besteht es im alten Gebot hermeneutischer Fruchtbarkeit, die Zustimmungsbasis für seine Position durch Lektüren zu erweitern, ohne damit ein Bewusstsein zu verbinden, dass die eigene Beschreibung ›wahrer‹ im Sinne der Korrespondenz mit einem jenseits der Lektüre liegenden Sinn, wohl aber richtiger und attraktiver mit Blick auf unsere Überzeugungen als die andere ist. Die Einsicht in die Hoff nungslosigkeit, Texte durch abschließende Beschreibungen stillstellen zu können und damit in die Relativität der Wahrheitsf ähigkeit der eigenen Interpretation, muss gerade dazu 86 Vgl. Hans Michael Baumgartner: Kontinuität und Geschichte. Zur Kritik und Metakritik der historischen Vernunft, Frankfurt/M. 1972. 87 Rorty: Der Fortschritt des Pragmatisten (Anm. 67), 105.
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führen, die eigene Lesart so attraktiv wie möglich zu machen, denn sie wird sich in kulturpolitischen Auseinandersetzungen bewähren müssen, ohne auf eine vermeintlich hinter dem Text liegende Wahrheit verweisen zu können. Mit Goethe zu sprechen: »Wem um die Sache zu tun ist, der muß Partei zu nehmen wissen, sonst verdient er nirgends zu wirken.« 88 Rorty verlangt daher auch keinen langweiligen Respekt vor dem Text, sondern – im Grunde eine Schleiermacher’sche Position – »Liebe und Haß«,89 Literatur als Engagement. Welche Texterkenntnis die qualitativ überlegene ist, scheint, so sehr wir von unserem Verstehen auch überzeugt sind, so klar nicht und entscheidet sich erst evolutionär in und durch Kommunikation: »no one can make sense of the notion of a last commentary, a last discussion note, a good piece of writing which is no more than the occasion for a better piece.« 90 An bestimmte Überzeugungen wird angeschlossen werden, an andere nicht. Dies könnte man mit Dirk Werle »interessant« nennen: »Etwas ist interessant, wenn es die Aufmerksamkeit erregt, weil es von einem Erwartungshorizont abweicht und deshalb sowohl anziehend als auch aufschlußreich erscheint.« 91 Das gleiche gilt von unseren Gegenständen. Nur was zu neuen Beschreibungen reizt und Anlass bietet, wird auch neu beschrieben. Und dieser Reiz besteht für unser Fach, bei aller Verschiedenheit der Defi nition, nicht allein, aber auch immer noch in der ästhetischen Verfasstheit der Gegenstände, die für Rorty (leider oft) keine Rolle spielt. Wer mit seinen Beschreibungen literarischer Kunstwerke überzeugen will, wird dies nicht durch deren Reduzierung auf soziale Zwecke erreichen. Dies übersieht Rorty bei seinen eigenen Lektüren, die genau deshalb verhindern, dass sich der gewünschte Effekt einstellt. So wie er sich analytisch auf die Philosophie einlässt, um die analytische Philosophie hinter sich zu lassen, so bedürfte es einer ästhetisch interessierten Hinwendung zur Dichtung, um deren soziales und politisches Potential entfalten zu können. Sosehr der Prozess der Kanonisierung der Gegenstandsbereiche des Faches durch kulturpolitische Interessen auch gelenkt zu sein scheint, denen Rorty selbst mit seiner Verpfl ichtung 88 Johann Wolfgang Goethe: Einleitung in die ›Propyläen‹, in: ders.: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche, Bd. IIXX, hg. von Friedmar Apel, Frankfurt/M. 1998, 541–475, hier: 461. 89 Rorty: Der Fortschritt des Pragmatisten (Anm. 67), 118. 90 Richard Rorty: Philosophy as a kind of writing. An Essay on Derrida, in: ders.: Consequences of Pragmatism (Anm. 45), 90–109, hier: 109. 91 Dirk Werle: Jenseits von Konsens und Dissens. Das Interessante als kulturwissenschaftliche Beschreibungskategorie, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der Literatur 30/2 (2006), 117–135, hier: 126. Werle kritisiert Rorty, weil die Kategorie des ›Interessanten‹ keine Regeln und Mechanismen anzugeben weiß, wie sich Vokabulare durchsetzen (ebd., 130). In der Tat verweigert Rorty diese Auskunft und argumentiert strikt evolutionistisch, was sich warum durchsetzt, bleibt kontingent ins Feld kulturpolitischer Auseinandersetzungen gestellt. Werle übersieht zudem, dass Rorty keineswegs jede wissenschaftliche Methodik zugunsten irgendwie ›interessanter‹ Neubeschreibung über Bord wirft. Wer im Rahmen der Literaturwissenschaft seine Interpretation interessant machen möchte, kann schlechterdings nicht hinter deren methodische Standards zurückfallen. Man machte sich mit bloß interessanter Meinung dann nur lächerlich. Vgl. meine Ausführungen oben.
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auf ›Erzeugung von Empathie‹ nur eine weitere hinzufügt, so vollzieht er sich in Bezug auf die Gegenstände wie die Akteure in einer erfreulich kontingenten Komplexität, die strategisch nicht zu beherrschen ist. Wenn wir die Freiheit aufgeben, die uns unser Gegenstand aufzwingt, dann erst enden das hermeneutische Gespräch und die literarische Kultur, an die Rorty seine Hoff nung knüpfte.
Turning to Her meneutics On Pragmatism’s Struggle with Subjectivity Bjørn Torgrim Ramberg Rorty’s Hermeneutics «All human beings», writes Richard Rorty, «carry about a set of words which they employ to justify their actions, their beliefs, and their lives.» Beyond these words, we have «no noncircular argumentative recourse […] there is only helpless passivity or a resort to force.»1 This notion of a ‹fi nal vocabulary› figures in Rorty’s attempt to work out an anti-rationalist conception of reason, one that breaks fundamentally with the idea of rationality as access to universal principle or as a common core of all that is properly human. Rorty’s counter-suggestion, as he develops it in Contingency, Irony, and Solidarity, is that it is precisely the contingency, variability and plasticity of our fi nal vocabularies that is our glory, because it is in just these features of our discursive normative resources that our ability to create and recreate ourselves as individuals and as communities resides. As Rorty makes explicit already in Philosophy and the Mirror of Nature, his view of humans as thinking, communicating beings, and his view of philosophy as an activity of such beings, is indebted to Hans-Georg Gadamer’s philosophical hermeneutics.2 One important aspect of Gadamer’s work is the emphasis on the fi nite, situated and perspectival nature of understanding as a mediation of tradition in which reflective, critical consciousness participates, but is not master. This historicist emphasis is central to Rorty’s explicit appropriation in Philosophy and the Mirror of Nature as he sketches his vision of philosophy after epistemology and calls it hermeneutics.3 Closely related to his account of interpretation as a historical phenomenon, but not visible in Rorty’s meta-philosophical work, is Gadamer’s multifaceted exploration and reinterpretation of the dynamics of subjectivity and authority in the concrete event of understanding. That this aspect of Gadamer’s hermeneutics is not significantly exploited in Rorty’s deconstruction of representationalist epistemology is not surprising. The object of Rorty’s narrative attack is philosophical foundationalism, and he deploys a dramatic genealogy of world-historical sweep to Richard Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity, Cambridge/New York 1989, 73 ff. Richard Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature, Princeton, 1979. Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutikk, Tübingen 21965. Quotations are from H.-G. G.: Truth and Method, New York 21994. With respect to his own endorsing use of the term ‹hermeneutics›, Rorty remarks that it «is largely due to one book – Gadamer’s Truth and Method.» (Rorty: Mirror of Nature, 357.) 3 See ibid., 315. 1 2
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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bring about its displacement. The actors in this Rortyan drama are large-scale vocabularies and emblematic idealized figures. What might be characterized as phenomenological attention to concrete experience of interpretive success and failure – of illumination and of impenetrability, of persuasion and of resistance – which is of such significance to Gadamer, simply does not play a role at the level of abstraction at which Rorty’s meta-philosophical historicist narrative is pitched. However, in the course of the 1980s Rorty changes his focus. Less concerned with grand narratives of philosophy, he increasingly attends to the existential and political predicaments and possibilities of the individual and the individual community. And here it would seem, on the face of it, that the hermeneutic attempt to recast our understanding of subjectivity and discursive authority would be of immediate relevance. Yet in Rorty’s most sustained and ambitious effort to articulate pragmatist historicism in existential and political terms, Contingency, Irony, and Solidarity, there is no mention of hermeneutics. Gadamer is entirely absent. Why is this? Might not pragmatism be better served by integrating this second dimension of hermeneutic historicism? How might this be achieved? These are questions I will be pursuing as I interrogate Rorty’s vocabulary of contingency.
Subjectivity: A Pragmatist Agenda With the idea of a fi nal vocabulary – those standards embedded in our articulate practice beyond which, at the moment, there can be no compelling non-questionbegging appeal – Rorty is explicitly recognizing the situated and malleable nature of discursive normative force. His emphasis on the contingency and historicity of any set of practically basic evaluations and commitments has been met with accusations of relativism and subjectivism. In response, Rorty has claimed that these charges trade on an implicit allegiance to the scheme-content distinction, in the form of the idea of the knowing subject as inner spontaneity confronting an outer reality that is independently there, but not, alas, independently accessible or even characterizable. The notion of a fi nal vocabulary must be seen, Rorty suggests, in the context of a larger historicist and naturalist revolt against the idea of a metaphysically basic subject-object opposition. ‹Objectivity›, according to Rorty’s pragmatist proposal, is to be reinterpreted in terms of rules for social practice – in brief, solidarity. ‹Subjectivity›, meanwhile, is to be deconstructed – abandoned as philosophical myth. These moves will enable us, Rorty maintains, to preserve the practical possibility of reasonableness and integrity with respect to our commitments and beliefs within a thoroughly historicist and Darwinian picture of our capacities as agents and thinkers. In what follows it will be an undisputed aim to allow for the possibility of reasonableness and integrity of commitments while at the same time fully acknowledging our situatedness in its historical as well as its biological dimension. Approaching his reinterpretation of objectivity and subjectivity in that spirit is to
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engage Rorty in naturalist and historicist terms, assuming a shared stance against transcendental and metaphysical aspirations. Even here, though, on common ground, there is reason to worry about the notion of a fi nal vocabulary as an image of our fi nitude and situatedness. For one thing, it appears to be cast as a ‹limit› to discursive resources, a ‹border› that an individual may reach and in fact even cross – on pain, however, of ceasing to be a dialogical creature, entering a realm where arbitrary force is the only recourse. What is more, and perhaps worse; Rorty sketches the idea of a fi nal vocabulary as a repository of the ultimate discursive resources of an individual; and so a fi nal vocabulary seems to inherit whatever arbitrariness may attach to any particular individual’s acknowledged or unacknowledged commitments, rather than serve as a possible means for mitigating such arbitrariness. Breaking with common practice among Rorty’s critics, I offer a diagnosis that locates the trouble not with Rorty’s notion of objectivity, but rather with his treatment of subjectivity. My suggestion is that Rorty’s pragmatist conception of the mental still remains hampered by dichotomizing presuppositions, and that these give rise to the worry, just mentioned, that Rorty affords us no escape from arbitrary individualism. On the positive side, my claim is that by breaking the hold of vestigial subjectivist assumptions, pragmatists will be better able to exploit the resources of the hermeneutic conception of understanding as a genuine achievement of fi nite historical beings. Hermeneutics provides an enriched perspective on the core idea of a fi nal vocabulary, and significantly bolsters the pragmatist effort to dislodge the rationalist conception of discursive authority with its pressures toward a representationalist view of objectivity, justification and truth. If this is so, however, the question becomes; how might a pragmatist respond to this diagnosis? Is a suitable, non-subjectivist idea of subjectivity something to which we might simply help ourselves, at wish or whim – as if we were masters of our philosophical vocabularies? It is a basic insight both of pragmatism and hermeneutics that we cannot stipulate our way to philosophical significance. To speak differently, to mean something else, we must in some way change our perspective. If a potentially useful side of hermeneutics has faded from Rortyan view, as I have claimed, then there is a reason for this; the close association of the notion of subjectivity with anti-naturalistic philosophical dichotomies that support representationalist metaphysical thought. This issue will need to be addressed. Fortunately, ‹subjectivity› is not only a philosophical term of art; it denotes an indeterminate range of phenomena of everyday experience, some of which are of considerable moral and political significance, and some also of scientific interest. The task for pragmatists with Rortyan sympathies, then, who seek to change their philosophical perspective on subjectivity, is to exploit such phenomena, or domains of use, in an effort to readjust our idea of the subjective as a topic of philosophical doctrine. While attempting to extract the idea of subjectivity from its entanglement with anti-naturalistic conceptions of agents and of philosophy, we must also try to secure an understanding yielding enough philosophical traction to pull us away from the threat of subjectivism. In the end, the hope is that pragmatists will
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recalibrate the relation between nature, subjectivity, understanding and authority so as to keep faith with the naturalist commitments of pragmatism while allowing a more decisive response to the worries about arbitrariness and irrationalism than Rorty’s image of our epistemic and moral fi nitude – as speakers of fi nal vocabularies – appears to be able to support.
Subjectivity: Naturalism and the Davidsonian Inheritance I suggested above that Rorty’s naturalistically motivated conception of the mental makes any substantive idea of subjectivity philosophically unattractive. To make headway, then, let us consider more closely the salient features of the conception of meaning and psychological states that Rorty appropriates from Donald Davidson, in the context of Rorty’s general approbation of what he terms Davidson’s non-reductive physicalism.4 Davidson’s basic picture is of a causally structured world of objects and events; ‹objects› are what may undergo change, ‹events› are changes, ‹causation› is what is displayed when change occurs.5 His strategy with regard to putative further ontological kinds is to treat them rather as conceptual categories – or, in pragmatist terms, as categorizations embedded in vocabularies expressive of some range or other of human interest. Accordingly, the relation between the mental and the physical is not taken to obtain between two kinds of entities, but between two systematically different vocabularies. Both vocabularies apply to objects and events in the world, and serve to indicate causal relations between events as well as causally relevant features of objects; moreover, as Davidson argues from premises invoking (among other things) the nature of causal statements and of causal laws, if a mental description is true of a thing, so also must be a physical description. However, because of systematic differences between the respective vocabularies in which these two kinds of characterizations are made, there is no way to forge defi nitional or strictly law-like connections between them. The argument for ‹anomalous monism›, as Davidson calls it, defi nes two distinct vocabularies (or perhaps groups of vocabularies) by suggesting orthogonal constitutive commitments for each.6 The ‹mental› is what we have in view when we describe agents in terms of the propositional attitudes we invoke to (causally) explain their actions (including their linguistic actions). Such explanations work, in general, by displaying the ‹rationality› that is characteristic of behaviour as it is brought about by See Richard Rorty: Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers, Vol. I, Cambridge/ New York 1991, 113–125. 5 This is rough, and abstracts away from complications. However, a careful treatment of Davidson’s view would not weaken the fundamental point, which is to insist on the basic interrelatedness and interdependence of these three general categories. 6 See Donald Davidson: Mental Events, in: D.D.: Essays on Actions and Events, Oxford 1980, 207–227. 4
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agents with beliefs about the world and motivating desires. This means that general norms of rationality are built into the application conditions of the concepts we use to depict behaviour as the expression of mind. In physical vocabularies, by contrast, the objects and events under description are depicted as subject to non-rational regularities of various kinds, from the strict laws of fundamental physical science to the ceteris-paribus ridden generalities and rules of thumb that govern the fates of ordinary objects in our practical intercourse with them. It turns out, on this picture, that all objects and events are physical, in so far as they are by hypothesis describable in the language that fi nds its most precise, refi ned and inclusive form in the vocabulary of physics. So the fundamental dogma of physicalism is preserved; all that there is is indeed physical. However, by shifting the contrast from substances to vocabularies and combining this shift with a defl ationary view of properties, Davidson is able to hold that many states and events are also mental, and that this aspect is no less essentially predicated of them than are physical properties.7 To say of an event that it is mental is to ‹add something› to what one would say of that event by giving a physical description of it, no matter how comprehensive – it is to say that it enters into a pattern of rationality that physical predicates cannot capture ‹as a pattern›.8 The mental vocabulary catches aspects of thing that only that very vocabulary can express, namely, the intentionality evinced in the behaviour of (more-or-less) rational creatures. The second key element of Davidson’s conception of mind and meaning is the fundamental commitment to the priority of the third-person stance in a philosophical account of meaning and mind. ‹Contents›, whether of sentences expressed or of thoughts entertained or of action-explaining attitudes, have their identities settled by their location in patterns of such contents that are fi xed in ‹radical interpretation›.9 The defi ning feature of the mental, namely rationality, is on this Davidsonian view an intersubjective phenomenon, and not a feature of intra-cranial neuronal patterns. It is hard to overestimate the liberating potential of the combination of anomalous monism as an interpretation of physicalism and the third-person account of the nature of intentional states for someone struggling to break out of the possibility-
7 Doubts are legion; for some basic ones, see Jaegwon Kim: The Myth of Nonreductive Materialism, in: J.K.: Supervenience and Mind. Selected Philosophical Essays, Cambridge 1993, 265–284. 8 For an elaboration of this way of characterizing the contribution of the mental, see Daniel C. Dennett: Real Patterns, in: D.D.: Brainchildren, Cambridge/Mass. 1998, 95–120. Dennett is another of Rorty’s philosophical allies in philosophy of mind. I offer my take in Bjørn Ramberg: Dennett’s Pragmatism, in: Pragmatism. Special Issue of Revue Internationale de Philosophie (1999), ed. by Jean-Pierre Commetti, 61–86. 9 ‹Radical interpretation› is a device set up to specify how one might come to have knowledge that would suffice to understand the expressions of a given language, and to isolate what such knowledge presupposes. In radical interpretation lies the rationale for the rationality assumption. See Donald Davidson: Inquiries into Truth and Interpretation, Oxford 1984, 125–139.
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space defi ned by philosophy of mind of the 1960s.10 A pragmatist could now be a good naturalist – that is, a good physicalist – yet fi nd room for what we care about, what has value, the human – that is to say, the mind – in the discursive space of propositional attitude ascription. Moreover, the Davidsonian construal of Quine’s third-person requirement – in effect inter-subjectivising the mental – meant that a great deal of Cartesian baggage could be shed. With this achievement, a desire to get rid of the Cartesian subject, the inner self with problematic external access and internal transparency, no longer drives one in the direction of eliminativism. However, while the Davidsonian picture of having a human mind as a matter of coming to possess language does alleviate the pressure toward strong reductionism that is exerted by physicalism, it also enforces a kind of dualism, where we regard ourselves either as rationality-constrained speakers (in the wide sense of being bearers of propositional attitudes), or as physical entities. The idea is that even if there are not two fundamental kinds of things, there are two fundamental kinds of aspects of things – as they are captured in physical theory, or as they are described in the language of propositional attitude attribution. This dualistic conception places serious constraints on our notion of the subjective, as Davidson makes clear. In The myth of the subjective Davidson affi rms an externalist, interpretationist view of content, the compatibility of interpretationism with physicalism, and the constitutive relation between content states and causal relations to subject-external objects and thus the public nature of meaning.11 He rejects the scheme-content division and the concomitant conception of the mind as a synthesizer of given materials, and denies that there are objects of thought analogous to sense data or propositional entities. He then asks: What remains of the concept of subjectivity? So far as I can see, two features of the concept of subjectivity as classically conceived remain in place. Thoughts are private, in the obvious but important sense in which property can be private, that is, belong to one person. And knowledge of thoughts is asymmetrical, in that the person who has a thought generally knows he has it in a way in which others cannot. But that is all there is to the subjective.12
The «classically conceived» notion of the subjective that Davidson here dispenses with is the target of Rorty’s deconstruction in the fi rst two chapters of Philosophy and the Mirror of Nature.13 It is the idea of an experience-receiving representor, with a special kind of knowledge of its inner states, including those states that represent what is outer – the external world. To extirpate this notion from our philosophical intuition is a major part of the pragmatist struggle to get beyond Cartesian premises in our conception of ourselves. What we are left with, as Rorty follows through 10 It is worth noting that Rorty made his reputation among analytic philosophers with a series of papers in the 1960s arguing for a version of eliminative materialism. 11 See Donald Davidson: Subjective, Intersubjecive, Objective, Oxford 2001, 39–52. 12 Ibid., 52. 13 See Rorty: Mirror of Nature (note 2), 17–127.
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on Davidson’s lead, is a naturalized subject; a tissue of beliefs and desires, aligning and realigning its web of attitudes, narrating and re-narrating a self, a mind that is a mind in so far as it is an organism with language. The intentional realm is naturalized not through reduction to brain states but through identification with intersubjectively constituted patterns made up of the communicative behaviour of organisms. The subjective, on this picture, is a perspective on the world characterized by a particular set of propositional attitudes, expressed in speech and other actions as these are construed by principles of rationality. It is the outlook of the individual mind in the community of mutual interpreters, defi ned as a cluster of attitudes – let us say, a particular node – in such a community, a node existing only in so far as there are language-using creatures interacting to create the pattern that makes locations for individual perspectives available at all. Against this background, it is easy to think of a ‹fi nal vocabulary› precisely as what marks the characteristic normative profi le of some particular perspective, what identifies a node (or a family of nodes) in the pattern as just the node that it is – the characteristic normative boundary of a specific subjectivity. As a mind, it is exhausted by its language; its normative resources and sensibilities are confi ned to its vocabularies. As an organism, beyond its capacities to deploy vocabularies, it is ‹mere› organism; no affect, no interest, no capacities of orientation and locomotion, no goal-directedness, is recognized as manifestation of subjectivity except as expressed in language. Now, on the face of it, one might think that this identification of mind with language would serve pragmatism well as a basis from which to meld its horizon with that of philosophical hermeneutics. Gadamer, after all, following Heidegger, makes what appear to be similar claims, affi rming the essentially linguistic nature of all understanding. As he famously remarks, «being that can be understood is language».14 And when Gadamer claims that «verbal experience […] embraces all being-in-itself, in whatever relationships (relativities) it appears»,15 it suggests to many readers the kind of totalizing linguistic idealism that critics have frequently attributed to Rorty. However, any impression of easy rapprochement on the basis of a common conception of the mind-encompassing nature of language is deeply misleading. In so far as Rortyan pragmatism might exploit a hermeneutic conception of discursive authority, it will be in spite of the pragmatist’s naturalistically motivated conception of linguistic capacity as the limits of mind, and not because of it. This will become apparent in due course. Before considering that constructive possibility further, however, we must marshal some of those elements of the hermeneutic picture of understanding that Rorty has left unexploited.
Gadamer: Truth and Method (note 2), xxxv. Ibid., 450. I do think that the commonly made charge of linguistic idealism is based on bad readings of both Rorty and Gadamer, but it is not my concern here to defend either philospher on this count. 14
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Play, Subjectivity, and the Hermeneutic Idea of Authority Gadamer develops his hermeneutic account of understanding as a critical response to what he calls the philosophy of subjectivity. This is a classification that includes both the classic Enlightenment efforts to found rational warrant on reflection and selfreflection as well as the Romantic reaction to the rationalist aspirations inherent in these efforts. As Gadamer puts it in a much-quoted passage from Truth and Method: Long before we understand ourselves through the process of self-examination, we understand ourselves in a self-evident way in the family, society, and state in which we live. The focus of subjectivity is only a distorting mirror. The self-awareness of the individual is only a fl ickering in the closed circuits of historical life. That is why the prejudices of the individual, far more than his judgements, constitute the historical reality of his being.16
It is passages like these that underlie complaints that Gadamer is an anti-rationalist thinker. However, his target here is not the Enlightenment, per se, but rather the underlying idea that the authority of reason depends on the nature of the subject’s access to itself, an idea that the emblematic thinkers of the Enlightenment from Descartes to Kant share with their Romantic critics. This shared idea means, in Gadamer’s terms, that both parties to this philosophical confrontation are forms of ‹subjectivism›. In criticizing subjectivism, Gadamer’s point is emphatically not to promote anti-rationalism. No doubt, Gadamer is fundamentally opposed to the idea that the critical powers of the individual thinking subject are such as to ensure – in principle and guided by the right method – understanding and knowledge untainted by the contingencies of time, place and variable human interest. However, as Kristin Gjesdal notes in her perceptive reading, Gadamer’s «aim is not to dispense with reflection as such, but to work out a notion of reflection that is critical and historically sensitive at the same time.»17 When Gadamer rejects the subjectivist conception of reason as an antidote to our historical situatedness, our fi nitude and our temporality, it is because he recognizes the force of the Romantic claim that such an antidote really has no hope of being effective. Seen from this perspective, hermeneutics is an effort to retrieve the liberating impulse of the Enlightenment from an entrenched set of framing pre-understandings that leaves it open to relativizing historicist critique. As Robert Pippin argues, we ought to think of Gadamer precisely as ‹reacting› «against a relativistic historicism that ‹locked› speakers and actors ‹inside› world views», by emphasising the need to overcome the root of this boxed-in view of thought, namely «the primacy of self-consciousness».18 Ibid., 276 f. Kristin Gjesdal: Gadamer and the Legacy of German Idealism, Cambridge 2009, 120. I draw frequently on her exposition and analysis in what follows. 18 Robert Pippin: The Persistence of Subjectivity. On the Kantian Aftermath, Cambridge 2005, 79 f. 16 17
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To read Gadamer along the lines that both Gjesdal and Pippin do is to emphasize just the aspect of his hermeneutics that makes this perspective potentially attractive for pragmatism.19 For Rorty, too, in trying to fight off relativism and subjectivism, aims precisely to break out of and distance himself from the presuppositions of the boxed-into-a-scheme view of mind, meaning and understanding that, once endorsed, makes relativism inevitable for historicist thinkers. Yet, as I have claimed, Rorty’s idea of a fi nal vocabulary seems captive to this very image. And while Rorty is adamant about his rejection of a philosophically explanatory scheme-content distinction, he shows little willingness to follow Gadamer’s constructive account of reason as ‹depending› on those very aspects of our situation as understanding creatures that rationalism sets itself against. To see what might be keeping Rorty at arms length here – to his philosophical detriment, if I am right – we must briefly consider how Gadamer performs this reversal. A basic point of Gadamer’s critique of the ‹prejudice against prejudice› is that the prejudices we apply in interpretation are what make understanding possible at all. Not in spite of but ‹through› our historical immersion, we have a shot at making sense of what invites our interpretation.20 The task of critical reflection is not to sort prejudice from explicitly and fully warranted belief. Rather, the task is to strike the appropriate balance of humility and critical distance in determining a suitable direction for questioning – both of ourselves and that which we are trying to understand – while retaining awareness that we are always, in judging, relying on more that we can account for. It might seem that this is simply a retreat to humble fallibilism, a counsel of prudence. But there is something more important and fundamental going on in Gadamer’s development of the idea of reason as a capacity of historical creatures. The salient contrast is no longer between the subject and the object, between the thinker and what she may or may not know. Instead, drawing on Hegel and Heidegger, Gadamer shifts the focus onto the relation between the individual and the social, and to the forms of mediation to which this relation may be subject. This is the dimension on which ‹reason› is now understood. That is what Gadamer means by «the elevation of the historicity of understanding to the status of a hermeneutic principle».21 The shift that occurs here may be usefully approached by way of another, and earlier, theme elaborated in Truth and Method, the phenomenon of play. «The structure of play», Gadamer observes, «absorbs the player into itself, and thus frees him from the burden of taking the initiative, which constitutes the actual strain of existence.»22 This shift of initiative is important. The subjective ability at stake in While Gjesdal and Pippin join forces against anti-rationalist readers of Gadamer, they disagree interestingly about his relation to Hegel. Fortunately, that is not an issue I need to take a stand on for the present basic points. 20 Gadamer: Truth and Method (note 2), 271 ff . 21 Ibid., 265 ff. 22 Ibid., 105. 19
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play is ‹responsiveness›, and responsiveness must be based on ‹recognition›. Gadamer’s point, as Gjesdal puts it, is that: «In playing, we submit to a totality of meaning that transcends the scope of reflective subjectivity.» 23 So play in fact cuts across the distinction between what we do and what happens to us, between agent and patient, by way of a notion of participation that, while involving the activity of a subject is not reducible to an effort of subjectivity. Hence Gadamer asserts as fundamental «the primacy of play over the consciousness of the players».24 Play engages the subject, and the subject may decline or accept, but once accepted, the invitation to play robs the subject of a specific form of freedom, namely the freedom of critical reflection; «all playing is a being-played», as Gadamer puts it.25 Yet the responsiveness activated in play is also a kind of freedom; an easy facility in meeting challenges and taking advantage of transient opportunities as the game ebbs and flows. It is easy to recognize this as a description of a subject’s way of ‹coping›, not only with a game, but also with situations of all kinds in which it is immersed. Gadamer follows Heidegger in suggesting that this form of immersion is our primary mode of being acquainted with the world. Gadamer, however, is after a more radical point than the recognizably pragmatist idea that practical coping is in some sense a basis for reflective beliefs and judgements. Taking play to illustrate the primacy of the relation over the ‹relata›, Gadamer is ready to attack what he takes to be subjectivism in the understanding of the nature of art. And here Gadamer pushes for a view that seems far indeed from the linguistic naturalism of Rortyan pragmatism. Works of art offer us encounters with truths, argues Gadamer, that are world-disclosive – the experience of the work of art ought to lead us to recognize that we are sensitive to claims that are not offered in propositional form, but nevertheless may reveal how things are, and make demands upon us to which we may respond adequately or inadequately. Although Gadamer acknowledges – or insists upon – the fact that we as subjects are open to truth-claims that are not propositional in form, it would be a mistake to think of this as corresponding to a non-linguistic or pre-linguistic form of truth.26 It is rather that as linguistic beings we are capable also of accessing and being oriented by sources of normativity that are not propositionally presented. It Gjesdal: Gadamer and the Legacy of German Idealism (note 17), 108. Gadamer: Truth and Method (note 2), 104. 25 Ibid., 106. 26 The tension between what she describes as «Gadamer’s two models of truth» is a central theme of Gjesdal’s treatment: «The important question», she writes, «is whether or not he can harmonize his critical-reflective intent with his desire to portray the world-disclosive event of art as paradigmatic for our relation to truth and knowledge at large.» Gjesdal: Gadamer and the Legacy of German Idealism (note 17), 120. Her conclusion is that he cannot, and that this tension does real damage to Gadamer’s notion of hermeneutical rationality. Gjesdal’s reading is forceful, and fortunately it is not a part of my brief to resist it. For my purposes, it suffices to establish that there is in Gadamer a clear aspiration to recognize sources of normative force to which we are sensitive and that are not contained within or exhausted by propositional understanding. And this is a point that Gjesdal is at pains to emphasize. 23 24
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would also be wrong to think of this aspect of our subjectivity as in any sense cut off from reflective deliberation and propositional judgement. It is rather that as we bring to articulation and to reflective judgement possible standpoints with regard to some matter, we always fi nd ourselves already having taken a basic stand. If we had not, if we did not already and always stand normatively related to the world, no reflective judgement would be forthcoming, because there would be no basis for it, no concern with the world in light of which a judgment might make sense. In a brief but pivotal section of Truth and Method – «The Rehabilitation of Authority and Tradition» – Gadamer makes this critical point with respect to the relation between critical reflection or reason, authority, and tradition.27 On the one hand, what Gadamer calls ‹tradition› is the inexhaustible repertoire of normative orientations that allow us to make sense of what we encounter, and thus it is the ground of understanding and judgment. In its inescapability, it is authoritative. At the same time, however, the authority that it has is something it must be granted by the living bearers of tradition in any particular act of interpretation or understanding – which can always, in the particular case, be directed against some aspect or concretion of tradition, and be critical of it. Thus both as a source of authority and as an object of criticism tradition is inexhaustible, and we as subjects are, along either axis, in constant interaction with it. Maintaining or modifying or in some way giving shape to the tradition and the authority that we also always rely on, involves our active responsiveness as understanding subjects. As Gadamer expresses this hermeneutic duality; for any genuine authority, «its true basis is an act of freedom».28 Where does this leave us? The object of Gadamer’s hermeneutic criticism is not principally rationalism, but a mode of thinking about human understanding that seems to force us to chose between reason as a power capable of neutralizing the contingencies of history – and, we might add, biology – and human thinking as nothing but the conscious manifestation of essentially individual processes happening to occur in us. His alternative approach draws on an understanding of the interpreting subject as a participator in understanding, participating by virtue of an ability to draw on resources beyond what she is able to fully articulate or transform into objects for reflective consciousness. This ability, which always exceeds reflection and which includes the capacity to respond to normative claims not reflectively mastered or even fully articulated, is itself offered by language. This is because in exercising her capacity for language, the individual participates in and draws on the social, on community, on tradition. Such exercise, moreover, is not merely, not even primarily, a matter of producing tokens governed by semantic and syntactic structures allowing propositional truths to be stated. Language, for Gadamer, is a dynamic medium of participation where the subject’s involvement with a community of speakers allows the ‹disclosure› of what may be understood, a disclosure 27 28
Gadamer: Truth and Method (note 2), 277–285. Ibid., 280.
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that makes any explicit understanding possible.29 What language affords us, on the hermeneutic account, involves an ability to be normatively related to the world that is not itself confi ned to what, at any given time, is propositionally articulated. For the pragmatist relying on language to naturalize mind this sounds virtually paradoxical, and that impression is confi rmed by the hermeneutic idea of a form of truth that is supposed to be distinct from, even prior to, propositional correspondence. This seems like a retrograde move, exposing us to the very difficulties that the appeal to language was supposed to get us out of. If this is where the constructive attempt to overcome the individualism of a subjectivist view of reason lands us, then better to refrain from constructive views altogether. The problem with this response, however, is that in refraining from construction the Rortyan pragmatist risks dwelling in an uncomfortably confi ned space. The difference between the pragmatist’s position and the hermeneutic perspective lies in the location of the source of the normativity that comes temporarily and imperfectly to expression in the snapshot abstraction of some given fi nal vocabulary. Hermeneutics indicates a source beyond that snapshot. For Rorty, it seems, outside that frame there is nowhere to turn but to passivity or force. So another pragmatic response to the hermeneutic line may be worth pursuing.
Animal Subjectivity What is required to create an opening toward the hermeneutic perspective is a modification of the vocabulary in which we articulate the commitments that make up Rorty-style pragmatism. Specifically, we need to dislodge the understanding of the constraints of naturalism that block the possibility of appeal to a richer notion of the subjective, a notion that allows for a responsiveness to norms that is not exhausted by the propositional repertoire of a particular individual subject at a time. Such modification will be achieved, if at all, by attending to phenomena that might put pressure on the pragmatist vocabulary that we bring to them. This is not a matter of analysis or stipulation, of defi nition or redefi nition, but of engagement with some appropriate subject matter – in this case, what we may call animal subjectivity. Attending to animal subjectivity as a way to stretch and modify intuitions about the subjective is, in effect, an application of the Rortyan idea of redescription, carried out, however, with the specific end in view of altering the terms we make use of in this very process. This possibility is best regarded as a corollary of the familiar Rortyan claim that anything can be made to look good or bad by being 29 As Gjesdal remarks, «in order for there to be objects to be represented, a world in which objects present themselves must be disclosed in the fi rst place. In his account, the real problem of truth […] is whether everything is so presented that it can be presented in speech.» Gjesdal: Gadamer and the Legacy of German Idealism (note 17), 92.
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redescribed. In putting the point that way, Rorty (and his critics) emphasizes the fact that by choosing to use different terms we may bring ourselves to make different evaluations of things. That redescription alters the patterns of our engagement with the world we live in is hardly a controversial point. What may provoke is the subjectivist spin Rorty’s well-known phrase seems to put on it; it seems to suggest that we may simply tailor our descriptions to suit our preferences, apparently leaving us with no constraint on permissible desire but our own lack of inventiveness. It is essential to bear in mind, however, that articulating experience and framing our understanding of things in novel ways will also affect and alter the use-patterns of the terms we employ in that effort. So redescription is not a process wholly under deliberative, reflective control. Rather, engaging in redescription we are venturing our vocabulary; when it comes to meaning, practical application always outruns theoretical specification. This fact is what we must now try to take advantage of with respect to our understanding of subjectivity – considering manifestations of animal subjectivity we try to nudge ourselves into a different view, to obtain, as it were, different intuitions. Success in this endeavour, though hardly available within the scope of a superficial and largely programmatic sketch such as the present one, would open for the possibility of a hermeneutical strengthening of pragmatist historicism by eliminating subjectivist tendencies in its understanding of the demands of naturalism. Furthermore, success would exemplify a fundamental pragmatist claim; there is such a thing as a reasoned modification of a vocabulary, a response to and a refi nement of normative demands embedded in our practices – in a word, intellectual progress – even with no assumption of transparency of concepts being made and no appeal to practice-transcending sources of authority imagined. What we are looking for, then, is a passage into a different view of the subjective as a natural constituent of the world. In search of leverage that might enable us to budge pragmatist intuitions about the nature of our normative engagement with the world, we may well take our cue from Gadamer and consider the phenomenon of play. Play, as Gadamer also emphasizes, is a marvellous demonstration of the inter-species nature of subjective capacities, and so a perfect entry point for the consideration of animal subjectivity. In The Genesis of Animal Play. Testing the Limits, Gordon M. Burghardt defi nes his subject thus: «Play is repeated, incompletely functional behaviour differing from more serious versions structurally, contextually, or ontogenetically, and initiated voluntarily when an animal is in a relaxed or low-stress setting.»30 The defi nition proves to be strong enough to allow us, as we follow Burghardt’s investigations, to recognize – and to recognize ourselves in – the playing activity of a vast range of animals; reptiles, birds, fi sh, and mammals. In play creatures express both natural function and, at the same time, in exercising the natural function of play, freedom from the instrumental rationality of those Gordon M. Burghardt: The Genesis of Animal Play. Testing the Limits. Cambridge/Mass. 2005, 82. 30
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particular functions that are being played out. Precisely because play expresses nature both as regularity and as openness or spontaneity, Burghardt’s detailed descriptions and careful documentation is a source of conceptual movement; it isn’t just that we have come to know something surprising about how much play there is in the many counties of the animal kingdom, rather, we are left with new insight into what it is we ourselves are doing when we play, that is to say, we arrive at a richer understanding of ‹what play is›. A basic Darwinian lesson to be drawn from Burghardt and similar (though rarely as comprehensive) projects is that the great salience to us of specific differences between us and other species depends on interests that go beyond a mere wish to gain knowledge of how things are. As has been appreciated at least since Darwin, and as has become increasingly evident over the last three decades, we are well served in our explorations of the psychological and social make-up of human beings by our increasing knowledge of other species. A second point to note is that this body of work suggests that the commonly experienced ability to understand, empathize and communicate with members of other species – that is to say, encounter their subjectivity – fits easily into a naturalist view of our place in the world (even if we in this area, as perhaps in others, tend to overemphasize the significance of the lexical in our communicative achievements). Finally, Burghardt brings home a lesson that concerns the form of the continuity that is brought into view by a naturalistic approach to the characteristics of subjectivity. It is easy, intuitively, to imagine this continuity as additive. Thus one might imagine human play as, roughly, the usual primate repertoire plus some additional factor(s). Similarly with communication; no doubt, cognitively and communicatively we can by virtue of being language users achieve dramatically more than the bonobo or the chimpanzee. However, even through and by means of language we perform varieties of social and communicative action recognizable as kinds that are performed also by other species. As with play, so to talk is to do many different things at once. Some of the things that we do when we talk and play we may easily remain oblivious to – until we learn to see those aspects of ourselves by studying other playing, communicating animals. It is perhaps here that Burghardt’s study of play is most significant for present purposes. Through its careful and detailed description, showing constant alertness to the risks of anthropocentric language, Burghardt’s work provides a concrete instance of the interrelatedness of understanding and self-understanding. The increased knowledge of animal behaviour produces also a richer understanding of what play is, and this, in turn, is inextricably linked to our selfunderstanding as beings who play. The point here is that Burghardt’s study may be taken as evidence for the claim that increased understanding of other species and of the ways in which human beings and other species relate and interlink, will alter our self-perception, our understanding of (at least some of ) our own capacities as subjects. Recognizing that the point has to remain stipulative, I nevertheless suggest that the cumulative impact of work like Burghardt and other cognitively oriented ethol-
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ogists makes it increasingly difficult to deny animal subjectivity as an integral aspect of the human capacity for engaging the world and acting in it. This applies no less to our capacities as communicative agents than to our instrumentally directed behaviour (to adapt Habermas’s distinction). We are indeed bearers of propositional attitudes, but we are a great deal more than this, not just as mere organisms or as objects of physical theory but as agents and subjects. Pragmatism, in so far as it does not permit itself a view of the mental that embraces this fact, is stuck with a conception of subjectivity divided from what is not subjectivity in a deeply problematic way. It makes inexplicable the manner in which linguistic behaviour may be treated as an ‹expression› of our subjectivity, and it makes it inexplicable, perhaps even invisible, that also in our propositional engagement with the world we routinely exercise versions of capacities of animal subjectivity that exist in graded form in a variety of living, experiencing subjects. Nor should there be any strong temptation for naturalistic pragmatists to stay with this conception – once it is recognized that what is now feeding substance into the notion of the subjective is not a refurbished ontological dualism but, rather, careful empirical study of the subtle and complex biological world in which we fi nd ourselves and of which we are an integral part. Endorsing the idea of animal subjectivity as the core of our own is to assume a naturalistic attitude that avoids the sharp dualism of the Rorty-Davidson version of non-reductive physicalism. Such physicalism, in treating ‹mind› as coextensive with rationality-constituted webs of propositional attitudes, buys irreducibility of the mental at the price of disconnecting mindedness from essentially embodied aspects of subjectivity – it simply leaves no room for notions of this kind. This disconnect is a price we ought not to be willing to pay. And we may resist, moreover, with equanimity; the temptation of a priori assurances that mind is forever beyond the reach of physical vocabulary trades on the suspicion – the fear – that only a metaphysical barrier will keep mind from eventually collapsing into mindless, mechanical nature. This fear is ultimately rooted in the idea that there is one ideal set of concepts that actually reflects the intrinsic nature of things. As pragmatism dispenses entirely with this idea, and consistently refuses to treat physics as an ontologically more basic form of description than biology or psychology, there should remain no such fear of metaphysical disappearance acts. Pragmatists, as naturalists, ought to rest happily with a gradualist view of subjectivity and mentality, accepting the idea of the propositional as a matter of inter-subjective engagement but including in their conception of agency and subjectivity the capacities that make such engagement possible and provide it with much of its purpose and direction. These considerations are intended in a spirit of friendly amendment to the Rorty-Davidson version of pragmatism. My aim has been to further elaborate a pragmatist perspective that is fundamentally hospitable to their naturalistic intentions, but without forcing the idea of subjectivity into the dichotomous conception of the world as compartmentalized, ultimately, into the domains of truth-theories or of physics, respectively. It remains, however, to reconnect with the initial theme.
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The possibility of a hermeneutic re-enforcement of pragmatist historicism, a resituating of something like Rorty’s notion of a fi nal vocabulary in a non-subjectivist context, was blocked, I suggested, by a limited and constricting notion of subjectivity. I hope that it is now at least plausible that this is not a notion to which pragmatism is tied, in so far as naturalism does not require it. Even success in this regard, however, would suffice at most to remove an impediment to dialogue with hermeneutics on what our historical situatedness means with respect to the possibility of reason and integrity in our commitments. Still, such dialogue might now have improved prospects. For the pragmatist need no longer rule out, on naturalistic grounds, Gadamer’s attribution of substantive, subject-transcending normative features to language and to the very event of understanding. For the very features that Gadamer draws on in his account of the subject’s participation in the integrative event of understanding, and the nature of the recognition of authority, presuppose that there are genuine capacities of subjectivity that are neither purely mechanical (non-interest-guided) nor inherently propositional. And this is exactly what I have argued that we should, on naturalistic grounds, allow ourselves to endorse.
Listening to Hermeneutics In this paper I have attempted to link up pragmatist thinking about subjectivity with a fl ash excursion into Truth and Method. There have been two guiding lines of thought. One concerns Rorty’s idea of a fi nal vocabulary. The problem Rorty faces is that a fi nal vocabulary, as he depicts it, seems somehow to be arbitrary, and for that reason without ability to supply norms with authority. This, I have claimed, is an expression of a vestigial subjectivism in Rorty’s view of the subjective as a node in an inter-subjective pattern of propositional-attitude agency. I then argued that an ameliorating line of thought in Gadamer’s hermeneutics is available to pragmatism, provided the naturalist constraint on subjectivity is suitably reinterpreted. Finally, I suggested how such a reinterpretation might be brought about. The second leading idea has been that we might regard pragmatism itself as a selfconscious engagement with a fi nal vocabulary, suitably reinterpreted. This granted, ongoing attempts to rearticulate pragmatism and its commitments may serve to illustrate the difference between reasoned modification of one’s fi nal vocabulary and bluntly, subjectively, choosing one’s commitments. If all of this were fully worked out, the message would be this: Final vocabularies, as structures of commitment and orientation, are – just as Gadamer says of language as such – something we as thinking agents operate in and through. They are not objects of reflective awareness to be endorsed or rejected or explicitly compared one with another. ‹Reasoned modification› of fi nal vocabularies happens not through choice, nor through analysis, but through the judicious, careful and tentative ‹application› of vocabularies, as something that we as thinking creatures ‹are engaged in and
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engaged by›, in new ways, or in places where we have not before been. And such application always involves recognition of some claim made on us to understand, a claim we invest with sufficient authority that we are willing to yield, and be changed, if that is what it takes to understand well. The upshot is a significant reinterpretation of Rorty’s notion of a fi nal vocabulary. Heeding the hermeneutic emphasis on the generation of authority as a process in which the subject is engaged through a capacity for appropriate response rather than through (self ) assertion, we recognize the individualistic conception of a fi nal vocabulary as a distortion. The authority that we draw on and affi rm as we apply in judgement the terms that make up our fi nal vocabularies is not one that we by an act of will or by stipulation or by subjective assertion arrogate to ourselves and infuse into our personal bottom-line discursive repertoire. Rather, such authority derives from our recognition of, indeed, our insistence on, the rationality of something beyond our particular individuality, our specific subjectivity, be it an interlocutor, a text, a human practice – or, in Gadamer’s terms, tradition. Any specific application of such authority, even when we stand, for the moment, bewildered and without further prepared-in-advance discursive moves to make and in that sense may feel as if we are up against the limits of our discursive normative resources, remains tentative, subject to challenge, to change, and perhaps to improvement through dialogue. A fi nal vocabulary, then, is not fi nal at all. Rather, it is the momentary shape of our rational responsiveness to the world and our dynamic ability to engage the world, and to be engaged by it, as thinking and thus ever changing agents.31
31 I thank the editors of this volume, who were also organizers of the Workshop, «Pragmatic hermeneutics? Richard Rorty’s poetics of cultural politics and its consequences in the Humanities» at the Center of Interdisciplinary Research (ZIF) at Bielefeld University ( June 4–5, 2009), which provided an important impetus to develop this material into a paper. The lively discussions at the ZiF were not only very enjoyable, but also of great philosophical help, and I am grateful to all who participated. I should also like to thank participants at two other venues, whose responses to my presentations of related material provided useful objections and helpful suggestions; The Nordic Pragmatist Network Workshop, «Pragmatism and Naturalism», NTNU, Trondheim (May 14th, 2009), and the workshop, «Pragmatism and Subjectivity», American Philosophy Association Pacific Division Annual Meeting, Vancouver, British Columbia (April 10th, 2009).
Interpretation als Prima Philosophia Rorty und die normativen Wurzeln des Dialogs Hans-Herbert Kögler Es geht um die Möglichkeit einer hermeneutischen Begründung der ethischen Anerkennung des Anderen. Hermeneutische Theorie hat gewöhnlich entweder Methodenfragen der Geistes- und Kulturwissenschaften oder aber allgemeiner die interpretativ und sprachlich vermittelten Strukturen der Erfahrung zum Thema. Selten steht die ethische Fragestellung selbst im Zentrum. Tatsächlich aber enthält die philosophische wie die pragmatische Hermeneutik ein ethisches Potential, das im Begriff des dialogischen Verstehens gebündelt erscheint. Verstehen als dialogisches gedacht enthält eine normative Infrastruktur im Erschließungsmodus des Anderen, die gewissermaßen unterhalb, ontologisch tiefer liegend angesiedelt ist als explizite Moraltheorie. Die phänomenologisch ausgewiesene Verwiesenheit auf dialogisches Verstehen begründet dabei eine ontologisch injizierte Bestimmung des anderen Subjekts, das dabei als Anderer immer schon in einen intersubjektiv-reziproken Raum verschiedener Perspektiven auf eine gemeinsame Sache einbezogen ist. Eine derartige Vor-Erschließung hat den Anderen immer schon als Gesprächspartner mit Wahrheitsanspruch gegenüber meinen Vormeinungen akzeptiert. Es konstituiert diesen damit als dialogisches Ko-Subjekt und verbaut so jede Objektivierung des Anderen. Ein solcher Begriff der hermeneutischen Anerkennung soll durch eine Rekonstruktion der Position Richard Rortys weiter vorangetrieben und in seinen Möglichkeiten entfaltet werden. Unseren Ausgangspunkt bildet dabei die philosophische Hermeneutik Gadamers, in der die wesentliche Grundfi gur des dialogischen Verstehens bereits paradigmatisch ausgearbeitet ist. Rorty und Gadamer teilen zudem wesentliche Annahmen der hermeneutischen Wende der Philosophie: Erkennen und Denken sind nur durch ihre sprachliche Vermittlung angemessen zu begreifen; das diese vermittelnde Verstehen ist nur im Ausgang von kontextuellen Hintergrundannahmen möglich; und der wesentliche Modus der Sinnkonstitution, in dem sich eine Sache für Subjekte zeigt, ist das intersubjektive Gespräch. Ein archimedischer Punkt des Wissens – ein Standpunkt über allen Standpunkten – wird hinfällig. Daraus ergibt sich bei beiden auch die Ablehnung einer expliziten Moraltheorie bzw. einer philosophischen Theorie der Normativität des Verstehens. Gadamer bezeichnet es als lächerliche Anmaßung des philosophischen Diskurses, wenn er vorschreiben will, wie Andere zu denken und zu verstehen haben, und Rortys kontextualistische Aushebelung des Essentialismus lässt scheinbar ebenso wenig Raum für normative Orientierung.1 »Mein eigentlicher Anspruch aber war und ist ein philosophischer: Nicht, was wir tun, nicht, was wir tun sollten, sondern was über unser Wollen und Tun hinaus mit uns geschieht, 1
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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Tatsächlich aber treffen sich Gadamer und Rorty in der Auszeichnung der interpretativen Offenheit als einer wesentlichen Konsequenz des hermeneutischen Denkens. Zugleich wird diese Offenheit, gemäß der geteilten Hintergrundannahmen, als ein Verstehensmodus im Kontext des intersubjektiven Gesprächs bestimmt. Es geht darum, wie sich das situierte Subjekt derart im wirkungsgeschichtlichen Kontext reflexiv einrichtet, dass sich das sprachliche Potential des Verstehens am produktivsten entfalten kann. Aus der sprachlich und geschichtlich vorgegebenen Situation lässt sich also dennoch eine normative Ausrichtung gewinnen, die sich als offene Erschließung der Inhalte des Verstehens auszeichnet. Da sich das Zentrum des Verstehens von der Subjekt-Objekt-Beziehung auf die intersubjektive Situation des Gesprächs zwischen zwei Subjekten verlagert hat, wird diese Einstellung nunmehr als Offenheit gegenüber dem Anderen im Dialog bestimmt. Offenheit im Verstehen gewinnt durch diese intersubjektive Ausrichtung einen deutlich normativen Bezug zum Anderen. Entscheidend ist nun, dass diese normative Verstehenseinstellung nicht etwa trotz der modernen Erfahrung der radikalen Geschichtlichkeit unserer Existenz, sondern vielmehr genuin aus ihr heraus begründet und motiviert ist. Die Einsicht in die unhintergehbare Angewiesenheit des Verstehens auf kontextuell verfasstes Hintergrundwissen wird nicht als Schwächung von dessen ethischer Kraft empfunden. Vielmehr ergibt sich daraus die Hoff nung auf eine situierte Fassung der moralischen Welterschließung. Bei Gadamer aus dem wirkungsgeschichtlichen Bewusstsein, bei Rorty aus der Reflexivität der eigenen Kontingenz soll ein dialogisches Ethos der Interpretation entfaltbar werden, das weder abstrakt-universalistischen Prinzipien vertraut noch einem amoralischen Kontextualismus verfällt. Aus der heterogenen Einbezogenheit in dialogische Kontexte, die uns den Anderen in je besonderer Weise zugänglich machen, soll so eine der expliziten philosophischen Ethik vorgelagerte Perspektive plausibel gemacht werden. Tatsächlich aber wird dialogisches Verstehen, innerhalb dessen man sich auf den Anderen offen einlässt, in der philosophischen und pragmatischen Hermeneutik wesentlich anders begriffen. Während in der Hermeneutik Gadamers die interpretative Orientierung am Wahrheitsanspruch des Anderen eine zentrale Rolle spielt, wird bei Rorty Wahrheit scheinbar gänzlich verabschiedet. Die restlose Austreibung der Korrespondenztheorie der Wahrheit aus dem philosophischen Sprachspiel steht in Frage [...] Die Rolle des Moralpredigers im Gewande des Forschers hat etwas Absurdes. Absurd ist ebenso der Anspruch des Philosophen, der aus Prinzipien deduziert, wie die ›Wissenschaft‹ sich ändern müsse, damit sie philosophisch legitimierbar würde.« Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode, Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 31975, XVI, XVII; Rorty: »I want to make clear at the outset that I am not putting hermeneutics forward as a ›successor subject‹ to epistemology, as an activity which fi lls the cultural vacancy once fi lled by epistemologically centered philosophy…hermeneutics is an expression of hope that the cultural space left by the demise of epistemology will not be fi lled—that our culture should become one in which the demand for constraint and confrontation is no longer felt.« Richard Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature, Princeton 1979, 315.
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wird mit einem Totalabschied von der Wahrheit im Verstehen gleichgesetzt. Die Aufgabe der Hermeneutik ist es, uns das Unvertraut-Fremde zugänglich zu machen, ohne dass die semantische Einverleibung des Anderen ins Eigene mit Wahrheit vermittelt sein soll. Zugleich wird Verstehen bei Rorty auch wesentlich an der ästhetisch-inspirierten und innovativ-kreativen Neuerfi ndung von Sprachspielen ausgerichtet. Verstehen soll auch immer der Horizonterweiterung dienen, soll das erfi nderische Einleben in neue, bislang unbekannte Sprachspiele und Vokabularien ermöglichen, um damit unser gleichsam unendliches Potential an sprachlicher Kreativität freizusetzen. Dabei geht es Rorty wiederum nicht allein um ästhetische Innovation, sondern ebenso um eine moralische Sensibilisierung für die bestimmten Leidenserfahrungen von konkreten Anderen. Rorty zeichnet unsere Fähigkeit der empathetischen Identifizierung mit Anderen als ein wesentliches Moment des intersubjektiven Verstehens aus, was uns zu einer Erweiterung und Neubeurteilung der umfassenden normativen Wurzeln des intersubjektiven Dialogverstehens anhält. Die Analyse nimmt ihren Ausgang von der epistemologischen Fundamentalismuskritik Gadamers und Rortys, zeichnet dann eine normative Skizze des dialogischen Verstehens nach Gadamer, um schließlich durch eine kritische Diskussion Rortys die Rolle der Wahrheit im dialogischen Verstehen, das hermeneutische Nachempfi nden der Lebens- und Leidensumständen von Anderen sowie die Notwendigkeit der Rekonstruktion des sozialen Kontexts im Verstehen zu untersuchen. Das alles hat zum Ziel, Rortys pragmatische Denkanstöße in der Hermeneutik für ein dreidimensionales Verstehensmodell fruchtbar zu machen, innerhalb dessen dialogisches Wahrheitsverstehen, narrativ-empathetisches Nachverstehen und sozialwissenschaftlich-objektivierendes Kontextverstehen ineinandergreifende Momente einer ethischen Einstellung gegenüber dem Anderen ausmachen.
Hermeneutische Lektionen des epistemologischen Anti-Fundamentalismus Das Grundschema der hermeneutischen Erfahrung ist in der philosophischen wie der pragmatischen Theorie durchaus gleich. Beide, Gadamer ebenso wie Rorty, entwerfen ihr Projekt in radikaler Ablehnung eines Cartesianisch-empiristischen Erkenntnisfundamentalismus, demzufolge entweder basale Sinnesdaten oder axiomatische Denkgewissheiten als Garanten wahrer Aussagen dienen. Gemeinsam ist beiden auch die positive Auszeichnung der Sprache als Überwindungsmechanismus eines archimedischen Punktes des Wissens. Durch den Ausweis der sprachlichen Vermittlung der Erfahrung soll jede Unmittelbarkeit bezüglich der Realität unmöglich und somit die hermeneutische Einstellung unumgänglich werden. Tatsächlich ist selbst der genauere Argumentationsgang noch identisch nachskizzierbar: Sprachlich-vermittelte Erfahrung, die etwas als etwas überhaupt erst bestimmbar werden lässt, ist holistisch verfasst, was bedeutet, dass die explizite Sinn- bzw. Objekterschließung an ein vom Subjekt unkontrollierbares Hintergrundwissen angeschlossen bleibt, welches selbst historisch-kulturell konstituiert ist, wodurch
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wiederum der Prozess der Erfahrung – und somit jede ausdrückliche Aussage oder Theorie – selbst kontextualistisch lokalisiert ist. Will man Erfahrung überhaupt noch philosophisch fassen, bleibt nur die Anerkennung des prozesshaften, nie stillgestellten oder stillstellbaren Charakters der Erfahrung mit und durch die Sprache, wodurch Erfahrung als dialogisches Phänomen greif bar wird. Statt Wissen in festen Fundamenten verankern zu können, führt die kognitive Erfahrung mit Welt zu einer je neu auszuhandelnden ›Objektivität‹ – mit anderen Worten, zu einem intersubjektiv hergestellten Konsens in Bezug auf das jeweils kontingente – weil sich aus kontingenten Kontexten herausbildende – Objekt der Erfahrung. Tatsächlich wird jedoch in beiden Ansätzen das Phänomen des dialogischen Verstehens – zum Teil selbst den unterschiedlichen Hintergrundkontexten beider Denker geschuldet – wesentlich anders bestimmt. Der Unterschied hat vor allem in unserem Kontext für den normativen Gehalt einer hermeneutischen Anerkennung des Anderen Gewicht. Bei Gadamer (dem sich Rorty anzuschließen sucht),2 ist der Ausgang eine phänomenologische Neubestimmung des geisteswissenschaftlichen Interpretierens.3 Die Kritik gilt dem hermeneutischen Psychologismus, der ein epistemisches Fundament für Interpretation in der Selbstgewissheit mentaler Zustände zu entdecken wähnt. Dadurch wird zum einen ein fundamentaler Unterschied zu den Naturwissenschaften markierbar, denn der Geist ist sich in der Ersten-Person-Perspektive selbst unmittelbar gewiss, also nicht wie Naturgegenstände empirisch-theoretisch konstruiert. Zum andern erlaubt dies eine erkenntnistheoretische Begründung, denn die Selbstgewissheit kann zur Grundlage eines gesicherten Zugangs zur Welt kultureller Sinnobjektivationen stilisiert werden. Dies wird plausibel durch die ontologische Zusatzthese, exemplarisch und explizit beim frühen Dilthey vertreten, dass der Mensch die ›Urzelle der Geschichte‹ darstelle.4 Der ontologische Grund der Geschichte wird so epistemologisch in der eigenen Erfahrung zugänglich. Doch genau diese Cartesianische Annahme des direkten Selbstzugangs wird im Fortgang problematisch. Statt aus der Selbstgegebenheit des Mentalen auf einen direkten Zugang zum historischen Sinn zu schließen, muss die Erfahrung mit der Geschichte als ein ursprünglicher Erfahrungsmodus, der auch das Wissen um die eigenen Geisteszustände vermittelt, erkannt werden. Wie aber, so fragt Gadamer in Wahrheit und Methode, sind die Objektivationen der historisch-kulturellen Welt
Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), 313 ff. Gadamer: Wahrheit und Methode (Anm. 1), S. 162 ff. 4 Vgl. Wilhelm Dilthey: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Gesammelte Schriften, Bd. I, Stuttgart 1978. Dilthey selbst bemerkt im Fortgang seiner Entwicklung, dass sich die mentale Innenwelt des Subjekts selbst aus den historisch-sozialen Wirkungszusammenhängen bildet, was ihn zunächst zu einer Erweiterung der psychologischen Basis im Sinne einer historischen Psychologie führt, schließlich sogar die Aufgabe der psychologischen Basis als solcher nahelegt. Vgl. die Aufsätze in: Die Geistige Welt. Gesammelte Schriften, Bd. V, Stuttgart 1982, sowie die berühmte Schrift Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, Frankfurt/M. 1981. 2 3
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überhaupt gegeben, wie deren Gegenstände zugänglich?5 Was vorliegt, ist zunächst der Text. Im historischen Dokument, literarischen Text, philosophischen, theologischen oder juristischen Traktat liegt der symbolische Ausdruck immer schon in sprachlich vermittelter Form vor. Die epistemische Funktion der Autor- (bzw. Aktor-)intention, die als Fixpunkt Stabilität und Objektivität garantieren soll, erweist sich dabei als methodologische Fiktion. Eine unvermittelte Einsicht in das Denken des Autors oder Aktors ist unmöglich, der Umweg über den Text unvermeidbar. Aber der Umweg erweist sich nun als das eigentliche Ziel. Was vorliegt, ist ohnehin der Text. Wie aber hier Zugang gewinnen? Wie dessen Sprache verstehen? Allein, so Gadamer, durch ein Erfassen der zentralen Thematik, die sich als Aussage über die Sache selbst, von der im Text die Rede ist, erweist. Den Sinn des sprachlich artikulierten Textes kann man also nur durch ein Sicheinlassen auf die Sachaussage erschließen, was wiederum bedeutet, dass man die eigenen Auffassungen zur Sache ins Spiel bringen muss. Die ›Sprache‹ des Textes erweist sich so als Aussage zur Sache, wie Sprache überhaupt als Sprache wesentlich als Sachaussage bestimmt ist. Deren Erschließung wiederum lässt sich folglich nur so denken, dass der Interpret die darin gemachten Sachaussagen zu den eigenen Überzeugungen und Annahmen in Beziehung setzt, um aus dem Text eine kohärente Perspektive auf eine gemeinsam zugängliche Sache oder Themenstellung zu gewinnen. Aus dieser Kurzphänomenologie leitet sich in der philosophischen Hermeneutik eine dialogische Konzeption des Verstehens ab, die der Anerkennung des Wahrheitsanspruches des Anderen eine wesentliche Bedeutung beimisst. Wenn sich der hermeneutische Zugang zum Text überhaupt nur durch eine Vermittlungsleistung zwischen den eigenen und den anderen Vormeinungen (›Vorurteilen‹) denken lässt, Verstehen selbst aber zugleich notwendig auf den Text (als sprachlicher Ausdruck des Anderen) abzielt, dann muss angemessenes Verstehen als ein wahrheitsorientierter Dialog, innerhalb dessen beide Perspektiven angemessen zur Geltung kommen können, gedacht werden. Verstehen, als Erschließung von anderen Sinnperspektiven, wird notwendig immer aus einer Vermittlung beider hervorgehen, was Gadamer plastisch als ( je schon statthabende und unentrinnbare) ›Horizontverschmelzung‹ beschreibt. Um aber den Prozess des Verstehens authentisch in Gang zu bringen, muss der Andere als zugleich anders und doch plausibel, als andersdenkend und doch rational verständlich begriffen werden. Der Andere – und damit der hermeneutische Prozess der Erfahrung überhaupt – bedarf somit eines ›Vorgriff s auf (vernünftige) Vollkommenheit‹, denn nur dadurch kann die produktive Beziehung eines Anderen als einem Subjekt, das zu mir zur Sache spricht, gewährleistet werden. Und nur dann wird der Andere auch als mir gleichwertiges Subjekt anerkannt. Anders bei Rorty. Hier speist sich die Fundamentalismuskritik aus dem Scheitern der Erkenntnisphantasien einer naturwissenschaftlich orientierten Philoso5
Vgl. Gadamer: Wahrheit und Methode (Anm. 1), 162 ff.
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phie. Im Zentrum steht dabei die Unhaltbarkeit bzw. Unexplizierbarkeit der Korrespondenztheorie der Wahrheit, die die in Kant kulminierende und durch ihn als Profession begründete ›Erkenntnistheorie‹ trägt. In Philosophy and the Mirror of Nature zeichnet Rorty nach, wie die verschiedenen Versuche scheitern, innerhalb einer ›linguistic community‹ zugleich deren Bezug zu außersprachlichen Entitäten derart zu begründen, dass universal gültige Kriterien der Wahrheit und Erkenntnis gewonnen werden können.6 Die epistemologische Tradition arbeitet sich dabei am Verhältnis Geist–Natur ab, welches dualistisch aufgespreizt ist und demnach korrespondenztheoretisch vermittelt werden muss. In der analytischen Sprachphilosophie wird diese Rolle dann dem Verhältnis von Sprache–Welt zugesprochen, wobei ein basales Beobachtungsvokabular bzw. in sich stabile ›meanings‹ mit ›facts‹ oder ›objects‹ verknüpft werden sollen.7 Tatsächlich erweist sich in allen Ansätzen, dass der Versuch, sich mittels des eigenen Sprachspiels einen Zugang jenseits desselben zu sichern, auf einem epistemisch-ontologischen Fehlschluss beruht. Während die intentionale Dimension der Wahrnehmung bzw. Sprache auf etwas als etwas verweist, kann doch die Ausbuchstabierung dessen, worauf verwiesen wird, wenn es denn gehaltvoll und rational motivierend sein soll, jeweils nur vor dem Hintergrund der substantiellen Vorannahmen, Mess- und Bewertungspraktiken, sowie eingespielten Rechtfertigungsverfahren erfolgen. Das heißt dann aber, dass sich in Wahrheit der Bezug zu etwas als etwas, insofern er überhaupt sinnvoll explizierbar ist, als Bezug zu etwas innerhalb einer eingespielten Erkenntnis- und Rechtfertigungspraxis erfolgt. Ein Aussteigen, gleichsam als Überstieg über den eigenen Sinnhorizont, um dessen Rechtfertigung durch eine Sicht auf die Welt an sich zu begründen, ist unmöglich, da genau diese Sicht wieder von uns vorgenommen und gemäß unserer Kriterien geprüft und verstanden werden müsste. Die Daten, die beweisen würden, dass sich unsere wahren Theorien und Philosophien tatsächlich auf die von ihnen erschlossene Wirklichkeit selbst richten, müssen genau diese Theorien zur Interpretation der Daten schon heranziehen. Einen unabhängigen Standpunkt gibt es dabei nicht. Rorty triff t sich hier mit Gadamers fundamentaler Auszeichnung der Unentrinnbarkeit des kontextgebundenen Vorverständnisses, das als konstitutiv für die Erfahrung ›objektiver‹ Gegebenheiten ausgewiesen wird. Das philosophische Projekt, die wissenschaftliche Welt metatheoretisch zu verdoppeln, um dadurch allererst zu begründen, erzeugt somit entweder abstrakte Allgemeinheiten ohne substantiellen Gehalt, oder, wenn dieser erscheint, als metaphysische Überhöhung, gewissermaßen Vergöttlichung des zurzeit anerkannten wissenschaftlich-kulturellen Paradigmas. Neben den internen Problemen dieser Ansätze kann sich Rorty dabei vor allem auf Davidsons Radikalisierung der Quine’schen Theorie berufen, die den Holismus konsequent auf die 6 Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), S. 131 ff . Vgl. auch die scharfsinnige Untersuchung von Josef Mitterer: Die Flucht aus der Beliebigkeit, Frankfurt/M. 2001, die Rortys Kritik an der traditionellen Erkenntnis- und Sprachphilosophie durch eine Analyse von deren unhaltbaren und paradoxen dualistischen Grundannahmen stärkt. 7 Vgl. Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), 257 ff. und Mitterer: Die Flucht (Anm. 6).
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›observation language‹ ausweitet; er kann Kuhns Wissenschaftstheorie und -geschichte anführen, die den Nachweis der Unverfügbarkeit rationaler zwingender Entscheidungskriterien zwischen Wissenschaftsparadigmen führt; und er kann die pragmatisch-hermeneutisch-wittgenstein’schen Denkrichtungen mobilisieren, da hier ein vor-theoretisches Kontextwissen als praktischer Hintergrund der kognitiven Erfahrung eingehend analysiert und rekonstruiert werden.8 Wichtig ist nun die Moral, die Rorty aus seiner Diagnose für den hermeneutischen Ansatz zieht. Hier zeigt sich, dass selbst der ›linguistic turn‹ im traditionellen Erkenntnisschema befangen bleibt, was wiederum für Rorty bedeutet, dass Sprache als neutrales Medium, als »tertium quid between Subject and Object«,9 also als ein drittes, vermittelndes Element zwischen Subjekt und Welt dekonstruiert werden muss. Sprache als Medium evoziert für Rorty das Modell einer entweder auf Repräsentation oder Expression ausgerichteten Artikulationsinstanz, die gerade dadurch den Bezug auf eine zugrundeliegende Substanz – entweder der Welt oder des Selbst – herauf beschwört. Dies verwirrt zunächst, wenn man die wesentliche Funktion der sprachlichen Vermittlung in der hermeneutischen Theorie bedenkt, doch wird klarer, wenn Rorty als Alternative das instrumentelle Modell der Sprache als Werkzeug bzw. ›coping mechanism‹, also gewissermaßen als einen diskursiven ›Weltbehandlungsmodus‹, einführt. Sprachliche Welterschließungen sieht Rorty als handlungsermöglichende Konstruktionen mit einem konkreten Wert in der jeweiligen Praxis und Sozialgemeinschaft an, ohne dass deren Funktionen weiter begründet werden müssten oder könnten. Genau dieser Anspruch auf eine solche Begründungsfunktion hat aber bislang die philosophische Tradition, vor allem nach Kant, bestimmt. Rortys wesentliche Konsequenz aus dem diagnostizierten Scheitern der epistemologischen Tradition ist dabei eine doppelte. Auf der eine Seite erscheint das, was bislang als Kernprojekt der Philosophie galt, als eine uneingestandene Meta-Ethnologie der eigenen Rechtfertigungspraktiken, durch die sie (sich selbst missverstehend) die eigenen kulturellen Bewertungspraktiken zum allgemein-universalen Standard hypostasiert. Zum andern wächst der Philosophie aus dieser selbstkritischen Einsicht nun eine neue, genuin hermeneutische Rolle zu, da sie dem metaphysischen Begründungsprojekt entsagen und eine der pragmatischen Sprach- und Weltsicht angemessene Rolle übernehmen kann. Diese Rolle bestimmt Rorty als hermeneutische Arbeit an immanenter Kontext- und Horizonterweiterung. Diese gedoppelte Perspektive, einmal kritisch auf die bisherigen Ansprüche bezogen, zum andern sich um aktive Öff nung des Eigenen gegenüber dem Anderen bemühend, macht dabei die eigentlich normative Komponente der Rorty’schen Hermeneutik aus. Beide Momente sind intern aufeinander bezogen, denn aus der Schwä-
8 Vgl. Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1) 315 ff .; ders.: Consequences of Pragmatism. Essays 1972– 1980, Minneapolis 1982. 9 Rorty: Consequences of Pragmatism (Anm. 8), xviii.
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chung der eigenen Episteme (Foucault), aus dem Versuch eines schwachen Denkens (Vattimo), entsteht gerade die Stärke der Offenheit, eines Sich-Öff nens im Denken, das nun zur Konversation der Menschheit (Oakesshott) werden soll. Wirft man nun einen Blick auf Gadamer zurück, wird sofort deutlich, dass Gemeinsamkeiten und Differenzen hier merkwürdig ineinandergreifen. Gadamers Herkunft aus der Phänomenologie Heideggers lässt diesen zwar nicht weniger radikal als Rorty alles Ursprungsdenken einer ›Philosophie als strenger Wissenschaft‹ (Husserl) restlos überwinden. Dennoch aber schmilzt Gadamer wesentliche Begriffe der Tradition in die post-epistemologische Hermeneutik ein, wenn er etwa den Verstehensprozess als wirkungsgeschichtliches Bewusstsein denkt, der in ein Wahrheitsgeschehen eingebettet ist. Rorty verwirft ›Wahrheit‹, nunmehr defl ationär als Kompliment sich bewährender Praktiken gefasst, als irrelevant, ja hinderlich fürs Verstehen, um das philosophische ›Bewusstsein‹ selbst in eine Vielzahl möglicher Verstehensdiskurse aufgehen zu lassen. Ziel wird hier ein an Leiden und Verminderung von Grausamkeit interessierter, je engagierter Diskurs des narrativ erschlossenen Sicheinfühlens, des imaginativen Identifizierens mit konkreten Anderen. Der normativ getränkte Begriff der ›Offenheit‹ mag beide Projekte umfassen, doch zur Frage wird nun, auf welche Weise das geschichtlich-kontextuelle Potential einer hermeneutischen Ethik am angemessensten zur Entfaltung kommen kann. Wird die normative Anerkennung des Anderen einen Begriff des Wahrheitsanspruches umfassen müssen? Sollte oder kann Verstehen überhaupt sinnvoll als wahrheitsorientierter Dialog gefasst werden? Kann sich die Hermeneutik durch den Abschied von der Wahrheit neue Bereiche, neue Erfahrungen, neue Umgangsweisen mit dem Anderen erschließen? Können schließlich Begriffsmomente beider Ansätze so vermittelt werden, dass eine eindrucksvolle Konzeption der Normativität des Verstehens als hermeneutische Anerkennung des Anderen denkbar wird?
Dialogisches Verstehen als ethische Anerkennung des Anderen Will man die normativen Wurzeln des Verstehens freilegen, empfiehlt sich eine Vergewisserung, was dieses Projekt genau beinhaltet. Dabei ist die Form des Dialogs als Grundmotiv zentral. Es muss also in der feineren Analyse um die Rekonstruktion der Momente einer dialogischen Erfahrung gehen, die deren ethische Dimensionen besonders hervortreten lassen. Was gehört unabweisbar zu den normativen Präsuppositionen des Verstehens, wenn wir uns an der Form des offenen Gesprächs orientieren? Erstens kann ein wirklicher Dialog mit dem Anderen dessen Meinung und Einstellung in Bezug auf die zu verhandelnde Sache nicht einfach übergehen bzw. einfach ignorieren. Ein wirkliches Gespräch ist es nur, wenn der Verstehende sich auf das Verständnis, welches der Andere über etwas hat, wirklich einlässt, wenn er also die Sache nicht nur von der eigenen Seite aus stark macht, sondern die andere Seite auch zur Geltung kommen lässt. In der Verständigung über die Sache muss
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er dabei mit dem Anderen mitgehen, so wie dieser auch mit ihm, woraus sich potentiell ein wechselseitiger Prozess des Perspektivenwechsels mit dynamischer, d. h. perspektiven-verändernder Wirkung ergibt. Um das zu ermöglichen, ist eine andauernde ›Orientierung am Verständnis des Anderen‹ notwendig.10 Zweitens ist es problematisch, wenn die Situation, innerhalb dessen sich ein Dialog abspielt, völlig ausgeblendet bleibt. Hieraus folgt, dass sich eine reflexive Einstellung zum Anderen im Dialog auch der Einbettung des verstehenden Dialogs in objektive Praktiken und Kontexte bewusst werden muss. Eine ethische Anerkennung des Anderen muss sich demzufolge am vollen, d. h. vollends in symbolisch-praktische Kontexte gestellten Menschen, orientieren. Nur wenn auch die existentielle Befi ndlichkeit der sprechend-handelnden Subjekte mit einbezogen, und wenn darüber hinaus auch die strukturellen Schranken der jeweiligen Kontexte mit in den Verstehensprozess reflexiv einbezogen werden, kann dem Anspruch auf radikale Offenheit entsprochen werden. Drittens ist dem offenen Dialog auch wesentlich, dass die Beurteilung dessen, was da zur Sprache kommt, nicht von einer Seite dogmatisch vorgegeben wird. Die offene Orientierung am Selbstverständnis des Anderen über eine Sache muss sich darauf einlassen, dass im Gespräch eine Veränderung der Kriterien, Standards und Hintergrundevidenzen statthaben kann. Dieser Möglichkeit vorzubauen käme einer totalitären Geste gleich, die sich anmaßte, die Dynamik des Verstehens mittels des Besitzes absoluter Grundlagen überspringen zu können. Daraus aber wiederum folgt, dass die dialogische Einstellung nicht kriterial-epistemologisch gedacht werden kann, sondern vielmehr als eine praktische Einstellung, also gewissermaßen als Disposition rekonstruiert und entfaltet werden muss. Dies schließt eine im engeren Sinn ›normative‹, d. h. normierende und durch Regel- oder Imperativ-Vorgaben defi nierte Theorie aus.11 Dies wird wiederum der Einsicht in die bestimmende Rolle des intuitiv-kontextuellen Hintergrundwissens, die wir oben ansprachen, gerecht. Es muss also um eine je konkret aktualisierbare hermeneutische Kompetenz, um einen interpretativen Sinn fürs Gegebene, der für mehr und andere Sinnmöglichkeiten offen ist, gehen. Die dialogische Einstellung ist als ein hermeneutisches Dispositiv zu begreifen, d. h. eine permanent bestehende Verstehensmöglichkeit, die ergriffen, in Szene gesetzt, dramatisiert, oder aber verkannt, verstellt, vergessen werden kann. Gadamer kommt das Verdienst zu, verschiedene Verstehensmodi explizit auf 10 Wie freilich auch immer betont werden muss, dass sich dieses nur durch das eigene Vorverständnis, die eigenen ›basic vocabularies‹, also der jeweils eingespielten Sprach- und Bewertungspraktiken, erschließen lässt. Die dialogische Grundfi gur ist wesentlich reziprok ausgerichtet, beinhaltet dialektisch die Vermittlung von mindestens zwei Perspektiven, und schließt die Idee einer direkten und rein subjektiv-bestimmten Objekterkenntnis aus. 11 In dieser Hinsicht ist das, was Habermas in seiner Kommunikationstheorie vermeintlich an ›mehr‹ gegenüber Gadamer liefert, eher weniger, da die Bestimmung diverser Geltungsansprüche und damit Wertsphären das Verstehen in bestimmter Weise vorfestlegt, anstatt eine radikalere Möglichkeit der Offenheit gegenüber anderen Perspektiven – und damit auch Kategorien- und Wertannahmen – freizuhalten.
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deren (mehr oder weniger) normatives Potential untersucht zu haben. Ausgangspunkt ist dabei das lebensweltliche ›Ich-Du-Verhältnis‹, das systematisch zu methodologischen Einstellungen in den Geistes- und Sozialwissenschaften in Beziehung gesetzt wird. Ein kritischer Blick auf die Verknüpfung von methodologischen, ontologischen, und normativen Momenten in Gadamers Analyse ergibt eine gute Folie, um später den produktiven Beitrag der pragmatischen Hermeneutik zu ermessen. Um das besondere Profi l der hermeneutischen Erfahrung herauszustellen, geht Gadamer zunächst auf die Grundstruktur der Erfahrung überhaupt zurück. Erfahrung, so Gadamer, ist wesentlich negativ – allerdings in dialektischer Weise, denn werden Vorerwartungen in Bezug auf einen Gegenstand enttäuscht, negiert, aufgehoben, so erfolgt in der Erfahrung eine Reorganisation des Wissens, die mit dem Objekt, das als neues erscheint, auch das Subjekt, das sich durchs Objekt verstand, verändert. Wichtig ist, dass dieser Prozess selbst zu einer reflexiven Einstellung in Bezug auf die Offenheit der Erfahrung überhaupt führt. Diese Einsicht muss besonders im genuin hermeneutischen Verstehen der Geistes- und Kulturwissenschaften zur Geltung kommen, da diese es mit symbolischen Objektivationen zu tun haben. Deren Gegenstand ist dabei zunächst die Tradition, das überlieferte Wissen, deren Erschließung für Gadamer in Analogie zur Situation intersubjektiver Verständigung gedacht werden muss. »Überlieferung ist aber nicht einfach ein Geschehen, das man durch Erfahrung erkennt und beherrschen lernt, sondern sie ist Sprache, d. h. sie spricht von sich aus wie ein Du.«12 Gadamer räumt sofort ein, dass Verstehen der Tradition nicht selbst auf die konkrete Meinung eines individuierten Anderen bezogen, und damit ihres wahrheitsorientierten Sinnbezuges enthoben werden darf; Verstehen soll nicht heißen, »den überlieferten Text [...] als Lebensäußerung eines Du« zu verstehen, sondern Tradition enthält einen »Sinngehalt, der von aller Bindung an die Meinenden, an Ich und Du, abgelöst ist.«13 Doch weil im Text der Überlieferung die Sinnintentionen der traditionell situierten Subjekte, die damit selbst an der Wahrheit der Tradition teilhaben, ausgedrückt sind, muss der Zugang zum Kulturwissen der Tradition gleichermaßen als »echtes Ich-Du Verhältnis« begriffen werden: Gleichwohl muß das Verhalten zum Du und der Sinn der Erfahrung, der dort statthat, der Analyse der hermeneutischen Erfahrung dienen können. Denn ein echter Kommunikationspartner, mit dem wir ebenso zusammengehören wie das Ich mit dem Du, ist auch die Überlieferung.14 Gadamer: Wahrheit und Methode (Anm. 1), 340. Ebd. 14 Ebd. Vgl. auch Gadamers Ausführungen in der Einleitung: »In meinen Untersuchungen nimmt das Kapitel über die Erfahrung eine systematische Schlüsselstellung ein. Dort wird von der Erfahrung des Du her auch der Begriff der wirkungsgeschichtlichen Erfahrung beleuchtet. Denn auch die Erfahrung des Du zeigt die Paradoxie, daß etwas, was mir gegenüber steht, sein eigenes Recht geltend macht und zur schlechthinnigen Anerkennung nötigt – und eben damit ›verstanden‹ wird. Aber ich glaube richtig gezeigt zu haben, daß solches Verstehen gar nicht das Du versteht, sondern das, was es uns Wahres sagt.« Gadamer: Wahrheit und Methode (Anm. 1), XXIII. 12 13
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Mit dieser strukturellen Gleichsetzung des Ich-Du-Verhältnisses mit dem Verhältnis Interpret-Text kann Gadamer die Ich-Du-Beziehung zum Ausgangspunkt einer ethischen Bewertung methodologischer Einstellungen machen: »Daß die Erfahrung des Du eine spezifi sche sein muß, sofern das Du kein Gegenstand ist, sondern sich selber zu einem verhält, ist klar [...]. Da hier der Gegenstand der Erfahrung selbst den Charakter der Person hat, ist solche Erfahrung ein moralisches Phänomen und das durch die Erfahrung erworbene Wissen, das Verstehen des anderen, ebenfalls.«15 Dabei fällt zunächst die unverhohlen ontologische Argumentationsfigur auf, der zufolge die inter-subjektive Basis der hermeneutischen Erfahrung selbst schon deren moralischen Charakter verbürgen soll. Freilich bezieht sich die ontologische Vorerschließung nunmehr auf den dialogischen Rahmen, innerhalb dessen sich überhaupt erst ein authentisches Verständnis des Anderen artikulieren kann, und nicht auf den Inhalt des Selbstverständnisses des Anderen selbst. Sie verf ällt somit nicht einer Essentialismuskritik im engeren Sinne, da spezifi sche Seins- oder Selbstverständnisse durch die dialogische Erschließung nicht vorgegeben werden.16 Gadamer geht es vor allem um den Nachweis, dass sozialwissenschaftlich-objektivierende ebenso wie historisierend-empathetische Verstehensmodi dem moralischen Status des Anderen nicht gerecht werden. Allein das dialogische Verstehen entspricht, durch die Wahrheitsorientierung am Sinngehalt des Anderen, der ethischen Dimension des Verstehens. Die sozialwissenschaftliche Objektivation von strukturellen Merkmalen oder Aspekten des Verhaltens sieht Gadamer in einer lebensweltlichen Einstellung gegründet, welche im Anderen nur Typisches herausliest, um dessen Verhalten besser voraussagen und so kontrollieren zu können. Damit aber wird der Andere nicht als Ko-Subjekt anerkannt, sondern dient uns vielmehr »genauso als Mittel wie alle Mittel sonst. Moralisch gesehen bedeutet solches Verhalten zum Du die reine Selbstbezüglichkeit und widerstreitet der moralischen Bestimmung des Menschen.«17 Dieser objektivierenden Menschenkenntnis entspricht im hermeneutischen Raum der Sozialwissenschaften die Objektivation von sinnhaften Strukturen, da diese die Subjekte unter allgemeinen, quasi-gesetzmäßigen Zusammenhängen erfassen. Das sich selbst sinnhaft in der Tradition
Ebd. Dennoch ist hier bereits auf den merkwürdigen Status der Analogie zwischen dem ›IchDu-Verhältnis‹ und der hermeneutischen Erfahrung hinzuweisen, welche nach Gadamer zugleich dialogisch-intersubjektiver Natur und von aller Bindung an die konkrete Meinung des Anderen als Lebensäußerung abgelöst sein soll (vgl. Gadamer, Wahrheit und Methode (Anm. 1), 341). Hier zeigt sich, dass Gadamer selbst im Kontext einer an konkreter Intersubjektivität orientierten Argumentation das Verstehen eher als Einrücken in ein übersubjektives Geschehen, also als eine Teilhabe an einer radikal-historisierten und doch wahrheitsfördernden dritten Dimension oder Welt (in Freges oder Poppers Sinn) versteht, anstatt es als radikal geschichtliches Phänomen zwischen praktisch situierten Subjekten zu begreifen, wie etwa Rorty. Vgl. zur Kritik auch Hans-Herbert Kögler: Die Macht des Dialogs, Stuttgart 1992. 17 Gadamer: Wahrheit und Methode (Anm. 1), 341. 15 16
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artikulierende Subjekt wird so zu einem bloß objektivem Bestandteil des sozialen Tatsachenbereiches, und somit auf diesen reduziert. Die historisierende Einfühlung bzw. Nachkonstruktion von Sinn- und Handlungsintentionen ist dieser Einstellung zwar überlegen, da hier das Subjekt als Person, als individuell Handelnder, in Erscheinung tritt. Dennoch liegt dieser Sicht eine ebenso undialogische ›Weise der Selbstbezogenheit‹ zugrunde, die sich nach Gadamer aus einer falsch verstandenen Reflexivität des ›Ich-Du-Verhältnisses‹ herleitet. Dieses ›Ich-Du-Verhältnis‹ ist ja als solches nicht unmittelbar, sondern erfasst den Anderen bewusst als Anderen. Dieses verstehende Erfassen kann aber nun durch die reflexive Distanz dazu führen, dass sich der Verstehende selbst aus der genuin intersubjektiven Beziehung zum Anderen gleichsam herausreflektiert. »Damit verliert das Du die Unmittelbarkeit, mit der es seinen Anspruch an einen richtet.«18 Die neue Unerreichbarkeit des Interpreten, dessen ›Sichherausreflektieren‹ aus dem Für-und-wider des Austausches mit dem Anderen, erweist sich wiederum als unethisch. Das wird deutlich in der Beziehung dieser Einstellung zur Fürsorge, die sich anmaßt, das Verstehen des Anderen für diesen selbst besser als dieser selbst leisten zu können. Indem man den anderen versteht, ihn zu kennen beansprucht, nimmt man ihm jede Legitimation seiner eigenen Ansprüche. Insbesondere die Dialektik der Fürsorge macht sich auf diese Weise geltend, indem sie alle mitmenschlichen Verhältnisse durchdringt.19
Dem entspricht auf der methodologischen Ebene die Einstellung des historischen Verstehens, welches sich empathetisch in alle möglichen Verhältnisse und subjektiven Erfahrungslagen hineinzuversetzen sucht, ohne den Anderen als ein für eigene Belange herausforderdendes Subjekt wahrzunehmen. Der Andere wird also, gerade durch das empathetische Sichhineinversetzen, in sicherer Distanz zu den eigenen Vorannahmen und Selbstverständnissen gehalten. Eine angemessene Einstellung des Ich zum Du hat demgegenüber das ›Sichinsspielbringen‹ des Interpreten selbst zum Zentrum. Es geht darum, dem Anderen als Subjekt gerade dadurch moralisch ›Gehör zu verschaffen‹, d. h. seinen Anspruch nicht zu überhören und sich etwas von ihm sagen zu lassen. Die Kantianisch anmutende Formulierung eines moralischen Anspruchs, der dem Anderen als menschliches Subjekt zu gewähren ist, wird dabei von Gadamer organisch in die dialogische Erschließung integriert, und dennoch als in seiner Differenz hörbare Stimme des Anderen verstanden. Ein vollständig reflexives Verstehen ist sich der Wichtigkeit dieser Offenheit gegenüber den Anderen bewusst. Es versteht sich damit als wirkungsgeschichtliches Bewusstsein gegenüber der Überlieferung, das selbst ins Gespräch mit dem Anderen unentrinnbar eingebettet bleibt. Die metareflexive Einsicht in die Einbettung des Verstehens in das Traditionsgeschehen erwirkt somit 18 19
Ebd. Ebd., 342.
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ein reflexives Sich-auf-den-Dialog-Einlassen. Der symbolische Ausdruck oder Text des Anderen wird dann als wahrheitsbeanspruchende Perspektive bezüglich der Sache angesehen. Interpretation wird damit zur Rekonstruktion der Fragestellung, die den jeweiligen Perspektiven in ihrem Wechselspiel zugrunde liegen, worin sich der Andere als moralisches Subjekt anerkannt weiß. Gadamer scheint zunächst mit seinem Dialogmodell einen überzeugenden Rahmen zu entfalten, innerhalb dessen sich im Verstehen das Selbstverständnis des Anderen artikulieren kann. Die Orientierung am Wahrheitsanspruch des Anderen stellt den Bezug zum eigenen fürwahrgehaltenen Vorverständnis her; es nimmt in der expliziten dialogischen Einstellung dessen konkrete Ansprüche (in Relation zu den eigenen Annahmen) wahr; und es erlaubt so eine die intersubjektive Gemeinschaft ermöglichende Verbindung zwischen Subjekten: »Ohne solche Offenheit füreinander gibt es keine echte menschliche Bindung.« 20 Tatsächlich aber fragt sich, ob in dem sprachontologisch ausgerichteten, ausschließlich an Wahrheitsansprüchen orientierten Modell ausreichend Platz für alle ethisch relevanten Momente des Verstehens ist. Hier kann womöglich eine pragmatisch ausgerichtete Hermeneutik weiterhelfen. Das anti-essentialistische Selbstverständnis der Position Rortys erlaubt uns, die Gadamer’sche Transformation der Kantischen Anerkennung der subjektiven Autonomie in die dialogische Anerkennung des Anderen als wahrsprechendes Subjekts nicht derart an die Stelle des früheren Erkenntnissubjekts zu setzen, dass nunmehr alle alternativen Verstehensansätze von vornherein ausgeklammert werden müssten. Wie wir gerade sahen, rückt bei Gadamer die dialogische Anerkennung als ausschließlicher Modus des rechten Zugangs zum Anderen an die Stelle einer Explikation von Verstehen überhaupt. Rorty macht demgegenüber deutlich, dass die Hermeneutik gerade nicht die von der gescheiterten Erkenntnistheorie freigewordene Stelle neu besetzt, sondern ihre Bedeutung in einer flexibleren, selber offeneren Weise des Umgangs mit Sinn und Erfahrung zu fi nden hat.21 Mit anderen Worten, die hermeneutische Erfahrung muss sich selbst immer wieder der möglichen Pluralität des verstehenden Zugangs zum Sinn bewusst bleiben und dabei der Versuchung widerstehen, nunmehr in fundamental-hermeneutischer Weise alles mögliche Verstehen von einer einzigen Dimension her begreifen zu wollen. Auch wenn wir Hermeneutik so verstehen, werden uns Gadamers Reflexionen zu einer normativ angemessen Erschließung des Anderen, die eine dialogische Wahrheitsorientierung beinhaltet, deshalb nicht weniger bedeuten müssen. Wie sich zeigen wird, bleibt diese Dimension eine wesentliche normative Wurzel des Verstehens, da sich allein über die Anerkennung der wahrheitseröff nenden Perspektive des Anderen dessen nicht-objektivierbarer Subjektstatus begründen lässt. Was aber 20 Ebd., 434. Gadamers Hermeneutik wird damit vor allem dem ersten der drei eingangs genannten normativen Präsuppositionen des offenen Dialogs, also dem Sichorientieren am Sinnanspruch des Anderen, gerecht. Die reflexive Einbettung des Dialogs in objektive Kontexte sowie die Überwindung der eigenen Bewertungskriterien sind weniger klar einbezogen. 21 Vgl. Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), 1979, Teil III.
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nun in den Blick zu rücken vermag, sind jene Momente unserer hermeneutischen Existenz, die nicht in der sprachlich vermittelten Form der wahrheitsorientierten Horizontverschmelzung aufgehen. Es geht dabei um die konkrete, je individuell erfahrene Existenz des Subjekts, ebenso wie um die sozial-kulturell existierenden Kontexte, innerhalb dessen sich die verstehenden Subjekte immer schon befi nden. In einer umfassenden Verstehenstheorie muss der volle Hintergrund des Verstehens in seiner sinnstrukturierenden Kraft zur Geltung kommen. Wie schon Heideggers Hermeneutik der Faktizität betont, steht der Handelnde immer schon in emotionalstimmungshaft gefärbten, intersubjektiv-sozialpraktisch strukturierten Zusammenhängen.22 Anzunehmen, dass sich diese Dimensionen restlos in kommunikativ-intersubjektiven Sphären universal-artikulierbarer Wahrheitsansprüche auf höben, dass sie sich also gleichsam rest- und nahtlos in die Ebene der expliziten symbolischen Vermittlung einfügten, käme einem idealistischen Fehlschluss gleich. Wenn emotionale Befi ndlichkeitslagen und sozialstrukturelle Praktiken ins Selbstverständnis der Subjekte bildend hineingreifen, sind sie auch explizit, d. h. in einer sie explizierenden Weise, zu thematisieren. Genau diese Thematisierungen hat sich Gadamer aber, wie wir eben rekonstruierten, methodologisch verboten, da diese scheinbar einer unzulässigen Objektivierung des Subjekts im Modus des Verstehens gleichkommen. Verstehen habe als Gegenstand ein nie im Objektsein aufgehendes Subjekt zum Gegenüber, und muss diesem deshalb immer gleichsam dialogisch frontal, in einer unmittelbar wahrheits-problematisierenden Einstellung, begegnen.23 Wenn wir uns nun aber andere Zugangsweisen pragmatisch offenhalten, die zusätzlich in einer Kritik der fundamentalen Sprachontologie als vollständigem Modus der hermeneutischen Existenz ihren Halt fi nden,24 dann entlarvt sich Gadamers Ausschließlichkeitsanspruch des dialogischen Wahrheitsverstehens auch methodologisch als fragwürdig. Tatsächlich liegt bei Gadamers exklusiver Auszeichnung des wahrheitsorientierten Dialogs ein methodologischer Kurzschluss von lebensweltlichen Einstellungen hin auf die methodologischen Perspektiven der Geistes- und Sozialwissenschaften vor. Gadamer sieht nicht, dass das, was sich im intersubjektiven Bereich als moralisch unzulässige Objektivierung des Anderen ausnimmt, in der reflexiven Brechung der verstehenden Wissenschaften einen völlig anderen Sinn annimmt. In diesen Verstehensbereichen geht es ja nicht wie im direkten intersubjektiven Gespräch um die Herstellung einer intersubjektiven Beziehung, an die unmittelbar moralische Maßstäbe angelegt werden können. Sicher muss auch der biographisch oder narrativ ausgerichtete Historiker ebenso wie der empirische Sozialwissenschaftler seinen Objektbereich hermeneutisch zunächst einmal erschließen, was eine gewisse Anknüpfung an die eigenen für wahr gehaltenen, oftmals unbefragten Martin Heidegger: Sein und Zeit, Tübingen 151979, Martin Heidegger: Ontologie. Hermeneutik der Faktizität, Frankfurt/M. 1988. 23 Gadamer: Wahrheit und Methode (Anm. 1); siehe auch Jürgen Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt/M. 1981. 24 Kögler: Macht des Dialogs (Anm. 16), 70 ff . 22
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Hintergrundannahmen unabdingbar macht. In dieser sinnidentifi zierenden Phase des erschließenden Verstehens spielt also durchaus eine Art von hermeneutischer Anerkennung eine Rolle, denn ohne die (wie auch immer vom Eigenen her vermittelte) Orientierung am Selbstverständnis des Anderen wird dieser überhaupt nicht als sozialer Agent bestimmbar. Doch von dieser Vorerschließung auf die Notwendigkeit des direkt-wahrheitsorientierten Verstehens zu schließen, und diesen Modus als den normativ einzig akzeptierbaren zu behaupten, verkennt das normative Potential ebenso wie die Intention des reflexiv-rekonstruierenden Verstehens in den interpretierenden Disziplinen. Vielmehr geht es in empathetisch nachvollziehenden ebenso wie in empirisch objektivierenden Verfahrensweisen nicht um die Verdinglichung der Subjekte. In der erstgenannten Form des Verstehens geht es vielmehr um die Rekonstruktion der subjektiven Erfahrungsmomente, die als solche nicht restlos in einem kulturell geteilten Verständnishorizont aufgehen. Statt das Subjekt als Person völlig hermeneutisch kontrollieren zu wollen, wie Gadamers überscharfe Kritik dieses Verstehens als Fürsorge suggeriert, geht es demgegenüber um die Rettung des Subjektiven, Nichtallgemeinen, Partikularen, welche in der narrativen Form einer besonderen Geschichte das Individuelle einer Erfahrungslage oder Lebenssituation zum Ausdruck zu bringen hat. In der zweiten Form des Verstehens, dem der sozialwissenschaftlichen Objektivierung des Subjekts, geht es wiederum nicht um eine objektivistische Reduktion des Handelnden in dessen Ganzheit auf generelle Faktoren. Vielmehr soll die Analyse die empirischen Faktoren, die als externe und interne Einschränkungen den Erfahrungs-, Denk- und Handlungsspielraum der jeweiligen Subjekte sozialstrukturell begrenzen, explizit gemacht werden. Hier geht es also um eine kritische Rekonstruktion der objektiven Faktoren, die wiederum eine reflexive Einstellung der Subjekte zu diesen Faktoren ermöglichen soll. Die Klassifi zierungen und Objektivationen der sozialen Welt selbst werden dabei durch die sozialwissenschaftlichen Meta-Objektivationen erst sichtbar und so der informierten Handlungsfähigkeit der Subjekte zugänglich gemacht.25 Eine Auseinandersetzung mit Rortys pragmatischer Hermeneutik soll uns im Fortgang heuristisch als Ausgangspunkt dienen, diese Kritik der verschiedenen Verstehensmomente über die philosophische Hermeneutik hinaus weiter zu entfalten. Als intuitiver Rahmen dient dabei die Konzeption des praktisch situierten 25 Diese Charakterisierung bestimmt beide Grunderschließungsformen dabei selbst schon von einer normativen Perspektive, die an der Anerkennung des Anderen als verstehendem KoSubjekt interessiert ist. Genauer wäre es vielleicht zu sagen, dass die empathetischen und sozialwissenschaftlichen Verfahren jeweils von einem normativen Verwendungskontext abhängen, der diese entweder zum Ziel der instrumentellen Kontrolle oder aber im Sinne einer reflexiven Selbstbestimmung der Subjekte einsetzen kann. So wurden empathetische Verfahren im Kolonialismus eingesetzt, um die ›Natives‹ zu erklären und deren Verhalten vorherzusagen, und soziologisches Wissen ist oftmals Verwaltungswissen, das tatsächlich der Vorhersage und Kontrolle des ›Verhaltens‹ der Subjekte dienen soll. Doch diese Objektivierungsmodi sind dem Wissen nicht inhärent, sondern werden diesem von moralisch zweifelhaften Kontexten aufgedrungen.
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Subjekts, das sich immer schon in kulturell spezifi schen Kontexten vorversteht, zugleich jedoch durch die sprachliche Vermittlung, und vor allem durch die dadurch ermöglichte Reflexivität, auch zu kritischer Distanzierung und kreativer Fortentwicklung f ähig ist. Rortys Beitrag kann hier vor allem in drei Punkten helfen. Erstens stellt dessen Zurückweisung der zentralen Stellung des Wahrheitsbegriff s eine klare Herausforderung an die Hermeneutik dar, die Rolle des wahrheitsbezogenen Dialogs und damit die Funktion einer Orientierung an der wahrheitseröff nenden Perspektive im Dialog genauer zu explizieren. Hier wird sich zeigen, dass hermeneutisches Verstehen Wahrheit ohne Korrespondenz denken kann, dass sich eine solche Perspektive zu Recht für normativ grundlegend hält, und dass die daraus folgende Offenheit Raum für kritische Reflexivität enthält. Zweitens erlaubt Rortys pragmatische Einstellung jedoch zugleich, Verstehen nicht ausschließlich an der Anerkennung der Wahrheitsdimension des anderen Selbstverständnisses auszurichten.26 Wir können dadurch eine Rehabilitierung des narrativ-empathetischen Verstehens durchführen, die die konkrete subjektiv-existentielle Situation des Anderen besser als die sprachontologisch grundgelegte Hermeneutik einzufangen vermag. Rortys Überlegungen treffen sich hier mit einer neueren Tendenz zur Neubewertung der wichtigen Rolle der Empathie im Verstehen, die Gadamers völlig von der Psychologismuskritik bestimmte Abwertung der Einfühlung überwindet.27 Schließlich kann Rortys Plädoyer für eine hermeneutische Sensibilisierung für das Leiden Anderer den Ausgangspunkt bilden, eine hermeneutische Beziehung zwischen dem Leiden der Subjekte und der Rekonstruktion der sozialen Situation herzustellen. Die narrativ-empathetische Verstehensweise wird dabei als genuine Form des moralischen Erfahrens und Empfi ndens ausgewiesen, die sich zwar der sprachlichkulturellen Vermittlung der subjektiven Erfahrungslagen bewusst sein muss, aber dennoch das Verstehen als Mit-Erfahrung des Leidens selbst, und nicht als vermittelter Anspruch über das Leiden, zugänglich machen soll. Das Verstehen Anderer kann so zu einem emotionalen Motivationsmotor einer situierten Sozialethik werden, die ohne jede metaphysische Rückendeckung auskommt. Freilich fehlt bei Rorty selbst der entscheidende Schritt von einem nachvollziehenden Verstehen des Vor allem Gadamers sprach-ontologische Verknüpfung von Wahrheit und hermeneutischer Existenz verstellt den Weg auf mehr Offenheit, während Rorty durch seine Meta-Kritik am Einheits- bzw. Ursprungsdenken, schon vor dem Vorschlag konkreter Alternativen, einer Pluralisierung der Verstehensperspektiven den Weg bereitet. 27 Vgl. Empathy and Agency, hg. von Hans-Herbert Kögler und Karsten Stueber, Boulder 2000, Karsten Stueber: Rediscovering Empathy, Cambridge/Mass. 2006. In diesen Studien werden neuere Ergebnisse der Kognitionsforschung diskutiert, die eine besondere Rolle der Empathie bzw. des intuitiv-simulierten Perspektivenwechsels für das intersubjektive Verstehen behaupten. Die Fähigkeit zur Einstellungsübernahme stellt dabei eine wichtige Voraussetzung für Spracherlernen dar, wird aber durch dieses selbst wiederum symbolisch vermittelt und transformiert. Es wird gemeinhin zugestanden, dass das Verstehen sozialer Akteure eine reflexive Rekonstruktion der symbolisch-kulturellen Perspektiven einschließen muss, wodurch einem Rückfall auf die frühere psychologistische Einfühlungstheorie vorgebaut wird. 26
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Leidens und einer strukturell ausgerichteten Analyse der zugrundeliegenden gesellschaftlichen Kontexte. Um ein umfassendes Verstehenskonzept in der Auseinandersetzung mit Rorty zu gewinnen, werden wir uns zunächst ausführlich mit der normativen Rolle der Wahrheit im dialogischen Verstehen beschäftigen, um darauf hin die Rolle des narrativ-empathetischen Verstehens sowie die Frage nach der reflexiven Einbindung der objektiven Verstehenssituation in die hermeneutische Erfahrung zu behandeln.
Wahrheit als nachvollziehende Erschließung von Offenheit Rorty wird durch seine Kritik der Korrespondenztheorie der Wahrheit und die einhergehende Essentialismuskritik dazu verleitet, Wahrheit überhaupt als hilfreichen philosophischen Begriff zu verabschieden.28 Eine Aussage wahr zu nennen soll dabei nicht mehr bedeuten, als ihr im Kontext unserer gegenwärtigen Rechtfertigungspraktiken ein Kompliment zu machen, sie als ›bewährt‹ anzusehen. Dabei ist es uns verwehrt, jenseits dieser Praktiken die Aussagen mit der Welt oder den Tatsachen an sich zu vergleichen.29 Das nämlich würde einen Gottesgesichtspunkt, also einen Standpunkt über unseren Praktiken und Überzeugungen voraussetzen. Tatsächlich aber können wir nicht aus unserer Haut, müssen also jeweils von unseren Überzeugungen and Hintergrundannahmen ausgehend die Welt erschließen, die somit nicht unabhängig von unserer Begriffen und Vokabularien erfahrbar gedacht werden kann. Die Idee eines Dings-an-sich bzw. einer Welt, die (a) existiert und objektiv für sich strukturiert ist, und (b) absolut unerkennbar sei, macht nach Rorty keinen Sinn.30 Der Verweis auf eine solche Welt ist entweder völlig leer, indem sie bloß als eine abstrakte Möglichkeit beschworen wird, oder aber im schlechten Sinn zirkulär, da jede weitere Bestimmung dieser Welt oder des Dings-an-sich Anleihen an unserem Begriff sschema machen muss, und somit unsere Perspektive schon vor28
Vgl. Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), 129 ff.; ders.: Consequences of Pragmatism (Anm. 8),
xiii ff. Innerhalb dieser Praktiken ist es durchaus möglich und mitunter sinnvoll zu fragen, ob etwas tatsächlich so oder so ist, also es sich so wie in der Aussage gemeint verhält. Nur verlässt man nach Rorty mit dieser Fragestellung nicht den internen Regelkreis eines jeweils eingespielten Sprach- und Rechtfertigungsspiels. Man verhält sich vielmehr gerade nach dessen Regeln, in dem man diese zugrunde legt und dann fragt, ob sich eine propositional strukturierte Aussage auch tatsächlich auf einen entsprechenden Sachverhalt bezieht. Da der entsprechende Sachverhalt jedoch immer schon als solcher nur durch die entsprechenden Vokabularien oder Begriff sschemata bestimmt werden kann, die auch der Aussage und ihrer Fragerichtung zugrunde liegen, handelt es sich bei einer solchen Bezugnahme nie um eine objektive Vergleichung zwischen Aussage oder Sachverhalt, den eine Korrespondenztheorie der Wahrheit zugrunde legen muss. 30 Rorty kann sich hier auch auf Putnam’s Kritik der Unerreichbarkeit des Gottesstandpunktes für uns stützen. Siehe Hilary Putnam: Reason, Truth, and History, Cambridge/Mass. 1981. 29
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aussetzt. Damit aber wird für Rorty die Idee der Bezugnahme von sprachlichen Aussagen auf etwas in der Welt – auf das, was mit ihnen gemeint ist – zu einer Sprachspiel-internen Angelegenheit. Der Begriff der Wahrheit verliert jeden philosophischen Biss.31 Wenn Wahrheit keine wirkliche Funktion mehr hat, so scheint es, kann auch die Orientierung am Wahrheitsanspruch des Anderen keinen Sinn mehr machen. Rorty beschreibt das Verstehen anderer Subjekte demnach auch als prinzipiell gleichartig mit Interpretation in den Naturwissenschaften bzw. in Bezug auf nichtmenschliche Phänomene. 32 Wenn der Bezug zu außersprachlicher Realität aufgegeben wird, dann kann Interpretation immer nur die mehr oder weniger gelingende Integration in bzw. Bezugnahme auf die eigenen Überzeugungen und Vorannahmen bedeuten. Rorty schließt durch seinen radikalen Nominalismus, der aus der Ablehnung des metaphysischen Realismus stammt, jede ontologische Unterscheidung in Bezug auf zu verstehende Sachbereiche als unzulässig ab. Weil die andere Seite der Verstehensgleichung sozusagen von vornherein verstellt ist, weil alle Beobachtung theoriegeladen und somit hermeneutisch indiziert ist, wird Interpretation immer bloß ein ›Coping‹, ein Versuch sein können, das, was fremd und andersartig erscheint, in unser gängiges Vokabular einzuschließen.33 Dabei macht es keinen prinzipiellen Unterschied, ob der Andere ein menschliches Subjekt oder ein Naturobjekt ist, ob es sich also um Atome, Tintenfi sche, Heiratsbräuche der australischen Ureinwohner oder etwa die letzte amerikanische Präsidentschaftswahl handelt. ›Hermeneutik‹ ist schlicht die Bezeichnung für ein Vorgehen, das wir anwenden, wenn uns unklar ist, wie das oder der andere zu verstehen sei, also 31 Rorty will damit nicht sagen, dass wir von der Welt irgendwie, womöglich in einem idealistischen Sinn, abgeschnitten sind. Im Gegenteil, die Kritik der Korrespondenztheorie der Wahrheit beinhaltet hingegen auch eine Zurückweisung der Möglichkeit eines radikalen Skeptizismus, demzufolge unser Begriff sschema als ganzes verfehlt sein könnte. In dem Essay The World Well Lost erklärt Rorty: »We shall automatically be ›in touch with the world‹ (most of the time) whether or not we have any incorrigible, or basic, or otherwise privileged or foundational statements to make.« Rorty: Consequences of Pragmatism (Anm. 8), 13. Rorty folgt Davidsons Sprachholismus, demzufolge das Verstehen von Aussagen an die Maximierung der in ihnen ausgedrückten wahren Überzeugungen geknüpft ist. Sofern wir also überhaupt verstehen, also mit Sprache Sinn machen, sind wir schon in der Wahrheit bzw. Welt. Nur dass diese Welt bzw. Wahrheit eine jeweils von unseren eigenen holistischen Hintergrundannahmen aus konstruierte ist, und nicht den harten Bezug auf das absolute Sein – jedenfalls nicht im Sinne von direkten Aussagen/Sachverhalten Korrelationen – an sich verbürgt. Wahrheit wird hier konsequent nicht als Korrespondenz, sondern als Kohärenz wahrer Aussagen untereinander bestimmt, wobei sich die Sprache als ganze auf die Welt (dürfen wir sagen: erschließend?) bezieht. 32 Vgl. Richard Rorty: Inquiry as Recontextualization. An anti-dualist Account of Interpretation, in: ders.: Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers, Vol. I, Cambridge/New York 1991, 93–110. Zur Kritik siehe Hans-Herbert Kögler: Beyond Dogma and Doxa. Truth and Dialogue in Rorty, Apel, and Ratzinger, in: Dialogue and Universalism 7–8 (2005), 85–103, siehe auch schon Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), Teil III. 33 »Hermeneutics is not ›another way of knowing‹ – ›understanding‹ as opposed to (predictive) ›explanation‹. It is better seen as another way of coping.« Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), 356.
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nach welchen Standards, Kriterien, und im Licht welcher Vorannahmen wir das jeweilige Phänomen am besten verständlich machen und einordnen können. Epistemologisches Vorgehen hingegen bezieht sich auf bekannte, handhabbare Erfahrungen, bei denen wir keinen Zweifel über die anzuwendenden Kriterien oder Deutungsschemata haben. Tatsächlich steht diese Ansicht aber in einer gewissen Spannung zu Rorty ebenfalls dezidierter Intention, die Verstehen- und Erfahrungsspielräume derart auszuweiten, das uns die Perspektiven, Erfahrungen, und somit auch Bewertungs- und Rechtfertigungspraktiken anderer Subjekte als solche zugänglich und verständlich werden. So betont Rorty: My position is not incompatible with urging that we try to extent our sense of ›we‹ to people whom we have previously thought of as ›they‹. This claim […] rests on nothing deeper than the historical contingencies […] which brought about the development of the moral and political vocabularies typical of the secularized democratic societies of the West.34
Die Horizonterweiterung der menschlichen Solidargemeinschaft, vor allem im Licht der Auf klärung, geht dabei freilich von einer das rationale Selbstverständnis der Subjekte anerkennenden Form des Verstehens aus. Wir können in Gadamers Reformulierung dieser Anerkennung als der Orientierung am Wahrheitsanspruch des Anderen als Versuch erkennen, die Intuition einer derartigen Offenheit gegenüber dem Anderen auch nach der Kritik der universalistischen und essentialistischen Prämissen der Auf klärung und (frühen) Moderne zu retten. Lässt sich dieser Versuch aber mit Rortys radikaler Kritik an Wahrheit als Korrespondenz vermitteln? Ist es möglich, die Orientierung an der wahrheitsbestimmten Überzeugung des Anderen als eine grundlegende normative Dimension des intersubjektiven Verstehens auszuweisen, auch nachdem der Versuch einer philosophischen Explikation der ältesten Wahrheitsdefi nition, d. h. von Wahrheit als Korrespondenz, als gescheitert gelten muss? Hat die Orientierung an Wahrheit im Verstehen dann überhaupt noch einen angebbaren Sinn?35 Die Orientierung an der möglichen Wahrheit des Aussagen des Anderen hat bei Gadamer den Sinn, diesen als vollwertigen Gesprächspartner, der einem emphatisch etwas zu sagen hat, anzuerkennen, also dessen Aussage als für das eigene Denken relevante Perspektive offen zu halten. Rortys Metakritik der Wahrheit macht deutlich, dass diese Wahrheitsöff nung nicht mit einer Korrespondenztheorie identifi ziert oder verwechselt werden darf, und zwar weder in Bezug auf das im Richard Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity, Cambridge/New York 1989, 192. Rorty selbst skizziert eine Wahrheit überspringende Vision solidarischer Politik, in der kooperative Praktiken, in der die Subjekte sich frei und kreativ entfalten können, Konsense, und so ›Wahrheit‹, ermöglichen sollen, gemäß dem Motto: ›Take care of freedom, and truth will take care of itself.‹ Von der dialogischen Hermeneutik Gadamers sieht das Verhältnis genau umgekehrt aus, da hier die wahrheitsorientierte Einstellung eben jene Anerkennung, die wiederum die Autonomie des Anderen garantiert, überhaupt erst begründet und möglich macht. 34 35
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Gespräch intendierte Wissen von Sachverhalten, noch auf den vermeintlich objektiv zu bestimmenden Sinngehalt der Meinung des Anderen. Vielmehr geht es im Gespräch um das Verständnis einer von beiden Gesprächspartnern gemeinten Sache. Gadamer macht deutlich, dass sich sprachliches Sinnverstehen nur als Verständnis der Sache begreifen lässt, was wiederum beinhaltet, dass sich im Sachverstehen das eigene Vorverständnis in Bezug auf die Sache zur Geltung bringen muss. Verstehen besteht somit in einer Vermittlung des eigenen mit dem begegnenden Sachverständnis, und da beide auf holistischen Hintergrundannahmen aufruhen, wird dieses Verstehen als Horizontverschmelzung begreif bar. Gadamer geht also immer schon von der intersubjektiven Situation bereits vorerschlossener Sachverständnisse aus. Sind diese Sachverständnisse dann aber selbst nur von der Sprache her, von dem sprachinternen Sachverständnis der jeweils hermeneutisch zu vermittelnden Horizonte aus zu denken? Würde eine solche Lesart nicht Rortys Kritik der objektiven Korrespondenz von sprachlichen Aussagen zu etwas Außersprachlichem entsprechen, dabei aber zugleich auch unklar werden lassen, wieso hier überhaupt noch von Wahrheit, und nicht einfach z. B. von sprachspiel-relativer Überzeugung, die Rede sein kann? Der hermeneutische Wahrheitsbezug lässt sich durch Verweis auf Heideggers grundlegende Weichenstellung in dieser Frage verdeutlichen. Heidegger reinterpretiert die sogenannte Korrespondenzbeziehung, die zwischen Urteil bzw. Aussage und dem ›objektiv‹ bestehenden Sachverhalt bestehen soll, durch das Phänomen der ›Ausweisung‹. Die Wahrheit der Aussage ›Das Bild an der Wand hängt schief‹ bewährt sich in dem erschließenden Nachvollzug der in dieser Aussage ausgedrückten Situation. Die Aussage beschreibt Welt- bzw. Sachverhalte in bestimmter Weise. Diese Aussagen-Erschließung, die Heidegger das ›apophantische Als‹ nennt, gründet dabei in einer symbolisch-praktisch situierten Vorerschließung, die das sach-verstehende Subjekt immer schon mit der Welt vermittelt hat, dem ›hermeneutischen Als‹. Weil wir immer schon in der Welt sind, Welt und deren Sachverhalte für uns gegeben, erschlossen, sind, können wir bestimmte Sachverhalte in der Welt als bestimmte entdecken. Diese Entdeckung des Seienden wird in Aussagen ausgedrückt, die sich dann als wahr erweisen, wenn das in ihnen zur Sprache kommende angemessen zum Ausdruck gebracht wird. Die Aussage des schief hängenden Bildes erweist sich dann als wahr, wenn deren apophantischer Sinn – der auf das Bild, also die Sache selbst und nicht etwa auf eine Idee oder Vorstellung bezogen ist – durch eine nachvollziehende Erfahrung des Subjekts bestätigt wird. Eine wahrheitsbeanspruchende Aussage bewährt sich also dann als wahr, wenn die in ihr erschlossene ›Wahrheit‹ auch von der wirklichen Erfahrung bestätigt wird.36 36 Heidegger: Sein und Zeit (Anm. 22), 218: »Zur Bewährung kommt, daß das aussagende Sein zum Ausgesagten ein Aufzeigen des Seienden ist, daß es das Seiende, zu dem es ist, entdeckt. Ausgewiesen wird das Entdeckend-sein der Aussage. Dabei bleibt das Erkennen im Ausweisungsvollzug einzig auf das Seiende bezogen. An diesem selbst spielt sich gleichsam die Bewährung ab [...]. Die Aussage ist wahr, bedeutet: sie entdeckt das Seiende an ihm selbst.«
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Bei Heidegger wird also der Wahrheitsanspruch der Aussage nicht durch Korrespondenz zweier Entitäten – dem Urteil, der Aussage, oder der Vorstellung auf der einen Seite, und dem Gegenstand bzw. Sachverhalt auf der anderen Seite – expliziert. Vielmehr enthält die Aussage ihrem Sinn gemäß eine artikulierte Beschreibung eines Soseins, dass ›hinweisend‹ das bestimmte Sein eines Gegenstands (einem Seienden) bzw. Sachverhaltes erschließend entdeckt. Erschließende Entdeckung meint, dass die Aussage immer direkt auf den Gegenstand gerichtet ist, ihn als solchen meint, dabei aber zugleich dessen Sein immer schon in bestimmter Weise vorerschlossen hat. Diese Vor-Erschließung rekonstruiert Heidegger in Sein und Zeit als das symbolisch-praktische In-der-Welt-Sein des Daseins. Gadamer zeichnet hier, dabei an den späten Heidegger anknüpfend, in besonderer Weise die Rolle der Sprache aus, weil sich in ihr überhaupt erst ein Seinsverständnis artikulieren kann – weil, in der berühmten Formulierung, ›Sein, das verstanden werden kann, Sprache ist‹. Entscheidend ist, dass sich die Aussage intentional auf die Sache selbst richtet und ihr insofern ein Wahrheitsanspruch innewohnt, zugleich aber die Artikulation der Sache nie von der erschließenden Sprachlichkeit abtrennbar ist. Die Sache selbst zeigt sich also durch die Aussage, die als hinweisendes Medium zugleich das Medium der Aussagbarkeit des Seienden in seiner Wahrheit wird.37 Mit dieser Wendung wird auch deutlich, dass die Bewährung der Wahrheit eine intrinsisch intersubjektive Dimension annimmt. Wenn Wahrheit eine erschließende Entdeckung von Seienden wird, diese Entdeckung aber nicht unmittelbar, sondern nur durch die Horizonte welterschließender Sprachen möglich ist, wird die Bewährung der entdeckenden Aussagen selbst zu einer Frage der Interpretation. Das an der Wand schief hängende Bild muss von dem, der diese Aussage eines Anderen versteht und durch Hinwendung zum Bild überprüft, auch so verstanden werden. Es muss eine gemeinsame geteilte Vorerschließung geben, der gemäß sich die tatsächliche Erfahrung auch bei den beteiligten Subjekten bewähren kann. Damit sind wir beim genuin hermeneutischen Wahrheitsbegriff angelangt. Die dialogische Offenheit gegenüber dem Wahrheitsanspruch des Anderen bedeutet, dass sich der Interpret auf die Entdeckungsdimension der welterschließenden Aussage des Anderen einlässt, dass er die Möglichkeit einer die eigene Sichtweise transformierenden Konfrontation mit anderen Überzeugungen zulässt. Die Betonung der Weltoffenheit der Sprache begründet und stärkt also die intersubjektive Offenheit gegenüber der Welterfahrung des Anderen, der man sich nun als wirklicher Herausforderung stellt.
37 Heideggers Wahrheitsbegriff ist starker Kritik begegnet, vor allem in der immer noch diskutierten Form von Ernst Tugendhat. Zur Relativierung von Tugendhats Kritik, unter Einbeziehung der relevanten Forschungsliteratur, siehe Santiago Zabala: The Hermeneutical Nature of Analytical Philosophy. Ernst Tugendhat, New York 2008.
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Wahrheit wird somit artikulierbar im Prozess des Aushandelns der beteiligten Überzeugungen, die als Perspektiven auf eine gemeinsame (zunächst von mir aus projizierte) Sache bzw. Fragestellung gelten. Wahrheit heißt das insofern, als die im produktiven Dialog sich herausbildenden Überzeugungen an der echten und offenen Auseinandersetzung mit dem Phänomen, das vom Anderen in ein neues Licht gerückt wird, gewonnen sind, dennoch aber nie von dieser gewonnenen Perspektive ablösbar und mit der Sache direkt verglichen (und dann als korrespondierend oder gar nicht bewertet) werden können. Die sich in diesem hermeneutischen Realismus herstellende Objektivität ist dabei immer aus dem interpretativen Spielgeschehen des Hin und Her zwischen Eigenem und Anderem hervorgegangen.38 Damit einher geht auch, dass sich im Verstehen der Prozesscharakter derart auf die verhandelten Sachen überträgt, dass weder der Welt noch dem verstehenden Selbst ein unveränderbares Wesen zugeschrieben werden kann. Was ist, wird verstanden, insofern es sich durch dialogische Interpretation zeigt, und ist dennoch auf die Welt selbst, und nicht auf ideale oder mentale Entitäten, bezogen. Vor diesem Hintergrund kann die Orientierung am ›Fürwahrhalten‹ des Anderen auch nach Rorty auf pragmatischer Basis plausibel gemacht werden. Die Heidegger-Dewey-Wittgenstein-Basis suggeriert dabei selbst zu Recht, dass unser eigenes Fürwahrhalten, dem wir dem epistemologischen Behaviorismus zufolge anhängen, nicht zum Bewertungsstandard des Anderen gemacht werden darf. Die Kontingenzerfahrung der eigenen Weltsicht, des eigenen ›basic vocabulary‹, ist ein wesentlicher Schritt zu dieser Öff nung. Die Kontingenz der eigenen Ansichten verbietet, unsere Maßstäbe Anderen, die über eigene Sinn- und Rechtfertigungspraktiken verfügen, schlicht aufzustülpen. Das wäre nur gerechtfertigt, wenn unsere Einsichten den Anderen überlegen, also metaphysisch oder transzendental ausgewiesen, wären. Das lehnt Rorty, genauso wie Gadamer, ab. Rorty betont freilich ebenso vehement, dass das Verstehen Anderer durch den Wegfall aller transzendentalen oder metaphysischen Kriterien nur umso mehr von den eigenen Standards und Kriterien ausgehen muss. Aus dem Wegfall einer transzendentalen Versicherung unserer eigenen Standards und Kriterien folgt aber eben auch, dass wir in der Begegnung mit Anderen, die ihre eigenen Überzeugungs- und Rechtfertigungspraktiken haben (ein Phänomen, das im Verstehensprozess selbst bewusst wird), auf deren Standards und Kriterien eingehen müssen, um den Anderen angemessen zu verstehen. Wie Peter Winch gezeigt hat, verfügt dabei der Naturwissenschaftler nur über den eigenen Regelkodex seiner Interpretationsgemeinschaft, während dem Sozial- und Kulturwissenschaftler im Objektbereich ebenfalls ein sinnhaft strukturiertes, welterschließendes Verstehen begegnet. 39 Insofern
38 Vgl. zum hermeneutischen Realismus bei Heidegger auch Hubert Dreyfus: Being-in-theWorld. A Commentary on Heidegger’s Being and Time, Vol. I, Cambridge/Mass. 1991, 246–281. 39 Peter Winch: Die Idee der Sozialwissenschaft und ihr Verhältnis zur Philosophie, Frankfurt/M. 1974.
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Verstehen immer holistisch auf die Integration eines Momentes in ein sinnvolles Ganzes aus ist, dabei das eigene Ganze jedoch nicht die letzten Kriterien abgeben darf, müssen demnach die Regeln des Anderen rekonstruiert und ins dialogische Verstehen aufgenommen werden. Das heißt aber nichts anderes, als das symbolischpraktische Selbstverständnis des Anderen anzuerkennen, was wiederum eine Anerkennung der (möglichen) Wahrheit des Anderen umfasst, da dessen Selbstverständnis auf Welt erschließend bezogen ist. Wichtig ist zum einen, dass diese Deutung dem Kriterium Gadamers für einen wahrheitsorientierten Dialogs entspricht, ohne essentialistische Wahrheitsvorstellungen wieder einzuführen. Die symbolisch-praktisch situierten Subjekte verstehen sich im Kontext der jeweils gängigen Praktiken, und mögen diese selbst sogar essentialistisch missverstehen. Der Interpret wird sich jedoch allein an den diskursiven Praktiken und ihrem je internen Wahrheitsanspruch, durch den je perspektivisch auf etwas als etwas verwiesen wird, orientieren. Wahrheit wird den Aussagen nicht als Eigenschaft angedichtet oder mit reiner Realität ineinsgesetzt oder vergleichbar; es werden vielmehr die eigenen Kontingenzen mit denen der Anderen in Beziehung gesetzt, um Welt zu erschließen. Zum andern muss hervorgehoben werden, dass den jeweils eigenen Rechtfertigungspraktiken durch die Herausforderung der anderen Perspektiven auf eine Sache damit eine kontrafaktische Dimension eingebaut wird, die sich in (immer möglicher) kritischer Zurückweisung von Regeln und Praktiken ausdrücken kann. Dem Moment der immanenten Sachkritik wird damit im Verstehen Rechnung getragen. Wiederum unterstellt diese Kritik keinen metaphysischen Realismus, denn sie kann sich aus internen Inkohärenzen, Erfahrungen und Widerständen herleiten, die sich relativ zu den eingespielten Praktiken als diese überschreitend oder infragestellend erweisen. Die Infragestellung von Sachverhalten und Deutungsrahmen wird durch den wahrheitsbezogenen Vergleich zwischen verschiedenen Sprachspielen oftmals angeregt und unterstützt, da in einer solchen reflexiven Relationierung von Perspektiven oft nicht allein die bestimmte Sachansicht selbst, sondern tieferliegende Grundannahmen zu ganzen Seinsbereichen fragwürdig werden.
Einfühlende Identifikation und soziale Objektivation nach Rorty Rorty freilich treibt seinen Antifundamentalismus ebenso gezielt in eine weitere Richtung. Mit Leiden und moralischer Verantwortung konfrontiert, kann die Einsicht in die radikale Kontingenz des eigenen fi nal vocabulary eine weitere ethische Dimension des Verstehens freilegen. Erst wenn die Hoff nung auf einen absoluten, im Wesen der Menschheit gegründeten Moralrahmen aufgegeben ist, wird nämlich deutlich, dass die konkrete Sensibilisierung für das Leiden anderer ins Zentrum ethischer Reflexion zu rücken verdient. Die Freiheit von metaphysischer Grundlegung wird für Rorty zu einer Freiheit zur einfühlenden Identifi zierung, zum ›Sichhineinversetzen‹ in andere Gefühls- und Entscheidungssituationen; was zählt
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ist die praktische Fähigkeit, das Know How, sich das Leben anderer Leute plastisch und intensiv genug vorstellen zu können, um durch die Andersheit ihres Selbstverständnisses hindurch eine gemeinsame Schmerz- und Leidensfähigkeit nachzuvollziehen: [The liberal ironist, H-H.K.] thinks what unites her with the rest of the species is not a common language but just susceptibility to pain and in particular to that special sort of pain which the brutes do not share with the humans – humiliation. […] It does not matter if everybody’s fi nal vocabulary is different, as long as there is enough overlap so that everybody has some words with which to express the desirability of entering into other people’s fantasies as well as into one’s own. But those overlapping words—words like ›kindness‹ or ›decency‹ or ›dignity‹—do not form a vocabulary which all human beings can reach by reflection on their natures […]. It will not produce a reason to care about suffering. What matters for the liberal ironist is not to fi nd such a reason but making sure that she notices suffering when it occurs.40
Rorty geht dabei nicht etwa unhermeneutisch davon aus, dass der Zugang zum Leiden unvermittelt gleichsam durch die eigenen Vorverständnisse zum Anderen direkt durchstoßen kann; er selbst bemüht das Beispiel der moralisch-emotionalen Solidarität amerikanischer Liberaler mit dem Schicksal junger Schwarzer, die als gleichwertige Amerikaner (und nicht als ›fellow humans‹) zu unterstützen seien. Der historisch-symbolische Rahmen einer geteilten Nationalgeschichte soll hier die eigentliche Stütze der moralischen Sensibilisierung abgeben. Zudem macht die symbolisch-soziale Vermittlung unserer Existenz empf änglich für ein genuin menschliches Leiden: Erniedrigung. Der Zugang zu der je unterschiedlich erschlossenen Leidens- und Lebensgeschichte muss so über emotiv-horizonterweiternde Diskurse führen. So the liberal ironist needs as much imaginative acquaintance with alternative vocabularies as possible, not just for her own edification, but in order to understand the actual and possible humiliation of the people who use these alternative fi nal vocabularies.41
Solche erfahrungserschließenden Diskurse sind jedoch nicht theoretischer, sondern narrativer Art. Die Funktion von Geschichtsschreibung ebenso wie von Literatur und Film besteht demnach in der »imaginative identification with the details of other’s lives, rather than a recognition of something antecedenly shared.«42 Man kann Rortys zentrale Intuition, die hermeneutisch ermöglichte Miterfahrung des Leidens Anderer als eine eigenständige Wurzel der aktiven ethischen Sorge um den Anderen auszuweisen, leicht mit vielen historischen und literarischfi lmischen Beispielen plausibel machen. Man denke nur an die Wirkung des 40 41 42
Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity, (Anm. 34), 92 f. Ebd., 92. Ebd., 190.
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Tagebuchs von Anne Frank, an Claude Lanzmanns Dokumentarfi lm Shoa, an den von Toni Morrison (Beloved) eindringlich geschilderten Fall einer Sklavenmutter, die ihre Kinder ermordete, um sie vor der Sklaverei zu retten: Derartige Fallbeispiele können in der Tat starke Motivationsschübe zur Abschaff ung von Unrechtsverhältnissen freisetzen. Rorty gewinnt damit der hermeneutischen Perspektive nicht nur die eigenständige Dimension des narrativ-nachkonstruierenden Verstehens zurück, das zudem direkt auf deren ethisches Potential bezogen wird. Wichtig ist vielmehr, dass hier der Zugang zu dieser Dimension genuin hermeneutisch, als ein eigenständiger Strang eines narrativ-emotional strukturierten Verstehens begriffen wird. Das hermeneutische Potential hier freizusetzen kann nicht heißen, das persönliche Leben und Leiden als Bezugsobjekt innerhalb eines Diskurses derart einzubeziehen, dass es in Analogie eines Wahrheitsanspruches gedacht wird. Vielmehr geht es um ein sich einfühlendes, die Erfahrungen des Anderen nachvollziehendes Verstehen, dem daraus eine neue, der abstrakten Moraltheorie überlegene Kraft zuwachsen soll. Dabei setzt Rorty die psychologische Fähigkeit zur Einfühlung sogar als eine unterhalb der Sprachdimension angelegte Möglichkeit an. The idea that we all have an overriding obligation to diminish cruelty, to make human beings equal in respect to their liability to suffering, seems to take for granted that there is something in human beings which deserves respect quite independently of the language they speak. It suggests that a nonlinguistic ability, the ability to feel pain, is what is important, and that differences in vocabulary are much less important.43
Dennoch, so muss betont werden, kann diese Perspektive selbst nur im Zusammenspiel mit einem dialogischen Verstehen überzeugen, welches die symbolische Vermittlung der Erfahrungsstrukturen reflexiv in den Dialog mit einbezieht. Erstens kann es zweifellos nicht darum gehen, Andere, die aus unseren ›we-consciousness‹ (Sellars) zunächst herausfallen, allein unter dem Blickwinkel ihrer Unzulänglichkeit in Bezug auf die Realisierung von Glück zu erfassen. Genuines Verstehen auch des radikal Anderen, des Freaks und Anomalen, muss auf ein radikal transformatives Verstehen gefasst sein, welches unsere eigenen Anschauungen (über die Sache, die Anderen, über uns selbst) womöglich als abwegig erweist. Zweitens besteht die Gefahr, dass bei einer Überspringung der ›basic frameworks‹ bezüglich geteilten Leidens das, was sich für uns als gleich und gemeinsam erfahrbar darstellt, sich dem Anderen in Wahrheit ganz anders darstellt. Andernfalls würde sich Gadamers Besorgnis über ein durch Fürsorge geprägtes, das Selbstverständnis des Anderen überspringendes Besserverstehen hier bewahrheiten. Die These einer untergründigen Gleichheit im Leiden läuft Gefahr, unsere Vorstellungen unbefragt zur Richtschnur einer intuitiven emotionalen Beurteilung des
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Ebd., 88.
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Anderen zu machen, ohne dessen genuine und andere Erfahrungsperspektive ausreichend in Rechnung zu stellen. Schließlich muss, drittens, nochmals an Gadamers Warnung erinnert werden, dass ein einfühlendes Verstehen, vor allem wenn es direkt auf die Sorge bezogen wird, zur Abschottung des Selbst und Entmündigung des Anderen im vorauseilenden Fürsorgen (Heidegger) werden kann. Es ist deshalb wichtig, dass die hermeneutische Grundfi gur die des dialogischerschließenden Verstehens bleibt, innerhalb dessen sich eine besondere Sensibilisierung für Leiden und Lebensgeschichte, als genuiner Verstehensmodus, einrichten muss. Damit ist gewährleistet, dass der Andere, da er reziprok immer mit hermeneutischer Kompetenz ausgestattet gedacht bleibt, zur eigenen Reflexivität und Handlungsf ähigkeit bezüglich der eigenen Lebenssituation in der Lage gedacht wird. Dieser letzte Punkt schlägt nun eine Brücke zur Frage der Rekonstruktion der objektiven sozialen Situation im Verstehen. Rortys Interesse eines nachkonstruierenden Verstehens richtet sich nämlich nicht allein auf die Opfer, sondern schließt Täter mit ein. Literarische Portraits von Schurken wie O’Brien (1984), Mr. Causabon and Mrs. Jellyby (Dickens) oder Harold Skimpole (Nabokov) lassen uns in distanzierte Nähe zu unserer eigenen Grausamkeit und Indifferenz treten. Rorty geht es vor allem um psychologische Einsichten, die freilich selbst auf die Möglichkeit gewisser Charaktere verweisen, welche wiederum auf die Kontexte und Sozialpraktiken, die diese möglich werden lassen, zurückschließen lassen. Folgt man diesem Gedankengang, dann lässt sich jetzt der Faden unserer zuvor geübten GadamerKritik, der es um die hermeneutische Rekonstruktion von sozialen Hintergrundpraktiken und ihrer Strukturen und Einflüsse ging, mit Rorty wieder aufnehmen. Tatsächlich aber zeigt sich, dass Rorty eine ›strukturanalytische Rekonstruktion von objektivierenden Hintergrundfaktoren‹ als Moment des hermeneutischen Verstehens nicht aufnimmt. Dabei hält Rorty, als guter Nominalist, die Objektivierung des Menschen, der bei Gadamer ontologisch durch Sprache ausgezeichnet und deshalb immer intentional (und somit nichtobjektivierbar) bestimmt bleibt, nicht für unmöglich. Rorty hält die eliministische These, der zufolge alles menschliche Verhalten einmal durch eine naturwissenschaftliche Perspektive erklärbar sein könne, für durchaus denkbar, ja vielleicht sogar wahrscheinlich: Every speech act, thought, poem, composition, and philosophy will turn out to be completely predictable in purely naturalistic terms. Some atom-in-the-void account of micro-processes within individual human beings will permit the prediction of every sound or inscription which will ever be uttered.44
Diese Objektivierungsschiene habe aber, so Rorty, keinerlei Einfluss auf den eigentlichen Gegenstandsbereich des Verstehens, nämlich den Sinn, den man aus der objektivistischen Beschreibung nie erschließen könne: »Thus even if we could predict the sounds made by the community of scientific inquirers of the year 4000, 44
Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), 387.
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we should not be in a position to join in their conversation. This intuition (of romanticism) is quite correct.«45 Warum kann Rorty, der sich in Philosophy and the Mirror of Nature durchweg gegen eine ontologische Differenz zwischen Geist und Natur wendet, diese Intuition unterschreiben? Die Antwort liegt in dem, was man eine post-romantische Auff assung des nichtfeststellbaren Sprachsinnes nennen könnte. Rorty macht die Nichtvorhersehbarkeit des Sinnes an die unstillbare Fähigkeit zu neuen, andersartigen, inkommensurablen Sprachentwürfen in Bezug auf eine kausal durchorganisierte Welt fest. Es mag dabei schon fraglich erscheinen, ob diese Unterscheidung mit dem radikalen Nominalismus, der Rorty jede ontologische Differenz von Sein und Sinn verbieten müsste, überhaupt vereinbar ist.46 Wichtiger in unserem Zusammenhang ist jedoch, dass Rorty mit der Emphase der kreativen Neuerschaff ung der Subjekte durch Neubeschreibung, die wiederum nicht durch objektivierende Faktoren bestimmbar sein soll, die sozialstrukturelle Dimension als sinnkonstitutiv völlig ausblendet. Rorty scheint, ironisch genug, dem Trugbild eines in die mentale Sphäre eingeschlossenen Vorstellungssubjekts zu erliegen, das nun freilich in verfremdeter Form in der Annahme eines gleichsam homunculus-artig über den wirklichen Geschehnissen schwebenden Sinnes wiederkehrt. Die zukünftige Konversation von sich verständigenden Subjekten, an der wir trotz der eisenharten Vorhersagbarkeit des Verhaltens der in ihr Befangenen nicht sollen teilhaben können, wird damit jedoch jeder innerweltlichen Relevanz beraubt, da der Sinn offenbar unabhängig vom wirklichen Verhalten generiert wird. Rorty scheint damit aber wesentlichen Intuitionen der pragmatischen Situierung des Subjekts zu widersprechen. Erstens scheint für die Konzeption eines In-der-Welt-seienden, sich praktischintentional verstehenden Subjekts zentral, dass die eigenen Sinnintentionen auch kausal relevant an die Handlungsfolgen der eigenen Deutungen angebunden bleiben. Würde Rorty eliministisches Szenario wahr, würde nicht etwa allein der Bewegungsverlauf der ›handelnden‹ Subjekte objektiv bestimmbar, sondern der eigentliche Sinn von Handlungen, Sprechhandlungen inklusive, würde sich als solcher ändern. Die Handlungsfolgen, die als intendierte an meine Sprechakte als symbolische Äußerungen geknüpft sind, gehören selbst zu deren Sinn und lassen sich nicht einfach abtrennen und durch ein objektivistisches Sprachspiel separat beschreiben.47 Es gehört zum Sinn von Handlungen, dass das Selbstverständnis der Subjekte auf deren Gehalt und Fortgang reflexiv Einfluss gewinnen kann. Eine Abhebung oder Abtrennung des (sprachlich-intendierten) Sinnes von den (Handlungs-)Kontexten würde den Sinn selbst radikal ändern. Daraus folgt zweitens, dass Ebd., 355. Vgl. Hans-Herbert Kögler: Objectification and Dialogue: Rorty and the Difference between Human and Natural Sciences, in: Existentia XI (2001), fasc. 3–4, 387–405. 47 Vgl. die treffende Kritik von Roy Baskhar: Rorty, Realism, and the Idea of Freedom, in: Reading Rorty. Critical responses to ›Philosophy and the Mirror of Nature‹ (and beyond), hg. von Alan Malachowski, Oxford 1990, 198–232. 45
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intentionaler Sinn aus Handlungskontexten erwächst, was wiederum bedeutet, dass das darin eingebettete Vorverständnis durch Kontexte mitstrukturiert ist. Eine umfassende Theorie dieses Sinns müsste somit klären, in welcher Weise der praktische Hintergrund strukturbildend auf den intentionalen Vordergrund, auf das eigentliche und explizite Verstehen, einwirkt. Rorty aber hat diesem Projekt durch seine Entkoppelung von Sinn und Verhalten von vornherein das Wasser abgegraben. Gerade in der Beschreibung von strukturbildenden Einflussfaktoren auf subjektiven Sinn liegt jedoch eine dritte Wurzel für normatives hermeneutisches Verstehen. Es ergibt sich daraus eine Perspektive, der zufolge die objektiv-strukturierenden Momente des Hintergrunds analysiert werden sollen – jedoch nicht, um wie Gadamer fälschlich annahm, die Subjekte instrumentellem Verfügungswissen zuzuführen. Es geht vielmehr um die reflexive Objektivierung der Realobjektivierungen der sozialen Welt, innerhalb der die Subjekte immer schon gemäß bestimmter Verhalten-, Deutungs-, und Wahrnehmungsschemata normalisierend geprägt werden, um diese sodann in das reflexive Verhalten mit einzubeziehen. Die gemeinhin unbewussten Hintergrundpraktiken werden damit in eine für die Subjekte selbst hermeneutisch erfahrbare Form gebracht. Eine solche Meta-Objektivierung ist dabei keine methodologische Fiktion, wie etwa Rortys eigene naturalistische Vorhersage-Dystopie des menschlichen Verhaltens, sondern vielmehr eine wissenspraktisch fest etablierte, durch vielfältige Forschungsergebnisse abgesicherte Perspektive auf sinnhaftes soziales Verhalten. Rorty müsste sich somit offen zeigen gegenüber deren Erklärungskraft, und dennoch sucht man vergeblich nach einer Auszeichnung ihres epistemischen Gewinns. Oftmals wird die weltverändernde Funktion beschrieben, die Autoren wie Marx oder Freud für die Moderne innehatten. Unterschlagen wird dabei, dass deren Gehalt gerade in einer Thematisierung von uns hinterrücks bestimmenden sozialen Faktoren bestand. Rorty ›literalisiert‹ bzw. ästhetisiert diese Autoren, indem er deren Rolle allein der selbstbildenden Originalität der Moderne zuschreibt, ohne die Materialität unserer Geschichtlichkeit, die durch diese Autoren einmal auf sozialer, einmal auf psychologischer Ebene, greif bar wurde, angemessen zu würdigen. An zwei Punkten scheint das Defi zit einer kritisch-sozialwissenschaftlichen Verstehensdimension in Rorty besonders deutlich auf. Zum einen betont Rorty zu Recht immer wieder, das es bei der hermeneutischen Kompetenz nicht um eine universale Regelstruktur, um ein über den Kontexten schwebendes Beurteilungsraster, geht. Vielmehr handelt es sich um ein Know How, um eine praktisch erworbene und intuitiv angewandte Fertigkeit. Doch gerade die soziale Strukturierung dieses praktischen Vorverständnisses, unseres hermeneutischen Habitus, ist durch die gegenwärtige französische Soziologie der Bourdieu-Schule eingehend demonstriert worden.48 Eine reflexive Einbeziehung dieser Dimension in den Vgl. die klassische Grundlegung dieses Ansatzes in Pierre Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis, Frankfurt/M. 1979. 48
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reflexiven Dialog ist also unabweisbar. Zum andern verweist Rorty bisweilen lapidar auf unsere Tendenz, den Anderen ohnehin zu objektivieren, etwa wenn wir ihn oder sie als ›dull‹, ›conventional‹, ›stupid‹, oder ›psychotic‹ einstufen. Rorty entgeht vollkommen der sozialklassifi zierende Gebrauch derartiger Kategorien. Diese sind oftmals nicht das beiläufige Produkt lebensweltlicher Zusammentreffen von bestimmten Individuen, sondern speisen sich vielmehr aus Klassifi kationen, Schematisierungen, und Gruppenidentifi kationen, die marginalisierte Subjekte machtbestimmt einordnen und unterordnen. Sie objektivieren also mitunter gerade jene Subjekte, um deren empathetisch-narratives Nachverstehen es Rorty doch an anderen Stellen gerade zu gehen scheint.49 Rortys hermeneutischer Ansatz hat zum Ziel, durch innovative Neubeschreibung das bildende Potential einer postmetaphysischen Philosophie derart freizusetzen, dass damit eine freie und offene Kultur jenseits etablierter Denk-, Wahrnehmungs-, und Handlungsschablonen möglich wird. Philosophie soll dabei an deren moralischen Bildung prägend mitwirken, statt an der epistemologischen Zementierung bestimmter Vorannahmen oder Prämissen zu arbeiten.50 Um freilich bei einer solchen Kultur des Dialogs wirklich bildend mitzuwirken, so suggerieren unsere Überlegungen, muss die Hermeneutik den vollen Umfang ihrer wahrheitsorientierten, einfühlenden, und objektivierenden Einstellungen in Anschlag bringen.
In direktem Bezug zur Frage der Anerkennung des Selbstverständnisses der Subjekte erklärt Rorty, in typisch pragmatischer Hemdsärmeligkeit: »Understanding the language spoken by the subjects, grasping the explanations that they give of why they are doing this or that, may be helpful or not. In the case of people who are particularly stupid, or psychotic, we rightly wave aside their explanations.« Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), 349. Problematisch ist hier nicht die Behauptung, dass mitunter das Selbstverständnis der Subjekte durch objektive Faktoren, die erst einer reflexiven Thematisierung zugeführt werden müssten, bestimmt sein kann. Was problematisch auff ällt, ist Rortys naive Aufl istung von Kategorien, die selbst in machtbestimmten Kontexten zur Objektivierung bestimmter Sozialgruppen (Frauen, Arbeitern, Geistigbehinderten, etc.) verwandt wurden. Dementsprechend versteht Rorty Objektivierung als einen relativ harmlosen, von situierten Subjekten hier und da verübten Akt. Die symbolische Gewalt, die in solchen im sozialen Gesamtzusammenhang verankerten und an ganze Gruppen herangetragenen Kategorisierungen auch enthalten sein kann, scheint sich Rorty schlicht zu entziehen. 50 Vgl. Rorty: Mirror of Nature (Anm. 1), 394. 49
Sinn und Spiegel Zum Verhältnis von pragmatischer und fundamentaler Hermeneutik bei Rorty und Luhmann Oliver Jahraus Rorty und das Refl exionsparadigma Dass der späte Rorty sich immer stärker der Literatur und der Kunst zuwandte, ist auch die pragmatische Folge einer von ihm schon früh geübten Kritik und von ihm immer wieder konstatierten Erschöpfung des Reflexionsparadigmas der Philosophie. Reflexionsparadigma meint eine philosophische Begründungsfigur, die alle Konstitutionsprozesse zunächst auf einen Prozess der Selbstkonstitution zurückführt, dass mithin jede Fremdreferenz auf Selbstreferenz beruht und jede Instanz sich vor sich selbst hingestellt sieht. Insbesondere stellt es eine epistemologische Grundfigur dar, die nicht nur jedes Wissen auf ein Sich-Wissen zurückführt, sondern die auch jede Philosophie, die auf diesem Paradigma beruht, als Erkenntnistheorie ausweist.1 Die folgenden Überlegungen versuchen, diese Kritik und diese Diagnose selbst wiederum kritisch zu würdigen, und wählen dazu einen, verglichen mit Rortys Denkweg, geradezu komplementären Einstieg in die Thematik. Wo Rorty von der Philosophiekritik durch Kunst zur Kunst kommt, will ich von der Kunst zu Rortys Philosophiekritik kommen. Denn auch wenn man Rortys Kritik am Reflexionsparadigma zustimmen mag, so kann man doch feststellen, dass gerade im Bereich der Literatur und der Kunst das ästhetische Reflexionsparadigma, das naturgemäß eng mit seiner philosophischen Ausprägung verwandt ist, sich keineswegs erschöpft hat und sogar in der jüngsten Zeit in geradezu verblüffend extensiver Weise auch im Film eingesetzt wird, zumal es dort, im visuellen Medium, seine visuelle Dimension voll und ganz ausspielen kann.2 Selbst dieser Weg des Reflexionsparadigmas von der Philosophie in die Literatur könnte herangezogen werden, um wiederum Rorty kritisch zu würdigen, denn hierbei lässt sich ein prekäres Verhältnis beobachten. So könnte man zum Beispiel Herbert Schnädelbach: Refl exion und Diskurs. Fragen einer Logik der Philosophie, Frankfurt/M. 1977. 2 Siehe hierzu meine eigenen Vorarbeiten: Vf.: Der fatale Blick in den Spiegel. Zum Zusammenhang von Medialität und Reflexivität, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaftt 55/2 (2010), 247–260 und Vf.: Spiegelungen, Doppelungen, Spaltungen – zur optischen Codierung des Subjekts in der Krise. Ein Beitrag zur ›Literaturgeschichte als Vorgeschichte der Filmgeschichte‹, in: Beobachten mit allen Sinnen. Grenzverwischungen, Formkatastrophen und emotionale Driften, hg. von Oliver Jahraus, Marcel Schellong und Simone Hirmer, Frankfurt/M. 2008, 243–260. 1
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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annehmen, dass all die romantischen Spiegelungs- und Doppelgängergeschichten nichts anderes sind als eine literarische Ausbuchstabierung einer philosophischen Reflexionsaporie, die darin besteht, dass sich die Selbstreflexion selbst niemals einholen, das Reflektierte niemals (mehr wieder) mit dem Reflektierenden zur Deckung gebracht werden kann und daher in der unauf hebbaren Spaltung gefangen ist und bleibt. Was das Bewusstsein nicht mehr reflexiv im Selbstbewusstsein und die Philosophie nicht mehr reflektierend in der Epistemologie einholen kann, das kann Literatur narrativ einholen, indem sie von Spiegelungen in fi ktionalen Konstellationen erzählt, Spiegelungen im wahrsten Sinne des Wortes imaginiert und Unbeobachtbares beobachtbar macht. In diesem Sinne behandelt romantische Literatur mit Vorliebe das in sich selbst zerfallene und zerrissene, das gespaltene und verdoppelte Subjekt – ein Sujet, das mit der europäischen und amerikanischen Romantik anhebend immer wieder bestimmte historische Konjunkturen kennt, aber bis heute nicht verschwunden ist und sich einer intermedialen Persistenz erfreut, deren Phänomenologie noch lange nicht vollständig erfasst ist. Sich in dieser Weise auf das literarische Reflexionsparadigma zu stützen, ist nun mindestens aus zweierlei Gründen intrikat gegenüber Rorty. Zum einen ist ja seine Zuwendung zur Literatur selbst ein Akt der Philosophiekritik.3 Setzt man Rortys pragmatisch fundiertes Literaturverständnis mit dem ästhetischen Reflexionsparadigma ins Verhältnis, so muss es scheinen, als wiederhole sich in der Literatur, was an der Philosophie kritisiert wurde. Dass Literatur solche Geschichten erzählen kann, weil sie im Narrativen und Fiktionalen andere Möglichkeiten als die Philosophie hat, mit Aporien umzugehen, tritt dabei in den Hintergrund. Zudem stellt dieser Übertritt eine Verbindung zu dem großen Antipoden Rortys, zu Jacques Derrida, und seiner Variante einer Philosophiekritik dar. Rortys Bestimmung des Verhältnisses von Philosophie und Literatur auf der einen Seite und Derridas Bestimmung auf der anderen Seite hängen zusammen und werden gleichzeitig differenziert durch den jeweiligen Umgang mit dem Reflexionsparadigma. Für beide müsste so der von Jürgen Habermas vor allem auf Derrida und nur in einer Nebenbemerkung auf Rorty gemünzte Vorwurf gelten, sie würden den Gattungsunterschied zwischen Philosophie und Literatur einebnen.4 Habermas macht allerdings schon darauf aufmerksam, dass es Rorty um die pragmatische und das heißt besonders um die ästhetische Dimension sprachlicher Diskurse zu tun ist, während Derrida seine Philosophiekritik als Überwindung der Metaphysik begreift, was Rortys Idee völlig zuwiderläuft.5 Rorty und Derrida zeichnen sich hier durch ihre radikale Einstellung gegenüber Christoph Demmerling: Philosophie als literarische Kultur? Bemerkungen zum Verhältnis von Philosophie, Philosophiekritik und Literatur im Anschluss an Richard Rorty, in: Hinter den Spiegeln. Beiträge zur Philosophie Richard Rortys, hg. von Thomas Schäfer, Udo Tietz und Rüdiger Zill, Frankfurt/M. 2001, 325–354. 4 Jürgen Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt/M. 1988, 219–247, zu Rorty 241 f. 5 Walter Reese-Schäfer: Richard Rorty zur Einführung, Hamburg 2006, 76. 3
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der Philosophie aus, aber so wie ihre Einstellungen unterschiedlich sind, so sind sie auch unterschiedlich in ihrer je eigenen Radikalität. Rorty will die Philosophie verwandeln, er will Philosophie in pragmatisches und praktisches Handeln überführen, immer noch auf der Basis einer Sprachkritik und damit vergleichbar dem späten Wittgenstein und eben nicht auf der Basis der Sprachauffassung Heideggers.6 Demzufolge sind Reflexionsbegriffe wie »›Geist‹, ›Bewußtsein‹ und ›Erfahrung‹« Ausdrücke einer hypostasierten Sprache. Es gilt vielmehr das Reflexivwerden von Erkenntnis, also das Erkennen des Erkennens, zu vermeiden.7 Derrida hingegen entwickelt seine Idee, der zufolge auch die Überwindung der Metaphysik genuin metaphysisch ist, man sich nie nach dem Ende der Metaphysik (bzw. der Philosophie) wiederfi ndet, sondern immer nur im Ende und daher das Ende nie konstatieren, sondern bestenfalls vollziehen kann, während Rorty jeder Idee vom »Tod der Philosophie« skeptisch gegenübersteht.8 So stehen sich, holzschnittartig verkürzt, Rortys Pragmatismus und Derridas Performatismus gegenüber. Insofern deutet Rorty Derridas Schrift-Begriff auch in ›writing‹ um9 und schneidet damit die Metaphysikkritik seiner Grammatologie ab.10 Wie gut und schlecht diese Begriffe die beiden Positionen auch benennen mögen, entscheidend ist zu sehen, dass sich auch hierin eine Differenz bemerkbar macht, die ihre Konturen dem jeweiligen Umgang mit Reflexion verdankt. Vor diesem Hintergrund lässt sich das trianguläre Verhältnis von Habermas zwischen Rorty und Derrida überblenden mit einem anderen triangulären Verhältnis, nämlich den unterschiedlichen, ja – gemessen am Reflexionsparadigma – entgegengesetzten Derrida-Interpretationen von Rorty11 einerseits und Rudolph Gasché andererseits. Während es Rorty darum geht, Derrida in sein eigenes pragmatisches Programm einer Philosophiekritik einzubinden, sieht Gasché Derridas eigentliche Leistung darin, das Reflexionsparadigma radikalisiert zu haben. Während Rorty fragt: Is Derrida a transcendental philosopher?12 und die Frage verneint, Siehe Richard Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt/M. 1989, 34 und ders.: Wittgenstein, Heidegger, and the reification of language, in: ders.: Essays on Heidegger and others. Philosophical Papers, Vol. II, Cambridge/New York 1991, 50–65. 7 Richard Rorty: Wittgenstein, Heidegger und die Hypostasierung der Sprache, in: ›Der Löwe spricht und wir können ihn nicht verstehen‹. Ein Symposion an der Universität Frankfurt anlässlich des hundertsten Geburtstags von Ludwig Wittgenstein, hg. von Brian McGuinness u. a., Frankfurt/M. 1991, 69–93, hier: 73 und 76. 8 Richard Rorty: Habermas, Derrida und die Aufgaben der Philosophie, in: ders.: Philosophie & die Zukunft. Essays, Frankfurt/M. 2000, 26–53, hier 34. 9 Richard Rorty: Philosophy as a kind of writing. An Essay on Derrida, in: ders.: Consequences of Pragmatism. Essays, Minneapolis 1982, 90–109. 10 Jacques Derrida: Grammatologie, Frankfurt/M. 1983. 11 Rorty: Habermas, Derrida (Anm. 8), 26–53; ders.: Deconstruction and circumvention, in: ders.: Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers, Vol. I, Cambridge/New York 1991, 85–106; ders.: Derrida und die philosophische Tradition, in: ders.: Wahrheit und Fortschritt, Frankfurt/M. 2003, 472–504. 12 Siehe hierzu insbesondere Richard Rorty: Is Derrida a transcendental philosopher? In: ders.: Essays on Heidegger (Anm. 6), 119–128. 6
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bejaht Gasché diese Frage emphatisch mit seinem Buch, das die im Spiegel verkörperte Reflexion schon im Titel führt: The tain of the mirror.13 Gasché wählt also ein konkretes Phänomen, nämlich die Silberbeschichtung des Spiegels, die die Transparenz des Spiegelglases verhindert und die Spiegelung ermöglicht, als komplexe Metapher für die reflexive Aushebelung der Reflexion, zum Beispiel dadurch, dass man nach der Zeichenhaftigkeit des Begriffs des Zeichens fragt. Nimmt man diese Metapher ernst, stößt man an Vorstellungsgrenzen, die in der philosophischen Sprache nicht mehr zu überwinden sind.
Vom Spiegel zum Sinn: Magritte mit Rorty An diesem Punkt weiche ich auf die Kunst aus, aber nicht um, wie es entweder Rorty oder Derrida auf je eigene Weise vorschlagen, Kunst an die Stelle von Philosophie bzw. Kunst als Philosophie zu setzen, sondern nur, um anschaulich zu machen, wie Rortys Umgang mit dem Reflexionsparadigma sich einer Kritik öffnet. In diesem Sinne wähle ich ein Beispiel einer ästhetischen Gestaltung des Reflexionsparadigmas. Es geht mir darum, das ästhetische Potenzial einer Kritik daran zu vergegenwärtigen.14 In dem Sinne, wie Dieter Mersch auf den Begriff des Zeigens von Wittgenstein zurückgreift, wähle ich ein Beispiel der Kunst, die zeigen kann, was Philosophie nicht sagen kann.15 Fast schon beliebig ausgewählt habe ich ein Bild von René Magritte, der bekanntermaßen zu fast allen philosophischen Problemen die entsprechende – mehr oder weniger surrealistische – Illustration geliefert hat. Um die Zusammenhänge mit dem Reflexionsparadigma deutlich machen, habe ich ein Bild ausgewählt, das nun dieses Paradigma selbst konkretisiert und u. a. einem Spiegel zeigt und das bei näherem Hinsehen so ausschaut, als wolle es ein Titelbild zu Gaschés Buch in einer Art liefern, dass darin die Provokation an Rorty sofort sichtbar und augenscheinlich wird. Das Bild stammt aus dem Jahre 1937 und heißt: Reproduction interdite. Es zeigt einen Mann im schwarzen Anzug vor einem Spiegel in einem kargen Raum. Der Spiegel ruht auf einem Sims, auf dem ein Buch liegt; es handelt sich um Poes Roman Die Abenteuer des Arthur Gordon Pym in französischer Sprache. Die Pointe des Bildes besteht darin, dass die Spiegelung im Falle des Mannes versagt, komischerweise nicht aber im Falle des Buches. Daher bietet es sich geradezu an, dieses Bild als Emblem zu nehmen für eine bestimmte philosophische Problemkonstellation, die man mit den Begriffen Spiegel Rudolphe Gasché: The Tain of the Mirror. Derrida and the Philosophy of Refl ection, Cambridge/ Mass. 1986. Gasché beruft sich seinerseits auf Schnädelbach: Refl exion und Diskurs (Anm. 1). 14 Das ist auch die Idee, die sich hinter dem von Lewis Carroll übernommenen Titel eines Sammelbandes verbirgt, der sich mit Rortys Philosophie auseinandersetzt: Hinter den Spiegeln (Anm. 3). 15 Durchaus im Sinne einer »Reflexivität im Medialen«, wie sie Dieter Mersch beschreibt: Siehe ders.: Tertium datur. Einleitung in eine negative Medientheorie, in: Was ist ein Medium?, hg. von Stefan Münker und Alexander Roesler, Frankfurt/M. 2008, 304–321, hier 316 f. 13
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(bezogen auf das Subjekt) und Sinn (bezogen auf die Schrift des Buches) zum Ausdruck bringen kann. Nehmen wir den Mann nicht nur als Bürger, sondern als Subjekt, so entfaltet sich eine Konstellation, in der die Reflexion als Konstituente des Subjekts nicht mehr funktioniert. Das Subjekt reflektiert sich nicht, es reproduziert sich, und Reproduktion – das weiß man aus vielen Doppelgängergeschichten16 – ist das Gegenteil von Reflexion. Und deswegen ist sie verboten: Reproduction interdite! Das Subjekt kommt gegenüber seiner eigenen Konstitution zu spät und sieht sich bestenfalls von hinten, was ihm mehr als ein unglückliches Bewusstsein im Hegel’schen Sinne beschert, nämlich vielmehr seine Selbstauf hebung. In den entsprechenden Geschichten ist die scheiternde Spiegelung immer mit dem Tod des Subjekts korreliert. Im Grunde genommen drückt das Bild das Scheitern einer idealistischen Konzeption des Subjekts aus, die ihrerseits mit dem Schlagwort vom Tod des Subjekts versehen wurde.17 Damit ist angesprochen, dass die Idee des Reflexionsparadigmas, der zufolge jede Erkenntnis durch Reflexion gewonnen und die Erkenntnis der Erkenntnis als Selbstbewusstsein im Subjekt instanziiert wird, in die Aporie geraten oder obsolet geworden ist. An dieser Aporie hatte sich schon der Idealismus, z. B. in Fichtes Wissenschaftslehre, abgearbeitet.18 Denn es war klar, mit der Reflexion als Selbstreflexion stehen und fallen Idee und Begriff des Subjekts, mit dem Subjekt stehen und fallen Idee und Programm einer jeden Epistemologie.19 Und selbst noch bei Lacan bleibt die Idee einer im Spiegel und in der Spiegelung – gar nicht einmal metaphorisch illustrativ konzipiert – sich konstituierenden Subjektivität virulent.20 Doch während sich Lacan – übrigens ebenso wie Derrida oder Foucault, bei allen Unterschieden – in eine Frontlinie der Kritik an einem reflexiv sich selbst 16 17
Doppelgänger Geschichten. Ein literarisches Lesebuch, hg. von Walter Rösler, München 2002. Tod des Subjekts?, hg. von Herta Nagl-Docekal und Hellmuth Vetter, Wien/München
1987. Siehe hierzu Dieter Henrich: Fichtes Ich, in: ders.: Selbstverhältnisse. Gedanken und Auslegungen zu den Grundlagen der klassischen deutschen Philosophie, Stuttgart 1982, 57–82. 19 Siehe z. B. Hans Ebeling: Das Subjekt in der Moderne. Rekonstruktion der Philosophie im Zeitalter der Zerstörung, Reinbek b. Hamburg 1993 oder Hans Ebeling: Das Verhängnis. Erste Philosophie, Freiburg München 1987. 20 Einschlägig hierzu z. B. Jacques Lacan: Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, in: ders.: Schriften I, Weinheim/Berlin 41996, 61–70. 18
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konstituierenden, will sagen, an einem autoreflexiv sich konstituierenden Subjekt als Instanz und metaphysischem Grund der Philosophie und der Epistemologie einreihen, setzt Rorty grundlegender an, indem er die Reflexion selbst fokussiert und – sie für überwindbar hält. Reflexion als epistemologische Grundoperation und Fundament aller Philosophie ist der Angriffspunkt von Rortys frühem Hauptwerk Philosophy and the Mirror of Nature aus dem Jahre 1979.21 Interessanterweise hebt Rorty auf den Spiegel als Bild und als Metapher ab. Lacan ist ein Beispiel, dass der Spiegel, wie er im Spiegelstadium in Funktion tritt, nicht nur Metapher, nicht nur Bild ist und sich nicht darin erschöpft. Vielleicht ließe sich hier auch die deutlichste Verwerfungslinie zwischen subjekt- und philosophiekritischen Autoren wie Rorty einerseits, den ›Neostrukturalisten‹ Lacan, Foucault und Derrida andererseits ziehen.22 Denn für die letzteren ist Literatur (und die Kunst oder das Bild) – mehr oder weniger deutlich – ein Feld, auf dem sich das Scheitern der idealistischen Subjektphilosophie selbst noch einmal – illustrativ und performativ – vollzieht, wenn auch unter den ästhetischen Vorgaben von Literatur oder Kunst, wohingegen für Rorty Literatur zum Dokument überwundener Philosophie werden kann. Für die Neostrukturalisten ist es die Strukturalität der Struktur oder, noch besser gesagt, die Medialität des Mediums, die genau dieses Scheitern verursacht und gleichzeitig im wahrsten Sinne des Wortes anschaulich macht. Die Medialität des Subjekts verbindet das Subjekt mit dem Medium der Literatur oder der Kunst, und insofern ist der Spiegel in der Literatur oder in der Kunst – man denke auch an Foucaults Las meninas-Interpretation 23 – eine mise en abîme jener medialen Strukturen, in denen eben nicht nur der literarische Text oder das Kunstwerk, sondern auch das, was es thematisiert, das Subjekt stehen – oder vielmehr fallen. Für Rorty hingegen ist das Medium die Relais- und Reflexionsstelle zwischen »Selbst und Welt«, zwischen Subjekt und Objekt; daher gilt es für ihn, dieses Mediendenken hinter sich zu lassen.24 Und insofern ist für Rorty Literatur (auch als Medium) und alles, was damit diskursiv zusammenhängt, also auch Literaturwissenschaft in seinem Verständnis, überwundene Reflexion und mithin auch – ebenfalls in seinem Verständnis – überwundene Dekonstruktion.25 Es stellt sich aber die Frage, ob Rorty nicht die ästhetische Variante des Reflexionsparadigmas in Literatur und Kunst unterschätzt oder gar übersieht. Die romantische Literatur erzählt Geschichten von konkreten und prekären Spiegelungen Richard Rorty: Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie, Frankfurt/M. 1981. Manfred Frank: Was ist Neostrukturalismus?, Frankfurt/M. 1984. 23 Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt/M. 1974; vgl. hierzu Vf.: Im Spiegel: Subjekt – Zeichen – Medium. Stationen einer Auseinandersetzung mit Velasquez’ Las Meninas als Beitrag zu einem performativen Medienbegriff, in: Intermedium Literatur. Beiträge zu einer Medientheorie der Literaturwissenschaft, hg. von Roger Lüdeke und Erika Greber, Göttingen 2004, 123–142. 24 Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 6), 33 f. 25 Richard Rorty: Dekonstruieren und Ausweichen, in: ders.: Eine Kultur ohne Zentrum. Vier philosophische Essays und ein Vorwort, Stuttgart 2008, 104–146, hier: 143. 21
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und nutzt den Spiegel als Bild und Metapher, wie auch Magritte, aber die Idee der Reflexion kann in ihrem lateinischen Begriff nur schlecht darüber hinwegtäuschen, dass das Subjekt im eigentlichen Wortsinne ein medialer Selbstbespiegelungseffekt ist. Für Rorty hingegen ist der Spiegel der Natur eine Generalmetapher für jede Form einer operativ auf Reflexion aufruhenden, im Subjekt zentrierten Epistemologie und damit für jede im weitesten Sinne idealistische Philosophie – Rorty selbst spricht von traditioneller Philosophie. Geradezu verblüffend an Magrittes Bild ist also die Tatsache, dass die Reflexion des Spiegels nur dort funktioniert, wo sie nicht das Subjekt, sondern das Medium und konkret das Buch spiegelt. Und dass sich die in diesem Buch erzählte Geschichte des Arthur Gordon Pym in den Naturgewalten des Meeres, der fremden Kulturen und nicht zuletzt des eigenen Körpers auch als literarisches Dokument einer Geschichte der Subjektkritik verstehen ließe, sei nur am Rande erwähnt. Festgehalten werden soll hingegen, dass die Reflexion dort funktioniert, wo sie überflüssig und geradezu absurd ist. Das Subjekt müsste gespiegelt werden, wenn wir es erkennen wollen, aber das Buch wird gespiegelt, das wir nur lesen können, wenn es gerade nicht gespiegelt wird. Fast scheint es, als würde hier die Entwicklung von Rortys Denken vom Spiegel der Natur bis hin zur späteren Wendung zur Literatur schon emblematisch vorweggenommen. Und es scheint mir auch symptomatisch zu sein, dass der Blick aufs Buch dann fällt, wenn der Blick aufs Subjekt problematisch geworden ist. An die Stelle der Reflexion tritt dann die Lektüre, an die Stelle des Subjekts tritt dann der Sinn. Zwischen der Reflexion, konkretisiert in der Metapher oder im Bild des Spiegels, einerseits und dem Sinn andererseits besteht das größte Spannungsverhältnis, das es nunmehr zu entfalten gilt.
Voraussetzung einer Konfrontation: Rorty und Luhmann Ist der Begriff der Reflexion ein Grundbegriff einer idealistischen, subjektzentrierten Philosophie und selbst noch des Versuchs ihrer Überwindung, so ist der Begriff des Sinns der Grundbegriff nicht nur jeder Hermeneutik,26 sondern auch ein Grundbegriff der Systemtheorie, nicht zuletzt der Systemtheorie Luhmanns. Beide, Hermeneutik und Systemtheorie, können in Frontstellung sowohl gegenüber der Transzendentalphilosophie als auch gegenüber der Dekonstruktion gebracht werden. In diesem Feld wäre die Ecke der Systemtheorie der einzige Bereich, den Rorty selbst in seinen ausführlichen Auseinandersetzungen mit der Philosophie seiner Zeit nicht selbst abgedeckt hat. Gleichmaßen ist die Systemtheorie jene theoretische Option, die den Sinnbegriff neben dem grundlegenden Systembegriff auch dazu einsetzt, sich, wie Jürgen Habermas konstatiert, die subjektphilosophische Erbmasse
Siehe Werner Kogge: Die Grenzen des Verstehens. Kultur – Differenz – Diskretion, Weilerswist 2002, 205–260. 26
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anzueignen.27 Mit Luhmann kommt also eine dritte Position und Option ins Spiel: Wo Rorty die (Aporien der) Reflexion hinter sich lassen will, die Dekonstruktion die (Aporien der) Reflexion autoperformativ vollzieht, da verwandelt die Systemtheorie die Aporien in Paradoxien, die sie zugleich – in der radikalsten Umdeutung einer Tradition der Logik – zu Konstituenten des eigenen Theoriedesigns macht. Insofern muss ein Vergleich zwischen Rorty und Luhmann schon aus heuristischen Gründen fruchtbar sein. Mit den Titelbegriffen dieser Überlegungen, Spiegel und Sinn, werden nicht, wie man vermuten könnte, Rorty und Luhmann gegenübergestellt oder gar gegeneinander ausgespielt, vielmehr soll gezeigt werden, wie beide, Rorty und Luhmann, ihre Positionen in einem Koordinatenfeld fi nden, das von den Ideen von Spiegel und Sinn aufgespannt wird. In der Konfrontation Rortys bzw. einschlägiger Positionen oder Thesen von ihm mit Luhmann und den Grundbausteinen der Systemtheorie kann man nicht nur Rortys pragmatische Position und die Hermeneutik in einem weiter gespannten Kontext verorten, sondern auch klären, welche Konsequenzen sich denn aus Rortys Poetik einer politischen Kultur 28 für die verstehenden Wissenschaften ergeben oder wie sie einzuschätzen sind. Nun könnte man Rorty eine pragmatische und Luhmann nicht zuletzt mit seinem fundamentalen Sinnbegriff eine fundamentale Hermeneutik unterstellen. Dass Rorty und Luhmann unterschiedliche Wege gehen, ist offensichtlich, aber hier soll deutlich werden, dass dieser Unterschied nicht mit einer Gegenüberstellung von pragmatischer und fundamentaler Hermeneutik erfasst werden kann. Ein solcher Unterschied wird hinfällig, wenn gezeigt werden kann, dass auch das, was sich pragmatisch gibt, fundamental ist. Zu diesem Zweck ist es hilfreich, etwas weiter auszuholen und Rortys grundlagentheoretische Position zur Philosophie, wie sie in Der Spiegel der Natur zum Ausdruck kommt, und seine Antwort auf die Frage, wie diese Position für seine spätere Ironie- und seine Kontingenzkonzeption grundlegend wird, in einen wenn auch sehr groben philosophischen und philosophiegeschichtlichen Kontext mit fl ießenden Grenzen zur Soziologie und zur Literaturwissenschaft einzuordnen, in dem dann auch Luhmanns Systemtheorie ihren Platz fi nden kann. Die Grenzen zwischen den genannten Bereichen sind auch deswegen fl ießend, weil eine solche Positionierung natürlich auch auf ein hermeneutisches Substrat abheben muss, das in den drei genannten Bereichen, Soziologie, Philosophie und Literaturwissenschaft, zum gemeinsamen, historischen und mehr denn je auch aktuellen methodischen Grundinventar gehört. Man kann dabei Rortys Spuren folgen. In seinen Texten fi nden sich immer wieder Sätze wie der folgende, mit denen Rorty selbst das theoretische Feld aufspannt, durchmisst und sich selbst verortet: »Derrida verhält sich zu Heidegger wie Heidegger zu Nietzsche. Beide sind die intelligentesten Leser und vernichtendsten
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Habermas: Diskurs der Moderne (Anm. 4), 426 ff. Richard Rorty: Philosophie als Kulturpolitik, Frankfurt/M. 2008.
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Kritiker ihrer jeweiligen Vorgänger.« 29 Selbst wenn die Philosophiegeschichte nicht zum Ausbildungsprogramm jener sprachanalytischen Schule gehörte, aus der auch Rorty ursprünglich kommt und aus der er sich emanzipiert hat, ist Rorty Philosophiehistoriker genug und zudem exzellenter Kenner dieser Autoren, um zu wissen, dass solche Sätze philosophiegeschichtlich zumindest ungenau und problematisch sind. Aber das gehört symptomatisch zu Rortys Stil, der immer zugleich auch Argument sein will.30 Was als historisches Bonmot daherkommt, muss gerade als systematisches Argument gewertet werden. Es geht ihm in erster Linie darum, eine Konstellation zu extrapolieren, vor deren Hintergrund er, Rorty, seinem Impetus überhaupt erst Form und Richtung geben kann. Und gerade deswegen – so steht zu vermuten – hätte es Rorty wohl nicht gerne gesehen, wenn man nun Sätze nach demselben Muster formuliert, in denen er selbst vorkommt, vielleicht sogar in derselben Struktur, wie zum Beispiel: Rorty verhält sich zu Derrida wie dieser zu Heidegger und Heidegger zu Nietzsche. Und eine solche Genealogie ließe sich fast beliebig fortsetzen: Und Nietzsche zu Schopenhauer wie Schopenhauer zu Hegel und Hegel zu Kant. Kontingenzdenken Aber nunmehr soll folgende Frage im Zentrum der weiteren Überlegungen stehen: Wie verhalten sich Rorty und Luhmann zueinander? Verhält sich Rorty zu Luhmann wie Luhmann zu Habermas? Was hülfe es denn dann, wenn man darauf achtete, und hierzu fi nden sich zahlreiche Vorgaben, wie Rorty sich zu Habermas verhält.31 Rorty und Luhmann zu vergleichen liegt nicht auf der Hand, jedenfalls nicht so deutlich, wie das beispielsweise bei Rorty und Dewey oder James oder Peirce im pragmatischen Kontext oder bei Luhmann und Bourdieu 32 oder Luhmann und Habermas im soziologischen Kontext der Fall wäre, aber dennoch gibt es verschiedene Anknüpfungspunkte. Einer dieser Anknüpfungspunkte in der Verhältnisbestimmung von Rorty und Luhmann wäre zum Beispiel die Idee und die Konzeption von Kontingenz, die beide entwickeln. Beide wären als Kontigenzdenker vorzustellen, die nicht nur den kontingenten Charakter sozialer Formung in Rechnung stellen, sondern die beide Kontingenz als Konstituente des Beobachteten, auch der Beobachtung selbst ansehen, was bei beiden Rückschlüsse auf die jeweils eigene Positionierung, den Status der eigenen Theorie, ja sogar auf die jeweilige Theoretizität erlaubt. Mehr noch: Wo Rorty eine dezidiert politische Position einnimmt und Luhmann nicht, lässt sich dies jeweils von der Art und Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 6), 202; siehe auch ders.: Habermas, Derrida (Anm. 8), 26–53. 30 Siehe dazu den Beitrag von Matthias Buschmeier in diesem Band. 31 Z. B. Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 6), 143 oder ders.: Habermas and Lyotard on Postmodernity, in: ders.: Essays on Heidegger (Anm. 6), 164–176. 32 Z. B. Bourdieu und Luhmann. Ein Theorievergleich, hg. von Armin Nassehi und Gerd Nollmann, Frankfurt/M. 2004. 29
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Weise, wie sie Kontingenz erfahren, beobachten, konzeptualisieren und bearbeiten, ableiten. Beide sehen Kontingenz als Potenzial an, bei Rorty wird es in einer bestimmten philosophischen Einstellung virulent, die die metaphysischen Begriffe wie nicht zuletzt Wahrheit obsolet werden lässt. Schlagwortartig mit seinem Buchtitel gesagt, verbindet sich bei Rorty Kontingenz mit Ironie zu Solidarität. Und genau das darf man von Luhmann nicht erwarten. Dieser beschreibt soziale Systeme als gigantische Kontingenzvernichtungsmaschinen, die gar nicht anders können, als auf diese Weise zu operieren, entsteht doch Gesellschaft selbst aus doppelter Kontingenz, ja ist doch Gesellschaft nichts anders als die Lösung des Problems doppelter Kontingenz.33 Für Rorty hingegen ist auch das Gemeinwesen, das man kurzerhand, aber vorsichtig in die Nähe des Luhmannschen Gesellschaftsbegriffs rücken könnte, ein Feld der Kontingenz (neben dem Feld der Sprache und des Selbst). Die Felder der Kontingenz bezeichnen bei Rorty klassische Konstituenten der Philosophie. Zum Beispiel spricht auch Peter Bürger vom Subjektparadigma (Bewusstseinsparadigma), vom Sprachparadigma und vom Paradigma intersubjektiver Kommunikation, das bei ihm mit dem Namen Habermas verbunden ist.34 Die Felder dieser drei Paradigmen lassen sich mit Rortys Feldern der Kontingenz zur Deckung bringen, was gleichermaßen noch einmal eine Skizze einer globaleren theoretischen und philosophischen Landschaft liefert, die Rorty mit seiner Idee von Kontingenz in ihren Konstituenten unterwandert. Wenn also vor diesem Hintergrund das Verhältnis von Rorty und Luhmann ohnehin heuristisch ergiebig ist, dann muss es also in den je unterschiedlichen Auff assungen von Kontingenz geradezu paradigmatisch zum Ausdruck kommen. Anders als Luhmann sieht Rorty keine Notwendigkeit, diese Kontingenz zu vernichten, im Gegenteil: Gerade in der sozialen Sphäre lässt sich Kontingenz fruchtbar machen, indem sie zu einer liberalen Verfassung des Gemeinwesens führen kann. Symptomatisch und signifi kant gleichermaßen für diese Bifurkation des Kontingenzdenkens bei den beiden Denkern Rorty und Luhmann scheint die Art und Weise zu sein, wie beide mit dem Verhältnis der Begriffe Gesellschaft und Kultur umgehen. Von Luhmann stammt der Satz, der gerne als Bonmot weitergetragen wird, wonach »der Begriff ›Kultur‹ […] einer der schlimmsten Begriffe [sei], die je gebildet worden sind« 35 . Kultur bleibt dann bestenfalls als Selbstbeschreibungssystem einer Gesellschaft übrig, während bei Rorty, der den Kulturbegriff extensiv einsetzt, Kultur so etwas wie ein Selfdesigning des Verhältnisses der eigenen Position zu der Gesellschaft oder der Inkorporation, der ›En-Socialisation‹ der eigenen Position in die liberale Gesellschaft bezeichnen könnte und mithin emi33 Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt/M. 1984, Kap. 3, 148 ff. 34 Peter Bürger: Das Verschwinden des Subjekts. Eine Geschichte der Subjektivität von Montaigne bis Barthes, Frankfurt/M. 1998, 11 ff. 35 Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt/M. 1995, 398.
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nent politische Implikationen besitzt.36 Denn Kultur wird für die Systemtheorie zu einem Problem ihrer Theoretisierbarkeit,37 während Kultur für Rorty die Form einer Praxis ist, die man auf der Basis der Kontingenzerfahrung entsprechend gestalten kann. Aber auch hier geht es nicht ohne Vernichtung, ohne Destruktion ab. Denn man muss gleichermaßen einen Preis zahlen, nämlich denjenigen, das eigene theoretische Herkommen auszulöschen, zu übersteigen (wenn man die auch von Rorty benutzte Leitermetapher Wittgensteins in Anschlag bringen will), in jedem Fall: hinter sich zu lassen. Und das ist der Punkt, wo man feststellen könnte, dass Rorty doch nicht so weit von Derrida oder Heidegger entfernt ist, wie er es vielleicht selbst darstellt. Oder anders – in Rorty’scher Manier – gewendet: Rorty ist von Derrida nicht weiter weg als Derrida von Heidegger usw. Rorty weiß ebenso gut wie Luhmann, dass Kontingenz vernichtet, wenn sie nicht selbst vernichtet wird. Rorty allerdings macht dieses Potenzial der Kontingenz zu einer Waffe seines Denkens. Wenn man die drei Kontingenzen der Sprache, des Selbst und des Gemeinwesens als philosophische Systematik liest, erkennt man darin nicht nur die Abstoßungspunkte, wie sie sich für Rorty in seiner intellektuellen und philosophischen Biographie herausgebildet haben, sondern darüber hinaus auch Paradigmen der modernen Philosophiegeschichte. Und dabei verstehe ich den Begriff des Paradigmas durchaus in einer Weise, die derjenigen Verwendung, die Thomas S. Kuhn in seiner Wissenschaftstheorie vorschlägt,38 nicht unähnlich ist. Die Übertragung auf die Philosophie macht aus einem Paradigma so etwas wie eine Begründungsebene, die ihre eigene Funktion umso besser herausstellen kann, je deutlicher sie darauf selbst noch einmal rekurriert – oder reflektiert. Sprache (oder Kommunikation), Selbst (oder Bewusstsein) und Gemeinwesen (oder Gesellschaft) sind solche philosophischen Paradigmen als Letztbegründungsebenen und ihre Begriffe gehören zu einem abschließenden oder Letztvokabular.39 Jeder philosophische Satz muss also dadurch begründet werden, dass er entweder darauf abhebt, dass er als Satz unter den sprachlichen, semantischen oder kommunikativen Bedingungen von Satzbildung geäußert wurde, oder aber er muss darauf abheben, dass eine Person, die sich als Individuum versteht und daher als Subjekt angesprochen werden kann, diesen Satz äußert, oder aber er muss schließlich auch darauf abheben, wie dies im Kommunitarismus gefordert wurde, dass der Satz im Rahmen eines Gemeinwesens geäußert wurde und nur in einem solchen Rahmen entweder überhaupt erst Bedeutung oder zumindest aber doch Gültigkeit gewinnt. Nun könnte man diese letzte Kontingenzformel auch mit dem Gesellschaftsbegriff eines Habermas oder eines Luhmann konfrontieren und dabei sehr leicht die Rorty: Philosophie als Kulturpolitik (Anm. 28). Siehe Niklas Luhmann: Kultur als historischer Begriff, in: ders.: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. IV, Frankfurt/M. 1995, 31–54. 38 Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt 21976. 39 Richard Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 6), 127. 36 37
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Verwerfungslinien erkennen. Gesellschaft als Gesamtrahmen eines – emphatisch gesagt – vernünftigen Konsenses ist ebenso wenig kontingent wie Gesellschaft als Gesamtrahmen aller sozialen Prozesse. Die Verwerfungslinie zwischen Rorty und Luhmann ist in diesem Bereich besonders deutlich. Weil Gesellschaft aus Kontingenz heraus entsteht, gibt es keine Kontingenz der Gesellschaft. Für die Systemtheorie ist Gesellschaft das Gegenteil von Kontingenz. Die Vorstellung, dass Philosophen der Gesellschaft Rationalitätsstandards vorgeben könnten, ist für Rorty absurd.40 Luhmann hingegen betont immer wieder, dass Systemtheorie immer schon mitvollzieht, was sie thematisiert, nämlich Gesellschaft. Gesellschaft gehört zum ›fi nal vocabulary‹ der Systemtheorie. Ein solcher Gesellschaftsbegriff ist jeder Kontingenz enthoben, wie im selben Moment auch der Vollzug dieser Gesellschaft durch die Systemtheorie als eine Form ihrer Selbstbeobachtung. Gerade deswegen aber, weil für Rorty Philosophie eben nicht mitvollzieht, was sie beschreibt, ist für ihn Kultur jenes Andere der Philosophie, auf das zu sich sein Denken bewegt und sich dabei in eine Form verwandelt, die das Begründungsdenken hinter sich lässt. Das ist seine Form des Pragmatismus, der wiederum eine Form der ironischen und liberalen Einstellung zu dieser Kultur entwickelt. Weil Rorty Kultur als Referenz beibehält, kann er die Philosophie ironisieren, und Luhmann folgt dabei einem geradezu konträren Modell. Natürlich ist auch Luhmann ein Ironiker, er bevorzugt »die Reflexionsform der (romantischen) Ironie«,41 aber eines würde er nie ironisieren, nämlich die eigene Theorie. Ironie ist deswegen ein so herausragendes Mittel gegen Letztbegründungen und damit generell gegen das Reflexionsparadigma, weil die Ironie immer schon das vorwegnimmt, was letzte Vokabulare aus den Angeln heben kann, nämlich die Umkehrung der Bedeutung. Entscheidend ist zu sehen, dass diese beiden Optionen, mithin die Bifurkation im Kontingenzdenken, im Grunde genommen bei beiden Denkern auf der Ablehnung des Reflexionsparadigmas beruhen. Kontingenz führt für Rorty zum Gegenteil von Reflexion, weil Kontingenz Begründungsebenen desavouiert und letzte Vokabulare bedeutungslos werden lässt. Bei Luhmann hingegen muss dies genauer betrachtet werden, zumal vor dem Hintergrund jenes Diktums von Habermas, wonach die Systemtheorie lediglich vom Subjekt auf das System umstelle und sich eben damit die subjektphilosophische Erbmasse aneigne.42 Und gerade deswegen sieht Habermas in der Systemtheorie ein »konkurrenzf ähiges Paradigma«,43 eine Alternative sowohl zum Subjekt-, aber auch zum Sprachparadigma. Dennoch darf man nicht übersehen, dass es bei Luhmann nicht um einen Austausch der Begriffe geht, sondern vielmehr um eine andere Form der Reflexion. Tatsächlich spielt der Begriff der Autoreflexion eine konstitutive Rolle, weil sie jeder Form Reese-Schäfer: Richard Rorty (Anm. 5), 7. Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2 Bde., Frankfurt/M. 1997, 1129. 42 Habermas: Diskurs der Moderne (Anm. 4), 431, 433 u. 426. 43 Jürgen Habermas: Metaphysik nach Kant, in: Theorie der Subjektivität. Festschrift für Dieter Henrich zum 60. Geburtstag, hg. von Konrad Cramer u. a., Frankfurt/M. 1987, 425–443, hier: 438. 40 41
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von Selbstreferenz zugrunde liegt, die ihrerseits das notwendige Korrelat zu jedweder Fremdreferenz ist. Aber diese Reflexion bei Luhmann kennt keine Form der Instantiierung wie das Subjekt mehr, sondern ist radikal prozessualisiert. Reflexion ist nur im System möglich, und das System wird radikal und unhintergehbar verzeitlicht, also prozessualisiert und prozessualisierend gedacht.
Die Überwindung des Refl exionsparadigmas durch Hermeneutik Die Pfade sind unterschiedlich, aber doch nicht so unterschiedlich, die vom Reflexionsparadigma zu Rorty hier und zu Luhmann dort führen. Bei Rorty kann man sehr schön erkennen, welche Bedeutung Heidegger, dem eine ganze Reihe seiner Essays gewidmet ist,44 und – diese philosophiegeschichtliche Entwicklungslinie weiterführend – Derrida haben. Luhmann thematisiert solche genealogischen Linien nicht, aber die Art und Weise, wie er zu seiner Ablehnung des Reflexionsparadigmas kommt, liegt nicht weit von dieser Linie entfernt. Dies lässt sich erkennen, wenn man durchschaut, welche Bedeutung der Sinnbegriff für ihn hat. Kein System ließe sich in dieser radikalen Form als verzeitlicht denken, wenn man nicht Sinn annehmen würde.45 Sinn garantiert die Einheit des Systems, systemtheoretisch gesprochen, die Einheit der System-Umwelt-Differenz, im verzeitlichten Prozess, der wiederum nichts anderes ist als das System selbst. Es lässt sich aus den beiden Positionen ein gemeinsamer operativer Impetus, so unterschiedlich er dann auch entfaltet wird, ableiten. Und der lautet, dass für beide Positionen hermeneutische Figuren jenes Instrument darstellen, um sich vom Reflexionsparadigma abzustoßen. Insofern unterscheidet Rorty deutlich zwischen einer »Philosophie im Sinne der Erkenntnistheorie« und einer »Philosophie als Hermeneutik«.46 Für beide ist die Hermeneutik oder das Hermeneutische jene Form, mit der es ihnen gelingt, die Letztbegründung im Subjekt hinter sich zu lassen. Deswegen sind Nietzsche, Heidegger und Derrida für Rorty so wichtig, obschon oder vielmehr gerade weil sie in den Augen Rortys als politische Philosophen »im besten Fall unnütz und im schlimmsten Fall gefährlich« sind.47 Dies ist eine hermeneutische Traditionslinie,48 die auch die Hermeneutikkritik, wie fundamental sie bei Derrida auch immer sein mag, mit einschließt. Nietzsche als Gewährsmann ist von Bedeutung, weil mit ihm, im Anschluss an Schopenhauer, erstmals das reflexionslogische Paradigma grundsätzlich in Frage gestellt wird. Und es ist durchaus bemerkenswert, in welch wechselseitiges Verhältnis sich Nietzsche (der als Philologe Philosoph geworden ist) und Rorty (der als Philosoph Philologe Vgl. Rorty: Essays on Heidegger (Anm. 6). Vgl. Luhmann: Soziale Systeme (Anm. 33), Kap. 2. 46 Demmerling: Literarische Kultur? (Anm. 3), 325–354, hier: 336. 47 Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 6), 121. 48 Siehe z. B. Jean Grodin: Einführung in die philosophische Hermeneutik, Darmstadt 1991 oder Matthias Jung: Hermeneutik zur Einführung, Hamburg 2007. 44 45
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geworden ist) setzen lassen. Heidegger, der ebenfalls auf Nietzsche in seinem Bemühen um eine Überwindung der Metaphysik zurückgreift,49 ragt aus dieser ›Ahnenreihe‹ sicherlich heraus, weil sein Kampf gegen einen cartesianischen Idealismus und eine Kant’sche Metaphysik über einen Begriff läuft – Dasein in Sein und Zeit, später dann nur noch das Sein oder das Seyn –, der im Gegensatz zum Begriff des Subjekts überhaupt nicht mehr reflexionslogisch gefasst werden kann, sondern ausschließlich hermeneutisch. An die Stelle des Subjekts ist das Dasein getreten, weil an die Stelle der Reflexionslogik nunmehr das Verstehen getreten ist. Und dieses Verstehen ist unhintergehbar, weil es nur verstehen kann, was sich selbst – das Dasein – immer schon selbst als solches verstanden hat.50 Aber eine solche Vorstellung ist gar nicht so weit von der Luhmanns entfernt: Wenn man sich seinen Sinnbegriff vor Augen führt, so könnte man sagen, dass der Weg vom Subjekt zum Dasein hier und der Weg vom Subjekt zum System dort gleichermaßen eng beieinander liegen und die Sinnbegriffe sich in bestimmter Hinsicht in ihrer – wie Dirk Baecker sagt:51 leeren – autoreflexiven Struktur zur Deckung bringen ließen. Aber der Grund dafür liegt in der zentralen hermeneutischen Figur: Zwar sieht das transitive Verb ›etwas verstehen‹ immer noch eine Subjekt-Objekt-Struktur vor, doch der oberflächliche sprachliche Eindruck täuscht. In Wirklichkeit ist Verstehen eine zirkuläre Struktur: Der hermeneutische Zirkel ist konstitutiv für jedwedes Verstehen. Zirkularität ist die Grundvoraussetzung für die Art von Prozess, wie sie Luhmann konzipiert, so wie die Drehung einer Welle die Grundvoraussetzung für die von einem Motor erzeugte Vorwärtsbewegung ist. Derrida wiederum wird für Rorty dort wichtig, wo er das hermeneutische Potenzial, gerade in einer radikalisierten Infragestellung der Hermeneutik, nunmehr selbst auf die Philosophie anwendet. Wenn für Rorty die Hermeneutik der Weg ist, hinter den Spiegel der Reflexion zu kommen, so ist die Dekonstruktion für ihn eine potenzierte Hermeneutik, weil es für Rorty darauf ankommt, die Hermeneutik gegenüber dem überkommenen Reflexionsparadigma nicht zu einem alternativen Paradigma zu machen, sondern die Paradigmatisierung selbst abzulösen.52 In der Dekonstruktion erfüllt sich für Rorty das reflexionskritische, ja reflexionsdestruierende Versprechen der Hermeneutik, weil in der Dekonstruktion die hermeneutische Zuwendung zum Objekt des Nachdenkens jene Form und jene Qualität annimmt, die dem Objekt selbst zukommen. Was Habermas kritisch anmerkt, weil dadurch die politischen Implikationen,53 die er sich nach seinem Weg von der Soziologie in die Philosophie von dieser verspricht, verloren gehen, wird von Rorty begrüßt, ja geradezu gefeiert: nämlich die Einebnung des Gattungsunterschiedes zwischen Philosophie und Literatur, aber eben nicht im – grammatologischen – Sinn Derridas, sondern eher in einem ästhetischen, sprachspielerischen, 49 50 51 52 53
Martin Heidegger: Nietzsche I + II, Pfullingen 1961. Martin Heidegger: Sein und Zeit, Tübingen 151984. Dirk Baecker: Kalkül des Seins, auf: http://www.dirkbaecker.com/Sein.pdf. Rorty: Der Spiegel der Natur (Anm. 21), 343. Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität (Anm. 6), 143.
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kreativen Sinn. Von Derrida übernimmt Rorty die Vorstellung, dass im Zuge ihrer Hermeneutisierung die Philosophie werden müsse, was sie immer schon war, was sich aber erst bei Derrida zeigt: »a kind of writing«. Genau dann wäre das Ziel erreicht, die Philosophie hätte sich vom Reflexionsparadigma befreit und wäre nicht mehr auf letzte Vokabulare angewiesen, weil sie den kontingenten Charakter solcher Vokabulare durchschaut und transparent gemacht hätte. An dieser Stelle wäre dann die Philosophie, die abseits der Gesellschaft stünde, nun selbst Teil einer »ästhetischen Kultur«,54 einer – wie Walter Reese-Schäfer mit intelligentem Hinweis auf eine frühromantische Begriffl ichkeit abweichend übersetzt – »poetisierten Kultur« 55 geworden. Allerdings muss man hier zwei kritische Anmerkungen machen: Erstens: Ob Rortys eigenes Schreiben im emphatischen Sinne diese Verheißung wahr gemacht hat, ist eine andere Frage, und man könnte gute Gründe nennen, diese Frage zu verneinen. Er hat zwar die hermeneutischen Gegenstände, nämlich die Literatur und die Bücher, in die Philosophie geholt, aber sein Schreiben ist deswegen – in diesem emphatischen Sinne, wie man ihn vielleicht Derrida, Heidegger oder Nietzsche unterstellen kann – noch lange nicht selbst literarisch geworden. Vielmehr hat er Literaturinterpretationen selbst als Philosophie entfaltet. Zweitens schätzt Rorty an Derrida die Schreibweise, aber nicht den Überbietungsgestus, den Derrida gerade im Prozess, aus einer anti-reflexionslogischen Hermeneutik eine schlagkräftige Dekonstruktion zu machen, an den Tag legen muss, um auch noch jene selbst von der Hermeneutik induzierte Metaphysik der Präsenz zu überwinden, wie er dies wiederum von Heidegger übernommen hat. Was Rorty hierbei nicht in den Blick kommt, ist die Tatsache, dass hermeneutische Destruktion der Reflexion und Überbietungsgestus untrennbar zusammengehören. Eine Überwindung der Philosophie, die selbst noch einmal philosophisch formuliert, kann nur die Philosophiegeschichte, von der man sich abzusetzen versucht, verlängern.56 Rorty teilt das Schicksal vor allem von Heidegger und vielleicht noch intensiver von Derrida, was deren Kampf einer Überwindung der Metaphysik 57 angeht: Sie bleiben Bestandteil einer von ihnen identifi zierten Philosophiegeschichte, auch und gerade im Moment und im Gestus der Absetzbewegung. Auch Rortys Plädoyer für einen Vorrang der Demokratie vor der Philosophie,58 der Freiheit vor der Wahrheit,59 der Solidarität vor der Objektivität,60 der Ebd., 99. Reese-Schäfer: Richard Rorty (Anm. 5), 97. 56 Richard Rorty: Vier Formen des Schreibens von Philosophiegeschichte, in: ders.: Wahrheit und Fortschritt (Anm. 11), 355–394. 57 Zu diesem philosophischen Topos siehe: Walter Schweidler: Die Überwindung der Metaphysik. Zu einem Ende der neuzeitlichen Philosophie, Stuttgart 1987. 58 Richard Rorty: Der Vorrang der Demokratie vor der Philosophie, in: ders.: Solidarität oder Objektivität? Drei philosophische Essays, Stuttgart 1988, 82–125. 59 Rorty: Wahrheit und Fortschritt (Anm. 11). 60 Rorty: Solidarität oder Objektivität?, in: ders.: Solidarität oder Objektivität? (Anm. 58), 11–37. 54 55
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Hoff nung vor der Erkenntnis,61 auch sein Eintreten für eine ästhetische Kultur und eine liberale, sozialdemokratische Solidarität kann nicht verschleiern, dass er im Grunde auch nur die Philosophie verlängert und vielleicht sogar ein lustiges Begräbnis zu einer traurigen Reanimation macht. Christoph Demmerling spricht mit Blick auf den nicht genutzten Ausweg zur Literatur von der »Halbherzigkeit seiner [=Rortys, OJ] Philosophiekritik«.62 Am deutlichsten wird diese Blindheit Rortys gegenüber seinem eigenen Überbietungsgestus. Denn gerade dort, wo er diesen Gestus vermeiden will, indem er eine Philosophie als Literaturkritik oder gar als literarische Spiel in den Dienst einer poetisierten Kultur stellt, die Wahrheitsansprüche zugunsten der Hoff nung aufgibt, setzt er ihn am radikalsten um. Und insofern muss man Rortys Philosophiekritik, und nichts anderes ist seine Philosophie, in die Reihe der großen philosophischen Endspiele des 20. Jahrhunderts einordnen.63 Philosophiekritik immer noch als Philosophie zu betreiben hat aber Auswirkungen auf das Vorhaben, Konsequenzen für die verstehenden Wissenschaften zu ziehen. Und dies lässt sich wiederum leichter konturieren, wenn man noch einmal Rorty und Luhmann miteinander ins Verhältnis setzt. So kann man mit Rorty erkennen, welche Bedeutung der hermeneutische Impetus auch für die Systemtheorie hat.64 Auch wenn die Systemtheorie diesen super-hermeneutischen Begriff des Sinns voraussetzt, so fi nden sich bei Luhmann doch keine Überlegungen zur Frage, welche Grundlegung das spezifi sch hermeneutische Element für seine Theoriearchitektur hat. Insofern fehlt der Systemtheorie – abgesehen davon, dass sie sich ohnehin als soziologisch ausgibt – jede Form des Überbietungsgestus. Und deswegen ist die so genannte subjektphilosophische Erbmasse auch kein Problem für die Systemtheorie. Hält man aber Rorty dagegen, kann man erkennen, dass diese hermeneutische Dimension der Systemtheorie sich gerade von der subjektphilosophischen Erbmasse so weit frei hält, dass sie sie überhaupt erst übernehmen, also das System als verzeitlichen Prozess denken kann. Die Tradition muss von der Systemtheorie in der Logik der Systemtheorie nicht überboten werden, weil sie mit dem Systembegriff immer schon überholt ist. Gerade deswegen kann man mit Luhmann bei Rorty erkennen, welche immanente Funktion und welche Auswirkungen dieser Überbietungsgestus hat. Wenn man also den Gattungsunterschied systemtheoretisch als systemische Differenz fasst, so wäre zu fragen, ob denn diese Differenz eine philosophische oder ihrerseits wiederum literarische ist. Und bei Rorty ist sie eindeutig philosophisch. Das führt zu dieser eigentümlichen Spannung. Er handhabt diese Differenz so, dass er die literarische Seite als positiven und präferierten Wert markiert, aber Richard Rorty: Hoff nung statt Erkenntnis. Eine Einführung in die pragmatische Philosophie, Wien 1994. 62 Demmerling: Literarische Kultur? (Anm. 3), 325–354, hier: 338. 63 Vgl. Willy Hochkeppel: Endspiele. Zur Philosophie des 20. Jahrhunderts, München 1993; Herbert Hrachovec: Vorbei. Heidegger, Frege, Wittgenstein. 4 Versuche, Basel/Frankfurt/M. 1981. 64 Vgl. Georg Kneer und Armin Nassehi: Verstehen des Verstehens. Eine systemtheoretische Revision der Hermeneutik, in: Zeitschrift für Soziologie (1991), 341–356. 61
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die Markierung selbst philosophisch vornimmt. Eine Frage, der Rortys Konzeption nicht ausweichen kann, ist die nach dem Beobachter: Wo wäre seine, Rortys, Position gegenüber der seiner Philosophie situiert? Schließlich betont er selbst, dass die Zuordnung zu einer Gattung »eine Sache des Betrachters« sei.65 Der Unterschied zwischen Rorty und Luhmann auf dieser gemeinsamen hermeneutischen Basis besteht darin, dass Rorty sie pragmatisch und das heißt performativ nutzt, indem er selbst Hermeneutik betreibt und Texte – philosophisch – interpretiert, wohingegen Luhmann die Aufgabe der Hermeneutik den Systemen selbst überlässt. Der deutlichste Abstand zur subjektphilosophischen Erbmasse wird dort sichtbar, wo man das Erkenntnissubjekt gegen den systemischen Beobachter, gegen Beobachtung als Prozessieren und Operieren eines Systems hält. Deswegen kann Luhmann auch so souverän mit Begründungsfiguren und Letzthorizonten umgehen, nämlich mit Gesellschaft für alle sozialen und mithin kommunikativen Prozesse und mit Welt, jenen »Letzthorizont alles Sinnes«.66 Sinn selbst ist für ihn eine unhintergehbare Fundamentalkategorie, »eine unnegierbare, eine differenzlose Kategorie«.67 Aus diesem Grund lehnt er den Kulturbegriff ab. Bei Rorty hingegen wird ein bestimmter Kulturbegriff zum Letzthorizont. Doch wo Luhmann den Letzthorizont immer als solchen ausweisen kann, kommt es Rorty gar nicht in den Sinn, und darf auch in der Logik seines Pragmatismus nicht geschehen, Kultur als Letzthorizont zu bezeichnen. Aber es ist gerade dieser Status als Letzthorizont, der sich einstellt, wenn man die Richtung des bei Rorty angelegten Überbietungsgestus nachverfolgt. Interpretation Deswegen sind für Rorty literarische Texte als Dokumente einer ästhetischen Kultur und mehr noch ihre Interpretation als performativer Akt einer Teilhabe an einer ästhetischen Kultur der Solidarität von solcher Bedeutung, während sie bei Luhmann keine vergleichbare Funktion haben und bestenfalls im historischen Archiv auftauchen. Und gleichermaßen kann dieser Umstand dafür verantwortlich gemacht werden, dass Rorty den an der Literatur exemplarisch exekutierten Interpretationsbegriff zum Generalmodell einer kulturellen Partizipation werden lässt, einer Kultur, die nach (post) dem Reflexionsparadigma auf Interpretation und nicht mehr auf Verifi kation setzt, denn Interpretationen sind nicht wahr oder falsch, sondern sie unterlaufen immer schon diese Kategorisierung, weil sie Fehllektüren ermöglichen, die den Blick auf das Neue eröff nen, ohne der Beliebigkeit das Wort zu reden. Für Rorty wird die Interpretation zu einer Einstellung, zu einer Form der Partizipation an einer liberalen und solidarischen Gemeinschaft, 65 Richard Rorty: Erwiderung auf Christoph Demmerling, in: Hinter den Spiegeln (Anm. 3), 354. 66 Luhmann: Soziale Systeme (Anm. 33), 105. 67 Ebd., 96.
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weil er solche Gemeinschaften ethnozentrisch, ja geradezu amerikanistisch als freie, demokratische, liberale Gesellschaft denkt. Mit Rorty über ihn hinausgehend könnte man sagen, dass Interpretation eine Lebensform wird. Was Rorty aber fehlt, ist ein ausgearbeiteter Interpretationsbegriff. Die theoretische Zurüstung dieser Idee von Interpretation ist bei Rorty zu schwach, als dass sie ihr Versprechen einlösen könnte. Der Grund, warum Rorty diesem Interpretationsbegriff im Rahmen seiner Hermeneutik nicht eine Fundierung gegeben hat, war wohl die Furcht, wie er es bei Heidegger und Derrida abgelesen hat, dass Fundierung in Fundamentalisierung umschlägt, dass aus einem derartigen Interpretationsbegriff mit diesen weitreichenden Konsequenzen auch eine Fundamentalhermeneutik oder selbst gar eine Dekonstruktion erwachsen könnte. Dem ist er wohl eher ausgewichen. Umgekehrt ließe sich fragen: Wäre also nicht der Begriff der Interpretation ein Kandidat für eine letzte, abschließende Vokabel? Diese Frage kann man auch der Systemtheorie stellen. Für Luhmann hat Hans Ulrich Gumbrecht »die Abstinenz hinsichtlich des Interpretationsbegriffes« konstatiert und diese »als Symptom von Luhmanns Theoriearchitektonik« gewertet.68 In diesem Zusammenhang stehe auch eine »Depotenzierung der Differenz zwischen Verstehen und Mißverstehen«.69 Worauf Gumbrecht mit dieser Bemerkung aufmerksam macht, ist im Grunde genommen ein Komplement zur Position Rortys. Da Luhmann den Begriff des Verstehens im Rahmen der Systemtheorie immer nur systemisch und innersystemisch denken kann, ergibt sich daraus keine Notwendigkeit, die Interpretation als Verstehen zwischen Systemen oder überhaupt Interpretation als Überbrückung einer Differenz zwischen psychischen und sozialen Systemen oder aber zwischen mir und den anderen zu denken. Nun müsste also eine Luhmannsche Systemtheorie bedenken, dass Interpretation gerade dort systemisch und mithin auch systemtheoretisch interessant wird, wo sie intersystemisch gedacht wird.70 Rortys Pragmatismus hingegen müsste bedenken, dass Interpretation keine Handlungsoption ist, die man ergreifen kann. Vielmehr hätte ihm sein eigener Überbietungsgestus zeigen können, wenn er ihm selbst am Beispiel Heideggers oder Derridas transparent geworden wäre, dass solche Gesten immer auch dorthin zurückfallen, wovon sie sich abstoßen. So hätte ihm aufgehen können, dass seine Konzeption von Interpretation gleichermaßen ein fundamentalistisches Moment, wenn auch im Gewande des Pragmatismus, enthält. Aber das scheint mir nicht das Problem zu sein. Eher umgekehrt: Die Hermeneutik kann ihr wissenschaftliches ebenso wie ihr politisches Potenzial ausspielen, Hans Ulrich Gumbrecht: Interpretation versus Verstehen von Systemen, in: Diff erenzen. Systemtheorie zwischen Dekonstruktion und Konstruktivismus, hg. von Henk de Berg und Matthias Prangel, Tübingen/Basel 1995, 171–185, hier: 171 f. 69 Ebd., 179. 70 Als Beispiel sei genannt: Christoph Reinfandt: Der Sinn der fi ktionalen Wirklichkeiten. Ein systemtheoretischer Entwurf zur Ausdiff erenzierung des englischen Romans vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Heidelberg 1997. 68
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wenn sie sich ihres eigenen Fundamentalismus bewusst wird. Der hermeneutische Fundamentalismus besteht darin, dass Interpretationen nicht hintergehbar, nicht einholbar und schon gar nicht überholbar sind, es sei denn durch neue Interpretationen, für die dasselbe gilt. Aber es ist ja gerade dieser Fundamentalismus, der auch für liberale Gemeinschaften interessant sein könnte. Die Frage ist nicht, ob der Gattungsunterschied zwischen Philosophie oder Theorie auf der einen Seite und Literatur und Kunst auf der anderen Seite eingeebnet wird, sondern ob die Theorie einen Interpretationsbegriff hervorbringt, der diese fundamentale Grundlegung besitzt, nämlich die Kultur zu interpretieren und gleichzeitig selbst wiederum Interpretationen zu erheischen, die ihrerseits kulturbildend und -formend sind. Nur so könnte die Philosophie oder die Theorie Literatur und Kunst als ihre Gegenstände einholen und – in einer Wendung Kaf kas – selbst Literatur werden. Denn Interpretationen begegnet man nur mit Interpretationen, und ich gehe davon aus, dass dies performativ vielleicht auch für diese Überlegungen gilt.
«To him other continents arrive as contributions» Richard Rorty, European Theory, and the Poetry of American Politics Simon Stow Despite his being the author of Achieving Our Country1 and the advocate of a return to national pride as a source of democratic renewal, America’s embrace of Richard Rorty was, at best, an uneasy one. For many, Rorty symbolized everything that was wrong with the American academy at the turn of the millennium. He was, his critics held, a promoter of relativism over objectivity; rhetoric over Reason; and art over science. Indeed, Rorty’s influence seemed to demonstrate the intellectual ascendancy of that most pernicious of European imports into America, Theory with a capital ‹T.› And although Rorty made repeated attempts – especially in his later work – to situate himself within the American pragmatic tradition of William James and John Dewey, many American neo-pragmatists made it abundantly clear that they did not want him. Rorty’s work, they argued, was not only fundamentally dishonest, it also misrepresented the pragmatist canon and threatened to damage its legacy.2 Paradoxically, however, many of the fi gures – both European and American – most associated with the rise of Theory in the United States proved to be equally unwilling to embrace Rorty: failing to recognize in him anything like a fellow traveler.3 Nor was this sometimes-hostile reception of Rorty in Europe confi ned to those most often associated with the rise of Theory in America: oldfashioned Marxists also took umbrage, with Norman Geras accusing Rorty of advocating philosophical views conducive to Third Reich politics.4 In a previous essay I sought to resolve the enigma of Rorty’s relationship to postmodernism and pragmatism – or what could be reformulated for our current purposes, not too crudely I think, as Rorty’s relationship to European and American theory – in what might be considered a typically Rortian fashion: by offering a third perspective from which to view the other two.5 Historicizing his work by Richard Rorty: Achieving Our Country. Leftist Thought in Twentieth-Century America, Cambridge/New York. 1998. 2 See, for example, the essays by Susan Haack and James Gouinlock, in: Richard Rorty & Pragmatism. The Philosopher Responds to His Critics, ed. by Herman J. Saatkamp, Nashville 1995. 3 See the essays by Ernesto Laclau, Chantal Mouffe, Jacques Derrida, and Simon Critchley in: Deconstruction and Pragmatism, ed. by Chantal Mouffe, London 1996. 4 Norman Geras: Solidarity in the Conversation of Humankind. The Ungroundable Liberalism of Richard Rorty, London 1995, 73. See also Terry Eagleton: The Terry Eagleton Reader, ed. by Stephan Regan, Oxford 1998, 291. 5 Simon Stow: ‹The Democratic Literature of the Future›: Richard Rorty, Postmodernism, and the American Poetic Tradition, in: Histories of Postmodernism, ed. by Mark Bevir, Jill Hargis, and Sara Rushing, New York 2007, 193–214. 1
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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situating it within a tradition of American political poetry, I suggested that Rorty was among a group of thinkers, writers, and artists who sought to create the American Republic by writing what Walt Whitman called «the democratic literature of the future».6 Here, however, I wish to qualify that claim and to identify the theoretical/political consequences of this revised understanding of Rorty’s work. Rorty, I argue, while distinctly American in his concerns and outlook, nevertheless depended upon a specific connection to European thought and politics, but not the connection for which he is most often known and vilified. This connection, I suggest promoted a peculiar blindness in Rorty’s work to the distinctly American issue of race. This is not to say, of course, that there is no focus on the issues of race in European thought and politics.7 It will, however, be to note that the issue of race plays itself out in insidious ways in the United States that are, given its unique history of slavery and oppression, peculiar to American politics and society. Rorty’s relationship to a class-based European theoretical political tradition, it is argued, leads him to underestimate and under-emphasize the problems posed by race for his stated goal of «Achieving Our Country». In what follows, I will rehearse, qualify, and expand upon, the previous argument. Situating Rorty within a tradition8 of American political poetry suggests that far from being a ‹postmodernist› as the term is generally understood – as being associated with irony, a rejection of objectivity, intrinsic textual meaning, and philosophical foundations – Rorty merely utilized the rising popularity of European theory in American academia for his own ends, temporarily associating himself with the briefly-fashionable postmodernist label to promote his liberal political agenda. Rorty’s relationship to this European import was, I will suggest, one of philosophical coincidence and political-poetic opportunism. In making this argument, however, I should of course acknowledge the extent to which, as François Cusset has ably pointed out, that ‹Theory›, this ostensiblyEuropean import, was partly an American creation woven out of the disparate threads of quite different European approaches to literary texts and social formations. That the success of Theory in America was a product of specific academic, political, and critical needs in the United States during the period of its proliferation and ascendancy.9 In this, I would suggest, we see the ways in which even those American theorists who believed that they were employing a radically new way of 6 Walt Whitman: Democratic Vistas, in: W.W.: Complete Poetry and Prose, ed. by Justin Kaplan, New York 1982, 972. 7 Indeed, one of the most often-overlooked positive legacies of postmodernist and poststructuralist thought is the attention now paid to previously marginalized social groups. Valentine Cunningham: Reading After Theory, Malden/Mass. 2002, 53. 8 Here tradition is understood as a core set of ideas or practices with clear historical evidence of influence and shared understandings across time. Mark Bevir: The Logic of the History of Ideas, Cambridge 1999. 9 François Cusset: French Theory. How Foucault, Derrida, Deleuze, & Co. Transformed the Intellectual Life of the United States, Minneapolis 2008.
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seeing the world were, perhaps, actually engaged in a much older syncretic practice. The key difference between Richard Rorty and these thinkers was, however, that Rorty knew what he was doing: that he self-consciously used this movement towards high Theory for his own political ends, but was never of the Theory movement. Establishing these claims requires, of course, establishing the existence of this syncretic American tradition; identifying its key features; and showing why – despite sharing many similarities with the advocates of high Theory – Rorty belongs to this tradition of American thought and not to the Theory movement characterized by one professor as «the thousand-year Reich that lasted 12 years».10 It is to these tasks that I will now turn, before highlighting Rorty’s relationship to another – class-based European political tradition – and explaining why this connection proves so problematic for Rorty’s political work in the United States.
An American Poetic Tradition?11 Since the founding of the Republic, a persistent theme of American letters has been the absence of an American literary tradition. In the Second Volume of Democracy in America, Alexis de Tocqueville observed: «The inhabitants of the United States have, then, at present, properly speaking no literature.»12 What writers they did have, he suggested, borrowed largely from Europe. «They paint with colors borrowed from foreign manners; and as they hardly ever represent the country they were born in as it really is, they are seldom popular there.»13 Such was the apparent absence of an American literary tradition that calling for one to emerge became a trope among American writers. In his 1837 essay «The American Scholar», Ralph Waldo Emerson declared: «Perhaps the time is already come when it ought to be, and will be something else; when the sluggard intellect of this continent will look from under its iron lids, and fi ll the postponed expectation of the world with something better than the exertions of mechanical skill.»14 It was a call that Emerson would make repeatedly, most famously in his 1844 essay The Poet. «I look in vain» he wrote, «for the poet whom I describe [...] time and nature yield us many gifts, but not yet the timely man, the new religion, the reconciler, who all things await.»15 In such circumstances, seeking to situate Richard Rorty’s work within a Ibid., 178. Parts of this section draw on my previous essay, Stow: Democratic Literature of the Future (note 5). 12 Alexis de Tocqueville: Democracy in America, Vol. II, ed. by Philips Brady, New York 1990, 56. 13 Ibid. 14 Ralph Waldo Emerson: The American Scholar, in: The Portable Emerson, ed. by Carl Bode, New York 1981, 51. 15 Ralph Waldo Emerson: The Poet, in: The Portable Emerson (note 14), 261. 10 11
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tradition of distinctly American political poetry might seem somewhat quixotic. As with all tropes, however, the call for a distinctly American poetry hid as much as it revealed, with poets attempting to situate themselves as the answer to this call becoming as common as the call itself. None, however, situated themselves as successfully as Walt Whitman. Leaves of Grass was Walt Whitman’s attempt to meet Emerson’s challenge.16 Initially delighted, Emerson sent Whitman a letter of congratulation, the most famous excerpt from which – «I greet you at the beginning of a great career» – Whitman had printed on subsequent editions of the text. Nevertheless, a less-famous extract from Emerson’s letter best captures the dominant motifs of a distinctly American poetic tradition. «It has» wrote Emerson, «the best merits, namely of fortifying & encouraging.»17 For Whitman, as for Emerson before him, this commitment to fortification and encouragement was the hallmark of his literature. His goal was to generate hope in his audience about the possibilities of America’s democratic future. «The attitude of Great Poets» he declared in the preface to the fi rst edition of Leaves of Grass, «is to cheer up slaves and horrify despots.»18 Underpinning this understanding of a distinctly American poetic tradition was an almost complete faith in the moral, political, and emotional power of literature not only to support American democratic institutions, but also to create the nation itself.19 As Whitman declared: Our fundamental want to-day in the United States with our closest, amplest reference to present conditions, and to the future, is of a class, and the clear idea of a class, of native authors, literatures far different, far higher in grade than any yet known, sacerdotal, modern, fit to cope with our occasions, lands, permeating the whole mass of American mentality, taste, belief, breathing into it a new breath of life, giving it decision, affecting politics far more than the popular superficial suffrage, with results inside and underneath the elections of Presidents or Congresses – radiating, begetting appropriate teachers, schools, manners, and, as its grandest result, accomplishing, (what neither the schools nor the churches and their clergy have hitherto accomplish’d, and without which this nation will no more stand, permanently, soundly, than a house will stand without a substratum,) a religious and moral character beneath the political and productive and intellectual basis of the States.20
Reminiscences of Walt Whitman, in: The Atlantic Monthly, Vol. LXXXIX (2), 163–175. Walt Whitman: Leaves of Grass. The First (1855) Edition, ed. by Malcolm Cowley, New York 1976, ix. 18 Ibid., 15. 19 For a wonderful discussion of the role of poetry, and Whitman in particular, in the ongoing creation of the American Republic see Jason Frank: Constituent Moments. Enacting the People in Postrevolutionary America, Durham, NC 2010. 20 Whitman: Democratic Vistas (note 6), 932. 16 17
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For Whitman then, literature was to provide the basis for the American Republic. Declaring the writer of such poetry «no arguer»,21 Whitman suggested that the method was performative, that the poet’s effectiveness could be judged on results alone. «The proof of a poet is» he declared, «that his country absorbs him as affectionately as he has absorbed it.»22 In this vision of political poetry, the poet was to be a self-originating source of authority and value. Central to this goal was the creation of what Malcolm Cowley called the poet’s «idealized or dramatized self».23 For, as Rorty once observed, «you cannot make a memorable character without thereby making a suggestion about how your reader should act.»24 The method was to create a dramatic persona in order to enforce and enhance the power of the poet’s words. The fi rst edition of Leaves of Grass was, for example, graced by a daguerreotype of the author. The poet is depicted with his shirt open-necked, hand on hip, his hat and head jauntily cokked to one side. As Cowley observes, «The hero depicted in the frontispiece – this hero named ‹I› or ‹Walt Whitman› in the text should not be confused with the Whitman of daily life [...] he is put forward as an representative American workingman, but one who prefers to loaf and invite his soul.»25 Emerson too makes the poet the hero of democracy, declaring: Long he must stammer in speech; often forgo the living for the dead. Worse yet, he must accept – how often! – poverty and solitude. For the ease and pleasure of treading the old road, accepting the fashions, the education, the religion of society, he takes the cross of making his own, and, of course, the self-accusation, the faint heart, the frequent uncertainty and loss of time, which are the nettles and tangling vines in the way of the self-relying and self-directed; and the state of virtual hostility in which he seems to stand to society, and especially to educated society.26
The method is to create the poet so that he might judge others and fi nd them wanting in ways that will inspire them to change. We might think, for example, of the way in which Emerson scorns «modern man« in «The American Scholar». «Men in history, men in the world today», he wrote, «are bugs, are spawn, and are called ‹the mass› and ‹the herd›»,27 seeking to shame his readers and listeners into evaluating themselves by the standards that he created: the mark, as Harold Bloom observed, of a «strong poet».28 Indeed, by setting himself up in opposition to «a thinker» as a «Man Thinking», Emerson engaged in a poetic self-creation for purposes both public and private. In these aspects of Emerson’s and Whitman’s work 21 22 23 24 25 26 27 28
Whitman: Leaves of Grass (note 7), 9. Ibid., 24. Malcolm Cowley: Introduction, in: Whitman: Leaves of Grass (note 7), viii. Richard Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity, Cambridge/New York 1989, 167. Cowley: Introduction (note 23), xv. Emerson: The American Scholar (note 14), 63. Ibid., 66. Harold Bloom: The Anxiety of Influence. A Theory of Poetry, Oxford 1997.
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we see the considerable similarities between the methods of this American tradition and of Nietzsche and his European heirs.29 Connected to the self-aggrandizement of the poet as a source of authority, was the call made for a poetry – understood in the broadest Rortian sense as the power to describe and make things new – identical to the one being offered by the poet making the call. In this sense, there is a rich methodological irony within the tradition, with the persistent trope of the absence of an American literature being very much a cover for an advocacy of the poet’s position. This takes many forms, but emerges most clearly Emerson’s work. «We have yet» he wrote, «had no genius in America, with tyrannous eye, which knew the value of our incomparable materials, and saw, in the barbarism and materialism of the times, another carnival of the same gods whose picture he so much admires in Homer.»30 Part of Emerson’s later hostility towards Whitman was, no doubt, connected to the latter’s appropriation of the mantle that Emerson sought, the manifestation of Emerson’s frustration of his ironic self-effacement being taken at face value. Whitman’s deliberate attempt to inherent this mantle, his method of authority through heroic self-creation, and his call for poetry just like the one he himself was offering, fi nd their culmination in the few favorable reviews Leaves of Grass received upon its publication, the majority of which were penned by Whitman himself under a variety of pseudonyms.31 Central to this attempt to make America through poetry was the depiction of the nation – what Whitman memorably called «the greatest poem»32 – as the land of the future. It was an attempt underpinned by the notion that civilizations moved, like the sun, from East to West, a view espoused by, among others, Benjamin Franklin.33 It was this theory that led Horace Walpole to declare, rather optimistically perhaps, «The next Augustan age will dawn on the other side of the Atlantic. There will, perhaps, be a Thucydides at Boston, a Xenophon at New York, and, in time, a Virgil in Mexico.»34 Within this tradition, the poet’s job is to provide a vision of the American future towards which her citizens can aspire. «I submit», Whitman wrote in Democratic Vistas, «[...] that the fruition of democracy on aught like a grand scale, resides altogether in the future.»35 The idea of cultural migration as improvement was key to this viewpoint, the suggestion being that the Westward movement provided the opportunity for new cultures to build upon, and out of the materials of, the old in a kind of cultural palimpsest. The poet’s job was to Indeed, drawing on the work of Alexander Nehamas, Rorty describes Nietzsche as «Emerson’s disciple.» Richard Rorty: Philosophy and Social Hope, London 1999, 25. See also, Alexander Nehamas: Nietzsche. Life as Literature, Cambridge/Mass. 1987. 30 Emerson: The Poet (note 15), 261 f. 31 Cowley: Introduction (note 23), viii. 32 Whitman: Leaves of Grass (note 17), 5. 33 Joseph J. Ellis: After the Revolution. Profi les of Early American Culture, New York 1979, 5. 34 Ibid., 8. 35 Whitman: Democratic Vistas (note 6), 956. 29
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weave a new narrative out of the traditions of previous civilizations and other nations. In Whitman’s memorable phrase: «To him the other continents arrive as contributions.»36 Such an approach employed what Cusset calls «a historical tradition of subversive counterreadings, a quintessentially American tradition that started with the Founding Fathers and their reinterpretation of the Bible.»37 As Wendell Holmes admiringly noted, Emerson’s method was to skim works of literature and philosophy from all types of cultures with an eye to appropriating words and phrases for his own use.38 Indeed, just as Emerson sought also to make the wisdom of the past useful to the present by drawing upon multiple ancient sources and applying them – often anachronistically – to the present, Whitman declared: «The greatest poet forms the consistence of what is to be, from what has been an is. He drags the dead out of their coffins and stands them on their feet...he says to the past, Rise and walk before me that I may realize you. He learns the lesson...he places himself where the future becomes present.»39 Such an approach, as Whitman makes clear, has little to do with what the texts being employed actually say, but rather with what they can be made to say, regardless of the compatibility of the texts or their relationship to one another. As Whitman declares in perhaps the most famous passage of his most famous work: Do I contradict myself ? Very well then … I contradict myself; I am large … I contain multitudes.40
In Democratic Vistas, Whitman identifies multiple sources for his work, including both the Old and New Testaments, Plutarch, Homer, Milton, Cervantes, and Shakespeare, observing: «These are models, combined, adjusted to other standards than America’s, but of priceless value to her and hers.»41 The job of poets, he suggested, was to create a compelling narrative out of the confl icting voices of the American Republic, borrowing from wherever they can – including ancient and foreign literatures and traditions – to make their distinctly American poetry: an approach that relies purely upon effect rather than argumentation. This tradition of distinctly American political poetry encompasses then multiple aspects: a belief in the power of literature as a foundation for the American Republic; the self-creation of the poet as a source of authority; a call for a poetry just like the one being offered; and the provision, through a strong misreading of multiple – and often ostensibly incompatible – literatures, of a compelling narrative of 36 37 38 39 40 41
Whitman: Leaves of Grass (note 17), 6. Cusset: French Theory (note 9), xvii. Louis Menand: The Metaphysical Club. A Story of Ideas in America, New York 2001, 58. Whitman: Leaves of Grass (note 17), 12. Ibid., 85. Whitman: Democratic Vistas (note 6), 959.
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hope about America’s future. It is a tradition whose existence Rorty not only acknowledged, but also embodied.
Richard Rorty in the American Tradition 42 In the spring of 2000, I was fortunate enough to be a participant in Richard Rorty’s graduate seminar in the Comparative Literature department at Stanford University. The subject matter of the seminar was ‹Philosophy for Literature Students›, and the class drew a wide array of students of varying interests and intellectual backgrounds. In person, Rorty seemed much older, shyer, and less personally charming than the urbane, witty sophisticate pictured on the cover – and suggested by the prose – of Contingency, Irony, and Solidarity. He was, of course, a formidable intellect, and the class was provocative and challenging. Nevertheless, as the semester progressed, I became increasingly uncomfortable with some of Rorty’s accounts of key philosophical texts. Of course, Rorty being who he was, I was reluctant to challenge him. Finally, however, when the class turned to a discussion of Wittgenstein – a thinker whom I believed I knew well – I worked up the nerve to address the great man. «Professor Rorty», I offered, «I think that Wittgenstein is far more ambiguous on the relationship between language and the world than you are suggesting.» «You are absolutely right», Rorty observed. My heart swelled with pride. «When I said that Wittgenstein would say», he continued, «I should have said ‹What my idealized Wittgenstein would say›» and carried on as if the distinction were unimportant. Momentarily crushed, I briefly joined the ranks of those for whom Rorty was some kind of charlatan. Comfortingly, however, I later discovered that I was not alone in my unease. As David Bromwich observed in his Afterword to the thirtieth-anniversary edition of Philosophy and the Mirror of Nature, «the compulsion to notice what a philosopher ‹should have said› was an argumentative instinct that [Rorty] would never surrender.»43 This commitment to strong misreading, combined with Rorty’s rejection of foundations and metaphysics, is, perhaps, partly responsible for the frequent characterization of Rorty as a postmodernist. Rorty himself must, however, shoulder some of the blame, not least because of his apparent willingness – on occasion – to embrace the label. In Trotsky and the Wild Orchids, Rorty states that he became aware of the inroads that French Theory was making into America in 1976 via his then colleague, Princeton literature professor Jonathan Arac.44 In a 1983 article titled «Postmodernist Parts of this section draw on my previous essay, Stow: Democratic Literature of the Future (note 5). 43 David Bromwich: Afterword, in: Richard Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature. Thirtieth-Anniversary Edition, Princeton 2009, 426. 44 Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), 12. First published as: Trotsky and the Wild Orchids and, in: Wild Orchids and Trotsky. Messages from American Universities, ed. by Mark Edmundson, New York 1993, 3–20. 42
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bourgeois liberalism», Rorty appeared to situate himself in the postmodernist camp. «I use ‹postmodernist›» he wrote, «in a sense given to this term by Jean-François Lyotard, who says that the postmodern attitude is that of a ‹distrust of metanarratives›, narratives which describe or predict the activities of such entities as the noumenal self or the Absolute Spirit or the Proletariat.»45 Nevertheless, even here Rorty suggested his ambivalence by tying the term to an indigenous tradition, labeling John Dewey «a postmodernist before his time».46 Nevertheless, Rorty’s characterization of Dewey seemed to rely upon the strong misreading frequently associated with postmodernism, as did his more aggressive attempt to conflate postmodernism with pragmatism in 1989’s Contingency, Irony, and Solidarity.47 There he declared that postmodernism and pragmatism were virtually synonymous, separated only by the names of their biggest advocates. «The great names of the fi rst tradition» he asserted «include Heidegger, Sartre, Gadamer, Derrida and Foucault. The great names of the second [...] James, Dewey, Kuhn, Quine, Putnam and Davidson.»48 Further declaring that «existentialism, deconstructionism, holism, process philosophy, poststructuralism, postmodernism, Wittgensteinianism, anti-realism and hermeneutics» were all names associated with the same «anti-essentialistic, anti-metaphysical movement» in philosophy, and that his own preferred term for the movement was «pragmatism»,49 Rorty conflated a number of would-be-distinct sets of claims. All, he suggested, were «ways of saying that we shall never be able to step outside language, never be able to grasp reality unmediated by linguistic description.»50 The recognition of our inability to step outside of language, Rorty claimed, created a new philosophical method that eschewed traditional argumentation. Its aim, he wrote, was «to redescribe lots and lots of things in new ways, until you have created a pattern of linguistic behavior which will tempt the rising generation to adopt it, thereby causing them to look for appropriate forms of nonlinguistic behavior.»51 Philosophy became a kind of writing: collapsing many of the distinctions between the literature, philosophy, science and politics. As far as the latter was concerned, this method could not, said Rorty, provide any guidance for choosing between competing normative accounts of human existence. There were, he said, simply no such criteria to guide our choices. Seeking to fi ll this lacuna, Rorty offered his now-infamous account of post-foundational liberalism predicated upon Judith Shklar’s observation that «cruelty is the worst thing that we can do».52 45 Richard Rorty: Postmodernist bourgeois liberalism, in: R. R.: Objectivism, Relativism, and Truth. Philosophical Papers, Vol. I, Cambridge/New York 1991, 198 f. 46 Ibid., 201. 47 For a discussion of this aspect of Continental theory see David Mikics: Who Was Jacques Derrida? An Intellectual Biography, New Haven 2009, 59. 48 Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), xix. 49 Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), 47 f. 50 Ibid., 48. 51 Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (note 24), 9. 52 Ibid., 74.
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Somewhere in the mid- to late 1990s, however, Rorty began to dissociate himself from the postmodernist label. Upon taking up his position in the Comparative Literature Department at Stanford in 1997, Rorty jokingly suggested that he be given the title «Transitory Professor of Trendy Studies».53 In 1998, he declared that the «word ‹postmodern› has been rendered almost meaningless by being used to mean so many different things».54 Elsewhere he suggested that the word «should be dropped from our philosophical vocabulary».55 Indeed, from the early 1990s onwards Rorty began to suggest that the characterization of him as a postmodernist was something of a mistake forced on him by others. In seeking disassociate himself from that which he had once appeared to embrace, Rorty offered three criticisms of the Theory movement: first, that the playful open-endedness of deconstruction had been turned into just another method by Derrida’s Anglophone followers;56 second, what Rorty perceived to be the inapplicability of postmodernist thought to practical politics;57 and fi nally that the postmodernist Left were unpatriotic and without hope. «The academic Left» he wrote, «has no projects to propose to America, no vision of a country to be achieved by building a consensus on specific reforms.»58 In Rorty’s moral vocabulary, the claim that the academic Left lacked hope was one of the worst charges that he could level against them, second only perhaps, to the suggestion that they were guilty of cruelty. It is, however, not only the prevalence of this commitment to hope and utopia that suggests we should connect Rorty to a tradition of American political poetry rather than to a school of European-influenced postmodern thought, but also his account of his own intellectual development. Despite Edwards Said’s claim that there is «no doubt that [Rorty] had absorbed the deconstructionist and archaeological principles articulated by Derrida and Foucault»,59 Rorty’s intellectual trajectory seems to suggest otherwise. Certainly, Rorty more often cited Thomas Kuhn as a source of his ideas and worldview than Derrida or Foucault. Indeed, declaring Kuhn one of his «idols», Rorty observed that reading The Structure of Scientific Revolutions, gave him «the sense of scales falling from my eyes».60 It is to Kuhn’s work that Rorty ascribed his shift away from analytic philosophy, saying he came to regard the latter merely «as one way of doing philosophy, rather than as the discovery of how to set philosophy on the secure path of science.»61 Derek Nystrom and Kent Puckett: Against Bosses, Against Oligarchies. A Conversation with Richard Rorty, Charlottesville 1998, 55. 54 Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), 262. 55 Ibid., xiv. 56 Richard Rorty: Remarks on Deconstruction and Pragmatism, in: Mouffe: Deconstruction and Pragmatism (note 3), 13. 57 Rorty: Achieving Our Country (note 1), 78. 58 Ibid., 15. 59 Edward Said: The Franco-American Dialogue. A Late-Twentieth-Century Reassessment, in: Traveling Theory. France and the United States, ed. by Ieme van der Poel and Sophie Bertho, London 1999, 14 f. 60 Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), 175. 61 Ibid., 178. 53
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While there might be reasons to be suspicious of Rorty’s account of his own intellectual biography, not least the strong element of performativity in his work, it is, perhaps no less reliable than that offered by Neil Gross. For even as he unearths valuable information about Rorty’s early life and career, Gross frequently seems keen to reduce Rorty’s work to a sociological category or academic strategy, ignoring both Rorty’s irony and politics. Gross’s work does, however, suggest that the ‹epistemological break› theory of Rorty’s work – in which he made a sudden and definitive break from being an analytic philosopher to a postmodernist man of letters – is misplaced. Certainly Rorty’s desire to synthesize and reconcile apparently confl icting schools of thought was in evidence early in his career. «[M]ost of my early work in philosophy» Rorty declared in a grant application written in the early 1960s, «consisted of comparison between issued discussed by important figures in the history of philosophy and issues discussed in recent analytic philosophy [...] All of these pieces [...] were attempts to show that there was more continuity between contemporary movements and traditional figures than might be suspected.»62 Indeed, it is perhaps not too much of a stretch to see Rorty’s early concern with ‹metaphilosophy› as being connected to his later therapeutic and syncretic tendencies, even if, perhaps, at this point in his career Rorty was more concerned to establish what philosophers actually said, not what they «should have said». Professionally these reconciliationist tendencies were manifested in his support for giving Marcuse a position at Princeton; his recommendation of Alexander Nehamas for a Guggenheim; and, starting in the early 1970s, his exchange of manuscripts with Habermas.63 Of course, Rorty’s concern with syncretism and social hope are not by themselves sufficient to establish his connection to the previously-sketched tradition of American political poetry. Once this thread is pulled, however, much about Rorty’s work unravels in interesting ways. For Rorty clearly shares many characteristics, strategies, and concerns with Emerson, Whitman, and others in the tradition. Foremost among these is, perhaps, his rejection of metaphysics and argumentation in favor of performativity and effect. «I am not» he wrote in Contingency, Irony, and Solidarity, describing his method, «going to offer arguments against the vocabulary I want to replace. Instead, I am going to make the vocabulary I favor look attractive by showing how it may be used to describe a variety of topics.»64 As Rorty himself noted, there was nothing particularly ‹postmodern› about his approach. «Deconstruction», he observed, «is not a novel procedure made possible by a recent philosophical discovery. Recontextualization in general, and inverting hierarchies is particular, has been around for a long time. Socrates recontextualized Homer; Augustine recontextualized the pagan virtues [...] and Hegel recontextualized Socrates and Augustine.»65 62 63 64 65
Neil Gross: Richard Rorty. The Making of an American Philosopher, Chicago 2008, 149. Ibid., 195. Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (note 24), 9. Ibid., 134.
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Like his forebears in the American tradition, Rorty seemed to express an almost mystical belief in the power of the written word. Echoing Whitman’s belief in the power of literature, that which he called «the greatest art»,66 Rorty suggested that literary criticism did for thinkers such as himself «what the search for universal moral principles is supposed to do for metaphysicians.»67 Moreover, both thinkers suggested that the value of literature lies precisely in its moral and emotive power. Whitman’s assertion that the «true question to ask respecting a book, is, has it help’d any human soul?» 68 fi nds its echo in Rorty’s suggestion that we «should see great works of literature as great because they have inspired many readers, not as having inspired many readers because they are great».69 Thus, Rorty like his forebears in the tradition wove together multiple – often ostensibly-incongruous – literatures to tell his tale of America and her future. Describing his method as «[w]hatever works» Rorty suggests that «[y]ou use whatever phrases the audience learned growing up and you apply them to the object at hand».70 The approach collapses the distinctions between disciplines, and between high and low culture, in the interests of achieving its effects. Just as Whitman borrowed from folk songs and Italian opera, Rorty declared that the job of binding people together is a task «for genres such as ethnography, the journalist’s report, the comic book, the docudrama, and, especially, the novel».71 Rorty suggested that the poet’s «job is to pick out useful strands from each and then weave a new, improved, narrative.»72 Rorty set out to do precisely that: to weave a narrative that would, he believed, produce a better outcome for America. It was a narrative that put together such apparently-contradictory figures as Trotsky and Eliot, Nabokov and Freud, Kant and Hegel, Nietzsche and Mill, and, of course, the American pragmatists and the European postmodernists. It is in this call for a poetry just like the one he himself offered that we see most clearly Rorty’s connection to the performativity of the American poetic tradition.
Rorty on ‹Rorty› By 1990 Richard J. Bernstein noted, Richard Rorty had «offended and antagonized just about everyone – the political left and right, traditional liberals, feminists, and both analytic and Continental philosophers. His ‹strong› readings of key figures strike many as idiosyncratic creations of his own fantasies. He has been accused of being ‹smug›, ‹shallow›, ‹elitist›, ‹priggish›, ‹voyeuristic›, ‹insensitive›, and ‹irrespon-
66 67 68 69 70 71 72
Whitman: Democratic Vistas (note 6), 991. Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (note 24), 80. Whitman: Democratic Vistas (note 6), 987. Rorty: Achieving Our Country (note 1), 136. Nystrom and Puckett: Against Bosses, Against Oligarchies (note 53), 57. Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (note 24), xvi. Richard Rorty: Response to Bernstein, in: Saatkamp: Rorty & Pragmatism (note 2), 68.
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sible›. Rorty bashing is rapidly becoming a new culture industry.»73 Rorty, however, seemed immune to the criticism. «If there is anything to the idea that the best intellectual position is one that is attacked with equal vigor from the political right and the political left», he observed, «then I am in good shape.»74 To criticism of his scholarship, Rorty would offer a literal or figurative shrug of his shoulders, as he did to the often hostile and sometimes scathing reaction to Achieving Our Country in a collection of essays edited by John Pettegrew.75 Rorty even acknowledged his own misreadings and the displeasure they often generated in the authors of the texts he appropriated. «[Donald] Davidson» Rorty wrote, «cannot be held responsible for the interpretation I am putting on his views, nor for the further views I extrapolate from his;»76 a suggestion with which Davidson was in wholehearted agreement.77 Similarly, Rorty ended an essay on Thomas Kuhn with what he called «an embarrassing admission: Kuhn would have been embarrassed by the defense of him».78 Rorty, that is to say, seemed to revel in his own semi-pariah status within the Academy, even as he appeared to play down his own significance and express surprise at his notoriety. Asked in 1995 by Joshua Knobe to account for his fame, Rorty offered: I’m not sure. I was genuinely puzzled why Philosophy and the Mirror of Nature sold as much as it did. Obviously, I gave people something it turned out they wanted, but I am not quite sure what it was they wanted. And I’ve been truly puzzled about the translations. My stuff gets translated quite widely. When you fi nd out that Contingency, Irony, and Solidarity is being translated into Bulgarian – what do I know about Bulgaria? What do I know about why anybody there fi nds it interesting? It’s a mystery to me.79
In his alternately provocative and self-eff acing public stances, Rorty proved to be something of an enigma. While Rorty’s friend David Bromwich declared «so expansive an influence was neither sought nor quite foreseen by Rorty», and that Rorty believed Derrida «had made a bad bargain with his vanity;»80 David L. Hall observed that Rorty suffered «from ‹the last infi rmity of the noble mind› – the 73
Richard J. Bernstein: Rorty’s Liberal Utopia, in: Social Research 57.1 (1990), 31–72, quot.:
34. Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), 3. Richard Rorty: Intellectual Historians and Pragmatist Philosophy, in: A Pragmatist’s Progress? Richard Rorty and American Intellectual History, ed. by John Pettegrew, New York 2000, 207. 76 Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (note 24), 10. 77 Donald Davidson: A Coherence Theory of Truth, and Afterthoughts, 1987, in: Reading Rorty. Critical responses to ‹Philosophy and The Mirror of Nature› (and beyond), ed. by Alan Malachowski, Oxford 1990, 139–155. 78 Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), 187. 79 Joshua Knobe: A Talent for Bricolage. An Interview with Richard Rorty, in: The Dualis 2 (1995), 56–71. 80 Bromwich: Afterword (note 43), 423 ff. 74
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desire for fame».81 That Bromwich goes on to observe that Rorty was «in some ways prepared for» his fame nevertheless suggests that Hall’s account is somewhat closer to the truth.82 Certainly, Rorty never seems to have given up on his childhood ambition to make an impact on the world. Asked, for example, in 1960 by Gregory Vlastos whether he could «make a contribution to American philosophy» Rorty replied that he «certainly hoped so».83 Similarly, Neil Gross suggests that «Rorty liked Yale because it offered its graduate students a sense of historic mission: they would be the ones to put philosophy back on track, countering the pernicious influence of the analysts and restoring the field to its proper scope, range, and bearing.»84 Indeed, it is not too hard to discern a certain amount of ambition in Rorty’s observation, circa 1958, that «there are in every generation one or two ‹great› professional philosophers (a Dewey or a Heidegger) who became known, are read, and have an influence outside of the profession».85 Identifying in 1976, two kinds of philosophers, one associated with «‹objectivity› and ‹science-as-a-model-for-philosophy›», and the other «with the man of letters», Rorty seems to have identified his ambition and made his choice early.86 His decision to go to the University of Virginia was predicated upon the opportunity it offered him «to pin my hopes for the future on becoming a sort of all-round intellectual, or man of letters, or something of the sort».87 In this sense, then, Hall seems to be right; Rorty sought fame of a particular kind. However, in the context of this American poetic tradition, what Hall sees as an infi rmity of mind might better be conceived of as a public and political strategy. In Trotsky and the Wild Orchids, Rorty observed: «I am sometimes told, by critics from both ends of the political spectrum, that my views are so weird as to be merely frivolous. They suspect that I will say anything to get a gasp, that I am just amusing myself by contradicting everybody else. This hurts.» 88 The essay, he suggested, was meant to combat this hurtful perspective. Rorty did seek fame, but fame of a particular variety and for a particular purpose: the advancement of an edifying and fortifying vision of America that would underpin and bolster her liberal-democratic values. The enigma of his perpetual self-eff acement might be solved in two ways. First, it may be that such self-effacement was an ironic strategy much like that of Emerson whose call for a public poet was, in reality, a call for the recognition of his own genius. On the other hand, it might be that the self-effacing, somewhat-shy Rorty that I encountered at Stanford, was Rorty the person, and that the ‹Richard Rorty› of bold political pronouncements and iconoclastic 81 82 83 84 85 86 87 88
David L. Hall: Richard Rorty. Prophet and Poet of the New Pragmatism, Albany 1994, 231. Bromwich: Afterword (note 43), 423. Gross: Richard Rorty (note 62), 165. Ibid., 139. Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature (note 43), 398. Gross: Richard Rorty (note 62), 194. Ibid., 233. Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), 5.
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philosophical views was very much a Whitman-like creation of his ideal, public self. Certainly, this seems to be the image offered by the jaunty Richard Rorty depicted on the cover of Contingency, Irony, and Solidarity. Following Rorty’s death, James Ryerson noted: A restful photograph of Richard Rorty adorns the front cover of his 1989 book Contingency, Irony, and Solidarity. It is an image of him outdoors, looking tan and relaxed in a cream-colored sport coat against a backdrop of sun-dappled greenery and azaleas. Although I once spent a few days with Rorty, this tableau is what comes to mind when I think of him. It captures what you might call his philosophical mood.89
Given Rorty’s complexity, however, it is probably the case that both perspectives – the ironic self-effacement and the poetic self-creation – contain some element of the truth. Having situated Rorty within a tradition of American political poetry – a perspective with which Eduardo Mendieta might agree 90 – his relationship to European thought, and, more specifically, to the French Theory, appears to be one of strategy and opportunism. Rorty used the emerging interest in the concept to promote his own distinctly American liberal-democratic agenda. Postmodernist texts were simply part of a vast body of literatures that Rorty appropriated for his own ends. They were further narrative material from which he wove his own story in much the same way that Whitman appropriated European artistic traditions and adapted them to the American context for American purposes. That this poetic tradition shares a number of important philosophical assumptions with European Theory made this borrowing easier than it might otherwise have been, and, for a brief period at least, offered Rorty a number of potential allies in his quest to provide a new grounding for liberalism and the American polity in a postfoundational world. When it became apparent, however, that such an association was a hindrance rather than a help, Rorty – displaying the opportunism of the poet who weaves from whatever is to hand in order to achieve his desired effect – sought to disassociate himself from the postmodernists and to seek out new allies, most obviously in the American pragmatic camp. This is not to say, however, that Rorty was not influenced by European theoretical-political traditions, simply not those with which he is most often associated. For it is clear that Rorty drew on a European model of class politics, one that shaped his political perspective in ways that led him to ignore the ultimately-American question of race. 89
James Ryerson: Thinking Cheerfully, in: The New York Times Books Review, July 22, 2007,
27. 90 Eduardo Mendieta: Introduction: ‹Take Care of Freedom and Truth Will Take Care of Itself›: Toward a Postphilosophical Politics, in: Take Care of Freedom and Truth Will Take Care of Itself. Interviews with Richard Rorty, ed. by E. M., Palo Alto/Ca. 2006, xxix-xxx.
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Back to Class Politics «If you go to Britain and attend a Labour Party rally», observed Rorty in 1996, «you will probably hear the audience sing ‹The Red Flag› [...] You may fi nd this song maudlin and melodramatic. But it will remind you of something that many people have forgotten: that the history of the labor unions in Britain, America, and everywhere else in the world is a blood-drenched history of violent struggle.»91 One of the ways in which Rorty is distinct from advocates of European Theory in the American academy is his apparent lack of concern with power, except in so far as it relates to class: a topic that is all but dead as an issue in contemporary American politics, both inside and outside of the academy. In this, of course, Rorty’s work served as a useful reminder of the salience of issues of economic inequality in the United States, even if, perhaps, this aspect of his writing is much less recognized and stressed in critical discussions of his work. The identity issues of gender, sexuality, and ethnicity that the advent of European Theory brought to the fore in American politics – again, both inside and outside the academy 92 – clearly overshadowed and eventually eclipsed class issues, and in this Rorty stood apart from the postmodernists with whom many would seek to group him. In this regard, perhaps, the scorn of Norman Geras should come as something of a surprise, even if, perhaps, the class aspects of Rorty’s work came more to the fore during the last decade or so of his life. It is, however, clear that Rorty owed this aspect of his work to the European political traditions that informed his parent’s work and political outlook. «I was» observed Rorty in 1995, «brought up a Trotskyite, the way people are brought up Methodists or Jews or something like that. It was just the faith of the household.» 93 Rorty’s parents were part of a leftist-immigrant milieu in New York, the Partisan Review and Commentary crowd, who paid close attention to the developments in both Western Europe and the Soviet Union. As befits his tendency to see Rorty’s motivations as alternatively careerist or sentimental, but never political, Neil Gross sees Rorty’s transition to a leftist-patriot intellectual as a way of honoring his parents’ memory,94 but it is clear that this identity was important to Rorty from his early childhood onwards. While no doubt an important part of any social critique, Rorty’s concern with class, not least among which was his belief in the need to nullify Theory’s obsessive preoccupation with identity politics, nevertheless blinded him to the most compelling issue in American politics, that of race. Rorty seldom engaged with the issue, seeming to lump it with other kinds of cruelty that he believed the reading Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), 255. Todd Gitlin notes that between 1980 and 1990, the number of Americans who officially declared themselves ‹Native Americans› increased by 255 percent; that in the same period, twenty times more called themselves ‹Cajun›, and three times more Canadians claimed Francophone heritage. Cusset: French Theory (note 9), 132. 93 Knobe: A Talent for Bricolage (note 79), 64. 94 Gross: Richard Rorty (note 62), 330. 91
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of certain texts could alleviate in their readers.95 Indeed, that Rorty saw class and race as being examples of relatively similar forms of oppression is suggested by his direct paralleling of the struggles of labor unions and the civil rights movement in his essay on «Class Politics».96 As even Bromwich points out, Rorty was liable «to generalize from his own good nature» 97 and to miss certain forms of sadism and oppression operating in life and politics. Rorty’s – frequently politically-strategic – optimism about the value of liberal democracy nevertheless appears to have blinded him to the ways in which the civil rights movement was only one part of the American issue of race. In the words of Simon Critchley, Rorty ignored «the evidence of imperialism, racism, and colonialism that have always accompanied – or perhaps has always been the reality behind the cynical veneer of a legitimating discourse – the expansionism of Western liberal democracy.»98 This was particularly so in the case of the United States. In another context, Richard Bernstein suggested that Rorty’s divide between public and private was an «‹apartheid› solution»,99 and although he was not referring to Rorty’s work on race – not least, perhaps, because of its paucity – the phrase is revealing. As Casey Nelson Blake observed, Rorty’s abandonment of the desire to «hold reality and justice in a single vision», led Rorty to: break decisively with the urban orientation of the western utopian tradition by offering a decidedly suburban utopia, in which impersonal procedures of administrative justice reigned in skyscraper downtowns while far-flung residential neighborhoods were fragrant with the sweet smell of orchids. Whatever private freedom had been purchased by these arrangements came at a cost. Somewhere alongside the highway linking inner cities and the suburbs the outdated language of civic republicanism lay abandoned, its rhetoric of citizenship and virtue unknown to commuters chasing the life of irony.100
What Blake does not say, but which is implicit in the divide that he identifies is that geographic separation in the United States is – due to a legacy of racism, deliberate government policies, and the lending practices of fi nancial institutions – also a racial one: that the «bourgeois» in Rorty’s postmodernist liberalism, leaves behind a large group of people for whom the move to such suburban utopias is little more than a dream, and not the sort of dream that Rorty believed could inspire a nation to greatness. Indeed, there is a tendency in Rorty’s work to whitewash even the most critical of American figures on race. On Rorty’s account, Martin Luther See Simon Stow: Republic of Readers? The Literary Turn in Political Thought and Analysis, Albany NY 2007. 96 Rorty: Philosophy and Social Hope (note 29), 255. 97 Bromwich: Afterword (note 43), 427. 98 Critchley in Deconstruction and Pragmatism (note 3), 23. 99 Bernstein: Rorty’s Liberal Utopia (note 73), 42. 100 Casey Nelson Blake: Private Life and Public Commitment. From Walter Rauschenbush to Richard Rorty, in: A Pragmatist’s Progress? (note 75), 87. 95
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King becomes a critic within the American tradition, remembered only for his speech to the March on Washington, and not for the scathing rejection of the gradualist moves towards racial inequality offered at Mason Temple on the eve of his assassination. Indeed, when Rorty does engage with a major critic of American attitudes on race, James Baldwin – who ultimately, of course, moved to Europe to escape American racial prejudice – the figure that emerges is, as George Shulman points out, one «who stands up for the universalism latent in a national consensus, to redeem a specifically American promise. Richard Rorty», Shulman continues, «thus celebrates him for – and reduces him to – the goal of ‹achieving America.›»101 The irony of such blindness to racial issues emerging from a concern with European political models is, perhaps, that Rorty’s failure to engage with race in any compelling way made him even more deeply representative of American society.
Rorty, Europe, and America The argument offered here suggests then that Richard Rorty is a quintessentially American figure whose work – or whose political work at least – can only be understood within the framework of American literature, politics, and history. It suggests, moreover, that what part of his work that Rorty does owe to Europe – his concern with class politics – is that which leads him to ignore America’s still most salient social and political issue (the election of the nation’s fi rst black president in 2008 notwithstanding). To many Europeans (among whom, I should say, that despite living as an expatriate Briton in the United States, I still include myself ), to make such a claim might seem just plain rude; not least, perhaps, because this essay grew out of an invitation to a European conference on the work of Richard Rorty. For that, of course, I can only apologize: good manners and good arguments are not always perfectly in sync. Nevertheless, as the conference and this special journal edition suggests, it may be that we are now seeing the emergence of a distinctly European Rorty, one whose work might itself serve as a contribution to another continent. In this, perhaps, Rorty’s legacy will continue to grow in interesting and unexpected ways. This development, one suspects, Richard Rorty, with his prodigious syncretism and talent for bricolage, would not only have approved of, but enthusiastically embraced.
George Shulman: American Prophecy. Race and Redemption in American Political Culture, Minneapolis 2008, 89. 101
Contingency, Disenchantment, and Nihilism Rorty’s Vision of Culture Espen Hammer
Richard Rorty no doubt earned his place as one of the most important thinkers of our time. He contributed to the overcoming of epistemology as the ultimate focus of philosophical debate, and he opened up philosophy to other discourses, literary ones in particular, recommending philosophers to engage in what he saw as «humanity’s ongoing conversation about what to do with itself.»1 Rorty’s peculiar humanistic vision and ideal was that of a culture that has fi nally completed the long and complicated process of enlightenment and achieved what he thought of as maturity. While the classical 18th century enlightenment thinkers advocated cultural ideals in which submission to a divine Other would no longer play a role, Rorty went one step further, promoting a culture in which full human maturity (and dignity) not only involves accepting the death of God but also the rejection of a picture of the world as requiring us to submit to standards constituted by the way this world is independently of the myriad and ultimately contingent ways in which we have come to talk and think about it.2 In Rorty’s ideal culture, we see ourselves as profoundly alone in a wholly disenchanted world, more geared towards invention than discovery, without any authorities other than the ones we provisionally constitute as political and cultural animals in the widest sense.3 Given this view, it is not surprising that Rorty saw liberalism as the only political framework within which such a culture can flourish. In Rorty’s account, the overall goal of liberalism is to accept and make politically decisive the fact that no worldview, no conception of the self or its place and destiny in the world, can have any priority beyond the fulfi llment it is capable of offering individuals considered as private beings. The public realm is where the accommodation of all of these views will have to take place, and where justice, the respect for subjective freedom, and tolerance, will be key virtues. While vehemently rejecting what he saw as the overburdening of theory in the humanities – resulting, he thought, from its often totalizing critique and consequent abstract utopianism – the strong progressivist Richard Rorty: Philosophy as Cultural Politics. Philosophical Papers, Vol. IV, Cambridge/New York 2007, ix. 2 For some interesting reflections along these lines, see John McDowell: «Towards Rehabilitating Objectivity», in: Rorty and His Critics, ed. by Robert B. Brandom, Oxford/Malden 2000, 109 f. 3 Richard Rorty: Consequences of Pragmatism, Minneapolis 1982, xlii: «A Post-Philosophical culture, then, would be one in which men and women felt themselves alone, merely fi nite, with no links to something Beyond.» 1
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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strand in Rorty’s work led him to demand piece-meal reform, a controlled application of instrumental reason, solidarity, and the protection of individual rights. Despite his eclectic use of motifs from thinkers as different from one another as Nietzsche, Dewey, Wittgenstein, Davidson and Rawls, it is abundantly clear that Rorty was more concerned with his cultural vision than with the nitty-gritty of particular philosophical debates. In this regard he was, like several of his intellectual heroes, Nietzsche in particular, fi rst and foremost a philosopher of modern culture. I Like Hegel, Nietzsche, Heidegger and Habermas, Rorty was a philosopher of modernity. He was interested both in the nature of modernity and in its potentials (whether developed or not). More than anything, his philosophy of modern culture admonishes us to take contingency seriously – the sense we tend to have as modern agents that the way we talk about and understand ourselves and the world is the result of an extremely complex and unruly history that can never be accounted for in normativist or essentialist terms.4 For Rorty, rather than simply a fact about languages, selves, and communities, contingency is primarily an issue of representation, leading to a general or perhaps second-order claim about what it means to make specific claims. We speak the way we do not because it has turned out to conform in some deep way to reality as ‹it really is›, but because it happens to have proven useful in ways that we may or may not recognize. Other ways of speaking may turn out to be equally or more useful, and, if so, there will be a good chance that our vocabularies will change. Such a change, however, tends not to be rational, if by ‹rational› we mean ‹based on responsiveness to reasons that aim to motivate us to take up a stand with regard to the objective truth-value of given propositions›, that is, if by ‹objective truth-value› one means capable of ‹corresponding› or ‹not corresponding› with a mind- and language-independent world. «Our language and our culture are as much a contingency, as much a result of thousands of small mutations fi nding niches (and millions of others fi nding no niches), as are the orchids and the anthropoids.»5 There is no truth or objectivity ‹out there› that has This is the central burden of Rorty’s argument in the fi rst part of Contingency, Irony, and Solidarity, Cambridge/New York 1989. In Rorty’s view, contingency seems to rule out essence. Hence the following inference: If there is no necessity to the way we do things, to our practices, then they can have no essence. One could of course have a Platonist view of essence according to which nothing in the empirical world proceeds according to necessary principles, while at the same time allowing for essences to exist in a transcendent realm beyond the empirical. If so, the inference would be unacceptable. Rorty, however, does not accept such a view. For him, the lesson of Darwinism and naturalism in general is that the very notion of unactualized essences, or essences that are supposed to have an explanatory function in teleological accounts (introducing conceptions of objective purposiveness, with nature being viewed as seeking to actualize certain ends), can never be anything but a species of philosophical fiction. 5 Ibid., 16. 4
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been waiting to be represented, and that allows us to think of the history of our vocabularies in teleological terms. Before proceeding further it should be noted that no direct inference can be made from the contingency of our vocabularies to their inability to provide semantic resources for referring to a world existing independently of these vocabularies. (The early Nietzsche seems, however, to have thought so for a while.6 ) The fact that representational systems have a history or that holding X to be true is made possible by contingent physiological and psychological facts about agents (together with all the other facts that have conditioned and causally impacted upon the formation of such an agent) does not by itself eliminate the possibility of genuine truth-claims being made or of words relating to a non-linguistic world. However, Rorty does not seem to be making this fallacy – a fallacy which invites all the well-known metaphysical worries about not being in touch with reality, about being confi ned within our own categories (that stand opposed to the world as it is in itself ). For Rorty, the appeal to contingency gains its full meaning only when we take into account his (Davidsonian) rejection of the ‹scheme-content› distinction.7 If, as he and Davidson argue (and it would be impossible to reconstruct the complete argument for this position here), there is no layer of evidentiary givenness waiting to be organized, and if there are no schemes waiting to organize it, no worlds constructed by a subjective apparatus and distinct from things as they are in the ordinary, everyday sense, then the worry about some sort of deep epistemological or even ontological gap between talk and reality, and hence relativism and skepticism, should not be able to arise.8 There cannot be such a gap, because what we call I am here thinking in particular of Nietzsche’s reflections in the unpublished Philosophenbuch. In the most famous section thereof, On Truth and Lies in a Nonmoral Sense, Nietzsche points to the (post-Copernican) fact of our decentered and marginal position in the universe (located in the «out of the way corner of that universe which is dispersed into numberless twinkling solar systems») in order to cast doubt on the belief that our intellect and our language can ever be in touch with reality. Our existence is simply so contingent that the best we can hope for is to produce useful illusions that will increase the chances of survival. See Friedrich Nietzsche: Philosophy and Truth. Selections from Nietzsche’s Notebooks of the early 1870s, ed. by D. Breazeale, New Jersey 1979, 79–91. 7 For Donald Davidson’s most influential discussion of the dogma of a dualism of scheme and reality, see: Donald Davidson.: On the Very Idea of a Conceptual Scheme, in: D.D.: Inquiries into Truth and Interpretation, Oxford 1984, 183–198. Without this dogma, Davidson argues, conceptual relativism becomes impossible to formulate coherently. 8 Davidson (ibid., 198) formulates this insight in the following way: «In giving up dependence on the concept of an uninterpreted reality, something outside all schemes and science, we do not relinquish the notion of objective truth – quite the contrary. Given the dogma of a dualism of scheme and reality, we get conceptual relativity, and truth relative to a scheme. Without the dogma, this kind of relativity goes by the board. Of course truth of sentences remains relative to language, but that is as objective as can be. In giving up the dualism of scheme and world, we do not give up the world, but re-establish unmediated touch with the familiar objects whose antics make our sentences and opinions true or false.» 6
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reality – what we can call reality – can only be revealed from within the system of beliefs, and the system itself cannot be doubted or rejected.9 The epistemic priority cannot be shown to be either on the side of beliefs or on the side of the world; thus, it makes no sense to ask for a ‹fit› between the two sides secured either through having our categories impose their structure on a recalcitrant world, or through having points where pure intuitions of a given reality flows against our active, conceptual grasp. In both Rorty’s and Davidson’s view, this entails that radical skepticism will always be a non-starter: we must always fi nd our way within a certain totality that itself cannot be doubted. On the basis of these considerations, Rorty’s recommendation (and I think he is wrong in making it) is to think that truth simply is a property of those beliefs that representative members of a given community fi nd it useful to adopt, and apart from social justification (amounting, as Rorty puts it, to «what our peers will, ‹ceteris paribus›, let us get away with saying»10 ) there can only be a causal order – that is, forms of extra-conceptual impact on sensibility. Nothing about the causal order can, however, normatively commit us in any way. Experience, in the sense of extra-conceptual impact on sensibility, while causally relevant to a subject’s beliefs and judgments, has no bearing on their status as justified or warranted. We cannot regard truth as a goal of inquiry. The purpose of inquiry is to achieve agreement among human beings about what to do, to bring about consensus on the ends to be achieved and the means to be used to achieve those ends. Inquiry that does not achieve coordination of behaviour is not inquiry but simply wordplay. To argue for a certain theory about the microstructure of material bodies, or about the proper balance of powers between branches of government, is to argue about what we should do: how we should use the tools at our disposal in order to make technological, or political progress.11
Rorty does believe, though, that the predicate ‹true› can rightfully be applied in specific contexts (like ‹Is it true that you forgot the key?› or ‹It is true that there are nine planets in the solar system›). However, the contexts are specific precisely because no claim to transcendence has been made. The speaker, in Rorty’s view, only admonishes others to accept certain beliefs because holding them seems useful in some way or another. They help us to ‹get on with things›. It is important to realize that rejecting what Davidson has called the third dogma of empiricism – the ‹scheme-content› distinction – does not necessarily lead us down the road that Rorty wants to take us. While claiming to share a position with Rorty takes the latter claim to be almost a given – the lesson from Peirce, Dewey, the later Wittgenstein and Kuhn that we better accept. 10 Richard Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature, Princeton 1979, 176. In this book Rorty identifies this with the «warranted assertability»-view of truth which he traces back to John Dewey. He later emphasizes, however, that truth should not be identified with any essence whatsoever. 11 Richard Rorty: Philosophy and Social Hope, London 1999, xxv. 9
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Davidson, Rorty ends up enlisting Davidson’s support for a position that he, in my view, would not, or should not, have endorsed. A deep motivation, it seems, behind Davidson’s attempt to overcome of the ‹scheme-content› distinction is that it makes it possible to place speakers more confidently at home in the world. The idea behind this is that once the picture of a conceptual framework and a substratum upon which conceptual determinations arising from this framework is projected has been successfully discarded, it becomes possible to recover the world as that which is articulated in our practices of speaking and interpreting.12 We might think of this as the Hegelian strand of Davidson’s argument. It holds that although some people and practices (science in particular) generate more true beliefs than others, we know the world roughly as it is, and our thinking can be accompanied by an Aristotelian confidence that our epistemic practices, while obviously not always and in every respect, are in general fit to grasp the determinations of things as they are. On this view the epistemic worries we may have will focus on how we best should secure the knowledge we in fact are capable of attaining. The focus will be on how best to obtain reliable evidence, not on whether reliable evidence is at all available. We may have to accept that the world appears to us in a certain manner, but what then appears (in our representations, through our beliefs, the ways in which we struggle to a get a grip on things) is an appearance of what we take to be the world. We may also have to accept that certain things will forever be beyond our grasp without having to think that our beliefs are generally at fault. Rorty, however, does not seem to take this route. Armed with the notion of contingency he argues that what we can take as objectivity and language independence is what has been constituted as such from conversations that should not be thought of as constrained by a reality independent of them. Because we causally connect with our surroundings, not all beliefs pay off, and in this sense the world impacts on our beliefs. However, the causal story does not have any semantic significance: whatever is being said in a given discourse is not rationally constrained by experience in the way it would be if discourse were interpreted as founded on a certain relation of aboutness between its claims and the world. According to Rorty, «we use the term ‹about› as a way of directing attention to the beliefs which are relevant to the justification of other beliefs, not as a way of directing attention to nonbeliefs.»13 The kinds of constraint of objectivity that a given practice raises up for itself comes exclusively from within that practice itself. On the pragmatist account, Rorty writes, «a criterion (...) is a criterion because some particular social practice needs to block the road of inquiry, halt the regress of interpretations, in order to get something done.»14 12 This, I take it, is the guiding idea in Frank Farrell: Subjectivity, Realism and Postmodernism, Cambridge 1996. 13 Richard Rorty: Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers, Vol. I, Cambridge/ New York 1991, 97. 14 Rorty: Consequences of Pragmatism (note 3), xli.
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One major problem with this view arises from the fact that accounting for the success of natural science – and now I refer to its causal success, its usefulness, the way the technologies it has made possible more often than not actually work – seems impossible without making reference to some notion of objective truth. Modern science has been overwhelmingly capable of explaining and predicting natural phenomena, and this is not primarily because we have come to talk in a certain way about the natural world, and that this has turned out be useful in achieving certain ends, or simply achieved general consensus, but because it has been responsive to, and hence capable of mapping, reality as it basically is, at least if we accept as ontologically relevant and adequate the specific epistemic goals it sets for itself (of describing the world in formalizable, mathematical terms, etc.). Over very long periods of time, other vocabularies – vocabularies that are no longer in use – have commanded widespread allegiance. It is far from clear, however, that they could do so without allowing some degree of responsiveness to the world as it presents itself to the experience of agents using such a vocabulary. An Aristotelian or a Ptolemeic vocabulary not only provided specific terms and criteria by which to interpret and explain phenomena, it also disclosed the world in such a way as to make individual sentences capable of expressing features of the world that were not simply invented but purportedly real. Of course, a vocabulary as a whole cannot correspond or fail to correspond to the world. We can never test a belief-system as a whole; rather, the belief-system must be presupposed in order for any testing to be possible in the fi rst place. Vocabularies provide resources for meaningfully holding beliefs with the claim that some nonlinguistic state of the world makes them objectively true or false. From a modern scientific point of view we have come to realize that the medieval belief that witches exist and have the ability to fly in the air and commune with the devil was false. It is possible to reconstruct why it was perfectly rational to believe in such creatures. It was rational relative to a context and a vocabulary that we no longer share.15 What it may be rational for us to hold to be true will vary with the totality of our beliefs, and yet truth does not vary. They had it wrong, although it does not follow that their beliefs did not purport to represent something. It is precisely because their beliefs purported to be correct about how the world is that we can say that they were mistaken. Everyday realist vocabulary seems generally more useful than any attempt to actively break out of such talk. I will not follow this tangled issue any further. What strikes me, and which I want to further reflect upon, is how resolutely Rorty dismisses such everyday realist vocabulary. As already mentioned, the rejection of the ‹scheme-content› distinction makes it hard to accuse Rorty of linguistic idealism. It simply makes no sense on his view to say that discourse is forever trapped within the framework of a distinguishable ‹conceptual scheme›. However, the noises being exchanged in a For a brilliant discussion of this issue, see Quentin Skinner: Interpretation, Rationality, and Truth, in: Q.S.: Visions of Politics, Cambridge 2002, 27–56. 15
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Rortian discourse do not seem to suggest a thinking mind, or a community of thinking minds, so much as a self-enclosed cacaphony of voices producing all determinations out of itself. Indeed, if, as I think, belief is subject to the norm of truth such that belief, as it is sometimes said, aims at truth (to have a belief is, in some way or another, to be committed to the truth of a given proposition), then it is not even clear that the exchanges taking place in such a discourse really involve beliefs at all. As Frank Farrell puts it, the descriptions Rorty gives of discourse sometimes are more reminiscent of the voices in Samuel Beckett’s novels than of actual beliefs being put forward and assessed: the world is indeed well lost.16
II The notion of contingency, to which I now want to return, fits such a picture very well. According to Rorty, we cannot – at least not in good faith – account for why we say the things we do by pointing to an extra-discursive reality. All we can do is to tell a story about how it has come to seem useful for us to do what we do and speak the way we speak. Of great centrality to any such story, Rorty thinks, will be the sudden creations of new forms of discourse – wholly contingent events that people in the past thought of as emerging from a quasi-divine genius, but which we can recognize in less exalted terms as chance, play, and openness to the new. ‹Irony› is the position we moderns are forced to take up.17 The ironists are «never quite able to take themselves seriously because they are always aware that the terms in which they describe themselves are subject to change, always aware of the contingency and fragility of their fi nal vocabularies, and thus of their selves.»18 Awareness of contingency is indeed what characterizes the modern attitude. It points, in T. J. Clark’s characterization of modernity, «to a social order which has turned from the worship of ancestors and past authorities to the pursuit of a projected future – of goods, pleasures, freedoms, forms of control over nature, infi nities of information.»19 Contingency means that everything is up for grabs – that the name of the game, as Rorty emphasizes, is re-description and not truth-tracking, that no form of symbolic authority, indeed no form of transcendence, can be acFarrell: Subjectivity, Realism and Postmodernism (note 12), 123. See also Rorty: The World Well Lost, in: R.R.: Consequences of Pragmatism (note 3), 3–18. 17 In Contingency, Irony, and Solidarity (note 4), 73, Rorty defi nes the ‹ironist› as someone who fulfi lls three conditions: «(1) She has radical and continuing doubts about the fi nal vocabulary she currently uses, because she has been impressed by other vocabularies, vocabularies taken as fi nal by people or books she has encountered; (2) she realizes that argument phrased in her present vocabulary can neither underwrite nor dissolve these doubts; (3) insofar as she philosophizes about her situation, she does not think that her vocabulary is closer to reality than others, that it is in touch with a power not herself.» 18 Ibid., 73 f. 19 T. J. Clark: Farewell to an Idea. Episodes from a History of Modernism, New Haven/London 1999, 7. 16
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cepted – and that one is constantly driven to search for new ways to conceive of things, new expressions, new metaphors, and new accounts. It is the sense of contingency that brings Charles Baudelaire, in his classical 1863 statement, to invoke fashion as emblematic of the modern.20 The modern is the transient, the ephemeral – that which neither is rooted in the past, in traditional authority, nor is communally sanctioned and symbolically expressed, but which resolutely breaks with the past and points forward to something ‹indeterminate›. As Sylviane Agacinski puts it, «modern consciousness is one of passage and the passing. From now on we think that everything arrives and passes. Nothing permanent gives things any kind of anchor against time.»21 Represented in precisely such terms, however, the contingency at stake is not at all unlike what thinkers like Schiller, Weber, Nietzsche, Adorno and others have famously associated with an intolerable and possibly also unbearable loss of instituted forms of value and understanding. The kinds of narratives and images that interest Rorty, and which he thinks should be mobilized in order to create a sense of oneself out of the bewildering variety of available ways in which to conceive of the self, are not those in which a culture crystallizes its sense of the struggle with the realm of necessity and reality of pain and death. On the contrary, they are private narratives and images – useful perhaps in some therapeutic contexts but wholly devoid of any sort of objective authority that could animate and open horizons of meaning beyond the merely subjective, haphazard, or arbitrary. The overwhelming J. Alfred Prufrock question – why? on what basis am I entitled to think that my commitments and actions really are meaningful? – cannot even be raised, except by someone seeking redescription. Yet no amount of redescription can ever point to a basis upon which to claim authority. It can never satisfy the skeptic who senses the emptiness in this sanitizing vision and wishes for some sort of position of responsibility beyond those of the contingent forces of power and rhetoric. Of course, Rorty sees awareness of such disenchantment as emancipatory. As long as the ironist is kept in check by a liberal system that strives to prevent cruelty, protect human rights and provide an efficient framework for the exercise of liberal democracy, she will fi nd herself in a position of responsibility and autonomy. She will tend to be the author of the terms in which she understands herself. Yet we must ask what there can be which can possibly motivate the ironist to take up any given position. If the ironist fi nds herself in a world in which stable frameworks for action that integrate individuals into larger social wholes no longer exist, or are not acknowledged to exist, then socially recognized ends will disappear or at least lose their authority, and the very point of thinking and acting in specific ways will be undermined, which ultimately threatens agency itself, our sense of 20 Charles Baudelaire: The Painter of Modern Life, in: Ch.B.: Selected Writings on Art and Artists, New York/Harmondsworth 1972, 390–435. 21 Sylviane Agacinski: Time Passing. Modernity and Nostalgia, New York 2003, 11.
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being able to think and act. As Elizabeth Goodstein has shown, in writers such as Baudelaire, Simmel, Benjamin and Musil, this tends to create specifically modern forms of malaise – an inability to attach to anything, a sense of emptiness, melancholy or boredom, or simply a generalized sense of skepticism that isolates more than it unites. According to Goodstein, In 1905, less than forty years after Baudelaire’s death, a thinker whose influence on Benjamin should not be underestimated, Georg Simmel, linked the increasing importance of fashion in contemporary culture both to ‹the specifically ‹impatient› tempo of modern life› and to the fact that ‹the great, lasting, unquestioned convictions are more and more losing their force›. Modern experience is conditioned by the continuous destruction of the historical, cultural, spiritual and aesthetic contexts that give human life meaning – by what Benjamin called the eclipse of Erfahrung in favor of punctual Erlebnisse. In modernity, experience is defi ned, so to speak, by its own disappearance. As a consequence, in the words of Robert Musil, ‹A world of qualities without a man has arisen, of experiences without the person who experiences them... Probably the dissolution of the anthropocentric point of view [...] has fi nally arrived at the ‹I› itself, for the belief that the most important thing about experience is that one experiences it or of action that one does it, is beginning to strike most people as naïve.›22
Rorty would no doubt see the desire for «great, lasting, unquestioned convictions» as expressive of a metaphysical longing for some sort of essentialist connection to a notion of self-actualization, or of the objectively good. His advice would be to drive out this longing as quickly as possible. Yet Simmel’s, Benjamin’s and Musil’s problem is that in the absence of some sense of being responsive to features of reality that are precisely not contingent, no narrative (of the self, and of one’s relation to the community and the world more generally) can be provided. They will simply not accept frictionless invention – or, justifiably, I would argue, equate such invention with arbitrariness. One of the thinkers whom Rorty likes to enlist as an ironist is Heidegger. Although Rorty does acknowledge that Heidegger – and especially the later Heidegger – did share with Simmel, Benjamin and Musil a desire for the re-emergence of genuine symbolic authority, he is more interested in allying himself with Heidegger in the struggle against representationalism. Like Davidson, Rorty’s Heidegger casts doubt on the subject-object distinction, as well as on the quest for a clear demarcation between the made and the found, and between appearance and reality.23 22
Elizabeth S. Goodstein: Experience Without Qualities. Boredom and Modernity, Stanford 2005,
10. 23 Martin Heidegger: Being and Time, Oxford 1985, 95: «The Being of those entities which we encounter as closest to us can be exhibited phenomenologically if we take as our clue our everyday Being-in-the-world, which we also call our ‹dealings› in the world and with entities within-the-world. Such dealings have already dispersed themselves into manifold ways of con-
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Approaching the end of this paper, I should like to suggest that the ironical reading of Heidegger is particularly misguided in that Heidegger’s quest from Being and Time and onwards was precisely to do away with the structures of modern thought that in his view led philosophy to diminish the world and miss out on our concrete situatedness in it. Heidegger has not been alone in this endeavor. Another important thinker in this regard is Maurice Merleau-Ponty. While Husserl, the initiator of the whole modern phenomenological movement largely remained committed to a philosophy of the subject or consciousness that distinguishes sharply between the inner and the outer, saw thinking and meaning as essentially separated from actual engagement with the world, and understood the fundamental philosophical challenge as that of securing some sort of match between mind and world based on the discovery of indubitable, foundational qualities inherent in mental content, Heidegger and Merleau-Ponty saw human beings as situated in the world in such a way as to rule out the kind of boundary between the inner and the outer that is supposed by the Cartesian picture. The relevance and meaning of things cannot be located ‹within› the agent but arise, rather, from the agent’s interaction with the world, presupposing the existence of a publicly available, holistic field of intelligibility.24 Unlike ideas of mere brute impact from the exterior that ask for causal accounts, the transactions in this space are based on ongoing attention to irreducible forms of significance and relevance, made possible by action rather than by solitary contemplation. These forms of significance and relevance are neither given to us nor made by us but something that we fi nd ourselves within as a condition for our encounter with things. Heidegger and Merleau-Ponty see perception as the capacity to know and fi nd one’s way around in an environment, to be embodied in a world of meaningful configurations, coherent chunks that admit of no further analytical dissection into parts. The certainties that make up our world-horizon are not based on belief but on a pre-reflective, operative intentionality which is manifest in the concrete world we experience as engaged, absorbed agents. This means that there can never be a complete transcendental reduction, if by complete one means a procedure that can pave the way for the exploration of pure interiority, separated from the mind’s engagement with the world. Indeed, the subject must conceive of itself as also a worldly entity; for only as incarnated can the transcendental subject constitute an objective world. As a consequence, the subject should be viewed as deeply embedded in physical nature, most immediately, of course, via the body, which not only is a fundamental point of orientation but also what makes it possible to have a specific point of cern. The kind of dealing which is closest to us is as we have shown, not a bare perceptual cognition, but rather that kind of concern which manipulates things and puts them to use; and this has its own kind of ‹knowledge›.» 24 For a particularly useful overview of the implications of this shift, see Charles Taylor: Merleau-Ponty and the Epistemological Picture, in: The Cambridge Companion to Heidegger, ed. by Taylor Carman and Mark Hansen, Cambridge 2005, 26–49.
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view. Minds must exist as objectively embodied in space, be possible objects for others, in order to be able to exteriorize themselves in experience. Perhaps it is useful, at this point, to borrow a point from John McDowell. In his view, we need to recognize that the modern conception of nature as the totality of everything which stands under natural laws, thus excluding meaning, need not be exclusive. Drawing on Aristotle, McDowell recommends a more comprehensive conception of nature, including what he calls second nature, which is meant to characterize the extent to which our animal lives are shaped by spontaneity, by intentionality and rationality.25 Consciousness cannot be reduced to nature as a system of laws. This is one of the implications of the transcendental reduction. Yet it is not located in an extra-natural space. Rather, it can and should be viewed as an actualization of our animal nature – the specific manner in which we discover and relate to meaning. The fact that it is such an actualization is best demonstrated by pointing to things like ‹absorbed coping› – bodily, pre-reflective orientation in the world. Heidegger’s and Merleau-Ponty’s thinking is therefore best thought of as an overcoming of the idealist/realist division, the discovery of a field of bodily constituted significance in which we can only be present to ourselves in so far as we are present to the world. My point here can only be to gesture towards a tradition – or a line of thought, if you wish – that Rorty never confronts. Rorty sees the early Heidegger as a pragmatist in his own sense of the term and the late Heidegger as a poetically oriented ironist who unfortunately adopts the unpromising notion of Being (as well as the equally foundationalist notion of a History of Being) as forming the basis for a fi nal vocabulary. Yet Heidegger’s (and Merleau-Ponty’s) importance does not, in my view, lie here but in the attempt to overcome a certain picture of human thought as effectively insulated from the world. We might call this the epistemological picture, for it has dominated debates in epistemology since Descartes, Locke and Kant, but it is at the same time a theological picture that replaces God’s role as the guarantor of ontological order with the working of our own subjectivity. While unraveling this picture, and undermining, as Rorty rightly points out, the ‹schemecontent› distinction, Heidegger seeks to return to forms of significance that are not just contingent or arbitrary, but which can structure our whole way of life, the ensemble of our significances. This is the point at which art and especially poetry enters the equation: they disclose such forms of significance for us and have the potential to pull us out of the emptiness I believe must be associated with the ironical stance. Rorty would of course have been intensely uncomfortable with such a view. He would have seen it as being at odds both with his anti-essentialism and with his requirement that a liberal culture cannot tolerate the arrogance of someone who claims to be able to identify significances that purport to have some sort of universal validity or relevance. I will end this paper by briefly responding to these two 25
John McDowell: Mind and World, Cambridge/Mass. 1994, 84.
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points. The point about anti-essentialism is potentially dangerous but can be answered, I believe, by noting that neither Heidegger nor Merleau-Ponty explore timeless essences existing over and above historically constituted presuppositions and horizons. However, none of these thinkers would accept the inference from the historical nature of presuppositions and horizons to their arbitrariness. What these two thinkers explore is the unavoidable conditions under which we can take the world to contain significance. What we take to be necessary may change, and sometimes we do not know a priori what we will accept as the essence of a given activity or thing. Yet one has to stand outside such an investigation in order to think of it as a function of mere conventions. Once inside it, the sense of the ‹we› as in ‹we do this› disappears. This brings me to the second issue, the one about liberalism. The liberal culture that Rorty recommends is one in which individuals face each other as strangers. We each supposedly have our own private outlook on things, our own little stories. The solidarity so often referred to in Rorty’s writings is merely the one which liberal institutions provide: it is about commitment to the kinds of things that ‹we Western liberals› do not do. This, however, is a rather strange use of the term ‹solidarity›. On Rorty’s view, I can be totally estranged from another person and even face her as an enemy yet still be in a relationship of solidarity with her because we share the same liberal principles. If by contrast one sees solidarity as arising from a sense of being able to share certain self-defi ning conceptions of the good, of what is significant and worth pursuing, preserving or developing, then a liberal society, rather than being unitary, consisting of one dimension of solidarity, will consist of various communities within which people cultivate such self-defi ning conceptions. The kinds of self-defi ning conceptions of the good, of what is significant and worth pursuing, preserving and developing, that are most universal will tend to be articulated by philosophers and artists, people who strive to make their judgments exemplary. There is no deep confl ict, I think, between the existence of such voices and the arrangements of liberal democracy. Indeed, as Stanley Cavell has argued, such a pursuit of perfection should be seen as a necessary extension of liberal democracy, rather than its adversary.26 It is how citizens come to defi ne their positions in relation to one another, and in so doing are able to constitute themselves as a political community, a polis. Rorty’s ‹solidarity or objectivity?› is a false opposition. We need both solidarity and objectivity, and they mutually presuppose each other.
See Stanley Cavell: Conditions Handsome and Unhandsome. The Constitution of Emersonian Perfectionism, Chicago/London 1990, esp.: 1–32. 26
Teil 2 Pragmatismus und Literatur
Do Poets (First and Foremost) Have Ideas? Richard Eldridge
This essay has a simple question as its title: «do poets (fi rst and foremost) have ideas?» That question has a simple answer, «no». This answer has, I suggest, some force against Richard Rorty’s oft-repeated claim that poets do primarily offer us new vocabularies, in particular, new ideas about what kinds of persons we might privately choose to be. That claim, I will be arguing, is mostly wrong, and I will suggest some other things that poets, or at least some important poets, might better be taken centrally to do. These other things involve having ideas, but they involve much more than merely having them. But I want to begin by surveying eight interrelated commitments that I have either myself learned from Rorty or learned from Rorty to express in better, more effective ways. These commitments – it will come as no surprise – cut significantly against the grain of much of the work that is done in certain central precincts of the profession. By either taking on or deepening these commitments through my engagement with Rorty, my own work has become much better than it would have been otherwise, and I think the profession would be significantly better off if it also broadly followed Rorty’s lead. The disagreements with Rorty will come after the survey. So what are the eight interrelated commitments in which I follow Rorty and in which I think others might do well to join me? 1. Anti-Representationalism: Drawing variously on Kant, Hegel, and Sellars, Rorty consistently argues that discursively structured and discursively contentful representations are not primitive givens. There are no inherent representers or sorters waiting somewhere in either the language of thought or Platonic heaven thence to confront the messy empirical world. Instead, mindedness, or the ability to employ discursively structured, discursively contentful representations, is, as Dewey and Wittgenstein emphasized, best conceived of as an ability that is developed out of a basic capacity in and through engagement with other subjects and with going conceptual-linguistic practice. The thoughts that that is a pi-meson or a carburetor or a rose bush are made available to us only insofar as we enter into linguistic practice. There is, as Rorty puts it, «no preconceptual cognitive access to objects.»1 Perceptual awareness of some sort is (along with many other things, such as a properly functioning brain and the presence of others as models for attending) causally necessary but not sufficient for the emergence of distinctively discursive representation. This perceptual awareness is hence, because required for language and discursive thought to develop, itself prelinguistic and prediscursive, as well as Richard Rorty: Philosophy as Cultural Politics. Philosophical Papers, Vol. IV, Cambridge/New York 2007, 116. Emphasis added, RE. 1
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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in some sense representational. In contrast, distinctively cognitive – that is, discursively structured – access to the world requires entering through training into a life of public assertion and claim-making. 2. Anti-Foundationalism: Skepticism, Rorty holds, is at best a practical problem, not a coherent intellectual stance that requires refutation. Following Wittgenstein and Davidson, Rorty consistently urged, as Davidson puts it, that one can «tell the skeptic to get lost.»2 Or, as Rorty puts it, skepticism and the theory of ideas are best conceived of as «temporary, historically conditioned little frenzies»3 that we would do well simply to forget about. Because there are no inherent, given discursive representers, but instead discursive representers or words with application conditions that exist only within public, linguistic life, there is no general problem about how any discursive representers match up with anything ‹out there› at all. Words are, rather, always already in use. Against Rorty, it remains possible that there is a kind of truth to skepticism, in that getting caught up in skeptical worries (however incoherent they arguably are) may be a standing possibility for human subjects in their courses of development. Human subjects have, after all, been known to be inconsistent and incoherent. But the way forward toward greater coherence in commitments will be through actually taking up fruitful, sustainable, albeit revisable commitments in relation to public practice as it stands, not the way of fi rst bracketing commitments altogether. It is just not clear that there is or should be anything called epistemology in general as the theory of what counts absolutely and generally as given evidence for what. 3. Opposition to Metaphysics: As J. L. Austin, notoriously urged, «real» is a trouser-word:4 it has to be fit to a specific noun in a specific way in order to do its job. It functions, that is to say, to exclude certain readily recognizable failures of being real – different ones for different cases; it does not function to pick out some class of given somethings that exist ‹come what may›. Or as Rorty puts it, the natural home of «real» is in drawing various contrasts, different ones in each case, between real and fake Rolexes, real cream and non-dairy creamer, and apparent motions and real motions.5 4. Questioning the Autonomy of Philosophy: Rorty consistently wonders about the worth of epistemology- and metaphysics- centered philosophy as an autonomous ‹Fach›. He specifically opposes «attempts to make philosophy into an autonomous quasi-science,» arguing that «the more philosophy interacts with other human activities – not just natural science, but art, literature, religion, and politics as well – the more relevant to cultural practice it becomes, and thus the more useful. The more it strives for autonomy, the less attention it deserves.» 6 It may well be useful to have distinct departments of philosophy, where students are trained in 2 3 4 5 6
Donald Davidson: Subjective, Intersubjective, Objective, Oxford 2001, 159. Richard Rorty: Consequences of Pragmatism, Minneapolis 1982, 186. J. L. Austin: Sense and Sensibilia, Oxford 1962, 70. Rorty: Cultural Politics (note 1), 105. Ibid., v.
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the analytical reading of Aristotle and Hegel, and even Ayer and Gettier, but whether this is so is a practical question, not a matter of fi xed absolutes, and in any case those so trained should also read lots of other things besides philosophy books. In fi nding their ways, philosophers would be best served by taking up «a general turn against theory and toward narrative.»7 5. Humanism: In keeping with his opposition to professional epistemological and metaphysical fundamentalisms, Rorty opposes fundamentalisms of all kinds. Following Dewey, Rorty rejects subservience to external gods.8 We should reject all ideas of «a non-human authority to which human beings [owe] respect.»9 Against Rorty, it remains possible that the claims of the human and of free life may sometimes exert more dramatic, more transfigurative, and less readily comparative force in relation to where we are at a moment than Rorty supposes. In Hegelian terms, there can be substantial determinate negation of a way of life, and philosophers might well worry about this. But human flourishing, not flourishing commanded from above or from nowhere, must be the aim. 6. Americanism: Perhaps naturally, given his various anti-foundationalisms, Rorty identifies with America as a place for social and personal experimentalism, in the tradition of Whitman and his experiments in life, the American vernacular, and free verse. This is a kind of liberal individualism, but an individualism of culturally situated meaning-making and social engagement, not an individualism of detachment and lack of interest. As a writer, Rorty brings Whitmanian vernacularism to the fore as an idiom for philosophy, which he sees inter alia as properly helping to further individual and social experiments. He sees America «pretty much as Whitman and Dewey did, as opening a prospect on illimitable democratic vistas.»10 7. Philosophy as an Activity: In the absence of both fi xed arche and fi nal solutions, we would do well, Rorty urges, to «acknowledge our fi nitude».11 This acknowledgment would require philosophers not only to engage with what human subjects are up to elsewhere, but both to keep an eye on futurity and to cultivate humility. Clarification of our conceptual commitments will be of a piece with clarification of our practical activities (including inquiry and theory-development), and there is no reason to think that such clarifications can or should come to an end. 8. Generosity: Rorty consistently displays an astonishing breadth of interest and willingness to fi nd sense in diverse philosophical sources. He moves with deftness between the history of philosophy and address to contemporary problems and likewise between analytic philosophy, often emphasizing addressable problems within a public space of concepts in use that we can survey, and Continental 7 8 9 10 11
Richard Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity. Cambridge/New York 1989, xvi. Rorty: Cultural Politics (note 1), 38 f. Ibid., 40. Richard Rorty: Philosophy and Social Hope, London 2000, 4. Rorty: Cultural Politics (note 1), 110.
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philosophy, often emphasizing something more like standing plights of human subjectivity. This generosity and deftness lend to his work a combination of pragmatic directness with elegiac poignancy – a combination of virtues of attention and style that merits our respect. So these are the commitments – perhaps virtues would be a better term – that I see in Rorty and in his work: Anti-Representationalism, Anti-Foundationalism, Opposition to Metaphysics, Philosophy as Engaged Criticism, Humanism, Americanism, Philosophy as an Activity, and Generosity. I am grateful to Rorty’s exemplifications of these virtues, and I have learned from them. One significant way of characterizing the effect of taking these virtues seriously is that doing so motivates a hermeneutic turn away from the explanation of human life via subsumption under laws and toward the interpretive understanding of human subjects as agents who act on commitments within dense cultural settings. This is a turn that I am happy to endorse, so far as the doings of human subjects are concerned. But now for some criticism. In almost every case, when Rorty comes to develop these commitments in detail and to address specific problems, I fi nd myself taken aback. Rorty’s specific claims about how science, politics, and literature work or should work as practices – claims about what aims they have in view and how they achieve them – frequently seem to me to be crude and obtuse, largely in resting on an overriding dichotomy that is expressed in a number of ways: discover vs. invent, represent vs. intervene, public vs. private, philosophy vs. literature, theorize vs. propose. In each case, Rorty takes up the cudgels for the second, comparatively neglected term. He urges us as philosophers not to theorize (or not so often) for the sake of public solutions to public problems, but instead (or more often) to invent, imagine, intervene, and propose new vocabularies, for the sake of private self-cultivation. For example, «to suggest further novelties», Rorty writes, «is to intervene in cultural politics. Dewey hoped that philosophy professors would see such intervention as their principal assignment»,12 and Rorty joins Dewey in this hope. Edifying, therapeutic, visionary philosophy that is «reactive», «intentionally peripheral», and devoted to «keeping space open for the sense of wonder which poets sometimes cause»13 is contrasted favorably with systematic, constructive, objective philosophy that, Rorty argues, remains stuck in trivialities detached from practices. We must choose between theorizing that yields clear (but mostly obvious) morals (such as «don’t hurt others» or «pay attention to evidence») and privatized irony and fantasy,14 and if one wishes to do something productive, it is better to choose the latter. «Poetic world-disclosers» such as Hegel, Heidegger, and Derrida fruitfully eschew argumentation and rigor, and we might do well to follow them.15 Poetry is concerned with «needs that cannot easily be made evident to our fellow Ibid., ix. Richard Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature, Princeton 1979, 369 f. 14 Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (note 7), 125. 15 Richard Rorty: Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers, Vol. II, Cambridge/New York 1991, 124. 12 13
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humans»,16 so that it must imaginatively outrun theorizing about shared, public problems in favor of metaphor-mongering persuasion and private, imaginative experimentation that may sometimes, rarely, catch on, for no general reason. Given that the scientists are generally better at theorizing about how best to develop technologies to satisfy accepted needs, philosophy would do well to cast its lot with poetry so conceived – to betake itself to ways of invention, irony, and intervention, thence leaving theory and description mostly behind. This provocative stance – and surely Rorty means it as a provocation – has often been criticized from a number of angles, including criticisms by those who share, as I do, the eight broad commitments of Rorty’s with which I began. Jacques Bouveresse has criticized Rorty’s suggestions as both inaccurate and unhelpful with regard to philosophy as practiced by Hegel, Heidegger, and Derrida. If, as Rorty proposes, the works of these figures amount only to «a proposed new language-game», such that «about all one can say on the question is that either one fi nds it interesting or doesn’t, that one wants to play it or doesn’t»,17 then Rorty «risks reinforcing the already widespread conviction that, in regards to these matters, everything is a simple question of subjective attitudes, indifference, or distaste.»18 That is surely not the stance of Hegel or Heidegger or Derrida. Hence «one might do better», as Bouveresse puts it, to ask what Derrida or Foucault would make of the suggestion that they are private ironizers.19 Nor, more important, is this suggestion healthy for the practice of democratic culture. It corrupts the force of argument about matters of value, and it leads at best to nose-counting, at worst to cults of personality and even fascism. Rorty can reply to this, and does, fi rst that he takes for granted on rough utilitiarian grounds the existence of a liberal public space with enforcements of individual rights, so that human beings are prevented from doing some gross harms to one another, and, second that the virtues of private ironizing are a comparative matter: in America in the 1980s, it might be a good time for some loosening up against the background of analytic philosophy; while in France in the 1960s and after, a little argumentative discipline might not be a bad thing. While these replies are apt enough, however, they leave broader questions about value hanging. What are the consequences that are worth taking most seriously in utilitarian calculations, and why? What exactly are the appropriate boundaries between matters of public concern and matters of private experimentation? What are the forms of cruelty that are to be avoided? Should we, for example, give up on the cruelties of compulsory mathematics or piano-playing for children? At what ages, and for which children? Are these questions matters of taste, or matters for disinterested, public argumentation? Or, Richard Rorty: Response to Bouveresse, in: Rorty and his Critics (below: RhC), ed. by Robert B. Brandom, Blackwell 2001, 146–55, quot.: 146. 17 Jacques Bouveresse: Reading Rorty. Pragmatism and its Consequences, in: RhC (note 16), 129–45, quot.: 135. 18 Ibid., 134. 19 Ibid. 16
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against Rorty, are they questions that force us to drop the simple dichotomy of discover vs. invent, theorize vs. propose? Nor is Rorty’s advocacy of private ironizing good for science. As Bernard Williams has argued against Rorty, the sense that one is not locked in a world of books, that one is confronting ‹the world›, that the work is made hard or easy by what is actually there – these are part of the driving force, the essential consciousness of science; and even if Rorty’s descriptions of what science really is are true, they are not going to be accepted into that consciousness without altering it in important ways – almost certainly for the worse, so far as the progress of science is concerned.20
Most important, Rorty may be right, absent epistemological foundationalism, to regard the assessments of both the fruits of various private ironizings and the merits of public practices as they stand as an essentially comparative matter. As Rorty himself puts it, «almost nobody believes»21 that lack of foundational grounding of a practice entails lack of its worth, and perhaps we can sort out matters of worth comparatively and pragmatically. But how is this sorting out to be done, in light of Rorty’s discover/invent, theorize/propose, public/private dichotomies? Given these dichotomies, the comparative arguments about these matters must be themselves either normal-calculative-utilitiarian-public or matters for subjective taste. But, as I have argued elsewhere,22 this opposition is simply inaccurate to how we do and can best address questions about, say, the credibility and importance of climate science, or the merits of vegetarianism, or the importance of music education in overall cognitive development. Here there are no generally accepted neutral measures of consequences to be included in calculations, but there are more than matters of mere subjective preference in view. Sometimes there can be successful transfigurative arguments that bring a phenomenon and its value into view. There is a genuine tension between what one may imagine one sees, on the one hand, and what might be available to all, on the other, but, as Bouveresse notes,23 Rorty fl attens this tension between revolutionary vision and conservative, good-enough coping into a fl at-footed private/public distinction, with revolutionary vision allotted to the private realm and ordinary utilitarianism and normal objective science for more public matters.
Bernard Williams: Auto-da-fé: Consequences of Pragmatism, in: Reading Rorty. Critical responses to ‹Philosophy and the Mirror of Nature› (and beyond), ed. by Alan Malachowski, Oxford 1990, 26–37, quot.: 31. 21 Richard Rorty: Pragmatism, Relativism, and Irrationalism, in: Proceedings of the American Philosophical Association 53/6 (1980), 719–38, quot.: 730. 22 Richard Eldridge: Philosophy and the Achievement of Community. Rorty, Cavell, and Criticism, in: Metaphilosophy 14/2 (1983), 107–125. 23 Bouveresse: Pragmatism and its Consequences (note 17), 145. 20
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Finally, at the root of Rorty’s dichotomizing lies what Charles Taylor has described as Rorty’s being «still deeply enmeshed in representationalism.»24 That is, Rorty sees us primarily as trafficking in representations, either within the space of private ironizing or within the space of public argumentation. But this ignores the possibility of making articulate and explicit what were present, but hitherto halfformed and inchoate perceptions that are bound up with one’s involvements in a background or habitus. Nonconceptual contents – for example, the kind of instincts that composers or painters or poets may have, based on long experience, practice, and embeddedness in a tradition, that this is a good strategy to try here – can make a difference, and the differences they make can sometimes be usefully made explicit and available to others. When this is possible, the result is a form of any of philosophical thought, artistic practice, or critical argument that is neither normal-calculative-utilitarian-public nor a matter only of private invention and fantasy. The consequences of Rorty’s dichotomizing for literary studies are not good; they are, perhaps, even less good than the consequences for philosophy, democratic culture, and natural science. The reason for the unhappy consequences is that literary studies fall, according to Rorty, squarely on the side of invention, intervention, and proposal. As he characterizes them in Idealism and Textualism, literary studies, at least at their romantic-provocative best, involve «operating without rules».25 Interesting literary critics make progress by refusing to be «bothered by realist questions such as ‹Is that what the text really says?›»26 «The true and the good and the beautiful drop out»27 of consideration, in favor of «name-dropping, rapid shifting of context, and unwillingness to stay for an answer [that] runs counter to everything that a professionalized academic discipline stands for.»28 We learn from literary studies «how to treat [the history of literature and philosophy] as material for playful experimentation rather than as imposing tasks and responsibilities upon us.»29 These remarks about mostly French literary criticism are intended as praise and as indicating a model for future philosophy. But they are scarcely likely to be found either fl attering or accurate by working literary critics. Michael Fischer aptly complains that «Rorty, in fact, demeans the study of literature»30 by casting criticism as a matter of free fantasizing, in keeping with the dichotomizing «Platonist’s all-ornothing outlook»31 that he perpetuates. Without any sense that some literary texts 24 Charles Taylor: Rorty in the Epistemological Tradition, in: Reading Rorty (note 20), 257– 275, quot.: 268. 25 Rorty: Consequences of Pragmatism (note 3), 143. 26 Ibid., 154. 27 Ibid., 66. 28 Ibid., 65. 29 Ibid., 87. 30 Michael Fischer: Redefi ning Philosophy as Literature. Richard Rorty’s ‹Defense› of Literary Culture, in: Reading Rorty (note 20), 233–243, quot.: 233. 31 Ibid., 241.
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explore possibilities of commitment and valuation in compelling ways, offering us processes of this exploration into which we might enter as readers, there is at least a risk of casting literary texts as objects only of vulgar consumerist consumption. If, as Rorty puts it, «the only way to figure out whether what you have been told [about values] is true is to see whether it gets you the sort of life you [already] want»,32 then all sense of possibilities of instruction in what might be worth aspiring to lapses. Neither philosophy nor literature nor literary study nor anything else can indicate anything about what is desirable in the sense of worth-desiring. The result of this stance, as Frank Lentricchia notes, is that the hedonistic values of Rorty’s «ungrounded cultural conversation have been decisively co-opted by late capitalist economy.»33 What’s good becomes nothing other than what sells, as readers pursue only texts that help them to get the lives they already want. The consequences are equally bad for the practice of writing literature itself. Poets are cast as makers in contrast with scientists as fi nders.34 The metaphor-mongering of poets, in contrast with concern with any matters of ordinary discovery, is a matter only of forwarding a new vocabulary, or, as Rorty puts it, of «changing the way we talk, and thereby changing what we want to do, and what we think we are»,35 all without any reasons. The poet is the «one who makes things new». 36 The task of poetry is «private perfection» rather than «human solidarity», which is left to the social sciences. «Different poets will perfect different sides of human nature, by projecting different ideals.»37 We should embrace «the privatization of perfection».38 If we but join the ranks of poetic polytheists and romantic utilitarians, then we will – productively Rorty suggests – «turn away from anyone who purports to tell you how things really are.»39 «Poetic progress», if it happens at all, «results from the accidental coincidence of a private obsession with a public need»,40 not from getting anything right. As with the practices of philosophy, democratic culture, science, and literary criticism, this description of the practice of literature is strikingly insensitive to the forms of discipline that are in place within it. While it is true that linguistic inventiveness and engaging the imaginations of others are important for poetic achievement, they are far from sufficient conditions for it. Works of art in general, as I have argued elsewhere, «present a subject matter as a focus for thought and emotional attitude, distinctively fused to the imaginative exploration of material»,41 with Rorty: Cultural Politics (note 1), 38. Frank Lentricchia: Rorty’s Cultural Conversation, in: Raritan Review 3/1 (1983), 136–141, quot.: 139. 34 Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (note 7), 26. 35 Ibid., 29, 36 Ibid., 12 f. 37 Rorty: Cultural Politics (note 1), 29. 38 Ibid., 30. 39 Ibid., 30. 40 Ibid., 37. 41 Richard Eldridge: An Introduction to the Philosophy of Art, Cambridge 2003, 258. 32
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clarification of blended feeling and thought about the subject matter as a primary aim in view. Success in this endeavor requires getting the subject matter right: the presentation cannot be lax or inattentive; and it requires craft and care with words to make the formal development both interestingly intricate and, more important, appropriate to the modulation of developing thought and feeling. As Wordsworth puts it, in what is still the best theoretical document about the nature of poetry, the poet must avoid «false refi nement, […] arbitrary innovation, […] [and] any foreign splendour».42 The poet is required «to look steadily at [his] subject»,43 where «the feeling therein developed gives importance to the action and situation, and not the action and situation to the feeling.»44 Successful poetic development modulates, that is to say, from an inchoate (but often intense) interest or perplexity or engagement or difficulty about an initiating subject matter (a person, a scene, or an incident) into clearer attention and engagement. The successful poem is both the record and the enactment of this modulation toward apter thought and feeling. The «passions and thoughts and feelings» that are therein developed «are the general passions and thoughts and feelings of men»45 in relation to significant subject matters within a common life of some extent. – And all this is quite a different matter from simply having some new ideas, proposing a new vocabulary, or appealing to private fantasies for the sake of private cultivation. The work of Wordsworthian poetry is, one might say, a contribution not to a pragmatic hermeneutics that helps us to get what we already want, but instead to a transfigurative hermeutics that helps us anew to see – really to see – what is worth wanting, against the grain of our habits as they stand. Or at least the development of attention, involving thought blended with feeling, toward aptness and clarity is a primary or central aim of many of the most distinctive and powerful poems in the tradition of lyric in the modern West. Poets, of course, do many things besides or in addition to taking up this Wordsworthian project. They may write to entertain or to make money or to propagandize or to indulge in private fantasy, among many other things. And yet the central and centrally successful modern lyrics move primarily within the orbit of the Wordsworthian project. In order to convince you of this, if you need convincing, and in order to put some flesh on the general notions of the modulation and clarification of thought and feeling, I now turn briefly to one short example: Seamus Heaney’s poem Digging from his 1966 collection Death of a Naturalist. Usefully it is, as will become clear, among other things centrally a poem about poetry. Here it is in its entirety:
42 William Wordsworth: Preface to the Second Edition of Lyrical Ballads, in: W.W.: Selected Poems and Prefaces, ed. by Jack Stillinger, Boston 1965, 445–464, quot.: 447, 452. 43 Ibid., 450. 44 Ibid., 448. 45 Ibid., 457.
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Digging Between my fi nger and my thumb The squat pen rests; as snug as a gun. Under my window a clean rasping sound When the spade sinks into gravelly ground: My father, digging. I look down Till his straining rump among the flowerbeds Bends low, comes up twenty years away Stooping in rhythm through potato drills Where he was digging. The coarse boot nestled on the lug, the shaft Against the inside knee was levered fi rmly. He rooted out tall tops, buried the bright edge deep To scatter new potatoes that we picked Loving their cool hardness in our hands. By God, the old man could handle a spade, Just like his old man. My grandfather could cut more turf in a day Than any other man on Toner’s bog. Once I carried him milk in a bottle Corked sloppily with paper. He straightened up To drink it, then fell to right away Nicking and slicing neatly, heaving sods Over his shoulder, digging down and down For the good turf. Digging. The cold smell of potato mold, the squelch and slap Of soggy peat, the curt cuts of an edge Through living roots awaken in my head. But I’ve no spade to follow men like them. Between my fi nger and my thumb The squat pen rests. I’ll dig with it.46
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Seamus Heaney: Digging, in: S.H.: Death of a Naturalist, London 1966, 13 f.
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There is a great deal to comment on in this terrific poem: for example, the sound structure, with the initiating short, Anglo-Saxonate ‹u›s followed by a strong consonant within a single syllable of thumb/snug/gun and perhaps squat, a sound structure that is maintained in dig, rump, boot, lug, tops, milk, cork-, sod, nick-, cold, curt, cut, and root, with spade and deep as long-vowel neighbors, until squat, pen, and dig return at the end. Both acoustically and semantically, this is a poem that is close to the earth, to physical labor, and to the sonic substance of speech. It traffics not in Latinate refi nement, but in the sounds of grunting, exhaling, and effort. For our purposes, however, in thinking about the aims and success conditions of lyric poetry, in involving disciplined attention to life (including both thought and feeling), rather than the private and idiosyncratic mere invention of ideas, what is most important is the narrative structure or modulation of the poem. As is typical in Romantic lyrics, its overall structure is OUT-IN-OUT‘. That is, it begins with a moment of perception, moves into reflection provoked by that perception, and at the end turns outward into a blend of reachieved perception coupled with resolution. The initial present perception is fi rst hearing, then seeing his father digging in the flowerbeds underneath the window of the room in which the poet is writing. We can, I think, take the fi rst two lines to record a thought or sensation that he has had about himself – that squat pen is resting in the hand – as he has paused, or been brought abruptly to pause, by the sound of the spade below. The implied questions are: «what is making that sound?» Then, «what is my father doing?», Then, «what have I been doing, in comparison with what my father is doing?» and, more deeply, «What is the good, if any, of what I have been doing?» and «can my father fi nd sense in what I do, and vice versa?»; «can there be a relation of fi lial succession and recognition between us?» These questions are all activated by the interruption of the act of writing by sound and then sight. The inward turn then comes explicitly in the second line of the third stanza: «comes up twenty years away», as he remembers seeing his father digging (now at work), in potato beds, twenty years ago. The present perceptual image has led to or fused with the memory. In fact, the structure of the inward section of the poem is a complicated one. Visual Memory 1 (the look of the rump of the father digging rhythmically in the potato beds) provokes Reflection 1 («By God, the old man could handle a spade / Just like his old man»), which in turn provokes Visual Memory 2 (the grandfather digging turf, and the poet as a child carrying milk to him), followed by Reflection 2 (I have a pen and not a spade, but I can and will use it with the same discipline, craft, daily patience, and resolution that they displayed in their hard working lives). The interruption is past, and the work (perhaps the work on this very poem) can begin again. The poet has found images, memories, and reflections with which he can work, as well as an image of the craft with which to work on them. He has used the occasion of the perceptual interruption of his work [OUT] in order to dig down into his memories of the past in relation to his feelings of present isolation and guilt [IN], so as to resolve these feelings into ones
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of connection and commitment [OUT’]. There is a hope, if not a promise, of fi lial reconciliation across a vast gulf of differences in education, interest, and experience. The activity of moving the pen – digging with its nib into the paper – can be work, and that work can be done, rhythmically, with patience, discipline, and craft. Deo volente, that could be enough. Is this poem an act of having an idea and proposing a private identity? It certainly involves having ideas, and it certainly proposes an identity. But the ideas are had via the modulation of thought (in the form of memory and reflection) and feeling, as provoked by an initiating perception, and as embodied essentially in these Anglo-Saxonate words. It is important that both the perception and the sequence of memories and reflections be rendered accurately, in ways in which both the poet himself and we who read his poem can believe. There is little in the way of free invention or fantasizing going on. Rather, closeness of attention to perception, thought, and feeling, along with closeness of attention to the sound and feel of words, control the poetic development. Nor is the development only private or aimed at «the accidental coincidence of a private obsession with a public need.»47 Quite to the contrary, this is a poem that aims explicitly to tell us «how things really are»,48 in this case things about fathers and sons, about work and meaning, about the act of writing and its value, and about thoughts and feelings about all of these. That it tells us all this via exemplification and rehearsal of the modulation of perception, thought, and feeling is no barrier to its truth-telling, but is rather essential to the kind of truth-telling that lyric poetry at its best is and does. And this is something that an Anti-Representationalist, Anti-Foundationalist poet or philosopher or critic would do well to honor in practicing a less pragmatic, more transfigurative, hermeneutics of human life.
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Rorty: Cultural Politics (note 1), 37. Ibid., 30.
Erfahrung und Ausdruck bei John Dewey Zum Narrativ einer poetischen Kultur Friedmar Apel Jean-Jacques Rousseau hat die Voraussetzung kritischer Gegenentwürfe zum Bestehenden im zweiten Discours in unübertroffener Nonchalance formuliert. Es sei nicht leicht, einen Idealzustand herauszuarbeiten, der nicht mehr existiere, vielleicht gar nicht existiert habe und möglicherweise nie existieren werde, von dem man aber dennoch klare, richtige Vorstellungen (des notions justes) haben müsse, um angemessen über den gegenwärtigen Zustand zu urteilen. Obwohl Richard Rorty Rousseau als Urheber einseitiger Gesellschaftskritik ablehnt, scheint er dessen pragmatisches Modell ins positiv Futurische zu wenden, wenn er behauptet, dass moderne Gesellschaften davon abhängig sind, dass ihre Mitglieder sich konkrete und plausible Geschichten erzählen können, wie alles besser werden soll. Mit John Dewey ist Rorty überzeugt, dass Imagination das wichtigste Instrument des Guten ist. »Imagination is the chief instrument of the good.«1 Der Satz erscheint in Deweys Art as Experience als Radikalisierung von Shelleys Theorie des moralisch Guten, in der die Dichter als Begründer der zivilisierten Gesellschaften bezeichnet werden. Dewey beruft sich überhaupt fast ausschließlich auf das romantische und nachromantische Paradigma der Dichtung und Poetik, vor allem Coleridges Bestimmung der Imagination als Organisationsprinzip menschlicher Erfahrung liegt seiner Konzeption des Ästhetischen zugrunde. Aus Deweys Charakterisierung der Romantik ergibt sich erstaunlich umstandslos seine Bestimmung der Kunst als Medium alternativer und widerständiger Erfahrung. »Desire for the strange and unusual, the remote in space and time, marks romantic art. Yet escape from the familiar environment to a foreign one is often a means of enlarging subsequent experience, because the excursions of art create new sensitivities that in time absorb what was alien and naturalize it within direct experience.« 2 Bei Rorty kehrt das in stärkerer Verallgemeinerung wieder, wenn er den zivilisatorischen Fortschritt an den Willen zur abweichenden, befremdlichen oder irrationalen Äußerung bindet. Die Differenz, die Dewey zur Kunsttheorie und Interpretationspraxis der dreißiger Jahre markiert, besteht vor allem darin, »to restore continuity between the refi ned and intensified forms of experience that are works of art and the everyday events, doings, and sufferings that are universally recognized to constitute experience.« 3 Das führt in der Folge dazu, dass Erfahrung als wesentlich ästhetisch 1 2 3
John Dewey: Art as Experience, New York 1958, 348. Ebd., 282. Ebd., 3.
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verstanden wird. Für Dewey ist die Welt des Künstlers, obwohl Coleridge zufolge jenseits der Empirie angesiedelt, keine andere Welt als die aller Menschen, aber sie ist je vorläufig befreit vom Druck des Bestehenden, das als Zerstreutheit, Teilnahmslosigkeit, Faulheit oder Vorurteil den Ausdruck der Dinge der Erfahrung verbirgt. Die Reorganisation des Erfahrungsmaterials im Ausdrucksakt beschränkt sich nicht auf den Künstler und das Kunstwerk, sondern geht wellenförmig in die Erfahrung der Gemeinschaft über. Erkennbar wird das aber erst retrospektiv, insofern beruht Deweys Entwurf auf einer historischen Erzählung von der bewusstseinsverändernden Wirkung der Literatur, aus der heraus Zukunftsentwürfe möglich werden sollen. Mit seiner Vision »of conferring esthetic quality upon all modes of production«4 kommt Dewey zudem auf das frühromantische Programm einer Poetisierung der Welt zurück, das im englischen Ästhetizismus um Walter Pater, William Morris und John Ruskin gesellschaftliche Praxis werden sollte, bis hin zur Reorganisation des Handwerks und der Landwirtschaft. Bei Rorty beschränkt sich dagegen die Vorstellung einer poetisierten Kultur auf das Konzept einer liberalen Gesellschaft, in der auf allgemeine Geltungsansprüche verzichtet werden kann, ohne den Gedanken der solidarisch herbeigeführten Veränderung zum Besseren preiszugeben. An die Stelle von Geltungsansprüchen tritt schon bei Dewey die geteilte Erfahrung als Bedingung der Möglichkeit von Gemeinschaft, die als Kommunikation in der Form des Ästhetischen zustande kommt. Jede integrale Erfahrung ist komponiert, und ihr eignet eine bestimmte Form, indem sie dynamische Organisation ist, fortlaufende Selektion und Kombination von Elementen des Materials der Erfahrung unter hauptsächlich emotional bestimmtem Interesse, die in rhythmisch gegliederten Progressen und Regressen vor sich geht. »Each resting place in experience is an undergoing in which is absorbed and taken home the consequences of prior doing […] always with a view to what is to be done next.« 5 Schleiermachers Bestimmung der Kunst als Selbstmanifestation ähnlich, defi niert Dewey Ausdruck als künstlerische Praxis und deren Resultat als prozessuale Objektivation, in der das Individuelle permanent zum Allgemeinen wird. Individuelles und Allgemeines befi nden sich dabei in einem wechselseitigen Verhältnis der Veränderung. Für Dewey ist die Kunst per se kritisch oder widerständig, indem sie einen freilich urteilslosen Prozess gegen das Bestehende führt. Ähnlich wie bei Adorno ist es der rein der Sache und eben nicht vorderhand der Moral oder Politik verpfl ichtete Künstler, der einen Vorschein der befreiten Menschheit gibt. Deweys ästhetische Bestimmung der Erfahrung verschränkt die sinnerzeugende Innovation des Ausdrucksakts mit dem zivilisatorischen Lernprozess. Der Zusammenhang ist durch Form gegeben. Der Inhalt allen Lernens aber ist die Kultur selbst mit allen ihren Antagonismen, die sich im Ausdruck vermittelt. Die Aufgabe
4 5
Ebd., 80. Ebd., 56.
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ästhetischer Erziehung ist die Optimierung von Lebenskunst, die zur Führung einer selbstbestimmten und zugleich vom Gedanken der Gemeinschaft getragenen Existenz anhalten soll, in der Widersprüche und Spannungen ausgehalten und gestaltet werden können. Erziehung besteht darin, integrale Erfahrung in Freiheit zu ermöglichen und Gestaltungspotentiale freizusetzen. Deweys Bestimmung der Erfahrung ist so mit seiner Konzeption des Erfahrungslernens ohne Zwang und Vorschrift vermittelt. Auch Rorty kommt über Deweys Perspektive auf Shelley zurück, wenn er den Dichter als Helden der liberalen Gesellschaft bezeichnet und die Auseinandersetzung mit der Literatur, die Begegnung kontingenter sprachlicher Praktiken als Movens des Fortschritts verteidigt. Er folgt Dewey auch darin, dass der Übergang zum Sozialen im Ausdrucksakt bereits mitgegeben ist. Wo Dichter dem Bestehenden den Prozess machen, tun sie es Rorty zufolge im Namen der Gesellschaft selbst. Rortys Vorschlag der Ersetzung von allgemeinen Geltungsansprüchen durch ästhetisch vermittelte Sprachpraktiken, Erfahrungen und Gewohnheiten beruht auf einer immanenten literarhistorischen Erzählung, in der die Werke wie die Dichter mit ihrer Lebensform vom Gelingen liberaler Institutionen zeugen. Eine solche Erzählung kann nur hermeneutisch begründet werden. Sie muss davon ausgehen, dass allegorische Interpretation den Verweisungszusammenhang von Kunstwerk, historischem Geschehen und gegenwärtiger Wahrnehmung verbürgt. Während Jacques Derrida es für nötig erachtete, Rousseau zu dekonstruieren, um so die rein rhetorische Verfasstheit seines Schreibens und seiner Geschichtskonstruktion zu erweisen, erübrigte sich das für Paul de Man. Rousseaus Texte sind für ihn selbst schon Dekonstruktion, Unterlaufen einer auf Sinn bedachten Lektüre, Allegorie ohne Referenz. Wenn aber ›des notions justes‹ weder als begriffl iche Konstruktion noch als mehr oder minder plausible Fiktion, sondern als reine Textfigur ohne Signifi kat gelesen wird, entfällt alles, was die Interpreten bei Rousseau als Kritik der Gesellschaft wie als Figuration der Freiheit erkennen wollten. Das Gleiche gälte für Rortys Erzählung vom Gelingen liberaler Institutionen. Aber Derridas Schriften sind für Rorty ohnehin private Phantasien. Rortys von Dewey inspiriertes Projekt einer »poeticised culture« geht offenbar selbstverständlich davon aus, dass sie eine gute Kultur wäre, in der die Einsicht in die Kontingenz der Sprache von den je unbegriffl ichen sprachschöpferischen Prozessen befördert wird, die alle Felder der Zivilisation bereichern. Der Zusammenhang zwischen Herrschaft, Geltungsanspruch und verordneter Wahrnehmung würde sich in der poetisierten Kultur langsam aber sicher auflösen lassen. Die kritische ästhetische Theorie und Ideengeschichte in Deutschland hat aus leicht begreifl ichen Gründen ein deutlich weniger idyllisches Bild von der literarischen Kultur. Vor allem Theodor W. Adorno und Hans Blumenberg haben den Blick dafür geschärft, dass die Selbstermächtigung des schöpferischen Menschen mit dem Anspruch auf Naturbeherrschung enger verflochten ist als die romantische Kritik der Auf klärung und das Projekt der Poetisierung der Welt glauben machen könnten.
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Friedrich Schlegel wollte in seiner Theorie der Anschauung die Imagination in Kombination mit der Sprachfähigkeit als Instanz der Emanzipation des Einzelnen wie zugleich der Gattung vom Naturzusammenhang begreifen. Im Wort bestätige sich die durch Einbildungskraft gewonnene Freiheit und gebe so dem Menschen die Bestätigung, »daß er bei der Anschauung doch nicht ganz der Tyrannei der Dinge unterliege. Sondern daß er frei darauf wirken und sie handhaben könne.« 6 In der Begriffl ichkeit aus dem agonal verfassten Feld der Polis ist bereits das Modell enthalten, künstlerische Selbstbehauptung als freies Anderssehen der Dinge gegen ein zur zweiten Natur gewordenes Gesellschaftliches, gegen die Wahrnehmungsverordnung einer nur allzu siegreichen Rationalität zu proklamieren. Es war zweifellos vor allem die romantische Kunsttheorie, die gezeigt hat, dass die Literatur den Menschen in steter Progression etwas als etwas (anderes) erfahren lässt. Das aber weist auf eine andauernde doppelte Paradoxie hin. Einerseits wird Natur parallel zum Siegeszug der Naturwissenschaften zum Gegenbild des mangelhaften Gesellschaftlichen, symbolische Sphäre der Unabhängigkeit, zu der sich der moderne Schriftsteller verpfl ichten will, andererseits wird die Sichtbarkeit der Natur zur bloßen Außenseite des Unsichtbaren, einer Unendlichkeit des Möglichen herabgewürdigt. Gerade Literatur hat aufgrund ihres genuinen Anteils am allgemeinen Verständigungssystem im Sinne Deweys entscheidenden Anteil an der Konstitution von Wirklichkeit, damit aber eben auch am Zusammenhang naturbeherrschender Technologie und Ideologie. Hans Blumenberg hat gezeigt, wie sich die Vorstellung vom Buch der Natur in der Neuzeit verwandelt und ausdifferenziert hat, und wie in diesem Prozess die »Lesbarkeit der Welt« als Metapher für das Ganze der Erfahrbarkeit einstehen soll. In der Vorstellung einer lesbaren Welt, einer deren Sinn entschlüsselt werden kann, versichere sich der moderne Mensch gegen die Zersplitterung der Erfahrung und die immer unübersichtlicher werdende Wirklichkeit. Die Metapher der Lesbarkeit hat daher von vornherein kritisches, virtuell auch politisches Potential, weil sich aus ihr unweigerlich die Frage ergibt, »ob unsere Welt die Welt sei, die wir wollen«.7 Ihre Geschichte ergibt daher im Nachhinein eine Erzählung vom je für möglich gehaltenen Besseren. So liegt der Ursprung dieser Metapher in einem unbefriedigten Sinnverlangen, das sich freilich in jeder geschichtlichen Epoche anders darstellt. Was man von der Welt wissen kann, und was man von ihr erhoff t, lässt sich für Blumenberg nur retrospektiv klären. Die Wandlungen der Lesbarkeitsmetapher erscheinen als Paradigma einer ins Freie drängenden Produktivkraft, die sich hegelianischen Vernunftgeboten und dem Absolutheitsdenken gegenüber subversiv verhält: Die Lesbarkeitsmetapher ist in der Auf klärung Leitfaden für die Geschichte der ständigen Unterwanderung einer sich als unbestechlich befi ndenden Vernunft durch 6 Friedrich Schlegel: Philosophische Vorlesungen 1800–1807, in: Kritische-Friedrich-SchlegelAusgabe, hg. von Ernst Behler, Bd. XII, München/Paderborn/Wien 1964, 344. 7 Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt/M. 1981, 10.
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die heimlichen Wünsche, die Welt möge mehr Bedeutung für den Menschen haben und ihm mehr zeigen, als vernünftigerweise von ihr erwartet werden darf. Das Sinnverlangen, rational des Feldes verwiesen, schaff t sich Zugänge, ist listiger als die sich selbst zur List ernennende Vernunft.8
Das geschieht offensichtlich sinnlich konkret und nicht selten auch plausibel in der Literatur, zugleich aber hat sich die Metapher der Lesbarkeit in der modernen Naturwissenschaft funktional ausdifferenziert, wie Blumenberg bis hin zum Leser des genetischen Codes zeigt. Auch die poetische Sprache setzt also vermutlich Problemlösungskapazitäten frei, die über die jeweiligen Denkmöglichkeiten unvorhersehbar hinausschießen können, um dann in der zweckrationalen Anwendung Herrschaft, Gewalt und Grausamkeit zu ermöglichen oder zu stabilisieren. An den Kunstwerken zugrunde liegenden Strukturen der Wahrnehmung lässt sich (im Grundzug nicht fern von Deweys Erfahrungstheorie, aber konsequenter weitergedacht) Blumenberg zufolge die Signatur des schöpferischen Menschen überhaupt entziffern. Das Pathos, mit dem sich in der Neuzeit das menschliche Selbstverständnis im Postulat der Unendlichkeit des Möglichen als schöpferisch durchsetzen wollte, zeige als Idee der Machbarkeit bereits die Gestalt der experimentellen Naturwissenschaft und ihrer anwachsenden Widersprüche. Die Natur sei dabei zum Inbegriff möglicher Produkte der Technik geworden. Der Rest an exemplarischer Verbindlichkeit, der Rang als Schöpfung sei ihr damit ausgetrieben worden. Hier hat die Diskrepanz zwischen der hohen Geltung der Wissenschaft von der Natur und der Nivellierung ihres Seinsrangs ihren Ursprung, die als offene Paradoxie von Naturverehrung und ihrer Herabwürdigung durch die Willkür des Künstlers in den Anfängen des romantisch-visionären Paradigmas schon bei William Blake hervortrat. »If the doors of perception were cleansed everything would appear to Man as it is: infi nite. For Man has closed himself up, till he sees all things through narrow chinks of his cavern.« 9 Blakes Proklamation der Unendlichkeit des Möglichen beruht auf der Überzeugung, dass die Erfahrung der wahren Gestalt des Sichtbaren nicht im natürlichen Objekt gegeben oder daran gebunden ist: »All forms are perfect in the poet’s mind, but these are not abstracted nor compounded from Nature, but are from imagination.«10 Damit ermächtigt sich der individualistische Künstler einerseits zur radikalen Kritik an Technisierung, Verdinglichung und Anpassung an den allgemeinen Geschmack, andererseits sprengt er virtuell alle Grenzen der Erfahrung und damit virtuell auch der Machbarkeit. Bei Dewey, wie (wenngleich recht diff us) auch bei Rorty, erscheinen die sprachschöpferischen Prozesse, die ein Anderssehen ermöglichen, als eine Art naturanaloger Vorgang und daher im Prinzip unschuldig auch da, wo sie gesellschaftliche 8 9 10
Ebd., 199. William Blake: Selected Poetry, hg. von Michael Mason, Oxford 1996, 14. Ebd., 78.
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Antagonismen mitschleppen. Pierre Bourdieu hat jedoch zeigen wollen, dass Anderssehen kalkulierte Strategie sein kann, die sich von der Etablierung und Distinktion anderer gesellschaftlicher Institutionen und Kulturfelder nicht grundsätzlich unterscheidet. Die Einflussmöglichkeiten des Schriftstellers sind Bourdieu zufolge seit dem 19. Jahrhundert an die Voraussetzung der Autonomie gebunden und damit an eine teils widerständige, teils eskapistische kulturelle Praxis seit Flaubert, Baudelaire und Mallarmé, in der sich das Subjekt »gegen die gewöhnliche Sicht der Dinge durchzusetzen«11 sucht. Mit der Veränderung der Sichtweise, einer »Revolution des Blicks, die sich in der und durch die Revolution des Schreibens«12 zeigt, konstituiert sich zugleich »das literarische Feld«. Darin erscheint die Selbstbehauptung der Schreibenden als symbolischer Kampf um Macht. Der Bezug des Schreibens zur Gegenständlichkeit der umgebenden Welt spielt dabei lediglich als Gegenstrategie zur gewöhnlichen und alltäglichen Wirklichkeitswahrnehmung eine Rolle. Anderssehen zielt auch auf Distinktionsgewinn im literarischen Feld. Damit wurde Bourdieu zufolge die Trennung von Ethik und Ästhetik irreversibel.13 Tugend könne in einer ökonomisch regierten Welt keine freie intellektuelle Ordnung stiften, allenfalls könne diese »intellektuelle Tugendhaftigkeit«14 stützen. Auch die bleibe jedoch an Autonomie gebunden und damit an den Konfl ikt, die künstlerische Selbstbestimmung zu bewahren, nicht zuletzt gegenüber staatlichen Eingriffen, und zugleich die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen zu schaffen, um dem stets gefährdeten Metier auch nachgehen zu können. Als Praxis steht Kunst seither immer auf der Kippe zwischen Anpassung an Ideologie und Warenverkehr und heroischer Verweigerung, die selber wieder in Gefahr steht, in der Gleichgültigkeit dem Leiden und der fortdauernden Unterdrückung gegenüber die Gestalt des Komplizentums anzunehmen. Selbst wenn die manifeste Komplizenschaft von Autoren mit totalitärer Herrschaft ausgeklammert wird, so bleibt es doch die Frage, ob eine Erzählung vom Gelingen liberaler Institutionen, in denen Dichter die Rolle von Freiheitshelden einnehmen, jenseits von Deweys Erfahrungslernen in ›selected environments‹, etwas ausrichten kann. Rorty fi ndet vielleicht allzu viel Gefallen am enthusiastischen romantischen Geschichtsdenken aus der Apotheose der Zukunft. Dabei scheint ihm zu entgehen, dass eine Erzählung nach Shelley, in der die Zukunft immerfort machtvoll auf die Gegenwart wirkt, unter Verschleierung der Interessen nicht nur jeden neoliberalistischen Veränderungsunfug affi rmieren kann, sondern im Extremfall auch Dispositive für den totalitären Exzess der Grausamkeit zu liefern imstande ist. Nach Carl Schmitts scharfsinniger Analyse steht politische Romantik nur zu leicht »im Dienste anderer unromantischer Energien und die Erhabenheit über Defi nition und Entscheidung verwandelt sich in ein dienstbares Begleiten 11 Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, Frankfurt/M. 1999, 354. 12 Ebd., 181. 13 Vgl. ebd., 124 ff. und 181 ff. 14 Vgl. ebd., 534.
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fremder Kraft und fremder Entscheidung.«15 Es leidet keine Zweifel, dass die Tradition politischer Romantik Dispositionen bereitgestellt hat, an die der Faschismus anknüpfen konnte. Dass Rorty die zweckrationale Ausdifferenzierung von poetischen Diskursen und deren Verklammerung mit naturbeherrschender Technologie ausblendet, ist der Eigensinn einer Theorieerzählung, die dem Individuum, seiner Originalität und seinem Recht auf Privatheit so viel Spielraum wie möglich geben will. Das kann angesichts einer deutschen Tradition des Gemeinschaftsdenkens, in dem der Individualismus für die Defi zite des Sozialen verantwortlich gemacht wird, als Ermutigung zur abweichenden Stellungnahme nur gut tun.
15
Carl Schmitt: Politische Romantik, München 1925, 228.
Jenseits von Philosophie und Philologie Der Literarische Epistemologe Richard Rorty Christian Kohlross I. Wenn es je eine Zeit geben sollte, in der man auf Philosophie und Philologie zurückblickt wie wir Heutigen auf den ägyptischen Mysterienkult, die aristotelische Physik oder den Mesmerismus zurückschauen, wenn es je eine Zeit geben sollte, in der man sich darüber wundert, welch merkwürdigen Exerzitien Menschen sich unterzogen haben, als sie philologische oder philosophische Probleme zu lösen versuchten, so könnte es sein, dass das Staunen darüber einem Vergleich dieser beiden Praktiken entspringt, der in etwa so viel besagt wie: Während sich die Philosophie traditionsgemäß der wirklichen Welt, dem wirklichen So-und-nichtanders-Sein der Dinge zuwendete, hatte es die Philologie ihrer Tradition gemäß mit Darstellungen, sprachlichen Darstellungen der Welt zu tun, die sie, sei es auf dem Wege der Edition, sei es auf dem der Interpretation zu rekonstruieren suchte. Während die Philosophie daher alles daran setzte, um in den Besitz der einen Wahrheit über die eine wirkliche Welt zu gelangen, widmete sich die Philologie der Vielfalt sprachlicher Darstellungen vieler möglicher Welten. Auch deshalb beanspruchte die Philologie den Begriff der Wahrheit nur, um ihre eigenen Aussagen über literarische Darstellungen zu qualifi zieren, nicht aber, um über den epistemischen Wert und Anspruch der literarischen Darstellungen selbst zu urteilen. Das hatte ihr dann den meist unausgesprochenen Vorwurf eingebracht, sie habe es ›bloß‹ mit Darstellungen oder gar ›bloß‹ mit Fiktionen zu tun – mit Fiktionen und nicht mit der Wirklichkeit; alles, was sie, die Philologie, zutage fördere, sei, dass Autor A die Wirklichkeit so, Autor B sie schon anders und die Autoren C bis Z sie aber jeder für sich wiederum ganz anders gesehen haben. So wie aber die ganz den sprachlichen Darstellungen der Welt verpfl ichtete Philologie durch die mangelnde Wahrheitsf ähigkeit der fi ktiven literarischen Texte, mit denen sie sich beschäftigte, selbst in Mitleidenschaft gezogen wurde, hatte auch die Philosophie einen massiven Glaubwürdigkeitverlust dadurch erfahren, dass, was sie als Wahrheit für sich in Anspruch nahm, sich nur zu oft als Effekt und eben Eigenschaft ihrer sprachlichen Darstellung entpuppte. Aristotelischen Substanzen, Leibnizschen Monaden und Hegelschen Begriffen begegnete man eben in der Wirklichkeit so wenig wie König Ödipus, Hamlet oder Faust.1 Und, wie nicht anders zu erwarten, wurde die Einsicht in die Literarizität und RhetoAlso jenseits der philosophischen Texte dieser Autoren und des von ihnen eröff neten Diskurses. 1
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rizität, kurzum die Darstellungsabhängigkeit auch des philosophischen Denkens als Einwand gegen den von diesem Denken vorgetragenen Wahrheitsanspruch verbucht. Ihren Widerstand gegen diesen Einwand hatte die Philosophie dann spätestens seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts aufgegeben, doch blieb das ein Zugeständnis, das ihr die Philologie nur mühsam in einem mehr als 2000 Jahre, eben seit Platons Zeiten andauernden Rückzuggefecht abringen konnte. Denn mit wenigen Ausnahmen wie Kirkegaard oder Nietzsche galt Philosophen die Darstellungsabhängigkeit des philosophischen Denkens vor allem als eines, nämlich als Bedrohung für den mit diesem Denken verbundenen Anspruch, die eine Wahrheit über die eine wirkliche Welt in Erfahrung zu bringen. Wie man es auch drehte und wendete, sobald man im Prozess des Erkennens auf die Rolle der Darstellung zu reflektieren begann, gab es nichts mehr, das einem beständig wachsenden Relativismus Einhalt gebot. Die Philologie hatte sich nun aber, ebenfalls seit den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, mag sein, aus einer nur halbbewussten Einsicht in die Lage dieser Dinge heraus, dem Begriff des Wissens zugewandt. Man wollte sich einfach nicht länger damit zufrieden geben, dass literarische Texte nur Fiktionen produzierten, nein, man wollte, was man immer schon vermutet hatte, nun auch nachweisen – dass nämlich literarische Texte in einem eigentümlichen Sinne epistemische Unternehmungen sind. Doch verwendete die Philologie den Begriff des Wissens auf eine Weise, die ihn von den Begriffen des Glaubens oder der kollektiven Überzeugung ununterscheidbar machte. Eben deshalb wurde er auch, kaum dass er zu philologischen Ehren gekommen war, sogleich wieder entwertet. Denn während im philosophischen wie übrigens auch im alltäglichen Sprachgebrauch Wissen (seit Platons Theäthet) als eine Überzeugung galt, die erstens gerechtfertigt und zweitens auch wahr sein musste, kümmerte man sich in der Philologie des Wissens eigentümlich wenig um die dem Begriff des Wissens eigenen Momente der Wahrheit und der (sei es empirischen, sei es logischen) Rechtfertigung literarisch vermittelter Überzeugungen – mit der Konsequenz, dass kaum ein Philosoph sich um den philologischen Diskurs um Literatur und Wissen bekümmerte oder gar die Philologie selbst über eine Beschäftigung mit dem Begriff des Wissens an epistemischer Kraft hätte gewinnen und damit den ihr immer schon innewohnenden Makel, nur Darstellungen von Darstellungen hervorzubringen, hätte überwinden können. Wer nun aus einem fernen Jahrhundert auf diese wenig verheißungsvolle Vergangenheit zurückblickt, mag aber auf einige, im Grunde recht naheliegende Fragen verfallen, Fragen wie: Was eigentlich wäre gewesen, wenn die Philologie sich mit demselben Eifer, mit demselben Pathos wie die Philosophie der Wahrheit gewidmet hätte und die Philosophie sich ihrerseits mit der gleichen Hingabe wie die Philologie Fragen der Darstellung gewidmet hätte? Was eigentlich wäre gewesen, wenn Philologen sich nicht nur darum bekümmert hätten, was dieses oder jenes literarische Werk zum Ausdruck bringt, sondern auch darum, ob, was da zum Ausdruck gebracht wird, mehr als nur ein Ausdruck von Subjektivität, also eines
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Man-kann-die-Dinge-so-man-kann-sie-aber-auch-anders-Sehens? Und was wäre gewesen, wenn die Philosophie den Umstand, dass die von ihr vorgetragenen epistemischen Ansprüche der sprachlichen Darstellung bedürfen, nicht länger als Beschränkung, sondern als Bedingung ihrer eigenen Möglichkeit erfahren hätte? Dann, so stelle ich mir vor, wäre nicht nur die uns bekannte Philosophie, sondern auch die Philologie unserer Tage ein, um es mit Richard Rorty zu sagen: »Übergangsgenre« 2 , und Rorty selbst, sein Schreiben und Denken, gäbe das Vorbild für eine Praxis ab, die ich nicht länger, wie Rorty dies getan hat, als Philosophie bezeichnen, nur eben auch nicht mehr Literaturwissenschaft, Literary Criticism oder eben Philologie, sondern vielmehr Literarische Epistemologie nennen möchte. Genau sie nämlich scheint mir Rorty im Sinne zu haben, wenn er Philosophie und Philologie miteinander vergleicht. Und genau für sie könnte uns Richard Rorty, der kein Philologe war und kein Philosoph mehr sein wollte, ein Vorbild abgeben, wenn wir darüber nachdenken, was es denn heißen könnte, Wissenschaft an einem momentan noch ganz und gar utopischen Ort zu betreiben, nämlich jenseits von Philosophie und Philologie.
II. Doch ich habe nicht nur weit zurück-, sondern auch weit vorausgegriffen. Ich muss daher noch einmal zurück, und zwar da hin, wo dieser Übergang von Philosophie und Philologie zur Literarischen Epistemologie seinen Ausgang nimmt, zu Richard Rorty also und damit zu der Frage nach den Gründen, die ihn zu einer Abkehr von der herkömmlichen Tätigkeit des Philosophierens, dem damit verbundenen Selbstverständnis eines Philosophen und zu einer Hinwendung zu dem, was im amerikanischen Sprachgebrauch Literary Criticism heißt, bewogen haben. Zunächst ist da der bekannte, von Rorty in Philosophy and The Mirror of Nature dargelegte Grund, dass nämlich die traditionelle Philosophie von einem Bild, von einer Metapher gefangen gehalten wird, einer Metapher, der zufolge die philosophische (anders als etwa die psychologische) eine nicht-empirische Tätigkeit ist, in deren Verlauf das »Bewusstsein als ein[ ] große[r] Spiegel, der verschiedene Darstellungen enthält – einige davon akkurat, andere nicht [vorgestellt und erklärt wird]. Ohne die Idee des Bewusstseins als Spiegel hätte sich«, so schreibt Rorty da, »eine Bestimmung der Erkenntnis als Genauigkeit der Darstellung nicht nahegelegt. Ohne sie wiederum wäre die Strategie von Descartes und Kant – sozusagen durch ein Prüfen, Reparieren und Polieren des Spiegels zu immer akkurateren Darstellungen zu gelangen – nicht sinnvoll gewesen.« 3 Mit diesem Bild, das die traditionelle philosophische Tätigkeit gefangen hält, geht nun, wie Rorty nicht nur in Philosophy and the Mirror of Natur zeigt, der Glaube 2 3
Richard Rorty: Philosophie als Kulturpolitik, Frankfurt/M. 2008, 160–185. Richard Rorty: Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie, Frankfurt/M. 1987, 22.
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an fünf Mythen einher, von denen jeder, sobald er als ein solcher durchschaut worden ist, einen weiteren Grund zur Abkehr von dem herkömmlichem Selbstverständnis der Philosophie abgibt. Der erste dieser Mythen besagt, dass es da draußen eine Wirklichkeit gibt, von der, wer immer sie erkennen will, getrennt ist. Es ist dies der Mythos eines anfänglichen Dualismus von Ich und Welt, Subjekt und Objekt, Erkennendem und Erkanntem. Dieser erste Mythos ist, meist unbemerkt, mit einem zweiten Mythos verbunden. Er besteht in der Annahme, dass wir, um zur Wirklichkeit vorzudringen, um Subjekt und Objekt miteinander zu vermitteln, Tertia bräuchten, wie es Bedeutungen, Repräsentation oder Sprachen sind, und dass wir deshalb unsere Aufmerksamkeit auf das Funktionieren dieser Tertia richten müssen, wenn wir erkennen wollen, wie wir erkennen. Der dritte, im Gedanken der Nicht-Empirizität des philosophischen Verfahrens bereits angeklungene Mythos besagt dann, dass die spezifisch philosophische Tätigkeit – die Reflexion (oder Reflexion der Reflexion) – eine ist, die dieses dualistische Szenario zu transzendieren vermag, also den, mit Thomas Nagel gesprochen: ›Blick von nirgendwo‹ gestattet, sich demnach im Rahmen der reinen intellektuellen Anschauung vollzieht. Diese Anschauung muss aber immer noch etwas anschauen, sie muss immer noch einen Gegenstand haben, um überhaupt Anschauung zu sein. Diesen Gegenstand als einen sowohl bestimmten als auch gegebenen vorauszusetzen markiert das Credo des vierten dieser Mythen, desjenigen vom Gegebenen. Ihm verschreibt sich, wer der Überzeugung ist, dass es ein wirkliches So-Sein der Welt gibt, unabhängig vom Ich, das sich in und zu ihr verhält. Nicht nur im philosophischen, sondern eben auch in jedem wissenschaftlichen Denken gipfeln diese Mythen in einem fünften und letzten Mythos, dem, dass es so etwas wie objektive Kognition oder, mit einem vertrauteren Ausdruck gesagt: ›Wahrheit‹ gebe. Dieser Mythos ruht Rorty zufolge auf der im Grunde befremdlichen Vorstellung, dass die Ich und Welt verbindenden Tertia, also unsere Repräsentationen, Sprachen, Sätze – und also auch unsere Überzeugungen durch die Wirklichkeit bestimmt, durch das wirkliche So-Sein der Dinge hinreichend festgelegt würden. Rorty hat nun für die Zurückweisung dieser eben nicht nur die traditionelle Philosophie, sondern eben auch die gegenwärtigen Kulturwissenschaften gefangenhaltenden Mythen gute Gründe. Denn natürlich ist der Dualismus von, wie das bei Davidson heißt, begriffl ichem Schema und Inhalt an die zutiefst fragwürdige Voraussetzung eines unbegriffl ichen, uninterpretierten Inhalts, einer Welt ohne Deutung gekoppelt.4 Natürlich ist der Gedanke eines philosophischen Blicks von nirgendwo auf diese Welt ein Gedanke, von dem alles andere als klar ist, wie er überhaupt noch gedacht werden kann, ja, ob er überhaupt – begriffslos und inhaltsleer wie er ist – ein Gedanke genannt werden kann. Und selbstverständlich ruft die Vorstellung, es gebe so etwas wie Ich und Welt vermittelnde Tertia, also Repräsentationen, Sprachen oder Medien, sofort die Frage auf den Plan, was es denn 4
Vgl. Donald Davidson: Wahrheit und Interpretation, Frankfurt/M. 1990, 261–282.
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ist, das wiederum diese Tertia auf der einen Seite an das Ich auf der anderen Seite aber mit der Welt vermittelt, soll heißen: der Gedanke einer Vermittlung führt innerhalb eines dualistischen Schemas unweigerlich in einen (aus der Theorie des Selbstbewusstseins bestens bekannten) infi niten Regress. Und auch auf dem bekannten Mythos vom Gegebenen lastet eine schwere Hypothek, nämlich die, dass nicht einmal Sinnesdaten uninterpretierte Erfahrungsgegenstände sind und in ihrem Fall überdies mehr als fraglich ist, ob die Kenntnis von Gegenständen überhaupt ein »zureichendes Modell für das Wissen propositional gegliederter Sachverhalte« 5 sein kann. Diese Zurückweisung der Mythen des gleichermaßen philosophischen wie wissenschaftlichen und damit eben auch kulturwissenschaftlichen Denkens legt für den postmodernen Ironiker Rorty nun den Gedanken nahe, nicht die Philosophie, sondern die Literaturkritik »als herrschende intellektuelle Disziplin anzuerkennen« 6 und damit aus der Philosophie ein Übergangsgenre zwischen Religion und Literatur werden zu lassen, sie also in einer gegen Hegel gerichteten Verve zum Vorläufer der Literaturkritik zu machen, um konsequent das Programm der Literarisierung wissenschaftlicher Erkenntnis fortschreiben zu können. Philologie statt Philosophie also! Was, so mag man sich fragen, hörte die Zunft der Philologen lieber? Doch schauen wir genauer hin, schauen wir genauer darauf, worin sich denn die Philologie, die philologische Erkenntnis von der philosophischen unterscheidet, so unterscheidet, dass sie Rortys Kritik entgeht. Und da ist meine Antwort kurz und knapp und lautet: In nichts! Denn die genannten Mythen fi nden sich hier wie dort. Denn ist nicht der Dualismus von Ich und Welt schlechthin die Voraussetzung für die Beobachtung eines literarischen Zeichengeschehens? Ist nicht die Möglichkeit einer objektiven Außenbeobachtung der Literatur die Voraussetzung einer jeden Literaturwissenschaft, ja, ist nicht überdies der Gedanke einer literarischen Transzendierung der Wirklichkeit die Voraussetzung einer jeden ästhetischen Autonomie? Und was wären Philologie und Literatur nur ohne die Überzeugung, dass es bei der Poesie eben ganz und gar auf die Art und Weise ankommt, in der Ich und Welt sprachlich, also über Tertia, miteinander vermittelt sind? Und ist bei alle dem nicht auch sowohl für die philologische als auch schon die poetische Erkenntnis der Glaube an eine der Poesie und Philologie gegebene, ihnen also vorausgesetzte Wirklichkeit konstitutiv? Ja, ist nicht überdies der Anspruch auf Wahrheit ein Anspruch, ohne dessen Einlösung philologische Erkenntnis so wenig denkbar ist wie philosophische? Wer, will ich sagen, Philosophie und Philologie miteinander vergleicht, und zwar gemäß des von Rorty selbst vorgegebenen therapeutischen Schemas miteinander vergleicht, der stellt fest: Bedeutende Unterschiede gibt es keine. Kein Grund also, Poesie und Philologie als Überwinderinnen der Philosophie zu feiern und von 5
Jürgen Habermas: Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze, Frankfurt/M. 1999,
236. 6
Richard Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt/M. 1992, 142.
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ihnen, mit einem großen Wort gesagt: Erlösung, mit einem bescheideneren gesagt: die Einlösung der Ansprüche zu erwarten, die bereits die Philosophie nicht einzulösen vermochte. Vielmehr hat es den Anschein, als setze da, wo die Philosophie alles daransetzt, die eine Wahrheit über die Welt ans Licht zu bringen, die Philologie ganz auf die wahre Erkenntnis der Darstellung der Welt – und dies durchaus im Rückgriff auf die gleichen Mythen, derer sich schon die Philosophie bedient. Das mag so sein! Wie aber soll man in Philosophie, Philologie oder in einer anderen Wissenschaft ohne den Begriff der Wahrheit auskommen – und warum sollen wir überhaupt ohne ihn auskommen? Nun, auf diese letzte Frage gibt Rorty eine klare, wenn auch in vier Teile gegliederte Antwort. Sie lautet: Wir sollen und können ohne Wahrheit auskommen, weil (1) »wir außerstande sind, eine Überzeugung mit einer Nicht-Überzeugung zu vergleichen, um zu sehen, ob sie einander entsprechen«,7 weil (2) der Begriff der Wahrheit nichts erklärt, was nicht durch Hinweis auf die kausalen oder begründenden Beziehungen zwischen der Welt und den sie betreffenden Überzeugungen erklärt werden könnte,8 weil (3) Wahrheit eindeutig sich nur mit Bezug auf besondere Wahrnehmungssituationen bestimmen lässt, die lediglich den Eindruck erwecken, als seien es kontextfreie Sinnesdaten, die Aussagen wahrmachen, während Sinnesdaten gerade das – kontextfrei – nicht sind.9 Hinzu kommt (4), dass Bezugnahme auf Sinnesdaten oder über sie erschlossene Gegenstände kein generalisierbares Modell für Wahrheitszuschreibungen sein kann, wie jedes Urteil, das auch nur einen abstrakten Begriff enthält, unmissverständlich klar macht, ganz zu schweigen davon, dass (5) noch niemand die, sei es physische, sei es metaphysische Beziehung des Wahrmachens hat beobachten können.10 Poesie und Philologie sind nun für Rorty gerade deshalb ein Vorbild auch philosophischen Denkens, weil beide ohne den Begriff der Wahrheit auskommen und dennoch – das ist der springende Punkt – Wissensansprüche geltend machen können. Sie verwirklichen also Rortys Ideal, Wissen nur noch als gerechtfertige Überzeugung und nicht mehr länger als gerechtfertigte Überzeugung, die darüber hinaus auch noch wahr ist, zu verstehen. Denn die Wahrheit, das ist Rortys Argument, fügt dem Wissen hier nichts mehr hinzu. (Der Satz: ›Ich weiß, dass die Tür geschlossen ist‹ besagt dann dasselbe wie der Satz: ›Ich bin der Überzeugung, dass die Tür geschlossen ist, weil ich in der Lage bin, diese Überzeugung mit Gründen zu rechtfertigen‹ – dass er darüber hinaus auch noch wahr sein soll, besagt dann, wie uns Rorty lehrt, nichts weiteres mehr.) Wer hingegen gegen Rorty am Begriff der Wahrheit festhält, der hat für gewöhnlich einen guten Grund dafür: Er fürchtet, dass die Verabschiedung des Richard Rorty: Pragmatismus, Davidson und der Wahrheitsbegriff, in: ders.: Die Wahrheit der Interpretation. Beiträge zur Philosophie Donald Davidsons, hg. von Eva Picardi und Joachim Schulte, Frankfurt/M. 1990, 55–96, hier: 72. 8 Vgl. ebd. 9 Vgl. ebd., 87. 10 Vgl. ebd., 79 f. 7
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Wahrheitsbegriff s aus epistemischen Diskursen zwei ungebetenen Gästen Tür und Tor öff net, nämlich Relativismus und Skeptizismus. Dieser so sehr gefürchtete Effekt hat aber einen einfachen Gedanken zu seiner Voraussetzung. Er besagt, wir müssten unsere Urteile mit der Wirklichkeit vergleichen, sie ihr angleichen können. Sobald dieser Vergleich nicht mehr möglich ist, seien die inferentiellen Linien der Belegkräfte nicht nur von den Linien der Bezugsrichtung – also von den Gegenständen unserer Überzeugung – abgelöst, sondern sodann allein noch von unseren Darstellungen und Deutungen abhängig und damit, so der Gedanke, ganz und gar arbiträr. Rorty denkt hier aber das genaue Gegenteil und damit einen Gedanken, der ihn über die Tradition der wahrheitsfi xierten Philosophie und des einem philosophischen Begriff des Wissens verpfl ichteten Verständnisses der Wissenschaften hinaustreibt und ihn zum Vorläufer einer Praxis macht, die im herkömmlichen Verständnis keine philosophische, wahrheitsorientierte, aber auch keine philologische, allein an der sprachlichen Darstellung interessierte, sondern eine zugleich epistemologische und literarische ist, ich nenne sie: Literarische Epistemologie. Als Literarischer Epistemologe verpfl ichtet sich Rorty auf die Überzeugung, dass Wahrheit eben nur eine Weise ist, unsere Überzeugungen festzulegen, eine unter vielen, also keine privilegierte, auch nicht in epistemischen Kontexten; nein, es gibt, so legt uns Rorty nahe, epistemisch verbindliche Urteile, die ihre Verbindlichkeit allein dem Medium unseres Denkens und Darstellens, vor allem der Sprache, gerade auch dem ästhetischen Gebrauch der Sprache, mithin unserer ästhetischen Urteilskraft verdanken.
III. Wie aber rechtfertigt man anders als auf dem wohl bekannten und von Rationalisten wie Habermas oder Brandom immer noch favorisierten Wege des rationalen, auf den zwanglosen Zwang des besseren Arguments vertrauenden Diskurses? Stellt man Rorty diese Frage, so gibt er gleich zwei Antworten, zwei Antworten, die ihn allerdings auf direktem Wege über die wahrheitsorientierte philosophische und die darstellungsorientierte philologische Tradition hinaus in das Reich der Literarischen Epistemologie führen, ein Reich also, in dem unser Wissen, unsere Erkenntnisse nicht durch das wirkliche So-Sein der Dinge und den ihnen angeblich entsprechenden buchstäblichen Gebrauch der Sprache hervorgebracht werden, sondern zum einen durch unsere Phantasie (1), zum anderen jedoch durch die Form, namentlich die sprachliche Form ihres Erscheinens (2). (1) Dass die Phantasie – die Phantasie und nicht die Wirklichkeit – eine Weise ist, Überzeugungen zu rechtfertigen, ist dabei wahrscheinlich der vertrautere Gedanke. Für Atheisten machen Anhänger aller Religionen beständig von dieser Praxis Gebrauch, für Anhänger einer bestimmten Religion Anhänger aller anderen Religionen.
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Aber auch, wer im Reiche der Vernunft Zwecke miteinander vergleicht, sie gegeneinander abwägt, bewegt sich in einer Welt, die ihr Dasein nicht der Empirie, sondern der Phantasie verdankt. »Vernunft«, schreibt Rorty, »ist davon abhängig, dass man im Rahmen von Sprachspielen zulässige Züge macht. Die Phantasie erschaff t die Spiele, die anschließend von der Vernunft gespielt werden.«11 Das sieht immer noch so aus, als sei Phantasie, und ich zitiere Rorty auch jetzt: »ein Vermögen zur Erzeugung von Vorstellungsbildern«,12 doch für Rorty ist sie gerade kein Relativismus und Skeptizismus Tür und Tor öff nendes Vermögen, sondern eben ein Erkenntnisvermögen, dadurch nämlich, dass sie »als Fähigkeit zur Veränderung sozialer Praktiken durch Empfehlung vorteilhafter neuer Verwendungen von Zeichen und Lauten«13 begriffen wird, mit einem, mit meinem Wort: dadurch, dass sie sich in der sozialen Praxis bewährt. Es ist die Bewährung in einer vom Menschen geschaffenen sozialen Praxis, die den Phantasievollen vom Phantasten unterscheidet. Die Erweiterung des inferentiellen Raums der Gründe über das von Habermas und Brandom bevorzugte Reich der Vernunft und des konsensorientierten Diskurses hinaus geschieht dabei freilich aus der Einsicht heraus, dass nichts in der von Menschen geschaffenen Wirklichkeit ist, was nicht zuvor in der Phantasie war. Der fi ktionale Charakter des Phantastischen ist also nicht länger ein Einwand gegen seinen Realitätsgehalt, er ist häufig genug dessen Voraussetzung.14 (2) Gerade der Roman ist nun für das Projekt einer literarischen Legitimation von Wissensansprüchen ein hervorragendes Beispiel – vor allem dafür, dass für literarisches Wissen die sprachliche Form ebenso bestimmend ist wie seine Gehalte oder die diese Gehalte erzeugende Phantasie. In dem Bewusstsein darum, dass auch die sprachliche Form ein Medium der Rechtfertigung von Wissensansprüchen sein kann, gleicht der Roman den spekulativsten philosophischen Systementwürfen von Platon über Spinoza bis Hegel. Doch während diese noch darauf vertrauen, dass ihre Form durch die Wahrheit der in ihr ausgedrückten Gehalte gerechtfertigt ist, entgeht ihnen, was uns Heutigen, denen sie längst zur Begriff sdichtung geworden sind, so sehr ins Auge springt, dies nämlich, wie sehr sie der Phantasie entsprungen, wie sehr sie auf sie angewiesen sind. Dem Roman aber entgeht genau dies an keiner Stelle. Bereits seinem Gebrauch der Sprache, dem Erzählen ist dieses Wissen eingeschrieben. Das führt eindrücklich die rhetorische Geste der Selbstdistanzierung, mit der die Gattung des Romans bereits bei Cervantes und Lawrence Sterne das Licht der Welt erblickt, vor Augen. Don Quixotte, Tristram Shandy stehen an spekulativer Kraft der Wissenschaft der Logik in nichts nach, doch ist ihnen das Wissen um ihre Ursprünge in der sprachlichen Einbildungskraft eingeschrieben. Ebd., 204. Ebd., 190. 13 Ebd. 14 Die soziale, realitätsverändernde Kraft dieser Entdeckung beschreiben nicht ohne Emphase die ersten Seiten von Kontingenz, Ironie und Solidarität am Beispiel des Auf bruchs Europas in der Zeit um 1789. 11
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Wenn wir heute nun das tun, was Rorty empfiehlt, nämlich die Wissenschaft der Logik und Tristram Shandy, Don Quixotte und die Kritik der reinen Vernunft nebeneinander zu lesen, also die Grenze zwischen Philosophie und Poesie aufzuheben – aus epistemischen Gründen aufzuheben, so deshalb, weil es auf die Wahrheit der Gehalte im einen wie im anderen Fall gar nicht ankommt. Und dass es darauf nicht ankommt, sieht man einfach daran, dass, sowenig wie einer heute schreiben kann wie Cervantes oder Sterne geschrieben haben, man heute Kantianer oder Hegelianer sein kann. Wenn wir diese Autoren aber dennoch lesen und als Klassiker verehren, so deshalb, weil es uns heute bei Kant und Hegel so wenig wie bei Cervantes und Sterne um isolierte, aus den Kontexten, in denen sie erscheinen, abstrahierbare und gar noch falsifi zierbare Gehalte geht. Wenn wir die genannten Werke heute noch lesen, so nicht um ihrer Wahrheit, sondern um ihrer Darstellungsformen willen. Denn auf sie, auf die Hegel’sche Dialektik, die Kantische Transzendentale Deduktion, den Humor des Cervantes oder die Selbstironie Tristram Shandys können wir uns immer noch verpfl ichten, wenn wir unsere die Welt im Ganzen betreffenden Überzeugungen rechtfertigen, ich sollte sagen: erzählerisch, durch die Form des Erzählens rechfertigen wollen. Warum, mag man sich dennoch fragen, ist gerade die Form in epistemischer Hinsicht so entscheidend? Einfach deshalb, weil wir, wenn wir uns dazu entscheiden, so oder so zu handeln, uns das Geschehen, das uns zum Handeln veranlasst, in Form einer, sei es berichtenden, sei es beschreibenden Erzählung vergegenwärtigen – so, dass diese Erzählung, die wir uns oder anderen geben, dann der Grund dafür ist, dass wir so oder so handeln. Einen anderen Grund für ein anderes Handeln gibt man dann, indem man eine andere Erzählung formuliert. – Das erweckt den Schein der Beliebigkeit. Doch genau der wird sogleich zerstört, wenn man sich klarmacht, dass Erzählungen erst dann Gründe des Erkennens und Handelns abgeben, wenn es jemanden gibt, der sich auf sie verpfl ichtet, zum Beispiel, indem er ihnen entsprechende Überzeugungen ausbildet. Die Notwendigkeit, Erkennen in Handeln zu verwandeln und sich dabei des Erzählens zu bedienen, setzt der Beliebigkeit des Erkennens wie des Erzählens enge Grenzen. Die Form der Darstellung, gerade die offene, prinzipiell auf Ergänzung hin angelegte Form des Erzählens im Roman ist dabei auch deshalb so wichtig, weil es, sowenig wie es für uns in Kontexten des Wissens eine uninterpretierte Wirklichkeit gibt, für uns eine ungeformte Materialität der Gründe gibt – auch die reine, in der Idee des höchsten Zweckes geschlossene Vernunft hat Form und Gestalt. Dass sie indes nur eine einzige Gestalt hat, gar eine philosophisch darstellbare, gar eine, die sich nur in der Prosa des wissenschaftlichen Geistes ausdrückt, darauf allerdings gibt es, nicht nur für Rorty, kaum einen Hinweis.
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IV. Diese zu keinerlei Skeptizismus veranlassende, sondern eben konstitutive Bedeutung der sprachlichen Form für die Gründe des Wissens verdankt sich dabei zu einem Gutteil dem, was Rorty Information nennt, ich aber, schon um hier einen Ausblick auf Frege (und natürlich: Heidegger) zu erlauben, Sinn nennen möchte. Unter Sinn sei hier und im Folgenden die Dimension der Sprache verstanden, in der wir die Art des Zugriff s auf Gegenstände, die Art der Darstellung von Sachverhalten vor anderen rechtfertigen. – Um es so prägnant wie möglich auszudrücken: Während Organismen und Thermostaten die Fähigkeit gemeinsam ist, auf die Veränderung ihrer Umweltreize unterscheidend zu reagieren, können nur tierische oder menschliche Organismen diese Veränderung der Umweltreize in sich repräsentieren, sie also im Wortsinne er-innern und aus diesen Erinnerungen die Zukunft ihrer Umwelt betreffende Erwartungen ableiten – oder, im äußersten Falle, gar dem Sein einen durchaus Heidegger’schen und als Zeit namhaft zu machenden Sinn verleihen. Doch ist das, was so entsteht, recht eigentlich noch kein Sinn (im vollen Wortsinne), sondern allererst Bedeutung. Denn Bedeutung meint nicht mehr, als dass Objekte oder Ereignisse für einen Organismus mehr als nur Objekte oder Ereignisse, nämlich bedeutende Objekte oder Ereignisse sind, einfach dadurch, dass sie nur zusammen mit den an sie gekoppelten Erinnerungen oder Erwartungen erfasst werden – und andernfalls (für die sie erfassenden Organismen) als Objekte oder Ereignisse sofort wieder im Nichts verschwänden. Sinn tritt nun aber erst da auf, wo die ersten Hominiden anfangen, ihren Umgang mit Objekten oder Ereignissen voreinander – und natürlich auch vor sich selbst – zu rechtfertigen, also Bedeutungen als Gründe zu gebrauchen. Objekte oder Ereignisse werden dann zusammen mit den an sie gekoppelten Erinnerungen und Erwartungen als Gründe des Urteilens und Handelns genommen; sie dienen dann dazu, Überzeugungen gegeneinander abzuwägen. – Das aber heißt: Ohne einen Vergleich (etwa bezüglich der Implikationen) verschiedener Überzeugungen wäre dieses Gegeneinander-Abwägen gar nicht möglich. Eben deshalb muss es einen gemeinsamen, von anderen geteilten Objekt- oder Ereignisbereich geben, wenn man so will: ein gemeinsames soziales Sprachspiel, bei dem (man denke an das Schachspiel) mit Objekten oder Ereignissen nicht nur (zum Teil als Regeln normierte) Erinnerungen und Erwartungen, sondern auch Spielstände verbunden sind. Diese aus der Applikation von Erinnerungen und Erwartungen (im Falle des Spiels vor allem: der Regeln) auf Objekte oder Ereignisse hervorgegangene zusätzliche Dimension der einzelnen Objekte oder Ereignisse im Gesamtzusammenhang – eben die Bedeutung der Bedeutung – ist der Sinn. Wann immer Sprache als Sprache verwendet wird, wann immer Sprache nicht einfach gebraucht, sondern ihr Gebrauch gezeigt, vorgezeigt wird – und eben das geschieht im Falle der Literatur, tritt an der Sprache die Dimension des Sinns hervor. Der Sinn ist also die Dimension der Sprache, die deutlich macht, dass wir uns mit Sprache nicht nur einfach auf Gegenstände beziehen, sondern dies im Rahmen
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eines Überzeugungs- und Darstellungssystems tun, das in der Sprache als Sinn objektiv wird. Dadurch aber, dass Sinn objektiv wird, kann er auch zum Objekt, zum Gegenstand – etwa des Nachdenkens werden. Ist er aber erst einmal zum Objekt, zum Gegenstand geworden, kann er auch verhandelt und verändert werden. Eben das geschieht in der Literatur! Und hier kann es nun mit einem Mal unabhängig von den eingangs erwähnten Mythen, in Unabhängigkeit vor allem von dem Mythos der Wahrheit geschehen. Auf Wahrheit kann Literatur getrost verzichten. Denn sie vermag ja Überzeugungen einfach im Medium des sprachlichen Sinns zu verhandeln und die Bedingungen der Gegenstände, mit denen sie es zu tun hat, die Bedingungen von Liebe, Gerechtigkeit, Freiheit, aber auch dieser bestimmten Art des Stolzes und jener besonderen Art des In-der-Welt-Seins allein unter der Voraussetzung ihres Sinns zu betrachten. Denn während man, um auf Reize zu reagieren, kein Organismus, um Bedeutungen auszubilden kein Mensch sein muss, kann man Überzeugungen nur im Bereich des Sinns rechtfertigen – ja überhaupt haben. Mit anderen Worten: Wir wüssten überhaupt nicht, was es heißt, Gründe zu haben, gäbe es an der Sprache keinen Sinn. Denn der Sinn gibt die Art des Gegebenseins der Gegenstände an, er legt fest, wie, auf welchem Wege wir durch die Sprache zu welchen Gegenständen gelangen und welche Veränderungen sich für unser Netz aus Überzeugungen ergeben, wenn wir diesen oder jenen Weg beschreiten. Nur ist das, was der Sinn ist, nicht gegeben, schon gar nicht a priori und schon gar nicht als die eine Vernunft, sondern muss immer wieder neu geschaffen und erschlossen werden. Das aber heißt: Sinn ist an Erfahrung gebunden, vor allem an sprachliche Erfahrung – offenbar aber nicht an eine bestimmte, sagen wir: buchstäbliche, sagen wir prosaische Erfahrung der Sprache. Und es ist genaue diese Stelle, an der dann das poetische Experiment zu seinem Recht gelangt! V. Wenn all das so ist, dann sind natürlich die literarischen Künste kein beliebiges und schon gar kein in epistemischer Hinsicht zu vernachlässigendes Medium. Denn während die Philosophie sich allein dafür interessiert, wie unsere Überzeugungen vom wirklichen So-Sein der Dinge bestimmt werden, weiß die Literatur, weiß, um ein Beispiel zu geben, der Roman darum, dass Überzeugungen mehr noch als vom wirklichen So-Sein der Dinge von sprachlichem Sinn und sprachlicher Bedeutung bestimmt werden – dass dadurch aber gerade nicht der Beliebigkeit, gar der Willkür des Subjekts Tür und Tor geöff net wird. Denn auf sprachlichen Sinn, gerade auch den der Literatur muss man sich verpfl ichten können. Das aber geschieht nur, wenn es eine Praxis gibt, in der er sich bewährt, zum Beispiel die Praxis der Überlieferung. Sprachkunstwerke, Romane zum Beispiel, müssen sich durch die Schlüsse, die sie insinuieren und die ihre Leser aus ihnen ableiten, bewähren. Und sobald ein Autor zum Klassiker und sein Werk kanonisch geworden ist, ist genau das geschehen.
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Gerade der Roman, gerade der Roman von Nabokov, Orwell, Kundera, das scheint mir Rortys Argument zu sein, verdankt dabei den ihm eigenen Anspruch auf Objektivität seiner eigentümlich luziden, selbst-bewussten Subjektivität. Er weiß um die Subjektivität, auch um die Kontingenz seines sprachlichen Weltzugangs und des in ihm offenbar werdenden Sinns; genau deshalb ist er so objektiv. Nicht dadurch, dass er beständig Wahrheiten ausplauderte, zeichnet er sich aus, sondern dadurch, dass seine epistemische Haltung der Wirklichkeit gegenüber in Zeiten, in denen die Wahrheit dem Wissen kein Maß mehr vorzugeben vermag, eine so angemessene ist. Nichts also liegt ihm mehr an der Wahrheit seines Inhalts, alles indes an der Welt und Sinn erschließenden Kraft der Haltung, die er dieser Welt gegenüber einnimmt und für die er wirbt, als Roman, als Kunstwerk, und von deren Angemessenheit er seine Leser zu überzeugen versucht. Dass wir, die Leser, uns tatsächlich überzeugen lassen, dass wir Weisen, in denen etwas als etwas genommen werden kann – mit einem Wort: Haltungen, auch Haltungen, die das Ganze des Seins betreffen – auch wirklich als Gründe unseres Urteilens gebrauchen, dafür ist gerade die Gattung des Romans ein gutes Beispiel. Denn wer wollte bezweifeln, dass am Ableben der Metaphysik, sagen wir Cervantes, Dickens, Joyce nicht mindestens den gleichen Anteil hatten wie Kant, Nietzsche und Wittgenstein? Als erzählerische Großform ist der Roman dabei einem pragmatistischen Credo verpfl ichtet – dem, dass wir nicht allein durch Überzeugungen, sondern eben so sehr durch unsere Wünsche und Bedürfnisse an die Welt gebunden sind, dass also das eine ohne das andere nicht zu haben ist. Dadurch bricht der Roman wie auch der Pragmatismus mit der noch »von den analytischen Philosophen der Gegenwart vertretene[n] Vorstellung, es gebe – unabhängig von den Bedürfnissen und Interessen des Menschen – tatsächlich ein Sosein der Natur an sich«.15 Wenn aber die Subjektivität der Wünsche wie der sprachlichen Darstellungen nicht länger als Limitierung, sondern als Möglichkeitsbedingung dessen gilt, was Rorty das »Sosein der Natur an sich« nennt, dann scheint das Gebot der Stunde nicht die Suche nach einer hinter der Natur der Dinge liegenden, sondern nach einer in den konkreten Dingen, im Einzelnen, im Detail verborgenen Wirklichkeit zu sein. Nicht Kant, Hegel, Heidegger, die das Seiende einkapseln und zusammenfassen, um so durch Abstraktion Verwesentlichung zu schaffen, sondern Konkretion durch Partikularisierung, das Erfassen immer wieder neuer Erscheinungen, mit anderen Worten: nicht Fundamentalphilosophie, sondern die poetische Erkenntnis der wirklichen Welt scheint dann das Gebot der Stunde zu sein. Das klingt freilich so, als würde hier einmal mehr das Besondere gegen das Allgemeine ausgespielt. Doch das klingt nur so. Der Vergleich von Philosophie und Poesie, Metaphysik oder Fundamentalontologie einerseits und Roman andererseits geschieht hier ja aus einem Erkenntnisinteresse heraus, einem Interesse, das Poesie und Philosophie teilen; es ist das Interesse an einem Allgemeinen, das nur eben – 15
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wie im griechischen Ideal der Theoria – nicht ohne das Besondere, ohne das Detail, ohne, mit Rorty zu sprechen: Kontingenz zu haben ist, sondern vielmehr nur am Besonderen, am Detail, am kontingenten Einzelnen zur Erscheinung gelangt. Der literarische Epistemologe Richard Rorty, der Literatur als Medium der Erkenntnis verstanden wissen wollte, fordert uns, die wir uns als Philosophen, Philologen, Kulturwissenschaftler verstehen, dazu auf, endlich ernst zu machen mit der Kantischen Idee der reflektierenden Urteilskraft, der das Allgemeine eben gerade nicht, wie in unseren Disziplinen so häufig, ein Vorgegebenes ist – ein so Vorgegebenes, dass das Besondere, Einzelne, Kontingente darunter dann nur subsumiert zu werden braucht. Nein, der Kantische, im Begriff der reflektierenden Urteilskraft gedachte und von Rorty so sehr beanspruchte Gedanke besagt dagegen, das Allgemeine sei erst über dieses Besondere, Einzelne, Kontingente zu erschließen: Je präziser der Blick fürs Detail, desto größer die Höhe, von der auf dieses Detail hinabgeschaut werden kann. Wenn dieses Allgemeine nicht, wie die Philosophie glaubte, im Begriff aufgeht, sondern überhaupt nur in der Erfahrung zu haben ist, kann man es nicht ein für alle Mal, sondern muss es immer wieder aufs Neue erschließen, durch jedes neu sich darbietende Detail hindurch. Der Roman war Rorty deshalb und, ich glaube, er könnte deshalb auch uns ein Bild, nicht mehr und nicht weniger, aber doch ein Bild sein für diesen immer wieder aufs Neue zu leistenden Schluss auf das Allgemeine.
Pr agmatismus und Romantik Zu Richard Rortys antifundamentalistischer Geschichte des Fortschritts Ulf Schulenberg Die Renaissance des Pragmatismus, für die Richard Rorty seit den späten 1970er und frühen 1980er Jahren den Boden bereitete, hat in den theoretischen Diskussionen der letzten drei Jahrzehnte eine gewichtige Rolle gespielt.1 Für ein Verständnis dieser erneuten Aktualität des Pragmatismus, oder für eine gedankliche Annäherung an die Komplexität des Pragmatic Turn (so der Titel der aktuellen Studie des amerikanischen Philosophen Richard J. Bernstein), erscheint es unabdingbar, sich die Bedeutung der Romantik für die Entwicklung dieser amerikanischen Philosophie klar zu machen. Bedauerlicherweise wurde das Verhältnis von Romantik und Pragmatismus in den bisherigen Diskussionen der zeitgenössischen Bedeutung des Pragmatismus größtenteils vernachlässigt.2 So böte es sich an, die Bedeutung der Traditionslinie zu erhellen, die Percy B. Shelleys Manifest A Defence of Poetry (1821) und seine Bestimmung der zentralen Rolle des Dichters mit Rortys Szenario einer post-metaphysischen und literarischen bzw. poetisierten Kultur verbindet. Auch könnte man sich die Aufgabe stellen, zu verdeutlichen, welchen Einfluss die englischen und amerikanischen Romantiker auf den literarischen Pragmatismus eines William James hatten. In den bisherigen Diskussionen der Renaissance des Pragmatismus waren nicht die Einflüsse der Romantiker von Interesse, sondern andere Aspekte dieses Denkens wurden beleuchtet: sein Antifundamentalismus und Antiessentialismus, sein Hegel’scher Historismus und Darwin’scher Naturalismus, sein Nietzsche’anischer und Proust’scher Perspektivismus, sein Freud’sches Verständnis des Subjekts, sein Wittgenstein’scher und Davidson’scher Nominalismus sowie sein Kuhn’sches Wissenschaftsverständnis. All diese Charakteristika fi nden sich in Rortys Version des Pragmatismus wieder. Man gewinnt oftmals den Eindruck, als bewegten sich Diskussionen der Bedeutung des (Neo)Pragmatismus zwischen zwei Extremen. Auf der einen Seite eine 1 Zur Renaissance des Pragmatismus siehe The Revival of Pragmatism. New Essays on Social Thought, Law, and Culture, hg. von Morris Dickstein, Durham 1998 und Die Renaissance des Pragmatismus. Aktuelle Verfl echtungen zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie, hg. von Mike Sandbothe, Weilerswist 2000. 2 Zur Diskussion des Verhältnisses von Pragmatismus und Romantik siehe Nancy Fraser: Solidarity or Singularity? Richard Rorty between Romanticism and Technocracy, in: Reading Rorty. Critical Responses to ›Philosophy and the Mirror of Nature‹ (and Beyond), hg. von Alan Malachowski, Oxford 1990, 303–321, Russell B. Goodman: American Philosophy and the Romantic Tradition, New York 1990 und Kathleen M. Wheeler: Romanticism, Pragmatism and Deconstruction, Cambridge/Mass. 1993.
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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etwas anämisch wirkende sozialdemokratische Version des Pragmatismus, die auf ›Social Engineering‹ abzielt und auf John Dewey zurückgeht. Auf der anderen Seite eine ästhetisierte Lesart des Pragmatismus, die von Proust’schen Ästheten dominiert wird, die sich am Klang des Wortes ›Guermantes‹ erfreuen und die sich von der Kontingenz der ›mémoire involontaire‹ fasziniert zeigen. Unzweifelhaft sind dies Karikaturen, die jedoch eine gewisse Wirkmächtigkeit besitzen. Wie in zahlreichen Arbeiten gezeigt wurde, hat Rortys idiosynkratische Interpretation der Tradition des Pragmatismus zu teilweise vehementen Reaktionen seiner Gegner geführt.3 Es gab in den USA aber auch Versuche, den Pragmatismus als bedeutenden Teil einer Tradition linker Kulturkritik zu deuten und ihn damit dem Zugriff des Liberalismus zu entwinden. So hat der afro-amerikanische Philosoph und Kulturtheoretiker Cornel West in The American Evasion of Philosophy. A Genealogy of Pragmatism (1989) und anderen Texten aus den 1980er Jahren versucht, den Pragmatismus zu radikalisieren und ihn gleichzeitig als konsequente Weiterführung des Optimismus und der Zukunftsgläubigkeit von Ralph Waldo Emerson und Walt Whitman zu deuten. Eddie Glaudes Texte, vor allem In a Shade of Blue. Pragmatism and the Politics of Black America (2007), setzen diese Tradition fort.4 Wie nachfolgend verdeutlicht werden soll, ist eine Klärung des Verhältnisses von Romantik und Pragmatismus wichtig, wenn man die viel diskutierte ›Renaissance des Pragmatismus‹ verstehen will. Rorty ist der Denker, in dessen Texten sich das Zusammentreffen von Romantik und Pragmatismus am produktivsten gestaltet. Seine Auseinandersetzung mit der Romantik verlief über einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren – von Nineteenth-Century Idealism and Twentieth-Century Textualism (1981) bis Grandeur, Profundity, and Finitude und Pragmatism and Romanticism (beide im letzten Band seiner Philosophical Papers, der im Jahre 2007 erschienen ist). Dieser Aufsatz besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil suche ich zu erhellen, inwiefern Rortys Pragmatismus sich als Teil einer antifundamentalistischen Geschichte des Fortschritts lesen lässt und warum eine solche Deutung dazu führt, die zentrale Bedeutung der romantischen Dichter hervorzuheben. Rortys Strategie des Endlich-Machens, d. h. sein Versuch, die Welt zu entgöttern, führt zu seiner idiosynkratischen Version eines romantischen Pragmatismus, der als Humanismus Einen Überblick über die Entwicklung des Rorty’schen Denkens und die Reaktionen seiner Kritiker gibt Christopher J. Voparil: General Introduction, in: The Rorty Reader, hg. von Christopher J. Voparil und Richard J. Bernstein, Oxford 2010, 1–52. In diesem Zusammenhang siehe auch Rorty and His Critics, hg. von Robert B. Brandom, Oxford 2000, Richard Rorty, hg. von Charles Guignon und David R. Hiley, Cambridge 2003 und Hinter den Spiegeln. Beiträge zur Philosophie Richard Rortys, hg. von Thomas Schäfer u. a., Frankfurt/M. 2001. 4 Cornel West: The American Evasion of Philosophy. A Genealogy of Pragmatism, Madison 1989, Eddie S. Glaude, Jr.: In a Shade of Blue. Pragmatism and the Politics of Black America, Chicago 2007. Zur Frage von Pragmatismus und ›race‹ siehe auch Ross Posnock: Color & Culture. Black Writers and the Making of the Modern Intellectual, Cambridge 1998, Pragmatism and the Problem of Race, hg. von Bill E. Lawson und Donald F. Koch, Bloomington 2004 sowie Pragmatism, Nation, and Race: Community in the Age of Empire, hg. von Chad Kautzer und Eduardo Mendieta, Bloomington 2009. 3
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verstanden werden sollte. Der zweite Teil setzt sich direkt mit Rortys Verständnis der Romantik auseinander. Es soll gezeigt werden, dass Rorty die Romantik als wichtige Phase einer Entwicklung betrachtet, die im Pragmatismus kulminiert. Rorty zufolge geht der Pragmatismus weiter als die Romantik in dem Versuch, eine post-metaphysische bzw. genuin nominalistische und historistische Kultur ins Leben zu rufen. Er benutzt den zuvor erwähnten Begriff einer literarischen bzw. poetisierten Kultur zur Kennzeichnung dieser neuen Art von Kultur.5 Um Rortys Kritik an der Romantik zu verdeutlichen, die sich um die Begriffe Tiefe, Tiefgründigkeit, das Unaussprechliche und das Unendliche zentriert, werde ich kurz auf das Buch The Roots of Romanticism (1999) des Ideen- und Kulturhistorikers Isaiah Berlin eingehen. Der abschließende dritte Teil diese Aufsatzes diskutiert die Rolle der Romantik für eine Rorty’sche literarische Kultur und setzt sich außerdem das Ziel, die Parallelen herauszuarbeiten, die sich zwischen dem romantischen Dichter und der Figur, die Rorty als »liberale Ironikerin« bezeichnet, fi nden lassen. Neben der Vorstellung, es gelte, die Notwendigkeit und Möglichkeit einer antifundamentalistischen Geschichte des Fortschritts zu akzentuieren, ist die Idee einer post-metaphysischen literarischen Kultur, in der die kreative und innovative Tätigkeit des »starken Dichters« (Harold Bloom) eine volle Würdigung erfährt, einer der wichtigsten Bestandteile des Rorty’schen Vermächtnisses. In Pragmatism and Romanticism charakterisiert Rorty Pragmatismus und Romantik in pointierter Form: »[A]t the heart of pragmatism is the refusal to accept the correspondence theory of truth and the idea that true beliefs are accurate representations of reality. At the heart of Romanticism is the thesis of the priority of imagination over reason – the claim that reason can only follow paths that the imagination has broken.« 6 Für Rorty, der sich spätestens seit Philosophy and the Mirror of Nature (1979) eher dem Dichter als dem analytischen Philosophen oder dem Naturwissenschaftler verbunden fühlte, ist der Versuch, die gegenwärtigen Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft zu erweitern, ein wesentliches Charakteristikum einer literarischen Kultur. Folgende Charakteristika der Romantik sind nach Rortys Ansicht wichtig für ein Verständnis der Entstehung und der Entwicklung der Moderne: die Priorität der Phantasie gegenüber der Vernunft (diese Priorität wurde von den Pragmatisten später als Kritik an der Korrespondenztheorie der Wahrheit und mithin als erster wesentlicher Schritt in Richtung Antirepräsentationalismus gedeutet); die Idee des radikal Neuartigen; die Idee eines dichterischen Genius sowie die Auff assung von der Kontingenz unserer abschließenden Vokabulare. Für eine ausführliche Diskussion des Rorty’schen Begriffes einer literarischen bzw. poetisierten Kultur siehe Vf.: ›Strangle the singers who will not sing you loud and strong‹. Emerson, Whitman, and the Idea of a Literary Culture, in: Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik 31.1 (2006), 39–61 und Vf.: From Redescription to Writing. Rorty, Barthes, and the Idea of a Literary Culture, in: New Literary History 38 (2007), 371–385. 6 Richard Rorty: Philosophy as Cultural Politics. Philosophical Papers, Vol. IV, Cambridge/New York 2007, 105–119, hier: 105. 5
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Rortys pragmatistische Interpretation der Romantik sucht diese für eine antifundamentalistische Geschichte des Fortschritts nutzbar zu machen, indem sie sie gleichsam entromantisiert bzw. entmystifi ziert. Dieser Versuch der Entromantisierung führt unweigerlich zu Verkürzungen und Fehldeutungen. Am Ende des dritten Teils werde ich meine Kritik an Rortys Ansatz skizzieren. Diese konzentriert sich auf seine Überhöhung der Phantasie und der Möglichkeit idiosynkratischer privater Selbsterschaff ung auf der einen Seite sowie seine Entpolitisierung romantischer Dichtung auf der anderen. Diese Kritik kann nicht mehr leisten, als nochmals Rortys strenge Trennung zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen zu hinterfragen. Mein Anliegen ist nicht primär eine Kritik Rortys, vielmehr sollen Rortys antifundamentalistische Geschichte des Fortschritts und die Rolle der Romantik in ihr mit dem Ziel nachgezeichnet werden, die Möglichkeit neuer Sichtweisen zu konturieren, die diese bietet. Die radikalen Neubeschreibungen dieses Antifundamentalisten und historistischen Nominalisten gaben nie vor, eine ›wahre‹ Geschichte zu erzählen. Ihr wesentliches Anliegen war, das Gespräch im Gadamer’schen Sinne fortzuführen und dabei neue Weisen des Sprechens vorzuschlagen. Eine antifundamentalistische Geschichte des Fortschritts Von Philosophy and the Mirror of Nature bis zu den kurz vor seinem Tode veröffentlichten Aufsätzen hat Rorty immer wieder hervorgehoben, dass sein radikal antifundamentalistischer und antiessentialistischer Gestus letzten Endes als bestimmte Aufforderung zu verstehen sei, den Pragmatismus als Humanismus zu denken. Der Mensch würde in seiner Entwicklung einen riesigen Schritt tun, so er sich in der Lage zeigte zu erkennen, dass alles Transzendentale und Metaphysische, auf das sein Begehren sich richtet und wonach er strebt, menschengemacht ist. Fortschritt kann erst dann erfolgen, wenn man die platonische Welt der Ideen verlässt, sich von der Idee eines transzendentalen Guten abwendet und die Möglichkeit einer korrekten Darstellung des inneren Wesens der Wirklichkeit und des Menschen radikal in Frage stellt. Anstatt die Anforderungen traditioneller Moralphilosophie und Erkenntnistheorie ungefragt zu akzeptieren, sollte der Mensch verstehen, dass seine einzige Art der Verantwortung die seinen Mitmenschen gegenüber in der Welt der (Lebens)Praxis ist. Dass die Akzeptanz des Pragmatismus als Humanismus eine Absage an Repräsentationalismus und Realismus impliziert, wird von Rorty nachfolgend betont: I think that F.C.S. Schiller was on the right track when he said that ›Pragmatism […] is in reality only the application of Humanism to the theory of knowledge‹. I take Schiller’s point to be that the humanists’ claim that human beings have responsibilities only to one another entails giving up both representationalism and realism.7 7
Rorty: Cultural Politics (Anm. 6), 133–146, hier: 134.
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Wie denkt der Pragmatist Rorty moralischen, geistigen und philosophischen Fortschritt? Der amerikanische Pragmatismus, von William James und John Dewey bis zu zeitgenössischen Neopragmatisten, war gegenüber traditioneller Moralphilosophie immer äußerst kritisch eingestellt. In Rortys Schriften wird dieser kritische Vorbehalt besonders deutlich. Ausgehend von seinem Antiplatonismus, argumentiert er, dass man moralischen Fortschritt nicht als eine Geschichte von Entdeckungen oder des Auffi ndens sehen sollte, sondern vielmehr als eine der Erschaff ung und des Machens. Rorty sieht moralischen Fortschritt als eine Geschichte poetischer Errungenschaften, die die Bedeutung der kreativen Einbildungskraft betont, anstatt zu fordern, man möge sein Bestreben darauf richten, sich stets in Richtung des (zeitlos) Guten und Richtigen zu entwickeln. Weiterhin denkt Rorty, dass moralischer Fortschritt auch eine Frage der höher entwickelten Sensibilität gegenüber dem Leid anderer sei. Er behauptet, dass eine platonische und kantische Moralphilosophie, die Notwendigkeit der Unterordnung unter das moralische Gesetz einfordernd, nunmehr als überholt und irrelevant anzusehen sei. In The Priority of Democracy to Philosophy, einem seiner wichtigsten Aufsätze, fasst Rorty sein Verständnis des moralischen Fortschritts wie folgt zusammen: If we are inclined to philosophize, we shall want the vocabulary offered by Dewey, Heidegger, Davidson, and Derrida, with its built-in cautions against metaphysics, rather than that offered by Descartes, Hume, and Kant. For if we use the former vocabulary, we shall be able to see moral progress as a history of making rather than fi nding, of poetic achievement by ›radically situated‹ individuals and communities, rather than as the gradual unveiling, through the use of ›reason‹, of ›principles‹ or ›rights‹ or ›values‹.8
In einer Rorty’schen post-philosophischen oder poetisierten Kultur führt die Erkenntnis, dass es kein moralisches Gesetz gibt und dass moralische Prinzipien nur die Funktion menschengemachter und vorübergehend nützlicher Werkzeuge haben können, zur Insistenz auf der Bedeutung der folgenden Position: es ist unsere wesentliche Aufgabe, verschiedene Vokabulare und Kulturen zu vergleichen und dadurch neue und bessere (effektivere) Weisen des Sprechens und Handelns zu entwickeln. Die Frage der Moral ist für Rorty keine Frage der Angemessenheit und Übereinstimmung mit etwas zeitlos Vorgegebenem und Gesetztem, sondern vielmehr gilt es zu erkennen, dass kreative Neubeschreibungen und das Erzählen sentimentaler Geschichten die Position des Antifundamentalisten und liberalen Ironikers gut aussehen lassen, während die Position des traditionellen Moralphilosophen in einem weniger vorteilhaften Licht erscheint, da er immer noch nach der Sicherheit, Verlässlichkeit, Unveränderlichkeit, Zeitlosigkeit und Festigkeit von etwas strebt, das mehr wäre als eine weitere menschliche Erfi ndung.
Richard Rorty: The Priority of Democracy to Philosophy, in: ders.: Objectivity, Relativism, and Truth. Philosophical Papers, Vol. I, Cambridge/New York 1991, 175–196, hier: 188 f. 8
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Es dürfte daher nachvollziehbar sein, dass die Literatur für Rortys Verständnis moralischen Fortschritts eine ungemein wichtige Rolle spielt. Er geht von der Frage aus, welchen Zwecken Bücher dienen. Man mag versucht sein, darin eine drohende und abschreckende Instrumentalisierung des Ästhetischen zu sehen. Rorty jedoch differenziert zwischen Büchern, die uns Anregungen im Hinblick auf unser Projekt der privaten Selbsterschaff ung geben, und solchen Texten, die uns helfen, moralisch bessere, in unserem Verhalten anderen gegenüber weniger grausame Menschen zu werden. Es kann an dieser Stelle nicht darum gehen, Rortys Literaturverständnis, wie er es in erster Linie in Contingency, Irony, and Solidarity entwickelt, im Detail zu diskutieren. Ich möchte nur kurz zwei Beispiele anführen, die die von Rorty vorgenommene Trennung verdeutlichen. Er liest Prousts Recherche als ein Werk der privaten Selbsterschaff ung. Sich ein neues Vokabular erarbeitend, schuf Proust eine Welt kleiner, idiosynkratischer Kontingenzen, eine Welt scheinbar kleiner Dinge, so z. B. der von Marcel ersehnte Gutenachtkuss der Mutter; das Geräusch, das Swann verursacht, wenn er nächstens das Haus in Combray verlässt; die Madeleine; die Weißdornhecke; das Geräusch eines Löffels auf einem Teller; Charlus’ seltsamer und undurchdringlicher Blick; das Küchenmädchen und die Figuren Giottos sowie der Klang des Namens »Guermantes.« Im abschließenden Band der Recherche, Le Temps retrouvé, erkennt Marcel, wie er all diese Kontingenzen nutzen kann, um das Schreiben seines Romans zu beginnen. Proust, wie sein Protagonist, versucht nicht, dem Zugriff der Zeit und der Zuf älligkeit zu entfl iehen, sondern er zeigt, wie sich diese nutzen lassen, um eine private Autonomie zu erschaffen. Auch zeigt er, dass die Neubeschreibung und Neuordnung dieser kleinen Dinge eine weitaus produktivere Aufgabe darstellt, als die Suche nach der Sicherheit und Verlässlichkeit von etwas, das mehr wäre als eine weitere menschliche Erfi ndung. Demgegenüber sucht Orwell in 1984 seine Leserschaft für die Auswirkungen von Grausamkeit und Erniedrigung zu sensibilisieren. Er beschreibt O’Brien, seine Foltermethoden, seine Intelligenz und seine (ironische) Sprache, als ebenso gefährlich wie möglich. O’Briens besondere Form der Grausamkeit besteht nach Rorty darin, dass er Winston zwingt zu erkennen, wie einfach es ist, sein sorgsam gewobenes Netzwerk von Überzeugungen und Wünschen zu zerstören und ihn seiner Sprache zu berauben. Auf völlig unterschiedliche Weise lenken Schriftsteller wie der liberale Antikommunist Orwell und der kosmopolitische Ästhet Nabokov die Aufmerksamkeit ihrer Leser auf die negativen Auswirkungen, die private Idiosynkrasien auf andere haben können. In einer antifundamentalistischen und antiessentialistischen, einer genuin nominalistischen und historistischen, liberalen Kultur, so Rorty, wären die verschiedenen Vokabulare der Romane weitaus nützlicher und attraktiver als feste moralische Prinzipien. Er führt hierzu in Heidegger, Kundera, and Dickens aus: A society which took its moral vocabulary from novels rather than from ontotheological or ontico-moral treatises would not ask itself questions about human nature,
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the point of human existence, or the meaning of human life. Rather, it would ask itself what we can do so as to get along with each other, how we can arrange things so as to be comfortable with one another, how institutions can be changed so that everyone’s right to be understood has a better chance of being gratified.9
Romanautoren, die einen Beitrag leisten zu dem, was Rorty als »sentimental education«10 bezeichnet, sind ohne Zweifel näher an den starken Dichtern, den Helden einer literarischen Kultur, als an den nach Sicherheit und Zeitlosigkeit strebenden Metaphysikern und Fundamentalisten. Gleichwohl gilt es die Trennung zu erkennen, die Rorty zwischen den Dichtern und den Romanautoren einführt. Letztere dienen, wie gezeigt wurde, in erster Linie als moralisches Beispiel, d. h. ihre primäre Aufgabe ist es, ihre Leser für das Leid, den Schmerz und die Erniedrigung anderer zu sensibilisieren (Proust ist eine Ausnahme). Der starke Dichter hingegen dient als Modell privater Selbsterschaff ung und Vervollkommnung, d. h. er erschaff t sich selbst mittels eines Vokabulars, das ganz das Seine ist. Diese Selbsterschaff ung und Selbsterneuerung sollen uns idealiter dazu führen, unser Netzwerk von Überzeugungen und Wünschen auf dieselbe originelle Art zu weben. Der starke Dichter, mehr als der Romanautor, ist für Rorty die treibende Kraft des Fortschritts. Rorty verbindet die Idee des Fortschritts mit der Phantasie der Dichter und dem Erfi nden ständig neuer Metaphern. Dies berührt auch die Idee des philosophischen Fortschritts. Dem strengen Gestus der Analytiker hält Rorty die phantasievolle Neubeschreibung und Weiterentwicklung entgegen: »On the view of philosophical progress offered in this volume, philosophy makes progress not by becoming more rigorous but by becoming more imaginative. Progress in this field, as in most others, is made by a few people in each generation glimpsing a possibility that had not previously been grasped.«11 Laut Rorty benötigen wir immer neue Metaphern, und wir sollten uns der Tatsache stellen, dass die Vokabulare, mittels deren wir unsere heutigen Überzeugungen und Hoff nungen ausdrücken, irgendwann als veraltet erscheinen und durch neue ersetzt werden. Jedwede Stasis des Denkens gilt es zu vermeiden.12 Rorty, dies dürfte deutlich geworden sein, erweitert den Begriff des Bloom’schen starken Dichters. So spricht er von Galilei, Yeats und Hegel als »›poet‹ in my wide sense of the term – the sense of ›one who makes things new‹.«13 Im zweiten Kapitel 9 Richard Rorty: Heidegger, Kundera, and Dickens, in: ders.: Essays on Heidegger and Others. Philosophical Papers, Vol. II, Cambridge/New York 1991, 66–82, hier: 78. 10 Richard Rorty: Human Rights, Rationality, and Sentimentality, in: ders.: Truth and Progress. Philosophical Papers, Vol. III, Cambridge/New York 1998, 167–185, hier: 181. In diesem Zusammenhang siehe auch ders.: Redemption from Egotism. James and Proust as Spiritual Exercises, in: The Rorty Reader (Anm. 3), 389–406. 11 Rorty: Truth and Progress (Anm. 10), 8. 12 Vgl. Richard Rorty: Philosophy as Science, as Metaphor, and as Politics, in: ders.: Essays on Heidegger (Anm. 9), 9–26, hier: 19. 13 Richard Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity, Cambridge/New York 1989, 12 f.
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von Contingency, Irony, and Solidarity lenkt er die Aufmerksamkeit der Leser auf sein Anliegen, »to extend the reference of ›poet‹ beyond those who write verse, and to use it in the large, generic sense in which I am using it – so that Proust and Nabokov, Newton and Darwin, Hegel and Heidegger, also fall under the term.«14 Rorty führt seinen erweiterten Begriff des Dichters mit seiner Insistenz auf der Bedeutung neuer Metaphern zusammen, wenn er in Contingency, Irony, and Solidarity schreibt: »A sense of human history as the history of successive metaphors would let us see the poet, in the generic sense of the maker of new words, the shaper of new languages, as the vanguard of the species.«15 Auch wenn Rorty in seiner antifundamentalistischen Geschichte des Fortschritts mit einem erweiterten Begriff des (starken) Dichters operiert, gilt es die Rolle der romantischen Dichter als Verfasser von Gedichten für seine Erzählung zu würdigen. Rorty konzentriert sich in seiner Deutung der Romantik besonders auf die englische und amerikanische Romantik. Seiner Ansicht nach haben die Romantiker, und dies macht sie für die Rorty’sche Geschichte so zentral, in einer zuvor noch nicht da gewesenen Art und Weise die ungeheure Bedeutung und Kraft der Phantasie betont. In Ethics without Principles beschreibt er seine Auffassung der Bedeutung der Phantasie wie folgt: »We see imagination as the cutting edge of cultural evolution, the power which – given peace and prosperity – constantly operates so as to make the human future richer than the human past.«16 Im folgenden Teil dieses Aufsatzes werde ich Rortys These diskutieren, dass die Romantik dazu beiträgt, ein neues Verständnis des menschlichen Fortschritts zu entwickeln.
Richard Rortys Lesart der Romantik Rortys Deutung der Romantik in seinen späteren Texten beruht z. T. auf einem der wichtigsten Aufsätze in Consequences of Pragmatism, nämlich Nineteenth-Century Idealism and Twentieth-Century Textualism. Am Beginn des Teils, der die Bedeutung der Romantik für die Entwicklung diskutiert, die er in diesem Text nachzeichnet, defi niert Rorty die Romantik in pointierter Form: »Let me call ›romanticism‹ the thesis that what is most important for human life is not what propositions we believe but what vocabulary we use.«17 Indem die Romantiker auf der Bedeutung neuer Weisen des Sprechens, neuer Vokabulare oder neuer und anregender Metaphern insistierten, ließen sie Kants metaphysischen Idealismus und die Korrespondenztheorie der Wahrheit als alt und überholt erscheinen. Nineteenth-Century Ebd., 24. Ebd., 20. 16 Richard Rorty: Ethics without Principles, in: ders.: Philosophy and Social Hope, New York 1999, 72–90, hier: 87. 17 Richard Rorty: Nineteenth-Century Idealism and Twentieth-Century Textualism, in: ders.: Consequences of Pragmatism. Essays 1972–1980, Minneapolis 1982, 139–159, hier: 142. Für sein Verständnis der Romantik siehe Rorty: Cultural Politics (Anm. 6), 27–41. 14
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Idealism and Twentieth-Century Textualism ist jedoch nicht nur ein zentraler Aufsatz, weil er die Wichtigkeit der Idee des Gebrauchs neuer Vokabulare für die Romantiker unterstreicht, sondern ebenfalls hinsichtlich seiner Diskussion der Rolle Hegels. Rortys Beurteilung der Bedeutung Hegels für die Geschichte des Ursprungs und der Entwicklung der Moderne wird sich in seinen späteren Texten kaum verändern. Interessanterweise vertritt Rorty die Ansicht, dass der von der Metaphysik geprägte Idealismus nur als kurzes Zwischenspiel in der Entwicklung hin zur Romantik und damit auch zu einer pragmatistischen literarischen Kultur zu gelten habe. Rorty interessiert sich nicht für Hegels Systemdenken, sondern er konzentriert sich ausschließlich auf dessen Historismus. Dies erklärt, warum die Phänomenologie des Geistes den Mittelpunkt seiner Betrachtungen bildet. Es war der Idealist Hegel, so Rorty, der in hohem Maße zur Entwicklung einer von der Romantik beeinflussten literarischen Kultur beitrug, einer Kultur, die an die Stelle der Suche nach Wahrheit das Verlangen nach neuen Vokabularen hat treten lassen. Hegel war von großer Bedeutung für die Entwicklung einer post-metaphysischen literarischen Kultur, da er nicht nur die Erfi ndung radikal neuartiger Vokabulare begrüßte, sondern gleichzeitig deren Zeitgebundenheit und Vergänglichkeit unterstrich, d. h. er war sich bewusst, dass jede Sicherheit, die eine neue Weise des Sprechens zu geben schien, nur von zeitlich begrenzter Dauer sein konnte. Folglich hat Hegel uns auf das Erkennen der Kontingenz der Vokabulare vorbereitet, die unsere Überzeugungen und Wünsche artikulieren: »Hegel left Kant’s ideal of philosophy-as-science a shambles, but he did, as I have said, create a new literary genre, a genre which exhibited the relativity of significance to choice of vocabulary, the bewildering variety of vocabularies from which we can choose, and the intrinsic instability of each.«18 Sich auf C.P. Snows Idee der ›two cultures‹ beziehend, hebt Rorty hervor, dass Hegel alles über die literarische Kultur bereits vor ihrer eigentlichen Entstehung zu wissen schien. Hegel hat, wie niemand vor ihm, verdeutlicht, was der in einer derart radikal neuen Kultur sich bewegende Mensch zu erkennen vermag: »namely, the historical sense of the relativity of principles and vocabularies to a place and time, the romantic sense that everything can be changed by talking in new terms.«19 Rorty zufolge schrieb Hegel, entgegen seiner eigentlichen Absicht, das Programm unserer modernen literarischen Kultur. Rorty defi niert diese Kultur wie folgt: This culture stretches from Carlyle to Isiah [sic] Berlin, from Matthew Arnold to Lionel Trilling, from Heine to Sartre, from Baudelaire to Nabokov, from Dostoievsky to Doris Lessing, from Emerson to Harold Bloom. Its luxuriant complexity cannot be conveyed simply by conjoining words like ›poetry‹, ›the novel‹, and ›literary criticsm‹. This culture is a phenomenon the Enlightenment could not have anticipated.20 18 19 20
Ebd., 148. Ebd., 149. Ebd.
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In späteren Texten wird Rorty den antifundamentalistischen und antiessentialistischen Charakter dieser Kultur betonen und außerdem unterstreichen, dass ihr wesentliches Anliegen die Erschaff ung zweier verschiedener Vokabulare ist: neuer Vokabulare privater Selbsterschaff ung und Selbsttransformation sowie neuer Vokabulare, deren Aufgabe in der Bereicherung des öffentlichen Lebens und in der Stärkung des Gedankens der Solidarität zu sehen ist. In der Einleitung zu Truth and Progress fi ndet sich eine Passage, in der Rorty seine Idealvorstellung einer postmetaphysischen Kultur skizziert und in der ihre wesentlichen Charakteristika zusammengefasst sind, d. h. Pluralität der Vokabulare, Rückbindung dieser Vokabulare an die soziale Praxis, Absage an die Korrespondenztheorie der Wahrheit und damit an Repräsentationalismus und Realismus sowie Phantasie: For in such a culture we would be more sensitive to the marvelous diversity of human languages, and of the social practices associated with those languages, because we shall have ceased asking whether they ›correspond to‹ some nonhuman, eternal entity. Instead of asking, ›Are there truths out there that we shall never discover?‹ we would ask, ›Are there ways of talking and acting that we have not yet explored?‹ Instead of asking whether the intrinsic nature of reality is yet in sight (the secular counterpart of asking whether things are dis aliter visum), we should ask whether each of the various descriptions of reality employed in our various cultural activities is the best we can imagine – the best means to the ends served by those activities.21
In Nineteenth-Century Idealism and Twentieth-Century Textualism argumentiert Rorty, dass der letzte Schritt im Entstehungsprozess der literarischen oder poetisierten Kultur darin zu sehen sei, dass der Pragmatismus an die Stelle der Romantik tritt. In diesem Zusammenhang unterstreicht er besonders das Wirken von William James und Nietzsche. Ich werde auf diesen letzten Schritt im nächsten Teil meines Aufsatzes zu sprechen kommen. Die Romantik spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in Rortys Contingency, Irony, and Solidarity. Am Anfang des ersten Kapitels (»The Contingency of Language«) behauptet er, dass am Ende des 18. Jahrhunderts die idealistischen Philosophen, die französischen Revolutionäre und die romantischen Dichter auf unterschiedliche Art die Bedeutung der Neubeschreibung erkannten.22 Im selben Kapitel hebt er eine weitere wichtige Gemeinsamkeit hervor: »The German idealists, the French revolutionaries, and the Romantic poets had in common a dim sense that human beings whose language changed so that they no longer spoke of themselves as responsible to nonhuman powers would thereby become a new kind of human beings.« 23 Rorty vertritt die Ansicht, dass die Neubeschreibungen am Ende des 18. Jahrhunderts immer radikaler wurden, die europäischen sprachlichen Praktiken einer rasanten Veränderung unterworfen waren und immer mehr Menschen 21 22 23
Rorty: Truth and Progress (Anm. 10), 6. Vgl. Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (Anm. 13), 7. Ebd., 7.
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gewillt waren, die romantische Idee zu akzeptieren, dass Wahrheit gemacht und nicht gefunden wird. Diese Idee ist im Zusammenhang zu sehen mit der Auffassung, dass das Selbst nicht angemessen oder unangemessen mittels eines Vokabulars ausgedrückt wird, sondern dass es vielmehr durch den Gebrauch eines Vokabulars erst geschaffen wird. Durch die Einführung neuer Metaphern und indem sie die Vorstellung ständiger Gestaltwechsel attraktiv erscheinen ließen, begründeten die Romantiker eine neue Weise des Sprechens, die keine Verwendung mehr hatte für Begriffe und Ausdrücke wie ›Grund‹, ›Realität‹, ›Objektivität‹, ›wahres Wesen‹, ›immanente Natur‹, ›die Weise, in der die Welt ist‹, ›auf Tatsachen passen‹ und ›Korrespondenz von Sprache und Wirklichkeit‹. In Contingency, Irony, and Solidarity erklärt Rorty den Doppelcharakter, den Hegels Phänomenologie für ihn besitzt: »I think of Hegel’s Phenomenology both as the beginning of the end of the Plato-Kant tradition and as a paradigm of the ironist’s ability to exploit the possibilities of massive redescription.« 24 Dass Rorty Hegel als Begründer der literarischen Kultur liest, wird auch deutlich, wenn man sein Verständnis der dialektischen Methode betrachtet: »In this view, Hegel’s so-called dialectical method is not an argumentative procedure or a way of unifying subject and object, but simply a literary skill – skill at producing surprising gestalt switches by making smooth, rapid transitions from one terminology to another.« 25 Rorty führt seine Idee einer literarischen oder poetisierten Kultur im dritten Kapitel von Contingency, Irony, and Solidarity (»The Contingency of a Liberal Community«) ein. Im Rahmen seiner Diskussion der Neubeschreibung des amerikanischen Liberalismus führt er aus: We need a redescription of liberalism as the hope that culture as a whole can be ›poeticized‹ rather than as the Enlightenment hope that it can be ›rationalized‹ or ›scientized‹. That is, we need to substitute the hope that chances for fulfi llment of idiosyncratic fantasies will be equalized for the hope that everyone will replace ›passion‹ or fantasy with ›reason‹.26
Der Held einer solchen liberalen politischen und kulturellen Gemeinschaft würde nicht mehr der Geistliche oder der Naturwissenschaftler sein, sondern, wie gezeigt wurde, der (Bloom’sche) starke Dichter. Rorty charakterisiert eine solche postmetaphysische und poetisierte Kultur wie folgt: A poeticized culture would be one which would not insist we fi nd the real wall behind the painted ones, the real touchstones of truth as opposed to touchstones which are merely cultural artifacts. It would be a culture which, precisely by appreciating that all touchstones are such artifacts, would take as its goal the creation of ever more various and multicolored artifacts.27 24 25 26 27
Ebd., 78. Ebd. Ebd., 53. Ebd., 53 f.
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Diese Beschreibung einer literarischen bzw. poetisierten Kultur macht deutlich, dass Rortys primäres Anliegen zum einen die elegante Verknüpfung von Antifundamentalismus, Historismus, Nominalismus und Pluralität ist und zum anderen die Möglichkeit der Verwirklichung idiosynkratischer Phantasien in der privaten Sphäre. Wie im nächsten Teil dieses Aufsatzes gezeigt werden soll, ist er wenig geneigt, das Verlangen der Romantiker nach einem radikalen politischen Wandel hervorzuheben. Diese Weigerung fi ndet sich getragen von der Ansicht, dass die amerikanische liberale Demokratie, trotz ihrer offensichtlichen Schwächen, das beste politische System ist, das sich denken lässt. Es ist unnötig, die Idee eines radikalen politischen Wandels Eingang ins Bewusstsein seiner Landsleute fi nden zu lassen. Was für diese nützlich ist, ist vielmehr die Idee kleinschrittiger Reformen und kreativer, zeitlich begrenzter Initiativen. Rorty geht sogar noch weiter, indem er argumentiert, dass selbst die Idee einer begriffl ichen Revolution von den Mitgliedern einer liberalen Gemeinschaft verabschiedet werden kann.28 Rortys Versuch, die Romantik zu entmystifi zieren bzw. zu entromantisieren, sollte als Teil seines pragmatistischen Unterfangens betrachtet werden, die Welt zu entgöttern und das Selbst als mündig erscheinen zu lassen. Seine Deutung der Romantik ist, mit anderen Worten, ein zentraler Teil seines Versuches, den Prozess der Säkularisierung voranzutreiben. In der Rorty’schen Erzählung erscheinen die Romantiker als Helden, die die Entwicklung der Moderne entscheidend geprägt haben, die aber gleichzeitig noch der Metaphysik verpfl ichtet blieben. Rorty entwickelt seine Kritik an der Romantik in zwei seiner letzten Aufsätze: Grandeur, Profundity, and Finitude und Pragmatism and Romanticism. Der letztgenannte Aufsatz ist von besonderer Bedeutung für Rortys Begriff der Phantasie. Es wurde bereits gezeigt, wie wichtig die romantische Idee der Priorität der Phantasie gegenüber der Vernunft für Rortys antifundamentalistische Geschichte des Fortschritts ist. In Pragmatism and Romanticism führt er zum Gegensatz zwischen der literarischen und der naturwissenschaftlichen Kultur aus: At the heart of both philosophy’s ancient quarrel with poetry and the more recent quarrel between the scientific and the literary cultures is the fear of both philosophers and scientists that the imagination may indeed go all the way down. This fear is entirely justified, for the imagination is the source of language, and thought is impossible without language.29
Im selben Aufsatz formuliert Rorty noch deutlicher: »No imagination, no language. No linguistic change, no moral or intellectual progress. Rationality is a matter of making allowed moves within language games. Imagination creates the games that reason proceeds to play.« 30 Dies bedeutet, dass die Phantasie und die mit ihr einhergehende Kreativität allem zugrunde liegen. 28 29 30
Vgl. ebd., 63. Rorty: Cultural Politics (Anm. 6), 106 f. Ebd., 115.
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In Pragmatism and Romanticism wird meiner Ansicht nach besonders deutlich, in welchem Maße Rortys Interpretation der Romantik sich von anderen Ansätzen unterscheidet. »[Romanticism] is a thesis about the nature of human progress« 31 – dies ist eine für ein Verständnis der Rorty’schen Deutung der Romantik und ihrer Rolle in einer liberalen Geschichte des Fortschritts zentrale Bestimmung. Wenn er ausführt, »As I see it, the romantic movement marked the beginning of the attempt to replace the tale told by the Greek philosophers with a better tale,« 32 so wird deutlich, dass die Romantiker einen Prozess kreativer Neubeschreibung und Rekontextualisierung begannen, der uns schließlich in die Lage versetzen sollte, die Möglichkeit einer genuin post-metaphysischen Kultur zu erahnen, die durch Antiplatonismus und Antirepräsentationalismus bestimmt wäre. Rorty versteht Phantasie als »the ability to change social practices by proposing new uses of marks and noises« sowie als »the ability to come up with socially useful novelties.«33 Um seinen Ansatz weiter zu verdeutlichen, unterstreicht er die Bedeutung von Nietzsche und Shelley. Nietzsches romantischer Antiplatonismus prophezeite nicht nur das Kommen eines post-metaphysischen Zeitalters, sondern er drängte uns auch, »die Dichter unseres Lebens«34 zu werden, wie er es in Die fröhliche Wissenschaft formulierte. Phantasie, sprachliche Neuerungen und Fortschritt, d. h. neue Vokabulare und Metaphern, Selbsterschaff ung und die Idee, dass man nicht danach streben sollte, Dinge wahrheitsgemäß und angemessen darzustellen, sondern dass man vielmehr versuchen sollte, ein altes Gedicht durch ein völlig neues Gedicht oder eine alte Erzählung durch eine kreative neue Erzählung zu ersetzen – diese Aspekte, die für Rortys Lesart der Romantik zentral sind, lenken die Aufmerksamkeit auf das innovative Potenzial der privaten Sphäre und erhellen nur indirekt die Rolle, die der radikale Gestus der romantischen Dichter für eine gesellschaftlichpolitische Veränderung in der öffentlichen Sphäre zu spielen vermöchte. Nietzsches Vorstellung, es gelte, die Dichter unseres Lebens zu werden, bestimmt auch Shelleys Denken. Besonders in der Defence of Poetry erweitert der englische Romantiker die Bedeutung der Worte ›Dichter‹ und ›Dichtung‹. Unzweifelhaft hat diese Shelley’sche Erweiterung Einfluss auf Rortys Dichtungsverständnis gehabt. Auch ist Rorty durchaus geneigt, Shelley beizupfl ichten, wenn dieser die Behauptung aufstellt, dass es nicht allzu schwer sei, sich die moralische und intellektuelle Entwicklung der Menschen vorzustellen, wenn Philosophen wie Locke, Hume, Voltaire und Rousseau niemals gelebt hätten. Demgegenüber erscheint es unmöglich, sich die moralische Entwicklung ohne den Einfluss der Dichter vorzustellen. 35 Weiterhin zitiert Rorty zustimmend die nachfolgenden beEbd., 108. Ebd., 117. 33 Ebd., 107 und 115. 34 Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft, in: ders.: Kritische Studienausgabe, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Bd. III, Berlin 1988, 538. 35 Vgl. Percy Bysshe Shelley: A Defence of Poetry, in: Shelley’s Poetry and Prose, hg. von D.H. Reiman und N. Fraistat, New York 22002, 510–535, hier: 530. 31
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rühmten Sätze aus Shelleys Defence, in denen dieser sein Verständnis der Dichtung und ihrer Bedeutung beschreibt: Poetry is indeed something divine. It is at once the centre and circumference of knowledge; it is that which comprehends all science, and that to which all science must be referred. It is at the same time the root and blossom of all other systems of thought: it is that from which all spring, and that which adorns all; and that which, if blighted, denies the fruit and the seed, and withholds from the barren world the nourishment and the succession of the scions of the tree of life. 36
Obgleich Rorty Shelleys Deutung der Macht der Dichtkunst zustimmt, muss das Adjektiv ›divine‹ ihn gestört haben. Im gleichen Maße problematisch war für ihn sicherlich Shelleys Aussage, dass der wahre Dichter mittels seiner Kunst am Ewigen, Unendlichen und Einen teilhabe.37 Wenn Shelley das Gedicht charakterisiert als »the very image of life expressed in its eternal truth,« 38 dann dürfte endgültig klar werden, dass sein Vokabular immer noch das eines Dichters ist, der durch ein metaphysisches Verlangen bestimmt wird und der sich, trotz seines Willens zur Selbsterschaff ung und seiner Insistenz auf der Autonomie des Dichters als Prophet, noch nicht völlig vom Platonismus gelöst hat. ›Divinity‹, ›the eternal‹, ›the infi nite‹ und ›eternal truth‹ – diese Begriffe gehören zu einer Weise des Sprechens, deren Nutzlosigkeit, Schwächen und Gefahren Rorty, als romantischer Pragmatist und radikaler Atheist, wiederholt betont hat. Rortys Kritik an den romantischen Dichtern ist in Grandeur, Profundity, and Finitude klarer konturiert als in Pragmatism and Romanticism. Im letztgenannten Aufsatz schreibt er: »Just as the Enlightenment had capitalized and deified Reason, so Shelley and other Romantics capitalized and deified Imagination.« 39 Rorty richtet seine Bemühungen darauf, seine Mitmenschen dazu zu bringen, nichts mehr zu vergöttern und den Prozess der Säkularisierung konsequent an sein Ende zu führen. In Contingency, Irony, and Solidarity führt er in diesem Zusammenhang aus: »The line of thought common to Blumenberg, Nietzsche, Freud, and Davidson suggests that we try to get to the point where we no longer worship anything, where we treat nothing as a quasi divinity, where we treat everything – our language, our conscience, our community – as a product of time and chance.« 40 In Grandeur, Profundity, and Finitude argumentiert Rorty, dass die Romantiker nur die ersten notwendigen Schritte in Richtung dieses erstrebenswerten Zieles unternommen hätten. Auch zeigt dieser Aufsatz, wie wichtig Isaiah Berlins Studie The Roots of Romanticism (1999) für seine Interpretation der Romantik war. Rorty konzentriert sich in seiner Kritik auf zwei Aspekte: zum einen das leidenschaftliche Engagement der romantischen Dichter und zum anderen ihre Metaphern der Tiefe. Man mag 36 37 38 39 40
Ebd., 531. Vgl. ebd., 513. Ebd., 515. Rorty: Cultural Politics (Anm. 6), 109. Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (Anm. 13), 22.
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zunächst versucht sein, zu vermuten, dass eine poetisierte Kultur, deren Held der starke Dichter ist und deren Vorteile und Tugenden von Antirepräsentationalisten, nominalistischen Historisten und anderen Antiplatonikern gepriesen werden, durchaus vereinbar sei mit leidenschaftlichen Gesten und Engagement. Rorty jedoch, als ein von Dewey geprägter Liberaler, stellt die Notwendigkeit des Versuchs in Frage, ein im Habermas’schen Sinne Anderes der Vernunft zu suchen. Er schreibt: »But Berlin, like Dewey, recognized that the Platonist hope of speaking with an authority that is not merely that of a certain time and place had survived within the bosom of romanticism, and engendered what Habermas calls ›others to reason‹.«41 Im Gegensatz zum leidenschaftlichen Gestus der Romantiker, ihrer Suche nach etwas jenseits des Gewöhnlichen Gelegenem und nach etwas, das tief im Subjekt zu entdecken wäre, wollen die Pragmatisten deutlich machen, dass wir endliche Kreaturen sind, die von der Notwendigkeit und Partikularität von Zeit und Raum bestimmt sind.42 Weiterhin suchen die Pragmatisten zu verdeutlichen, dass das romantische Verlangen, d. h. die schädliche platonische Suche nach etwas, das mehr wäre als eine weitere menschliche Erfi ndung, droht, das menschliche Gespräch (im Gadamer’schen Sinne) an sein Ende kommen zu lassen. Rorty sucht uns demgegenüber zu überzeugen, dass dieses der Kontingenz unterworfene Gespräch fortdauern muss und wird. Er spricht von der Idee, »that the conversation of mankind goes its unpredictable way for as long as our species lasts – solving particular problems as they happen to arise, and, by working through the consequences of those solutions, generating new problems.«43 Seit seinen frühen Schriften hat Rorty ein traditionelles Verständnis von Subjektivität immer wieder kritisiert. Für ihn gibt es keinen Kern des Selbst, dessen wahre innere Natur entdeckt und entsprechend dargestellt werden könnte. Er behauptet, dass der Mensch am besten als ein Netzwerk von Überzeugungen und Wünschen, ohne eine Art von Zentrum, gesehen werden sollte. Folglich verwirft er die romantische Metapher des Abstiegs zum tiefsten Grund der Seele des Menschen.44 Rorty beabsichtigt, die Romantik zu entromantisieren, indem er diese Metaphern der Tiefe und Tiefgründigkeit ebenso kritisiert wie die Ideen des Unendlichen, des Unsagbaren und den Versuch, uns aus unserer Endlichkeit zu befreien. Den Versuch unternehmend, seinen Mitmenschen zu helfen, sich vom platonischen Repräsentationalimus und seiner Unterscheidung zwischen Erscheinung und Wirklichkeit zu lösen, unterstreicht Rorty die Bedeutung der pragmatistischen Idee des experimentellen Herumbastelns (›experimentalist tinkering‹). Das, was er als ›universalist grandeur‹ bezeichnet, d. h. der Verweis auf etwas Ewiges, universell Gültiges und Überformendes, ebenso wie romantische Tiefe, d. h. die Suche nach 41 42 43 44
Rorty: Cultural Politics (Anm. 6), 73–88, hier: 83. Vgl. ebd., 82. Ebd., 79. Ebd., 80.
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etwas Unaussprechlichem und Unsagbarem oder poetisch Erhabenem, fi nden in einem pragmatistischen Vokabular keinen Platz.45 In seinen A.W. Mellon Lectures, 1963 in Washington gehalten, sucht Berlin nicht aufzuzeigen, inwieweit die Romantiker immer noch Platoniker, Metaphysiker und epistemologische Fundamentalisten sind, sondern er erklärt, bis zu welchem Grade ihr Denken durch die Vorstellungen von Tiefe, Unendlichkeit, Unerschöpfl ichkeit und Unsagbarkeit bestimmt war.46 Berlin argumentiert, dass die Romantiker der Ansicht waren, ihre Beziehung zum Universum ließe sich nicht in Worte fassen, und dass sie zugleich versuchten, das Unendliche in sich aufzunehmen bzw. sich in diesem aufzulösen. Die Sehnsucht der Romantiker steht nicht nur für ihr künstlerisches Begehren, ihre innere Natur, sondern ebenso für ihren ständig erneuerten Versuch, sich mittels ihrer Vokabulare und Metaphern neu zu erschaffen. Diese Selbsterschaff ung der Romantiker spielt eine wichtige Rolle in Berlins The Roots of Romanticism. Nach Berlin verachteten die Romantiker alles Statische, die Strenge moralischer, politischer oder künstlerischer Prinzipien sowie den unterdrückenden Charakter der Institutionen und gesellschaftlichen Strukturen. Berlin ist eher als Rorty geneigt, den Antirepräsentationalismus, Antifundamentalismus und Antiessentialismus der Romantiker, und damit ihren antiplatonischen Gestus, zu unterstreichen. Er scheint mit anderen Worten der Ansicht zu sein, dass sie auf dem Weg in Richtung einer post-metaphysischen Kultur weiter sind als Rorty denkt oder bereit ist zuzugeben. In Rortys Erzählung der Moderne fi ndet diese erst im Pragmatismus ihre Auflösung. Berlin hingegen deutet z. B. Fichtes Erkenntnistheorie als »a kind of early but extremely far-reaching pragmatism.«47 Weiterhin betont er, dass die Romantiker zum ersten Mal in der Geschichte des menschlichen Denkens das Folgende gelehrt haben: »This introduces for the fi rst time what seems to me to be a crucial note in the history of human thought, namely [. . .] that ideals are not to be discovered at all, they are to be invented; not to be found but to be generated, generated as art is generated.«48 Neben dieser für Pragmatisten grundlegenden Unterscheidung zwischen Machen und Finden, erhellt Berlin auch die Kritik der Romantiker an »objective criteria« und »objective truth« sowie ihre ablehnende Haltung gegenüber jeder Art von »general theory.«49 Von Deweys The Quest for Certainty (1929) bis zu Steven Knapps und Walter Benn Michaels’ neopragmatistischem Manifest Against Theory (1982) und Stanley Fishs Version eines rhetorisierten Antifundamentalismus hat uns dieser Angriff auf die Theorie durch das 20. Jahrhundert begleitet. Dass Berlin denkt, die Romantiker führten eine bestimmte Art des Antirepräsentationalismus 45 46 47 48 49
Vgl. ebd., 86. Vgl. Isaiah Berlin: The Roots of Romanticism, hg. von Henry Hardy, Princeton 1999, 103. Ebd., 89. Ebd., 87. Ebd., 140 und 144.
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mit der Vorstellung endloser Selbsterschaff ung zusammen, wird in der folgenden wichtigen Passage deutlich: Those are the fundamental bases of romanticism: will, the fact that there is no structure to things, that you can mould things as you will – they come into being only as a result of your moulding activity – and therefore opposition to any view which tried to represent reality as having some kind of form which could be studied, written down, learnt, communicated to others, and in other respects treated in a scientific manner.50
Zum Schluss werde ich drei Punkte diskutieren. Erstens werde ich versuchen zu verdeutlichen, inwiefern Rortys liberale Ironikerin auch eine Romantikerin ist. Zweitens werde ich klären, warum Rorty der Ansicht ist, dass der Pragmatismus, was die Einführung einer post-metaphysischen Kultur betriff t, weiter geht als die Romantik. Schließlich werde ich meine Kritik an Rorty entwickeln, indem ich die Frage stelle, inwieweit eine genuin nominalistische und poetisierte Kultur die öffentliche Sphäre verändert.
Romantiker, liberale Ironiker und die Idee einer literarischen Kultur In einem seiner letzten und wichtigsten Aufsätze, Philosophy as a Transitional Genre, entwickelt Rorty eine These, die für viele seiner Texte zentral ist: »It is that the intellectuals of the West have, since the Renaissance, progressed through three stages: they have hoped for redemption fi rst from God, then from philosophy, and now from literature.« 51 Rorty zufolge leben wir in einer literarischen Kultur, die nicht mehr in den Anfängen steckt, die aber noch der konsequenten Vollendung bedarf. Wie wir zuvor gesehen haben, ist Rorty der Ansicht, dass der Übergang von einer philosophischen zu einer literarischen Kultur mit Hegel begann. Mit diesem deutschen Idealisten fand die Philosophie zu ihrer anspruchsvollsten und zugleich vermessensten Form, und schließlich erwies sich das Hegel’sche System durch eine Art dialektischen Umschlag als unironisches, sich selbst verzehrendes Konstrukt. Hegels System war von äußerster Ernsthaftigkeit in dem Bestreben, die Dinge so darzustellen, wie sie wirklich sind, und es suchte die Dinge in einen umfassenden Kontext einzufügen. Rorty schreibt zu der von ihm skizzierten Entwicklung: »Since Hegel’s time, the intellectuals have been losing faith in philosophy. This amounts to losing faith in the idea that redemption can come in the form of true beliefs. In the literary culture that has been emerging during the last two hundred years, the question ›Is it true?‹ has yielded to the question ›What’s new?‹« 52 Ebd., 127. Richard Rorty: Philosophy as a Transitional Genre, in: Pragmatism, Critique, Judgment. Essays for Richard J. Bernstein, hg. von Seyla Benhabib und Nancy Fraser, Cambridge 2004, 3–28, hier: 8. 52 Ebd., 9. 50 51
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In der heutigen literarischen Kultur sind die Philosophie und die Religion von nur noch marginaler Bedeutung, sie erscheinen als optionale literarische Genres. Eine literarische Kultur, so Rorty, bietet immer noch die Möglichkeit der Erlösung, allerdings hat sich die Art der Erlösung verändert: As I am using the terms ›literature‹ and ›literary culture‹, a culture that has substituted literature for both religion and philosophy fi nds redemption neither in a noncognitive relation to a nonhuman person nor in a cognitive relation to propositions, but in noncognitive relations to other human beings, relations mediated by human artifacts such as books and buildings, paintings and songs. These artifacts provide a sense of alternative ways of being human.53
Dies bedeutet auch, dass die Suche nach Gott ersetzt wurde durch das Streben nach Wahrheit und dass dieses schließlich ersetzt wurde durch die Suche nach dem kreativ Neuartigen und durch die Einsicht, dass Erlösung nur in menschlichen Erfi ndungen und Leistungen gefunden werden kann und nicht in dem Versuch, sich dem Zeitlichen zu entwinden, indem man nach dem Ewigen, Unveränderlichen und Transzendentalen strebt. Wie defi niert Rorty die Vertreter bzw. Anhänger einer literarischen Kultur, die literarischen Intellektuellen? Sein Verständnis der Funktion der literarischen Intellektuellen verbindet eine Bloom’sche Deutung der Autonomie des Selbst mit einer Emerson’schen Insistenz auf der Bedeutung von Selbstvertrauen und Unabhängigkeit. Eine literarische Intellektuelle hat permanente Zweifel bezüglich des Vokabulars, das sie momentan nutzt, sie möchte es unbedingt vermeiden, eine zu lange Zeit an dieses gebunden zu bleiben und von ihm bestimmt zu werden. Sie verspürt das Verlangen, mit anderen Weisen des Sprechens, anderen Sprachspielen und anderen Ansätzen, den Sinns des Lebens zu deuten, vertraut zu werden. Aus diesem Grunde liest sie so viele Bücher als möglich. Indem sie mit derart vielen alternativen Vokabularen und Weisen des Menschseins vertraut wird, erweitert sie ihr Selbst. Durch die Breite ihres Zugriff s erreicht sie eine Position, die es ihr ermöglicht, traditionelle Vokabulare und Erklärungsmuster zu kritisieren. Vereinfacht formuliert ließe sich sagen, dass die Lektüre der literarischen Intellektuellen zu ihrer Selbsterschaff ung führt, sie ermöglicht ihr, ein autonomes Selbst zu gestalten. Es gibt offensichtlich eine weitere wichtige Übereinstimmung zwischen Rorty und Bloom insofern, als beide der Ansicht sind, dass je mehr Bücher man gelesen hat und je mehr Beschreibungen und Neubeschreibungen man verglichen hat, desto menschlicher und gleichzeitig unabhängiger würde man. Ein Rorty’sches und Bloom’sches Selbst unterstreicht die Bedeutung des Versuchs, die gegenwärtigen Grenzen der Phantasie zu erweitern, und es sucht weiterhin zu verdeutlichen, dass 53 Ebd., 10. Für eine ausführlichere Diskussion der Rolle der Religion in einer literarischen Kultur müssten die folgenden Texte herangezogen werden: Richard Rorty und Gianni Vattimo: The Future of Religion, hg. von Santiago Zabala, New York 2005 und Richard Rorty: An Ethics for Today. Finding Common Ground between Philosophy and Religion, New York 2010.
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die Entwicklung von der Religion (Gott) zur Philosophie (Wahrheit) und schließlich zur Literatur (Phantasie, neue Vokabulare sowie Metaphern und Neubeschreibungen) eine Geschichte des gesteigerten Selbstvertrauens und der gewachsenen Unabhängigkeit ist. Während ich die Anhänger der literarischen Kultur bisher als literarische Intellektuelle bezeichnet habe, gebraucht Rorty in Contingency, Irony, and Solidarity den Begriff ›liberale Ironikerin‹, um die ideale Vertreterin einer post-metaphysischen und poetisierten Kultur zu bezeichnen. Diese Idee eines liberalen Ironismus ist zentral für Rortys neopragmatistisches Denken. Er gleicht seine Defi nition von ›liberal‹ der von Judith Shklar an, die Liberale als Menschen sieht, für die es nichts Schlimmeres gibt, als grausam zu sein. Rortys Verständnis des Liberalismus ist sicherlich sehr stark beeinflusst von Mill, Berlin, Rawls und Habermas, jedoch ist Shklars Defi nition für seine Erklärung des Begriffs ›liberale Ironikerin‹ ausreichend. Was impliziert der Begriff ›Ironikerin‹? Er nutzt diesen, um eine Person zu bezeichnen, die sich, geleitet durch ihren Nominalismus und Historismus, der Kontingenz ihrer zentralen Überzeugungen und Wünsche stellt.54 Dass die liberale Ironikerin, die zusammen mit dem starken Dichter die Heldin in Rortys liberaler Utopie ist, kein Problem damit hat, die Kontingenz ihres Netzwerks von Überzeugungen und Wünschen (und damit ihres Selbst) zu akzeptieren, impliziert ebenfalls, dass sie sich der Kontingenz ihres abschließenden Vokabulars voll bewusst ist. »[Ironists are] never quite able to take themselves seriously because always aware that the terms in which they describe themselves are subject to change, always aware of the contingency and fragility of their fi nal vocabularies, and thus of their selves.« 55 Die Ironikerin, im Gegensatz zum Metaphysiker, ist eine Nominalistin und Historistin, die die Vorstellung einer immanenten Natur radikal verwirft, die die Korrespondenztheorie der Wahrheit als überholt und nutzlos ablehnt und die stets die Aufmerksamkeit auf die Kontingenz, Historizität und Kreativität der verschiedenen Vokabulare lenkt, die sie nutzt. Rortys Helden befürchten, dass sie in einem abschließenden Vokabular gleichsam stecken bleiben könnten. Deshalb sind sie ständig auf der Suche nach neuen und anregenden Möglichkeiten der phantasievollen Neubeschreibung und Neukontextualisierung von Personen und Dingen, d. h. ihr Verlangen nach dem Neuen, nach neuen Metaphern und unvorhergesehenen Gestaltwechseln hat sie zur Einführung einer völlig neuen post-metaphysischen Kultur beitragen lassen, in der die Vorstellung einer korrekten und wahrheitsgetreuen Darstellung keine Rolle mehr spielt und in der abschließende Vokabulare als poetische Errungenschaften angesehen werden: Her description of what she is doing when she looks for a better fi nal vocabulary than the one she is currently using is dominated by metaphors of making rather than fi nding, of diversification and novelty rather than convergence to the antecedently 54 55
Vgl. Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (Anm. 13), xv. Ebd., 73 f.
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present. She thinks of fi nal vocabularies as poetic achievements rather than as fruits of diligent inquiry according to antecedently formulated criteria.56
Es fällt der Ironikerin leicht zuzugeben, dass sie anstelle der Realität, Objektivität und Transzendenz des Metaphysikers und der Tiefe des Romantikers nur die Idee der »continual redescription«57 anzubieten hat. Ihr Erkennen der Kontingenz ihres abschließenden Vokabulars, ihr Gewahrwerden der Macht der Neubeschreibung und ihre Suche nach dem elegantesten Weg, verschiedene Vokabulare zu kombinieren und damit etwas anregend Neuartiges zu schaffen, sind Charakteristika einer ästhetisierten Kultur, in der Bücher ständig in neue Kombinationen gebracht werden, in der aufregende neue Vokabulare alte Weisen des Sprechens verdrängen und in der Personen und Kulturen als »incarnated vocabularies«58 betrachtet werden. In Rortys literarischer Kultur sind abschließende Vokabulare als poetische Errungenschaften alles, was wir haben. In dieser Art der Kultur kann Kritik nur die Form einer phantasievollen Neubeschreibung annehmen, die das alte Vokabular schlecht und nutzlos aussehen lässt.59 Angesichts unserer bisherigen Ausführungen sollte es klar geworden sein, dass Rortys liberale Ironikerin auch eine Romantikerin ist. Rorty lenkt die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Parallele, wenn er schreibt: »The generic task of the ironist is the one Coleridge recommended to the great and original poet: to create the taste by which he will be judged.« 60 Die Idee, es gelte, den Geschmack zu erschaffen, durch den man beurteilt werden wird, ist eine von Nietzsche vertraute Geste, die die Bedeutung der Traditionslinie vor Augen führt, die von den Romantikern bis zu den Autoren des 20. Jahrhunderts reicht. Wo genau liegen die Gemeinsamkeiten zwischen den Romantikern, wie Rorty sie deutet, und den liberalen Ironikerinnen? Beide zeichnen sich durch eine Betonung der Macht der Phantasie und damit der Erfi ndung und Einführung neuer Vokabulare und Metaphern aus. Dies heißt auch, dass beide die Einführung und das Verwenden neuer Vokabulare durch Personen und Institutionen als treibende Kraft der Geschichte ansehen. Beide zielen mit anderen Worten darauf ab, dass wir verstehen, dass eine Geschichte des Fortschritts in erster Linie eine Geschichte des linguistischen Wandels ist, eines Wandels linguistischer Praktiken in Form des Ersetzens eines abschließenden Vokabulars durch ein neues. Weiterhin lenken beide die Aufmerksamkeit auf die Kontingenz und Fragilität unserer abschließenden Vokabulare als poetische Errungenschaften bzw. auf die nur transitorische Natur unserer Netzwerke von Überzeugungen und Wünschen. Beide suchen die Bedeutung von kreativen und phantasievollen Neubeschreibungen hervorzuheben sowie die Folgen der Idee, dass diese alles sind, was wir haben. Was die Romantiker und die liberalen 56 57 58 59 60
Ebd., 77. Ebd., 80. Ebd., 78. Vgl. ebd. Ebd., 97.
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Ironiker ebenfalls zusammenführt, sind die Vorstellungen der Selbsterschaff ung, Selbsterfi ndung, Selbsttransformation und Selbstüberwindung – die unendliche Formbarkeit des Menschen, wie James sie in seinen Vorlesungen zum Pragmatismus wiederholt betont hat. Auch gilt es zu erkennen, dass beide die neue Art der Erlösung verstehen helfen, die eine Kultur gewähren kann, die Religion und Philosophie durch die Literatur ersetzt hat. Zuletzt unterstreichen beide den deutlich ästhetischen Charakter moderner Subjektivität und damit die Partikularität und Unterschiedlichkeit privater Überzeugungen. Trotz dieser wichtigen Gemeinsamkeiten zwischen den Romantikern und den liberalen Ironikern, argumentiert Rorty wiederholt, dass der Pragmatismus im Hinblick auf die Einführung einer literarischen Kultur weiter ginge als die Romantik. Seiner Meinung nach waren Nietzsche und William James von enormer Bedeutung, was die Ersetzung der Romantik durch den Pragmatismus betriff t: »Instead of saying that the discovery of vocabularies could bring hidden secrets to light, they said that new ways of speaking could help us get what we want.« 61 Etwas weiter unten im selben Aufsatz fasst Rorty seine Idee folgendermaßen zusammen: »Romanticism was aufgehoben in pragmatism, the claim that the significance of new vocabularies was not their ability to decode but their mere utility.« 62 Die romantischen Ideen der Tiefe, der Tiefsinnigkeit, des Unsagbaren und Unaussprechlichen sowie des poetisch Erhabenen sind einer pragmatistisch-utilitaristischen Sichtweise diametral entgegen gesetzt. Neue und anregende Vokabulare sind nützlich, da sie ein weiteres Kapitel in der modernen Geschichte des Fortschritts eröff nen, sie sollten hingegen nicht so verstanden werden, als böten sie eine unvermittelte Sicht auf etwas, das sich tief in uns befi ndet und das bestimmt, wer wir wirklich sind. Es blieb die Aufgabe der Pragmatisten, die Korrespondenztheorie der Wahrheit radikal zu kritisieren, epistemologischen Fundamentalismus und ontologischen Essentialismus zu verwerfen und ihre Mitmenschen zu überzeugen, dass diese in einer Welt blinder, kontingenter und mechanischer Kräfte keinen metaphysischen Trost zu erwarten haben und diesen auch gar nicht benötigen. Rortys Diskussion der Romantiker läuft darauf hinaus, dass er sie eher als Hersteller von Werkzeugen denn als Entdecker betrachtet.63 Dem Platonismus immer noch verhaftet und immer noch bestimmt durch einen metaphysischen Drang, haben die romantischen Dichter auf ebenso kreative wie leidenschaftliche Weise zur »Herstellung« begrifflicher Werkzeuge beigetragen. Es war die Stellung der Romantiker zwischen metaphysischem Verlangen und kreativer begriffl icher Erneuerung, die einen Prozess initiierte, der schließlich zu der Einsicht führte, dass eine Pluralität der Sprachspiele, Vokabulare und Perspektiven ein erstrebenswerteres Ziel sei, als der Versuch, die Auff assung zu verteidigen, es gäbe eine einzige zeitlose Wirklichkeit hinter den vielen vorübergehenden Erscheinungen zu entdecken. 61 62 63
Rorty: Idealism and Textualism (Anm. 17), 150. Ebd., 153. Rorty: Contingency, Irony, and Solidarity (Anm. 13), 55.
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Rortys strikte Trennung zwischen privat und öffentlich betriff t auch seine Deutung der Romantik. Er schreibt: »My ›poeticized‹ culture is one which has given up the attempt to unite one’s private ways of dealing with one’s fi nitude and one’s sense of obligation to other human beings.« 64 Während wir spielerische und kreative Ironiker in unserer Privatsphäre sein können, versucht Rorty uns zu überzeugen, dass es wichtig sei, all unsere Energien darauf zu richten, einen liberalen bürgerlichen Konsens in der öffentlichen Sphäre zu schaffen. Die dunklen Kräfte des Erhabenen, der radikalen Neubeschreibung und der Theorie ins Private verbannend, wird die öffentliche Sphäre in ihrer Rorty’schen liberalen Version sich idealiter als von Harmonie, Toleranz und unverzerrter Kommunikation bestimmt erweisen. Mit Blick auf seine Interpretation der Romantik deutet Rorty Fortschritt als zufällige Übereinstimmung von privat und öffentlich: »[P]oetic, artistic, philosophical, scientific, or political progress results from the accidental coincidence of a private obsession with a public need.« 65 Weiterhin spricht er von »idiosyncrasies which just happen to catch on with other people – happen because of the contingencies of some historical situation, some particular need which a given community happens to have at a given time.« 66 Auch das Verhältnis von privat und öffentlich, und damit die Idee des Fortschritts, untersteht bei Rorty der Kontingenz. Für seinen liberalen Versuch, die Romantik zu entromantisieren, ist die Vorstellung, man möge die Beziehung zwischen der privaten und der öffentlichen Sphäre als kontingent verstehen, zentral, da sie die Möglichkeit in Frage stellt, dass auf radikale politische Veränderung drängende Kräfte und theoretische Ansätze direkt Auswirkungen in der öffentlichen Sphäre haben können. Ein wichtiger Teil der englischen und amerikanischen Romantik ist der Wunsch nach sozialer und politischer Veränderung – von Reformen bis zum Aufruf zur proletarischen Revolution. Blakes Songs of Innocence and Experience, die rustikalen Balladen des frühen Wordsworth in den Lyrical Ballads, Shelleys nach dem Peterloo Massacre von 1819 verfasste Gedichte (z. B. England in 1819) und natürlich Whitmans Idee einer radikalen und multikulturellen Demokratie, wie er sie eindrucksvoll in den Leaves of Grass und in Democratic Vistas entwirft – dies sind einige wichtige Beispiele, die den radikalen Gestus der Romantik unterstreichen.67 Rortys romantischer Pragmatismus verbannt die radikalen Energien der romantischen Dichter bzw. ihren Wunsch nach politischer Veränderung in die Privatsphäre, und Ebd., 68. Ebd. 66 Ebd. 67 Zur Diskussion des radikalen Gestus der Romantik siehe P.M.S. Dawson: Poetry in an Age of Revolution, in: The Cambridge Companion to British Romanticism, hg. von Stuart Curran, Cambridge 1993, 48–73. In diesem Zusammenhang siehe auch Kenneth Neill Cameron: The Young Shelley. Genesis of a Radical, London 1951, Michael Scrivener: Radical Shelley. The Philosophical Anarchism and Utopian Thought of Percy Bysshe Shelley, Princeton 1982, Jerome McGann: The Romantic Ideology, Chicago 1983 und McGann: Rethinking Romanticism, in: ELH 59 (1992), 735–754. 64 65
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er geht davon aus, dass ihre idiosynkratischen Vokabulare, ihre neuen Metaphern als poetische Errungenschaften, nur zufällig und auf lange Sicht einen Einfluss auf die öffentliche Sphäre nehmen können. Dahinter steht die Überzeugung, dass die amerikanische Demokratie keine Verwendung für die Idee eines radikalen Wandels hat und dass seine amerikanischen Landsleute ihre Aufmerksamkeit lieber in Dewey’scher Manier darauf richten sollten, effektive Methoden des ›Social Engineering‹ zu entwickeln. Gegen die Argumentation Rortys ließe sich einwenden, dass ein romantischer Pragmatismus, dem daran gelegen ist, seinem romantischen Erbe die Treue zu halten, das radikale Begehren der Romantiker nicht in die Privatsphäre verweisen sollte, und damit Gefahr zu laufen, dieses zu ästhetisieren, sondern dass er diese entschieden antiliberalen, oppositionellen Diskurse als Teil des Gesprächs in der öffentlichen Sphäre ansehen sollte. Ein wahrhaft romantischer Pragmatismus sollte zeigen, dass die Privatsphäre mehr sein kann als ein Bereich exzessiver Selbsterschaff ung, der der Vorstellung der Bindung an eine höhere Macht durch die Kontingenz idiosynkratischer Vokabulare, die Opazität zunächst radikal neuer Metaphern und die Pluralität der Sprachspiele entgegenwirkt. Weiterhin sollte ein romantischer Pragmatismus darauf abzielen, sich bewusst zu werden, dass die öffentliche Sphäre mehr sein kann als ein Bereich des experimentellen Herumbastelns, des ›Social Engineering‹ und der kleinschrittigen Reformen. Das Potenzial und die vielschichtige Komplexität seines romantischen Erbes erkennend, sollte ein romantischer Pragmatismus, der die antifundamentalistische Geschichte des Fortschritts fortschreiben möchte, sich als unvereinbar mit einer abstrakten und unvermittelten Gegenüberstellung von Dichtung und Politik erweisen.
Schlussbemerkung Zwei Aspekte wollte dieser Aufsatz aufzeigen: Zum einen suchte er Richard Rortys Verständnis einer antifundamentalistischen Geschichte des Fortschritts zu erhellen. Zum anderen war ihm daran gelegen zu zeigen, inwiefern Rorty den Pragmatismus als vorläufigen Höhepunkt dieser Geschichte betrachtete und welche Bedeutung der Romantik in diesem Zusammenhang zukommt. Ein weiteres Anliegen war, Rortys Idee einer post-metaphysischen bzw. literarischen Kultur attraktiv erscheinen zu lassen. Diese Kultur, wie deutlich geworden sein dürfte, fände sich durch eine neue Art des Denkens und Schreibens bestimmt. Es wäre dies, so Rorty, eine neue Form des ›literary criticism‹, der allerdings durchaus auf eine Tradition zurückgreifen könnte. Beginning in the days of Goethe and Macauley and Carlyle and Emerson, a kind of writing has developed which is neither the evaluation of the relative merits of literary productions, nor intellectual history, nor moral philosophy, nor epistemology, nor social prophecy, but all these things mingled together into a new genre. This
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genre is often still called ›literary criticism‹, however, for an excellent reason. The reason is that in the course of the nineteenth century imaginative literature took the place of both religion and philosophy in forming and solacing the agonized conscience of the young.68
Rorty hat eine neue Form dieses ›literary criticism‹ entwickelt, indem er den Pragmatismus als Teil dieser Tradition sah, die Bedeutung der Romantik hervorhob und das neu entstandene Ganze im Rahmen einer antifundamentalistischen Geschichte des Fortschritts betrachtete.
Richard Rorty: Professionalized Philosophy and Transcendentalist Culture, in: ders.: Consequences of Pragmatism (Anm. 17), 60–71, hier: 66. In der Einleitung zum selben Band hebt Rorty hervor, inwiefern der ›culture critic‹ das Wirken des Vertreters einer Kultur präfiguriert, die den Gedanken an eine Erste Philosophie, Fundamentalphilosophie und an einen transhistorischen Wahrheitsbegriff verabschiedet hat: »The modern Western ›culture critic‹ feels free to comment on anything at all. He is a prefiguration of the all-purpose intellectual of a post-Philosophical culture, the philosopher who has abandoned pretensions to Philosophy. He passes rapidly from Hemingway to Proust to Hitler to Marx to Foucault to Mary Douglas to the present situation in Southeast Asia to Ghandi to Sophocles. He is a name-dropper, who uses names such as these to refer to sets of descriptions, symbol-systems, ways of seeing. His specialty is seeing similarities and differences between great big pictures, between attempts to see how things hang together. He is the person who tells you how all the ways of making things hang together hang together« (ebd., xl). Unzweifelhaft böte es sich an, Rortys Verständnis einer bildenden Philosophie (»edifying philosophy«), die sich in der Tradition der Hermeneutik sieht und die sich von der welterschließenden Funktion der Sprache geleitet weiß, wie er sie in Philosophy and the Mirror of Nature entwirft, mit seinem späten romantischen Pragmatismus zu vergleichen. Es sei in Erinnerung gerufen, dass Rorty bei seinem Versuch, die Vorzüge einer hermeneutisch-bildenden Philosophie zu verdeutlichen, die den Gedanken an eine philosophia perennis, an Philosophie als Erkenntnistheorie sowie an Letztbegründungen radikal verwirft, den romantischen Gestus von Gadamers Wahrheit und Methode unterstreicht. Er schreibt: »For my present purposes, the importance of Gadamer’s book is that he manages to separate off one of the three strands – the romantic notion of man as self-creative – in the philosophical notion of ›spirit‹ from the other two strands with which it became entangled.« Richard Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature, Princeton 1979, 358. 68
»Playing the New off against the old« Umriss einer pragmatischen Poetik nach Rorty Florian Klinger
Nachdem es keine Priester und Philosophen mehr gibt, sind die Künstler die wichtigsten Leute auf der Welt. Gerhard Richter
Die hohe strategische Bedeutung, die den Begriffen ›Literatur‹ und ›Literaturkritik‹ im Denken von Richard Rorty zukommt, scheint in keinem Verhältnis zu stehen zur Skizzenhaftigkeit ihrer konzeptuellen Ausarbeitung. Zumindest ist dies dann der Eindruck, wenn herkömmliche Literatur- und Kritikauff assungen als Vergleichsmaßstab dienen. Für den in antiker Rhetorik und philosophischer Ästhetik bewanderten, an der Präzision und Komplexität der Lektüren von Roman Jakobson, Paul de Man oder Winfried Menninghaus geschulten Literaturforscher haben die Formulierungen Rortys auf den ersten Blick etwas zugleich Vages und Gemeinplatzhaftes, das man dem großen Philosophen aus Wertschätzung seines übrigen Werks vielleicht nachsieht. Gibt es doch bei Rorty keine Strukturanalysen, kaum Aufmerksamkeit auf die sprachliche Faktur, keine luzide Einlösung spezifi scher Intuitionen hinsichtlich der im traditionellen Sinn ›ästhetischen‹ Dimension literarischer Texte. Deshalb wohl wird trotz der emphatischen Aneignung anderer Desiderate Rorty’scher Philosophie gerade durch die Literaturforschung – etwa der Beiseitesetzung von Metaphysik und Epistemologie, der Aufwertung der Rhetorik innerhalb der Philosophie ebenso wie umgekehrt der ›philosophischen‹ Auseinandersetzung mit ›literarischen‹ Autoren, der Zusammenschau ›kontinentaler‹ und ›analytischer‹ Denktraditionen – ausgerechnet Rortys für die Plausibilität dieser anderen Gedanken hochrelevantes Modell des Literarischen bisher kaum ernst genommen. Natürlich klingt es für den Literaturforscher interessant, wenn Rorty ihn als Nachfolger der Priester, Wissenschaftler und Philosophen auf die Position der zentralen Orientierungsinstanz demokratisch-liberaler Kulturen beruft1 – nur dass er zu seiner Verlegenheit zumeist nicht versteht, kraft welcher Kompetenz er sich eigentlich dazu qualifi zieren sollte, und dazu neigt, diese Berufung als Es gelten die folgenden Abkürzungen für Rortys Werke: Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie, Franfurt/M. 1981 [im Folgenden: SDN]. Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt/M. 1989 [im Folgenden: KIS]. Hoff nung statt Erkenntnis, Wien 1994 [im Folgenden: HSE]. Philosophy and Social Hope, London/New York 1999 [im Folgenden: PSH]. Critical Dialogues, hg. von Matthew Festenstein und Simon Thompson, Malden/Mass.2001 [im Folgenden: CD]. Take care of freedom and truth will take care of itself, Stanford 2006 [im Folgenden: TF]. Philosophie als Kulturpolitik, Frankfurt/M. 2008 [im Folgenden:PKP]. Das obige Zitat: KIS 141 ff. 1
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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Philosophenmucke zu diskreditieren. Das Problem mit dieser Reaktion ist nun allerdings, dass sich die Dinge bei Rorty nicht so trennen lassen, da es am Ende alles auf eine Konzeption ›literarischer Kultur‹ hinausläuft,2 und eine Ausblendung des Literaturbegriff s sein Werk in dessen Relevanzzentrum verfehlt. Zugleich aber bedarf es, dies ist kaum zu übersehen, in der Tat einer besonderen synthetischen Anstrengung, Rortys zwar ubiquitäre, dabei aber konzeptuell eher sparsame Äußerungen zu Literatur und Literaturkritik in den Umriss einer kompakten Poetik zusammenzuziehen. Diese Anstrengung möchte ich im Folgenden unternehmen – geleitet von der Intuition, dass im Gesamtkonzept von Rortys Pragmatismus alle erforderlichen Zutaten gegeben sind, um einen ebenso originellen wie klar umrissenen, vor allem aber durch und durch zeitgemäßen Begriff von ›Literatur‹ und ›Literaturkritik‹ (die sich, wie zu sehen sein wird, hier weniger voneinander trennen lassen als je zuvor) zu formulieren. Einen Begriff, der zentralen herrschenden Annahmen über Literatur und den Umgang mit ihr entgegensteht, an dessen Konsequenzen man sich jedoch wird gewöhnen müssen, wenn man mit dem Denken einer »post-metaphysischen Kultur« 3 ernst machen will. Dabei handelt es sich um gewisse mit dem Pragmatismus einhergehende strukturelle Gegebenheiten, die auch dann zu konfrontieren sind, wenn man sich dafür entscheidet, den Begriff des ›Literarischen‹ etwa durch weitergefasste Begriffe wie ›Kommunikation‹ oder ›Praxis‹ zu ersetzen. Im Folgenden möchte ich mich der Frage, was bei Rorty ›literarisch‹ heißt, in drei Schritten annähern: Erstens der Skizze eines pragmatischen Praxismodells anhand von Rortys Sprachbegriff, zweitens einer Beschreibung einer diesem Modell korrespondierenden Spezifi k des Literarischen, drittens einer Charakteristik der Rolle von Literaturkritik im Zusammenhang dieser Spezifi k – ergänzt durch eine abschließende Reflexion auf die polemische Spannung, die eine so projektierte ›literarische Kultur‹ zum gegenwärtigen Selbstverständnis der Literaturforschung unterhält. Das Sprachspiel als Aktivitätszentrum postmetaphysischer Kultur Im Zentrum des philosophischen Projekts, das bis heute ›Pragmatismus‹ heißt, steht seit seiner Begründung durch William James der Begriff der Praxis: »Der Name [›Pragmatismus‹] kommt vom griechischen Wort πράγμα, das ›Handlung‹ bedeutet; von demselben Stamme, der unsern Worten ›Praxis‹ und ›praktisch‹ zugrunde liegt« – Worte, die James nicht im Gegensatz zum ›Theoretischen‹, sondern zu Relevanzund Wirkungslosigkeit versteht. Seine pragmatische Bestimmung erhält etwas dadurch, dass es für eine bestimmte Praxis einen Unterschied macht, und worum es sich bei diesem Unterschied handelt.4 In diesem Sinn prägt Ludwig Wittgenstein 2 3 4
PKP 163 ff. KIS 15. William James: Der Pragmatismus. Ein neuer Name für alte Denkmethoden, Leipzig 1908, 28.
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den Terminus ›Sprachspiel‹ für einen praktischen Zusammenhang, in dem alle Elemente durch ihre jeweilige Funktion im Gebrauch bestimmt sind, und diese Bestimmung nicht jenseits ihres Gebrauchs bereits besteht. Rortys Praxisbegriff ist eine differenzierte Aneignung dieses Modells, bei der die Möglichkeit eines strukturellen Unterschieds zwischen sprachlichen und anderen Praktiken weitgehend unerörtert bleibt. Ganz selbstverständlich bedient Rorty sich überall des Begriffs des Sprachspiels, in dem sich die wesentliche praktische Auszeichnung – oder wenn man die Herkunft der ›Praxis‹ von πράγμα ernstnimmt: das Aktivitätszentrum – dessen abzeichnet, was er eine »postmetaphysische Kultur« nennt. In dieser suchen wir keinen Zugang zu einem wie auch immer vorgestellten Ansichsein der Dinge – Wesen, Wahrheit, Natur, wirkliche Wirklichkeit – mehr. Nun also zum Umriss von Rortys Sprachspielmodell anhand einer Reihe basaler Punkte. Anhand von Donald Davidsons Sprachkonzeption zeigt Rorty, dass es sich im Sprachspiel um einen Reaktionszusammenhang handelt. Ein emphatischer Begriff von Reaktion tritt hier an die Stelle der semiotischen, kognitiven und epistemologischen Modelle, in denen Sprache sich als Medium des Bezugs zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem, Intention und Ausdruck, oder Repräsentation und Fakten konstituiert.5 Diesem neuen Begriff nach beruht sie auf kausal begründeten Interaktionen im Rahmen des jeweiligen Spiels – Akten, die auf einander reagieren. Das Gelingen sprachlicher Akte steht und fällt deshalb nicht mit ihrer Korrespondenz mit etwas, worauf sie verweisen (der Intention des Sprechers, der Wirklichkeit der Tatsachen, einer im Voraus feststehenden Bedeutung), sondern mit ihrem Funktionieren im Spiel. Seinen eigentlich pragmatischen Impuls bezieht dieses Modell daraus, dass in ihm Kausalität an Funktionalität gebunden ist, d. h. jeder Akt eine operative Differenz im Spiel darstellt. Dies meint Rortys wiederholtes, von William James bezogenes Credo, dass jeder Unterschied einen Unterschied machen muss: »every difference must make a difference«.6 Wenn damit die Struktur von Praxis überhaupt charakterisiert ist, dann wird ein zusätzlicher Begriff von ›Kommunikation‹ in diesem Kontext obsolet, denn pragmatisch verstanden wäre Praxis immer schon ›Kommunikation‹ im Sinn eines Reaktionszusammenhangs, ganz gleich um welche Praxis es sich handelt. An die Stelle des Vorfi ndens der operativen Differenz tritt ihre Herstellung – Machen nicht Finden7 ist der Charakter der Reaktion. Denn wenn es zu deren soeben beschriebener Struktur gehört, dass sie sich nicht qua Korrespondenz zu einem Standard festgelegter Bedeutungen oder Regeln bestimmt, ist sie in jedem einzelnen Fall erst zu erfi nden. Jenseits dieser Erfi ndung kann nichts über sie gesagt werden, sie ist die jeweilige Entstehung des Neuen, die für Rorty grundsätzlich unerklärbare Struktur von Innovation in ihrer grundlegendsten Form.8 Indem sie KIS, 21 ff. William James: The Varieties of Religious Experience, in: ders.: Collected Writings 1902–1910, New York 1987, 398. 7 KIS 133. 8 SDN 347 f., TF 121. 5 6
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sich zwar am Alten entfacht, aber nicht von ihm ableitbar ist, kann es keine beide verbindenden Maßstäbe geben, die die Überschreitung leiten. Sie vollzieht sich nicht »auf der Basis vorgängiger Kriterien«, denn »diese Kriterien wird es in dem Maße nicht mehr geben, in dem« – Rorty betrachtet hier das Sprachspiel des Wechsels von einem Sprachspiel zum anderen – »die neue Sprache wirklich neu ist.« 9 Hieraus ergibt sich die Formel für den Rortys Denken treibenden Grundimpuls und die generelle Stoßrichtung seines Pragmatismus: »das Neue gegen das Alte auszuspielen«, ›playing the new off against the old‹.10 Diese im Reaktionsbegriff implizite Leitdifferenz ersetzt nun die traditionellen metaphysischen Differenzen: »[N]icht die Grenzüberschreitung zwischen Zeit und zeitloser Wahrheit, sondern die Überschreitung der Grenze zwischen dem Alten und dem Neuen« ist entscheidend.11 Deshalb ist die Gegenwart des Spiels bestimmt von der Zukunft und nicht von einem überzeitlichen status quo. Einzig auf die Einlösung des jeweils gesetzten Ziels bezieht sich die Reaktion, nicht aber auf den Abgleich mit metaphysischen Aprioris. Demnach ist to make a difference als das bloße Unterhalten einer Praxis immer schon deren Veränderung und Überschreitung – ob man dies nun eigens anstrebt oder nicht. Diese generelle Beobachtung lässt sich stützen und differenzieren durch eine spezifi schere Beobachtung aus der Ökonomie des Spiels: Innovationen, die vom Sprachspiel erfolgreich angenommen werden, sind im Verlauf ihrer Wiederverwendung einem allmählichen Schwund ihrer Funktionalität ausgesetzt. Zum Beispiel ist eine Metapher irgendwann nicht mehr als solche zu erkennen, sie hat ihre überraschende Wirkung verloren und belegt nun eine ›schwächer‹ markierte Funktion in der Normalsprache: »Alte Metaphern sterben ständig zur Buchstäblichkeit ab und dienen dann als Boden und Folie für neue Metaphern.«12 Und diese ›neuen Metaphern‹ müssen kommen, denn aufgrund der unauf haltsamen Erosion von Neuheit gibt es strukturell kein Einhalten der Innovation – oder jedenfalls wäre dies eine ›Petrifi zierung‹ des Spiels,13 die man sich entweder als abgefl achtes Sprechen in Gemeinplätzen oder als hochformalisierte Fach- oder Wissenschaftssprache vorzustellen hätte: Insofern als Philosophen sich ihrer Klarheit rühmen und sich den Gebrauch von Metaphern versagen, sind sie unweigerlich konservativ. Sie bilden sich etwas auf ihre argumentativen Fertigkeiten ein, aber die Dichter haben den Verdacht, daß philosophische Argumente nur das umsortieren, was ohnehin schon auf dem Tisch ist – während sie selbst etwas Neues auf den Tisch bringen.14 KIS 31. KIS 128, CIS 73. 11 KIS 61. 12 KIS 41. 13 Wittgenstein: Über Gewissheit, in: ders.: Werkausgabe, Bd. VIII, Frankfurt/M. 1984, Abschnitt 657. 14 TF 70. [Meine Übersetzung, F.K.]. 9
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Das Weiterfunktionieren des Spiels ist also nur in immer weiteren Akten der Überschreitung möglich. Soll das Spiel fortgesetzt funktionieren, so muss die intrinsische Tendenz zum Absinken des Aktivitätsgefälles durch neue Spracherfi ndung ausgesteuert werden. Hier kommt eine quantifi zierende Perspektive in den Blick, die ich weiter unten noch genauer entwickeln werde. Der mit der bloßen Tatsache des Sprachgebrauchs einhergehende Effekt der Abnutzung aller sprachlichen Elemente ist eine Erschöpfung ihrer Fähigkeit, für das Spiel einen Unterschied zu machen (man könnte auch sagen: ihrer für das Spiel operativen Differentialität): Ein Absinken der ›Differentialspannung‹ des ganzen Spiels, dem wir beim Sprechen durch stetige Zuführung frischer Differenz entgegenwirken. Ob die Reaktion ihre Funktion erfüllt, ist keine Frage der besagten Korrespondenz mit apriorischen Standards von Bedeutung, Wahrheit oder Wirklichkeit, sondern eine Frage der kontingenten Annahme bzw. Nichtannahme durch die jeweilige Gemeinschaft der Spielteilnehmer. »Der Unterschied zwischen Genie und Phantasie ist [...] der Unterschied zwischen Idiosynkrasien, die zufällig bei anderen Menschen auf fruchtbaren Boden fallen« – ›which just happen to catch on with other people‹ – »und anderen, die das nicht tun.«15 Die Kommensurabilität einer Reaktion besteht in ihrer Anschließbarkeit durch Folgereaktionen; ›to catch on‹ heißt ja nichts anderes, als dass die Reaktion ›verfängt‹, d. h. dass durch Anschlussoperationen auf sie reagiert werden kann. Was solche Kommensurabilität und Anschließbarkeit im Einzelnen konstituiert, ist der Äußerung vorab nicht zu ermitteln, sie wird spielintern mit der Reaktion selbst jeweils eigens neuverhandelt. Natürlich heißt das nicht, dass es im Spiel keine Verbindlichkeiten gibt – schließlich bestimmt Rorty dieses auch als ein »Set von Übereinstimmungen [agreements] hinsichtlich dessen, was möglich und wichtig ist«,16 d. h. ein Feld nichtbeliebiger Möglichkeiten mit ihrer jeweils nichtbeliebigen Relevanzbindung – sondern im Gegenteil, dass das Spiel gerade dadurch Verbindlichkeit ermöglicht, dass diese mit jeder Reaktion neu ausgehandelt wird. Freilich ist ›agreement‹ dabei nicht als ausdrückliche Übereinkunft, sondern als implizite Übereinstimmung zu verstehen, denn die Voraussetzungen des Spiels sind, wie bereits Wittgenstein zeigt, in ihrer überwiegenden Mehrzahl nicht explizierbar. Und auch dort, wo sie es (etwa in Form von Regeln oder Gesetzen) sind, ist ihre Zuständigkeit im Einzelfall immer jeweils noch zu entscheiden. Dass jede Reaktion ihre eigene Kommensurabilität herstellt, bedeutet, sie bemisst sich nicht nur am status quo, sondern transformiert ihn auch ihrerseits. Nach Rorty entspricht dies in etwa dem, was Coleridge dem großen und originalen Dichter anempfiehlt: »den Geschmack zu schaffen, der über ihn richten wird«.17 Das Sprachspiel ist also einerseits funktional durchgehend bestimmt, indem alles darin Geschehende seine pragmatischen Präzision hat, in einem Reaktionszusammenhang, der sich durch eben diese Bestimmtheit von anderen Spielen unterschei15 16 17
KIS 74 f. KIS 90, [Übersetzung abgeändert, F.K.]. KIS 164.
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det. Andererseits aber gibt es keine das Spiel umgrenzende Defi nition, anhand derer es sich von solchen anderen Spielen absetzen ließe, so dass die Kontexte jeder einzelnen Reaktion sich indefi nit in die Welt hinein erstrecken, und letztlich nur als deren Gesamtheit denkbar sind. Eine Umkreisbestimmung kann es nicht geben, weil diese in einer Metasprache geringerer Kontingenz formuliert sein müsste, auf deren Matrix sich Sprachspiele vergleichen lassen, einer Sprache mit größerer Autorität als die jeweiligen Sprachspiele, und es Rorty zufolge eine solche Metasprache nicht geben kann. Eine Umkreisbestimmung ist zum Funktionieren des Spiels und zu seiner Modellierung aber auch nicht notwendig, solange klar ist, dass jede Reaktion in diesen doppelten Horizont gestellt ist – des Bezugs auf das Sprachspiel und des Bezugs auf die Welt als Gesamt aller Spiele. Weil sich zwischen beidem zwar unterscheiden, aber keine Grenze ziehen lässt,18 hält Rorty fest an Davidsons Formulierung, der zufolge eine Sprache beherrschen und sich überhaupt in der Welt auskennen ein und dieselbe Sache ist.19 ›Die Sprache‹ ist keine zur Begründung von Funktionalität fähige Einheit, sondern sie wird holistisch gegen die Welt als Gesamtheit aller Spiele bzw. Praktiken überschritten. Tatsächlich haben wir es nie nur mit einem einzigen ›set of agreements about what is possible and important‹ zu tun, sondern befi nden uns immer schon in einer Vielzahl einander überschneidender, umschließender und mitunter ausschließender Spiele, die für jede einzelne Reaktion den Hintergrund darstellen: »Die unscharfen Ränder der Gemeinschaft derer, die jeweils das relevante Ethos darstellen – die Gemeinschaft derer, die wir für qualifi zierte Urteiler halten – sind bestimmt durch den Grad der Überschneidung zwischen ihren Ansichten und unseren eigenen (und werden sich natürlich verschieben, wenn wir von einem Gegenstand zum anderen übergehen).« 20
Literarische Sprachspiele Wenn diese Modellierung der Struktur von Praxis als Rückgrat einer ›post-metaphysischen Kultur‹ zunächst ganz ohne den Bezug auf Literatur möglich ist – wie kommt diese dann ins Spiel, und was setzt die Zusatzqualifi kation der ›post-metaphysischen‹ als ›literarische‹ Kultur der ersteren Qualifi kation eigentlich hinzu? Die Frage lässt sich – um vorerst bei den Spielen zu bleiben – auch einfach so formulieren: Was sind spezifi sch literarische Sprachspiele? Dazu sieben Thesen.
Dem entspricht das Problem analytischer und synthetischer Sätze, auf das Wittgenstein mit seinem berühmten Bild von den Flüssen und ihren Ufern reagiert, deren Verhältnis sich ständig verschiebt, so dass sich beide unterscheiden lassen aber nicht scharf voneinander trennen. Wittgenstein: Über Gewissheit (Anm. 13), Abschnitte 94–97. 19 Donald Davidson: A Nice Derangement of Epitaphs, in: ders.: The Essential Davidson, Oxford/New York 2006, 264 f. 20 CD 54, [Meine Übersetzung, F.K.]. 18
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Literarisch sind solche Sprachspiele, denen es in ihrer Innovation um diese selbst geht. D. h. nicht um die Erfüllung der jeweiligen Aufgabe (das Schreiben eines E-mails, das Halten einer Rede), sondern um die dazu gehörende Transgression als solche. Diese unterscheidet sich strukturell nicht von der Transgression und Innovation nicht-literarischer Spiele, sie kann allerdings dort, wo das Spiel wesentlich auf sie aus ist, erheblich an Stärke gewinnen. Nach Rorty ist die Mechanik der Brauchbarkeit, der zufolge wir uns des Spiels zur Erreichung von etwas bedienen, das wir schon kennen, im literarischen Spiel außer Kraft gesetzt oder zumindest modifi ziert zugunsten einer Überschreitung des status quo gegen das Unbekannte und Neue schlechthin: »Wenn wir literarische Texte lesen, wissen wir typischerweise nicht schon im vorhinein, was wir von ihnen wollen. [...] Wir lesen, um uns zu vergrößern, indem wir unsere Empfänglichkeit und unsere Einbildungskraft ausweiten.« 21 Brauchbarkeit kann nicht als Kriterium literarischen Diskurses gelten, weil sie umgekehrt von diesem bestimmt wird: Werke der Einbildungskraft, oder Übungen der Einbildungskraft, können unserer Vorstellung von dem, was möglicherweise nützlich ist, erweitern. Also weiß man manchmal nicht im Vorhinein, was nützlich sein wird. [...] Auf Nützlichkeit lässt sich nicht als Kriterium zurückgreifen.22
Oder in einer stärkeren Formulierung: »wir sind weder heute noch irgendwann in der Zukunft imstande anzugeben, welchen Zwecken Romane, Gedichte und Theaterstücke dienen sollen. Denn durch solche Bücher werden unsere Zwecke ständig neu bestimmt.« 23 Das Spiel ist der Verpfl ichtung auf einen ihm äußerlichen Zweck entzogen, und dieses Erbe der klassischen Ästhetik widerspricht dem Pragmatismus deshalb nicht, weil die Zweckbindung des Spiels mitsamt der funktionalen Bindung aller seiner Elemente bestehen bleibt. Es geht ja um etwas – nämlich darum, Zugang zu neuen Spielen oder, wie Rorty auch sagt, Vokabularen zu erschließen, wenn auch nicht, um bei einem dieser Vokabulare anzukommen, sondern um der Überschreitung und der mit ihr gewonnenen Expansion und Flexibilität selbst willen. Nicht die Darstellung eines bestimmten Standpunkts ist das Ziel, sondern das formale Moment der Entwicklung neuer Standpunkte überhaupt. Dies ist die von Rorty selbst nicht erörterte, aber überall in seinem Werk implizite Frage der poetischen Form: Es gibt eine formale Beschreibung emphatischer Innovation; darüber, wie diese funktioniert, lässt sich spezifisch etwas sagen, und diese Spezifi k ist die soeben genannte Auszeichnung des Literarischen sowie der entsprechenden ›Kultur‹: »Das ist der Grund, weshalb eine literarische Kultur stets auf der Suche nach Neuem ist und keinen Versuch unternimmt, dem Zeitlichen zu entrinnen, um zum Zeitlosen zu gelangen.« 24 Wie bereits das nicht-literarische 21 22 23 24
FT 124, [meine Übersetzung, F.K.]. FT 132, [meine Übersetzung, F.K.]. PKP 181. PKP 169.
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Sprachspiel ist auch die literarische Herstellung von Form nicht Annäherung einer zeitlosen Wahrheit oder wirklichen Wirklichkeit, nicht das Auffi nden einer Bedeutung oder eines Sinns, sondern das schon zitierte ›playing the new off against the old‹. Aber anders als die bloße ›post-metaphysische Kultur‹ ist deren Steigerung zur ›literarischen Kultur‹ die Praxis dieses Ausspielens selbst. Dies ist die maximale vom Pragmatismus zugelassene Überhöhung der Zukunft: Dass nicht nur die Gegenwart sich von der Zukunft her bestimmt, indem die dort verankerten Zielsetzungen an die Stelle der Korrespondenz mit einer metaphysischen Ordnung treten. Sondern dass darüber hinaus diese Zukunft ganz offen bleiben kann, indem das Machen- und Verändernkönnen zum Grund seiner selbst gerät, indem wir uns verändern, um uns zu verändern, weitermachen, um weitermachen zu können. Rortys Denken des Neuen ist eine Eschatologie des Unabschließbaren. Wenn er etwa eine Gesamtdarstellung seines Pragmatismus Hoffnung statt Erkenntnis betitelt, so zeigt sich darin zunächst ein Optimismus angesichts der Tatsache des Verändernkönnens überhaupt, sowie des Weiteren die allgemeine (d. h. an keine einzelne Veränderung, sondern die Summe aller Veränderungen zum Besseren gebundene) Hoff nung, einer besseren Zukunft zuzuarbeiten. Mit der besagten Akzeptanz von ›alt vs. neu‹ als Leitunterscheidung geht die Bereitschaft einher, alle Fragen letztlicher Rechtfertigung der Zukunft, der Substanz der erhoff ten Dinge, anheimzustellen. Wenn der Pragmatismus überhaupt etwas Spezifi sches an sich hat, dann dies: dass er die Begriffe der Realität, der Vernunft und des Wesens durch den Begriff einer besseren menschlichen Zukunft ersetzt.25
Dies ist der Unterschied pragmatischer Eschatologie von der metaphysischen: Ein strukturell unbeendbares Entwerfen immer weiterer Utopien ersetzt das Zustreben auf eine bereits bestehende Wahrheit.26 Die Spezifi k des Literarischen bei Rorty trägt diese Eschatologie als ihren Fluchtpunkt in sich. Bei seiner Beschreibung des Literarischen denkt Rorty keineswegs nur an den äußeren Rand sprachlicher Innovation, den wir ›Literatur‹ zu nennen gewohnt sind. Vielmehr ist jede Erfi ndung innerhalb eines Sprachspiels ›literarisch‹, die den Zweck der Innovation selbst verfolgt. Zwar gilt dies vielleicht in höchstem Maß für solche Sprachspiele, die sich der Erfi ndung ganzer Vokabulare widmen, etwa diejenigen Romane, wissenschaftliche Pionierwerke oder Philosophiebücher, die in der Neuschöpfung von Vokabularen ihre »poetische[n] Leistungen« 27 ins Extrem treiben. Aber auch alle anderen Diskurse sind potentiell mit einbegriffen: Das Wort ›Literatur‹ umfasst ungef ähr alle Buchgattungen, von denen man sich vorstellen kann, sie hätten moralische Relevanz – sie könnten den Sinn des Lesers
25 26 27
HSE 15 f., [Übersetzung abgeändert, F.K.]. KIS 17. KIS 133.
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für das Mögliche und Wichtige ändern. Die Verwendung des Terminus hat nichtsmit dem Vorhandensein ›literarischer Qualitäten‹ in einem Buch zu tun.28
D. h. die formale Auszeichnung der so verstandenen Literatur ist nicht zu fi nden auf der Ebene der Sprachtechniken, Stilmittel oder Affekte – die alle auf ihre Weise an der Innovation arbeiten und sicherlich notwendig sind, um diese in die höheren Register zu treiben, dabei aber alleine nicht ausreichen zur Bestimmung des Literarischen. (Durch ihren jeweiligen Austausch gegen andere, einschließlich etwa noch unbekannte Techniken und Mittel büßt der Text nicht unbedingt seine Literarizitaet ein, wogegen bei einem Verzicht auf Innovation von dieser nichts mehr übrig bleibt.) Wie schon bemerkt, heißt dies aber nicht, dass sie deshalb thematisch bestimmt ist und etwa der Bezug auf spezifi sche Fragen, Kontexte oder Ereignisse eine literarische Darstellung als solche ausweist.29 Vielmehr wird eine formale Auszeichnung des Literarischen erst dann machbar, wenn man weder thematisch noch formal qualifi ziert, sondern ganz auf der Ebene der Innovation als solcher ansetzt: Welche Alterationen zwischen den Spielen bzw. Vokabularen werden erzielt, wie hoch ist die Diskrepanz vom Gewohnten, welche und wie große Möglichkeiten ergeben sich daraus für die praktische Zukunft (›what is possible‹), welche neuen Relevanzen werden produziert (›and important‹)? Die Literarizität oder Poetizität ist damit eine Frage der Quantität auf der Skala der Innovation. Diese Bestimmung verzichtet letztlich völlig auf Qualifi kation – und zwar sowohl als Qualifi kation dessen, was Literatur ›wesentlich‹ ausmacht, als auch als Qualifi kation der jeweiligen Innovation, deren Art und Weise nur insofern interessiert, als die Beschäftigung mit ihr notwendig ist, um Aufschluss über den Grad der Neuheit zu erhalten. Weniger formal als eine traditionelle Defi nitionen des Literarischen (z. B. solche im Ausgang von ›literary qualities‹) ist diese Bestimmung nicht, im Gegensatz zu diesen ist sie aber vereinbar mit dem Gedanken einer postmetaphysischen Welt. Die Suche nach dem Möglichen und Wichtigen lässt sich aber noch wesentlich genauer in die Struktur literarischer Sprachspiele hinein verfolgen. Auf der Ebene ihrer technischen Exekution besteht Form in Gestalt- bzw. Aspektwechseln, in denen Neuheit sich artikuliert: »literarisches Geschick« ist »Geschick bei der HerKIS 141. Hier ist allerdings einzuschränken, dass Rortys Literaturbegriff seine formale Bestimmung keineswegs dadurch sprengt, dass Rorty immer wieder Gewalt, Leid und Gerechtigkeit als paradigmatische Themen der Literatur kennzeichnet. Eine zu einfach verstandene Differenz zwischen ›formal‹ und ›thematisch‹ beginnt sich aufzulösen, sobald man versteht, dass ›Vokabular‹ für Rorty sowohl die verwendeten Worte als auch die Redeweisen einbegreift und der von mir ›formal‹ genannte Wechsel der Vokabulare (bzw. Spiele) selbstverständlich deren Semantik mit einbegreift. Im Gegensatz dazu wäre ein Literaturbegriff dann als ›thematisch‹ bestimmt zu bezeichnen, wenn es dabei entweder darum gehen sollte, im selben Vokabular etwas Neues zu sagen, oder aber darum, etwas ›auszudrücken‹, was immer auch anders gesagt werden kann bzw. erst auf der Ebene einer alle Vokabulare transzendierenden Metasprache seine eigentliche Artikulation fi ndet. 28 29
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stellung überraschender Gestaltwechsel durch glatte, schnelle Übergänge von einer Terminologie in eine andere.« 30 Der ›literarische‹ Wechsel also erfolgt zwischen Vokabularen bzw. Sprachspielen, d. h. er ist ein anderer und drastischerer Wechsel als derjenige zwischen Reaktionen innerhalb desselben Vokabulars bzw. Sprachspiels – womit das literarische Sprachspiel als Spiel mit Spielen gekennzeichnet wäre, als Diskurs, der aus der überraschenden Kombination verschiedener Diskurse seine gegenüber dem ›normalen‹ Diskurs gesteigerte Innovation bezieht. Zwar ist im einen wie im anderen Fall der Wechsel eine unableitbare Reaktion innerhalb des Reaktionszusammenhangs eines Spiels und insofern innovativ; und zwar bedarf jedes Spiel, wie gesehen, zu seinem Funktionieren der strukturellen Überschreitung seines Zusammenhangs in die Welt als ganze. Während aber das ›normale‹ Spiel mit der Welt als ganzer als Kontext oder Verlängerung seines jeweiligen Vokabulars kommuniziert, zeichnet sich das literarische Spiel dadurch aus, dass es diesen Bezug auf ein bestehendes Vokabular sozusagen überspringt und sich, unter Bezug auf alles, was in der Welt an Ressourcen dazu verfügbar ist, mit der Herstellung eines neuen Vokabulars befasst. Bei Wittgenstein, der den Aspektwechsel in die Philosophie einführt, bedeutet dieser zunächst, dass das jeweilige Gegebene auf unterschiedliche Weise genommen werden kann, sowie ferner, dass es außer diesen Weisen des Nehmens kein Ansichsein besitzt, keine ›Natur‹, kein ›Wesen‹ und kein wie auch immer sonst verstandenes Substrat. Man denke an die berühmte Zeichnung, die sich ohne weiteren Kontext entweder als Hase oder als Ente nehmen lässt, weil sie keine für diese Entscheidung relevante zusätzliche Information mit enthält. »Eine ganze Menge Leute können plötzlich einen Gestaltwechsel durchmachen als Ergebnis der Lektüre eines Romans« 31 lautet Rortys Aneignung dieses Gedankens, womit gesagt sein soll: qua Aspektwechsel kann die Welt mit einem Mal radikal anders genommen werden. Keineswegs ›erscheint‹ sie dabei anders als sie ›in Wirklichkeit‹ ist, sondern durch das Lesen des Romans erhalten genuin neue Weisen des Nehmens, die den bisherigen Modi als grundsätzlich gleichberechtigt, wenn auch vielleicht aufgrund ihrer Neuheit für die Gegenwart besser geeignet, gegenübertreten. (Es versteht sich von selbst, dass Rorty damit nicht meinen kann, dass die fi ktionale Welt des Romans zu unserer bisherigen in gleichberechtigte Konkurrenz tritt – es spricht ja nichts dafür, den Aspektwechsel mit einer wörtlichen Übernahme der Perspektive des Erzählers oder des Protagonisten des Romans zu identifi zieren; vielmehr ist der Wechsel alles, was die Lektüre beim Leser an Veränderung auslöst, und diese ist niemals ›fi ktional‹. Neuheit liegt nicht in dem qua Aspektwechsel eröff neten Vokabular selbst, sondern in unserer Reaktion darauf, in der wir es nehmen und uns aneignen.) Indem hier ›Nehmen‹ und ›Erhalten‹ in Eins fallen, demonstriert das Modell noch einmal die oben angesichts der Diskussion des Sprachspielmodells bemerkte Tatsache, dass zwischen dem ›Selbstgemachten‹ und 30 31
KIS 135, [Übersetzung abgeändert, F.K.]. FT 123, [meine Übersetzung, F.K.].
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dem ›Angetroffenen‹ kein struktureller Unterschied besteht, da es in der pragmatischen Perspektive immer um den Akt der Reaktion geht (›Machen eher als Finden‹). Dieser wiederum ist gleichermaßen innovativ, ob er nun vom Leser in der Lektürepraxis oder vom Autor in der Schreibpraxis vollzogen wird. In beiden Fällen handelt es sich um ein Sprachspiel, und beide sind insofern produktiv, als ihre Aktivitäten Aspektwechsel erwirken können. Diese Feststellung steht nicht der Annahme entgegen, der zufolge sie dies in unterschiedlichem Ausmaß sind und der Autor neuer Vokabulare ein größerer Innovator ist als derjenige, der sich, wie kreativ auch immer, an diesen übt. Und dieser relative Unterschied besteht ungeachtet der Unmöglichkeit, zwischen diesen beiden Tätigkeiten eine theoretische Trennlinie zu ziehen, wie sie etwa zwischen literarischen und nicht-literarischen Spielen gezogen werden kann. Damit ist man schließlich auf die Frage der Quantifi kation zurückgekommen: der Grad der Innovation entspricht der Härte des Gestalt- oder Aspektwechsels. Je unwahrscheinlicher und entlegener (Rorty sagt: ›überraschender‹, und man sollte dies eher probabilistisch als psychologisch verstehen) die neue Gestalt im Vergleich mit der alten, desto größer die in ihr vollzogene Innovation. Freilich betriff t der Aspektwechsel nie bloß das betrachtete Detail; nicht ›Ente‹ wird zu ›Hase‹, sondern ein Kontext, in der die Zeichnung ›Ente‹ ist, wird zu einem anderen Kontext, in der sie ›Hase‹ ist. Weil die Zeichnung als solche keine Information zur Entscheidung der Frage mitbringt, liegt der Unterschied zwischen den beiden Aspekten in dem Kontext bzw. Hintergrund, der mit ihnen jeweils einhergeht. Der ›überraschende Gestaltwechsel‹ ist ein Akt, mit dem der ganze Hintergrund alteriert. Auf diesen holistischen Charakter des Wechsels legt Rorty großen Wert. Wenn der oben zitierte Satz »Eine ganze Menge Leute können plötzlich einen Gestaltwechsel durchmachen als Ergebnis der Lektüre eines Romans« als strukturelle Beschreibung dessen, was im Zentrum der ›literarischen Kultur‹ stehen soll, seltsam pauschal klingt, so verdankt sich dies dem Umstand, dass Rorty hier gerade nicht die Transformation einer bestimmten Einzelheit im Allgemeinen zu erfassen versucht, sondern im Gegenteil an eine Konkretion und Fülle des Details denkt, die zu groß und zu neu ist, um konzeptuell prädizierbar zu sein. Der Gestaltwechsel hat die Konkretion einer »dichten Beschreibung«, die sich aus lauter Einzelstücken zusammenfügt und auf keine Summe oder Formel bringen lässt.32 Anhand eines endlichen Materials wird eine wenn nicht unendliche, so doch jedenfalls unbestimmbar reiche Perspektive eingespielt, genauer: die Welt wird aus einer anderen Perspektive genommen.33 Damit ist Rortys optimaler Autor oder Leser ein solcher, der sein jeweiliges Nehmen des Aspekts nicht vom impliziten Hintergrund des Spiels bestimmen lässt, sondern umgekehrt den Hintergrund vom jeweiligen Nehmen des Aspekts: »Obwohl jeder Leser von einem bestimmten 32 33
KIS 161. Vgl. Rortys Diskussion von Michael Walzers Thick and Thin, in: PKP 85 ff.
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Hintergrund aus zum Text gelangt, sind die guten Leser solche, die versuchen, den Text den Hintergrund bestimmen zu lassen und nicht umgekehrt.« 34 Was andernfalls die implizite Voraussetzung oder Latenz des Spiels ist, wird in der literarischen Praxis umgekehrt seinerseits moduliert. Vielleicht könnte man auch sagen, dass dasjenige, was Wittgenstein eine »Lebensform« nennt als die Gesamtheit der immer ausgeschlossenen Voraussetzung unserer Spiele, 35 in der literarischen Praxis zugänglich wird – und zwar nicht, indem die Lebensform den jeweiligen Spielzug funktionieren lässt, sondern umgekehrt der einzelne Zug die Resonanzen einer ganzen Lebensform ›mitbringt‹. Weil eine solche Umkehrung in ihrer Einseitigkeit unplausibel erscheint, gibt Rorty zwischenzeitlich auch selbst zu, dass nicht nur der Akt den Hintergrund, sondern beide einander gegenseitig modifi zieren: Wir revidieren unsere Meinungen über beides.36 »Gleichzeitig revidieren wir unsere moralische Identität, indem wir unsere abschließenden Vokabulare revidieren.« 37 Eben das aber besagt ja nichts anderes, als dass beide sich verändert, in etwas anderes transformiert haben, und also etwas Neues entstanden ist, indem der Gebrauch bestimmter Worte im ›Vordergrund‹ einen ganz neuen Hintergrund aufgerufen oder aktiviert hat. Worum geht es aber bei der Erschließung immer neuer Aspekte, Vokabulare und Kontexte, der strukturell unbegrenzten Erweiterung unseres Sinns für das Mögliche und Wichtige? Was ist, mit anderen Worten, die kulturelle Funktion der so verstandenen Literatur? Rortys Antwort darauf unterscheidet zwei solche Funktionen in einem asymmetrischen Verhältnis. In der ersten Funktion ist Literatur bzw. die mit ihrer Herstellung und Lektüre verbundene Einstellung das, was Rorty »Ironie« nennt: die Zurückweisung der Möglichkeit von Kriterien, die erlauben würden, zwischen sogenannten »letzten« oder »abschließenden Vokabularen« (›fi nal vocabularies‹) zu entscheiden, d. h. solchen, die sich nicht auf nicht-zirkuläre Weise erklären lassen.38 Wir nehmen die Zeichnung als Hase oder als Ente, aber es gibt keine in ihr mitgelieferten Kriterien, auf deren Basis sich entweder diese Entscheidung treffen ließe oder eine Integration beider Möglichkeiten erzielen, bei der man Hase und Ente zugleich hätte. Mit dieser Zurückweisung einer metaphysischen Bezugsmatrix oder Metasprache ist die pluralistische Möglichkeit geschaffen, unterschiedliche Diskurse zu unterschiedlichen Zwecken zu verwenden, ohne sie einander als konkurrierende, unvereinbare Alternativen zu konfrontieren. Dadurch wird machbar, was Rorty je nach Kontext eine Vervollkommnung oder Erfüllung des eigenen Selbst nennt. Die ›ironische‹ Einstellung ermöglicht es nämlich, unter FT 124, [meine Übersetzung, F.K.] Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, in: ders., Werkausgabe (Anm. 13), Bd. I, Abschnitte 19, 23, 241, Seiten 489, 572; ders.: Über Gewissheit (Anm. 13), Abschnitt 358, 559. 36 Die Rolle des Hintergrunds wird zum Beispiel darin manifest, »daß jedes Gedicht viel Inszenierung [stage-setting, F.K.] in der Kultur […] als Folie braucht.« KIS 82, CIS 42. 37 KIS 138. 38 KIS 127. 34 35
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Absehung dessen, ›wie es wirklich gewesen ist‹, sich ständig neu mit seiner eigenen Vergangenheit auszustimmen, d. h. sein Selbst gemäß den Erfordernissen der Gegenwart jeweils neu umzuschaffen. Ein derart »selbstgeschaffenes, autonomes menschliches Leben«39 fi ndet seine »private Vervollkommnung« darin, dass man auf Nietzsche’sche Weise zu seiner selbstgeschaffenen Vergangenheit sagen kann: »So wollte ich es!«40 Indem man sich so von der metaphysischen Bindung an eine einzige, ›wirkliche‹ Vergangenheit befreit, gewinnt man zugleich Zugang zu einer Fülle zukünftiger Möglichkeiten. Die Notwendigkeit, das Selbst und die Welt nach menschlichem Maß selbst zu schaffen, wird in einer solchen Einstellung nicht nur wahrgehabt, sondern sie wird auch – in einer fundamentalen Suspension der modernen Trauer über den Verlust der Transzendenz – als wünschenswert angenommen, so dass man es hier nicht mit einem Kompensations-, sondern mit einem Affi rmationsmodell zu tun hat: Eine poetisierte oder postmetaphysische Kultur ist eine solche, in welcher der Religion und Metaphysik gemeinsame Imperativ – eine ahistorische, transkulturelle Matrix für unser Denken zu fi nden, etwas, in das alles andere passen kann, unabhängig von der eigenen Zeit und dem eigenen Ort – verkümmert und verschwunden ist. Es wäre eine Kultur, in der die Menschen sich als Schöpfer ihrer Lebenswelt verstünden, statt Gott oder dem ›Wesen der Wirklichkeit‹ verpfl ichtet zu sein, die ihnen verkünden, was es mit dieser Welt auf sich hat.41
Noch deutlicher wird diese erste, das Private betreffende Funktion des Literarischen in Absetzung von der zweiten, nämlich der Funktion von Solidarität und Gemeinschaftsbildung, von der gleich noch genauer zu sprechen sein wird. Für beide gibt es ein jeweils eigens zuständiges literarisches Register, zuständige Vokabulare, die für uns den Nutzen haben, zur Entwicklung unserer eigenen Vokabulare beizutragen. Zu unterscheiden sind dabei »Bücher, deren Ziel das Ausarbeiten eines neuen privaten, und solche, deren Ziel das Schaffen eine neuen öffentlichen abschließenden Vokabulars ist. Das erste dieser beiden Vokabulare wird eingesetzt, um Fragen wie: ›Was werde ich sein?‹, ›Was kann ich werden?‹, ›Was bin ich gewesen?‹ zu beantworten. Das zweite Vokabular wird dazu eingesetzt, eine Antwort auf die Frage zu geben: »Welche Art von Menschen muß ich wahrnehmen, und was an diesen Menschen muß ich bemerken?«42 In eben dieser Unterscheidung von der zweiten Funktion des Literarischen entfaltet nun die erste – die ›ironische‹ – Funktion des Literarischen eine selbstimplikative Struktur. Nur unter der Bedingung einer ›ironischen‹ Trennung der Vokabulare nämlich kann das ›Ironische‹ vom ›Gemeinschaftlichen‹ getrennt erscheinen. 39 40 41 42
KIS 12. KIS 62. TF 46, [ meine Übersetzung, F.K.]. KIS 232.
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Rortys Modell ›literarischer Kultur‹ – das man nun präziser mit der hier beschriebenen Trennung identifi zieren kann – untersteht der zirkulären Begründung eines Rekurses auf sich selbst: Eben weil diese besondere Trennung zweier Diskurse sich qua Literatur vollzieht, steht diese für Rorty auf dem zentralen Ort, und eben weil sie auf dem zentralen Ort steht, können wir die Trennung vollziehen. Der private Diskurs der Selbsterfüllung und der öffentliche Diskurs der Solidarität und Gemeinschaft sind entkoppelt. Anstatt sich für einen von beiden entscheiden oder beide integrieren zu müssen, kann man sie nebeneinander fortbestehen lassen: »Wer die Vorstellung preisgibt, es gebe ein inneres Wesen der Wirklichkeit, das die Priester, die Philosophen oder die Naturwissenschaftler ausfi ndig zu machen haben, trennt das Bedürfnis nach Erfüllung vom Streben nach allgemeiner Übereinstimmung.«43 Die kontingente Privatheit der Selbsterfüllung, zu der auch die Philosophie gehört, hat keine notwendigen gemeinschaftlichen oder politischen Implikationen, oder umgekehrt. Man kann privat pragmatischer Pluralist sein und öffentlich die Diktatur unterstützen, so wie man öffentlich für liberale Demokratie sein kann und privat ein gläubiger Metaphysiker. Rortys eigener Standpunkt kombiniert kontingenterweise einen philosophischen Pragmatismus mit einem politischen Liberalismus: eine Kombination, die Rorty betonen lässt, dass – auf der Ebene nicht der Überzeugungen, sondern der politischen Tatsachen – die volle private Selbstverwirklichung erst unter den real existierenden Bedingungen eines demokratischen Liberalismus ihre Möglichkeit hat. Die zweite Funktion des Literarischen ist ebenso wichtig wie die erste, dabei aber, wie ich gezeigt habe, von ihr als Voraussetzung abhängig. Nur indem die Diskurse privater Selbsterfüllung und öffentlicher Solidarität auf die beschriebene Weise voneinander getrennt werden, ist eine von der Einmischung metaphysischer Kategorien (z. B. einer allen Menschen gemeinsamen ›Natur‹) freie Ausweitung unserer Loyalität und Solidarität möglich. In dem, was Rorty ›literarische Kultur‹ nennt, hat Literatur im engeren Sinn nichttheoretischer Vokabulare die Zuständigkeit für das Verbindende, für Loyalität und Solidarität übernommen – eine Funktion, die zuvor Theologie, Wissenschaft und Philosophie innehatten.44 Es handelt sich also um eine Umkehrung der metaphysischen Tradition, die das (nichttheoretisch) Literarische als Privatvergnügen versteht und die Begründung des Gemeinschaftlichen von Theorien einer gemeinsamen ›Natur‹ oder eines geteilten ›Wesens‹ des Menschen erwartet. Rorty zufolge ist es allein dieses Literarische, kraft dessen wir den Kreis derjenigen, deren Perspektive wir teilen, mit denen wir uns identifi zieren und solidarisch fühlen, grundsätzlich unbegrenzt erweitern können. Bereits PKP 185, [Übersetzung abgeändert, F.K.]. Das hier mit »Erfüllung« übersetzte Wort »redemption« verwendet Rorty, »um eine Menge von Überzeugungen zu bezeichnen, die den Prozess des Nachdenkens über die Frage, was wir mit uns anfangen sollen, ein für allemal zum Abschluss bringen würde.« (PKP 161) Je nach Kontext kann dieses strukturelle Ankommen auch enger als »Erlösung« übersetzt werden. 44 KIS 141. 43
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seiner Herkunft nach ist dieser Kreis wesentlich poetisch – Rorty spricht von den »ausschließlich poetischen Grundlagen des ›Wir-Bewusstseins‹ hinter unseren sozialen Institutionen.«45 Lesen ist »unsere Kenntnisse erweitern«46 im Sinn der Möglichkeit, »Bekanntschaft mit möglichst vielen verschiedenen Menschen« zu schließen.47 Was dabei verbindet, sind nicht philosophische Ansichten, sondern geteilte Vokabulare mit ihren Details, der alle Begriffe übersteigende Stoff reichtum der eingespielten Welt. Weil es vor allem auf diesen Reichtum ankommt, sind »vor allem Romane und Ethnographien« nun dafür zuständig, die früher versuchten »Beweise für eine allen gemeinsame menschliche Natur« zu ersetzen. »Solidarität muss aus kleinen Stücken aufgebaut werden.«48 Dieser Auf bau besteht »in nonkognitiven Beziehungen zu anderen Menschen«,49 denn Innovation ist keine Frage des Bewusstseins, der Erkenntnis bzw. konzeptuellen Umorientierung, sondern der Aktivität der Herstellung selbst. Nicht, was Literatur uns über andere lernen lässt, zählt primär, sondern dass sie uns in neue praktische Kontexte stellt, mit einer fortschreitenden Ausweitung unserer Allianzen und Zugehörigkeiten. Der literarische Aspektwechsel kann trainiert werden wie ein Muskel, der dabei ständig an Umfang zunimmt. Loyalität und Solidarität sind uns sozusagen nicht äußerlich und können nach Belieben angenommen oder abgelegt werden, sondern sie sind konstitutiver Teil dessen, was wir auf aktive Weise – nämlich über die praktischen Zusammenhänge unserer Teilnahme an der Welt – selbst sind.
Literaturkritik Was ist nun in dieser ›literarischen Kultur‹ die Literaturkritik, und warum ist sie überhaupt wichtig? Dazu wiederum sieben Thesen, die das hier entwickelte pragmatische Modell in eine polemische Spannung zu geläufigen Distinktionsmerkmalen der Literaturkritik stellen, wie sie dieser im gegenwärtigen Selbstverständnis sowohl der deutschen Geisteswissenschaften als auch der amerikanischen Humanities zukommen. Dabei dient mir diese Absetzung, zumal sie hier aus Platzgründen pauschal bleiben muss, lediglich als Kontrastfolie zu Darstellungszwecken, sie ist aber nicht konstitutiv für die konzeptuelle Selbständigkeit der pragmatischen Poetik. Zunächst ist zu rekapitulieren: Für Rorty gibt es grundsätzlich zwei Arten von Sprache – und weiter gefasst: zwei Arten von Praxis – auf die er in wechselnden Terminologien immer wieder zurückkommt. Die einen haben die Umstellung von ›Bedeutung‹ auf Innovation vollzogen, die anderen haben dies nicht, den einen 45 46 47 48 49
KIS 121. KIS 138. PKP 163. KIS 161. PKP 166.
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geht es um eine Vervielfältigung und Erweiterung der verfügbaren Vokabulare, die anderen sind damit zufrieden, wie gehabt weiterzumachen und den status quo bestätigt zu sehen. In der Terminologie aus Philosophy and the Mirror of Nature bedient sich die einer Art von ›normal discourse‹, der etablierten Sprachspiele zu einem jeweiligen Zweck, während die andere Art, ›abnormal discourse‹ und insgesamt das, was Rorty dann in Contingency, irony, and solidarity als ›Literatur‹ bezeichnet, auf Innovation als solche aus ist, auf Ausweitung unseres Sinns für das, was möglich und wichtig ist.50 Das kritische Sprachspiel ist nun insofern Teil dieses ›Literatur‹ genannten Felds, als es auch hier um Reaktion bzw. Innovation selbst geht. Zusammen bilden Literatur und Kritik die ›Avantgarde‹ der literarischen Kultur, oder besser: das aktive Zentrum ihrer fortlaufenden Selbsterschaff ung, und es liegt in der Konsequenz des pragmatischen Sprachspielmodells, dass Literaturkritik hier nicht als Forschung im Sinn von Entdeckung, Kontemplation, Korrespondenz mit metaphysischen Aprioris, sondern uneingeschränkt als Erfi ndung betrachtet werden kann. Innerhalb dieses literarischen Felds können ›Literatur‹ in dem engeren und traditionelleren Sinn und ›Literaturkritik‹ dann vielleicht so voneinander unterschieden werden – und man muss vorsichtig sein, eine Trennung ist hier allenfalls hinsichtlich der strategischen Situierung des Spiels in der Welt möglich – dass es im Sprachspiel der ersteren eher um die innovative Absetzung von bestehenden Sprachspielen geht, um die Schaff ung neuer Vokabulare, während das Sprachspiel der Kritik eher als ihrerseits innovative Versammlung und Weiterverarbeitung solcher im engeren Sinn literarischer Sprachspiele beschrieben werden kann. Beide sind gleichermaßen innovative Spiele, auf welche die oben gegebene Basisbeschreibung des Sprachspiels vollends zutriff t. Je stärker aber nun ein Diskurs sich absetzend auf das Alte bezieht – so Rortys Aneignung von Harold Blooms These der ›Einflussangst‹ – desto eher handelt es sich um ›Literatur‹, je stärker er sich dagegen aneignend auf das Neue bezieht, desto eher handelt es sich um ›Kritik‹. Letztere wäre also diejenige Praxis, die es ausdrücklich mit dem Neuen als solchem zu tun hat – oder anders gesagt: die das, worauf sie die Reaktion darstellt, als Neues nimmt, während die ›Literatur‹ das, worauf sie die Reaktion darstellt, als Altes nimmt. Auf diese Weise unterscheidet sich zum Beispiel Gilles Deleuzes Umgang mit dem Werk Kaf kas vom Umgang W. G. Sebalds mit demselben Werk. Kritik hat deshalb keine thematische Bestimmung, sondern sie ist diejenige Einstellung, die alles unter dem Aspekt seiner Neuheit betrachtet, sich an Neuheit bzw. Form als solcher entzündet und sich kreativ daran abarbeitet. Jeder andere Fokus als der auf die Form als solche würde Kritik unspezifi sch machen und ununterscheidbar von der Untersuchung von Sprache in Feldern wie Linguistik, Sozialund Politikwissenschaft, Geschichte oder auch Naturwissenschaften – sie alle 50
SDN 348 ff., PSH 127.
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können sich mit Sprache als Thema oder ›Objekt‹ befassen, nur die Kritik konzentriert sich allein auf die sprachliche Innovation. Aber nicht als zu erforschendes ›Objekt‹, sondern als Reaktion darauf in dem erläuterten Sinn. Es ist eine Sache, etwa einen Text zu analysieren und zu interpretieren, es ist aber etwas ganz anderes, spezifisch auf das Neue darin zu reagieren: die Wahrnehmung und Reflexion (die in pragmatischer Betrachtung beide Reaktionsweisen sind) ganz darauf einzustellen, das Neue als solches zu bearbeiten, es quantitativ (wie innovativ, wie deviant, wie intensiv?) und qualitativ (auf welche Weise, worum handelt es sich?) auf den Radar der Texterfassung zu bekommen und sich damit auseinanderzusetzen. Entsprechend der pragmatischen Auszeichnung literarischer Form durch Quantität kommt es auch bei der Kritik letztlich auf Quantifi zierung an; dass es ihr um die Form als solche geht, heißt dann, sie erfasst einen Text zu eben dem Grad, zu dem dieser neu ist. Qualifi kation spielt dabei allerdings ebenfalls eine gewisse Rolle, da die im Aspektwechsel vollzogene Abweichung immer eine Abweichung von etwas ist – die im Spiel einen bestimmten Unterschied macht, eine bestimmte Funktion zu erfüllen hat – und somit, um überhaupt erfassbar zu sein, einer mehr als bloß graduierenden Spezifi kation bedarf. Rorty sagt auch genauer, welche Art von Kritiker und Aktivität er dabei im Sinn hat – eine Liste, die Teil jener Tätigkeit ist, die sie selbst beschreibt: Einflussreiche Kritiker, solche, die neue Kanones aufstellen, zum Beispiel Arnold, Pater, Leavis, Eliot, Edmund Wilson, Lionel Trilling, Frank Kermode, Harold Bloom, machen es sich nicht zur Aufgabe, die wirkliche Bedeutung von Büchern zu erklären oder ihr sogenanntes ›literarisches Verdienst‹ zu werten. Sie verwenden ihre Zeit darauf, Bücher im Kontext anderer Bücher, Gestalten im Kontext anderer Gestalten zu platzieren. Diese Platzierung wird in derselben Weise vorgenommen, wie wir einen neuen Freund oder Feind in den Kontext alter Freunde oder Feinde platzieren. Im Verlauf dieser Unternehmung revidieren wir unsere Meinungen über die alten und die neuen. Gleichzeitig revidieren wir unsere moralische Identität, indem wir unsere abschließenden Vokabulare revidieren.51
Nicht also um Poetik in dem traditionellen Sinn der Faktur oder Verfasstheit der Texte geht es letztlich, sondern diese Betrachtungsebene ist nur Voraussetzung, Anlass und Sprungbrett zur Innovation bzw. Transformation des Bestehenden als dem zentralen Interesse der Kritik. Wichtig dabei – das Zitat zeigt dies – sind die polemischen Operationen der Auswahl, Konfrontation und Propagierung von Texten. Diese Operationen sind Kontingenz-Marker, mit deren Unvermeidbarkeit die pragmatische Standpunktbindung, obgleich sie für alle Diskurse gilt, im kritischen doch besonders exponiert erscheint. Er führt ausdrücklich vor, dass er über keinerlei perspektivenfreie ›Objektivität‹, keinerlei privilegierten Realitätszugang verfügt. 51
KIS 138, [Übersetzung abgeändert, F.K.].
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Auf das Neue reagieren kann die Kritik nicht qua Methode oder Anwendung von Kriterien. Sie kann dies schon deshalb nicht, weil es angesichts des Neuen und Niegesehenen keine Kriterien geben kann; und zwar nicht nur keine Kriterien dieser oder jener Art, sondern überhaupt keine Kriterien. Jedes innovative Sprachspiel ist ein erstes Mal, und die Kritik hat es mit Singularitäten vorab jeder möglichen Kategorisierung zu tun. Ferner arbeitet die Kritik aber auch nicht an einer solchen Kategorisierung, da sie als ›postmetaphysisches‹ Verfahren keinen Metadiskurs anstrebt – sie gründet im Gegenteil im »Verzicht auf den Versuch, Entscheidungskriterien zwischen abschließenden Vokabularen zu formulieren«.52 So kann das kritische Verfahren nur darin bestehen, das Sprachspiel in die Auseinandersetzung mit weiteren Sprachspielen zu treiben, oder, was dasselbe ist, das Vokabular in den Kontrast weiterer Vokabulare, oder, wiederum dasselbe, die Autorfigur in das Spannungsfeld weiterer Autorfiguren zu stellen und das Gegebene damit jeweils in ein neues Licht zu rücken. »Diese Art Vergleich, dieses GegeneinanderAusspielen verschiedener Gestalten ist in der Hauptsache das, was man heute mit dem Terminus ›Literaturkritik‹ bezeichnet.« 53 Während eine systematische Erfassung das Neue auf Bestehendes zu reduzieren sucht, strebt die Arbeitsweise der Kritik im Gegenteil auf Steigerung und Erweiterung – also darauf, es durch Resonanzen mit anderem Neuen weiter zu entfalten. Das einzige und letzte Ziel der Kritik besteht in ihrem Beitrag dazu, dass wir beständig unsere Vokabulare erneuern, unsere Position in Bewegung halten, unsere Bekanntschaft mit den Praktiken anderer erweitern. Geht es Rorty in Philosophy and the Mirror of Nature in eben diesem Sinn darum, durch Kritik, hier im Rekurs auf Gadamer ›Hermeneutik‹ genannt, den Fluss des Gesprächs durch beständigen Wandel aufrechtzuerhalten, in der primär negativen, therapeutischen und konversationellen Funktion, Verkrustung in den immer selben Sprachspielen zu vermeiden,54 so gewinnt das Anliegen in Contingency, irony, and solidarity den ausdrücklich positiven Charakter einer fortwährenden Ausweitung des Bereichs des Möglichen und Relevanten. Die Kontinuität zwischen beiden Formulierungen ist zunächst Rortys Überzeugung von der Notwendigkeit ständigen Wandels, sodann die damit verbundene Nichtfestlegung auf ein Programm oder Ziel, und schließlich die Tatsache, dass es der Kritik nie um Resultate gehen kann. Wie das Gespräch im ›hermeneutischen‹ Modell ist auch die kritische Aktivität der Überschreitung eine performative Selbsterfüllung, was auch besagt, dass sie sich selbst nicht überdauern kann und gerade in ihrem Erfolg immer weitere Überschreitung nötig macht. Insgesamt kann man die Operationen der Kritik, wie Rorty sie beschreibt, als Assimilation, Amplifi kation und Zirkulation des Neuen verstehen. Assimilation, 52 53 54
KIS 128. KIS 138. SDN 343–421.
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denn die Expertise des Kritikers ist kein Spezialistenwissen, sondern sie besteht darin, dass er sich besser auskennt in der Welt, indem seine Arbeit neue Sprachspiele, neue Vokabulare, neue Standpunkte ausfi ndig macht und zusammenbringt.55 Amplifi kation, denn in den beschriebenen Techniken der Resonanzerzeugung wird das Neue, das an sich einen statistischen Schwundstatus in der Welt hat, mit anderem Neuen kommuniziert, in dessen Gewebe eingeflochten und mit Implikationen und Relevanzen angereichert, die es in seinem Entstehungskontext noch nicht hatte. Zirkulation schließlich, indem sich damit auch seine Reichweite vergrößert. Wenn kritische Arbeit zum Beispiel ein Buch in vielfachen Kontexten zugleich erscheinen lässt (›Bücher im Kontext anderer Bücher [...] zu platzieren‹), so potenziert sie damit seine Anschließbarkeit und Verfügbarkeit. Im kulturellen Gesamthaushalt erfüllt dies die Funktion, die in der Abnutzung ihrer operativen Differenzen ermüdenden Spiele durch die frische Zufuhr von Neuheit bzw. ›Differentialspannung‹ am Leben zu erhalten. Die Konvergenz dieser Operationen ist der Beitrag der Kritik zum Ziel der fortgesetzten Steigerung unseres Sinns für das, was möglich und wichtig ist. Die so verstandene Kritik entgeht der humanistischen Tradition eines zweckfreien Bereichs (der Bildung, der Kontemplation, der Regeneration), oder genauer: gerade indem die von ihr geleistete Transformation nicht auf Zwecke verpfl ichtet, sondern selbst zum Zweck wird, erfüllt sie ihre Funktion im kulturellen Gesamthaushalt. Insgesamt ähneln die Kritiker bei Rorty den Weisen und den Weitgereisten, jenen Herodoteischen Figuren, die man um Rat fragt, »because they have been around«,56 weil sie viel gesehen und erfahren haben. Und diese Kenntnis ist die einzige innerhalb postmetaphysischer Kulturen denkbare Orientierungsinstanz.
Akzeptanz der pragmatischen Poetik Rortys philosophische Zeitgemäßheit mag nahelegen, dass heute eine Akzeptanz eines pragmatischen Literaturbegriff s durch Geisteswissenschaften oder Humanities in Reichweite liegt wie nie zuvor. Damit es aber dazu kommen und man mit den hier entwickelten Absetzungen der kritischen Praxis ernst machen kann, sind einige gängige Vorurteile gegenüber dem Pragmatismus zu revidieren. Ironischerweise nämlich scheint für eben diejenigen, die Rorty als ›literarische Intellektuelle‹ zu den Protagonisten seiner post-metaphysischen Kultur erklärt, das Wort ›Pragmatismus‹ häufig ein rotes Tuch zu sein. Zumindest auf dem europäischen Kontinent gehen die damit verbundenen Assoziationen in Richtung ›instrumenteller Vernunft‹, ›Zweckrationalität‹ oder bestenfalls einer platten Nutzen-Orientiertheit – von Vorstellungen also, die dem Ästhetischen in seiner von Kant bis Adorno reichenden Begründung durch eine konstitutive Freiheit von äußerer Zweckbin55 56
KIS 138. CIS 80, KIS 139.
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dung frontal entgegenstehen.57 Was lediglich dazu da ist, um für etwas anderes einen Unterschied zu machen, so glaubt der ›literarische Intellektuelle‹, daran kann nichts sein, im besten Fall ist es uninteressant, im schlimmsten Fall gefährlich. Und selbst wenn er nun – vielleicht durch seine Relektüre des Kantischen ›freien Spiels der Vermögen‹ im Licht des ›unendlichen Aufschubs‹ bei Derrida – den Gedanken einer postmetaphysischen Welt attraktiv zu fi nden beginnt, so ist doch damit noch lange nicht gesagt, dass er dem Vorschlag zustimmen wird, den Bereich pragmatischer Funktionalität auf das Ästhetische auszudehnen, oder bereit ist, darauf zu verzichten, Literarizität mit bestimmten ›literarischen‹ Qualitäten zu identifi zieren, und sie stattdessen an der Quantität ihrer innovatorischen Wirkung zu bemessen. In dieser Situation zeigt die Auseinandersetzung mit Rorty: Die Behauptung ›Sprache ist in dem Maß literarisch, wie sie einen Unterschied macht‹ stellt keine Aufweichung des Literarizitätsbegriffs dar, sondern im Gegenteil seine Aushärtung und vielleicht den letzten Schritt zu seiner Säkularisierung (wenn man ›ästhetische‹ Weltfremdheit als letzten Ausläufer idealistischer Kunstreligion versteht). Rortys Modell ist keine unzulässige Verwischung der Grenze zwischen literarischer Form und außerliterarischen Relevanzen, wie ja die Modellierung des Sprachspiels gezeigt hat, dass das Spiel immer schon durchlässig ist auf die Welt, sich seine Relevanzen nicht im engen Kreis ästhetischer Produktion bannen lassen, sondern zwangsläufig ihre Fortsetzung fi nden hinein in die Reaktionszusammenhänge anderer Spiele. Einen Bereich des ›bloß Literarischen‹ gibt es nicht, denn man kann nicht innovativ mit Sprache spielen, ohne zugleich für die Welt einen Unterschied zu machen. Zugleich macht Rorty aber auch klar, dass mit dem pragmatischen Modell das Literarische keineswegs etwa einfach zum thematisch erfassbaren Unterbezirk der Welt erklärt wird, sondern der Struktur ihrer Praxis angehört (obwohl es natürlich auch Thema sein kann, insofern man nämlich darüber spricht) – und damit einer formalen Bestimmung untersteht. Alles dies hat zur Voraussetzung die Bereitschaft, das Denken des Sprachspiels um die Grundkategorie der mit ihm vollzogenen Aktivität zu konfi gurieren. Gerade die Emphatisierung dieser Kategorie – die Sprache als Akt – sollte aber bei den Erben der traditionellen Rhetorik, Ästhetik und Poetik keine Abwehrreflexe auslösen, ist sie doch auf hervorragende Weise in den genannten Traditionen angelegt und der Prüfstein dafür, dass diese Traditionen und eine heutige pragmatische Poetik nicht unbedingt oder zumindest nicht vollends in gegenseitigem Ausschluss stehen. Dem entspricht Rortys Bemerkung, Literaturkritiker könnten unter pragmatischen Voraussetzungen ihren bisherigen Interessen weitgehend treu bleiben: Was den akademischen Teil dieser weit verbreiteten Assoziationen angeht, so ist ein gutes Beispiel Max Horkheimers Kritik der instrumentellen Vernunft von 1944. Schon William James selbst charakterisiert eine der gängigsten Fehlwahrnehmung des Pragmatismus so: »It is usually described as a characteristically American movement, a sort of bobtailed scheme of thought, excellently fitted for the man on the street, who naturally hates theory and wants cash returns immediately.« William James: The Meaning of Truth, in: Collected Writings (Anm. 6), 920. 57
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ein pragmatisches Selbstverständnis verändert ihre Einstellung gegenüber ihrer eigenen Lektüretätigkeit und derjenigen anderer Leute. Der Punkt dabei ist nicht, dass sie etwas an dieser Tätigkeit völlig anders machen werden; sondern sie werden sie anders betrachten.58
Dies ist nun allerdings keine Leugnung möglicher Konsequenzen der pragmatischen Poetik für die intellektuelle Praxis, da das ›anders-Betrachten‹ nichts anderes ist als der ›Gestaltwechsel‹ und im Sprachspiel einen Akt darstellt wie jeder andere auch. Nicht ein Wandel der Interessen ist hier impliziert, sondern eine Verbesserung ihrer Verfolgung. Genaueres freilich lässt sich nicht sagen, da es nicht Teil einer solchen Poetik sein kann, ihre Konsequenzen zu programmieren. Weder als positive Vorgabe noch als negative Einschränkung ist sie gedacht, sondern im Gegenteil als ein Mittel, das uns von Vorgaben und Einschränkungen soweit wie möglich losmachen soll, denn diese sind der Neuerfi ndung von Möglichkeit und Relevanz im Weg.
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FT 144, [meine Übersetzung, F.K].
Autoren
Friedmar Apel ([email protected]) studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Anglistik in Berlin und Bloomington/Indiana. Nach Professuren in Berlin, Siegen, Atlanta, Regensburg und Paderborn lehrt er seit 2000 Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Bielefeld. Publikationen zur europäischen Literatur- und Kulturgeschichte, zuletzt Das Auge liest mit. Zur Visualität der Literatur (Hanser: München 2010). Matthias Buschmeier ([email protected]) studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte in Hagen, Bielefeld und an der University of California, Santa Barbara. Von 2003–2006 war er Stipendiat des Gießener DFG-Graduiertenkollegs »Klassizismus und Romantik«. 2007 Promotion mit der Arbeit Poesie und Philologie der Goethe-Zeit. Studien zum Verhältnis der Literatur mit ihrer Wissenschaft (Niemeyer: Tübingen 2008). Zahlreiche Publikationen zur deutschen und europäischen Literatur- und Wissensgeschichte des 18.-20. Jahrhunderts sowie zur Literaturtheorie. Jüngst erschien seine Einführung in die Literatur des Sturm und Drang und der Weimarer Klassik (Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 2010; mit Kai Kauff mann). Matthias Buschmeier lehrt als akademischer Rat (a. Z.) germanistische Literaturwissenschaft an der Universität Bielefeld. Richard Eldridge ([email protected]) ist Charles und Harriett Cox McDowell Professor für Philosophie am Swarthmore College (USA). Mehrere Gastprofessuren u. a. in Brooklyn, Freiburg, Erfurt, Essex (UK) und Stanford. Unter seinen Monographien: Literature, Life, and Modernity (Columbia Univ. Press: New York 2008), The Persistence of Romanticism (Cambridge University Press: Cambridge 2001), and Leading a Human Life: Wittgenstein, Intentionality, and Romanticism (Chicago University Press: Chicago 1997). Er ist Herausgeber des Oxford Handbook of Philosophy and Literature (Oxford Univ. Press: Oxford 2009) und Mitherausgeber von Stanley Cavell and Literary Studies: Consequences of Skepticism (im Druck). Espen Hammer ([email protected]) studierte Philosophie an der Columbia University und New School for Social Research in New York und war als Alexander von Humboldt-Stipendiat zu Gast an der Universität Frankfurt. Er ist seit 2009 Professor für Philosophie an der Temple University, Philadelphia. Espen Hammer hat zahlreich zur modernen europäischen Philosophie, von Kant über Hegel zu Nietzsche, sowie Heidegger und Adorno publiziert. Zuletzt erschienen ist sein Buch Philosophy and Temporality from Kant to Critical Theory (Cambridge University Press: Cambridge, 2011).
ZÄK-Sonderheft 11 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISBN 978-3-7873-2166-7
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Autoren
Oliver Jahraus ([email protected]), Studium der Germanistik und Philosophie in München. 1992 Promotion mit einer Arbeit zu Thomas Bernhard. Ab 1996 Assistent, ab 2004 Oberassistent an der Universität Bamberg, Habilitation 2001 mit einer Arbeit zu Literatur als Medium (Velbrück Wiss.: Weilerswist 2003). Seit 2005 Professor für Neuere Deutsche Literatur und Medien an der LMU München. Wichtige Veröffentlichungen:, Literaturtheorie (Francke: Tübingen 2004); Franz Kafka (Reclam: Stuttgart 2006), als Mitherausgeber u. a.: Beobachtungen des Unbeobachtbaren (Velbrück Wiss.: Weilerswist 2000); Der erotische Film (Königshausen & Neumann: Würzburg 2003); Beobachten mit allen Sinnen (Peter Lang: Frankfurt/M. 2008), Kafka-Handbuch (Kröner. Stuttgart 2008), Freud: »Der Dichter und das Phantasieren« (Reclam: Stuttgart 2010). Forschungsschwerpunkte: Literaturtheorie und Methodologie, Medien- und Kulturtheorie, Film und Literatur, Semiotik, Systemtheorie, Avantgarde, Kaf ka, Lyrik. Florian Klinger ([email protected]) erwarb 1998 das Künstlerische Diplom im Fach Violine an der Hochschule für Musik und Theater München, studierte dann Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie an der Freien Universität Berlin, und promovierte 2010 in Comparative Literature an der Stanford University. 2009–2010 war er Geballe Dissertation Prize Fellow am Stanford Humanities Center und ist seit Sommer 2010 Junior Fellow der Society of Fellows an der Harvard University. Sein Buch zur Struktur des Urteilens in der Moderne erscheint 2011 im diaphanes Verlag Berlin. Er arbeitet zurzeit an einem Buchprojekt zu modernen Poetiken der Kraft, sowie an einer Monographie zur Frage der Form im Werk Gerhard Richters. Hans-Herbert Kögler ([email protected]) ist Professor und Chair am Department of Philosophy an der University of North Florida, Jacksonville. Gastprofessuren an der Alpe-Adria Universität, Klagenfurt, sowie Karls-Universität, Prag. Wichtige Veröffentlichungen umfassen: Die Macht des Dialogs. Kritische Hermeneutik nach Gadamer, Foucault, und Rorty (Metzler: Stuttgart 1992, amerikanische Ausgabe The Power of Dialogue: Critical Hermeneutics after Gadamer and Foucault, MIT Press: Cambridge/Mass. 1996, 1999;) Michel Foucault (Metzler: Stuttgart 2004), Kultura, kritika, dialog (Prague 2006), und der gemeinsam herausgegebene Band Empathy and Agency: The Problem of Understanding in the Human Sciences (Westview Press: Boulder 2000). Sondernummer zu seiner Arbeit über reflexive Wissenssoziologie im englischen Journal Social Epistemology (Routledge: 1997). Zahlreiche internationale Veröffentlichungen und Vorträge zur Hermeneutik, Kritischen Theorie, Philosophie der Sozialwissenschaften und zu weiteren aktuellen Themen der Sozial- und Sprachphilosophie. Christian Kohlross ([email protected]) unterrichtet Kulturund deutsche Literaturwissenschaft an der Hebräischen Universität Jerusalem und hat Forschungsschwerpunkte auf den Gebieten der Lyrik, Literaturtheorie und
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Literarischen Epistemologie. Wichtigste Publikationen: Theorie des modernen Naturgedichts. Oskar Loerke – Günter Eich – Rolf Dieter Brinkmann (Königshausen & Neumann: Würzburg 2000); Literaturtheorie und Pragmatismus oder die Frage nach den Gründen des philologischen Wissens (Niemeyer: Tübingen 2007); Die poetische Erkundung der wirklichen Welt. Literarische Epistemologie 1800–2000 (Transcript-Verlag: Bielefeld 2010). Bjørn Ramberg (b.t.ramberg@ifi kk.uio.no) promovierte 1987 in Philosophie an der Queen’s University (Kingston, Ontario) mit einer Arbeit über Donald Davidson (Donald Davidson’s Philosophy of Language, Blackwell: Oxford 1989). Er war Mellon Faculty Fellow an der Harvard University (1990/91) und lehrte von 1991 bis 2000 Philosophie an der Simon Fraser University, bevor er 1997 zum Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Oslo ernannt wurde. Er hat zahlreiche Artikel zum Pragmatismus, zur Theorie der Interpretation und Bedeutung mit besonderem Hinblick auf Richard Rorty und Donald Davidson vorgelegt Bjørn Ramberg ist ständiges Mitglied des »Centre for the Study of Mind in Nature« (CSMN) an der Universität Oslo. Ulf Schulenberg ([email protected]) vertritt zurzeit den Lehrstuhl für Nordamerikanische Literatur am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der FU Berlin. Von 2007 bis 2009 hat er den Lehrstuhl für Anglistische Literaturwissenschaft an der Universität Vechta vertreten. Promotion und Habilitation in Amerikanistik an der Universität Bremen. Er war u. a. Gastwissenschaftler an der Cornell University und an der New School for Social Research. Publikationen: Zwischen Realismus und Avantgarde: Drei Paradigmen für die Aporien des Entweder-Oder (Peter Lang: Frankfurt am Main 2000), Lovers and Knowers: Moments of the American Cultural Left (Winter: Heidelberg 2007), Americanization-GlobalizationEducation (Mithrsg., Winter: Heidelberg 2003) sowie zahlreiche Aufsätze zur amerikanischen Literatur und zur Literatur- und Kulturtheorie. Simon Stow ([email protected] ) ist Associate Professor im Department of Government am College of William and Mary in Williamsburg, Virginia. Er ist Autor von Republic of Readers? The Literary Turn in Political Thought and Analysis (State Univ. of New York Press: Albany 2007). Weitere Aufsatzveröffentlichungen in der American Political Science Review, in Theory & Event, dem Journal of Moral Philosophy, in Philosophy and Literature sowie in zahlreichen Sammelbänden.