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German Pages 702 Year 2019
Martin Tröndle, Claudia Steigerwald (Hg.) Anthologie Kulturpolitik
Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement
Martin Tröndle, Claudia Steigerwald (Hg.) Martin Tröndle, Claudia Steigerwald (Hg.)
Anthologie Kulturpolitik Anthologie Kulturpolitik Einführende Beiträge zu Geschichte, Funktionen Einführende Beiträge zu Geschichte, Funktionen und Diskursen der Kulturpolitikforschung und Diskursen der Kulturpolitikforschung
Zitiervorschlag Heuss, Theodor (1951): Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik. In: Tröndle, Martin und Steigerwald, Claudia (Hg.) (2019): Anthologie Kulturpolitik. Einführende Beiträge zu Geschichte, Funktionen und Diskursen der Kulturpolitikforschung, Bielefeld: transcript, S. 191-194, DOI: 10.14361/9783839437322
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Patricia Reed (www.leakystudio.com) Innenlayout: Nico Stockmann Lektorat: Claudia Steigerwald, Nico Stockmann, Martin Tröndle Satz: Nico Stockmann Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-3732-8 PDF-ISBN 978-3-8394-3732-2 DOI: 10.14361/9783839437322 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Edition WÜRTH Chair of Cultural Production
Danksagung Die Veröffentlichung dieses Bandes stellte uns neben der inhaltlichen Auswahl der Texte auch vor organisatorische Herausforderungen: Unser Dank gebührt deshalb den Autorinnen und Autoren, die teils neue Texte beisteuerten oder sich für den Wiederabdruck ihrer Texte einsetzten. Nicht zuletzt gebührt unser Dank Nico Stockmann für Layout und Satz des Bandes. Besonderer Dank gebührt der Stiftung Würth und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, die die Lehre und Forschung am WÜRTH Chair of Cultural Production seit Jahren wohlwollend unterstützen.
Prof. Dr. Martin Tröndle und Dr. phil. Claudia Steigerwald Zeppelin Universität Friedrichshafen
Inhalt Martin Tröndle & Claudia Steigerwald Geschichte, Funktionen und Diskurse der Kulturpolitik(forschung) I.
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Philosophische & kulturtheoretische Reflexionen Friedrich Schiller Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen (1794) (in Auszügen)
47
Wilhelm von Humboldt Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen (1851) (in Auszügen)
57
Matthew Arnold Culture and Anarchy. An Essay in Political and Social Criticism (1869) (in Auszügen)
75
John Dewey Kunst als Erfahrung (1934) (in Auszügen)
81
Alfred K. Treml Darwin in der Oper? Ein evolutionstheoretischer Blick auf Kultur (2010)
91
Dirk Baecker Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik? (2013)
109
II. Politische Entwürfe Stanley Jevons Methods of Social Reform and other Papers (1883) (in Auszügen)
129
Fritz H. Ehmcke Kulturpolitik. Ein Bekenntnis und Programm zum Wiederaufbau deutscher Lebensform (1947) (in Auszügen)
141
Hermann Glaser & Karl Heinz Stahl Die Wiedergewinnung des Ästhetischen. Perspektiven und Modelle einer neuen Soziokultur (1974) (in Auszügen)
145
Norbert Lammert Kulturelle Bildung und Modernisierung der Gesellschaft (1991) (in Auszügen)
155
Jörn Rüsen Strukturwandel der kulturellen Öffentlichkeit – Folgen für die Kulturpolitik (2005) (in Auszügen)
169
Xi Jinping Cultivate and Disseminate the Core Socialist Values (2014)
181
III. Zur Legitimation & Dekonstruktion der Notwendigkeit staatlicher Kulturförderung Theodor Heuss Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik (1951) (in Auszügen)
187
Werner Richter Was heißt und zu welchem Ende treibt man Kulturpolitik? (1955) (in Auszügen)
191
John Maynard Keynes The Arts Council: Its Policy and Hopes (1946)
203
Roy Shaw The Arts and the People (1987) (in Auszügen)
209
Paul DiMaggio & Michael Useem Cultural Property and Public Policy. Emerging Tensions in Government Support for the Arts (1978)
217
Edward C. Banfield The Democratic Muse. Visual Arts and the Public Interest (1984)
245
Dustin Kidd Public Culture in America. A Review of Cultural Policy Debates (2012)
255
Deborah Stevenson Cultural Policy in Australia. The Art of Nation (2018)
271
IV. Kulturförderung aus der Perspektive der Kulturökonomie Bruno S. Frey Public Support (2003)
281
Ruth Towse Advanced Introduction to Cultural Economics (2014)
293
Arjo Klamer & Lyudmila Petrova Financing the Arts. The Consequences of Interaction Among Artists, Financial Support, and Creativity Motivation (2010)
305
Michael Getzner Gesamtwirtschaftliche Determinanten öffentlicher Kulturausgaben in einem föderalen Staat (2015)
319
Jörg Rössel & Sebastian Weingartner Nothing but the Cuckoo Clock? Determinants of Public Funding of Culture in Switzerland, 1977–2010 (2015)
337
Michael Hutter Ernste Spiele in Kunst und Wirtschaft (2015)
365
V.
Über die Bedeutung von Sprache in der Kulturpolitik Frank Fischer & Herbert Gottweis The Argumentative Turn Revisited. Public Policy as Communicative Practice (2012) (in Auszügen)
391
Deborah A. Stone Causal Stories and the Formation of Policy Agendas (1989)
403
Carol L. Bacchi Introducing the ‘What’s the Problem Represented to be?’ Approach (2012)
427
Maarten A. Hajer Argumentative Diskursanalyse. Auf der Suche nach Koalitionen, Praktiken und Bedeutung (2004) (in Auszügen)
431
Constance DeVereaux & Martin Griffin Narrative, Identity, and the Map of Cultural Policy. Once Upon a Time in a Globalized World (2013)
461
Dan Eugen Ratiu Cultural Policy and Values: Intrinsic versus Instrumental? The Case of Romania (2009)
483
VI. Akteure, Ereignisse & die Formierung von Entscheidungen Bernd Wagner Kulturpolitik. Der Begriff (2005)
509
Norbert Sievers & Patrick Föhl Neue Kulturpolitik und neue Kulturförderung. Anmerkungen zu einem unabgeschlossenen Prozess (2015) (in Auszügen)
515
Robert Peper Cultural Governance in der Großstadt am Beispiel Hamburgs (2018)
531
Yudhishthir Raj lsar The Intergovernmental Policy Actors (2008)
545
Kiran Klaus Patel Integration Through Expertise. Transnational Experts in European Cultural Policies (2013)
567
Hyojung Cho Advocacy Coalition for Historic Preservation in the U.S. Changes in Motivations (2014)
593
Margaret J. Wyszomirski The Search for U.S. Cultural Policy. Indirect Facilitator, Patron State, and Governance Partner (2018)
611
VII. Künstlerische und kulturtheoretische Positionen zur Kulturpolitik Walter Benjamin Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1935) (in Auszügen)
629
Joseph Beuys Ein kurzes erstes Bild von dem konkreten Wirkungsfelde der sozialen Kunst (1985)
635
Jacques Rancière Von der Aufteilung des Sinnlichen und den daraus folgenden Beziehungen zwischen Politik und Ästhetik (2000)
645
Boris Groys Art Power (in Auszügen) (2008)
653
VIII. Manifeste Umberto Boccioni, Carlo Carrà, Luigi Russolo, Giacomo Balla & Gino Severini Manifesto of the Futurist Painters (1910)
665
Mikhail Larionov & Natalya Goncharova Rayonists and Futurists: A Manifesto (1913)
669
Kazimir Malevich Suprematist Manifesto (1927)
673
Richard Huelsenbeck Dadaistisches Manifest (1918)
681
André Breton, Diego Rivera & Leon Trotsky Manifesto: Towards a Free Revolutionary Art (1938)
685
Claes Oldenburg I am for an Art (1961)
691
Steven Walter Ein Manifest zur Konzertkultur (2018) (in Auszügen)
695
STEGREIF Orchester Ein Manifest zur Orchesterkultur (2018)
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Geschichte, Funktionen und Diskurse der Kulturpolitik(forschung) Martin Tröndle & Claudia Steigerwald
Kunst ist zwecklos, aber nicht sinnlos. Norbert Lammert (1991) The arts are to Britain what the sun is to Spain. English Tourist Board (nach Shaw, 1987)
Motiviert ist diese Textsammlung durch einen Mangel. Keinen des Geldes, sondern einen der diskursiven, historischen und methodischen Reflexion. Im internationalen Kontext findet seit mehreren Jahrzehnten ein breiter Diskurs zu kulturpolitischem Handeln und Wirken unter dem Label Cultural Policy Research statt. Im deutschsprachigen Raum hingegen besteht kein vergleichbar fundiertes Pendant: „Kulturpolitikforschung“ fokussiert hierzulande größtenteils auf normative Debatten über die „richtige“ Kulturpolitik, also über fördernswerte Themenfelder. Zumeist geht es dabei um die wortreiche Legitimation bestimmter Mittelflüsse: Kulturpolitik wird auf Kulturfinanzierung verkürzt. Dieser Mangel an Kulturpolitikforschung verwundert umso mehr, da jede mittelgroße deutsche Stadt über Kulturreferenten und -dezernenten1, Kulturämter und -bürgermeister verfügt, Parteien über Arbeitsgruppen und die Länder über Ministerien, die sich der „Kultur“ widmen. Schließlich spielt die Kultur seit 1998 auch auf Bundesebene mit der Einführung des Amtes eines Beauftragten für Kultur und Medien eine gewichtige Rolle. Deutschland, Österreich und die Schweiz gehören unbestritten 1
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im gesamten Text die männliche Form verwendet, immer ist damit auch die weibliche Form eingeschlossen.
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zu den Ländern mit den höchsten Kulturausgaben weltweit (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2018: 21; Frey 2003 in diesem Band), dennoch ist die Kulturpolitikforschung weitestgehend marginalisiert. Ganz anders ist dies beispielsweise in Großbritannien oder den USA (vgl. Wyszomirski 2018; Towse 2014; DeVereaux/Griffin 2013; Kidd 2012; DiMaggio/Useem 1978; u. a. in diesem Band).2 Das Anliegen dieses Bandes ist es daher, eine historisch und international informierte Textsammlung bereitzustellen, die Wissenschaftlern, Studierenden und Praktikern aus Kulturpolitik und Kulturverwaltung einen Einblick in die Historizität und Diversität kulturpolitischer Positionen bietet und gleichzeitig zur kritischen Gegenüberstellung und Diskussion dieser Positionen einlädt. Dafür spannt die Anthologie einen Bogen über 220 Jahre Ideengeschichte von Kulturpolitik(en) in nationaler und internationaler Perspektive. In acht Kapiteln finden sich rund fünfzig Beiträge zu Kulturpolitik und Kulturpolitikforschung aus und zu verschiedenen Nationen, aber auch zu supranationalen Einrichtungen wie der EU und der UNESCO. Dass das Thema Kulturpolitikforschung vermehrt Beachtung findet, zeigt nicht nur die stetig wachsende Anzahl an Teilnehmern der International Conference on Cultural Policy Research, die alle zwei Jahre in einem wechselnden Land stattfindet3 (u. a. in Barcelona, Hildesheim, Seoul, Tallinn), ein soeben bei Routledge erschienener, über 1.200 Seiten starker Cultural Policy Reader (O’Brien/Oakley 2018), sondern auch der im November 2018 getroffene Beschluss des Deutschen Bundestages, die Kulturpolitikforschung in Deutschland in den nächsten fünf Jahren mit insgesamt 2,5 Mio. € zu fördern.4 2 Nicht zuletzt hält das internationale Forschungsumfeld mit dem International Journal of Cultural Policy, Journal for Arts Management, Law and Society, International Journal of Arts Management, Cultural Sociology sowie Poetics einflussreiche Publikationsorgane für aktuelle kulturpolitische Forschung bereit. 3 http://iccpr2018.tlu.ee/history/ (Stand: 13.02.2019) 4 Die Förderung bezieht sich konkret auf das Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. Ein Auszug aus der Presseerklärung: „In der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 8. November wurde beschlossen, dass in den nächsten fünf Jahren insgesamt 2,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, mit denen ein neues Programm zur Kulturpolitikforschung und zum Kulturmonitoring realisiert werden kann. Bausteine des Programms sind die Initiierung einer Kulturpolitischen Akademie, die Entwicklung eines ,Deutschen Kulturpolitikpreises‘ sowie die Erarbeitung eines ,Berichts zur Lage der Kultur in Deutschland‘. Dafür soll ein kulturpolitisches Informationssystem entwickelt werden, das auch einen Kulturnutzungsindex umfasst, um die Wirkungen der Kulturförderung in Deutschland zu reflektieren“ (Kulturpolitische Gesellschaft e.V. 2018).
Geschichte, Funktionen und Diskurse der Kulturpolitik(forschung)
Dennoch nehmen sich bisher nur wenige Autoren im deutschsprachigen Raum einer historischen Einordnung kulturpolitischer Entwicklungen an (Höhne 2009; Klein 2004; Heinrichs 1997); die meisten subsumieren diese zudem in einem Kapitel – ausgenommen die historischen Entwürfe von Klaus von Beyme (2012) und Bernd Wagner (2009). So wichtig Diskursplattformen wie das Jahrbuch für Kulturpolitik und die Kulturpolitischen Mitteilungen sind, so klar unterliegen sie – in Deutschland wie auch international – bestimmten Motivationen, die Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik konzipieren und normativ aufgeladen sind (vgl. Jinping 2014; Glaser/Stahl 1974; Jevons 1883 in diesem Band). Der Kulturpolitikforschung hingegen geht es um eine möglichst wertneutrale, auf den Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens basierende Analyse von Themen, deren Karrieren, historischen Positionen, Fördermotiven und -schwerpunkten, Akteursnetzwerken u.v.m (vgl. Peper 2018; Stevenson 2018; Wyszomirski 2018; Cho 2014; Patel 2013; Kidd 2012; Ratiu 2009; Isar 2008 in diesem Band).
Kunst und Kultur – ein produktives Missverständnis Insbesondere wenn es um die Frage der öffentlichen Förderung geht, verweisen Kulturpolitiker selten auf das Spezifische der Kunst, wie etwa ästhetisches Erleben oder die Kommunikation über Wahrnehmung und Werte des Zusammenlebens (vgl. Baecker 2013; Banfield 1984; Dewey 1934 in diesem Band). Stattdessen sprechen sie der Kunst (hier wird dann zumeist von „Kultur“ gesprochen) sekundären Nutzen und Effekte zu wie Erziehung, Bildung (Schiller 1794; Arnold 1869), Unterhaltung für „niedrigere“ Schichten (Jevons 1883), die Steigerung des Kreativkapitals (Lammert 1991) oder den Erhalt des gesellschaftlichen Wertekanons (Richter 1955) (alle in diesem Band). Dem entspricht im kulturpolitischen Diskurs eine Verständigung über vermeintliche Aufgaben von Kulturpolitik, die variierend, je nach „Zeitgeist“, definiert werden. Kulturpolitik und ihre Rolle für die Gesellschaft werden also diskursiv aufgeladen. Dies findet in der Konsequenz Niederschlag in möglichen Förderschwerpunkten. Angesichts einer solchen Funktionalisierung wird der Begriff „Kulturpolitikforschung“, in Anlehnung an die Selbstbeschreibung des International Journal of Cultural Policy, hier wie folgt gefasst:
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[cultural policy research, Anm. d. Verf.] provides an outlet for an interdisciplinary and international exploration of the meaning, function and impact of cultural policies. Cultural policy is understood as the promotion or prohibition of cultural practices and values by governments, corporations, other institutions and individuals. Such policies may be explicit, in that their objectives are openly described as cultural, or implicit, in that their cultural objectives are concealed or described in other terms. […] However, whilst it takes a broad view of culture, encompassing a wide range of signifying practices that include the products of the media, the arts and various forms of government or religious display, [cultural policy research, Anm. d. Verf.] will attempt to maintain a focus on policies relating to culture as symbolic communication rather than to culture in the anthropological sense as ‘a whole way of life’.5
Solch ein weites, aber dennoch fokussiertes Verständnis, das eher die symbolische Kommunikation denn einen alles umschließenden anthropologischen Kulturbegriff (‘a whole way of life’) in den Mittelpunkt stellt, liegt auch diesem Band zugrunde. Im spezifisch deutschsprachigen Kurzschluss zweier Begriffe (siehe Lammert 1991 und Heuss 1951 in diesem Band), der Kultur (‘culture’) als Kommunikation über Werte und der Kunst (‘arts’) als Kommunikation über Wahrnehmung (Baecker 2013 in diesem Band), wird Kulturpolitik dennoch oft zur Gesellschaftspolitik deklariert: Dabei geht es „nur“ um Kunst. Das, was Gesellschaften kenntlich macht, also ihre Kultur(en), – Kultur als Gesellschaft Konstituierendes und durch Gesellschaft Konstituiertes (Geertz 1973)6 –, und das, was wir als Kunst bezeichnen (Luhmann 1999), stehen immer und unmittelbar miteinander in Bezug: Kunst kann nie „kultur-frei“ entstehen und sie nimmt immer auf eine Kultur bzw. auf Kulturen Bezug. Gleiches gilt aber auch für die Religion oder das Recht. Kunst und Kultur gleichzusetzen, mag ein gelungenes Mittel sein, um diskursive Potentiale aufzubauen, mit denen im politischen Geschäft gewuchert werden kann. Definitorisch stiftet solch ein Kurzschluss jedoch meist Verwirrung (vgl. Heuss 1951 und Richter 1955 in diesem Band). Letztendlich meint Kulturpolitikforschung zumeist Kunstpolitikforschung, mit Fokus auf einen weiten Kunstbegriff. Dies beinhaltet unter anderem auch sozio- und populärkulturelle sowie marktorientierte Formen der künstlerischen Arbeit (vgl. Hutter in diesem Band) oder pädagogische Ansätze (vgl. z. B. Ehmcke 1947 in diesem Band). Von einem zu breiten, anthropologischen Begriff möchten wir uns jedoch distanzieren: Dieser birgt Schwierigkeiten in der Bestimmung 5 Siehe www.tandfonline.com/action/journalInformation?show=aimsScope&journal Code=gcul20 (Stand: 13.02.2019) 6 “Believing, with Max Weber, that man is an animal suspended in webs of significance he himself has spun, […]” (Geertz 1973: 5).
Geschichte, Funktionen und Diskurse der Kulturpolitik(forschung)
des Aufgabenfeldes von Kulturpolitik, denn so verstanden wäre Kulturpolitik Gesellschaftspolitik und würde alle Politikfelder umfassen. Dies kann sie nicht leisten, gleichwohl sie selbstverständlich andere Politikfelder tangiert – wie eben auch die Justiz-, Finanz- oder Bildungspolitik. Kidd (2012, in diesem Band) rekurriert auf Edward Arian, der eine Einteilung entlang von Kunstinstitutionen (performance culture), schaffenden Künstlern (creative culture) und der Sozio- und Laienkultur (community arts culture) vornimmt. Solch eine akteursbezogene anstelle einer bipolaren „oben-unten“-Hierarchisierung könnte den Kulturbegriff konstruktiv entlasten und die Diskussion hin zu einem forschungsorientierten Begriff verschieben, der die Motivationen der Akteure, ihre Diskurse und Netzwerke in den Mittelpunkt rückt und damit historisch, theoretisch und methodisch informiert argumentiert.
Zur Auswahl der Texte Es muss Aufgabe einer Anthologie sein, divergierende, teils widerstreitende Verständnisse von Kunst, Kultur und Kulturpolitik abzubilden, um zu einer produktiven Diskussion beizutragen: Die Begriffe unterliegen nicht nur einem historischen Wandel, sondern auch der disziplinären wie motivationalen Prägung des jeweiligen Autors. Dass hier konträre Texte und Textsorten aufeinandertreffen, ist gewollt; nur dann erschließt sich das Feld Kulturpolitik(forschung) in all seinen Dimensionen. Es wurden daher historische wie auch zeitgenössische Texte ausgewählt: Während die historischen Texte zentrale Vorstellungen der Funktionen von Kulturpolitik markieren, die bis heute nebeneinander bestehen und je nach Politikprogramm mehr oder weniger stark zu Tage treten, reflektieren die zeitgenössischen Texte die methodische Vielfalt, die mittlerweile im Feld präsent ist. Die Texte stammen entsprechend nicht nur aus den Kulturwissenschaften, sondern auch aus verwandten Disziplinen, die bisher eine eher randständige Rolle in der Beforschung von Kulturpolitik gespielt haben, für deren Analyse jedoch zentral sind. Darunter finden sich unter anderem diskursanalytische Ansätze (Bacchi 2012; Hajer 2004 in diesem Band) als auch Ansätze, die mit Narrativen arbeiten (DeVereaux/Griffin 2013; Stone 1989 in diesem Band). Ebenso werden Analyseansätze aus den Politikwissenschaften für die Kulturpolitikforschung fruchtbar gemacht, wie das Advocacy Coalition Framework (Cho 2014 in diesem Band) oder die Public Policy Analysis nach John Kingdon (Isar 2008 in diesem Band).
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Wir haben versucht, in den Texten unterschiedliche Länderperspektiven abzubilden (Deutschland, Österreich, Schweiz, Großbritannien, England, Australien, Rumänien, die USA), supranationale Organisationen wie die UNO und die EU zu berücksichtigen sowie die Vielfalt der Methoden und Disziplinen deutlich zu machen, mit denen Kulturpolitikforschung betrieben wird: zu finden sind historisch-interpretative, theoriegeleitete, sozialwissenschaftlich-empirische, ökonomische, quantitativ-statistische, aber auch künstlerisch-entwerfende und philosophisch-reflexive Methoden und Theorien.
Editorische Notiz Jede Textauswahl, die ein Korpus für eine Anthologie bilden will, muss lückenhaft bleiben – es können nie alle Texte abgedruckt werden, die lesenswert erscheinen. Um dem zumindest etwas entgegenzuwirken, haben wir uns dazu entschlossen, die Breite des Feldes durch die großzügige Aufnahme möglichst vieler Texte abzubilden, dafür jedoch bei einigen Texten Kürzungen7 vorzunehmen.8 Interessierte Leser können mithilfe der bibliografischen Angaben die Volltexte beziehen.9 Die heterogenen Texte und Textsorten – Redemanuskripte, Manifeste, Buchkapitel und wissenschaftliche Artikel – sind teils chronologisch angeordnet; die Reihenfolge basiert jedoch auf der inhaltlichen Zusammenstellung; sie präjudiziert keinerlei Wertung. Mit der Gliederung in • • • • 7
philosophische und kulturtheoretische Reflexionen, politische Entwürfe zur Funktionalisierung von Kultur, Texte zur Legitimation und Dekonstruktion staatlicher Kulturförderung, Beiträge der kulturökonomischen Forschung zur Kulturförderung,
Kürzungen der Herausgeber sind jeweils gekennzeichnet durch eckige Klammern [...], Kürzungen der einzelnen Autoren durch runde Klammern (...). 8 Da dem Leser dieses Herausgeberbandes jeweils nicht der Band vorliegt, in dem der Artikel ursprünglich erschienen ist, wurden in einigen Fällen Hinweise, die auf den Band Bezug nehmen, gekürzt. Aufgrund des Typus eines Herausgeberbandes statt eines Journals wurden zudem bei einigen Artikeln die Abstracts gestrichen. 9 Um ein einheitliches Schriftbild zu erzielen, haben wir den Satz so weit als möglich vereinheitlicht. Dies betrifft das Setzen von Einzügen nach Absätzen sowie die Vereinheitlichung von Aufzählungen in den Texten. Es versteht sich von selbst, dass die Seitenzahlen der Texte in diesem Band nicht denen der Originaltexte entsprechen. Es sollte daher möglichst aus dem Original zitiert werden.
Geschichte, Funktionen und Diskurse der Kulturpolitik(forschung)
• • • •
Texte, die die Rolle von Sprache in der Kulturpolitik thematisieren, Akteure, Felder, Ereignisse und Institutionen, künstlerische und kulturtheoretische Positionen sowie künstlerische Manifeste
haben wir versucht, die Texte logisch zu gruppieren. Die Textauswahl repräsentiert ein breites politisches Spektrum. Sie unterliegt der Motivation der jeweiligen Autoren, die teils wissenschaftlich, teils künstlerisch, teils gesellschaftspolitisch geprägt ist. Die Texte erfordern daher nicht nur eine Einordnung in ihre Zeitumstände, sondern auch eine kritische Lesart. Die vorliegende Anthologie beinhaltet Texte aus mehreren Jahrhunderten und Kontinenten. Die Gesellschaften, auf die sich die kulturpolitischen, soziologischen, ökonomischen oder staatsphilosophischen Untersuchungen beziehen, sind teils bereits vergangen. Im Feld der angewandten Kulturwissenschaften ist die Applizierung von Wissen mit historischen oder national diversen Prägungen nur mit Vorsicht vorzunehmen. Die Texte bieten exemplarische Einsicht in bestimmte Forschungsfelder und in die Anwendung bestimmter Methoden, sie sind kontext- und zeitspezifisch. Ihre Nützlichkeit für die Beurteilung aktueller Problemlagen und Forschungsfragen, also im Rahmen eines anderen historischen und politischen Umfelds, muss kontextspezifisch erörtert werden. Nicht in die Anthologie aufgenommen wurden Statistiken, wie die jährlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (mit den Kulturfinanzberichten, den Spartenberichten zu Musik, Museen, Bibliotheken, Baukultur u. a.)10, die Studien des Deutschen Kulturrates11, die Statistiken des Musikinformationszentrums12, des Deutschen Bühnenvereines13 und anderen. Sie sind unerlässliches Material für die Kulturpolitikforschung, werden hier aber nur insoweit diskutiert, als sie Anlass zu weiterführenden statistischen Analysen und wissenschaftlichen Diskussionen liefern (vgl. Getzner 2018; Rössel/Weingartner 2015 in diesem Band). Die folgende Übersicht über die einzelnen Texte kann dem Leser helfen, selektiv und gezielt zu lesen. Sie kann zudem der Beginn einer kritischen Diskussion der Texte sein. 10 www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Kultur/ KulturfinanzberichtGesamtmaterial.html (Stand: 13.02.2019) 11 www.kulturrat.de/publikationen/studien/ (Stand: 13.02.2019) 12 www.miz.org/statistiken.html (Stand: 13.02.2019) 13 www.buehnenverein.de/de/publikationen-und-statistiken/statistiken.html (Stand: 13.02.2019)
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Die Kapitel im Einzelnen I. Kapitel Im ersten Kapitel, „Philosophische und kulturtheoretische Reflexionen“, steht die Frage im Mittelpunkt, welche Rolle Kunst und Kultur für die Gesellschaft erfüllen sollen, das heißt, welche Funktionen ihnen von unterschiedlichen Seiten zugeschrieben werden. Im Laufe der Lektüre dieser Texte wird deutlich, wie Aufgabenzuweisungen an Kulturpolitik aus begleitenden gesellschaftlichen Erscheinungen resultieren. So sind die Texte, die wir für dieses Kapitel ausgewählt haben, jeweils von den historischen und politischen Zusammenhängen geprägt, in denen sie entstanden sind. Auch nehmen die Autoren als Sprecher jeweils völlig differente Perspektiven auf die Funktionen von Kunst und Kultur und entsprechende Konzeptionen von Kulturpolitik ein: So finden sich neben philosophischen Sichtweisen, wie von Friedrich Schiller und Matthew Arnold, auch pädagogische Sichtweisen, wie die von John Dewey, oder gesellschaftstheoretische, wie bei Alfred K. Treml und Dirk Baecker. F r i e d r i c h S c h i l l e r (1759-1805) schrieb seine Augustenburger Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1794) zur Zeit der Französischen Revolution. Vor dem Hintergrund einer jahrzehntelang währenden absolutistischen Unterdrückung der Bevölkerung steht bei ihm die dringliche Frage an, welche Staatsform nachhaltig Frieden und Wohlstand für eine möglichst breite Schicht der Bevölkerung sichern kann: Der Bau einer „wahren politischen Freiheit“ (Schiller 1794) müsse verhandelt werden. Schiller verweist hier auf die ästhetische Erziehung der Menschen (ebd.). Der Weg zur Freiheit der Gesellschaft erschließt sich in seiner Auffassung über die Freiheit des Individuums, welche nur über den „Umweg“ der Schönheit erlangt werden kann. Damit – und das kann als revolutionär gelten – entwirft Schiller ethische Grundsätze des Zusammenlebens aus der Ästhetik. Auf diese Weise könne der Mensch einen „dritten Charakter“ erreichen, der ihn zu einem emanzipierten und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt wohlwollend gesinnten Staatsbürger mache (ebd.: 3. Brief/hier: 49). Einen Staat, der aus solcherlei Individuen bestehe, sieht Schiller als „nachhaltig“ an: Er müsse nicht durch restriktive Gesetze oder Verhaltensnormen die Bürger „zusammenhalten“; vielmehr handele es sich um ein Gebilde, in dem (frei) gebildete Menschen aus freien Stücken heraus Verantwortung übernehmen, das Individuum wird gewissermaßen Staat (ebd.: 4. Brief/hier: 50): Schiller sieht den Weg dorthin in der Ausbildung des
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Empfindungsvermögens: „Alle Verbesserung im Politischen soll von Veredlung des Charakters ausgehen“ (ebd.: 9. Brief). Friedrich Wilhelm Christian Carl Ferdinand von Humb o l d t (1767-1835) war ein preußischer Gelehrter, der als Gründungsvater der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin gilt und sich schon früh mit den Zusammenhängen zwischen Kunst und Staatstheorie beschäftigte. Vermutlich im Jahr 1792 verfasste er die Abhandlung Ideen zu einem Versuch, die Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, die allerdings erst 1851 veröffentlicht wurde (Humboldt 2002 [1851]). Darin setzt er sich mit der Frage auseinander, in welchem Ausmaß der Staat in das Leben der Bürger eingreifen soll, um das Funktionieren des Staates zu garantieren. Grundlage für Humboldt ist hierbei die Idee des Neuhumanismus: Indem ein modernes Staatswesen auf die Selbstregulierungskräfte der Menschen vertraue, müssten keinerlei repressive oder regulierende Kräfte angewandt werden. Zwei Prinzipien sind hierfür bedeutend: Die „höhere Freiheit der Kräfte“ und die „Mannigfaltigkeit der Situationen“ (ebd.: 15/hier: 58). Voraussetzung für Ersteres sei ein hoher Bildungsstand des Individuums, den Humboldt mit der Fähigkeit assoziiert, aktiver Staatsbürger zu werden. Zweites sei Aufgabe des Staates, nämlich dem Individuum durch eine liberale Politik die Möglichkeit zu geben, seinen Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung auch zu verwirklichen. Dies könne er nur tun, indem der Staat selbst seine Wirksamkeit begrenze: [...] der Staat enthalte sich aller Sorgfalt für den positiven Wohlstand der Bürger und gehe keinen Schritt weiter, als zu ihrer Sicherstellung gegen sich selbst und gegen auswärtige Feinde notwendig ist; zu keinem andren Endzwecke beschränke er ihre Freiheit (ebd.: 44/hier: 67).
Dezidiert spricht er sich auch gegen jegliche Form staatlicher Erziehung aus – der Staat solle also in keinem Fall bildungspolitisch wirken. Er begründet dies damit, dass der Mensch in dieser, seiner Ansicht nach einförmigen Bildung bereits zum Bürger ausgebildet werde: „Daher müßte, meiner Meinung zufolge, die freieste, so wenig als möglich schon auf die bürgerlichen Verhältnisse gerichtete Bildung des Menschen überall vorangehen“ (ebd.: 60/hier: 68). „Charakter und Denkungsart“ (ebd.: 26/hier: 60) des Menschen sollten also durch staatliches Handeln nicht beeinflusst werden: Der Staat solle nicht Glück befördern wollen, sondern nur „Übel verhindern“ (ebd./hier: 59). Damit offenbart sich hier eine völlig andere Sichtweise als etwa bei Jevons, Arnold oder Lammert: Kultur und Bildung sollten eben nicht vom Staat geleistet werden.
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Dies wird bei Humboldt vielmehr als unzulässiger Eingriff in die freie Entfaltung des Individuums gesehen – diese ist es, die als höchstes Gut betrachtet wird. Humboldt als liberaler Vordenker und Kritiker einer Staatskunst bleibt auch heute aufgrund seiner grundlegenden Gedanken zur Rolle des Staates ein lesenswerter Autor. Die Grundidee Schillers und von Humboldts wird auch vom englischen Kulturkritiker M a t t h e w A r n o l d (1822-1888) aufgegriffen: Dieser möchte eine Erneuerung des Geistes beim englischen Volk bewirken. Im Vorwort zu Culture and Anarchy schreibt er: The whole scope of the essay is to recommend culture as the great help out of our present difficulties; culture being a pursuit of our total perfection by means of getting to know, [...] the best which has been thought and said in the world; and trough this knowledge, turning a stream of fresh and free thought upon our stock notions and habits […] the culture we recommend is, above all, an inward operation (Arnold 1903 [1869]: xi–xii).
Wie stellt sich Arnold dieses Vorhaben vor? Zunächst geht er von einer Kanonisierung der Künste und deren Institutionalisierung aus: So beschreibt er am Beispiel der Literatur die Notwendigkeit eines Pendants zur French Academy als „centre of taste and authority“ (ebd: xii). Dazu passt, dass Arnold Kultur als eine „study of perfection“ ansieht: Durch die Auseinandersetzung mit den schönen Erzeugnissen des Geistes, die bei ihm deutlicher und restriktiver als bei Schiller beschrieben werden – also dem Duktus des „Schönen, Wahren und Guten“ entsprechen – kann eine Humanisierung der Gesellschaft vollendet werden (ebd.: 12/ hier: 78). Diese Grundidee kann als Cultural Universalism beschrieben werden. J o h n D e w e y s ’ (1859-1952) Klassiker Art as Experience ist Plädoyer dafür, Kunst in die Alltagswelt der Individuen zu integrieren. Das Kunstwerk zeichnet sich für Dewey danach aus, was das „Produkt mit und in der Erfahrung macht“ (Dewey 1980[1934]: 9/hier: 81). Er sucht eine gelebte Verbindung der Kunst mit dem Gesellschaftlichen und lehnt die Idee der l‘art pour l‘art ab (ebd.: 14/hier: 86). Kunst wirke demnach nicht als Bauwerk, Buch, Gemälde oder Statue, sondern durch die Empfindungen seiner Rezipienten (ebd.: 10/hier: 82). Die Aufgabe von Kulturpolitik müsse es in Deweys Sinne sein, ästhetische Empfindsamkeit zu ermöglichen, also das Kunstwerk in Bezug auf die menschliche Erfahrung zurückzuführen. Dewey steht damit in der geistigen Tradition Schillers. Eine „Perversion“ dazu sind für Dewey diejenigen Museen, deren Geschichten von „Denkmäler[n] eines aufsteigenden Nationalismus und Imperalismus“ (ebd.: 15/hier: 87) zeugen. Kultur-
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politik sei dann reine Machtpolitik (ebd.). Damit lässt sich Dewey auch als Vordenker von Soziologen wie Pierre Bourdieu (1982) oder Lawrence W. Levine (1988) lesen, die dem Kunstbesuch eine symbolische Funktion zuschreiben. Aber auch zu Künstlern wie Joseph Beuys finden sich Parallelen, wenn Dewey etwa alltägliches ästhetisches Verhalten als „Ursprung der Kunst“ (Dewey 1980[1934]: 11/hier: 83) kennzeichnet. Deweys Position steht damit in Gegensatz zu den Texten von Arnold und Jevons, die die „reinen Produkte der Kunst“ als probatestes Mittel ansehen, die Arbeiter angemessen zu bilden; diese Auffassung baue laut Dewey eine „Aura [...] aus Ehrfurcht und Unwirklichkeit“ (ebd.: 13/ hier: 84f.) auf, die die Menschen von der Kunst entferne. Mit seinem Text bereitet Dewey auch den intellektuellen Nährboden für eine Theorie der Soziokultur, wie sie später Hermann Glaser und Karl Heinz Stahl (s. unten) formulieren. Auch der Hamburger Pädagogikprofessor Al f re d K . Tre ml (19452014) beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Kunst, Kultur und Gesellschaft, jedoch nicht normativ-philosophisch aufgeladen, sondern empirisch-theoretisch. Mit Hilfe der Evolutionstheorie entwickelt er ein wissenschaftliches Verständnis von Kultur, Natur und ihrem Zusammenspiel. Insbesondere die funktionale Differenzierung von Kunst und Kultur überzeugt im Hinblick auf ihren gesellschaftlichen Gebrauch. Sein Beitrag wirft in der Reflexion ein zunächst ungewohntes, aber erhellendes Licht auf Kulturpolitik.14 Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur entwickelt, in Anlehnung an Bronislaw Malinowski, der Soziologe und Systemtheoretiker D i r k B a e c k e r (* 1955). Ausgehend von der Feststellung, dass es bei Kulturpolitik „immer um die Förderung der Künste in ihrer Funktion der Förderung der Bildung von Individuen in zunehmend anforderungsreichen gesellschaftlichen Umwelten“ (Baecker 2013: 31/hier: 112) gehe, versucht er, eine alternative Perspektive auf die Funktion der Kulturpolitik einzunehmen: Kulturpolitik, so wollen wir behaupten, ist genau dann Gesellschaftspolitik, wenn es ihr gelingt, eine Kultur zu schützen und eine Kunst zu fördern, deren Wert darin bestehen, dass sie eine wichtige Auseinandersetzung der Gesellschaft über ihre Normen entweder erinnern oder weiterhin führen. (ebd.: 32/hier: 113f.)
Die Kunst nimmt nun in diesem Kontext die Rolle ein, von der Gesellschaft angebotene Normen im Modus der Ästhetik zu irritieren (ebd.: 14 Eine so verstandene Evolutionstheorie könnte eine interessante Linse zur Ausarbeitung einer Kulturpolitiktheorie sein. Siehe analog hierzu: Neumann/Schöppe/Treml (1999).
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39/hier: 122). Ihr gehe es gerade darum, das Gesellschaftliche nicht deckungsgleich zu übernehmen, sondern einen Bruch zwischen gesellschaftlicher und individueller Wahrnehmung herbeizuführen. Mit Treml und Baecker liegen somit die ersten beiden Texte dieses Bandes vor, die sowohl die Gesellschaft im Blick haben, als auch theoretisch scharf gestellt sind und sich für eine wissenschaftlich basierte Theoriebildung jenseits normativer Zuschreibungen aussprechen.
II. Kapitel Im zweiten Kapitel, „Politische Entwürfe“, sollen all diejenigen Autoren zusammengefasst werden, die das gesellschaftliche Erneuerungspotential von Kultur mit einer konkreten politischen Agenda verbinden. Diese Texte sind erkennbar motivational getrieben und reagieren auf bestimmte historische, nationale Situationen. Vorgestellt werden Texte aus Großbritannien, Deutschland und der Volksrepublik China. Der englische Ökonom und Philosoph W i l l i a m S t a n l e y J e v o n s (1835-1882) beispielsweise setzt sich für die Verbreitung einer moralischen Kultur im Volk ein: Kultur solle zur Rekreation bzw. zur Erholung der Arbeiter dienen und deren moralische Standards erhöhen (Jevons 1883: 2/hier: 130). Ziel und Mittel sieht Jevons darin, öffentliche, „moralisch hochwertige“ Kulturveranstaltungen anzubieten (ebd.). Als besonders vielversprechend sieht Jevons dabei die Kultivierung des musikalischen Geschmacks (ebd.: 9/hier: 134). Kultur dient bei Jevons allerdings der „reinen Unterhaltung“: Sie solle sich nicht mit dem Gesellschaftlichen vermischen, da dies die Zuschauer belaste (ebd.: 11/ hier: 136). Seine kulturpolitische Vision besteht darin, eine musikalische Unterhaltung dieser Art jedem Bürger zugänglich zu machen – in der Stadt, auf dem Land und vor allem unabhängig von seiner Klasse. Damit ist der Ansatz einer „Demokratisierung von Kultur“, wie er später etwa bei Hilmar Hoffmann in den 1970er Jahren in Deutschland leitend war, bereits bei Jevons angelegt. Vor dem Hintergrund des radikalen kulturellen Neuanfangs, der nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland nötig war, nahm Kulturpolitik vor allem die Rolle einer Identitätspolitik ein. Im Wiederaufbau der deutschen Städte, der auch als ästhetisches Projekt gestaltet werden sollte, wurde der Wunsch zur Erneuerung der kulturellen Identität deutlich, wenngleich es sich genaugenommen nicht um eine „Neuerung“ handelte. So kann der Text des Graphikers und Lithographen F r i t z H . E h m c k e (1878-1965) in die Zeit der „Kulturpflege“ eingeordnet wer-
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den. Zugleich ist in Ehmckes Text ein zentrales Begründungsmuster enthalten, das Kulturpolitik bis heute kennzeichnet: Die kulturelle (Aus-) bildung der Bürger solle gestärkt werden, um den Wiederaufbau der Städte so zu gestalten, dass dieser nach den Prinzipien des „harmonisch Gestalteten“ (Ehmcke 1947: 43) verlaufen könne. Diese Aufgaben sollten „bis in ihre kleinsten Einzelheiten seelisch durchdrungen, liebevoll gestaltet, aus vortrefflichem Material [...] hergestellt werden“ (ebd.: 10/ hier: 142). Um die Empfänglichkeit für „das Schöne“ zu schulen und damit Arbeitskräfte auszubilden, die einen Wiederaufbau nach diesen Prinzipien zu leisten imstande sind, spricht er sich außerdem für eine Reform des Kunstunterrichts aus. Ganz klar kann Ehmckes Ansatz damit als Vorläufer einer Politik der kulturellen Bildung verstanden werden. Als Manifest der Soziokultur gilt die von H e r m a n n G l a s e r (1928-2018, Kulturhistoriker und langjähriger Leiter des Kulturausschusses des Deutschen Städtetags) und K a r l - H e i n z S t a h l (k.A.) verfasste Schrift Die Wiedergewinnung des Ästhetischen. Perspektiven und Modelle einer neuen Soziokultur. Im Titel wird dabei bereits die Intention der Autoren sichtbar: Nicht um die Formulierung einer völlig „neuen“ Kulturpolitik geht es ihnen, sondern darum, Kulturpolitik zu ihren Wurzeln zurückzuführen. Diese Wurzeln werden in der Konzeption einer ästhetischen Erziehung gesehen, die als Quelle für die Ermächtigung des Einzelnen und damit einer Umgestaltung von Gesellschaft dient: Der Bürger solle – in Anlehnung an Kants beschriebene „Mündigkeit“ – durch die Auseinandersetzung mit dem Ästhetischen die Fähigkeit erhalten, das öffentliche Leben mitzugestalten. Der Text ist deutlich von den Gedanken der 68er-Bewegung sowie der Kritischen Theorie geprägt, die die Manipulation der Bürger durch Politik und Kulturindustrie anmahnt. Durch Kultur solle der Bürger seine Fähigkeiten zur Anteilnahme und Gestaltung von Politik erlernen: Kulturelle Bildung als gesellschaftlicher Kampfbegriff. Der Text markiert eine Gegenposition zu Humboldts Liberalismus: Freiheit soll bei Glaser und Stahl durch (staatliche) Erziehung und Vergesellschaftung des Kulturellen erreicht werden, bei Humboldt durch die Freiheit vom Staat und der Förderung des Individuums sowie seiner jeweiligen Anlagen. Eine weitere spezifisch deutsche Argumentation zur Kulturpolitik bildet auch den Hintergrund für N o r b e r t L a m m e r t s (* 1948, ehemaliger Präsident des Bundestages und derzeit Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung) Aufsatz Kulturelle Bildung und Modernisierung der Gesellschaft (Lammert 1991). So befinde sich der deutsche Staat kurz nach der Wiedervereinigung in einer mentalen Spaltung.
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Der Staat müsse also nicht nur geographisch und arbeitspolitisch wieder zusammenfinden, sondern auch eine gemeinsame Identität wiederentdecken. Begleitend lösten die übergreifenden gesellschaftlichen Entwicklungen des Wertewandels sowie des Wandels von Arbeit und Freizeit grundsätzliche Prozesse der Suche nach Sinn und Orientierung aus (ebd.: 44/hier: 159). Lammert misst der Kulturförderung als Staatsaufgabe eine immens hohe Bedeutung zu: So sieht er sie als „Verfassungsauftrag“ (ebd.: 45/hier: 159), den Weg hin zu einer „Kulturgesellschaft“ (ebd.) als selbstverständlich. Bildung und Kultur funktionieren bei Lammert stets als Einheit – eine Auseinandersetzung mit Kultur ist für ihn de facto ein Akt der Bildung. Gerade für die sich in Transformation befindende ehemalige DDR strebt Lammert deshalb eine Erneuerung mittels kultureller Bildung und langfristig eine Zusammenführung beider deutscher Staaten auf kultureller Basis an. So sei der „staatliche Vereinigungsprozess (...) auch ein kultureller wechselseitiger Verständigungs- und Anpassungsprozeß“ (ebd.: 63/hier: 166). Kultur durch Kunst, auch und insbesondere in restaurativer Manier, wird bei Lammert zur Staatsräson. Sein Text lässt sich daher aus Baecker’scher oder Treml’scher Perspektive lesen, aber auch einer narrativen Diskursanalyse unterziehen. Von Kultur- als Identitätspolitik handelt auch der Aufsatz von J ö r n R ü s e n (* 1938, Senior Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen): Dieser beschreibt in seinem Artikel Strukturwandel der kulturellen Öffentlichkeit die Herausforderungen an Kulturpolitik vor dem Hintergrund einer zunehmend heterogenen Bürgergesellschaft und gleichzeitig einer Entstaatlichung von Kultur, die er mit den Schlagworten der Ökonomisierung und Privatisierung benennt. Rüsen schöpft aus dem Repertoire der „Megathemen“ unserer Zeit, die Kultur und kulturelles Schaffen beeinflussen: Der demografische Wandel, die Globalisierung und damit einhergehend eine Verunsicherung der Idee von Europa als gemeinsamer Identifikationsfigur. Zusammengenommen bildet dies für ihn die Veränderung kultureller Öffentlichkeit(en) ab, auf die Kulturpolitik reagieren müsse. X i J i n p i n g (* 1953), Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas und Staatspräsident der Volksrepublik China, stellt die Rolle der Kultur als Instrument der Werteorientierung in Innen- und Außenpolitik vor. In seiner Rede wird die bedeutende Funktion sichtbar, die einer Rückbesinnung auf Chinas traditionelle kulturelle Werte bei der Einigung des Volkes vonseiten der politischen Führung zugeschrieben werden:
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[...] cultivating and disseminating the core values and effectively integrating the people’s mindset is an important means of ensuring that the social system operates in a normal manner and that the social order is effectively maintained (Jinping 2014: 181/hier: 181).
Während Kunst im europäischen Kontext mitunter die Funktion zugewiesen wird, das politische System und gesellschaftliche Gewohnheiten zu kritisieren und zu irritieren, tritt bei Xi also ein ganz anderes Verständnis hervor, das eine „Harmonisierung“ der Gesellschaft mit dem politischen Willen forciert. Der kurze Text eines Redemanuskriptes vermittelt ein erstes Verständnis chinesischer Kulturpolitik und deren aktueller Funktion. Nicht zuletzt erscheint die Rede bedeutsam, da eine kulturelle Werteorientierung lange Zeit am Vorbild des Westens erfolgte, der jedoch im Hinblick auf die rasante technologische, militärische und wirtschaftliche Entwicklung Chinas zunehmend in den Hintergrund rückt. Es lohnt sich also, diesem expandierenden Staat Aufmerksamkeit zu schenken.
III. Kapitel Das dritte Kapitel, „Zur Legitimation und Dekonstruktion der Notwendigkeit staatlicher Kulturförderung“, nimmt sich der Argumentationen an, die für oder gegen staatliche Interventionen zur Förderung der Künste angebracht werden. Darin sind Texte zusammengestellt, die historische und aktuelle Perspektiven in nationaler Vielfalt (Deutschland, Großbritannien, USA, Australien) abbilden. Kulturpolitiker begegnen in ihrer beruflichen Praxis oftmals der Herausforderung, sich – in höherem Maße als dies andere grundständige Aufgaben des Staates betrifft – für den Sinn und Zweck öffentlicher Kulturförderung rechtfertigen zu müssen. Diese inhärente Rechtfertigungslogik, die kulturpolitischer Praxis zugrunde liegt, drückt sich seit jeher in ihrer Anbindung an externe Funktionen – in manchen Fällen sogar verbunden mit einem konkreten politischen Ziel (siehe Kapitel 2 in diesem Band) – aus. Selten werden dabei Argumente bemüht, die etwa an der ästhetischen Funktion von Kunst ansetzen. Die Ausgangsfrage der Rede von T h e o d o r H e u s s (1884-1963), dem ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, am 17. Mai 1951 berührt den grundsätzlichen, kulturpolitischen Neuanfang in der noch jungen Bundesrepublik: Wie verhalten sich Kultur und Politik zueinander vor dem Hintergrund des Machtmissbrauchs von Kultur für politische Zwecke im Dritten Reich? Kann und soll der Staat vor
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diesem geschichtlichen Hintergrund als aktiver Förderer der Künste auftreten? Heuss sieht in diesen Fragen ein grundsätzliches Dilemma: So ist das Misstrauen in den Staat einerseits tief, er soll jedoch gleichzeitig unterstützend wirken (Heuss 1951: 61/hier: 189f.). Damit ist die Verunsicherung über Kräfte und Grenzen der Kulturpolitik groß. Eine alleinig staatliche Kulturförderung bleibt fraglich; indes treten jedoch neue Träger auf den Plan: So werden etwa die Kommunen als Kulturförderer im Zuge der dezentralen politischen Verantwortlichkeit immer bedeutender. Insgesamt spricht aus Heuss’ Worten das Selbstverständnis einer Politik der Kulturpflege, die von einer Abstinenz jeglicher aktiven politischen Lenkung in Kulturfragen geprägt ist. Von diesem Selbstverständnis ist es noch ein weiter Weg hin zu einer Kulturpolitik, die ihre Ziele und Zwecke auf theoretische Begründungen stützt, wie etwa die Neue Kulturpolitik der 1970er Jahre. Der jüdische Germanist W e r n e r R i c h t e r (1887-1960), der bis zur Machtergreifung als Ministerialdirigent im Preußischen Kulturministerium gewirkt hatte und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Rektor der Bonner Universität am Wiederaufbau des deutschen Wissenschaftssystems beteiligt war, sieht „staatliche Einwirkungskraft“ in der Kulturpolitik „mehr im Funktionellen und Organisatorischen als im eigentlichen Schöpferischen“ (Richter 1955: 21/hier: 197). Dies deutet auf eine Perspektive hin, die den Staat in erster Linie als Kulturverwalter denn als aktiven Gestalter der Kulturlandschaft sieht. Den „Trägern des Kulturlebens“ müsse „die Atmosphäre der Freiheit“ (ebd.: 30/ hier: 201) gewährleistet werden, „in der allein schöpferische Leistungen entstehen können“ (ebd.). Dem wohnt also – wie bei Heuss auch – ein starkes Bewusstsein von Kulturpolitik als Ermöglichung von Kulturproduktion inne. Diese Ideen sind nicht weit entfernt vom englischen arm‘s length principle, das die beiden folgenden Texte vorstellen. Der britische Ökonom J o h n M a y n a r d K e y n e s (1883-1946) beschreibt in seinem Aufsatz The Arts Council: Its Policy and Hopes die Gründung des Arts Council of Great Britain als Start in eine ermöglichende Kulturpolitik: Durch den Arts Council solle neue Arbeit geschaffen und die Rezeption sogenannter civilising arts gesteigert werden. Außerdem sieht Keynes durch die Verbreitung der Künste in der gesamten Bevölkerung die Chance, bereits vorhandenes Interesse, beispielsweise an klassischer Musik, durch das unmittelbare Erleben bei öffentlichen Konzerten noch zu steigern. Durch den dezentralen Ansatz des Arts Councils solle vor allem auch das lokale und regionale Kultur-
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leben abseits der Metropole London gestärkt werden. Die Position steht in erkennbarer Tradition des vorangestellten Textes von Jevons. S i r R o y S h a w (1918-2012) war von 1975 bis 1983 Generalsekretär des Arts Council of Great Britain. Er sieht öffentliche Kulturförderung als Bereitstellung eines menschlichen Grundbedürfnisses, vergleichbar etwa mit dem sozialen Wohnungsbau (Shaw 1987: 31/hier: 210). Dem Argument, dass Kulturförderung nur einer kleinen Minderheit der Bevölkerung zugute käme, begegnet er mit der Feststellung, dass es sich dabei – wie bei anderen staatlichen Maßnahmen auch – um eine Form der Umverteilung im Sinne einer Solidargemeinschaft handle. Dabei plädiert er gleichzeitig für verstärkte Anstrengungen in den Bereichen Kulturvermittlung und kulturelle Bildung, um die Künste einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen (ebd. /hier: 211). Der Frage der Umverteilung widmen sich auch die beiden US-Amerikaner P a u l D i M a g g i o (* 1951, Professor Emeritus für Soziologie, Princeton University) und M i c h a e l U s e e m (* 1942, Professor für Management, University of Pennsylvania). Sie nähern sich dem Paradox, dass die Künste in den USA zwar einerseits als öffentliches Gut verstanden werden, die staatlich gefördert werden müssten, andererseits aber überwiegend von einer bürgerlichen Klientel getragen und konsumiert würden. So würde gerade in den Organisationsstrukturen der Hochkultur, wie in den privaten Trägervereinen von Symphonieorchestern oder Theatern, die Dominanz einer bürgerlichen Elite sichtbar, die sich auch in der soziodemographischen Zusammensetzung der Besucher widerspiegle. In Bourdieu’scher Tradition argumentieren sie, dass einer Demokratisierung der Künste empfindliche Barrieren gegenüberstünden, die vor allem mit der Exklusivität des Umfeldes von Kultureinrichtungen und dem ungleichen Zugang zu kulturellem Kapital und kultureller Bildung erklärbar seien (ebd.: 381ff./hier: 237ff.). DiMaggios und Useems Ausführungen weisen damit eindeutige Parallelen zu den sich zugleich in Deutschland vollziehenden Bewegungen hin zur Soziokultur auf und rekurrieren so auf ein typisches Argumentationsmuster, das auch im bundesdeutschen kulturpolitischen Diskurs um öffentliche Kulturförderung immer wieder aufgegriffen wird: Was nicht von allen genutzt wird, könne nicht von allen bezahlt werden. Dass damit ein grundlegender Pfeiler des solidarstaatlichen Prinzips infrage gestellt wird, nämlich die Infrastruktur für Verkehr, Sport oder eben auch Kultur von staatlicher Seite zu finanzieren, obgleich nicht alle Bürger diese Strukturen zu gleichen Maßen nutzen, kann diskutiert werden. Obgleich der Text ein Schlüsseltext der Kultursoziologie ist, wirft er bei genauer
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Lesart Fragen auf und lässt die teils normative Argumentation nicht unhinterfragt. Anders als in der Geschichte der Bundesrepublik ist in den USA seit jeher eine gewisse Skepsis gegenüber staatlichen Eingriffen in das Marktgeschehen vorherrschend. Flankiert wurde dies von Skandalen, wie etwa des National Endowment for the Arts (NEA), die die öffentliche Finanzierung von Kunst mit Nachdruck in Frage gestellt haben. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler E d w a r d C . B a n f i e l d (1916-1999), ehemals Professor an der Harvard University, bringt diese Geisteshaltung in seinem Werk The Democratic Muse. Visual Arts and the Public Interest zum Ausdruck. Die oftmals extrinsisch motivierte Legitimation öffentlicher Kulturförderung, wie etwa durch soziale oder ökonomische Zielsetzungen, sieht er als unhaltbar, dass Kultur immer „gut“ sei, als Mythos. De facto diene die öffentliche Förderung von Kunst einer elitären Minderheit und liege damit nicht natürlicherweise im Hoheitsbereich des Staates: That the political system so often ignores the limits defining the proper sphere of government is evidence of its sensitivity to the pressures of organized minorities, not of a public opinion that rejects the idea of limits (Banfield 1984: 197/hier: 247).
Banfield gehört damit zu den wenigen Autoren, die den Nutzen der Künste für die Gesellschaft grundsätzlich in Frage stellen. Gleichzeitig bleibt seine Kritik, etwa zur ungeklärten Rolle der Transfereffekte künstlerischer Bildung, bis heute relevant. Eine aktuelle US-amerikanische Perspektive kommt von D u s t i n K i d d (* 1975), Professor für Soziologie an der Temple University, Florida. Er beschreibt und diskutiert in seinem Artikel die Legitimationsrhetoriken sogenannter arts advocacy groups in den USA als Reaktion auf die sich häufenden verbalen Angriffe auf den National Endowment for the Arts als Förderorganisation ab 1989. Zentral dafür ist der Diskurs um Public Culture, also öffentlich und als Allgemeingut geschätzte Kunst und Kultur, der in den USA bekanntermaßen – anders als in Deutschland, wo dieser Diskurs integraler Bestandteil der Kulturpolitik ist – eher eine untergeordnete Bedeutung einnimmt. Kidd identifiziert dabei 13 Argumente für eine öffentliche Kulturförderung, wie etwa die bildende Wirkung oder den ökonomischen Nutzen von Kultur. Dieser Text eignet sich insbesondere als Überblicksartikel zu zentralen Argumenten der Kulturförderung. Einen Einblick in die jüngere kulturpolitische Geschichte des Commonwealth-Staates Australien gewährt D e b o r a h S t e v e n s o n
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(* 1958, Professor of Sociology and Urban Cultural Research, Western Sydney University). Sie skizziert die Karriere unterschiedlicher Förderschwerpunkte, Themen und Akteure seit den 1930er Jahren und hebt in ihrer Analyse der Creative Nation insbesondere auf die jeweils von politischer Seite forcierten Motivationen der Kulturförderung ab. Stevenson gewährt einen Einblick in die Genese der Kulturpolitik eines noch jungen Landes im asiatisch-pazifischen Raum, in dem Kulturpolitik zu weiten Teilen in europäischer Tradition gedacht wird – im Gegensatz etwa zur chinesischen Vision von Kulturpolitik, wie sie Xi Jinping in diesem Band repräsentiert.
IV. Kapitel Das vierte Kapitel, „Kulturförderung aus der Perspektive der Kulturökonomie“, gibt eine Einführung in die Argumente für und wider staatliche Kulturförderung aus kulturökonomischer Perspektive und stellt Forschungsansätze vor, die sich auf empirischer Grundlage mit öffentlicher Kulturförderung beschäftigen. Dabei steht sowohl die Frage im Mittelpunkt, von welchen Faktoren – soziodemographischen oder politischen Faktoren etwa – öffentliche Kulturförderung überhaupt abhängt, als auch die Frage, wie diese eigentlich das künstlerische Schaffen beeinflusst. Nicht alleine der ökonomische Blick auf die Kulturförderung stellt eine wertvolle Ergänzung dar, sondern auch die empirisch-statistischen Methoden, mit denen Effekte der Kulturförderung untersucht werden können. Als einführende Beiträge zur Kulturökonomie dienen die Artikel von Frey (2003) und Towse (2014): Der Schweizer Kulturökonom B r u n o S . F r e y (* 1941), ehemals Professor an der Universität Zürich, gibt einen grundlegenden Überblick über die national sich unterscheidenden Formen der Kulturförderung und stellt zentrale Argumente dar, die von einem kulturökonomischen Blickwinkel aus typischerweise für oder gegen staatliches Kulturengagement angeführt werden. Die Britin R u t h T o w s e (* 1943, Professor in Economics of Creative Industries, Bournemouth University) gibt, auf den Beitrag von Frey aufbauend, einen Überblick über Schlüsselbegriffe der Kulturökonomie, wie „Wohlfahrtsökonomie“, „Marktversagen“ oder das „Pareto-Optimum“. Einen empirisch geleiteten Einstieg in die Thematik bieten die Artikel von Klamer/ Petrova (2007), Getzner (2015) sowie Rössel/ Weingartner (2015): Wie unterschiedliche Arten der Finanzierung von Künstlern deren Kreativität beeinflussen, untersuchen A r j o K l a m e r (* 1953)
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(Professor of Cultural Economics, Erasmus University Rotterdam) und L y u d m i l a P e t r o v a (* 1973, research associate, Erasmus University Rotterdam). Ihre Kernfrage lautet: „When artists create, does it matter whether the income is earned, subsidized, sponsored, or donated?“ (Klamer/Petrova 2007: 246/hier: 305). Misst man der Kulturpolitik die Rolle zu, künstlerisches Schaffen zu fördern, wird Kreativität zum Schlüsselbegriff (ebd. 248/hier: 308). Klamer und Petrova weisen auf die Bedeutung unterschiedlicher Wertekriterien hin, die spezifische soziale Umwelten an die Kunstproduktion, also kreative Arbeit, stellen. Während der Markt eher Unabhängigkeit und Individualität betone, würde die Kulturpolitik beispielsweise Kunst eher nach Zugänglichkeit, Gleichheit und Solidarität bemessen (ebd.: 250/hier: 311). Deshalb könne „Kreativität“ als Indikator nicht absolut gesetzt werden; die Evaluationskriterien hingen mit der feldspezifischen Bewertung von Kunstereignissen zusammen. Während eine oft getroffene Annahme darin besteht, dass Kulturausgaben Konsolidierungsmaßnahmen nationaler Haushalte zum Opfer fielen und andererseits die politische Gesinnung der regierenden Partei einen bedeutenden Einfluss auf die Höhe der Kulturausgaben habe, testet M i c h a e l G e t z n e r (* 1966, Institut für Raumplanung, Forschungsbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik, TU Wien) diese Hypothesen anhand der Ausgabenhöhen für Kulturförderung in Österreich. Getzners empirisch-statistischer Beitrag kann deshalb als bedeutend begriffen werden, weil er unhinterfragte Grundannahmen des kulturpolitischen Diskurses revidiert: So wird Kulturpolitik in aktuellen Diskursen unter dem Schlagwort der „konzeptbasierten Kulturpolitik“ stets ein aktiver Gestaltungswille zugesprochen. Zumindest die Höhe der Ausgaben betreffend scheint dies jedoch nicht zuzutreffen. J ö r g R ö s s e l (* 1968, Professor am Soziologischen Institut der Universität Zürich) und S e b a s t i a n W e i n g a r t n e r (* 1983, Postdoc am selbigen Institut), untersuchten am Beispiel der Ausgaben für Kultur, Freizeit und Sport der Schweizer Kantone in der Zeit von 1977 bis 2010, inwiefern sich die soziodemographische Zusammensetzung der Bevölkerung in den jeweiligen Kantonen auf die Entwicklung der Höhe der Kulturausgaben auswirkte. Auch sie arbeiten aufwändig empirisch-statistisch. Während die gesamten Kulturausgaben in der betrachteten Zeitspanne kontinuierlich stiegen, stellen sie andererseits deutliche Unterschiede in der Ausgabenpolitik der Kantone fest. Überraschen muss dabei insbesondere der Befund, dass Kantone, deren Bevölkerung im Schnitt ein sehr hohes Bildungsniveau besitzen, eher
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niedrige Kulturausgaben aufweisen. Dieses Ergebnis interpretieren Rössel und Weingartner im Hinblick auf die von Feder und Katz-Gerro (2012) entwickelte These des „hegemony distinction“-Ansatzes: Demnach sei in hoch gebildeten Gesellschaften das politische Interesse gering, den Zugang zu exklusiven Gütern – wie den Kulturbesuch – möglichst allen Bürgern zur Verfügung zu stellen. Der Ökonom und Soziologe M i c h a e l H u t t e r (* 1948, emeritierter Professor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) entwickelt eine erweiterte Perspektive auf den Zusammenhang von Kunst und Ökonomie. Er entfaltet, historisch informiert, einen Spielbegriff, der es erlaubt, feldspezifische Logiken zu identifizieren: Spielereignisse markieren die Grenzen der Spielsphäre, sie legen die Unterscheidung zwischen Spielern, Zuschauern und außenstehenden Beobachtern nahe, und sie transportieren das Verhaltensmuster in Spielen, wenn der nächste Spielzug ausgeführt werden muss, ohne die Folgezüge vollständig vorhersehen zu können. (Hutter 2015: 17/hier: 370)
Hutter gibt den Blick frei auf ein weites Verständnis von Kulturökonomie, in dessen Zentrum der Wertwechsel, die Aufladungen und Wertschöpfung von Kunst und Ökonomie stehen. Der Beitrag öffnet den Blick auf das folgende Kapitel.
V. Kapitel Im fünften Kapitel, „Über die Bedeutung von Sprache in der Kulturpolitik“, steht die Art und Weise im Mittelpunkt, wie die Definition politischer Sachverhalte – und dabei die Benennung von Ursachen politischer Probleme und entsprechend als sinnvoll eingeschätzten politischen Maßnahmen – die Zielsetzungen von Kulturpolitik und damit auch konkret die Verteilung von Fördermitteln beeinflusst. Wie etwas in Positionspapieren, politischen Stellungnahmen oder Gesetzesentwürfen formuliert wird, hat somit großen Einfluss darauf, welches politische „Standing“ ein Thema hat: Ob es etwa an weitere Politikfelder wie die Sozial- oder Bildungspolitik anknüpfen kann und ihm damit der Zugang zu reicher bestückten finanziellen Ressorts offensteht. Daran anschließend können in einer diachronen Sichtweise unterschiedliche „Begründungslogiken“ von Kulturpolitik beobachtet werden: So scheint gerade das Politikfeld Kulturpolitik anfällig für Argumente zu sein – wie auch schon in den vorherigen Kapiteln deutlich wurde –, die sich nicht
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in der Qualität von Kultur selbst begründen, sondern auf externe Narrative und Wirkungsbeschreibungen rekurrieren. Obgleich das Politikfeld Kulturpolitik ganz besonders unter dem Einfluss von „Megathemen“ steht, wie Identität, Demokratie, diversity und soziale Kohäsion, und damit dem diskursiven Element des making policy eine erhöhte Relevanz zugeschrieben werden muss, beschäftigt sich auch die allgemeine Politikwissenschaft seit Längerem mit der Bedeutung des Sprachlichen im politischen Prozess und hat damit, entgegen ihrer eher quantitativ orientierten Tradition, auch einen interpretativen Strang der Policy-Forschung entwickelt. Als Vorreiter für diesen argumentative turn in der Politikwissenschaft können Fischer und Forester gelten (1993). Auch wenn diesem Strang in den Politikwissenschaften gelegentlich Kritik entgegenschlägt, die sich vor allem daran ausrichtet, dass qualitative Ansätze oftmals die „harten“ Rahmenbedingungen der Politikgestaltung außer Acht ließen (Schneider/ Janning 2006: 185f.), möchten wir in dieser Anthologie die Potentiale der interpretativen Policy-Forschung für die Analyse kulturpolitischer Entscheidungsprozesse hervorheben. Wir stellen an dieser Stelle unterschiedliche methodische Ansätze der Diskursanalyse vor, da sie uns gewinnbringend für die Kulturpolitikforschung erscheinen. F r a n k F i s c h e r (* k. A., Professor emeritus of Political Science, Rutgers University) und H e r b e r t G o t t w e i s (1958-2014, Professor für Politikwissenschaft, Universität Wien) haben den Ansatz von Fischer und Forester aktualisiert, verfolgen jedoch einen ähnlichen Kerngedanken: „The argumentative turn begins with the realization that public policy, constructed through language, is the product of argumentation“ (Fischer/Gottweis 2012: 7/hier: 391). Zentral für diesen Ansatz ist eine konstruktivistische Herangehensweise, die politische Sprache nicht als Formulierung gegebener oder bestehender Sachverhalte heranzieht, sondern davon ausgeht, dass diese durch ihre Versprachlichung erst geformt wird. Fischer und Gottweis greifen in der Einleitung zu ihrem Buch The Argumentative Turn Revisited neuere Entwicklungen der interpretativen politikwissenschaftlichen Forschung auf, die in den letzten Jahren insbesondere durch die rasante Karriere des Diskursbegriffs eingenommen wurde. Die Autoren sortieren Begrifflichkeiten wie Diskurs, Argumentation, Narrativ oder Verhandlung und können Kulturpolitikforschern damit helfen, die passenden Konzepte für die eigene Fragestellung zu wählen. Die amerikanische Politikwissenschaftlerin D e b o r a h S t o n e (* k. A., Professor Emerita, Brandeis University) darf als Mitbegründerin
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des qualitativen Forschungsparadigmas in den Politikwissenschaften gelten. Das Besondere an ihrem Ansatz benennt der Terminus der Causal Stories: Stone analysiert politische Sprache, indem sie die inhärenten linearen Ursache-Lösungs-Konstrukte identifiziert, die politischen Maßnahmen (nachträglich) zugrunde gelegt werden. Stones Arbeit wirkt als Dekonstruktionsleistung, die sich auch auf Kulturpolitik übertragen lässt: Wenn etwa kulturelle Bildung als eindeutige Konsequenz und Lösung einer mangelnden sozialen Kohäsion der Bevölkerung beschrieben wird, ist Vorsicht geboten. Natürlich gehört es in gewisser Weise zum politischen Tagesgeschäft, Sachverhalte zu vereinfachen. Dem Forscher sollte aber an der genauen Analyse von Zusammenhängen gelegen sein, die solche einfachen Handlungsanweisungen durchbrechen und hinterfragen. Auch C a r o l L . B a c c h i (* 1948, Emeritus Professor for Politics, University of Adelaide) nähert sich der Analyse von Politik über die Frage der Versprachlichung eines Problems. Einer politischen Argumentation und den daraus abgeleiteten Maßnahmen liege eine Sinnstruktur dessen zugrunde, was als „Ursache“ und was als „Lösung“ für einen als problematisch betrachteten Sachverhalt gesehen wird. Politische Probleme würden demnach so konstruiert, dass die vorgebrachten politischen Maßnahmen passgenaue Lösungen bereithielten. Diese Prämissen übersetzt Carol Bacchi in diesem einführenden Beitrag in eine konkrete Anleitung zur Nutzung ihres What’s the problem represented to be?-Ansatzes für die eigene Forschung. Der Beitrag gibt damit gleichwohl seiner Kürze einen Einblick in Bacchis Vorgehensweise. Für Interessierte sei die Lektüre ihres Hauptwerks zur Methodik (Bacchi 2009) empfohlen. Deutlich ausführlicher argumentiert M a a r t e n A . H a j e r (* 1962, Professor of Urban Futures, Utrecht University). Er führt anhand des Beispiels des „Sauren Regens“ – das sich gedanklich bei der Lektüre seines Textes leicht mit den Beispielen zu „Integration“ oder „Kultureller Bildung“ ersetzen ließe – in seine Lesart der argumentativen Diskursanalyse ein. Hajer zeigt exemplarisch, wie Diskurse in Stellung gebracht werden, sich story lines ergeben, um die sich Diskurse strukturieren, und wie sich gegebenenfalls gar Diskurse institutionell manifestieren. In Bezug auf Letzteres ist insbesondere die Reflexion einer Verschränkung von Diskursen und Praktiken relevant, die Hajers Diskursbegriff innewohnt. So ist „Diskurs“ für Hajer ein „[…] specific ensemble of ideas, concepts, and categorizations that are produced, reproduced and transformed in a particular set of practices through which meaning is given to
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physical and social realities“ (Hajer 1995: 44; vgl. auch Hajer in diesem Band: 278). Dass sich dieser Ansatz zur Analyse kulturpolitischer Förderschwerpunkte eignet, versteht sich unmittelbar (vgl. Steigerwald 2019); Hajer gibt in seinem Beitrag dazu einen konkreten Forschungsplan. 15 Eine an Narrativen und story lines orientierte Arbeit findet sich auch bei C o n s t a n c e D e V e r e a u x (* 1957, Associate Professor, University of Connecticut) und M a r t i n G r i f f i n (* 1956, Associate Professor, University of Tennessee), die anhand von vier Fallstudien untersuchen, wie die Narrative von Transnationalismus und Globalisierung seit 1945 in verschiedenen Ländern Kulturpolitik(en) formen. In dem für diesen Band ausgewählten Kapitel gehen sie insbesondere auf ihre Methodik ein und geben dem interessierten Kulturpolitikforscher damit ein detailliertes Verständnis ihres theoretischen Hintergrundes und der Fragestellungen, die die analytische Arbeit mit Narrativen im kulturpolitischen Kontext anleiten sollen. Begründungslogiken für staatliche Kulturförderung am Beispiel rumänischer Kulturpolitik schildert D a n E u g e n R a t i u (* 1964, Professor für Philosophie, Babes-Bolyai University, Cluj-Napoca). So nahm etwa die Betonung nationaler und regionaler Identität(en) sowie darunter gefasste traditionelle Werte und Einstellungen, die während des sozialistischen Regimes unterdrückt wurden, nach dem Fall des Kommunismus eine erstarkende Rolle ein; genauso wurde aber der Einfluss westlicher Kulturpolitik(en) sichtbar, die sich bereits seit Längerem in die Richtung einer Anbindung an „messbare“ Ziele von Kulturpolitik und damit einer Evaluierungslogik der „Effizienz“ verschrieben hatten. Ratiu untersucht den Wandel von einer „sozialistischen“ zu einer „europäischen“ Kulturpolitik. Narrative der Kulturpolitik können – so zeigt dieses Beispiel eindrücklich – auch ganz konkrete Förderentscheidungen bewirken.
VI. Kapitel Im sechsten Kapitel, „Akteure, Felder, Ereignisse und Institutionen“, geht es um Akteursnetzwerke in der Kulturpolitik, die in Zeiten einer verstärkten Mitwirkung zivilgesellschaftlicher und privater Instanzen am Politikprozess relevant werden. So wird Kulturpolitik nicht etwa „vom Staat gesetzt“, sondern unter Beteiligung unterschiedlicher Dis15 Siehe hierzu auch Barbieri (2015). Leider war es uns aufgrund der hohen Abdruckgebühren nicht möglich, diesen Artikel mit in die Anthologie aufzunehmen.
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kursteilnehmer verhandelt. Dies zeigt sich am deutschen Fall prägnant durch die Wiederbelebung zivilgesellschaftlichen Engagements und die Neustrukturierung der Kulturförderung hin zu Programmen und Projekten. Dies wurde in den 1970er Jahren maßgeblich durch die sogenannte „Neue Kulturpolitik“ angestoßen und hat durch die verstärkte Mitwirkung von privaten und staatlichen Stiftungen sowie Fachverbänden und Vereinen an kulturpolitischer Themensetzung erneut an Bedeutung gewonnen. Auch im europäischen und internationalen Umfeld zeigt sich die Relevanz intermediärer Akteure. B e r n d W a g n e r (1948-2012, ehem. Direktor des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft) lenkt in seiner grundlegenden Definition des Begriffs „Kulturpolitik“ die Aufmerksamkeit auf die staatlichen Zielsetzungen, die mit dem Politikfeld Kulturpolitik verbunden werden. Kulturpolitik wird damit als Feld der Machtausübung in historischer und aktueller Sichtweise konzipiert, die Rolle der involvierten Akteure als entscheidend hervorgehoben. N o r b e r t S i e v e r s (* 1954, Geschäftsführer der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.) und P a t r i c k F ö h l (* 1978, Leiter des Netzwerks Kulturberatung) geben einen Überblick über die Entstehung der „Neuen Kulturpolitik“, die bis heute in ihren Dimensionen der policy, polity und politics Aufgabenzuweisungen an Kulturpolitik und die Struktur der Kulturförderung in Deutschland prägt. Der Wechsel von einem „ästhetischen zu einem sozio-dynamischen Kulturbegriff“ (Pankoke 1978: 16) ist dafür entscheidend. Dieser implizierte auch ein anderes Verständnis öffentlichen Verwaltungshandelns. In diesem Zuge – und infolge der Entwicklungen in den 1980er Jahren – entstanden neue Leitbilder von Kulturpolitik, die diese als „aktivierend“ (Scheytt 2008) kennzeichnen und hierarchische Steuerung durch kooperatives und koordiniertes Handeln ersetzen möchten. Eine Kulturpolitikforschung, die das Zustandekommen politischer Entscheidungen im bundesdeutschen Kontext untersucht, muss sich also notwendigerweise mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen, die zugleich Potential für weitere Forschungsarbeiten bieten. Eine erste Arbeit aus diesem Kontext kommt von R o b e r t P e p e r (* 1985, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kultur- und Medienmanagement, Hochschule für Musik und Theater Hamburg), der in seiner Promotion die Stiftung Historische Museen Hamburg mittels einer Netzwerkanalyse untersuchte. Peper gibt einen fundierten Einblick in das methodische Vorgehen. Mithilfe der qualitativen Methoden sollen prozesshaft die Dynamiken erfasst werden, die die Veränderungen
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in der Netzwerkstruktur bewirken. Es geht darum, Koalitionen, latente Machtstrukturen und ggf. die Veränderungen von Machtpositionen zu verstehen. Zusätzlich zu den Spielarten der Diskursanalyse scheint die Netzwerkanalyse ein probates Mittel der qualitativen Kulturpolitikforschung zu sein. Y u d h i s h t h i r R a j I s a r (* k. A., Professor of Cultural Policy Studies, The American University of Paris), zeigt am Beispiel der Vereinten Nationen, wie übergreifende Meta-Narrative das kulturpolitische Verständnis über Ländergrenzen hinweg formen und welche Rolle intermediäre Instanzen dabei spielen. So wird deutlich, dass die Entwicklung von Kulturpolitik hin zu einer koordinierten und kooperativen Form zwischen verschiedenen Akteuren komplexe Prozesse des Agenda Settings mit sich bringen. Kulturpolitik als „Feld“ im Bourdieu’schen Sinne bildet den Ausgangspunkt für K i r a n K l a u s P a t e l s (* 1971, Inhaber des Jean Monnet-Lehrstuhls für Geschichte der Universität Maastricht) Beitrag. Er zeigt darin die Rolle der Expertennetzwerke auf, die seiner Analyse zufolge die Wissens- und Argumentationsformen definieren, die europäischer Kulturpolitik zugrunde liegen. Zentral ist dabei auch die Formierung einer europäischen Identität, die durch das Reden und Handeln der Experten geprägt wird. Diesen Prozess analysiert Patel entlang der bei Louis Althusser angelegten Figur der „Anrufung“, laut derer ein Subjekt vor allem dadurch seine bestimmenden Charakteristika gewinnt, indem ihm diese von anderen öffentlich zugeschrieben werden. Die öffentliche Kommunikation zu der Initiative einer „Europäischen Kulturhauptstadt“ funktioniert Patel zufolge analog als „integration by interpellation“ (Patel 2013: 73/hier: 569) – regionale und nationale Spezifika der Kulturhauptstädte würden zugunsten eines „einenden europäischen Gedankens“ marginalisiert, um den Erfolg des Programms zu sichern. H y o j u n g C h o (* k.A, Associate Professor of Heritage Management, Texas Tech University) untersucht das Akteursnetzwerk der Heritage Conservation in den USA und deren Argumentationsmuster. Sie stellt unter anderem fest, dass das traditionelle Argument der Förderung nationaler Identität durch die Bewahrung kulturellen Erbes mit der Zeit von ökonomischen Kalkulationen abgelöst und damit auch das Akteursnetzwerk durch Akteure aus den Bereichen der Tourismusförderung und Stadtentwicklung ergänzt wurde. Die Politikwissenschaftlerin M a r g a r e t J . W y s z o m i r s k i (* 1949, Professorin an der Ohio State University) untersucht anhand von vier
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Zeitpunkten, die durch den jeweiligen Report an den Präsidenten markiert sind (1953, 1963, 1981, 1997), die Konstanten und Veränderungen der kulturpolitischen Schwerpunkte, Förderpolitiken, Diskurse und Akteure. Zentral dabei ist der National Endowment for the Arts und seine Tätigkeiten. Auch gibt Wyszomirski einen aktuellen Ausblick auf die Kulturpolitik unter der Ägide des derzeitigen amerikanischen Präsidenten.
VII. Kapitel Welche Ideen hat Kulturpolitik über Kunst? Welche haben Kunsttheoretiker und Künstler selbst? Im siebten Kapitel, „Künstlerische und kulturtheoretische Positionen“, sollen sowohl künstlerische Utopien als auch kulturtheoretische Ansätze vorgestellt werden, die einen alternativen Blick auf die gegenwärtige Analyse von Kulturpolitik gewähren. Der Blick soll so für den Sinnhorizont des Künstlerischen geöffnet werden, ohne den Kulturpolitikforschung letztlich in ihrem eigenen Mikrokosmos gefangen ist. So ist die Forschung über Kulturpolitik größtenteils kulturwissenschaftlich, soziologisch, kulturökonomisch oder politikwissenschaftlich geprägt; Kulturpolitik wird in ihrer Praxis jedoch unaufhaltsam mit Künstlern und deren Sprechen und Tun konfrontiert. Nicht selten besteht vonseiten der Kulturverwaltung Ohnmacht gegenüber widerständigen künstlerischen Positionen, die möglicherweise ganz andere Präferenzen sehen als eine gezielte Steuerung, Nutzbarmachung oder Verwaltung des Kunstbetriebs durch die Politik. Die kulturtheoretischen Texte im siebten Kapitel spalten das Konstrukt „Kunstpolitik“ in seine Bestandteile: Kunst und Politik. Sie offenbaren sich immer dann, wenn sich Kunst politisch positioniert oder Künstler gar zu Politikern werden. Der deutsche Philosoph und Kulturkritiker W a l t e r B e n j a m i n (1892-1940) darf wohl als einer der ersten gelten, der die Potentiale (und auch Gefahren) skizziert hat, die entstehen, wenn Kunst zum Politikum wird: Durch die mannigfaltige Produktion von Kunst, ausgelöst durch die technischen Entwicklungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, prophezeit er den Missbrauch der Kunst als Instrument politischer Propaganda. Die zweite Frage, die Benjamins Text aufwirft, hängt mit dem Verlust der „Aura“ eines Kunstwerks zusammen: Diese Frage wird durch die Photographie, den Seriendruck oder neuerdings auch Phänomene wie das Google Art Project oder die Digital Concert Hall – also
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durch Digitalisierung in all ihren Facetten und den daraus entstehenden Transformationen des Urheberrechts – virulent. Zwar war J o s e p h B e u y s (1921-1986) Künstler (sein Text könnte somit auch in das folgende Kapitel der künstlerischen Manifeste aufgenommen werden), jedoch können es seine theoretischen Ausführungen durchaus mit Sozialutopien, wie denen der kulturpolitischen Verfechter der „Soziokultur“, aufnehmen. So formuliert er keine geringere Vorstellung von Gesellschaft als die, in der alles, was der Mensch tut, von Kunst durchdrungen ist („Jeder Mensch ist ein Künstler“) (Beuys 1997[1985]: 16/hier: 638). Damit rekurriert Beuys keineswegs nur auf die Laienkultur (d.h. jeder Mensch ist zu künstlerischer Arbeit befähigt), sondern auf den Aspekt des Ästhetischen, der auch gänzlich nicht-künstlerische Berufe durchdringe (wie Handwerker, Ingenieur usw.). Der Politik steht Beuys zunächst kritisch gegenüber, da Politik in seinen Augen „nichts anderes darstellt, als die Verquickung oder die Komplizenschaft [...] der Macht des Geldes und der Macht des Staates“ (ebd.: 22/hier: 641). Politik mache sich demnach mit dem ökonomischen Kapital gemein. Dieser Kapitalbegriff solle aber in der Vorstellung Beuys’ revolutioniert werden, in dem Sinne, dass Kunst als das größte Kapital der Menschheit begriffen werden solle. Damit kommt der Sozialen Kunst die Aufgabe zu, das gesamte Gemeinschaftswesen – von der Politik über die Wirtschaftsordnung – umzugestalten. Politik solle in der Schlussfolgerung durch den Gestaltungsbegriff ersetzt werden. Den Vorstellungen von Benjamin und Beuys setzt J a c q u e s R a n c i è r e (* 1940, Professor Emeritus, Universität Paris VIII) ein Verhältnis von Politik und Ästhetik entgegen, das das „Politische“ in der Struktur von Kunstwerken, sowie dem Performativen und den Formaten der Aufführung selbst verortet: Mir geht es aber vor allem darum zu zeigen, dass die Frage nach dem Verhältnis zwischen Ästhetik und Politik auf dieser Ebene anzusiedeln ist, das heißt auf der Ebene der sinnlichen Aufteilung des Gemeinsamen der Gemeinschaft, ihrer Formen der Sichtbarkeit und ihres Aufbaus. Erst auf dieser Basis lassen sich die politischen Eingriffe der Künstler/Innen denken [...] Rancière (2006 :34/hier: 651f.)
Er rückt das sinnlich Erfahrbare ins Zentrum, gleich ob dies literarischen Formen der Romantik, die symbolistische Poetik des Traums, Dada oder aktuelle Performancekunst und Installation sind. Die Künste bieten nach Rancière nicht weniger und nicht mehr als „[...] Positionen und Bewegungen von Körpern, Funktionen des Worts, Verteilungen des Sichtbaren und des Unsichtbaren.“ (ebd. /hier: 652)
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B o r i s G r o y s , (* 1947, Global Distinguished Professor, Faculty of Arts and Science, New York University), beschreibt das Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeit anhand zweier Pole: Kunst fungiere entweder als Ware (‘commodity’) oder als politisches Instrument (‘political propaganda’). Gerade seit Ende des Zweiten Weltkriegs überwiege die Marktfunktion in der Kunst, die politische Dimension der Kunst sei damit in den Hintergrund geraten. Als Bewertungsgegenstand der Kunstkritik (oder auch der Kulturpolitik) diene demnach überwiegend Kunst, die unter Marktmechanismen produziert wurde. Kunst könne aber gleichzeitig nur politisch wirken, wenn sie die Grenzen des aktuellen Kunstsystems überwinde. Das Paradox, das Groys hier benennt, kann die Bewertungskategorien von Kulturpolitik(ern) irritieren und zugleich als Anregung für eine Kulturpolitikforschung gelten, die die Dynamiken des Feldes, in dem sich Kunst heute bewegt, ernst nimmt.
VIII. Kapitel Das achte Kapitel, „Manifeste“, widmet sich der Stimme der Künstler selbst. Es enthält Manifeste zu unterschiedlichen Zeitpunkten des 20. Jahrhunderts und kann so, zusammen mit dem ersten Kapitel dieser Anthologie, als „Klammer“ verstanden werden: Zu Beginn steht die Frage im Mittelpunkt, was Kultur oder besser die Künste für die Gesellschaft leisten können und gegebenenfalls sollen; am Ende soll der Blick darauf gerichtet werden, wie diese Gesellschaft oder die Kunst und die Kunstpraxis nach der Vorstellung der Künstler aussehen sollten. Da Gesellschaft – und ganz besonders die Kulturpolitik – auch an der Formierung der Rahmenbedingungen beteiligt ist, die künstlerische Arbeit beeinflussen, soll an dieser Stelle der Stimme der Künstler Gehör verschafft werden. Es wird schnell ersichtlich, dass auch hier das Repertoire weit reicht: Manifeste zur Begründung neuer Kunstpraktiken, der Überwindung einer hergebrachten Ästhetik oder bestimmter Produktions- und Darbietungsformen, aber auch der revolutionären Veränderung gesellschaftlicher Zustände. Da die Manifeste für sich, in ihrem jeweiligen sprachlichen Duktus, wirken sollen, werden sie an dieser Stelle nicht weiter diskutiert. Wir hoffen mit dieser Zusammenstellung von Texten und Positionen Kulturpolitik in ihren vielfältigen Dimensionen erfahrbar zu machen und Interesse für die Kulturpolitikforschung zu wecken. Die gesellschaftliche, künstlerische und wissenschaftliche Relevanz ist offensichtlich.
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I.
Philosophische und kulturtheoretische Reflexionen
Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen Friedrich Schiller
3. Brief [...] Er [der Mensch] kommt zu sich aus seinem sinnlichen Schlummer, erkennt sich als Mensch, blickt um sich her und findet sich – in dem Staat. Der Zwang der Bedürfnisse warf ihn hinein, ehe er in seiner Freiheit diesen Stand wählen konnte; die Not richtete denselben nach bloßen Naturgesetzen ein, ehe er es nach Vernunftgesetzen konnte. Aber mit diesem Notstaat, der nur aus seiner Naturbestimmung hervorgegangen und auch nur auf diese berechnet war, konnte und kann er als moralische Person nicht zufrieden sein – und schlimm für ihn, wenn er es könnte! Er verlässt also, mit demselben Rechte, womit er Mensch ist, die Herrschaft einer blinden Notwendigkeit, wie er in so vielen andern Stücken durch seine Freiheit von ihr scheidet, wie er, um nur ein Beispiel zu geben, den gemeinen Charakter, den das Bedürfnis der Geschlechtsliebe aufdrückte, durch Sittlichkeit auslöscht und durch Schönheit veredelt. So holt er, auf eine künstliche Weise, in seiner Volljährigkeit seine Kindheit nach, bildet sich einen Naturstand in der Idee, der ihm zwar durch keine Erfahrung gegeben, aber durch seine Vernunftbestimmung notwendig gesetzt ist, leiht sich in diesem idealischen Stand einen Endzweck, den er in seinem wirklichen Naturstand nicht kannte, und eine Wahl, deren er damals nicht fähig war, und verfährt nun nicht anders, als ob er von vorn anfinge und den Stand der Unabhängigkeit aus heller Einsicht und freiem Entschluss mit dem Stand der Verträge vertauschte. Wie kunstreich und fest auch die blinde Willkür ihr Werk gegründet haben, wie anmaßend sie es auch behaupten und mit welchem Schein von Ehrwürdigkeit es umgeben mag – er darf es, bei dieser Operation,
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als völlig ungeschehen betrachten; denn das Werk blinder Kräfte besitzt keine Autorität, vor welcher die Freiheit sich zu beugen brauchte, und alles muss sich dem höchsten Endzwecke fügen, den die Vernunft in seiner Persönlichkeit aufstellt. Auf diese Art entsteht und rechtfertigt sich der Versuch eines mündig gewordenen Volks, seinen Naturstaat in einen sittlichen umzuformen. Dieser Naturstaat (wie jeder politische Körper heißen kann, der seine Einrichtung ursprünglich von Kräften, nicht von Gesetzen ableitet) widerspricht nun zwar dem moralischen Menschen, dem die bloße Gesetzmäßigkeit zum Gesetz dienen soll; aber er ist doch gerade hinreichend für den physischen Menschen, der sich nur darum Gesetze gibt, um sich mit Kräften abzufinden. Nun ist aber der physische Mensch wirklich, und der sittliche nur problematisch. Hebt also die Vernunft den Naturstaat auf, wie sie notwendig muss, wenn sie den ihrigen an die Stelle setzen will, so wagt sie den physischen und wirklichen Menschen an den problematischen sittlichen, so wagt sie die Existenz der Gesellschaft an ein bloß mögliches (wenn gleich moralisch notwendiges) Ideal von Gesellschaft. Sie nimmt dem Menschen etwas, das er wirklich besitzt und ohne welches er nichts besitzt, und weist ihn dafür an etwas an, das er besitzen könnte und sollte; und hätte sie zuviel auf ihn gerechnet, so würde sie ihm für eine Menschheit, die ihm noch mangelt und unbeschadet seiner Existenz mangeln kann, auch selbst die Mittel zur Tierheit entrissen haben, die doch die Bedingung seiner Menschheit ist. Ehe er Zeit gehabt hätte, sich mit seinem Willen an dem Gesetz festzuhalten, hätte sie unter seinen Füßen die Leiter der Natur weggezogen. Das große Bedenken also ist, dass die physische Gesellschaft in der Zeit keinen Augenblick aufhören darf, indem die moralische in der Idee sich bildet, dass um der Würde des Menschen willen seine Existenz nicht in Gefahr geraten darf. Wenn der Künstler an einem Uhrwerk zu bessern hat, so lässt er die Räder ablaufen; aber das lebendige Uhrwerk des Staats muss gebessert werden, indem es schlägt, und hier gilt es, das rollende Rad während seines Umschwunges auszutauschen. Man muss also für die Fortdauer der Gesellschaft eine Stütze aufsuchen, die sie von dem Naturstaat, den man auflösen will, unabhängig macht. Diese Stütze findet sich nicht in dem natürlichen Charakter des Menschen, der, selbstsüchtig und gewalttätig, vielmehr auf Zerstörung als auf Erhaltung der Gesellschaft zielt; sie findet sich eben so wenig in seinem sittlichen Charakter, der, nach der Voraussetzung, erst gebildet werden soll, und auf den, weil er frei ist, und weil er nie erscheint, von
Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen
dem Gesetzgeber nie gewirkt und nie mit Sicherheit gerechnet werden könnte. Es käme also darauf an, von dem physischen Charakter die Willkür und von dem moralischen die Freiheit abzusondern – es käme darauf an, den ersteren mit Gesetzen übereinstimmend, den letztern von Eindrücken abhängig zu machen – es käme darauf an, jenen von der Materie etwas weiter zu entfernen, diesen ihr um etwas näher zu bringen – um einen dritten Charakter zu erzeugen, der, mit jenen beiden verwandt, von der Herrschaft bloßer Kräfte zu der Herrschaft der Gesetze einen Übergang bahnte und, ohne den moralischen Charakter an seiner Entwicklung zu verhindern, vielmehr zu einem sinnlichen Pfand der unsichtbaren Sittlichkeit diente.
4. Brief So viel ist gewiss: Nur das Übergewicht eines solches Charakters bei einem Volk kann eine Staatsverwandlung nach moralischen Prinzipien unschädlich machen und auch nur ein solcher Charakter kann ihre Dauer verbürgen. Bei Aufstellung eines moralischen Staats wird auf das Sittengesetz als auf eine wirkende Kraft gerechnet, und der freie Wille wird in das Reich der Ursachen gezogen, wo alles mit strenger Notwendigkeit und Stetigkeit aneinander hängt. [...] Der Wille des Menschen steht aber vollkommen frei zwischen Pflicht und Neigung, und in dieses Majestätsrecht seiner Person kann und darf keine physische Nötigung greifen. Soll er also dieses Vermögen der Wahl beibehalten und nichts desto weniger ein zuverlässiges Glied in der Kausalverknüpfung der Kräfte sein, so kann dies nur dadurch bewerkstelligt werden, dass die Wirkungen jener beiden Triebfedern im Reich der Erscheinungen vollkommen gleich ausfallen und, bei aller Verschiedenheit in der Form, die Materie seines Wollens dieselbe bleibt, dass also seine Triebe mit seiner Vernunft übereinstimmend genug sind, um zu einer universellen Gesetzgebung zu taugen. [...] Einheit fordert zwar die Vernunft, die Natur aber Mannigfaltigkeit, und von beiden Legislativen wird der Mensch in Anspruch genommen. Das Gesetz der ersteren ist ihm durch ein unbestechliches Bewusstsein, das Gesetz der andern durch ein unvertilgbares Gefühl eingeprägt. Daher wird es jederzeit von einer noch mangelhaften Bildung zeugen, wenn der sittliche Charakter nur mit Aufopferung des natürlichen sich behaupten kann; und eine Staatsverfassung wird noch sehr unvollendet sein, die nur durch Aufhebung der Mannigfaltigkeit Einheit
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zu bewirken imstande ist. Der Staat soll nicht bloß den objektiven und generischen, er soll auch den subjektiven und spezifischen Charakter in den Individuen ehren und, indem er das unsichtbare Reich der Sitten ausbreitet, das Reich der Erscheinung nicht entvölkern. Wenn der mechanische Künstler seine Hand an die gestaltlose Masse legt, um ihr die Form seiner Zwecke zu geben, so trägt er kein Bedenken, ihr Gewalt anzutun; denn die Natur, die er bearbeitet, verdient für sich selbst keine Achtung, und es liegt ihm nicht an dem Ganzen um der Teile willen, sondern an den Teilen um des Ganzen willen. Wenn der schöne Künstler seine Hand an die nämliche Masse legt, so trägt er ebenso wenig Bedenken, ihr Gewalt anzutun, nur vermeidet er, sie zu zeigen. Den Stoff, den er bearbeitet, respektiert er nicht im geringsten mehr, als der mechanische Künstler; aber das Auge, welches die Freiheit dieses Stoffes in Schutz nimmt, wird er durch eine scheinbare Nachgiebigkeit gegen denselben zu täuschen suchen. Ganz anders verhält es sich mit dem pädagogischen und politischen Künstler, der den Menschen zugleich zu seinem Material und zu seiner Aufgabe macht. Hier kehrt der Zweck in den Stoff zurück, und nur weil das Ganze den Teilen dient, dürfen sich die Teile dem Ganzen fügen. Mit einer ganz andern Achtung, als diejenige ist, die der schöne Künstler gegen seine Materie vorgibt, muss der Staatskünstler sich der seinigen nahen, und nicht bloß subjektiv und für einen täuschendem Effekt in den Sinnen, sondern objektiv und für das innere Wesen muss er ihrer Eigentümlichkeit und Persönlichkeit schonen. Aber eben deswegen, weil der Staat eine Organisation sein soll, die sich durch sich selbst und für sich selbst bildet, so kann er auch nur insofern wirklich werden, als sich die Teile zur Idee des Ganzen hinauf gestimmt haben. Weil der Staat der reinen und objektiven Menschheit in der Brust seiner Bürger zum Repräsentanten dient, so wird er gegen seine Bürger dasselbe Verhältnis zu beobachten haben, in welchem sie zu sich selber stehen, und ihre subjektive Menschheit auch nur in dem Grad ehren können, als sie zur objektiven veredelt ist. Ist der innere Mensch mit sich einig, so wird er auch bei der höchsten Universalisierung seines Betragens seine Eigentümlichkeit retten, und der Staat wird bloß der Ausleger seines schönen Instinkts, die deutlichere Formel seiner innern Gesetzgebung sein. Setzt sich hingegen in dem Charakter eines Volks der subjektive Mensch dem objektiven noch so kontradiktorisch entgegen, dass nur die Unterdrückung des ersteren dem letztern den Sieg verschaffen kann, so wird auch der Staat gegen den Bürger den strengen
Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen
Ernst des Gesetzes annehmen und, um nicht ihr Opfer zu sein, eine so feindselige Individualität ohne Achtung danieder treten müssen. Der Mensch kann sich aber auf eine doppelte Weise entgegen gesetzt sein: Entweder als Wilder, wenn seine Gefühle über seine Grundsätze herrschen; oder als Barbar, wenn seine Grundsätze seine Gefühle zerstören. Der Wilde verachtet die Kunst und erkennt die Natur als seinen unumschränkten Gebieter; der Barbar verspottet und entehrt die Natur, aber, verächtlicher als der Wilde, fährt er häufig genug fort, der Sklave seines Sklaven zu sein. Der gebildete Mensch macht die Natur zu seinem Freund und ehrt ihre Freiheit, indem er bloß ihre Willkür zügelt. Wenn also die Vernunft in die physische Gesellschaft ihre moralische Einheit bringt, so darf sie die Mannigfaltigkeit der Natur nicht verletzen. Wenn die Natur in dem moralischen Bau der Gesellschaft ihre Mannigfaltigkeit zu behaupten strebt, so darf der moralischen Einheit dadurch kein Abbruch geschehen; gleich weit von Einförmigkeit und Verwirrung ruht die siegende Form. Totalität des Charakters muss also bei dem Volk gefunden werden, welches fähig und würdig sein soll, den Staat der Not mit dem Staat der Freiheit zu vertauschen.
18. Brief Durch die Schönheit wird der sinnliche Mensch zur Form und zum Denken geleitet; durch die Schönheit wird der geistige Mensch zur Materie zurückgeführt und der Sinnenwelt wieder gegeben. Aus diesem scheint zu folgen, dass es zwischen Materie und Form, zwischen Leiden und Tätigkeit einen mittleren Zustand geben müsse, und dass uns die Schönheit in diesen mittleren Zustand versetze. Diesen Begriff bildet sich auch wirklich der größte Teil der Menschen von der Schönheit, sobald er angefangen hat, über ihre Wirkungen zu reflektieren, und alle Erfahrungen weisen darauf hin. Auf der andern Seite aber ist nichts ungereimter und widersprechender, als ein solcher Begriff, da der Abstand zwischen Materie und Form, zwischen Leiden und Tätigkeit, zwischen Empfinden und Denken unendlich ist und schlechterdings durch nichts kann vermittelt werden. Wie heben wir nun diesen Widerspruch? Die Schönheit verknüpft die zwei entgegen gesetzten Zustände des Empfindens und des Denkens, und doch gibt es schlechterdings kein Mittleres zwischen beiden. Jenes ist durch Erfahrung, dieses ist unmittelbar durch Vernunft gewiss. Dies ist der eigentliche Punkt, auf den zuletzt die ganze Frage über die Schönheit hinausläuft, und gelingt es uns, dieses Problem befriedigend
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aufzulösen, so haben wir zugleich den Faden gefunden, der uns durch das ganze Labyrinth der Ästhetik führt [...].
20. Brief Dass auf die Freiheit nicht gewirkt werden könne, ergibt sich schon aus ihrem bloßen Begriff, dass aber die Freiheit selbst eine Wirkung der Natur (dieses Wort in seinem weitesten Sinn genommen) kein Werk des Menschen sei, dass sie also auch durch natürliche Mittel befördert und gehemmt werden könne, folgt gleich notwendig aus dem Vorigen. Sie nimmt ihren Anfang erst, wenn der Mensch vollständig ist und seine beiden Grundtriebe sich entwickelt haben; sie muss also fehlen, solang er unvollständig und einer von beiden Trieben ausgeschlossen ist, und muss durch alles das, was ihm seine Vollständigkeit zurückgibt, wieder hergestellt werden können [...]. Das Gemüt geht also von der Empfindung zum Gedanken durch eine mittlere Stimmung über, in welcher Sinnlichkeit und Vernunft zugleich tätig sind, eben deswegen aber ihre bestimmende Gewalt gegenseitig aufheben und durch eine Entgegensetzung eine Negation bewirken. Diese mittlere Stimmung, in welcher das Gemüt weder physisch noch moralisch genötigt und doch auf beide Art tätig ist, verdient vorzugsweise eine freie Stimmung zu heißen, und wenn man den Zustand sinnlicher Bestimmung den physischen, den Zustand vernünftiger Bestimmung aber den logischen und moralischen nennt, so muss man diesen Zustand der realen und aktiven Bestimmbarkeit den ästhetischen heißen1. 1
Für Leser, denen die reine Bedeutung dieses durch Unwissenheit so sehr missbrauchten Wortes nicht ganz geläufig ist, mag folgendes zur Erklärung dienen. Alle Dinge, die irgend in der Erscheinung vorkommen können, lassen sich unter vier verschiedenen Beziehungen denken. Eine Sache kann sich unmittelbar auf unsern sinnlichen Zustand (unser Dasein und Wohlsein) beziehen: Das ist ihre physische Beschaffenheit. Oder sie kann sich auf den Verstand beziehen und uns eine Erkenntnis verschaffen: Das ist ihre logische Beschaffenheit. Oder sie kann sich auf unsern Willen beziehen und als ein Gegenstand der Wahl für ein vernünftiges Wesen betrachtet werden, das ist ihre moralische Beschaffenheit. Oder endlich, sie kann sich auf das Ganze unserer verschiedenen Kräfte beziehen, ohne für eine einzelne derselben ein bestimmtes Objekt zu sein; das ist ihre ästhetische Beschaffenheit. Ein Mensch kann uns durch seine Dienstfertigkeit angenehm sein; er kann uns durch seine Unterhaltung zu denken geben; er kann uns durch seinen Charakter Achtung einflößen; endlich kann er uns aber auch, unabhängig von diesem allen, und ohne dass wir bei seiner Beurteilung weder auf irgendein Gesetz, noch auf irgendeinen Zweck Rücksicht nehmen, in der bloßen Betrachtung und durch seine bloße Erscheinungsart gefallen. In dieser letztern Qualität beurteilen wir ihn ästhetisch. So gibt es eine Erziehung zur Gesundheit, eine Erziehung zur Einsicht, eine Erziehung zur Sittlichkeit, eine Erziehung zum Geschmack und zur Schönheit. Diese
Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen
21. Brief [...] In dem ästhetischen Zustand ist der Mensch also Null, insofern man auf ein einzelnes Resultat, nicht auf das ganze Vermögen achtet und den Mangel jeder besondern Determination in ihm in Betrachtung zieht. Daher muss man Denjenigen vollkommen Recht geben, welche das Schöne und die Stimmung, in die es unser Gemüt versetzt, in Rücksicht auf Erkenntnis und Gesinnung für völlig indifferent und unfruchtbar erklären. Sie haben vollkommen Recht: Denn die Schönheit gibt schlechterdings kein einzelnes Resultat, weder für den Verstand noch für den Willen, sie führt keinen einzelnen, weder intellektuellen noch moralischen Zweck aus; sie findet keine einzige Wahrheit, hilft uns keine einzige Pflicht erfüllen und ist, mit einem Wort, gleich ungeschickt, den Charakter zu gründen und den Kopf aufzuklären. Durch die ästhetische Kultur bleibt also der persönliche Wert eines Menschen oder seine Würde, insofern diese nur von ihm selbst abhängen kann, noch völlig unbestimmt, und es ist weiter nichts erreicht, als dass es ihm nunmehr von Natur wegen möglich gemacht ist, aus sich selbst zu machen, was er will – dass ihm die Freiheit, zu sein, was er sein soll, vollkommen zurückgegeben ist. Eben dadurch aber ist etwas Unendliches erreicht. Denn, sobald wir uns erinnern, dass ihm durch die einseitige Nötigung der Natur beim Empfinden und durch die ausschließende Gesetzgebung der Vernunft beim Denken gerade diese Freiheit entzogen wurde, so müssen wir das Vermögen, welches ihm in der ästhetischen Stimmung zurückgegeben wird, als die höchste aller Schenkungen, als die Schenkung der Menschheit, betrachten. Freilich besitzt er diese Menschheit der Anlage nach schon vor jedem bestimmten Zustand, in den er kommen kann; aber der Tat nach verliert er sie mit jedem bestimmten Zustand, in den er kommt, und sie muss ihm, wenn er zu einem entgegen gesetzten soll übergehen können, jedes Mal aufs Neue durch das ästhetische Leben zurückgegeben werden2.
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letztere hat zur Absicht, das Ganze unserer sinnlichen und geistigen Kräfte in möglichster Harmonie auszubilden. Zwar lässt die Schnelligkeit, mit welcher gewisse Charaktere von Empfindungen zu Gedanken und zu Entschließungen übergehen, die ästhetische Stimmung, welche sie in dieser Zeit notwendig durchlaufen müssen, kaum oder gar nicht bemerkbar werden. Solche Gemüter können den Zustand der Bestimmungslosigkeit nicht lang ertragen und dringen ungeduldig auf ein Resultat, welches sie in dem Zustand ästhetischer Unbegrenztheit nicht finden. Dahingegen breitet sich bei andern, welche ihren Genuss mehr in das Gefühl des ganzen Vermögens, als einer einzelnen Handlung desselben set-
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Es ist also nicht bloß poetisch erlaubt, sondern auch philosophisch richtig, wenn man die Schönheit unsre zweite Schöpferin nennt. Denn, ob sie uns gleich die Menschheit bloß möglich macht und es im Übrigen unserm freien Willen anheim stellt, in wie weit wir sie wirklich machen wollen, so hat sie dieses ja mit unsrer ursprünglichen Schöpferin, der Natur, gemein, die uns gleichfalls nichts weiter als das Vermögen zur Menschheit erteilte, den Gebrauch desselben aber auf unsere eigene Willensbestimmung ankommen lässt.
23. Brief Ich nehme den Faden meiner Untersuchung wieder auf, den ich nur darum abgerissen habe, um von den aufgestellten Sätzen die Anwendung auf die ausübende Kunst und auf die Beurteilung ihrer Werke zu machen. Der Übergang von dem leidenden Zustand des Empfindens zu dem tätigen des Denkens und Wollens geschieht also nicht anders, als durch einen mittleren Zustand ästhetischer Freiheit, und obgleich dieser Zustand an sich selbst weder für unsere Einsichten noch Gesinnungen etwas entscheidet, mithin unsern intellektuellen und moralischen Wert ganz und gar problematisch lässt, so ist er doch die notwendige Bedingung, unter welcher allein wir zu einer Einsicht und zu einer Gesinnung gelangen können. Mit einem Wort: Es gibt keinen andern Weg, den sinnlichen Menschen vernünftig zu machen, als dass man denselben zuvor ästhetisch macht [...]. Aber dass sie dieses überhaupt nur könne – dass es überhaupt nur eine reine Form für den sinnlichen Menschen gebe, dies, behaupte ich, muss durch die ästhetische Stimmung des Gemüts erst möglich gemacht werden. Die Wahrheit ist nichts, was so, wie die Wirklichkeit oder das sinnliche Dasein der Dinge von außen empfangen werden kann; sie ist etwas, das die Denkkraft selbsttätig und in ihrer Freiheit hervorbringt, und diese Selbsttätigkeit, diese Freiheit ist es ja eben, was wir bei dem sinnlichen Menschen vermissen [...].
zen, der ästhetische Zustand in eine weit größere Fläche aus. So sehr die ersten sich vor der Leerheit fürchten, so wenig können die letzten Beschränkung ertragen. Ich brauche kaum zu erinnern, dass die ersten fürs Detail und für subalterne Geschäfte, die letzten, vorausgesetzt dass sie mit diesem Vermögen zugleich Realität vereinigen, fürs Ganze und zu großen Rollen geboren sind.
Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen
27. Brief [...] Wenn in dem dynamischen Staat der Rechte der Mensch dem Menschen als Kraft begegnet und sein Wirken beschränkt – wenn er sich ihm in dem ethischen Staat der Pflichten mit der Majestät des Gesetzes entgegenstellt und sein Wollen fesselt, so darf er ihm im Kreis des schönen Umgangs, in dem ästhetischen Staat, nur als Gestalt erscheinen, nur als Objekt des freien Spiels gegenüber stehen. Freiheit zu geben durch Freiheit ist das Grundgesetz dieses Reichs. Der dynamische Staat kann die Gesellschaft bloß möglich machen, indem er die Natur durch Natur bezähmt; der ethische Staat kann sie bloß (moralisch) notwendig machen, indem er den einzelnen Willen dem allgemeinen unterwirft; der ästhetische Staat allein kann sie wirklich machen, weil er den Willen des Ganzen durch die Natur des Individuums vollzieht. Wenn schon das Bedürfnis den Menschen in die Gesellschaft nötigt und die Vernunft gesellige Grundsätze in ihm pflanzt, so kann die Schönheit allein ihm einen geselligen Charakter erteilen. Der Geschmack allein bringt Harmonie in die Gesellschaft, weil er Harmonie in dem Individuum stiftet. Alle andern Formen der Vorstellung trennen den Menschen, weil sie sich anschließend entweder auf den sinnlichen oder auf den geistigen Teil seines Wesens gründen; nur die schöne Vorstellung macht ein Ganzes aus ihm, weil seine beiden Naturen dazu zusammenstimmen müssen. Alle andern Formen der Mitteilung trennen die Gesellschaft, weil sie sich ausschließend entweder auf die Privatempfänglichkeit oder auf die Privatfertigkeit der einzelnen Glieder, also auf das Unterscheidende zwischen Menschen und Menschen, beziehen; nur die schöne Mitteilung vereinigt die Gesellschaft, weil sie sich auf das Gemeinsame aller bezieht. Die Freuden der Sinne genießen wir bloß als Individuen, ohne dass die Gattung, die in uns wohnt, daran Anteil nähme; wir können also unsere sinnlichen Freuden nicht zu allgemeinen erweitern, weil wir unser Individuum nicht allgemein machen können. Die Freuden der Erkenntnis genießen wir bloß als Gattung, und indem wir jede Spur des Individuums sorgfältig aus unserm Urteil entfernen; wir können also unsere Vernunftfreuden nicht allgemein machen, weil wir die Spuren des Individuums aus dem Urteil anderer nicht so, wie aus dem unsrigen, ausschließen können. Das Schöne allein genießen wir als Individuum und als Gattung zugleich, d.h. als Repräsentanten der Gattung. Das sinnliche Gute kann nur einen Glücklichen machen, da es sich auf Zueignung gründet, welche immer eine Ausschließung mit sich führt; es kann diesen einen auch nur einseitig glücklich machen,
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weil die Persönlichkeit nicht daran Teil nimmt. Das absolut Gute kann nur unter Bedingungen glücklich machen, die allgemein nicht vorauszusetzen sind; denn die Wahrheit ist nur der Preis der Verleugnung, und an den reinen Willen glaubt nur ein reines Herz. Die Schönheit allein beglückt alle Welt, und jedes Wesen vergisst seiner Schranken, solang es ihren Zauber erfährt. Kein Vorzug, keine Alleinherrschaft wird geduldet, soweit der Geschmack regiert und das Reich des schönen Scheins sich verbreitet. Dieses Reich erstreckt sich aufwärts, bis wo die Vernunft mit unbedingter Notwendigkeit herrscht und alle Materie aufhört; es erstreckt sich niederwärts, bis wo der Naturtrieb mit blinder Nötigung waltet und die Form noch nicht anfängt; ja selbst auf diesen äußersten Grenzen, wo die gesetzgebende Macht ihm genommen ist, lässt sich der Geschmack doch die vollziehende nicht entreißen. Die ungesellige Begierde muss ihrer Selbstsucht entsagen und das Angenehme, welches sonst nur die Sinne lockt, das Netz der Anmut auch über die Geister auswerfen. Der Notwendigkeit strenge Stimme, die Pflicht, muss ihre vorweisende Formel verändern, die nur der Widerstand rechtfertigt, und die willige Natur durch ein edleres Zutrauen ehren. Aus den Mysterien der Wissenschaft führt der Geschmack die Erkenntnis unter den offenen Himmel des Gemeinsinns heraus und verwandelt das Eigentum der Schulen in ein Gemeingut der ganzen menschlichen Gesellschaft [...]. Existiert aber auch ein solcher Staat des schönen Scheins? Und wo ist er zu finden? Dem Bedürfnis nach existiert er in jeder fein gestimmten Seele; der Tat nach möchte man ihn wohl nur, wie die reine Kirche und die reine Republik, in einigen wenigen auserlesenen Zirkeln finden, wo nicht die geistlose Nachahmung fremder Sitten, sondern eigene schöne Natur das Betragen lenkt, wo der Mensch durch die verwickeltsten Verhältnisse mit kühner Einfalt und ruhiger Unschuld geht und weder nötig hat, fremde Freiheit zu kränken, um die seinige zu behaupten, noch seine Würde wegzuwerfen, um Anmut zu zeigen.
Quelle Schiller, Friedrich (2004) [1794]: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen: mit den Augustenburger Briefen. Nachdruck, hrsg. von Klaus L. Berghahn, Stuttgart: Reclam.
Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen Wilhelm von Humboldt
Le difficile est de ne promulguer que des lois nécessaires, de rester à jamais fidèle à ce principe vraiment constitutionnel de la société, de se mettre en garde contre la fureur de gouverner, la plus funeste maladie des gouvernemens modernes. Mirabeau l’aîné, Sur l’education publique. p. 69.
I Wenn man die merkwürdigsten Staatsverfassungen mit einander und mit ihnen die Meinungen der bewährtesten Philosophen und Politiker vergleicht, so wundert man sich vielleicht nicht mit Unrecht, eine Frage so wenig vollständig behandelt und so wenig genau beantwortet zu finden, welche doch zuerst die Aufmerksamkeit an sich zu ziehen scheint, die Frage nämlich: zu welchem Zweck die ganze Staatseinrichtung hinarbeiten und welche Schranken sie ihrer Wirksamkeit setzen soll. Den verschiedenen Anteil, welcher der Nation oder einzelnen ihrer Teile an der Regierung gebührt, zu bestimmen, die mannigfaltigen Zweige der Staatsverwaltung gehörig zu verteilen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen, daß nicht ein Teil die Rechte des andren an sich reiße, damit allein haben sich fast alle beschäftigt, welche selbst Staaten umgeformt oder Vorschläge zu politischen Reformationen gemacht haben. Dennoch müßte man, dünkt mich, bei jeder neuen Staatseinrichtung zwei Gegenstände vor Augen haben, von welchen beiden keiner ohne großen Nachteil übersehen werden dürfte: einmal die Bestimmung des herrschenden und dienenden Teils der Nation und alles dessen, was zur wirklichen Einrichtung der Regierung gehört, dann die Bestimmung der Gegenstände, auf welche die einmal eingerichtete Regierung ihre Tätigkeit zugleich ausbreiten und einschränken muß. Dies letztere, welches eigentlich in das
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Privatleben der Bürger eingreift und das Maß ihrer freien ungehemmten Wirksamkeit bestimmt, ist in der Tat das wahre, letzte Ziel, das erstere nur ein notwendiges Mittel, dies zu erreichen. Wenn indes dennoch der Mensch dies erstere mit mehr angestrengter Aufmerksamkeit verfolgt, so bewährt er dadurch den gewöhnlichen Gang seiner Tätigkeit. Nach einem Ziele streben und dies Ziel mit Aufwand physischer und moralischer Kraft erringen, darauf beruht das Glück des rüstigen, kraftvollen Menschen. [...] Auch ist keine andre Art der Reform unsrem Zeitalter so angemessen, wenn sich dasselbe wirklich mit Recht eines Vorzugs an Kultur und Aufklärung rühmt. Denn die wichtige Untersuchung der Grenzen der Wirksamkeit des Staats muß – wie sich leicht voraussehen läßt – auf höhere Freiheit der Kräfte und größere Mannigfaltigkeit der Situationen führen. Nun aber erfordert die Möglichkeit eines höheren Grades der Freiheit immer einen gleich hohen Grad der Bildung, und das geringere Bedürfnis, gleichsam in einförmigen, verbundenen Massen zu handeln, eine größere Stärke und einen mannigfaltigeren Reichtum der handelnden Individuen. Besitzt daher das gegenwärtige Zeitalter einen Vorzug an dieser Bildung, dieser Stärke und diesem Reichtum, so muß man ihm auch die Freiheit gewähren, auf welche derselbe mit Recht Anspruch macht. [...] Geht man aber der Geschichte einzelner Polizeigesetze und Einrichtungen nach, so findet man oft ihren Ursprung in dem bald wirklichen, bald angeblichen Bedürfnis des Staats, Abgaben von den Untertanen aufzubringen, und insofern kehrt die Ähnlichkeit mit den älteren Staaten zurück, indem insofern diese Einrichtungen gleichfalls auf die Erhaltung der Verfassung abzwecken. Was aber diejenigen Einschränkungen betrifft, welche nicht sowohl den Staat als die Individuen, die ihn ausmachen, zur Absicht haben, so ist und bleibt ein mächtiger Unterschied zwischen den älteren und neueren Staaten. Die alten sorgten für die Kraft und Bildung des Menschen als Menschen; die neueren für seinen Wohlstand, seine Habe und seine Erwerbfähigkeit. Die alten suchten Tugend, die neueren Glückseligkeit. Daher waren die Einschränkungen der Freiheit in den älteren Staaten auf der einen Seite drückender und gefährlicher. Denn sie griffen geradezu an, was des Menschen eigentümliches Wesen ausmacht, sein inneres Dasein; und daher zeigen alle älteren Nationen eine Einseitigkeit, welche (den Mangel an feinerer Kultur und an allgemeinerer Kommunikation noch abgerechnet) großenteils durch die fast überall eingeführte gemeinschaftliche Erziehung und das absichtlich eingerichtete gemeinschaftliche Leben der Bürger überhaupt hervorgebracht und genährt wurde. [...] Wenn in den letzteren Jahrhunderten die Schnelligkeit der gemachten
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Fortschritte, die Menge und Ausbreitung künstlicher Erfindungen, die Größe der gegründeten Werke am meisten unsre Aufmerksamkeit an sich zieht, so fesselt uns in dem Altertum vor allem die Größe, welche immer mit dem Leben eines Menschen dahin ist, die Blüte der Phantasie, die Tiefe des Geistes, die Stärke des Willens, die Einheit des ganzen Wesens, welche allein dem Menschen wahren Wert gibt. Der Mensch, und zwar seine Kraft und seine Bildung, war es, welche jede Tätigkeit rege machte; bei uns ist es nur zu oft ein ideelles Ganze, bei dem man die Individuen beinah zu vergessen scheint, oder wenigstens nicht ihr inneres Wesen, sondern ihre Ruhe, ihr Wohlstand, ihre Glückseligkeit. Die alten suchten die Glückseligkeit in der Tugend, die neueren sind nur zu lange diese aus jener zu entwickeln bemüht gewesen1; und der selbst2, welcher die Moralität in ihrer höchsten Reinheit sah und darstellte, glaubt, durch eine sehr künstliche Maschinerie seinem Ideal des Menschen die Glückseligkeit, wahrlich mehr wie eine fremde Belohnung als wie ein eigen errungenes Gut, zuführen zu müssen. [...] Schon mehr als einmal ist unter den Staatsrechtslehrern gestritten worden, ob der Staat allein Sicherheit oder überhaupt das ganze physische und moralische Wohl der Nation beabsichten müsse. [...]
III In einer völlig allgemeinen Formel ausgedrückt, könnte man den wahren Umfang der Wirksamkeit des Staats alles dasjenige nennen, was er zum Wohl der Gesellschaft zu tun vermochte, ohne jenen eben ausgeführten Grundsatz zu verletzen; und es würde sich unmittelbar hieraus auch die nähere Bestimmung ergeben, daß jedes Bemühen des Staats verwerflich sei, sich in die Privatangelegenheiten der Bürger überall da einzumischen, wo dieselben nicht unmittelbaren Bezug auf die Kränkung der Rechte des einen durch den andren haben. Indes ist es doch, um die vorgelegte Frage ganz zu erschöpfen, notwendig, die einzelnen Teile der gewöhnlichen oder möglichen Wirksamkeit der Staaten genau durchzugehen. Der Zweck des Staats kann nämlich ein doppelter sein; er kann Glück befördern oder nur Übel verhindern wollen, und im letzteren 1 2
Nie ist dieser Unterschied auffallender, als wenn alte Philosophen von neueren beurteilt werden. Kant über das höchste Gut in den Anfangsgründen der Metaphysik der Sitten und in der Kritik der praktischen Vernunft.
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Fall Übel der Natur oder Übel der Menschen. Schränkt er sich auf das letztere ein, so sucht er nur Sicherheit, und diese Sicherheit sei es mir erlaubt, einmal allen übrigen möglichen Zwecken, unter dem Namen des positiven Wohlstandes vereint, entgegenzusetzen. Auch die Verschiedenheit der vom Staat angewendeten Mittel gibt seiner Wirksamkeit eine verschiedene Ausdehnung. Er sucht nämlich seinen Zweck entweder unmittelbar zu erreichen, seis durch Zwang – befehlende und verbietende Gesetze, Strafen – oder durch Ermunterung und Beispiel; oder mittelbar, indem er entweder der Lage der Bürger eine demselben günstige Gestalt gibt und sie gleichsam anders zu handlen hindert, oder endlich, indem er sogar, ihre Neigung mit demselben übereinstimmend zu machen, auf ihren Kopf oder ihr Herz zu wirken strebt. Im ersten Falle bestimmt er zunächst nur einzelne Handlungen, im zweiten schon mehr die ganze Handlungsweise und im dritten endlich Charakter und Denkungsart [...]. Ich rede daher hier von dem ganzen Bemühen des Staats, den positiven Wohlstand der Nation zu erhöhen, von aller Sorgfalt für die Bevölkerung des Landes, den Unterhalt der Einwohner teils geradezu durch Armenanstalten, teils mittelbar durch Beförderung des Ackerbaues, der Industrie und des Handels, von allen Finanz- und Münzoperationen, Ein- und Ausfuhrverboten usf. (insofern sie diesen Zweck haben), endlich allen Veranstaltungen zur Verhütung oder Herstellung von Beschädigungen durch die Natur, kurz von jeder Einrichtung des Staats, welche das physische Wohl der Nation zu erhalten oder zu befördern die Absicht hat. Denn da das moralische nicht leicht um seiner selbst willen, sondern mehr zum Behuf der Sicherheit befördert wird, so komme ich zu diesem erst in der Folge. Alle diese Einrichtungen nun, behaupte ich, haben nachteilige Folgen und sind einer wahren, von den höchsten, aber immer menschlichen Gesichtspunkten ausgehenden Politik unangemessen. 1. Der Geist der Regierung herrscht in einer jeden solchen Einrichtung, und wie weise und heilsam auch dieser Geist sei, so bringt er Einförmigkeit und eine fremde Handlungsweise in der Nation hervor. Statt daß die Menschen in Gesellschaft treten, um ihre Kräfte zu schärfen, sollten sie auch dadurch an ausschließendem Besitz und Genuß verlieren, so erlangen sie Güter auf Kosten ihrer Kräfte. Gerade die aus der Vereinigung mehrerer entstehende Mannigfaltigkeit ist das höchste Gut, welches die Gesellschaft gibt, und diese Mannigfaltigkeit geht gewiß immer in dem Grade der Einmischung des Staats verloren. Es sind nicht
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mehr eigentlich die Mitglieder einer Nation, die mit sich in Gemeinschaft leben, sondern einzelne Untertanen, welche mit dem Staat, d. h. dem Geiste, welcher in seiner Regierung herrscht, in Verhältnis kommen, und zwar in ein Verhältnis, in welchem schon die überlegene Macht des Staats das freie Spiel der Kräfte hemmt. Gleichförmige Ursachen haben gleichförmige Wirkungen. Je mehr also der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte. Auch ist dies gerade die Absicht der Staaten. Sie wollen Wohlstand und Ruhe. Beide aber erhält man immer in eben dem Grade leicht, in welchem das einzelne weniger miteinander streitet. Allein was der Mensch beabsichtet und beabsichten muß, ist ganz etwas andres, es ist Mannigfaltigkeit und Tätigkeit. Nur dies gibt vielseitige und kraftvolle Charaktere, und gewiß ist noch kein Mensch tief genug gesunken, um für sich selbst Wohlstand und Glück der Größe vorzuziehen. Wer aber für andre so räsoniert, den hat man, und nicht mit Unrecht, in Verdacht, daß er die Menschheit mißkennt und aus Menschen Maschinen machen will. 2. Das wäre also die zweite schädliche Folge, daß diese Einrichtungen des Staats die Kraft der Nation schwächen. So wie durch die Form, welche aus der selbsttätigen Materie hervorgeht, die Materie selbst mehr Fülle und Schönheit erhält – denn was ist sie anders als die Verbindung dessen, was erst stritt? eine Verbindung, zu welcher allemal die Auffindung neuer Vereinigungspunkte, folglich gleichsam eine Menge neuer Entdeckungen notwendig ist, die immer in Verhältnis mit der größeren, vorherigen Verschiedenheit steigt –, ebenso wird die Materie vernichtet durch diejenige, die man ihr von außen gibt. Denn das Nichts unterdrückt da das Etwas. Alles im Menschen ist Organisation. Was in ihm gedeihen soll, muß in ihm gesäet werden. Alle Kraft setzt Enthusiasmus voraus, und nur wenige Dinge nähren diesen so sehr, als den Gegenstand desselben als ein gegenwärtiges oder künftiges Eigentum anzusehn. Nun aber hält der Mensch das nie so sehr für sein, was er besitzt, als was er tut, und der Arbeiter, welcher einen Garten bestellt, ist vielleicht in einem wahreren Sinne Eigentümer als der müßige Schwelger, der ihn genießt. [...] Überhaupt wird der Verstand des Menschen doch, wie jede andre seiner Kräfte, nur durch eigne Tätigkeit, eigne Erfindsamkeit oder eigne Benutzung fremder Erfindungen gebildet. Anordnungen des Staats aber führen immer mehr oder minder Zwang mit sich, und selbst wenn dies der Fall nicht ist, so gewöhnen sie den Menschen zu sehr, mehr fremde Belehrung, fremde Leitung, fremde Hilfe zu erwarten, als selbst auf Auswege zu denken. Die einzige Art beinah, auf welche der Staat die Bürger
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belehren kann, besteht darin, daß er das, was er für das Beste erklärt, gleichsam das Resultat seiner Untersuchungen, aufstellt und entweder direkt durch ein Gesetz oder indirekt durch irgendeine die Bürger bindende Einrichtung anbefiehlt oder durch sein Ansehn und ausgesetzte Belohnungen oder andre Ermunterungsmittel dazu anreizt oder endlich es bloß durch Gründe empfiehlt; aber welche Methode er von allen diesen befolgen mag, so entfernt er sich immer sehr weit von dem besten Wege des Lehrens. Denn dieser besteht unstreitig darin, gleichsam alle mögliche Auflösungen des Problems vorzulegen, um den Menschen nur vorzubereiten, die schicklichste selbst zu wählen, oder noch besser, diese Auflösung selbst nur aus der gehörigen Darstellung aller Hindernisse zu erfinden. [...] Noch mehr aber leidet durch eine zu ausgedehnte Sorgfalt des Staats die Energie des Handlens überhaupt und der moralische Charakter. Dies bedarf kaum einer weiteren Ausführung. Wer oft und viel geleitet wird, kommt leicht dahin, den Überrest seiner Selbsttätigkeit gleichsam freiwillig zu opfern. Er glaubt sich der Sorge überhoben, die er in fremden Händen sieht, und genug zu tun, wenn er ihre Leitung erwartet und ihr folgt. [...] Nicht minder sichtbar ist jener nachteilige Einfluß in dem Betragen der Bürger gegeneinander. Wie jeder sich selbst auf die sorgende Hilfe des Staats verläßt, so und noch weit mehr übergibt er ihr das Schicksal seines Mitbürgers. Dies aber schwächt die Teilnahme und macht zu gegenseitiger Hilfsleistung träger. Wenigstens muß die gemeinschaftliche Hilfe da am tätigsten sein, wo das Gefühl am lebendigsten ist, daß auf ihm allein alles beruhe, und die Erfahrung zeigt auch, daß gedrückte, gleichsam von der Regierung verlassene Teile eines Volks immer doppelt fest untereinander verbunden sind. Wo aber der Bürger kälter ist gegen den Bürger, da ist es auch der Gatte gegen den Gatten, der Hausvater gegen die Familie. [...] 3. Alles, womit sich der Mensch beschäftigt, wenn es gleich nur bestimmt ist, physische Bedürfnisse mittelbar oder unmittelbar zu befriedigen oder überhaupt äußere Zwecke zu erreichen, ist auf das genaueste mit innren Empfindungen verknüpft. Manchmal ist auch neben dem äußeren Endzweck noch ein innerer, und manchmal ist sogar dieser der eigentlich beabsichtete, jener nur notwendig oder zufällig damit verbunden. Je mehr Einheit der Mensch besitzt, desto freier entspringt das äußere Geschäft, das er wählt, aus seinem innren Sein, und desto häufiger und fester knüpft sich dieses an jenes da an, wo dasselbe nicht frei gewählt wurde. Daher ist der interessante Mensch in allen Lagen und allen
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Geschäften interessant; daher blüht er zu einer entzückenden Schönheit auf in einer Lebensweise, die mit seinem Charakter übereinstimmt. So ließen sich vielleicht aus allen Bauern und Handwerkern K ünstler bilden, d. h. Menschen, die ihr Gewerbe um ihres Gewerbes willen liebten, durch eigengelenkte Kraft und eigne Erfindsamkeit verbesserten und dadurch ihre intellektuellen Kräfte kultivierten, ihren Charakter vereitelten, ihre Genüsse erhöhten. So würde die Menschheit durch eben die Dinge geadelt, die jetzt, wie schön sie auch an sich sind, so oft dazu dienen, sie zu entehren. Je mehr der Mensch in Ideen und Empfindungen zu leben gewohnt ist, je stärker und feiner seine intellektuelle und moralische Kraft ist, desto mehr sucht er allein solche äußre Lagen zu wählen, welche zugleich dem innren Menschen mehr Stoff geben, oder denjenigen, in welche ihn das Schicksal wirft, wenigstens solche Seiten abzugewinnen. Der Gewinn, welchen der Mensch an Größe und Schönheit einerntet, wenn er unaufhörlich dahin strebt, daß sein inneres Dasein immer den ersten Platz behaupte, daß es immer der erste Quell und das letzte Ziel alles Wirkens und alles Körperliche und Äußere nur Hülle und Werkzeug desselben sei, ist unabsehlich. [...] Allein, freilich ist Freiheit die notwendige Bedingung, ohne welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen Wirkungen dieser Art hervorzubringen vermag. Was nicht von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur eingeschränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit. [...] Denn alles, was in sich selbst reizend ist, erweckt Achtung und Liebe, was nur als Mittel Nutzen verspricht, bloß Interesse; und nun wird der Mensch durch Achtung und Liebe ebensosehr geadelt, als er durch Interesse in Gefahr ist, entehrt zu werden. Wenn nun der Staat eine solche positive Sorgfalt übt, als die, von der ich hier rede, so kann er seinen Gesichtspunkt nur auf die Resultate richten und nun die Regeln feststellen, deren Befolgung der Vervollkommnung dieser am zuträglichsten ist. [...] 4. Die Sorgfalt des Staats für das positive Wohl der Bürger ist ferner darum schädlich, weil sie auf eine gemischte Menge gerichtet werden muß und daher den einzelnen durch Maßregeln schadet, welche auf einen jeden von ihnen nur mit beträchtlichen Fehlern passen. 5. Sie hindert die Entwicklung der Individualität und Eigentümlichkeit des Menschen in dem moralischen und überhaupt praktischen Leben des
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Menschen, sofern er nur auch hier gleichsam die Regeln beobachtet – die sich aber vielleicht allein auf die Grundsätze des Rechts beschränken –, überall den höchsten Gesichtspunkt der eigentümlichsten Ausbildung seiner selbst und andrer vor Augen hat, überall von dieser reinen Absicht geleitet wird und vorzüglich jedes andre Interesse diesem ohne alle Beimischung sinnlicher Beweggründe erkannten Gesetze unterwirft. Allein alle Seiten, welche der Mensch zu kultivieren vermag, stehen in einer wunderbar engen Verknüpfung, und wenn schon in der intellektuellen Welt der Zusammenhang wenn nicht inniger, doch wenigstens deutlicher und bemerkbarer ist als in der physischen, so ist er es noch bei weitem mehr in der moralischen. Daher müssen sich die Menschen untereinander verbinden, nicht um an Eigentümlichkeit, aber an ausschließendem Isoliertsein zu verlieren; die Verbindung muß nicht ein Wesen in das andre verwandeln, aber gleichsam Zugänge von einem zum andren eröffnen; was jeder für sich besitzt, muß er mit dem von andren Empfangnen vergleichen und danach modifizieren, nicht aber dadurch unterdrücken lassen. [...] 6. Nichts wäre gewiß bei dieser so notwendig als die Vorteile, die man beabsichtet, gegen die Nachteile und vorzüglich gegen die Einschränkungen der Freiheit, welche immer damit verbunden sind, abzuwägen. Allein eine solche Abwägung läßt sich nur sehr schwer, und genau und vollständig vielleicht schlechterdings nicht, zustande bringen. Denn jede einschränkende Einrichtung kollidiert mit der freien und natürlichen Äußerung der Kräfte, bringt bis ins Unendliche gehende neue Verhältnisse hervor, und so läßt sich die Menge der folgenden, welche sie nach sich zieht (selbst den gleichmäßigsten Gang der Begebenheiten angenommen und alle irgend wichtige unvermutete Zufälle, die doch nie fehlen, abgerechnet), nicht voraussehn. Jeder, der sich mit der höheren Staatsverwaltung zu beschäftigen Gelegenheit hat, fühlt gewiß aus Erfahrung, wie wenig Maßregeln eigentlich eine unmittelbare, absolute, wie viele hingegen eine bloß relative, mittelbare, von andren vorhergegangenen abhängende Notwendigkeit haben. Dadurch wird daher eine bei weitem größere Menge von Mitteln notwendig, und eben diese Mittel werden der Erreichung des eigentlichen Zwecks entzogen. Nicht allein daß ein solcher Staat größerer Einkünfte bedarf, sondern er erfordert auch künstlichere Anstalten zur Erhaltung der eigentlichen politischen Sicherheit, die Teile hängen weniger von selbst fest zusammen, die Sorgfalt des Staats muß bei weitem tätiger sein. Daraus entspringt nun eine gleich schwierige und leider nur zu oft vernachlässigte Berechnung, ob
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die natürlichen Kräfte des Staats zu Herbeischaffung aller notwendig erforderlichen Mittel hinreichend sind, und fällt diese Berechnung unrichtig aus, ist ein wahres Mißverhältnis vorhanden, so müssen neue künstliche Veranstaltungen die Kräfte überspannen, ein Übel, an welchem nur zu viele neuere Staaten, wenngleich nicht allein aus dieser Ursache, kranken. Vorzüglich ist hierbei ein Schaden nicht zu übersehen, weil er den Menschen und seine Bildung so nahe betrifft, nämlich daß die eigentliche Verwaltung der Staatsgeschäfte dadurch eine Verflechtung erhält, welche, um nicht Verwirrung zu werden, eine unglaubliche Menge detaillierter Einrichtungen bedarf und ebenso viele Personen beschäftigt. Von diesen haben indes doch die meisten nur mit Zeichen und Formeln der Dinge zu tun. Dadurch werden nun nicht bloß viele vielleicht treffliche Köpfe dem Denken, viele sonst nützlicher beschäftigte Hände der reellen Arbeit entzogen, sondern ihre Geisteskräfte selbst leiden durch diese zum Teil leere, zum Teil zu einseitige Beschäftigung. Es entsteht nun ein neuer und gewöhnlicher Erwerb, Besorgung von Staatsgeschäften, und dieser macht die Diener des Staats so viel mehr von dem regierenden Teile des Staats, der sie besoldet, als eigentlich von der Nation abhängig. Welche fernern Nachteile aber noch hieraus erwachsen, welches Warten auf die Hilfe des Staats, welcher Mangel der Selbständigkeit, welche falsche Eitelkeit, welche Untätigkeit sogar und Dürftigkeit, beweist die Erfahrung am unwidersprechlichsten. Dasselbe Übel, aus welchem dieser Nachteil entspringt, wird wieder von demselben wechselsweis hervorgebracht. Die, welche einmal die Staatsgeschäfte auf diese Weise verwalten, sehen immer mehr und mehr von der Sache hinweg und nur auf die Form hin, bringen immerfort bei dieser vielleicht wahre, aber nur mit nicht hinreichender Hinsicht auf die Sache selbst und daher oft zum Nachteil dieser ausschlagende Verbesserungen an, und so entstehen neue Formen, neue Weitläuftigkeiten, oft neue einschränkende Anordnungen, aus welchen wiederum sehr natürlich eine neue Vermehrung der Geschäftsmänner erwächst. Daher nimmt in den meisten Staaten von Jahrzehent zu Jahrzehent das Personale der Staatsdiener und der Umfang der Registraturen zu und die Freiheit der Untertanen ab. Bei einer solchen Verwaltung kommt freilich alles auf die genaueste Aufsicht, auf die pünktlichste und ehrlichste Besorgung an, da der Gelegenheiten, in beiden zu fehlen, so viel mehr sind. Daher sucht man insofern nicht mit Unrecht, alles durch so viel Hände als möglich gehen zu lassen und selbst die Möglichkeit von Irrtümern oder Unterschleifen zu entfernen. Dadurch aber werden die Geschäfte beinah völlig mecha-
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nisch und die Menschen Maschinen; und die wahre Geschicklichkeit und Redlichkeit nehmen immer mit dem Zutrauen zugleich ab. [...] 7. Die Menschen – um diesen Teil der Untersuchung mit einer allgemeinen, aus den höchsten Rücksichten geschöpften Betrachtung zu schließen – werden um der Sachen, die Kräfte um der Resultate willen vernachlässigt. Ein Staat gleicht nach diesem System mehr einer aufgehäuften Menge von leblosen und lebendigen Werkzeugen der Wirksamkeit und des Genusses als einer Menge tätiger und genießender Kräfte. Bei der Vernachlässigung der Selbsttätigkeit der handelnden Wesen scheint nur auf Glückseligkeit und Genuß gearbeitet zu sein. [...] Vielleicht werde ich beschuldigt, die hier aufgezählten Nachteile übertrieben zu haben; allein ich mußte die volle Wirkung des Einmischens des Staats – von dem hier die Rede ist – schildern, und es versteht sich von selbst, daß jene Nachteile nach dem Grade und nach der Art dieses Einmischens selbst sehr verschieden sind. Überhaupt sei mir die Bitte erlaubt, bei allem, was diese Blätter Allgemeines enthalten, von Vergleichungen mit der Wirklichkeit gänzlich zu abstrahieren. In dieser findet man selten einen Fall voll und rein, und selbst dann sieht man nicht abgeschnitten und für sich die einzelnen Wirkungen einzelner Dinge. [...] Ich könnte hier ein erfreuliches Gegenbild eines Volkes aufstellen, das in der höchsten und ungebundensten Freiheit und in der größesten Mannigfaltigkeit seiner eignen und der übrigen Verhältnisse um sich her existierte; ich könnte zeigen, wie hier noch in eben dem Grade schönere, höhere und wunderbarere Gestalten der Mannigfaltigkeit und der Originalität erscheinen müßten als in dem schon so unnennbar reizenden Altertum, in welchem die Eigentümlichkeit eines minder kultivierten Volks allemal roher und gröber ist, in welchem mit der Feinheit auch allemal die Stärke und selbst der Reichtum des Charakters wächst und in welchem, bei der fast grenzenlosen Verbindung aller Nationen und Weltteile miteinander, schon die Elemente gleichsam zahlreicher sind; zeigen, welche Stärke hervorblühen müßte, wenn jedes Wesen sich aus sich selbst organisierte, wenn es, ewig von den schönsten Gestalten umgeben, mit uneingeschränkter und ewig durch die Freiheit ermunterter Selbsttätigkeit diese Gestalten in sich verwandelte; wie zart und fein das innere Dasein des Menschen sich ausbilden, wie es die angelegentlichere Beschäftigung desselben werden, wie alles Physische und Äußere in das Innere, Moralische und Intellektuelle übergehen und das Band, welches beide Naturen im Menschen verknüpft, an Dauer gewinnen würde, wenn
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nichts mehr die freie Rückwirkung aller menschlichen Beschäftigungen auf den Geist und den Charakter störte; wie keiner dem andren gleichsam aufgeopfert würde, wie jeder seine ganze, ihm zugemessene Kraft für sich behielte und ihn eben darum eine noch schönere Bereitwilligkeit begeisterte, ihr eine für andre wohltätige Richtung zu geben; wie, wenn jeder in seiner Eigentümlichkeit Fortschritte, mannigfaltigere und feinere Nuancen des schönen menschlichen Charakters entstehen und Einseitigkeit um so seltener sein würde, als sie überhaupt immer nur eine Folge der Schwäche und Dürftigkeit ist und als jeder, wenn nichts mehr den andren zwänge, sich ihm gleich zu machen, durch die immer fortdauernde Notwendigkeit der Verbindung mit andren, dringender veranlaßt werden würde, sich nach ihnen anders und anders selbst zu modifizieren; wie in diesem Volke keine Kraft und keine Hand für die Erhöhung und den Genuß des Menschendaseins verlorenginge; endlich zeigen, wie schon dadurch ebenso auch die Gesichtspunkte aller nur dahin gerichtet und von jedem andren falschen oder doch minder der Menschheit würdigen Endzweck abgewandt werden würden. Ich könnte dann damit schließen, aufmerksam darauf zu machen, wie diese wohltätige Folgen einer solchen Konstitution, unter einem Volke, welches es sei, ausgestreut, selbst dem freilich nie ganz tilgbaren Elende der Menschen, den Verheerungen der Natur, dem Verderben der feindseligen Neigungen und den Ausschweifungen einer zu üppigen Genussesfülle einen unendlich großen Teil seiner Schrecklichkeit nehmen würden. Allein ich begnüge mich, das Gegenbild geschildert zu haben; es ist mir genug, Ideen hinzuwerfen, damit ein reiferes Urteil sie prüfe. Wenn ich aus dem ganzen bisherigen Räsonnement das letzte Resultat zu ziehen versuche, so muß der erste Grundsatz dieses Teils der gegenwärtigen Untersuchung der sein: der Staat enthalte sich aller Sorgfalt für den positiven Wohlstand der Bürger und gehe keinen Schritt weiter, als zu ihrer Sicherstellung gegen sich selbst und gegen auswärtige Feinde notwendig ist; zu keinem andren Endzwecke beschränke er ihre Freiheit. [...]
VI [...] Schon diesen wenigen Bemerkungen zufolge erscheint, um zuerst von demjenigen moralischen Mittel zu reden, was am weitesten gleichsam ausgreift, öffentliche, d. i. vom Staat angeordnete oder geleitete Erziehung wenigstens von vielen Seiten bedenklich. Nach dem ganzen vorigen Räsonnement kommt schlechterdings alles auf die Aus-
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bildung des Menschen in der höchsten Mannigfaltigkeit an; öffentliche Erziehung aber muß, selbst wenn sie diesen Fehler vermeiden, wenn sie sich bloß darauf einschränken wollte, Erzieher anzustellen und zu unterhalten, immer eine bestimmte Form begünstigen. Es treten daher alle die Nachteile bei derselben ein, welche der erste Teil dieser Untersuchung hinlänglich dargestellt hat, und ich brauche nur noch hinzuzufügen, daß jede Einschränkung verderblicher wird, wenn sie sich auf den moralischen Menschen bezieht, und daß, wenn irgend etwas Wirksamkeit auf das einzelne Individuum fordert, dies gerade die Erziehung ist, welche das einzelne Individuum bilden soll. [...] Gewiß ist es wohltätig, wenn die Verhältnisse des Menschen und des Bürgers soviel als möglich zusammenfallen; aber es bleibt dies doch nur alsdann, wenn das des Bürgers so wenig eigentümliche Eigenschaften fordert, daß sich die natürliche Gestalt des Menschen, ohne etwas aufzuopfern, erhalten kann – gleichsam das Ziel, wohin alle Ideen, die ich in dieser Untersuchung zu entwickeln wage, allein hinstreben. Ganz und gar aber hört es auf, heilsam zu sein, wenn der Mensch dem Bürger geopfert wird. Denn wenngleich alsdann die nachteiligen Folgen des Mißverhältnisses hinwegfallen, so verliert auch der Mensch dasjenige, welches er gerade durch die Vereinigung in einen Staat zu sichern bemüht war. Daher müßte, meiner Mienung zufolge, die freieste, so wenig als möglich schon auf die bürgerlichen Verhältnisse gerichtete Bildung des Menschen überall vorangehen. [...] Sobald der Untertan den Gesetzen gehorcht und sich und die Seinigen im Wohlstande und einer nicht schädlichen Tätigkeit erhält, kümmert den Staat die genauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte daher die öffentliche Erziehung, die schon als solche, sei es auch unvermerkt, den Bürger oder Untertan, nicht den Menschen, wie die Privaterziehung, vor Augen hat, nicht eine bestimmte Tugend oder Art zu sein zum Zweck; sie suchte vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller, da nichts so sehr als gerade dies die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben diese Staaten am eifrigsten beabsichten. Ein solches Streben aber gewinnt, wie ich schon bei einer andren Gelegenheit zu zeigen versucht habe, entweder keinen Fortgang oder führt auf Mangel an Energie; da hingegen die Verfolgung einzelner Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist, durch das Leben in verschiedenen Verhältnissen und Verbindungen jenes Gleichgewicht sichrer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt. Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Beförderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersagen, will man es ihr zur Pflicht machen, bloß die eigene Entwickelung der Kräfte zu begünstigen, so ist dies einmal an sich nicht ausführbar, da, was Einheit der
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Anordnung hat, auch allemal eine gewisse Einförmigkeit der Wirkung hervorbringt, und dann ist auch unter dieser Voraussetzung der Nutzen einer öffentlichen Erziehung nicht abzusehen. [...] Überhaupt soll die Erziehung nur, ohne Rücksicht auf bestimmte, den Menschen zu erteilende bürgerliche Formen, Menschen bilden; so bedarf es des Staats nicht. Unter freien Menschen gewinnen alle Gewerbe besseren Fortgang, blühen alle Künste schöner auf, erweitern sich alle Wissenschaften. Unter ihnen sind auch alle Familienbande enger, die Eltern eifriger bestrebt, für ihre Kinder zu sorgen, und bei höherem Wohlstande auch vermögender, ihren Wünschen hierin zu folgen. Bei freien Menschen entsteht Nacheiferung, und es bilden sich bessere Erzieher, wo ihr Schicksal von dem Erfolg ihrer Arbeiten, als wo es von der Beförderung abhängt, die sie vom Staat zu erwarten haben. Es wird daher weder an sorgfältiger Familienerziehung noch an Anstalten so nützlicher und notwendiger gemeinschaftlicher Erziehung fehlen3. Soll aber öffentliche Erziehung dem Menschen eine bestimmte Form erteilen, so ist, was man auch sagen möge, zur Verhütung der Übertretung der Gesetze, zur Befestigung der Sicherheit so gut als nichts getan. Denn Tugend und Laster hängen nicht an dieser oder jener Art des Menschen zu sein, sind nicht mit dieser oder jener Charakterseite notwendig verbunden, sondern es kommt in Rücksicht auf sie weit mehr auf die Harmonie oder Disharmonie der verschiedenen Charakterzüge, auf das Verhältnis der Kraft zu der Summe der Neigungen usf. an. Jede bestimmte Charakterbildung ist daher eigner Ausschweifungen fähig und artet in dieselben aus. Hat daher eine ganze Nation ausschließlich vorzüglich eine gewisse erhalten, so fehlt es an aller entgegenstrebenden Kraft und mithin an allem Gleichgewicht. [...] Um die in einem Staat notwendige Sicherheit zu erhalten, ist Umformung der Sitten selbst nicht notwendig. Allein die Gründe, womit ich diese Behauptung zu unterstützen gedenke, bewahre ich der Folge auf, da sie auf das ganze Bestreben des Staats, auf die Sitten zu wirken, Bezug haben und mir noch vorher von einem paar einzelner, zu demselben gehöriger Mittel zu reden übrigbleibt. Öffentliche Erziehung scheint mir daher ganz außerhalb der Schranken zu liegen, in welchen der Staat seine Wirksamkeit halten muß4. [...] 3
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Dans une société bien ordonnée, au contraire, tout invite les hommes à cultiver leurs moyens naturels: sans qu’on s’en mêle, l’éducation sera bonne; elle sera même d’autant meilleure, qu’on aura plus laissé à faire à l’industrie des maîtres, et à l’émulation des élèves. Mirabeau s. l’éducat. publ. p. 11. Ainsi c’est peut-être un problème de savoir, si les législateurs Français doivent s’occuper de l’éducation publique autrement que pour en protéger les progrès, et si la constitution la plus favorable au développement du moi humain et les lois les plus propres
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VIII [...] Es scheint daher dem wahren Endzweck des Staats angemessen, die Sinnlichkeit – aus welcher eigentlich alle Kollisionen unter den Menschen entspringen, da das, worin geistige Gefühle überwiegend sind, immer und überall harmonisch miteinander bestehen kann – in den gehörigen Schranken zu halten und, weil dies freilich das leichteste Mittel hierzu scheint, so viel als möglich zu unterdrücken. [...] Die sinnlichen Empfindungen, Neigungen und Leidenschaften sind es, welche sich zuerst und in den heftigsten Äußerungen im Menschen zeigen. Wo sie, ehe noch Kultur sie verfeinert oder der Energie der Seele eine andre Richtung gegeben hat, schweigen, da ist auch alle Kraft erstorben, und es kann nie etwas Gutes und Großes gedeihen. Sie sind es gleichsam, welche wenigstens zuerst der Seele eine belebende Wärme einhauchen, zuerst zu einer eignen Tätigkeit anspornen. Sie bringen Leben und Strebekraft in dieselbe; unbefriedigt machen sie tätig, zur Anlegung von Planen erfindsam, mutig zur Ausübung; befriedigt befördern sie ein leichtes, ungehindertes Ideenspiel. Überhaupt bringen sie alle Vorstellungen in größere und mannigfaltigere Bewegung, zeigen neue Ansichten, führen auf neue, vorher unbemerkt gebliebene Seiten; ungerechnet, wie die verschiedne Art ihrer Befriedigung auf den Körper und die Organisation und diese wieder auf eine Weise, die uns freilich nur in den Resultaten sichtbar wird, auf die Seele zurückwirkt. Indes ist ihr Einfluß in der Intension wie in der Art des Wirkens verschieden. Dies beruht teils auf ihrer Stärke oder Schwäche, teils aber auch – wenn ich mich so ausdrücken darf – auf ihrer Verwandtschaft mit dem Unsinnlichen, auf der größeren oder minderen Leichtigkeit, sie von tierischen Genüssen zu menschlichen Freuden zu erheben. So leiht das Auge der Materie seiner Empfindung die für uns so genußreiche und ideenfruchtbare Form der Gestalt, so das Ohr die der verhältnismäßigen Zeitfolge der Töne. Über die verschiedene Natur dieser Empfindungen und die Art ihrer Wirkung ließe sich vielleicht viel Schönes und manches Neue sagen, wozu aber schon hier nicht einmal der Ort ist. Nur eine Bemerkung über ihren verschiedenen Nutzen zur Bildung der Seele. Das Auge, wenn ich so sagen darf, liefert dem Verstande einen mehr à mettre chacun à sa place ne sont pas la seule éducation, que le peuple doive attendre d’eux. l. c. p. 11. D’après cela, les principes rigoureux sembleraient exiger que l’Assemblée Nationale ne s’occupât de l’éducation que pour l’enlever à des pouvoirs, ou à des corps qui peuvent en dépraver l’influence. l. c. p. 12.
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vorbereiteten Stoff. Das Innere des Menschen wird uns gleichsam mit seiner und der übrigen, immer in unsrer Phantasie auf ihn bezogenen Dinge Gestalt bestimmt und in einem einzelnen Zustande gegeben. Das Ohr, bloß als Sinn betrachtet und insofern es nicht Worte aufnimmt, gewährt eine bei weitem geringere Bestimmtheit. Darum räumt auch Kant den bildenden Künsten den Vorzug vor der Musik ein. Allein er bemerkt sehr richtig, daß dies auch zum Maßstabe die Kultur voraussetzt, welche die Künste dem Gemüt verschaffen, und ich möchte hinzusetzen, welche sie ihm unmittelbar verschaffen. Es fragt sich indes, ob dies der richtige Maßstab sei. Meiner Idee nach ist Energie die erste und einzige Tugend des Menschen. [...] Die energisch wirkenden sinnlichen Empfindungen – denn nur um diese zu erläutern, rede ich hier von Künsten – wirken wiederum verschieden, teils je nachdem ihr Gang wirklich das abgemessenste Verhältnis hat, teils je nachdem die Bestandteile selbst, gleichsam die Materie, die Seele stärker ergreifen. [...] Ich habe bis jetzt – obgleich eine völlige Trennung nie möglich ist – von der sinnlichen Empfindung nur als sinnlicher Empfindung zu reden versucht. Aber Sinnlichkeit und Unsinnlichkeit verknüpft ein geheimnisvolles Band, und wenn es unsrem Auge versagt ist, dieses Band zu sehen, so ahndet es unser Gefühl. Dieser zwiefachen Natur der sichtbaren und unsichtbaren Welt, dem angebornen Sehnen nach dieser und dem Gefühl der gleichsam süßen Unentbehrlichkeit jener, danken wir alle wahrhaft aus dem Wesen des Menschen entsprungene, konsequente philosophische Systeme; so wie eben daraus auch die sinnlosesten Schwärmereien entstehen. Ewiges Streben, beide dergestalt zu vereinen, daß jede so wenig als möglich der andren raube, schien mir immer das wahre Ziel des menschlichen Weisen. Unverkennbar ist überall dies ästhetische Gefühl, mit dem uns die Sinnlichkeit Hülle des Geistigen und das Geistige belebendes Prinzip der Sinnenwelt ist. Das ewige Studium dieser Physiognomik der Natur bildet den eigentlichen Menschen. Denn nichts ist von so ausgebreiteter Wirkung auf den ganzen Charakter als der Ausdruck des Unsinnlichen im Sinnlichen, des Erhabnen, des Einfachen, des Schönen in allen Werken der Natur und Produkten der Kunst, die uns umgeben. Und hier zeigt sich zugleich wieder der Unterschied der energisch wirkenden und der übrigen sinnlichen Empfindungen. Wenn das letzte Streben alles unsres menschlichsten Bemühens nur auf das Entdecken, Nähren und Erschaffen des einzig wahrhaft Existierenden, obgleich in seiner Urgestalt ewig Unsichtbaren, in uns und andren gerichtet ist, wenn es allein das ist, dessen
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Ahndung uns jedes seiner Symbole so teuer und heilig macht, so treten wir ihm einen Schritt näher, wenn wir das Bild seiner ewig regen Energie anschauen. Wir reden gleichsam mit ihm in schwerer und oft unverstandner, aber auch oft mit der gewissesten Wahrheitsahndung überraschender Sprache, indes die Gestalt – wieder, wenn ich so sagen darf, das Bild jener Energie – weiter von der Wahrheit entfernt ist. Auf diesem Boden, wenn nicht allein, doch vorzüglich, blüht auch das Schöne und noch weit mehr das Erhabene auf, das den Menschen der Gottheit gleichsam noch näher bringt. Die Notwendigkeit eines reinen, von allen Zwecken entfernten Wohlgefallens an einem Gegenstande, ohne Begriff, bewährt ihm gleichsam seine Abstammung von dem Unsichtbaren und seine Verwandtschaft damit; und das Gefühl seiner Unangemessenheit zu dem überschwenglichen Gegenstande verbindet auf die menschlich-göttlichste Weise unendliche Größe mit hingebender Demut. Ohne das Schöne fehlte dem Menschen die Liebe der Dinge um ihrer selbst willen; ohne das Erhabne der Gehorsam, welcher jede Belohnung verschmäht und niedrige Furcht nicht kennt. Das Studium des Schönen gewährt Geschmack, des Erhabnen – wenn es auch hiefür ein Studium gibt und nicht Gefühl und Darstellung des Erhabnen allein Frucht des Genies ist – richtig abgewägte Größe. Der Geschmack allein aber, dem allemal Größe zum Grunde liegen muß, weil nur das Große des Maßes und nur das Gewaltige der Haltung bedarf, vereint alle Töne des vollgestimmten Wesens in eine reizende Harmonie. Er bringt in alle unsre auch bloß geistigen Empfindungen und Neigungen so etwas Gemäßigtes, Gehaltnes, auf einen Punkt hin Gerichtetes. Wo er fehlt, da ist die sinnliche Begierde roh und ungebändigt, da haben selbst wissenschaftliche Untersuchungen vielleicht Scharfsinn und Tiefsinn, aber nicht Feinheit, nicht Politur, nicht Fruchtbarkeit in der Anwendung. Überhaupt sind ohne ihn die Tiefen des Geistes wie die Schätze des Wissens tot und unfruchtbar, ohne ihn der Adel und die Stärke des moralischen Willens selbst rauh und ohne erwärmende Segenskraft. Forschen und Schaffen – darum drehen und darauf beziehen sich wenigstens, wenngleich mittelbarer oder unmittelbarer, alle Beschäftigungen des Menschen. [...] Wenn nun das moralische Gesetz jeden Menschen als einen Zweck in sich zu betrachten nötigt, so vereint sich mit ihm das Schönheitsgefühl, das gern jedem Staube Leben einhaucht, um auch in ihm an einer eignen Existenz sich zu freuen, und das um so viel voller und schöner den Menschen aufnimmt und umfaßt, als es, unabhängig vom Begriff, nicht auf die kleine Anzahl der Merkmale beschränkt ist, welche der Begriff, und noch dazu nur abgeschnitten
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und einzeln, allein zu umfassen vermag. [...] Alle Stärke – gleichsam die Materie – stammt aus der Sinnlichkeit, und wie weit entfernt von dem Stamme, ist sie doch noch immer, wenn ich so sagen darf, auf ihm ruhend. Wer nun seine Kräfte unaufhörlich zu erhöhen und durch häufigen Genuß zu verjüngen sucht, wer die Stärke seines Charakters oft braucht, seine Unabhängigkeit von der Sinnlichkeit zu behaupten, wer so diese Unabhängigkeit mit der höchsten Reizbarkeit zu vereinen bemüht ist, wessen gerader und tiefer Sinn der Wahrheit unermüdet nachforscht, wessen richtiges und feines Schönheitsgefühl keine reizende Gestalt unbemerkt läßt, wessen Drang, das außer sich Empfundene in sich aufzunehmen und das in sich Aufgenommene zu neuen Geburten zu befruchten, jede Schönheit in seine Individualität zu verwandeln und, mit jeder sein ganzes Wesen gattend, neue Schönheit zu erzeugen strebt, der kann das befriedigende Bewußtsein nähren, auf dem richtigen Wege zu sein, dem Ideale sich zu nahen, das selbst die kühnste Phantasie der Menschheit vorzuzeichnen wagt. Ich habe durch dies an und für sich politischen Untersuchungen ziemlich fremdartige, allein in der von mir gewählten Folge der Ideen notwendige Gemälde zu zeigen versucht, wie die Sinnlichkeit mit ihren heilsamen Folgen durch das ganze Leben und alle Beschäftigungen des Menschen verflochten ist. Ihr dadurch Freiheit und Achtung zu erwerben war meine Absicht. Vergessen darf ich indes nicht, daß gerade die Sinnlichkeit auch die Quelle einer großen Menge physischer und moralischer Übel ist. Selbst moralisch nur dann heilsam, wenn sie in richtigem Verhältnis mit der Übung der geistigen Kräfte steht, erhält sie so leicht ein schädliches Übergewicht. Dann wird menschliche Freude tierischer Genuß, der Geschmack verschwindet oder erhält unnatürliche Richtungen. [...] Nach den im vorigen ausgeführten Grundsätzen aber ist es dem Staat nicht erlaubt, mit positiven Endzwecken auf die Lage der Bürger zu wirken. Diese Lage erhält daher nicht eine so bestimmte und erzwungene Form, und ihre größere Freiheit, wie daß sie in eben dieser Freiheit selbst größtenteils von der Denkungs- und Handlungsart der Bürger ihre Richtung erhält, vermindert schon jenes Mißverhältnis. Dennoch könnte indes die immer übrigbleibende, wahrlich nicht unbedeutende Gefahr die Vorstellung der Notwendigkeit erregen, der Sittenverderbnis durch Gesetze und Staatseinrichtungen entgegenzukommen. Allein, wären dergleichen Gesetze und Einrichtungen auch wirksam, so würde nur mit dem Grade ihrer Wirksamkeit auch ihre Schädlichkeit steigen. Ein Staat, in welchem die Bürger durch solche Mittel genötigt
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oder bewogen würden, auch den besten Gesetzen zu folgen, könnte ein ruhiger, friedliebender, wohlhabender Staat sein; allein er würde mir immer ein Haufe ernährter Sklaven, nicht eine Vereinigung freier, nur wo sie die Grenze des Rechts übertreten, gebundener Menschen scheinen. [...] Allein die Kraft seiner Seele wird dadurch nicht erhöht; weder seine Ideen über seine Bestimmung und seinen Wert erhalten dadurch mehr Aufklärung noch sein Wille mehr Kraft, die herrschende Neigung zu besiegen; an wahrer, eigentlicher Vollkommenheit gewinnt er folglich nichts. Wer also Menschen bilden, nicht zu äußren Zwecken ziehn will, wird sich dieser Mittel nie bedienen. [...]
XV [...] Das System, das ich vorgetragen habe, verstärkt und vervielfacht das Privatinteresse der Bürger, und es scheint daher, daß eben dadurch das öffentliche geschwächt werde. Allein es verbindet auch dieses so genau mit jenem, daß dasselbe vielmehr nur auf jenes, und zwar wie es jeder Bürger – da doch jeder sicher und frei sein will – anerkennt, gegründet ist. So dürfte also doch gerade bei diesem System die Liebe der Konstitution am besten erhalten werden, die man sonst oft durch sehr künstliche Mittel vergebens hervorzubringen strebt. [...]
Quelle Humboldt, Wilhelm von (1962) [1851]: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben.
Culture and Anarchy An Essay in Political and Social Criticism Matthew Arnold
Chapter 1 Sweetness and Light The disparagers of culture make its motive curiosity; sometimes, indeed, they make its motive mere exclusiveness and vanity. The culture which is supposed to plume itself on a smattering of Greek and Latin is a culture which is begotten by nothing so intellectual as curiosity; it is valued either out of sheer vanity and ignorance or else as an engine of social and class distinction, separating its holder, like a badge or title, from other people who have not got it. No serious man would call this culture, or attach any value to it, as culture, at all. To find the real ground for the very different estimate which serious people will set upon culture, we must find some motive for culture in the terms of which may lie a real ambiguity; and such a motive the word curiosity gives us.[…] For as there is a curiosity about intellectual matters which is futile, and merely a disease, so there is certainly a curiosity, — a desire after the things of the mind simply for their own sakes and for the pleasure of seeing them as they are, — which is, in an intelligent being, natural and laudable. Nay, and the very desire to see things as they are implies a balance and regulation of mind which is not often attained without fruitful effort, and which is the very opposite of the blind and diseased impulse of mind which is what we mean to blame when we blame curiosity. Montesquieu says: ‘The first motive which ought to impel us to study is the desire to augment the excellence of our nature, and to render an intelligent being yet more intelligent.’ This is the true ground to assign for the genuine scientific passion, however manifested, and for culture, viewed simply as
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a fruit of this passion; and it is a worthy ground, even though we let the term curiosity stand to describe it. But there is of culture another view, in which not solely the scientific passion, the sheer desire to see things as they are, natural and proper in an intelligent being, appears as the ground of it. There is a view in which all the love of our neighbour, the impulses towards action, help, and beneficence, the desire for removing human error, clearing human confusion, and diminishing human misery, the noble aspiration to leave the world better and happier than we found it, — motives eminently such as are called social, — come in as part of the grounds of culture, and the main and pre-eminent part. Culture is then properly described not as having its origin in curiosity, but as having its origin in the love of perfection; it is a study of perfection. It moves by the force, not merely or primarily of the scientific passion for pure knowledge, but also of the moral and social passion for doing good. As, in the first view of it, we took for its worthy motto Montesquieu’s words: ‘To render an intelligent being yet more intelligent!’ so, in the second view of it, there is no better motto which it can have than these words of Bishop Wilson: ‘To make reason and the will of God prevail!’ Only, whereas the passion for doing good is apt to be overhasty in determining what reason and the will of God say, because its turn is for acting rather than thinking and it wants to be beginning to act; and whereas it is apt to take its own conceptions, which proceed from its own state of development and share in all the imperfections and immaturities of this, for a basis of action; what distinguishes culture is, that it is possessed by the scientific passion as well as by the passion of doing good; that it demands worthy notions of reason and the will of God, and does not readily suffer its own crude conceptions to substitute themselves for them. And knowing that no action or institution can be salutary and stable which is not based on reason and the will of God, it is not so bent on acting and instituting, even with the great aim of diminishing human error and misery ever before its thoughts, but that it can remember that acting and instituting are of little use, unless we know how and what we ought to act and to institute. This culture is more interesting and more far-reaching than that other, which is founded solely on the scientific passion for knowing. But it needs times of faith and ardour, times when the intellectual horizon is opening and widening all round us, to flourish in. And is not the close and bounded intellectual horizon within which we have long lived and moved now lifting up, and are not new lights finding free passage
Culture and Anarchy. An Essay in Political and Social Criticism
to shine in upon us? For a long time there was no passage for them to make their way in upon us, and then it was of no use to think of adapting the world’s action to them. Where was the hope of making reason and the will of God prevail among people who had a routine which they had christened reason and the will of God, in which they were inextricably bound, and beyond which they had no power of looking? But now the iron force of adhesion to the old routine, — social, political, religious, — has wonderfully yielded; the iron force of exclusion of all which is new has wonderfully yielded. The danger now is, not that people should obstinately refuse to allow anything but their old routine to pass for reason and the will of God, but either that they should allow some novelty or other to pass for these too easily, or else that they should underrate the importance of them altogether, and think it enough to follow action for its own sake, without troubling themselves to make reason and the will of God prevail therein. Now, then, is the moment for culture to be of service, culture which believes in making reason and the will of God prevail, believes in perfection, is the study and pursuit of perfection, and is no longer debarred, by a rigid invincible exclusion of whatever is new, from getting acceptance for its ideas, simply because they are new. The moment this view of culture is seized, the moment it is regarded not solely as the endeavour to see things as they are, to draw towards a knowledge of the universal order which seems to be intended and aimed at in the world, and which it is a man’s happiness to go along with or his misery to go counter to, — to learn, in short, the will of God, — the moment, I say, culture is considered not merely as the endeavour to see and learn this, but as the endeavour, also, to make it prevail, the moral, social, and beneficent character of culture becomes manifest. The mere endeavour to see and learn the truth for our own personal satisfaction is indeed a commencement for making it prevail, a preparing the way for this, which always serves this, and is wrongly, therefore, stamped with blame absolutely in itself and not only in ist caricature and degeneration. But perhaps it has got stamped with blame, and disparaged with the dubious title of curiosity, because in comparison with this wider endeavour of such great and plain utility it looks selfish, petty, and unprofitable. And religion, the greatest and most important of the efforts by which the human race has manifested its impulse to perfect itself, — religion, that voice of the deepest human experience, — does not only enjoin and sanction the aim which is the great aim of culture, the aim of setting ourselves to ascertain what perfection is and to make it prevail; but also, in determining generally in what human perfection consists, religion
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comes to a conclusion identical with that which culture, — culture seeking the determination of this question through all the voices of human experience which have been heard upon it, of art, science, poetry, philosophy, history, as well as of religion, in order to give a greater fulness and certainty to ist solution, — likewise reaches. Religion says: The kingdom of God is within you; and culture, in like manner, places human perfection in an internal condition, in the growth and predominance of our humanity proper, as distinguished from our animality. It places it in the ever-increasing efficacy and in the general harmonious expansion of those gifts of thought and feeling, which make the peculiar dignity, wealth, and happiness of human nature. As I have said on a former occasion: ‘It is in making endless additions to itself, in the endless expansion of its powers, in endless growth in wisdom and beauty, that the spirit of the human race finds its ideal. To reach this ideal, culture is an indispensable aid, and that is the true value of culture.’ Not a having and a resting, but a growing and a becoming, is the character of perfection as culture conceives it; and here, too, it coincides with religion. And because men are all members of one great whole, and the sympathy which is in human nature will not allow one member to be indifferent to the rest or to have a perfect welfare independent of the rest, the expansion of our humanity, to suit the idea of perfection which culture forms, must be a general expansion. Perfection, as culture conceives it, is not possible while the individual remains isolated. The individual is required, under pain of being stunted and enfeebled in his own development if he disobeys, to carry others along with him in his march towards perfection, to be continually doing all he can to enlarge and increase the volume of the human stream sweeping thitherward. And here, once more, culture lays on us the same obligation as religion, which says, as Bishop Wilson has admirably put it, ‘that to promote the kingdom of God is to increase and hasten one’s own happiness.’ But, finally, perfection, — as culture from a thorough disinterested study of human nature and human experience learns to conceive it, — is a harmonious expansion of all the powers which make the beauty and worth of human nature, and is not consistent with the over-development of any one power at the expense of the rest. Here culture goes beyond religion, as religion is generally conceived by us. If culture, then, is a study of perfection, and of harmonious perfection, general perfection, and perfection which consists in becoming something rather than in having something, in an inward condition of the mind and spirit, not in an outward set of circumstances, — it is clear
Culture and Anarchy. An Essay in Political and Social Criticism
that culture, instead of being the frivolous and useless thing which Mr. Bright, and Mr. Frederic Harrison, and many other Liberals are apt to call it, has a very important function to fulfil for mankind. And this function is particularly important in our modern world, of which the whole civilisation is, to a much greater degree than the civilisation of Greece and Rome, mechanical and external, and tends constantly to become more so. But above all in our own country has culture a weighty part to perform, because here that mechanical character, which civilisation tends to take everywhere, is shown in the most eminent degree. Indeed nearly all the characters of perfection, as culture teaches us to fix them, meet in this country with some powerful tendency which thwarts them and sets them at defiance. The idea of perfection as an inward condition of the mind and spirit is at variance with the mechanical and material civilisation in esteem with us, and nowhere, as I have said, so much in esteem as with us. The idea of perfection as a general expansion of the human family is at variance with our strong individualism, our hatred of all limits to the unrestrained swing of the individual’s personality, our maxim of ‘every man for himself.’ Above all, the idea of perfection as a harmonious expansion of human nature is at variance with our want of flexibility, with our inaptitude for seeing more than one side of a thing, with our intense energetic absorption in the particular pursuit we happen to be following. So culture has a rough task to achieve in this country. […]
Source Arnold, Matthew (1903) [1869]: Culture and Anarchy. An Essay in Political and Social Criticism. The Works of Matthew Arnold in fifteen volumes. Volume VI, St. Clair Shores: Scholarly Press. Daraus: 5–14
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Kunst als Erfahrung John Dewey
Kapitel 1 Das lebendige Geschöpf Durch eine jener ironischen Verkehrungen, die im Gange der Geschehnisse des öfteren in Erscheinung treten, ist die Existenz der Kunstwerke, von der die Bildung einer ästhetischen Theorie abhängig ist, zur Behinderung einer Theorie über sie geworden. Zum einen sind diese Werke Produkte von äußerlicher, körperlicher Existenz. Die allgemeine Betrachtungsweise setzt das Kunstwerk oft mit dem Bauwerk, dem Buch, dem Gemälde oder der Statue gleich – ungeachtet der menschlichen Erfahrung. Da das reale Kunstwerk aus dem besteht, was das Produkt mit und in der Erfahrung macht, wird das Ergebnis ein Verstehen nicht eben fördern. Außerdem werden durch die künstlerische Vollendung einiger dieser Werke sowie durch das Prestige, das ihnen aufgrund einer langen Tradition kritikloser Bewunderung zukommt, Konventionen geschaffen, die einen unbefangenen Zugang versperren. Ist ein künstlerisches Werk einmal in den Rang eines klassischen Kunstwerks erhoben, so erfährt es gewissermaßen eine Loslösung von den menschlichen Gegebenheiten, aus denen heraus es entstand, wie auch von den Konsequenzen, die es für den Menschen in der realen Lebenserfahrung hervorruft. Löst man einen Kunstgegenstand sowohl aus seinen Entstehungsbedingungen als auch aus seinen Auswirkungen in der Erfahrung heraus, so errichtet man eine Mauer um ihn, die seine allgemeine Bedeutung, um die es in der ästhetischen Theorie geht, beinahe unerkennbar werden läßt. Die Kunst wird in einen Sonderbereich verwiesen, in dem sie fern von all jenen Mitteln und Zielen ist, die menschliche Bestrebungen, Mühen, Errungenschaften zum Ausdruck bringen. Wer es unternimmt,
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ein Werk über die Philosophie der Kunst zu schreiben, muß daher zunächst einmal zwischen den Kunstwerken als verfeinerten und vertieften Formen der Erfahrung und den alltäglichen Geschehnissen, Betätigungen und Leiden, die bekanntlich die menschliche Erfahrung ausmachen, eine erneute Kontinuität herstellen. Bergspitzen schweben nicht frei; auch ruhen sie nicht einfach auf der Erde. Sie sind die Erde in einer ihr greifbaren Erscheinungsformen. Es ist Sache derer, die sich mit der Lehre von der Erde beschäftigen – der Geographen und Geologen –, auf diese Tatsache mit all ihren Implikationen hinzuweisen. Wer den philosophischen Hintergrund der Kunst in einem System faßbar machen möchte, hat eine ähnliche Aufgabe zu erfüllen. Ist man bereit, diese Position einzunehmen, und sei es nur im vorübergehenden Experiment, so wird man zu einem im ersten Moment überraschend anmutenden Schluß kommen. Um die Bedeutung künstlerischer Werke zu erfassen, müssen wir diese eine Zeitlang vergessen und außer acht lassen, um uns den gewöhnlichen Antriebskräften und Erfahrungsbedingungen zuzuwenden, die wir in der Regel nicht im Zusammenhang mit ästhetischen Überlegungen betrachten. Zur Theorie der Kunst können wir nur auf einem Umwege gelangen. Denn der Theorie geht es zwar um Verständnis und Einsichten, sie verzichtet dabei jedoch nicht auf Ausrufe der Bewunderung und die Anregung zu jenem gefühlshaften Ausbruch, der häufig als Wertschätzung bezeichnet wird. Man kann sich durchaus an der Farbenpracht und dem zarten Duft der Blumen erfreuen, ohne irgendwelche theoretischen Kenntnisse über Pflanzen zu besitzen. Will man jedoch den Vorgang des Blühens begreifen, so muß man sich zwangsläufig über die wesentlichen Bedingungen des Pflanzenwuchses, über das Zusammenwirken von Boden, Wasser, Luft und Licht informieren. Niemand wird bestreiten, daß der Parthenon ein hervorragendes Kunstwerk ist. Ästhetische Bedeutung erhält er jedoch erst, sobald er in einem Menschen eine Erfahrung bewirkt. Geht man nun über den individuellen Genuß hinaus und beginnt, eine Theorie über jene große Republik der Kunst aufzustellen, deren Mitglied das Bauwerk ist, so muß man an irgendeinem Punkte seiner Überlegungen bereit sein, sich von ihm abzuwenden, um die geschäftigen, diskutierenden, überaus feinsinnigen Athener ins Auge zu fassen, deren staatsbürgerliches Empfinden identisch war mit der Staatsreligion und für die jener Tempel Ausdruck ihrer Welterfahrung war – nicht als Kunstwerk, sondern als Denkmal ihrer staatlichen Ordnung. Unser Augenmerk richtet sich auf Menschen, deren Bedürfnisse nach einem derartigen Bauwerk verlangten und darin
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ihre Erfüllung fanden; es ist keine Untersuchung, wie sie etwa ein Soziologe auf der Suche nach zweckdienlichem Material durchführen würde. Wer zu der ästhetischen Erfahrung, die im Parthenon verkörpert ist, theoretische Überlegungen anstellen will, muß sich vergegenwärtigen, was die Menschen, in deren Leben der Parthenon trat – seine Schöpfer und die, die in ihm Erfüllung fanden – mit den Menschen unserer eigenen Städte gemeinsam hatten. Um Ästhetik in ihren ausgeprägtesten und anerkanntesten Formen zu verstehen, muß man bei ihren Grundelementen ansetzen; bei den Ereignissen und Szenen, die das aufmerksame Auge und Ohr des Menschen auf sich lenken, sein Interesse wecken und, während er schaut und hört, sein Gefallen hervorrufen: Anblicke, von denen die Menge gebannt ist: Die vorüberrasende Feuerwehr; Maschinen, die riesige Löcher ins Erdreich graben; der Mensch, der einen Turm emporklimmt und von weitem wie eine Fliege aussieht; Männer, die auf Eisenträgern hoch in den Lüften rotglühende Bolzen werfen und auffangen. Daß der Ursprung der Kunst in der menschlichen Erfahrung liegt, wird jedem klar, der beobachtet, wie die Zuschauermenge von den spannungsgeladenen, graziösen Bewegungen des Ballspielers mitgerissen wird; der bemerkt, mit wieviel Freude die Hausfrau ihre Blumen pflegt und mit welcher Hingabe ihr Gatte das kleine Fleckchen Rasen vor dem Haus instand hält; der das Behagen dessen mitempfindet, der ein Holzfeuer im Kamin anfacht und dabei die hochschießenden Flammen und die zerfallende Glut betrachtet. Fragte man alle diese Menschen nach dem Sinn ihrer Tätigkeiten, so würden sie gewiß einleuchtende Gründe anführen. Derjenige, der die brennenden Äste anfachte, gäbe zur Antwort, daß auf diese Weise das Feuer besser brenne. Von dem sprühenden Farbenspiel, das vor seinen Augen abläuft, ist er indessen nicht weniger fasziniert, und seine Phantasie nimmt daran lebhaften Anteil. Er bleibt also kein kühler Beobachter. Was Coleridge von dem Leser eines Gedichtes sagte, gilt auf seine Weise für alle, die ganz in ihrer geistigen und körperlichen Tätigkeit aufgehen: „The reader should be carried forward, not merely or chiefly by the mechanical impulse of curiosity, not by a restless desire to arrive at the final solution, but by the pleasurable activity of the journey itself.“1 1
Nicht allein oder in der Hauptsache von dem mechanischen Antrieb der Neugierde, nicht von dem ungestillten Verlangen, zu einer endgültigen Lösung zu kommen, sollte sich der Leser angespornt fühlen, sondern von dem Genuß, der in seinen, Unternehmen selbst liegt.
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Achtet ein umsichtiger Handwerker bei der Ausübung seines Berufes darauf, daß er seine Arbeit einwandfrei und für sich selbst zufriedenstellend ausführt, und behandelt er sein Material achtsam und liebevoll, so ist seine Arbeit eine künstlerische Tätigkeit. Den Unterschied zwischen einem so charakterisierten Arbeiter und einem unfähigen, nachlässigen Stümper gibt es in der Werkstatt wie im Atelier. Oftmals wird das fertige Produkt keinen ästhetischen Reiz auf seine Benutzer ausüben. Der Fehler liegt jedoch oft nicht beim Hersteller, sondern in den Bedingungen des Marktes, für den das Produkt bestimmt ist. Wären die Umstände und Möglichkeiten anders, so würden Gegenstände hergestellt, die dem Auge so bedeutsam erscheinen wie die handwerklichen Produkte früherer Zeiten. Vorstellungen, die die Kunst auf einen entrückten Sockel stellen, sind derart verbreitet und setzen sich so unbemerkt durch, daß gar mancher eher befremdet als erfreut wäre, wenn man ihm sagte, er genösse seine Freizeitbeschäftigungen zumindest teilweise ihres ästhetischen Wertes wegen. Die Zweige der Kunst, denen der Durchschnittsmensch unserer Tage vitalstes Interesse entgegenbringt, werden von ihm nicht zur Kunst gezählt: Zum Beispiel Filme, moderne Tanzmusik, Comics und allzu oft auch Zeitungsberichte über Lasterhöhlen, Morde und Gangstergeschichten. Denn wenn das, was er unter Kunst versteht, in Museum und Galerie verbannt wird, so sucht der nicht zu unterdrückende Wunsch nach Genuß seine Befriedigung in den Möglichkeiten, die die Umgebung des Alltags bietet. Manch einer, der sich dagegen wehrt, die Kunst ins Museum zu verbannen, hält trotzdem an der irrigen Grundauffassung fest, der diese Konzeption entstammt. Denn die verbreitete Auffassung leitet sich her von einer Trennung zwischen der Kunst und den Dingen beziehungsweise den Situationen der alltäglichen Erfahrung, und viele Theoretiker und Kritiker rühmen sich, diese Trennung aufrechtzuerhalten oder gar zu vertiefen. Die Zeiten, in denen erlesene Objekte mit den Produkten aus herkömmlichen Berufen eng verbunden waren, sind Zeiten, in denen ersteren allgemeinste und tiefste Wertschätzung entgegengebracht wurde. Wenn das, was die Gebildetenschicht unter Kunst versteht, aufgrund seiner Entrücktheit für die Masse des Volkes zum blutleeren Gebilde wird, dann richtet sich das Verlangen nach Ästhetik leicht auf das Billige und Vulgäre. Die Faktoren, die die Kunst glorifizierten, indem sie sie auf einen entrückten Sockel stellten, kamen nicht aus dem Bereich der Kunst, noch ist ihr Einfluß auf die Künste beschränkt. Das „Geistige“ und „Ideelle“ ist für viele mit der Aura eines Gemisches aus Ehrfurcht und Unwirklich-
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keit umgeben, während im Gegensatz dazu „Materie“ zum Inbegriff der Verachtung geworden ist – zu etwas, das man wegdiskutieren oder für das man sich entschuldigen muß. Dabei sind dieselben Kräfte am Werk, die auch Religion und Kunst aus dem Bereich des gewöhnlichen oder gemeinschaftlichen Lebens entfernt haben. Diese Kräfte haben, historisch gesehen, so viele Verschiebungen und Spaltungen im modernen Leben hervorgebracht, daß sich die Kunst ihrem Einfluß nicht entziehen konnte. Wir brauchen weder bis ans Ende der Welt zu gehen noch uns um Jahrtausende zurückzuversetzen, um Völkern zu begegnen, für die all das Gegenstand tiefster Verehrung ist, was das unmittelbare Daseinsgefühl steigert. Tätowierungen, schwingende Federn, Prunkgewänder, strahlende Schmuckgegenstände aus Gold, Silber, Smaragd und Jade waren Gegenstand ästhetischer Kunst, vermutlich ohne den vulgären Zug, dabei im Dienste eines Klassenexhibitionismus zu stehen, wie das bei ihren heutigen Entsprechungen der Fall ist. Haushaltsgeräte, Einrichtungen für Zelt und Haus, Teppiche, Matten, Bogen, Speere waren mit so viel Freude und Sorgfalt gearbeitet, daß wir ihnen heute nachjagen und Ehrenplätze in unseren Kunstmuseen geben. In ihrer natürlichen Umgebung und zu ihrer Zeit erhöhten sie jedoch die Bedeutung der alltäglichen, Lebensabläufe. Anstatt auf erhabenen Platze in einer Nische ein Einzeldasein zu führen, dienten sie der Darbietung besonderen Könnens, der Bezeugung von Gruppen- und Clanzugehörigkeit, der Götterverehrung, dem Feiern und Fasten, dem Kampf, der Jagd und all jenen Höhepunkten, die den Strom des Lebens rhythmisch gliedern. Tanz und Pantomime, die Ursprünge der Theaterkunst, standen als Teil religiöser Riten und Feste in voller Blüte. Die Musikkunst bestand vorwiegend aus dem Zupfen angezogener Schnüre, dem Trommeln auf gespannter Tierhaut und dem Blasen auf Rohr. Selbst die von Menschen bewohnten Höhlen waren mit farbigen Darstellungen verziert, die die Erfahrung mit jenen Tieren wachhielten, zu denen das Leben der Menschen in enger Beziehung stand. Bauten, die die Wohnungen der Götter darstellten und in welchen die Gerätschaften aufbewahrt wurden, die den Verkehr mit den höheren Mächten ermöglichen sollten, wurden in besonderem Maße künstlerisch gestaltet. Doch die Beispiele für die Schauspielkunst, für Musik, Malerei und Architektur, wie sie hier gegeben wurden, standen in keiner besonderen Beziehung zu Theater, Galerie oder Museum. Sie waren Bestandteile des bedeutungsreichen Lebens einer geordneten Gesellschaft. Das Leben im Kollektiv, wie es sich im Krieg, im Gottesdienst oder auf dem Forum manifestierte, kannte keine Trennung zwischen dem,
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was diese Orte und Unternehmen charakterisierte, und den Künsten, die ihnen Farbe, Anmut und Würde verliehen. Malerei und Bildhauerei bildeten mit der Architektur eine organische Einheit, so wie diese eins war mit dem sozialen Zweck, dem die Bauwerke dienten. Musik und Gesang standen in engstem Zusammenhang mit den Riten und Zeremonien, bei denen die Bedeutung des gemeinschaftlichen Lebens ihren Höhepunkt erfuhr. Im Schauspiel wurden die Sagen und die Geschichte der Gruppe in lebendiger und eindrucksvoller Weise nachvollzogen. Selbst in Athen können diese Künste nicht von dem Hintergrund der lebendigen Erfahrung losgerissen werden, ohne dabei ihre Bedeutung zu verlieren. Sportliche Wettkämpfe und dramatische Darstellungen feierten und stärkten die Tradition von Rasse und Gruppe, indem sie das Volk belehrten, seines Ruhmes gedachten und den staatsbürgerlichen Stolz kräftigten. Unter solchen Gegebenheiten ist es nicht verwunderlich, daß die Athener bei ihren Reflexionen über die Kunst zu der Ansicht kamen, sie sei ein Akt der Wiedergabe oder der Nachahmung. Gegenüber dieser Konzeption gibt es viele Einwände. Der Erfolg dieser Theorie liegt jedoch in ihrer Bestätigung der engen Verbindung zwischen Kunst und Alltagsleben. Aus diesen Gedanken wäre niemand gekommen, wenn die Kunst jenseits der Lebensinteressen gestanden hätte. Denn der Grundsatz bedeutete nicht, daß die Kunst eine ganz und gar wirklichkeitsgetreue Wiedergabe der Objekte war, sondern daß sie die Ideen und Gefühle reflektierte, die sich mit den Institutionen des gesellschaftlichen Lebens verbanden. Plato spürte diese Beziehung so deutlich, daß er sich durch sie zu seiner Idee der Notwendigkeit einer Zensur für Dichter, Dramatiker und Musiker führen ließ. Seine Behauptung, ein Wechsel von der dorischen zur lydischen Tonart wäre der sichere Vorbote des Zerfalls des Gemeinwesens, mag übertrieben sein. Kein Zeitgenosse hätte jedoch daran gezweifelt, daß die Musik ein integrierender Bestandteil des Geistes und der Institutionen der Gemeinschaft war. Der Gedanke des „l‘art pour l‘art“ wäre nicht einmal verstanden worden. Demnach muß es für das Aufkommen einer die Kunst zergliedernden Konzeption geschichtliche Gründe geben. Unsere heutigen Museen und Galerien, wohin die Kunstwerke gebracht und wo sie aufbewahrt werden, erhellen einige der Gründe, die an der Trennung der Kunst mitgewirkt haben, anstatt sie als Begleitelement von Tempel, Forum oder anderen Ausdrucksformen des gesellschaftlichen Lebens in Erscheinung treten zu lassen. Anhand einer Entstehungsgeschichte der ausgesprochen modernen Einrichtungen von Museum und Galerie könnte man eine
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aufschlußreiche Geschichte der modernen Kunst schreiben. Lassen Sie mich auf ein paar äußerst bemerkenswerte Tatsachen hinweisen. Die meisten europäischen Museen sind unter anderem Denkmäler eines aufsteigenden Nationalismus und Imperialismus. Keine Hauptstadt kann auf ihr Museum für Malerei, Bildhauerei etc. verzichten; es ist einerseits der Vorführung einer großen künstlerischen Vergangenheit gewidmet, zum andern soll es die Beute der monarchischen Herrscher zur Schau stellen, man denke etwa an die Ansammlung der Kriegsbeute Napoleons, die sich im Louvre befindet. Sie zeugt für den Zusammenhang zwischen der modernen Isolierung der Kunst, Nationalismus und Militarismus. Zweifellos diente dieser Zusammenhang bisweilen einem nützlichen Zweck wie im Falle Japans, das im Verlaufe seiner Verwestlichung viele seiner Kunstschätze rettete, indem es die Tempel, die sie enthielten, verstaatlichte. Das Anwachsen des Kapitalismus übt auf die Entwicklung des Museums als einer geeigneten Heimstätte für Kunstwerke wie auch auf die Verbreitung der Idee, daß Kunst vom alltäglichen Leben getrennt sei, einen starken Einfluß aus. Die nouveau riches, ein gewichtiges Nebenprodukt des kapitalistischen Systems, fühlen sich besonders dazu berufen, sich mit Werken der Schönen Kunst zu umgeben, da diese ihrer Seltenheit wegen auch kostspielig sind. Allgemein gesprochen, ist der typische Sammler auch der typische Kapitalist. Als Beweis für seine sichere Position im Reiche der höheren Bildung trägt er Gemälde, Plastiken und kunstvolle bijoux zusammen, wie auf der anderen Seite seine Aktien und Pfandbriefe seine Position in der ökonomischen Welt bekunden sollen. Nicht allein Individuen, sondern auch Gemeinwesen und Nationen stellen ihren kulturellen Geschmack durch die Errichtung von Opernhäusern, Galerien und Museen unter Beweis. Diese zeigen, daß man sich nicht gänzlich dem materiellen Reichtum verschrieben hat, da man bereit ist, seinen Gewinn für die Förderung der Kunst aufzuwenden. Man errichtet diese Gebäude und trägt ihre Ausstattung in der Art zusammen, in der man heutzutage eine Kathedrale erbaut. Diese Dinge reflektieren und etablieren einen überlegenen kulturellen Status, während ihre Trennung vom alltäglichen Leben die Tatsache widerspiegelt, daß sie nicht Teil einer ursprünglichen und spontanen Kultur sind. Sie sind eine Art Gegenstück zu einer Ich-bin-gerechter-als-du-Einstellung, wenn auch nicht gegenüber Einzelpersonen, so doch im Hinblick auf Interessen und Betätigungen, die den größten Teil von Zeit und Energie des Gemeinwesens in Anspruch nehmen.
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Industrie und Handel haben internationale Reichweite. Was in Galerien und Museen gezeigt wird, zeugt von wachsendem ökonomischen Weltbürgertum. Entsprechend dem ökonomischen System hat die Mobilität von Handel und Bevölkerung die Verbindung zwischen dem Kunstwerk und seinem genius loci, dessen natürlicher Ausdruck es einmal war, geschwächt, wenn nicht gar zerstört. Da das Kunstwerk seinen natürlichen Status verloren hat, hat es ein neuen angenommen, nämlich den, Repräsentant der Kunst heutzutage wie jeder andere Artikel für den Markt produziert. Das wirtschaftliche Patronat von seiten begüterter und einflußreicher Personen hat als Ansporn zu künstlerischen Produktionen in der Geschichte wiederholt eine Rolle gespielt. Wahrscheinlich hatte so mancher primitive Stamm seinen Maecenas. Nun aber ist in der Anonymität des Weltmarktes auch noch dieser Teil einer vertrauten Beziehung zur Gemeinschaft verlorengegangen. Dinge, die in der Vergangenheit aufgrund ihrer Stellung zu Leben der Gemeinschaft einen gültigen Wert besaßen, haben nun eine von ihren Entstehungsbedingungen losgelöste Funktion. Dadurch sind sie auch aus der gemeinschaftlichen Erfahrung herausgehoben und dienen lediglich als Zeichen für guten Geschmack und als Zeugnis einer besonderen Bildung. Durch die Veränderungen in den industriellen Bedingungen ist der Künstler an den Rand des Hauptstroms aktiver Interessen gedrängt worden. Die Industrie wurde mechanisiert, und der Künstler kann nicht mechanisch für den Massenbedarf produzieren. Weniger als früher ist er in die normale Kette der sozialen Leistungen integriert. Ein besonderer ästhetischer „Individualismus“ ist das Ergebnis. Der Künstler fühlt sich gedrängt, seine Arbeit als isoliertes Mittel der „Selbstdarstellung“ zu begreifen. Um nicht in die Gefahr zu geraten, wirtschaftlichen Zwängen nachzugeben, sieht
er sich häufig gedrängt, seine Besonderheit bis zur Exzentrizität zu überspitzen. Folglich nimmt das Werk des Künstlers in noch höherem Maße den Schein des Eigenständigen und Esoterischen an. Faßt man alle genannten Kräfte zusammen, so bewirken auch die Bedingungen, die zu der in der modernen Gesellschaft allgemein bestehenden Kluft zwischen Hersteller und Verbraucher führen, eine weitgehende Trennung zwischen der gewöhnlichen und der ästhetischen Erfahrung. Als Beweis für diese Kluft haben wir schließlich jene Theorien als selbstverständlich angenommen, die die Kunst in einem ansonsten gänzlich unbewohnten Gebiet ansiedeln, und die über das vernünftige Maß hinaus den rein kontemplativen Charakter des Ästhetischen betonen. Um die Trennung zu verstärken, stellt sich zusätzlich eine Verwirrung der Werte ein. Nebensächliches, wie die Lust am Sammeln
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und Zeigen, am Besitzen und Vorführen, gibt sich als ästhetischer Wert aus. Das Urteilsvermögen ist beeinträchtigt. Den gepriesenen Wunderwerken und dem Glanz der transzendenten Schönheit in der Kunst wird kräftig Applaus gespendet. Man schwelt in ihr ohne große Beachtung der Fähigkeit zur ästhetischen Wahrnehmung im Konkreten. Ich habe jedoch nicht die Absicht, mich mit einer ökonomischen Interpretation der Geschichte der Kunst zu befassen, und noch weniger zu behaupten, die ökonomischen Verhältnisse stünden in unveränderlicher oder direkter Beziehung zu Wahrnehmung und Genuß oder gar zur Interpretation des einzelnen Kunstwerks. Ich will deutlich machen, daß sich Theorien, die die Kunst und ihre Bewertungsmaßstäbe in einen von den übrigen Erfahrungsformen getrennten Sonderbereich verlegen, nicht aus der Sache ergeben, sondern aufgrund von genau bestimmbaren, äußerlichen Verhältnissen entstehen. Sie sind in Institutionen und Lebensgewohnheiten verankert, und ihre Wirkung ist deshalb so nachhaltig, weil sie unbewußt bleibt. Folglich nimmt der Theoretiker an, diese Theorien lägen in der Natur der Sache. Gleichwohl bleibt der Einfluß der äußeren Verhältnisse nicht auf die Theoriebildung beschränkt. Wie ich bereits andeutete, wirkt er sich zutiefst auf die Lebenspraxis aus, indem er die ästhetischen Empfindungen, notwendige Bestandteile des Glückes, verdrängt oder sie auf die Stufe der kompensierenden, vorübergehenden Anregung reduziert. Für diejenigen Leser, die den bisherigen Ausführungen nicht zuzustimmen vermögen, könnten meine Behauptungen immerhin den Sinn haben, daß sie das Kernproblem verdeutlichen: die Wiederherstellung der Kontinuität zwischen der ästhetischen Erfahrung und den gewöhnlichen Lebensprozessen. Weder indem man Lobeshymnen auf die Kunst anstimmt, noch dadurch, daß man sich zunächst ausschließlich mit den als große Kunst anerkannten Werken befaßt, werden das Verhältnis für die Kunst und ihre Rolle in der Kultur gefördert. [...]
Quelle Dewey, John (2003) [1934]: Kunst als Erfahrung, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 9-28.
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Wissenschaftliche Theoriebildung Wissenschaft produziert Erkenntnisse mit Hilfe von bestimmten sprachlichen, logischen und methodischen Vorentscheidungen, die im Idealfall explizit eingeführt werden. So wird beispielsweise bei einer naturwissenschaftlichen Untersuchung zunächst der Forschungsstand nach Literaturlage rezipiert, sodann der Versuchsaufbau und Verlauf und Ergebnis des Experimentes beschrieben. Bei geisteswissenschaftlichen Texten wird der Begründungsaufbau der Argumente in der Regel durch das Einrücken in seinen überkommenen Sinnzusammenhang hermeneutisch geleistet und durch entsprechende Literaturnachweise bezeugt. Die Ausweitung wissenschaftlicher Erkenntnisse ereignet sich also durch Einschränkungen, die am Beginn des Forschungsprozesses die Produktion von Wissen steuern. Durch die Inanspruchnahme von Einschränkungen (und Zeit) wird nicht alles, sondern nur noch Bestimmtes möglich – das aber für alle und jeden, der sich die wissenschaftliche Methoden aneignet. Sie sind, weil sie sozial nicht ausschließen, für Beobachter nachvollziehbar (wie bei geisteswissenschaftlichen Texten) oder sogar wiederholbar (wie bei naturwissenschaftlichen Experimenten). Kommunikation ist also immer dann wissenschaftlich, wenn Erkenntnis unter dem Gesichtspunkt ihrer Entstehungsbedingungen betrachtet und auf diese bezogen werden kann. So gesehen kann man sagen: Wissenschaft sagt nicht, was man denken soll, sondern wie man denken soll. Weil Wissenschaft ihr Wissen damit von Voraussetzungen ab hängig macht, die ihr voraus liegen, kann sie keine absoluten Wahrheiten
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produzieren. Absolute Wahrheiten müssten ja gerade voraussetzungslos und nicht auf irgendwelche Bedingungen gründen. Wissenschaft ist jedoch unhintergehbar relativ, weil sie ihr Wissen den einschränkenden Bedingungen verdankt, die es methodisch erzeugen. Ändert man diese Voraussetzungen, wird man unter Umständen auch zu anderen Erkenntnissen kommen, weil die theoretischen ‚Beobachtungsinstrumente‘ jeweils für unterschiedliche Bereiche sensitiv sind. Dort, wo diese Bedingungen der Möglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion in einen systematischen Zusammenhang gebracht werden können, sprechen wir auch von ‚Theorie‘. Eine gute Theorie müsste also die sprachlichen und methodischen Bedingungen und die Operationsanweisungen für wissenschaftliche Beobachtung bereitstellen. Mit anderen Worten: Theorien bieten jene Unterscheidungen an, mit denen Wissenschaftler einen Gegenstandsbereich beobachten bzw. ein Thema bearbeiten. Je näher eine Theorie ihrem Gegenstandsbereich ist, den man mit ihrer Hilfe beobachtet, desto kleiner ist ihr Beobachtungsbereich und desto größer ist die Gefahr, nur die Operationen zu vollziehen, die mit der Konstruktion des Gegenstandsbereichs schon vorgegeben sind. Wer dies vermeiden will und Erkenntnisse sucht, die nicht mit der Konstruktion des Beobachtungsbereich schon präjudiziert werden, muss einen großen Abstand zum Beobachtungsbereich lassen. Je abstrakter die Unterscheidungen der Beobachtung formuliert werden, desto größer ist der Beobachtungsbereich, denn Abstrahieren bedeutet Weglassen (abstrahere: weglassen, abziehen). Es ist geradezu die Pointe von abstrakten wissenschaftlichen Theorien, dass man mit ihrer Hilfe in die Lage versetzt wird, entfernte Ähnlichkeiten zu finden und im Unterschiedlichsten noch Gemeinsamkeiten zu entdecken: „Absolute Unvergleichbarkeit belegt immer nur einen Mangel an Abstraktionsvermögen“ (LUHMANN 1982: 366). Man könnte solche Theorien auch ‚Breitbandtheorien‘ nennen, weil sie einen sehr breiten Beobachtungshorizont ermöglichen. Wenn man sich darauf einlässt, mit einer universell einsetzbaren Breitbandtheorie zu arbeiten – und die Evolutionstheorie ist ohne Zweifel eine solche –, mag das zunächst mühsam sein, weil es ein ungewohntes Abstraktionsniveau erzwingt. Gleichwohl verspricht es überraschende Einsichten in bislang übersehene Zusammenhänge. Dinge, die auf den ersten Blick in keinerlei Zusammenhang stehen, werden plötzlich in ihren Verbindungen transparent, z. B. Sport und Philosophie, lyrische Gedichte und Hirschgeweihe, Moral und Sex, die große Sinfonie und der prachtvolle Pfauen-
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schwanz, physikalische Schwingungen, genetische Vererbungsprozesse und Lernprozesse durch Nachahmung. [...]
Evolutionstheorie [...] Evolution kann als Tatsache und/oder als Theorie erscheinen (FUTUYMA 1990: 17f.). Charles Darwin hat den Begriff der Evolution in diesen beiden Bedeutungen selbst verwendet. Wenn er z. B. über die Evolution der Rankenfüßler, der Blattläuse und Ameisen schreibt (DARWIN 1963: 348ff., 383ff., 546ff.), dann war er (naturalistischer) Empirist; wenn er dagegen von „meiner Theorie“ spricht, arbeitet er mit der Evolutionstheorie (DARWIN 1963: 234, 236, 337, 340 u. passim). Diese war dezidiert differenztheoretisch aufgebaut und ein Beobachtungsinstrument, das mit der basalen Unterscheidung von Variation und Selektion arbeitet. Am Anfang steht also die Aufforderung: Beobachte entlang der Unterscheidung von Variation und Selektion! [...] Dazu kommt eine Reihe von theoretischen Annahmen, die sich mit den empirischen Untersuchungen als kompatibel (d. h. sich nicht widersprechend) erweisen müssen. Ich will an die wichtigsten erinnern (DARWIN 1963: 184ff.; VOLLMER 1990: 23ff.): •
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Auch Natur hat Geschichte und Geschichte hat (implizit) Natur. Alle lebende [sic!] Systeme (Gattungen, Individuen usw.) sind Modifikationen früherer Ordnungsformen. Variationen sind erblich. Dabei entstehen gelegentlich ‚Kopierfehler‘ (Vererbung mit Modifikationen). Nützliche Modifikationen erhalten sich, schädliche werden (früher oder später) ausgemerzt. Warum? Weil alle Gattungen – wenn keine äußeren Umstände dem entgegen stehen – mehr Nachkommen produzieren als vorhanden sind (‚Überproduktion‘) und deshalb in Anbetracht der begrenzten Umweltressourcen der dadurch entstehende Selektionsdruck zu einem „Kampf ums Dasein“ führt – anders gesagt: zu einen Wettkampf um bessere (Über-)Lebenschancen. Erfolge werden langfristig in der Währung einer größeren Nachkommenschaft ausbezahlt („survival of the fittest“). Nicht- oder weniger angepassten Gattungen ‚sterben‘ dadurch aus, weil sie weniger Nachkommen haben.
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Dieser Evolutionsprozess ist nicht gesteuert, verläuft nicht nach einem Plan (auch keinem „intelligent design“), er hat kein Subjekt oder Agens, sondern ist – obwohl kausal bedingt – zufällig, was zunächst einmal einfach bedeutet, dass die Stabilisierung vorausgehender Selektionen nicht prognostizierbar ist.
Darwin hat diese Grundprinzipien der Evolutionstheorie schon im Titel seines epochalen Werkes über die Entstehung der Arten mit dem Begriff der „natürlichen Auslese“ bezeichnet (in der deutschen Übersetzung „natürliche Zuchtwahl“) und damit eine aus heutiger Sicht recht unglückliche Metapher gewählt, denn die Evolution besitzt ja gerade keinen ‚Züchter‘ (bzw. ‚Schöpfer‘), der sie planmäßig initiiert und steuert. Trotz dieser problematischen Metaphorik hat sich die Evolutionstheorie in den biologischen Wissenschaften durchgesetzt und ist heute ohne Alternative. Ganz anders sieht es allerdings in den Sozial- und Geisteswissenschaften aus. Hier sind die Berührungsängste zur Evolutionstheorie – vor allem aber zur ihren humanbiologischen Implikationen – bis heute groß. Das dürfte vor allem für den Bereich der Kulturforschung im weitesten Sinne zutreffen. Die Forderung Malinowskis (1975: 75), „dass die Theorie der Kultur von biologischen Tatsachen ausgehen muß“, ist bisher weitgehend folgenlos verhallt. Obwohl es in den Sozialwissenschaften bis heute keine einheitliche Kulturtheorie gibt und schon die Bestimmung des Begriffes ‚Kultur‘ in eine völlig unübersichtliche Gemengelage der unterschiedlichen Definitionen führt und es deshalb zweifelsohne einen Bedarf nach einer einheitlichen Theorie gibt, sind die wenigen Versuche, mit der Evolutionstheorie (die eine solche wäre) zu arbeiten, bis heute völlig randständig geblieben. Warum? Warum ist hier die evolutionstheoretische Sichtweise so gut wie gar nicht erprobt worden? Der Versuch einer Antwort wird folgende Gründe in Betracht ziehen müssen:
Geistes- und sozialwissenschaftliche Einwände 1. Durch die Geistesgeschichte zieht sich seit alters her ein Kulturbegriff, der sich disjunktiv – also gegenseitig ausschließend – von seinem Gegenbegriff abgrenzt: Natur. Die binäre Codierung von Kultur vs. Natur ist nicht erst, wie Luhmann meint, eine Erfindung des 18. Jahrhunderts (LUHMANN 1999), sondern findet – wenngleich unter anderem Namen – ihre Entsprechung schon in der antiken Unterscheidung
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von nomos und physis (HEINIMANN 1987). Nomos ist das, was der Mensch durch Erziehung als Sitten, Gebräuche und Normen formt und als Kultur bestimmt, während physis das nicht vom Menschen (sondern vor allem von seiner physischen Umwelt) Gemachte bedeutet. Physis ist also das, was von selbst (d. h. ohne menschliches Zutun) geschieht und nomos das, was darauf aufbauend nicht von selbst geschieht, sondern vom Menschen gemacht wird. Diese begriffliche Unterscheidung ist geistesgeschichtlich ohne Zweifel sehr fruchtbar geworden, weil sie als binäre Schematisierung eine Theorietechnik der gegenseitigen Kritik ermöglicht und dadurch anschlussfähig an beliebige gesellschaftliche Umweltlagen ist. Dieser Vorteil wird aber mit dem Nachteil einer sich gegenseitig ausschließenden Begriffsbildung bezahlt – Heinimann (1987: im Untertitel) spricht hier sogar von einer „Antithese“, so dass andere Möglichkeiten der Verbindungen – z. B. die einer gemeinsamen Schnittmenge – gar nicht in Betracht gezogen werden können. Das blieb im Großen und Ganzen so bis in die Gegenwart hinein. So heißt es noch im Handbuch philosophischer Grundbegriffe lapidar: „So ist alles Kultur, was nicht Natur ist“ (MAURER 1973: 823). Kultur wird damit geradezu als Gegenbegriff von Natur bestimmt und eine naturwissenschaftliche Kulturtheorie schon damit – quasi per definitionem im Ansatz unmöglich gemacht. Kultur ist als das vom Menschen Gemachte einer Natur transzendent, die sich selbst macht und selbst organisiert. 2. Ein zweiter Grund hängt eng mit dem ersten zusammen, hat aber einen Eigenwert. Wenn von Evolutionstheorie die Rede ist, verstehen die meisten darunter die biologische Evolutionstheorie. Der Grund liegt auf der Hand, denn Charles Darwin, der gewöhnlich als Begründer der Evolutionstheorie gilt, hat in seinem Hauptwerk The Origin of Species diese an der „Entstehung der Arten“ entwickelt und begründet und damit einen deutlichen biologischen Akzent gesetzt. Der „Kampf ums Dasein“, die „natürliche Zuchtwahl“ und das „Überleben des Tüchtigsten“, die „Gesetze der Abänderung“, die „Instinkte und Gewohnheiten“, die „Bastardbildung“ und vieles andere mehr – all das bezieht sich auf Pflanzen und Tiere und ist angewandte Biologie. Kultur aber ist keine Biologie, und jeder Versuch, Kultur biologisch zu interpretieren provoziert unweigerlich den Vorwurf des „Biologismus“ und „Reduktionismus“ (BÜHLER u. a. 1996). 3. Kultur wird in den Kulturtheorien in der Regel handlungstheoretisch begründet, und das heißt: als Produkt bewusstseinsfähiger, vernünftiger, planender und intentional handelnder Menschen. Sie ist
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nicht zufällig, sondern absichtlich als Folge einer rationalen Überlegung durch Handeln entstanden. Das gilt vor allem für alle kulturellen Objektivationen. Selbst bei Sitten und Gebräuchen, die schon lange in die Latenz unbewusster Gewohnheiten abgesunken sind, geht man davon aus, dass sie zunächst über bewusste Handlungen in die soziale Welt gekommen sind. Dem steht diametral die Evolutionstheorie gegenüber, die Strukturänderungen entlang der Unterscheidung von Variation und Selektion durch Zufall erklärt und insofern keine intentionalistische (bzw. teleologische), sondern eine funktionalistische (bzw. teleonome) Begründungsstruktur besitzt. Nicht weil die Planung eines Agens gut war, sondern weil die Anpassung sich als nützlich erwiesen hat, werden Selektionen stabilisiert. Wie kann eine evolutionäre Kulturtheorie diesen Widerspruch auflösen? Ist sie in der Lage, das Planvolle kultureller Leistungen mithilfe einer letztlich planlosen Evolution zu erklären? 4. Das wichtigste Evolutionsprinzip, das die Selektion aus einem Varianzbereich steuert, ist die natürliche Selektion nach Maßgabe der Nützlichkeit. Dahinter verbirgt sich ein ökonomisches Sparprinzip, das Sparsamkeit und Effizienz belohnt und Verschwendung bestraft. In der Kultur lassen sich jedoch eine Vielzahl solcher Phänomene entdecken, die überaus teuer und nutzlos, scheinbar reine Verschwendung sind und keinen wie auch immer gearteten Gebrauchswert besitzen. Der erhebliche Aufwand, um diese Form der Kultur – z. B. als Kunst – zu produzieren und zu erhalten, ist weit entfernt von einem wie auch immer gearteten Überlebensnutzen. Die erheblichen Kosten, die dafür aufgewendet werden müssen, fehlen an anderer Stelle und können mit dem Prinzip der natürlichen Selektion nicht erklärt werden. Das sind vier gewichtige Gründe, die die Berührungsängste von Kulturtheoretikern gegenüber einem evolutionstheoretischen Denken ausreichend plausibel erklären. Ein evolutionäre Kulturtheorie muss sie ernst nehmen und widerlegen bzw. sie als Missverständnisse entlarven.
Natur oder Kultur? Vorrangig muss eine evolutionäre Kulturtheorie die sich gegenseitig ausschließende Codierung von Natur und Kultur problematisieren und das Verhältnis von Natur und Kultur neu justieren. Bei Evolutionstheoretikern und bei Evolutionsforschern gleichermaßen dürfte es heutzutage Konsens sein, dass Natur und Kultur keine Gegensätze sind. Aber was dann?
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[...] Die reiche und inzwischen [...] nicht mehr übersehbare empirische Forschungslage macht m. E. eine andere Konstellation plausibel: Kultur ist zeitlich gesehen eine Art „Spätzündung der Evolution“ (RIEDL 1987) und sachlich gesehen ein „Epiphänomen der Natur“ – wenngleich auf einem neuen Emergenzniveau der Evolution. [...] Es gibt naturale Programme, die kulturelle Universalien sind und das Verhalten aller Menschen determinieren (‚angeborene auslösende Mechanismen‘). Es gibt andere Programme, die zunächst offen und plastisch sind und dann aber bald mit den Erfahrungen, die man macht, sich schließen (‚Prägung‘) und später, obwohl nicht angeboren, sondern erworben, den Instinkten analog sind (‚angeborene erworbene Auslöser‘). Und schließlich gibt es Programme, die ein Leben lang mehr oder weniger offen bleiben (wenngleich mit dem Schwerpunkt auf Jugend: Neotonie) und als Lernfähigkeit bis ins hohe Alter ein plastische und flexible Umweltanpassung an veränderliche Umweltlagen ermöglichen (‚gelernte Auslöser‘). Es sind vor allem zwei evolutionäre ‚Erfindungen‘, die der Kulturfähigkeit des Menschen zugrunde liegen: zum Einen die Fähigkeit zur (ontologischen) Realitätsverdoppelung und damit zum symbolischen Denken durch ein geistiges Vorstellungsvermögen. Es ermöglicht ein Probehandeln im Geiste und damit nützliche Formen der Präadaption. Zum Andern entsteht Kultur durch die Fähigkeit zur Nachahmung (de TARDE 2003) bzw. zur Imitation, zum Lernen von Anderen (VOLAND 2000), so dass man nicht alle Fehler wiederholen muss, sondern aus den Fehlern anderer lernen kann: „Kulturgeschichte begann, als das ‚survival of the fittest‘ ein ‚imitation of the fittest‘ in Schlepptau nahm“ (VOLAND 2000: 48). Zusätzlich zu der evolutionsstabilen genetischen Vererbung ist der Mensch in der Lage, erworbene Eigenschaften zu ‚vererben‘ – und damit nützliche Anpassungsleistungen weiterzugeben. Vermutlich würden die meisten Evolutionstheoretiker Immanuel Kant nicht zustimmen, wenn dieser die Überzeugung formuliert, dass es die „Endabsicht der Natur als eines teleologischen Systems“ sei (KANT 1781: § 83), im Menschen und seiner Kultur zu münden. Kultur würde damit wohl naturalistisch begründet, aber gleichwohl als eine Art ‚nature du luxe‘ geadelt: Kultur als Perfektionsform von Natur. Stattdessen wird Kultur durch Evolutionstheoretiker als Spielwiese der menschlichen Natur bezeichnet. Gelegentlich liest man, dass der Mensch evolutionstheoretisch gesehen auch nur ein Tier sei. Nur ein Tier? Auch ein Tier! wäre wohl die bessere Antwort, wenn mit der Neubestimmung des Verhältnisses von Natur und Kultur nicht nur die Gemeinsamkeiten, sondern auch die Unterschiede in den Blick bekommen möchte.
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Diese Position dürfte schon Darwin eingenommen haben, der – obwohl von einer engen Verzahnung und Verklammerung von Natur und Kultur ausgehend – gleichwohl die Besonderheiten der menschlichen Gattung nie bestritten hatte. Als fast hundert Jahre später Konrad Lorenz betonte, dass im menschlichen Verhalten, Denkvermögen und kognitiven und emotiven Fähigkeiten (einschließlich des kulturellen Verhaltens) angeborene, also evolutionär erworbene Aktions- und Reaktionsnormen eine erhebliche Rolle spielen, konnte er überwiegend der Zustimmung der Evolutionsforscher sicher sein (LORENZ 1978/84). In den Evolutionswissenschaften ist man sich heute darin einig, dass der Mensch mit und in seiner Kultur – zumindest dauerhaft – nicht gegen seine Natur arbeiten kann, sondern ein Programm vollzieht und ausfüllt, das ihm die Natur zur Verfügung stellt: „Mutter Naturs langer Atem durchwebt auch Homo sapiens, das Kulturwesen par excellence“ (SOMMER 2000: 29).
Biologische Evolutionstheorie oder Allgemeine Evolutionstheorie? In den Geistes- und Sozialwissenschaften können Versuche einer naturwissenschaftlichen Grundlegung von Kultur auch heute noch wütende Anfeindungen provozieren. Insbesondere werden biologische Argumente im Rahmen der Kulturtheorie häufig geradezu verteufelt. Nicht nur in der Volkskunde, auf die sich das folgende Zitat bezieht, sondern auch in vielen weiteren geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen „scheint eine fast schon gespenstische Einhelligkeit darüber zu bestehen, dass wir für die Bearbeitung sämtlicher unserer Problemstellungen auf humanbiologische Erkenntnisse verzichten können, ja sogar zu verzichten haben, dass sie im Forschungsfeld Kultur unwichtig, ungültig, schädlich oder falsch sind“ (HARTMANN 2001: 22). Den Einwand, wonach die Evolutionstheorie nichts (Vernünftiges) zu einer Kulturtheorie beitragen könne, weil sie eine biologische Theorie sei, kann man auf zweierlei Art zu entkräften versuchen. Man kann einmal die Prämisse selbst bestreiten und nachzuweisen versuchen, dass Kultur durchaus ein ganz und gar natürliches Phänomen ist, das man alleine aus biologischen Prämissen erklären kann. Das ist die Position der Soziobiologie (und überwiegend auch der Evolutionären Psychologie). Oder man gibt zu, dass die Biowissenschaften alleine das Phänomen Kultur nicht ausreichend erklären können und weitete die Evolutionstheorie von einer reinen biologischen Theorie zu einer Allgemeinen Theorie aus. Das ist die Position der Allgemeinen Evolutionstheorie.
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Soziobiologen versuchen die Kultur rein naturalistisch zu erklären und sind überzeugt, dass die biologischen Programme auch die kulturellen Programme vollständig determinieren. Diese Forschungshypothese hat sich in vielen empirischen Einzelstudien durchaus als eine fruchtbare Annahme erwiesen (BUSS 2004; VOLAND 2000b). So konnte man inzwischen, um nur ein Beispiel zu nennen, recht überzeugend geschlechtsspezifische Asymmetrien im menschlichen Verhalten belegen und erklären (VOLAND 2000b: Kap. 3). Dagegen sind eine Reihe kultureller Phänomene noch nicht oder nicht ausreichend soziobiologisch erklärbar. Zum Beispiel sind die bisher vorliegenden funktionalistischen Erklärungen für Religion – ein kulturelles Produkt sui generis – meines Erachtens nicht überzeugend (VOLAND/SCHIEFENHÖVEL 2009;VOLAND 2010a). Alles, was unterhalb der Schwelle genetischer Fitness passiert, ist für Soziobiologie per definitionem – d. h. aufgrund ihrer Grundoperation („Beobachte entlang der Unterscheidung: genetisch reproduktiv – nicht genetisch reproduktiv!“) – irrelevant. Auch Kultur wird über diesen Kamm geschert. Was sich nicht in einer vergrößerten Zahl der Nachkommenschaft messen lässt, gibt es nicht. Schon ein flüchtiger Blick in die Kulturgeschichte zeigt jedoch, dass es viele kulturelle Phänomene gibt, die diesem Kriterium nicht entsprechen bzw. ihm sogar widersprechen (z. B. Zölibat, freiwillige Sterilisation, Kindstötung, Suizid, Selbstmordattentate usw.). Viele Kulturgrößen sind ohne Nachkommen geblieben (z. B. Sokrates, Jesus, Thomas von Aquin, Mozart, Beethoven, Schubert, Kant usw.). Ich vermute sogar, dass gerade bei den Kulturschaffenden im Durchschnitt mehr Kinderlose zu finden sind als bei der Durchschnittsbevölkerung. Solange wir darüber allerdings keine soliden empirischen Daten haben, bleibt das spekulativ. Immerhin können diese Beispiele die Vermutung plausibilisieren, dass das Kriterium „genetischer Reproduktionserfolg“ zu eng gefasst sein könnte und deshalb weitere Selektionskriterien und Selektionseinheiten in Betracht gezogen werden müssen. Dieser Verengung einer soziobiologischen Erklärung (auf den genetischen Reproduktionserfolg) stellt eine andere konzeptionelle Entwicklung eine generelle Erweiterung der evolutionären Sichtweise entgegen. Evolution, so die Ausgangshypothese, findet nicht nur auf der genetischen Ebene statt, sondern überall dort, wo replizierende Variationen selektiv weiterbehandelt werden. Evolutionstheorie versteht sich hier als Allgemeine Evolutionstheorie und damit als eine Theorie der Erklärung von Entwicklungsprozessen, die sich auf ver-
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schiedenen Selektionsebenen und mit unterschiedlichen Selektionseinheiten vollzieht (TREML 2006). Dementsprechend wäre die biologische Evolutionstheorie nur der spezielle Anwendungsfall einer Allgemeinen Evolutionstheorie. Trotzdem kann man, wie das im US-amerikanischen Sprachraum üblich ist, hier von einem „universellen Darwinismus“ sprechen, denn die Strukturänderungen werden nach wie vor entlang der üblichen Unterscheidung ‚Variation – Selektion‘ beobachtet und erklärt. Die Verengung auf Gene, als einzige Selektionseinheit von Evolution, wird allerdings abgelehnt und eine Reihe weiterer Selektionseinheiten in Betracht gezogen (‚multi-level-Selektion‘). Für eine evolutionäre Kulturtheorie vorrangig bedeutsam sind in diesem Zusammenhang „Meme“ und „Phäne“ (BLACKMORE: 2000; TREML 2004: 148ff.). Meme sind Replikatoren kultureller Merkmale, die im Rahmen der symbolischen Realitätsverdoppelung imitiert oder gelernt werden können (also z. B. Sitten und Gebräuche, Gedichte und Lieder, Gebrauchsanweisungen und Baupläne). Phäne sind Individuen – als Einheit der Differenz von Geist und Körper. Auch sie tendieren dazu, ihre autopoietischen Operationen durch alle Veränderungen hindurch zu erhalten und/oder zu optimieren. Mit dem Begriff der Meme treten die kulturellen Produkte, mit dem Begriff der Phäne die kulturellen Produzenten und Konsumenten in den Vordergrund und werden als eigenständige Selektionseinheiten den Interessen der Gene zur Seite gestellt. Geht man von diesen drei Selektionseinheiten aus, lassen sich heterogene, widersprüchliche bzw. gegenläufige Entwicklungen relativ einfach durch die unterschiedlichen Reproduktionsinteressen der verschiedenen Selektionseinheiten erklären. [...]
Absicht oder Zufall? Niemand wird ernsthaft bezweifeln, dass Kulturprodukte das Ergebnis absichtsvoller Bewusstseinsprozesse sind, die in Form von Handlungen das realisieren, was zunächst in einem denkenden Geiste entstanden ist. Die 5. Sinfonie von Franz Schubert – um ein willkürliches Beispiel zu geben – ist nicht zufällig entstanden, sondern das Ergebnis einer bewussten, planvollen Geistesanstrengung, oder – weniger kognitivistisch betrachtet – der Inspiration des Komponisten. Dagegen fällt der Regen nicht, um das Korn wachsen zu lassen, und wir Menschen haben nicht zehn Finger, damit wir Klavier spielen können. Auch wenn der Affe noch so lange auf dem Klavier herumklimpert, es wird keine Sonate daraus. Die ‚Herstellung‘ einer Oper, einer Sinfonie, einer Kathedrale,
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eines Gemäldes, einer Choreografie, eines Gedichts, eines Romans usw. ereignet sich ganz offensichtlich nicht zufällig, sondern folgt einer Idee, der ein Zweck zugrunde liegen kann und der in eine Handlung mündet. Diese handlungstheoretische Logik der poiesis, also des zweckhaften herstellenden Machens, teilen Künstler mit den Normalmenschen, wenn sie z. B. einen Kuchen backen, einen Brief schreiben oder ein gekauftes Möbelstück zusammenbasteln. Diese Nähe zum alltäglichen Handeln machte über Jahrtausende auch die Schöpfungstheorien (der verschiedensten Kulturen) so plausibel, denn diese erklären unisono die Entstehung der Welt analog – sprich: subjekt- und handlungstheoretisch. Ganz anders stellt sich Darwin die Entstehung von Ordnung vor, nämlich als einen blinden unbekümmerten Prozess, der ungerichtete, zweckfreie Veränderungen selektiv stabilisiert oder verändert – je nach dem. Die Ordnung des Lebendigen ist hier nicht Folge von Intentionen eines denkenden Geistes, sondern vieler blinder (also nicht vorhersehbarer) Funktionen. Statt einer planvollen Selektion haben wir es hier nach Skinner mit einer „selection by consequenses“ zu tun. Diese beiden Erklärungsweisen scheinen konträr zueinander zu stehen und eine große Hürde auf dem Weg zu einer evolutionären Kulturtheorie zu sein. Aber dem ist keineswegs so! Der evolutionstheoretische Funktionalismus und die handlungstheoretische Intentionalität lassen sich durchaus widerspruchsfrei miteinander verbinden. Die Brücke von einem evolutionstheoretischen Denken zu einem handlungstheoretischen Denken kann dabei von beiden Seiten beschritten werden. Ob ein System der Negentropie (also der Ordnung) durch Zufall oder durch Planung entsteht, mag evolutionstheoretisch gesehen ein Spiel mit Varianten sein. Es entsteht zunächst nur eine Offerte für die darauf folgenden Selektionsprozesse. Jeder Künstler, der ein Kunstwerk ‚herstellt‘ – sei es ein Musikstück, ein literarischer Text, ein bildendes Kunstwerk oder was auch immer –, hat handlungstheoretisch gesehen damit nur Macht über die Herstellung des ‚Opus‘. Das aber ist evolutionstheoretisch nur der erste Schritt der Evolution – Material für weitere Evolution, nach Luhmann also „Negationspotential“ – sonst nichts. Ob das Material positiv oder negativ selektiert wird, steht schon – trotz vieler dementsprechender Versuche (etwa durch Werbung) – meistens außerhalb des Einflussbereichs des Künstlers. Völlig aus seiner Macht aber steht die begehrte Stabilisierung. Auch hier gilt, was in der Evolution der Normalfall ist: Zwischen negativer und positiver Selektion besteht ein extremes Ungleichgewicht zugunsten der negativen Selektion. Die meisten Spra-
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chen werden nicht mehr gesprochen, die meisten Gedichte werden nicht gedruckt und nicht mehr zitiert, die meisten Opern nicht mehr gespielt, die meisten Lieder nicht mehr gesungen und die meisten Romane nicht mehr gelesen, ja die meisten Manuskripte gar nicht erst gedruckt usw. Kurzum, die intentionale Planung bezieht sich nur auf den ersten Schritt einer Evolution des menschlichen Geistes (bzw. seiner Produkte). Damit daraus Evolution wird, bedarf es positiver Selektionen und – im Idealfall – Selektionen der Selektionen. Auch die Kultur ist ein evolutionärer Prozess, in dem das Meiste verloren geht und das Wenige, das erhalten bleibt, mit einer kleinen Verzögerung das gleiche Schicksal erleiden kann. Kultur ist so gesehen nicht das Gegenteil, sondern die Fortsetzung der Natur mit anderen Mitteln. Beides aber ist Evolution. Bleibt noch die Frage: Kann die empirische Evolutionsforschung auch die menschliche Intentionalität erklären? Ja, sie kann es. Die Absichten anderer Lebewesen zu ‚verstehen‘, ist ein erheblicher Selektionsvorteil für alle Lebewesen, weil es dadurch Anpassungszeit spart. Das ist schon bei Tieren überlebenswichtig und wird vermutlich durch Analogieschluss aus den erworbenen Erfahrungen ähnlicher Situationen gebildet. Diese Fähigkeit hat sich beim Menschen in Form von Empathie (also der Fähigkeit, sich in andere Absichten hineinzuversetzen) und einer „theorie of mind“ (also der Fähigkeit, sich in die Gefühle Anderer hineinzuversetzen) stabilisiert (TREML 2010: 125ff.). Intentionalität hat deshalb nachweislich physiologisch messbare Voraussetzungen, die wir beispielsweise in Form von Placeboeffekten auch aus dem Alltag kennen: Eine aktive Erwartungshaltung kann das zerebrale Belohnungszentrum und das limbische System aktivieren und so biochemische Veränderungen hervorrufen, die sich vergleichbar der Endorphine wirken. Auch die geistige Intentionalität, die wir aller Kultur unterstellen, lässt sich evolutionstheoretisch plausibel erklären.
Sparökonomie oder Verschwendung? Das Prinzip der natürlichen Selektion ist ein Algorithmus, dem eine Art Sparökonomie zugrunde liegt. Im Kampf ums Dasein ist in der Evolution derjenige dem andern überlegen, der den gleichen Nutzen mit weniger Aufwand oder mehr Nutzen mit gleichem Aufwand oder gar mehr Nutzen mit weniger Aufwand erreicht. Er ist fein raus, denn er kann den eingesparten Ressourcenverbrauch anderswo einsetzen und langfristig die Belohnung in Form einer größeren (genetischen) Reproduktionsrate einkassieren. Umgekehrt gilt natürlich dann auch, dass derjenige, der in
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diesem Wettlauf um die besseren Ausgangspositionen im Verteilungskampf schlechte Karten hat (weil er mehr Ressourcen verbraucht, länger braucht als die Mitkonkurrenten und weniger effektiv arbeitet), langfristig verliert. Wie ist es nun mit der Kultur? Für was ist sie nützlich? Ist sie ein sparsames, ökonomisches Modell der Erhaltung oder gar Steigerung von Effizienz? Um diese Frage zu beantworten, sollte man sich zunächst den Kulturbegriff genauer anschauen und differenzieren zwischen Alltagskultur und Hochkultur. Wenn wir unter Alltagskultur die geprägten kollektiven Formen des kontingenten menschlichen Verhaltens samt ihren Artefakten verstehen, dann ist klar, dass alle Menschen Kultur haben, ‚Kultur‘ eine Universalie ist. Schon deshalb ist es wahrscheinlich, dass Alltagskultur im Sinne der natürlichen Selektion auch eine (über) lebensnützliche Funktion besitzt, denn sonst hätte sie sich nicht universell stabilisieren können. Schon im Begriff des ‚nomos‘ unterstellten die Griechen, dass sich die darunter subsumierten geprägten Formen des alltäglichen Handelns als Anpassung an verschiedenartige Umweltbedingungen erklären lassen. Die unterschiedlichen Kulturen ergeben sich damit aus den unterschiedlichen Umweltbedingungen (insb. Klima, Landschaft usw.). Das ist ganz offensichtlich eine nützliche kollektive Voranpassung an die je spezifischen Umweltbedingungen, die nicht von jeder Generation neu erbracht werden muss und deshalb zeit- und ressourcensparend ist, weil sie überwiegend (qua Enkulturalisation) durch Sozialisationsprozesse bzw. durch funktionale Erziehungsprozesse latent und en passant geschieht (ALEXANDER 1987). Die räumliche Isolation traditioneller Kulturen (als eine Art künstlicher Insulation) schützt die Individuen vor Überlastung durch Kontingenz und macht – wie ein Kulturvergleich unschwer erkennen lässt – unwahrscheinliche Formen von kulturellen Leistungen wahrscheinlich. Man kann, wie das ansatzweise schon Kant gemacht hat, die kulturellen Verschiedenheiten (der Sprachen, der Religionen, der Sitten und Gebräuchen usw.) als eine List der Natur interpretieren, um durch einen Wettbewerb zur allgemeinen Verbesserung beizutragen (und damit zugleich eine evolutionäre Logik beschreiben). Hier ist die Funktion von Kultur ihren evolutionären Entstehungsbedingungen noch ganz nah: „Kulturfähigkeit ist […] biologisch entstanden, weil mit ihr die Lebensprobleme von Selbsterhaltung und Reproduktion nach biologischen Fitnesskriterien besser gelöst werden konnten“ (VOLAND 2000: 337). Nun gibt es allerdings eine ganze Reihe von kulturellen Phänomenen, die wir eher der Hochkultur zurechnen müssen, die – z. B. als
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Kunstwerke – keineswegs als wie auch immer nützliche und damit sparsame Voranpassungen an spezifische Umweltbedingungen interpretiert werden können, sondern pure Verschwendung sind. Das beginnt schon mit dem Aufwand, der für die Qualifizierungsmaßnahmen getrieben werden muss, damit man überhaupt erst solche hochkulturellen Objektivationen herstellen kann. Sie bedürfen einer langjährigen, mühsamen intentionalen Erziehung (Lernen durch Unterricht) – ganz im Gegensatz zur Alltagskultur, die man einfach durch Mitleben ganz nebenbei durch funktionale Erziehung erlernt. Dazu kommt, dass die Herstellung hochkultureller Produkte außergewöhnlich komplex und teuer sein kann. Pyramiden oder Dome, an denen die Erbauer viele Jahrzehnte arbeiteten, mehrstündige Opern, Symphonien, filigrane Streichquartette, [...] unzählige lyrische Gedichte [...] und vieles andere mehr: alles Beispiele für ‚Verschwendung‘, deren evolutionärer Nutzen nicht ersichtlich scheint. Mit dem Prinzip der natürlichen Selektion ist diese Form von Kultur nicht erklärbar. Wie aber dann? Nun hat schon Darwin neben der natürlichen Selektion auf eine weitere Selektionsform hingewiesen: die sexuelle Selektion. Auch sie arbeitet nicht mit Sparsamkeit, sondern mit Verschwendung, weil sie in Form von Signalselektion dem anderen (meist weiblichen) Geschlecht signalisieren soll: Ich bin gut! Nimm mich! Steigerungsfähig ist dieses Signal noch mit einer Prise Selbstbehinderung: Wenn man sich bei der Produktion der verschwenderischen Signale noch (freiwillig) selbst behindert, signalisiert das die Ehrlichkeit des Signals und muss übersetzt werden mit: Ich bin nicht nur gut, sondern ich bin sogar sehr gut, denn ich kann mir dieses Selbsthandicap leisten! Viele kulturelle Produkte der Hochkultur lassen sich hier zuordnen. Es sind nicht nur Symbole für Verschwendung, sondern auch für Selbstbehinderung – und damit teure, aber ehrliche Signale für die Relevanz des kulturellen Mems. Wenn diese Vermutung richtig ist, nämlich, dass Kultur, die teuer und – im Sinne der natürlichen Selektion – nutzlos ist, homolog durch sexuelle Selektion erklärbar ist, muss eine geschlechtsspezifische Ungleichheit bei der kulturellen Produktion und Konsumtion nachweisbar sein. In der Tat scheint es hier eine deutliche geschlechtsspezifische Asymmetrie, sowohl bei der Herstellung als auch bei der Beobachtung von hochkulturellen Ereignissen zu geben. Bei der Herstellung (Produktion) hochkultureller Güter dominieren Männer, bei deren Beobachtung (und Reproduktion) die Frauen. Aus Sicht einer Theorie der sexuellen Selektion sind Männer nicht deshalb kulturell produktiver, weil sie die Frauen nicht zum Zuge kommen lassen, sondern weil sie ihnen damit
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imponieren wollen und diese bei ihrer sexuellen Selektion kulturproduktive Männer bevorzugen. Wie alle männlichen Säugetiere investieren auch Männer mehr Energie in die Partnerwerbung, und die Folge ist: „Männer malen mehr Bilder, nehmen mehr Jazzalben auf, schreiben mehr Bücher […] und vollbringen mehr ungewöhnliche Leistungen […]“ (MILLER 2001: 99). Die Theorie der sexuellen Selektion, die inzwischen erfolgreich mit einer Handicaptheorie angereichert worden ist, darf in diesem Zusammenhang nicht intentionalistisch missverstanden werden. Sie erklärt rein funktionalistisch dieses geschlechtsasymmetrische Verhalten durch ihre homologen Entstehungsbedingungen und kümmert sich nicht um die dabei verfolgten, bewussten Absichten der beteiligten Akteure. Das aktuelle Verhalten und Handeln der beteiligten Agenten orientiert sich an einem Als-ob-Algorithmus: Man handelt so, als ob diesem Handeln ein Nutzen-Kosten-Kalkül im Sinne einer Optimierung der genetischen Reproduktionswahrscheinlichkeit zugrunde läge.
Perspektiven einer evolutionären Kulturtheorie Wir sehen, dass Kultur durchaus plausibel evolutionstheoretisch begründet bzw. erklärt werden kann. Der evolutionäre Selektionsvorteil der Kulturfähigkeit liegt vor allem in der verbesserten Anpassungsfähigkeit des homo sapiens an veränderliche und opake Umweltsituationen durch Stabilisierung einer ‚weichen Zwischenwelt‘: Zwischen die harten, arteigenen bzw. angeborenen und die weichen, individuell erworbenen Formen der Anpassung schieben sich bewährte Muster kollektiver Voranpassung, die eine ‚lose Koppelung‘ zwischen System und Umwelt ermöglichen. Kultur bietet als Alltagskultur aus Sicht der natürlichen Selektion damit erhebliche Selektionsvorteile und ist als Hochkultur gleichzeitig eine Spielwiese für Formen sexueller Selektion. Dazu kommt, dass die Bandbreite möglicher kultureller Formen eine variable kulturelle Selektion ermöglicht, die – spätestens seit dem 18. Jahrhundert – zum Kulturvergleich einlädt. [...] Wenn Kulturen (hier im Plural) als eigenständige Einheiten für evolutionäre Prozesse in den Blick kommen, wird eine evolutionäre Gruppenselektion wahrscheinlich – und damit eine – neben Genen, Phänen und Memen – weitere Selektionseinheit, nämlich die der Dene. Gruppenselektion, in der Evolutionären Psychologie lange Zeit als überholt verworfen, wird inzwischen immer häufiger wieder ernsthaft in Betracht gezogen. Damit rücken auch Kulturen (ins-
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besondere entlang ihrer Sprachgrenzen) als relativ eigenständige Einheiten für evolutionäre Prozesse in den Blick. Neben diesen großen kulturellen Verlaufslinien gibt es inzwischen auch ein ausgeprägtes Interesse an den ‚kleinen‘ kulturellen Verläufen. In der – insbesondere von Konrad Lorenz, Irenäus Eibl-Eibesfeld und Otto König initiierten Kulturethnologie werden Abläufe und der Wandel kultureller Formen im Detail mit Methoden der Verhaltensforschung untersucht und dabei natürliche und ‚kultürliche‘ Muster analogisiert. Auf der synchronen Ebene hat sich eine reiche vergleichende Kulturforschung entwickelt, die neben den vielen Unterschieden auch die Gemeinsamkeiten (sprich: die Universalien) menschlicher Kulturfähigkeit im Blick hat (ANTWEILER 2007). Die gemeinsame theoretische Klammer aller dieser Forschungsrichtungen ist die Evolutionstheorie. Auch wenn hier nur grobe Umrisse dieser evolutionstheoretischen Sichtweise skizziert werden und sicher mehr Fragen offen bleiben als Antworten gegeben werden konnten, verspricht sie vor allem dort überraschende Erkenntnisse, wo sie bislang ungewöhnlich und unüblich war. Wenngleich randständig, haben sich inzwischen eine ganze Reihe von geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen dieser Sichtweise geöffnet und aufschlussreiche Erkenntnisse geliefert: in der Psychologie als Evolutionäre Psychologie (BUSS 2000), in der Pädagogik als Evolutionäre Pädagogik (TREML 2004), in der Philosophie als Evolutionäre Erkenntnistheorie (VOLLMER 1985) u. a. m. Es dürfte sich lohnen, auch in der Kulturtheorie (MENNINGHAUS 2007) und der evolutionären Ästhetik (DISSANAYAKE 1988; VOLAND/GRAMMER 2003) [sowie der Kulturpolitikforschung] in diese Richtung – ohne Scheuklappen – weiterzudenken.
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Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik? 1 Dirk Baecker
I. Eine gewisse Ungeduld steht in Bronislaw Malinowskis „wissenschaftlicher Theorie der Kultur“ (2005) nicht nur zwischen den Zeilen. Malinowski hatte in Polen Mathematik, Physik und Philosophie studiert, bevor er an der London School of Economics zur Anthropologie wechselte. 1914, als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde er wegen seines österreichisch-ungarischen Passes von den Briten auf den Trobriander-Inseln festgehalten und so zu einer ungewöhnlich langen Feldforschung von dreieinhalb Jahren gezwungen, deren Ergebnisse er in drei Standardwerken zur Ökonomie, zum Sexualverhalten und zum Gartenbau der Südseeindianer festhielt. Von 1922 bis 1938 lehrte er an der London School of Economics, die er in dieser Zeit zu einem der Zentren der anthropologischen Forschung machte, und wechselte zum Kriegsausbruch an die Yale University in den USA, wo er im Alter von 58 Jahren an einem Herzinfarkt starb, kurz bevor er zu einem Forschungsaufenthalt nach Oaxaca, Mexiko, aufbrechen wollte. Im Jahr 1941 sitzt er an seinem Text über eine „wissenschaftliche Theorie der Kultur“, der postum veröffentlicht wurde, und ärgert sich, so stelle ich mir vor. Er ärgert sich darüber, dass die Anthropologie zu diesem Zeitpunkt bereits auf Jahrzehnte und, nimmt man die Berichte der Missionare hinzu, Jahrhunderte der völkerkundlichen Forschung zurückblicken konnte, ohne genau zu wissen, was das eigentlich war, 1 Manuskript zum Vortrag auf der Auftaktveranstaltung in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen am 12. Juni 2013 des 7. Kulturpolitischen Bundeskongress zum Thema „Kultur nach Plan. Strategien konzeptbasierter „Kulturpolitik“ in Berlin am 13. und 14. Juni 2013.
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was sie erforschte. Kein Winkel der Erde war unberührt geblieben von neugierigen Forschern, die Sprachen, Sitten, Rituale, Gewohnheiten, Artefakte, Musik und Drogen der Stammesgesellschaften erforschten und immer wieder neu die Entdeckung bestätigten, dass die Kulturen der Menschen vielfältig sind, ohne dass deswegen an der Einheit der Gattung Mensch, allenfalls zu unterscheiden in verschiedene „Rassen“, zu zweifeln wäre. Man suchte nach Universalien, deren wichtigste drei schon Giambattista Vico in seinem Werk über die „Prinzipien einer neuen Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker“ aus dem Jahr 1725 bestimmt hatte: die feierliche Eheschließung, das Begräbnis und die Furcht vor Göttern. Er versuchte herauszufinden, welche Rolle Tradition, Geschichte und Fortschritt in den menschlichen Gemeinschaften spielen, war sich jedoch im Wesentlichen darüber einig, dass jetzt, im 20. Jahrhundert, nichts wichtiger war als die Bewahrung dieser Tradition und damit auch die Bewahrung der Vielfalt der menschlichen Kulturen. (Vico 2000) Nur zaghaft begann man nach dem Zweiten Weltkrieg auch die sogenannten entwickelten Industriegesellschaften dem anthropologischen Blick auszusetzen und sich für die seltsamen Gebräuche von Büromenschen, Fabrikarbeitern, Chefärzten, Physikern und Jugendlichen zu interessieren. Malinowski ahnte, dass man diese Art der sammelnden, protokollierenden, archivierenden Forschungsarbeit noch ewig fortsetzen konnte, ohne je auf etwas anderes zu stoßen als die Vielfalt des Gleichen. Ohne dass der Begriff bereits eingeführt war, hatte er es überdies mit jener Art der Ethnomethodologie und Grounded Theory à la Harold Garfinkel, Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss zu tun, die explizit dazu aufforderte, frei von Theorien, das heißt frei, wie es hieß, von ethnozentrischen Vorurteilen, ins Feld zu gehen und das dort vorzufindende Unverständliche ausschließlich auf den Sinn hin auszulegen, den die Akteure selbst mit ihm verbanden. Malinowski hatte selbst einen großen Teil seines Werkes dem Versuch gewidmet, Freuds Annahme eines universellen Ödipus-Komplexes zu widerlegen. (2005) Aber Malinowski vertrat eben auch eine Theorie universeller kultureller Institutionen, deren Liste er in seiner „wissenschaftlichen Theorie der Kultur“ aufstellte. (2005) Zu diesen Institutionen gehören die Familie, die Brautwerbung, die Heirat, der Clan, die Nachbarschaft, die Altersgruppe, das Geheimnis, Magie und Hexerei, der Beruf, die soziale Schicht und Kaste, der Stamm, die jeweils reproduktive, territoriale, physiologische, integrative und autoritäre Funktionen erfüllen. Malinowski unterscheidet vier
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik?
Imperative und vier Reaktionen, die jede Kultur kennzeichnen: Eine Kultur muss erstens die Produktion und den Konsum der für sie wichtigen Guter regeln. Das übernimmt die Wirtschaft. Eine Kultur muss sich zweitens an bestimmte Regeln und Normen halten. Das wird durch gesellschaftliche Überwachung, soziale Kontrolle gewährleistet. Eine Kultur muss drittens dafür sorgen, dass wechselnde Menschen, die in ihr aufwachsen und sterben, mit den Gewohnheiten und dem Wissen der Kultur vertraut werden. Darauf reagiert die Erziehung. Und eine Kultur muss viertens Autoritäten festlegen und mit Machtmitteln ausstatten. Das leistet die Politik. (2005) Kein Anthropologe, so bringt Malinowski seine Ungeduld und seinen Ärger auf den Punkt, möge ins Feld ziehen und dort die schönsten Funde sammeln, ohne sich laufend zu fragen, wie eine Entdeckung in das von ihm aufgestellte Raster passt oder ob sie eine Abweichung, eine Anomalie, darstellt, die dazu zwingt, das Raster und damit die bisherigen Annahmen zu den institutionellen Funktionen der Kultur zu überarbeiten. Dann erst, so Malinowski, wird die Anthropologie zu einer wissenschaftlichen Disziplin. (2005)
II. Wir erinnern hier an die Ungeduld und den Ärger Malinowskis, weil sich die Kulturpolitik in einer vergleichbaren Situation befindet, ohne bereits ihren Theoretiker gefunden zu haben, der sie verbindlich auf ihre Funktionen und die dazu erforderlichen Institutionen hin hätte durchmustern können. Ähnlich wie in der Anthropologie, in der der Funktionalismus Malinowskis auf die schärfste Ablehnung gestoßen ist, gelingt es auch in der Kulturpolitik nicht, ein gemeinsames Verständnis der „Bedeutung von Kunst und Kultur für Individuum und Gesellschaft“ (Deutscher Bundestag 2008: 47-50) zu formulieren, ohne nicht ein Sondervotum (der FDP-Fraktion und des Sachverständigen Olaf Zimmermann) auf den Plan zu rufen. Ein solches Verständnis greife sowohl historisch als auch angesichts der Komplexität der Zusammenhänge zu kurz. (Ebd.: 47 inkl. Fußnote 1) Auch die Kulturpolitik hat den Wandel von der Hochkultur zunächst aristokratischer, dann bürgerlicher Herkunft zu den Subkulturen der 1960er und 1970er Jahre und den Interkulturen und Medienkulturen der Jahrzehnte seither nicht ohne Murren mit vollzogen, ohne jedoch für ihre Maßnahmen einen anderen gemeinsamen Nenner zu finden als den, dass es immer um die Förderung der Künste in
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ihrer Funktion der Förderung der Bildung von Individuen in zunehmend anforderungsreichen gesellschaftlichen Umwelten geht. Die gerade gewählte Formulierung klingt mit ihrem Stichwort der „Funktion“ bereits so, als könne sie den an der Mathematik geschulten wissenschaftlichen Ansprüchen Malinowskis genügen. Doch stehen einer solchen Interpretation, die dann auch genutzt werden könnte, um das Feld der Kulturpolitik sowohl einzugrenzen als auch gemessen an gesellschaftlichen Anforderungen weiterzuentwickeln, mindestens zwei Umstände entgegen. Zum einen werden die Präzisionsgewinne durch das Stichwort der Funktion durch die Offenheit der Begriffe „Kunst“, „Bildung“ und „Gesellschaft“ gleich wieder verspielt, sodass alles Mögliche innerhalb dieser Formulierung den Anspruch auf eine kulturpolitisch motivierte Kunstförderung erheben kann und sich genau die Diffusität einspielt, die begrüßt wurde, solange die Kassen noch voll schienen, und beklagt wird, seit sich die Sparzwänge durchsetzen. Und zum Zweiten stößt das Stichwort der Funktion selber auf den größten Widerstand, da sich in einer so geistvollen Nation wie Deutschland hartnäckig das Vorurteil hält, nur Maschinen hätten Funktionen und die Kultur im Allgemeinen, die Künste im Besonderen und die Bildung der Individuen sowieso würden sich gerade daran erweisen, dass sie funktionslos, zweckfrei nur ihren eigenen Setzungen folgen, so Kant, und nur ihr eigenes Spiel betreiben, so Schiller. Es versteht sich, dass auch diese Ablehnung jeder Art von Funktionalität zu Zeiten scheinbar voller Kassen begrüßt wurde, zu Zeiten neuer Sparzwänge jedoch vor Entscheidungsprobleme stellt. Wie soll man sich für oder gegen die Förderung von etwas entscheiden, was keinen Anspruch auf eine Funktion oder einen Zweck erhebt? Man kann sich angesichts des zwecklos Wohlgefälligen nur auf Geschmacksurteile verlassen, die Kant sich denn auch alle Mühe gab, der individuellen Beliebigkeit (Idiosynkrasie) zu entziehen (wohin sie subjektphilosophisch gleichwohl gehören) und der allgemeinen Mitteilungsfähigkeit (sensus communis) zu unterwerfen. Auf Geschmack konnte man sich nur verlassen, solange die Hochkulturen und Subkulturen jeweils historisch lang genug still hielten, um ihre Distinktionspraktiken, mit Bourdieu formuliert, hinreichend stilsicher auszubilden. Doch worin bestehen die Geschmacksurteile einer Interkultur, die auf vielfältige Migrationsbewegungen reagiert, oder einer Medienkultur, die nach digitalen Formaten für Kommunikation und Information im Netzwerk sucht? Es spricht nichts gegen eine Kulturpolitik, die das kulturelle Erbe (jedes Erbe?) zu schützen und das künstlerische Schaffen (jede Kunst?)
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik?
zu fördern beansprucht und an Budgetrestriktionen ihr ebenso pragmatisches wie föderalistisch variierbares Maß findet. Doch wenn man, wie hier, auf die Frage eine Antwort geben soll, welche gesellschaftspolitischen Zielsetzungen einer Kulturpolitik die Richtung und ihre Grenzen weisen können, dann ist mehr erforderlich als: die Suche nach Leuten, deren Geschmacksurteile man teilt; der Versuch des Bestandserhalts; die gemessen am finanziellen Aufwand eher feigenblatthafte Projektförderung der „freien Szene“; der Ausbau von sozialen Sicherungssystemen und die gelegentliche Sparkampagne.
III. Man ahnt, warum ich an Bronislaw Malinowskis Plädoyer für „eine wissenschaftliche Theorie der Kultur“ erinnert habe. Nicht deswegen, um hier eine wissenschaftliche Theorie der Kulturpolitik zu entwerfen, sondern um doch noch einmal den Versuch zu machen, mit dem Funktionsbegriff zu arbeiten. Welche Funktion, so lautet unsere Frage, erfüllt die Kulturpolitik in einer Zeit gesellschaftlicher Veränderungen, auf die die Politik, gar als „Gesellschaftspolitik“, zu reagieren versucht? Wir wollen zwar nicht Malinowskis noch sehr teleologischen Funktionsbegriff übernehmen, innerhalb dessen man jede kulturelle Institution als eine Art hegelscher List der Vernunft (aber auch: der biologischen Natur des Menschen) zur Sicherung des Überlebens der Menschheit beschreiben müsste, doch liegt diesem teleologischen ein mathematischer Funktionsbegriff zugrunde, mit dem wir nach wie vor arbeiten können. Dieser mathematische Funktionsbegriff ist auch nicht etwa auf die Beschreibung von Maschinen festgelegt, sondern eignet sich zur Bestimmung aller Sachverhalte, die als Variablen in Abhängigkeit von anderen Variablen verstanden werden können. Wir haben es demnach zwar nicht mit der Zumutung zu tun, die Gesellschaft bereits teleologisch und letztlich kosmologisch (oder schöpfungstheoretisch) zu ihrem Besten eingerichtet vermuten zu müssen, sehr wohl jedoch mit der Zumutung, für Gesellschaft und Kultur keinerlei Substanzen akzeptieren zu können, deren Wesen so oder so darin besteht, geschützt oder gefördert zu werden beziehungsweise diesen Schutz und diese Förderung qua Natur der Sache leisten zu müssen. Im Rahmen dieses kurzen Textes vertreten wir eine notgedrungen etwas holzschnittartige These. Kulturpolitik, so wollen wir behaupten, ist genau dann Gesellschaftspolitik, wenn es ihr gelingt, eine Kultur zu schützen und eine Kunst zu fördern, deren Werte darin bestehen, dass
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sie eine wichtige Auseinandersetzung der Gesellschaft über ihre Normen entweder erinnern oder weiterhin führen. Wir bewegen uns damit auf der Linie des Berichts der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ an den Bundestag im Jahr 2008, in dem sich etwa die Formulierung findet: „In der Sphäre der Kultur findet die ständige Selbstreflexion der Gesellschaft über ihre Werte und Standards statt“ (2008: 49). Da diese Selbstreflexion in der modernen Gesellschaft (im Gegensatz zu traditionellen und tribalistischen Gesellschaften) ergebnisoffen geführt werden muss, um „Reflexion“ heißen zu dürfen (und: weil unklar ist und unklar bleiben muss, wer das Selbst ist, das sich hier reflektiert), kann nur das Selbstreflexion sein, was unentschieden und unentscheidbar zwischen Affirmation und Kritik oszilliert und in dieser Oszillation seine Motive der Auseinandersetzung sucht und findet. Deswegen akzentuieren wir hier das Stichwort der Auseinandersetzung und versuchen zu sagen, dass nur diejenige Kulturpolitik gesellschaftspolitisch funktional ist, die im Medium des kulturellen Erbes und im Medium der Künste die Auseinandersetzung über Werte, Normen und Standards fördert. Malinowski hat seine „wissenschaftliche Theorie der Kultur“ in die Form eines Diagramms gebracht, das wir hier aufgreifen können, um genauer zu bestimmen, wo und wie diese Auseinandersetzung funktional stattfindet. Auf Seite 90 seines Textes finden wir dieses Diagramm der kulturellen Organisation einer Gesellschaft. (Siehe Abb. 1)
Verfassung
Personalbestand
Normen
Materieller Apparat Betätigung Funktion
Abb. 1: Kulturelle Organisation der Gesellschaft (I), Quelle: Malinowski 2005: 90
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik?
An diesem Diagramm sind viele Punkte bemerkenswert, einmal abgesehen vom sicherlich bemerkenswertesten Punkt, dass Malinowski, einer der Gründer und besten Kenner des Fachs der Anthropologie, mit diesem relativ dürren Diagramm zwar davor warnt, es als einen „magischen Talisman“ für die Lösung aller Probleme zu betrachten, aber dennoch den Anspruch erhebt, der Vielfalt des völkerkundlichen Materials gerecht werden zu können (2005: 90). Bemerkenswert ist zunächst die Unterscheidung zwischen Verfassung und Funktion. Verfassung steht für die Werte, wegen derer Menschen bereit sind, sich an einer Gesellschaft zu beteiligen, Funktion für den vom Wissenschaftler identifizierten Zusammenhang aller Institutionen der Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit internen und externen Herausforderungen und Spannungen. In vielen Universitätsseminaren, in denen ich dieses Schema mit Studierenden diskutiert habe, kamen diese meist sehr schnell auf die Idee, die Werte der Gesellschaft wiederum in Abhängigkeit von den zu erbringenden Funktionen zu sehen und damit die kulturelle Organisation der Gesellschaft zirkulär zu schließen. (Siehe Abb. 2) Der materielle Apparat steht für die materielle Ausstattung einer Gesellschaft mit Werkzeug, Architektur, Kleidung und Schmuck, die aus der Auseinandersetzung mit der materiellen Umwelt der Gesellschaft gewonnen sind und in dieser Auseinandersetzung unverzichtbare
Verfassung
Personalbestand
Normen
Materieller Apparat Betätigung Schließung
Funktion
Abb. 2: Kulturelle Organisation der Gesellschaft (II), Quelle: Malinowski 2005: 90 zzgl. Ergänzung durch den Autor
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Hilfestellung leisten. Dieser Apparat ist die Voraussetzung dafür, kultiviert mit der Gesellschaft und ihrer Umwelt umgehen zu können, muss jedoch selber ebenfalls laufend kultiviert werden. Andernfalls droht das Schicksal aller allzu selbstverständlich werdenden Kultur, nämlich ihre Verwechslung mit der Natur der Dinge. Und die Betätigung (im Original: activities) steht dafür, dass ohne entsprechende Handlungen im Haus, auf den Feldern, in den Häuptlingshütten, am Brunnen, auf der Jagd und beim Tanz von einer Kultur keine Rede sein kann. Eine Kultur ist das, was als Kultur praktiziert wird. Dieser Hinweis ist wichtig, weil man andernfalls dazu neigen könnte, Kultur und Geist zu verwechseln. Kultiviert ist nicht jemand, der an Goethe, Schiller, Lenz und Büchner denkt. Sondern kultiviert ist jemand, der sich dazu die entsprechenden Bücher kauft, seine Wohnung mit Regalen und Leselampen ausstattet, Entscheidungen trifft, wann Lenz gelesen und wann Ferngesehen wird, Kindern und Freunden von seinen Vorlieben erzählt oder sie anderweitig sichtbar werden lässt und nicht zuletzt entscheiden kann, welcher Wein zu welcher Lektüre passt. Eine nicht praktizierte Kultur ist schon keine mehr; und umgekehrt erkennt man eine Kultur eben an ihren Praktiken und nicht an ihren Inhalten. Den für unsere Frage nach möglichen gesellschaftspolitischen Funktionen der Kulturpolitik entscheidenden Punkt jedoch finden wir in der zweiten Zeile des Diagramms, in der die lineare Sequenz der Ableitungen unterbrochen wird und Personalbestand und Normen mit gleicher Wertigkeit und voneinander zunächst unabhängig genannt werden. Unter Personalbestand wird nicht die Bevölkerung verstanden, die an einer Gesellschaft und ihrer Kultur teilhat, sondern das Personal einer Institution, die diese Kultur unterstützt. Das kann im Falle eines Stammes, in dem auch das Publikum der Rituale über Rollendefinitionen zum Personal der Ausübung des Rituals gehört, durchaus der ganze Stamm sein, doch bleibt das Diagramm Malinowskis in dieser Hinsicht zu Recht unentschieden. So oder so ist das Personal der kulturellen Organisation einer Gesellschaft mit einer gewissen Autorität ausgestattet, befolgt eine gewisse Arbeitsteilung unter verschiedenen Funktionen und besitzt bestimmte Privilegien und Pflichten. Mit Blick auf die moderne Gesellschaft kann es zu durchaus interessanten Überlegungen führen, auch das Publikum zum Personalbestand in diesem Sinne zu zählen und so aus seiner indifferenten Position zu befreien. Spätestens in dem Moment, in dem das Publikum sich entscheidet, hierhin oder dorthin zu gehen, nimmt es Vergleiche vor, übt es eine Kontrolle aus und verfügt es über eine Expertise, die es zu dieser
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik?
Entscheidung befähigt. Im gesellschaftlichen Rahmen der Produktion von Kultur und Kunst ist damit auch das Publikum als Aktivität zu verbuchen. Und die Normen einer Kultur sind die eher technischen Fähigkeiten und Gewohnheiten, die rechtlichen Normen und die ethischen Gebote, die in einer Kultur Anerkennung finden. Malinowski begründet die Gleichordnung der beiden Termini Personalbestand und Normen damit, dass sie beide gleichermaßen von der Verfassung, den Werten einer Gesellschaft abgeleitet werden. (2005) Diese Auffassung würde ich teilen, jedoch würde ich diesen Gedanken durch einen zweiten Gedanken ergänzen, der aus der Gleichordnung ein Spannungsverhältnis macht und den funktionalen Kreislauf der Kultur daher an präzise der Stelle unterbrochen sieht, wo sich das Personal der Institutionen, Darsteller wie Publikum, mit den Normen der Gesellschaft immer wieder neu auseinandersetzen muss. Wir veranschaulichen dies mit einer zweiten Ergänzung des Diagramms Malinowskis. (Siehe Abb. 3) Statt vom Personal einer Institution können wir entsprechend dem Sprachgebrauch moderner Gesellschaften auch von Organisationen sprechen und darunter kulturelle Einrichtungen aller Art, Museen und Galerien, Theater und Opernhäuser, Orchester und freie Projekte verstehen. Der funktionale Ort dieser Organisationen und Projekte ist die
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Personalbestand
Normen
Materieller Apparat Betätigung Schließung
Funktion
Abb. 3: Kulturelle Organisation der Gesellschaft (III), Quelle: Malinowski 2005: 90 zzgl. Ergänzung durch den Autor
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Auseinandersetzung mit den Normen, den Fähigkeiten, Kompetenzen, Regeln und Gewohnheiten einer Gesellschaft, insofern diese sich in irgendeinem Sinne auf die Werte der Gesellschaft beziehen und in einen materiellen Apparat einfließen, der seinerseits in Tätigkeiten aller Art in Anspruch genommen und bedient wird. Dieses Personal steht einer unbestimmten Menge von Leuten gegenüber, die das Publikum beziehungsweise die Publika dieser Organisationen bilden und ihrerseits mit ihrem Interesse und ihrer Aufmerksamkeit darüber entscheiden, ob eine nennenswerte Auseinandersetzung mit den Normen stattfindet oder nicht.
IV. Die gesellschaftspolitische Begründung einer Kulturpolitik kann sich somit auf die Funktion stützen, die die Kultur einer Gesellschaft in dieser Gesellschaft erfüllt und immer dann kulturpolitische Maßnahmen empfehlen, wenn eine bereits stattfindende Auseinandersetzung konkreter Institutionen, Organisation oder Projekte mit den Normen einer Gesellschaft stattfindet oder initiiert werden kann. Die Schärfe dieses Kriteriums ergibt sich nicht zuletzt aus der Diskriminierung von Maßnahmen, für die die gesellschaftspolitische Begründung dementsprechend nicht mehr zur Verfügung steht. Nicht jedes kulturelle Erbe und nicht jeder künstlerische Ausdruck ist kulturpolitisch bereits schutz- und förderwürdig, gleichgültig ob es oder er einer Hochkultur, einer Subkultur, einer Interkultur oder einer Medienkultur entstammt, sondern nur dasjenige und derjenige, das und der zu einem Streit beiträgt oder auch an einen nach wie vor für wichtig gehaltenen Streit erinnert oder diesen weiterführt. Wir können die Kulturpolitik dementsprechend in unser Malinowskidiagramm wie folgt eintragen. (Siehe Abb. 4) Aus dieser funktionalen Spezifikation können wir ein enges Kriterium für die gesellschaftspolitische Begründung einer Kulturpolitik ableiten, die zugleich denkbar breit in den möglichen Themen dieser Auseinandersetzung und den möglichen Beiträgen zu diesen Themen aufgestellt ist. Die Themen streuen durch sämtliche Themen der Gesellschaft, insofern sie die Auseinandersetzung wert sind. Und die Beiträge streuen durch sämtliche künstlerischen Ausdrucksformen, zu denen eine Gesellschaft fähig ist, solange nur erkennbar ist, dass und worüber gestritten wird.
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik?
Auf den ersten Blick beziehen wir damit eine zu Platon gegenläufige Position, insofern Platon aus seiner von Philosophen regierten Polis alle Kunst und alle Künstler vertreiben wollte, die nicht das Loblied dieser Polis und ihrer Harmonie singen, sondern mit Verzerrung, Witz, Lüge und Fluch die Harmonie stören. Auf den zweiten Blick stimmen wir mit diesem platonischen Bannfluch durchaus überein. Wir sagen, dass nur die Auseinandersetzung das Loblied dieser Gesellschaft zu singen vermag und dass für die Harmonie der Gesellschaft nichts wichtiger ist als der kultivierte Streit. Und wir sagen, dass alles andere durchaus stattfinden kann, aber nicht unbedingt geschützt und gefördert werden muss. Wir lehnen die Vertreibung der Künstler aus der Polis ab, weil wir mit Platons Bestimmung der Funktion der Kunst übereinstimmen. Nicht zuletzt führen wir eine zeitliche Differenzierung ein, indem wir das auf die Vergangenheit bezogene kulturelle Erbe, das kulturpolitisch geschützt werden muss, wenn sich in ihm wichtige Auseinandersetzungen erhalten haben und an ihm ablesen lassen, von einem künstlerischen Ausdruck unterscheiden, der eher in der ungewissen Gegenwart gesucht und in einer unbekannten Zukunft bewährt werden muss.
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Personalbestand
Normen
Materieller Apparat Betätigung Schließung
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Abb. 4: Kulturelle Organisation der Gesellschaft (IV), Quelle: Malinowski 2005: 90 zzgl. Ergänzung durch den Autor
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V. Der wichtigste Vorteil der hier vorgeschlagenen gesellschaftspolitischen Begründung einer funktionalen Orientierung der Kulturpolitik jedoch liegt darin, dass sie die Kunst nicht nur rahmt, zähmt und präsentiert, sondern ernst nimmt, vielleicht sogar verstärkt und in gesellschaftliche Prozesse der Meinungsbildung und Selbstverständigung übersetzt. Denn der Streit, den wir gegenwärtig über die Kultur und ihre Notwendigkeit oder Verzichtbarkeit führen, verdeckt nur die tiefere Ratlosigkeit über die Frage, wozu es in unserer Gesellschaft neben Religion und Wissenschaft, Erziehung und Recht, Politik und Wirtschaft auch noch so etwas wie die Kunst gibt. Sowohl die Versuche, unser Kulturverständnis von der Kunst abzulösen und in einem anthropologischen Sinne eher auf kulturelle Milieus der Pflege bestimmter Bräuche und Sitten, bestimmter Sprachen und Wertvorstellungen zu beziehen, als auch die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Kulturpolitik dann doch immer wieder auf die Förderung der Künste fokussieren lässt, zeigen, dass die Funktion der Kunst in dieser Gesellschaft möglicherweise noch schwerer zu thematisieren ist als die Funktion der Kultur. Wir wissen zwar, dass die Kunst es nach wie vor mit der Mimesis, der Peripetie und der Anagnórisis, also mit der Nachahmung, der überraschenden Wendung und dem Wiedererkennen zu tun hat, wie dies Aristoteles in seiner Poetik formulierte. (1982) Und wir wissen auch, dass die beiden von Kant bestimmten Merkmale der Kunst, es mit dem Schönen und dem Erhabenen zu tun zu haben, auch dann noch ihre Gültigkeit haben, wenn wir das Hässliche und das Surreale als weitere Merkmale ergänzen. (1968) Aber dass es weder mit dieser antiken noch dieser modernen Bestimmung getan ist, wissen wir auch. Nicht nur mit Bezug auf die Kultur, sondern auch mit Bezug auf die Kunst fehlt uns eine funktionale in Ergänzung vieler substantieller Bestimmungen. Immanuel Kant kam ihr vielleicht am nächsten, als ihm auffiel, dass der Geschmack des Individuums nicht nur radikal subjektiv, sondern überdies in keiner Weise auf Kategorien des Raums und der Zeit angewiesen, also transzendental unbehaust ist. Genau deswegen glaubte er ja, weniger dem Individuum als vielmehr der Gemeinschaft zu Hilfe kommen zu müssen, indem er dem Subjekt nach dem Vorbild Baumgartens (1983) das Schöne und das Erhabene als Kategorien nicht mehr des Geschmacks, sondern des gemeinsinnfähigen Geschmacksurteils anbot. (Kant 1968) Aber das konnte seine Entdeckung des nur sich selbst
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik?
zugrundeliegenden Subjekts nicht ungeschehen machen, wie Fichte, Hegel und die Romantiker sehr genau erkannt haben. Im Moment und angesichts vieler weiterer, bis hin zu Ernst Cassirer, gescheiterter Versuche, die Kunst apriorisch zu verankern, können wir daher nur dort ansetzen, wo Kant eingeknickt ist. Wir können die Stellungnahme von Heinz Rudolf Kunze im Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ ernst nehmen und das Künstlertum zum einen als „Individualismus par excellence“ (2008: 233) verstehen und zum anderen hinzufügen, dass ein Bürgertum, das sich durch ein solches Künstlertum nicht mehr widersprechen und in diesem Widerspruch ergänzen lässt, „symbolblind“ (2008: 232) wird. Wir können sagen, dass die Kunst, verstanden allerdings als Gemeinschaftswerk von Künstler und Betrachter, am Werk verstrickt in den von Martin Heidegger beschriebenen hermeneutischen Zirkel, das Individuum freisetzt, nach Bedarf, nach Lust und Laune die Welt insgesamt oder ein Ding, ein Ereignis, eine Begegnung in ihr als Symbol zu betrachten. (1950) Um zu verstehen, was das heißt, brauchen wir jedoch noch eine weitere Entdeckung, die Kant wohl philosophisch, aber noch nicht naturwissenschaftlich zur Verfügung stand, weil die Neurophysiologie sie im 19. Jahrhundert nach vielen Ahnungen der Philosophen erst einmal gleichsam nachholen musste. Wir sprechen von der Entdeckung des geschlossenen Wahrnehmungskreislaufs des Organismus und seines Gehirns, der dann wenig später die größte Unruhe auslösende Entdeckung der eigentümlichen Struktur einer Sprache des Unbewussten bei Freud und Lacan folgte, die darin besteht, dass diese Sprache diese Schließung sowohl respektiert als auch überwindet, dank struktureller Kopplung, würde Niklas Luhmann sagen. (1997) Erst jetzt jedenfalls ist das Individuum gesellschaftstheoretisch so positioniert, dass man verstehen kann, dass und wie sich Kunst ausschließlich an dieses subjektiv in sich irritierte, eher als an das gesetzte und beruhigte Individuum richtet. Erst jetzt verstand man, wie Baudelaire formulierte, das aus dem Paradies der Schöpfung vertriebene und in künstliche Paradiese verstrickte Individuum. (2000) Kunst, so kann man jetzt sagen, ist kommunizierte Wahrnehmung unter der Bedingung, dass die Kommunikation eine Sache der Interaktion und Gesellschaft und die Wahrnehmung eine Sache des Individuums ist. Kulturpolitisch interessant wird diese Formulierung jedoch erst in dem Moment, in dem die Kopplung von Kommunikation und Wahrnehmung zwar als unwahrscheinlich, mit Luhmann, aber doch als evolutionär hochgradig routiniert und damit bis hin zum Auto-
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matismus unbemerkt beschrieben wird. Die Individuen wachsen in der Gesellschaft auf und bewältigen ihre Orientierungsprobleme durch eine Akkommodation mit ihrer sozialen und natürlichen Umwelt, die zum größten Teil (und zum Glück für die Versuchungsanordnungen der gegenwärtigen Neurowissenschaften) über die Wahrnehmung und nicht über das Bewusstsein, geschweige denn über die Kommunikation läuft. Nur Therapeuten wissen, welcher Bemühungen um Reflexion es bedarf, um der eigenen Selbstverständlichkeiten, geschweige denn der längst verdrängten Traumata gewahr zu werden.
VI. Platon hatte sich gewünscht, dass es der Politik gelingt, die Kunst in den Dienst dieser Akkommodation zu stellen – Kunst sollte faszinieren, harmonieren und jubilieren. (2000) Schon bei den Griechen ist das jedoch nur auf dem Umweg über alle jene Elemente der Kunst gelungen, die Platon aus der Polis vertreiben wollte, das Gelächter, den Schrecken, die Lüge und die Ambivalenz. (2000) Deswegen sind Aristoteles’ Figuren der Peripatie und der Anagnórisis poetisch so wichtig geworden. Das Happy End taugt nur etwas, wenn ihm weniger Glückliches vorausgeht. Und die Faszination ist sowieso nur auf dem Umweg über die Ambivalenz zu haben. Schon bei den Griechen, wenn auch vor allem in der Tragödie und Komödie und weniger in der bildenden Kunst, war daher die individuelle Idiosynkrasie der Wahrnehmung, zusätzlich gereizt durch die Verführungskünste der Götter und nur unzureichend korrigiert durch den erwartbaren Verlauf des Schicksals, das große Thema der Kunst. Mit anderen Worten, Künstler, geschult durch den Umgang mit sich selbst (und bis aufs Äußerste gereizt, wie Heinz Rudolf Kunze (2008: 230) hinzufügt, durch den Umgang mit Ihresgleichen), sind Experten für die Beobachtung einer immer zu schnell, zu problemlos, zu umstandslos einsetzenden Übereinstimmung zwischen individuellen Wahrnehmungen und gesellschaftlichen Ordnungsangeboten. Schon um ihrer selbst willen und vielleicht tatsächlich nur auf der Suche nach Bundesgenossen provozieren sie auch bei dem gewöhnlichen Kunstbetrachter jene Differenzerlebnisse zwischen Wahrnehmung und Ordnungsangebot, die sie bei sich selber haben. Und das macht die Gesellschaft sich gleich doppelt zunutze. Selbstverständlich nutzt sie die Kunst überall, wo sie kann, um auf die Unsinnigkeit, Überflüssigkeit und Lächerlichkeit individuell abweichender Wahrnehmungen hinzuweisen. Bilder werden an die Wand gehängt,
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik?
Theaterstücke inszeniert, Musikstücke aufgeführt, Romane geschrieben und Gedichte vorgetragen, die allesamt nur dokumentieren, dass dies fiktive Welten sind und man daher gut beraten ist, reale Welten von diesen Fiktionen zu unterscheiden. Vermutlich wüssten wir nicht, was die wirkliche Wirklichkeit ist, wenn wir nicht immer wieder Gelegenheit hätten, erfundene Wirklichkeiten zu studieren. Und wer auf den Reiz der fiktiven Welten hereinfällt, tant mieux, der ist immerhin für eine Weile gut beschäftigt. Zugleich jedoch wird in diesen Fiktionen, die keine anderen Anhaltspunkte haben als die individuelle Wahrnehmung, ein Abstand zur Wirklichkeit eingeübt, der bei Bedarf auch genutzt werden kann, um aus Wahrnehmungsroutinen auszusteigen, Neues und Anderes zu erfahren, zu erlernen und zu üben und so die üblichen Verhaltenserwartungen zu durchkreuzen und zu verändern. Deswegen kann Michael Hutter (2010) am Leitfaden des Begriffs des Wertwechselstroms Kunst und Kultur als Quellen des Neuen erforschen. Kleinen und großen gesellschaftlichen Veränderungen laufen die Erschütterungen der Kunst nicht nur hinterher, sondern häufig auch voraus. Um den Preis ihrer eigenen Irrelevanz kommuniziert die Kunst Wahrnehmungen, die nicht ins gesellschaftliche Muster passen. Niemand weiß, wo, wann und wie häufig das erforderlich ist. Ein riesiger gesellschaftlicher Betrieb ist aufgestellt, um nun wiederum routinemäßig Unterbrechungen der Routinen von Wahrnehmung zu produzieren, von denen einige wenige hier und da, von diesem oder jenem gebraucht werden und die von allen anderen hingenommen und mitgetragen werden, wie man auch die Emanationen der Wissenschaft und Religion, der Politik und Wirtschaft, der Erziehung und des Rechts meist hinnimmt, ohne eigene Kommunikationen und Handlungen mit ihnen zu verknüpfen. Tatsächlich sind wohl vor allem die Künstler aller Couleur jener Personalbestand, den Malinowski der Verfassung zwar unterordnet, den Normen jedoch gleich ordnet. Und der gesamte Kulturbetrieb arbeitet auf ihrer Seite, sie stutzend und zähmend und gleichsam stellvertretend für den Rest der Gesellschaft zu ihren Einfällen, Ideen, Werken und Arbeiten herausfordernd. Das ist es daher, worauf sich die Kulturpolitik, gesellschaftspolitisch legitimiert, konzentrieren kann: auf die Förderung einer Kunst im Rahmen des Schutzes eines kulturellen Erbes, die auf nichts anderes zielt als die Provokation einer Wahrnehmung, die man braucht, wenn und sobald die Normen angesichts neuer Verhältnisse nachreguliert werden müssen. Das ist so funktional gedacht und gemeint, wie es sich anhört. Es ist jedoch nicht maschinell und routi-
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niert zu erledigen, weil weder die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Auseinandersetzung mit natürlichen und psychischen Umwelten noch die Individuen in der Auseinandersetzung mit sich selbst in irgendeiner Hinsicht linearen Dynamiken gehorchen. Deswegen muss es einer Kulturpolitik im Umgang mit der Kunst letztlich, noch einmal mit Heinz Rudolf Kunze, um die Korrektur von Symbolblindheit gehen. (2008) Symbolblind sind wir, wenn wir Symbole nur beim Wort nehmen können. Symbolsehend jedoch sind wir, wenn wir die Ambivalenz jedes Symbols erkennen und in dieser Ambivalenz seine prekäre und kontingente Konstitution. Symbole, diese Einsicht verdanken wir der Kulturtheorie Jurij Lotmans mehr als irgendeiner anderen, sind inhärent ambivalent gebaut; sie behaupten immer auch ihr Gegenteil. (2010) Man probiere den Gedanken aus, indem man sich das Geld, die Macht, die Ehre, die Universität, das Wissen, Gott und Teufel jeweils als Symbol vorstellt. Deswegen können wir unsere Suche nach einer gesellschaftspolitischen Legitimation der Funktion einer Kulturpolitik hier mit dem Satz beschließen, dass die Kulturpolitik gut beraten ist, wenn sie eine Kunst fördert, die im Rahmen ziviler Aktivitäten aus Dingen, Ereignissen und Begegnungen Symbole zu machen versteht. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber es mag dazu beitragen, den Problemfokus einer Kulturpolitik zu schärfen. Wir wissen nicht, wann wir von welchen Symbolen ambivalente Fassungen ihrer selbst brauchen. Aber wir wissen, dass wir auf eine gesellschaftliche Funktion, die Symbolen bei Bedarf diese Fassung geben kann, nicht verzichten können. Auch deswegen pflegen wir, wenn es darauf ankommt, eher die Idiosynkrasie der Individuen als ihre Fähigkeit, das Loblied der Gesellschaft anzustimmen.
VII. Wir fassen unsere Überlegung zu einer funktionalen Bestimmung der Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik des Schutzes des kulturellen Erbes und der Förderung des künstlerischen Ausdrucks in einer Spencer-Brown-Gleichung wie folgt zusammen:
Kulturpolitik = Symbole Kunst Erbe Gesellschaft
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik?
Eine Spencer-Brown-Gleichung bestimmt ineinander geschachtelte Unterscheidungen, die ein Beobachter in jeweils neu gewählter Interdependenz trifft, um einen Sachverhalt zu bestimmen. In unserem Fall definiert die Gleichung Kulturpolitik als Unterscheidung von Symbolen im Kontext von Kunst und Erbe und im Hinblick auf eine Gesellschaft, die ihrerseits, das macht das Re-Entry der Unterscheidung in den Raum der Unterscheidung deutlich, ein Interesse an einer ambivalenten und oszillationsfähigen und damit heuristisch fruchtbaren Fassung dieser Symbole hat. Die Kulturpolitik definiert für ihre Zwecke der Selbstbestimmung und Profilbildung einen gesellschaftlichen Auftrag, der darin besteht, die Kunst und das kulturelle Erbe für das Erleben von Symbolen in Anspruch zu nehmen, die als Symbole ohne ihre Ambivalenz der Affirmation und Kritik des Symbolisierten nicht zu denken sind. Kulturpolitisch sind im Rahmen dieses gesellschaftlichen Verständnisses von Kunst und Kultur alle Projekte, Interventionen und Institutionen erwünscht, die daran arbeiten, Symbole herauszustellen und oszillieren zu lassen.
Literatur Aristoteles (1982): Poetik, Stuttgart: Reclam Baecker, Dirk (2001): Wozu Kultur? Berlin: Kadmos Baecker, Dirk (2007): „Zu Funktion und Form der Kunst“, in: Baecker, Dirk: Wozu Gesellschaft?, Berlin: Kadmos, S. 315-343 Baecker, Dirk (2013): Wozu Theater?, Berlin: Theater der Zeit Baecker, Dirk (2013): Beobachter unter sich. Eine Kulturtheorie, Berlin: Suhrkamp Baudelaire, Charles (2000): Du vin et du hachisch, suivi de Les Paradis artificiels, Paris: Librairie Générale Française Baumgarten, Alexander Gottlieb (1983): Theoretische Ästhetik, Hamburg: Meiner Deutscher Bundestag (2008): Kultur in Deutschland. Schlussbericht der Enquete- Kommission des Deutschen Bundestages, Regensburg: ConBrio Heidegger, Martin (1950): „Der Ursprung des Kunstwerks“, in: Heidegger, Martin: Holzwege, Frankfurt am Main: Klostermann, S. 7-68 Hutter, Michael (2010): Wertwechselstrom: Texte zu Kunst und Wirtschaft, Hamburg: Philo Fine Arts Kant, Immanuel (1968): Kritik der Urteilskraft, Frankfurt am Main: Suhrkamp (Werke Bd. X) Kunze, Heinz Rudolf (2008), in: Deutscher Bundestag: Kultur in Deutschland. Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, Regensburg: ConBrio, S. 230-237
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Quelle Baecker, Dirk (2013): Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik? In: Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. (Hg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2013, Essen: Klartext, 29-42.
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Politische Entwürfe
Methods of Social Reform and other Papers Stanley Jevons
Methods of Social Reform Amusements of the People1 The possible Methods by which we may hope to accomplish Social Reform are almost infinite in number and variety. As society becomes more complex and the forms of human activity multiply, so must multiply also the points at which careful legislation and continuous social effort are required to prevent abuse, and secure the best utilisation of resources. Nor are these Methods of Social Reform to be regarded as alternatives, one or other or a few of which are to be considered sufficient. They are to be advocated and adopted conjunctively, not dis junctively. Each and all must be brought into simultaneous play, if any considerable effect is to be produced. It is common to hear social reformers express disappointment that their efforts seem to bear such slight results. Schools have been built, penny readings started, penny banks, libraries, and various useful institutions established, and yet crime and ignorance and drunkenness show no apparent diminution — nay, sometimes they show an increase. But it is altogether a mistake to suppose that a few Methods of Social Reform, almost casually adopted according to the crotchets of the reformer, can be expected to make any serious impression upon the bad habits of a population — habits which have become confirmed during centuries of ignorance and mistaken legislation. Time must be a great element in social reform, and it is hardly to be expected that any great change can become manifest in less than the thirty years during which a 1
“Contemporary Review”, October, 1878, Vol. XXXIII., pp. 498–513.
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new generation displaces the older one. But in addition to this consideration, we must remember that it is of comparatively little good to close some flood-gates, while others are left wide open. If from ignorance or neglect, or, it may be, from sinister motives, we leave many of the more important causes of social mischief in full operation, it is quite likely that our efforts in other directions, however meritorious in themselves, will be neutralised. What is needed among social reformers is a long pull, and a strong pull, and especially a pull all together. Each individual may, according to his tastes and prejudices, choose his own strand of the rope, and exert his own force entirely upon that, if he likes; but he must not suppose that he alone can do any appreciable part of the work. He must be tolerant then of the different, or, it may sometimes appear, the inconsistent efforts of others. And it would be well that he should keep his mind open to conviction, that there are other directions in which his efforts might be much more advantageously devoted. If the citadel of poverty and ignorance and vice is to be taken at all, it must be besieged from every point of the compass — from below, from above, from within; and no kind of arm must be neglected which will tend to secure the ultimate victory of morality and culture. It is obvious, of course, that in any single article it is impossible to treat of more than one Method of Social Reform. In selecting, for the subject of the present article, Public Amusements, I must not be supposed to attribute to it any exclusive or disproportionate weight. Nevertheless, there is hardly any other Method, taken separately, to which greater importance should be attributed than to the providing of good moral public amusements, especially musical entertainments. Up to quite recent years, the English people have, in this respect, been woefully backward, as compared with the more cultured continental nations. There are still large parts of the manufacturing and more thickly populated districts of the kingdom where pure and rational recreation for the poorer classes can hardly be said to exist at all. The richer classes do not suffer much from this lack of local amusement. They take care to enjoy themselves in periodic visits to London, in tours abroad, or in residence at watering-places, where entertainments are provided. […] England is traditionally called “Merrie England”; but there has always seemed to me to be something absurdly incongruous in the name at present. It is a case of anachronism, if not of sarcasm. England may have been merry in the days when the village green and the neighbouring common were still unenclosed; when the Maypole was set up, and the village fiddler and the old English sports were really existing instituti-
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ons. But all that sort of thing is a matter of history. Popular festivals, fairs, wakes, and the like, have fallen into disuse or disrepute, and have to a great extent been suppressed by the magistrates, on the ground of the riotous and vicious assemblages which they occasioned.2 There is no difficulty in seeing that there is a tendency, in England at least, to the progressive degradation of popular amusements. Many opportunities of recreation have gone, for the same reason that May Fair, and Bartholomew Fair, and, within the last few years, Knott Mill Fair at Manchester, have gone. Horseracing, indeed, still survives as a national sport, but it cannot long be tolerated, unless it be conducted with more regard to decency and morality. Already the so-called “gatemeetings” in the neighbourhood of the metropolis are denounced as “an intolerable nuisance”, gathering together, as they do, the scum of the blackguardism and crime of London.3 But, if old amusements are by degrees to be suppressed, and no now ones originated, England must indeed be a dull England. Such it has, in fact, been for a length of time. Taking it on the average, England is as devoid of amusements as a country of such wealth can be. The people seem actually to have forgotten how to amuse themselves, so that when they do escape by an excursion train from their depressing alleys, there is no provision of music, no harmless games, nor other occupation for the vacant time. The unusual elevation of spirits which the fresh air occasions vents itself in horse-play and senseless vulgarity; and, in the absence of any counterattraction, it is not surprising that the refreshment-bar and the nearest tap-room are the chief objects of attention. I quite allow that when our English masses try to amuse themselves, they do it in such a clumsy and vulgar way as to disgust one with the very name of amusement. Witness the Bank Holidays on Hampstead Heath, where the best fun of the young men and women consists in squirting at each other with those detestable metal pipes which some base genius has invented. Then, again, what can be worse than the common run of London music-halls, where we have a nightly exhibition of all that is 2
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The fairs of London were for centuries places of popular enjoyment such as it was, but have been all long suppressed, on account of the riotous and dissolute proceedings which they occasioned. May Fair, now known only by the name of the fashionable spot where it existed, was suppressed in 1708; Bartholomew Fair, in spite of being occasionally presented by the grand jury as a nuisance, “next only to that of the playhouses”, lingered on until it died out about fifty years ago, being gradually suppressed by the Corporation, who bought up the property. Since the above was written these races have been either suppressed or regulated.
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degraded in taste? Would that these halls were really music-halls! But the sacred name of music is defiled in its application to them. It passes the art of language to describe the mixture of inane songs, of senseless burlesques, and of sensational acrobatic tricks, which make the staple of a music-hall entertainment. Under the present state of things, the most vulgar and vicious lead the taste, and the conductors of such establishments passively follow. We value ourselves much upon our imagined superiority to other nations, and in some respects we really are superior. But my self-complacent feelings of national pride are always mortified when I go abroad, and am enabled to make direct comparison between English manners and Continental manners. And when I come back I feel still more mortified. […] There is no wisdom in hiding our heads in our insular home, and pretending that we do not see the backward and uncultured character of that part of the population, at any rate, which obtrudes itself upon our notice. It is said that the term “gentleman” is a peculiarly English one, and that Continental nations have taken the name and the idea of the character from our nobility, who travel much abroad, and who often present, it must be allowed, excellent specimens of the gentleman. Fortunately our Continental neighbours do not travel in England so much as we travel abroad; and this accounts for the fact that they have not taken the name of “blackguard” from us. For I must confess that, in travels over several parts of the world, I have never met anything quite equal to the English blackguard. The American rowdy may be a more dangerous character in respect of his revolver and bowie knife, but he is, comparatively speaking, a man of refinement. Reform must begin with a true appreciation of the need of reform, and I do not think that those who will take the trouble personally to compare our popular amusements and assemblages, such as race-meetings, cheap trips, music-hall audiences, and the like, with the nearest corresponding manifestations in France, or Italy, or Denmark, or Sweden, or Germany, will think that I have used undue literary license in describing the difference. […] Now I believe that this want of culture greatly arises from the fact that the amusements of the masses, instead of being cultivated, and multiplied, and refined, have been frowned upon and condemned, and eventually suppressed, by a dominant aristocracy. Amusement has been regarded as in itself almost sinful, and at the best as a necessary evil. Accordingly, villages and towns have grown up in the more populous parts of the kingdom absolutely devoid of any provision whatever for recreation. It seems to be thought that the end of life is accomplished if
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there be bread and beef to cat, beer to drink, beds to sleep in, and chapels and churches to attend on Sundays. The idea that the mass of the people might have their refined, and yet popular amusements, is only just dawning.4 Strenuous workers no doubt the English people are; but all the more need there is in consequence that they should spend their surplus earnings wisely. As things are, they earn well, but they spend badly. The fortiter in re is theirs; but where is the suaviter in modo? Too often the least tendency towards culture is condemned. If a factory-girl or a housemaid appears in a smart bonnet and a well-made dress, our high-class moralists object at once that she is aping her betters. How can good earnings be better spent than in aping your betters? How is real civilisation to be attained if the mere necessaries of life are to be good enough for the bulk of the people? Among the means towards a higher civilisation, I unhesitatingly assert that the deliberate cultivation of public amusement is a principal one. Surely we may accept as an axiom that the average man or woman requires an average amount of recreation. At least it is not for our richer classes to say nay. The life of a young man or a young woman in aristocratic circles is one continuous round of varied amusements. Are we to allow that what is to them the perfection of existence is to have no counterpart whatever among the poor drudges of the form or factory? Is it not all the more requisite that when there are few hours in the week to spare for recreation, those hours should be sweetened in the most wholesome and agreeable way? And as, by the progress of science and invention, those vacant hours are gradually prolonged, it becomes more and more requisite that provision should be made for their harmless occupation. The old idea of keeping people moral by keeping their noses to the grindstone must be abandoned. As things are going, people will, and, what is more, they ought to have all possible means of healthy recreation. The question is, the Free Library and the News-room versus
4 The following abstract from a good legal authority of the last century puts this view of the matter in the most candid way, so as to need no comment. “Thus it appears by the common law, that a property in those living creatures, which, by reason of their swiftness or fierceness, were not naturally under the power of man, was gained by the mere caption or seizure of them, and that all men had an equal right to hunt and kill them. But, as by this toleration, persons of quality and distinction were deprived of their recreations and amusements, and idle and indigent people by their loss of time and pains in such pursuits were mightily injured, it was thought necessary to make laws for preserving game from the latter, and for the preservation of fish.” — “Bacon’s Abridgment”, Art. Game. Gwillim’s Edition.
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the Public-house; and, as my more immediate subject, the well-conducted Concert-room versus the inane and vulgar Music-hall. […] The erection of the Crystal Palace form an epoch in this subject. That palace is, I might venture to say, the most admirable institution in the country. It has been of infinite service in showing what a rich nation might do in uniting Science, and Art, and Nature, for the entertainment and civilisation of the people. It has proved, once for all, that with noble surroundings, with beautiful objects of attraction, and with abundance of good music, the largest masses of people may recreate themselves, even in the neighbourhood of London, with propriety and freedom from moral harm. […] Such institutions are, indeed, chiefly designed for the richer classes, and their great cost necessitates a somewhat high entrance-fee. They have, as yet, been undertaken only by professed pleasure towns, which can at the best be visited by the mass of the working classes by occasional excursion trains. But it is to be hoped that, as the practicability of erecting such institutions begins to be better understood, they may be gradually introduced into all towns, both great and small, gay and dull. Already it has dawned upon people that a town is incomplete without its public park, and a few wealthy men have made the noble present of a park to the borough with which they are connected. Manchester has been foremost in providing a series of parks at the cost of the ratepayer. But I hold that a public park should be considered incomplete without its winter garden and music pavilion, and naturally the music pavilion is incomplete without the music. It is well to have places where people may take the air; but it is better still to attract them every summer evening into the healthy, airy park by the strains of music. There are many modes by which recreation and culture may be brought within the reach of the multitude; but it is my present purpose to point out that the most practicable and immediately efficacious mode is the cultivation of pure music. I have no wish to disparage Theatres, Art Galleries, Museums, Public Libraries, Science Lectures, and various other social institutions, the value and true uses of which I may perhaps attempt to estimate on some other occasions; but I am certain that music is the best means of popular recreation. It fulfils all the requirements. In the first place, it involves no bodily fatigue, since it can best be enjoyed sitting down. To inspect a picture gallery or a museum is always a tiring work, neither exercise nor repose; the standing or stooping posture, the twisting of the neck, and the straining of the eyes, tend to produce, after a few hours, a state approaching nervous and muscular exhaustion. This is not the way to recreate the wearied mechanic, or the overworked clerk
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or man of business. It may be a very improving occupation of time for those who are holiday-making, and can start in the morning with a good store of superfluous energy. With musical entertainments it is altogether different. A comfortable seat, a supply of fresh air, and a quiet audience, are requisite physical conditions for the enjoyment of music, but these being secured, a good musical performance, at least for those who have any appreciation of harmony and melody, is perfect repose. There is no straining of the nerves or muscles, no effort of any kind, but mere passive abandonment of the mind to the train of ideas and emotions suggested by the strains. And there is this peculiar advantage about melody, that, per se, it is absolutely pure and remote from trivial ideas. The song and the dance may have their associations, good or evil; but the pure melody in itself is pure indeed; it is gay, or pathetic, or stately, or sublime, but in any case there is something in the thrill of a choice chord, and the progression of a perfect melody, which seems to raise the hearer above the trifling affairs of life. At times it “brings all Heaven before our eyes”. And there is this further advantage about the exhilaration and elevation of mind produced by true music in the musical, that it is, more than any other form of excitement, devoid of reaction, and of injurious effects of any kind. What some seek at the cost of health, and life, and reputation, from alcohol, and from opium, that they might obtain innocuously from music, if they could cultivate true musical taste. Of course there is some nervous waste even in the enjoyment of music, and it is greater as the attention is more excited. Tedium must usually follow an entertainment of two or three hours; but so soon as tedium approaches, the attentive attitude of mind is destroyed, and the corresponding nervous waste ceases. The music, in short, holds the mind enchained just so long as there is energy of thought to spare; in the meantime the body remains in a perfect state of repose. The theatre, no doubt, might, almost equally with the concert hall, become the means of pure and frequent relaxation, and for those not much blessed with musical susceptibility it has obvious superiority. But, as I shall perhaps attempt to show more fully on some future opportunity, the reform and purification of the drama is a far more difficult task than the promotion of musical entertainments. In the first place, the cost of theatrical performances is vastly greater than that of a simple musical concert. Not only is a specially constructed and expensive building required, with all kinds of property and machinery, but a large and costly staff of actors of all ranks, managers, scene-painters, carpenters, scene-shifters, etc., has to be constantly maintained. Moreover, a fair
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orchestra of musicians has to be provided as well, it being a curious but very well established fact that an audience must be put under the spell of music before they can thoroughly enjoy the drama. The crudeness and staginess of the play need to be subdued by the veil of melodic fancy. Thus the theatre is really music plus the drama, and any experiment in theatrical reform must involve the hazardous expenditure of great sums of money. A second difficulty is, that music is naturally more pure and removed from the concrete and sensuous ideas of ordinary life than a drama can usually be. No doubt music is prostituted in many a lascivious song, but the question might well arise whether the impurity is not wholly in the words, not in the music. In any case the difficulty of purifying an already impure theatre must be far greater than of promoting orchestral performances where, with the simplest police regulations, there would arise no question of purity at all. For these, and various secondary reasons which might be urged, I hold that musical cultivation is the safest and surest Method of popular culture; and it is greatly to the low state of musical education among the masses of English population that I attribute their helpless state when seeking recreation. […] What I have advocated for London should also be carried out proportionally in every town and village. Eventually each considerable town should have, as I have said, its park and music pavilion where the open-air concerts would take place. […] There is absolutely nothing but apathy to prevent the same thing being done in every considerable village in the country. A small subscription to buy the instruments, to construct a small orchestra, and to pay the incidental expenses, and a zealous volunteer bandmaster to get together the musical amateurs of the neighbourhood, and to give them a little training, is all that is needed. In many places the local volunteer corps already has an organised band, and it will not require much pressure to induce them to air their uniforms and display their skill. […] The people will have amusement and excitement of one kind or other, and the only question is, whether the business of recreation shall fall entirely into the hands of publicans, or whether local movements of no serious difficulty will not provide suitable counter-attractions. It is a great question again whether the English church might not take a great part in affording, not amusement, but the occupation of thought, and the elevation of feeling which attaches to the performance of sacred music. Already it is common to give occasional performances of appropriate music at Christmas, or Easter, or during Lent. […] But in
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any case I find it difficult to imagine how the House of God can be desecrated by pure and sacred music, the deepest products of feeling of the mind. The cathedral churches of England have long been in a way the national schools of music, but I trust that they will do more and more in this way for the future. And I do not see why every considerable parish in the kingdom should not have its musical society, for the cultivation of high class and principally sacred music. […] The mass of the people should be admitted at a charge of a penny or two pence, and a certain number of seats might be reserved at sixpence or a shilling each. Good tea, coffee, cocoa, with light refreshments, and all kinds of nonintoxicating drinks, should be provided at the back of the hall, if there were room, or, if not, in the adjoining buildings. The music should consist of the better class of dance music, old English melodies, popular classical songs; but there should be a careful intermixture of the higher order of music. My own observations lead to the conclusion that there is hardly any audience which will not be touched by a really beautiful melody, such, for instance, as that of Bach’s Prelude as arranged by Gounod. It is only the great musical structures such as the Symphonies, with their elaborate introductions and complicated developments, which demand long musical training for their appreciation. […] The question arises whether any measures could be suggested for raising the tone of the numerous existing music-halls, which must long have a hold on a large part of the population. I will presently refer to one legislative and polico measure, which is as indispensable as it; is practicable. But, apart from this, it is difficult to see what direct means there are of influencing private competing owners. The magistrates can hardly exact a certain portion of Beethoven or Schumann as a condition of the license. It is the audience which must demand better entertainment, if the common run of music-halls are to be made to supply it. But it is to be earnestly hoped that the great public places of recreation, the Crystal and Alexandra Palaces and he Westminster Aquarium, well always carefully maintain the high tone and the perfect espectability by which alone they can fulfil their raison d’être. […] Our hopes of elevating public taste would be sadly dashed to the ground, were vulgarism to invade our highest places of entertainment. Nor do I believe that there would be any gain in the end. Long may the time be distant; but if once such a place be deserted by the middle and upper classes and set down as vulgar, the course of its decline can be foreseen. Whatever our great caterers do, they must make a point of mingling all classes together, and retaining a reputation as places of fashionable resort.
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[…] I wish that those who manage our English pleasure-places could be induced to take a trip to Copenhagen, and learn how much better they manage things there. The Tivoli pleasuregardens there form the best possible model of popular recreation. Englishmen think of Denmark only as a very little nation, which they patronised, and advised, and lectured, and then coolly deserted in the hour of need. But though small in quantity, Denmark shames us in quality. We are not surprised when a Frenchman surpasses us in politeness, and a German in profundity, and an American in ingenuity and affability; but it is truly mortifying to an English traveller in Scandinavia to discover that those who are as nearly as possible of our own flesh and blood fur surpass us as regards the good-breeding and the general culture of the mass of the people. In Norway this might be attributed to the effects of peasant proprietorship, or to the retired country life of the peasants; but when we get to a large port like Copenhagen, placed under no favourable circumstances, and still find that the poorer classes are, comparatively speaking, ladies and gentlemen, one begins to realise the fact that there must be some methods of social reform which are unknown to our legislators. […] Much of the delight which English families, and especially English ladies, find in residence abroad, arises from the freedom of public intercourse which rational police regulations allow. Why should we continue the perverse and legislatively insane practice of allowing our most public places to be turned into the markets of vice? Why do we tolerate a state of things under which a young man cannot seek an hour’s recreation without meeting an evil magnet at every turn? With ever-vigilant ingenuity the demi-monde finds out each new opportunity, and, one after another, places of innocent recreation lose their repute, and pursue a course of gradual degradation ending in suppression. But this is not the place to pursue the subject, and I will only insist that it is impossible to estimate the insidious injury thus occasioned to the morals and culture of the people. There are none so blind as they who will not see, and this is the kind of blindness which prevents us from seeing that the vulgarity of the cheap trip, the inanity of the music-hall, and the general low tone of popular manners, are no necessary characteristics of hard hands and short purses, but are due to the way in which for so long a time popular education and popular recreation have been discountenanced. Of course the question of recreation is subordinate to that of education; now as — thanks especially to the sense and integrity, and firmness, and high statesmanship of Mr. Forster — the education question was put in a fair way of solu-
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tion at the critical moment when it became possible, then I say that there are few subordinate methods of Social Reform which need more careful study and regulation than that of Public Amusements.5
Appendix […] There are as nearly as possible four things which it is usual to teach children — reading, gymnastic exercises, and music, to which (in the fourth place) some add painting. As to music some persons may entertain a doubt, since most persons now use it for the sake of pleasure. But though both labour and rest are necessary, yet the latter is preferable, and by all means we ought to learn what to do when at rest. Play is more necessary for those who labour than for those who are idle; for he who labours requires relaxation, and this play will supply. For this reason the ancients made music a part of education. They thought it a proper employment for freemen, and to them they allotted it; as Homer sings: “How right to call Thalia to the feast!” and, addressing some others, he says: “The band was called, to ravish every ear;” and, in another place, he makes Ulysses say, that the happiest part of man’s life is When at the festal board in order placed, They listen to the song. It is no easy matter distinctly to point out what power it has, nor on what accounts one should apply it, whether as an amusement and refreshment, like sleep or wine. Or shall we rather suppose that music has a tendency to produce virtue, having a power, as the gymnastic exercises have, to form the body in a certain way, and to influence the manners, so as to accustom its professors to rejoice rightly? And we all agree that music is one of the most pleasing things, whether alone or accompanied with a voice, as Museos says: Music, man’s sweetest joy, for which reason it is justly admitted into every company and every happy life. From this anyone may suppose that it is fitting to instruct
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Since writing the above I have learnt a good deal both about; popular entertainments which were previously in existence, and many attempts which have since been made.
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young persons in it. For all those pleasures which are harmless are not only conducive to the final end of life, bat serve also as relaxations.
Source Jevons, Stanley (1883): Methods of Social Reform and other Papers, London: Macmillan and Co., 1–27.
Kulturpolitik Ein Bekenntnis und Programm zum Wiederaufbau deutscher Lebensform Fritz H. Ehmcke
Tatbestand Schauen wir vorerst einmal an, was wir vor uns haben: eine erschütternd große Anzahl unserer schönen alten Städte, die gerade in ihrem historisch gewachsenen Stadtkern fast ganz oder völlig zerstört sind, während von der ringartig darum im letzten Jahrhundert entstandenen Vorstadt ein in seinem kulturellen Wert höchst fragwürdiger Teil erhalten geblieben, mitunter auch noch stark beschädigt ist und außerdem in seiner Gesamtgliederung durch einförmige charakterlose Straßenzüge die Trostlosigkeit einer schematisierten Geländeaufteilung bezeugt. Und für den Wiederaufbau dieser zerstörten Welt ist eine Menschheit vorhanden, die ein ähnlich trostloses Bild darbietet: eine durch die ruchlosen Maßnahmen einer verantwortungslosen Regierung stark dezimierte Führerschicht, soweit sie überhaupt noch vorhanden, vielfach auf falschem Platz oder an der Auswirkung durch neuen Zwang gehemmt, eine Jugend, die sechs Kriegsjahre hindurch, soweit sie vorher schon eingezogen war, acht Dienstjahre lang an der Erlernung eines Berufes verhindert war, dazwischen die Schar der Menschen mittleren Alters, die, ebenfalls zum großen Teil aus ihrer Bahn geworfen, die besten Jahre im Frontdienst oder anderweitigem Kriegseinsatz verloren haben. Zwischen den zertrümmerten Städten sind die Verbindungswege und -mittel, auf welche viele von ihren alten Wohnstätten Vertriebene angewiesen sind, falls sie für die genannten Aufgaben herangezogen werden sollen, ebenfalls zerstört oder doch beschädigt und nur unvoll-
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kommen wiederhergestellt. Sie sind auch noch nicht ausreichend, um die für alle und jede Tätigkeit benötigten Materialien schnell und in vollem Umfange zur Stelle zu schaffen. Es werden also zwei große einander sich ergänzende Aufgabenkomplexe im Vordergrund stehen: der Wiederaufbau der Stadtmittelpunkte mit ihren Verbindungswegen und den dazu benötigten Industrien, sowie die kulturelle Erziehung des Nachwuchses zu der Fähigkeit, die sich ihm darbietenden Aufgaben zu bewältigen. Dabei können wir hier die rein wirtschaftlich-technischen Fragen der Wohnungs- und Verpflegungsbeschaffung, der Materialbereitstellung und ähnliches unberücksichtigt lassen. Wir wissen, daß solche reinen Organisationsfragen ganz sicher von so und so viel vortrefflichen, robust „einsatzbereiten“ Kräften spielend gelöst zu werden pflegten. Wir kennen diese Kräfte zur Genüge und haben in der öden Verfassung, die unsere Umgebung dank der Rührigkeit dieser Unentwegten in den Zeiten wirtschaftlichen Aufstiegs erhalten hat, das beste Beispiel dafür, wie es um nichts in der Welt wieder gemacht werden darf. Es muß darum erste Forderung sein, daß jene für die praktische Durchführung benötigten Organisatoren unter die strenge Kontrolle einer übergeordneten, mit starken Vollmachten versehenen Oberaufsicht gestellt werden, worin wahrhaft kulturell Gebildete mit entscheidender Stimme vertreten sein sollten. Es ist keine Frage: die unersetzlichen Denkmäler, die zeitlich gewor denen Aufeinanderfolgen kulturgeschichtlich repräsentativer Bauten sind uns zum größten und besten Teil für immer verloren. Aber wenn wir die uns heute gegebene Chance, verstodte Bausünden wieder gut zu machen, ein im Ganzen und Einheitlichen schöneres Deutschland aufzubauen, als es das nach 1870 gewordene war, nicht aus dem Wind schlagen wollen, so müssen wir auch allen Kräften und mit allen Mitteln darauf bestehen, daß die vor uns liegenden Aufgaben nicht schematisch erledigt werden dürfen, sondern daß sie bis in ihre kleinsten Einzelheiten seelisch durchdrungen, liebevoll gestaltet, aus vortrefflichem Material für die Dauer hergestellt werden, und daß man die menschlichen Kräfte, die leitend und geführt daran mitwirken sollen, auf das sorgfältigste durch Auslese feststellt und planmäßig für die Aufgaben, nach Fächern gegliedert, ausbildet.
Kulturpolitik. Ein Bekenntnis und Programm zum Wiederaufbau deutscher Lebensform
Prüfung des Erziehungswesens Darum gehört als dritte zu den vordringlichsten und wichtigsten Aufgaben die Erziehungsfrage, hier natürlich auf das spezielle Gebiet der Erziehung zu Kunst und Kultur beschränkt. Von der Voraussetzung einer Einwirkung auf die kindliche Empfänglichkeit im Schoße der Familie muß abgesehen werden, da die Einzelumstände sehr verschieden und selbst bei angeborener Begabung in den meisten Verhältnissen ihrer Entwicklung nicht günstig sein dürften. Um so mehr wäre alles öffentliche Schulwesen auf seine Tauglichkeit hin zu überprüfen. Und hier ist es wieder das Gebiet des Kunstunterrichts, das und angeht, der Tätigkeitsbereich des „Zeichenlehrers“. Kulturelle Erziehungspläne sind schon seit langem erwogen worden und haben ihren Niederschlag in der Literatur gefunden. „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ und Stifters „Nachsommer“ weisen ganze Kapitel darüber auf. Die feinsten der Geister spürten schon bei Beginn des vorigen Jahrhunderts das Schwinden er schöpferischen Kraft und suchten nach einer Abhilfe des Übels. Mit Fröbel kam der Gedanke der Handfertigkeitsbeschäftigung in den Kindergärten als neues Moment in das Erziehungssystem. Dieser Gedanke ist neuerdings in den Landheimen weiter verfolgt und in vorbildlicher Weise in der Musteranstalt des Schondorfer Landerziehungsheims weitest ausgebildet worden, wo Werkstätten der verschiedensten Art für Schreiner, Schlosserei, Töpferei, Weberei, Buchbinderei den Schülern die Möglichkeit geben, es in einem der genannten Handwerke bei Meistern ihres Faches zu einer gewissen Fertigkeit zu bringen. So glaubte man sich fast, wenn man die Pforte dieses Heims durchschritt, in Goethes pädagogische Provinz versetzt. Doch von diesen Ausnahmeerfahrungen ist es noch ein weiter Schritt zur allgemeinen Übung, bei der aber angesetzt werden muß, wenn eine durchgreifende Reform erzielt werden soll. Das allmähliche Nachlassen der Gestaltungskraft ist nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt zu beobachten, es hat sich zugleich mit der um sich greifenden Mechanisierung aller Lebensformen eingestellt. Anfänglich wurden die alten westlichen Kulturbetriebe, voran England davon betroffen, dann die romanischen Länder, Deutschland, Rußland, schließlich auch der Orient und ferne Osten. Man hat für diese Abschwächung von Formwillen und Formvermögen, für dieses Erkalten des schöpferisch-bildnerischen Gefühls allerhand Deutungen gesucht und zuletzt das Phänomen erklärt durch die Veränderung der gesamten
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Bewußtseinslage der Menschheit. Eine vorwiegend wissenschaftliche Einstellung zu den Erscheinungen des Daseins hat dazu geführt, daß überall der intuitiv künstlerisch gestaltende Mensch ins Hintertreffen geriet gegenüber dem Ingenieur, der seine Schöpfung auf dem Papier errechnete und sie, unbekümmert um ihre Wirkung, als Fremdkörper, als Geistesprodukt in die organisch gewachsene Umgebung stellte. Und diese wissenschaftliche, diese Ingenieurgesinnung hat mit der Zeit fast das ganze Sinnen und Trachten der Menschheit ergriffen und ein Geschlecht gezeigt, das für die harmonisch beseelte Schönheit der alten Welt bald keine Organe mehr besitzt. Der allein Leidtragende, der künstlerische Mensch, abgestoßen durch Roheit und Öde der neuen Bildungen, zog sich anfänglich auf sich selbst und in vom neuen Weltgeist noch unberührt gebliebene Zonen zurück, sah sich aber bald wieder aufgestört und von einer Zuflucht in die andere gejagt. Jedoch die höchste Not erwies sich auch hier als Lehrmeisterin und hieß gebieterisch, ihn sich ermannen; er strebte nach einem befreienden Ausweg und fand ihn in der Besinnung auf die eigene Kraft. Nicht mehr allein gefühlsmäßig, nur geleitet vom Unterbewußtsein wie ehemals sucht sein jetzt wieder erwachender Gestaltungsdrang sich zu betätigen, er strebt vielmehr bewußt danach, sich das Rüstzeug der Wissenschaft zu eigen zu machen, um sie mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen, die mechanischen Gebilde Punkt für Punkt auszulösen und umzuformen, um so das entweihte Antlitz der Welt wiederherzustellen. Das ist der Kampf, in dem wir leben, in dem das Ringen mit den mechanisierenden Tendenzen augenblicklich die Schaubühne beherrscht. Es ist vorerst nur gelungen, einzelne und bescheidene Erfolge zu erzielen gegenüber der schier unbezwinglich erscheinenden Riesenmacht des nur Technischen, worüber die Leugner einer harmonischen Kultur die Achseln zucken. Gewohnt in Waffen und Riesenziffern zu denken, verkennen sie die expansive Kraft, die einer richtigen Idee innewohnt. Bei jedem Kampf um eine Erneuerung ist es wesentlich, die Jugend für sich zu gewinnen, so stehen denn mit Recht im Vordergrund unseres Interesses die angestrebten Reformen für die künstlerische Erziehung des Nachwuchses. [...]
Quelle Ehmcke, Fritz H. (1947): Kulturpolitik. Ein Bekenntnis und Programm zum Wiederaufbau deutscher Lebensform, Frankfurt am Main: Georg Kurt Schauer, 9-10, 41-45.
Die Wiedergewinnung des Ästhetischen Perspektiven und Modelle einer neuen Soziokultur Hermann Glaser & Karl Heinz Stahl
Kulturelle Begründungssätze Für ein in das Gesamtsystem „Gesellschaft“ eingefügtes Subsystem „Kultur“ können – in Rückbezug auf die vorangegangenen Überlegungen – folgende Grundsätze aufgestellt werden: 1. Die Selbstbestimmung des Individuums durch Mitbestimmung in und an der Gemeinschaft ist in den Spielräumen der Kultur einzuüben. Die Konditionierung im Spielraum bereitet für den Ernstfall vor. Kulturpolitik vermittelt in diesem Sinne Partizipationstraining. 2. Der politischen Manipulation, die – gefördert durch die allgemeine Informationsverschmutzung – mit raffinierten sozio- und psychotechnischen Mitteln arbeitet, muß durch Gestalt- und Strukturwahrnehmung entgegengetreten werden. Kulturökologie ist der Versuch, das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt, im besonderen zur Meta-Umwelt der Informationen, mit Hilfe ästhetischen Lernens so zu gestalten, daß Einsichten in Zusammenhänge wieder bzw. wieder mehr als bisher möglich werden. Angesichts des uninformierten und kritikunfähigen Bürgers versucht Kulturpolitik, die Voraussetzungen für eine verbesserte Lernsituation und Lernmotivation zu schaffen. Dazu ist im besonderen Maße das kreative Lernen in seiner Eigenständigkeit, aber auch als Kompensation für kognitive Defizite geeignet. 3. Massenaufklärende Erziehung zur Politik bedarf der Information, Kommunikation und Aktion. Die Bedingungen hierfür sind im Rahmen kultureller Topographie bereitzustellen: Die Orte des Informationszugriffs, des Kommunikationsprozesses und eingreifenden Handelns sind möglichst ubiquitär anzulegen – wenn nicht „allerorten“, so doch
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„vielerorten“. Kultur hat zwar einerseits die Aufgabe, in der Vermittlung von Tradition (von kulturellen Wert- und Symbolmustern) Notorietät (Offenkundigkeit) zu schaffen – in Form gemeinsamer Bezugssysteme der Verständigung für alle, etwas durch die Einheit des Stils und damit der Gestaltwahrnehmung sowie durch Umweltgestaltung. Andererseits muß das Subsystem Kultur für Aleatorik sorgen, da ohne die immer wieder vorzunehmende Auflösung von Notorietät die Verständigungsformen zu Verständigungsmechanismen werden, die kulturellen Wert und Symbolmuster zu Stereotypen erstarren, Kultur ihre innovatorische Wirkung verliert. Das Wechselspiel von Notorietät und Aleatorik ist Produkt und Essenz dialektischer Kultur: Notorietät wird durch Aleatorik im Hegelschen Sinne aufgehoben (also sowohl bewahrt als auch überwunden); Aleatorik verfestigt sich zu Notorietät; Notorietät wird wieder aleatorisch „verflüssigt“ ... 4. Im Rahmen des Gesamtsystems Gesellschaft übernimmt das Subsystem Kultur (in Ergänzung zum Subsystem Politik) Steuerungsaufgabe, die zwar nicht direkt das Handeln lenkt, wohl aber die psychogeistige Motorik fürs Handeln einbringt. Innerhalb des Subsystems Kultur werden die Fähigkeiten zum „Durchspielen“, zum Umdenken, Weiterdenken, Neudenken, Andersdenken entwickelt; es stellt im idealtypischen Sinne einen Verbund von „Zukunftswerkstätten“ dar, in denen experimentell der futurische Vorgriff gewagt wird. 5. Das gesellschaftliche Gesamtsystem als „Reduktion von Komplexität“ wird durch die Leistung der Subsysteme, nämlich den Reduktionsprozeß vornehmen zu können, ermöglicht. Dazu bedarf es der komplexen Ausstattung der Subsysteme, da die Reduktion von Komplexität eben nur durch Komplexität zu erreichen ist. Kultur hat dementsprechend die Aufgabe, das Subsystem Politik auf ein Höchstmaß von Sensibilität zu bringen – in die Poren des politischen Systems ständig kulturelle Innovationen einfließen zu lassen, damit es komplex genug wird, die Reduktionsleistung von Komplexität erbringen zu können. Im besonderen Maße gibt Kultur dem Subsystem Politik Sinn, indem es die Prämissen für Informationsaufnahme und bewußte Erlebnisverarbeitung, wie überhaupt Ordnungsform für menschliches Erleben vermittelt. – Variabilität ist die Bedingung für die Stabilität der Industriegesellschaft, da in Form von Antizipation immer ein Stück Zukunft voraus aufgeklärt werden muß, um den Menschen von der Angst vor dem Morgen zu entlasten. Kulturpolitik hat diese Variabilität strukturell zu gewährleisten.
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6. Kultur fordert kritische Öffentlichkeit in Form ästhetischer Öffentlichkeit; rationale Kommunikation (als Diskurs) über individuelle und kollektive Interessen kann nur auf sublimierter Ebene erfolgen. Kultur bestimmt nicht die Inhalte des Diskurses, fördert aber die Diskursfähigkeit, indem sie diese durch die Einübung von Kulturtechniken (etwa dem Erleben und Verarbeiten neuer Seh-und Hör-, überhaupt neuer Denk- und Empfindungsweisen) habitualisiert. Vor allem ist dabei an die Notwendigkeit der Offenhaltung zweiwegiger Kommunikation zu denken, was ständiger kultureller Anstrengung gegenüber dem zur Einwegkommunikation neigenden Subsystem Politik bedarf. Die kontinuierliche Bereitschaft für Rede und Gegenrede ist „schwierige Arbeit“, die ohne kulturelle Motivation (ohne die Internalisierung des diskursiven Wertsystems) mißlingt. Der Erschlaffung durch pseudoaufklärende Trivialmythen (die im Bild auf eindimensionale Weise etwas überschaubar und einsehbar machen wollen, was in Wirklichkeit komplex und kompliziert ist, indem sie Verpackung zum eigentlichen Inhalt stilisieren) ist mit Hilfe des kulturellen Impetus entgegenzuwirken. Da nun einmal die warenästhetische Idyllik des Konsumbereichs die Sphäre des Politischen usurpiert, sozialpsychologisch gesehen das aufgeklärte Mentalitätsmuster überlagert, ist es die Aufgabe von Kultur, Ästhetik als kritisches Movens zu rehabilitieren, um auf diese Weise die „neue Gleichgültigkeit“ überwinden zu helfen. 7. Der Flucht in die Privatsphäre, womit der Unpolitische den Entscheidungsprozessen sich zu entziehen sucht, darf nicht dadurch Vorschub geleistet werden, daß zur Kompensation solcher Flucht Kultur als affirmative Kultur „angeboten“ wird. Vielmehr kann durch die Verflechtung von Kultur mit dem Gesellschaftlichen (als Soziokultur) die Fluchtbewegung auf die kritische Selbstreflexion zurückgebogen und dadurch abgebremst oder gestoppt werden. 8. Kritische Öffentlichkeit – auf der Basis von Bildung und des Austausches rational begründeter Meinungen, geprägt durch diskutante Kommunikation, mit dem erkenntnisleitenden Interesse der Emanzipation – bleibt utopische Hoffnung, solange nicht ein Niveau der Sublimierung erreicht ist, daß Verdinglichung rückgängig und Auseinandersetzung aus dem Bereich der Stofflichkeit in den Bereich der Begriffe zu erheben vermag. In diesem Sinne ist Kultur – in ihrer Eigendialektik – selbst diskursiv, ein unentbehrliches Lernfeld für die Entfaltung diskursiver Fähigkeit. 9. Die ästhetische Sensibilisierung soll dazu führen, daß die eigene Wahrnehmungsfähigkeit kritisch reflektiert und damit die Bedingt-
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heiten der eigenen Lage aufgebrochen, sowohl die individuelle wie die gruppenspezifische Befindlichkeit überwunden wird. Kulturelle Bewußt heit dreht somit die Unter-Überbau-Beziehung um: das Bewußtsein wirkt auf das Sein verändernd ein. Gleichermaßen bedarf das „Aushalten“ der sowohl kognitiven wie emotiven Dissonanz der kulturellen Bewußtheit, die nicht zuletzt aufgrund ihrer historischen Dimension (der durch Kunst vermittelten und bewahrten Erfahrung) Widersprüchlichkeit als existentiellen Tatbestand begreifbar und akzeptierbar macht. Kulturelle Bewußtheit führt zu jener Ich-Stärke, welche die „Entzerrung“ der Kommunikation, ihre Befreiung von der Manipulation ermöglicht. Der homo politicus ist insofern homo ludens, da er die für das Handeln notwendige Rollenvielfalt, einschließlich des Rollenverständnisses und Rollenwechsels, internalisiert zur Verfügung hat. 10. Kultur stellt den Kommunikationszusammenhang zwischen dem Bereich informeller nicht-öffentlicher Meinung und dem der öffentlichen Meinung dadurch her, daß sie kritische Publizität ermöglicht – was freilich nur dann möglich ist, wenn das „Publikum“ nicht im kulinarischen Genuß erschlafft, sondern, geistig-seelisch engagiert, „dabei“ ist. Die Massenmedien sind im besonderen Umschlagplatz solcher Publizität, wobei die Möglichkeiten von Rückkoppelung voll auszuschöpfen wären. 11. Die als Massenkultur zu verwirklichende geistig-seelische Verfeinerung kulminiert in dem Mentalitätsmuster der Urbanität, das vielseitige Informiertheit, umfassendes Interesse, die Korrelation von Privatheit und Öffentlichkeit sowie ein ausgeprägtes demokratisches Wertbewußtsein umfaßt. Der demokratische Charakter, totalitärem Denken und Verhalten entgegengesetzt, ist vorwiegend nicht als Entelechie von Persönlichkeit zu begreifen, sondern vielmehr als Ergebnis eines soziokulturellen Bildungsprozesses, der allgemein zugänglich sein und damit kollektive Identität ermöglichen muß. 12. Damit Kultur als Subsystem die demokratische Entwicklung voranzutreiben vermag, muß sie ihrerseits demokratisiert sein und dem Gesamtsystem so eingefügt werden (Kulturpolitik als Teil von Sozialpolitik!), daß eine wirksame Einwirkung möglich ist. Im Mittelpunkt soziokultureller Bildungsarbeit hat die Erziehung zur Politik zu stehen, zur Fähigkeit, Umwelt reflektierend wahrnehmen und agierend gestalten zu können. Um der Vernunft zum Sieg zu verhelfen und Frustration und Frustrationsaggressivität als Gegenpol von Aufgeklärtheit zu vermeiden, muß die Lebenswelt so eingerichtet werden, daß sie im Sinne von Ernst Bloch „Heimat“ darstellt. Damit diejenigen, die dem System mit all sei-
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nen Zwängen auf Gedeih und Verderb sich überantwortet haben, nicht das stiften, was dann bleibt (Flucht in die Anonymität, Resignation vor Fremdbestimmung, Entfremdung), sondern die drohenden Gefahren zumindest kupiert werden, ist Kulturpolitik heute aufgerufen, kollektive Identität wenn nicht zu bewirken, so doch anzubahnen. Der Wiederherstellung der Politik muß die Wiederherstellung des Ästhetischen zur Seite treten, damit die weitgehend vernachlässigten oder zerstörten Voraussetzungen für menschliches Zusammenleben rekreiert werden. Das Behagen in der Gesellschaft basiert auf dem Behagen in der Kultur (und umgekehrt); kulturelle Sublimierung ist die große politische Chance; ist es doch die Schicksalsfrage der Menschenart, „ob und in welchem Maße es ihrer Kulturentwicklung gelingen wird, der Störung des Zusammenlebens durch den menschlichen Aggressions- und Selbstvernichtungstrieb Herr zu werden“ (S. Freud).1 Kultur soll die Augen öffnen, die Welt so zu erleben, wie sie ist, und zugleich die Welt gestalten helfen, wie sie sein sollte. Dies heißt, daß der wirkliche Mensch zum möglichen Menschen transzendiert, oder aber – reflexiv gesehen – der Mensch an sich selbst erinnert wird.
Kulturpolitische Postulate 1. Ohne Leistung kann sich der Prozeß der Enkulturation nicht vollziehen; doch führen Leistungsdruck wie Triebverzicht zu einem „Unbehagen in der Kultur“, das es durch Spiel nicht nur auszugleichen, sondern – im Hegelschen Sinne – aufzuheben gilt. Die Aushebung, die den Rigorismus des Müssens in die libidinöse Moral des Wollens verwandelt, die den Menschen befähigt, die Macht der Natur und der gesellschaftlichen Ordnungsformen nicht zu erleiden, sondern im ästhetisch-moralischen Zustand zu beherrschen, waltet im „ästhetischen Staat“, der den Eintritt in eine Welt der Freiheit bedeutet, die sich, aller Entfremdung ledig, in Schönheit der Welt der Ideen öffnet, ohne daß deshalb die sinnliche Welt verlassen werden müßte. 2. Die Begriffsreihe Spiel – Kultur – ästhetischer Staat signalisiert die Identität des Menschen mit einer sinnvollen Ordnung, in der die Vereinzelung zugunsten humaner Sozialisation überwunden wird, ohne daß deshalb die Kollektivierung von Individualität gefordert wird. Indem sich die Gesellschaft als Spielraum konstituiert, wird sie einerseits zum Feld dynamischer spielerischer Abläufe, zum anderen bleibt 1 P.L. Berger: Einladung zur Soziologie, a. a. O., S. 26.
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sie eingebunden in einen spielregelbestimmten diskursiven und reflexiven Kommunikationsprozeß, der als kontinuierlicher Lernprozeß ablaufen muß. Das derart vergesellschaftlichte Dasein ist einem, wie Brecht es nannte, „Lehrstück“ vergleichbar: es lehrt Humanität dadurch, daß es „gespielt“ wird, nicht dadurch, daß man es verkonsumiert. Ästhetische Erziehung versteht sich hierin als sinnhafte Aneignung von Welt, als politisch-operative Sinn-Erweiterung, die rückverbunden ist in die umfassende Kontinuität historischen Geschehen, in die vollkommene Identität des Menschen mit seiner Idee von sich selbst. Die äußere Relation ästhetisch erziehlicher Erfahrung verdichtet sich damit zur inneren Beziehung sinngebender Faktoren des Humanen im Menschen. So vollzieht sich ästhetische Erziehung als politische Aufklärung. 3. „Heimat“ als Bewußtsein kollektiver Identität lokalisiert sich als Spielraum – als Topos für Vielfalt im Überschaubaren, als vergängliche Vielsamkeit, als Zuwachs für Wahrnehmung, für lustbetontes Lernen wie für politagogisches Bilden, für Bildung also allgemein. „Heimat“ heißt Urbanität. „Hoffnung“ erweist sich als „Spieltrieb“, der in der Erprobung der Gedanken der Vergangenheit die Zukunft dadurch voraufklärt, daß er in immer neuen Variationen das Mögliche durchspielt und das scheinbar Unmögliche vorzeigt; dabei fungiert der Künstler in der Rolle, die Schiller ihm zudachte, als einer, welcher der Idee des Humanen qua Möglichkeit Kunstgestalt verleiht. 4. Kunst wie Kultur überhaupt heben als Emanzipationsfaktoren, die sie sind – als Loslösung von Wirklichkeit, die selbst den Realismus noch als Transsubstantiationsprozeß durchdringt –, Ideologie in Wahrheit auf, wobei Wahrheit ex negativo, als das Nichtvorhandensein falschen Bewußtseins, Aufklärung einschließt: als Weg und Ziel zugleich. Der ästhetische Staat ist somit „unterwegs“; er setzt sich nicht absolut; er legt nur fest, was das Fortschreiten ermöglicht. Kultur garantiert die Möglichkeit eigenschöpferischen Entbundenseins von herkömmlicher fremdbestimmter Funktionalisierung, sie bewirkt aleatorisch die Entbindung des Ich vom gesellschaftlichen Produktionsprozeß, der dadurch nicht negiert, aber relativiert wird – im Bewußtsein des einzelnen wie dem der Gesamtheit. Kultur muß den materiellen Zwang der Naturgesetze wie den geistigen Zwang der Sittengesetze in einem höheren Begriff von Notwendigkeit aufgehen lassen, der als „wahre Freiheit“ sich dadurch verifiziert, daß er humane Existenz als „wahres Sein“ ermöglicht – „ein utopisches Fenster, worin eine Landschaft liegt, die sich erst bildet“ (E. Bloch).
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5. Kultur als Idealität reduziert das Wirkliche auf das Augenblickliche, macht es „klein“ und „leicht“ – eröffnet, in der Diminuierung von Wirklichkeit, die Möglichkeit realer Utopie. Kultur als solche durchsetzt Wirklichkeit mit deren Faktizitäten permanent mit Momenten zwangloser Nichtnotwendigkeit, indem sie das „Reich der Notwendigkeit“ als lediglich aktuell verwirklichten Konjunktiv begreift; sie erschließt damit das Potential des AndersSein-Könnens, das als „Spielmöglichkeit“ seinen Ernst erhält. Kultur transzendiert stets das Wirkliche, ist systemverändernd per se – soweit sie Kultur, nicht die Fetischisierung von Kultur ist –, ohne die Notwendigkeit des „Systems“ in temporärer Ausprägung zu leugnen. „Schönheit“ wird somit identisch mit der Nutzung des Emanzipationspotentials; sie ist Vor-Schein humaner Nichtung allen Entfremdetseins als seinsmächtiger Möglichkeit. Deshalb soll der Mensch mit der Schönheit nur spielen, und er soll nur mit der Schönheit spielen. Die Widersprüche geltender Realität werden im ästhetischen Schein als realutopische Projektion andersmöglicher Realität als scheinbare aufgehoben. Der „ästhetische Staat“ ist nicht ein Staat der Wirklichkeitsflucht, sondern der Wirklichkeitssuche. Das „Interesse am Schein“ bleibt Konstituens jeglicher Kultur, da es den Menschen als sich und seine Lebenswirklichkeit übergreifend verwesentlicht. Ohne die Idealität ästhetischen Scheins, ohne das „fröhliche Reich des Spiels“ – das sogenannte „heilige Reich der Gesetze“ ständig transzendierend –, wird die Realisation dessen, was sein sollte, nicht möglich sein. Der „ästhetische Staat“ ist Tagtraum, Heuristik für Fortschritt. 6. Kultur bedeutet für den demokratischen Staat geistigen Mehrwert, den die materiellen Produktionsbedingungen nicht von selbst hervorbringen, der ihnen vielmehr „abgerungen“ werden muß. Die „öffentliche Finanzierung von Kultur“ ermöglicht es, vom Überbau her auf die Basis einzuwirken, in der realutopischen Projektion das Bewußtsein das Sein gestalten zu lassen – die Verkrustung des marxistischen Dogmatismus durch den Marxschen Ansatz selbst überwindend, wonach erst die der Realität rückverbundene Idealität (etwa in Form des demokratischen Sozialismus) daseinswirksam eingeholt, praktisch möglich wird. 7. Der „ästhetische Staat“ macht fortgeschrittenes Bewußtsein seiner selbst mächtig, indem er diesem die Möglichkeit, sich zu verwirklichen, gibt; er dementiert nicht die Utopie, sondern gibt ihr die Möglichkeit, „vor-zu-scheinen“, das Mögliche für das Wirkliche wirksam werden zu lassen. Die Freiheit, Vergangenes zu schätzen, macht die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit als Vollziehung van aktueller Zukunft
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möglich; Utopie wird damit real, sich zugleich wieder durch Utopie relativierend. Der „ästhetische Staat“ ist Gesellschaft im Progreß. 8. Damit die realutopische Projektion vom Traum des Wahren zu dessen Bewußtsein gelangt, muß sie ihren Weg über das Sein nehmen: muß es gelingen, Freiheit in der Vermittlung mit Notwendigkeit und von dieser zu organisieren: durch Transformation instrumenteller Lebenstätigkeit in der Arbeit, und nicht nur jenseits derselben. Kultur wird damit nicht mehr zum Gegenpol von Notwendigkeit, sondern – und dies kennzeichnet sie letztlich als Soziokultur – zum systemverbessernden Teil dieser Notwendigkeit selbst. Der „ästhetische Staat“ macht gesellschaftliche Moral „libidinös“ – sie durch Gratifikation, nicht durch Sanktion befördernd; durch repressionsfreie Sublimierung vermittelt er Behagen in der Kultur. Hierbei wird die soziokulturelle Organisationsstruktur der Gesellschaft: einem Veränderungsprozeß unterworfen, in dem die Bedeutungsgleichheit von ästhetischer und politischer Emanzipation jedermann bewußt wird, so daß sich die ästhetischen Rezipienten potentiell zu ästhetischen Produzenten wandeln und gleichzeitig politischer Passivität durch politische Aktivität entgegenwirken. In solchen wieder Mensch gewordenen Menschen verkörpert sich eine Soziokultur, die aus der Erkenntnis hervorgeht, daß jeder ästhetischen Erfahrung immer auch eine politisch-erziehliche zugrunde liegt, daß jedes Sein, welches ästhetischer Qualität entbehrt auch der Menschlichkeit entsagt. So verstandene Soziokultur verhilft einer Bewußtheit zum Dasein, wonach jede Politik, die Menschen dienen soll, das Versprechen der Ästhetik an Humanität einlösen muß. Denn Jedes Seiende ist seinsnotwendig ästhetisch prädisponiert: je mehr es sich von dieser Vorprägung entfernt, desto stärker droht es in Nichts aufzugehen. Hiervon schützt nur eine Kultur zum Mitspielen in Verbindung mit einer Politik zum Mitmachen. Diese kulturpolitischen Postulate konturieren die Vision vom „neuen Menschen“, der sich mit einer „ganz anderen“ Phantasie und Kreativität – den Arbeitsprozeß als Schöpfungsprozeß gestaltend – sozial erfinderisch betätigt und Zukunft erschafft. Solche Erfindung von Zukunft geschieht in kritischer, schöpferischer, prüfender und taktisch abzusichernder Operationalisierung von Akten inneren und äußeren Probehandelns. Die diesen Schöpfungsprozeß tragende Idee ist die des revolutionären Charakters von Kunst, die auf Politik fundiert ist, von Spiel, dessen politisch richtige „Tendenz“ im Sinne Benjamins notwendig eine ebensolche ästhetischer Art umfaßt. Der „ästhetische Staat“ verhilft der Idee der Humanität „vorzeigbar“ zur Geltung – seinen mit-
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schöpferischen Bürgern die Möglichkeit des Glücks versinnlichend. Damit bewahrt er sie vor jenem „Sinnentzug“, mit dem Alexander Kluge „eine gesellschaftliche Situation“ charakterisiert, „in der das kollektive Lebensprogramm von Menschen schneller zerfällt, als die Menschen neue Lebensprogramme produzieren können“.2 Vita aesthetica ist Manifestation realer Humanität in der Koinzidenz von Natur und gesellschaftlicher Freiheit als einer, welche die Falschheit der industriegesellschaftlich auf gezwungenen Alternative Arbeit oder Spiel zu durchschauen erlaubt. Solche Freiheit bedeutet – der lebenspraktischen sozialen und wirtschaftlichen Interdependenzen gewahr – nicht Freiheit von Politik, sondern Freiheit zur Politik. Nur die dialektische Verschränkung von Sein und Bewußtsein, die Korrelation von Überbau und Basis, kann den „totalen Menschen“ erschaffen, der human ist dank Arbeit und Spiel: das Spiel als Nicht-Arbeit Arbeit, und die Arbeit als Nicht-Spiel Spiel konstituierend. Demgegenüber ist, um eine Bemerkung von H. Marcuse nochmals aufzugreifen, ein Ende der Kunst und Kultur „vorstellbar, wenn die Menschen nicht mehr imstande sind, zwischen Wahr und Falsch, Gut und Böse, Schön und Häßlich, Gegenwärtig und Zukünftig zu unterscheiden. Das wäre der Zustand vollkommener Barbarei auf dem Höhepunkt der Zivilisation – und ein solcher Zustand ist in der Tat historisch möglich“.3 Kulturpolitik versucht solche „historische Möglichkeit“ unmöglich zu machen. Indem sie die realutopische Projektion einer gesellschaftlichen Spieltheorie zu konkretisieren hofft, will sie den „Traum von einer Sache“ zum Bewußtsein und zum Dasein bringen. Anspruch auf öffentliche Finanzierung erhebend, versucht sie, die Utopie vom Kopf auf die Füße zu stellen. Dabei ist, um ein Beispiel zu geben, der Blick durch das Fenster der Utopie ein Blick auf die Stadt als Kulturlandschaft – eine Zukunft aus unserer Vergangenheit für und durch sie erhoffend, ja mehr noch: sie in der Gegenwart vollziehend.
Quelle Glaser, Hermann; Stahl, Karl Heinz (1974): Die Wiedergewinnung des Ästhetischen. Perspektiven und Modelle einer neuen Soziokultur, München: Juventa, 141-146, 206-211.
2 A. Kluge: Lernprozesse mit tödlichem Ausgang, Frankfurt am Main 1973, S. 5. 3 H. Marcues: Konterrevolution und Revolte, Frankfurt am Main 1973, S. 140 f.
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Ich bekenne mich tief überzeugt, daß das deutsche Volk die politische Demokratie niemals wird lieben können aus dem einfachen Grunde, weil es die Politik nicht lieben kann, und daß der vielverschriene ‚Obrigkeitsstaat‘ die dem deutschen Volk angemessene, zukömmliche und im Grunde von ihm gewollte Staatsform ist und bleibt … Der Unterschied von Geist und Politik enthält den von Kultur und Zivilisation, von Seele und Gesellschaft, von Freiheit und Stimmrecht, von Kunst und Literatur; und Deutschtum, das ist Kultur, Seele, Freiheit, Kunst und nicht Zivilisation, Gesellschaft, Stimmrecht, Literatur.
In historisch bedeutsamen Momenten ist es besonders naheliegend, einen Blick in die Geschichte zu tun. Mein historisches Eingangszitat von Thomas Mann, auf das ich noch einmal zurückkomme, liegt dem mir aufgegebenen Thema „Kulturelle Bildung und Modernisierung der Gesellschaft“ nicht so fern, wie es vielleicht den Anschein hat. Der gesellschaftliche Modernisierungsprozeß ist nicht nur eine kulturelle Herausforderung, sondern ist bereits als solcher ein kultureller Prozeß; die atemberaubende Entwicklung in Deutschland und Europa der letzten Monate hat nicht nur politische und ökonomische Voraussetzungen und Wirkungen, die niemand übersehen kann, sie hat auch kulturelle Implikationen, die freilich wesentlich seltener ins allgemeine Bewußtsein dringen. Die Frage nach der Rolle von Kunst, Kultur und kultureller Bildung in diesem Prozeß gesellschaftlicher Veränderung und Modernisierung ist ebenso zu stellen wie die nach Instrumentarium, mit dem der Staat, oder allgemeiner: öffentliche Hände und Private, Kulturpolitik und Kulturförderung betreiben. [...]
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Die Bundesregierung hat am 9. August in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage des Deutschen Bundestages „Kulturelle Bildung“ umfassend ihre Haltung und ihre Politik zur Bedeutung von Kunst, Kultur und Bildung dargelegt. Sie erhofft sich von der politischen Beratung und öffentlichen Diskussion dieser Antwort wichtige Anregungen, Impulse und Perspektiven für eine Weiterentwicklung ihrer Kultur- und Bildungspolitik in den 90er Jahren. Die Antwort auf die Große Anfrage gibt unter anderem Aufschluß über Grundlagen, Grundsätze und Perspektiven kultureller Bildungspolitik, über kulturelle Bildung in Schule, Hochschule, Beruf und in kulturellen Berufen sowie über die kulturelle Bildung für benachteiligte gesellschaftliche Gruppen. In der Antwort werden auch erste Konsequenzen, die sich aus der aktuellen Entwicklung in der DDR für die kulturelle Bildungspolitik des Bundes ergeben, dargestellt. Sie werden verstehen, daß dies weder umfassend noch abschließend sein kann; nicht zuletzt wäre ein solcher „Vorgriff“ eine in meinen Augen unzulässige Präjudizierung der kulturellen Bildungspolitik der neuen Bundesländer und des künftigen gesamtdeutschen Parlaments. Aus diesem umfassenden Dokument, das ich Ihrer Lektüre empfehle, will ich die Stichworte „Modernisierung“ und „Das neue Interesse an der Kultur“ sowie die notwendigen Konsequenzen für Kultur- und Bildungspolitik, die sich darauf ergeben, herausgreifen. Selbstverständlich werde ich Ihnen zunächst die Grundsätze der kulturellen Bildungspolitik der Bundesrepublik darlegen, ihr Verständnis von Kulturstaat und Kulturpolitik. Abschließen will ich mit einigen Bemerkungen zu Kunst und Kultur im deutschen Einigungsprozeß sowie mit 10 Thesen zu meinem Thema.
I. Modernisierung als kultureller Prozeß Kennzeichen der Moderne sind die seit Jahrhunderten andauernden sozialen Differenzierungsprozesse, die nach Meinung vieler heute eine neue Qualität gewonnen haben bzw. einer besonderen Beschleunigung unterliegen. Diese Modernisierung als sozialer Wandel hat in Politik, Wirtschaft und im kulturellen Bereich zu Säkularisierung und Rationalisierung geführt; sie ist verbunden mit Alphabetisierung, Urbanisierung, Technisierung und hoher Mobilität. Modernisierung schließt den Wandel traditioneller Muster von Arbeit und Beruf, Ehe und Familie, Männer- und Frauenrollen etc. ein, und bedeutet die kulturelle Auseinandersetzung um Lebensformen, Wissen und Bildung, Forschung
Kulturelle Bildung und Modernisierung der Gesellschaft
und technische Entwicklung, allgemein um gesellschaftliche Normen und Maßstäbe. Damit ist zugleich die Frage nach der politischen Organisation des Gemeinwesens gestellt. Auch der Marxismus hat sich bekanntlich in vielen seiner herausragenden Vertreter als eine Modernisierungstheorie verstanden, die heute – aus vielfachen Gründen – als offensichtlich gescheitert empfunden wird. Die von einem liberalen Gesellschaftsverständnis geprägte westliche Zivilisation hat sich in einem jahrzehntelangen ideologischen Wettbewerb der Systeme nicht nur behauptet – marxistischen Entwicklungstheorien zum Trotz –, sie setzt heute die Standards für gesellschaftliche, politische und ökonomische Veränderungen, die dem Maßstab der „Modernität“ genügen sollen. Das liberale Ordnungsmodell beruht auf einer grundsätzlichen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, die den Eigenwert des Privaten und des Gesellschaftlichen anerkennt und schützt und den staatlichen Kompetenzbereich damit grundsätzlich beschränkt. Es sichert die Legitimation und Kontrolle politischer Macht statt durch vermeintlich ewige Wahrheiten durch Verfahrensregeln, die den auf diese Weise konstituierten „Rechtsstaat“ der Disposition der Herrschenden entzieht. Eine demokratische Ordnung steht und fällt mit dem Prinzip der Mehrheitsentscheidungen. Dies macht sie freiheitlich und gelegentlich illiberal zugleich. Zur Entdeckung und Verwirklichung all dessen, was den „Kulturstaat“ ausmachen könnte, die Suche nach Wahrheit, nach Schönheit, ist das gleiche Mehrheitsprinzip herzlich ungeeignet. Aus genau diesen Gründen will ich meine Zweifel auch nicht unterschlagen, ob der Begriff „Kulturstaat“ überhaupt vernünftig und zur Beschreibung dessen geeignet ist, was die Gesellschaft auszeichnen soll und den Staat vielleicht nichts oder nur wenig anzugehen hat. Die komplizierte Aufgabe macht Öffentlichkeit notwendig, die wiederum einen mündigen, kritischen, informierten Bürger voraussetzt, der in seiner Rolle als Staatsbürger nicht aufgeht oder gar untergeht, der Staat und Gesellschaft wenn nicht zu trennen, so doch zu unterscheiden, und auseinander zu halten in der Lage ist. Der Sonderweg Deutschland im Modernisierungsprozeß der europäischen Staaten hat – ich nähere mich meinem Eingangszitat – nicht nur die Bürgerliche Freiheits- und Nationalbewegung von 1848 scheitern lassen, sondern auch zu jener „machtgeschützten Innerlichkeit” der deutschen Kultur des 19. Jahrhunderts geführt, wie es jedenfalls später Thomas Mann genannt hat, deren letztlich unpolitischer Idealis-
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mus zum politischen Versagen vor dem Nationalsozialismus führte und im wahrsten Sinn auch den Scheiterhaufen endete, die zunächst Bücher, dann auch Menschen verbrannten. Die im Vergleich zu anderen europäischen Staaten verspätete Emanzipation des Bürgertums in Deutschland traf auf eine hochorganisierte, zuerst feudale, später „aufgeklärtere“ Staatsorganisation, die vielleicht „jeden nach seiner Facon selig werden“ ließ, bürgerliche Selbstverwirklichung aber in unpolitische Reservate von Kunst und Kultur abdrängte und politische Partizipation weitgehend ausschloß. Diese „machtgeschützte Innerlichkeit“ der deutschen Kultur des 19. Jahrhunderts trieb ihre teilweise seltsamen Blüten und brachte Thomas Mann nach 1918 in seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ zu eingangs zitierter Aussage. Diese hochpolitischen „unpolitischen“ Auffassungen eines späten Repräsentanten des 19. Jahrhunderts stehen für die weit verbreitete Autoritätsgläubigkeit einer Epoche; die „machtgeschützte Innerlichkeit“ beschreibt das Mißverständnis zahlreicher Intellektueller und eine Haltung, die Thomas Mann dann allerdings bereits 1922 in seiner Rede „von deutscher Republik“ revidierte. Der Rückblick auf Phänomene der verspäteten Modernisierung Deutschlands gibt in meinen Augen wichtige Anstöße zu den Überlegungen, was Kultur und kulturelle Bildung in einer modernen Demokratie leisten sollten; ich denke: die Einmischung in die gesellschaftliche Auseinandersetzung um das richtige Leben, also um Kultur.
II. Das neue Interesse an der Kultur oder: Kulturelle Bildung für alle Welche Rolle spielen Kultur, Kunst und Ästhetik bei der Gestaltung unseres Lebens, welche können und welche sollen sie spielen? Für viele sind Kultur, Kunst und Ästhetik ein selbstverständlicher Bestandteil ihrer persönlichen Lebensgestaltung. 2 Mio. Laienmusiker sind in Chören, Orchestern, Bläser- und Rockgruppen aktiv, 750.000 Bürger nutzen die Angebote der 850 Musik- und Kunstschulen, 25 Mio. besuchen jährlich die 200 öffentlich geförderten Theater, die kommunalen und freien Kulturzentren werden jährlich von 7,5 Mio., die Museen von 60 Mio. Besuchern genutzt. Dies ist zunächst nur ein statistischer Befund, der gleichwohl nicht irrelevant ist. Darüber hinaus sind sie ein wichtiges „Frühwarnsystem für gesellschaftliche Fehlentwicklungen und die notwendige Basis von Innovationen im gesellschaftlichen
Kulturelle Bildung und Modernisierung der Gesellschaft
Modernisierungsprozeß“ (Hilmar Hoffmann). Kreativität und kulturelle Differenzierung werden zum wichtigen gesellschaftlichen wie auch wirtschaftlichen Produktivfaktor, Kunst und Kultur werden als Quelle wirtschaftlichen Wachstums analysiert, sie sollen als Image- oder Standortfaktoren vermehrte Förderung erfahren. Die Modernisierung der westlichen Gesellschaft bedeute eben – so die allgemeine Rede – eine Entwicklung von der Industrie- hin zur Kulturgesellschaft. Kultur, Kunst und Ästhetik gelten als Zukunftslabor für neues Denken. Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur, wachsender Wohlstand und wachsende arbeitsfreie Zeit, ein erheblich gestiegenes Bildungsniveau begleitet von einem Wertewandel mit Fragen nach Sinn und Orientierung, nicht zuletzt auch der wirtschaftliche Wandel mit neuen Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten oder an die Standorte von Unternehmen bilden einen wesentlichen Bestandteil dieser Diskussion um „Das neue Interesse an der Kultur“. Bei aller kontroversen Diskussion darum ist aber allen unterschiedlichen Auffassungen gemeinsam die Hoffnung, daß es in Kunst und Kultur vermutete Potential einen Beitrag zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben leisten kann und muß. Aber dies darf eben nicht bedeuten, daß kulturpolitische Begründungen durch wirtschaftspolitische ersetzt werden könnten und dürften. Eine Gesellschaft, die Kunst und Kultur nur als Dekoration ihrer wirtschaftlichen Interessen alimentiert, als exklusive Freizeitbeschäftigung von Leuten, die wissen, was man eben auch von ihnen erwartet, wäre sicher alles andere als eine Kulturgesellschaft. Deswegen denke ich, müßte auch die ständige Rede von Subventionen für Kunst und Kultur Anlaß sein, Fragezeichen hinter das Selbstverständnis einer Gesellschaft zu setzen, die den Investitionsbegriff ausschließlich für betriebs- und volkswirtschaftliche Sachverhalte reklamiert. Wieso eigentlich sind Ausgaben für Kultur Subventionen und Ausgaben für die Zukunft von Arbeitsplätzen Investitionen? Daß im übrigen die Dauerdiskussion über die Zumutbarkeit von Kunst- und Kultursubventionen unter den Bedingungen knapper Kassen Künstler und Organisatoren nicht sonderlich motivieren kann, die in dieser Terminologie dauernd in die Rolle von Bittstellern gedrängt werden, die um Almosen für ein Anliegen bitten müssen, das eigentlich zu den Verfassungsaufträgen dieser Gesellschaft gehört, sei der Vollständigkeit halber erwähnt. [...] Volkhard Knigge hat im Nachgang zu der Oldenburger Tagung 1988 „Das neue Interesse an der Kultur“, die – wie ich den Eindruck habe –
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wichtige und grundlegende Beiträge zur kulturpolitischen Diskussion in der Bundesrepublik geliefert hat, dankenswerterweise eine Bestandsaufnahme dieser Diskussion um den Strukturwandel und seine kulturelle Unterfütterung geleistet. Dieser Beitrag zeigt einmal mehr, daß eine Zweck- und Funktionsbestimmung von Kultur, und noch mehr von Kunst und Ästhetik, eindeutig und abschließend nicht möglich ist. Kunst und Kultur können eine wesentliche Voraussetzung und ein wichtiges Trainingsfeld für Kreativität und demokratisches Handeln sein, Kunst und Kultur können praktisches Wissen und sinnliche Erfahrung zur Ergänzung des kognitiven Wissens beitragen und damit zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen. Kunst und Kultur können dabei sicherlich auch, wie Knigge sagt: „vernutzt“ werden. Ich bin allerdings der Auffassung, daß Kunst und Kultur Möglichkeit und Ausdruck schöpferischer Freiheit der individuellen Wirklichkeitsbestimmung sind und damit ein wichtiges Triebwerk gesellschaftlicher Entwicklung, die in ihrer Zukunft offen ist und bleiben muß. Kunst ist zwecklos, aber nicht sinnlos – vielleicht macht dies gerade ihren einzigartigen Sinn und Beitrag für die Gesellschaft aus. Darin, also in der kunsteigenen Autonomie und letztlich in der Freiheit von Zweckbestimmung liegt ein unbezwingbarer Bedeutungsüberschuß, der sich nicht vereinnahmen und instrumentalisieren oder politisieren läßt. Nicht zuletzt die politische Entwicklung der vergangenen Monate ist hierfür ein deutliches Indiz. Bildung, Wissenschaft und eben auch Kultur sind entscheidende Elemente des individuellen wie gesellschaftlichen Lebens: Mit ihnen wird Wirklichkeit erfahren, dargestellt, verarbeitet und verändert; sie sind Orientierungspunkte unseres Handelns. Kunst und Kultur leisten ebenso wie Bildung und Wissenschaft Beiträge zu Deutung und Bewältigung der Wirklichkeit. Sie sind zudem auch Wiederlager und Gegenpol zu der unsere Zivilisation kennzeichnende Zweckrationalität, sie sind Opposition gegen den Universalitätsanspruch der neuzeitlichen, kognitiven und technischen, instrumentell geprägten Vernunft, jedenfalls sollen sie es sein. Offenbar wird die gerade der Kunst eigene Freiheit von Funktionalität und Zweck im Modernisierungsprozeß mehr denn je benötigt. Denn diese Freiheit erlaubt Konfrontation mit einem Sinn, der nicht aufgehen will. Die ästhetische Auseinandersetzung mit Kunst setzt Bildungsprozesse frei, sie ermöglicht Erkenntnisse und Erfahrungen, die ansonsten hinter der nüchternen Fassade von Daten und Fakten verborgen bleiben. Gerade ästhetische Bildung, als die aktive künstlerische
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Auseinandersetzung mit Wirklichkeit, trägt wesentlich zur umfassenden Persönlichkeitsbildung bei. Wenn als Kunst und Kultur wichtige Potentiale zugewiesen werden können, wenn sie ungewohnte Perspektiven eröffnen, neue Orientierungen vermitteln und experimentelle Haltungen einüben, und deshalb unverzichtbar sind, dann müssen Kultur- und Bildungspolitik die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen, daß das demokratische Postulat einer „Kultur für alle“ seine Ergänzung in einer „Kulturellen Bildung für alle“ findet. Das in den 80er Jahren deutlich gestiegene Interesse der Menschen an kultureller Begegnung und aktiver kultureller Teilhabe macht einen wesentlichen Aspekt des neuen Interesses an Kultur aus, es zielt direkt auf Bildung und personelle Identität; es spricht auch für die Sensibilität der Menschen: sie verstehen Kunst und Kultur als „notwendiges Lebensmittel“.
III. Einheit von Bildung und Kultur Erst als Bestandteil allgemeiner Bildung werden Kunst und Kultur zu konstruktiven Elementen unserer Gesellschaft, Bildung, Wissenschaft und Kultur stehen daher in einem untrennbaren Zusammenhang. Dies hat auch Konsequenzen für die Politik. Die Bildungspolitik hat sich seit Anfang der 80er Jahre wieder an den Auftrag des Bildungswesens erinnert, kulturelles Lernen zu ermöglichen und zu fördern. [...] Kulturelle Bildung ist eine Querschnittsaufgabe, die ihren Ausgangspunkt im Lebensalltag des einzelnen hat, und zu deren Vermittlung alle Kultur und Bildungseinrichtungen beitragen können und sollten. Damit sind die außerschulischen Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen ebenso gemeint, wie die Kultureinrichtungen, die stärker als bisher ihrem allgemeinen Bildungsauftrag nachkommen müssen. Kulturelle Bildung findet sich heute auch nicht mehr nur bei den Institutionen und Organisationen, deren wesentliche Aufgabe die Vermittlung kultureller Bildung ist, sondern ebenso im Bereich der Sozialarbeit, der Wohlfahrtspflege, der Therapie, oder auch der politischen Bildungsarbeit. Die Vielfalt der Konzepte und Träger Kultureller Bildung findet ihren besten Ausdruck in der „Konzeption kulturelle Bildung“ des Deutschen Kulturrats und seiner Mitgliedsorganisationen, dem gegenwärtig wohl umfassendsten Dokument kultureller Bildung.
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IV. Kulturelle Bildung Für die Bundesregierung entzieht sich der Begriff „Kulturelle Bildung“ einer eindeutigen Definition angesichts der kulturellen Vielfalt und gesellschaftlichen Pluralität, die – mit ihren unterschiedlichen, gleichermaßen berechtigten und häufig unvereinbar scheinenden Ansprüchen – Kern unseres Gesellschaftsverständnisses ist. Es gibt ebenso wenig die Kultur wie die kulturelle Bildung. Die Koexistenz des kulturell Verschiedenen macht es im übrigen unmöglich, daß „die“ Kultur „die“ Gesellschaft abbildet, legitimiert oder symbolisiert, was immer noch von vielen als erstrebenswert oder gar notwendig angesehen wird. Die radikale Pluralität als empirischer Befund und zugleich als normatives Postulat machen aber auch den Verzicht auf Globalstrategien und Einheitslösungen in der Kulturpolitik notwendig.
V. Kulturstaat, Kulturgesellschaft, Kulturpolitik Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu Beginn dieser Legislaturperiode hat den „Ausbau unseres Kulturstaates“ ausdrücklich zum Gegenstand der Regierungspolitik erklärt. „Wir sind Industriegesellschaft und Kulturgesellschaft zugleich. In einer Zeit, die die Besinnung auf humanere Lebensbedingungen, eine neue Verantwortung und ein waches Wertbewußtsein fordert und einschließt, kommt der Kultur eine tragende Rolle zu. Die Bundesregierung wird deshalb verstärkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten Akzente beim Ausbau unseres Kulturstaates setzen“. Mit dieser Passage der Regierungserklärung von 1987 wie auch mit den kulturpolitischen Grundsatzdebatten des Deutschen Bundestages von 1984 und 1986, die erstmals in der Geschichte des Deutschen Parlamentarismus auf der Ebene des Zentralstaats umfassend Fragen der Kulturpolitik debattierten, fand eine öffentliche Diskussion ihr Echo auf der Bundesebene, die bezeichnenderweise Anfang der 70er Jahre auf der kommunalen Ebene begann. Die Entwicklung und Erfahrungen in den Städten brachten kulturpolitische Überlegungen sowie einen Wandel des Kulturverständnisses in Gang, der sich beispielsweise in Leitsätzen und Grundsatzdebatten des Deutschen Städtetages 1972 und 1973 oder in der Gründung der Kulturpolitischen Gesellschaft 1976 niederschlug. Die letzten 10 Jahre der Bundesrepublik lassen sich auch als eine Geschichte der Diskussion eines Verfassungsauftrages nachzeichnen,
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der Frage nämlich, ob Kulturpolitik eine Pflichtaufgabe von Kommunen und Staat ist und ob es Kulturstaatsklauseln – wie im Art. 3 der Verfassung Bayerns – in allen Länderverfassungen und in der Verfassung der Bundesrepublik, dem Grundgesetz, geben soll. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in – wie ich denke zeitgemäßer – Interpretation der Grundrechte als Teilhabe- und Leistungsrechte, als Organisationsund Verfahrensmaximen die Kulturfreiheitsgarantie nach Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz als eine den Staat verpflichtende „Kulturauftragsnorm“ interpretiert: „Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst stellt (diese Verfassungsnorm) dem modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung als Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern“. Mit anderen Worten kann es an dem „Ob“ staatlicher und auch kommunaler Verantwortung für das kulturelle Leben der Gesellschaft überhaupt keinen Zweifel geben, fraglich ist allein das „Wie“ der Kulturpolitik und damit die Frage, welche kulturellen Einrichtungen Staat und Kommunen unterhalten müssen, um eine angemessene Teilhabe am kulturellen Leben zu ermöglichen, oder welche Organisationsformen und Verfahrensstrukturen geeignet sind, den Lebensbereich Kunst und Kultur freiheitlich zu ordnen und auszugestalten. Öffentliche Kulturförderung und -finanzierung sowie die Gestaltung kulturfreundlicher Rahmenbedingungen sind eine notwendige Voraussetzung unseres kulturellen Lebens. Kulturförderung ist wesentliche Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge, wie auch öffentlich finanzierte Schulen, Krankenhäuser, Straßen und Telefonnetze. [...] Aber auch private Mittel können und sollen zur kulturellen Entwicklung der Gesellschaft beitragen. Wenn Kunst und Kultur vom Arbeitsalltag ebenso wenig zu trennen sind wie vom Alltag insgesamt, wenn sie Maßstäbe für die Organisation unserer Arbeit und die Gestaltung der Arbeitsplätze ebenso setzen wie für die Gestaltung unseres alltäglichen Lebens und unserer Umwelt, wenn Kunst und Kultur ein auch wirtschaftlicher Produktiv- und vor allem Qualifizierungsfaktor sind, dann liegt hier noch ein weites brach für die auch private Förderung von Kultur und insbesondere kultureller Bildung. Ich muß allerdings warnen vor den übertriebenen Hoffnungen, die, nach meinem Eindruck, in der DDR an diese private Kulturförderung gerichtet werden. Auch in der Bundesrepublik ist dieser Zusammenhang von Wirtschaft und Kultur noch keine allgemeine Überzeugung. Das private kulturelle Engagement wird gegenwärtig auf etwas 45 Mio. DM jährlich geschätzt, das zudem auch noch größtenteils der Image-
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pflege großer Firmen dient und daher überwiegend in entsprechend spektakuläre öffentlichkeitswirksame Maßnahmen fließt. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen. Aber nur wenige Unternehmungen in der Bundesrepublik haben die Bedeutung firmeneigener, innerbetrieblicher Kulturprogramme und Programme kultureller Bildung erkannt; es sollten mehr sein. Den privaten Mitteln in Höhe von 45 Mio. DM (geschätzt) stehen öffentliche Gesamtausgaben für Kultur in Höhe von etwas 9 Mrd. DM jährlich gegenüber, die im übrigen aufgebraucht werden zu etwas 55% von den Gemeinden, zu 40% von den Ländern und zu etwas 5% vom Bund, dies als zahlenmäßiger Hinweis. Auch die Kulturförderung darf nicht dem Gießkannenprinzip folgen, sondern Kulturförderung muß sich vor allem der kulturellen Bedürfnisse annehmen, die ohne diese Förderung nicht zur Geltung gebracht werden und sich gegenüber etablierten kulturellen Ansprüchen nicht durchsetzen können. Die Pluralität unserer Gesellschaft verbietet nun einmal Einheitslösungen. Und die Kulturpolitik darf nicht nur das für Kunst und deshalb förderungswürdig erklären, was einer Mehrheit auch gefallen kann. Dabei steht für mich außer Frage, daß die Entwicklung der kulturpolitischen Diskussion des letzten Jahrzehnts heute an einem Punkt angelangt ist, an dem das zur Verfügung stehende kulturpolitische Instrumentarium angesichts der neuen an Kunst, Kultur und kulturelle Bildung herangetragenen Herausforderungen, überdacht werden muß. Dies gilt m. E. auch für das Instrumentarium, das – angesichts des Einigungsprozesses – dem künftigen Gesamtstaat zur Bewältigung der anstehenden Probleme zu Gebote stehen sollte. Dabei scheint mir selbstverständlich zu sein, daß der kooperative Föderalismus, die mit dem Grundgesetz vorgenommene Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eine der Voraussetzungen der im Kultur- und Bildungsbereich vorfindbaren Vielfalt ist und somit prinzipiell freiheitssichernd wirkt; diese Aufgabenverteilung schließt aber in keiner Weise aus, daß auch der Bund Verantwortung für Kultur, Bildung und Wissenschaft übernehmen muß.
VI. Kultur im deutschen Einigungsprozeß Die Veranstalter dieses Kolloquiums haben das Thema „Kulturstaat Deutschland“ unter ein Fragezeichen gestellt. Fragen sind immer erlaubt. Ich bin allerdings überzeugt, daß auch angesichts der massi-
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ven wirtschaftlichen und sozialen Probleme in der DDR und angesichts der umfangreichen Aufgaben, die der künftige Gesamtstaat zu erfüllen hat, Kultur nicht als gesellschaftlicher Luxus zurückgestuft wird oder werden kann. Aber es wird Auseinandersetzungen um die Verteilung der ja immer nur begrenzt zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel geben und – wie ich denke – auch geben müssen; hierfür werden sich die Kultur- und Bildungspolitiker argumentativ und vor allem politisch wappnen müssen. Der Zusammenbruch des SED-Regimes hat in der DDR zu einer Stimmung der Ungewissheit und Unsicherheit, aber auch des Aufbruchs und der Herausforderung geführt. Gerade weil das kulturelle Leben in der DDR nicht nur staatlich reglementiert, sondern insbesondere auch umfassend alimentiert wurde, ist es heute von dem ja nicht nur politischen Umbruch und den notwendigen Strukturveränderungen in der DDR so massiv betroffen. [...]
VII. Lassen Sie mich abschließend meine Überlegungen in 10 Thesen zusammenfassen: 1.
Die Verantwortung des künftigen Gesamtstaats beschränkt sich nicht auf Bereiche wie Wirtschaft, Währung und Soziales oder Umwelt. Der Bedeutung der Kultur und dem Verständnis einer Kulturgesellschaft entsprechend trägt der Staat im Rahmen des kooperativen Föderalismus wesentliche Verantwortung für eine freie kulturelle Entfaltung und kulturelle Entwicklung.
2.
Diese Verantwortung des Staates für die Sicherung und Weiterentwicklung der kulturellen Infrastruktur, die individuelle kulturelle Bildung und die Aus- und Weiterbildung in kulturellen Berufen gilt in einem besonderen Maße für die – mehrjährige – Übergangsphase des Einigungsprozesses Deutschlands.
3.
Wesentliches Element künftiger Kultur- und Bildungspolitik muß die Stärkung des kulturellen Interesses und der kulturellen Teilhabe der Bevölkerung durch kulturelle Bildung sein.
4.
Bewahrung kultureller Traditionen und Förderung kultureller Innovationen schließen sich so wenig aus wie sogenannte Hochoder sogenannte Alternativkultur, wie kulturelle Rezeption und aktive kulturelle Aneignung; dies alles sind Dimensionen der kulturellen Selbstvergewisserung einer Gesellschaft.
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5.
Es ist Aufgabe der Politik durch Förderung und Gestaltung der Rahmenbedingungen die Räume zu schaffen, die künstlerisches Schaffen, kulturelle Öffentlichkeit, kulturelle Partizipation und kulturelle Aktivitäten erforderlich und geeignet sind.
6.
Kulturförderung ist immer auch Künstlerförderung. Denn es sind die Künstlerinnen und Künstler, die der Gesellschaft die Potentiale der Kunst freilegen und im übrigen mit ihrer Fähigkeit zu sinnlich differenzierter Wahrnehmung und ihrer Bereitstellung handwerklicher und gestalterischer Methoden und Techniken auch „Laien“ ermöglichen, ihre Fähigkeiten zur Entfaltung des Schöpferischsten zu erfahren.
7.
Kulturförderung muß sich mehr an den unterschiedlichen Zielgruppen kultureller Aktivitäten orientieren und dabei auch deren spezifischen Eigensinn, den von Kinderkultur beispielsweise, anerkennen.
8.
Ästhetische Erfahrung und Aneignung verlangen Entwicklungschance, die notwendigerweise auch außerhalb formalisierter Bildungsgänge und -einrichtungen möglich sein müßten.
9.
Der Stellenwert ästhetischer Bildung im Modernisierungsprozeß und das Zusammenwirken der verschiedenen, gleichermaßen notwendigen und untrennbaren Elemente allgemeiner Bildung, der kognitiven, ästhetischen, ethischen und sozialen Elemente, ist hinreichend geklärt, um als unverzichtbar festgehalten zu werden.
10.
Kunst und Kultur müssen ein Gegengewicht zur Wirtschaft sein, zu Kommerz und Konsum, zu dem, was ohnehin stattfindet, weit jenseits künstlerischer Ambitionen und kultureller Orientierung. Sie müssen freilich die Aufforderung zur Kreativität und zur Innovation, die sie berechtigterweise immer wieder an andere richten, gelegentlich auch sich selbst gefallen lassen.
VIII. [...] die 40jährige Teilung Deutschlands hat zu unterschiedlichen Gesellschaften mit auch unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen geführt. Der staatliche Vereinigungsprozeß ist deshalb auch ein kultureller wechselseitiger Verständigungs- und Anpassungsprozeß, von dem ich annehme, daß er noch länger andauern wird. [...]
Kulturelle Bildung und Modernisierung der Gesellschaft Quelle Lammert, Norbert (1991): Kulturelle Bildung und Modernisierung der Gesellschaft. In: Evangelische Akademie Loccum (Hg.): Kulturstaat Deutschland? Spektren und Perspektiven kommunaler Kulturarbeit der 1990er-Jahre. Dokumentation einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum von 19. bis zum 21. August 1990, Loccumer Protokolle 75/90, Loccum: Pressestelle der Evangelischen Akademie Loccum, 35-65.
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Kultur und Politik Ich spreche zu Ihnen als Wissenschaftler, als jemand, der sich mit der Kultur in der Perspektive der ihr gewidmeten Wissenschaft und deren Rolle im gesellschaftlichen Leben beschäftigt. Bin ich damit ein Außenseiter? Unbestreitbar ist die Wissenschaft ein Teil der Kultur, und Kultur und Wissenschaft gehören aufs Engste zusammen. Dennoch führen sie überwiegend ein getrenntes Leben. Freilich, wenn allgemeine Reflexionen über grundlegende Trends im Verhältnis von Kultur und Politik gefragt sind, dann ist die Wissenschaft im Spiel, und deshalb stehe ich hier. In der Tat gibt es heutzutage erheblichen Anlass, grundsätzlich zu werden. Jeder Strukturwandel fordert zu Reflexionen prinzipieller Art heraus, und ich möchte mich dieser Herausforderung stellen. Lassen Sie mich daher mit einer knappen Einleitung über das Verhältnis von Kultur und Politik beginnen. Was ist jeweils für diese Dimensionen der menschlichen Lebenspraxis maßgebend? Im Grundsatz ist es für die Kultur der Sinn, und für die Politik die Macht. Beides ist ohne das jeweilig Anderen nicht zu denken, und dennoch handelt es sich um zwei ganz unterschiedliche Prinzipien und Fundamentalregulative des menschlichen Lebens. Sie sind allerdings ineinander verschränkt, ja 1
Es handelt sich um den Text des Vortrages, in den einige aus Zeitgründen weggelassene Passagen und Literaturhinweise aufgenommen wurden. Der Rededuktus wurde beibehalten. – Ich danke Norbert Sievers für kenntnisreiche Hinweise und Norbert Jegelka und Meike Vogel für kritische Lektüre.
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miteinander verkettet, weil es letztlich kein politisches Handeln gibt, das nicht durch Sinnbestimmungen, durch Gesichtspunkte der Legitimität und der normativen Orientierung geprägt wäre, und weil es keine politikfreie Kultur gibt, keinen von den Dispositiven der Macht freien, keinen reinen und unschuldigen Sinn. Kulturpolitik ist der Vorgang, mit der sich die Politik auf ihren inneren Zusammenhang mit der Kultur selber praktisch einlässt. Mit ihr wirkt sie an ihrer eigenen Legitimation. Sie bezieht sich auf metapolitische Bedingungen ihres eigenen Handelns. Der Staat richtet sich über die Kulturpolitik an seine Bürgerinnen und Bürger, um ihnen die kulturellen Orientierungen zu ermöglichen, die für ihren bürgerlichen Status unerlässlich sind. Bürgerlichkeit ist eine Lebensform bezeichnen, die durch bestimmte kulturelle Fundamentalorientierungen geprägt ist. Wir kennen sie alle, diese Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Gemeinsinn. Diese drei Fundamentalorientierungen konvergieren im Prinzip der Menschenwürde. Letztlich geht es bei aller politisch relevanten Kultur darum, menschliches Leben durch eine Sinnbildung zu bestimmen, die die einzelnen Menschen und ihre sozialen Zusammenhänge mit einer ganz besonderen Subjektqualität der Beteiligten ausstattet, in Kants Worten: niemals nur Mittel für andere, sondern stets auch Zweck in sich selber zu sein.2 Was hat das alles mit Kulturpolitik zu tun? Das, was ich zuletzt emphatisch formuliert habe, ist der oberste Gesichtspunkt, nach dem sich alle Kulturpolitik im Bezug auf ihren Gegenstand, die Kultur, ausrichtet. Die Art aber, wie das geschieht und geschehen kann, ändert sich. Die heutige Situation ist dadurch bestimmt, daß sich die leitenden Paradigmen und Strukturen verändern. Zwar wird die inhaltliche Perspektive nicht aufgegeben, aber sie tritt zurück hinter Rahmenbedingungen und ökonomischen Faktoren, unter denen sie politisch verhandelt wird. Die Ökonomisierung schreitet unaufhaltsam voran, neue Medien verlangen ihr Recht, und die Adressaten verändern ihr Verhalten. Es geht immer stärker um Finanzierung und um Probleme der Organisation und der rechtlichen Verfassung. Hinzu kommt etwas sehr Bemerkenswertes: Seit geraumer Zeit ist ein Entstaatlichungsprozess der Kulturpolitik zu beobachten, mit dem sie sich von ihren eigenen politischen Traditionen ablöst und in das unvermessene und unsichere Gelände nichtstaatlichen Handelns begibt, das einen Charakter des Politischen erheblich verändert. 2 Vgl. Rüsen, Jörn: Kultur macht Sinn. Orientierungsprobleme zwischen Gestern und Morgen. Köln: Böhlau 2006.
Strukturwandel der kulturellen Öffentlichkeit – Folgen für die Kulturpolitik
Ich möchte diesen Wandel in einer übergreifenden historischen, gegenwartsanalytischen und zukunftsperspektivischen Weise beschreiben.
Herausforderungen der Kultur An den Anfang möchte ich die These stellen, dass Kultur grundsätzlich eine Antwort auf Orientierungsprobleme der menschlichen Lebenspraxis ist. Letztlich sind es solche Probleme, die den Bedarf nach Kultur, von dem gegenwärtig so vielstimmig die Rede ist, konstituieren. Leider wird die Bedarfsvokabel in der kulturpolitischen Diskussion der Gegenwart aber mit einer ganz anderen Bedeutung verwendet. Man meint damit die Bedürfnisse des Publikums, die je subjektiven Motivationen, die Menschen dazu bringen, ins Theater, in die Oper, ins Museum oder sonst wohin zu gehen, wo Kultur geschieht. Dass solchen subjektiven Impulsen immer auch objektive Herausforderungen zugrunde liegen, wird nicht recht in den Blick genommen. Aber genau das möchte ich jetzt tun, indem ich frage: Was sind die maßgeblichen Herausforderungen unseres Lebens, auf die heute neue kulturelle Orientierungsantworten gefunden werden müssen? Es gibt eine ganze Menge davon, und ich kann sie nicht alle ansprechen. Zuerst möchte ich die deutsche Misere ansprechen. Sie beruht auf demographischen und makroökonomischen Veränderungen, die zum Umbau des ganzen Sozialstaats zwingen. Aber ihre Schärfe hat sie in der Kultur: In Deutschland mangelt es an einer gesellschaftlich tragenden Zukunftsvision und an einer ihr entsprechenden motivationsstarken kulturellen Orientierung praktischen Handelns. Zur deutschen Misere kommt das europäische Desaster: Der europäische Einigungsprozess hat schon seit längerem seine Basis im Bewusstsein der betroffenen Bevölkerungen verloren. Jetzt wird die Krise offenbar: Die Kultur spielt nicht mehr mit. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger können das, was für Europa als ökonomisches, politisches und soziales Projekt steht, mit den für sie maßgeblichen kulturellen Orientierungen nicht mehr in Einklang bringen. Europa macht nicht mehr genug Sinn. Und deshalb das ,nein’ zum Verfassungsvertrag. Die beschriebenen Problemlagen stehen in engstem Zusammenhang mit dem, was der Globalisierungsprozess an ungelösten Orientierungsproblemen mit sich bringt. Die durch ihn fast schicksalhaft vollzogenen Veränderungen finden bei den Betroffenen kein Verständnis. Sie können sie nicht nüchtern wahrnehmen und zugleich sinnhaft so deuten, dass sie sich in ihnen situieren könnten.
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Ich nenne noch drei weitere objektive Herausforderungen, die durch kulturelle Innovationen beantwortet werden müssen. Die eine liegt im Wiedererstarken der Religionen und dem Ausbleiben zivilreligiöser Antworten auf den Fundamentalismus. Die normativen Regulierungen moderner Gesellschaften wie eben die Idee der Menschenwürde, die Prinzipien der Menschen- und Bürgerrechte und vieles andere mehr scheinen nicht hinreichend in den Tiefen der menschlichen Subjektivität verankert, in denen auch die Religion wurzelt. Ferner bedarf es kultureller Innovationen, um die allenthalben deutlich werdenden Defizite der Integration unterschiedlicher Kulturen in ein gemeinsames ziviles Leben zu überwinden. Ein weiterer Hinweis betrifft schließlich den demografischen Faktor des wachsenden Teils älterer Menschen. Schon dass in der Regel von einer ,Überalterung‘ geredet wird, zeigt ein Defizit an Sinn. Wenn man selber zu denen gehört, die man mit dieser Vokabel bezeichnet, dann wird einem unwohl in der Haut. Das Alter selber bringt schon genug Orientierungsprobleme und entschiedene Fragen nach dem Sinn des Lebens hervor und bedarf als Stimulus kultureller Orientierung eigentlich nicht dieses Ausdrucks einer sozialen Anormalität. Die erwähnten Irritationen und Herausforderungen stärken sich wechselseitig in ihrer Einwirkung auf die etablierten Inhalte und Formen der Kultur. Sie beschleunigen den Wandel. Auf ihn reagiert die kulturelle Öffentlichkeit, indem sie sich mit diesem Wandel auch selber verändert, und darauf hat die Kulturpolitik zu antworten. Die Antwort der Kulturpolitik vollzieht sich allerdings unter Bedingungen, die eine neue Form des politischen Handelns erzwingen. Diese neuen Bedingungen lassen sich zusammenfassend als Prozess einer dramatischen Ökonomisierung und Privatisierung der Kultur kennzeichnen. Was bedeutet es, in sich entstaatlichenden Formen unter dem Druck von Ökonomisierungszwängen kulturpolitisch handeln zu müssen? Wenn man sich die jüngsten Veröffentlichungen der Fachleute ansieht, dann herrscht ein Topos der Lageanalyse vor, den man zugespitzt als das Ende der traditionellen Kulturpolitik bezeichnen könnte. Das mag übertrieben klingen, aber dieser Topos ist Signal für eine qualitative Veränderung, deren man nur ansichtig wird, wenn man sie in eine umfassende historische Perspektive rückt.
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Kultur und Staat in Deutschland Wenn wir einen historischen Ausgangspunkt suchen, von dem her wir uns in der gegenwärtigen Lage hinreichend historisch verständigen können, dann kann das nur das klassische Paradigma der Kulturpolitik sein, für das der Name Humboldt steht. Für ihn war Kulturpolitik ein staatliches und zugleich bürgerliches Handeln, in dem sich Bürgerkultur als Elitenkultur konstituierte. Diese Politik entstand in einer Ausnahmesituation, in der der Staat auf bürgerliches Handeln aus Gründen seines eigenen Überlebens angewiesen war. Das hat beim deutschen Bürgertum die Illusion erzeugt, letztlich seien es die Bürger, die das eigentliche Subjekt, sozusagen die soziale Tiefenschicht staatlichen Handelns ausmache. Das war nicht der Fall, und auch heute ist es nur sehr bedingt der Fall. Aber in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstand daraus eine kulturpolitische Vision, die Bürgerlichkeit als Signum moderner Staatlichkeit an politisches Handeln knüpfte. Es war ein Handeln, mit dem das Bürgertum letztlich seine eigene Rolle als Ferment von Bildung in der staatlich organisierten politischen Herrschaft bestimmte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat es eine massive Verschiebung von Bürgerlichkeit zur Staatlichkeit kulturpolitischen Handelns gegeben. Die Kulturpolitik hat sich seitdem immer mehr verstaatlicht, während sich das bürgerschaftliche Engagement immer weiter in die Domäne zurückzog, die Thomas Mann so treffend „die machtgeschützte Innerlichkeit” genannt hat. Daran hat sich lange Zeit nicht sehr viel verändert. Eine entscheidende neue Phase kulturpolitischen Handelns ist erst in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts eingetreten, als im Horizont staatlich organisierten Handelns eine Wende eingetreten ist, die dem mentalen Aufbruch der Deutschen zu entschiedeneren und neuen Formen des demokratischen Lebens folgte. Kulturpolitik diente der Demokratisierung des Staates durch soziale Erweiterung und entsprechende Veränderung des Kulturangebots. Der traditionell elitäre Status der staatlich geförderten Kultur sollte unterlaufen, und, wie es damals hieß: ,Kultur für alle‘ verfügbar und wirksam gemacht werden. Über den Erfolg und die Auswirkungen dieser Wende im Verhältnis von Staat und Politik lässt sich streiten. Entscheidend ist, dass man aus heutiger Sicht die beflügelnden Impulse dieser neuen Kulturpolitik „utopisch“ nennt und damit zugleich als unrealistisch und wirkungslos ansieht. Demgegenüber wird ein neues, diesmal realistisches Denken kulturpolitischer Art gefordert und gepflegt. Die Kulturpolitik, so sagt
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man, müsse sich im Verhältnis von Staat und Politik ganz anders positionieren. Die Frage ist nur wie. Und dieses Wie ist eine wirklich offene Frage, und diese Offenheit charakterisiert die gegenwärtige Situation. Um eine Antwort auf dieses Wie zu finden, müssen die Verhältnisse genauer in den Blick genommen werden, in denen sich kulturpolitisches Handeln einrichten und auf die es sich beziehen muss. Und damit bin ich nun bei meinem engeren Thema angekommen, dem Strukturwandel der kulturellen Öffentlichkeit.
Strukturwandel der kulturellen Öffentlichkeit Die wichtigste Eigenschaft dieses Strukturwandels könnte man als Zerfall der kulturellen Öffentlichkeit bezeichnen, wenn man von der vor allem von Jürgen Habermas in seinem bekannten Buch über den Strukturwandel der Öffentlichkeit beeinflussten Vorstellung einer ursprünglich homogenen bürgerlichen Öffentlichkeit ausgeht, die sich als kritische Gegeninstanz zivilgesellschaftlichen Lebens gegen undemokratische Herrschaftsformen verstand. Zwar war die bürgerliche Öffentlichkeit nie so zentral und liberal wie Habermas sie beschrieben hat, aber verglichen mit heute war sie doch relativ homogen. In ihr artikulierten sich wirksam bürgerliche Partizipationsbestrebungen an politischer Herrschaft, – eine politische Kultur, die in die Grundlagen unseres Gemeinwesens eingegangen ist. Diese relative Homogenität hat sich langfristig, aber in jüngerer Zeit immer schneller, in verschiedene und ganz unterschiedlich vermittelte Bereiche aufgelöst. Einer übergreifenden Medienöffentlichkeit stehen heute urbane Öffentlichkeiten in verschiedenen dezentralen Räumen gegenüber. Zahlreiche unterschiedliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens haben ihre je eigenen Öffentlichkeiten entwickelt. Für die Kulturpolitik entscheidend ist die urbane Öffentlichkeit. Hier ist der Trend zur Vielfalt und Divergenz unübersehbar: Wir haben es mit einem heterogenen Kampf um symbolische Räume zu tun, um einen Kampf, der in Form einer, wie Wolfgang Kaschuba es genannt hat, „Politik der Bilder“ geführt wird. Hier geht es, um noch einmal Kaschuba zu zitieren, „um Wahrnehmung und Anerkennung, um Legitimierung und Konkurrenz, um Status und Würde – also in der Tat um eine lokale ‚Politik der Identitäten‘...“.3 Der öffentliche Raum wird zur umkämpften Res3
Kaschuba, Wolfgang: Der öffentliche Raum in Zeiten der Schrumpfung, http://www.tu-cottbus.de/BTU/Fak2/ TheoArch/wolke/deu/Themen/031/Kaschuba/ kaschuba.htm.
Strukturwandel der kulturellen Öffentlichkeit – Folgen für die Kulturpolitik
source, in dem Grenzen und Absichten, Strategien und mediale Repräsentationen verschwimmen. Inhaltlich wird diese fundamentale Unübersichtlichkeit durch ein erhebliches Wachstum und durch die Diversifizierung der kulturellen Angebote bestimmt. Damit einher geht ein zumindest relativer Publikumsverlust: Die Nutzer nehmen in Bezug auf die einzelnen Angebote ab. Eine Ausprägung dieser wachsenden Heterogenität bedarf beson derer Erwähnung: Die Entstehung kultureller Subkulturen, die vom allgemeinen öffentlichen Diskurs abgekoppelt sind. Was weiß z. b. die Mehrheitsgesellschaft schon von den Entwicklungen und inneren Differenzierungen des Islam? Und wo in der kulturellen Öffentlichkeit wird dieses Thema wirklich ernsthaft diskutiert und schon gar quer zur Trennung von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaften. Eine ganz andere, aber nicht minder wichtige, ja vielleicht sogar entscheidende strukturelle Änderung der kulturellen Öffentlichkeit betrifft die Form, in der Kultur wahrgenommen und rezipiert wird: Hier herrscht, wie vorhin schon angedeutet, ein massiver Wechsel der Perspektive von den Inhalten zur Form vor. Kultur wird zum Event, das sich in der massenhaften Wahrnehmung der Konsumenten manifestiert. Gegenüber dieser Massenhaftigkeit werden die Inhalte fast gleichgültig. In der kulturellen Öffentlichkeit herrscht das Gesetz der Ökonomie der Aufmerksamkeit, wie Georg Franck4 es formuliert hat. In dieser unwiderstehlichen Sogwirkung der Herrschaft der Zahl über die Qualität der Inhalte spiegelt sich ein genereller Trend des Umgangs mit Kultur (nicht nur) in unserer Gesellschaft wider: die Zunahme ökonomischer, eher betriebswirtschaftlicher Denkweisen. Das Leben der Kultur scheint sich auch von unten her an die überwältigende Macht des Marktes und seiner Gesetze anzupassen. Sonst würde in der Kulturpolitik nicht immer mehr von Kundenorientierung, Kulturmarketing, intelligentem Sparen usw. gesprochen. Noch können sich avantgardistische Entwicklungen in der Kultur behaupten, aber sie driften in Nischen des Kulturlebens ab und verlieren dadurch einen Gutteil ihres gesellschaftskritischen Impetus. Dass die neuen Medien diesen Trend verstärken, wenn sie ihn nicht gar hervorgerufen haben, versteht sich von selbst.
4 FRANCK, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. München: Hanser 1998.
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Ein ganz anderer Strukturwandel vollzieht sich aber im Verständnis dessen, was als Kultur gelten und zur Bezugsgröße politischen Handelns werden soll. Es ist eine Binsenweisheit, dass der traditionelle Kulturbegriff, der auf reflexive und repräsentative Sinnbildung abzielt, seine Konturen verloren hat. Kultur ist geradezu ubiquitär und damit freilich auch zugleich unterbestimmt und fließend geworden und wird daher auch in höchst unterschiedlicher Weise öffentlich wahrgenommen wird. Ohne eine eigene vertiefte Debatte darüber, was Kultur heute zur Angelegenheit politischen Handelns macht, wird es einen naturwüchsigen Rückzug auf den engeren, traditionellen Kulturbegriff geben. Es empfiehlt sich, diese Debatte mit einem Verständnis von Kultur zu führen, das an deren Orientierungsfunktion und an ihrer Eigenart als Sinnbildung anknüpft. Wenn nicht mehr alles gefördert werden kann, dann doch wohl nur das, was sich als orientierungsstarke Sinnbildung zivilgesellschaftlichen Lebens im Kampf um die Symbole erweist. Ohne eine aktive Beteiligung der Kulturwissenschaften wird sich eine solche Debatte kaum überzeugend führen lassen. Lange Zeit wurden Kultur und Kulturwissenschaften als zwei Sachverhalte angesehen, die eher in einem Außenverhältnis stehen. Das ändert sich gerade: Die Kulturwissenschaften selber stehen unter erheblichem Legitimitätsdruck, und dem können sie mit einiger Aussicht auf Erfolg nur dadurch standhalten, wenn sie sich als integraler Teil der Kultur verstehen und präsentieren, den die Gesellschaft zu ihrer geistigen Orientierung braucht. Hier sehe ich eine große Chance der Kulturpolitik. [...] Die Wissenschaften beziehen sich nicht nur instrumentell und rhetorisch, sondern aus der inneren Logik ihrer Erkenntnisleistungen selber auf die Praxis der Kultur, und sie gewinnen dadurch an kognitiver Bodenhaftung. Sie bieten sich damit der Kulturpolitik geradezu als natürliche Verbündete an. Die entscheidende Frage, um die es geht, wenn die Folgen des Strukturwandels der kulturellen Öffentlichkeit für die Kulturpolitik in den Blick genommen werden sollen, zielt auf ein prinzipielles Problem: Wofür hat die Kulturpolitik angesichts der skizzierten Wandlungsprozesse einzustehen? Worin besteht ihre Aufgabe, und wie kann sie ihr gerecht werden?
Tendenzen einer neuen Politik der Kultur Allgemein gesprochen, besteht die Aufgabe der Kulturpolitik darin, die Elemente und Faktoren der geistigen Sinnbildung zu ermöglichen
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und zu fördern, die für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft notwendig sind. Kultur wirkt in der Wirtschaft als Wirtschaftskultur, in der Politik als politische Kultur, in der Gesellschaft als Soziokultur – und die Kulturpolitik hat diese wirksamen Ingredienzien im Rahmen ihrer Möglichkeiten so zu fördern, dass die Sinn verbürgenden Fundamentalprinzipien unserer Gesellschaft nicht nur gewahrt bleiben, sondern immer wieder zur Geltung gebracht werden. Am Anfang steht natürlich die Sicherung der kulturellen Vorgaben, die in die Institutionen und Lebensbezüge unserer Gesellschaft schon eingegangen sind. Hier sind Kultur und Kulturpolitik Pflege der Tradition. Das klingt altmodisch, ist aber gerade angesichts der geschilderten Tendenzen zunehmender Heterogenität, Differenz und Vielfalt des kulturellen Lebens in seiner Bedeutung kaum zu unterschätzen. Wenn Kultur „Kampf um symbolische Räume“ ist, dann ist es die Aufgabe des Staates und demzufolge der Kulturpolitik, diesen Kampf sich friedlich vollziehen zu lassen. Die Kulturpolitik muß genau die kulturellen Regulative zur Geltung bringen, die einen Clash of Civilizations in ein produktives Verhältnis konkurrierender Diskurse verwandeln. Der demokratische Staat hat ein doppeltes kulturpolitisches Interesse: einmal daran, daß sich die kulturelle Vielfalt seiner Bürger entfaltet. Zugleich aber hat er ein ebenso starkes Interesse an der Bändigung und ihrer Zivilisierung dieser Vielfalt mit ihren antagonistischen Tendenzen. Zielpunkt dieses Interesses sind die gemeinsamen Prinzipien, die den Kampf regulieren und ihm selber entzogen sind. Als Beispiel eines solchen zivilgesellschaftlichen Prinzips kultureller Divergenz nenne ich nur das Toleranzgebot. Wir alle wissen, oder sollten zumindest wissen, dass dieses Toleranzgebot – eine große kulturelle Errungenschaft Europas aus dem Blutbad der konfessionellen Bürgerkriege der frühen Neuzeit – zur Regelung des Konfliktes der Kulturen im Innen- und im Außenverhältnis unserer Gesellschaft nicht ausreicht. Es ist das höchste politische Gebot der Stunde, unsere zivilgesellschaftliche Toleranzkultur in eine Kultur der wechselseitigen Anerkennung von Differenz weiterzuentwickeln. Goethe hat das so formuliert: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen“. Hier sehe ich eine entscheidende, wenn nicht die entscheidende Maxime kulturpolitischen Handelns heute: auf der Basis des Gleichheitsprinzips kulturelle Differenz im Modus der Wechselseitigkeit anerkennungsfähig zu machen. Das ist das Gegenteil von kulturellem Relativismus, sondern liegt in der Linie einer konsequenten Weiterentwicklung des Toleranzprinzips. Res-
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pekt und Anerkennung müssen wechselseitig sein; diese Wechselseitigkeit ist die zivilkulturelle Bedingung dafür, daß Vielfalt und Heterogenität von Kulturen ein Gewinn für alle sind. Dass und wie sich im Streit um die Symbole die heterogenen zivilgesellschaftlichen Kräfte unserer politischen und kulturellen Öffentlichkeit in einer erfolgreichen Weise bündeln und ihr Kampf um Bedeutung auch zu einem gesamtgesellschaftlich relevanten Ergebnis führen kann, dafür steht die lange Debatte um die Errichtung des Holocaust-Denkmals in Berlin. Die den Deutschen oft abgesprochene und wieder geforderte Streitkultur ist hier der Fall und kann sich grosso modo auch sehen lassen. Nur in der Form der Regulierung solcher zivilgesellschaftlich inspirierten Debatten kann die Tradition gepflegt und zur Geltung gebracht werden, auf der unser Gemeinwesen kulturell aufruht. Die Errungenschaften kultureller Zivilisierung der ungeselligen Geselligkeit des Menschen (wie Kant es genannt hatte) müssen im Kampf um die Symbole zur Geltung gebracht werden. Tradition ist dann kein fixer symbolischer Tatbestand mehr, sondern ein dynamischer Modus der Gestaltung von Diskursen, die zukunftsoffen sind und die immer neue Initiativen und Ideen zur Geltung kommen lassen. Sie gebiert aus sich selbst Potentiale unabgegoltener Zukunft, ja utopischer Sehnsüchten und Hoffnung. In dieser Form ließe sich Kultur in der Form einer zukunftsoffenen Nachhaltigkeit gegen den Sinnschwund durch die zwangsökonomische Eventkultur zur Geltung bringen. Dem dient auch die Ausrichtung der Kulturpolitik auf das Thema der Identitätspräsentation. Identität ist keine fixe Größe, die gleichsam unbeschädigt durch die Generationen hindurch transportiert werden muss. Sie ist aber auch keine Zwangsvorstellung sich selbst kolonisierender Lebenswelten. Sie ist vielmehr ein dynamischer Prozess reflexiver Selbstvergewisserung einer Gemeinschaft, die sich der Gemeinsamkeit ihrer Mitglieder in allen Unterschieden heterogener Zugehörigkeiten bewusst ist. Mit diesem Bewußtsein unterscheidet sich eine Gemeinschaft von anderen, und aus diesem Bewusstsein der Zusammengehörigkeit und Differenz von anderen heraus speist sich die geistige Kraft zukunftsfähiger Gestaltung. Das gilt auch ganz schlicht für die kommunale Ebene kulturpolitischen Handelns. [...] [...] Die Förderung zivilgesellschaftlicher Formen des kulturellen Lebens ist ein Gebot, das aus einem zeitgemäßen Verhältnis von Staat und Kultur geradezu zwingend abgeleitet werden kann. Die Kulturpolitik könnte damit auch in ihren staatlich geregelten Formen auf den verschiedenen Ebenen der Politik produktiv am Entstaatlichungsprozess
Strukturwandel der kulturellen Öffentlichkeit – Folgen für die Kulturpolitik
mitwirken, der ihr allemal verordnet ist. Da der Staat alle die Aktivitäten gar nicht mehr vollziehen (sprich: finanzieren) kann, die ein reges kulturelles Leben seiner Bürgerinnen und Bürger ausmacht, kann die Aufgabe der Kulturpolitik nur darin bestehen, die Handlungschancen zu erkennen und nachhaltig zu institutionalisieren, die in der zivilgesellschaftlichen Dimension des kulturellen Lebens selber beschlossen sind. Ein anderer Gesichtspunkt ist derjenige der kulturellen Nachhaltigkeit. Nachhaltig ist dann eine Kultur, die die Sinnressourcen des menschlichen Lebens nicht leichtfertig verbraucht, wie es ja allenthalben in den Massenmedien und in der Eventkultur geschieht, sondern pflegt, und wir wissen ja alle, dass Kultur ,Pflege‘ bedeutet. Nachhaltigkeit ist eine innere Qualität kultureller Phänomene. In ihr steckt die ungebrochene Kraft zukunfterschließender Traditionen, und mit ihr ließe sich ein neues Verständnis des Klassischen gewinnen. [...] Ich komme zum Schluss. [...] die Kultur hat eine dreifache soziale Funktion: Die der Deutung, die der Kritik und die der Utopie. Utopie als ein dem menschlichen Geiste anthropologisch universell einwohnendes Vermögen der Überschwänglichkeit ist der Kultur eingeschrieben. Der Strukturwandel der kulturellen Öffentlichkeit, den ich skizziert habe, lässt sich mit guten Gründen als Ende der Utopie charakterisieren, die im kulturpolitischen Aufbruch der 60er und 70er Jahre wirksam war. Aber damit ist nicht gesagt, dass die Kultur ihr utopisches Potential verloren hat und die Kulturpolitik nunmehr zur Vernunft betriebswirtschaftlichen Denkens gebracht werden muss. Im Gegenteil: Die von mir skizzierten Aufgaben der Kulturpolitik in der Zivilisierung des Kampfes um den Raum öffentlicher Symbole, des Streites um historische Identität, des Ringens um eine Kultur der Anerkennung, der Initiierung von Nachhaltigkeit in der Kultur selber – all dies kann nur in Angriff genommen werden und hat nur eine Chance des Gelingens, wenn in diesem Handeln die utopische Qualität der Kultur lebendig ist. Denn schließlich ist auch die Kulturpolitik ein Teil der Kultur, und nicht der schlechteste. Ich hatte eingangs gesagt, dass die kulturelle Grundnorm unserer Lebensform die Menschenwürde ist, auf die hin die drei Fundamentalprinzipien moderner Gesellschaften westlichen Typs: Freiheit, Gleichheit und Solidarität hin konvergieren. Kulturpolitik setzt diese Grundnorm in ein Handeln um, das unter zunehmend schwieriger werdenden Bedingungen dafür sorgt, dass unserer Gesellschaft nicht der Atem der Humanität ausgeht. Die Luft für diesen Atem wird schlechter: Eine
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schleichende Naturalisierung unseres Selbstverständnisses als Menschen, eine zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche, die Verschwendung lebenswichtiger Sinnressourcen in der Eventkultur und vieles mehr verlangt eine Antwort. Es ist an uns, diese Antwort zu geben, indem wir uns auf den Strukturwandel der kulturellen Öffentlichkeit einlassen und in ihr eine Politik der Humanisierung betreiben, für die historisch die hohe Zeit der bürgerlichen Kultur in Deutschland steht. [...]
Quelle www.joern-ruesen.de/5.200_Strukturwandel_der_kulturelle_Offentlicheit.pdf
Cultivate and Disseminate the Core Socialist Values 1 Xi Jinping
February 24, 2014 We must take cultivating and disseminating the core socialist values as a fundamental project for integrating the people’s mindset and reinforcing our social foundations. We should inherit and carry forward the fine traditional Chinese culture and virtues, disseminate the core socialist values and educate the people extensively, guide and encourage the people to act according to them, to respect and follow moral standards, to pursue lofty moral ideals, and to reinforce the ideological and moral foundation of socialism with Chinese characteristics. Core values, a fundamental factor for the texture and orientation of a culture, are the soul of cultural soft power and a key to building a nation’s cultural soft power. In essence, cultural soft power depends on the vitality, cohesion and appeal of the core values of a nation. Therefore, cultivating and disseminating the core values and effectively integrating the people’s mindset is an important means of ensuring that the social system operates in a normal manner and that the social order is effectively maintained. It is also a major aspect of a nation’s governing system and capability. Facts prove that to successfully build a set of core values with strong appeal is connected with a country’s social harmony and stability, as well as its long-term peace and order.
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Main points of the speech at the 13th group study session of the Political Bureau of the 18th CPC Central Committee which Xi presided over.
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To cultivate and disseminate the core socialist values we must take traditional Chinese culture as the base. All concrete core values are deeply rooted. So, to renounce such values is tantamount to severing our cultural lifeline. The extensive, profound and outstanding traditional Chinese culture is the foundation for us to stand firm upon in the global mingling and clashing of cultures. The long-developed Chinese culture embraces our deepest intellectual pursuits. It is an icon of the unique Chinese nation, and has ensured the lineage, development and growth of the Chinese nation. Traditional Chinese virtues are the essence of Chinese culture, and embody rich ethical and moral resources. Only by etching these values in our minds can we forge ahead, and only by carrying forward what our ancestors have left us can we learn to be more creative. With regard to values, perceptions and ethics handed down for generations, we should make the past serve the present, discard the dross and keep the essential, eliminate the false and retain the true, and put forth new ideas. That is to say, we should treat and inherit them with a critical approach, and cultivate and educate the people with the Chinese cultural legacy. We need to explain clearly the historical origin, evolution and basic tendency of the outstanding traditional Chinese culture and its uniqueness, perceptions and distinctive features, so as to enhance confidence in Chinese culture and values. We should work hard to absorb the philosophical and moral essence of traditional Chinese culture, foster and disseminate our national character with patriotism at the core and at the call of the times, highlighted by reform and innovation, and identify and explicate their essential features of benevolence, people-orientation, integrity, righteousness, concordance and common ground. We should properly handle the relationship between inheritance and innovation, with the focus on transforming and developing the fine traditional Chinese culture in a creative way. We should make the core values the people’s pursuit and conscious actions through education, publicity, cultural edification, habitual development and institutional guarantee. A fine example has boundless power. All Party members and officials must take the lead in studying and spreading the core socialist values, influence and encourage other people to follow their exemplary behavior and noble personalities.
Cultivate and Disseminate the Core Socialist Values
We should spread the socialist values among children and students, ensuring their inclusion in textbooks and lectures so as to let everyone be aware of them. Like spring drizzle falling without a sound, we should disseminate the core socialist values in a gentle and lively way by making use of all kinds of cultural forms. We should inform the people by means of fine literary works and artistic images what is the true, the good and the beautiful, what is the false, the evil and the ugly, and what should be praised and encouraged, and what should be opposed and repudiated. The core socialist values can hardly be effective unless they are put into practice, for only then may the people understand and observe them. We should pay close attention to connecting what we propose to the people’s daily life in a manner as detailed and practical as possible. We must uphold the core socialist values when strengthening rules and regulations in all sectors, formulating codes of conduct for students and other citizens in both urban and rural areas so as to turn the core socialist values into basic guidelines for the people’s daily life and work. We should create some forms of ceremonies and conduct various memorial and celebration events to disseminate mainstream values and enhance the people’s sense of identity and of belonging. Efforts should be made to integrate the requirements of the core socialist values into various activities concerning intellectual and cultural progress, so as to attract more people to participate in such activities, upgrade their moral outlook and foster civic virtues in society for family happiness, extending care to others and contributing more to society. We should make use of every opportunity to make this happen, anytime and anywhere. We should give full play to our policies concerning the economy, politics, culture and society to better serve the cultivation of the core socialist values. Laws and regulations should act as a driving force for the spread of core values. Moreover, all social administrative agencies should make it their responsibility to advocate the core socialist values and reflect them in their routine work so that all activities conforming with the core values are encouraged and those running counter to the core values are rebuffed.
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Xi Jinping Source Jinping, Xi (2014): “Cultivate and Disseminate the Core Socialist Values”, Speech at the 13th group study session of the Political Bureau of the 18th CPC Central Committee, February 24, 2014, in: Jinping, Xi (ed.): The Governance of China, Beijing: Foreign Languages Press Co. Ltd., pp. 181–184. Der Wiederabdruck erfolgt mit freundlicher Erlaubnis durch die diplomatische Vertretung der Volksrepublik China in Deutschland.
III.
Zur Legitimation und Dekonstruktion der Notwendigkeit staatlicher Kulturförderung
Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik Theodor Heuss
Werte Versammlung! Gerade in diesem Kreis wird es erlaubt sein, das Wort „Kultur“ zunächst in den Händen etwas hin und her zu drehen, nicht als ob es mir auf wortreiche Definitionen ankomme, was denn eigentlich Kultur sei. Es ist ein Lieblingswort der Deutschen geworden, und sie betreiben die Gegensatzhaltung zur Zivilisation als ihre Spezialität so sehr, daß „la culture“ von den anderen fast schon mit Ironie gebraucht wird. Das Wort „Kultur“ ist so das Dauernde, das Gute, das Gewachsene, das Geistige gegenüber dem bloß Technisch-Bequemen der Zivilisation. Diese Linie will ich nicht verfolgen. Es würde dabei herauskommen, daß zivilisatorische Leistungen der Vergangenheit, wenn einmal die Patina der Geschichte darauf liegt, – römische Aquädukte, mittelalterliche Brücken, die auch einmal zivilisatorisch gedacht waren, – in eine Aura spiritualis des Kulturellen gekommen sind. Unser Sprachgefühl setzt sich dabei seltsam ab. Die Kultur will als ein spezifisch Geistiges gelten und sich vom Machtpolitischen und Sozialökonomischen abheben. [...] Ist Kultur machbar, wie es unzweifelhaft die Zivilisation ist? Übersetzen wir einfach einmal: Was ist denn Kultur? Colere heißt pflegen. Der Ursinn dieses „Pflegens“ ist in der Komplexität der Dinge schier völlig untergegangen. Die „Kulturgeschichte“, die „Kultursoziologie“ laufen daran vorbei. Die Abteilungen in den Ministerien finden die Dinge in rechtlicher Zuständigkeit geordnet und damit registrierbar gemacht. Eigentlich ist dieser Ursinn des Pfleglichen nur dort noch vorhanden, wo man im Wortgebrauch von einem „kultivierten Mann“, einem „kultivierten Haus“ spricht. Hier liegt also eine Verschiebung des Sinns vor, der sich isoliert hat von einer bestimmten Bindung. Der Kultur zu dienen,
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dürfte nur bedeuten: pfleglich sein. Wem denn pfleglich? Dem Kreatürlichen, dem Wachstümlichen, dem Menschlichen? Aber wie verträgt sich das nun mit „Politik“? Denn Politik heißt gemeinhin: nicht pfleglich sein. Ich weiß, daß das eine SchwarzWeiß-Zeichnung ist. Vielleicht ändert man die Fragestellung und sagt statt „Kulturpolitik“ „Kräfte und Grenzen einer Kulturverwaltung“; das Machtpolitische tritt dabei zurück. Vor etwa 25 Jahren hat in der demokratischen Reichstagsfraktion einer gesagt: Sie, Heuss, als Kulturpolitiker werden doch mit dieser Maßnahme einverstanden sein? Worauf ich die etwas unwirsche Antwort gegeben habe: „Mit Politik kann man keine Kultur machen; vielleicht kann man mit Kultur Politik machen“. Ich kann nicht sagen, daß diese wohl etwas snobistische Bemerkung mich damals in dem Kreis meiner Freunde sehr populär gemacht hatte. Aber ich habe das Paradox, wovon noch zu sprechen sein wird, manchmal bestätigt gefunden; denn mit Politik – das haben wir erlebt – haben wir Kultur verjagt, nicht bloß Menschen, Künstler, Gelehrte, sondern auch Werte. Wir sahen dies, daß „Kultur“, die Werke eines möglichen geistigen Schöpfertums, mißbraucht wurden als Zweckform der macht- und parteipolitischen Auseinandersetzung. Und das geht in Teilen des Vaterlandes, in einem Wechsel der Tonlage, so weiter. Und wissen doch zugleich dies, daß eine freie, saubere und sichere Darstellung geistiger Leistungen, in der Kunst, in der Wissenschaft, in der Erziehung, wenn sie nicht das eingeengte politische „Ziel“ hat, die breite politische Wirkung haben kann. Das geschieht in der zweckentbundenen Darbietung des eigenen besten Wesens, zu dem auch die Freiheit gehört, dem andern, dem „Fremden“ anständig danken zu können. Da nun von „Politik“ die Rede sein soll, geht es vorzüglich um den Staat, um sein Verhältnis zu den geistigen Dingen. [...] Die Problematik der nationalsozialistischen Periode ist für den Historiker auf diesem Gebiet zunächst organisatorisch bedeutsam. In der Weimarer Zeit gab es für diese Dinge eine Art von Teil-Ressort, die Kulturabteilung im Reichsinnenministerium. Daraus sind dann zwei volle Ministerien gemacht worden, das Reichsunterrichtsministerium und das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda. [...] Und wir haben erlebt, daß sehr schnell Kunst, Theater, Dichtung nicht mehr als in sich ruhende Werte „Kulturwerte“ pflegsame Sachen waren, sondern daß sie Werkzeuge des Macht- und Partei-Politischen werden mußten. Das Wort, das ich vorhin zitierte, fand eine schmerzhafte Bestätigung, nämlich, daß man nicht mit Politik Kultur, aber mit dem, was man für Kultur erklärte, Politik machen konnte.
Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik
[...] Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik 1945! Zeit der Unkraft, Menschenmangel, innere Gegensätze, – wo wieder den Ansatz finden? [...] Die politische wie die rechtliche Sonderlage führte früh zu dem Versuch freier Verständigung und Vereinbarung. Es war wohl im Dezember 1945, da hatten wir die Kultusminister aus München und Wiesbaden mit ihren nächsten Mitarbeitern hierher geladen: erste Bestandsaufnahme, erster Vergleich der Plane, Austausch der Erfahrungen mit der Besatzungsmacht. Diese Begegnung, auf die amerikanische Zone beschränkt, war die erste Keimzelle der späteren Kultusministerkonferenzen. Wie waren wir froh, bei einer der nächsten Begegnungen den Vertreter Niedersachsens unter uns zu haben, dann die Vertreter der französischen Zone. Ich selber habe amtlich nur den Beginn dieses Verfahrens miterlebt, aber es hat sich als unentbehrlich entwickelt und ist, aus der inneren Logik der Dinge heraus, zu einem festen Politikum des Ausgleichs oder doch des Versuches zu ihm geworden, auch wenn im Grundgesetz davon nichts vermerkt ist. Das dynamische Bedürfnis füllt einen statischen Leerraum der Paragraphen. Das Ganze ist deshalb so wichtig, weil im Bundesrat selber für die Erörterung der Fragen die staatsrechtlichen Voraussetzungen fehlen: die „Kräfte“ einer Kulturpolitik haben mit einer wirkungsvollen Eigengesetzlichkeit die „Grenzen“ reguliert. Und es ist ein Gewinn, daß die Gesamtkonferenz der Länderminister nun doch die Fühlung aufgenommen hat mit dem Kulturausschuß des Bundestages, der, unmittelbarer legislativer Zuständigkeiten beraubt, einfach durch seine Konstituierung als Symbol eines gemeindeutschen Bewußtseins wirkt. [...] Aber das ist immer so, daß auch die Demokratie, die allen das gleiche Recht und die gleiche Chance gibt, dankbar sein muß für die, die einen aktiven Willen formen im Ernst und im Spiel. Hier ruhen auch die wesenhaften Kräfte für ein volkhaftes Kulturbewußtsein, das auch Zuwachs an Staatsbewußtsein bringen wird. Was ist in Deutschland an Freiwilligkeit erdrückt worden, an redlichem, ehrenamtlichem Wirken abgestorben! Wieviel möchte sich wieder regen, wieviel hat sich wieder geregt trotz aller Mühseligkeiten! Unser heutiger Staat hat da ein böses Erbe angetreten! Er muß sich seiner Sondersituation bewußt bleiben, daß ihm gegenüber als einem Unternehmer in Kulturwerten nach der brutalen Übermächtigung des Religiösen, des Geistigen, des Wissenschaftlichen, des Künstlerischen im System des totalitären Staates tief es Mißtrauen begegnet. Und während er dieses Mißtrauen spürt, auch
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seine tiefere Verursachung, bekommt er gleichzeitig die Briefe, die Förderungen, die Vorwürfe und Erwartungen, er solle dies und jenes helfen, das und das machen, und vielleicht nur, weil er ein Verwalter des Etats ist. Die Schichten, denen es eine Tradition war, im freien Dienst am Geistigen „Kulturpolitik“ ohne Nebentöne zu machen, das Mäzenatentum, von dem Bibliotheken, Theater, Orchester mitlebten, sind in zwei Inflationen reduziert. Noch sind die Nachfahren nicht gesichert. Gibt es neue tragende Schichten? Wie ist ihre Gesinnung? Ich halte es für eine wunderschöne Sache, daß jetzt die sogenannten „Ruhr-Festspiele“ mit vom Deutschen Gewerkschaftsbund getragen werden als ein Aufnehmen von Verantwortungen, die früher außerhalb seiner Ziele und Geschäfte gelegen waren. Ist das Wort „Grenzen“, das in meinem Thema steht, nun etwa so zu verstehen, daß es sich nur um die Begrenzung der Etatpositionen gegenüber den kulturpolitischen Bedürfnissen handelt? Da würde der Bundespräsident hier stehen als der Tröster für erfolglose, als der Ermunterer für erfolgreiche Etatreferenten. So ist es nicht! Das tragisch lange Kapitel ist schon ein paarmal angeklungen, von den Schulbauten, über die Klassengrößen, von den Lehrmittel sorgen zu dem Ruf nach Geld für die Institute der wissenschaftlichen Forschung; Theaterkündigungen hier, Orchesterauflösungen dort; von dem Elend von Malern, Dichtern, Musikern kaum zu reden. Es ist die bedrückendste Not dort vor allem, wo das Wagnis des freien Berufes, der eine echte Berufung sein konnte, den Ruhm von gestern – und es war oft ein echter Ruhm darunter – beim Wohlfahrtsamt kassieren geht. Daß ich diesen Katalog der Sorgen und Klagen, in denen auch Anklagen stecken, noch einmal reihe, will nichts anderes bedeuten als einen Anruf, die kulturpolitischen Dinge in ihrem überzeitlichen Rang zu sehen. Erbe kann untergehen, Samen kann verderben, wenn Notzeiten meinen: ja, das ist schon recht, aber es eilt nicht so. Es eilt schon. Sachgüter sind ersetzbar und unterliegen dem Verschleiß, aber das im Menschen „investierte“ Kapital ist das, was Frucht trägt, hier die berechenbare, dort die unberechenbare Frucht, hier die Gesundheit, die Arbeitstüchtigkeit, die Berufschance, dort die Werte der ethisch-religiösen Gewißheit, der geistigen Freiheit, der im Schöpferakt der Kunst und in der Hingabe geschenkten Lebenserhöhung. [...]
Quelle Heuss, Theodor (1951): Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik. Tübingen, Stuttgart: Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins.
Was heißt und zu welchem Ende treibt man Kulturpolitik? Werner Richter
Über den Begriff und das Ziel deutscher Kulturpolitik zu einer Zeit zu sprechen, welche das Schicksal Deutschlands und der Welt im Nebel verschwimmen läßt, ist sicherlich ein gewagtes Unterfangen. Indem ich unserer Betrachtung den Titel gebe: „Was heißt und zu welchem Ende treibt man Kulturpolitik?“ und damit an den Wortlaut einer akademischen Vorlesung Schillers anknüpfe, möchte ich zum Ausdruck bringen, daß es sich für uns um eine Betrachtung handeln wird, die ihre Orientierung in theoretischem Felde sucht. Kulturpolitik hat, sofern sie das praktische Bedürfnis des Tages im Auge hat, nicht den Anspruch, Lehrgegenstand der Universität zu sein. Aber das Wesen der Kulturpolitik kristallisiert sich im politischen Ineinander und Miteinander, und die politischen Verflechtungen des Ineinander und Miteinander zu studieren, sollte zur Forschungsaufgabe der Hochschulen gehören. Vor einiger Zeit begann ein Professor der Pädagogik, der heute Kultursenator ist, seinen Vortrag über die deutsche Kulturpolitik seit 1945 mit der Erklärung, das Wort Kulturpolitik schillere beim ersten Hinsehen in allen Farben; aber er fügte doch hinzu, von Kulturpolitik zu reden, heiße zeigen, was von politischen Instanzen und Mächten im kulturellen Leben geschaffen oder beseitigt, angeregt oder abgewehrt wird. Es geht in der deutschen Kulturpolitik nicht ohne den Staat. Sein Vorrang im kulturellen Leben ist geschichtlich begründet. Das Wort ,Kulturpolitik‘ ist in Deutschland erst in den letzten beiden Menschenaltern hervorgetreten. Soweit ich sehe, macht kein großes deutsches KonversationsLexikon bis zum Jahre 1927 Angaben über den Begriff der ,Kulturpolitik‘. Auch der soeben erschienene ,Brockhaus‘ übergeht die ,Kulturpolitik‘, während er über Kulturphilosophie, Kulturtheorie, Kulturkritik, Kultursoziologie usw.
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Auskunft gibt. Ein Gleiches gilt vom 1954 erschienenen ,Großen Herder‘, in dem weder unter den alphabetischen Stichworten noch im Sammelband 10 das Wort ,Kulturpolitik‘ erwähnt wird. Nun ist ja das Wort Kultur in deutschen Landen überhaupt jünger, als man denkt. Im 18. Jahrhundert wird es von Mendelssohn als neuer Ankömmling bezeichnet, der bloß zur Büchersprache gehöre und den der gemeine Haufe kaum verstehe. Der deutsche Sprachgebrauch liebt auch, die Kultur von der Zivilisation zu trennen. Die ideelle geistige und sittliche Kultur soll sich von der materiellen rationalisierten und technisch organisierbaren Zivilisation abheben. Man wehrt sich dagegen, das Ganze so zu erfassen, wie es der Westen mit dem Begriff der Zivilisation tut, indem er den sozialen Fortschritt dem materiellen wie dem geistigen Bereich zuerkennt und in die Zivilisation auch ohne weiteres die Gesittung einschließt. Einer rein intellektuellen Färbung des Begriffes der Kultur pflegt der Westen auszuweichen, so sehr auch die Idee der Ausbreitung französischer Kultur zeitweise von messianischen Antrieben getragen war. In Deutschland hat man offenbar das Organisieren und die bewußte Zielsetzung in kulturellen Fragen erst recht spät im Sinne programmgebundener kulturpolitischer Arbeit verstanden. Auch in den Staatshandbüchern, etwa aus den Jahren 1913-1928, fehlt das Wort ,Kulturpolitik‘. Wir schlagen das bei Herder erschienene Staatslexikon des Jahres 1929 auf. „Der Begriff der Kulturpolitik ergibt sich aus dem Wesen des modernen Kulturstaates“, heißt es da1 Kulturpolitik ist nach dem Staatslexikon erstens bewußter Einsatz für kulturelle Aufgaben und Zwecke und zweitens bewußte Bestätigung auf diesem gebiete innerhalb des Staates. Das heißt also, daß sowohl der Staat selbst als auch Organisationen und Kräfte innerhalb des Staates Kulturpolitik treiben. Wo es sich um die Kulturpolitik von Kräften innerhalb des Staates handelt, wird sich diese Arbeit notwendigerweise auch im Spannungsfeld abspielen, das zwischen Staat und Kultur von jeher bestanden hat. Man mag zum Beispiel an Wilhelm von Humboldts aus seiner Jugend stammenden Ausspruch erinnern, daß das kulturelle Leben ohne den Staat unendlich viel besser gehen würde und sich gleichzeitig ins Gedächtnis rufen, daß Wilhelm von Humboldt später dazu berufen war, Staat und Kultur durch die Praxis in Ausgleich zu setzen. Von den Kräften und den Grenzen einer Kulturpolitik hat auch der Herr Bundespräsident vor einigen Jahren gesprochen und dabei den Satz geprägt: „Mit Politik kann man keine Kultur machen, vielleicht kann man mit Kultur Politik machen“; aber der Herr Bundespräsident 1
Der Artikel stammt von Georg Schreiber, dort auch Abdruck des Briefes von Lamprecht.
Was heißt und zu welchem Ende treibt man Kulturpolitik?
hat diesen Ausspruch nicht entfernt so axiomatisch gemeint, wie er klingt. Er erläutert ihn alsbald durch Anerkennung der Problematik und geschichtlichen Bedingtheiten, die im Begriff der Kulturpolitik stecken2. Die Tatsache, daß das Wort ,Kulturpolitik‘ so spät in das deutsche Sprachleben getreten ist, spricht doch wohl dafür, daß ein kultureller Organisationswille vorher im Bewußtsein des deutschen Volkes nicht recht lebendig war, oder dafür, daß ein politischer Wille, der hinter kulturellen Kräften wirkte, nicht unverhüllt und eindeutig zutage trat. Man kann sich nun über Aufgaben und Möglichkeiten einer Kulturpolitik nicht verständigen, wenn man den Begriff der Kultur nicht genauer bestimmt. Kultur ist uns ein Gesamtgebilde, das in Kunst und Wissenschaft, in Wirtschaft und Recht sowie in den allgemein menschlichen und sozialen Belangen nach Gestaltung strebt. Dieses Gebilde stellt ein ineinandergreifendes und ordnendes Wertsystem dar, welches das Leben der Gemeinschaft und des Einzelnen trägt und beeinflußt. Indem wir das Organische der Kultur von der Zivilisation scheiden, stellt sich uns nun sofort die Frage entgegen: Kann Kultur gemacht werden? Die einfachste Antwort darauf wäre, Kultur kann natürlich nicht gemacht werden, aber sie kann zum mindesten gepflegt werden. Wir nehmen den Staat einen Augenblick beim Wort. Braucht man den Ausdruck ,Kulturverwaltung‘, so nimmt man offenbar an, daß Kultur nicht nur gepflegt, sondern verwaltet werden könne. Aber so einfach liegen die Dinge nun doch nicht. Kein Staatsmann wird sie so einfach sehen. Das erste und schwierigste Problem, das hier nur gestreift werden kann, liegt beim Kulturprozeß schon im Verhältnis zwischen der Gesamtheit und dem schöpferischen Einzelnen. Der schöpferische Einzelne kann Kultur schaffen, kann die Kultur bereichern und beeinflussen. Aber die Gesamtheit als solche kann es seltener, sie ist mehr empfangend und konsumierend. Wieweit man aber auf dem Gebiete der Kultur die Gesamtheit beeinflussen kann, das ist eine entscheidende Frage. Die amerikanische Soziologie hofft im Gefolge von Comte, die gesellschaftlichen und kulturellen Vorgänge einmal in gleichem durchschaubar zu mache, wie das bei Naturvorgängen gelegentlich gelungen ist. Technische Berechenbarkeit und technische Lenkbarkeit sollen sich auf das gesellschaftliche und kulturelle Leben übertragen lassen und später einmal die Völker und die Menschheit vor Fehlleitungen bewahren. Man verweist darauf, wie häufig die Kultur zur Meisterin und Gestalterin der Natur geworden sei, wie die Kul2 Theodor Heuss, Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik, Tübingen und Stuttgart, Rainer Wunderlich Verlag, 1951.
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tur die Natur habe korrigieren können. Man braucht nun nicht einmal Hegelianer zu sein, um zu wissen, daß der Kulturprozeß menschlichen Berechnungen immer nur in beschränkten Maße zugänglich ist, um zu wissen, wie sehr er sich der bewußten Einflußnahme entzieht. Man führt das wohl auch auf die Differenziertheit und Verwickeltheit des modernen Lebens zurück oder auf seine Intensität und gesteigerte Dynamik. Es handelt sich beim Kulturprozeß um die Entwicklung und Erinnerung des sich als Geist wissenden Geistes, der aus der schöpferischen Tiefe lebt und, obwohl er von individueller Kraft genährt wird, das Individuum schließlich hinter sich läßt. Man pflegt die Kultur mit der Struktur eines Organismus zu vergleichen. Man spricht von einer Kultur-Entelechie3. Man hat die Biologie und Technologie der sogenannten Kulturseelen aufzudecken versucht. Alle diese Vergleiche deuten auf die Autonomie, auf das Ineffabile kulturellen Lebens. Geburt und Wachstum, Blüte und Verfall liegen jenseits menschlicher Einwirkungsmöglichkeiten. So wenig man dem Meere gebieten kann, so wenig vermag man den Ablauf von Kulturen zu lenken. Aber der Mensch des Kulturprozesses will nun einmal Einfluß auf das Werden und Wachsen nehmen. Er muß seine Hand an den Pflug legen. Wäre es anders, so gäbe es nur Geschichte und keine Politik, Kultur, aber keine Kulturpolitik. Einen reinen Determinismus gegenüber der kulturellen Entwicklung hat es ebensowenig jemals gegeben als einen reinen Determinismus gegenüber dem Geschichtsprozeß. Das „unda fert nec regitur“ ruft auch für den Kulturprozeß das Bild des Schiffers herauf, der die Wogen zu meistern versucht. Man lernt die Kunst des Steuerns nicht, um Wind und Wetter zu beeinflussen, sondern um trotz Wind und Wetter das Schiff hindurchzusteuern. Wohin trägt uns aber die Woge der heutigen Kultur? Im Gedränge der Zeit ringt die Kultur-Philosophie mit dieser Frage gleichsam Stunde um Stunde. Haben wir unsere Kulturhöhe überschritten, haben wir unsere Kulturmöglichkeiten erfüllt, erschöpft oder verbraucht? Können wir, wie Toynbee es will, den Herausforderungen noch mit unserem Willen begegnen und bis zu welchem Grade? [...] Schon 1926 hat Eduard Spranger die Worte gesprochen4: „Wir sind in eine Krise eingetreten, die nicht von heute auf morgen zu lösen ist. Dem Kurzblick mag sie als Verfall erscheinen; aber nur ihm. Dem weltgeschichtlich erweiterten Blick erscheint die Krise als Ritardando einer sich anknüpfenden Wieder3 4
Eduard Spranger, Kulturfragen der Gegenwart, Heidelberg. Quelle und Mayer, 19S3. S. 30 f. Spranger a. a. O. S. 40
Was heißt und zu welchem Ende treibt man Kulturpolitik?
geburt“. Nun werden wir sagen müssen, daß dieses Ritardando schon etwas lange anhält, und wir werden auch nicht leugnen können, daß der Mensch der Gegenwart von einem Urgefühl menschlicher Bangigkeit heimgesucht wird. Eine Sehnsucht nach vergangener Eindeutigkeit darf doch wohl als symptomatisch für unsere Lage angesehen werden. Die optimistische Fortschrittstheorie des 18. und 19. Jahrhunderts ist dahingesunken. Wir leugnen heute nicht mehr, daß die Kultur als Ganzes nicht fortschreitet, vor allem nicht die sittliche Kultur. Nur bestimmte Elemente dessen, was man Kultur oder Zivilisation nennt, weisen einen Fortschritt auf. Jede technische und naturwissenschaftliche Entdeckung oder Erfindung führt überdies zu neuen Verwicklungen und zu negativen Begleiterscheinungen, und die jüngste Vergangenheit lehrte noch einmal, daß die Menschheit vor zeitweilig wiederkehrenden Rückfällen in die Barbarei primitiverer Bewußtseinslagen nicht geschützt ist. Die Bewußtheit der Kulturkritik, die von Kierkegaard, Niebuhr, Tocqueville, Jakob Burkhart, Tolstoi über Spengler hinausreicht, scheint eine alternde Weltzeit zu spiegeln; sie leistet einer Neurose des Zeitgefühls bedenklichen Vorschub. Aber wir werden doch auch sagen müssen, daß unsere Epoche durchaus nicht nur von der ,Lust am Untergang‘, von Katastrophengefühlen, beseelt ist. Man vergleiche sie mit der Apokalyptik vor 1933 und mit dem Niederbruch von 1945, dann wird man erkennen, ein wie starker Lebens- und Behauptungswille sich heute überall geltend macht. Die meisten kulturellen Maßnahmen, die vor 150 Jahren vom Staate in Angriff genommen wurden, die Einführung der Schulpflicht, die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Neubegründung der Humanitätsideale in Wissenschaft und Schule waren von einem Glauben an Fortschrittsmöglichkeiten beseelt, der uns heute verloren gegangen ist. Dieser mangelnde Glaube ist es, der unsere Zeit in ihrer kulturpolitischen Arbeit lähmt. Spengler hat von einem Kulturressentiment gesprochen, das „den historisch erarbeiteten Wertgehalt der gegebenen Kultur nicht mehr will“. So etwas flimmert im östlichen Raum gespensterhaft vor unseren Augen, und es bedrängt wie ein Alpdruck unser eigenes Kulturgefühl. Kulturschwermut und Kulturangst liegen über unserer Zeit. Vier Dinge, die unsere Kulturarbeit lähmen, hebe ich heraus. Das erste ist die gesamtpolitische Lage, die Auswirkungen der Niederlage und der Dinge, die sie hervorgerufen haben. Ernst Robert Curtius hat einmal von den Franzosen gesagt, ihr Zivilisationsgefühl sei Kontinuitätsbewußtsein. Kontinuitätsbewußtsein ist in jedem Volke für die
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Fortentwicklung der Kultur vonnöten. Die geistige Kontinuität ist in Deutschland im Jahre 1933 ganz bewußt unterbrochen worden. [...] Sucht man nach neuen Bildungsidealen, welche die dunkle Zukunft erleuchten konnten, so bieten sich als Vehikel zwei politische Ideen an, die Idee der Wiedervereinigung Deutschlands und die Europa-Idee, welche Deutschland mit dem Westen zusammenführt. Man sage nicht, daß dies rein politische Ideen seien. Die treibenden Kräfte geschichtlichen Lebens, die von den Wunschträumen und Sehnsüchten eines Volkes genährt werden, mögen sich wie von selbst in Bildungsideen umsetzen. [...] Die Idee der Wiedervereinigung enthalt zunächst Elemente der Vergangenheit, sie geht auf die Restitution eines verlorenen Zustandes zurück. In dem Augenblick, wo man sie auch zum Bildungsgedanken ausgestalten wollte, steht man einstweilen noch im Nebel. Die Idee wird auch verdunkelt durch die ungeheure Problematik, welche sich ihrer Durchführung selbst dann entgegenstellt, wenn ihre Verwirklichung von den Ost- und Westmächten zugelassen wird. Unleugbar hat diese Idee ein hohes Maß von Werbekraft. Solche Restitutions-Ideen haben auch das kulturelle Leben anderer Völker in früheren Epochen in Atem gehalten. Der sehnliche Wunsch nach Wiedervereinigung ist Ausdruck volkhafter Selbstbehauptung. Wäre er aber nur durch Ablösung von der westlichen Völkergemeinschaft zu erkaufen, gäbe sich Deutschland erneut der Illusion hin, es könne als politisch unabhängiger Mittler zwischen Ost und West leben, so wäre der auf solchen Gedanken ruhende Aufbau eines nationalen Bildungsideals mit Gefahren für den zukünftigen geistigen und seelischen Zustand des deutschen Volkes verknüpft. Der Weg des deutschen Volkes ginge dann im Gegensatz zu andersgerichteten Wünschen vom risorgimento zur Restauration, und immer drohte die totalitäre Sturmwelle einzubrechen. Daß Deutschland noch einmal von dem autarkischen Gedanken leben konnte, es sei Land der Mitte, können nur die glauben, die sich einem utopischen, nach rückwärts gerichteten Wunschbild verschreiben. Dann gälte der von Gottfried Brenn geprägte Satz: „Es gibt keine Restauration. Die geistigen Dinge sind irreversibel, sie gehen den Weg bis ans Ende, bis ans Ende der Nacht“. Sie sind 1945 bis ans Ende gegangen. Deutschland könnte heute nur dann wieder ein Land der Mitte sein, wenn diese Mitte aus einem Gefüge bestände, das Frankreich und andere Länder einschließt. Zentraleuropa gibt es nicht mehr, sondern höchstens Europa als eine Weltmitte im politischen und geistigen Sinne.
Was heißt und zu welchem Ende treibt man Kulturpolitik?
Nun steht die Wiedervereinigungs-Idee auch in einer verwickelten Dialektik zur Europa-Idee. Das Problem wäre, wie man dem Gedanken der Wiedervereinigung den Stachel des Nationalismus und des Restaurativen nähme, wie man ihn so realistisch erfaßte, daß eine Harmonisierung mit dem Europa-Gedanken gelänge. Die EuropaIdee aber ermangelt ihrerseits noch der Umrisse und eines ausreichenden Gehalts. So wie sie im Augenblick aussieht, könnte sie allein auch nicht ein Bildungsund Lebensideal der deutschen Jugend sein. War sie nicht bisher allzu schließlich auf das Militärische, Machtpolitische und auf ein Teilgebiet des Wirtschaftlichen ausgerichtet? Die Europa-Idee fasziniert zur Zeit weder das deutsche Volk noch die Nachbarvölker stark genug, um einen kulturellen Neubau auf sie allein zu gründen. Das kann sich ändern, wenn die Verantwortlichen wissen, daß sie mit dem parlamentarischen Sieg, der gewiß eine Leistung der Bundesregierung und des Parlamentes darstellt, nicht am Ende, sondern am Anfang einer Entwicklung stehen, und wenn sie sich den ungeheuren Schwierigkeiten gewachsen zeigen, welche sich bei der Durchführung der Verträge nicht nur auf militärpolitischem Gebiete ergeben werden. Auf fast allen Bildungsideen der deutschen Vergangenheit, der humanistischen sowohl wie der nationalstaatlichen Bildungsidee, lastet das Alter und die Müdigkeit unserer Epoche. Das gilt leider auch etwas von der liberalen demokratischen Idee, weil ihre Belebung zweimal – mindestens zeitlich – aus der Niederlage entsprang. Die Tragödie des Liberalismus war recht eigentlich eine deutsche Tragödie. Die große Chance der Europa-Idee als eines kulturellen Gedankens liegt darin, daß mit ihm nicht die Erinnerung an Fehlschläge und Vergeblichkeiten verbunden ist und daß dieser Europa-Gedanke, obwohl ein uraltes Element abendländischen Lebensgefühls enthaltend, in erschöpfter Zeit als etwas Neues erscheint, das die Wiedergeburt einer gepeinigten Menschheit beschleunigen könnte. [...] Wir sind in unserer Betrachtung von der Aufgabe, die Ziele der Kulturpolitik zu bestimmen, scheinbar etwas abgekommen. Die Frage, was angesichts der geschilderten Situation Kulturpolitik leisten kann, ist, wie schon betont, in Deutschland in erster Linie an den Staat gerichtet, und zwar an den demokratischen Staat, an die Demokratie, nicht nur als Staatsform, sondern als Lebensform. Wir müssen die physischen Grenzen einer Kulturpolitik des Staates aus ihrem Wesen und aus den Strömungen und Stimmungen der Gegenwart verstehen. Bleiben wir uns bewußt, daß die staatliche Einwirkungskraft mehr im Funktionellen und Organisatorischen als im eigentlichen Schöpferischen
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liegt. Die Lage beschwört die Gefahr herauf, daß man versuchen könnte, den Mangel an zukunftsweisender Kultursubstanz und das Fehlen eines Kulturenthusiasmus durch Flucht ins Funktionelle und eine vermehrte Reglementierung auszugleichen. Der Staat kann seine kulturpolitische Aufgabe nur darin sehen, daß er das Wertvollste aus dem Erbe zu erhalten sucht und die Kräfte, die sich im Miteinander und Zueinander des Gemeinschaftslebens bewegen, nach Motivation und Auswirkung verständlich zu machen sucht. Der Staat hat ein Kulturinteresse daran, das Verantwortungsgefühl des Bürgers an der Mitwirkung im Staate zu fördern. [...] Der heutige Staat ist nicht nur Verwaltungsstaat, auch nicht nur eine äußere Schutzvorrichtung, er ist vor allem auch kultureller Vorsorgestaat, der das menschlich Ideelle der Zukunft mit zu gestalten versuchen muß. Erziehung ist sein Hauptinstrument, sie ist ein Vorgang, bei dem die ältere Generation das Ererbte an die junge weitergibt. Aber in unserer Schicksalslage hat die ältere Generation da weniger zu bieten, als das sonst beim pädagogischen Prozeß der Fall ist. Man hat deshalb dem deutschen Volke der Gegenwart in besonderem Maße die Aufgabe der Selbsterziehung zugewiesen. Hier liegt ein neues und unerprobtes Erziehungsproblem vor. Der Staat wird an der Ausgestaltung des Gemeinschaftsbewußtseins in Deutschland um so stärker beteiligt sein, als er neben seinem Machtauftrag die Idee der Gesellschaft verdeutlichen soll. Den Anspruch, den er auf die Erziehung des Volkes erhebt, muß er in Einklang bringen mit den Anregungen, Forderungen und Meinungen, die aus dem demokratischen Lebensgefühl der Bürger emporwachsen. Dabei liegt, wie gesagt, der Rückgriff auf eine ererbte Bildungssubstanz im Interesse unserer Selbsterhaltung. Die kulturelle Erbmasse, die uns zur Verfügung steht, ist zuletzt noch einmal in den zwanziger Jahren konsolidiert worden. Wie stark auch diese Zeit politischen Erschütterungen ausgesetzt war, im Kulturellen sind wir aufs neue mit ihr schicksalsmäßig verbunden und knüpfen tatsachlich mühselig wieder an sie an. Das gilt sowohl für die Erhaltung der Kultursubstanz wie für Probleme der Organisation. Noch lebten und vollendeten sich damals Hoffmannsthal, George und Rilke. In den bildenden Künsten schufen die Barlach, Hofer, Klee, Kokoschka, Kollwitz, Poelzig, SchmidtRottluff, um nur diese zu nennen, und vergessen wird man nicht, wie die Musik dieser Tage in den Schöpfungen von Hindemith und Schönberg zu neuen Gesetzen der Tonfolge und des Klanges hindurchbrach. Große Leistungen haben Natur- und Geisteswissenschaften in den zwanziger Jahren hervorgebracht. [...]
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Da ist der Streit zwischen humanistischer und realistischer Bildung, der sich in der Schulreform der zwanziger Jahre spiegelt und heute Zerklüftung des Schulwesens heißt. Beklagt man ihn, so muß man sich bewußt halten, daß er einer unerlösten Kulturlage entspricht, die seit Generationen besteht und im verengerten Raume noch starker sichtbar wird. Der Staat hat die kulturpolitische Mission, Ausgleich zu bewirken zwischen den Notwendigkeiten, die durch die technisch-soziale Entwicklung bedingt sind, und den Kulturidealen, die auf tausendjähriger europäischer Überlieferung beruhen. Da war in den zwanziger Jahren das Problem von Konfessionsschule und Simultanschule, da war der leidige Kompetenzstreit zwischen den kulturellen Aufgaben des Reiches und der Länder. Auf der Reform der zwanziger Jahre fußt die Lehrerbildung mit ihren Pädagogischen Akademien. [...] So dringen denn all überall Probleme heran, die in den zwanziger Jahren noch nicht gelöst werden konnten, und diese Probleme sind inzwischen nicht einfacher geworden. Das läßt sich schließlich auch an den Fragen der Auslandskulturpolitik zeigen. Wer die Bestrebungen und Arbeiten der Internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit im alten Völkerbund gekannt hat, weiß, wieviel gute Absicht, wieviel Überorganisation, wieviel organisatorischer Leerlauf, wieviel formale Betriebsamkeit und Dokumentation damals den Mangel an geistigem Gehalt und kulturpolitischer Strahlkraft verdeckten. Sind wir heute schon in den neuen Organisationen über diese Schwierigkeiten hinausgekommen? Ist es nicht bezeichnend, daß die Völker nun in höchst bedrohter Zeit wieder Kulturverträge schließen, daß deren Inhalt sich aber meistens nur auf Formalitäten und Festlegungen von Verfahrensweisen beschränkt? Die deutsche Auslandskulturpolitik wird sich von dem früher von anderen Völkern verkündeten Dogma freimachen müssen, daß durch Kultur Macht zu erstreben sei, oder daß die Kulturpolitik die politische Weltgeltung mobilisieren soll. Daß die Kultur im internationalen Spiel der Völker Wegbereiter der Macht sein müßte, war einmal ein weitverbreiteter Grundsatz. In dieser Art von Kulturpolitik lag aber von Jeher die große Gefahr einer Ausartung in Kultur-Propaganda, die Gefahr der Unaufrichtigkeit, die genau das Umgekehrte von dem erreichte, was in der Auslandspolitik erstrebt werden sollte. Das Ziel ausländischer Kulturpolitik muß die Begründung wechselseitigen Vertrauens sein. Die deutsche Auslandskulturpolitik hat bekanntlich sehr spät, viel zu spät, eingesetzt. Man darf an den Brief Bethmann-Hollwegs vom Jahre 1913 erinnern, in dem er an Professor Lamprecht schrieb: „Was Frankreich und England auf diesen Gebieten leisteten, ist nicht
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eine Leistung ihrer Regierungen, sondern eine solche der nationalen Gesamtheit, der Einheit und Geschlossenheit ihrer Kulturen, des zielsicheren Geltungswillens der Nationen selbst. Wir sind noch nicht soweit. Wir sind unserer Kultur, unseres inneren Wesens, unseres nationalen Ideals nicht sicher und bewußt genug... Wir sind ein junges Volk, haben vielleicht allzuviel noch den naiven Glauben an die Gewalt, unterschätzen die feineren Mittel und wissen noch nicht, daß, was die Gewalt erwirbt, die Gewalt allein niemals erhalten kann“. Die geschichtlichen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit haben uns nun wohl gelehrt, daß die feineren Mittel nicht vernachlässigt werden dürfen. Jedenfalls dürfte die Gewalt im Hintergrund der Kulturpolitik für die unmittelbare Zukunft nicht in Anspruch genommen werden. Deutschland lebt zur Zeit noch aus dem Kulturbewußtsein einer durch die letzten Ereignisse verdunkelten Vergangenheit. Nicht nur die Vielgestaltigkeit deutschen Kulturlebens, sondern auch die Dynamik seiner Lebensäußerungen hatte im Ausland oft den Eindruck der Unsicherheit, der Unberechenbarkeit, ja sogar der Unheimlichkeit vermittelt. In einem aber unterscheiden wir uns heute nicht mehr von anderen Völkern: die allgemeine Unsicherheit der Kulturlage beschattet die ganze Welt. Was soll nun das Ziel einer deutschen Auslandskulturpolitik sein? Es handelt sich darum, ein neues Vertrauen in die menschlichen Eigenschaften des deutschen Volkes herzustellen. Der immer noch vorhandenen Erschütterung des Vertrauens muß die deutsche Kulturpolitik im Geiste der Goetheschen Worte begegnen: „Alle menschlichen Gebrechen sühnet reine Menschlichkeit“. Bei diesem Bemühen, dessen Zielsetzung man gar nicht idealistisch genug bestimmen kann, wird die deutsche Kulturpolitik durch ein unveräußerliches Erbteil gestärkt; durch die Geltung, die sich der deutsche Geist mit seinen geschichtlichen Leistungen erworben hat. Im Ausland sollte die deutsche Kulturpolitik bei allem, was sie tut und unterläßt, der Aufgabe nachgehen, das Streben des deutschen Volkes in seinen Motiven verständlich zu machen. Von welchen Motiven soll nach allem Erlebten das Streben des deutschen Volkes getragen sein? Was immer die deutsche Kulturpolitik im Bereiche der Wissenschaft, der Schule, der Künste, der Presse, des geistigen und menschlichen Austausches unternehmen mag: Erfolg wird sie nur dann haben, wenn sie dabei das Kulturethos einer deutschen Menschlichkeit zu entwickeln vermag. Ein solches Unternehmen setzt nicht nur vermehrte Intensität, sondern Spontaneität und Planung auf lange Sicht voraus. Es setzt auch voraus, daß man sich nicht, wie in den zwanziger Jahren, im Überfluß viel zu vieler Organisationen, die
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Gleiches erstreben, verliert. In stärkerem Maße als bisher wird man die Zielsetzung der Auslandskulturpolitik in Einklang setzen müssen mit dem Lebensund Kulturgefühl anderer Völker. Das bedeutet dann auch: Wir müssen im Erziehungswesen an der Formung des deutschen Menschenbildes in dem Sinne mitarbeiten, daß dieses Bild der Welt verständlicher wird und bei ihr Vertrauen erweckt. Es kann gar nicht genug dafür getan werden, daß die deutsche Jugend das Ausland kennenlernt und daß ihr die Gabe erwächst, die schöpferischen Leistungen anderer Völker in Vergangenheit und Gegenwart mit aufgeschlossener Freudigkeit anzuerkennen. Wenn die deutsche Auslandskulturpolitik in der Vergangenheit noch nicht die politischen Erfolge gezeitigt hat, die bei der heutigen Lage im Bereich der Möglichkeiten lagen, wenn sie die großen Enttäuschungen zweier Kriege über sich hat ergehen lassen müssen, so liegt das zum Teil auch an unglückseligen Umständen, in die sie hineingedrängt worden ist. Deutschland hat dieses Gebiet bis zum heutigen Tage vernachlässigt. Es fehlt nicht an der Bereitstellung gewisser Mittel, wohl aber an sicherer und zielbewußter Führung sowie an schöpferischen Impulsen. Man sollte der deutschen Auslandskulturpolitik getrost auch das Ziel einer internationalen Kulturpolitik setzen und Bedacht darauf nehmen, daß sie sich nicht im Funktionellen erschöpft. Daß die Kirchen hierbei eine große Aufgabe erfüllen konnten, ohne in Heteronomie zu geraten, braucht kaum gesagt zu werden. Das letzte und höchste Ziel der Auslandskulturpolitik muß die Schaffung eines Weltverständnisses und einer Weltsolidarität sein, die auch kulturpolitisch unterbaut werden kann. Daß die Kulturlage der Welt in dieser bedrohten Stunde zu einer solchen Zielsetzung aufruft, wer wollte es ernstlich bestreiten? Wir kehren noch einmal zurück zum Staate und seiner kulturpolitischen Mission. In die Antinomie zwischen Bilden und Wachsenlassen wird die staatliche Kulturpolitik zu allen Zeiten gedrängt sein. Ihre Einwirkungsmöglichkeiten bleiben immer begrenzt. Aber die gegenwärtige Lage, die Undurchsichtigkeit und Müdigkeit des Kulturbewußtseins, die technische Verwicklung unseres Zeitalters, die Folgen des politischen Zusammenbruchs stellen die deutsche Kulturpolitik und ihren Träger, den Staat, vor eine Situation, die schwerer zu meistern ist als das in den letzten hundert Jahren der Fall war. [...] Wir müssen die Kraft aufbringen, in allen Deutschen den Geist der Kulturverantwortung zu Stärken und zu diesem Zweck den Trägern des Kulturlebens die Atmosphäre der Freiheit gewährleisten, der Freiheit, in der allein schöpferische Leistungen entstehen können. Den immer neu eindringenden Problemen der Zersplitterung und der Mecha-
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nisierung im Erziehungswesen wird man zwei Dinge entgegenzusetzen haben: den Mut zum pädagogischen Wagnis, zur selbständigen Initiative, und dann den Willen zu einer verfeinerten von keinem Rigorismus eingeengten Begabtenauslese. So rationalisiert auch die Kultur der Gegenwart erscheinen mag, die letzten Entscheidungen im Kulturprozeß hängen nicht von der intellektuellen Entwicklung ab, sondern von den Wertsetzungen des Lebens. Wir sind nicht in der Lage, diese Wertsetzungen, wie es in vergangenen Zeitaltern geschehen ist, durch monumentale Bildungstypen zu erläutern, den Ritter, den Gentleman; den ästhetischen Humanisten. Wir stehen in der Fuge, die zwischen der moralischen Unvollkommenheit der gegenwärtigen Menschheit und ihren technischen Fortschritten besteht. [...]
Quelle Richter, Werner (1955): Was heißt und zu welchem Ende treibt man Kulturpolitik? Rede, gehalten bei der Verleihung der Würde des Ehrensenators der Universität Bonn an Frau Kulturministerin a. D. Teusch am 28. Januar 1955, Bonn: Peter Hanstein Verlag.
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In the early days of the war, when all sources of comfort to our spirits were at a low ebb, there came into existence, with the aid of the Pilgrim Trust, a body officially styled the Council for the Encouragement of Music and the Arts, but commonly known from its initial letters as C.E.M.A. It was the task of C.E.M.A. to carry music, drama and pictures to places which otherwise would be cut off from all contact with the masterpieces of happier days and times: to air-raid shelters, to war-time hostels, to factories, to mining villages. E.N.S.A. [Entertainments National Service Association, A.d.H.] was charged with the entertainment of the Services; the British Council kept contact with other countries overseas; the duty of C.E.M.A. was to maintain the opportunities of artistic performance for the hard-pressed and often exiled civilians. With experience our ambitions and our scope increased. I should explain that whilst C.E.M.A. was started by private aid, the time soon came when it was sponsored by the Board of Education and entirely supported by a Treasury grant. We were never given much money, but by care and good housekeeping we made it go a long way. At the start our aim was to replace what war had taken away; but we soon found that we were providing what had never existed even in peace time. That is why one of the last acts of the Coalition Government was to decide that C.E.M.A., with a new name and wider opportunities, should be continued into time of peace. Henceforward we are to be a permanent body, independent in constitution, free from red tape, but financed by the Treasury and ultimately responsible to Parliament, which will have to be satisfied with what we are doing when from time to time it votes us money. If we behave foolishly any Member of Parliament will be able to question the Chancellor of the Exchequer and ask why. Our name is to be
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the Arts Council of Great Britain. I hope you will call us the Arts Council for short, and not try to turn our initials into a false, invented word. We have carefully selected initials which we hope are unpronounceable. I do not believe it is yet realised what an important thing has happened. State patronage of the arts has crept in. It has happened in a very English, informal, unostentatious way — half baked if you like. A semi-independent body is provided with modest funds to stimulate, comfort and support any societies or bodies brought together on private or local initiative which are striving with serious purpose and a reasonable prospect of success to present for public enjoyment the arts of drama, music and painting. At last the public exchequer has recognised the support and encouragement of the civilising arts of life as a part of their duty. But we do not intend to socialise this side of social endeavour. Whatever views may be held by the lately warring parties, whom you have been hearing every evening at this hour, about socialising industry, everyone, I fancy, recognises that the work of the artist in all its aspects is, of its nature, individual and free, undisciplined, unregimented, uncontrolled. The artist walks where the breath of the spirit blows him. He cannot be told his direction; he does not know it himself. But he leads the rest of us into fresh pastures and teaches us to love and to enjoy what we often begin by rejecting, enlarging our sensibility and purifying our instincts. The task of an official body is not to teach or to censor, but to give courage, confidence and opportunity. Artists depend on the world they live in and the spirit of the age. There is no reason to suppose that less native genius is born into the world in the ages empty of achievement than in those brief periods when nearly all we most value has been brought to birth. New work will spring up more abundantly in unexpected quarters and in unforeseen shapes when there is a universal opportunity for contact with traditional and contemporary arts in their noblest forms. But do not think of the Arts Council as a schoolmaster. Your enjoyment will be our first aim. We have but little money to spill, and it will be you yourselves who will by your patronage decide in the long run what you get. In so far as we instruct, it is a new game we are teaching you to play — and to watch. Our war-time experience has led us already to one clear discovery: the unsatisfied demand and the enormous public for serious and fine entertainment. This certainly did not exist a few years ago. I do not believe that it is merely a wartime phenomenon. I fancy that the B.B.C. has played a big part, the predominant part, in creating this public demand, by bringing to everybody in the country the possi-
The Arts Council: Its Policy and Hopes
bility of learning these new games which only the few used to play, and by forming new tastes and habits and thus enlarging the desires of the listener and his capacity for enjoyment. I am told that today when a good symphony concert is broadcast as many as five million people may listen to it. Their ears become trained. With what anticipation many of them look forward if a chance comes their way to hear a living orchestra and to experience the enhanced excitement and concentration of attention and emotion, which flows from being one of a great audience all moved together by the surge and glory of an orchestra in being, beating in on the sensibilities of every organ of the body and of the apprehension. The result is that half the world is being taught to approach with a livelier appetite the living performer and the work of the artist as it comes from his own hand and body, with the added subtlety of actual flesh and blood. I believe that the work of the B.B.C. and the Arts Council can react backwards and forwards on one another to the great advantage of both. It is the purpose of the Arts Council to feed these newly-aroused and widely-diffused desires. But for success we shall have to solve what will be our biggest problem, the shortage — in most parts of Britain the complete absence — of adequate and suitable buildings. There never were many theatres in this country or any concert-halls or galleries worth counting. Of the few we once had, first the cinema took a heavy toll and then the blitz; and anyway the really suitable building for a largish audience which the modem engineer can construct had never been there. The greater number even of large towns, let alone the smaller centres, are absolutely bare of the necessary bricks and mortar. And our national situation today is very unfavourable for a quick solution. Houses for householders have to come first. And so they should. Yet I plead for a certain moderation from our controller and a few crumbs of mortar. The rebuilding of the community and of our common life must proceed in due proportion between one thing and another. We must not limit our provision too exclusively to shelter and comfort to cover us when we are asleep and allow us no convenient place of congregation and enjoyment when we are awake. I hope that a reasonable allotment of resources will be set aside each year for the repair and erection of the buildings we shall need. I hear that in Russia theatres and concert-halls are given a very high priority in building. And let such buildings be widely spread throughout the country. We of the Arts Council are greatly concerned to decentralise and disperse the dramatic and musical and artistic life of the country, to build up provincial centres and to promote corporate life in these matters in every
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town and county. It is not our intention to act on our own where we can avoid it. We want to collaborate with local authorities and to encourage local institutions and societies and local enterprise to take the lead. We already have regional offices in Birmingham, Cambridge, Manchester, Nottingham, Bristol, Leeds, Newcastle-on-Tyne, Cardiff and Edinburgh. For Scotland and for Wales special committees have been established. In Glasgow, in particular, the work of the Citizens Theatre is a perfect model of what we should like to see established everywhere, with their own playwrights, their own company and an ever-growing and more appreciative local public. We have great hopes of our new Welsh Committee and of the stimulus it will give to the special genius of the Welsh people. Certainly in every blitzed town in this country one hopes that the local authority will make provision for a central group of buildings for drama and music and art. There could be no better memorial of a war to save the freedom of the spirit of the individual. We look forward to the time when the theatre and the concert-hall and the gallery will be a living element in everyone’s upbringing, and regular attendance at the theatre and at concerts a part of organised education. The return of the B.B.C. to regional programmes may play a great part in reawakening local life and interest in all these matters. How satisfactory it would be if different parts of this country would again walk their several ways as they once did and learn to develop something different from their neighbours and characteristic of themselves. Nothing can be more damaging than the excessive prestige of metropolitan standards and fashions. Let every part of Merry England be merry in its own way. Death to Hollywood. But it is also our business to make London a great artistic metropolis, a place to visit and to wonder at. For this purpose London today is half a ruin. With the loss of the Queen’s Hall there is no proper place for concerts. The Royal Opera House at Covent Garden has been diverted to other purposes throughout the war. The Crystal Palace has been burnt to the ground. We hope that Covent Garden will be re-opened early next year as the home of opera and ballet. The London County Council has already allotted a site for a National Theatre. The Arts Council has joined with the Trustees of the Crystal Palace in the preparation of plans to make that once again a great People’s Palace. No one can yet say where the tides of the times will carry our newfound ship. The purpose of the Arts Council of Great Britain is to create an environment to breed a spirit, to cultivate an opinion, to offer a stimulus to such purpose that the artist and the public can each sustain and
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live on the other in that union which has occasionally existed in the past at the great ages of a communal civilised life. — Home Service.
Source Keynes, John Maynard (1946): The Arts Council. Its Policy and Hopes. In: The Arts Council of Great Britain (Hg.): First Annual Report 1945–6, London, 20–23.
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The Case for Subsidy The arts always have been subsidised, by the Church, kings and emperors, the nobility and other wealthy individuals. Apart from the Church, however, early patrons were mainly concerned to provide the arts for themselves or their friends, not for society as a whole. It was only in the nineteenth century, with the increase in the population and the emergence of large urban communities of working people, that a need was faintly perceived to provide cultural experience for the many. The historic moment when a British government more fully realised the good influence which aesthetic experience could have on the minds and hearts of the people came early in the Second World War. A group of enthusiasts started a modest programme of arts provision in blitzed and blackedout Britain and sought to persuade the government that the arts could have a valuable influence on the morale of the people. The government was convinced by their arguments and Britain’s first major venture into government subsidy of the arts was soon under way. The people responded enthusiastically as plays, concerts and art exhibitions were organised throughout the country in places where there had been little or no provision even in peacetime. Sybil Thorndike, the great actress, led a tour of Macbeth which took in mining villages in Wales. Joan Cross, a leading opera star, led on tour performances of a small-scale version of Mozart’s The Marriage of Figaro, which were seen by thousands of people who had never experienced live opera before — including me. The organisation behind this movement was the oddly named Council for the Encouragement of Music and the Arts — why ‘music and the arts’ as though music were not an art? This body soon became widely known by
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its initials, C.E.M.A. (pronounced ‘Seema’). All parties agreed that the wartime experiment had been a great success and should be put on a permanent basis after the war. Lord Hugh Jenkins (a former arts minister) has rightly pointed out that arts subsidy’s bi-partisan pedigree is significant: ‘It was first conceived by a Coalition government during the war, blessed by a short-lived Conservative interim government, and finally implemented by the 1945 Labour government.’ So, in August 1946, the Arts Council of Great Britain was established and arts policy has, until quite recently, continued to be bi-partisan, with the opposition party usually confining itself to criticising the ruling party for not giving enough subsidy. Nevertheless, some serious (and some not so serious) doubts have been expressed, and to these I now turn. First, the plausible argument of priorities. I have already referred to the claim that kidney machines must come before the arts. Over twenty years ago, a pioneer American study of the arts (Baumol and Bowen, Performing Arts: the Economic Dilemma) showed that it is wrong to assume that money which might have gone to the arts will be used for the particular alternative use favoured by those who advance the priorities argument. They also point out that there are other sectors of public expenditure which could be pruned and that it is capricious and arbitrary to single out arts funding (this represents only one part in 1,300 of our national government spending). If we postpone adequate public expenditure on the arts until every other human need has been met, we shall never spend anything on them. No one would now argue that a family budget should not include a television until every other family need has been met. ‘The poorest beggar is in some thing superfluous’, and the arts are not a superfluous luxury, but a basic human need. A second challenge to arts subsidy comes from those who argue that public subsidy involves taxing the many to subsidise the pleasures of the few. A century ago, Jeremy Bentham put the point very forcibly: ‘The purchase of instruments of amusements for the rich, with money raised by taxes on rich and poor, is depredation.’ It has to be admitted that all the research on audiences for the main subsidised arts shows that they come predominantly from those with higher incomes. On the other hand, those with higher incomes contribute more in taxation. More pertinent, however, is the fact that most public spending benefits minorities at the expense of the majority. This is true of unemployment benefit, the National Health Service and public housing programmes. Government spending is a form of redistribution of resources to meet special needs
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in which the resources of the many are made available for the comparatively few. No one argues that taxes paid by single people and childless couples should not be used to provide maternity services or education, or that those in work should not be taxed to provide social security benefits. Moreover, I have already stated that the arts do not merely amuse, but meet a profound human need, like education and the health service, which are generally accepted as deserving to be subsidised out of taxation and the rates. However, public subsidy implies that efforts should be made to ensure that the arts become more widely accessible. This is largely the duty of the education system, partly that of the Arts Council. I concede that neither has done enough to fulfil that duty, but at least (as I shall show later) more has been done by the Arts Council in the past few years than in the previous thirty-two. Suffice it to say here that the main response to the ‘few and the many’ criticism of public subsidy should be to extend measures to bring the arts to the many, rather than challenge the principle of subsidy. A different objection to subsidy has been advanced by the so-called Selsdon Group of Conservatives and popularised in swashbuckling prose by the novelist Kingsley Amis. The Selsdon Group argued that subsidy is undemocratic, with taxpayers’ money being spent for them by politicians and civil servants. For them, ‘the ultimate argument against subsidy is that it is a form of government control of people’s lives and decisions’. Amis, in an address thought worthy of publication by the Conservative Centre for Policy Studies, repudiates official Conservative policy which favours some public subsidy; he sees subsidy as the breeding ground for left-wing arts. The Selsdon Group advocates a temptingly simplistic policy: abolish subsidies and cut taxes. Then, ‘the growing bureaucratic apparatus created by state subsidy will be redundant; instead the mass patronage possible in a middle-income society could become a reality’. In 1973, the same point was made with stark simplicity by two economists: if the Arts Council exists to give back what the Inland Revenue has taken away, it would be better to change the tax laws. In fact, subsidy to the arts in the year this statement was made was a few pence per week per head of the adult population. Does anyone really believe that this sum, left in the ‘middle-income’ taxpayer’s pocket, would have been spent in such a way as to maintain the theatres, orchestras, opera and ballet companies, not to mention scores of individual artists, the way they are maintained by public subsidy? Is not one of the tasks of government, national and local, to secure by collective action what
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cannot be achieved by individual action? The Selsdon argument had already been anticipated and rejected in 1960 by Baumol and Bowen. They saw the arts as an example of a ‘public good’, like reducing air pollution or defence, which cannot be supplied privately. They presciently rebut the Selsdon argument in the following way: While public good cannot pass the market test, it does not follow that such items are unwanted by the general public. Even though consumers cannot be made to pay for them, they may regard them as well worth their cost. In such a case it is the normal commercial mechanism and not consumer demand which has failed to function. A government’s decision to supply a public good is, therefore, not necessarily a decision to flout the wishes of the consumer. On the contrary, government financing may be the only way in which the wishes of the body of consumers can be put into effect.
As for Mr Amis’s further assertion that the arts must be ‘unmolested by encouragement’, he should perhaps compare, say, the abysmal state of the English theatre in the regions in the 193os with its condition in the 1979s — after thirty years of ‘molestation’ by subsidy. I cannot myself rejoice at the fact that in the mid-1980s regional theatre is again beginning to be starved of subsidy. The Selsdon claim that the market test is more democratic is absurd, since the market is one in which the well-to-do have much more voting power than the rest. It is interesting that the Selsdon document specifically refers to patronage by those with a ‘middle income’, thereby consigning to outer darkness about half the population. ‘Art has always been the ultimate form of spending for the rich,’ they say. This is questionable, but not so questionable as the succeeding suggestion that we are now in a society where there are ‘very many well-off people’. Further, children have virtually no votes in the market place, and the arts are a vital part of their education. Since services like education have long been exempt from the market test, the closely related arts service merits exemption for very similar reasons. Two objections remain to be considered. First, Roy Fuller’s contention that ‘The bestowal of money for the arts inevitably attracts the idle, the dotty, the minimally talented, the self-promoter.’ If it attracted only or even mainly such people, this would indeed be a damaging charge; but in fact subsidy attracts far more of the dedicated, hard-working, highly talented people in the arts. Further, it is the job of Arts Council and Regional Arts Association fulltime officers and part-time advisers to sift applications, and hundreds are rejected every year. Would Fuller condemn the National Health Service because it inevitably attracts
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some hypochondriacs and idlers to doctors’ surgeries? Moreover, does not private medicine simply attract richer hypochondriacs and idlers? Another criticism voiced by many, but well articulated by Amis and Sir William Rees-Mogg, is that subsidy encourages extravagance. If you have your losses underwritten, says Amis, the temptation to self-indulgence is extreme, whereas ‘If you have to please to live, you’ll do your best to please.’ This superficially plausible charge ignores the fact that subsidised organisations are subject to close financial scrutiny and do not have unreasonable losses underwritten, as the now extinct Prospect/ Old Vic Theatre Company discovered to its cost. Further, box-office revenue is one of several criteria used by the Arts Council in assessing a subsidised organisation; it feels no obligation to subsidise arts provision which the public plainly does not want. However, the Arts Council also knows and allows for the fact that new work, in the theatre, the opera house or the concert hall, generally attracts smaller audiences. It cannot agree with Mr Amis’s absurd assertion that ‘What we should encourage is good work, not new work.’ The real challenge is to discern good new work; to dodge that and to stick to wellknown classics would be to promote a museum culture and to neglect the arts of our time. Mr Amis contrasts a bad new work with the work of Beethoven, ‘who pandered to the public whim’, forgetting that Beethoven depended on wealthy patrons and that some of his work, which we now accept, was controversial when it was new. Even Rossini’s opera, The Barber of Seville, now one of the most popular light operas, was at first very badly received. In visual art, there is the instructive case of the impressionists, initially denounced and now highly esteemed. Subsidy ‘weakens the sinews of self-help’, Sir William Rees-Mogg has argued; not, I would emphatically say, when it is disbursed with due care. It is disturbing to find Sir William, as chairman of the Arts Council, the citadel of public subsidy, sharing the view of a dogged opponent of the whole principle of subsidy, especially in the most difficult year in more than forty years of public funding. His problem is that he has to face both ways; he may declare himself a Keynesian in the matter of arts finance, but he is a monetarist in most other respects, and the government that put him there, as the most political chairman in the Council’s history, knows that, whatever noises he has to make as Arts Council chairman, he is basically ‘one of us’. I recall a Council meeting at which it was strongly felt that the annual grant-in-aid to the Council was, as usual, quite inadequate. With vigour unusual in the Council’s genteel proceedings, some members expressed the hope that the chairman would protest. Sir Wil-
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liam replied that he would make their feelings known to the minister; but when someone emphatically added ‘and to the public’, he looked taken aback and answered with a hesitant affirmative. There is another argument for subsidising the arts, and one which should appeal to the most philistine cabinet. (A member of Mrs Thatcher’s cabinet once told me that it was philistine to a man — and woman.) It is, as St. John-Stevas had claimed in 1978, that the arts ‘can genuinely be said to pay their way’. In other words, government money spent on the arts is not a loss to the national income, but is actually an investment which yields a good return. In 1984, the playwright Terence Frisby produced detailed figures to show that on a Young Vic tour in which he was involved as writer and producer, the government invested £14,000 and ‘made’ over £44,000 — taking into account VAT from ticket sales, NHI contributions from the company, royalties, income tax from the company and the author, and savings in what would have had to be paid to the actors and theatre staff had they not been employed in this venture. On a similar basis it can be proved that the Royal Shakespeare Company returns to the government more money than it receives in subsidy. In 1985 Sir William Rees-Mogg did additional general sums showing that the government more than recoups what it gives in its annual grant to the Arts Council, for all the arts. And this is without the £5,300 million which is spent in Britain by tourists, more than half of whom say they come for Britain’s arts. As the English Tourist Board puts it, ‘The arts are to Britain what the sun is to Spain.’ The claim that arts subsidy is a profitable investment is not the most important argument for public funding, but it may tactically be the one most likely to appeal to a hard-nosed government and in 1985 the Arts Council for the first time placed great emphasis on it. The case for arts subsidy, then, is that it is not only a good investment but that it makes possible the survival of the performing arts-providing organisations, and by reducing the price of tickets makes the arts more widely accessible. As a subsidising organisation, the Arts Council also shares with the education system the task of transmitting the cultural tradition of our own country and of many others, as well as helping to make it possible for the best contemporary artists to develop their powers. Through community arts and arts centres, it also makes it possible for ordinary citizens to develop their own artistic potential. After more than forty years of public subsidy, we have come to take the existence of such facilities for granted.
The Arts and the People
So far, I have considered direct subsidy, but there has been growing interest in Britain in the American system of indirect subsidy, through tax exemption for donations to the arts. This culminated in the 1986 budget, which introduced exemptions which previous chancellors of the exchequer, both Tory and Labour, had refused to initiate, saying it would lose too much tax revenue. The 1986 measures gave companies the right to vote up to 3 per cent of their annual dividends to charity. The new measures did not, however, apply to closed companies with five or fewer shareholders, and these form the majority of companies. Further, employees were to be enabled to make pay-roll deductions of up to £100 a year, which would also be exempt from tax. These measures are closely modelled on American practice and represent an important development which has been sought for many years. They will encourage large businesses, as well as rich individuals, to make genuinely charitable donations, as opposed to sponsorship […]. The pay-roll scheme will also encourage many more charitable donations by the less well off. The proposals received a good reception, but there are snags to what really amounts to the increased privatisation of arts funding. The first is that the arts are likely to benefit far less than other charities. In America, the arts come at the bottom of the list for charitable donations, with health, education and social welfare attracting more than 90 per cent. Here, the arts would gain much more from the abolition of VAT than from tax-deductible donations. On the face of it, tax exemptions look very democratic, since they disperse funding decisions among many ‘consumers’ instead of concentrating them in, say, an arts council. The advantage is, however, questionable. An American academic study in 1983, Patrons Despite Themselves, pointed out that the tax deductibility in America reinforces the decision-making power of the wealthy and places the control of many arts institutions in the hands of ‘a relatively small group of rich donors’. So it is really more plutocratic than democratic. Welcoming the measures, Luke Rittner said arts organisations would have to ‘go out and hustle’, but they will be hustling in competition with more attractive targets for giving. Moreover, hustling can be a serious distraction for already hard-pressed arts administrators. Large companies can appoint specialist hustlers, but small ones cannot. Finally there is a danger that the arts may not, in the end, be much better off, for, as Lord Goodman, with vast experience of arts funding and chairman of a 1976 committee on charities, has warned, ‘It is always
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unwise to relax vigilance where treasury bounty is concerned. The standard pattern is to claw back unobtrusively what has been given with a flourish of trumpets.’ Indeed, when Lord Gowrie was minister for the arts, he countered requests for a system of tax deductibility by saying that, even if government agreed to it, it would have to reduce the amount it gave directly to the arts via the Arts Council. Hence, the level of public subsidy will always be crucial for the health of the arts in Britain. It is already too low and if it were reduced, let alone abolished, as some extreme rightwing critics suggest, Britain would be a far less exciting place in which to live. It is a tribute to the country’s artists and artistic managements that, even though gravely underfunded, they have produced arts which are admired throughout the world, not least in America.
Source Shaw, Roy: The Arts and the People. London: Jonathan Cape. Reprinted by permission of The Random House Group Limited. © 1987
Cultural Property and Public Policy Emerging Tensions in Government Support for the Arts Paul DiMaggio & Michael Useem
Government support for the arts, a longstanding tradition in most of Europe, is coming of age in the United States. The National Endowment for the Arts, established in 1965 with a budget of $2.5 million, now dispenses more than $100 million annually, and state art councils, unknown until New York established the first in 1960, now exist in every state of the union. Community arts agencies have burgeoned from fewer than 200 in 1965 to more than 1,200 at present.1 Yet as government’s contribution to the arts grows, so conflicts over the functions of such support are coming to the fore. The enthusiasm with which arts advocates greeted swelling budget and a newly established legitimacy at the beginning of this decade is being superseded by an emerging uneasiness over what lies ahead. Only part of this is attributable to natural uncertainty about the intentions of a new national administration. More important are political and social conflicts at the very base of the arts-policy enterprise itself. At the root of these conflicts is a paradox. Implicit in the rationale for public support of the arts is the notion that art is a public, or at least a mixed, good that, like highways and education, benefits everyone and is unlikely to be adequately supplied unless partially supported by the state. Yet historically the arts in the United States have not been a public good; instead, they have largely been the province of an economic and 1
“Growth of the Arts”, Support the Arts Journal 1 (June 17, 1977): 1; “Estimated Growth in Selected Cultural Fields: 1965–1975”, Cultural Post 13 (May/June 1976): 16; National Committee on Cultural Resources, National Report on the Arts (New York: National Committee on Cultural Resources, 1975).
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social elite. Members of this elite have provided the staffs and governing boards of most arts institutions, the bulk of the audience for the high arts, and virtually all the private patronage. If the affinity between elites and the arts were merely circumstantial, government intervention would be accompanied by few special problems. But the connection is far more profound, resulting in special tensions whose intensity is proportionate to the scale of state underwriting. Elites have “used” the arts not only for aesthetic fulfillment and enjoyment but also for maintenance of their ever-threatened dominance of the class hierarchy. Thus arts events have provided the elite with convenient occasions for the reaffirmation of its shared, distinctive higher culture. And elite families have passed “art appreciation” to their children as one form of cultural capital, later a valuable asset in the pursuit of professional and managerial careers. The elite naturally has no interest in seeing either its aesthetic or strategic class needs undermined by government intervention, and it can be expected to insist that support be channeled to traditional arts institutions for the benefit of the traditional audiences. While the quasi-private charters of most arts institutions have effectively shielded their policies from public pressure until recently, no such protection can be ensured once public monies are involved. Here the voices of all sectors, not just the elite, are legitimately expected, if not always heard, and new voices are increasingly calling for an art which is accessible and useful to all. Tensions are emerging, then, between an elite, concerned with maintaining its definition of art, and elements of society oriented toward making art a truly public good. This will entail more than simply spreading the arts about. Rather, if cultural democracy is really to follow political democracy, changes must occur both in the definition of art and in the social arrangements which have supported the longstanding elite domination of art. To understand the nature and likely course of this conflict, it is necessary to address four interrelated issues. First, we need to examine the character of elite domination of the arts. Second, the tension between elite domination of the arts and the notion of art as a public good has shaped the justifications that have been advanced for public subvention of what still appears to be a largely private sphere of activity; the nature and validity of these justifications will be examined. Third, the increasing dependence of arts organizations on government subsidy is providing incentives for most arts institutions to reach broader cross sections of the public; but such efforts at democratization of culture face seri-
Cultural Property and Public Policy. Emerging Tensions in Government Support for the Arts
ous barriers, and several of these will be identified. Finally, we will call attention to the emergence of a relatively new administrative-bureaucratic group with its own distinct interest and orientation, and speculate briefly about the directions that state support for the arts may take.
Elite Domination of the Arts Paralleling elite domination of other American institutions, elite presence in the arts takes three distinct but integrally related forms. Arts organizations are generally overseen by boards of directors or trustees, and these groups are usually dominated by members of the local elite. Similarly, the audience for most arts events is largely composed of members of the elite. Finally, because of the elite’s political control and consumer dominance of the arts, arts occasions provide the elite with an important mechanism for the reaffirmation and perpetuation of class identity. Our usage of the concepts of “elite” and “arts organization” deserves brief comment before proceeding. Arts organizations are those involved in the presentation of the “high arts” to a public; these include both art museums and institutions in the performing arts — opera, ballet, modern dance, theater, and classical music. The term elite is used here to refer to the loose conglomerate of upper-class and upper-middle-class segments that are so influential throughout American life. The upper class comprises those who own or manage large business firms, as well as families with very substantial inherited wealth. The upper-middle class primarily consists, following Bernstein, of “agents of symbolic control”, those who are highly educated and whose work involves the manipulation of symbols and knowledge (teachers, lawyers, physicians, journalists, and scientists).2 Of particular importance within this class are the cultural specialists who have particular responsibility for the production, interpretation, and dissemination of cultural productions, a group Goffman has labeled “cultural curators” (artists, librarians, publishers, art dealers, writers, intellectuals, and, of course, teachers).3 Most arts organizations are overseen by boards of trustees. As in the case of the governing boards of hospitals, colleges, and corporations, 2 3
Basil Bernstein, Class, Codes, and Control, 3 vols. (London: Routledge & Kegan Paul, 1971–75), vol. 3, Towards a Theory of Educational Transmissions. Erving Goffman, “Symbols of Class Status”, British Journal of Sociology 2 (1951): 294– 310.
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arts trustees are vested with formal, legal authority to direct the affairs of their organizations.4 Boards of trustees are generally far more than ornamental fixtures; they usually do add luster and funds to an institution, of course, but they also exercise a major voice in the management of the institution.5 That voice is typically expressed by board members drawn exclusively from the upper and upper-middle classes. In many metropolitan areas a close relationship has emerged between the premier arts organizations, particularly symphony orchestras, operas, and art museums, and the local patrician families of established wealth. Thus membership on the board of directors of the Philadelphia Orchestra, according to a study of that organization, has traditionally signified membership in the Philadelphia elite and has been “from its inception a leading index of upper-class membership, social recognition, and exclusivity”.6 But even the governing boards of the art form which tends to attract the broadest cross section of the public — the theater — are dominated by members of local elites. One study of the composition of the boards of six major theaters revealed that in three cases the “board represent[ed] the true power structure of the city”.7 Little systematic analysis of governing-board social composition is available, though studies of individual arts organizations invariably touch on trustee connections. These inquiries consistently corroborate what one analyst found, for instance, in examining the board of a major art museum (the Art Institute of Chicago): business executives are the single largest group on the board.8 Similarly, examination of the composition of six theater boards showed that between a quarter and two-fifths of the board members were businessmen or in businessrelated occupa4
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Harold Koontz, The Board of Directors and Effective Management (New York: McGraw-Hill, 1967); William E. Knepper, Liability of Corporate Officers and Directors (Indianapolis: Allen Smith Co., 1969); Conference Board, Corporate Directorship Practices (New York: New York Stock Exchange, 1973); Morton A. Rauh, The Trusteeship of Colleges and Universities (New York: McGraw-Hill, 1969); Ichak Adizes, “Boards of Directors in the Performing Arts: A Managerial Analysis”, in Ichak Adizes, ed., Administering the Arts (Los Angeles: Graduate School of Management, UCLA, 1972). National Endowment for the Arts, Museums USA (Washington, D.C.: National Endowment for the Arts, 1974), pp. 71–81; Granville Meader, “The State of the Arts”, in Gideon Chagy, ed., The State of the Arts and Corporate Support (New York: Paul S. Eriksson, 1971), pp. 31–36. Edward Arian, Bach, Beethoven, and Bureaucracy: The Case of the Philadelphia Orchestra (University, Ala.: University of Alabama Press, 1971), p. 51. Meader, “The State of the Arts”, p. 32. Vera Zolberg, “Professional and Laymen: Changing Patterns of Organizational Conflict in Art Museums”, Department of Sociology, Purdue University-Calumet, 1977.
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tions (the remainder of the boards were drawn from the local upper and upper-middle classes).9 The only national inquiry available is limited to museums. Threequarters of a representative sample of 728 art, science, history, and other museums (drawn from a population of over 1,800) maintained a board of trustees or comparable oversight body in 1971– 72, and one-third of these board members were business executives. Another 7 percent were “volunteers active in civic affairs” but not otherwise employed; 4 percent were elected or appointed public officials; and 10 percent were in professions whose members are “cultural curators” (educators, artists, critics, historians, and scientists).10 Museum boards are, in short, as another observer summed up, “frequently closed groups of wealthy and civic-minded people”.11 Elite presence on art-organization governing boards is matched by the virtual absence of members of the middle class, working class, or poor. This class skew is reflected in minority-group representation on museum boards: minoritygroup members comprise only 3 percent of the nation’s museum trustees.12 The absence of definitive evidence on art organization boards in other areas prevents more than tentative assessment, but it appears that boards of governance in the arts draw their largest numbers from the ranks of businessmen and wealthy families, two pillars of the local upper class. Serving with them is a lesser though nonetheless substantial number from the upper-middle class, more often from among the ranks of the prestigious professions (public administration, law) than the cultural custodians. An additional number of nonemployed women, generally the spouses of influential businessmen or members of prominent families, also serve. Little space remains for representation of the remainder of the public. The institutional foundation of elite domination was initially established in the latter half of the nineteenth century, as industrialization and concentration transformed the American economy and gave rise to a new aristocracy of wealth. Viewing opera as the cornerstone of elite European culture, the first generation imported opera to the United States as early as the 1850s. New York arrivistes of the next generation, however, found themselves unable to purchase scarce boxes for the Academy of Music’s resident opera company and moved to establish their own institution, 9 10 11 12
Meader, “The State of the Arts”, pp. 34–35. National Endowment for the Arts, Museums USA, pp. 71–75. Meader, “The State of the Arts”, p. 32. National Endowment for the Arts, Museums USA, p. 74.
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the Metropolitan Opera. Among the founding figures were Jay Gould, J. P. Morgan, Cyrus Field, and members of the Astor and Roosevelt families; an observer of opening night recorded that “champagne corks popped and glasses clinked and social calls were exchanged throughout the performance, to the delight of neck-craning wealth-watchers and to the dismay of opera-lovers in the less exalted seats”.13 American symphony orchestras started on a more modest scale, and they were largely ignored by opera patrons and the elite until the end of the nineteenth century. The Philadelphia Orchestra, for example, was stewarded through its first years by the efforts of “Women’s Committees” until, with the appearance in 1912 of the flamboyant music director, Leopold Stokowski, it attracted the large-scale support of the local industrial elite.14 Similarly, in 1911, the fiscally beleaguered New York Philharmonic, until then administered as a musicians’ cooperative, was turned over to a board of wealthy patrons, who promised financial largess in return for organizational control.15 Elite dominance of the governing boards of arts organizations is paralleled by a nearly equally pervasive dominance of the audience for the arts. In New York State, for instance, 55 percent of the theater audience in 1973 was either managerial or professional, while only 2 percent was blue-collar; the corresponding percentages were 51 and 1 for symphonic music, 65 and 1 for opera, 62 and 2 for ballet, and 43 and 2 for art museums.16 A national survey of major performing arts organizations — theaters, symphonies, opera, ballet and ensembles — conducted in the mid-1960s revealed similar compositions for the nation as a whole. More than threequarters of the audience for all of the high art forms studied were managerial or professional, while blue-collar labors representation never exceeded one twentieth.17 To assess systematically the composition of arts audiences, we have elsewhere reviewed more than two hundred largely unpublished studies of American arts audiences, most of which were conducted during the
13 See Harvey Brenneise, “Art or Entertainment? The Development of the Metropolitan Opera, 1883–1900”, M.A. thesis, Andrews University, n.d. 14 Arian, Bach, Beethoven and Bureaucracy. 15 Stephen R. Couch, “Class, Politics, and Symphony Orchestras”, Society 14 (November/ December 1976): 24–29. 16 National Research Center of the Arts, The New York Cultural Consumer (New York: American Council for the Arts in Education, 1976). 17 William J. Baumol and William G. Bowen, Performing Arts: The Economic Dilemma (Cambridge: MIT Press, 1966).
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1970s.18 Ranging over all major art forms, types of events, and areas of the country, with great uniformity these studies reveal that arts audiences are predominantly upper and upper-middle class. However, while the upper class is the dominant faction on the governing boards for the arts, it is the upper-middle class, especially its cultural curator groups, that accounts for the elite’s dominance of the arts audience itself. While arts-audience composition varies some from study to study, its central tendencies can be gauged by examining the median percentage reported by the studies for major occupational categories (i.e., the median percentage of employed audience members in a given occupation observed among the audience studies). Although occupational categories employed in these studies are generally imprecise, managerial groupings generally overlap with the category of upper class, and professional groupings closely correspond to the upper-middle class. Managers are modestly overrepresented in arts audiences. While 11 percent of the U.S. population was classed by the Census as managerial in 1975, managers constitute 15 percent of the median arts audience. But professionals are vastly overrepresented: 15 percent of the population is professionally employed, while the median percentage for professionals in the audience is 56. This disproportionate presence of the upper-middle class is even more pronounced for two cultural-curator groups. Teachers are 4 percent of the general population but comprise a median 22 percent of arts audiences for which data is available; artists, writers, and entertainers are 1 percent of the general public but, where data is available, a median 8 percent of arts-audience members characterize themselves as artists. Thus cultural-curator groups account for as much as a third, all upper-middle-class professions account for over half, and the upper-middle class and upper class (managers) together constitute over two-thirds of the typical arts audience. These elite groups together represent a median 77 percent of art-museum visitors, 70 percent of theatergoers, 75 percent of those attending ballet and dance performances, and 76 percent of audiences for symphonic music. The remainder of the class structure is sharply underrepresented among the arts audiences. While clerical/ sales, service, and blue-collar workers are 24, 14, and 34 percent of the workforce, they form only a median 15, 4, and 4 percent, respectively, of arts audiences for which data is available.19 18 Paul DiMaggio, Michael Useem, and Paula Brown, The American Arts Audience: Its Study and Its Character (Washington, D.C.: National Endowment for the Arts, 1978). 19 Ibid., pp. 43–57.
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Elite dominance of governing boards and audiences creates an opportunity for the reaffirmation of elite social and cultural cohesion. Group solidarity requires the erection of barriers of inclusion and exclusion, and collective participation by members of the elite in ritual occasions is one means of sustaining such barriers.20 This is made possible in the art world by the relative class homogeneity of the boards and audiences. As a result, attendance and knowledge of arts events is frequently prescribed behavior for members of the elite, while nonelites often feel that such events are socially off-limits.21 Participation in the world of high culture can be particularly important for the upper-middle class, the group whose status is most marginal to the elite. Arts consumption provides this group with an opportunity for symbolic identification with the upper class and may even yield socially useful contacts. This may account, in part, for the exceedingly high rate of art consumption by the upper-middle class. One national survey, for instance, demonstrated that involvement in arts events was greatest among those in prestigious occupations with the most education and the lowest incomes. This evidence led one analyst to conclude that it is particularly among “people whose status is most tenuous vis-a-vis the economically powerful” that “frequent participation in cultural activities may be seen as an attempt to maintain a high prestige position”.22 Cultural knowledge, sustained by high levels of arts consumption, can also serve as a useful medium for the transmission of elite position from generation to generation. Increasingly, cultural capital, in the form of both formal education and refined aesthetic taste, is used to regulate entry into elite occupational positions. The requirement of cultural credentials prevents elite families from directly bestowing their position upon their offspring, necessitating an alternative strategy for perpetua20 The role of ritual and barriers of exclusion in sustaining class and group solidarity are explored in Rosabeth Moss Kanter, “Commitment and Social Organization: A Study of Commitment Mechanisms in Utopian Communities”, American Sociological Review 33 (August 1968): 499–517; Frank Parkin, “Strategies of Social Closure and Class Formation”, in Frank Parkin, ed., The Social Analysis of Class Structure (London: Tavistock Publications, 1974); Bernstein, Class, Codes, and Control. 21 The function of arts events in preserving elite solidarity is examined in Paul DiMaggio and Michael Useem, “Social Class and Arts Consumption: The Origins and Consequences of Class Differences in Exposure to the Arts in America”, Theory and Society 5 (Spring 1978). 22 Barry Gruenberg, “How Free Is Free Time: Analysis of Some Determinants of Leisure Activity Pattern” unpublished manuscript, Department of Sociology, Wesleyan University, 1975.
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ting class standing. By instilling cultivated aesthetic tastes and providing support for advanced university training, elite families can hope their children will later convert this cultural capital into social standing and economic position.23 Such a strategy is undoubtedly partly responsible for the early introduction of elite children to the arts. Various studies repeatedly demonstrate that upper- and uppermiddle-class children are far more likely to be exposed to arts events than are other children, and early exposure creates tastes that persist into adulthood.24 Moreover, elite children enroll in higher education at rates far above those of other groups, and a college education also significantly enhances interest in the arts and creative activity.25 Elite dominance of the arts, then, entails not only elite dominance of both arts policymaking bodies and the ranks of arts consumers, but also an instrumental use of the arts for the maintenance of position in the class hierarchy. Still other forms of elite domination can be identified. Private donations constitute a highly significant share of the income of most arts organizations, for instance, and the bulk of the gifts are provided either by individual members of the elite or, increasingly, large corporations.26 One survey of business support to the arts in 1976 estimated business grants at $221 million, more than twice the amount provided by the National Endowment for the Arts and ten times the level provided by the business community a decade before.27 These various factors reinforce one another and contribute to the close relationship that exists between the arts and the elite. The involvement of the government, 23 See Pierre Bourdieu, “Cultural Reproduction and Social Reproduction”, in Richard Brown, ed., Knowledge, Education and Cultural Change (London: Tavistock Publications, 1973); Pierre Bourdieu and Luc Boltanski, “Changes in Social Structure and Changes in the Demand for Education”, unpublished manuscript, 1977; Pierre Bourdieu, Luc Boltanski, and Monique de Saint Martin, “Les strategies de reconversion”, Social Science Information 12 (1974): 61–113. 24 National Research Center of the Arts, The New York Cultural Consumer; National Research Center of the Arts, Americans and the Arts: A Survey of the Attitudes toward Participation in the Arts and Culture of the United States Public (New York: National Committee for Cultural Resources, 1976). 25 Howard R. Bowen, Investment in Learning: The Individual and Social Value of American Higher Education (San Francisco: Jossey-Bass, 1977). 26 Baumol and Bowen, Performing Arts, pp. 315-324; Ford Foundation, The Finances of the Peiforming Arts: A Survey of the Characteristics and Attitudes for Theater, Opera, Symphony, and Ballet in 12 U.S. Cities (New York: Ford Foundation, 1974). 27 Business Committee for the Arts, Business Support of the Arts—1976 (New York: Business Committee for the Arts, 1977); Chagy, The State of the Arts and Corporate Support; Gideon Chagy, ed., Business in the Arts ‚70 (New York: Paul Eriksson, 1971).
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however, poses a fundamental challenge to this relationship and to the traditional definition of art itself.
Public Support for the Arts: The Language of Justification Until the mid-1960s, elite dominance of the arts was rarely contested. The well-to-do supported art institutions with their contributions; provided members for boards of directors and, in many cases, top management for arts institutions; and bought the season subscriptions. The upper-middle class and a smattering of others filled the rest of the seats. If artists and some far-sighted administrators gazed longingly at the European model of state support, the businessmen who ran the institutions were well satisfied. Thus symphony-orchestra directors were virtually unanimously opposed in 1953 to any government subvention.28 However, because of large fiscal deficits in operating arts organizations, expansionist strategies on the parts of arts administrators, and other reasons beyond the scope of this paper, by the 1960s large segments of the arts and political establishments had come to embrace the belief that some government underwriting was desirable, if not essential. The groundwork for government involvement was laid by the creation in 1960 of the New York State Arts Council with the strong support of then Governor Rockefeller. (It still remains the largest state council, today dispensing almost $30 million annually.) Formation of the New York Council was intended by the governor to provide “a pattern for emulation both for the federal government and for many of the states”, and many states soon did follow New York’s experiment.29 Some explicitly adopted both expansionist and democratization strategies; for instance, the California Arts Commission, established in 1963, was charged with ensuring “that the role of the arts in the life of our community will continue to grow and to play an ever more significant part in the welfare and educational experience of our citizens”.30 President Kennedy initially sought federal involvement through the creation of a National Arts Foundation in 1963, and, spurred by the Rockefeller Brothers’ influential report on
28 Baumol and Bowen, Performing Arts. 29 Mel Scott, The States and the Arts: The California Arts Commission and the Emerging Federal-State Partnership (Berkeley: Institute of Government Studies, University of California, 1971). 30 Ibid., pp. 2–3.
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the fiscal crisis of the performing arts31 and by state-art-council lobbying, Congress established the National Endowment for the Arts in 1965. The Endowment’s budget, $25 million during its first year of operation, has grown rapidly, reaching $51 million in 1971, $61 million in 1974, and $123 million in 1978.32 Though recent figures are unavailable, an earlier analysis reveals that federal and state funding had already become a significant source of arts organization income by the early 1970s. The finances of 166 of the largest nonprofit performing arts organizations were studied between 1966 and 1971; over this period unearned income rose from 41 to 48 percent of the total income. The share of the unearned income contributed by the government expanded from 8 to 18 percent over the six seasons, with the federal component growing from 2 to 7 percent. Federal contributions grew at an annual rate of 28 percent, the highest growth rate for any source of income.33 The National Endowment’s expenditures are presently more than eight times their level for 1971, the last year in which systematic figures were available for this study, and it is safe to conclude that government financing has now become a major source of income for a large number of arts organizations. Arts policymakers have had to face the contradiction between elite domination and the notion of art as a public good in the context of coping with several fundamental questions about their mission. Should they support the major art institutions or small, struggling organizations? Should funding go to institutions or to artists? Should emphasis be placed on supporting the traditional high arts or on the development of programs in fields like crafts and photography outside the conventional definition of art? At the common core of such issues are two, fundamentally different, images of what art, in fact, should be. Implicit in one conception is a focus on excellence; strong boundaries between performer and audience, amateur and professional; and a notion of art as distinct from “popular” forms of creative endeavor. Implicit in the other conception is a focus on participation, on art as a realm of experience upon which all may draw; weak boundaries between audience and performer, amateur and professional; and a relative lack of concern with conventio31 Rockefeller Brothers Fund, The Performing Arts: Problems and Prospects (New York: McGraw-Hill, 1965). 32 National Endowment for the Arts, Annual Report, /973 (Washington, D.C.: U.S. Government Printing Office, 1973); Cultural Post 14 (September/October 1977). 33 Ford Foundation, The Finances of the Performing Arts, pp. 102-11 0; see also Michael Useem, “Government Patronage of Science and Art in America”, American Behavioral Scientist 19 (July/August 1976): 785–804.
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nal categories of high versus folk or popular forms. Finally, behind these conflicting images lies an even more basic conflict over the control of arts institutions and the cultural power to define art. Policymakers have steered a canny course around these issues, navigating midway between specific policy alternatives, developing programs that appeal to every important constituency and avoiding the more fundamental issues. But this strategy, while successful thus far, has been detrimental to the quality of public discourse on the issue of government subsidy. Ironically, arts advocates have been able to endorse the arts per se only in the vaguest terms. Much advocacy consists of the promotion of three propositions: that the public supports government subventions; that the arts have a substantial economic impact on local communities; and that the arts can play an important role in public education. While these contentions are not without merit, their advancement ultimately represents an elaborate ritual of justification. Because such arguments beg the essential questions of art’s definition and control, they provide a weak foundation for the continued expansion of state support.
The Public-Demand Argument The simplest and most legitimate rationale for increased public arts funding is that the public supports it. Thus, in responding to the popular will, the government is only ensuring the production of a public good that private institutions are increasingly incapable of providing. On first glance, evidence from public-opinion polls would appear to support this justification. Nearly everyone believes that art is important to the quality of life and that, in a phrase from one national poll, the arts “make a community a better place to live in”.34 Majorities or near majorities of the public in some regions in America endorse the general principle that the government should help finance cultural organizations that are running deficits, with local intervention preferred over federal involvement. Among California residents, for instance, half subscribe to the position that the federal government “should help arts and cultural organizations in the area if they need financial support”; two-thirds endorse state-government backing in this circumstance, and an equal proportion backs local
34 National Research Center of the Arts, Americans and the Arts: A Survey of the Attitudes toward Participation in the Arts and Culture of the United States Public.
Cultural Property and Public Policy. Emerging Tensions in Government Support for the Arts
government intervention.35 Comparable patterns have been reported in surveys in Winston-Salem, Anchorage, Boston, and Salt Lake City.36 Yet when a national sample of the American public was asked in 1973 whether cultural organizations should “be able to receive direct government funds to help support them”, only one-third agreed, while a quarter reported that it depended on the circumstances or they were undecided, and the remainder indicated that cultural organizations should rely on their own means.37 Even greater skepticism is evident when the issue is government support for artists rather than arts organizations; in 1975 only three in ten Americans endorsed federal support for needy artists.38 The proposition of widespread public support for government financing is further undermined by a breakdown of these figures. Support is strongest among those who would most directly benefit from government subsidy — the upper and upper-middle class. Two of the best predictors of individual willingness to endorse government involvement is the individual‘s educational level and whether the individual is an active arts consumer. In a 1973 national survey, for instance, 22 percent of those with an eighth-grade education agreed that the government should support cultural organizations, while 50 percent of the college educated took this position; only 20 percent of the nonattenders favored support, but 64 percent of frequent attenders shared the view that government subsidies for the arts were desirable.39 Majorities of Americans express willingness to contribute an additional $5 annually in taxes to support the arts, but the arts clearly rank far below other priorities.40 When a national sample was asked in 35 National Research Center of the Arts, Californians and the Arts: A Survey of Public Attitudes Toward and Participation in the Arts and Culture in the State of California (New York: National Research Center of the Arts, 1975). 36 National Research Center of the Arts, Winston-Salem/Forsyth County: Public Perspectives on the Arts and Culture (New York: National Research Center of the Arts, 1974); National Research Center of the Arts, Anchorage, Alaska: Public Perspective on the Arts and Culture (New York: National Research Center of the Arts, 1975); Becker Research Corporation, Attitudes of the Boston Public Toward “Sumerthing” (Boston: Becker Research Corporation, 1970); John F. Gisler, The People and the Arts (Salt Lake City: Salt Lake City Council for the Arts, 1976). 37 National Research Center of the Arts, Americans and the Arts: A Survey of Public Opinion (New York: Associated Councils of the Arts, 1975). 38 National Research Center of the Arts, Americans and the Arts: A Survey of the Attitudes toward Participation in the Arts and Culture of the United States Public. 39 National Research Center of the Arts, Americans and the Arts: A Survey of Public Opinion. 40 National Research Center of the Arts, Anchorage, Alaska and Americans and the Arts:
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1975 to evaluate the importance of various community services, the arts ranked below health, transportation, education, law enforcement, housing, and recreational facilities. Similarly, when asked whether federal spending should be increased in a number of areas, respondents rated the arts far below education, health, public transportation, and housing, and ahead of only military and welfare spending.41 The apparent conflict between the broad public support expressed in response to the most general questions about the arts and the relatively low level of support for specific subventions reflects the fact that “art” means different things to different people.42 The “arts public” is what Walter Lippmann called a “phantom public”, united on a principle but divided on the implementation of that principle. For the traditionalist wing of the upper classes, art is something to be appreciated, a distillation of the most “excellent” productions of the historical human imagination. For the curator group of the uppermiddle class, art is related to innovation and new directions in creative expression. For many other members of the uppermiddle class, art connotes not just excellence and innovation but also amateur activity inviting direct participation. For still other groups, art may be defined as visiting museums, developing a talent in photography, performing folk music, or possessing mass-produced representational paintings. And of course artists and art managers have still different definitions of what constitutes art and what, by implication, deserves public subsidy. The public-demand thesis can be taken only so far, and its weakness has necessitated a search for additional, complementary arguments that portray art as a public good. Underlying alternative schemes of justification is the assumption that, whatever the aesthetic value of the arts and the extent of the public’s demand, the arts can serve the public interest in other ways. Two of the most frequently employed arguments hold that the arts generate beneficial effects on the local economies and that they are of unique educational value.
A Survey of the Attitudes toward Participation in the Arts and Culture of the United States Public. 41 National Research Center of the Arts, Americans and the Arts: A Survey of the Attitudes toward Participation in the Arts and Culture of the United States Public. 42 That the favorable sentiments most respondents express are not simply artifacts of question phrasing is indicated both by the high consistency of responses over a range of populations and specific questions and by the high percentage of respondents reporting participation in some “artistic” activity. See the reports of the National Research Center of the Arts.
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The Economic-Impact Argument The economic-impact argument resides on the plausible though largely unproven set of claims that cultural institutions are an important factor in corporate relocation decisions, that they attract out-of-town visitors who spend considerable amounts within the community, and that they employ artists and others whose payroll contributes to the general prosperity of the local economy. Thus, when corporate executives are asked why their firms contribute to the arts, there is general agreement that “industry cannot hope to attract or retain the young executives it needs unless ... artistic resources are available”.43 There is even some feeling that the arts contribute to a more disciplined, less alienated labor force; one arts advocate, for instance, suggests that “an invigorating cultural climate is a stimulant to man’s imagination, intelligence and pride in himself and his personal environment, thus making him a better worker and consumer”.44 Similarly, a number of studies have been carried out purporting to demonstrate that cultural organizations attract large numbers of visitors to a city, most of whom dispose of considerable money before departure. One study of a major New York City museum (the Metropolitan Museum of Art) discovered that in 1975 half of all visitors were nonresidents, and of these nearly two-thirds reported that a visit to the museum was a major reason for their trip to the city. The nonresident visitors spent an average of $85 in the city, and if these figures can be projected to annual aggregate expenditures, this single museum would appear to be responsible for additional city income of $187 million per year.45 Such studies are coming to serve as a major component of the arts advocates’ arsenal, particularly in efforts to justify municipal and state support of the arts, because economic impact, in contrast to art’s less tangible virtues, can be quantified. The argument has considerable political appeal. Indeed, for some officials it has become the only legitimate justification; the mayor of New Haven instructed one conference of arts advocates that “ultimately, you will have to demonstrate a pay-off in terms of employment and taxes for the supporting government agen-
43 Meader, “The State of the Arts”, pp. 35–41. 44 Judith Erwin, president, Ballet Guild of Jacksonville, Florida. 45 Yankelovich, Skelly and White, Inc., A Study of Out-of-Town Visitors to the Metropolitan Museum of Art (New York: Metropolitan Museum of Art, 1975). Other studies are discussed in DiMaggio, Useem, and Brown, The American Arts Audience, pp. 86–89.
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cy”.46 Max Weber, discussing the penchant of Americans for bigness, wrote that “in the United States, this romanticism of numbers exercises an irresistible appeal to the poets among businessmen”.47 Enterprising artists and art managers are increasingly cognizant of this instinct, and were Weber to observe today’s fundraising maneuvers he might add that such romanticism is appealing to the businessmen among poets as well. Whatever their appeal, claims of economic impact rest on very tenuous evidence. It has yet to be demonstrated that local cultural facilities are a major consideration in business location decisions. Virtually all audience spending is concentrated in limited sectors of the economy, primarily restaurants, retail stores, hotels, and transportation. It has not yet been shown that the whole of the urban economy, the municipal government, or the local public also benefit from this sectoral economic impact. Neither is it clear that such benefits outweigh the additional tax burden borne by local residents as a result of direct and indirect municipal subsidies for the arts. Nor is it evident that a large proportion of the money spent by nonresident arts attenders would not have been spent on alternative locally based entertainment forms in the absence of cultural institutions. Finally, it is not at all clear that public support for the arts is preferable, on economic and social grounds, to public investment in other fields.48 Even were favorable substantiating evidence found on all these points, reliance on economic-impact considerations in allocating public money could have deleterious effects on the arts. For maximum economic benefit, public aid should favor, on the one hand, those institutions using local talent and local suppliers and, on the other hand, institutions attracting highincome patrons from beyond the city limits. Considerations of artistic quality and the nature of the audience served would necessarily become secondary.49 46 Quoted in “ACA Delegates Discuss Relationship of Cities, Counties, and the Arts”, Foundation News 17 (September/October 1976). 47 Max Weber, The Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism (New York: Charles Scribner’s Sons, 1958), p. 71. 48 These problems are discussed at greater length in Joint Committee on Cultural Resources, In Search of a Regional Policy for the Arts: Phase II (Baltimore: Johns Hopkins University Center for Metropolitan Planning and Research, and Regional Planning Council, 1975); David Cwi and Katharine Lyall, A Model to Assess the Local Economic Effects of Arts Institutions: User Manual and Baltimore Case Study (Washington, D.C.: National Endowment for the Arts, 1977); DiMaggio, Useem, and Brown, The American Arts Audience, pp. 86–89. 49 Cwi and Lyall, A Model to Assess the Local Economic Effects of Arts Institutions.
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Economic-impact arguments are attractive, but their factual foundation has not been established. If the foundation were verified (an unlikely prospect, in our view), economic impact would still be of utility only for justifying public support on the local and state level. Using the arts to make an urban area or state more attractive than other regions to business and tourists will clearly not become a national priority.
The Educational Value Argument A third line of justification is that cultural institutions deserve public support because they perform public educational functions. In the words of one of the major arts lobbying organizations, the National Committee for Cultural Resources, “the direct and indirect educational impact of the artistic experience provides as strong an argument for public support as did the arguments that led to the historic development of universal public education in this century”.50 The educational justification is taken most seriously in the museums, which have a tradition of at least formal commitment to educating the public. Again, in the words of another major trade association, the American Association of Museums, “the American museum has from its beginnings been different from its European models in being consciously and actively dedicated to the education of its audience”.51 Like economic-impact arguments, however, suggestions that the arts deserve government support for their educational role do not withstand close scrutiny and carry attendant dangers. For one thing, there has been more talk than action about the educational functions of cultural institutions. While museums, and to a lesser extent theater groups and orchestras, have increased the scope of their educational programming and services, the commitment is still not strong. Educational programs are frequently the first to be cut back in financially lean years, and museum educators form a beleaguered group at the bottom of the museum’s caste system and “have often been regarded by the older, more traditional staff departments as fairly unimportant, concessions to modern times,
50 National Committee for Cultural Resources, National Report on the Arts (New York: National Committee for Cultural Resources, 1975). 51 American Association of Museums, Museums: Their New Audience (Washington, D.C.: American Association of Museums, 1972).
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distractions from the main thrust of museums, which has been thought to be scholarship oriented to the enhancement of the collections”.52 Further, arts administrators who speak enthusiastically about their institutions’ potential for public education may not be aware of the limits of their own capabilities. Most museums, and certainly most performing-arts facilities, lack the capacity to process large numbers of school children and would have to abandon or vastly modify their current missions to develop large-scale educational programs. According to one estimate, if a metropolitan art museum attempted to reach all children in the school system, each student could have only twenty minutes in the galleries during the course of twelve years of public education.53 Still, museum directors are moving to expand their institutions’ educational role, partly in response to the Tax Reform Act of 1969, which provided financial incentives for museums to classify themselves as educational organizations, and partly in anticipation of expanded public funding.54 However, despite the apparent success of some programs, systematic evaluation of the educational value of arts organizations is not yet available, and it can only be speculated whether scarce public funds for education are more effectively allocated to schools or cultural institutions.55 An alternative argument on the educational value of the arts has been used to justify increased public appropriations for arts education in the schools. This viewpoint received its most forceful enunciation in a 1977 report by a blue-ribbon panel chaired by David Rockefeller, Jr., and funded by the U.S. Office of Education, the National Endowment for the Arts, and a number of foundations.56 Aside from the aesthetic value of arts in the schools, and regardless of their impact on visual and aural literacy, the panel contends that the arts can perform other important pedagogic functions. Thus arts education is desirable because it opens “the learning pores” and “more than any other subject awakens all the senses”. As a result, it is argued, art education can increase student discipline, boost reading and mathematics scores, and reduce the rates of vandalism and truancy. This assertion that the arts can be of instrumen52 lbid., p. 12. 53 Confidential interview with museum researcher, Jan. 6, 1977. 54 Adele Z. Silver, “The Art Museum as Educator”, Cultural Post 14. (November/ December 1977): 8. 55 Adele Z. Silver and Barbara Y. Newsom, The Art Museum as Educator (Berkeley: University of California Press, 1977). 56 The Arts, Education and Americans Panel, Coming to Our Senses: The Significance of the Arts for American Education (New York: McGraw-Hill, 1977).
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tal value for improving our schools is very appealing but, unfortunately, like so many other claims about the arts, scant empirical evidence can be found to support the assertion. From what is already known about the experience of other innovative efforts to improve student achievement and alleviate discipline problems, it is doubtful if much substantiating evidence will ever be found.57 These claims that expansion of government support of the arts can be justified on the basis of the educational value of the arts, the local economic impact of arts organizations, or the public demand for more arts have been widely used to mobilize and sustain public backing. As we have seen, however, the claims are based on tenuous assumptions at best, and their continued use is indicative of the tensions underlying government involvement in arts sponsorship. Because of elite dominance of the governance and audience of arts organizations, where most public money has been directed, the propriety of public funding has always been suspect. Consequently, it has been of paramount importance that proponents of the expanded public role point toward ways in which state underwriting serves the purpose of the public as a whole, not just that of the elite. These justifications have served as highly convenient instruments in moving political figures and legislative bodies to identify the arts as a public good and to invest in their maintenance. Once the support is forthcoming, however, an additional struggle erupts over the distribution of support. Ideological conflict gives way to concrete political struggle over funding formulas.
Excellence and Democratization in the Arts Administrators, artists, legislators, and various sectors of the general public hold diverse views on the functions that public arts agencies should perform. Traditional patrons, the foundations through which they often work, and managers of the leading institutions often espouse a position similar to that expressed by Matthew Arnold in the late nineteenth century. Arnold identified culture not with expression but with standards; culture
57 Extension of these comments can be found in our review of Coming to Our Senses in Harvard Educational Review 49 (Winter 1978).
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does not try to teach down to the level of inferior classes; it does not try to win them for this or that sect of its own, with readymade judgments and watchwords. It seeks to do away with classes; to make the best that has been thought and known in the world current everywhere.58
For Arnold’s heirs, the watchword is excellence. An observation of the deputy chairman of the National Endowment for the Arts that his agency’s task is “a rearguard action against the homogenization and vulgarization of American culture” is representative of the concern of many in the arts establishment.59 The implication, of course, is that funding should favor such “beacon” institutions as the New York Metropolitan Opera and the Philadelphia Symphony Orchestra with an emphasis on hiring the “best” professionals to provide the “finest” art to the traditional arts public. Counterpoised to this orientation is pressure from many legislators, artists, less established arts organizations, and other sectors of the public to make the arts more available to America’s hinterlands, to encourage innovative arts programs, to directly fund artists, and to develop programs that appeal to those who are not presently part of the core arts audience. The opposition of excellence and democratization, or more pejoratively, in the terms often used in this debate, elitism and populism, has characterized the political conflicts surrounding most state arts councils and the National Endowment for the Arts since their inceptions. Illustrative of this dual orientation is the language the Endowment uses to describe its own purposes: “To promote wide dissemination of cultural resources of the highest quality”; “To help the nation’s cultural institutions serve the public and improve their artistic and administrative standards”; “To support artists of exceptional talent in every discipline; to encourage the preservation of our diverse cultural legacies; to enhance the quality of American life through the arts”.60 Each phrase implying a commitment to making the arts more widely available is neatly counter balanced with one stressing excellence or quality. Public arts agencies have generally distributed funds in accord with both considerations. As the funding levels have increased, however, the intensity of the political conflicts have escalated as well, and there are 58 Matthew Arnold, Culture and Anarchy (Cambridge: Cambridge University Press, 1971), p. 700. 59 Michael Straight, quoted in Malcolm N. Carter, “The NEA: Will Success Spoil Our Biggest Patron?” Art News 76 (May 1977): 32–40. 60 National Endowment for the Arts, Creative America: Arts and the Pursuit of Happiness (Washington, D.C.: National Endowment for the Arts, 1976), pp. 28–31.
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tentative signs that groups favoring greater democratization are increasingly ascendant. The California Arts Council, for instance, has since 1975 been transformed from a traditional, elite-oriented agency under Governor Reagan to a far more populist and artist-oriented agency under Governor Brown.61 The forced resignation of Michael Straight, the National Endowment for the Art’s Deputy Chairman, and the replacement of the Endowment‘s head, Nancy Hanks, by Livingston Biddle in 1977 suggest a similar though less dramatic reorientation; Straight and Hanks were well connected with the established arts world, while Biddle has strong connections with Congress and will, it is thought, be more responsive to pressures for more democratic funding criteria.62 The established art-organization trade associations have also lent some support to this movement. A recent report under the imprimatur of the American Association of Museums exhorts museum managers to reach new audience constituencies, and an American Theater Association study group has urged that organization members be more responsive to those communities with special, unmet needs.63 And in a recent budget statement to Congress, Nancy Hanks promised “a greater commitment to the development of new audiences through innovative outreach efforts”.64
Democratizing the Arts: Problems and Prospects Serious concern with democratizing the arts and government patronage is a recent development, but experiments in arts democratization have been underway for some time. Unfortunately, the record to date has not been promising, for efforts to expand the availability of the arts have generally had little impact on audience composition. To understand this failure, we must understand the nature of the forces that prevent individuals outside the upper and upper-middle classes from participating in the arts. The restrictive forces can be traced to elite domination of the arts and the barriers erected to maintain the arts as a relatively exclusive preserve.
61 Irene Oppenheim and William Ristow, “When Artists Take Charge”, Cultural Post 14 (November/December 1977): 14–15. 62 Carter, “The NEA”, pp. 32–48. 63 American Association of Museums, Museums: Their New Audience; American Theater Association, “ATA Wingspread Conference Report”, American Theater News 7 (May 1976): 25. 64 Nancy Hanks, “Active Voice”, Cultural Post 14 (March/April 1977): 3.
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First of all, to attend arts events, individuals must both learn about them and be motivated to attend. Publicity for arts events is transmitted through informal networks. The most important source of information is invariably word-of-mouth; for individuals not already embedded in circles of arts aficionados, learning about upcoming events is more difficult. Further, a decision to attend is often motivated through peer pressure.65 Since networks of art appreciation presently extend little beyond the upper and upper-middle classes, both information and motivation are currently denied the remainder of the class hierarchy. Second, appreciation of and familiarity with the arts is a capacity requiring prolonged training. Artistic meaning is encoded in works of art: pieces that were jarring and inharmonious at their inception, for instance the paintings of the Impressionists or the compositions of Debussy and Stravinsky, may appear natural and harmonious to a generation that has assimilated the conventions implicit in them.66 Individuals must learn to “read” a painting or a piece of music just as they must learn to comprehend the printed word.67 The extensive socialization necessary to effectively decipher art makes individuals raised in culturally literate families greatly advantaged over children whose parents do not share elite tastes. As with other forms of childhood socialization, cultural literacy is unequally distributed among social classes. Third, appreciation and understanding of the arts are related to the environments in which they are presented. Boundaries are erected not only by codes implicit in the work of art itself but also by the social context of appropriation: the kind of setting within which the work appears or is performed, the relationship between the setting and other settings of everyday life, and the rules that govern presentation of self and interaction with others present. These environments are generally most familiar to, and comfortable for, members of the upper-middle and upper classes; they are often perceived as inhospitable by members of other classes.68
65 Charles Kadushin, “Networks and Circles in the Production of Culture”, American Behavioral Scientist 19 (1976): 769–784. 66 E. H. Gombrich, Art and Illusion (New York: Pantheon Books, 1960). 67 Pierre Bourdieu, “Outlines of a Sociological Theory of Art Perception”, International Social Science Journal 20 (1968): 580–612; Bourdieu, “Cultural Reproduction and Social Reproduction”; Thomas Wolf, “Reading Reconsidered”, Harvard Educational Review 48 (1977): 411–429. 68 Don Celender, Opinions of Working People Concerning the Arts (New York: 0. K. Harris Gallery, 1977).
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Finally, a fourth barrier arises from the familiarity of the upper-middle and upper classes with current styles among artists, dealers, and critics and, conversely, art producers’ sensitivity to current tastes within these classes. As Tom Wolfe somewhat brutally illustrated, within the art world there is a constant process of stylistic change, a kind of heretodaygone-tomorrow standard of excellence fueled by the aspirations of those involved to be in vogue, to define styles, and to corner the market on the latest in art.69 Elites, with the assistance of their own opinion leaders as well as art specialists, are more able than other groups to follow these trends, thereby managing to maintain their stock of cultural capital even as the currency changes. The problem with most cultural democratization efforts thus far has been that they address only one, or at most two, of these barriers. A major approach, for example, has been to develop special promotions, anti-snob-appeal advertising, ticket discounts for selected groups, and innovative programming. In several cities programs have been implemented whereby cultural institutions make low-cost tickets available at locations (or through sales plans) that will reach working-class, minority, or lower-middle-class consumers.70 Such programs can-overcome informational barriers to arts participation; but they can do little to affect the others. A second type of arts policy is the outreach program, in which traditional cultural materials are presented in nontraditional settings. Mobile museum units, streetcorner theaters, and concerts and opera performances in public parks overcome the intimidating ambience of conventional settings. Outreach accomplishments, however, are not encouraging; cultural institutions have typically lacked the will or money to sustain such efforts for more than a few seasons, and there is little evidence that audiences who encounter art in the neighborhoods seek out more uptown.71 Such programs have also been met skeptically by their intended recipients. As one observer has noted, “involvement is what is wanted, and a bookmobile museum in a slum implies something for
69 Tom Wolfe, “The Painted Word”, Harper’s Magazine 250 (April 1975): 57–92. 70 R. Gary Bridge, “Cultural Vouchers”, Museum News 54 (March/April 1976): 21–26; Theatre Development Fund, Theatre Development Fund: A Progress Report, 1974– 1975 (New York: Theatre Development Fund, n.d.). 71 Metropolitan Opera, Introduction to the Met in the Parks Survey (New York: Metro politan Opera, n. d.).
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nothing from rich folks somewhere else, a kind of charity, a handout, largesse in white gloves”.72 Arts educational programs in public schools could, potentially, involve nonelite children in the arts and, if properly organized, compensate for the relative lack of exposure to high cultural traditions in their homes. The state of arts education in most public schools is, at present, dreary.73 The National Endowment’s “Artists-in-Schools” program is one of several approaches that might be fruitful. Poets, writers, painters, dancers, and other artists are engaged to work directly in the schools, providing students with opportunities to become involved in the arts as both creators and consumers. To children unfamiliar with the arts, such exposure could aid in the demystification of high culture as well as provide cognitive skills needed for decoding artistic work. Even this program, however, affects only a few school districts and, despite a glowing in-house evaluation,74 a number of art educators have criticized it as ineffectual.75 In a few cases, satellite museums have been established with neighborhood representation on boards of directors, and union officials have been brought into the governing circles of a few urban cultural institutions.76 A 1972 report of the American Association of Museums urges: A fundamental part of the museum‘s new commitment to its new community has to be an equal commitment to broadening of the character of the board of trustees ... (T)he board of trustees should seek members from among the new groups of the inner city for the obvious reasons that only there will the familiarity with these new problems and opportunities be found.77
Including representatives of working-class, lower-middle-class, minority, and other disenfranchised groups on governing boards might indeed be a meaningful reform, in that these groups would gain a degree of proprietorship over cultural institutions and a voice in determining their
72 S. Dillon Ripley, The Sacred Grove (New York: Simon & Schuster, 1969), p. 106. 73 The Arts, Education and Americans Panel, Coming to Our Senses. 74 Western States Arts Foundation, Artists, Poets, Schools: A Study of the Poetry and Visual Arts Components of the Artists-in-Schools Program, Technical Report (Denver: Western States Arts Foundation, 1976). 75 Elliot W. Eisner, “Is the Artist in the School Program Effective?”, Art Education 27 (February 1974): 19–23. 76 Ripley, The Sacred Grove; Meader, “The State of the Arts”; National Endowment for the Arts, Museums USA. 77 American Association of Museums, Museums: Their New Audience, p. 11.
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goals. So far, however, democratization of governing boards has been, at best, token and shows little sign of reaching meaningful proportions.78 Finally, the distribution of cultural capital can be shifted through an infusion of alternative cultural currencies and, to some extent, this seems to be happening. Instead of being enticed into participating in traditional institutions, disenfranchised groups could actively cultivate types of art more reflective of the concerns, tastes, and values of labor, the poor, and the lower-middle class. National Endowment programs in crafts, photography, folk art, jazz, folk and ethnic music, and similar programs at the state level, by providing artistic legitimation, at least at the public level, for nontraditional forms, could eventually lead to a realignment of cultural power and a broadened cultural definition of the arts. Yet these programs represent only a tiny fraction of the public presence in the arts, and such change is, at this point, only one possibility among many.
Government Support for the Arts: The Future Despite the widely acclaimed success of the National Endowment for the Arts and a number of the state arts agencies, government subsidy for the arts is likely to undergo, in the words of one observer, a “tough reassessment”.79 Advocates of government subsidization have temporarily bridged the contradiction between public support and private consumption by advancing various justifications of art as a public good and by urging a middle course in the distribution of support. Yet the conflict between the two opposing definitions of art — elite control, excellence, and passive reception versus popular control, cultural pluralism, and amateur activity — simmers below the surface and, though only rarely articulated, shapes the nature of the discourse and the issues that constitute the “clang and clash” of cultural politics in the public arena. It is impossible, of course, to predict the outcome of the increasingly intense struggle over the direction of public funding for the arts, but two events are unlikely to occur. First, the process of state bureaucratization and involvement in diverse art forms has gone too far either for the disestablishment of government arts agencies or for retrenchment of those agencies toward exclusive support of the most established arts organizations. Second, elite dominance of the arts is too entrenched to permit a 78 Meader, “The State of the Arts”; National Endowment for the Arts, Museums USA. 79 Carter, “The NEA.”
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serious democratization of the programs of either the traditional institutions or the new art agencies. Thus the debates of recent years are likely only to intensify in the future. The course of these struggles is likely to be increasingly shaped by the response of a relatively new set of participants in the artistic scene-professional arts managers. Until the Second World War, arts institutions were generally controlled by boards of trustees and by officers who, if they were not trustees themselves, were of the same class background and connected by ties of kinship, friendship, or patronage. As growth and financial pressure increased demands for administrative rationality, as changes in the relationship between arts institutions and the art market entailed the need for specialist managers, and as the rise of programs in arts administration have enhanced the salience of a professional identity for these managers, professional administrators have played an increasingly important role.80 The administrators are not, for the most part, cultural democrats. But neither are their interests identical with those of the elite. As managers, they are concerned, first, with the maintenance and enhancement of the organizations they direct. What is more, their own career trajectories may include participation in governmental arts bureaucracies. As funding agencies, responsive to legislative and public demands for the widest possible distribution of cultural and economic benefits, rise in importance, many managers are likely to switch their allegiance to the new public patron and away from the traditional trustees and the interests they represent. Of course, some institutions are secure in their private funding, and there is little incentive to seek public support. Even some fiscally troubled organizations will prefer to concentrate on developing an audience that is even more elite and, presumably, more willing to make donations and purchase subscriptions. And whatever the financial pressures, some arts administrators are personally opposed to entanglements with public agencies. More and more, however, professional administrators are likely to become responsive to government priorities and to implement programs that may be inimical to the interests of the elite in maintaining the arts as their cultural property. In so doing, they will not only respond to public demands for expanded cultural opportunities but will themselves cooperate with government agencies to create 80 Zolberg, “Professional and Laymen”; Rosanne Martorella, “Art Administration in the Performing Arts”, unpublished paper presented at the annual meeting of the American Sociological Association, Chicago, 1977.
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expanded constituencies.81 The extent to which this occurs can have a decisive bearing on the resolution of the tensions between elite control and public funding. Several scenarios can be envisaged for the future. One is deadlock and stagnation: the National Endowment and state agencies may continue at their present level of funding, trying to be all things to all groups, providing large-scale funding to the major institutions while supporting nontraditional arts at a level sufficient to legitimize their other activities. If this occurs we may see, particularly at the state level where major institutions have considerable political clout and are mobilizing more, an increase in the practice, initiated in New York last year, of legislatures earmarking funds for specific elite institutions. Another scenario would involve continual growth and change. Support for traditional institutions would continue, but support for nontraditional arts would rise more quickly, with increasing emphasis on participation and expression. The audience for the arts would expand, first to new segments of the middle class and, with time, possibly to other groups. If this is to occur, there will be a period of intense conflict between traditionalists and more publicly oriented managers as the government contribution to the arts becomes large enough, and the local administrative infrastructure strong enough, to offset the money and power of elite patrons. Such an outcome would probably depend on grassroots organizations of arts lobbies sufficient to maintain legislative support for continued democratization. In a third scenario, the elite could resist the government-oriented apparatus before it became strong enough to rely on new constituencies, taking the artistic establishment with it. The major organizations would look to business interests for funding, with the public agencies relegated 81 Thus Senator Claiborne Pell, the leading Congressional advocate of support for the arts, has written of government’s efforts: “What will this increased participation with the arts bring, then? Again, I think the example of higher education will be instructive. Those who took advantage of the Federal commitment to higher education on the G.I. bill and other programs now use their new skills and, to a certain extent, their large numbers, to advocate issues about which they feel concern. They developed their own lobby for education be re the public and in the government and have had a considerable impact. So, we should expect that those youngsters who took part in more sophisticated arts programs and those artists who gained from the National Endowment for the Arts will go into the community. They will become a lobby of artists which will question and demonstrate as much as the student lobby did. From this we shall have a more viable and relevant arts program, as well as a more complicated one, all of which will to the good” (Art Education 28 [October 1975] 20–21).
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to supporting nontraditional arts and small, amateur institutions. The resulting two-track system might resemble the system of higher education in those states where low-status public colleges serve the poor, working class, and lower-middle class, while prestigious private colleges and universities educate the children of the well-to-do. In many communities, elite cultural institutions have remained aloof thus far from local arts councils and cultural alliances, preferring to make their own way. The development of a national two-track system would, however, require the concerted coordination of a major segment of the elite, and such coordination, at this point, appears problematic. In any case, it seems likely that the nature and functions of the arts in the United States will continue to change, however imperceptibly. Familiarity with the arts may decline as a source of status and cohesion among the elite; distinctively lowermiddle-class and, conceivably, working-class forms may achieve a measure of development and legitimation. There will continue to be an elite culture, but the link between class and taste may undergo an attenuation. The extent to which the arts will enter the lives of most Americans, however, remains to be decided. […]
Source DiMaggio, Paul and Michael Useem. “Cultural Property and Public Policy: Emerging Tensions in Government Support for the Arts.” Social Research 45:2 (1978), 356–389. © The New School. Reprinted with permission of Johns Hopkins University Press.
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Art and the Public Interest It is curious how the federal government has gotten so heavily into the health business. There is no rolling back this process, nor would I be in favor of that. But it would be salutary to remind ourselves that the political regime is not instituted for saving life, or prolonging life, or curing disease; it is instituted to secure certain kinds of liberties, to make possible a certain decent way of life, to promote justice, and so on.—Dr. Leon Kass1
When in 1963 a bill to establish an Arts Advisory Council came to the floor of the Senate, Strom Thurmond of South Carolina, after remarking that the American government is one of limited powers, asked Senator Pell what provisions of the Constitution authorized the proposed legislation. Pell, who was in charge of the bill, was apparently taken aback by the question. He referred first to the patent and copyright provision, whose purpose is “to promote the Progress of Science and useful Arts”. This, he continued, did not authorize public support of art, but nevertheless deserved mention as an indication of the Framers‘ interest in the arts. He then quoted from the Preamble, which no one had thought conferred any powers upon the government. (“The Preamble”, Edward S. Corwin declared in his famous textbook, “is not a part of the Constitution, but ‘walks before’ it”.)2 Presumably, Pell had had in mind the words “general welfare” as they appear in the statement of the first of the enumerated powers, which authorizes Congress to lay and collect taxes. 1 2
American Enterprise Institute, A Conversation with Dr. Leon Kass, Studies in Health Policy (Washington, D.C.: American Enterprise Institute, November 16, 1978), p. 21. Edward S. Corwin, The Constitution and What It Means Today, 14th ed. (Princeton, N.J.: Princeton University Press, 1978), p.1
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The Supreme Court had in 1936 affirmed Congress‘s longstanding practice of treating this as a separate grant of power, and Pell might have answered the question by pointing out that, despite Madison‘s assurance that the powers of the nation‘s government would be “few and defined”, it now had indisputable power to provide for whatever Congress found would serve the general welfare. If any senators knew this, they did not see fit to clarify matters. Indeed, one, Lee Metcalf of Montana, congratulated Pell on his “fine constitutional analysis”, which he said was “an important contribution”.3 Very likely Senator Thurmond intended his question as a gesture of protest rather than a request for information. As late as the mid-1950s it had been the practice of congressmen to ask about the constitutionality of any proposed federal activity.4 By the early 1960s, however, it was usually taken for granted that any bill passed by Congress and signed by the president was a proper exercise of federal, as opposed to state, power. Whether it was also a proper exercise of governmental power was rarely if ever considered. To be sure, the principles of the regime were sometimes violated by the First Congress, whose members included many of the Framers, and more or less by every subsequent Congress and by every president. The tariff legislation of the First Congress, for example, was designed to serve special interests, and President Jefferson ruefully acknowledged that his Louisiana Purchase made of the Constitution “a scrap of paper”.5 From the mass and scope of recent legislation one is tempted to conclude that most people now think that the national government ought to 3 4
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Congressional Record, Senate, December 20, 1963, pp. 25263, 25268. As late as the mid-1950s, writes William A. Niskanen, an economist who has held several high positions in government (he is currently a member of the Council of Economic Advisers), “There was a general obligation to identify some constitutional basis for new programs. (…) At the present time [1975], the enumerated functions do not even command lip service. The U.S. Constitution, in terms of its effectiveness in constraining the functions of the federal government, is a dead letter.” William S. Niskanen, “The Pathology of Politics“, in Capitalism and Freedom: Problems and Prospects, ed. Richard T. Selden (Charlottesville: University Press of Virginia, 1975), p. 25. Writing of the first Congress, many of whose members had been delegates to the Constitutional Convention, historian E. A. J. Johnson says, “Congress has apparently accepted the idea that government ought properly to lend its assistance to any occupational group large enough and important enough in the national economy to deserve congressional recognition.” To which he adds, “Legislative procedure, as contrasted with economic or political theory, simply assumed that the machinery of government ought to be employed to aid importuning interests.” E. A. J. Johnson, The Foundations of American Economic Freedom (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1973), p. 260.
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do just about everything for which there is widespread demand. Survey data contradict this impression, however. Respondents in a 1981 survey made by the Roper organization for the American Enterprise Institute said only three activities were best provided by the federal government (assuring civil rights, 60 percent; protecting the environment, 54 percent; and caring for the poor, 42 percent); less than a quarter thought the other listed activities were best provided by the federal government (highway construction, 23 percent; college and university education, 22 percent; elementary- and high-school education, 17 percent; mass transit, 16 percent; and fostering the arts, 14 percent). Less than 10 percent of those polled thought these activities were best provided for outside of any level of government with two exceptions: college and university education, 10 percent; and fostering the arts, 26 percent.6 That the political system so often ignores the limits defining the proper sphere of government is evidence of its sensitivity to the pressures of organized minorities, not of a public opinion that rejects the idea of limits. It is not surprising that people who in the role of citizens deplore the unprincipled extension of federal activity also support, in their occupational roles, organizations that press for measures that will be of special benefit to them. In other words, that the principles of the regime are violated does not mean that they do not exist. Those that the Founders established have not been supplanted by others; natural law liberalism, the basis upon which consent was originally given, is the basis upon which it rests today. It follows, then, that even if government support of the arts contributed significantly to the welfare (pleasure, satisfaction, enjoyment, and so on) of the great majority of individuals, that in itself would not make it a legitimate activity of government. The principles of the American regime require that the individual be left free to pursue his happiness in his own way except as governmental constraints upon him (e.g., taxation for the support of art) are expected to benefit the body politic (i.e., the public viewed as an abstract entity). […] proponents of public support of art have tried to justify it on public-interest grounds. The arguments that were advanced in the hearings and debates that preceded passage of the 1965 National Foundation on the Arts and the Humanities Act are, allowing for minor variations, the same as those that have been made since.
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Public Opinion 5, no. 1 (February/March 1982): 29.
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Perhaps it is fair to say that the real reason for the passage of the act and for the making of appropriations year after year was, and is, to benefit special interests, especially the culture industry of New York City and the “humanist” professors who could not compete for grants with their colleagues in the sciences. It is significant, however, that these special interests could best be served — perhaps could only be served — from behind the protective cover of a barrage of arguments claiming an advantage to the public; for example, asserting the danger to its well-being from the cultural explosion and the no less frightening one resulting from the imbalance between scientific and humanistic studies. Curiously, these public-interest claims rested on extra aesthetic grounds. They asserted that the public would benefit from values that are incidental to art, from values that could be served — doubtless sometimes better served — by altogether different means. The weight of such justifications would be no less if it were known to all concerned that no one would ever make or view a work of art for aesthetic satisfaction. Probably, the argument that was most effective in getting “the arts” on the political agenda and then treated favorably was that support for the “culture industry” would contribute to prosperity. That it was the culture industry was incidental: the justification would have carried the same weight if it had been the widget industry. The essentials were that the industry employed a great many people directly and indirectly, attracted large numbers of tourists, enhanced real-estate values, and brought customers to hotels, restaurants, and expensive shops. All this was understood to give it a claim on public-interest grounds to be fostered by the government. The argument is altogether without merit when the claim is made at the federal level. From the standpoint of the public it makes no difference where tourists spend their money; attracting them to some cities is attracting them away from others. If the federal government equally subsidized the efforts of all cities to attract tourists, then the competitive position of the cities would remain as it was. (Admittedly, the matter is somewhat complicated if the tourists are foreigners and certain assumptions are made about balance-ofpayments problems.) The argument may have some merit when it proposes that local government provide the subsidies, especially in those instances where the local tax structure is such that the beneficiaries will pay the costs. But even local governments, as Dick Netzer points out, should not justify subsidy of art museums and symphony orchestras “by claiming that it promotes economic develop-
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ment more effectively than would the expenditure of the same amount of money on, say, raising the salaries of principal employees”.7 Some of the most frequently and earnestly made arguments rested on grounds that are, to put it generously, insubstantial. It was highly implausible (insofar as it had any meaning at all) that “giving official recognition”, as by the establishment of an advisory council, would “give status and recognition to the importance of culture in the United States”, increase “national prestige”, contribute to international understanding and world peace by enabling other nations “to discover that America has a soul”, and bring the ghettos of the cities into “the mainstream of American culture”. What exactly is national prestige? How is it measured? Why should Americans want more of it? (After the Revolutionary War, according to historian Neil Harris, art was seen as a means of convincing skeptical foreigners of the existence of an American nation.8 By now, it is safe to say, they have been fully convinced.) Nineteenth-century social reformers thought that art could be used, along with parks, playgrounds, and settlement houses, to prevent social unrest and alleviate social pathologies. „Whatever Central Park might cost”, James Jackson Jarves asked in 1864, „is not so much saved from prisons, priests, police and physicians?” He understood art as something that „elevates and refines the popular mind by bringing it in contact with the true and the beautiful”.9 A century later, however, when there was an accumulation of evidence to show that the popular mind was not 7
Dick Netzer, The Subsidized Muse (New York: Cambridge University Press, 1978), pp. 33–34. The absence of a national interest in fostering a local industry did not prevent NEA from supporting research to show the local “economic impact” of the arts. See, for example, David Cwi and Katherine Lyall, Economic Impacts of Arts and Cultural Institutions: A Model for Assessment and a Case Study in Baltimore, National Endowment for the Arts, Research Report no. 6 (Baltimore, Md.: Center for Metropolitan Planning and Research, John Hopkins University, October 1977). In this case NEA may have gotten more than it bargained for: the authors caution the reader against inferring that (a) support for the arts, as an economic development strategy, is to be identified would not have occurred if the institutions examined had not existed, and (c) economic effects are or ought to be important determinants of public policy toward the arts (pp. 3–4). Business leaders who urge support for the arts usually make all of these inferences. See, for example, W. M. Krome George, “Why Does Business Support the Arts?” (Remarks before the Economic Club of Detroit, October 22, 1979). George is the chairman and chief executive officer of the Aluminum Company of America and chairman of the Business Committee for the Arts. 8 Neil Harris, The Artist in American Society: The Formative Years, 1790–1860 (New York: George Braziller, 1966), p. 20. 9 James Jackson Jarves, The Art Idea, ed. Benjamin Rowland, Jr. (Cambridge, mass.: Belknap Press of Harvard University Press, 1960), p. 248.
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affected by access to art and when art no longer had anything to do with truth and beauty or even, as many would say, with any aspect of ordinary experience, it was absurd to claim, as did Douglas Dillon, the chairman of both the Metropolitan Museum of Art and the Business Committee for the Arts, that “…artistic performances of one sort or another are essential in handling the crisis of our cities”.10 Another justification of public support (although one that was not used to help establish the NEA) is that the art experience contributes to the relief and rehabilitation of people confined to custodial institutions such as prisons, mental health centers, and homes for the aged. Art therapy usually consists not of viewing art but of carrying on activities that have some outward resemblance to what artists do.11 Although art therapy is rapidly gaining the status of a profession (seven colleges give graduate degrees in it, two “professional” journals have been established to cover the field, and the NEA and the Department of Health and Human Services support artists who work as therapists), the evidence is sparse and shaky that it does more for patients than relieve boredom. “Before we tell people to spend a few million dollars on art instead of tranquilizers”, Dr. John H. Knowles, the late president of the Rockefeller Foundation, told a conference on art therapy, “we had better do some serious research to see what the facts are”.12 Some psychologists hold that self-expression through art is a means of releasing inner tensions, which the American society urgently needs. Mihaly Csikszentmihalyi, chairman of the Committee on Human Development at the University of Chicago, writes that making symbolic information about existence more readily available to people is “one of the major survival tasks of our society”.13 He envisions a federal Department of Symbolic Resources for this purpose. But what of the justifications that do depend upon art being experienced aesthetically? These justifications, however, are also extra-aest-
10 Douglas Dillon, quoted in Arnold Gingerich, Business and the Arts (New York: Paul S. Erikson, 1969), p. 49. 11 For more on art therapy, see The American Journal of Art Therapy and Art Psychotherapy. Also see Elinor Ulman and Claire A. Levy, eds., Art Therapy Viewpoints (New York: Schocken Books, 1980). 12 Quoted in RF3, no. 3 (May 1977): 8. For an account of the conference, see the Rockefeller Foundation, “The Healing Role of the Arts”, Working Papers (New York, July 1978). 13 Mihaly Csikszzentmihalyi, “Phylogenetic and Ontogenetic Functions of Artistic Cognition”, in The Arts, Cognition, and Basic Skills, ed. Stanley S. Madeja (St. Louis, Mo.: CEMREL, 1978), pp. 121, 124, 125.
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hetic in that the values sought are not aesthetic experience as such but rather some change in the social state that is believed to result from it. It is often taken for granted that the effect of the arts upon society is both profound and benign. This is surely unwarranted. Whatever may have been (or may be) the effect of the arts upon societies other than those of Western Europe, they were not (or are not) mediated by what in the past two centuries has been called aesthetic experience. […] even the Greeks did not experience what we call art in the manner that we do. Moreover, among those societies whose people do have what can properly be called aesthetic experience, there are striking differences in the manner and degree to which the societies appear to be affected by it. There are also striking differences in the kinds of social effects that seem to be produced by the various arts — say, music as opposed to painting. Insofar as art, or the arts, has consequences for society, they may be beneficial, injurious, or both. As Jacques Barzun has written, art “can dignify and exalt the civilization that gives it birth and also weaken and destroy it. It can transmit the ideals of a community. It can also detach the individual from the struggles of his age, making loyal citizenship appear to him as futile and perverse as revolutionary action”.14 The evidence here bearing on these matters is of course far from conclusive. But it strongly suggests that aesthetic experience of visual art has never greatly affected American society, and that the tendency has been, and is, for it to affect it less and less both because of changes in the nature of and the response to art and of the increasing democratization of American life that has caused arts institutions to subordinate aesthetic to other values. Modern art, Kenneth Clark remarks, “has become so hermetic, so removed from the average man’s experience, as to be incomprehensible, even to a semi-professional like myself”. Our hope lies, he says, in an expanding elite “drawn from every class, and with varying degrees of education, united in a belief that non-material values can be discovered in visible things”.15 It is possible that, although the size of the art-viewing public has increased substantially in absolute numbers in the past two or three decades, it has increased very little if at all as a proportion of the welloff and well-educated public from which most art viewers are drawn. In addition, art viewing is done more and more for nonaesthetic purposes, 14 Jacques Barzun, The Use and Abuse of Art (Princeton, N.J.: Princeton University Press, 1974), p. 17. 15 Kenneth Clark, Moments of Vision (New York: Harper and Row, 1981), p. 80.
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especially to learn about art and cultural history; moreover, insofar as art is responded to aesthetically, the response tends more and more to be a private one, having its effects mainly upon the viewer and little upon those he lives among and thus indirectly upon society. Finally, insofar as the experience of art does affect the society, it may sometimes be destructive of the values upon which social well-being depends. It is arguable that from the standpoint of society art took a wrong turn with the acceptance of the doctrine “art for art’s sake”. Taken literally, the phrase is of course absurd. But it means that aesthetic values are not to be weighed against other values — moral ones, for example. The view that aesthetic experience is “one of the ultimate values of human life”, Harold Osborne tells us, is one of the “evolutionary changes of outlook” characteristic of present-day aesthetics.16 It is more revolutionary than may at first appear if the nature and variety of these experiences are fully taken into account. If, as Aristotle and others believed, that which is distinctively human — reason above all, but love of the beautiful as well — is good, then whatever tends to exalt the distinctively human must also be good and whatever tends to debase it must be bad. By this (“prerevolutionary”) standard, the aesthetic experience is good, bad, or indifferent as it raises man to his full potential or lowers him to the level of the brutes. It may seem that if aesthetic experience has nothing to do with Truth or Beauty (the romantic mode) or, indeed, with any aspect of real or “ordinary” experience (the transcendental and nihilist modes) the worst that can be said from a moral standpoint is that it is irrelevant. If it sticks to its principles it cannot exalt or degrade man, attach or detach him from the struggles of his age, for it belongs to a world that is radically separated from the realm of real experience. This is presumably what Robert Rauschenberg means when he says, “It is extremely important that art be unjustifiable”.17 To be justifiable, it would have to exist for some sake other than its own. This view raises two problems. One is that much art in these modes does not stay within its aesthetic principle: under the pretense of having to jolt the viewer out of his ordinary perceptions, it comments on the real world. When it does so, its message is often that man is unlovely or deformed, that he is subrational, that he is garbage, that he is absurd. 16 Harold Osborne, Aesthetics and Art Theory (New York: E. P. Dutton and Co., 1970), p. 294. 17 Quoted by Joshua C. Taylor, America as Art (Washington, D.C.: Smithsonian Publication, 1976), p. 290.
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The other problem concerns art in these modes that does stick to aesthetic principle. It implicitly conveys a message, whose tendency is to degrade human things. It says that man and all that concerns him, including art itself, do not matter. What else can be the message, for example, of the work Abstract Painting? Ad Reinhardt, who painted it, has described it as follows: A square (neutral, shapeless) canvas, five feet wide, five feet high, as high as a man, as wide as a man’s outstretched arms (not large, not small, sizeless), trisected (no composition) one horizontal form negating one vertical form (formless, no top, no bottom, directionless), three (more or less) dark (lightless), non-contrasting (colorless) colors, brushwork brushed out to remove brushwork, a mat, flat, free-hand painted surface (glossless, texture-less, non-linear, no hard edge, no soft edge) which does not reflect its surroundings — a pure, abstract, non-objective, timeless, spaceless, changeless, relationless, disinterested painting, an object that is self-conscious (no unconsciousness), ideal, transcendent, aware of nothing but art (absolutely no anti-art).18
This book has argued that a justification for government support of art must rest on the inherent rather than the incidental values associated with it — aesthetic experience, that is, rather than values that could be as well or perhaps better secured by other means. If (to use Beardsley’s ad absurdum example of an incidental use) sculpture were useful as ballast, this would not help to justify a program of support to the arts. Most of the justifications that have been offered differ from the ballast example in an important way; that is, although sculptures would doubtless make good ballast, art is a quite unsuitable means of serving the public interest in the ways claimed. As mentioned earlier, attracting tourists to one city and away from another does not serve the public interest, and the effectiveness of art in increasing “national prestige”, relieving psychic tensions, and so on is extremely dubious. But, to repeat, even if art were as well suited to these uses as sculpture is for use as ballast, these justifications would be irrelevant to the evaluation of a program for the support of art if its purpose is to engender aesthetic experience. If aesthetic experience contributed significantly to the welfare (however defined) of large numbers of individuals, it would not necessarily follow that it would serve the public interest. Many activities contribute to welfare in this sense without being of concern from a public as opposed to a private standpoint. If, for example, the playing of chess afforded deep satisfaction to almost everyone, probably no one would claim that the playing of chess is therefore in the public interest. 18 Quoted by T. J. Clark, “Clement Greenberg’s Theory of Art”, Critical Inquiry 9, no. 1 (September 1982): 155n.
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Giving people pleasure has never been considered a proper function of the U.S. government, except as it may be supposed to affect, for good or for ill, aspects of life that are the proper concern of government. Only as an individual’s enjoyment of art is correctly perceived by the public as affecting the well-being of the collectivity does it become a matter of public interest. If it were clear that art significantly affects the quality of society, as opposed to the welfare of individuals, it would not follow that government might properly subsidize it or otherwise intervene in art matters. There are many things that affect society in ways that ennoble or debase men, ways that by common agreement are not the concern of government, either because it is incapable of managing them (e.g., enforcing rules of good manners) or because it is understood that government exists for other purposes. It may be desirable for the Constitution to spell out in unambiguous detail the proper role of government, but it is impossible for it to do so because there is not, and never has been, general agreement on what that role should be. (If there were such a consensus, it would soon break down in a free society, for people are apt to use their freedom to renege upon their agreements when they think it advantageous, to themselves or to the public, to do so).19 The role of government in a free society must be a matter of continuous negotiation among members of its public. The American regime rests on the principle that the functions of government are to protect the individual in the exercise of certain inalienable rights and to establish the preconditions for the development of competent citizenry. Some think that the conditions of modern life have made this principle obsolete. It is, however, the principle that has made America what it is, and no one seems likely to propose an alternative that would be generally acceptable.
Source Banfield, Edward (1984): The Democratic Muse: Visual Arts and the Public Interest. A Twentieth-Century Fund Essay. New York: Basic Books. © 1984. Reprinted by permission of Basic Books, an imprint of Hachette Book Group, Inc.
19 The point is developed in E.C. Banfield, “Federalism and the Dilemma of Popular Government”, in How Federal Is the Constitution? Ed. Robert A. Goldwin and William A. Schambra (Washington, D.C.: American Enterprise Institute, 1984).
Public Culture in America A Review of Cultural Policy Debates Dustin Kidd
[…] Since roughly the early 1980s, discussion of the public role of culture in American social life has been reinvigorated, largely as a response to ongoing battles to save the National Endowment for the Arts (NEA). The Reagan administration, from the beginning, sought to cut funding for the NEA and even to shut it down. As a result, arts administrators in state and local arts agencies and in the many nonprofit organizations that receive NEA monies had to travel frequently to Washington, DC, to testify in defense of public arts funding. This brought these administrators into new ties with each other, focused on one goal–protecting the NEA (Arian 1992; Campbell 2000). Unwittingly, Reagan may have revived an arts advocacy network that had lain dormant since the creation of the NEA. Since the early 1980s, these advocacy groups have become institutionalized through organizations, conferences, publications, and research agenda. Examples include the Center for Art and Culture, a policy analysis group in Washington, DC that closed in 2005; the Journal of Arts Management, Law, and Society; and the Cultural Policy and the Arts National Data Archive (CPANDA), developed by the Princeton Center for Arts and Cultural Policy Studies. This arts advocacy network played a tremendous role in battling the attacks on the NEA that began in the late 1980s as a response to controversies generated by awards that were link to controversial artwork by Andres Serrano and Robert Mapplethorpe. Those controversies eventually resulted in decisions by Congress to cut the NEA budget in half and to reduce its activities largely to funding organizations rather than artists (Dubin 1992; Kidd 2010). The consequences were severe, but also much
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smaller than some NEA critics would have liked, thanks in part to the work of cultural advocacy networks. Similarly, in 2003, when the governor of New Jersey attempted to eliminate all funding for the arts — ostensibly in retaliation for the misbehavior of New Jersey Poet Laureate Amiri Baraka, but more likely as a distraction from unrelated fiscal mismanagement — he found himself confronted with an army of arts advocates who were well funded and sitting at the helm of an elaborate communication and lobbying network. The governor backed down.
Public Culture The most important organizing principle for these arts advocates is a new discourse about “public culture”. While the concept of public culture was built into the founding legislation of the National Foundation for the Arts and Humanities (NFAH), and thus into the NEA and the NEH, it was not thoroughly articulated, at least at the level of public policy and policy research, until the NEA seemed particularly threatened in the 1980s. The idea of public culture embodies a number of related principles. The first, and most important, is that art and other forms of culture can be experienced in a public way and are not simply arbiters of private experience. Romantic ideology has fostered the notion that artists create in isolation from the social world (Cheatwood 1982). This obscures the many social connections that are required for artistic production (Becker 1984). An extension of this ideology suggests that art is consumed in privacy; the individual has her own engagement with cultural forms that are mediated more by psychological factors than sociological ones. The tension between this “private muse” ideology and the highly social reality of the arts has been exacerbated, argues Mary Schmidt Campbell (2000), by the post-WWII triumph of an individualistic and subversive modernist ethos. This ethos encourages the production of art that strives for inaccessibility for its own sake. Against these beliefs about the private character of culture, the “public culture” discourse identifies uniquely public and social functions of culture. Similarly, this discourse assumes the existence of public interests — goals that are shared across society — and posits that, in some scenarios, some artistic practices can achieve these interests. The principle is that if we — or most of us — can agree that X is a worthy pursuit, and if
Public Culture in America. A Review of Cultural Policy Debates
scholarship shows that art can produce or contribute to X, then we have a common interest in investing in the arts. A lesser but recurring principle in the public discourse is that government funding (often called public funding) and public policy are necessary ingredients in the formation of public culture. Enter cultural policy. The two major branches of cultural policy are regulation and subsidy (Lewis 2000). Examples of regulation include copyright laws and the Federal Communications Commission’s rules about the proportion of educational content on network television (the air-waves are considered a public good). Subsidy occurs most obviously through local, state, and federal arts agencies. In 1982, Kevin Mulcahy summarized the five dominant justifications for public culture, identified as economic, social, educational, moral, and political arguments (Mulcahy 1982a). Below, I update that discussion, adding a few new items to the list. Arts advocates and scholars have produced a number of frameworks for the justification of public culture, which I review thematically.
Art for the Public’s Sake This rationale for public culture is similar to the social argument articulated by Mulcahy (1982a). The question “Art for the Sake of What?” has long loomed over the cultural realm. In the face of modernism’s answer l’art pour l’art — art for its own sake — Mulcahy suggests in a later chapter that public culture yields art for the sake of the public — public access, public participation, and public interests. Even before we specify what such interests might be, we can recognize Mulcahy’s formulation as a rationale in itself. If private culture serves private interests, then we should support public culture for the sake of public interests (Mulcahy 1992). Robert D. Putnam’s discussion of social capital in his influential book, Bowling Alone (2000), provides another way of thinking about the social justification for public culture. Putnam argues that art can provide greater social connection and increase the social capital of a community. Claiming that “art is especially useful in transcending conventional social barriers” (411), Putnam calls upon artists and audiences to work toward a future in which more Americans participate in cultural creation rather than simply consuming culture as customers in the marketplace.
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National Security One public interest that I have touched on already is national security. Cultural diplomacy addresses this public interest by utilizing culture for the purposes of peacebuilding (as in Fulbright and other exchanges) and propaganda (as in Radio Free Europe) (Wyszomirski 2000). Gary O. Larson (1983) provides a rich discussion of the US government’s investment in cultural diplomacy in the years following the Second World War.
Merit A very different, but frequently invoked, justification for public culture is embodied in the concept of merit. This rather uncritical approach suggests that some things are just good, in and of themselves, and should therefore qualify for protection. David Cwi (1982) suggests that the merit of artistic goods can only be determined subjectively, by whether they produce aesthetic experiences. But the potential for such experiences allows the arts to be treated as a merit good that qualifies for government subsidy. However, he adds that subsidization of merit goods should only occur in the event of market failure — the inability for production to survive through the market alone.
Moral Worth The moral arguments for public culture are only slightly more critical than the merit argument. As Mulcahy (1982a) explains, moral arguments distinguish high culture from other forms (popular, commercial), privileging the “high” arts for their moral worth and suggesting that only they should qualify for public support. Where merit arguments suggest that culture is a public interest, moral arguments suggest that only high culture is a public interest. Obviously, the terms “merit” and “moral” might easily be switched, but I apply these categories as they are used by theorists of public culture. Mulcahy dismisses the moral approach for its reliance on elitist language, its elitist consequences, and its failure to justify the privileging of high art over other cultural forms.
The Good Life Arguments about the “good life” that is engendered by the arts have a moral tinge, but they emphasize the experience that individuals have
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with art, rather than the substance of the art itself. Wyszomirski (2000) argues that culture improves the quality of life. The American Assembly’s 1997 (2000) report, “The Arts and Public Purpose”, lists culture’s capacity to improve the lives of individuals among several rationales for public culture and specifies that art fosters creativity and provides opportunity for entertainment and relaxation. Edward Arian (1992) bases his arguments for public culture on three premises that relate to the role of culture in the lives of individuals: (1) art is constitutive of the good life, (2) all citizens of all backgrounds have a right to participate in the arts, and (3) people of all backgrounds respond positively to the arts. The good life approach bridges the public/private divide by suggesting that the life quality of individuals is actually a broadly shared public interest.
Economics The economic interests that are addressed by public culture provided the basis of funding for the New Deal arts programs and of one of the justifications for the NFAH. Mulcahy (1982a) outlines the economic difficulties that culture faces on the market, stating that culture is almost always a money-losing venture. Mulcahy discounts the notion that ticket prices for cultural events and institutions can be increased and insists that reasonable ticket prices can never pay the full costs of cultural production. Indeed, the larger and more reputable the institution, the more trouble it has staying afloat — the Metropolitan Opera in New York being a frequently cited example (Netzer 1978). In response to these economic concerns, Mulcahy argues that public funding is a necessary and worthy investment. He states, “Public subsidy has softened some of the economic realities of artistic production while making our cultural heritage more widely available” (37), linking economic benefits to positive results for participation in the arts. A report from the President’s Committee on the Arts and Humanities (2000) places culture on par with education as a worthwhile public investment. Just as tuition at public universities never fully covers the cost of education, the report argues, so ticket sales never fully pay for cultural events. And so, just as the government subsidizes education as a public interest, it should also subsidize culture. The economic rationale for public culture is not limited to the subsidization of a sector that cannot survive on the market. It also highlights the economic prosperity that culture engenders (Wyszomirski 2000). The American Assembly (2000) report that I cited earlier suggests that cultural institutions improve communities and thereby better the local
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economy. The report also reminds us that culture is one of America’s chief exports. Cherbo and Wyszomirski provide more concrete details with regard to the nonprofit arts, stating in 2000 that such cultural forms • • •
produce $ 36.8 billion per year in economic activity; provide or contribute to 1.3 million jobs; and generate $ 3.4 billion in federal tax monies, $ 1.2 billion in state taxes, and $ 790 million in local taxes.
In a more comprehensive economic analysis from 2002, three authors working with Americans for the Arts suggest that the arts generate at least $ 134 billion of economic activity (Americans for the Arts, 2002). In a subsequent article in JAMLS, the authors argue that economic impact analyses are important because policymakers and funders are most persuaded by economic arguments (Cohen, Schaffer, and Davidson 2003). In an update of that report from 2007, the figure is raised to $ 166 billion in expenditures (Americans for the Arts, 2007). The methodology of the report is seriously discredited by Arthur H. Sterngold (2003), who points out that the report measures the gross spending generated by arts and culture, without accounting for the ways this spending substitutes for spending that might otherwise occur in other areas of the economy. Ultimately, Sterngold argues that there is no evidence that the arts have a major impact on the economy, although he also points out that defunding the arts also has no measurable benefit for the economy. In a reply, Randy Cohen (2003) makes no disagreement with Sterngold’s economic critiques and instead simply put forward that economic arguments are necessary for appeals to politicians. Finally, Justin Lewis (2000) articulates the economic value to consumers of public arts subsidy with an example from television. When a corporation sponsors a television program, the citizen as consumer pays doubly by covering production costs for both the television program and the advertisement. When television is subsidized with public funds, as in the case of the Public Broadcasting System (PBS), which receives support from the federally funded Corporation for Public Broadcasting (CPB), the citizen as taxpayer pays only for the cost of the program itself. So public culture provides economic benefits for individuals, arts organizations, and communities.
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Politics Turning from economic arguments to political ones, Mulcahy (1982a) argues that heavy public support for the arts — indicated through public opinion polls — justifies public investment in the arts. According to this line of reasoning, if public opinion regarding art took a negative turn, then a withdrawal of funding would be justified, along with removal, literal and figurative, of art from the public square. The argument holds that politicians and other arbiters of the public square are accountable to the views of the public and it equates public interest with public opinion.
Education Another approach emphasizes the educational benefits of culture. The American Assembly Report (2000) suggests that public culture produces good citizens by providing individuals with educational and occupational skills. Mulcahy (1982a) argues that participation in the arts leads to expanded educational opportunities for the disadvantaged.
Democracy Many arguments for public culture are rooted in principles of democracy. Wyszomirski (2000) says that, for pursuing democracy, the arts are important for two reasons: building social capital and symbolically illustrating democratic principles. The issue of social capital derives from the work of Tocqueville, Putnam, and others who highlight the importance of civic associations within a democracy. The illustration of democratic principles suggests that the political system is reflected in artistic content (or at least, that it can and should be reflected). We would expect, then, that the art of a pluralistic democracy would be diverse in its themes and media, diverse in its producers, and reflective of the interests and concerns of a broad array of Americans (and not just of an artistic or economic elite). A 1991 report from the American Assembly insists that a healthy art world is in the best interests of democratic society because it contributes to a strong national identity and it promotes both education and happiness. But certainly art has thrived in nondemocratic societies. How do we specify the conditions that generate a democratic art world? Many of the advocates for public culture have expressed particular support for the NEA and other forms of federal arts subsidy. While all are critical of specific NEA practices, they nevertheless insist that a reformed
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NEA is the core of democratizing the arts. As Mulcahy says, “(f)or all its shortcomings, the present system of public culture — essentially public support of private institutions and individual undertakings — has offered the best hope for a democratic and autonomous art world” (1982b, 310). Other scholars emphasize the need for an American cultural policy and suggest that the lack of an official policy on culture indicates a failure to develop an American public culture. Lewis (2000) argues that America’s de facto cultural policy has been to leave culture to the free market, with effectively no federal involvement. He compares this to the European system, where culture is centralized and regulated by state ministries. He describes both of these approaches as “neither democratic nor dynamic” (80), and insists that a middle way is possible and needs to be pursued. In this middle way, the government would invest heavily in culture but would not be allowed to intervene too heavily in the production process. The underlying principle would be that free expression and free inquiry are worthy not only of legal protection, but even of subsidy. While many suggest that government has the right to make demands of the artists that it supports, Lewis insists that is in the government’s best interest not to do so. Lewis exaggerates both the American and the European models. America does invest in culture through the federal government in ways that go far beyond the miniscule budget of the NEA. And European governments do not by any means maintain tight control over all or even most cultural production. But the key point is that America lacks a cultural policy that might guide decision making in the areas of subsidy and regulation. One of the main reasons for avoiding such a policy is the fear of creating an “official culture” that is dictated by the state. But Lewis’s middle way is meant to provide a model for investing in culture while avoiding a tyrannical official culture. Edward Arian (1982) also bemoans the absence of an American cultural policy and offers the concept of “cultural democracy” as a possible foundation upon which to build cultural policy. Cultural democracy is rooted in Arian’s beliefs, described earlier, that all Americans respond positively to culture and have the right to cultural participation. Arian describes three cultural spheres in America. The first is a “performance culture” that consists of elite art institutions and small wealthy audiences. The second is a “creative culture”, a set of artists and writers who are actively writing and are responsible for most contemporary culture. This creative culture is largely autonomous from the major arts institutions. The third group is a “community arts culture” that works with local communities to generate art and arts events through small local
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organizations. Arian argues that cultural democracy must be founded in the creative culture — the artists — and the community arts culture. But instead, Americans generally and the American art world specifically have privileged the performance culture. We have thus failed to bring cultural democracy into the public sphere.
American Identity For all our failures to fully achieve democracy, cultural and otherwise, the concept is nevertheless an enormous component of American identity. The American Assembly’s 1997 report (2000) lists defining American identity as one of the public purposes of the arts. The arts provide the visual and symbolic material that can crystallize national identity. Further, the diversity of the arts in the United States highlights our cultural pluralism. It is this capacity for art to symbolize a nation that is invoked in the activities of cultural diplomacy.
Shared Symbols Beyond national identity, art can serve in other ways to build shared identity. Such commonality is the root of Durkheim’s (1984) concept of social solidarity. Solidarity provides the sense of trust that allows a society to cohere. As one American Assembly report states, “The arts encourage association, and provide us with opportunities for shared creativity and shared enterprise. They help us experience community, and invite us to focus together on ideas, issues, and emotions. In doing so, they sustain and deepen the dialogue about the American experiment and democratic values” (2000, 66). Wyszomirski (2000) invokes E. D. Hirsch’s notion of “cultural literacy” to argue for a stronger public culture in the United States (Hirsch 1987). Public culture, she argues, is the only culture that bridges individual and group differences in America. The report from the President’s Committee on the Arts and Humanities (2000) echoes this sentiment, but focuses on local communities. The report argues that culture provides the imaginative experience that builds a shared vision for what a community is about and where it is heading.
Diversity That report also emphasizes the complexity and diversity of American culture: „both Pueblo Dancers and the New York City Ballet; the local his-
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torical society as well as the history department of Harvard University; the church choir and the St. Paul Chamber Orchestra; the lone scholar in her cubicle and the citizen debate in a town hall” (President’s Committee on the Arts and Humanities 2000, 72). The report discusses “border culture” — emerging cultural forms that generate from the interactions between cultural groups. Examples include jazz, rock & roll, and musical theater. The emergence of border culture depends upon the vitality not just of culture, but also of cultural diversity. How do we foster cultural diversity? Lewis (2000), who argues that the keywords for cultural policy are diversity and innovation, suggests that the best way to protect cultural diversity is through government regulation. As an example, we can think of contemporary debates about the ownership of media corporations that have considered the possibility that government deregulation may destroy the diversity of the American media.
Innovation Innovation, on the other hand, is best promoted through government subsidy. The US government promotes scientific innovation through the awards given by the NSF. Academic advances in the humanities are encouraged through awards from the National Endowment for the Humanities. Similarly, Lewis (2000) argues, the National Endowment for the Arts is an appropriate way to promote innovation in the arts. Richard Florida’s (2002) analysis of the new creative class indicates that the arts and other creative endeavors provide a kind of research and development department for a new creative economy. The arts provide new ways of thinking and creating that can transform not only culture but also technology and the economy. Tyler Cowen (2002) argues that cultural innovation is best achieved through hybridity and cross-pollination, rather than through protectionist measures that seek to preserve traditions. Cowen’s libertarian approach argues in favor of market-driven innovation, rather than the cultivation of public culture.
Summary of Arguments in Support of Public Culture By my count, that is thirteen justifications for public culture. Democracy, in this discussion, has been one among several justifications, but it also provides an overarching framework for all of them. Art for the sake of the public is a democratic equation, just as democracy is, in principle, government for the sake of the public. National security is always an inter-
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est and a dilemma for democratic societies. Merit, as discussed above, may have little to do with democracy, but it has also largely been discounted by the theorists. Democracy certainly has a moral component and it defines the good life in terms of equality, diversity, and participation. Economic success is perhaps the most important domestic concern for democratic governments. Broadly available education has often been cited as foundational for democracy. The solidification of American identity is, in part, the solidification of a democratic identity. The social cohesion provided by shared identity and shared symbols stands in place of military and economic forms of social cohesion as the most democratic alternative. But shared identity can lead to stagnation, unless diversity and innovation are fostered as well. The question of public culture is, then, a democratic question.
Discussion From this historical analysis of the theoretical justifications for public culture, we can extract the following four principle claims: 1. Public culture and democracy are mutually constitutive. Theorist after theorist cites the important contributions that public culture can make to democracy. But they also call for democratic reforms within the institutions of public culture. As Wyszomirski says, “(D)emocracy in procedure reflects and legitimates democracy in principle on a day-to-day basis” (2000, 75). The democratic effects that the arts can contribute to society are dependent upon a demo cratized art world. Such an art world will reflect the principles listed here. In addition, it will be characterized by broad participation in the arts across society — participation that is evenly distributed across geographic locations, across social classes, across racial backgrounds, across religious and ideological commitments, across sexual identities, and across other important social identity characteristics. 2. Elite culture, when socially framed as such, is detrimental to democracy. That is not to say that opera, for instance, is inherently antidemocratic. But scholars of cultural history have demonstrated that opera
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and certain other arts have been carefully constructed to legitimate and protect the interests of elites (DiMaggio 1982; Levine 1988). Within this context, elite culture tends to lower participation because of its exclusionary tendencies. It has already been presented to society as the exclusive domain of elites. Reconstruction of these cultural forms is possible and is actively attempted by many nonprofit arts organizations. However, when they are pursued without reconstructive efforts to disentangle them from elite interests, antidemocratic effects such as hierarchy and low participation will result. 3. The deliberate pursuit of diversity is a democratic endeavor. Democratic societies and democratic institutions make decisions through open debate and consensus building. Such deliberation depends upon the participation of diverse perspectives. As the NEA has found, diversity often leads to controversy. Art that reflects feminist ideas, that addresses racial issues, that explores difficult religious issues or examines human sexuality is often highly contentious. But in its few moments of controversy, the NEA may also have been at its most democratic. While issues of diversity were frequently discussed during the arts culture wars of the late 1980s and early 1990s, the democratic character of diversity was largely unacknowledged. 4. In addition to reflecting differences, culture can also bridge differences. Culture that is shared across society provides symbols of shared identity. Such symbols hold together a highly diverse and pluralistic society. They act as a form of social cohesion by providing a sense of social solidarity. This character of public culture was mentioned less often, and overall it is undertheorized. But it makes a logical counterpart to the pursuit of diversity. Combined, these four principles provide the foundation for a democratic approach to the arts — one that disentangles art from hierarchical systems of cultural capital and class difference and allows it to become a source of both common identity and democratic debate.
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Conclusion: A Dream deferred? The principles outlined above, and the justifications presented for public culture, are largely focused on a direct relationship between government subsidy and artistic production. The current institutional reality is much more complicated. Although many artists operate independently, a tremendous amount of production, exhibition, and other artistic activities currently take place within arts and culture nonprofits. These nonprofits benefit financially from their tax-exempt status, but they must also raise funds to cover their costs in a very uncertain institutional field. Nonprofits generally produce revenue from a combination of five sources: government contributions (federal, state, and local); foundation grants; corporate grants; contracted services (in which an entity pays a nonprofit directly for a particular service, rather than simply funding a project); and individual donations. At minimum, this complex funding ecology means that our analysis of public culture needs to broaden far beyond the issue of government subsidy to consider the ways that foundations, corporations, and individual donors may contribute to, and detract from, the creation of public culture. But this funding environment also raises profound questions about the very possibility of public culture in a time when private foundations, private corporations, and private citizens have such a profound financial influence on artistic production. Such financial capital easily transforms into aesthetic power when funders express a preference for certain kinds of artistic activity over others. Most funders shy away from politically and socially challenging forms of the arts, which means that innovation and diversity can be hard to achieve in this climate. Consider two very different perspectives on the current climate of arts funding. In one corner, we can place Bill Ivey, a former chairman of the NEA who is also the founder of the Curb Center for Art, Enterprise, and Public Policy at Vanderbilt University. Ivey expresses tremendous concern about the privatization of the art world and the lack of discourse about what public culture means and why we might want to invest in it. Of the problems in the current arts climate, Ivey says, “These challenges are vexing, so vexing that only a coordinated, muscular program of legislation and regulation can realign our arts system with the public interest and provide the vibrant expressive life that should be the birthright of citizens in our enlightened democracy” (2008, xix). Clearly, Ivey sees the dream of public culture being undermined by an increasingly private system with little regard for public interest.
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In the other corner, we can place Tyler Cowen, the libertarian economist who has shown significant interest in the relationship between culture and the economy. Cowen argues in favor of the free-market system and the increasing role of indirect subsidies for the nonprofit arts. “The American model encourages artistic creativity, keeps the politicization of art to a minimum, and brings economics and aesthetics into a symbiotic relationship” (2006, 3). We might expect a libertarian to argue against any form of government subsidy in favor of a strict market approach, but Cowen resists that tendency and offers a nuanced and ultimately powerful argument in favor of the current system. But Ivey’s critique is no less powerful, which means that the scholarly debates regarding public culture still have much to resolve, through both reasoned discourse and empirical analysis. With the fiftieth anniversary of the NEA fast approaching in 2015, this seems like an appropriate time to re-evaluate both our justifications for public culture and our nation’s limited success in fostering public culture.
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Source Kidd, Dustin (2012): Public Culture in America: A Review of Cultural Policy Debates The Journal of Arts Management, Law and Society 42(1): 11–21. doi: 10.1080/10632921.2012.651094 Reprinted by permission of Taylor & Francis Ltd, www.tandfonline.com
Cultural Policy in Australia The Art of Nation 1 Deborah Stevenson
Governing the Arts It is possible to identify three phases of Commonwealth patronage of the arts in Australia: voluntary entrepreneurship, statutory patronage, and decentralised patronage (Rowse 1985). The period of voluntary entrepreneurship covering the time from the establishment of the Australian Broadcasting Commission in 1932 to the late 1960s/early 1970s was “characterised by the voluntary cultural mission of non-commercial entrepreneurs, sometimes enjoying Commonwealth support” (Rowse 1985: 6) who, unlike commercial entrepreneurs, were not motivated by profit but by cultural values and missionary zeal. They wanted to stage “quality” local productions in order to raise the “cultural capital” of the nation. The establishment of the Elizabethan Theatre Trust in 1954 is a particularly significant example of this form of arts patronage. The Trust set out to create a national professional theatre company of the “highest quality” by supporting the production of opera, ballet and drama, training and nurturing Australian talent and providing opportunities for professional careers. It was funded initially by public subscription by a subsidy of one to three from the Commonwealth government as well as with support from State and some local governments. The Trust was influential in shaping the arts and cultural landscape of Australia between 1954 and 1968, directly and indirectly being the catalyst behind the creation of the Australian Opera (1956), the Aus 1
This is an abridged and updated version of “The Art of Nation”, chapter 2 in Stevenson (2000).
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tralian Ballet (1961), and the National Institute of Dramatic Arts (1959). For many Australians, especially those living outside the capital cities, it was through the Trust’s touring program that it was best known. This focus on touring was the result of the belief that Australians in general and those outside Sydney or Melbourne, in particular, were starved of culture and the mission of the Trust was to facilitate access to the arts for the greatest number of people. It was also a very expensive activity and the support of the national government was required. Even with government support, the Trust suffered considerable financial difficulties during the late 1950s and early 1960s and the touring Trust Players were disbanded in 1962. This period of voluntary entrepreneurship where government backed up the paternalistic and elitist arts priorities of cultural leaders, was replaced in the late 1960s by a system of commonwealth statutory patronage. Along with the establishment of the Australian Film Development Corporation (the forerunner of the Australian Film Commission) in 1970, the formation of the Australian Council for the Arts in 1968 was perhaps the most significant initiative of this time. Lobbying for the ACFTA called on government to establish a statutory administrative and funding body modelled on those operating in Canada and Great Britain. The movement from voluntary entrepreneurship to a statutory system of government patronage did not just involve shifting administrative functions; rather there was also an important change in the underpinning philosophical rationale for funding the arts with an important difference being that rather than showcasing “excellence” to an “arts starved” public, ACFTA also emphasised participation. The proposal put forward in 1966 was to set up a body with responsibility for funding “the theatre arts (drama, opera and ballet) [and] filmmaking for television with an educational and cultural emphasis” (Macdonnell, 1992: 13). According to this blueprint, existing bodies, such as the Commonwealth Literary Fund were to remain, as was the Eliza bethan Theatre Trust, which was designated the body through which the new Council would distribute financial support for the performing arts. The establishment of the ACFTA provided the foundation for its successor, the Australia Council which was established as an independent statutory authority in 1975 and has played a central role in arts funding and advising the federal government on arts policy ever since. The third of patronage is underpinned by the idea that there are communities whose social or cultural interests must be served by the work of those artists and arts organisations that receive certain forms
Cultural Policy in Australia. The Art of Nation
of federal financial support (Rowse 1983). A concern for “third parties” and the requirement that a category of applicant for Australia Council funding must document the benefits the community will receive from the activity, underpinned the operations of three of the Australia Council Boards — Craft, Community Arts, and Aboriginal Arts (as they were then known). This form of support was additional to statutory patronage and not its replacement. Indeed, a concern that constituencies are served by art goes to the core of the arts funding dilemma and highlights conflicting objectives in the operation of the Australia Council: the tension between excellence and access. The Australian government assumed responsibility for arts funding and support in response to arguments about standards, a hierarchy of cultural value, public good, the preservation of culture and its diffusion throughout society; however, since the 1980s, such arguments have lost some of their force. In lobbying for government support of the arts, cultural elites mobilise sometimes reinforcing, sometimes contradictory discourses, in particular arguments touting the symbolic, economic and material benefits of the arts to the nation whereby the arts are a source of national pride, a marker of national identity and a contributor to the economy. It was in this context that Australia’s first national cultural policy — Creative Nation — was released in 1994.
The Cultural Policy Moment For thirteen years from 1983 to 1996, Australia was governed federally by the Labor Party. This was a period of many highly charged debates over the place of the arts in Australia, and its role in defining Australian identity. The release, during the prime ministership of Paul Keating, of Creative Nation was unquestionably the single most significant arts initiative of this time. This policy was a response to changes not only in the arts environment since the 1980s, but also in economic discourse and Creative Nation balanced (uneasily) the industry argument and the subsidy approach to arts funding. When Creative Nation was released the reaction of arts organisations and commentators overall was positive because it raised the profile of the arts and creative endeavour and allocated significant funding to cultural practice, although a prominent critic was former Chair of the Australia Council, Donald Horne (1995: 16A) who claimed the policy failed adequately to address the public benefit of the arts or engage with why governments should support them. Creative Nation committed the
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government to spending $250 million on culture and the arts over four years — admittedly a small proportion of the Department of Communications and the Arts total annual budget which at the time was $1billion (Van Den Bosch and Beale, 1998). Whilst it is true that Creative Nation is not a cultural policy in the sense of addressing the spectrum of cultural practices, including sport (Rowe, 1995), it is not the case that it is simply an arts policy. Rather, the area identified for maximum support is, in fact, multimedia with the development of new information technologies and additional support for film and television production being particular priorities. A surprising announcement was that Rupert Murdoch was going to build a major film studio in Sydney. This “handshake deal” between the Prime Minister and Murdoch, subsequently cost the New South Wales Government millions of dollars in subsidies to a highly profitable international media enterprise. Creative Nation, also flagged major changes to the operation of the Australia Council, including establishing a Major Organisations Fund to support “flagship” bodies, such as the Australian Ballet and the Sydney Theatre Company, and prompting a review of the Council’s processes of peer assessment. Also addressed were issues associated with copyright, taxation, and government regulation. Creative Nation was also, if not a manifesto for an Australian republic, then an implicit call for the establishment of new frames of cultural expression and sources of collective identity that were independent, self-reliant and creative. A headline in the national daily broadsheet newspaper, The Australian the day after the policy launch hailed it as “Keating’s $250m cultural revolution” (Gordon 1994: 1). This instance of subeditorial embellishment has more to do with the republican subtext of the policy than with the level of financial support being promised. Beginning with the use of the term “nation” in the title, the document oozes a republican and national heritage agenda. For example, the new media program “Australia on CD” “blend[ed] … new technology and nationalism” (Van Den Bosch and Beale, 1998: 13). Through this program funds were provided for the production of ten CD-ROMs “showcasing Australian cultural endeavour, artistic performance and heritage achievements” (Given, 1995: 6). And under the heading “International Projection of Australian Culture”, also announced was funding for an international arts touring program to “showcase” the work of Australian artists and performers and the Australia Council also provided with funding to establish an international export program that focused on cultural exchange and the promotion of the arts.
Cultural Policy in Australia. The Art of Nation
Integral to positioning the arts as an industry, and the development of new audiences and showcasing a “national culture”, is the acknowledgement of both the export potential of Australian arts and the central role touring arts productions and products can play in promoting Australia internationally. Writing in the journal Media Information Australia, the then-Prime Minister Keating (1995: 4) suggested that the “emphasis on the development of cultural exports” was “[a]mong the most important facets of Creative Nation” and that these “exports can add value to our trade and export strategies”. The focus here is quite clearly on the Asia-Pacific region. As many international promotional activities involve some degree of cooperation between different governmental and quasi-governmental agencies, also announced was funding for the interdepartmental body, the Australia Abroad Council to coordinate international arts promotional activity involving the Australia Council, Austrade and the Department of Foreign Affairs and Trade. Creative Nation proved to be a catalyst for re-evaluating the role of the arts in Australian society, the connections between different forms of arts and cultural practice, and the relationship between the arts and government. Some of the debates were not new — having been rehearsed repeatedly for as long as governments had been the principal supporters of “culture”. What were new were the terms of the debate and the discourses which justified them. The Federal Government was intent on framing a cultural industries agenda for the arts that not only privileged the celebration of nation through artistic expression but was grounded in economic philosophies that eschewed subsidy and accelerated the move to user-pays. This philosophy became entrenched as orthodoxy by successive governments and has been influential internationally including in the United Kingdom (Stevenson et. al 2010).
Contemporary Trends and Challenges Coming to office in March 1996, the conservative Coalition Government of John Howard funded to completion the majority of programs commenced under Creative Nation although arts funding was reduced in their first budget (including the operating budget of the Australia Council being cut by 12 per cent). And despite the semblance of continuity from the Labor to the Coalition, during the Federal election campaign of 1998, the Coalition ran advertisements criticising Labor for its support for “elite arts” and referring to such support as “handouts”. On being re-elected, the Coalition reduced the status of the Ministry for the Arts to
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a junior ministry within the Ministry for Communications, Information Technology and, except for significant announcements, such as naming the new General Manager of the Australia Council, the senior Minister had little day-to-day involvement in the arts. The Coalition did not make any significant announcement regarding the arts during its time in office (1996-2007) and failed to develop a cultural policy. Indeed, it was not until 2013 that Australia’s second cultural policy was released and again it was an initiative of a Labor government. Although a long-time in development, Creative Australia was only released a matter of months before the incumbent government was defeated at a general election and so it should be read as a statement of the Labor Party’s arts and cultural priorities, rather than as a policy that influenced or changed practice, or its context. The tension between access and excellence is writ large in this policy with a central aim being to “support excellence and the special role of artists and their collaborators as the source of original work and ideas…”. Culture, according to Creative Australia, is “more than the arts, but the arts play a unique and central role in its development and expression” (2013: 8) while “[t] here is a need to nurture the most gifted and talented while providing for those who want to be involved in and take pleasure from arts and culture” (2013: 69). Tensions between access and excellence, in different guises, has long been at the troubled heart of Australian cultural policy. The Executive Summary states that the role of government is to “enable” “creativity and culture to flourish” (2013: 9) although the terms “creativity”, “art”, and “culture” (and their variants) are used selectively. A distinction is made between artists (as the possessors of “genius”), and creative practitioners who either work in the cultural sector, broadly defined (for instance, screen, broadcasting and media), or are community “participants” (both practitioner and audience). Language is important because it underscores the imagined separation of art, culture and creativity that is pervasive within cultural policy but which continues to be unexamined. In part, it points to attempts to speak to different audiences and constituencies, seeking simultaneously to be an “arts” and a “cultural” policy but it also informs the nature and direction of funding priorities and schemes. Coupled access and excellence, are also themes of identity, selected creative forms and practices, and a recognition of the importance of the creative work and cultures of the nation’s Indigenous people (2013: 8–9). Since 2013, Australia has again been governed federally by the conservative Coalition government, which in line with the practice of previ-
Cultural Policy in Australia. The Art of Nation
ous Coalition governments, does not have a cultural policy. It has, however, taken an interventionist approach to the arts portfolio including cutting funding to, and overseeing a restructure of, the Australia Council and its peer review system (Caust 2017). In 2015, more than $100 million was taken from the Australia Council’s budget primarily to establish the National Program for Excellence in the Arts, a program of direct grants overseen by the Minister. This was a challenge to the principle of arm’s length funding at the core of the operation of the Australia Council. The program also funded “international touring and strategic projects, with an emphasis on attracting private sector support [that will] allow for a truly national approach to arts funding and will deliver on a number of Government priorities including national access to high quality arts and cultural experiences”. Following a ministerial reshuffle, it fell to a new Arts Minister to operationalise the Excellence in the Arts program, and in this context, it was renamed and its funding priorities were reorganised around three streams: partnerships and collaborations; innovation and participation; and international and cultural diplomacy. $32 million in funding was returned to the Australia Council although not before it defunded 65 small-to-medium cultural organisations. Over time, further funds were returned to the Australia Council although a shortfall remains. Two things stand out from the approach the Coalition government has taken to the arts since 2013. First, the challenge to the principle and practice of arm’s length funding that has come from ministerial interference are significant and associated with a blurring of the relationship between the Australia Council and the Minister for the Arts. Second, funding priorities have privileged excellence and the major cultural institutions over access, participation, and small to medium arts organisations. Arts and cultural policy in Australia has a vexed and uneven history and must also be understood as operating in the context of the policies and plans of state, territory and local governments as well as those of the federal level. It is also shaped by ideological imperatives including those associated with access and excellence. The rise of the cultural industries is also relevant here. What is clear, is that in recent years, the sector has faced challenges that are reshaping the context and rationale for arts funding and which differ in crucial respects from previous practice. Indeed, it makes it possible to speculate that Australia has entered a new phase of Commonwealth patronage of the arts, one which moves beyond decentralisation, challenges statutory patronage and arms-length funding, and reasserts voluntary entrepreneurship
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although in a form that also positions arts organisations and artists as cultural entrepreneurs. New paradigms and explanatory frames are clearly needed both to explain contemporary trends, as well as to find a language for rethinking cultural policy in a way that can reassert the social value of the arts.
References Caust, J. (2017) “The Continuing Saga around Arts Funding and the Cultural Wars in Australia”. International Journal of Cultural Policy, DOI: 10.1080/10286632.2017.1353604. Commonwealth of Australia (1994) Creative Nation: Commonwealth Cultural Policy. Canberra. Commonwealth of Australia (2013) Creative Australia: National Cultural Policy. Canberra. Given, J. (1995) “Creating the Nation — Is this a Film Policy?” Filmnews, March/April: 6–8. Gordon, M. (1994) “Keating’s $250m Cultural Revolution”. The Australian, October 19, p. 1. Horne, D. (1995) “Keating”s Art and Artistry”. Sydney Morning Herald, Spectrum, pp. 16, May 6. Keating, P. (1995) “Exports from a Creative Nation”. Media Information Australia, 76: 4–6. Macdonnell, J. (1992) Arts Minister? Government Policy and the Arts, Sydney: Currency Press. Rowe, D. (1995) Popular Cultures: Rock Music, Sport and the Politics of Pleasure, London: Sage. Rowse, T. (1985) Arguing the Arts: The Funding of the Arts in Australia, Ringwood: Penguin. Stevenson, D. (2000) Art and Organisation: Making Australian Cultural Policy, University of Queensland Press, Brisbane. Stevenson, D., Rowe, D. and McKay, K. (2010) “Convergence in British Cultural Policy: The Social, the Cultural and the Economic”. Journal of Arts Management, Law and Society, 40(4): 248–265. Van den Bosch, A. and Beale, A. (1998) “Australian and Canadian Cultural Policies: A Feminist Perspective”. In A. Beale and A. Van den Bosch (eds) Ghosts in the Machine: Women and Cultural Policy in Canada and Australia, Toronto: Garamond.
IV.
Kulturförderung aus der Perspektive der Kulturökonomie
Public Support Bruno S. Frey
When cultural economists look at the public support for the arts, they distinguish between two aspects: the positive issue where one analyses the extent of support by the government, and the normative issue whether or not the arts should be publicly supported and, if so, to what extent. In the second case, the cultural economist desires to inform the public about an appropriate policy, a welfare-enhancing public policy towards the arts.
How does Government Support the Arts? Throughout history, governments have been heavily involved in the arts. Table 1 provides an overview of direct public spending on the arts in various countries in 1994. The table should be interpreted with great care because what counts as ,arts expenditure’, and what falls in the domain of ‘government’, differs considerably between the countries listed. Nevertheless, the table is able to show widely different amounts of direct public expenditures for the arts. The United States and Ireland spend Table 1: Government support for the arts’ in ten countries, 1994 (direct spending in dollars per captia) Australia
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Ireland
9
Canada
44
Netherlands
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Finland
112
Sweden
65
France
57
United Kingdom
26
Germany
90
United States
6
Source: Arts Council of England, ‘International Data on Public Spending on the Arts’ March 1998, reproduced in Heilbrun and Gray (2001, Table 12.1, excerpt).
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much less, and Finland and Germany substantially more, than the other countries shown in the table. The source of public support also differs widely. Thus, for example, in Ireland nearly 90 per cent comes from the central government, while in Germany it is less than 10 per cent, the bulk coming from the Länder and cities. It is important to realize that a substantial part of the public support for the arts is given in an indirect way, by so-called ‘tax deductions‘. Individuals’ and firms’ gifts to the arts may be exempt from tax. Hence, the higher the applicable (marginal) tax rate, the less costly it is to give to the arts. It has indeed been observed that a reduction in tax rates led to lower donations to the arts. The extent of tax expenditure for the arts varies greatly between countries, and often depends on a great many conditions. It is therefore impossible to indicate its size, but most cultural economists assume that it is quite substantial, and often larger (for example for the United States) than direct expenditures. There is a basic difference between the two types of support. In the case of direct expenditure, the decision about its size and the recipients is taken in the political sector, often by government bureaucracy. In the case of tax expenditures, the support decision is delegated to individuals or firms. This may lead to a different size and type of art being supported. Many developed economies have constitutional provisions for supporting the arts. By necessity, such rules have to be general. Tue effect on the arts depends to a great extent on how the political actors and the public officials apply them. There is considerable evidence that they prefer to support well established cultural institutions providing generally accepted art, such as, for instance, opera houses performing popular classical pieces by Verdi, Mozart, Puccini or Rossini. In contrast, more controversial and experimental art has difficulty in getting public support, because the public decision makers who depend on public opinion and re-election shun scandals, which are more likely to be provoked by this kind of art. Indirect aid via tax expenditures is less subject to such pressures and may bring about the support of a broader range of artistic activities.
Should Government Support the Arts? Cultural economics has paid much attention to the question of what the rationale for the support of the arts could be. The analysis is based on welfare theory, which focuses on the question of whether the private market misallocates the resources in the domain of the arts, and in par-
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ticular why too little art is provided for if it is left to the price system. lt is useful to distinguish between the demand and the supply side.
Market Failures on the Demand Side According to welfare economics, too little art is supplied if the markets do not reflect all the preferences of individuals for enjoying art. The following types of demand are not fully, or only partially, reflected on markets: 1. External benefits in production and consumption. The provision of artistic activities may yield benefits, or positive external effects, to individuals and firms not involved in the production process. They reap a benefit for which they do not pay, and which the art producer in a market therefore does not take into account. Similarly, part of the benefits of artistic production may go to individuals and firms which do not pay for such consumption, and which therefore do not influence the production decisions on art markets. In both cases, production is too small compared to what is socially optimal. 2. Non-market demand. People may value the option of visiting an artistic production though, in fact, they never spend any money to actually attend themselves. People may even know beforehand that they will never themselves attend an artistic production but they value the existence of a respective activity. Some people may not themselves value art, but consider it a bequest for future generations. In many cases, artistic production is closely identified with national identity, prestige and social cohesion. Examples are famous opera houses, theatres, orchestras and museums. Artistic production may also contribute to a liberal and broad education and lead to social improvements among the participants. The experimental nature of (some) artistic endeavours may foster innovation and risk taking in quite different parts of society. In all these cases, the producers of art are not (fully) compensated in monetary terms for the benefits created. As a result, they are sometimes not able to provide the respective cultural activity at all, or only on a smaller scale than would be socially optimal. 3. Art as a public good. Art may be of a collective nature, in the sense that nobody (including those not paying) can be excluded from enjoying it, and that the consumption of one person does not reduce the consumption of other persons. This condition may apply to cul-
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ture as a whole, or only some parts of it (for example, the beauty of a cultural city may be enjoyed by many people without their having to pay specifically for such a benefit). In contrast, the cultural consumption provided by, say, opera houses or museums, is not a public good, because people not paying may be, and generally are, excluded. Moreover, in these cases there is rivalry in consumption; those who occupy a seat, or those who visit a museum, occupy space which is then no longer available to others. But insofar as culture is a public good, the suppliers are incompletely compensated for their efforts, and supply is lower than socially optimal. Not all spillovers to other sectors induced by the arts constitute market failure. This holds in particular for the multiplier effects generated by expenditures for the arts. They increase the demand for other economic activities, such as hotels, restaurants or travel services, and thus work through the price system. No misallocation of resources is thereby created. The many studies of the so-called ‘impact effects’ of cultural activities (such as, for example, musical festivals or special exhibitions), which measure the additional economic activity induced, can therefore not be taken as a rationale for government support of the arts. Such studies, moreover, are often misplaced, as they indicate the additional turnover created instead of the added value. They also tend to disregard the alternatives available, that is, whether, say, a sports event, rather than the cultural activity considered, would not generate even more economic activity. On the demand side, further arguments for government support of the arts relating to aspects beyond efficiency may be proposed. Particularly important ones are the following: 1. Merit goods. Some cultural activities have, from the point of view of society, been described as being desirable to provide larger quantities than the individual consumers would wish to purchase in the market. According to this view, consumer preferences are not to be accepted, but rather the political decision makers have to decide according to ‘inherent’ worth or to what the majority of the population wants. Obviously, the idea of merit goods clashes with the basic idea in economics that the consumers know best what suits them. In many cases, ‘merit wants’ has just been used as another term for externalities and public goods connected with the arts.
Public Support
2. Lack of information. The fact that consumers are often badly informed about the supply of art has often been used to argue for government intervention. While the fact can hardly be disputed, it is necessary to face the question of whether consumers’ limited information is a rational consequence of their being little interested in the arts. 3. Irrationality. Individuals may be particularly subject to behavioural anomalies and paradoxes when they act in the area of culture, because the area eludes easy and clear definitions or categorizations. It may be argued that the individuals therefore underrate the utility provided by culture. The government should therefore support the arts to make up for the lack in demand. 4. Income distribution. The consumption of cultural goods should be open to all classes of society and should not be reserved for the rich. Consequently, the government should support the arts in order to make its consumption available to persons who are not able to pay much money for consuming them.
Market Failure on the Supply Side The supply of art may deviate in four major respects from the ideals of a well-functioning market: 1. Imperfect competition. The market for many cultural goods and services is characterized by monopolistic actors who offer smaller quantities at prices higher above marginal costs than competitive suppliers would. The government might correct this market failure by supporting additional supply. However, this argument does not apply to all areas of the arts. Thus auctions of art objects are an example of an almost perfectly competitive market. 2. Declining cost. Art supply may be subject to increasing returns to scale, which means that additional quantities may be produced at lower average cost. In that case, marginal cost is lower than average cost. The condition of efficient pricing, namely that price equals marginal cost, produces a loss. If the government wants to impose marginal cost pricing, it must support the suppliers by covering the difference between marginal and average cost. 3. Productivity lag. Suppliers in the live performing arts are subject to continuous cost pressure. They find it difficult, if not impossible, to increase labour productivity, but they have to pay similar wage increases to those in the rest of the economy. As a result, there is
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a tendency towards continually increasing deficits. In the long run, the performing arts can only supply if the government makes up for these deficits. 4. Income distribution. Artists tend to be, on average, poorer than other members of society. Egalitarian arguments may therefore constitute a reason for government to support persons active in the cultural sector.
Counter-Arguments Some cultural economists committed to free market ideas remain unconvinced that the market failures discussed on the demand and supply side really exist to any relevant extent. The external effects are claimed to be small, or even non-existent, or at least not larger than those generated in many other areas of the economy. There is some truth in this argument. It is indeed possible to identify some external effects in most economic activities. However, most cultural economists, on the basis of both theoretical and empirical considerations, are convinced that cultural activities produce more extensive and important positive externalities than elsewhere. The undesired distributional aspects of cultural demand have also been thrown into doubt. It has been argued, and also in some instances empirically shown, that government support of the arts often achieves the opposite of what is intended. High-income recipients are the principal consumers of cultural services, so that they are also the main beneficiaries of government support. This has been illustrated by the example of highly subsidized European opera houses, which are mainly attended by persons of above-average incomes, or younger persons (students) who will later in their lives enjoy above-average incomes (that is, people with above-average lifetime incomes). While this argument corresponds to the facts, its relevance should not be overestimated. The consumption of artistic goods and services is certainly not only undertaken by the rich, not least because much cultural consumption requires considerable time (for instance, an opera performance takes a whole evening) which, owing to the opportunity costs of time, is more expensive for high-income recipients. It is in general not the richest part of the population which benefits from publicly supported art but the (upper) middle class, which has sufficient time available for consumption. As to the undesired distributional effects on the cultural supply side, it has been argued that the governmental support tends to favour the suc-
Public Support
cessful and therefore richer artists. This indeed applies to some forms of government support. In the case of opera houses, for example, the high subsidies given by governments help to raise the already high incomes of the most successful singers and maestros. But it is quite impossible to generalize this observation. A great part of government support goes to artists with low, and sometimes very low, lifetime income, and thus works in the desired direction. With respect to declining costs and the productivity lag of cultural supply, it has been claimed that they exist in many other areas of the economy and that they can be overcome by suitable measures. In particular, revenue can be raised by introducing prices which capture the rents generated to the consumers by the cultural activity. Thus price differentiation enables the setting of high prices for inframarginal cultural consumers with a high consumer rent, while still setting prices equal to cost for the marginal consumers. Cultural suppliers subject to the ‘cost disease’ have various possibilities for productivity increases. Productivity can be raised, among others, by introducing more capital-intensive production, by seeking the substitution of actors by technological means, by choosing plays with a smaller number of actors; or by having actors play several roles. Clearly, the possibilities for a particular performing arts supplier to do so without lowering the quality of performance are severely limited. Nevertheless, empirical analyses suggest that they do exist. Moreover, productivity in the live performing arts may be on the increase owing to indirect effects. Thus, for example, owing to improved travelling conditions, an actor or a singer may perform at many more venues than was the case before, which increases his or her overall productivity. It should also be noted that the productivity lag only applies to the live performing arts and much less, if at all, to other forms of the performing arts via television, radio, video or film. Indeed, these other forms constitute an enormous productivity increase in the arts, because a given live performance can be extended at very little, and sometimes even zero, cost to large audiences, sometimes even being broadcast to millions of people. Cultural producers faced with high costs relative to revenue, have several possibilities for avoiding running at a loss. Important ones are to raise revenue by collateral activities, such as running a shop (within the cultural venue and outside), a cafeteria and restaurant, renting out the premises for other activities and seeking support from private and corporate sponsors. Many art organizations have demonstrated that a great deal of income can be generated in that way. But it should not be
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overlooked that the possibilities are severely limited, for several reasons. One is that many art institutions have little scope to engage profitably in such profit-making, most importantly because they are not glamorous enough to attract sufficient visitors and sponsors. This is the case for many local and regional suppliers, who nevertheless produce worthwhile art. Another reason is that such profit-oriented activities may threaten the content and quality of art. Cultural producers should not lose sight of what they stand for, and try to become ‘entertainers’, not least because they are likely to lose out against the established entertainment industry. This danger is real; some museums, for instance have gone quite far in this direction by continually trying to feature ‘blockbuster’ exhibitions of doubtful artistic quality which, moreover, are in many cases also a failure from the commercial point of view. The profit-making potential is also limited because the cultural suppliers may thereby lose their non-profit status. This most obviously holds for the museum shops run outside their premises; say in large shopping centres. If this status were lost, they would be subject to many additional taxes, and donations would no longer be exempt from tax. Both consequences would threaten the very existence of many, if not most, cultural suppliers and would therefore have counterproductive effects. Clearly, if the ‘private’ opera houses and museums in the United States were no longer classified as ‘non-profit-making’, donations would fall drastically and they would hardly be able to survive.
Comparative View Even if market failures have been theoretically and empirically identified for the arts, they constitute at best a primafacie argument for public support. It must be taken into account that government intervention is also subject to failure. The Economics of Politics (Public Choice) discusses many reasons why the decisions taken in the political process may systematically deviate from the preferences of the population. Most importantly, politicians are motivated by the need for re-election rather than by any direct incentive to provide welfare-maximizing cultural policies. As elections take place only every fourth or fifth year, they are only insufficiently controlled by the voters. They tend to develop into a political class of their own and to a considerable extent decide according to their own taste to what extent, and how, culture is to be supported. Political failures are also introduced by the behaviour of the public bureaucracy which, because of its informational advantages, has large discre-
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tionary power to undertake a cultural policy of its liking. At the same time, both politicians and public officials are exposed to the influence of pressure groups. As a result, they tend to favour those cultural suppliers who are well organized, which in most cases boils down to concentrating the funds on a few large and well-established cultural suppliers (such as opera houses, national theatres and orchestras). In contrast, new, unorthodox and experimental art suppliers find it difficult to get much public aid, which tends to hamper creativity in the arts. To gain a balanced view, it is necessary to compare the extent of market and political failure with respect to cultural issues.
Constitutional Issues for and against the Public Support of the Arts The arguments so far presented in favour of or against publicly supporting the arts are informed by the notion of market and political failure, respectively. But it can be argued that the world is imperfect. The idea of failure compared to an ideal situation is then of little relevance, because the whole economy and society is dominated by failures. According to this view, it does not make sense to identify the extent to which the cultural sector deviates from ideal market, or political conditions, as (nearly) all sectors in society do so to a significant extent. A more useful approach is to compare the sectors directly with each other. The question then becomes whether the cultural sector receives more or less public support than other sectors, and whether such support improves the lot of the population. The first part of the question is easy to answer: the cultural sector does receive considerable support from the government but it is tiny compared to that of other sectors, such as agriculture, education, transport or defence. The second part of the question cannot be answered directly, at least as long as it is agreed that there is no such thing as a collective social welfare function, which would enable us to evaluate and compare the performance of the various sectors. While such an evaluation is not possible in an empirically relevant way, the issue can be successfully approached by moving to the constitutional level of analysis. The support of a sector by the public must be subjected to a generally accepted decision process. In a democracy, such support must be approved by the citizens. In a representative democracy, the decisions taken by a duly elected parliament and government are taken as legitimate, even if they are not perfect. In a democracy with direct participation rights of the population via popular referenda (as in various states of the USA, in Australia and Switzerland), the voting outcome to
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specific propositions, and the corresponding level of support for the arts, is taken as legitimate. Empirical research indicates that the citizens are very willing to support the arts with substantial funds if asked to decide in referenda. The fear sometimes raised that the population is not able to judge issues connected with culture, and will therefore reject the support of the arts by public means, finds no justification at all. In the case of both types of democracy, by implication, whatever has been decided in the political process, with respect to the support of the arts and other sectors, must be assumed to fulfil the wishes of the population. In contrast, when the democratic process is violated or when the decision process is taken in an authoritarian or dictatorial way, the public support for the arts (or for any other sector for that matter) does not reflect the wishes of the population. In that case, the art supported conforms to what the people in political power consider to be ‘art’. Only in the case of highly cultured rulers (an example are the Medici in Italy of the Renaissance) will the art publicly supported be of lasting value. In the other cases, the activities of ‘artists’ who produce for the benefit of the authoritarian rulers are promoted (an example is the socialist realism promoted by Stalin). An important constitutional decision concerning the public support of art refers to whether decision making is centralized or takes place in a federal system of government. In the latter case, art suppliers do not solely depend on one public authority but can try out their ideas on several public donors. This raises the possibility and incentives for innovative art.
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From the start cultural economics engaged with issues in cultural policy, providing the economic arguments that support public funding of the arts and their public finance — put simply, the why and the how of state subsidy. The arguments for government intervention are based on the premise of “market failure” in the arts and heritage as well as in some areas of the creative industries, particularly public service broadcasting. Market failure means that the ‘invisible hand’ of the price mechanism cannot “optimally” allocate resources to produce the appropriate supply because there are benefits or costs that market prices do not take into account. Welfare economics is the branch of economics that deals with market failure and it provides the basis of the economic case for state intervention in markets for a number of goods and services, such as education, public health, the environment, as well as in the arts and culture. Thus welfare economics provides the basis for the analysis of cultural policy in cultural economics. It does not deal with what cultural policy should be but with evaluation of its economic effects and with the development of analytical tools that policy-makers may use in forming policy.
Welfare economics In economics, social welfare is conceived of as the sum of “utilities” or benefits of all individuals in a community or society, and the underlying assumption of welfare economics is that societies seek to maximize social welfare. Maximum social welfare is achieved when no individual(s) in a society can be made better off by some change, such as in a law or other policy measure, without making anyone else worse off: this is known as Pareto Optimality (Pareto was an Italian economist and poly-
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math). A Pareto Improvement is when social welfare can be increased: however, it is more or less impossible to achieve as most measures that could improve someone’s welfare come at the expense of another’s welfare since most measures would involve redistribution of some sort, such as transfers of taxed income. These principles relate to social efficiency, not to equity or fairness. An improvement may be achieved in overall net social benefit (when benefits exceed costs) even if some people are made worse off, however, as losers may be compensated, something that is familiar for projects such as road schemes that involve compulsory purchase of houses or land. Cost-benefit analysis seeks to establish net benefit by valuing the costs and benefits of some proposed policy change. This brief introduction sketches the bare bones of a topic that has spawned a huge literature in economics and it remains controversial; even so, it is widely used as the basis for policy decisions. Cultural economics has been almost exclusively concerned with two sources of market failure: public goods and external social benefits of consumption, known as “externalities”, that provide the basis of the economic case for state subsidy. These externalities are explained in detail below. The existence of public goods characteristics and external benefits in the arts and culture is not disputed — just their extent. The difficulty is that it is not easy to put a value on them, precisely because price is not a sufficient guide. As in other areas of economics, there is a spectrum of opinion as to the extent and efficacy of public sector involvement in supporting the arts. Having evidence is therefore very important for resolving differences of opinion.
Cultural policy In very general terms, the aims of cultural policy are to ensure the existence of the arts and heritage, to enable access to them and to raise or maintain their quality. Cultural policy has changed considerably over the fifty years’ existence of cultural economics and of course, policies vary a lot between countries and cultures. Some countries barely had an overt national cultural policy until relatively recently. In the UK, the preference for most of the twentieth century was for arm’s length non-governmental public bodies (NGPB) to administer relatively modest amounts of public money to support the arts and museums, with archives, archaeology, national monuments and suchlike being the direct responsibility of central government The Standing Commission on Museums and Galleries, set up in 1931 (which became the Museums and Galleries Commis-
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sion in 1981) dealt with national museums and art galleries, later also with national libraries, and from 1944 the Arts Council of Great Britain (ACGB) was the effective policy-making body for the performing arts, literature and visual arts; ACGB received a lump sum grant from government to disburse according to its own criteria and (as the Arts Council England) continues to do so today. The BBC (British Broadcasting Corporation) is another semi-autonomous body, financed by a licence fee set by Parliament; it was the sole supplier of radio and television until the 1960s and was responsible for its own broadcasting policy. Thus, what we would now call cultural policy was effectively made by these separate institutions in the UK until the establishment of the Department for Culture, Media and Sport (DCMS) at the end of the last century which then assumed overall responsibility for cultural policy. Along similar lines, in the US the National Endowment for the Arts (NEA) was established by Congress in 1965 as an independent agency of the federal government with a remit that covers performing arts, literature, museums and traditional arts; it works with state arts agencies and philanthropic donors. Each state has its own provisions, financial responsibilities and policies for the arts and culture. Many of the leading American museums and art collections were established by philanthropists as charitable trusts responsible for their own governance, finances and policies. By contrast, in many Continental European countries, theatres, museums and art collections were originally part of former royal or princely estates and were later adopted by state and city authorities. Accordingly, they were (and many still are) part of state and local government and are owned and managed by state employees responsible for administering public policy. Latterly, some have become non-profit foundations in receipt of state finance and are being encouraged to find sources of private finance. The vast store of built heritage in countries such as Greece and Italy is part of the public patrimony and its restoration and preservation is determined by national policy and public finance. These different institutional traditions are reflected in the economic aspects of policies that are adopted by governments towards the arts and culture, for example, whether to encourage private giving or public subsidy from taxes, and at which level — central or local government? Moreover, which arts are covered by cultural policy has also changed with the shift towards creative industries. Whatever the institutional arrangements, though, the underlying economic theories applied to cultural policy remain essentially the same.
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The increasing emphasis on the contribution the creative industries make to national income and to growth have considerably extended the scope of cultural policy. Cultural policy is now linked to policies for innovation and economic growth, lately also to information technology (IT) and communications policies reflecting the impact of digital technologies. The European Commission and international organizations such as UNESCO have creative industry policies that impact on national cultural policy, not least in the audio-visual field. Cultural economics has accordingly extended its scope.
The case for public subsidy The case for public subsidy to the arts and culture rests on demonstrating the presence of market failure in the form of external benefits that market prices do not fully reflect, or the presence of public goods for which market incentives do not work. In both cases social benefit cannot be valued directly by prices; prices show what people are willing to pay for their own benefit or pleasure but not the benefit that others in society may gain. When social benefit exceeds private benefit (demand) the gap can be filled by subsidy, the amount being determined by the difference between the two.
Public goods Public goods and services are both “non-rival” in consumption, meaning that one person’s use or enjoyment is not reduced by another person’s, and “non-excludable”, meaning that the user cannot be prevented from “free-riding” getting the benefit of the good or service and so cannot be made to pay for it. The problem is that free-riding does not provide the incentive to a profit-seeking producer to supply the good, though people want to have it: they are unable to express their willingness to pay for it through the market because there is no market. Accordingly, the state or a non-profit organization with the ability to raise funds has to provide the public good. Subsidy from public funds is the most common way of responding to the problem but it is not the only one; some public goods are provided by private organizations, such as clubs — the model that existed for providing lending libraries and Assembly Rooms in previous times. What determines “publicness” is the nature of the good or service not whether provision is financed publicly or privately.
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Needless to say, there has been considerable debate about the ubiquity of public goods in the cultural sector. How wide the net is cast for what to include in “culture” language, customs, social values, sense of civic and national pride and so on, adopting the anthropological use of the term — influences the extent to which the concept of public goods is appropriate and the case for public subsidy and the type of organization that would provide the good. Even though there are few cases of pure public goods, many cultural goods and services have public goods characteristics, sometimes called “quasi-public” goods. Whether a good or service is excludable may depend on technology and transaction costs; they can change a good from a public good to one that is still non-rival but from which people can be excluded. Public service broadcasting was a true public good in the days of wireless transmission before technological developments enabled excluding users who did not pay; the signal is non-rival since it is not used up by the viewer. Even in the digital era with pay TV, public service broadcasting still has strong public goods characteristics, such as reaffirmation of national and community values and use of a common language. Once exclusion is possible, entry fees can be charged that can finance the production or maintenance of a good or service. Built heritage offers a number of examples (and natural heritage offers many more): Stonehenge in the UK used to be open to visitors but with a considerable increase in their numbers, a fence was built and entry fees are charged. It has become a quasi-public good as a result — non-rival but excludable. It is still an object of immense cultural and symbolic importance with public goods characteristics but it is no longer a pure public good in the economic sense. It receives public subsidy but in principle, prices could be set to cover the full cost of visits. Prices, however, also act to ration the use of a good or service. A painting is non-rival in the sense that it is not “consumed” (used up) by the viewer but if many viewers attempt to see the painting at the same time, congestion leads to rivalry in the experience. If entry to an art gallery or museum is free (because it is financed from public funds), it can lead to congestion which is a form of rivalry, whereas if tickets were sold, the conditions of use could limit entry time or charge a high price to deter excess visitors. A common mistake is to equate public funding of arts organizations with public goods. They are conceptually different, though public funding may come about because the good or service in question is a public good (or has strong public goods characteristics). As tax authori-
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ties already exist to collect money from individual citizens, they can be seen in principle as equivalent to collecting subscriptions, and they are likely to have lower transaction costs of collection than a oneoff organization set up for a particular purpose; therefore, taxes are often a more cost-efficient way of financing public goods projects. For example, public service television is nowadays often financed from a tax levied for the purpose (a hypothecated tax) instead of a licence fee (although the UK still prefers the latter).
External benefits The existence and extent of external benefits is also open to controversy, though less so than public goods. External social benefits are closely related to public goods characteristics and some cultural economists use the term interchangeably. The essential difference is that public goods would not exist without some state or private collective finance, whereas the external social benefit originates from a good or service that is supplied on the market but for which the price the consumer pays only reflects the private benefit. As a result the “optimal” amount is not supplied via the market (because the price signals only private benefit) and extra finance is needed to encourage producers to supply more — hence the case for public subsidy on the grounds of market failure. There are essentially two types of external benefit: external benefits of consumption, and external benefits or spillovers from production. The former deal with the benefit to others generated by privately motivated consumption: going to a play (an individual’s private benefit) can make the audience better understand problems in society (the intangible social benefit). Spillovers from the production of the arts are mostly tangible and benefit other businesses or communities. The theory is similar but not quite the same as far as spillovers are concerned, and the term spillover, rather than external benefits, is used as it better conveys the process involved. For example, say a city authority invests in a new theatre: restaurants and bars in the area are likely to benefit and if new ones are opened, land prices might rise. These beneficiaries have not invested resources in obtaining this extra income, which is a form of economic rent (unearned income). In principle, therefore, these businesses could pay extra tax that would subsidize the theatre and still make a reasonable profit. There are practical applications of this: hotel and restaurant taxes may be used towards the upkeep of tourist sites that would otherwise have to be paid for by resident taxpayers.
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Intangible external benefits are generally measured by contingent valuation (CV) studies, whereas cost-benefit or economic impact studies are used for spillover benefits. […] The general principle is the same: subsidy corrects the market failure. By estimating the value of externalities, the policy-maker would know the amount of the contribution through taxation to be passed on as subsidy to the supplier of the cultural good. That provides the supplier with sufficient revenue and the incentive to increase supply to the socially optimal amount.
Critiques of welfare economics Welfare economics has been subject to frequent and sometimes devastating criticism, particularly for the theoretical assumptions underlying it which are virtually never met in the “real world”, as economists are apt to call it. Two alternative views of how to approach policy questions have some currency in cultural economics: the theory of second best, and public choice theory.
Theory of second best A major criticism of welfare economics as the basis for policy is called the “theory of second best”, in contrast to the first best of Pareto Optimality. It is argued that the very act of attempting to correct the market failure, for example by giving subsidies to compensate for externalities, only compounds the problem by distorting price signals and incentives. There is therefore no theoretical solution to assessing the effect of a policy and the possible outcome can only be decided on the basis of empirical evidence. Copyright law presents a useful example of a second best situation. Copyright’s purpose is to overcome free-riding by copiers (‘pirates’) who are always be able to undercut lawful creators because they do not have to pay the fixed costs of producing the original copy. Copyright, though, introduces a monopoly element into the market for protected works and distorts competition by enabling their prices to be raised: one distortion leads to another. Though there is widespread recognition that the real world is riddled with second best features — taxes to name the obvious one — economic theorists have been loath to abandon the idea of achieving optimal welfare and second best theory has, well, had to take second place!
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Public choice theory An alternative approach to welfare economics in analysing cultural policy is public choice theory. Public choice theory applies the rationality principle of economic incentives to the political process. Welfare economics does not question why certain policies are chosen; instead it looks for improvement to achieve the norm of welfare optimization. Public choice theorists question the motivation behind policy-making on the basis of who benefits in political or bureaucratic terms from a particular policy. They see the incentive to win votes or exercise power in the administration as the motives that must be taken into account in understanding policy choices rather than the goal of improving welfare. This approach is especially appropriate to cultural policy where arts organizations are part of the state bureaucracy, but it also applies in other situations: for instance, the repackaging of the arts, heritage, media and other cultural industries into a “creative industries sector” that is presented as having significant economic benefits has raised the profile of ministries of culture within the government framework. Public choice theory applies especially to lobbying and rent-seeking, which are prevalent in the arts. Rent-seeking means putting resources into lobbying for hand-outs that are unearned, that are not merited to achieve greater social efficiency. The high profile of producers in the arts and media mean that they are able to put over their demands on policy-makers with a lot of publicity, thereby embarrassing them into courses of action they might not have otherwise taken. The common cry in the arts is the “Philistinism” of people in government (and economists) and the media have special powers to get their own way. Lobbying by media corporations for extensions to copyright law has also become rampant in the last couple of decades.
Government failure and crowding out and in A parallel concept in public choice theory to market failure is “government failure” — that government intervention may be the cause of, rather than the remedy for, market failure. A particular instance is “crowding out” — the idea that if government is involved in financing something, it provides a disincentive to private finance. The belief that the state should support culture can “crowd out” private donors. A potential donor to a museum might ask why there is insufficient state subsidy: is it because the government agency does not rate it highly enough? It has also been
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suggested, however, that the reverse is in fact the case — having any amount of state subsidy encourages private donors as if it were some kind of reassurance of quality: this is known as “crowding in”. The NEA in the US apparently has a strong belief in crowding in, or the leveraging of other donations by its grants in multiple figures. Empirical research in cultural economics suggests that this view is mistaken, however.
Types of state subsidy to the arts State subsidies financed by tax revenues are grants in aid to arts and heritage organizations, to creators and in some cases to creative industries (for example, the film industry). Depending on the political organization in a country, subsidies may be administered at national, regional and/or city level by arm’s length bodies or by ministries of culture. Subsidies can take various forms: direct or indirect, lump sum or variable amounts, matched or not, and each offers different incentives to the recipient. Direct subsidies are those that are granted to an arts organization. Probably the most common type of subsidy is the lump sum grant that may be tied to some general objective, such as offering high quality output or keeping prices below what they would be on the free market. When an organization is in receipt of regular subsidies, known as revenue funding, the funds are often committed for several years. These grants often come to be expected by recipients, especially by the flagship national arts and heritage institutions, and so offer little incentive to manage resources efficiently or to innovate either their output or business methods. Some governments have introduced incentive schemes to steer the use of subsidy by an organization in a particular direction, such as attracting new attendees and offering educational projects; for instance, part of the grant may be withheld unless convincing evidence is supplied of compliance with the requirements of the grant. By contrast, project funding, which is a one-off grant, has to be applied for each time for a stated purpose. Ironically, incentives to comply with policy objectives are stronger for these project funded organizations. Matched funding is when a government agrees to match private funding, perhaps on a one-to-one value basis: the organization raises a certain sum and once it is reached, the government (or other donor) contributes an equivalent amount. There are also personal grants to individual creators which are awarded for a specific undertaking. In some northern countries there are long-term grants to individual artists to enable them
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to work untroubled by financial pressures; in Norway, a writer may be supported for 30 years on the same terms as a civil servant. Indirect subsidies are the contribution the government makes to the arts when there is a tax waiver on private giving or sponsorship to an arts organization. This is a prevalent form of subsidy in the US and is also utilized to a lesser extent in other countries (for example, the UK); it is designed to encourage private giving by individuals, foundations and businesses and the like. The tax waived on the income or profits tax due increases the incentive to donate. The arts organization may also be able to claim back the rate of tax on the donation. In the UK, the gift aid scheme works as follows: say a person paying a 20 per cent tax rate gives £100 to an arts organization. Under the scheme, the tax authorities pay a quarter of every donation to the organization which therefore receives £125 and the donor gets £20 tax relief. Thus the tax authority contributes £45. In the UK most arts and heritage organizations are registered charities and as such may also be exempt from sales taxes or local property taxes. Other tax waivers may apply; for example, there is no VAT (value-added tax) on books in the UK.
Direct or indirect subsidies? Direct subsidies are granted to cultural organizations to enable them to achieve some policy aim, such as increasing participation. In principle, at least, the grant in aid can be directed to a specific purpose and monitored by the policy-maker or multiple objectives can be monitored using performance indicators. The grant-making body is able to decide, which organizations to support and by how much. By contrast, the amount and destiny of indirect subsidy cannot be controlled by the government even though public funds are being used through tax waiver schemes. Private donors may favour one type of art and ignore others that cultural policy seeks to support: private donors have their own tastes and business sponsors may seek to ally themselves with a particular image that an arts organization can offer. Therefore, from the point of view of the taxpayer, indirect subsidy, though it involves public finance, is not controlled by elected policy-makers.
Conclusion This chapter has outlined the way cultural economists look at cultural policy. It has presented the basic economic theory that is used in cultural
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economics to make the case for subsidy to the arts, museums and other types of culture and the public finance aspects of subsidy. Welfare economics is the general theory that underpins that case; it relates to situations where the market alone does not send the right signals to producers and consumers, mandating state or other collective intervention to correct the market failure. In this view, cultural policy responds to the presence of public goods and external benefits. Through grants in aid, recipients are enabled to go beyond what the market signals via prices and ticket revenues to increase the quantity and quality of their output. […] For policy purposes, evidence on the existence and scale of these public goods characteristics and externalities is needed and various methods have been developed that can aid decision-makers to achieve their chosen policy objectives. These economic tools exist to promote rational decision-making in relation to what those objectives are; they do not seek to promote any one objective or dictate policy. […] Welfare economics, perhaps contrary to the impression made by its title, is essentially concerned with economic efficiency, that is, with the allocation of resources. Where the market fails to efficiently allocate resources, policies intervening in the market process can correct for misallocation by encouraging more supply of goods that are deemed to be under-produced when social benefit is taken into consideration. It has to be recognized, however, that many aspects of cultural policy (as in other sectors of the economy) are not aimed at improving social efficiency so much as achieving social equity, that is, fairness in the distribution of cultural goods and services. If the aim of policy is that every child should have the chance to play a musical instrument for reasons of equality of opportunity, an excess supply of musicians, an efficiency matter, would not be relevant. In practice, policies often try to serve both objectives and how subsidy to the arts and other types of culture are managed can emphasize one or the other. Cultural policy recognizes that the distribution of income is uneven and less well-off people would be excluded from both private and social benefits of the arts unless measures are taken to make them accessible. It may not just be a matter of money, as there are educational and social class issues at work too, but reductions in price for the low paid and children, which often are an aim of subsidy, are intended to encourage participation. The approach taken to these matters by economists, while applying to cultural policy, is of a more general nature, and much of it would apply to other types of policies. Many people, especially those who work in the arts, regard the arts and heritage as special. Do we not have a special
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economic analysis to apply to the arts? The answer is both yes and no! By belonging to the wider field of economics, cultural economics is able to make the case for cultural policy on the same terms as that for other areas of government policy. It is therefore reasonable that the same arguments should be made for supporting the arts as for sport, health, education and the rest. There is market failure in those markets too. It is in the conceptualization of external benefits and public goods characteristics that the scope lies for the particular contribution the arts make to society. Here it is not only financial benefits but also unmeasurable benefits, such as cultural value, that are taken into account. Of course, there will be controversy about what they are and how important they are, and economics can only go so far to resolve that. […]
Source Towse, Ruth (2014): Advanced Introduction to Cultural Economics, Elgar Advanced Introductions, Cheltenham: Edward Elgar, 13–25. © Ruth Towse 2014. Reproduced with permission of the Licensor through PLSclear
Financing the Arts The Consequences of Interaction Among Artists, Financial Support, and Creativity Motivation Arjo Klamer & Lyudmila Petrova
Discussions of cultural policy usually turn to the subject of financing the arts and culture. Because of limited resources and the imperfections of arts markets, the policy question most often asked is, how do we help artists sustain their creative performance? In a critical review of the state of cultural policy research, Ellis suggests that, when reviewing such studies, we should focus on „the impact of changing funding criteria on the patterns of arts activity” (2004, 3). When artists create, does it matter whether the income is earned, subsidized, sponsored, or donated? More specifically, how do different financial modes affect an artisist’s creative process? Do they facilitate or interfere with the creativity that leads to artistic achievements? To answer these questions, we first consider the importance of the creative process and the various factors involved in this process. Next, we distinguish and analyze the nature and rationales of various modes of financing. Our investigation of the interrelations between the creative process and the financing thereof relies predominantly on earlier work in the field of cultural economics. The results of a survey conducted among Dutch visual artists are the empirical basis of this article.1
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The empirical findings discussed are drawn from the survey conducted in 2005 among visual artists, which includes analysis of data from other research on Dutch cultural policy and the art market.
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Artistic Creativity: What counts? Definitions of creativity are often ambiguous. Is creativity a quality? A product? A process? According to Gardner, “The study of creativity is inherently interdisciplinary; in addition to being rooted in psychology, the student of creativity must be informed about epistemology (the nature of knowledge in different domains) and about sociology (the ways in which judgments are reached by experts in different domains)” (1994, 145). To further the understanding of creativity in the cultural-economic domain, we map the complexity of creativity in the art world and describe the motives and processes that transform creative impulses into creative achievements when they are financially supported. In the academic literature, discussions about creativity settle along two planes: the economic and the sociopsychological approaches. Within these groups are different streams of conversation. The economic approach focuses on creativity as a productive force, on how it contributes through innovations to profit and economic growth. From this view, creativity is seen as instrumental and assumed to be something innate and part of human capital (cf. Towse 2006). Richard Florida (2003) offers a widely noted twist to this economic argument when he restates the argument that creativity is the source of modern economic growth. Florida’s work has inspired policymakers world-wide with the suggestion that an artistically vital environment spurs creative economic activity and propels economic growth. “Attract a sufficient number of artists and the economic activity will follow” is the policy implication of Florida’s views. How all this works, he cannot really say. And whether his correlations withstand further scrutiny, we will have to wait to discover. The cultural-economic perspective as presented by Throsby (2001) and Klamer (2003) considers the realization of cultural value as one outcome of creative processes. That realization may occur in the form of cultural goods (such as artistic products). According to Throsby, cultural value includes aesthetic, spiritual, social, historical, symbolic, and authenticity elements (2001, 28). Klamer describes cultural values as “those that evoke qualities above and beyond the economic and the social”, and argues that “cultural expresses value that transcends social, relational or, for that matter, economic values” (2003, 7). For Klamer, the values of a cultural good are not fixed, as in a standard economic approach, but they can change “because of attention paid to the good, education, policies, the mode of financing, and the like” (11). And it is here that the financing of the good truly matters.
Financing the Arts
Although cultural-economic analysis redirects economic research to the immaterial consequences of economic processes, it falls short of a full-fledged anatomization of the creative process and the complexity of artistic work; hence, it offers no clear understanding of the interaction of financing of cultural activity, the creative process, and cultural values. Given that there is no consistent concept within the cultural-economic domain able to approach creativity in its complexity, the dimensions of creativity explored in this article reflect a variety of sociopsychological approaches to creativity, approaches that concern its nature, origins, and resource needs; how it generates new ideas; and the interrelations between those elements.
Creativity Concerns Sociopsychological methodology explains creativity through diverse processes realized by individuals during their interactions with the socioeconomic environment. It relies on various theoretical approaches. Some direct attention to the production of ideas (Eysenck 1994; Csikszentmihalyi 1996); others attribute creativity to personality (Amabile 1983); and still others highlight the social aspects and look at actual achievement (Gardner 1994; Eysenck 1994; Csikszentmihalyi 1996). Although all of the approaches have a similar set of elements that embodies creativity, when taken separately, each fails in a different way. What element incorporates all dimensions, or how do all dimensions merge? At some point, all the approaches to explaining are related by a single characteristic: novelty. This does not mean that an artists’ sole incentive is novelty, but, as Martindale concludes, “(a)rtists are interested in accomplishing many other things besides making their works novel. However, what these other things are varies quite unsystematically, whereas the pressure for novelty is constant and consistent. Thus, only this pressure can produce systematic trends in artistic form and content” (1994, 164). Eysenck distinguishes between private and public novelty (1994, 201). Private novelty he relates to the ability of individuals to judge what is new according to their own understanding and based on their knowledge, experience, intelligence, and so on. Public novelty he defines as a feature that describes something new as recognized by a wide circle of people who share similar knowledge. To distinguish private from public creativity, Eysenck studies creativity as both a trait and as an achievement. When investigating creativity as a trait, he draws on many psychological aspects, asking how new
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ideas arise in individual minds (cognitive and motivational perspectives) and what sorts of personalities are involved (personality perspectives). Creativity as an achievement relates to judgment procedures, which may influence an artist’s behavior. He claims that creativity as a trait “is necessary but not a sufficient condition” for one to attain creative achievement, because “trait creativity is supposedly universal, while creative achievement is nearly always strictly tied to a particular field” (1994, 210). Thus, the process by which creativity turns from trait to achievement involves interactions between the creative personality and the creative environment that evoke the creative act and, later, the creative product. Variables of cognition (intelligence, knowledge, technical skills, and special talents), personality (internal motivation, confidence, nonconformity, and creativity as a trait), and the environment (political, religious, cultural, socioeconomic, and educational factors) contribute to the production of creative achievement (Eysenck 1994, 209). Csikszentmihalyi highlights the importance of recognition in creative achievement and argues that “creativity emerges in virtue of a dialectical process among individuals of talent, domains of knowledge and practices, and fields of knowledgeable judges” (1996, 10). In the literature, recognition is studied as the main mechanism of social support needed to motivate creative performances and breakthroughs. In general, this form of social support refers not only to help, assistance, and encouragement but also to financial assistance. Regarding validation, social support can be imposed or negotiated. Thus, a peculiar feature of social support involves communications between the support provider and the support receiver. These communications can take the form of more personal involvements (interpersonal support) and more formalized contacts that include less (or no) personal interrelations (impersonal forms of support). In both cases (interpersonal and impersonal), social support generates processes of giving and receiving from the social environment that have a psychological impact on an individual’s behavior (Schweizer 2004). For our purpose, it is important to analyze how financial support as a form of social support motivates creativity.
Creative Motivation: Economic versus Artistic Incentives In contradiction to the economic assumptions that individuals primarily respond to monetary incentives (a rational choice), mounting empirical evidence shows that a rational-choice model may have limited value if we want to understand artists’ creativity. Very few economists search
Financing the Arts
beyond the limits of the rational-choice model to account for motivation. Among those few is Frey (1997), who researches influence of financial rewards on the individual’s motivation. He draws attention to the intrinsic and extrinsic motivations of artists, especially regarding creative activities and work. In general, the concept of intrinsic and extrinsic motivations relates to the conditions and consequences that foster or prevent a particular individual’s behavior. The same concepts shed light on the creativity process in relation to support activities (monetary or nonmonetary) and, especially, their interrelations. Along the same lines, Deci suggests that motivation is intrinsic when the individual “performs an activity for no apparent reward except the activity itself. Extrinsic motivation, on the other hand, refers to the performance of any activity because it leads to external rewards (e.g., status, approval, or passing grades)” (1972, 114). Of course, whether individuals are consciously aware of the kinds of stimuli that influence their activities is a critical question. Even so, psychological researchers have identified certain tendencies and directions when studying the intrinsic and extrinsic motivations and their interrelations. Frey’s “crowding theory” (1997) makes an important contribution to this discussion. Crowding theory broadens the economic understanding of the supply of artistic creativity by highlighting the conjunctions of intrinsic motivation and external interventions such as monetary payments. He questions whether individual behavior is driven mainly by financial (external) rewards and focuses instead on the influence of intrinsic motivation. He introduces the notions of “crowding in” and “crowding out”. Crowding in occurs when cultural and other noneconomic values of a good or activity are enhanced in a financial transaction; crowding out occurs when those values are diminished. In addition to crowding effects, Frey distinguishes the “spill-over effect”, which occurs when „the application of external interventions not only crowds out intrinsic motivation in a specific area but spreads beyond” (1997, 35; emphasis in original). For example, when artists work for a long time under market conditions, the norms concerning market practices can spill over to their intrinsic motivations; artists may then adopt commercial incentives that may affect their work. But the reverse case is also possible: when artists work with groups of nonartists, they can affect their perceptions, possibly changing their values. These effects also influence an individual’s norms over time. For example, an artist’s intrinsic motivation to create could decrease not only during the period of external interventions but also for the future.
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Different Financial Support to the Arts and Culture As we discussed in the previous section, cognitive, personal, and environmental elements are involved in creativity processes that accomplish creative achievements. What remains problematic for social scientists is anticipating concrete contributions of artists to the arts. Creativity exists for the sake of the crucial changes and requires its own time and space. Hence, an individual’s contribution cannot be predicted in advance. But creative contributions can be encouraged. It is crucial for the artists to work in the social environments in which they belong, where they can learn and share knowledge, ideas, and inspirations with others, and where they have common ground. Researchers are thus challenged to detect the peculiarities of social environments that foster creativity. One perspective is to examine how the art world sustains itself based on peculiarities of the arts domain and fields. But external sources often support the art world. Therefore, a second perspective should be explored, one that draws on the characteristics of social environments that differ from the art world but whose sources of social support may encourage and facilitate the arts. In this area, two questions need to be answered: Why are some social environments seen as more supportive to the arts than others? How are the social environments that foster creativity while financially supporting it constructed? When traditional economists wonder whether the market sphere inhibits artistic performance or whether state subsidies sustain quality in the arts, their approach is generally based on the rational-choice model. Such an approach does not consider the context in which a transaction takes place. Klamer and Zuidhof (1998) imply that more is at stake when the arts operate within the different spheres. When a party participates in one sphere rather than in another, it realizes a specific set of values quite unlike those in other spheres. They argue that each financial arrangement involves a distinctive social structure and, therefore, engages different values and norms. Accordingly, each sphere provides a different context in which the value of an artwork is realized and may affect the values of that artwork. Zelizer’s theory (1998) provides dimension to the analysis by examining what happens when social relations are conditioned by monetary payment. She claims that each kind of payment “corresponds to a significantly different set of social relations and systems of meanings” (328). Zelizer’s theory distinguishes between compensation (direct exchange), entitlement (the right to a share), and gift (one person’s voluntary bestowal on another). What counts in
Financing the Arts
Zelizer’s classification is “first, the relation content and meaning of the transaction, and second, the time duration of the relation” (330). Thus, the values attained during the exchange of artworks differ because of the various ways of organizing monetary payment. Klamer and Zuidhof (1998) distinguish between three spheres in which the arts can operate: the market, the government, and the third sphere. In the market sphere, a price is paid; the principle of equality prevails and is measured in terms of money. In the public sphere, the government provides a subsidy based on criteria normally corresponding to a bureaucratic and political assessment. Whereas the market stresses values such as independence, objectivity, individuality, rationality, and consumer sovereignty, the government stresses equity, solidarity, accessibility, and national identity. The third sphere’s intervention is based on principles such as trust, honor, love, and generosity. In this sphere, support depends on voluntary contributions by individuals and corporations. The complicity of these participants and their relationships attach a wide range of values to the artworks: commitment, dependence, connectedness, giving, and so on. The instrument of financing for the third sphere is the gift; gifts involve unmeasured values. Each sphere has advantages and disadvantages when supporting culture. The values at play in the three spheres may or may not compromise artistic values. It appears that cultural goods do not suffer the commodity phase easily; that is, when cultural goods are being priced and treated like any other commodity, their cultural values may be diminished. As we have already seen, Frey (1997) views this as the crowding out of cultural values by commercial values. However, applying the three-spheres model to the arts raises questions: Does government support of the arts have a similar crowding-out effect? And when does crowding in (the enhancement of cultural values due to an increasing market price) occur? Is it possible that the sharp edges of the market and government spheres are softened by the dimensions of the third sphere in each of them? Because financial arrangements can be complex evaluations involving networks of experts, they represent social evaluations that go beyond market and government/state types of transactions. Strong evidence suggests that the three spheres merge their activities and objectives, rather than separate them, a result of the blurred boundaries between the spheres (Abbing 2002; Velthuis 2002; Frey and Eichenberger 1995). Accordingly, each sphere is not as unique or as independent from the others as Klamer and Zuidhof suggest. The overlaps and interactions among the three spheres prevent us from drawing firm conclusions. Who
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can say that artistic creativity cannot flourish in any of the three spheres? Furthermore, the nature of the interrelations between the artists and their supporters depends on peculiarities of the art world. In his analysis of the visual art scene in the Netherlands, Olav Velthuis (2002) has shown how the social aspects of the art market are paramount for artistic creativity. Hans Abbing (2002) argues that state officials and gallery owners can behave as if they are a Maecenas. Velthuis’s and Abbing’s research, and that of others, provide plenty of examples of creativity in arrangements that accompany the realization of values of the artworks.
Interrelations among different Factors affecting Artistic Creativity: Empirical Findings Based on theoretical approaches and empirical findings, this article explores the kinds of interrelations among the ways visual artists have been financed and the ways they have been realizing their artistic creativity. The suggested model stresses the dynamic interactions between financial and creativity variables (see figure 1).
Creativity as achievement
Creativity as a trait
Artistic creativity
Creativity ascribed to individual
Creativity ascribed to subject Financial support as social support - by government - by market - by third sphere
Figure 1: Interrelations among different factors affecting artistic creativity.
Financing the Arts
Creativity is primarily fostered by intrinsic incentives, but external interventions may also have an influence. Therefore, the analysis stresses not purely intrinsic or purely extrinsic factors, but examines instead how these factors interact (Frey’s crowding theory). The nature of the creativity processes, the roots of which are predominantly irrational, conditions such interactions. In a survey conducted among Dutch visual artists, respondents described their autonomous method of working as emotional, imaginative, impulsive, and intuitive. Because of the individual nature of creativity processes, artists transform their talents into particular artistic qualities (acquired capabilities) where personality and cognitive variables (creativity as a trait) appear to be important. During the survey conducted among Dutch artists, the difficulty of anticipating when and how creative processes occur became obvious. Artists of the survey admitted they need their own time and space; it sometimes takes them years before they are able to express a concrete idea in their work. On the other side, artistic choices reflect prevailing expressions in the art world and, accordingly, could be judged as achievement (creativity as an achievement). Such judgments most likely connect to general cultural tendencies and reflect interests of a broader social group. The process by which creativity turns from a trait to achievement embodies interactions between the creative personality and the creative environment that evoke the creative act and later the creative product. Both creative personality and creative environment are not static factors; they change during the period of the creative process. This is especially true when the visual art world is concerned. It operates on different levels and in different qualities. Some art is valued by many people who have average diverse social, cultural, and economic capital; some art pleases very small groups that have high social, cultural, and economic capital. Following the evidence from the Dutch survey, in both circuits (market and government), the support is provided to those who are recognized as having “artistic quality”. In both circuits, the main players are peers, dealers, gallery owners, and experts, who often are artists themselves. Even so, it became clear that they might be valuing one or another of an artwork’s qualities differently. As Abbing (2002) notes, the market of visual artists is a “deep-pocket” market, which implies other forms of interactions besides pure market principals.2 The deep-pocket market 2
Abbing (2002, 59) grounds such a claim on distinction and interdependence between first-order values and higher-order values. The existence of those values explains different tastes and behavior attitudes of customers.
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is a small, wealthy group of people with a lot of cultural capital who are willing to pay for high-quality products, whose choices are often interwoven into art by very personal involvement (Abbing, 66). What counts in the valuation process of the visual art market is cultural and economic judgments, which, in many cases, positively correlate to well-developed networks. In other words, networks of art-world professionals — including academics, curators, dealers, critics, artists, and buyers — provide advocacy and endorsement for an artist’s work through exhibitions, critical appraisal, and private and public purchases. Government support to visual artists also engages quite complex interrelations. In the Netherlands, the Ministry of Education, Science and Culture lays down general and specific terms for subsidies that relate to issues of quantity and quality. For example, the last government emphasized the importance of innovative cultural programming aimed at the intensification of the dialogue between the “new” and the “old” Dutch citizen, and the connection between artistic and economic processes (Dutch Ministry of Education, Culture and Science 2006). In pursuit of the innovative programming, the Dutch government provides multiannual subsidies, institutional subsidies, project subsidies, and specific subsidies (for instance, subsidies to individual artists). The largest share of giving is in the form of multiannual subsidies to institutions. The Dutch situation differs from other countries in Europe in that, apart from the subsidies directly granted to institutions, the ministry also awards grants to individual artists and art institutions through funds allocated to different government foundations. At the central and local levels, the subsidies are granted based on “artistic quality”, as judged by committees of experts who provide aesthetic valuation of the artwork. This issue has become problematic because of the lack of a clear paradigm in the visual arts domain. The data collected confirm that many public experts are very conscious of the traditional divide between public and commercial sectors, as they see selling as the dealer’s role and view public subsidies as providing recognition while remaining independent of any commercial implications. On the other side, the artists in the survey experienced financial arrangements with representatives from different spheres as more complex interrelations that often involve networks and, therefore, represent social evaluations that go beyond market and government transaction types, and instead are based on “conversations”. Artists that have experience in “side specific” projects and commissions search for, and rely on, direct contact with the person responsible for the project or commission. In these cases, the interpersonal communication
Financing the Arts
between support provider and support receiver may have positive and negative consequences for further creative performances, depending on various factors. As far as the artists are concerned, important factors include their previous experience in the field; the main direction of their artistic development (their predominant way of artistic expression); the stage of their career (are they established, midcareer, or emerging artists); their technical and communicative skills; their personality characteristics; their openness to new fields; and their financial stability. As far as the support providers are concerned, their artistic questions are critical; we distinguish several additional factors: the supporting body’s organizational characteristics (open or closed organization), the framing of the offer of support, the role of the intermediaries working inside and outside the organizations, and the kind of financial support (for example, how the communication between a support receiver and a support provider is built).
Conclusion It is clear that a rich environment with many sources in support of the arts is most conducive to the creative process. Every source has drawbacks that, over time, may hinder the creative process. For practitioners and students of creativity and the arts, awareness of these drawbacks is an important insight. The complexities of this array of possibilities and the fact that each source has its own logic and follows its own rules means intermediaries play a critical role in the art field. Able to speak the language of both worlds, intermediaries can bridge the gap between these different worlds. The three-spheres model helps us to locate the most significant relationships that occur when artists are realizing the values of their creative work. Each sphere engages a different set of values. When entering any of the spheres, artists tap into those values. For example, when entering the market sphere, artists have to deal with that sphere’s values; some will do better than others. When they enter the government/state sphere, they have to deal with another set of variables. This may be confusing, and that is a reason to fall back on intermediaries to help them cope with these complexities. Each sphere clashes in major and minor ways with the creative process, a process that has its own values and characteristics. Artists need to find out which sphere suits them best at a particular point in time. In our view, the third sphere suits the creative process best, but it has disadvantages as well. For this reason, the
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arts thrive when other sources are available and when artists or their intermediaries are not only creative in terms of the arts, but also in the financing of the arts.
References Abbing, H. 2002. Why are artists poor? The exceptional economy of the arts. Amsterdam: University Press. Amabile, T. M. 1983. The social psychology of creativity. New York: Springer-Verlag. Boden, M., ed. 1994. Dimensions of creativity. Boston: Massachusetts Institute of Tech nology. Csikszentmihalyi, M. 1996. Creativity: Flow and the psychology of discovery and invention. New York: Harper Perennial. Dutch Ministry of Education, Culture and Science. 2006. Cultural policy in the Netherlands. Amsterdam: Boekmanstudies. Deci, E. L. 1972. Intrinsic motivation, extrinsic reinforcement, and inequity. Journal of Personality and Social Psychology 22 (1): 113–20. Ellis, A. 2004. Academics’, consultants’, and practitioners’ perspectives on the cultural sector. The Platform, AEA Consulting 4 (1). Eysenck, H. J. 1994. The measurement of creativity. In Boden 1994, 199–235. Florida, R. 2003. The rise of the creative class. New York: Basic Books. Frey, B. S. 1997. Not just for the money: An economic theory of human behaviour. London: Cheltenham. Frey, B., and R. Eichenberger. 1995. On the return of art investment return analyses. Journal of Cultural Economics 19 (3): 207–20. Gardner, H. 1994. The creators’ patterns. In Boden 1994, 143–58. Klamer, A. 2003. Social, cultural and economic values of cultural goods (formerly titled Cultural for Cultural Economics 3 (3) :17–38. http://www.klamer.nl/articles/culture/ culture.php. Klamer, A., and P. W. Zuidhof. 1998. The role of the third sphere in the world of the arts. Paper presented at the XX Conference of the Association of Cultural Economics International, Barcelona, June 14–17. Martindale, C. 1994. How can we measure a society’s creativity. In Boden 1994, 159–98. Schweizer, T. S. 2004. An individual psychology of novelty-seeking, creativity and innovation. Rotterdam: Erasmus Research Institute of Management. Throsby, D. 2001. Economics and culture. Cambridge: Cambridge University Press. Towse, R. 2006. Human capital and artists’ labour market. In Handbook of the economics of the arts and culture, ed. Victor Ginsburgh and David Throsby, 865–94. Amsterdam: North Holland. Velthuis, O. 2002. Talking prices: Contemporary art, commercial galleries and the construction of value. Rotterdam: Erasmus University. Zelizer, V. 1998. How do we know whether a monetary transaction is a gift, an entitlement, or compensation? In Economics, values and organization, ed. Avner Ben-Ner and L. Putterman, 329–36. Cambridge: Cambridge University Press.
Financing the Arts Source Klamer, Arjo; Petrova, Lyudmila (2010): Financing the Arts. The consequences of interaction among artists, financial support, and creativity motivation, The Journal of Arts Management, Law and Society 37 (3): 245–256. DOI: 10.3200/JAML.37.3.245-256 Reprinted by permission of Taylor & Francis Ltd, www.tandfonline.com
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Gesamtwirtschaftliche Determinanten öffentlicher Kulturausgaben in einem föderalen Staat Michael Getzner
Einleitung und Problemstellung Öffentliche Kulturausgaben finanzieren und unterstützen eine große Bandbreite an kulturellen und künstlerischen Aktivitäten und Einrichtungen; auf allen Ebenen des Staates (Bundes, Länder, Gemeinden) werden Ausgaben getätigt, die zu einem großen Teil keine gesetzlichen „Pflichtaufgaben“ darstellen, sondern insbesondere auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung als auch des öffentlichen Förderwesens aufgewendet werden. Dies macht die Ausgaben im Prinzip aber von kurzfristigen diskretionären Entscheidungen (z. B. Forcierung einer anderen Kulturpolitik) beim Wechsel von Regierungen abhängig. Darüber hinaus könnten diese Umstände auch dazu führen, dass Kulturausgaben im Falle von notwendigen Konsolidierungsbemühungen zur Reduktion von Defiziten und Staatsschulden auch Kürzungen leichter zum Opfer fallen (Wimmer, 2006; Getzner, 2015). Die Kulturfinanzierung selbst besteht grundsätzlich neben der öffentlichen Finanzierung auch aus substanziellen Ausgaben der privaten Haushalte für Kultureinrichtungen und kulturelle Aktivitäten. Ökonomisch betrachtet spricht eine Reihe von Argumenten für eine bedeutende Rolle staatlicher Ausgaben im Kulturbereich: Beispielsweise sind Kulturgüter öffentliche Güter, die eine langfristige Koordinierung und einen nationalen Schutz (kulturelles Erbe) erfordern; Kultureinrichtungen sind auch eine wesentliche Grundlage für den gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und für die gesellschaftliche Ent-
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Michael Getzner
wicklung (vgl. Serageldin, 1999; Hutter, 1996; Heath, 2011). Die Kulturökonomik selbst argumentiert häufig in diese Richtung, zeigt aber auch den möglichen Widerspruch zwischen einer staatlichen Förderung und privatem Engagement für kulturelle Aktivitäten („Crowding-Theorie“, Frey, 2000). Kultureinrichtungen und kulturelle Aktivitäten fußen somit in vielen Fällen auf einer öffentlichen Basisausstattung vor allem in jenen Bereichen, die die Grundlagen für kulturelle und künstlerische Aktivitäten liefern (z. B. Forschung, Konservierung, Ausbildung; vgl. Getzner, 2017a), sind allerdings immer auch der individuellen und gesellschaftlichen Bewertung ausgesetzt (Rushton, 1999). Der vorliegende Beitrag befasst sich aus finanzwissenschaftlicher Sicht mit den öffentlichen Kulturausgaben in Österreich; insbesondere werden die Bestimmungsgründe für die zeitliche Entwicklung der öffentlichen Kulturausgaben in der Periode 1968 bis 2016 analysiert. Getestet wird insbesondere, ob und inwiefern Kulturausgaben von der Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Einkommens (BIP), von Konsolidierungsbemühungen als auch von politisch-ökonomischen Faktoren (z. B. Ideologie der Regierung) abhängen.
Öffentliche Kulturausgaben in Österreich: Bund, Länder, Gemeinden Der öffentliche Sektor (Bund, Länder, Gemeinden und deren Körperschaften) gibt in Österreich pro Jahr rund 2,5 Mrd. EUR für die verschiedenen Bereiche der Kultur aus. Grundlage für die Zurechnung von öffentlichen Ausgaben zu diesen Kulturbereichen ist die sog. LIKUS-Klassifikation von Kulturaktivitäten, -einrichtungen und -ausgaben. Zu beachten ist nämlich, dass in den öffentlichen Budgets entsprechend der Klassifikation der staatlichen Aktivitäten (COFOG, Classification of the Functions of Government) unter dem Stichwort Kunst und Kultur nicht alle kulturrelevanten Ausgaben und Aktivitäten aufscheinen; beispielsweise sind Veranstaltungen, Presse, Musik und Bildungseinrichtungen nur zum Teil entsprechend erfasst. Die LIKUS-Klassifikation ist daher ein neben der üblichen Zurechnung von Ausgaben zu Aufgabenbereichen der VGR (Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) stehendes System, das für den Bereich der kulturellen Aktivitäten ein realitätsnäheres Bild ergibt. (Derzeit stammen die jüngsten Detail-Daten nach Kulturbereichen aus dem Jahr 2014; siehe Statistik Austria, 2016; aggregierte Daten sind auch bis 2016 verfügbar).
Gesamtwirtschaftliche Determinanten öffentlicher Kulturausgaben in einem föderalen Staat
Wie Tab. 1 zeigt, werden die öffentlichen (staatlichen) Kulturausgaben von den unterschiedlichen Ebenen des Staates (Bund, Länder, Gemeinden) getragen; jeweils grob etwa ein Drittel der öffentlichen Kulturausgaben fällt auf die drei Gebietskörperschaftsebenen. Interessant bei der Analyse der öffentlichen Ausgaben ist die Konzentration der einzelnen Ebenen auf spezifische Aufgabenfelder: Die Bundesebene konzentriert die Ausgaben vor allem in den für eine „Kulturnation“ gesamtgesellschaftlich (und gesamtwirtschaftlich) relevanten Bereichen der Bildung (Universitäten), der darstellenden Kunst (Theater, Oper) sowie der Museen und Archive inkl. wissenschaftlicher Forschung (z. b. Bundesmuseen). Die Länder geben ihre Mittel in ähnlicher Weise vor allem für diese Bereiche, allerdings im Sinne eines landesweiten (regionalen) öffentlichen Interesses aus. Die Gemeinden wiederum besorgen lokale (und allenfalls überörtliche) kulturelle Aufgaben, beispielsweise bei der Einrichtung von kommunalen Veranstaltungszentren und Kultureinrichtungen. Pro-Kopf betragen die öffentlichen Kulturausgaben auf jeder Ebene jeweils rund 90 bis 105 EUR (je nach Ebene), insgesamt somit 290 EUR. Gemessen am Brutto-Inlandsprodukt (BIP) sind dies rund 0,75 %. Neben diesen öffentlichen Kulturausgaben geben die privaten Haushalte eine Vielzahl von Aufwendungen für Kultur im weiteren Sinn aus; die Konsumerhebung (2014/2015; siehe Statistik Austria, 2017; Getzner, 2017b) kommt zu Verbrauchsausgaben der privaten Haushalte für „Kulturveranstaltungen” in etwas gröberen Kategorien (z. B. Kino, Theater, Konzerte; Museum, Zoo; Radio- und Fernsehgebühren; sonstige Freizeit- und Kulturdienstleistungen) in Höhe von 382 EUR pro Haushalt, d. s. insgesamt rund 1,45 Mrd. EUR, entsprechend 170 EUR pro Kopf bzw. 0,45 % des BIP oder rund 1,1 % der privaten Verbrauchsausgaben (eigene Berechnungen auf Basis Statistik Austria, 2017 und 2018).1 Zu beachten ist, dass die öffentlichen Ausgaben nach LIKUS nicht direkt mit den privaten Verbrauchsausgaben vergleichbar sind (teilweise andere Kategorien). Nicht einberechnet sind, wie erwähnt, Ausgaben, die private Haushalte beispielsweise für die Anreise zu Kulturveranstaltungen aufwenden, die aber unmittelbar mit der kulturellen Aktivität verbunden sind.
1
Im internationalen Vergleich sind damit die österreichischen Kulturausgaben sowohl absolut (in EUR) als auch relativ (im Verhältnis zum BIP) in der Spitzengruppe europäischer Länder (Compendium, 2017).
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Michael Getzner
Ges. öffentliche Kulturausgabenb
Aufgaben- bzw. Ausgabenbereichea
Bundesebene
Gesamt
813.50
100.00% 895.40
100.00% 770.04
100.00% 2,478.94
100.00%
Ausbildung, Weiterbildung
275.10
33.82%
217.35
24.27%
202.70
26.32%
695.15
28.04%
Darstellende Kunst
166.19
20.43%
211.10
23.58%
76.09
9.88%
453.38
18.29%
Museen, Archive, Wissenschaft
142.84
17.56%
116.05
12.96%
67.96
8.83%
326.85
13.19%
Baukulturelles Erbe
74.75
9.19%
27.89
3.11%
92.63
12.03%
195.27
7.88%
Film, Kino, Video
32.83
4.04%
7.07
0.79%
2.89
0.38%
42.79
1.73%
Bibliothekswesen
28.81
3.54%
35.58
3.97%
33.63
4.37%
98.02
3.95%
Internationaler Kulturaustausch
26.04
3.20%
0.19
0.02%
26.23
1.06%
Großveranstaltungen 15.08
1.85%
31.64
3.53%
17.74
2.30%
64.46
2.60%
Presse
9.97
1.23%
0.00
0.00%
0.11
0.01%
10.08
0.41%
Literatur
9.60
1.18%
4.52
0.50%
2.91
0.38%
17.03
0.69%
Bildende Kunst, Foto, 9.12 Architektur, Design
1.12%
15.63
1.75%
6.02
0.78%
30.77
1.24%
Musik
8.27
1.02%
40.04
4.47%
60.95
7.92%
109.26
4.41%
Sonstiges
7.48
0.92%
156.27
17.45%
22.65
2.94%
186.40
7.52%
0.83%
22.83
2.55%
160.47
20.84%
190.05
7.67%
0.07%
9.24
1.03%
23.00
2.99%
32.80
1.32%
0.11
0.00%
0.29
0.01%
Kulturinitiativen, 6.75 Zentren Volkskultur, Heimat- u. 0.56 Brauchtumspflege Erwachsenenbildung 0.11 Hörfunk und Fernsehen Kulturausgaben 0.25% (% des BIP) Kulturausgaben (EUR 95 pro Einwohner/in) a b
Länderebene
Gemeinden
0.01% 0.29
0.04%
0.27%
0.23%
0.75%
105
90
290
Nach LIKUS-Kategorien. Jeweils konsolidiert um Transfers zwischen den Gebietskörperschaften.
Tab. 1: Öffentliche Kulturausgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden in Österreich nach verschiedenen Kulturbereichen und Aufgabenfeldern (2014, Mio. EUR bzw. jeweiliger Anteil in %). Quelle: Statistik Austria (2016), eigene Berechnungen und Zusammenstellung.
Gesamtwirtschaftliche Determinanten öffentlicher Kulturausgaben in einem föderalen Staat
Abhängige Variablen
Beschreibung der Variablen
KYt
Anteil der Kulturausgaben des Bundes und der Länder am Brutto-Inlandsprodukt (BIP) (%)
KGt
Anteil der Kulturausgaben des Bundes und der Länder an den öffentlichen Konsumausgaben (%)
KRPOPt
Kulturausgaben des Bundes und der Länder (EUR, pro Kopf, Preisbasis 2010)
KBRPOPt
Kulturausgaben des Bundes (EUR, pro Kopf, Preisbasis 2010)
Klärende Variablen YRPOPt
Brutto-Inlandsprodukt (BIP) (EUR, pro Kopf, Preisbasis 2010)
D2007A
=1 für das Jahr 2007
KYt-1
Anteil der Kulturausgaben des Bundes und der Länder am Brutto-Inlandsprodukt (BIP) (%), jeweils aus dem Vorjahr
KGt-1
Anteil der Kulturausgaben des Bundes und der Länder an den öffentlichen Konsumausgaben (%), jeweils aus dem Vorjahr
KRLPOPt
Kulturausgaben der Länder (EUR, pro Kopf, Preisbasis 2010)
SPBKt
=1 für Jahre mit SPÖ-Bundeskanzler
SBt
=1 für die Jahre mit „schwarz-blauer„ Koalition (2000-2006)
WENTt
Entfernung des Jahres t vom jeweiligen planmäßigen Wahltermin (in Jahren)
WAHLJt
=1 für Jahre mit Nationalratswahl
Tab. 2: Variablen der deskriptiven und ökonometrischen Analysen der öffentlichen Kulturausgaben in Österreich. Quelle: Eigene Konzeption.
Die Kulturausgaben privater Haushalte werden im Detail nur etwa alle fünf Jahre im Rahmen der Konsumerhebung ermittelt. Für die öffentlichen Kulturausgaben liegen jährliche Statistiken entsprechend der LIKUS-Klassifikation vor. Im Folgenden werden die Kulturausgaben zunächst deskriptiv und dann anhand einiger statistisch-ökonometrischer Analysen in ihrem Zeitverlauf sowie hinsichtlich der Determinanten untersucht. Tab. 2 zeigt die verschiedenen Variablen, die für die Analyse herangezogen werden. Als abhängige Variablen werden der Anteil der Kulturausgaben sowohl am BIP als auch an den öffentlichen Konsumausgaben
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Michael Getzner
sowie die Kulturausgaben pro Kopf (in EUR) insgesamt sowie des Bundes und der Bundesländer betrachtet. Erklärende Variablen sind das Brutto-Inlandsprodukt sowie Variablen, die politisch-ökonomische sowie zeitliche Umstände testen (zur Verwendung und Einordnung dieser Variablen siehe weiter unten). Abb. 1 zeigt einen ersten empirischen Überblick über die öffentlichen Kulturausgaben Österreichs (Bund und Länder; für die Gemeinden ist keine entsprechende Zeitreihe verfügbar). Auf Preisbasis 2010 (d. h. unter Berücksichtigung der Inflation, gemessen durch den Anstieg des Preisindex des öffentlichen Konsums) gaben beide Ebenen im Jahr 2016 etwa 1,75 Mrd. EUR aus; der Anteil der Länder war insgesamt etwas höher als jener des Bundes und betrug rund 0,94 Mrd. EUR, während der Bund 0,81 Mrd. EUR ausgab. Bedeutsam ist bei Betrachtung des zeitlichen Verlaufs: In den letzten rund 50 Jahren haben sich die öffentlichen Kulturausgaben real etwa vervierfacht (ausgehend von rund 0,44 Mrd. EUR im Jahr 1968 [Preisbasis 2010]).
2.5
2
Ku lt u rau sgab en ( in M rd . EU R, Preisb asis 2 0 1 0 )
1.75
1.5
0.94
1
0.81 0.5
0.44
2015
2010
2005
2000
1995
1990
1985
1980
1975
0 1970
324
Jahr
Kulturausgaben des Bundes und der Länder Kulturausgaben des Bundes Kulturausgaben der Länder
Abb. 1: Kulturausgaben des Bundes und der Länder (Österreich) (Mrd. EUR, Preisbasis 2010, 1968–2016). Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung auf Basis STAT (2018).
Gesamtwirtschaftliche Determinanten öffentlicher Kulturausgaben in einem föderalen Staat
Dieser starke Anstieg der gesamten Ausgaben führte auch zu einem entsprechenden, fast ebenso starken Anstieg der öffentlichen Kulturausgaben (Bund, Länder) pro Einwohner/in: Die Kulturausgaben betrugen 2016 rund 200 EUR pro Kopf, und waren damit das 3,3 fache des Betrags aus 1968 (siehe Abb. 2). Dieser Anstieg ist nur zu einem Teil durch die Erhöhung von Staatsausgaben bzw. des öffentlichen Konsums zu erklären: Wie Abb. 3 zeigt, nahm der Anteil der öffentlichen Kulturausgaben an den gesamten öffentlichen Konsumausgaben von 1,93 % auf 2,74 % (1969 bis 2016) zu. Noch sichtbarer wird die zunehmende Bedeutung von Kultur gemessen am Einkommen (also der gesamtwirtschaftlichen Leistung, BIP); im Jahr 1969 wurden 0,28 % des Brutto-Inlandsprodukt für öffentliche Kulturausgaben aufgewendet. Im Jahr 2016 betrug dieser Anteil fast das Doppelte (0,55 %). Dies zeigt, dass die Bedeutung von Kulturausgaben in Österreich im Zeitablauf signifikant zugenommen hat.
300
Ku lt u rau sgab en ( in EU R p ro Ko p f, Preisb asis 2 0 1 0 )
250
200.08 200
150
107.02 100
93.05
59.84 50
2015
2010
2005
2000
1995
1990
1985
1980
1975
1970
0
Jahr
Kulturausgaben des Bundes und der Länder Kulturausgaben des Bundes Kulturausgaben der Länder
Abb. 2: Kulturausgaben des Bundes und der Länder (Österreich) (EUR pro Kopf, Preisbasis 2010, 1968–2016). Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung auf Basis STAT (2018).
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Michael Getzner
Bestimmungsgründe der öffentlichen Kulturausgaben in Österreich Die in Abschnitt 2 beschriebenen öffentlichen Kulturausgaben werden durch gesamtwirtschaftliche Entwicklungen beeinflusst; Staatsausgaben generell werden häufig danach getestet, ob es einen positiven (oder negativen) Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen Einkommen (Pro-Kopf-BIP) und den Ausgaben gibt, und welche weiteren volkswirtschaftlichen Bestimmungsgründe zu finden sind. Entsprechend dem ‚Wagnerschen Gesetz der wachsenden Staatsthätigkeit‘ ist anzunehmen, dass grundsätzlich die Nachfrage nach öffentlichen Gütern und Dienstleistungen mit steigendem Realeinkommen zunimmt. Zunächst werden Staatsausgaben für dringend notwendige Infrastrukturen, für soziale Absicherung und Bildung verwendet. Mit steigendem Einkommen nimmt auch der Anteil beispielsweise von Kulturausgaben zu. Der Zusammenhang ist nicht linear, sondern die Einkommenselastizität von Kulturausgaben kann auch größer als Eins sein; m. a. W., steigt das gesamtwirtschaftliche Einkommen um ein Prozent, nehmen die Kulturausgaben um mehr als ein Prozent zu.
2015
2010
2005
2000
1995
1990
1985
1980
1975
1970
Ku lt u rau sgab en vo n Bu n d u n d Län d ern ( in % d es BIP b zw. d es ö f fen t l ich en Ko n su m s, lau fen d e Preise)
326
Jahr
Kulturausgaben (in % des BIP) Kulturausgaben (in % des öffentlichen Konsums)
Abb. 3: Öffentliche Kulturausgaben (Bund, Länder) (% des BIP bzw. der öffentlichen Konsumausgaben, 1968–2016). Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung auf Basis STAT (2018).
Gesamtwirtschaftliche Determinanten öffentlicher Kulturausgaben in einem föderalen Staat
Neben dem Wachstum von Kulturausgaben in Bezug auf das Einkommen kann gerade bei Kulturausgaben die ‚Baumolsche Kostenkrankheit‘ wirken (Baumol und Bowen, 1966; Towse, 1997). Dieses Konzept unterstellt, dass die Preise vor allem von Kulturdienstleistungen (Theater, Konzerte) stärker ansteigen als die Produktivität in diesen Branchen. Dies bedeutet, dass der Anteil von Kulturausgaben beispielsweise am öffentlichen Konsum ansteigen kann, ohne dass es ein Mehr an Leistungen (z. B. Aufführungen) gibt. Dies hat vor allem darin die Ursache, dass die Möglichkeiten zur Steigerung der Produktivität im Bereich der darstellenden Künste sehr beschränkt sind. Theoretisch gesehen können nicht nur ökonomische Bestimmungsgründe auf die öffentlichen Kulturausgaben wirken (vgl. z. B. Schulze und Ursprung, 2000; Benito et al., 2013). Aus dem Bereich der politischen Ökonomie (Public Choice) bietet eine Reihe von Theorien Erklärungsansätze, die zu einem Anstieg (oder einer Reduktion) von Kulturausgaben führen können. Zunächst sind die Ideologie bzw. die Einstellung zur staatlichen Kulturpolitik zu nennen. Fiskalisch konservative Parteien werden vermutlich eher staatliche Ausgaben, somit auch im Kulturbereich, reduzieren und staatliche Aktivitäten zurücknehmen. Auch die Frage nach dem „politischen Konjunkturzyklus“ bei Kulturausgaben kann getestet werden; dabei wird angenommen, dass bevorstehende Wahlen dazu verleiten, Staatsausgaben, allenfalls auch im Kulturbereich, zu erhöhen, um den Wähler/innen im Sinne der Stimmenmaximierung zu einer entsprechenden Stimmabgabe zu verleiten. Die Datengrundlage für die folgenden statistisch-ökonometrischen Schätzungen basieren auf der österreichischen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) sowie auf der Kulturstatistik, und zwar wiederum für den Zeitraum von 1969 bis 2016. Dabei wird das folgende empirische Grundmodell getestet: KYt {KGt, KRPOPt, KRBPOPt} = f (YRPOPt, Xt), wobei die abhängigen Variablen entweder die Anteile der öffentlichen Konsumausgaben am BIP bzw. am öffentlichen Konsum sind, oder den Pro-Kopf-Ausgaben (real), entsprechen. Diese Variablen hängen – je nach Modell – im Wesentlichen vom realen Pro-Kopf-BIP (YRPOPt), sowie von einem Vektor Xt ab, in welchem weitere erklärende Variablen (siehe dazu Tab. 2) enthalten sind. (Die in den Schätzungen enthaltenen Pro-Kopf-Ausgaben sind jeweils als natürlicher Logarithmus berücksichtigt; dies erleichtert u. a. eine Interpretation der Schätzergebnisse.)
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Michael Getzner
Als Voraussetzung für die Reliabilität der im Folgenden präsentierten Schätzung und für die genauere inhaltliche Interpretation ist eine Reihe von weiteren Tests durchzuführen; diese sind im Anhang hinsichtlich ihrer Ergebnisse dargestellt. Im Wesentlichen geht es hierbei darum, die Beziehungen der Variablen zueinander zu beschreiben. Tab. 5 zeigt hierbei, dass unabhängig von der Annahme gleicher oder verschiedener Entwicklungsprozesse über die Zeit die wesentlichen Variablen ansteigen (Stationarität wird erst in erster Differenz erreicht). Tab. 6 zeigt, dass die Bundesausgaben für Kultur und das reale BIP (jeweils pro Kopf) parallel ansteigen, d. h. kointegriert sind. Schlussendlich deutet Tab. 7 an, dass im Sinne einer kausalen Beziehung das Brutto-Inlandsprodukt die Kulturausgaben bestimmt, und der Verlauf der Kulturausgaben der Länder die Kulturausgaben des Bundes bestimmt. Tab. 3 zeigt eine erste Übersicht über die Schätzungen der grundlegenden Bestimmungsgründe für öffentliche Kulturausgaben in Österreich. Die erste getestete Variable ist der Anteil der öffentlichen Kulturausgaben am Brutto-Inlandsprodukt (Variable KYt). Die Schätzung ergibt einen positiven und signifikanten Zusammenhang zwischen dem steigenden Einkommen und der Zunahme der Kulturausgaben gemessen am BIP; der Koeffizient besagt, dass bei einer Steigerung des BIP um 1 % der Anteil der Kulturausgaben, gemessen am BIP, um 0,17 % höher wird. (Um die einmalige sprunghafte Erhöhung der Kulturausgaben im Jahr 2007 durch Sonderausgaben für das „Mozart-Jahr“ (im Nachhinein) zu berücksichtigen, wird hier und in den weiteren Schätzungen eine Dummy-Variable, D2007A, verwendet.) Neben dem Einkommen wird in der Schätzung auch berücksichtigt, dass – entsprechend dem „Consumption Capital“-Ansatz – die öffentlichen Kulturausgaben eines Jahres auch von jenen des Vorjahres positiv abhängen; dies bestätigt sich durch einen positiven und signifikanten Koeffizienten. Der Erklärungswert der vorliegenden Schätzung ist (wie bei Zeitreihen-Analysen in vorliegendem Kontext üblich) sehr hoch. Die zweite Schätzung bezieht sich auf den Anteil der öffentlichen Kulturausgaben am öffentlichen Konsum (Variable KGt). Hierbei zeigt sich ein ähnliches Bild wie in der ersten Schätzung: Ein Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens bewirkt eine signifikante Erhöhung der Kulturausgaben in Bezug auf die gesamten öffentlichen Konsumausgaben. Eine 1 %-ige Zunahme des Pro-Kopf-Einkommens erhöht den Anteil der Kulturausgaben um rund 0,4 %. Die beiden weiteren Schätzungen in Tab. 3 nehmen (öffentliche) Pro-Kopf-Ausgaben für den Kulturbereich als abhängige Variable: Die
Gesamtwirtschaftliche Determinanten öffentlicher Kulturausgaben in einem föderalen Staat
z-Statistik
Sign.
log(KBRPOPt) Koeffizient
Sign.
z-Statistik
log(KRPOPt) Koeffizient
z-Statistik
Koeffizient
KGt
Sign.
z-Statistik
Koeffizient
KYt
Sign.
Abhängige Variable
C
-1.489 -4.263
***
-3.295 -2.819
***
-4.250 -3.969
***
LOG(YRPOPt)
0.170
4.328
***
0.413
3.008
***
0.656
4.185
***
1.462
4.383
***
D2007A
0.096
2.396
**
0.649
3.017
***
0.174
2.944
***
0.329
2.385
**
KYt-1
0.500
4.580
*** 0.641
6.368
*** 0.510
4.702
log(KRBPOPt-1)
0.219
1.686
*
log(KRLPOPt)
-0.290 -1.844
*
KGt-1 log(KRPOPt-1)
-10.395 -4.297
Log-Likelihood
-261.042
-463.140
-699.392
-586.883
LR Statistik
1277.331
559.469
3576.136
761.337
Sign. LR Statistik
***
***
***
***
n
48
48
48
48
Periode
1969-2016
1969-2016
1969-2016
1969-2016
Adj. R²
0.961
0.933
0.988
0.950
***
Schätzung eines GLM-Modells (adj. R² auf Basis einer äquivalenten OLS-Schätzung zur Veranschaulichung (Illustration) des Erklärungswertes); *** p