Die Wiederholungskündigung: Verbrauch von Gestaltungsrechten und Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess [1 ed.] 9783428551590, 9783428151592

Eine Wiederholungskündigung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber aus einem Grund kündigt, den er schon erfolglos zur Begründu

132 66 3MB

German Pages 270 Year 2017

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Die Wiederholungskündigung: Verbrauch von Gestaltungsrechten und Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess [1 ed.]
 9783428551590, 9783428151592

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 341

Die Wiederholungskündigung Verbrauch von Gestaltungsrechten und Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess

Von

Katharina D. L. Fischer

Duncker & Humblot · Berlin

KATHARINA D. L. FISCHER

Die Wiederholungskündigung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn

Band 341

Die Wiederholungskündigung Verbrauch von Gestaltungsrechten und Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess

Von

Katharina D. L. Fischer

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Der Fachbereich für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Zivilprozessrecht der Bucerius Law School Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-15159-2 (Print) ISBN 978-3-428-55159-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-85159-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde an der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft – als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 5. Dezember 2016 statt. Für die Veröffentlichung wurden Rechtsprechung und Literatur bis Januar 2017 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. M ­ atthias Jacobs. Er hat mich während der gesamten Promotion hervorragend betreut. Bereits während des Schwerpunktstudiums hat er meine Begeisterung für das Arbeitsrecht geweckt und gefördert. Ihm und den weiteren Herausgebern danke ich zudem für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Bei Herrn Professor Dr. Wolf-Dietrich Walker bedanke ich mich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Diese Arbeit wird mit einem Förderpreis der Esche Schümann Commichau Stiftung, Hamburg, ausgezeichnet. Des Weiteren erfolgt eine Förderung durch die Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung. Auch hierfür bedanke ich mich. Hamburg, im Januar 2017

Katharina Fischer

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht

Teil 1

Einleitung und Überblick  29

§ 1 Einleitung  ................................................................................................................... 29 I. Relevanz und Abgrenzung  ................................................................................. 29 II. Ausgangslage, Terminologie und Ziele  .............................................................. 30 III. Gang der Untersuchung  ...................................................................................... 34 § 2 Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit  ........... 35 I. Differenzierungskriterien  .................................................................................. 35 II. Abgrenzung von echter und unechter Wiederholungskündigung nach der Rechtsprechung des BAG  ................................................................................... 36 1. Derselbe Kündigungsgrund im Sinne einer echten Wiederholungskün­digung  ........................................................................................................... 37 2. Anerkannte Fallgruppen einer unechten Wiederholungskündigung  ......... 40 3. Ergebnis ........................................................................................................ 47 III. Fallgruppen der echten Wiederholungskündigung  ........................................... 47 1. Rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung  .................................. 47 2. Rechtskräftige Entscheidung zur zweiten Kündigung  ............................... 48 3. Keine rechtskräftige Entscheidung zur ersten oder zweiten Kündigung  ... 50 4. Ergebnis ........................................................................................................ 52 IV. Fallgruppen der unechten Wiederholungskündigung  ....................................... 52 1. Rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung  .................................. 52 2. Rechtskräftige Entscheidung zur zweiten Kündigung  ............................... 53 3. Keine rechtskräftige Entscheidung zur ersten oder zweiten Kündigung  ... 53 4. Ergebnis ........................................................................................................ 53 V. Zusammenfassung .............................................................................................. 53 Teil 2 

Darstellung der Rechtsprechung und Literatur  55

§ 3 Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wiederholungs­ kündigung  ................................................................................................................... 55 I. Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung  ................................................ 55 1. Entscheidung des BAG vom 12. Oktober 1954  ........................................... 55 2. Keine Weiterentwicklung bis 1993  .............................................................. 56 3. Ergebnis ........................................................................................................ 56

10

Inhaltsübersicht II. Leitentscheidung des BAG vom 26. August 1993  ............................................. 56 1. Sachverhalt ................................................................................................... 56 2. Tragende Entscheidungsgründe  .................................................................. 57 3. Ergebnis ........................................................................................................ 59 III. Bestätigung der Leitentscheidung von 1993 bis 2012  ....................................... 59 1. Entscheidung des BAG vom 7. März 1996  .................................................. 60 2. Entscheidung des BAG vom 22. Mai 2003  ................................................. 60 3. Weitere Entscheidung des BAG vom 22. Mai 2003  .................................... 60 4. Entscheidung des BAG vom 12. Februar 2004  ........................................... 61 5. Entscheidung des BAG vom 18. Mai 2006  .................................................. 61 6. Entscheidung des BAG vom 6. Juli 2006  .................................................... 62 7. Entscheidung des BAG vom 8. November 2007  ......................................... 63 8. Entscheidung des BAG vom 26. November 2009  ....................................... 63 9. Entscheidung des BAG vom 6. September 2012  ......................................... 64 10. Ergebnis ........................................................................................................ 65 IV. Klarstellung des BAG zum Verbrauch des Kündigungsrechts mit Urteil vom 20. Dezember 2012  ............................................................................................. 65 V. Bestätigung der Rechtsprechungsänderung  ...................................................... 67 1. Entscheidung des BAG vom 11. Juli 2013  ................................................... 67 2. Entscheidung des BAG vom 20. März 2014  ................................................ 67 3. Entscheidung des BAG vom 18. Dezember 2014  ........................................ 68 4. Ergebnis ........................................................................................................ 68 VI. Zusammenfassung .............................................................................................. 68

§ 4 Materiellrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung  ..... 68 I. Verbrauch des Kündigungsrechts  ...................................................................... 69 1. Rechtsprechung des BAG  ............................................................................ 69 2. Verbrauch nach Bötticher als Begründungsansatz des BAG  ...................... 69 3. Ausdrücklich zustimmende Literatur nur bei wirksamer Kündigung  ....... 72 4. Ablehnende Literatur: „Eine solche Norm gibt es nicht“  ........................... 73 5. Ergebnis ........................................................................................................ 74 II. Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung gemäß § 138 Abs. 1 BGB  ...... 74 1. Rechtsprechung des BAG  ............................................................................ 74 2. Differenzierungen in der Literatur  .............................................................. 75 3. Ablehnung in der Literatur  .......................................................................... 75 4. Ergebnis ........................................................................................................ 76 III. Unwirksamkeit der Wiederholungskündigung gemäß § 242 BGB  ................... 76 1. Zustimmende Literatur  ................................................................................ 76 2. Ablehnende Literatur: § 242 BGB als ultima ratio  ..................................... 77 3. Ergebnis ........................................................................................................ 77 IV. Zusammenfassung .............................................................................................. 78

Inhaltsübersicht

11

§ 5 Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung  ........ 78 I. Die Relevanz von Streitgegenstand und Rechtskraft und Grundlagen  ............ 79 1. Streitgegenstand ........................................................................................... 79 2. Rechtskraft ................................................................................................... 82 3. Ergebnis ........................................................................................................ 85 II. Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess  ................................................ 85 1. 2. 3. 4.

Auf den Kündigungsschutzprozess anzuwendendes Prozessrecht  ............ 86 Rechtsprechung: Punktueller Streitgegenstandsbegriff  ............................. 87 Wiederholungskündigung als derselbe Streitgegenstand wie im Vorprozess  87 Wiederholungskündigung als anderer Streitgegenstand gegenüber dem Vorprozess  .................................................................................................... 91 5. Ergebnis ........................................................................................................ 94 III. Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess  ............................. 94 1. Bedürfnis nach einer Änderung der Regeln der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess  ........................................................................... 94 2. Rechtsprechung des BAG  ............................................................................ 96 3. Rechtskräftiges Aberkennen des Gestaltungsrechts nach Bötticher  .......... 101 4. Rechtskrafterstreckung auf Sinnzusammenhänge nach Zeuner  ................ 107 5. Erweiterte Auslegung der Entscheidung, insbesondere nach K.H. Schwab  ................................................................................................ 114 6. Telelogische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO  ........................................... 115 7. Analoge Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO  ............................................... 117 8. Erweiterung der Präjudizialität und des kontradiktorischen Gegenteils  ... 117 9. „Entsprechende Anwendung des Präklusionsprinzips“ nach Ascheid  ...... 118 10. Rechtskraftfremde Präklusion  ..................................................................... 119 11. Grundsätzliche Kritik an einer Erweiterung der Rechtskraft  .................... 121 12. Ergebnis ........................................................................................................ 123 IV. Zusammenfassung .............................................................................................. 123 § 6 Anforderungen an das Verhalten des Arbeitnehmers  ................................................. 124 I. Zur Erforderlichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die Wiederholungskündigung  .................................................................................. 125 1. Entbehrlichkeit einer Kündigungsschutzklage nach Teilen der älteren Literatur  ........................................................................................................ 125 2. Entbehrlichkeit einer Kündigungsschutzklage nach einer Minderansicht der jüngeren Literatur  .................................................................................. 126 3. Erforderlichkeit einer Kündigungsschutzklage nach der herrschenden Meinung  ....................................................................................................... 127 II. Folgen bei Erforderlichkeit einer Kündigungsschutzklage  ............................... 127 1. Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage  ............................................... 127 2. Begründetheit der Kündigungsschutzklage  ................................................ 127 III. Zusammenfassung .............................................................................................. 128

Inhaltsübersicht

12

Teil 3  

Untersuchung der Wiederholungskündigung  129

§ 7 Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung  .............................. 130 I. Kündigung als Gestaltungsrecht  ........................................................................ 130 1. Allgemeines zu Gestaltungsrechten  ............................................................ 131 2. Erlöschen des Kündigungsrechts  ................................................................. 131 3. Keine Konsequenzen aus der Unwiderruflichkeit und Bedingungsfeind­ lichkeit von Gestaltungsrechten  .................................................................. 148 4. Keine Konsequenzen aus Besonderheiten der Kündigung hinsichtlich der Mitteilung des Kündigungsgrundes  ............................................................ 149 5. Ergebnis ........................................................................................................ 150 II. Verzicht auf das Kündigungsrecht  ..................................................................... 150 1. Kein konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht durch die erste Kündigungserklärung  .................................................................................. 151 2. Kein konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht durch Rechtsmittel­ verzicht im Vorprozess  ................................................................................ 154 3. Kein konkludenter Verzicht durch sonstiges Verhalten im Vorprozess  ..... 156 4. Ergebnis ........................................................................................................ 156 III. Anwendung der Generalklauseln  ....................................................................... 156 1. Zur Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB  .......................................... 157 2. Zum Verstoß gegen das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB  ...................... 169 3. Zum Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB  ......................... 170 4. Ergebnis ........................................................................................................ 202 IV. Zusammenfassung .............................................................................................. 202 § 8 Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung  ................................ 203 I. Einleitung  ........................................................................................................... 203 1. Relevanz des Kapitels  .................................................................................. 203 2. Offene Fragen  ............................................................................................... 204 3. Methodik und Struktur dieses Kapitels  ...................................................... 205 II. Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess  ................................................ 205 1. Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff  .............................................................................. 206 2. Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess nach anderen Streitgegenstandsbegriffen  ............................................................................................ 211 3. Ergebnis ........................................................................................................ 212 III. Rechtskraft .......................................................................................................... 212 1. 2. 3. 4.

Notwendigkeit einer erweiterten Rechtskraft  ............................................. 212 Auswahl des zu prüfenden konstruktiven Lösungswegs  ........................... 213 Teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO  ......................................... 214 Präjudizialität als „Rechtsfolge“ und Wirkung der Rechtskraft  ................ 242

Inhaltsübersicht

13

5. Anmerkung zur Rechtsprechung des BAG und Einordnung in das Meinungsspektrum  ...................................................................................... 244 6. Ergebnis ........................................................................................................ 246 IV. Konsequenzen für Entscheidung über Wiederholungskündigung ohne Urteil im Vorprozess zur ersten Kündigung  ................................................................ 247 1. Keine Lösung mit teleologischer Reduktion und Präjudizialität  ............... 247 2. Bindung an Entscheidung zur ersten Kündigung  ....................................... 247 3. Ergebnis ........................................................................................................ 249 V. Zusammenfassung .............................................................................................. 249 Teil 4  Gesamtergebnis  251 Literaturverzeichnis  ....................................................................................................... 254 Sachverzeichnis  ............................................................................................................... 268

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Teil 1

Einleitung und Überblick  29

§ 1 Einleitung  ................................................................................................................... 29 I. Relevanz und Abgrenzung  ................................................................................. 29 II. Ausgangslage, Terminologie und Ziele  .............................................................. 30 III. Gang der Untersuchung  ...................................................................................... 34 § 2 Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit  ........... 35 I. Differenzierungskriterien  .................................................................................. 35 II. Abgrenzung von echter und unechter Wiederholungskündigung nach der Rechtsprechung des BAG  ................................................................................... 36 1. Derselbe Kündigungsgrund im Sinne einer echten Wiederholungskündigung  .................................................................................................... 37 a) Kriterien ................................................................................................. 37 aa) Maßgeblichkeit der Entscheidungsgründe und des Vortrags des Arbeitgebers  .................................................................................... 37 bb) Abgrenzung zur Ergänzung des Vortrags  ..................................... 38 b) Beispiele aus der Rechtsprechung  ......................................................... 38 aa) Verhaltensbedingte Kündigung  ...................................................... 38 bb) Personenbedingte Kündigung  ........................................................ 39 (1) Krankheitsbedingte Kündigung ohne Veränderung der Gesund­ heitsprognose  ............................................................................ 39 (2) Erklärung mehrerer Verdachtskündigungen  .............................. 40 cc) Betriebsbedingte Kündigung  ......................................................... 40 2. Anerkannte Fallgruppen einer unechten Wiederholungskündigung  ......... 40 a) Wesentliche Änderung des Sachverhalts  ............................................... 41 aa) Anforderungen ................................................................................ 41 bb) Beispiele aus der Rechtsprechung  .................................................. 41 (1) Verhaltensbedingte Kündigung  ................................................. 41 (2) Personenbedingte Kündigung  .................................................... 42 (a) Krankheitsbedingte Kündigung  ........................................ 42 (b) Verdachtskündigung und verdachtsverstärkende Tatsachen  42 cc) Betriebsbedingte Kündigung  ......................................................... 43 b) Fristgerechte nach fristloser Kündigung  ................................................ 43 c) Beendigungs- und Änderungskündigung  ............................................... 44

16

Inhaltsverzeichnis d) Formale Fehler der Kündigungserklärung  ............................................. 44 aa) Rechtfertigung ................................................................................ 44 bb) Formale Fehler  ................................................................................ 45 (1) Verstöße gegen allgemeine formale und rechtsgeschäftliche Wirksamkeitsvoraussetzungen  .................................................. 45 (2) Verstöße gegen sonstige gesetzliche Bestimmungen  ................ 46 e) Anforderungen an die zweite Kündigung, insbesondere Betriebsrats­ anhörung  ................................................................................................ 46 3. Ergebnis ........................................................................................................ 47 III. Fallgruppen der echten Wiederholungskündigung  ........................................... 47 1. Rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung  .................................. 47 a) Ausgangslage ......................................................................................... 47 b) Zweite Kündigung nach rechtskräftiger Entscheidung zur ersten Kündigung (Trotzkündigung)  ................................................................ 48 c) Zweite Kündigung vor rechtskräftiger Entscheidung zur ersten Kündigung  ............................................................................................. 48 2. Rechtskräftige Entscheidung zur zweiten Kündigung  ............................... 48 3. Keine rechtskräftige Entscheidung zur ersten oder zweiten Kündigung  ... 50 a) Kündigungsschutzrechtsstreit wegen der ersten Kündigung  ................. 50 b) Kündigungsschutzrechtsstreit wegen der zweiten Kündigung  .............. 51 4. Ergebnis ........................................................................................................ 52 IV. Fallgruppen der unechten Wiederholungskündigung  ....................................... 52 1. Rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung  .................................. 52 a) Zweite Kündigung nach rechtskräftiger Entscheidung zur ersten Kündigung  ............................................................................................. 52 b) Zweite Kündigung vor rechtskräftiger Entscheidung zur ersten Kündigung  ............................................................................................. 52 2. Rechtskräftige Entscheidung zur zweiten Kündigung  ............................... 53 3. Keine rechtskräftige Entscheidung zur ersten oder zweiten Kündigung  ... 53 a) Kündigungsschutzrechtsstreit wegen der ersten Kündigung  ................. 53 b) Kündigungsschutzrechtsstreit wegen der zweiten Kündigung  .............. 53 4. Ergebnis ........................................................................................................ 53 V. Zusammenfassung .............................................................................................. 53 Teil 2



Darstellung der Rechtsprechung und Literatur  55

§ 3 Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wiederholungs­ kündigung  ................................................................................................................... 55 I. Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung  ................................................ 55 1. Entscheidung des BAG vom 12. Oktober 1954  ........................................... 55 2. Keine Weiterentwicklung bis 1993  .............................................................. 56

Inhaltsverzeichnis

17

3. Ergebnis ........................................................................................................ 56 II. Leitentscheidung des BAG vom 26. August 1993  ............................................. 56 1. Sachverhalt ................................................................................................... 56 2. Tragende Entscheidungsgründe  .................................................................. 57 a) Materiellrechtlicher Verbrauch des Kündigungsrechts  .......................... 58 b) Prozessrechtliche Erweiterung der Rechtskraftwirkung  ........................ 58 3. Ergebnis ........................................................................................................ 59 III. Bestätigung der Leitentscheidung von 1993 bis 2012  ....................................... 59 1. Entscheidung des BAG vom 7. März 1996  .................................................. 60 2. Entscheidung des BAG vom 22. Mai 2003  ................................................. 60 3. Weitere Entscheidung des BAG vom 22. Mai 2003  .................................... 60 4. Entscheidung des BAG vom 12. Februar 2004  ........................................... 61 5. Entscheidung des BAG vom 18. Mai 2006  .................................................. 61 6. Entscheidung des BAG vom 6. Juli 2006  .................................................... 62 7. Entscheidung des BAG vom 8. November 2007  ......................................... 63 8. Entscheidung des BAG vom 26. November 2009  ....................................... 63 9. Entscheidung des BAG vom 6. September 2012  ......................................... 64 10. Ergebnis ........................................................................................................ 65 IV. Klarstellung des BAG zum Verbrauch des Kündigungsrechts mit Urteil vom 20. Dezember 2012  ............................................................................................. 65 V. Bestätigung der Rechtsprechungsänderung  ...................................................... 67 1. Entscheidung des BAG vom 11. Juli 2013  ................................................... 67 2. Entscheidung des BAG vom 20. März 2014  ................................................ 67 3. Entscheidung des BAG vom 18. Dezember 2014  ........................................ 68 4. Ergebnis ........................................................................................................ 68 VI. Zusammenfassung .............................................................................................. 68 § 4 Materiellrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung  ..... 68 I. Verbrauch des Kündigungsrechts  ...................................................................... 69 1. Rechtsprechung des BAG  ............................................................................ 69 2. Verbrauch nach Bötticher als Begründungsansatz des BAG  ...................... 69 a) Relevante Beiträge Böttichers  ............................................................... 69 b) Verbrauch auch bei unwirksamer Kündigung  ........................................ 70 c) Kritik an der Anwendung des § 138 BGB bei der Ausübung von Gestaltungsrechten  ................................................................................. 71 d) Zwischenergebnis .................................................................................. 72 3. Ausdrücklich zustimmende Literatur nur bei wirksamer Kündigung  ....... 72 a) Verbrauch bei wirksamer und unwirksamer Kündigung  ....................... 72 b) Verbrauch nur bei wirksamer Kündigung  .............................................. 72 4. Ablehnende Literatur: „Eine solche Norm gibt es nicht“  ........................... 73 5. Ergebnis ........................................................................................................ 74

18

Inhaltsverzeichnis II. Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung gemäß § 138 Abs. 1 BGB  ...... 74 1. Rechtsprechung des BAG  ............................................................................ 74 2. Differenzierungen in der Literatur  .............................................................. 75 3. Ablehnung in der Literatur  .......................................................................... 75 a) Subsidiarität des § 138 BGB  .................................................................. 75 b) Zweck des § 138 BGB  ........................................................................... 75 c) Voraussetzungen des § 138 BGB  ........................................................... 75 4. Ergebnis ........................................................................................................ 76 III. Unwirksamkeit der Wiederholungskündigung gemäß § 242 BGB  ................... 76 1. Zustimmende Literatur  ................................................................................ 76 a) Generelle Zustimmung Böttichers  ......................................................... 76 b) Flexible Lösungen mit § 242 BGB nach Teilen der Literatur  ................ 77 2. Ablehnende Literatur: § 242 BGB als ultima ratio  ..................................... 77 3. Ergebnis ........................................................................................................ 77 IV. Zusammenfassung .............................................................................................. 78

§ 5 Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung  ........ 78 I. Die Relevanz von Streitgegenstand und Rechtskraft und Grundlagen  ............ 79 1. Streitgegenstand ........................................................................................... 79 2. Rechtskraft ................................................................................................... 82 a) Zweck und Wesen der Rechtskraft  ......................................................... 82 b) Ne bis in idem als Wirkung der Rechtskraft bei Identität des Streit­ gegenstands  ............................................................................................ 82 c) Präjudizialität als Wirkung der Rechtskraft bei verschiedenen Streit­ gegenständen  .......................................................................................... 83 d) Reichweite der materiellen Rechtskraft  ................................................. 83 aa) Objektive Grenzen der Rechtskraft  ................................................ 83 (1) Ausgangspunkt: § 322 Abs. 1 ZPO  ........................................... 83 (2) Kontradiktorisches Gegenteil  .................................................... 84 bb) Zeitliche Grenzen der Rechtskraft und Präklusion  ....................... 84 3. Ergebnis ........................................................................................................ 85 II. Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess  ................................................ 85 1. Auf den Kündigungsschutzprozess anzuwendendes Prozessrecht  ............ 86 2. Rechtsprechung: Punktueller Streitgegenstandsbegriff  ............................. 87 3. Wiederholungskündigung als derselbe Streitgegenstand wie im Vorprozess  87 a) Kündigungsrecht als Streitgegenstand nach Bötticher  .......................... 88 b) Funktionaler Gehalt des Kündigungsrechts nach Bruns als Ergänzung Böttichers Argumentation  ...................................................................... 88 c) Gleiche Sinngehalte nach Zeuner  .......................................................... 89 d) Rechtswidriger Eingriff als Streitgegenstand nach Lüke  ....................... 89 e) Rechtliches Beziehungsgeflecht nach Ascheid  ...................................... 90 f) Minderansicht in der jüngeren Literatur  ................................................ 91

Inhaltsverzeichnis

19

g) Zwischenergebnis .................................................................................. 91 4. Wiederholungskündigung als anderer Streitgegenstand gegenüber dem Vorprozess  .................................................................................................... 91 a) Erste Zweifel an einer Identität der Streitgegenstände  .......................... 91 b) Wortlaut .................................................................................................. 92 c) Unterschiedliche Sachverhalte  ............................................................... 92 d) Entstehungsgeschichte ........................................................................... 92 e) Telos ....................................................................................................... 93 f) Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers  ................................................. 93 g) Faktische Zustimmung der Kommentarliteratur  .................................... 93 h) Zwischenergebnis .................................................................................. 93 5. Ergebnis ........................................................................................................ 94 III. Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess  ............................. 94 1. Bedürfnis nach einer Änderung der Regeln der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess  ........................................................................... 94 a) Ausgangssituation .................................................................................. 94 b) Herleitung konstruktiver Lösungsmöglichkeiten und der Zweistufigkeit der Rechtskraft  ....................................................................................... 94 c) Weiterer Gang der Untersuchung  ........................................................... 96 2. Rechtsprechung des BAG  ............................................................................ 96 a) Entwicklung verschiedener Lösungsansätze in der Leitentscheidung vom 26. August 1993  ............................................................................. 96 b) Konkretisierung des prozessrechtlichen und Korrektur des materiell­ rechtlichen Lösungswegs am 20. Dezember 2012  ................................. 97 c) Bestätigung des neuen Lösungswegs in mehreren Entscheidungen  ...... 98 d) Zustimmung der herrschenden Meinung  ............................................... 98 aa) Zustimmende Kommentarliteratur ohne weitere Begründung  ..... 98 bb) Vogg: Vermeidung von „Überraschungseffekten“  ........................ 99 cc) Ausführliche Zustimmung durch M. Schwab  ................................ 100 e) Ablehnende Stellungnahmen  ................................................................. 101 aa) Pfeiffer: Vorrang der Zwischenfeststellungsklage  ........................ 101 bb) Ascheid: Systemwidrigkeit  ............................................................. 101 f) Zwischenergebnis .................................................................................. 101 3. Rechtskräftiges Aberkennen des Gestaltungsrechts nach Bötticher  .......... 101 a) Festschrift Herschel: Gerechte Verteilung des Prozessrisikos  ............... 102 b) Festschrift Dölle: Vergleich mit hypothetischer Aufhebungsklage des Arbeitgebers  ........................................................................................... 103 c) Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht: „Waffengleichheit“ bei der Rechtskraft  ................................................................................... 103 d) Zusammenfassung ................................................................................. 104 e) Zustimmung der herrschenden Meinung  ............................................... 104 f) Ablehnende Stellungnahmen  ................................................................. 104

20

Inhaltsverzeichnis aa) Nikisch: Systemwidrigkeit  ............................................................. 105 bb) W. Habscheid: Wertung des § 322 Abs. 2 ZPO  ............................. 105 cc) Lüke: Allenfalls materiellrechtliche Unwirksamkeit  .................... 105 dd) Dölle: Bewusste Unterscheidung zwischen Gestaltungsrechten und Gestaltungsklagerechten  ......................................................... 105 ee) Becker: Klageinitiativlast des Arbeitnehmers  ............................... 106 g) Zwischenergebnis .................................................................................. 107 4. Rechtskrafterstreckung auf Sinnzusammenhänge nach Zeuner  ................ 107 a) Relevanz ................................................................................................. 107 b) Ausgangspunkt ....................................................................................... 107 c) Vergleichbarkeit von Präjudizialität und Rechtskraft der Gründe  ......... 108 d) Inhaltliche Kriterien zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft  . 108 e) Zur Kündigungsschutzklage  .................................................................. 109 f) Bestätigung der Argumentation  ............................................................. 109 g) Zustimmende Stellungnahmen  .............................................................. 110 aa) Grunsky: Anknüpfung an den Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO  .... 110 bb) Billigung Zeuners Anliegens  ......................................................... 111 h) Ablehnende Stellungnahmen  ................................................................. 111 aa) Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO  ...................................................... 111 bb) Entstehungsgeschichte  .................................................................... 112 cc) Systemzusammenhang ................................................................... 112 (1) § 256 Abs. 2 ZPO  ...................................................................... 112 (2) § 322 Abs. 2 ZPO  ...................................................................... 112 dd) Unbestimmtheit und Rechtsunsicherheit  ....................................... 112 ee) Unvereinbarkeit mit der Stellung des Richters  .............................. 113 ff) „Verstärkung von Unrecht“  ............................................................ 113 i) Zwischenergebnis  .................................................................................. 113 5. Erweiterte Auslegung der Entscheidung, insbesondere nach K.H. Schwab  . 114 6. Telelogische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO  ........................................... 115 a) Wortlaut .................................................................................................. 115 b) Systematik .............................................................................................. 115 aa) § 256 Abs. 2 ZPO  ............................................................................ 115 bb) § 322 Abs. 2 ZPO  ............................................................................ 115 c) Entstehungsgeschichte ........................................................................... 116 d) Telos ....................................................................................................... 116 e) Fallgruppen ............................................................................................ 117 f) Zwischenergebnis .................................................................................. 117 7. Analoge Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO  ............................................... 117 8. Erweiterung der Präjudizialität und des kontradiktorischen Gegenteils  ... 117 9. „Entsprechende Anwendung des Präklusionsprinzips“ nach Ascheid  ...... 118 10. Rechtskraftfremde Präklusion  ..................................................................... 119

Inhaltsverzeichnis

21

a) Ausgangspunkt ....................................................................................... 119 b) Zustimmende Stellungnahmen  .............................................................. 120 c) Verfassungsrechtliche und systematische Gegenargumente  .................. 120 11. Grundsätzliche Kritik an einer Erweiterung der Rechtskraft  .................... 121 a) Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO  ............................................................. 121 b) Entstehungsgeschichte der Zivilprozessordnung  ................................... 121 c) Systematik .............................................................................................. 122 d) Interessen des Klägers  ........................................................................... 122 e) Zwischenergebnis .................................................................................. 123 12. Ergebnis ........................................................................................................ 123 IV. Zusammenfassung .............................................................................................. 123 § 6 Anforderungen an das Verhalten des Arbeitnehmers  ................................................. 124 I. Zur Erforderlichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die Wiederholungskündigung  .................................................................................. 125 1. Entbehrlichkeit einer Kündigungsschutzklage nach Teilen der älteren Literatur  ........................................................................................................ 125 2. Entbehrlichkeit einer Kündigungsschutzklage nach einer Minderansicht der jüngeren Literatur  .................................................................................. 126 3. Erforderlichkeit einer Kündigungsschutzklage nach der herrschenden Meinung  ....................................................................................................... 127 II. Folgen bei Erforderlichkeit einer Kündigungsschutzklage  ............................... 127 1. Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage  ............................................... 127 2. Begründetheit der Kündigungsschutzklage  ................................................ 127 III. Zusammenfassung .............................................................................................. 128 Teil 3

Untersuchung der Wiederholungskündigung  129

§ 7 Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung  .............................. 130 I. Kündigung als Gestaltungsrecht  ........................................................................ 130 1. Allgemeines zu Gestaltungsrechten  ............................................................ 131 2. Erlöschen des Kündigungsrechts  ................................................................. 131 a) Keine Ausnahme für einzelne Fallgruppen der Wiederholungskündi­gung  .............................................................................................. 132 b) Vorliegen von Kündigungserklärung und Kündigungsgrund  ................ 133 c) Vorliegen allein einer Kündigungserklärung  ......................................... 133 aa) Wortlaut des § 1 KSchG  ................................................................. 135 bb) Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzgesetzes  ................ 136 (1) Begründung des Regierungsentwurfs  ........................................ 136 (2) Rückbesinnung auf Seckel als Erfinder des Gestaltungsrechts  ....................................................................................... 136 cc) Systematischer Vergleich mit anderen Erlöschensgründen  .......... 137

22

Inhaltsverzeichnis (1) Verzeihung, Verzicht, Verwirkung als vergleichbare Erlöschens­ gründe  ......................................................................................... 137 (2) Vergleichbarkeit hinsichtlich des speziellen Grundes  ............... 138 (3) Keine Vergleichbarkeit hinsichtlich der Kenntnis und Absichten des Arbeitgebers  ......................................................................... 138 (a) Kenntnis oder Finalität hinsichtlich des Erlöschens bei Verzeihung, Verzicht und Verwirkung  ............................. 138 (aa) Verzeihung und Verzicht  ........................................... 138 (bb) Verwirkung  ................................................................ 138 (cc) Zwischenergebnis ...................................................... 139 (b) Keine Vergleichbarkeit bei der Wiederholungskündigung  .......................................................................... 139 (aa) Rechtliche Unsicherheit über Rechtsfolgen der Erklärung  ................................................................... 139 (bb) Intention des Arbeitgebers  ........................................ 140 (cc) Zwischenergebnis ...................................................... 140 (4) Unterschiedliche Anknüpfungspunkte hinsichtlich der „Vorwerfbarkeit“  ....................................................................... 141 (5) Unterschiedliche Sachverhalte  .................................................. 141 (6) Zwischenergebnis  ...................................................................... 141 dd) Systematischer Vergleich mit anderen Unwirksamkeitsgründen einer Kündigung  ............................................................................. 142 ee) Systematischer Zusammenhang mit dem Prozessrecht  ................. 142 ff) Systematischer Vergleich mit anderen Gestaltungsrechten.  ......... 143 (1) Systematisch grundsätzliche Vergleichbarkeit von Rücktritt und Widerruf  ............................................................................. 143 (2) Logisches Nichterlöschen  .......................................................... 144 (3) Praktisch fehlende Vergleichbarkeit der Situationen  ................. 144 (a) Beurteilungsspielräume vor Gericht  .................................. 144 (b) Wirtschaftliche Abhängigkeit  ............................................ 145 (c) Persönliche Beziehung der Vertragsparteien  .................... 145 (4) Schutzbedürfnis des Gestaltungsgegners  .................................. 146 (5) Zwischenergebnis  ...................................................................... 146 gg) Telos  ................................................................................................ 146 hh) Zwischenergebnis  ........................................................................... 147 d) Zwischenergebnis .................................................................................. 148 3. Keine Konsequenzen aus der Unwiderruflichkeit und Bedingungsfeind­ lichkeit von Gestaltungsrechten  .................................................................. 148 4. Keine Konsequenzen aus Besonderheiten der Kündigung hinsichtlich der Mitteilung des Kündigungsgrundes  ............................................................ 149 5. Ergebnis ........................................................................................................ 150 II. Verzicht auf das Kündigungsrecht  ..................................................................... 150

Inhaltsverzeichnis

23

1. Kein konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht durch die erste Kündigungserklärung  .................................................................................. 151 a) Kündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung  ........................... 151 b) Handlungs- und Erklärungsbewusstsein  ................................................ 151 c) Kein entsprechender Geschäftswille  ...................................................... 152 d) Zwischenergebnis .................................................................................. 153 2. Kein konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht durch Rechtsmittel­ verzicht im Vorprozess  ................................................................................ 154 a) Verschiedene Möglichkeiten eines Rechtsmittelverzichts  ..................... 154 b) Kein Verzicht auf das Kündigungsrecht bei Rechtsmittelverzicht durch Schweigen  .............................................................................................. 154 c) Kein Verzicht auf das Kündigungsrecht bei ausdrücklichem Rechts­ mittelverzicht im Vorprozess  ................................................................. 154 d) Zwischenergebnis .................................................................................. 156 3. Kein konkludenter Verzicht durch sonstiges Verhalten im Vorprozess  ..... 156 4. Ergebnis ........................................................................................................ 156 III. Anwendung der Generalklauseln  ....................................................................... 156 1. Zur Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB  .......................................... 157 a) Voraussetzungen .................................................................................... 157 aa) Objektive Voraussetzungen  ............................................................ 157 (1) Begriff der Sittenwidrigkeit  ....................................................... 157 (2) Bezugspunkt Inhalt oder Umstände  .......................................... 158 (3) Zeitpunkt  ................................................................................... 159 bb) Subjektive Voraussetzungen  .......................................................... 160 b) Subsumtion ............................................................................................ 160 aa) Erste Kündigung  ............................................................................. 160 bb) Wiederholungskündigung  .............................................................. 161 (1) Prüfung einer Inhaltssittenwidrigkeit  ........................................ 161 (2) Prüfung einer Umstandssittenwidrigkeit  ................................... 161 (a) Möglichkeit der Differenzierung bezüglich der Trotz­ kündigung  .......................................................................... 162 (b) Prüfung der Trotzkündigung  ............................................. 162 (aa) Möglichkeit unterschiedlicher Motivation des Arbeit­ gebers  ......................................................................... 162 (bb) Inhaltlich untauglicher Kündigungsgrund und Aus­ nutzung einer Machtposition  ..................................... 163 (cc) Bestätigung durch historische Auslegung  ................ 165 (dd) Beweggrund Trennung vom Arbeitnehmer  .............. 166 (ee) Zweck „Korrektur“ der Entscheidung des Vorprozesses  .............................................................. 167 (ff) Ausschlaggebende Gesichtspunkte  ........................... 167 (c) Zwischenergebnis ............................................................... 169

24

Inhaltsverzeichnis c) Zwischenergebnis .................................................................................. 169 2. Zum Verstoß gegen das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB  ...................... 169 3. Zum Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB  ......................... 170 a) Voraussetzungen des § 242 BGB  ........................................................... 171 aa) Struktur des § 242  .......................................................................... 171 bb) Rechtsmissbrauch  ........................................................................... 172 cc) Widersprüchliches Verhalten  ......................................................... 173 b) Anwendung des § 242 BGB  .................................................................. 174 aa) Erste Kündigung  ............................................................................. 174 bb) Möglichkeit der Differenzierung bezüglich der Trotzkündigung  . 174 cc) Rechtsmissbrauch bei der Wiederholungskündigung  ................... 175 (1) Fehlendes Eigeninteresse des Arbeitgebers  ............................... 175 (2) Überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers  ... 176 (3) Art und Weise der Kündigung  ................................................... 177 (4) Rechtsmissbrauch in Einzelfällen  ............................................. 178 (a) Gründe unabhängig von der Wiederholungskündigung  ... 179 (b) Rechtsmissbrauch ab bestimmter Anzahl von Wieder­ holungskündigungen  ......................................................... 179 (5) Zwischenergebnis  ...................................................................... 181 dd) Widersprüchliches Verhalten bei der Wiederholungskündigung  .. 181 (1) Mögliche Anknüpfungspunkte für ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers  ....................................................... 181 (a) Regeln zur Kündigungsbegründung im Kündigungs­ schutzprozess  ..................................................................... 181 (aa) Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers  ......... 181 (bb) Berufungsinstanz als zweite Tatsacheninstanz im Arbeitsgerichtsprozess  .............................................. 183 (cc) Revisionsinstanz als Rechtsinstanz  .......................... 184 (dd) Zwischenergebnis  ...................................................... 185 (b) Schlussfolgerungen für ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers  ................................................................ 185 (2) Abgrenzung zu Verzicht  ............................................................ 186 (3) Zurechenbares Vorverhalten  ...................................................... 186 (4) Vertrauensbegründendes Vorverhalten  ...................................... 186 (a) Wiederholungskündigung vor dem ersten Urteil im Vorprozess  ......................................................................... 187 (b) Trotzkündigung nach rechtskräftigem Urteil im Vorprozess bei Rechtsmittelverzicht des Arbeitgebers  .... 187 (c) Wiederholungskündigung in der Berufungsinstanz  ......... 188 (d) Wiederholungskündigung in der Revisionsinstanz  .......... 189 (aa) Keine Tatsacheninstanz  ............................................. 189

Inhaltsverzeichnis

25

(bb) Detaillierte Betrachtung des Verhaltens des Arbeit­gebers  ......................................................................... 190 (cc) Zwischenergebnis ...................................................... 192 (e) Wiederholungskündigung bei Zurückverweisung  ............ 192 (f) Trotzkündigung nach Ausschöpfung der Rechtsmittel  ..... 193 (aa) Ausgangssituation ...................................................... 193 (bb) Kein Verzicht auf Rechtsschutz durch den Arbeitgeber  ........................................................................... 193 (cc) Keine rechtliche Unsicherheit  ................................... 193 (dd) Kein Vertrauenstatbestand aufgrund der Fürsorge­pflicht des Arbeitgebers  ............................................ 193 (ee) Zum Rechtsfrieden und zur Rechtssicherheit  ........... 194 (ff) Entscheidung des Arbeitgebers für rechtlich ver­ bindliches Verfahren  ................................................. 194 (gg) Zu Jauernig und Hess  ................................................ 195 (hh) Entkräftung möglicher Gegenargumente  ................. 195 (ii) Zwischenergebnis ...................................................... 195 (g) Zwischenergebnis  ............................................................... 195 (5) Interessenabwägung und Vertrauensdispositionen  .................... 196 (a) Kriterien und Ausgangspunkt weiterer Überlegungen  ..... 196 (b) Vertrauensdisposition mit Unterlassen einer Feststellungs­ klage  ................................................................................... 197 (c) Vertrauen in harmonischen Fortbestand des Arbeits­ verhältnisses  ...................................................................... 198 (d) Ergebniskontrolle  ............................................................... 199 (e) Zwischenergebnis ............................................................... 200 (6) Zum Gleichbehandlungsargument des BAG  ............................. 200 (7) Einordnung der neuen Lösung in den Meinungsstand  .............. 201 c) Zwischenergebnis .................................................................................. 202 4. Ergebnis ........................................................................................................ 202 IV. Zusammenfassung .............................................................................................. 202 § 8 Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung  ................................ 203 I. Einleitung  ........................................................................................................... 203 1. Relevanz des Kapitels  .................................................................................. 203 2. Offene Fragen  ............................................................................................... 204 3. Methodik und Struktur dieses Kapitels  ...................................................... 205 II. Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess  ................................................ 205 1. Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff  .............................................................................. 206 a) Antrag .................................................................................................... 206 aa) Auslegung des § 4 Satz 1 KSchG  ................................................... 206

26

Inhaltsverzeichnis (1) Wortlaut  ..................................................................................... 206 (2) Systematik  ................................................................................. 207 (3) Entstehungsgeschichte  ............................................................... 207 (4) Telos  .......................................................................................... 207 bb) Argumentation vom Ergebnis  ........................................................ 208 cc) Zwischenergebnis ........................................................................... 209 b) Lebenssachverhalt .................................................................................. 209 c) Anmerkung zur Argumentation mit dem punktuellen Streitgegenstand  . 210 d) Zwischenergebnis .................................................................................. 210 2. Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess nach anderen Streitgegenstandsbegriffen  ............................................................................................ 211 3. Ergebnis ........................................................................................................ 212 III. Rechtskraft .......................................................................................................... 212 1. Notwendigkeit einer erweiterten Rechtskraft  ............................................. 212 2. Auswahl des zu prüfenden konstruktiven Lösungswegs  ........................... 213 3. Teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO  ......................................... 214 a) Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion und Anmerkung zum weiteren Vorgehen  .................................................................................. 214 b) Weiter Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO  .................................................. 215 c) Entstehungsgeschichte des § 322 Abs. 1 ZPO  ....................................... 216 aa) Rechtslage vor Inkrafttreten der Zivilprozessordnung  ................. 216 bb) Gesetzgebungsverfahren  ................................................................ 217 cc) Schlussfolgerungen für die Reichweite der Rechtskraft  ............... 217 dd) Zwischenergebnis  ........................................................................... 218 d) Gesetzessystematik ................................................................................ 218 aa) § 256 Abs. 2 ZPO  ............................................................................ 218 (1) Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO  .................................... 218 (2) Zwecke und nicht abschließender Charakter des § 256 Abs. 2 ZPO  ........................................................................................... 219 (3) Abschließender Charakter bei der Kündigungsschutzklage im Hinblick auf die Wiederholungskündigung  .............................. 221 (a) Kein ausreichender Schutz des Arbeitnehmers bei einer Trotzkündigung  ................................................................. 222 (b) Kein ausreichender Schutz des Arbeitnehmers bei einer Wiederholungskündigung im engeren Sinne  ................... 222 (aa) Vorrang der Kündigungsschutzklage für zweite Kündigung  ................................................................. 222 (bb) Kein „wirkungsvoller“ Rechtsschutz ohne Rechts­ krafterweiterung  ........................................................ 223 (4) Zwischenergebnis  ...................................................................... 224 bb) § 322 Abs. 2 ZPO  ............................................................................ 225 cc) Präklusion ....................................................................................... 226

Inhaltsverzeichnis

27

e) Zwischenergebnis und weiterer Gang der Untersuchung  ...................... 226 f) Vermeidung überraschender Bindung als Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO  . 227 aa) Herleitung ....................................................................................... 227 bb) Situation bei der Kündigungsschutzklage  ..................................... 228 (1) Punktueller Streitgegenstand  ..................................................... 228 (2) Gestaltungsgegenklage  .............................................................. 229 (a) Vergleichbare Situation  ...................................................... 229 (b) Entgegenstehende bewusste Differenzierung des Gesetz­ gebers?  ............................................................................... 230 (c) Zwischenergebnis ............................................................... 231 (3) Keine „Verstärkung geschehenen Unrechts“  ............................. 231 cc) Zwischenergebnis ........................................................................... 233 g) Rechtsfrieden und Rechtssicherheit als Zwecke der Rechtskraft  .......... 233 aa) Gefährdung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit durch Erklärung einer Wiederholungskündigung  ................................... 234 bb) Keine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses in § 322  Abs. 1 ZPO  ...................................................................................... 234 cc) Zwischenergebnis ........................................................................... 235 h) Gesetzesimmanentes Prinzip der Gleichbehandlung im Prozess  .......... 235 aa) Herleitung ....................................................................................... 236 bb) Prozessuale Ungleichbehandlung von Arbeitgeber und Arbeit­nehmer  ............................................................................................. 236 (1) Keine erneute Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers  ...... 236 (2) Keine Feststellungsklage des Arbeitnehmers  ............................ 237 (3) Wiederholungskündigung des Arbeitgebers  .............................. 237 (4) Ungleichbehandlung  .................................................................. 238 cc) Schlussfolgerungen für teleologische Reduktion  .......................... 238 dd) Zwischenergebnis  ........................................................................... 239 i) Prozessökonomie  ................................................................................... 239 j) Besserstellung des Arbeitnehmers  ......................................................... 240 aa) Situation des Arbeitnehmers ohne teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO  ............................................................................ 241 bb) Situation des Arbeitnehmers mit teleologischer Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO  ............................................................................ 241 cc) Vergleich ......................................................................................... 242 dd) Zwischenergebnis  ........................................................................... 242 k) Zwischenergebnis .................................................................................. 242 4. Präjudizialität als „Rechtsfolge“ und Wirkung der Rechtskraft  ................ 242 5. Anmerkung zur Rechtsprechung des BAG und Einordnung in das Meinungsspektrum  ...................................................................................... 244 a) Zur teleologischen Reduktion und Reichweite der Rechtskraft  ............ 244 b) Zur Präjudizialität und Wirkungsweise der Rechtskraft  ........................ 245

28

Inhaltsverzeichnis c) Abgrenzung zur Präklusion bei identischen Streitgegenständen  ........... 245 d) Zwischenergebnis .................................................................................. 246 6. Ergebnis ........................................................................................................ 246 IV. Konsequenzen für Entscheidung über Wiederholungskündigung ohne Urteil im Vorprozess zur ersten Kündigung  ................................................................ 247 1. Keine Lösung mit teleologischer Reduktion und Präjudizialität  ............... 247 2. Bindung an Entscheidung zur ersten Kündigung  ....................................... 247 a) Keine Bindung durch Zwischenurteil gemäß § 318 ZPO  ...................... 248 b) Bindung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG  .......................................................... 248 3. Ergebnis ........................................................................................................ 249 V. Zusammenfassung .............................................................................................. 249 Teil 4

Gesamtergebnis  251 Literaturverzeichnis  ....................................................................................................... 254 Sachwortverzeichnis  ....................................................................................................... 268

Teil 1

Einleitung und Überblick Teil 1: Einleitung und Überblick

§ 1  Einleitung I.  Relevanz und Abgrenzung Das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers kann durch mehrere Kündigungen des Arbeitgebers beendet werden. Beruhen diese Kündigungen auf demselben zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, also auf demselben „Kündigungsgrund“, spricht man von einer „Wiederholungskündigung“1, andernfalls von einer „Folgekündigung“2. Je nachdem, wie viel Zeit zwischen den einzelnen Kündigungen verstrichen ist, werden mehrere Kündigungen unter Umständen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit relevant3. Die Geschäftsverteilungspläne der Arbeitsgerichte beinhalten sogar spezielle Zuständigkeitsregelungen für diese Fälle4, was ein Indiz für die praktische Relevanz des Problems ist. Die Situationen, in denen mehrere Kündigungen in einem Kündigungsschutzprozess relevant werden können, lassen sich anhand verschiedener Kriterien in Fallgruppen einordnen. Dabei ist erstens danach zu differenzieren, ob die Folgekündigung aus demselben Grund wie die erste erklärt wird. „Kündigungsgrund“ meint dabei nicht die Kündigungsgründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG (personen-, verhaltens-, betriebsbedingte Kündigung), sondern den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, der zur Begründung der Kündigung vorgetragen wird, den Kündigungssachverhalt5. Zweitens ist danach zu unterscheiden, ob bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Drittens hat im Fall eines rechtskräftigen Urteils

1  Vgl. BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 12; BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003; Ls. 1; BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, Ls. 1, 2; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 363; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 77 f.; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 163/164. 2  Vgl. MüArbR-Berkowsky, § 127 Rn. 10; ErfK-Kiel, § 4 KSchG Rn. 31. 3  Vgl. z.B. aus der jüngeren Rspr. BAG 17. 11. 2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250: in eineinhalb Jahren 12 Kündigungen, zusätzlich zwei hilfsweise fristgemäß erklärte; HK-ArbRSchmitt, § 4 KSchG Rn. 23. 4  Vgl. z.B. Geschäftsverteilungsplan des Arbeitsgerichts Hamburg für 2017, Ziff. 3.4.; Geschäftsverteilungsplan des Arbeitsgerichts Frankfurt für 2017, Ziff. C.V.; Geschäftsverteilungsplan des Arbeitsgerichts Kiel für 2017, Ziff. B. 5 Ebenfalls wohl in dieser Weise differenzierend: BeckOK ArbR-Rolfs, § 1 KSchG Rn. 90; APS-Vossen, § 1 KSchG Rn. 84.

Teil 1: Einleitung und Überblick

30

eine Differenzierung dahingehend zu erfolgen, ob über die zeitlich frühere oder die zeitlich spätere Kündigung entschieden worden ist. In der vorliegenden Arbeit wird die Konstellation genauer untersucht, in welcher der Arbeitgeber zwei Kündigungen aus demselben Grund ausspricht und nun ein Kündigungsschutzprozess über die zweite Kündigung, die Wiederholungskündigung geführt wird. Auf den ersten Blick mag man denken, dass ein Arbeitgeber nur aus Schikane wiederholt kündigt, sodass die Wiederholungskündigung allein ein theoretisches Problem ist6. Allerdings kann es durchaus vorkommen, dass der Arbeitgeber eine Wiederholungskündigung deshalb ausspricht, weil er annimmt, dass sich die Beweislage hinsichtlich des ersten Kündigungsgrundes verbessert hat7, er die Hoffnung hat, sein Vortrag werde in einem Folgeprozess schlüssiger sein oder eine andere Kammer des Arbeitsgerichts werde die Kündigung anders bewerten8. Ebenso gibt es Fälle, in denen der Arbeitgeber nur die Wirksamkeit der Kündigung überhaupt herstellen will, etwa wenn nicht sicher feststeht, dass die erste Kündigung zugegangen ist9. Dies erhöht die Praxisrelevanz der Wiederholungskündigung erheblich. Darüber hinaus beschäftigt sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) häufig mit der Wiederholungskündigung, lediglich um im Ergebnis festzustellen, dass keine solche vorliegt10. Auch die Instanzgerichte müssen sich regelmäßig mit dem Thema der Wiederholungskündigung befassen, weil je nachdem, ob eine Wiederholungskündigung erklärt wurde oder nicht, eine andere Vorgehensweise geboten ist. Die Problematik der Wiederholungskündigung ist daher sehr praxisrelevant.

II.  Ausgangslage, Terminologie und Ziele Die ganz herrschende Meinung geht von einer „Unzulässigkeit“11 oder einem „Verbot“12 der Wiederholungskündigung aus. Grund hierfür ist, dass über eine Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 13; Güntner, AuR 1962, 257, 259. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70; M. Schwab, RdA 2013, 357, 362. 8  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72. 9  Mues/Eisenbeis/Laber, Teil 1 Rn. 401. 10  Siehe nur BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 29; BAG 06. 09. 2012 – 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441, Tz. 14; BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628, Tz. 18; BAG 06. 07. 2006 – 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266, Tz. 25; BAG 18. 05. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272, Tz. 11, 12; BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 255/02, NZA 2003, 1086. 11  Vgl. z.B. BAG 20. 03. 2014 ‒ 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 12; BAG 26. 11. 2009 ‒ 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628, Ls. 1; BAG 06. 07. 2006 ‒ 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266, Tz. 12; BAG 22. 05. 2003 ‒ 2 AZR 255/02, NZA 2003, 1086, Ls. 2; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 363; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 78. 12  Vgl. z.B. BAG 20. 12. 2012 ‒ 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 2; BAG 26. 11. 2009 ‒ 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628, Tz. 19; BAG 12. 02. 2004 ‒ 2 AZR 307/03, AP KSchG 6 So 7 

§ 1  Einleitung

31

Wiederholungskündigung häufig gestritten wird, nachdem der Kündigungsgrund der ersten Kündigung bereits rechtskräftig verneint wurde. Eine erfolgreiche Kündigung aus demselben Grund soll vermieden werden13, ist jedoch möglich, soweit der Richter in einem weiteren Prozess in seiner Entscheidung frei ist und einen Kündigungsgrund bejahen kann. Der Begriff der „Unzulässigkeit“ der Wiederholungskündigung hat sich dabei etabliert; sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur verwenden ihn. In dieser Arbeit wird er deshalb ebenfalls zugrunde gelegt. Allerdings ist hervorzuheben, dass diese Unzulässigkeit untechnisch und weit zu verstehen ist. Die Unzulässigkeit ist dabei insbesondere nicht unbedingt ein materieller Unwirksamkeitsgrund, etwa neben Kündigungsverboten der § 15 Abs. 1 KSchG, § 9 Abs. 3 MuSchG, § 18 BEEG, § 22 Abs. 2 BBiG, §§ 85, 91 SGB IX, § 613a Abs. 4 oder § 612 BGB. Stattdessen geht es einzig darum, Lösungen für die Wiederholungskündigung zu entwickeln, die im Ergebnis zu einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers führen. Das Ergebnis, die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung, ist allgemein anerkannt; die Begründungen hierfür variieren aber erheblich. Im Grundsatz ist zwischen zwei Ansätzen zu unterscheiden. Die erste Möglichkeit ist eine materiellrechtliche Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung. Wichtigste Begründung ist hierbei ein „Verbrauch“ des Kündigungsrechts als Gestaltungsrecht14. Die zweite Begründung für die Unzulässigkeit einer Wiederholungskündigung verfolgt einen prozessrechtlichen Ansatz. Ausgangspunkt hierbei ist, dass sich die Rechtskraft eines Urteils im Kündigungsschutzprozess, entsprechend dem aus § 322 Abs. 1 ZPO folgenden zivilprozessualen Grundsatz, nicht auf die Entscheidungsgründe zum vorgetragenen Kündigungsgrund erstreckt15, also der Würdigung, ob ein bestimmter Lebenssachverhalt eine Kündigung materiell begründen kann16. Anknüpfungspunkt der prozessualen Lösung ist, dass sich die Rechtskraft des einer Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteils ausnahmsweise auch auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund erstreckt, sodass das Gericht im Prozess um die Wiederholungskündigung hieran gebunden 1969 § 1 Nr. 75, Ls. 3; BAG 22. 05. 2003 ‒ 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043, 1045; BAG 26. 08. 1993 ‒ 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 163/164. 13  So ausdrücklich BAG 12. 02. 2004 ‒ 2 AZR 307/03, AP KSchG 1969 §  1 Nr. 75, B.II.2.c)ee). 14  Grundlegend hierzu Bötticher, Gestaltungsrechte und Unterwerfung (1964), S. 6. 15  H.M., vgl. nur BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/99, NJW 2003, 3058, 3059; BGH 17. 02. 1983 – 184/81, NJW 1983, 2032, 2033; BAG 20. 12. 2012 ‒ 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 23 f.; BeckOK ZPO-Gruber, § 322 Rn. 27; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 16; Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 23; Schellhammer, Rn. 846; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 30; Zeiss/Schreiber, Rn. 572; Zimmermann, § 322 ZPO Rn. 22; a.A.: insb. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, VI (1847), S. 350 ff.; Götz, JZ 1959, 681, 685; Grunsky, ZZP 76 (1963), 165, 175 ff. 16  Vgl. BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 27.

32

Teil 1: Einleitung und Überblick

ist. Die zentralen Probleme sind dabei neben dem Streitgegenstand insbesondere die Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess. Diese Themen werden im Arbeitsrecht17 seit Inkrafttreten des Kündigungsschutzgesetzes 1951 auch generell kontrovers diskutiert18. Das Thema dieser Untersuchung ist folglich auch dogmatisch interessant. Zur Wiederholungskündigung gibt es umfangreiche Literatur. In den 1950erund 1960er-Jahren wurde das Thema ausführlich diskutiert19. Am 26. August 1993 fällte das BAG eine Grundsatzentscheidung zur Wiederholungskündigung, in der es die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung sowohl materiellrechtlich mit dem „Verbrauch“ des Kündigungsrechts als auch prozessrechtlich mit einer „Präjudizialität“ der Entscheidung des Vorprozesses begründete20. Von dem materiellrechtlichen Verbrauch hat das BAG erst am 20. Dezember 2012 Abstand genommen, da ein „Verbrauch“ eines Gestaltungsrechts nur bei dessen wirksamer Ausübung eintreten könne21. Prozessrechtlich begründete das BAG die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung mit einer „Präklusionswirkung“ der Entscheidung des Vorprozesses22. Die Literatur übernahm die Argumentationen der Leitentscheidung des BAG aus dem Jahr 1993 weitgehend kritiklos23 und ist auf die Rechtsprechungsänderung aus dem Jahr 2012 bisher kaum eingegangen 24. 17  Das gleiche gilt für das allgemeine Zivilprozessrecht, vgl. Thomas/Putzo-Reichold, Einl. II Rn. 3 (zum Streitgegenstand). 18  Boewer, RdA 2001, 380, 385; Weth/Kerwer, SAE 1995, 295. 19  Vgl. insb.: Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181 ff.; Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41 ff.; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964); Bruns, ZZP 78 (1965), 264 ff.; W. Habscheid, RdA 1958, 95 ff.; Lüke, JZ 1960, 203 ff.; Lüke, NJW 1961, 1390 f.; Nikisch, DB 1956, 1133 f.; Zeuner, MDR 1956, 257 ff.; Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge. 20  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70. 21  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 28. 22  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 3, Tz. 26. 23 MüArbR-Berkowsky, § 127 Rn. 39; AR-Fischermeier, § 626 BGB Rn. 255; HaKo-Gallner/Denecke, § 1 KSchG Rn. 640; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 169 f.; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 363; MüKo BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn. 80; v. Hoyningen-Huene/Linck-Linck, § 4 KSchG Rn. 140; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38; Mues/Eisenbeis/Laber, Teil 1 Rn. 406; HWK-Quecke, § 4 KSchG Rn. 48; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rn. 318; GMP-Prütting, Einleitung, Rn. 206; Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 630; HK-ArbR-Schmitt, § 4 KSchG Rn. 23; BeckOK ArbR-Stoffels, § 626 BGB Rn. 219; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 165; siehe hierzu noch ausführlich: § 5.III.2.d)aa). 24  Einzige ersichtliche Ausnahmen: AR-Fischermeier, § 626 BGB Rn. 255; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 327 (die jedoch weiter die proz. Terminologie der Leitentscheidung verwenden); HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 170; BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 77; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38 (der jedoch auch noch die proz. Terminologie der Leit­ ent­scheidung verwendet); SPV-Vossen, Rn. 2046a. ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 78 und HWK-Quecke, § 4 KSchG Rn. 48 zitieren zwar das Urteil vom 20. 12. 2012, argumentieren jedoch trotzdem mit einem „Verbrauch“).

§ 1  Einleitung

33

Rechtsprechung und Literatur thematisieren die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung seit Jahrzehnten, ohne dass es auch nur im Ansatz eine einheitliche Begründung gibt. Das Meinungsspektrum ist daher kaum zu überblicken, sowohl was das konkrete Problem der Wiederholungskündigung betrifft als auch abstrakt die Besonderheiten von Gestaltungsrechten sowie Streitgegenstand und Rechtskraft. Vor dem Hintergrund dieses weiten Meinungsspektrums werden zwei Hypothesen aufgestellt: Erstens werden bei der Diskussion um die Wiederholungskündigung allgemeine Regeln vernachlässigt, einerseits diejenigen des Bürgerlichen Rechts zum Kündigungsrecht als Gestaltungsrecht, andererseits des Zivilprozess­ rechts25 zum Streitgegenstand und zur Rechtskraft26. Zweitens wird methodisch nicht immer sauber gearbeitet. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, jene Meinungen zusammenzufassen, zu systematisieren und Zusammenhänge herauszuarbeiten. Auf dieser Grundlage wird versucht, die Wiederholungskündigung dogmatisch überzeugenden und methodengerechten Lösungen zuzuführen. Bei der Behandlung mehrerer Kündigungen im Kündigungsschutzprozess kollidieren die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Auf der einen Seite ist unter Umständen der Arbeitgeber schutzwürdig, beispielsweise, wenn nach Ansicht des Arbeitgebers tatsächlich ein neuer Kündigungsgrund, mithin keine Wiederholungskündigung vorliegt und der Arbeitgeber daher ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat oder er mit der zweiten Kündigung lediglich formelle Fehler der ersten Kündigung korrigieren möchte27. Auf der anderen Seite kann jedoch auch der Arbeitnehmer schutzbedürftig sein, etwa wenn eine weitere Kündigung aus reiner Schikane ausgesprochen wird. Es lässt sich insofern nicht ohne Weiteres eine richtige Lösung für die Wiederholungskündigung finden. Stattdessen sind Differenzierungen geboten. Ziel dieser Arbeit ist es, hierfür interessengerechte Lösungen zu finden. Die Arbeit beschränkt sich dabei der Übersichtlichkeit halber unmittelbar auf die Behandlung von nur zwei Kündigungen sowie Beendigungskündigungen. Allerdings ergeben sich für mehrere Kündigungen und Änderungskündigungen im Sinne des § 2 KSchG keine Unterschiede28. Das zentrale Problem im Zusammenhang mit der Wiederholungskündigung ist die Wiederholung des Kündigungsgrun25  Nota bene: Hinsichtlich des Zivilprozessrechts ist dies besonders bemerkenswert, da umgekehrt ursprünglich das Arbeitsrecht das allgemeine Zivilprozessrecht entscheidend beeinflusst hat, vgl. Herschel, BB 1951, 61. 26  Vgl. für die prozessuale Kritik bereits W. Habscheid, RdA 1958, 46 sowie aus jüngerer Zeit GMP-Prütting, Einleitung Rn. 196. 27  Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. 28  Vgl. BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, BAG 18. 5. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272, wo das BAG genau wie bei Beendigungskündigungen aus demselben Grund mit einer „Präklusionswirkung“ der früheren Entscheidung bzw. mit einem „Verbrauch“ und Präjudizität argumentiert.

34

Teil 1: Einleitung und Überblick

des. Bei drei oder mehr Beendigungskündigungen und bei Änderungskündigungen aus demselben Grund ist das Problem identisch, da jeweils der mutmaßliche Kündigungsgrund wiederholt wird. Es ist dabei unerheblich, wie oft der Grund wiederholt wird und ob der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen anbietet. Ferner werden nur Inlandsfälle thematisiert29. Darüber hinaus wird, soweit relevant, die Anwendbarkeit des Ersten Abschnittes des Kündigungsschutzgesetzes gemäß § 23 Abs. 1 KSchG unterstellt, insbesondere des § 1 Abs. 2 KSchG mit seiner Voraussetzung der sozialen Rechtfertigung und folglich eines Kündigungsgrundes. Auf Kleinbetriebe im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG lassen sich die Ergebnisse dieser Arbeit nicht übertragen. Eine Kündigung im Kleinbetrieb setzt gerade keinen Kündigungsgrund voraus30, welcher das entscheidende Problem bei der Wiederholungskündigung ist.

III.  Gang der Untersuchung Die Arbeit beginnt mit einer Zusammenfassung der soeben bereits erwähnten Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzprozess (§ 2). Es folgt der erste Hauptteil dieser Arbeit, eine ausführliche Darstellung der Meinungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung. Zunächst wird die Rechtsprechung des BAG zur Wiederholungskündigung behandelt, um deren Entwicklung und vor allem die Uneinheitlichkeit aufzuzeigen (§ 3). In den folgenden Kapiteln wird auf die materiellrechtlichen (§ 4) und prozessrechtlichen Lösungen (§ 5) zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung eingegangen. Ein weiteres Kapitel widmet sich den Meinungen zu den Anforderungen an das Verhalten des Arbeitnehmers, zum Beispiel ob er auch eine Wiederholungskündigung mit einer Kündigungsschutzklage angreifen muss (§ 6). Hierauf aufbauend folgt der zweite Hauptteil, in welchem das Kündigungsrecht umfassend materiellrechtlich (§ 7) und prozessrechtlich (§ 8) im Hinblick auf die Wiederholungskündigung untersucht wird. Im letzten Teil werden die Ergebnisse der Untersuchung abschließend zusammengefasst.

29  Zu Auslandsfällen siehe insb. Becker, AcP 188 (1988), 24 ff.: Fälle mit Auslandsbezug sind wohl unproblematisch. Denn die Probleme der Wiederholungskündigung hängen im Wesentlichen mit dem deutschen Zivilprozessrecht zusammen. Ist dies nicht anwendbar, stellen sich diese Probleme im Zweifel nicht. 30  Vgl. BAG 24. 01. 2008 – 6 AZR 96/07, NZA-RR 2008, 404 Tz. 33; BAG 06. 02. 2003 – 2 AZR 672/01, NZA 2003, 717, 718; APS-Biebl, § 13 KSchG Rn. 58; MüKo BGB-Hergenröder, § 13 KSchG Rn. 60; v. Hoyningen-Huene/Linck-v. Hoyningen-Huene, § 13 KSchG Rn. 85 ff.; Preis, NZA 1997, 1257, 1267; a.A.: Kittner, NZA 1998, 731, 733.

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

35

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit Dieses Kapitel soll einen Überblick darüber geben, in welchen verschiedenen Konstellationen mehrere Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit relevant werden können. Insbesondere wird erläutert, was eine Wiederholungskündigung ist. Zunächst werden Differenzierungskriterien, die bereits in der Einleitung (§ 1) angedeutet wurden, erarbeitet (I.). Anschließend erfolgt eine Abgrenzung von „echten Wiederholungskündigungen“, die in dieser Arbeit thematisiert werden, zu anderen Folgekündigungen, „unechten Wiederholungskündigungen“ (II.). Zentrale Frage dabei ist, wann derselbe Kündigungsgrund vorliegt. Die Unterscheidung zwischen „echten“ und „unechten“ Wiederholungskündigungen wird mit Beispielen aus der Rechtsprechung31 veranschaulicht. Sie ermöglicht eine Eingrenzung auf die für die vorliegende Arbeit relevanten Fallkonstellationen und ist daher für das Verständnis dieser Arbeit unerlässlich. Hierauf aufbauend werden die verschiedenen Fallgruppen der echten (III.) und unechten (IV.) Wiederholungskündigung zusammengefasst, um einen Überblick zu geben, in welchen Situationen mehrere Kündigungen im Kündigungsschutzrechtsstreit zusammentreffen können und welche zentralen juristischen Probleme dabei auftreten. Das Kapitel schließt mit Schlussfolgerungen für das weitere Vorgehen (V.).

I.  Differenzierungskriterien Mehrere Kündigungen können in verschiedenen Konstellationen ausgesprochen werden32. Dabei ist erstens danach zu unterscheiden, ob der Arbeitgeber aus demselben Grund oder aus verschiedenen Gründen kündigt. „Grund“ bedeutet dabei, wie bereits in der Einleitung (§ 1) erwähnt, nicht einen Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG (personen-, verhaltens-, betriebsbedingt), sondern konkret den der Kündigung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, welcher die Kündigung materiell rechtfertigen soll. Der erste Fall ‒ Kündigung aus demselben Grund ‒ wird in dieser Arbeit als „echte Wiederholungskündigung“ oder „Wiederholungskündigung“ bezeichnet, der zweite Fall ‒ Kündigung aus einem anderen Grund ‒ als „unechte Wiederholungskündigung“. Zweitens ist dahingehend zu differenzieren, ob bereits eine rechtskräftige Entscheidung zur ersten, zur zweiten oder zu keiner der beiden Kündigungen vorliegt. Drittens ist eine Unterscheidung danach vorzunehmen, über welche Kündigung im laufenden Kündigungsschutzprozess gestritten wird.

31  Hierfür werden insbesondere die wichtigsten Urteile zur Wiederholungskündigung herangezogen, die noch ausführlich unter § 3 dargestellt werden. 32  Siehe hierzu bereits: § 1.I.

36

Teil 1: Einleitung und Überblick

II.  Abgrenzung von echter und unechter Wiederholungskündigung nach der Rechtsprechung des BAG Bevor die einzelnen Fallgruppen der echten und unechten Wiederholungskündigung dargestellt werden können, ist das erste Differenzierungskriterium genauer zu untersuchen. Es ist herauszuarbeiten, wann genau eine echte und wann eine unechte Wiederholungskündigung vorliegt, mithin, wann derselbe Kündigungsgrund gegeben ist und wann nicht. Die Rechtsprechung hat anhand von Fallgruppen Kriterien für diese Unterscheidung aufgestellt. Danach liegt keine Wiederholungskündigung vor, wenn der Arbeitgeber einen anderen Kündigungsgrund geltend macht, sich der Sachverhalt wesentlich geändert hat, er fristgerecht statt fristlos kündigen will oder die erste Kündigung aus formellen Gründen unwirksam war33. Diese Kriterien hat die herrschende Meinung in der Literatur übernommen34. Sie werden auch in dieser Arbeit als Ausgangspunkt zugrunde gelegt. Allerdings ist die negative Abgrenzung des BAG mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, weil das Gericht lediglich darauf eingeht, wann der Arbeitgeber keine Wiederholungskündigung erklärt. Das BAG definiert weder positiv, was derselbe Kündigungsgrund oder derselbe Sachverhalt, mithin eine Wiederholungskündigung ist, noch erläutert es seine negative Abgrenzung genauer, also unter welchen Voraussetzungen ein anderer Kündigungsgrund oder ein wesentlich anderer Sachverhalt vorliegt. Die abstrakte Formel der Rechtsprechung, dass sich der Sachverhalt „wesentlich geändert“ haben muss, liefert keinen praktikablen Maßstab. Die vom BAG hierzu entschiedenen Fälle sind letztendlich nur Einzelfälle und bieten kaum Rechtssicherheit bei der Beurteilung, ob eine Wiederholungskündigung gegeben ist. Folglich gibt es bislang keine Definition der Wiederholungskündigung. Die Frage nach dem Vorliegen einer Wiederholungskündigung ist jedoch ganz entscheidend, sowohl für die dogmatische Untersuchung der vorliegenden Arbeit als auch für die in der Praxis weitreichenden Konsequenzen der „Unzulässigkeit“ der Wiederholungskündigung. Im Folgenden wird untersucht, was genau eine Wiederholungskündigung ist und eine exaktere Abgrenzung angestrebt. Erst danach kann auf die weiteren Differenzierungskriterien ‒ Existenz einer rechtskräftigen Entscheidung und die Frage, über welche Kündigung zu entscheiden ist – sowie die daraus resultierenden Fallgruppen eingegangen werden (III., IV.). 33  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 13 (nur zu anderem Sachverhalt und Unwirksamkeit aus formellen Gründen); BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628, Tz. 19; BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/03, NJOZ 2004, 1043, nichtamtl. Os. 2, 1045; BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71, 72. 34  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 11; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 329; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 363; BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 77; SchaubLinck, § 138 Rn. 38; Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 226; Mues/Eisenbeis/Laber, Teil 1 Rn. 408; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 78; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 163/164.

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

37

1.  Derselbe Kündigungsgrund im Sinne einer echten Wiederholungskündigung a)  Kriterien aa)  Maßgeblichkeit der Entscheidungsgründe und des Vortrags des Arbeitgebers Aus der negativen Abgrenzung des BAG lässt sich entnehmen, dass eine Wiederholungskündigung ausgesprochen wurde, wenn der Kündigungsgrund gleich geblieben ist und sich der Sachverhalt nicht wesentlich geändert hat. Die beiden Kriterien bedeuten dasselbe. Das Schrifttum hat diese Redundanz teilweise erkannt35. Auch das BAG ist in einem seiner jüngeren Urteile zur Wiederholungskündigung nur auf die wesentliche Änderung des Sachverhalts eingegangen36, was zeigt, dass es dem „anderen Kündigungsgrund“ keine zusätzliche Bedeutung beimisst und stattdessen von einem identischen Sinngehalt ausgeht. Folglich erklärt der Arbeitgeber eine Wiederholungskündigung, wenn der Sachverhalt, auf welchen er die zweite Kündigung stützt, derselbe ist, wie derjenige, welcher der ersten Kündigung zugrunde lag. Doch was genau ist „derselbe“ Kündigungsgrund, mithin eine Wiederholungskündigung? Entscheidend ist die folgende Besonderheit: Der Arbeitgeber muss den Grund für die Kündigung nicht bereits in der Kündigungserklärung angeben37, sondern praktisch erst im Prozess vortragen38. Der Kündigungsgrund wird im Kündigungsschutzprozess überhaupt erst definiert. Der Sachverhalt, auf welchen der Arbeitgeber seine Kündigung stützt, lässt sich deshalb den Urteilsgründen zur ersten Kündigung entnehmen39. Ein solches Urteil liegt, wenn nicht bereits bei der Erklärung, spätestens bei der Entscheidung über die Wiederholungskündigung in der Regel vor und ist ferner rechtskräftig. Dass sich der Kündigungsgrund grundsätzlich aus den Entscheidungsgründen zur ersten Kündigung ergibt, entspricht im Übrigen

35  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 11; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 328 f.; Lingemann, Anm. BAG 20. 03. 2014 ‒ 2 AZR 840/12, ArbRAktuell 2014, 464 und ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 78 gehen z.B. nur auf die (wesentliche) Änderung des Sachverhalts ein; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 363 erkennt überzeugend, dass eine wesentliche Änderung des Sachverhalts zu einem neuen Kündigungsgrund führt. 36  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 13. 37  BAG 16. 09. 2004 ‒ 2 AZR 447/03, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 44, Os. 1; BAG 21. 03. 1959 – 2 AZR 375/56, NJW 1959, 1844; BeckOK ArbR-Hesse, § 620 BGB Rn. 36; v. Hoyningen-Huene/Linck-Krause, § 1 KSchG Rn. 272; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 66; Grobys-Panzer-SWK-Powietzka, Kündigungserklärung Rn. 12; APS-Preis, Grundlagen D. Rn. 23; MüArbR-Wank, § 96 Rn. 18. 38  Siehe hierzu noch ausführlich: § 7.III.3.b)dd)(1)(a). 39  Vgl. hierzu auch: Merten, FD-ArbR 2013, 348011.

38

Teil 1: Einleitung und Überblick

dem Zweck des Verbots der Wiederholungskündigung, sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden40. Sollte es ausnahmsweise noch kein rechtskräftiges Urteil zur ersten Kündigung geben, ist der Tatsachenvortrag des Arbeitgebers zum angeblichen ersten Kündigungsgrund maßgeblich. bb)  Abgrenzung zur Ergänzung des Vortrags Wenn der Vortrag des Arbeitgebers zur späteren Kündigung identisch mit demjenigen zur früheren Kündigung ist, bereitet es keine Schwierigkeiten, zu entscheiden, dass der Arbeitgeber eine Wiederholungskündigung erklärt hat. Komplizierter ist es, wenn er andere Tatsachen vorträgt. Solche anderen Tatsachen können einerseits einen neuen Kündigungssachverhalt betreffen und gegen eine Wiederholungskündigung, mithin für eine „unechte Wiederholungskündigung“ sprechen. Andererseits können sie sich auch auf den alten Kündigungssachverhalt beziehen und diesen lediglich ergänzen. Dann wäre der Kündigungsgrund derselbe und der Arbeitgeber würde nur den bisherigen Vortrag zur ersten Kündigung nachbessern, diesen jedoch für eine weitere Kündigungserklärung verwenden41, mithin eine („echte“) Wiederholungskündigung erklären. Praktisch ist die Abgrenzung eines neuen Vortrags zur Ergänzung des bisherigen Vortrags häufig ausschlaggebend für die Frage, ob eine Wiederholungskündigung erklärt wurde42 und somit auch für den Erfolg der Kündigung. Nach alledem verwendet der Arbeitgeber denselben Kündigungsgrund und erklärt somit eine Wiederholungskündigung, wenn der Sachverhalt, auf welchen sich sein Vortrag im Prozess bezieht, mit demjenigen identisch ist, welchen er bereits der ersten Kündigung zugrunde legte. Das lässt sich regelmäßig mithilfe der Entscheidungsgründe zur ersten Kündigung ermitteln. b)  Beispiele aus der Rechtsprechung Die folgende Darstellung einiger Beispiele aus der Rechtsprechung soll die Anwendung der soeben erläuterten Abgrenzungskriterien illustrieren. aa)  Verhaltensbedingte Kündigung Nach Auffassung des BAG ist es beispielsweise derselbe Kündigungsgrund, wenn der Arbeitgeber zunächst aus einem bestimmten Grund verhaltensbedingt 40  So ausdrücklich: BAG 12. 02. 2004 ‒ 2 AZR 307/03, AP KSchG 1969 §  1 Nr. 75 B.II.2.c)ee). 41  So ausdrücklich: LAG Hamm 05. 04. 2005 – 19 Sa 1/05, BeckRS 2005, 42566; vgl. ferner: Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 233. 42  Siehe nur: BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043; BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70.

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

39

kündigt, anschließend eine zweite Kündigung ausspricht und diese mit einem versuchten Prozessbetrug im Kündigungsschutzprozess um die erste Kündigung begründet. In einem vom BAG entschiedenen Fall kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, weil der Arbeitnehmer angeblich von seinem dienstlichen Computer Internetseiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen hatte. Die Begründung der zweiten Kündigung, der Arbeitnehmer habe im Prozess wahrheitswidrig erklärt, die Dateien nicht bewusst geöffnet zu haben, entspricht dem Vorwurf der ersten Kündigung, die Dateien bewusst geöffnet zu haben und ist damit identisch43. bb)  Personenbedingte Kündigung Bei personenbedingten Kündigungen ist bei einer krankheitsbedingten Kündigung insbesondere die Analyse der Gesundheitsprognose relevant, ferner die Abgrenzung einer Tat- von einer Verdachtskündigung. (1) Krankheitsbedingte Kündigung ohne Veränderung der Gesundheitsprognose In der praktisch besonders relevanten Fallgruppe der personenbedingten Kündigung, der krankheitsbedingten Kündigung, ist der Sachverhalt derselbe, wenn sich die Gesundheitsprognose nicht verändert hat44. Die negative Gesundheitsprognose ist zentrale Voraussetzung einer krankheitsbedingten Kündigung45. Danach müssen die zu erwartenden Auswirkungen des gesundheitlichen Zustands des Arbeitnehmers weiterhin zu einer „erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen“46. In einem jüngst vom BAG entschiedenen Fall etwa kündigte ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu einem Croupier47, verbunden mit dem Angebot einer für den Arbeitnehmer nachteilhaften Umgruppierung sowie einer Tätigkeit ohne Einsatz am Pokertisch, nachdem der Arbeitnehmer zuvor eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt hatte, wonach er Vorbeuge- und Rotationspositionen der Wirbelsäule vermeiden sollte48. Der Arbeitnehmer hatte mit seiner Änderungskündigungsschutzklage Erfolg. Mehr als sieben Jahre später erklärte der Arbeitgeber eine weitere Änderungskündigung, die er wiederum damit begründete, dass der Arbeitnehmer wegen seines Gesundheitszustands nicht am Pokertisch einsetzbar sei. 43  BAG 08. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209; siehe hierzu noch ausführlich: § 3.III.7. 44  Vgl. BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 17; BAG 12. 04. 2002 – 2 AZR 148/01, NZA 2002, 1081, 1082; Lingemann/Ludwig/Einem, ArbRAktuell 2010, 409, 411; Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 232. 45  St. Rspr., vgl. z.B. aus jüngerer Zeit BAG 13. 05. 2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249, Ls. 1; ErfK-Oetker, § 1 KSchG Rn. 114; APS-Vossen, § 1 KSchG Rn. 139. 46  BAG 20. 01. 2000 – 2 AZR 378/99, NZA 2000, 768, 770. 47  Croupiers leiten in Casinos an den Spieltischen Glücksspiele. 48  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415.

Teil 1: Einleitung und Überblick

40

Nach Auffassung des Gerichts hat sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers nicht geändert. Der bloße Fortbestand einer gesundheitlichen Einschränkung ändere nicht die für die Eingruppierung maßgeblichen Umstände49. (2) Erklärung mehrerer Verdachtskündigungen In seiner Leitentscheidung zur Wiederholungskündigung argumentierte das BAG, dass nach der Erklärung einer Verdachtskündigung50 die neue Aussage eines Zeugen, wonach zwei Motoren aus dem Lager des Arbeitgebers entwendet worden seien, nicht als verdachtsverstärkende Tatsache zur Annahme eines anderen Sachverhalts oder einer Tatkündigung reiche. Beide Kündigungsgründe beziehen sich auf den Kündigungsgrund „Entwendung von zwei Motoren“ am selben Tag51. cc)  Betriebsbedingte Kündigung Eine betriebsbedingte Kündigung ist vor allem dann eine Wiederholungskündigung, wenn der Arbeitgeber keine neue unternehmerische Entscheidung darlegen kann, was die erste Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung ist52. Von einem insofern identischen Sachverhalt ging das BAG beispielsweise in folgendem Fall aus: Aufgrund einer Organisationsentscheidung fiel die bisherige Haushaltsstelle des Arbeitnehmers weg. Der Arbeitnehmer hatte mit einer Kündigungsschutzklage gegen eine deshalb erklärte Kündigung Erfolg, weil es einen freien Arbeitsplatz in einem Stellenpool gab. Zweieinhalb Jahre später kündigte der Arbeitgeber erneut aufgrund der Stellensituation, welche sich jedoch im Vergleich zur ersten Kündigung mangels einer neuen Organisationsentscheidung nicht geändert hatte53. 2.  Anerkannte Fallgruppen einer unechten Wiederholungskündigung Nachdem geklärt wurde, wann zwei Kündigungen aus demselben Grund gegeben sind, mithin wann eine „echte Wiederholungskündigung“ vorliegt, kann auf die negative Abgrenzung des BAG eingegangen werden, also auf die Fallgruppen, in denen keine Wiederholungskündigung erklärt wurde.

49 

BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 17. Einordnung der Verdachtskündigung als personenbedingte Kündigung ist str. Das BAG hat dies bisher offen gelassen, vgl. HaKo-Gallner/Denecke, § 1 KSchG Rn. 632; dafür: h.L., siehe nur HaKo-Gallner/Denecke, § 1 KSchG Rn. 632; KR-Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 393a; BeckOK ArbR-Rolfs, § 1 KSchG Rn. 194. 51  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 73. 52  Zu den weiteren Voraussetzungen, dem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs als Folge der unternehmerischen Entscheidung und der Verhältnismäßigkeit der Kündigung, siehe ausführlich: APS-Vossen, § 1 KSchG Rn. 463 ff., 527 ff., 592 ff. 53  BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043. 50 Die

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

41

a)  Wesentliche Änderung des Sachverhalts aa)  Anforderungen Nach der Rechtsprechung des BAG liegt keine Wiederholungskündigung vor, wenn sich der Sachverhalt wesentlich geändert hat und deshalb ein neuer Kündigungstatbestand existiert54. An dieser Stelle ist sorgfältig zu einer bloßen Nachbesserung des Sachvortrages abzugrenzen, welcher zu einer unzulässigen Wiederholungskündigung führen würde55. Nach der Auffassung des BAG, der sich ein Großteil der Literatur angeschlossen hat, kann bei einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts der „verbrauchte“ erste Kündigungsgrund die Begründung der zweiten Kündigung unterstützen56. Wie soeben erarbeitet wurde, liegt derselbe Kündigungsgrund vor, wenn derselbe Sachverhalt vorgetragen wird, wie im Prozess zur ersten Kündigung. Zumindest solche Tatsachen, die der Arbeitgeber aus logischen Gründen nicht vorgetragen haben kann, begründen einen neuen Kündigungsgrund. Dies betrifft notwendigerweise solche Tatsachen, die erst nach dem Zugang der ersten Kündigung entstanden sind. Auf sie kann sich die erste Kündigung nicht beziehen. Abgesehen davon, ist eine detailliertere Betrachtung geboten. bb)  Beispiele aus der Rechtsprechung (1) Verhaltensbedingte Kündigung Was die verhaltensbedingte Kündigung betrifft, liegt zum Beispiel ein wesentlich anderer Sachverhalt vor, wenn der Arbeitgeber das erste Mal kündigt, weil der Arbeitnehmer an einer Veranstaltung der NPD teilgenommen hat, und das zweite Mal, weil der Arbeitnehmer in einem Newsletter der NPD namentlich benannt wird und dabei zur Teilnahme an einer Demonstration aufruft57.

54  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 13; BAG 27. 01. 2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798; BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; BAG 12. 04. 1956 – 2 AZR 247/54, AP BGB § 626 Nr. 11, Ls. 2; sehr weit LAG Düsseldorf 27. 04. 2010 – 12 Sa 75/11, BeckRS 2011, 72747, wonach schon die verschiedenen Zugangszeitpunkte unterschiedliche Sachverhalte begründen; zustimmend die h.M. in der Literatur, siehe nur: KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 329; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 163/164. 55  Vgl. LAG Hamm 05. 04. 2005 – 19 Sa 1/05, BeckRS 2005, 42566; siehe hierzu bereits ausführlich: § 2.II.1. 56  BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043, Os. 2; BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; Mues/Eisenbeis/Laber, Teil 1 Rn. 408; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 78; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 164. 57  BAG 06. 09. 2012 – 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441.

Teil 1: Einleitung und Überblick

42

(2) Personenbedingte Kündigung (a) Krankheitsbedingte Kündigung Bei der krankheitsbedingten Kündigung begründet eine Veränderung der Gesundheitsprognose58 einen wesentlich anderen Sachverhalt59. Da der Sachverhalt der unwirksamen ersten Kündigung unterstützend zur Begründung der zweiten Kündigung herangezogen werden darf, können bei einer krankheitsbedingten unechten Wiederholungskündigung die krankheitsbedingten Fehlzeiten, welche die erste Kündigung nicht rechtfertigen konnten, die negative Prognose zur Rechtfertigung der zweiten krankheitsbedingten Kündigung bestärken60. Die Änderung der Gesundheitsprognose ist dabei von einer Bestätigung der bisherigen Prognose abzugrenzen61, was sich danach beurteilt, ob es einen neuen Kausalverlauf gibt62. Bei einer Bestätigung der bisherigen Prognose liege derselbe Kündigungsgrund vor. Die Gesundheitsprognose ändert sich zum Beispiel, wenn der Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung in eine Therapie einwilligt, er seine Lebensführung ändert, eine neue Heilmethode bekannt wird oder erst nach Erklärung der ersten Kündigung eine bislang nicht vom Arzt in Betracht gezogene Behandlungsmethode angewendet wird63. Allein der Zeitablauf begründet dabei keine neue Gesundheitsprognose und deshalb auch keine wesentliche Änderung des Sachverhalts64. (b) Verdachtskündigung und verdachtsverstärkende Tatsachen Ein anderer Sachverhalt liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber nach der Erklärung einer ersten Verdachtskündigung65 aufgrund neuer, verdachtsverstärkender 58 

Siehe hierzu ausführlich: ErfK-Oetker, § 1 KSchG Rn. 115. Vgl. BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 17; BAG 12. 04. 2002 – 2 AZR 148/01, NZA 2002, 1081, 1082; Lingemann/Ludwig/Einem, ArbRAktuell 2010, 409, 411; Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 232. 60  Vgl. BAG 10. 11. 2005 – 2 AZR 44/05, NZA 2006, 655; BAG 29. 04. 1999 – 2 AZR 431/98, NZA 1999, 978, 980 f. 61  Vgl. BAG 13. 05. 2004 – 2 AZR 36/04, NZA 2004, 1271, 1273. 62  BAG 07. 11. 2002 – 2 AZR 599/01, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40, II.1.a. 63  BAG 07. 11. 2002 – 2 AZR 599/01, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40, B.III.1.a; BAG 05. 07. 1990 – 2 AZR 154/90, NZA 1991, 185, 186; v. Hoyningen-Huene/Linck-Krause, § 1 KSchG Rn. 380 m.w.Nachw.; ErfK-Oetker, § 1 KSchG Rn. 115. 64  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415; anders noch: BAG 12. 04. 2002 – 2 AZR 148/01, NZA 2002, 1081, 1082 sowie unter Bezugnahme auf diese Entscheidung: LAG Hessen 26. 04. 2012 ‒ 5 Sa 1632/11, BeckRS 2012, 75678. 65 Die Einordnung der Verdachtskündigung als personenbedingte Kündigung ist str. Das BAG hat dies bisher offen gelassen, vgl. HaKo-Gallner/Denecke, § 1 KSchG Rn. 632; dafür: h.L., siehe nur HaKo-Gallner/Denecke, § 1 KSchG Rn. 632; KR-Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 393a; BeckOK ArbR-Rolfs, § 1 KSchG Rn. 194. 59 

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

43

Tatsachen eine zweite Verdachtskündigung ausspricht66, zum Beispiel wenn öffentlich Anklage gegen den Arbeitnehmer erhoben wird67. Ein weiteres praxisrelevantes Beispiel ist die Erklärung einer Tatkündigung nach einer Verdachtskündigung68. Der Sachverhalt ändert sich in diesem Fall weitreichender als bei dem Hinzukommen allein verdachtsverstärkender Tatsachen. cc)  Betriebsbedingte Kündigung Bei einer zweiten betriebsbedingten Kündigung liegt ein anderer Sachverhalt vor, wenn der Arbeitgeber neue Umstrukturierungsmaßnahmen als eine neue unternehmerische Entscheidung vorweisen kann69. Nach Auffassung des BAG ändern beispielsweise die Aufhebung und Ersetzung eines Interessensausgleichs unter Beifügung einer Namensliste nach einer unwirksamen Kündigung den Sachverhalt wesentlich70. Ferner begründet nach der Rechtsprechung des BAG die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers einen anderen Sachverhalt, sodass die betriebsbedingte Kündigung durch den Insolvenzverwalter mit verkürzter Kündigungsfrist gemäß § 113 InsO keine unzulässige Wiederholungskündigung ist71. b)  Fristgerechte nach fristloser Kündigung Nach der ständigen Rechtsprechung liegt außerdem keine echte Wiederholungskündigung vor, wenn der Arbeitgeber zunächst außerordentlich fristlos und dann ordentlich fristgerecht72 oder zunächst außerordentlich fristlos und anschließend außerordentlich mit sozialer Auslauffrist kündigt73. Die Rechtsfolgen dieser Kündigungen sind hinsichtlich ihres Beendigungszeitpunkts und des Prüfungsmaß­stabs

66 KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 329; Lembke, RdA, 2013, 82, 91; BeckOK ­A rbR-Stoffels, § 626 BGB Rn. 220. 67  BAG 27. 01. 2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798, Ls. 3. 68  Vgl. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 73; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 2 Rn. 12; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rn. 318; SPV-Vossen, Rn. 2046a. 69  Vgl. LAG Hamm 05. 04. 2005 ‒ 19 Sa 1/05, BeckRS 2005, 42566. Ausführlich zu den Anforderungen an die zweite Kündigung, insbesondere dem Erfordernis neuer Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen sowie einer neuen Sozialauswahl: Lingemann/ Beck, NZA-RR 2007, 225, 230 – 232. 70  BAG 06. 07. 2006 – 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266, Tz. 12. 71  BAG 26. 07. 2007 – 8 AZR 769/06, NZA 2008, 112, Tz. 58; BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 255/02, NZA 2003, 1086, Ls. 2; APS-Dörner/Künzl, § 113 InsO Rn. 10. 72 BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628; BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72; Mues/Eisenbeis/Laber, Teil 1 Rn. 408; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 163/164; so i.E. auch Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 192 f. 73  BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628, Ls. 1, Tz. 20; hierzu auch ausführlich: Howald, öAT 2013, 1, 3.

Teil 1: Einleitung und Überblick

44

so unterschiedlich, dass nicht von einer Wiederholungskündigung gesprochen werden kann74. c)  Beendigungs- und Änderungskündigung Die Rechtsfolgen einer Beendigungs- und Änderungskündigung sind ebenso unterschiedlich wie bei einer fristgerechten und einer fristlosen Kündigung. Die Rechtsprechung und die Literatur erwähnen allein die letztere Fallkonstellation regelmäßig in ihrer Aufzählung, wann keine Wiederholungskündigung erklärt wird. Allerdings lässt sich die Begründung, warum eine fristgerechte nach einer fristlosen Kündigung keine Wiederholungskündigung ist, auf die Erklärung einer Beendigungs- und Änderungskündigung übertragen. Sowohl das BAG als auch die Instanzrechtsprechung haben dies teilweise getan75. Der Tatbestand76 und die Rechtsfolgen77 von Beendigungskündigungen auf der einen und Änderungskündigungen auf der anderen Seite sind unterschiedlich. Eine Beendigungskündigung bezweckt allein die Vertragsauflösung, während der Arbeitgeber mit einer Änderungskündigung zugleich eine Änderung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses anstrebt78. Schon der Inhalt der Erklärung ist daher nicht identisch, sodass keine Erklärung wiederholt wird und keine Wiederholungskündigung erklärt wird. Ob zuerst eine Änderungs- oder eine Beendigungskündigung erklärt wird, ist dabei unerheblich. d)  Formale Fehler der Kündigungserklärung aa)  Rechtfertigung Keine unzulässige Wiederholungskündigung liegt zudem vor, wenn die erste Kündigung aufgrund formaler Fehler unwirksam ist79 und der Kündigungsschutz74 KR-Friedrich/Klose,

§ 4 KSchG Rn. 329. BAG 18. 05. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272 Tz. 13; LAG Sachsen-Anhalt 08. 05. 2007 – 8 Sa 102/06, BeckRS 2009, 61504; LAG Rheinland-Pfalz 30. 03. 2006 – 11 Sa 832/05, BeckRS 2007, 40703. 76  LAG Sachsen-Anhalt 08. 05. 2007 – 8 Sa 102/06, BeckRS 2009, 61504. 77  BAG 18. 05. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272 Tz. 13; LAG Rheinland-Pfalz 30. 03. 2006 – 11 Sa 832/05, BeckRS 2007, 40703 (bezieht sich nur auf Rechtsfolge). 78  Vgl. ausführlich hierzu: LAG Rheinland-Pfalz 30. 03. 2006 – 11 Sa 832/05, BeckRS 2007, 40703, welches es im Ergebnis jedoch dahin stehen lässt, ob eine Wiederholungskündigung möglich ist. 79  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 13; BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628; BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72 („irgendwelche[.] Gründe (Formmangel, fehlerhafte Betriebsratsanhörung)“); für die fehlende Betriebsratsanhörung bereits BAG 15. 09. 1956 – 1 AZR 258/54, AP BetrVG § 66 Nr. 1; für die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes bereits BAG 12. 10. 1954 – 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5, Ls. 4; MüArbR-Berkowsky, § 127 Rn. 39; AR-Fischermeier, § 626 BGB Rn. 255; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 328; MüKo BGB-Henssler, § 626 BGB Rn. 363; 75 

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

45

klage des Arbeitnehmers bereits infolge dieser Fehler stattgegeben wird. Das materielle Kündigungsrecht, der Kündigungsgrund, wird deshalb in der Regel nicht geprüft. Es wird allein die „Wirksamkeit seiner rechtsgeschäftlichen Erklärung verneint“80. Die materielle Begründung des Arbeitgebers geht ins Leere und der Unwirksamkeitsgrund, den das Gericht festgestellt hat, lässt sich beheben81, sodass eine Wiederholung des materiellen Grundes nicht als unzulässige Wiederholungskündigung zu werten ist. Präziser ist daher die Zusammenfassung dieser Fehler als „nicht materiell-rechtliche Gründe“82. Diese Wertung zwingt jedoch dazu, dann von einer unzulässigen Wiederholungskündigung auszugehen, wenn das Gericht trotz des Bejahens eines formalen Fehlers zusätzlich den materiellen Kündigungsgrund geprüft und verneint hat83. bb)  Formale Fehler Rechtsprechung und Literatur zählen die formalen Fehler nur auf. Sie lassen sich jedoch systematisieren. Formale Fehler entsprechen innerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes Fehlern im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG, mithin erstens Verstößen gegen allgemeine formale und rechtsgeschäftliche Wirksamkeitsvoraussetzungen und zweitens gegen sonstige gesetzliche Bestimmungen. (1) Verstöße gegen allgemeine formale und rechtsgeschäftliche Wirksamkeitsvoraussetzungen Zur ersten Fehlergruppe zählen etwa die Nichteinhaltung der Schriftform (§ 623 BGB)84, die Zurückweisung der Kündigung wegen Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde (§ 174 S. 1 BGB), die mangelnde Bestimmtheit und der fehlende Zugang85 sowie der Verstoß gegen ein vertragliches Kündigungsverbot86. APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146; Lingemann, Anm. BAG 20. 03. 2014 ‒ 2 AZR 840/12, ArbR Aktuell 2014, 464; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 2 Rn. 15; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 163/164; SPV-Vossen, Rn. 2046a; sowie i.E. auch M. Schwab, RdA 2013, 357, 363. 80  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 29; differenzierend zwischen Kündigungserklärung und -grund bereits Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 4 sowie zuvor differenzierend zwischen Gestaltungsrecht und Ausübung des Gestaltungsrechts bzw. Gestaltungsakt Zeuner, MDR 1956, 257. 81  M. Schwab, RdA 2013, 357, 362. 82  Vgl. BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 77. 83  BAG 12. 02. 2004 – 2 AZR 307/03, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75, Ls. 2, 3; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 171; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 163/164; a.A.: HWK-Quecke, § 4 KSchG Rn. 48. 84  Vgl. hierzu bereits BAG 04. 12. 1986 ‒ 2 AZR 33/86, BeckRS 1986, 30719464. 85 KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 328 m.w.Nachw.; HaKO-Gieseler, § 13 KSchG Rn. 70; Preis, Individualarbeitsrecht, § 56. 86  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 30, wobei hier eine vertragliche Rückkehrklausel als Kündigungsverbot ausgelegt wurde.

46

Teil 1: Einleitung und Überblick

(2) Verstöße gegen sonstige gesetzliche Bestimmungen Die zweite Fehlergruppe – Verstöße gegen sonstige gesetzliche Bestimmungen ‒ umfasst Verstöße gegen gesetzliche Verbote im Sinne von § 134 BGB, zum Beispiel § 102 Abs. 1 BetrVG bei fehlender oder fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats87 oder der kirchlichen Mitarbeitervertretung88, gegen besondere gesetzliche Kündigungsverbote89, vor allem § 15 Abs. 1 KSchG für Mitglieder des Betriebsrats, § 9 Abs. 3 MuSchG für Schwangere, § 18 BEEG für Arbeitnehmer in Elternzeit, § 22 Abs. 2 BBiG für Auszubildende oder §§ 85, 91 SGB IX für die Kündigung eines Schwerbehinderten ohne Zustimmung des Integrationsamts. Unwirksam im Sinne von § 134 BGB ist gemäß § 613a Abs. 4 BGB ferner eine Kündigung wegen eines Betriebsübergangs und gemäß § 612a BGB wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot. Ein weiterer formaler Fehler im Sinne dieser Fallgruppe ist ein Verstoß gegen § 242 BGB, wozu insbesondere eine Kündigung zur Unzeit zählt90. e)  Anforderungen an die zweite Kündigung, insbesondere Betriebsratsanhörung Wird die erste Kündigung für unwirksam erklärt, gelten für eine wirksame weitere, also eine unechte Wiederholungskündigung, grundsätzlich die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen, mithin auch was die Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG betrifft. Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Das gilt auch für eine unechte Wiederholungskündigung. Für einen wesentlich anderen Sachverhalt sowie eine fristgerechte nach einer fristlosen Kündigung ist das einleuchtend und unproblematisch. Ist die erste Kündigung hingegen aufgrund formaler Fehler unwirksam (die nicht gerade aus der Betriebsratsanhörung selbst resultieren!), stellt sich die praxisrelevante Frage, inwiefern der Arbeitgeber ausnahmsweise auf eine weitere Betriebsratsanhörung verzichten kann. Im Folgenden wird kurz der Meinungsstand zu diesem praktisch sehr wichtigen Thema zusammengefasst. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG darf sich der Arbeitnehmer gemäß § 242 BGB nicht auf das Fehlen einer erneuten Betriebsratsanhörung berufen, wenn der Betriebsrat erstens ordnungsgemäß zur ersten Kündigung angehört wurde, zweitens der Betriebsrat dieser Kündigung nicht widersprochen hat, drittens die neue Kündigung in engem zeitlichen Zusammenhang und viertens aus dem87  Siehe hierzu bereits BAG 15. 09. 1956 – 1 AZR 258/54, AP BetrVG § 66 Nr. 1; so i.E. wenn auch mit anderer Begründung (neuer bzw. anderer Sachverhalt) je W. Habscheid, RdA 1958, 95, 99; Hueck, in: FS Nipperdey (1955), S. 99, 113 f.; Lüke, JZ 1960, 203, 209; i.E., wenn auch bezweifelnd, bereits Zeuner, MDR 1956, 257, 260; statt aller: Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 197. 88  BAG 12. 04. 2002 – 2 AZR 148/01, NZA 2002, 1081, 1082. 89  Siehe hierzu ausführlich: Preis, Individualarbeitsrecht, § 58. 90  Für weitere Beispiele siehe: HaKo-Gieseler, § 13 KSchG Rn. 72 ff.; MüKo BGB-Hergenröder, § 13 KSchG Rn. 45 ff.

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

47

selben Grund ausgesprochen wird91. Denn der Betriebsrat hätte auch der zweiten Kündigung zugestimmt92. Dies gilt jedoch nur, wenn die erste Kündigung dem Arbeitnehmer nicht zugegangen war93. Bei Zugang der Kündigung ist das mit der Anhörung erworbene Kündigungsrecht „verbraucht“94. 3.  Ergebnis Eine echte Wiederholungskündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber die zweite Kündigung auf denselben Sachverhalt stützt wie die erste. Keine Wiederholungskündigung, eine unechte Wiederholungskündigung, erklärt der Arbeitgeber, wenn sich der Sachverhalt wesentlich verändert hat, wenn der Arbeitgeber nach einer fristlosen eine fristgerechte Kündigung oder eine außerordentliche mit sozialer Auslauffrist ausspricht, wenn er eine Änderungs- und eine Beendigungskündigung erklärt und wenn die erste Kündigung allein aufgrund formaler Fehler vom Gericht für unwirksam erklärt wurde.

III.  Fallgruppen der echten Wiederholungskündigung Bei echten Wiederholungskündigungen, also Kündigungen, die auf denselben Grund wie eine zuvor ausgesprochene Kündigung gestützt werden, ergeben sich je nach genauer Fallgestaltung verschiedene Probleme. Hierbei ist danach zu unterscheiden, ob es bereits eine rechtskräftige Entscheidung zu einer früheren Kündigung gibt und falls dies zu bejahen ist, zu welcher. Ferner ist zu differenzieren, anlässlich welcher Kündigung nun ein Kündigungsschutzprozess geführt wird. Diese Fallgruppen sind vor der ausführlichen Erörterung der Rechtsprechung und Literatur ebenfalls im Überblick darzustellen. 1.  Rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung a)  Ausgangslage In der für diese Arbeit wichtigsten Fallgruppe existiert bereits eine rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung. Im relevanten Kündigungsschutzrechtsstreit geht es um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die zweite Kündigung, die Wiederholungskündigung. 91  BAG 10. 11. 2005 ‒ 2 AZR 623/04, NZA 2006, 491, Tz. 42; BAG 11. 10. 1989 – 2 AZR 88/89, NZA 1990, 748, Ls. 92  Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 227. 93  BAG 10. 11. 2005 ‒ 2 AZR 623/04, NZA 2006, 491, Ls.; BAG 31. 01. 1996 ‒ 2 AZR 273/95, NZA 1996, 649, 650; BAG 11. 10. 1989 – 2 AZR 88/89, NZA 1990, 748, Ls; zust.: AR-Rieble, § 102 BetrVG Rn. 4. 94  BAG 03. 04. 2008 ‒ 2 AZR 965/06, NZA 2008, 807, Ls. 2; BAG 10. 11. 2005 ‒ 2 AZR 623/04, NZA 2006, 491 Tz. 42; Mues/Eisenbeis/Laber, Rn. 863.

48

Teil 1: Einleitung und Überblick

b)  Zweite Kündigung nach rechtskräftiger Entscheidung zur ersten Kündigung (Trotzkündigung) Gibt es bereits eine rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung kann es geschehen, dass der Arbeitgeber erst nach dieser Entscheidung erneut aus demselben Grund kündigt95. Eine solche Kündigung wird als „Trotzkündigung“ bezeichnet und ist insofern ein spezieller Fall der Wiederholungskündigung96. Sie wird deshalb grundsätzlich im Rahmen der Wiederholungskündigung thematisiert, ohne dass darauf hinzuweisen ist. Stellt sich im Folgenden doch einmal die Frage nach Besonderheiten bei der Trotzkündigung, wird hierauf ausdrücklich hingewiesen. Die Trotzkündigung wird in dieser Arbeit ausführlich thematisiert, insbesondere was ihre materiellrechtlich und prozessrechtlich besondere Behandlung betrifft. c)  Zweite Kündigung vor rechtskräftiger Entscheidung zur ersten Kündigung Ebenso kann der Arbeitgeber bereits vor der rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung erneut aus demselben Grund kündigen. Dies kann passieren, wenn der Rechtsstreit länger dauert, etwa weil die unterlegene Partei Rechtsmittel einlegt. Diese Fallgruppe der Wiederholungskündigung hat in der Rechtsprechung und Literatur keine spezielle Bezeichnung erhalten. In dieser Arbeit wird sie allerdings, soweit eine Abgrenzung zur Trotzkündigung erforderlich ist, „Wiederholungskündigung im engeren Sinne“ genannt. Die Wiederholungskündigung wird in dieser Arbeit ebenfalls umfassend thematisiert. Relevant sind die gleichen Themen wie bei der Trotzkündigung: der materiellrechtliche und prozessrechtliche Umgang hiermit. 2.  Rechtskräftige Entscheidung zur zweiten Kündigung In einer weiteren Konstellation spricht der Arbeitgeber vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die erste Kündigung eine Wiederholungskündigung aus. Im Unterschied zur soeben erläuterten Fallgruppe kann es vorkommen, dass zuerst eine rechtskräftige Entscheidung zur zweiten Kündigung, der Wiederholungskündigung, ergeht und das Gericht über die erste Kündigung zu entscheiden hat97. 95  Vgl. z.B. BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415; BAG 11. 07. 2013 ‒ 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250; BAG 08. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209; BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043. 96  Vgl. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, Ls. 2; Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194, der den Begriff das erste Mal erwähnt und erfunden hat, vgl. Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 70; AR-Fischermeier, § 626 BGB Rn. 255; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38; Mues/Eisenbeis/Laber, Teil 1 Rn. 404; HWK-Quecke, § 4 KSchG Rn. 48; BeckOK ArbR-Stoffels, § 626 BGB Rn. 219. 97 Vgl. z.B. BAG 12. 02. 2004 – 2 AZR 307/03, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75; BAG 07. 03. 1996 – 2 AZR 180/95, NZA 1996, 931.

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

49

Hier stellt sich die Frage, inwiefern das Gericht, das nun über die erste Kündigung entscheiden muss, an die Ergebnisse des Prozesses um die zweite Kündigung, die Wiederholungskündigung, gebunden ist. Diese Bindung hängt erstens davon ab, ob das Gericht, das sich mit der Wiederholungskündigung befasst hat, die Vorfrage beantworten musste, ob im Zeitpunkt des Zugangs dieser Wiederholungskündigung ein Arbeitsverhältnis bestand. Dies wiederum ist davon abhängig, ob bereits die erste Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat. Zweitens stellt sich die Frage nach der Reichweite der Bindungswirkung der Entscheidung zur ersten Kündigung. Diese Fragen stellen sich bei jeder bereits existierenden Entscheidung über eine später ausgesprochene Kündigung. Da diese Thematik jedoch auch in der vorliegenden Arbeit teilweise relevant ist, wird an dieser Stelle in gebotener Kürze die Lösung der herrschenden Meinung vorgestellt. Im Grundsatz geht die herrschende Meinung vom sogenannten punktuellen Streitgegenstandsbegriff aus. Danach ist im Kündigungsschutzprozess allein die Wirksamkeit der konkret mit der Kündigungsschutzklage angegriffenen Kündigung zu prüfen. Dies folgt aus § 4 KSchG, der Regelung zur Kündigungsschutzklage, wonach der Arbeitnehmer Klage auf Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, er mithin die Klage lediglich gegen eine bestimmte Kündigung richtet98. Allerdings lässt die herrschende Meinung aus logischen Gründen insofern eine Ausnahme zu, als dass als Vorfrage zu klären ist, ob zumindest im Zeitpunkt des Zugangs99 der Kündigung ein Arbeitsverhältnis besteht, das beendet werden kann, 98  Grundlegend BAG 13. 11. 1958 – 2 AZR 573/57, AP KSchG § 3 Nr. 17; BAG 26. 09. 2013 – 2 AZR 682/12, NZA 2014, 443, Tz. 31; BAG 20. 12. 2012 ‒ 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 2, 23; BAG 22. 11. 2012 ‒ 2 AZR 732/11, NZA 2013, 665, Ls. 1; BAG 17. 11. 1958 ‒ 2 AZR 277/58, NJW 1959, 1387, Ls. 1; Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 6; Boewer, NZA 1997, 359, 360; W. Habscheid, RdA 1958, 95, 97; MüKo BGB-Hergenröder, §4 KSchG Rn. 78; (grundlegend) Hueck, in: FS Nipperdey (1955), S. 99, 109; Jaroschek/Lüken, JuS 2001, 64, 66; ErfK-Kiel, § 4 KSchG Rn. 30; Nikisch, DB 1956, 1133, 1134; Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 625 ff.; Tschöpe-Rolfs, Teil 5A Rn. 9; Stahlhacke, in: FS Leinemann (2006), S. 389, 397; Stenslik, JuS 2011, 15, 16; Zeuner, in: FS Otto (2008), S. 647, 650; a.A.: bestandsrechtlicher Streitgegenstandsbegriff (Arbeitsverhältnis Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) insb.: Bötticher, BB 1959, 1032, 1034; Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 186 f.; Güntner, AuR 1974, 97, 110; Lüke, JZ 1960, 203 ff. 99  Sehr str. Alternativ wird auf den Beendigungstermin (Ablauf der Kündigungsfrist) abgestellt. Die Rspr. ist nicht einheitlich; für den Beendigungstermin ausdrücklich: BAG 18. 12. 2014 – 2 AZR 163/14, NZA 2015, 635, Ls. 2; BAG 12. 05. 2011 – 2 AZR 479/09, NZARR 2012, 43, Tz. 18; BAG 20. 09. 2000 ‒ 5 AZR 271/99, NZA 2001, 210, 211; BAG 05. 10. 1995 ‒ 2 AZR 909/94, SAE 1997, 292, 294; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 134; HWK-Quecke, § 4 KSchG Rn. 48. In jüngerer Zeit vermeidet das BAG jedoch oft auch eine Festlegung auf einen bestimmten Zeitpunkt, was die Verwendung der Wörter „jedenfalls“ bzw. „zumindest“ zeigt, vgl. z.B. BAG 22. 11. 2012 ‒ 2 AZR 732/11, NZA 2013, 665, Ls. 1; BAG 26. 03. 2009 ‒ 2 AZR 633/07, NZA 2011, 166, Tz. 16; BAG 25. 03. 2004 ‒ 2 AZR 399/03, NZA 2004, 1216, 1218. Ob damit auch Kündigungen zum selben Kündigungstermin erfasst sind, hat das BAG ausdrücklich offen gelassen, vgl. BAG 25. 03. 2004 ‒ 2 AZR 399/03, NZA 2004, 1216, 1218. Siehe hierzu insb.: BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 74 m.zahlr.w.Nachw.

50

Teil 1: Einleitung und Überblick

sodass auch die Wirksamkeit einer zuvor ausgesprochenen Kündigung geprüft werden muss (sog. erweiterter punktueller Streitgegenstand)100. Die herrschende Meinung geht ferner davon aus, dass diese Vorfrage in Rechtskraft erwächst101. Weil der Bestand des Arbeitsverhältnisses Voraussetzung für die Feststellung sei, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde, werde „rechtskräftig über das Bestehen rechtlicher Bindungen zwischen den Parteien entschieden“102. Das Gericht, das dann die erste Kündigung prüft, ist aufgrund der sogenannten Präjudizialitätswirkung der Rechtskraft103 an das inzidente Ergebnis des Vorprozesses, die Unwirksamkeit der ersten Kündigung, gebunden. 3.  Keine rechtskräftige Entscheidung zur ersten oder zweiten Kündigung a)  Kündigungsschutzrechtsstreit wegen der ersten Kündigung In einer weiteren Fallgruppe gibt es noch keine rechtskräftige Entscheidung zu einer der zwei ausgesprochenen Kündigungen und es wird über die Rechts100  BAG 22. 11. 2012 ‒ 2 AZR 732/11, NZA 2013, 665, Ls. 1; BAG 26. 03. 2009 ‒ 2 AZR 633/07, NZA 2011, 166, Tz. 16; BAG 26. 06. 2008 ‒ 6 AZN 648/07, NZA 2008, 1145, Ls. 1, Tz. 12, 14; BAG 25. 03. 2004 ‒ 2 AZR 399/03, NZA 2004, 1216, Ls. 1; BAG 20. 09. 2000 ‒ 5 AZR 271/99, NZA 2001, 210, Ls. 1; BAG 05. 10. 1995 ‒ 2 AZR 909/94, NZA 1996, 651, 652; BAG 12. 06. 1986 ‒ 2 AZR 426/85, NZA 1987, 273, Ls. 1, 2; BAG 12. 11. 1977 ‒ 5 AZR 593/75, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 3; BAG 13. 11. 1958 ‒ 2 AZR 573/57, AP KSchG § 3 Nr. 17, Ls. 1; Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 6, der allerdings auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung abstellt; HBD-Berger, § 4 KSchG Rn. 44; Bettermann, ZfA 1985, 5, 17; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 280; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 45; E. Habscheid, RdA 1989, 88, 89 ff.; MüKo BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn. 81; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 134; ErfK-Kiel, § 4 KSchG Rn. 30; HWK-Quecke, § 4 KSchG Rn. 48; Tschöpe-Rolfs, Teil 5A Rn. 10; Schaub, NZA 1990, 85, 86; Löwisch/Spinner-Spinner § 4 KSchG Rn. 14; Walter, RdA 1954, 264, 266; Wenzel, MDR 1978, 103, 104; Weth/Kerwer SAE 1997, 295, 298, sowie logischerweise die bestandsrechtlichen Auffassungen, siehe hierzu bereits Fn. 98; a.A. (streng punktuell): LAG Nürnberg 05. 12. 1995 ‒ 2 Sa 408/94, BeckRS 1995, 30851648; Boemke, RdA 1995, 211, 222; Grunsky, Anm. BAG 12. 01. 1977 ‒ 5 AZR 593/75, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 3; wohl Hueck, in: FS Nipperdey (1955), S. 99, 109; wohl Jaroschek/ Lüken, JuS 2001, 64, 66; v. Hoyningen-Huene/Linck-Linck, § 4 KSchG Rn. 137; Kuchinke, Anm. zu BAG 12. 01. 1977 ‒ 5 AZR 593/75, SAE 1979, 287, 288; Mummenhoff, Anm. BAG 21. 1. 1988 ‒ 2 AZR 581/86, SAE 1988, 88, 89; M. Schwab, RdA 2013, 257, 260; Schwerdtner, NZA 1987, 263, 264; Stahlhacke, in: FS Leinemann (2006), S. 389, 400 f.; Stahlhacke, in: FS Wlotzke (1996), S. 173, 178; SPV-Vossen, Rn. 2019a; Weißenfels, BB 1996, 1326, 1330; Wolf, Anm. BAG 11. 02. 1981 ‒ 7 AZR 12/79, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 8; sowie ebenfalls zumindest kritisch gegenüber dem BAG, Kerwer, JuS 1999, 250, 254; BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 75. 101  Siehe hierzu bereits die Nachweise in Fn. 100. 102  BAG 12. 06. 1986 – 2 AZR 426/85, NZA 1987, 273, 274; BAG 12. 01. 1977 – 5 AZR 593/75, NJW 1977, 1895, 1896. 103  Siehe zur Bindung aufgrund der Rechtskraft noch ausführlich: § 5.I.2, insb. § 5.I.2.c).

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

51

wirksamkeit der ersten Kündigung gestritten. Hier ist fraglich, ob das angerufene Gericht auch prüfen muss, ob die zweite Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat. Dieses Problem ist unabhängig von der Wiederholungskündigung. Es ist anerkannt, dass der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO, gerichtet auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, verbinden kann104. Voraussetzung ist dabei ein Feststellungsinteresse. Der Arbeitnehmer muss zumindest die Möglichkeit glaubhaft machen, dass der Arbeitgeber eine weitere Kündigung aussprechen wird105. b)  Kündigungsschutzrechtsstreit wegen der zweiten Kündigung Gibt es noch kein rechtskräftiges Urteil und entscheidet nun ein Gericht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die zweite Kündigung, stellen sich zwei Fragen: Erstens, inwiefern das Gericht die Vorfrage beantworten muss, ob ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht und es im Rahmen dessen auch die Wirksamkeit der ersten Kündigung zu prüfen hat. Dies ist kein spezielles Problem der Wiederholungskündigung und wird in dieser Arbeit aber trotzdem an einigen Stellen relevant. Nach der herrschenden Meinung muss das Gericht, das sich mit der Wirksamkeit der zweiten Kündigung befasst, vorab beantworten, ob im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestand. Dabei hat es die Wirksamkeit der ersten Kündigung zu prüfen, wenn es zu dieser noch keine Entscheidung gibt106. Zweitens ist in dieser Fallgruppe die Frage zu beantworten, inwiefern sich aus der Wiederholung des Kündigungsgrundes Konsequenzen ergeben, entweder derart, dass die Kündigung bereits materiellrechtlich unwirksam ist oder das Gericht prozessrechtlich zu einem bestimmten Umgang mit der zweiten (Wiederholungs-) Kündigung gezwungen ist. Im Gegensatz zu den anderen Fallgruppen der Wiederholungskündigung wird diese Fallgruppe in der Rechtsprechung und Literatur, soweit ersichtlich, nicht thematisiert. In dieser Arbeit wird dieses Problem hingegen ausführlich bearbeitet.

104  Grundlegend BAG 21. 01. 1988 ‒ 2 AZR 581/86, NZA 1988, 651; BAG 10. 10. 2002 – 2 AZR 622/01, NZA 2003, 684; Musielak-Foerste, § 256 ZPO Rn. 18; Lingemann/Groneberg, NJW 2013, 2809, 2810. Zur Antragsformulierung siehe: HBD-Berger, § 4 KSchG Rn. 47; BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 83; ErfK-Kiel, § 4 KSchG Rn. 36; Schaub-Linck, § 138 Rn. 14; Lingemann/Groneberg, NJW 2013, 2809, 2810. 105  Grundlegend BAG 14. 12. 1993 ‒ 1 ABR 31/93, NZA 1994, 809, 814; BAG 26. 09. 2013 ‒ 2 AZR 682/12, NZA 2014, 443, Tz. 32; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 148; ErfK-Kiel, § 4 KSchG Rn. 37; Schaub-Linck, § 138 Rn. 16. 106  Siehe hierzu bereits: § 2.III.2, insb. Fn. 100.

Teil 1: Einleitung und Überblick

52

4.  Ergebnis Eine echte Wiederholungskündigung wird aus demselben Grund erklärt wie eine bereits zuvor ausgesprochene Kündigung. Sie kann in verschiedenen Konstellationen relevant werden. Probleme, die unmittelbar mit dieser Wiederholungskündigung zusammenhängen, ergeben sich erstens, wenn die Wiederholungskündigung in Form einer Trotzkündigung nach der rechtskräftigen Entscheidung des Vorprozesses ausgesprochen wird; zweitens, wenn sie zwar bereits vor der rechtskräftigen Entscheidung des Vorprozesses erklärt wird, aber im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederholungskündigung bereits eine rechtskräftiges Urteil im Vorprozess existiert; drittens, wenn bei der Entscheidung über die Wiederholungskündigung noch kein rechtskräftiges Urteil zur ersten Kündigung vorliegt.

IV.  Fallgruppen der unechten Wiederholungskündigung Unechte Wiederholungskündigungen, die mit einem anderen Sachverhalt als die erste Kündigung begründet werden, fristgerecht statt fristlos erklärt werden, als Beendigungs- nach einer Änderungskündigung und anders herum oder nach einer ersten Kündigung mit formalen Fehlern107, können ebenfalls in verschiedenen Fallgestaltungen relevant werden. 1.  Rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung a)  Zweite Kündigung nach rechtskräftiger Entscheidung zur ersten Kündigung Spricht der Arbeitgeber nach der rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung eine zweite Kündigung aus und hat ein Gericht über die Wirksamkeit der zweiten Kündigung zu entscheiden, ist das nicht problematisch. Die Entscheidung über die erste Kündigung hat keine Auswirkungen auf den Kündigungsschutzprozess um die zweite Kündigung. b)  Zweite Kündigung vor rechtskräftiger Entscheidung zur ersten Kündigung Aus demselben Grund ist es unproblematisch, wenn der Arbeitgeber schon vor der rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung eine zweite Kündigung aus einem anderen Grund, eine unechte Wiederholungskündigung, ausspricht und über die zweite Kündigung zu entscheiden ist, nachdem in der Zwischenzeit eine rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung ergangen ist.

107 

Siehe hierzu bereits ausführlich: § 2.II.

§ 2  Fallgruppen mehrerer Kündigungen in einem Kündigungsschutzrechtsstreit

53

2.  Rechtskräftige Entscheidung zur zweiten Kündigung Des Weiteren kann ein Kündigungsschutzprozess über die erste Kündigung geführt werden, wobei bereits eine rechtskräftige Entscheidung zur zweiten Kündigung vorliegt. Genau wie bei der echten Wiederholungskündigung mit denselben Kündigungsgründen muss das Gericht, welches über die zweite Kündigung zu entschieden hat, als Vorfrage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der zweiten Kündigung prüfen. Ferner ist das Gericht, welches sich nun mit der ersten Kündigung befasst, an die Feststellungen des Vorprozesses gebunden108. 3.  Keine rechtskräftige Entscheidung zur ersten oder zweiten Kündigung a)  Kündigungsschutzrechtsstreit wegen der ersten Kündigung Gibt es noch keine rechtskräftige Entscheidung zu einer der zwei Kündigungen, ist im Kündigungsschutzrechtsstreit über die erste Kündigung problematisch, ob das Gericht auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der zweiten Kündigung prüfen muss. Hier geht es um eine mit der Kündigungsschutzklage verbundene allgemeine Feststellungsklage109. b)  Kündigungsschutzrechtsstreit wegen der zweiten Kündigung Gibt es noch gar kein rechtskräftiges Urteil zu einer der Kündigungen und hat nun ein Gericht über die zweite Kündigung zu entscheiden, ist fraglich, ob das Gericht die Vorfrage beantworten muss, ob ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht und es im Rahmen dessen auch die Wirksamkeit der ersten Kündigung prüfen muss. Das ist, wie bereits bei anderen Fallgruppen der Wiederholungskündigung, der herrschenden Meinung folgend zu bejahen110. 4.  Ergebnis Die Fragen, die sich bei unechten Wiederholungskündigungen stellen, sind für das Thema der vorliegenden Arbeit nicht weiter relevant.

V.  Zusammenfassung Mehrere Kündigungen können in verschiedenen Konstellationen in einem Kündigungsschutzprozess relevant werden, wovon die Wiederholungskündigung nur eine von vielen ist. In dieser Arbeit wird die Wiederholungskündigung ausführlich 108 

Siehe hierzu bereits: § 2.III.2 und § 2.III.3. Siehe hierzu bereits im Überblick: § 2.III.3.a) m.w.Nachw. 110  Siehe hierzu bereits im Überblick: § 2.III.2 m.w.Nachw. 109 

54

Teil 1: Einleitung und Überblick

behandelt. Die Wiederholungskündigung wiederum ist in drei unterschiedlichen Fallgestaltungen möglich: erstens als Trotzkündigung nach einem rechtskräftigen Urteil zur ersten Kündigung, zweitens als Wiederholungskündigung im engeren Sinne vor einer rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung, wobei zum Zeitpunkt der Entscheidung zur Wiederholungskündigung mittlerweile eine Entscheidung zur ersten Kündigung vorliegt. In der dritten Fallkonstellation wird die Wiederholungskündigung ebenfalls vor der rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung ausgesprochen, wobei es bei der Entscheidung zur Wiederholungskündigung noch kein Urteil zur ersten Kündigung gibt. Rechtsprechung und Literatur behandeln diese drei herausgearbeiteten Fallkonstellationen der Wiederholungskündigung grundsätzlich gemeinsam und ohne Differenzierungen. Auch in der folgenden Darstellung der Rechtsprechung und Literatur zur Wiederholungskündigung werden die drei Fallgruppen zusammen thematisiert. Ohne ausdrücklichen Hinweis auf eine spezielle Fallgruppe sind daher alle drei gemeint. Nichtsdestotrotz sind die unterschiedlichen Ausgangssituationen der drei Fallkonstellationen bereits ein Indiz dafür, dass differenzierende Lösungen geboten sind oder zumindest in Betracht gezogen werden sollten. Im Rahmen der Stellungnahme wird deshalb ein entsprechender Versuch unternommen und auf differenzierende Lösungen ausdrücklich hingewiesen.

Teil 2

Darstellung der Rechtsprechung und Literatur Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

§ 3  Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wiederholungskündigung § 3  Entwicklung der Rechtsprechung zur Wiederholungskündigung

Wie bereits im einleitenden Kapitel dieser Arbeit hervorgehoben wurde, hat die Rechtsprechung des BAG zur Wiederholungskündigung erheblich dazu beigetragen, dass das Meinungsspektrum zur Wiederholungskündigung insgesamt sehr breit, uneinheitlich und teilweise widersprüchlich ist. Um dies zu verdeutlichen und ferner zu zeigen, wie viele Lösungsansätze es zum Umgang mit der Wiederholungskündigung gibt, ist eine Auseinandersetzung mit der Kasuistik des BAG erforderlich. In diesem Kapitel wird daher die Rechtsprechung des BAG zur Wiederholungskündigung zusammengefasst. Die Darstellung erfolgt in chronologischer Reihenfolge, um die Entwicklung der Rechtsprechung zu verdeutlichen. Für die Zwecke dieser Untersuchung ist sie auf das Wesentliche reduziert.

I.  Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung 1.  Entscheidung des BAG vom 12. Oktober 1954 Die Entscheidung vom 12. Oktober 19541 ist eine der ersten, in denen sich das BAG mit mehreren Kündigungen aus denselben Gründen befasste. Hierbei zog es eine Unzulässigkeit aus materiellrechtlichen Gründen in Betracht, speziell wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB. Am 30. Dezember 1947 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aufgrund einer „Umorganisation“. Während des Rechtsstreits trug er ferner vor, der Arbeitnehmer sei fachlich und menschlich nicht geeignet. Am 19. Mai 1950 erklärte das Arbeitsgericht die Kündigung mit einem Zwischenurteil für unwirksam, da die Zustimmung des Arbeitsamtes fehlte und sie ferner gegen die guten Sitten und Treu und Glauben verstieße. Die Berufung des Arbeitnehmers wies das Landesarbeitsgericht (LAG) im Juni 1952 zurück. Am 5. Dezember 1950 kündigte der Arbeitgeber erneut aus den Gründen, die er bereits in dem schwebenden Rechtsstreit vorgetragen hatte. Das LAG hatte entschieden, dass der Arbeitgeber mit der Wiederholung der Kündigungsgründe „deren Missbilligung durch das Gericht missachtet“, da er mit 1 

BAG 12. 10. 1954 – 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5.

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

56

der rechtskräftigen Verwerfung der Kündigung durch das LAG gerechnet hatte. Die Kündigung sei daher missbräuchlich und gemäß § 138 BGB nichtig. Das BAG hielt die Auffassung des LAG, dass eine Wiederholungskündigung sittenwidrig sein kann, für „an sich rechtlich haltbar“2. Allerdings seien für die Feststellung der Sittenwidrigkeit sämtliche Umstände des Falles zu berücksichtigen. Dies habe das LAG nicht getan, sodass das BAG die Sache an das LAG zurück verwies. 2.  Keine Weiterentwicklung bis 1993 In den Jahren nach dieser ersten Entscheidung zur Wiederholungskündigung vom 12. Oktober 1954 erging ‒ soweit ersichtlich – keine weitere, wichtige Entscheidung des BAG zur Wiederholungskündigung. Das BAG äußerte sich lediglich am Rande einer Entscheidung, dass im konkreten Fall offen bleiben konnte, ob die rechtskräftige Entscheidung über die Unwirksamkeit einer aus einem bestimmten Grund ausgesprochenen Kündigung einer erneuten gerichtlichen Prüfung dieses Grundes im Rahmen einer Kündigungsschutzklage gegen eine weitere Kündigung aus demselben Grund entgegenstehe3. Damit deutete das BAG jedoch zumindest an, dass auch prozessrechtliche Begründungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung in Betracht kommen. 3.  Ergebnis Im Jahr 1954 zog das BAG eine Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung in Erwägung, griff diese Idee in den folgenden Jahrzehnten jedoch nicht wieder auf.

II.  Leitentscheidung des BAG vom 26. August 1993 Die Entscheidung des BAG vom 26. August 1993 ist die Leitentscheidung zur Wiederholungskündigung4. In dieser entwickelte das BAG verschiedene Lösungsansätze zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung. Die Entscheidung hat die weitere Rechtsprechung des BAG und der Instanzgerichte sowie die Kommentarliteratur maßgeblich geprägt5. Sie ist daher von erheblicher Relevanz für diese Arbeit. 1.  Sachverhalt Dem Urteil des BAG vom 26. August 19936 lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Arbeitgeber erklärte am 29. Dezember 1988 eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung, aus Gründen, die mit dem hier relevanten Verfahren in 2 

BAG 12. 10. 1954 – 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5. BAG 12. 04. 1956 – 2 AZR 247/54, AP BGB § 626 Nr. 11. 4  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70. 5  Siehe hierzu bereits: § 1.II. 6  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70. 3 

§ 3  Entwicklung der Rechtsprechung zur Wiederholungskündigung

57

keinem Zusammenhang standen. Während des Rechtsstreits schob der Arbeitgeber als Kündigungsgrund den Verdacht eines Diebstahls nach. Am 25. Mai 1989 schob der Arbeitgeber nach der Aussage eines neuen Zeugen eine Tatkündigung nach. Dennoch entschied das Arbeitsgericht am 29. Mai 1989, dass die Kündigung vom 29. Dezember 1988 das Arbeitsverhältnis weder fristlos noch fristgerecht beendet hat. Die Berufung des Arbeitgebers wies das LAG am 13. November 1990 zurück. Zuvor, nämlich am 30. Mai 1989, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis erneut fristlos wegen des mutmaßlichen Diebstahls. Er trug vor, dass sich die Beweislage verbessert habe. Nachdem der Arbeitnehmer mit seiner gegen die zweite Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht scheiterte, entschied das LAG, dass die Kündigung unwirksam sei. Das LAG begründete die Entscheidung damit, dass eine Wiederholungskündigung vorliege, welcher die rechtskräftige Entscheidung des Vorprozesses entgegenstehe. Dies ergebe sich aus einer analogen Anwendung der § 616 a.F. ZPO7, § 767 Abs. 3 ZPO, § 17 MSchG8 und § 145 PatG9. 2.  Tragende Entscheidungsgründe Das BAG bestätigte die Entscheidung des LAG im Ergebnis. Auch nach Auffassung des BAG war die zweite Kündigung des Arbeitgebers eine Wiederholungskündigung. Das BAG ging dabei davon aus, dass der Arbeitnehmer gegen eine Trotz- oder Wiederholungskündigung aufgrund der Regelung der §§ 4, 7 KSchG zwar Kündigungsschutzklage erheben müsse. Der Klage gegen die zweite Kündi7  Eine Präklusion kann sich dabei allein aus § 616 Abs. 2, Abs. 3 a.F. ZPO ergeben. Diese lauteten i.d. bis zum 30. 06. 1977 geltenden Fassung: (Abs. 2) Im Verfahren auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder auf Herstellung des ehelichen Lebens kann das Gericht gegen den Widerspruch des die Auflösung der Ehe begehrenden oder ihre Herstellung verweigernden Ehegatten Tatsachen, die nicht vorgebracht sind, nur insoweit berücksichtigen, als sie geeignet sind, der Aufrechterhaltung der Ehe zu dienen. (Abs. 3) Im Verfahren auf Scheidung kann das Gericht außergewöhnliche Umstände nach § 1568 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur berücksichtigen, wenn sie von dem Ehegatten, der die Scheidung ablehnt, vorgebracht sind (vgl. Thomas/Putzo, 10. Aufl. 1978, § 606 Einf., § 616). § 616 a.F. ZPO entspricht dem heutigen § 127 FamFG. 8  § 17 Mieterschutzgesetz i.d.F. von 1956: [Verbrauch der Klagegründe bei Klageabweisung] „Der Vermieter, der mit der Aufhebungsklage abgewiesen ist, kann das Recht, die Aufhebung zu verlangen, nicht mehr auf Tatsachen gründen, die er in einem früheren Rechtsstreit geltend gemacht hat oder geltend machen konnte. Tatsachen, auf die aus diesem Grunde oder wegen § 2 Abs. 3 eine Aufhebungsklage nicht mehr gegründet werden kann, dürfen zur Unterstützung einer auf andere Tatsachen gegründeten Aufhebungsklage geltend gemacht werden“ (zitiert nach Roquette, MSchG, S. 17). Nota bene: Das BAG zitiert § 17 MuSchG. Hierbei muss es sich um ein Versehen handeln, da § 17 MSchG (Mieterschutzgesetz) die einzige Vorschrift ist, dessen Analogie im Zusammenhang mit der Wiederholungskündigung diskutiert wird, vgl. z.B. Bötticher, RdA 1951, 81, 86; Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 274; Deckers (1999), S. 135 f. 9  Vgl. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71.

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

58

gung sei „jedoch ohne weiteres stattzugeben“10. Das Gericht lieferte hierfür verschiedene Begründungen. a)  Materiellrechtlicher Verbrauch des Kündigungsrechts Materiellrechtlich begründete das BAG das Verbot der Wiederholungskündigung mit der Rechtsnatur der Kündigung als Gestaltungsrecht. Gestaltungsrechten sei das ne bis in idem bereits „materiell-rechtlich eingeboren“, da die „ordnungsgemäße“ Gestaltungserklärung das Gestaltungsrecht verbrauche11. Das Gericht berief sich zur Begründung ferner auf die „allgemein[e]“ Meinung, dass Gestaltungsrechte nach „einmaliger Ausübung verbraucht“12 seien. Eine Lösung mit § 138 BGB lehnte das BAG ab, weil eine Sittenwidrigkeit allenfalls bei der Trotzkündigung zu erwägen wäre, jedoch alle Arten der Wiederholungskündigung gleichzubehandeln seien13. b)  Prozessrechtliche Erweiterung der Rechtskraftwirkung Prozessrechtlich begründete das BAG seine Entscheidung mithilfe zweier Lösungsansätze: Erstens umfasse die Rechtskraft eines Urteils nicht nur die durch das Urteil festgestellte Rechtsfolge, sondern auch „das durch die vorgetragenen Gründe individualisierte Recht des [Arbeitgebers] zur Kündigung“14. Das BAG ließ diese Frage unter Zuhilfenahme und uneingeschränkter Zustimmung zu einem zweiten Lösungsweg, der von Bötticher begründet wurde15, letztendlich jedoch offen. Die besondere Natur von Gestaltungsrechten rechtfertige es, „der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Gestaltungserklärung auch eine Wirkung gegenüber der Wiederholung dieser Gestaltungserklärung zuzuerkennen“16. Eine unterschiedliche Behandlung von Gestaltungsrechten und Gestaltungsklagen17 sei nicht zu rechtfertigen. Die Entscheidungen des Gesetzgebers für eine Regelung als Gestaltungsrecht oder Gestaltungsklage sei „oft eher eine Stilfrage“18. Bei Letzteren sei eine Wiederholung jedoch nach einer Ablehnung 10 

BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71. 12  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71. 13  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71. 14  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72. 15  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964). 16  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72. 17  Mit „Gestaltungsrechten“ meint das BAG offensichtlich solche Gestaltungsrechte, die ihre Rechtswirkungen bereits aufgrund der Erklärung, mit „Gestaltungsklagen“ solche Gestaltungsrechte, die ihre Rechtswirkungen erst durch ein Urteil herbeiführen; siehe hierzu noch ausführlich: § 7.I.1. 18  Nota bene: Die Bezugnahme auf Böttichers Monographie ist dabei falsch. Richtigerweise müsste die Zitatstelle „FS Dölle“ und nicht „GestaltungsR und Unterwerfung im PrivatR“ heißen. Sie ist ferner inhaltlich unvollständig, da Bötticher selbst eine Einschränkung 11 

§ 3  Entwicklung der Rechtsprechung zur Wiederholungskündigung

59

des Gestaltungsrechts durch ein Urteil wegen der entgegenstehenden Rechtskraft nicht möglich. Aufgrund der Ähnlichkeit von Gestaltungsklage und Gestaltungsrecht sei es gerechtfertigt, einem der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgebenden Urteil die gleiche Rechtskraftwirkung zuzusprechen19. Das BAG bezeichnete diese Erweiterung der Rechtskraftwirkung als „Präjudizialität“20. In den Entscheidungsgründen benutzte es am Rande zwar auch die Formulierung, dass „der Arbeitgeber […] mit den im ersten Prozeß vorgetragenen Kündigungstatsachen präkludiert ist“21. Indes erklärte das Gericht damit lediglich die Wirkung der Präjudizialität, sodass die einmalige Verwendung des Wortes „präkludiert“ nichts daran ändert, dass das BAG die Rechtskraftwirkung als „Präjudizialität“ einordnete. Auf die vom LAG aufgeworfene Lösung mithilfe einer Analogie zu den zitierten Präklusionsvorschriften ging das BAG nicht ein. 3.  Ergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das BAG in seiner Leitentscheidung zur Wiederholungskündigung deren Unzulässigkeit materiellrechtlich mit dem Verbrauch des Gestaltungsrechts und prozessrechtlich mit einer Erweiterung der Rechtskraft begründete, welche es als „Präjudizialität“ bezeichnete, dogmatisch jedoch nicht genauer ausführte.

III.  Bestätigung der Leitentscheidung von 1993 bis 2012 In den Jahren nach der Leitentscheidung vom 26. August 1993 hat das BAG diese Rechtsprechung regelmäßig bestätigt, indem es einzelne oder mehrere Begründungsansätze zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung heranzog. Das BAG hat inhaltlich keine Begründungen entwickelt, welche über diejenigen der Leitentscheidung hinausgehen. Das Gericht hat grundsätzlich allein mit dem Verbrauch des Kündigungsrechts und der Präjudizialität oder Präjudizität argumentiert, ausnahmsweise mit einer „Präklusion“. Es sind keine klaren Präferenzen für einen der Lösungswege aus der Leitentscheidung zu erkennen. Die Zusammenfassung einiger Urteile soll einen Eindruck von der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zur Wiederholungskündigung verschaffen. Dabei werden erneut nur die für diese Arbeit relevanten Aspekte betrachtet. Insbesondere die Sachverhalte werden auf das Wesentliche reduziert.

dahingehend vornimmt, dass hinter dieser Stilfrage auch eine „ausgesprochene Intention des Gesetzgebers steht, die es zu achten gilt“ (Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 68). 19  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 73. 20  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, Ls. 3. 21  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 73.

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

60

1.  Entscheidung des BAG vom 7. März 1996 Am 7. März 1996 hatte das BAG über eine Wiederholungskündigung zu entscheiden, der nach Auffassung des BAG die Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses entgegenstand 22. In dem zugrunde liegenden Fall sprach der Arbeitgeber sowohl am 13. Oktober 1993 als auch am 23. Dezember 1993 eine krankheitsbedingte Kündigung aus, die er jeweils auf denselben Sachverhalt stützte23. Die genaue dogmatische Begründung zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung aufgrund der entgegenstehenden Rechtskraft des Vorprozesses ließ das BAG ausdrücklich offen 24. 2.  Entscheidung des BAG vom 22. Mai 2003 Am 22. Mai 2003 bestätigte das BAG die Leitentscheidung zur Wiederholungskündigung erstmals ausführlicher25. Der Arbeitgeber erklärte am 12. August 1997 eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Am 27. Juli 1999 erging hierzu ein der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgebendes Urteil des LAG. Am 16. Februar 2001 sprach der Arbeitgeber eine weitere betriebsbedingte Kündigung aus. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers gegen die Kündigung vom 16. Februar 2001 war in allen Instanzen erfolgreich. Das BAG entschied, dass die Kündigung eine Wiederholungskündigung war26, weil der Arbeitgeber keine neue Organisationsentscheidung darlegen konnte, welche die betriebsbedingte Kündigung zum späteren Kündigungszeitpunkt rechtfertigen könnte27. Die Unzulässigkeit der zweiten Kündigung, der Wiederholungskündigung, folge prozessrechtlich aus der „Präjudizität“ der ersten Entscheidung und materiellrechtlich aus dem „Verbrauch“ des Kündigungsrechts als Gestaltungserklärung28. Daher sei der Klage des Arbeitnehmers gegen die zweite Kündigung „ohne weiteres stattzugeben“29. 3.  Weitere Entscheidung des BAG vom 22. Mai 2003 Nach einer weiteren Entscheidung des BAG vom 22. Mai 2003 ist eine Wiederholungskündigung aus materiellrechtlichen Gründen unzulässig30.

22 

BAG 07. 03. 1996 – 2 AZR 180/95, NZA 1996, 931, 934. Vgl. BAG 07. 03. 1996 – 2 AZR 180/95, NZA 1996, 931. 24  BAG 07. 03. 1996 – 2 AZR 180/95, NZA 1996, 931, 934. 25  BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043. 26  Genauer wäre auch die Bezeichnung als Trotzkündigung, weil zum Zeitpunkt der Kündigung vom 16. 02. 2001 bereits ein Urteil vorlag. 27  BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043, 1046. 28  BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043, 1045. 29  BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043, Ls. 1, 1045. 30  BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 255/02, NZA 2003, 1086. 23 

§ 3  Entwicklung der Rechtsprechung zur Wiederholungskündigung

61

In dem zugrunde liegenden Fall kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zunächst im Dezember 2000 als vorläufiger Insolvenzverwalter und am 25. Januar 2001 als Insolvenzverwalter unter Zuhilfenahme des entsprechenden Sonderkündigungsrechts gemäß § 113 InsO. Das BAG stellte kurz fest, dass das Kündigungsrecht „verbraucht“ sein könne, wenn zwei Kündigungen auf denselben Sachverhalt gestützt werden. Hier sei dies jedoch nicht der Fall, weil die Insolvenzeröffnung den Sachverhalt verändert habe31. 4.  Entscheidung des BAG vom 12. Februar 2004 Am 12. Februar 2004 bestätigte das BAG allein die prozessrechtliche Begründung für die Unzulässigkeit einer Wiederholungskündigung32. Dem Urteil lag eine betriebsbedingte Kündigung aus dem Jahr 2000 zugrunde. Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin war erfolgreich, unter anderem, weil eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestand. Noch während des Kündigungsschutzprozesses strukturierte der Arbeitgeber sein Unternehmen um und sprach am 25. März 2002 eine weitere betriebsbedingte Kündigung aus. Die Arbeitnehmerin hatte mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung in allen Instanzen Erfolg. Das BAG argumentierte, es habe keine neue unternehmerische Entscheidung gegeben. Die Umstrukturierung und der daraus folgende Personalüberhang hätten keine Auswirkungen auf den Beschäftigungsbedarf, da dieser bereits durch die vorangegangene Ausgliederung entstanden sei. Dies sei jedoch im Vorprozess als Begründung vorgetragen worden. Die rechtskräftige Entscheidung im Vorprozess schließe den Einwand des Arbeitgebers, dass keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe, aus. Ein Arbeitgeber könne eine Kündigung nicht auf Gründe stützen, die er bereits zur Begründung einer früheren Kündigung verwendet hat, wenn in dem Kündigungsschutzstreit entschieden worden ist, dass das Arbeitsverhältnis durch diese bestimmte Kündigung nicht beendet worden ist und diese Gründe in dem ersten Prozess materiell geprüft worden sind33. Der zweiten, rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage sei „ohne weiteres stattzugeben“. Das Urteil des ersten Verfahrens sei „präjudiziell“, sodass die Kündigungsgründe nicht erneut geprüft werden dürfen. 5.  Entscheidung des BAG vom 18. Mai 2006 Auch in der Entscheidung vom 18. Mai 2006 hat das BAG seine prozessrechtliche Begründung der Unzulässigkeit der Trotz- und Wiederholungskündigung aufrechterhalten und die materiellrechtliche Begründung am Rande erneut bestätigt34.

31 

BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 255/02, NZA 2003, 1086, 1087. BAG 12. 02. 2004 – 2 AZR 307/03, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75. 33  BAG 12. 02. 2004 – 2 AZR 307/03, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75, Ls. 1. 34  BAG 18. 05. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272. 32 

62

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

In diesem Fall erklärte der Arbeitgeber zunächst eine außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung. Diese Kündigung erklärte das BAG am 27. Juni 2002 für unwirksam. Am 28. März 2003 sprach der Arbeitgeber zwecks Herabgruppierung eine außerordentliche Änderungskündigung aus. Das BAG gab der Änderungskündigungsschutzklage des Arbeitnehmers zwar statt, allerdings nicht, weil die zweite Kündigung eine unzulässige Wiederholungskündigung war35. Tatbestand und Rechtsfolge einer außerordentlichen Änderungskündigung auf der einen und einer außerordentlichen Beendigungskündigung auf der anderen Seite seien zu verschieden36. Zur Wiederholungskündigung äußerte sich das BAG jedoch insofern, als ein Arbeitgeber eine Kündigung nicht auf Gründe stützen dürfe, die er bereits zur Begründung einer früheren Kündigung vorgetragen hat und die im ersten Prozess materiell mit dem Ergebnis geprüft worden sind, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Der gegen die zweite Kündigung erhobenen Klage sei „ohne weiteres stattzugeben“37. Einer erneuten Nachprüfung des „verbrauchten“ Kündigungsgrundes stehe die „präjudizielle“ Entscheidung des Vorprozesses entgegen38. 6.  Entscheidung des BAG vom 6. Juli 2006 Mit seiner Entscheidung vom 6. Juli 2006 bestätigte das BAG die prozessuale Begründung der Unzulässigkeit einer Wiederholungskündigung39. In dem zugrunde liegenden Fall kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zunächst am 30. Januar 2004 ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Das LAG stellte am 30. November 2004 rechtskräftig fest, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Zuvor, am 28. Juni 2004, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis erneut aus betriebsbedingten Gründen, nachdem die Betriebsparteien zuvor den Interessenausgleich und die Namensliste geändert hatten. Der Arbeitnehmer war mit seiner Kündigungsschutzklage in der dritten Instanz vor dem BAG im Ergebnis erfolgreich40. Allerdings war die zweite Kündigung nach Auffassung des BAG keine Wiederholungskündigung, weil die Änderung der Namensliste eine erhebliche Änderung der Sachlage sei41. Im Zusammenhang mit der Wiederholungskündigung erwähnte das BAG jedoch am Rande, dass einer solchen die „Präjudizialität“ des Urteils des LAG im Vorprozess entgegenstehen würde42. 35  Genauer wäre die Bezeichnung als „Trotzkündigung“, weil im Zeitpunkt der zweiten Kündigung bereits eine rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung vorlag. 36  BAG 18. 05. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272, Tz. 13. 37  BAG 18. 05. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272, Ls. 1, Tz 14. 38  BAG 18. 05. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272, Tz 14. 39  BAG 06. 07. 2006 – 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266. 40  Weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG nicht vorlagen, vgl. BAG 06. 07. 2006 – 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266, Tz. 26. 41  BAG 06. 07. 2006 – 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266, Tz. 12. 42  BAG 06. 07. 2006 – 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266, Tz. 25.

§ 3  Entwicklung der Rechtsprechung zur Wiederholungskündigung

63

7.  Entscheidung des BAG vom 8. November 2007 Mit einem Urteil vom 8. November 2007 hat das BAG seine Rechtsprechung erneut bestätigt. Dabei stand wieder die prozessrechtliche Begründung der Unzulässigkeit einer Wiederholungskündigung im Vordergrund43. In dem Fall kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 12. Mai 2004 außerordentlich aus verhaltensbedingten Gründen, da vom Computer des Arbeitnehmers Internetseiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen worden waren. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers gegen diese Kündigung hatte im Ergebnis Erfolg. Nach dem rechtskräftigen Urteil vom 12. April 2005 in diesem Kündigungsschutzprozess kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 26. April 2005 außerordentlich fristlos wegen versuchten Prozessbetrugs, da der Arbeitnehmer im vorangegangenen Kündigungsschutzprozess gelogen habe. Der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers gegen diese Kündigung wurde in allen drei Instanzen stattgegeben. Das BAG hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der zweiten Kündigung des Arbeitgebers die Rechtskraft des Urteils im vorangegangenen Kündigungsschutzprozess entgegenstehe44. Die erste Entscheidung sei „präjudiziell“, sodass der zweiten rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage „ohne weiteres stattzugeben“ und der „verbrauchte“ Kündigungsgrund nicht erneut zu prüfen sei45. Nach Auffassung des BAG war der vom Arbeitgeber für die zweite Kündigung vorgetragene Kündigungssachverhalt identisch mit dem der ersten46. 8.  Entscheidung des BAG vom 26. November 2009 Mit einem Urteil vom 26. November 2009 hat das BAG sowohl seine prozessrechtliche als auch seine materiellrechtliche Begründung des Verbots der Wiederholungskündigung ausdrücklich bestätigt47. Dem Urteil lag eine außerordentliche fristlose Kündigung vom 30. Januar 2006 aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers zugrunde. Das Arbeitsgericht entschied am 8. Juni 2006, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Am 25. September 2006 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis erneut, diesmal außerordentlich mit Auslauffrist. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers führte vor dem BAG zur Rückverweisung an das LAG. Nach Auffassung des BAG lag keine unzulässige Wiederholungskündigung vor. Das Verbot der Wiederholungskündigung gründe in der materiellen Rechtskraft 43  BAG 08. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209; zu dieser Entscheidung siehe bereits: § 2.II.1.b)aa). 44  BAG 08. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209, Tz. 20. 45  BAG 08. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209, Tz. 21. 46  BAG 08. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209, Tz. 24; siehe hierzu bereits: § 2.II.1.b)aa). 47  BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628.

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

64

des Vorprozesses und materiellrechtlich im „Charakter der Kündigung als Gestaltungserklärung“48. Ein Gestaltungsrecht sei nach seiner Ausübung „verbraucht“. Der Arbeitgeber könne nur dann erneut kündigen, wenn er andere Gründe vortrage, ein anderer Sachverhalt vorliege, er fristgerecht statt fristlos kündige oder die erste Kündigung aus formellen Gründen unwirksam sei49. Bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung als erster und einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist als zweiter Kündigung seien diese Voraussetzungen erfüllt, da die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist in ihren Rechtsfolgen einer ordentlichen Kündigung angenähert sei50. 9.  Entscheidung des BAG vom 6. September 2012 Am 6. September 2012 bestätigte das BAG die prozessuale Begründung des Verbots der Wiederholungskündigung51. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der Arbeitnehmer als Verwaltungsangestellter beim Land beschäftigt. Nachdem das Landesamt für Verfassungsschutz den Arbeitgeber darüber informiert hatte, dass der Arbeitnehmer an einer von der NPD organisierten Veranstaltung teilgenommen hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 8. Mai 2008 außerordentlich fristlos. Der Arbeitnehmer hatte mit seiner hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage Erfolg. Am 13. Juli 2009 teilte das Landesamt für Verfassungsschutz dem Arbeitgeber weitere Tätigkeiten des Arbeitnehmers in der rechtsextremistischen Szene mit, diesmal in Form eines Newsletters, in welchem der Arbeitnehmer namentlich erschien. Im Rahmen dessen hatte der Arbeitnehmer auf eine Demonstration hingewiesen und zur Teilnahme aufgerufen. Am 16. September 2009 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich. Der Arbeitnehmer war mit seiner Kündigungsschutzklage in allen drei Instanzen erfolglos. Nach Auffassung des BAG ist eine Wiederholungskündigung unzulässig, da die Vorentscheidung „Präklusionswirkung“ entfalte52. Eine Wiederholungskündigung liege im vorliegenden Fall jedoch nicht vor, da sich der Sachverhalt wesentlich geändert habe53. Im Ergebnis rechtfertigte das Verhalten des Arbeitnehmers die Kündigung54. In seinen früheren Entscheidungen hatte das BAG die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung nicht mit einer „Präklusionswirkung“ begründet. Zwar ver48 

BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628, Tz. 19. BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628, Tz. 19. 50  BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, NZA 2010, 628, Ls. 1, Tz. 20. 51  BAG 06. 09. 2012 – 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441; siehe zu dieser Entscheidung bereits in anderem Zusammenhang: § 2.II.2.a)bb)(1). 52  BAG 06. 09. 2012 – 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441, Tz. 13. 53  BAG 06. 09. 2012 – 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441, Tz. 14. 54  BAG 06. 09. 2012 – 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441, Tz. 25 ff. 49 

§ 3  Entwicklung der Rechtsprechung zur Wiederholungskündigung

65

wendete es den Begriff der Präklusion auch in der Leitentscheidung, bezeichnete damit allerdings nicht die Wirkungsweise der Rechtskraft55. Indes verwies das Gericht in seiner Entscheidung vom 6. September 2009 im Zusammenhang mit der „Präklusionswirkung“ auf seine Entscheidung vom 8. November 200756, in welcher es jedoch ebenfalls mit der Präjudizität und nicht mit einer Präklusion argumentierte. Ferner begründete das BAG die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung nicht anders als in seinen früheren Entscheidungen: Eine Kündigung könne nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, welche der Arbeitgeber bereits zur Begründung einer früheren Kündigung vorgebracht hat und die bereits mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass die Kündigung unwirksam ist57. Mit dem Begriff der Präklusion hat das BAG seine Rechtsprechung daher nicht weiter entwickelt. 10.  Ergebnis Nach seiner Leitentscheidung vom 26. August 1993 hat das BAG seine Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung bis einschließlich September 2012 nicht weiter entwickelt. Es hat allein durch ihre regelmäßige Verwendung die Formel etabliert, dass der Kündigungsschutzklage gegen eine Wiederholungskündigung „ohne Weiteres stattzugeben“ sei.

IV.  Klarstellung des BAG zum Verbrauch des Kündigungsrechts mit Urteil vom 20. Dezember 2012 In seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2012 erläuterte das BAG die prozessrechtliche Begründung des Verbots der Wiederholungskündigung erstmals etwas genauer, benutzte dabei jedoch anders als in der Leitentscheidung den Begriff „Präklusionswirkung“58. Ferner nahm es von der materiellrechtlichen Begründung, dem Verbrauch des Kündigungsrechts als Gestaltungsrecht, Abstand. Die Entscheidung ist aus diesem Grund für das Thema der Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung sehr bedeutsam und als Klarstellung der Rechtsprechung einzuordnen. Dem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Am 30. Mai 2008 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen, aufgrund der Auflösung der Abteilung der Arbeitnehmerin. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage war erfolgreich, weil die Kündigung gegen ein vertraglich vereinbartes Rückkehrrecht von einer Geschäftsführungsposition, welche die Ar55  56 

III.7.

57  58 

BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 73; siehe hierzu bereits: § 3.II.2.b). BAG 08. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209; siehe hierzu bereits: § 3. BAG 06. 09. 2012 – 2 AZR 372/11, NZA-RR 2013, 441, Tz. 13. BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003.

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

66

beitnehmerin zuvor ausübte, verstieß. Am 28. April 2009 kündigte der Arbeitgeber erneut betriebsbedingt aufgrund der Auflösung dieser Abteilung. Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin gegen diese Kündigung hatte diesmal keinen Erfolg. Das BAG bejahte im Ergebnis das Vorliegen betriebsbedingter Gründe59. Dem stünden die rechtskräftigen Entscheidungen der Vorprozesse nicht entgegen, da der Kündigungsgrund selbst materiellrechtlich nicht geprüft worden ist60. Die vertragliche Rückkehrklausel sei nicht als Kündigungsverbot auszulegen61. Die Auslegung dieser Klausel durch das LAG in den vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren nehme als bloßes Begründungselement nicht an der Rechtskraft der Entscheidungen teil und stehe der Kündigung vom 28. April 2009 daher nicht entgegen62. Weil diese Auslegung dazu führte, dass das LAG im Vorprozess die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Erklärung verneint und „nicht einem bestimmten Lebenssachverhalt die materielle Eignung als Kündigungsgrund abgesprochen“ hat, liege auch keine Wiederholungskündigung vor63. Dennoch sind die Ausführungen des BAG zur Wiederholungskündigung ausführlich und bedeutsam: Die Würdigung, ein bestimmter Lebenssachverhalt könne eine Kündigung nicht begründen, wird von der Rechtskraftwirkung eines Urteils erfasst, da diese „Feststellung mit einem (fiktiven) Gestaltungsurteil, in dem eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der fraglichen Gründe abgelehnt wird“ identisch sei64. Das Urteil entfalte insofern „Präklusionswirkung“65. Das BAG schloss sich mit seinen Ausführungen, wie bereits in der Leitentscheidung vom 26. August 199366, ausdrücklich der Auffassung Böttichers an67. Das Verbot der Wiederholungskündigung folge jedoch nicht aus dem Verbrauch des Gestaltungsrechts mit der vorhergehenden Kündigung. Ein Verbrauch trete nur bei wirksamer Ausübung ein68. Das BAG distanzierte sich diesbezüglich explizit von der Leitentscheidung vom 26. August 199369 und bezeichnete diese als missverständlich70.

59 

BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 32 ff. BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 39. 61  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 20. 62  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 23 f. 63  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 29. 64  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 2, Tz. 27. 65  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 1, Tz. 26. 66  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.II. 67  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 27. 68  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 28. 69  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70. 70  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 28. 60 

§ 3  Entwicklung der Rechtsprechung zur Wiederholungskündigung

67

V.  Bestätigung der Rechtsprechungsänderung 1.  Entscheidung des BAG vom 11. Juli 2013 Mit einem Urteil vom 11. Juli 2013 hat das BAG seine neuere prozessrechtliche Begründung der Unzulässigkeit einer Wiederholungskündigung bestätigt71. In dem Fall kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zwischen Oktober 2003 und Januar 2005 insgesamt achtmal, unter anderem wegen fehlerhafter Reisekostenabrechnungen vom 6. und 7. März 2003. Es wurde rechtskräftig festgestellt, dass alle diese Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht beendet hatten. Danach kündigte der Arbeitgeber unter anderem am 17. März 2005 ordentlich wegen fehlerhafter Reisekostenabrechnungen vom 6. und 7. März 2003. Das BAG hat ohne großen Begründungsaufwand die Entscheidung der Vorinstanz dahingehend bestätigt, dass die Kündigung vom 17. März 2005 wegen der Abrechnungen für den 6. und 7. März 2003 eine unwirksame Wiederholungskündigung sei72. Der Arbeitgeber könne eine Kündigung nicht erfolgreich auf solche Gründe stützen, die er schon zur Begründung einer früheren Kündigung vorgetragen hat und die mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine Kündigung nicht rechtfertigen können73. Das BAG bezeichnete dies ausdrücklich als „Präklusionswirkung“74. 2.  Entscheidung des BAG vom 20. März 2014 Mit seiner Entscheidung vom 20. März 2014 hat das BAG die Klarstellung der Rechtsprechung ebenfalls bestätigt75. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt sprach der Arbeitgeber am 19. Dezember 2003 eine krankheitsbedingte Änderungskündigung aus. Die Änderungsschutzklage des Arbeitnehmers hiergegen war erfolgreich. Am 29. März 2011 erklärte der Arbeitgeber eine weitere Änderungskündigung. Auch mit seiner Änderungsschutzklage gegen diese Kündigung hatte der Arbeitnehmer Erfolg. Das BAG entschied, dass die zweite Änderungskündigung eine unzulässige Wiederholungskündigung sei, weil sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers nicht verändert hatte76. Die Entscheidung des ersten Prozesses entfalte daher „Präklusionswirkung“77.

71 

BAG 11. 07. 2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250. BAG 11. 07. 2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, Tz. 36. 73  BAG 11. 07. 2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, Ls. 3, Tz. 37. 74  BAG 11. 07. 2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, Tz. 37. 75  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415. 76  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 17. 77  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Ls. 1, Tz. 13. 72 

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

68

3.  Entscheidung des BAG vom 18. Dezember 2014 In der Entscheidung des BAG vom 18. Dezember 2014 ging es zwar nicht primär um eine Wiederholungskündigung78. Dennoch stellte das Gericht am Rande klar, dass bei einer Wiederholungskündigung die Entscheidung über die erste Kündigung „Präklusionswirkung“79 entfalte. 4.  Ergebnis Seit dem klarstellenden Urteil vom 20. Dezember 2012 hat das BAG seine Argumentation zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung mit einer „Präklusionswirkung“ regelmäßig bestätigt.

VI.  Zusammenfassung Das BAG hat in einer Leitentscheidung vom 26. August 1993 die Unzulässigkeit einer Wiederholungskündigung sowohl materiellrechtlich mit dem Verbrauch der Kündigung als Gestaltungsrecht als auch prozessrechtlich, mit der Erweiterung der Rechtskraft mithilfe der Präjudizialität, begründet. In der Folgezeit hat das BAG diese Rechtsprechung regelmäßig bekräftigt, meistens mit dem Verbrauch des Kündigungsrechts oder der Präjudizialität. Erst am 20. Dezember 2012 hat das BAG von der materiellrechtlichen Begründung Abstand genommen und sich darüber hinaus auf die prozessrechtliche Unzulässigkeit aufgrund einer Präklusionswirkung beschränkt. Diese Begründung zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung hat das BAG bereits mehrfach bestätigt und ist auf den materiellrechtlichen Verbrauch des Kündigungsrechts nicht mehr eingegangen. Daher bleibt festzuhalten, dass das BAG die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung heute prozessrechtlich mit der entgegenstehenden Rechtskraft begründet und diese Rechtskraftwirkung als Präklusion bezeichnet.

§ 4  Materiellrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung Nachdem die Rechtsprechung zur Wiederholungskündigung zusammengefasst wurde, kann nun auf die Lösungswege der Literatur eingegangen werden. In diesem Kapitel werden die materiellrechtlichen Begründungen einer Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung präsentiert: der Verbrauch des Kündigungsrechts (I.), die Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung gemäß § 138 BGB (II.) und ein Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (III.). Da die Rechtsprechung des BAG das Meinungsbild zum Umgang mit der Wiederholungskündigung 78  79 

BAG 18. 12. 2014 – 2 AZR 163/14, NZA 2015, 635. BAG 18. 12. 2014 – 2 AZR 163/14, NZA 2015, 635, Tz. 33.

§ 4  Materiellrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 69

wesentlich geprägt hat, wird zur Orientierung jeweils zunächst kurz die Rechtsprechung zu diesen einzelnen Lösungswegen zusammengefasst und erst im Anschluss die Diskussion in der Literatur, insbesondere die zustimmenden sowie die ablehnenden Stellungnahmen.

I.  Verbrauch des Kündigungsrechts 1.  Rechtsprechung des BAG Das BAG ging in seiner Leitentscheidung vom 26. August 1993 davon aus, dass das Kündigungsrecht mit dem Ausspruch der Kündigung verbraucht sei80. In seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2012 hat es davon ausdrücklich Abstand genommen, mit der Begründung, dass der Verbrauch eines Gestaltungsrechts nur bei dessen wirksamer Ausübung möglich sei81. 2.  Verbrauch nach Bötticher als Begründungsansatz des BAG Das BAG hat sich in seiner Leitentscheidung vom 26. August 1993 im Wesentlichen auf die Ausführungen Böttichers zum Verbrauch des Gestaltungsrechts gestützt82. Daher wird dessen Meinung im Folgenden als erste Literaturmeinung vorgestellt. a)  Relevante Beiträge Böttichers In seinen ersten Ausführungen zur Wiederholungskündigung in einer Festschrift für Herschel aus dem Jahr 1955 stellt Bötticher die Möglichkeit dar, dass das Kündigungsrecht als Gestaltungsrecht durch die einmalige Ausübung „verzehr[t]“ sei83. Allerdings favorisiert er letztendlich eine seiner Meinung nach überzeugendere prozessuale Lösung mithilfe der Rechtskraft84, behält sich eine genauere Begründung hierfür jedoch ausdrücklich vor85. Diese Begründung präsentiert er in einer Dölle gewidmeten Festschrift, die 1963 erschien86. In einem Vortrag, den Bötticher vor der Berliner Juristischen Gesellschaft hielt und 1964 veröffentlichte, ergänzt er seinen Beitrag dieser Festschrift87. Hierin geht er erneut sowohl auf die 80 

BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71. BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003; siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.IV. 82  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70; siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.II. 83  Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194. 84  Siehe hierzu noch ausführlich: § 5.III.3. 85  Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194. 86  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41 – 77. 87 Vgl. Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 1. 81 

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

70

materiellrechtliche Lösung – „Konsumtion“ ‒ als auch die prozessrechtliche ein, wobei er abermals primär prozessual argumentiert88. b)  Verbrauch auch bei unwirksamer Kündigung In der Festschrift für Herschel spricht Bötticher von einer „tabula rasa“ durch das Urteil, für den Fall, dass das Gericht die Wirksamkeit der Kündigung zu Unrecht verneint hat. Das Kündigungsrecht sei daher verbraucht, sowohl wenn das Gericht zu Recht als auch, wenn es zu Unrecht die Wirksamkeit der Kündigung verneint89. Entscheidend bei diesen Ausführungen ist, dass Bötticher einen Verbrauch des Kündigungsrechts annimmt, wenn einer Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgegeben und die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wurde. Folglich geht Bötticher auch bei einer unwirksamen Kündigung von einem Verbrauch des Kündigungsrechts aus. In seinem später veröffentlichten Vortrag, auf welchen sich das BAG in seiner Leitentscheidung vom 23. August 199390 maßgeblich berief, bezeichnet Bötticher das Verbot der Wiederholung von Gestaltungsrechten als „ne bis in idem“, was Gestaltungsrechten bereits „materiellrechtlich eingeboren“ sei91. Deshalb „[konsumiert] die ordnungsmäßige Erklärung das Gestaltungsrecht“92. Hierbei bestehe ein enger Zusammenhang zur Unwiderruflichkeit des Gestaltungsrechts93. Unwiederholbarkeit und Unwiderruflichkeit seien der Preis dafür, dass man allein mit einer einfachen Willenserklärung seine Rechte verwirklichen könne94. Auf den ersten Blick erschließt sich nicht ohne Weiteres, was Bötticher mit der „ordnungsmäßigen“ Erklärung, die zur Konsumtion führt, meint. Man könnte annehmen, er beziehe sich auf die materielle Wirksamkeit der Kündigung, mithin das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. So hat es offensichtlich das BAG in seiner Entscheidung, in der es vom Verbrauch des Kündigungsrechts Abstand genommen hat, verstanden: „Das Verbot der Wiederholungskündigung lässt sich dagegen nicht allein aus dem Verbrauch des Gestaltungsrechts schon durch seine (erstmalige) Ausübung herleiten. Ein ‚Verbrauch‘ des Gestaltungsrechts tritt nur bei dessen wirksamer Ausübung ein […]. Nur die ordnungsgemäße Gestaltungserklärung ‚konsumiert‘ das Gestaltungsrecht (Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung, S. 6)“95. Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 4 ff. Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194. 90  BAG 23. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70. 91  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 5; so auch BAG 23. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71. 92  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 6. 93  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 6; so auch BAG 23. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71. 94  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 6. 95  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 28. 88  89 

§ 4  Materiellrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 71

Dieser Interpretation des BAG lässt sich allerdings entgegenhalten, dass Bötticher zuvor in der Festschrift für Herschel, wie soeben gezeigt wurde, eine gegenteilige Auffassung vertreten hat – Verbrauch des Kündigungsrechts auch, wenn das Gericht Wirksamkeit der Kündigung verneint, also bei einer unwirksamen Kündigung96. Es ist fraglich, ob Bötticher von seiner Ansicht ohne ausdrücklichen Hinweis abweichen würde. Ferner spricht Böttichers detailliertere Betrachtung von Gestaltungsrechten dafür, dass er auch bei mangels Grundes unwirksamer Kündigung einen Verbrauch des Kündigungsrechts annimmt. Bötticher differenziert zwischen Gestaltungsrecht und Gestaltungserklärung. Mit dem Gestaltungsrecht bezeichnet er den materiellen Kündigungsgrund, mit der Gestaltungserklärung die formell wirksame Ausübung des Kündigungsrechts97. Diese Differenzierung spricht dafür, dass Bötticher mit der ordnungsgemäßen Gestaltungserklärung die formelle Ausübung des Kündigungsrechts meint, mithin allein die Kündigungserklärung, für welche das Vorliegen eines materiellen Kündigungsgrundes unerheblich ist. Mit einer Konsumtion bei ordnungsgemäßer Erklärung bezieht sich Bötticher folglich nicht auf den Kündigungsgrund. Das BAG hingegen geht in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2012 davon aus, dass Bötticher für eine wirksame Ausübung auch einen materiellen Kündigungsgrund voraussetzt. Dies ist, wie soeben gezeigt wurde, nicht der Fall. Der Verweis des BAG auf Bötticher in der Entscheidung vom 20. Dezember 201298 überzeugt daher nicht. Es bleibt festzuhalten, dass Bötticher auch bei einer unwirksamen Kündigung einen Verbrauch des Kündigungsrechts annimmt. c)  Kritik an der Anwendung des § 138 BGB bei der Ausübung von Gestaltungsrechten Bötticher ist der Meinung, dass nicht ausreichend zwischen dem Gestaltungsrecht und der Gestaltungserklärung differenziert wird. Er kritisiert, dass mit § 138 BGB häufig eine Vorschrift für die Rechtsgeschäftskontrolle oder den Inhalt eines Rechtsgeschäfts zur Kontrolle der Ausübung des Kündigungsrechts herangezogen wird, statt der §§ 226, 242, 826 BGB, die eigentlich für die Rechtsausübung vorgesehen sind99. Daher werde „nicht mehr vom Gestaltungsrecht, sondern von der Wirksamkeit des Gestaltungsgeschäfts gesprochen“100. Daraus folge auch die seiner Meinung nach falsche Annahme, dass eine Kündigung nach rechtskräftiger

Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194. Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 4. 98  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 28. 99  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 68; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 3. 100  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 68. 96 

97 Vgl.

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

72

Feststellung ihrer Unwirksamkeit aus demselben Grund noch einmal ausgesprochen werden kann und nicht verbraucht ist101. d)  Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Kündigungsrecht nach der Auffassung Böttichers materiell verbraucht ist, wenn ein Gericht über den materiellen Kündigungsgrund entschieden hat. Der Verbrauch ist unabhängig davon, ob das Gerichtdabei den materiellen Kündigungsgrund bejaht oder verneint hat. 3.  Ausdrücklich zustimmende Literatur nur bei wirksamer Kündigung a)  Verbrauch bei wirksamer und unwirksamer Kündigung Die jüngere Literatur stimmt dem Verbrauch des Kündigungsrechts durch seine Ausübung meistens zu, soweit sie sich überhaupt mit dem Verbrauch des Kündigungsrechts auseinandersetzt und nicht ausschließlich eine prozessuale Lösung darlegt und dieser folgt102. Die Zustimmung zum Verbrauch des Kündigungsrechts geschieht in der Regel kritiklos unter Bezugnahme auf das Urteil des BAG vom 23. August 1993 oder auf Bötticher103. b)  Verbrauch nur bei wirksamer Kündigung Nur teilweise hat die Literatur schon vor der Entscheidung des BAG vom 20. Dezember 2012104, in der es sich von dem Verbrauch des Kündigungsrechts durch eine mangels Grundes unwirksame Kündigung verabschiedet hat, dahingehend differenziert, dass ein Verbrauch nur bei wirksamer Ausübung des Gestaltungsrechts in Betracht kommt105. Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 68. So die herrschende Meinung in der Literatur, siehe hierzu noch: § 5.III.2.d)aa). 103  Becker, AcP 188 (1988), 24, 32, der den Begriff möglicherweise jedoch nicht bewusst verwendet („nach Verbrauch, insbesondere Verfristung des Gestaltungsrechts“); Palandt-Ellenberger, vor § 104 BGB Rn. 17; Güntner, AuR 1974, 97, 113; Kaiser, Bürgerliches Recht, Rn. 54, 57, der zwar nicht das BAG zitiert, aber die Wiederholungskündigung ausdrücklich als Beispiel für einen Verbrauch des Gestaltungsrechts heranzieht; Lüke, JZ 1960, 222, 223; wohl auch Mues/Eisenbeis/Laber, Teil 1 Rn. 406; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 77; K.H. Schwab, JuS 1976, 69, 73, der Bötticher, zumindest dahingehend folgt, dass es sich um eine Frage der allgemeinen Rechtslehre handelt; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 40. So insb. auch HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 170 und APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 163/164; die die Entscheidung des BAG vom 20. 12. 2012 ‒ 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003 zwar bereits thematisieren, aber dennoch weiter vom „Verbrauch“ des Kündigungsrechts sprechen. 104  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003; siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.IV. 105  Deckers (1999), S. 127; Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 226. 101 

102 

§ 4  Materiellrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 73

Andere Autoren hingegen unterstellten diese Differenzierung mittelbar, indem sie einen Verbrauch nur bei der wirksamen Ausübung des Gestaltungsrechts thematisierten106. 4.  Ablehnende Literatur: „Eine solche Norm gibt es nicht“ In der Literatur wird die Auffassung vom Verbrauch des Kündigungsrechts am häufigsten damit kritisiert, dass es dafür keine materiellrechtliche Norm gebe107. Ferner meinen insbesondere Ascheid und Vogg, dass die vom BAG im Zusammenhang mit dem Verbrauch aufgeführten Zitatstellen108 allein wirksam ausgeübte Gestaltungsrechte betreffen109. Gegen den Verbrauch eines bestimmten Kündigungsgrundes spreche ferner, dass die materiellrechtliche Wirksamkeit der Kündigung nicht die Mitteilung eines Kündigungsgrundes voraussetzt. Dies belegen insbesondere die §§ 4, 7 KSchG, wonach die Wirksamkeit der Kündigung unabhängig vom Vorliegen oder der Mitteilung eines Kündigungsgrundes fingiert wird110. Bruns spricht sich in einem Beitrag anlässlich Böttichers Monographie111 zwar ausdrücklich dafür aus, dass das Gestaltungsrecht verneint sei, wenn der Kündigungsgrund verneint und die Kündigung aus diesem Grund für unwirksam erklärt wird. Allerdings folgt er Bötticher nicht, was dessen materiellrechtliche Begrün106  Flume, AT II, § 11/5, S. 144: Das Gestaltungsrecht ist nur dann eine Verfügung, wenn sie eine Rechtsänderung herbeiführt und im Übrigen nicht allein deshalb eine Verfügung, weil mit der Ausübung des Gestaltungsrecht dasselbe „verbraucht“ wird; Hattenauer, S. 318 f.; Leverenz, Jura 1996, 1, 8; wohl auch Olzen, ZZP 97 (1984), 1, 11, Fn. 38 (wenn „Rechtswirkungen eintreten“); wohl auch Staudinger-Rieble, § 315 BGB Rn. 259; v. Tuhr II 1, § 54, S. 244 (Verbrauch durch Ausübung, wobei er auf § 47, S. 94 verweist, wo er ein Erlöschen nur bei erfolgreicher Ausübung annimmt); wohl auch MüKo BGB-Würdinger, § 315 Rn. 35 (zur Ausübung des Bestimmungsrechts gem. § 315 BGB). 107  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 3 („eine solche Norm gibt es nicht“); APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146; Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9. 108  MüKo BGB-Söllner, 2. Aufl., § 305 Rn. 33: „[…]Das Gestaltungsrecht ist nach einmaliger Ausübung verbraucht. Die Gestaltungserklärung, die die Rechtslage verändert hat, kann nicht „zurückgenommen“ werden.“ Palandt-Heinrichs, 52. Aufl., § 143 BGB Rn. 1: „[Das Anfechtungsrecht] erlischt dch Ausübg (Rn. 2)“; Rn. 2 thematisiert dabei nur die Anfechungserklärung. Larenz, BGB AT, 7. Aufl., S. 479: „Das Anfechtungsrecht erlischt, falls es nicht vorher ausgeübt wurde, durch Zeitablauf, durch Verzicht des Anfechtungsberechtigten und durch Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts.“; Staudinger-Dilcher, 12. Aufl., § 142 BGB Rn. 2: „Es [das Anfechtungsrecht] erlischt durch Ausübung, sowie durch Zeitablauf, Verzicht oder Bestätigung…“ [Hervorhebungen d. Verf.]. 109  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 3; Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 16. 110  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 3; Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 226. 111  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964).

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

74

dung betrifft112. Er widerspricht Böttichers Argument der Unwiderruflichkeit. Die Unwiderruflichkeit folge allein aus dem Bedürfnis des Gegners nach Rechtssicherheit. Ferner müssen zumindest solche Kündigungen „wiederholt“ werden können, die wegen Zweifeln an derer Wirksamkeit zurückgenommen und anschließend neu erklärt werden113. Da Bötticher selbst dieses Problem erkenne, aber darüber hinweggehe und dennoch eine Konsumtion bejahe114, hält Bruns die Argumentation Böttichers für widersprüchlich115. 5.  Ergebnis Ein großer Teil der Literatur ist dem BAG hinsichtlich des Verbrauchs des Kündigungsrechts gefolgt, jedoch ohne dies genauer zu hinterfragen. Daher ist anzunehmen, dass sich dieser Teil der Literatur dem BAG auch anschließen wird, was die Korrektur dessen Auffassung mit dem Urteil vom 20. Dezember 2012116 betrifft. Einige Autoren haben schon vor der Entscheidung des BAG vom 20. Dezember 2012 den Verbrauch des Kündigungsrechts generell abgelehnt oder nur bei wirksamer Ausübung des Gestaltungsrechts bejaht. Daher ist die Auffassung vom Verbrauch des Kündigungsrechts durch den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung mittlerweile als Minderauffassung einzuordnen.

II.  Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung gemäß § 138 Abs. 1 BGB 1.  Rechtsprechung des BAG Das BAG hat am 12. Oktober 1954 in einem seiner ersten Urteile zur Wiederholungskündigung entschieden, die Auffassung, dass eine solche gemäß § 138 BGB117 sittenwidrig sein kann, sei „rechtlich haltbar“118. In seiner Leitentscheidung zur Wiederholungskündigung119 hat das BAG diese Lösungsmöglichkeit abgelehnt. Allein eine Trotzkündigung des Arbeitgebers, nach der rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung, sei möglicherweise sittenwidrig. Die Anwendung des § 138 BGB biete daher keine Lösung für solche Kündigungen, die bereits vor einer rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung ausgesprochen werden. Diese beiden Fälle – Wiederholungskündigung vor und Trotzkündigung nach der Entscheidung zur ersten Kündigung – seien jedoch gleich zu behandeln120. Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 273. Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 273 f. 114 Vgl. Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194. 115  Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 274. 116  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003. 117  In Betracht kommt allein eine Nichtigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB. 118  BAG 12. 10. 1954 – 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5; siehe hierzu bereits: § 3.I. 119  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70. 112  113 

§ 4  Materiellrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 75

2.  Differenzierungen in der Literatur Hueck stimmt dem BAG in seiner Anmerkung zur Entscheidung vom 12. Oktober 1954 dahingehend zu, dass eine Wiederholungskündigung sittenwidrig sein kann und nicht automatisch rechtswidrig ist. Dafür spreche insbesondere, dass es auch Fälle geben könne, in denen das Gericht falsch entschieden hat. Es sei das „gute Recht einer Partei, die gleiche Frage vor ein höheres Gericht zu bringen“. Damit missachte der Arbeitgeber nicht die Entscheidung des Gerichts, sondern nehme lediglich ein Recht wahr, das jedem zusteht121. 120

3.  Ablehnung in der Literatur a)  Subsidiarität des § 138 BGB Die Anwendung des § 138 BGB auf die Wiederholungskündigung lehnen viele Autoren im Ergebnis damit ab, dass die Vorschrift subsidiär sei. Bötticher und Zeuner meinen, es gebe vorrangige prozessrechtliche Lösungsmöglichkeiten122. Auch Lüke spricht sich generell gegen die Anwendung des § 138 BGB auf die Wiederholungskündigung aus, da dabei die Rechtskraft des Urteils zur ersten Kündigung verkannt werde123. Mithin geht er wie Bötticher von einem Vorrang der Rechtskraft als prozessuale Lösung aus. Güntner verweist auf den vorrangigen Verbrauch des Kündigungsrechts124. b)  Zweck des § 138 BGB Bötticher argumentiert ferner, § 138 BGB sei eine Norm, die dafür gedacht sei, den Inhalt eines Rechtsgeschäfts zu kontrollieren, während es bei der Wiederholung von Gestaltungsrechten um die Ausübung von Rechten gehe125. Bereits zuvor hatte sich Bötticher allgemein für eine restriktive Anwendung des § 138 BGB auf Kündigungen ausgesprochen126. c)  Voraussetzungen des § 138 BGB Nikisch meint, dass die Voraussetzungen des § 138 BGB127 schon nicht erfüllt seien. Möglicherweise denke ein Arbeitgeber, dass er sich im Recht befindet, weil 120 

BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; siehe hierzu bereits: § 3.II. Hueck, Anm. BAG 12. 10. 1954 ‒ 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5. 122  Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194; Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 121. 123  Lüke, JZ 1960, 203, 207. 124  Güntner, AuR 1974, 97, 113, 114. 125  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 3; siehe hierzu bereits: § 4.I.2.c). 126  Bötticher, MDR 1952, 260, 262. 127  In Betracht kommt allein eine Nichtigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB. 121 

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

76

er den Prozess zu Unrecht verloren hat. Eine solche Kündigung für sittenwidrig zu erklären sei nicht einleuchtend128. Seine Argumentation entspricht insofern der von Hueck, der sich für eine Prüfung der Sittenwidrigkeit im Einzelfall ausspricht und sie für diesen Fall auch verneint129. Auch nach Auffassung Deckers’ sind die Voraussetzungen des § 138 BGB nicht erfüllt. Die Sittenwidrigkeit einer Wiederholungskündigung setze voraus, dass der Arbeitgeber mit dem Ausspruch derselben gegen eine Norm verstößt. Allerdings stelle der Richter mit seinem Urteil allein die Rechtslage fest und lasse die materielle Rechtslage unverändert. Daher könne die Entscheidung zur ersten Kündigung keine „Verhaltensnorm“ begründen, gegen die der Arbeitgeber mit der Wiederholungskündigung verstoßen könnte130. 4.  Ergebnis Das BAG lehnt die Unwirksamkeit einer Wiederholungskündigung gemäß § 138 Abs. 1 BGB mittlerweile ab. In der Literatur wird eine Sittenwidrigkeit allenfalls im Einzelfall angenommen. Daher ist die Begründung der Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung mithilfe des § 138 Abs. 1 BGB, die Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung, eine Minderansicht.

III.  Unwirksamkeit der Wiederholungskündigung gemäß § 242 BGB In seinen wichtigen Urteilen zur Wiederholungskündigung, die in § 3 zusammengefasst wurden, geht das BAG nicht auf eine Lösung mithilfe des § 242 BGB ein131. Die Literatur thematisiert eine Unwirksamkeit der Wiederholungskündigung gemäß § 242 BGB nur selten. 1.  Zustimmende Literatur a)  Generelle Zustimmung Böttichers Bötticher differenziert, wie bereits ausgeführt, zwischen dem Inhalt und der Ausübung des Gestaltungsrechts132. Für die Ausübung seien statt des § 138 BGB die §§ 226, 242, 826 BGB anzuwenden133. Allerdings erklärt Bötticher nicht, wie 128 

Nikisch, DB 1956, 1133, 1134.

129 Vgl. Hueck, Anm. BAG 12. 10. 1954 ‒ 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5; siehe hierzu

bereits: § 4.II.2. 130  Deckers (1999), S. 127. 131  Vgl. hierzu: § 3. 132  Siehe hierzu bereits: § 4.I.2.c). 133  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 3; Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 68.

§ 4  Materiellrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 77

genau die Unwirksamkeit einer Wiederholungskündigung gemäß § 242 BGB begründet werden könnte, und geht auf diesen Lösungsansatz nicht weiter ein. b)  Flexible Lösungen mit § 242 BGB nach Teilen der Literatur In der jüngeren Literatur sprechen sich vor allem Jauernig und Hess in ihrem Lehrbuch ausdrücklich und mit relativ ausführlicher Begründung für die Anwendung des § 242 BGB aus134. Dies geschieht indes nicht im Zusammenhang mit der Wiederholungskündigung, sondern allgemein zu der Frage, ob die Parteien an Tatsachen gebunden sind, die nicht an der Rechtskraft teilnehmen, wie dies auch bei den Entscheidungsgründen zum Kündigungsgrund nach herrschender Meinung der Fall ist135. Das materielle Recht solle herangezogen werden, um eine Lösung zu finden. Es sei entscheidend, ob eine Partei sich über nur „beiläufige“ Feststellungen hinwegsetze oder nicht. Jauernig und Hess sympathisieren dabei mit einer Bindung an solche Feststellungen, die nicht nur beiläufig sind. Nur der „elastische Tatbestand des Rechtsmissbrauchs“ könne die Frage der Beiläufigkeit entscheiden und eine Bindung an unwichtige Urteilsgründe verhindern136. Eine solche „Beiläufigkeit“ wäre möglicherweise nach Ansicht von Jauernig und Hess zu verneinen, wenn im Kündigungsschutzprozess die Wirksamkeit einer Kündigung verneint wird, sodass eine Kündigung aus dem gleichen Grund deshalb gemäß § 242 BGB unwirksam wäre. 2.  Ablehnende Literatur: § 242 BGB als ultima ratio Im Zusammenhang mit der Wiederholungskündigung wird § 242 BGB, wie bereits ausgeführt, selten thematisiert. Grunsky hat die Anwendung des § 242 BGB auf wiederholte Prozesse damit abgelehnt, dass ein Rückgriff auf Generalklauseln ultima ratio sei, wobei er selbst sich für eine prozessuale Lösung und damit konsequenterweise gegen eine materiellrechtliche mithilfe des § 242 BGB ausspricht137. 3.  Ergebnis Soweit ersichtlich wird nicht vertreten, dass die Wiederholungskündigung gemäß § 242 BGB unwirksam ist. Allein eine Minderansicht von Jauernig und Hess in der Literatur, die allgemein und außerhalb des Kündigungsrechts vertreten wird, würde möglicherweise konkret beim Urteil im Kündigungsschutzprozess mit § 242 BGB eine Bindung an die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund außerhalb der Rechtskraftgrenzen des § 322 Abs. 1 ZPO befürworten. 134  Jauernig/Hess, § 63 Rn. 20 f.; zust.: W. Lüke, ZivilprozessR, Rn. 365; ferner bereits ansatzweise: A. Blomeyer, in: FS Lent (1957), S. 55, Fn. 57. 135  Siehe hierzu ausführlich: § 5.II.4. 136  Jauernig/Hess, § 63 Rn. 20 f. 137  Grunsky, Verfahrensrecht (1974), S. 521.

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

78

IV.  Zusammenfassung Auf Grundlage der Beiträge Böttichers war die Annahme, dass das Kündigungsrecht mit der Erklärung einer Kündigung verbraucht und eine Wiederholungskündigung deshalb materiellrechtlich unzulässig sei, lange weit verbreitet; insbesondere nach der Leitentscheidung des BAG zur Wiederholungskündigung vom 26. August 1993, in welcher es sich vor allem auf die Argumente Böttichers stützte138. Vor Kurzem hat sich das BAG allerdings ausdrücklich von diesem Lösungsweg verabschiedet139. Weitere materiellrechtliche Lösungen mithilfe der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB wurden schon immer nur von einer Minderheit vertreten. Eine materiellrechtliche Lösung zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung ist daher nicht herrschend.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung Nach der mittlerweile herrschenden Meinung bietet das materielle Recht keine Lösung zur Wiederholungskündigung, insbesondere keine Begründung einer Unzulässigkeit. Dementsprechend gibt es zahlreiche prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung, denen sich dieses Kapitel widmet. Die prozessrechtlichen Ansätze modifizieren die allgemeinen Regeln von Streitgegenstand und Rechtskraft, teilweise speziell für die Wiederholungskündigung. Für das Verständnis dieser prozessrechtlichen Lösungen und damit auch dieser Arbeit ist die Kenntnis der wesentlichen Regeln zum Streitgegenstand und zur Rechtskraft unerlässlich. Deshalb werden diese Regeln zusammengefasst (I.), bevor auf die prozessualen Lösungsmöglichkeiten zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung eingegangen werden kann. Die Detailliertheit der Darstellung hängt dabei davon ab, inwiefern diese Details für das Verständnis und die Systematisierung des Meinungsspektrums sowie die spätere Untersuchung der Wiederholungskündigung (Teil 3) relevant sind. Anschließend werden die Meinungen zum Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess präsentiert, insbesondere im Hinblick auf die Wiederholungskündigung (II.). Im Rahmen dessen wird bereits der erste prozessuale Lösungsvorschlag zur Behandlung der Wiederholungskündigung erläutert, nämlich dass diese einen Streitgegenstand begründe, der identisch mit demjenigen des Vorprozesses sei. Hierauf aufbauend können dann die Meinungen zur Reichweite der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess dargestellt werden; wiederum vor allem hinsichtlich der Wiederholungskündigung, sodass mit der Erweiterung der Rechtskraft eine zweite Möglichkeit zum prozessualen Umgang mit der Wiederholungskündigung präsentiert wird (III.). Die Rechtskraft kann auf viele verschiedene Weisen erweitert werden. Daher bildet 138  139 

BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70. BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 79

dieser Abschnitt einen Schwerpunkt dieses Kapitels. Bei den Ausführungen zum Streitgegenstand und zur Rechtskraft wird jeweils zunächst die Rechtsprechung als Ausgangspunkt dargestellt. Grund hierfür ist, dass die Rechtsprechung die Diskussion um die Wiederholungskündigung maßgeblich geprägt hat und immer noch prägt. Anschließend wird auf das Schrifttum eingegangen. Die Meinungen zu den Anforderungen an das Verhalten des Arbeitnehmers bei einer Wiederholungskündigung thematisiert dieses Kapitel nicht, weil diese Frage teilweise unabhängig von den Regeln zu Streitgegenstand und Rechtskraft behandelt wird. Auch diese Arbeit widmet sich dem Thema daher im Anschluss in einem separaten Kapitel (§ 6).

I.  Die Relevanz von Streitgegenstand und Rechtskraft und Grundlagen § 322 ZPO regelt die materielle Rechtskraft. Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO sind Urteile der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden wird. Der Anspruch im Sinne von § 322 Abs. 1 ZPO entspricht dabei nach mittlerweile ganz herrschender Meinung dem Streitgegenstand140. 1.  Streitgegenstand Der Streitgegenstandsbegriff 141 hat eine komplexe Entwicklung hinter sich, sowohl was die gesetzlichen Grundlagen als auch die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen betrifft142. Mittlerweile hat sich jedoch eine gefestigte herrschende Meinung herauskristallisiert143, auf welche hier der Schwerpunkt gelegt wird. 140  BGH 05. 11. 2009 ‒ IX ZR 239/07, NJW 2010, 2210, Tz. 9; BGH 12. 12. 2006 – VI ZR 4/06, NJW 2007, 1466, Tz. 7; BAG 23. 05. 2012 ‒ 1 AZB 58/11, NZA 2012, 623, Tz. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 322 ZPO Rn. 15; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 110; BeckOK ZPO-Gruber, § 322 Rn. 20; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 16; Musielak/Voit, GK ZPO, Rn. 1043; grundlegend Nikisch, Zivilprozeßrecht (1952), § 42 I.2., S. 162; Stein/Jonas-Roth, vor § 253 ZPO Rn. 16; Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 22; a.A.: A. Blomeyer, in: FS Lent (1957), S. 43, 50 („Der Urteilsgegenstand kann […] einen größeren oder kleineren Umfang haben als der Streitgegenstand im Prozeß“); Brox, JuS 1962, 121, 124 („Daß der Streitgegenstand des Prozesses und des Urteils verschieden sein können, ist ohne weiteres einleuchtend“). 141  Zur uneinheitlichen Begriffswahl der ZPO, was in der Sache den „Streitgegenstand“ betrifft, siehe ausführlich: Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 37 f. 142  Zur historischen Entwicklung des Streitgegenstandsbegriffes als Beiträge aus der jüngeren Zeit siehe z.B. Albrecht, Streitsache (2013), insb. S. 70 ff.; Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 21 ff., 35 ff. 143  Seit den späten 1970er Jahren ist „gewisser Stillstand“ in der Diskussion zu beobachten, vgl. Prütting, in: FS Beys (2003), S. 1273. Die heute vertretenen Auffassungen kom-

80

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

Der Streitgegenstand wird von der heute ganz herrschenden Meinung prozessual bestimmt. Eine Gleichsetzung von prozessualem und materiellrechtlichem Anspruch (§ 194 BGB) ist mittlerweile überholt144. Im Rahmen dessen herrscht die Theorie vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff 145. Danach bestimmt sich der Streitgegenstand erstens anhand des Antrags des Klägers und zweitens des zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalts („Anspruchsgrund“)146. Der Lebenssachverhalt im Sinne des zweigliedrigen Streitgegenstands sind nach der Rechtsprechung „alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören“147, unabhängig davon ob diese Tatsachen von den Parteien vorgetragen wurden148. Eine Minderansicht demgegenüber, die vor allem früher vertreten wurde, geht vom sogenannten eingliedrigen Streitgegenstandsbegriff aus, wonach allein der men i.d.R. zu den gleichen praktischen Ergebnissen, vgl. Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 90 (Begriffswirrwar als „nicht existentes Schreckgespenst“); W. Habscheid, in: FS Schwab (1990), S. 181, 182; Musielak/Voit, GK ZPO, Rn. 297. Ausdrücklich hingewiesen sei jedoch auf die Belebung der Diskussion um den Streitgegenstand aufgrund des Europarechts, vgl. insb. Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009); Prütting, in: FS Beys (2003), S. 1273, 1274. Für eine Zusammenfassung der wichtigsten Streitgegenstandsbegriffe m.w.Nachw. siehe auch: Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 199 f. 144  Vgl. BGH 23. 02. 2006 ‒ I ZR 272/02, NJW-RR 2006, 1118, Tz. 25; BGH 30. 10. 2002 ‒ XII ZR 345/00, NJW 2003, 585, 586; BGH 17. 03. 1964 ‒ I a ZR 193/63, NJW 1965, 688, 689; MüKo ZPO-Becker-Eberhard, vor §§ 253 ff. Rn. 32; W. Habscheid, in: FS Schwab (1990), S. 181, 183 f.; Thomas/Putzo-Reichold, Einl II Rn. 11; Stein/Jonas-Roth, vor § 253 ZPO Rn. 16; siehe hierzu bereits: Nikisch, Zivilprozeßrecht (1952), § 42 I.2., S. 162. 145  St. Rspr., vgl. BGH 30. 06. 2011 ‒ I ZR 157/10, NJW 2012, 1448, Tz. 13; BGH 05. 11. 2009 ‒ IX ZR 239/07, NJW 2010, 2210, Tz. 10; BGH 18. 11. 1982 – IX ZR 91/81, NJW 1983, 388, 389; h.Lit., grundlegend: W. Habscheid, Streitgegenstand (1956), S. 221 f.; W. Habscheid, RdA 1958, 46, 49; siehe ferner: MüKo ZPO-Becker-Eberhard, vor §§ 253 ff. Rn. 32; Jauernig/Hess, § 63 Rn. 30, 34 ff.; Lüke, in: FS Schwab (1990), S. 309, 314; Lüke, JZ 1960, 203, 204; W. Lüke, ZivilprozessR, Rn. 162; Musielak-Musielak, Einleitung Rn. 69; Thomas/Putzo-Reichold, Einl II, Rn. 5; vgl. Stein/Jonas-Roth, vor § 253 ZPO Rn. 18; BeckOK ZPO-Wendtland, § 2 Rn. 4; Zeiss/Schreiber, Rn. 307; differenzierend Nikisch, AcP 154 (1955) 271, 381, sowie Nikisch, Zivilprozeßrecht (1952), § 42 III. 3., S. 164, der nach der „vermittelnden Individualisierungstheorie“ auf den Sachverhalt nur zurückgreift, soweit dies zur Individualisierung des Antrags erforderlich ist. 146  Weitere geläufige Formulierung: Klageantrag und Klagegrund, vgl. Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 619, 620. 147  BGH 21. 10. 2008 – XI ZR 466/07, NJW 2009, 56 Tz. 15; BGH 11. 11. 1994 – V ZR 46/93, NJW 1995, 967, 968 m.w.Nachw.; MüKo ZPO-Becker-Eberhard, vor §§ 253 ff. Rn. 33 m.w.Nachw. 148  BGH 25. 10. 2012 ‒ IX ZR 207/11, NJW 2013, 540, Tz. 14; BGH 17. 03. 1995 ‒ V ZR 178/93, NJW 1995, 1757; Thomas/Putzo-Reichold, Einl II Rn. 30.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 81

Antrag relevant ist149. In jüngerer Zeit wird ferner teilweise ein sogenannter relativer oder variabler Streitgegenstandsbegriff vertreten. Danach führen verschiedene Prozessvorschriften, je nach dem Zweck der Norm, zu unterschiedlichen Streitgegenständen150. Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen151 sowie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)152 gibt es teilweise Tendenzen hin zu diesen Minderansichten. Dagegen spricht insbesondere, dass nur ein einheitlicher Streitgegenstandsbegriff berechenbare Entscheidungen ermöglicht und daher zur Rechtssicherheit beiträgt153.

149  Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 265 ff., 372 ff.; A. Blomeyer, in: FS Lent (1957), S. 43, 55, 68; K.H. Schwab, Streitgegenstand, S. 199; K.H. Schwab, JuS 1976, 69, 71; K.H. Schwab, in: FS Lüke (1997), S. 793, 796 ff. 150  Baumgärtel, JuS 1974, 69, 72 ff.; K. Blomeyer, ZZP 65 (1952), 52, 61 (Grund-/Sachbehauptung, Rechtsschutzbehauptung, Verfahrensbehauptung); Jauernig, Streitgegenstand (1967), S. 73, der allerdings danach unterscheidet, ob es ein Verfahren mit Verhandlungsoder Untersuchungsgrundsatz ist; Stein/Jonas-Roth, vor § 253 ZPO Rn. 46 ff.; wohl auch Böhm, in: FS Kralik (1986), S. 83 ff., insb. S. 121 f., der seine Theorie zwar als „dreigliedrigen Streitgegenstandsbegriff“ (Begehren, Sachverhalt, Rechtsnormen, die auf den Fall anwendbar sind) bezeichnet, der Sache nach aber dem relativen Streitgegenstandsbegriff nahekommt. 151  BGH 22. 07. 2002 – II ZR 286/01, NJW 2002, 3465, insb. Ls. 1: „Streitgegenstand […] ist das mit der Klage verfolgte prozessuale Ziel, die richterliche Klärung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses […] herbeizuführen“ und S. 3466: „Das [Verständnis vom Streitgegenstandsbegriff] wird jedoch der Eigenart der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage nicht gerecht.“ Krit. hierzu z.B. insb. Bork, NZG 2002, 1094, 1095, wohl auch Spindler/Stilz-Würthwein, § 241 AktG Rn. 90. Strenger im Sinne des zweigliedrigen Streitgegenstands jedoch wieder in BGH 14. 03. 2005 – II ZR 153/03, NZG 2005, 479, Ls.2, wonach Anfechtungsgründe wieder vorgetragen werden müssen; siehe hierzu auch: Spindler/ Stilz-Würthwein, § 241 AktG Rn. 92. 152  Sog. „Kernpunkttheorie“. Danach ist zur Bestimmung des Streitgegenstands statt auf den Antrag maßgeblich auf das Rechtsverhältnis, aus dem der Anspruch geltend gemacht wird, abzustellen, vgl. z.B. EuGH 06. 12. 1994 ‒ Rs. C-406/92, EuZW 1995, 309, Entscheidungsgrund 43 („Mittelpunkt beider Verfahren“); EuGH 08. 12. 1987 – Rs 144/86, NJW 1989, 665, Entscheidungsgrund 16 („Kernpunkt“); vgl. hierzu auch: Heiderhoff, ZZP 111 (1998), 455 ff.; Musielak-Musielak, Einleitung Rn. 72a; Rüßmann, ZZP 111 (1998), 399 ff.; Walker, ZZP 111 (1998), 429 ff. je m.w.Nachw. Nach BGH 11. 12. 1996 – VIII ZR 154/95, NJW 1997, 870, 872 müssen auch deutsche Gerichte in europarechtlichen Fällen die Kernpunkttheorie anwenden. Dies ist sehr str. Sehr krit. hierzu die h.Lit., vgl. Musielak-Musielak, Einleitung, Rn. 72a; Prütting, in: FS Beys (2003), S. 1273, 1282; sowie Rüßmann, ZZP 111 (1998), 399, 424 und Walker, ZZP 111 (1998), 429, 454, die jeweils zumindest keine Veranlassung zur Änderung der herrschenden deutschen Streitgegenstandslehren sehen, a.A.: Stürner, in: FS Lüke (1997), S. 829, 836. 153  MüKo ZPO-Becker-Eberhard, Vorbemerkung zu § 253 ff. ZPO Rn. 35; Spindler/ Stilz-Würthwein, § 241 AktG Rn. 90; ähnlich: Bork, NZG 2002, 1094, 1095.

82

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

2.  Rechtskraft a)  Zweck und Wesen der Rechtskraft Die materielle Rechtskraft führt dazu, dass formell rechtskräftige Entscheidungen (§ 705 ZPO) inhaltlich „maßgeblich“ sind154. Sie sichert damit den Zweck eines verbindlichen Urteils, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen155. Die Wirkung des Urteils erschöpft sich darin, dass jeder künftige Richter an die Entscheidung des ersten Urteils gebunden ist156. Die Rechtskraftwirkungen vorangegangener Entscheidungen sind von Amts wegen zu prüfen157. b)  Ne bis in idem als Wirkung der Rechtskraft bei Identität des Streitgegenstands Die materielle Rechtskraft bewirkt, dass eine wiederholende Entscheidung zu demselben Streitgegenstand unzulässig ist158. Dieses Verbot einer zweiten Entscheidung zu demselben Streitgegenstand wird als „ne bis in idem“159 bezeichnet. Die materielle Rechtskraft ist demnach negative Prozessvoraussetzung160. Bei entgegenstehender Rechtskraft ergeht ein Prozessurteil161.

154  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 1; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 8; Hk-ZPOSaenger, § 322 Rn. 1. 155  Vgl. BVerfG 25. 11. 2008 – 1 BvR 848/07, NJW 2009, 829, Tz. 39; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 9; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 195 f.; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 27; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 1; Hk-ZPOSaenger, § 322 Rn. 1; Zimmermann, § 322 ZPO Rn. 2. 156  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 9; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 18; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 17; a.A. materielle Rechtskrafttheorie, vgl. Hk-ZPOSaenger, § 322 Rn. 10 m.w.Nachw. 157  BGH 26. 02. 1991 – XI ZR 331/89, NJW 1991, 2014, 2015; BAG 28. 12. 1955 – 2 AZR 496/54, AP ZPO § 322 Nr. 1; BeckOK ZPO-Gruber, § 322 Rn. 19; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 20; Zimmermann, § 322 ZPO Rn. 3. 158  Grundlegend: BAG 03. 12. 1954 – 1 AZR 381/54, NJW 1955, 476, Ls. c; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 20; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 19, 21; vor allem früher wurde ein Abweichungsverbot angenommen, so insb.: A. Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 88 II; vgl. hierzu auch: Gaul, in: FS Flume (1978), S. 443, 518 f.; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 9; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 197; Stein/ Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 19. Im Ergebnis unterscheiden sich die Auffassungen jedoch nicht, vgl. Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 24. 159  Auf Deutsch: „Nicht zweimal in (auf, gegen) dasselbe“, vgl. Benke/Meissel, Juristenlatein, S. 236. 160  MüKo ZPO-Becker-Eberhard, vor §§ 253 ff. Rn. 11; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 39; Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 12. 161 Thomas/Putzo-Reichold, § 322 ZPO Rn. 11.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 83

c)  Präjudizialität als Wirkung der Rechtskraft bei verschiedenen Streitgegenständen In einem zweiten Rechtsstreit zu einem anderen Streitgegenstand ist der Richter des zweiten Prozesses an die Entscheidung des Vorprozesses von Amts wegen gebunden, wenn diese für eine Vorfrage des zweiten Prozesses maßgeblich ist. Das erste Urteil wird dabei als „präjudiziell“, diese Art und Weise der Bindung als „Präjudizialität“ bezeichnet162. Wird beispielsweise das Vorliegen eines Vertrages rechtskräftig festgestellt, ist dies in einem Folgeprozess, in dem über vertragliche Ansprüche gestritten wird, bindend163. Es ergeht ein Sachurteil164. d)  Reichweite der materiellen Rechtskraft Die materielle Rechtskraft wird objektiv, zeitlich und subjektiv begrenzt. Für die Wiederholungskündigung sind allein die objektiven und zeitlichen Grenzen der Rechtskraft relevant. aa)  Objektive Grenzen der Rechtskraft (1) Ausgangspunkt: § 322 Abs. 1 ZPO Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO reicht die materielle Rechtskraft nur so weit, wie über den Anspruch entschieden wurde. Der Anspruch bezeichnet den Streitgegenstand165, umfasst also den Klageantrag und den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt. Die Entscheidung im Sinne des § 322 Abs. 1 ZPO ergibt sich in erster Linie aus der Urteilsformel (§ 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO), die auch als Tenor bezeichnet wird166. Folglich sind die Entscheidungsgründe (§ 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) grundsätzlich nicht von der Rechtskraft erfasst167. Sie sind nur ausnahmsweise insoweit ergän162  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 12; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 197; Jauernig/Hess, § 62 Rn. 18; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 194; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 10. 163  Vgl. Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 14 m.w.Bsp. 164  BGH 16. 01. 2008 ‒ XII ZR 216/05, NJW 2008, 1227, Tz. 23; Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 9; vgl. MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 12; Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 430; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 22. 165  Siehe hierzu bereits: § 5.I. 166  Vgl. Musielak-Musielak, § 313 ZPO Rn. 6. 167  H.M., siehe nur: BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/99, NJW 2003, 3058, 3059; BGH 17. 02. 1983 – 184/81, NJW 1983, 2032, 2033; BAG 20. 12. 2012 ‒ 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 23 f.; BeckOK ZPO-Gruber, § 322 Rn. 27; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 16; Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 23; Schellhammer, Rn. 846; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 30; Zeiss/Schreiber, Rn. 572; Zimmermann, § 322 ZPO Rn. 22; a.A.: insb. v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, VI (1847), S. 350 ff.; Götz, JZ 1959, 681, 685; Grunsky, ZZP 76 (1963), 165, 175 ff.

84

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

zend heranzuziehen als dies erforderlich ist, um zu ermitteln, auf welche Rechtsfolge sich der Tenor bezieht168, erwachsen dadurch jedoch nicht in Rechtskraft169. Nicht von der Rechtskraft erfasst sind daher Tatsachenfeststellungen, Vorfragen, Einwendungen und Gegenrechte170. Wird beispielsweise ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung rechtskräftig bejaht, umfasst die Rechtskraft des Urteils nicht auch die Feststellung, dass ein Kaufvertrag geschlossen wurde171. Wird ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB bejaht, ist nicht zugleich rechtskräftig festgestellt, dass der Kläger auch Eigentümer der Sache ist172. (2) Kontradiktorisches Gegenteil Die Rechtskraft umfasst zugleich die Feststellung, dass das sogenannte kontradiktorische Gegenteil nicht vorliegt173. Wird beispielsweise rechtskräftig entschieden, dass der Kläger Eigentümer einer Sache ist, steht damit zugleich rechtskräftig fest, dass der Beklagte nicht Eigentümer ist174. Daher ist eine Klage des ursprünglichen Beklagten, in welcher dieser einen Streitgegenstand umgekehrt erneut geltend macht, unzulässig. bb)  Zeitliche Grenzen der Rechtskraft und Präklusion Zwar nehmen Tatsachenfeststellungen nicht an der Rechtskraft teil. Allerdings darf die Rechtskraft einer Entscheidung nicht gefährdet werden, indem vorgetra168 H.M., siehe nur: BGH 24. 07. 2014 – I ZR 27/13, MMR 2015, 267, Ls. 1; BGH 14. 02. 2008 – I ZR 135/05, NJW 2008, 2716, Ls.; BGH 17. 02. 1983 – III ZR 184/81, NJW 1983, 2032, BGH 12. 12. 1975 – IV ZR 101/74, NJW 1976, 1095; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, § 322 ZPO Rn. 10; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 86; Jauernig/Hess, § 63 Rn. 25; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 94, 169; W. Lüke, ZivilprozessR, Rn. 366; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 16; Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 23; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 31. Allerdings ist eine gewisse Tendenz einer Rechtskrafterweiterung auf die tragenden Entscheidungsgründe festzustellen, vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, § 322 ZPO Rn. 9. 169  Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 205. 170  BGH 05. 11. 2009 ‒ IX ZR 239/07, NJW 2010, 2210, Tz. 9; BGH 17. 02. 1983 – 184/81, NJW 1983, 2032; BGH 20. 05. 1954 ‒ GSZ 6/53, NJW 1954, 1073, 1074; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 91; Jauernig/Hess, § 63 Rn. 15, 17; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 77, 80, 86; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 32, 34, 34a. 171  W. Lüke, ZivilprozessR, Rn. 362. 172  Musielak/Voit, GK ZPO, Rn. 1043. 173  BGH 07. 07. 1993 – VIII ZR 103/92, NJW 1993, 2684, 2685; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 42; Jauernig/Hess, § 63 Rn. 4; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 186; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 21; Zimmermann, § 322 ZPO Rn. 10; a.A.: Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 21, Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 429 f., der wegen der Unterschiedlichkeit der Anträge von verschiedenen Streitgegenständen ausgeht, aber § 322 Abs. 1 ZPO analog anwendet. 174  Vgl. BGH 11. 11. 1994 – V ZR 46/93, NJW 1995, 967, 968.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 85

gen wird, dass das Urteil auf unrichtigen tatsächlichen Feststellungen basiert. Daher ist im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit anerkannt, dass die sogenannte „Präklusion“ Teil der Rechtskraftwirkung ist. Das bedeutet, dass die Parteien mit Tatsachenvorträgen ausgeschlossen („präkludiert“) sind, die zum Streitgegenstand der rechtskräftigen Entscheidung gehören175. Aus §§ 767 Abs. 2, 296a ZPO ergibt sich, dass für diese zeitliche Grenze der materiellen Rechtskraft grundsätzlich176 die letzte mündliche Tatsachenverhandlung der entscheidende Zeitpunkt ist177. Die Präklusionswirkung tritt dabei unabhängig vom Verschulden der Partei ein178. Speziell im Kündigungsschutzprozess hat die Präklusionswirkung bei einem Urteil, welches einer Kündigungsschutzklage stattgibt, zur Folge, dass der Arbeitgeber mit weiterem Tatsachenvortrag zu dieser Kündigung präkludiert ist179. Da mit dem Urteil zugleich rechtskräftig festgestellt ist, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, beziehungsweise des Ablaufs der Kündigungsfrist ein Arbeitsverhältnis bestanden hat180, darf er zudem keine weiteren Beendigungsgründe mit Wirkung zu jenem Zeitpunkt vortragen181. 3.  Ergebnis Der Streitgegenstandsbegriff und die Regeln zur Rechtskraft sind mittlerweile anerkannt, sodass sie in der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt werden können.

II.  Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess Der folgende Abschnitt befasst sich mit den Ansichten zum Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess. Für das Verständnis dieses Abschnittes sowie der vorliegenden Arbeit ist es notwendig, vorab darauf einzugehen, welches Prozess­ recht im Kündigungsschutzprozess anzuwenden ist (1.). Hierauf aufbauend wird 175  BGH 07. 07. 1993 – VIII ZR 103/92, NJW 1993, 2684, 2685; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 316; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 144; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 217; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 18; Thomas/Putzo-Reichold, § 322 ZPO Rn. 36; Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 29. 176  Im schriftlichen Verfahren gem. § 128 ZPO ist ausnahmsweise der vom Gericht bestimmte Zeitpunkt maßgeblich, vgl. BGH 28. 07. 2011 – VII ZR 180/10, NJW-RR 2011, 1528, Tz. 13. 177  MüKO ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 136; BeckOK ZPO-Gruber, § 322 Rn. 31. 178 BGH 19. 11. 2003 – VIII ZR 60/03, NJW 2004, 1252, 1253; BGH 30. 05. 1960 – II ZR 207/58, NJW 1960, 1460, Ls.; RG 09. 04. 1934 – VI 35/34, RGZ 144, 220, 222; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 140; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 230. 179 MüArbR-Berkowsky, § 127 Rn. 36. 180  Im Detail sehr str., siehe hierzu bereits die Nachweise bei § 2.III.2. 181  BAG 12. 01. 1977 – 5 AZR 593/75, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 3; MüArbR-Berkowsky, § 127 Rn. 37; Moll-Boewer, § 48 Rn. 163; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 319.

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

86

zunächst die Entwicklung der Rechtsprechung zum Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess zusammengefasst (2.). Anschließend werden die Ansichten präsentiert, die annehmen, der Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess um die Wiederholungskündigung sei derselbe wie im Vorprozess (3.) sowie diejenigen, die von verschiedenen Streitgegenständen ausgehen (4.). 1.  Auf den Kündigungsschutzprozess anzuwendendes Prozessrecht Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG sind die Arbeitsgerichte für Kündigungsschutzprozesse als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses im Urteilsverfahren zuständig182. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren gelten gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten (§§ 495 – 510c ZPO) entsprechend, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt. Solche Sonderregelungen im Sinne des § 46 Abs. 2 S. 1 a.E. ArbGG stehen in den §§ 47 – 62 ArbGG183. Aufgrund der Anwendbarkeit des § 495 ZPO wird mittelbar auch auf die Vorschriften des Verfahrens vor den Landgerichten (§§ 253 – 494 ZPO) verwiesen184. Die allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 1 – 252 ZPO) sind aufgrund des Charakters des Urteilsverfahrens als zivilprozessuales Verfahren auch ohne speziellen Verweis anwendbar185. Das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren ist insofern ein gewöhnlicher Zivilprozess186. Das Arbeitsgerichtsgesetz enthält keine besonderen Regelungen zum Streitgegenstand und zur Rechtskraft. Daher gelten auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 495 ZPO i.V.m. § 322 ZPO die soeben dargestellten187 Grundsätze des Zivilprozesses zum Streitgegenstand und zur Rechtskraft188. Demnach beschränkt sich die Rechtskraft auf die Entscheidung, mithin auf Grundlage des herrschenden punktuellen Streitgegenstandsbegriffes im Ausgangspunkt auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die angegriffe-

182 ErfK-Koch,

§ 2 ArbGG Rn. 16. BeckOK ArbR-Hamacher, § 46 ArbGG Rn. 3. 184 ErfK-Koch, § 46 ArbGG Rn. 1; Natter/Gross-Pfitzer/Ahmad, § 46 ArbGG Rn. 1; HK-ArbR-Schmitt, § 46 ArbGG Rn. 3. 185 GMP-Germelmann, § 46 ArbGG Rn. 4; BeckOK ArbR-Hamacher, § 46 ArbGG Rn. 2. 186 HK-ArbR-Schmitt, § 46 ArbGG Rn. 4. 187  Vgl. § 5.I.1 und § 5.I.2. 188  Lüke, JZ 1960, 203; GMP-Prütting, Einleitung Rn. 185 bzgl. Streitgegenstand; Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 620 f. Etwas zurückhaltender ferner bereits: W. Habscheid, RdA 1958, 46 zum Streitgegenstand, bei dessen Betrachtung der Blick nicht vom „allgemeinen bürgerlichen Rechtsstreit“ abgewendet werden darf. 183 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 87

ne Kündigung189. Die Würdigung, ob der vorgetragene Sachverhalt die Kündigung materiell begründen kann, steht hingegen in den Entscheidungsgründen und wird deshalb nicht rechtskräftig. 2.  Rechtsprechung: Punktueller Streitgegenstandsbegriff In seiner Leitentscheidung zur Wiederholungskündigung vom 26. August 1993190 hat sich das BAG zwar nicht ausdrücklich zum Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess über die Wiederholungskündigung geäußert. Indes hat es entschieden, dass die Wiederholungskündigung mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen werden muss, da eine neue Kündigungserklärung vorliegt191. Das spricht dafür, dass das BAG bei der Wiederholungskündigung im Verhältnis zur vorangegangenen Kündigung von verschiedenen Streitgegenständen ausgeht192. Dafür spricht des Weiteren, dass das BAG bereits seit den 1950er-Jahren – wenn auch in anderem Zusammenhang ‒ den sogenannten punktuellen Streitgegenstandsbegriff vertritt193, wonach nur die konkret angegriffene Kündigung Streitgegenstand ist. Am 20. Dezember 2012 stellte das BAG schließlich ausdrücklich fest, dass beim Prozess um die erste und die Wiederholungskündigung unterschiedliche Streitgegenstände existieren194. Nach der Rechtsprechung des BAG geht es im Kündigungsschutzprozess um die Wiederholungskündigung daher um einen anderen Streitgegenstand als im Vorprozess um die frühere Kündigung. 3.  Wiederholungskündigung als derselbe Streitgegenstand wie im Vorprozess Im Folgenden werden die Ansichten vorgestellt, nach denen im Prozess wegen einer Wiederholungskündigung der Streitgegenstand mit dem des Vorprozesses identisch ist. Diese Ansichten gehen mithin davon aus, dass die Wiederholungskündigung mit demselben Antrag angegriffen wird und derselbe Lebenssachverhalt im Sinne des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffes ist. Die Darstellung erfolgt chronologisch, um die Entwicklung dieser Meinung zu verdeutlichen. 189  Vgl. BAG 27. 01. 2011 – 2 AZR 826/09, NZA 2011, 804, Tz. 13; BAG 12. 06. 1986 – 2 AZR 426/85, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 17, § 2.II.2.; vgl. BAG 17. 11. 1958 – 2 AZR 277/58, AP KSchG § 3 Nr. 18, Ls. 2; Boemke, RdA 1995, 211, 222; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 45; MüKo BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn. 80. 190  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.II. 191  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71, 73. 192  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 9; a.A.: M. Schwab, RdA 2013, 257, 363. 193  Siehe hierzu bereits: § 2.III.2, insb. Fn. 98. 194  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 27; so auch bereits LAG Hamm 05. 04. 2005 ‒ 19 Sa 1/05, BeckRS 2005, 42566.

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

88

Bei konsequenter Anwendung der Regeln zur Rechtskraft müsste einem Kündigungsschutzprozess um die Wiederholungskündigung wegen des ne bis in idem-Grundsatzes die Rechtskraft des Vorprozesses entgegenstehen195, wenn man annimmt, dass der Streitgegenstand im Prozess um die Wiederholungskündigung derselbe wie im Vorprozess ist. Dies mag auf den ersten Blick entscheidend gegen eine Identität der Streitgegenstände sprechen. Bereits an dieser Stelle ist im Hinblick auf das bessere Verständnis dieser Meinung und der Vermeidung einer Voreingenommenheit196 jedoch darauf hingewiesen, dass derselbe Streitgegenstand nach Auffassung der hier vorgestellten Autoren nicht automatisch zur Unzulässigkeit einer zweiten Kündigungsschutzklage führt. Stattdessen werden die Regeln der Rechtskraft teilweise modifiziert. Dieses Thema wird ausführlich in einem weiteren Kapitel thematisiert (§ 6). a)  Kündigungsrecht als Streitgegenstand nach Bötticher Bötticher meint, eine Wiederholungskündigung begründe keinen neuen Streitgegenstand197. Streitgegenstand sei das Kündigungsrecht198. Eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage bedeute daher eine „Aberkennung des ‚Rechtfertigungsrechts‘“ für die ordentliche und eine „Aberkennung des Gestaltungsrechts“ für die außerordentliche Kündigung199. Dass eine neue Kündigungserklärung ein neues Rechtsgeschäft darstelle, sei insofern unerheblich 200. Ebenso treten möglicherweise verschiedene Beendigungszeitpunkte der verschiedenen Kündigungserklärungen in den Hintergrund 201. b)  Funktionaler Gehalt des Kündigungsrechts nach Bruns als Ergänzung Böttichers Argumentation Bruns setzt sich ausführlicher mit der Argumentation Böttichers auseinander und ergänzt dessen „überzeugend[e] Billigkeitsargumente“202. Der „Ausübungsakt eines Gestaltungsrechts“ werde in dem Ausübungsakt selbst individualisiert, genauso, wie in anderen Fällen ein Anspruch als Gegenstand einer Entscheidung individualisiert werde. Letzterer werde von der Rechtskraft einer Entscheidung erfasst. Die Entscheidung, dass eine Kündigung unwirksam ist, entspreche der Entscheidung, dass ein Rechtsverhältnis nicht besteht. Der Tenor beinhalte zugleich 195 

Vgl. hierzu ausführlich: § 5.I.2.b). So jedoch M. Schwab, RdA 2013, 357, 363, siehe hierzu noch ausführlich: § 5.II.4.f). 197  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 70; früher ging Bötticher noch von verschiedenen Streitgegenständen aus, vgl. Bötticher, in: FS Herschel (1955), 181, 197. 198  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 4. 199  Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 196. 200  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 70. 201  Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 196. 202  Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 274. 196 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 89

die negative Feststellung hinsichtlich des Grundes, sodass „jede weitere Rechtsfolge aus diesem Grund präjudiziert“ sei203. c)  Gleiche Sinngehalte nach Zeuner Zeuner vertritt ebenfalls die Meinung, dass im Kündigungsschutzprozess wegen der Wiederholungskündigung derselbe Streitgegenstand vorliege wie im Vorprozess204. Zwar könne es sein, dass eine Wiederholungskündigung materiellrechtlich eine andere Tatsache darstelle. Dies bedeute indes nicht, dass die Rechtskraft des ersten Kündigungsschutzprozesses für die Wiederholungskündigung irrelevant sei205. Mithin geht Zeuner davon aus, dass materiellrechtliche und prozessrechtliche Folgen nicht automatisch identisch sind. Stattdessen seien für die Abgrenzung des Streitgegenstands „Gleichheit und Unterschied des Sinngehalts“ entscheidend. Dabei sei insbesondere das Ziel der Rechtsfolge zu berücksichtigen 206. Die Wiederholungskündigung sei vergleichbar mit dem Regelungsgehalt des § 767 Abs. 2 ZPO, wonach bei der Vollstreckungsabwehrklage nur solche Einwendungen geltend gemacht werden können, die erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind. Zwar sei bei der Kündigungsschutzklage das Gestaltungsrecht selbst Streitgegenstand. Allerdings sei es fragwürdig, wenn die Verschiebung des Gestaltungsrechts von der Begründung in den Antrag die Abgrenzung der Rechtskraft so schwerwiegend beeinflussen könne207. Dafür, dass die Wiederholungskündigung derselbe Streitgegenstand sei, spreche ferner ein Vergleich mit anderen Gestaltungsrechten, wie etwa dem Rücktrittsrecht. Dort gelte, dass der Kläger nicht allein mit einer erneuten Rücktrittserklärung eine Rückgewähr veranlassen könne208. Zeuner bestätigt seine Auffassung mit einem Vergleich mit der verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage. Habe eine solche Erfolg, könne die Behörde keinen gleich lautenden Verwaltungsakt wiederholen 209. d)  Rechtswidriger Eingriff als Streitgegenstand nach Lüke Nach der Auffassung von Lüke ist der Streitgegenstand unabhängig vom konkreten Eingriff, also der Kündigung, zu bestimmen. Der Kläger wehre sich danach gegen den in der Kündigung liegenden „rechtswidrigen Eingriff“210. Nur so Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 274. Zeuner, MDR 1956, 257, 260. 205  Zeuner, MDR 1956, 257, 259. 206  Zeuner, MDR 1956, 257, 259 f. 207  Zeuner, MDR 1956, 257, 259. 208  Zeuner, MDR 1956, 257, 259. 209  Zeuner, MDR 1956, 257, 260; so auch bereits Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 195, Anm. 4. 210  Lüke, JZ 1960, 203, 205; krit. hierzu: Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 10. 203 

204 

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

90

lasse sich der von § 3 KSchG211 bezweckte Bestandsschutz verwirklichen 212. Die Kündigungsschutzklage erfasse daher alle Maßnahmen, die mit der konkret angegriffenen inhaltsgleich seien 213. Allein eine neue Kündigungserklärung oder ein anderer Beendigungstermin vermögen keinen neuen Streitgegenstand zu begründen 214. e)  Rechtliches Beziehungsgeflecht nach Ascheid Ascheid geht bei einer Wiederholungskündigung im Verhältnis zur ersten Kündigung ebenfalls von einer Identität des Streitgegenstands aus. Nehme man an, dass Kündigungserklärung und Kündigungsgrund untrennbar miteinander verbunden seien, liege bei einer neuen Kündigungserklärung ein neuer Streitgegenstand vor. Gehe man jedoch davon aus, dass der Streitgegenstand zwei selbstständige Bestandteile habe, nicht nur die Erklärung, sondern auch „das rechtliche Beziehungsgeflecht zwischen Kündigungserklärung und ganz konkretem Grund“, würde eine Wiederholungskündigung den gleichen Streitgegenstand darstellen, wie die frühere Kündigung215. Zwar erkennt Ascheid, dass nach der herrschenden Meinung die Rechtskraft nicht den Subsumtionsschluss erfasst. Er entkräftet dieses Argument jedoch, indem er erneut betont, dass die im ersten Kündigungsschutzprozess vorgetragenen Tatsachen „in ihrer spezifischen Beziehung als Rechtfertigungselemente der ersten Kündigung selbstständige Teile des Streitgegenstands“ waren 216. Streitgegenstand sei nicht nur die Frage nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die konkrete Kündigung, sondern auch, dass der verwendete Kündigungsgrund generell das Arbeitsverhältnis nicht auflösen könne217. Dafür spreche auch, dass der Arbeitgeber die Kündigungsgründe erst im Prozess vortragen muss218. Ferner ist Ascheid der Überzeugung, dass seine Auffassung mit den Wertungen des Gesetzes vereinbar sei. Zwar bezieht er sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich nur auf die Rechtskraft. Allerdings spricht er im Anschluss von einer Identität des Streitgegenstands und davon, dass die Rechtskraft die Wieder-

211 

§ 3 S. 1 KSchG lautete in der Fassung vom 10. 08. 1951: „Will ein Arbeitnehmer geltend machen, daß eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, so muß er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“, vgl. BGBl. Teil I, Nr. 40 vom 13. 08. 1951, S. 499. 212  Lüke, JZ 1960, 203, 205. 213  Lüke, JZ 1960, 203, 205 f. 214  Lüke, JZ 1960, 203, 207 f. 215  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 6. 216  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 6. 217  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 6 f. 218  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 6.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 91

holungskündigung unmittelbar erfasse219. Dies spricht dafür, dass er bereits den Streitgegenstand so weit fasst, dass die Wiederholungskündigung automatisch von der Rechtskraft erfasst ist, ohne dass deren Regeln modifiziert werden müssen 220. f)  Minderansicht in der jüngeren Literatur In der jüngeren Kommentarliteratur meint allein Leipold, dass Streitgegenstand bei der Kündigungsschutzklage nicht der konkrete Gestaltungsakt sei, sondern das Kündigungsrecht des Gegners. Dem stünden weder der Wille des Gesetzgebers noch die Interessen der Parteien entgegen221. g)  Zwischenergebnis Einzelne prominente Stimmen in der Literatur, die vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren vertreten wurden, gehen davon aus, dass im Kündigungsschutzrechtsstreit um eine Wiederholungskündigung derselbe Streitgegenstand vorliege, wie im Vorprozess. Die Auffassung von der Identität der Streitgegenstände ist nach alledem eine Minderansicht. 4.  Wiederholungskündigung als anderer Streitgegenstand gegenüber dem Vorprozess Zivilprozessrechtler wie Hueck, Nikisch, W. Habscheid und Prütting haben sich grundlegend dafür ausgesprochen, dass eine Wiederholungskündigung einen neuen Streitgegenstand begründe. Ihre Argumente sowie diejenigen weiterer Vertreter dieser Auffassung, werden im Folgenden wiedergegeben. a)  Erste Zweifel an einer Identität der Streitgegenstände Hueck hat bereits 1954 ausdrücklich befürwortet, dass der Streitgegenstand im Kündigungsschutzrechtsstreit immer nur eine einzelne ganz bestimmte Kündigung sei, wenn auch ohne ausführliche Begründung222. Nikisch schloss sich dem kurz danach an und äußerte Zweifel, ob überhaupt ein praktisches Bedürfnis bestehe, „Trotzkündigungen“ zu unterbinden, da sicher sei, dass der Arbeitnehmer erneut erfolgreich klagen werde223.

Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 7. M. Schwab, RdA 2013, 357, 363. 221 Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 198. 222  Hueck, Anm. BAG 12. 10. 1954 ‒ 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5; Hueck, in: FS Nipperdey (1955), S. 99, 113, 114. 223  Nikisch, DB 1956, 1133, 1134. 219 

220 Vgl.

92

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

b)  Wortlaut W. Habscheid war einer der ersten Autoren, welche die Verschiedenheit der Streitgegenstände mit dem Wortlaut des § 6 a.F. KSchG224, der im Wesentlichen dem § 4 S. 1 n.F. KSchG entspricht, begründeten 225. Bis heute wird regelmäßig mit dem Wortlaut des § 4 S. 1 KSchG, insbesondere den Worten „durch die Kündigung“ und „aufgelöst ist“, argumentiert, um die Annahme verschiedener Streitgegenstände zu rechtfertigen 226. c)  Unterschiedliche Sachverhalte Für unterschiedliche Streitgegenstände sprächen ferner die im Regelfall unterschiedlichen Rechtsfolgen der verschiedenen Kündigungen, die sich an den in der Regel unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten zeigen 227. Darüber hinaus begründen bereits die verschiedenen Kündigungserklärungen die Annahme verschiedener Streitgegenstände, unabhängig davon, zu welchem Termin sie ausgesprochen werden 228. In jüngerer Zeit wird dabei auch mit dem Begriff des punktuellen Streitgegenstands229 argumentiert230. d)  Entstehungsgeschichte Prütting beruft sich darüber hinaus auf die Entstehungsgeschichte des § 4 KSchG. Die Besonderheit des § 4 KSchG gegenüber der allgemeinen Feststellungsklage im Sinne von § 256 ZPO bestehe darin, dass der Gesetzgeber dem Kläger ausnahmsweise ermögliche, einen speziellen Teil eines Rechtsverhältnisses zum Streitgegenstand einer selbstständigen Feststellungsklage zu erheben. Dieser Unterschied müsse auch praktische Folgen haben 231. Mit diesen praktischen Folgen meint Prütting offensichtlich, dass jede Kündigung einen selbstständigen Streitgegenstand begründet.

224  § 6 KSchG lautete in der Fassung vom 10. 08. 1951: „Wird die Rechtsunwirksamkeit einer sozial ungerechtfertigten Kündigung nicht geltend gemacht […] so gilt die Kündigung, wenn sie nicht aus anderem Grunde rechtsunwirksam ist, als von Anfang an rechtswirksam“, vgl. BGBl. Teil I, Nr. 40 vom 13. 08. 1951, S. 500. 225  W. Habscheid, RdA 1958, 95, 99. 226  Bettermann, ZfA 1985, 5, 18; Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 626 f. 227 HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 170; W. Habscheid, RdA 1958, 95, 99. 228 KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 326; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 170; W. Habscheid, in: FS Nipperdey (1965), S. 895, 904; Weißenfels, BB 1996, 1326, 1327. 229  Siehe hierzu bereits oben: § 2.III.2, insb. Fn. 98. 230  M. Schwab, RdA 2013, 357, 363; Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 17 f. 231  Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 626.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 93

e)  Telos Nach Prüttings Auffassung entspricht die Annahme verschiedener Streitgegenstände auch dem Gesetzeszweck. Die §§ 4, 7 KSchG bezwecken Rechtssicherheit hinsichtlich einer einzelnen, bestimmten Kündigung. Daher sei der Arbeitnehmer bei jeder weiteren Kündigung zur Erhebung einer weiteren Feststellungsklage gezwungen 232. f)  Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers Ferner führt die Annahme eines identischen Streitgegenstands nach Auffassung M. Schwabs zu einer „Rechtsschutzverweigerung“ zu Lasten des Arbeitnehmers. Bei einer Identität der Streitgegenstände wäre eine Klage des Arbeitnehmers gegen die Wiederholungskündigung aufgrund der entgegenstehenden Rechtskraft der Entscheidung zur ersten Kündigung unzulässig, sodass der Arbeitnehmer selbst nicht gerichtlich klären lassen könnte, ob die zweite Kündigung sein Arbeitsverhältnis beendet hat. Auf diese Weise würde dem Arbeitnehmer der Schutz gerade in einem Bereich versagt, in dem er besonders schutzbedürftig ist233. Anders als die meisten Autoren, die von einer Identität der Streitgegenstände ausgehen und problematische Konsequenzen mit einer Modifizierung der Regeln der Rechtskraft vermeiden 234, zieht M. Schwab eine solche Änderung der Regeln zur Rechtskraft nicht in Betracht, sodass die Konsequenzen der Annahme identischer Streitgegenstände seiner Auffassung nach bereits gegen eine solche sprechen. g)  Faktische Zustimmung der Kommentarliteratur Viele Autoren schlagen direkt vor, die Wiederholungskündigung über eine Erweiterung der Rechtskraft zu erfassen 235. Dieses Bedürfnis der Erweiterung impliziert, dass sich die Rechtskraft nur auf die Kündigung des Vorprozesses bezieht und daher Streitgegenstand im Prozess um eine Wiederholungskündigung nicht derselbe ist wie im Vorprozess. Faktisch geht dieser große Teil der Kommentarliteratur demnach ebenfalls von verschiedenen Streitgegenständen aus. h)  Zwischenergebnis Die herrschende Meinung ist der Ansicht, dass der Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess um die Wiederholungskündigung nicht derselbe ist wie im Vorprozess. Sie beruft sich dabei unter anderem auf den Wortlaut, die EntstehungsPrütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 626. M. Schwab, RdA 2013, 357, 363; vgl. zu diesem Argument ferner bereits Zeuner, MDR 1956, 257, 260. 234  Siehe hierzu bereits: § 5.II.3., sowie noch ausführlich: § 6. 235  Siehe hierzu noch ausführlich: § 5.III. 232  233 

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

94

geschichte und den Telos der §§ 4, 7 KSchG, verwendet mithin anerkannte Auslegungsmethoden 236. 5.  Ergebnis Herrschend wird angenommen, dass der Streitgegenstand im Kündigungsschutzrechtsstreit um die Wiederholungskündigung ein anderer ist als im Vorprozess um die erste Kündigung.

III.  Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess 1.  Bedürfnis nach einer Änderung der Regeln der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess a)  Ausgangssituation Die Rechtskraft eines Urteils beschränkt sich auf die Entscheidung über den Streitgegenstand 237. Nimmt man mit der herrschenden Meinung an, dass jede Kündigung einen neuen Streitgegenstand begründet, erfasst die Rechtskraft des Urteils zur ersten Kündigung deshalb nicht auch die Wiederholungskündigung. Die Rechtskraft erstreckt sich nicht auf die Entscheidungsgründe238. Der Tenor eines Urteils im Kündigungsschutzprozess enthält nur eine Aussage darüber, ob die konkrete angegriffene Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat239. Die gerichtliche Beurteilung des Kündigungsgrundes steht demgegenüber in den Entscheidungsgründen und ist deshalb nicht von der Rechtskraft des einer Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteils erfasst. Legt man diese Regel prozessrechtlich konsequent und systemkonform zugrunde, kann der Arbeitgeber problemlos eine Wiederholungskündigung aussprechen, der Arbeitnehmer diese Kündigung angreifen und das Gericht frei über sie entscheiden, ohne dass es aufgrund der Rechtskraft an das Urteil des Vorprozesses gebunden ist. Andere Ergebnisse erfordern daher eine Erweiterung der Rechtskraft im Hinblick auf die Wiederholungskündigung im Wege der Rechtsfortbildung. b)  Herleitung konstruktiver Lösungsmöglichkeiten und der Zweistufigkeit der Rechtskraft Konstruktiv gibt es verschiedene Lösungswege für die Erweiterung der Rechtskraft, die jeweils auf den allgemeinen Regeln zur Rechtskraft basieren und sämtlich auch in der Rechtsprechung und der Literatur vertreten werden oder wurden. Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff.; Wank, Auslegung, S. 41. Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.I.2.d)aa). 238  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.I.2.d)aa). 239  Vgl. MüArbR-Berkowsky, § 127 Rn. 2, 21, 24; Selzer, NZA-Beil. 2011, 164, 168. 236 Vgl. 237 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 95

Zwei Anknüpfungspunkte kommen hierfür in Betracht: die Reichweite der Rechtskraft, gewissermaßen deren „Tatbestand“, auf einer ersten Stufe und die Wirkung, die „Rechtsfolgen“ der Rechtskraft, auf einer zweiten Stufe. Das heißt, entweder wird § 322 Abs. 1 ZPO, die Grundregel zur Reichweite der Rechtskraft, modifiziert, sodass sich hieraus folgend automatisch die Wirkungen der Rechtskraft ändern; oder es werden direkt die Regeln der Rechtskraftwirkung für die Wiederholungskündigung modifiziert. Als Oberbegriff eignet sich dabei die Erweiterung der Rechtskraft. Diese Begriffe werden im Folgenden wiederholt herangezogen. Die verschiedenen Stufen und die logische Abhängigkeit der Wirkung von der Reichweite der Rechtskraft werden in der Auseinandersetzung mit der Wiederholungskündigung und dem allgemeinen Zivilprozessrecht nur selten deutlich hervorgehoben. Das könnte daran liegen, dass in der (Kommentar-)Literatur in der Regel umgekehrt erst die Wirkung und dann die Reichweite der Rechtskraft thematisiert werden 240. Diese Reihenfolge kann damit erklärt werden, dass das Wesen der Rechtskraft, die allein prozessrechtliche Wirkungsweise im Sinne der prozessualen Rechtskrafttheorie, eine zentrale Frage ist, die zu Beginn einer Auseinandersetzung mit der Rechtskraft geklärt werden sollte. Da die Wirkung der Rechtskraft, die verschiedenen Bindungsmöglichkeiten im Prozess, hiermit zusammenhängen, ist eine Erläuterung im unmittelbaren Anschluss geboten. Aus diesem Grund wurde dieser Aufbau der Darstellung auch in der vorliegenden Arbeit gewählt (§ 5.I.2.). Legt man jedoch diese logische Zweistufigkeit der Rechtskraft zugrunde, kommen auf der ersten Ebene, der Reichweite oder dem „Tatbestand“ der Rechtskraft, eine Erweiterung derselben erstens ohne dogmatische Anknüpfung, zweitens mit einer erweiternden Auslegung der Entscheidung und drittens kraft teleologischer Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO oder analoger Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO in Betracht. Auf der zweiten Ebene, den Rechtswirkungen der Rechtskraft oder deren „Rechtsfolgen“, kann die präjudizielle Bindung oder das kontradiktorische Gegenteil auf die Entscheidungsgründe ausgeweitet werden, zumindest zum Teil ‒ bei der Wiederholungskündigung was die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund betrifft. Weitere Lösungsmöglichkeiten sind eine „entsprechende Anwendung des Präklusionsprinzips“ sowie eine allgemeine rechtskraftfremde Präklusion. An dieser Stelle mag sich die Frage aufdrängen, wie praktisch mit der erweiterten Rechtskraft umzugehen ist, etwa ob sie bei Anwendung der allgemeinen Grundätze der Rechtskraft zur Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers führt oder zur automatischen Begründetheit bei modifizierter Anwendung der Regeln der Rechtskraft. Diese Frage wird jedoch, wie bereits angedeutet241, unabhängig von der konstruktiven Erweiterung der Rechtskraft im 240 Siehe nur MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 39 ff., 83 ff.; BeckOK ZPO-Gruber, § 322 Rn. 12 ff., 20 ff.; Musielak ZPO-Musielak, § 322 Rn. 9 ff., 16 ff.; Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 12 ff., 22 ff. 241  Vgl. hierzu bereits: § 5.

96

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

Kündigungsschutzprozess beantwortet und die Auffassungen hierzu daher separat dargestellt (§ 6). c)  Weiterer Gang der Untersuchung Zur Vorgehensweise in diesem Abschnitt (§ 5.III.) ist zu bemerken, dass das Meinungsspektrum zur Erweiterung der Rechtskraft kaum zu überblicken ist. Es gibt zahlreiche Beiträge, sowohl speziell zur Kündigungsschutzklage oder der Wiederholungskündigung als auch zum allgemeinen Zivilprozessrecht. Die vielfältigen Auffassungen werden daher so weit wie möglich zusammengefasst. Die Meinungen werden dabei nur insofern separat dargestellt, als sie besonders wichtig sind und sich von den anderen Auffassungen unterscheiden lassen, was insbesondere für Bötticher und Zeuner gilt. Vorab wird jedoch zunächst die Rechtsprechung des BAG zur Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess zusammengefasst (2.a) – c)), weil diese Rechtsprechung die Kommentarliteratur seit der Leitentscheidung vom 26. August 1993242 maßgeblich beeinflusst und mangels eines einheitlichen Lösungswegs entscheidend zum weiten Meinungsspektrum beigetragen hat. Das Schrifttum, welches der Rechtsprechung des BAG unmittelbar zustimmt oder sie ablehnt, wird direkt im Anschluss zusammengefasst (2.d) – e)). Anschließend werden die verschiedenen konstruktiven Möglichkeiten einer Erweiterung der Rechtskraft im Detail präsentiert, nämlich Böttichers rechtskräftiges Aberkennen des Kündigungsrechts (3.), die Rechtskrafterstreckung auf Sinnzusammenhänge im Sinne von Zeuner (4.), eine erweiternde Auslegung der Entscheidung (5.), eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO (6.), eine Analogie zu § 322 Abs. 2 ZPO (7.), die Erweiterung der Präjudizialität und des kontradiktorischen Gegenteils (8.), eine entsprechende Anwendung des Präklusionsprinzips (9.) sowie eine rechtskraftfremde Präklusion (10.). Am Ende werden allgemein ablehnende Stellungnahmen thematisiert (11.). 2.  Rechtsprechung des BAG a)  Entwicklung verschiedener Lösungsansätze in der Leitentscheidung vom 26. August 1993 In seiner Leitentscheidung zur Wiederholungskündigung243 argumentierte das BAG vom Ergebnis her, dass das Prozessrecht eine Lösung bieten müsse. Das BAG schlug vor, die Rechtskraft nicht nur auf „die durch das Urteil festgestellte Rechtsfolge, sondern auch das durch die vorgetragenen Gründe individualisierte Recht des Gegners zur Kündigung“ zu erstrecken244. Damit bezog sich das BAG auf die 242  BAG 26. 08. 1993 ‒ 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.II. 243  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70. 244  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 97

Reichweite, den „Tatbestand“ der Rechtskraft. Ob dem zu folgen ist, ließ das BAG im Ergebnis jedoch dahinstehen, indem es sich daneben für eine Lösung mit der Rechtskraftwirkung – den „Rechtsfolgen“ der Rechtskraft – aussprach 245. Für eine erweiterte Wirkung der Rechtskraft spreche zumindest die Ähnlichkeit von Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht246. Konstruktiv ordnete das BAG diese Wirkung der Rechtskraft als Präjudizialität ein, „weil es wegen der Besonderheiten der Klage gegen die Ausübung eines Gestaltungsrechts gerechtfertigt erscheint, hier die Prüfung des Kündigungsgrundes in dem Vorprozeß als Vorfrage, ja sogar die eigentliche Hauptfrage anzusehen, die Gegenstand des Folgeprozesses ist“247.

Als alternative dogmatische Konstruktion ging das BAG auf eine Präklusionswirkung ein. Sehe man auch bei einer Klage gegen ein Gestaltungsrecht den Gegenstand des Urteils stärker auf der Rechtsfolgenseite, müsse man annehmen, „daß der Arbeitgeber lediglich mit den im ersten Prozeß vorgetragenen Kündigungstatsachen präkludiert ist“248. Das BAG schien allerdings den ersten Lösungsvorschlag mithilfe der Präjudizialität zu favorisieren, wofür die Wortwahl des Gerichts spricht sowie die Tatsache, dass es die Präklusionswirkung nur einmal erwähnte und dabei ferner lediglich, um die Präjudizialität zu erläutern 249. b)  Konkretisierung des prozessrechtlichen und Korrektur des materiellrechtlichen Lösungswegs am 20. Dezember 2012 In der Entscheidung vom 20. Dezember 2012 hat das BAG seine prozessuale Lösung konkretisiert250. Das BAG betonte den Grundsatz, dass „präjudizielle Rechtsverhältnisse“ nur als Streitgegenstand von der Rechtskraft erfasst werden und Entscheidungsgründe grundsätzlich nicht251. Es erkannte ferner, dass Streitgegenstand bei der Kündigungsschutzklage nur eine einzelne, ganz bestimmte Kündigung sei252. Dennoch gründe das Verbot der Wiederholungskündigung auf der Rechtskraft. Das BAG bezog sich, wie bereits in der Leitentscheidung vom 26. August 1993253, auf Böttichers Begründung: Die Entscheidung, dass ein bestimmter Lebenssachverhalt eine Kündigung nicht begründen kann, werde von der Rechtskraftwirkung eines Urteils erfasst, da diese „Feststellung mit einem (fiktiven) Gestaltungsurteil, in dem 245 

Zur Erklärung dieser Terminologie siehe: § 5.III.1.b). BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72. 247  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71, 73. 248  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 73. 249  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 73; siehe hierzu bereits: § 3.II.2.b). 250  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003; siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.IV. 251  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls.1, Tz. 23. 252  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls.2, Tz. 24. 253  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70; siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.II. 246 

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

98

eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der fraglichen Gründe abgelehnt wird“, identisch sei. Die materielle Rechtskraft eines Urteils zu einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage umfasse daher auch „die Untauglichkeit eines vorgetragenen Lebenssachverhalts als Kündigungsgrund“254. Zwar sprach das BAG in diesem Zusammenhang von der „Rechtskraftwirkung“ und verwendete dabei den Begriff, welcher in der vorliegenden Arbeit die „Rechtsfolge“ der Rechtskraft bezeichnet. Der Sache nach geht es jedoch bereits um die Reichweite der Rechtskraft auf erster Stufe. Was die zweite Stufe, die Rechtskraftwirkung betrifft, bezeichnete das BAG sie ausdrücklich als „Präklusionswirkung“255. c)  Bestätigung des neuen Lösungswegs in mehreren Entscheidungen Den Begriff der „Präklusionswirkung“ hat das BAG seit der Klarstellung seiner Rechtsprechung bereits mehrfach erneut verwendet256. Diese neuere Rechtsprechung ist dahingehend zu interpretieren, dass das BAG nun ausdrücklich eine Erweiterung der Reichweite der Rechtskraft befürwortet, nachdem es sich in der Leit­ entscheidung zunächst noch nicht hierauf festlegen wollte und vor allem mit der Gleichbehandlung von Gestaltungsrecht und Gestaltungsklage argumentiert hatte. d)  Zustimmung der herrschenden Meinung aa)  Zustimmende Kommentarliteratur ohne weitere Begründung Ein Großteil der Kommentarliteratur schließt sich einer Erweiterung der Rechtskraft im Sinne des BAG an, wobei von „Präjudizität“ oder „Präjudizialität“ die Rede ist, auf Grundlage derer der Kündigungsschutzklage ohne Weiteres stattzugeben sei257. Teilweise wird auch die Präklusionswirkung aus der jüngeren Rechtsprechung des BAG aufgegriffen 258 oder von „entsprechende[r] Anwendung 254 

BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 2, Tz. 27. BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 3, Tz. 26. 256  BAG 18. 12. 2014 – 2 AZR 163/14, NZA 2015, 635, Tz. 33; BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Ls. 1, Tz. 13; BAG 11. 07. 2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, Tz. 37; jüngste Beispiele aus der Instanzrechtsprechung: LAG Berlin-Brandenburg 01. 09. 2016 – 10 Sa 192/16, NZA-RR 2017, 18,Tz. 34; LAG Rheinland-Pfalz 13. 06. 2016 – 3 Sa 24/16, BeckRS 2016, 73041, Tz. 48. 257 MüArbR-Berkowsky, § 127 Rn. 39; Deckers (1999), S. 214; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 327; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 170; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 363; MüKo BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn. 80; v. Hoyningen-Huene/Linck-Linck, § 4 KSchG Rn. 140; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38; Mues/Eisenbeis/Laber, Teil 1 Rn. 406; HWK-Quecke, § 4 KSchG Rn. 48; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rn. 318; GMP-Prütting, Einleitung, Rn. 206; Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 630; HK-ArbR-Schmitt, § 4 KSchG Rn. 23; BeckOK ArbR-Stoffels, § 626 BGB Rn. 219; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 165; SPV-Vossen, Rn. 2046; so wohl auch: Grimm, NJW 2008, 3237, 3237. 258 AR-Fischermeier, § 626 BGB Rn. 255; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38. 255 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 99

des Präklusionsprinzips“259, „erweiterte[r] Präklusionswirkung“260, „streitgegenstandsübergreifender Präklusion“261 oder „rechtskraftfremd[er] Präklusionswirkung“262 gesprochen. Ein Großteil der Literatur knüpft daher an die Wirkung – die „Rechtsfolge“ – der Rechtskraft an. Nur im Einzelfall wird ausführlich begründet, dass die Rechtskraft nicht nur die Rechtsfolge erfasst, „sondern auch das durch die vorgetragenen Gründe individualisierte“ Kündigungsrecht263. Da die klarstellende Entscheidung vom 20. Dezember 2012, in der das BAG ausdrücklich den Begriff der Präklusionswirkung verwendet, relativ jung ist, wird die Präklusionswirkung von der Kommentarliteratur überwiegend (noch) nicht herangezogen 264. bb)  Vogg: Vermeidung von „Überraschungseffekten“ Vogg stimmt in seiner Anmerkung zur Leitentscheidung des BAG zur Wiederholungskündigung den prozessualen Lösungsvorschlägen des BAG weitgehend zu. Nur kurz befürwortet er die Gleichstellung der Kündigungsschutzklage mit einer hypothetischen Gestaltungsklage265. Ausführlicher bejaht er die Erweiterung der Reichweite der Rechtskraft, welche das BAG dahin stehen ließ, unabhängig von dieser Gleichstellung266. Zwar spreche der Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO gegen eine Erweiterung der Rechtskraft. Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO sei indes, dass das Urteil nicht weiter gehende Folgen hat, als die Parteien beabsichtigt haben. Die Regel, dass die Entscheidungsgründe nicht von der Rechtskraft erfasst sind, solle daher „Überraschungseffekte“ vermeiden. Der Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO knüpfe folglich an die Interessen der Parteien an und nicht an die des Gerichts oder der Öffentlichkeit. Daher sei es gerechtfertigt, die Rechtskraft auf präjudizielle Rechtsverhältnisse zu erstrecken, wenn dies erstens geboten sei, um unerträgliche Folgen zu vermeiden und zweitens für die Parteien nicht überraschend ist. Für den Fall der Wiederholungskündigung nach einer rechtskräftigen Entscheidung im Vorprozess sei es einerseits für den Arbeitgeber keine Überraschung, wenn es ihm versagt ist, sich erneut auf den Kündigungsgrund zu berufen, während es andererseits dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten sei, mit einer anderen rechtlichen Würdigung im zweiten

Ascheid, in: FS Stahlhacke, S. 1, 11. LAG Hamm 05. 04. 2005 – 19 Sa 1/05, BeckRS 2005, 42556. 261  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 166. 262  Vgl. Thomas/Putzo-Reichold, § 322 ZPO Rn. 36. 263 MüArbR-Boewer, § 48 Rn 160; ähnlich, KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 327 („Würdigung, ein bestimmter Lebenssachverhalt könne eine Kündigung materiell nicht begründen“, was sie als Teil der „Rechtskraftwirkung“ bezeichnen). 264  Ausnahmen: KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 328; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 170; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 78; SPV-Vossen, Rn. 2046a. 265  Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 18. 266  Vgl. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72. 259 

260 

100

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

Kündigungsschutzverfahren rechnen zu müssen267. Faktisch nimmt Vogg eine teleologische Reduktion vor, indem er ausdrücklich vom Wortlaut ausgeht und dann mit dem Zweck der Norm argumentiert und ihren Anwendungsbereich beschränkt268. Vogg bezweifelt allerdings die Gleichbehandlung von Trotz- und Wiederholungskündigung durch das BAG, da die prozessualen Lösungsmöglichkeiten seiner Meinung nach allein bei Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils anwendbar seien269. cc)  Ausführliche Zustimmung durch M. Schwab Ausführlich hat sich in jüngerer Zeit allein M. Schwab zustimmend zur Rechtsprechung geäußert, wobei er die neueste Rechtsprechungsentwicklung seit dem 20. Dezember 2012 noch nicht berücksichtigt. M. Schwab stimmt der vom BAG befürworteten Erweiterung der Rechtskraft mit der Präjudizialität als Wirkungsweise zu. Auf eine Präklusion im Sinne des BAG geht er nicht ein. Bei seiner Begründung bezieht M. Schwab sich jedoch auf die Reichweite – den „Tatbestand“ – der Rechtskraft: „Die Feststellung, dass ein Kündigungsgrund nicht besteht, [nimmt] in dieser Ausprägung an der Rechtskraft des Urteils im Vorprozess teil“270. Er schließt sich der Argumentation des BAG an, dass ein Kündigungsgrund mit einem Anspruch auf Vertragsaufhebung funktional gleichwertig sei. Bei letzterem müsste der Arbeitgeber den Arbeitnehmer verklagen und wäre beim Unterliegen aufgrund der entgegenstehenden Rechtskraft gehindert, den Sachverhalt erneut zwecks Vertragsauflösung geltend zu machen. Die Konstruktion der Kündigungsschutzklage führe allein zu einer Umkehrung der Parteirollen von Kläger und Beklagtem, nicht jedoch zu einer Veränderung des Gegenstands des Rechtsstreits271. Für diese Auffassung spreche ferner die Wertung des § 322 Abs. 2 ZPO, wonach bei erfolgloser Aufrechnung die Entscheidung, dass diese Gegenforderung nicht besteht, in Rechtskraft erwächst. Auch bei der Kündigungsschutzklage setze der Arbeitgeber als Beklagter mit dem Kündigungsgrund der Klage eine Rechtsposition entgegen. Der Kündigungsgrund sei aus den eben genannten Gründen vergleichbar mit einem Anspruch auf Vertragsaufhebung, sodass die Situation der Kündigungsschutzklage der Aufrechnung mit einem anderen Anspruch im Sinne von § 322 Abs. 2 ZPO ähnele272. Folglich begründet M. Schwab die Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess wegen der Wiederholungskündigung mit der Reichweite der Rechtskraft. Diese begründet er dogmatisch allein mit § 322 Abs. 2 ZPO. Die Wirkung der Erweiterung der Rechtskraft bezeichnet er dabei als Präjudizialität. Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 18 f. Siehe hierzu noch ausführlich: § 5.III.6. 269  Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 20. 270  M. Schwab, RdA 2013, 357, 363. 271  M. Schwab, RdA 2013, 357, 363. 272  M. Schwab, RdA 2013, 357, 363, 364. 267 

268 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 101

e)  Ablehnende Stellungnahmen Vereinzelt wird speziell die Auffassung der Rechtsprechung zur Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess kritisiert. aa)  Pfeiffer: Vorrang der Zwischenfeststellungsklage Pfeiffer bewertet in seiner Anmerkung zur Leitentscheidung des BAG zur Wiederholungskündigung273 die vom BAG vorgenommene Erweiterung der Rechtskraft als „vertretbar“. Indes hält Pfeiffer diesen Lösungsweg im Interesse des Rechtsfriedens nicht für zwingend erforderlich, da der Arbeitnehmer im ersten Kündigungsschutzprozess die Möglichkeit habe, gemäß § 256 Abs. 2 ZPO Zwischenfeststellungsklage zu erheben, dass der Lebenssachverhalt, keinen Kündigungsgrund darstellt274. Pfeiffer geht somit zwar von der Möglichkeit einer Rechtsfortbildung aus, hält diese im konkreten Fall jedoch nicht für erforderlich. bb)  Ascheid: Systemwidrigkeit Ascheid lehnt die Lösung des BAG in seiner Leitentscheidung mithilfe der Präjudizialität ab. Wegen des punktuellen Streitgegenstandsbegriffes sei jeweils nur die konkret angegriffene Kündigung von der Rechtskraft erfasst, sodass keine Bindung begründet werden könne. Gegen eine entsprechende Anwendung der Präjudizialität spreche der Grundsatz, dass der Subsumtionsschluss nicht von der Rechtskraft erfasst ist275. Ascheid zieht nicht einmal die Möglichkeit einer Rechtsfortbildung in Betracht. Seine Auffassung zeichnet sich demnach durch die konsequente Anwendung des Prozessrechts aus. f)  Zwischenergebnis Zusammenfassend ist daher Folgendes festzustellen: Das BAG erstreckt die Rechtskraft bei der Wiederholungskündigung auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund. Die konkrete Wirkungsweise der Rechtskraft ordnete das BAG zunächst als Präjudizialität ein, seit der Rechtsprechungsänderung vom 20. Dezember 2012 als Präklusion, indes ohne dogmatische Begründung. Die Kommentarliteratur folgt dem BAG weitgehend. 3.  Rechtskräftiges Aberkennen des Gestaltungsrechts nach Bötticher Bötticher war der erste, der vorgeschlagen hat, die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung mit einer Erweiterung der Rechtskraft zu begründen. Die Rechtsprechung und einige Literaturmeinungen ziehen seine Gedanken häufig zur 273 

BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70. Pfeiffer, EWiR 1994, 409, 410. 275  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 10. 274 

102

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

Begründung dieser Ansicht heran. Daher wird seine Auffassung als erstes vorgestellt. Bötticher geht zwar davon aus, dass der Streitgegenstand beim Prozess um die Wiederholungskündigung derselbe ist wie im Vorprozess276. Allerdings vertritt er in seinen Arbeiten darüber hinaus auch die Ansicht einer Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess. a)  Festschrift Herschel: Gerechte Verteilung des Prozessrisikos 1955 hat Bötticher in einer Festschrift für Herschel erstmals vorgeschlagen, „das wegen Fehlens der Gestaltungsbasis zurückgewiesene Gestaltungsrecht als rechtskräftig aberkannt anzusehen“277. Dafür spreche insbesondere die gleiche Verteilung des Prozessrisikos auf die Parteien. Werde nämlich der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen, könne er aufgrund der entgegenstehenden Rechtskraft dieses Urteils nicht erneut auf Feststellung klagen, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Deshalb dürfe es auch dem Arbeitgeber nicht möglich sein, eine erneute gerichtliche Prüfung des rechtskräftig aberkannten Kündigungsgrundes zu verlangen278. Nachdem der Gesetzgeber entgegen Böttichers Vorschlag279 keine § 616 a.F. ZPO280 entsprechende Regelung in das Kündigungsschutzgesetz eingefügt hat, sei das Kündigungsschutzgesetz stattdessen sinngemäß auszulegen281. § 322 Abs. 2 ZPO spreche nicht gegen dieses Ergebnis. Gemäß § 322 Abs. 2 ZPO ist, wenn der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht hat, die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. § 322 Abs. 2 ZPO sei eine „singuläre“ Vorschrift, da sie nicht nur die erneute Aufrechnung, sondern auch die klageweise Geltendmachung der Gegenforderung ausschließt282. Dieser Aspekt ist deshalb zu betonen, weil andere Autoren von einem Gegenschluss ausgehen, wonach einzig im Fall der Aufrechnung eine Erweiterung der Rechtskraft möglich sei283. Dieses Gegenargument wurde zwar erst später, nämlich nach der Veröffentlichung der Herschel-Festschrift, vorgetragen.

276 

Siehe hierzu bereits oben: § 5.II.3.a). Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194. 278  Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194; bestätigt in: Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 63. 279  Bötticher, RdA 1951, 81, 86, wo er neben § 616 a.F. ZPO ferner auf die Wertung des § 17 MSchG verwies, wonach der Vermieter für weitere Kündigungen mit solchen Kündigungsgründen präkludiert ist, die er bei Ausspruch der ersten Kündigung kannte. 280  Entspricht dem heutigen § 127 FamFG, siehe hierzu bereits: Teil 2, Fn. 7. 281  Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 195. 282  Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 195. 283  Vgl. hierzu aus der jüngeren Zeit: BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Batschari/Durst, NJW 1995, 1650, 1652; siehe hierzu noch: § 5.III.4.h)cc)(2). 277 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 103

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Bötticher mit diesem Einwand rechnete und deshalb bereits zuvor vorsorglich dagegen argumentierte. Eine ausführlichere Begründung der erweiterten Rechtskraft hat sich Bötticher in der Festschrift für Herschel noch ausdrücklich vorbehalten 284. b)  Festschrift Dölle: Vergleich mit hypothetischer Aufhebungsklage des Arbeitgebers Die Begründung der erweiterten Rechtskraft, die sich Bötticher in der Herschel-Festschrift vorbehielt, hat er 1963 in einer Festschrift für Dölle präsentiert285. Bötticher bestätigt das Ziel, dass die erfolgreiche Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers die gleiche Wirkung haben müsse, wie eine hypothetische erfolglose Aufhebungsklage des Arbeitgebers, sodass der Arbeitgeber nicht erneut aus den gerichtlich bereits verneinten Gründen kündigen könne286. Für die Kündigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter begründet er dies mit dem Vergleich eines hypothetischen Anspruchs auf Aufhebung des Mietvertrages. Der Vermieter müsste zunächst mit einer Stufenklage auf Aufhebung des Mietvertrages klagen 287. Wäre er hiermit erfolglos, stünde einer weiteren Klage unter Heranziehung desselben Kündigungsgrundes die Rechtskraft des Urteils zur ersten Stufenklage entgegen. Die Rechtskraft einer Entscheidung zu einer Kündigung müsse genauso weit reichen, wie diejenige der Entscheidung zum hypothetischen Anspruch auf Vertragsaufhebung. Der Zweck von Gestaltungsrechten sei nicht, die Rechtskraftposition des Gegners zu verschlechtern, sondern allein, die Einwilligung des Gegners in die Änderung der Rechtslage entbehrlich zu machen. Bötticher spricht sich für eine solche „Erstreckung der Rechtskraft“ aus, sowohl für ordentliche als auch für außerordentliche Kündigungen. Es dürfe keine Rolle spielen, ob unmittelbar über die Wirksamkeit der Kündigung oder die Folgen der Kündigung gestritten wird, da bei Letzterem, wie anhand des Beispiels des Mietvertrages erklärt, eine „verdeckte Stufenklage“ vorliege, welche „die Kündigung als Vorstufe in den Streitgegenstand einbezieht“288. c)  Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht: „Waffengleichheit“ bei der Rechtskraft In seiner Monographie „Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht“ aus dem Jahr 1964 hat Bötticher seine Argumentation der Dölle-Festschrift bestätigt. Es müsse unerheblich sein, ob der Gestaltungsberechtigte das Gestaltungsrecht zum Streitgegenstand mache oder ob der Gestaltungsgegner sich selbst als Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194. Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41 ff. 286  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 63. 287  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 69. 288  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 70. 284  285 

104

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

Kläger mit einer „Gegengestaltungsklage“ gegen das Gestaltungsrecht wehre289. Eine Ehescheidungsklage könne gemäß § 616 a.F. ZPO290 nicht erneut aus dem Grund erhoben werden, der bereits verneint wurde. Genauso wenig könne ein Gestaltungsrecht erneuert werden, wenn das Gestaltungsrecht im „(Gegen-)Gestaltungsprozeß“ bereits rechtskräftig aberkannt wurde. Bei der Rechtskraft sei „Waffengleichheit das oberste Gebot“291. d)  Zusammenfassung Bötticher begründet die Erweiterung der Rechtskraft eines der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgebenden Urteils mit Argumenten der Gleichbehandlung. Einerseits seien Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn sie einen Kündigungsschutzprozess verlieren, gleichzubehandeln. Andererseits sei mit einem Urteil zu Gunsten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess genauso umzugehen wie mit einem hypothetischen Urteil zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zu Lasten des Arbeitnehmers. e)  Zustimmung der herrschenden Meinung Das BAG beruft sich in seinen Entscheidungen zur Wiederholungskündigung auf die Ausführungen Böttichers, insbesondere auch in der wichtigen jüngeren Entscheidung vom 20. Dezember 2012292. Soweit die herrschende Meinung in der Literatur sich dem BAG anschließt293, stimmt sie daher mittelbar auch Bötticher zu. Unmittelbar stimmen nur sehr wenige Autoren Böttichers Auffassung zu. Allein Bruns schließt sich Bötticher ausdrücklich dahingehend an, dass die Situationen, in denen eine Gestaltungswirkung durch Klage und Urteil einerseits und durch Rechtsgeschäft andererseits eintritt, „funktional“ gleichzubehandeln sind 294. f)  Ablehnende Stellungnahmen Zahlreiche Zivilprozessrechtler haben Böttichers Erweiterung der Rechtskraft abgelehnt, jeweils mit einer anderen Begründung. Um die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Autoren und die Entwicklung des Meinungsspektrums aufzuzeigen, werden die wichtigsten Beiträge, in denen eine Erweiterung der Rechtskraft im Sinne Böttichers abgelehnt wird, chronologisch dargestellt. 289 Zur Gleichbehandlung von Gestaltungsrechten und Gestaltungsklagerechten siehe auch: BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72 f. [siehe hierzu bereits: § 3.II.2.b)] und Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 5, sowie noch ausführlich: § 7.I.1. 290  Entspricht dem heutigen § 127 FamFG, siehe hierzu bereits: Teil 2, Fn. 7. 291  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 5. 292  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 27; siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.IV. 293  Siehe hierzu bereits: § 5.III.2.d)aa). 294  Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 274, 283.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 105

aa)  Nikisch: Systemwidrigkeit Nikisch hat sich in unmittelbarer Reaktion auf Böttichers ersten Beitrag in der Herschel-Festschrift295 zu dessen Argumentation hinsichtlich der Erweiterung der Rechtskraft geäußert296. Er wirft Bötticher einen Verstoß gegen die wichtigsten Grundsätze des Prozessrechts vor. Allein die Feststellung, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, sei Gegenstand der Rechtskraft. Ferner bezweifelt Nikisch bereits die Notwendigkeit, Wiederholungskündigungen zu vermeiden, da der Arbeitnehmer mit großer Wahrscheinlichkeit eine Kündigungsschutzklage erhebe und damit erfolgreich sei297. Allgemein gegen die Rechtskraft der Entscheidungsgründe hat sich Nikisch bereits zuvor ausgesprochen, wenn auch nur mit der kurzen Begründung, dass ebendiese mit § 322 Abs. 1 ZPO vermieden werden solle298. bb)  W. Habscheid: Wertung des § 322 Abs. 2 ZPO W. Habscheid interpretiert Böttichers Ansatz der rechtskräftigen Aberkennung des Rechtfertigungsrechts als analoge Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO. W. Habscheid meint, dass § 322 Abs. 2 ZPO eine Ausnahmevorschrift sei und die Voraussetzungen einer Analogie nicht erfüllt seien. Bei § 322 Abs. 2 ZPO werde mit der Aufrechnung ein Gegenanspruch geltend gemacht, während die Kündigung des Arbeitgebers ein tatsächliches Element darstelle. Die Interessenlagen seien insofern nicht vergleichbar299. cc)  Lüke: Allenfalls materiellrechtliche Unwirksamkeit Lüke kritisiert vor allem Böttichers Begründung der erweiterten Rechtskraft. Die „Aberkennung des Rechtfertigungsrechts“ im Sinne Böttichers kann Lükes Meinung nach höchstens die materiellrechtliche Unwirksamkeit einer erneuten Kündigung begründen. Böttichers prozessualer Lösungsvorschlag lasse sich damit jedoch nicht herleiten300. dd)  Dölle: Bewusste Unterscheidung zwischen Gestaltungsrechten und Gestaltungsklagerechten Dölle wendet sich in einer Bötticher gewidmeten Festschrift aus dem Jahr 1969 gegen dessen Argument der Gleichbehandlung von Gestaltungsrechten und Ge-

Bötticher, in: FS Herschel, S. 181 ff.; siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.III.3.a). Nikisch, DB 1956, 1133 – 1134. 297  Nikisch, DB 1956, 1133, 1134; siehe hierzu bereits: § 5.II.4.a). 298  Nikisch, AcP 154 (1955), 271, 281. 299  W. Habscheid, RdA 1958, 95, 98. 300  Lüke, JZ 1960, 203, 208. 295 

296 

106

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

staltungsklagerechten301. Bei Gestaltungsklagerechten muss der Gestaltungsberechtigte eine Klage erheben, wobei die beabsichtigte Rechtsänderung erst dann eintritt, wenn das dazu ergehende Gestaltungsurteil rechtskräftig wird302. Bei einem Gestaltungsklagerecht erwächst die Entscheidung über das Bestehen des Gestaltungsrechts in Rechtskraft, während bei einer Klage gegen die Rechtsänderung durch Ausübung eines Gestaltungsrechts das Bestehen desselben nur in den Entscheidungsgründen erscheint und deshalb nicht von der Rechtskraft erfasst wird303. Dölle hebt zunächst den Unterschied hervor, dass bei Gestaltungsklagen die Rechtswirkungen konstitutiv allein aufgrund des Urteils eintreten304. Gleichwohl räumt er ein, dass die Regelung von Rechten auf Änderung der Rechtslage als Gestaltungsrecht oder Gestaltungsklagerecht rechtstechnisch und daher zweitrangig sein möge und der Gesetzgeber sich jeweils auch für die andere Form hätte entscheiden können. Dennoch hält Dölle die Entscheidungen des Gesetzgebers nicht für willkürlich. Der Gesetzgeber habe sich für die Regelung als Gestaltungsklagerecht entschieden, wo Allgemeininteressen oder die Rechtssicherheit betroffen sind, wie beispielsweise bei der Ehescheidung305. Die Einordnung als Gestaltungsklagerecht verfolge den Zweck der präventiven staatlichen Kontrolle306. Zumindest für die Ehescheidung bezweifelt Dölle daher die von Bötticher angestrebte Gleichbehandlung307. ee)  Becker: Klageinitiativlast des Arbeitnehmers Becker bezieht sich in seinem maßgeblichen Beitrag zu Gestaltungsrechten zwar nicht namentlich auf Bötticher. Allerdings setzt er sich inhaltlich faktisch mit dessen wichtigsten Argumenten auseinander, sodass Beckers Ausführungen an dieser Stelle wiedergegeben werden sollen. Becker meint, die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Regelung als Gestaltungsrecht oder Gestaltungsklagerecht sei „keine unreflektierte Zufallsgesetzgebung“308. Hiermit argumentiert er auf derselben Linie wie Dölle. Auch ansonsten betrachtet Becker die Vergleichbarkeit von Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht distanzierter. Beim Gestaltungsrecht würden die Klageinitiativlasten nicht umgekehrt, sondern entsprächen dem Grundsatz, dass derjenige klagen muss, der

Dölle, in: FS Bötticher (1969), S. 93, 95 f. Medicus, BGB AT, Rn. 84. 303  Vgl. hierzu ausführlich: Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 56 ff., siehe bereits oben: § 5.III.3.b). 304  Dölle, in: FS Bötticher (1969), S. 93, 94 f. 305  Vgl. zu diesem Argument ferner Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 595. 306  Dölle, in: FS Bötticher (1969), S. 93, 95. 307  Dölle, in: FS Bötticher (1969), S. 93, 96. 308  Becker, AcP 188 (1988), 24, 68. 301 

302 Vgl.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 107

gegen eine Rechtsänderung vorgehen will309. Die Ausführungen deuten darauf hin, dass Becker eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Rechtskraftwirkung, kritisch betrachtet. Dafür spricht auch, dass Becker eine prozessrechtliche Lösung für materiellrechtliche Probleme generell in Frage stellt. Eine solche sei bei internationalen Sachverhalten problematisch, weil nach den Regeln des internationalen Zivilprozessrechts möglicherweise nationales Prozessrecht nicht anwendbar ist310. g)  Zwischenergebnis Böttichers Auffassung von der Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess hinsichtlich des „Aberkennens des Rechtfertigungsrechts“ ist bis heute Grundlage der Rechtsprechung des BAG. Trotz schwerwiegender Kritik stimmt die herrschende Meinung Bötticher zu. 4.  Rechtskrafterstreckung auf Sinnzusammenhänge nach Zeuner a)  Relevanz Zeuner hat maßgeblich zu der Auffassung der Erweiterung der Rechtskraft beigetragen, insbesondere mit seiner Habilitationsschrift aus dem Jahr 1957 zu den „objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge“. Die Relevanz Zeuners lässt sich bereits daran erkennen, dass sich das BAG in seiner Leitentscheidung auf ihn bezieht311 und seine Auffassung in den wichtigsten Kommentaren zur Zivilprozessordnung relativ ausführlich behandelt wird 312 ‒ obwohl Zeuners Ansicht eine Minderansicht geblieben ist. Zeuner unterscheidet sich von Bötticher dahingehend, dass er sich nicht auf das Kündigungsrecht beschränkt, sondern allgemein eine Rechtskrafterweiterung vertritt und die Kündigungsschutzklage dabei nur als Beispiel thematisiert. b)  Ausgangspunkt Zeuner stellt zunächst einmal klar, dass auch seiner Meinung nach die Entscheidungsgründe nicht von der Rechtskraft erfasst sind313. Allerdings schließe § 322 Becker, AcP 188 (1988), 24, 64 f. Becker, AcP 188 (1988), 24, 64; zur Entkräftung dieses Arguments siehe bereits § 1. II, insb. Fn. 29: Die Probleme bei der Wiederholungskündigung resultieren allein aus den engen Rechtskraftgrenzen des deutschen Zivilprozessrechts. Daher ist es auch angemessen, wenn eine Lösung mit dem deutschen Zivilprozessrecht entwickelt wird. Ist bei internationalen Sachverhalten ein anderes nationales Prozessrecht anzuwenden, stellen sich die hier zentralen Probleme der begrenzten Reichweite der Rechtskraft möglicherweise gar nicht. 311  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71. 312  Siehe z.B. MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 54 ff.; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 202 ff.; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 26 f. 313  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 1. 309  310 

108

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

ZPO eine differenzierende Betrachtung hinsichtlich der Rechtskraft der Entscheidungsgründe zumindest nicht aus. Die Entstehungsgeschichte stehe dem nicht entgegen, da der Gesetzgeber allein v. Savignys gemeinrechtliche Lehre, der Rechtskrafterstreckung auf sämtliche Entscheidungsgründe, ablehnen wollte314. c)  Vergleichbarkeit von Präjudizialität und Rechtskraft der Gründe Ausgangspunkt von Zeuners Überlegungen ist ein Vergleich der anerkannten Präjudizialität mit der (nicht anerkannten, hypothetischen) Rechtskraft der Entscheidungsgründe. In beiden Fällen gehe es um verschiedene Streitgegenstände. Sie seien insofern strukturell parallel315. Ob ein Fall der Präjudizialität vorliege, hänge ferner davon ab, ob die im Vorprozess zu- oder aberkannte Rechtsfolge zum Tatbestand der Folgeentscheidung gehört. Zeuner bezweifelt die Angemessenheit dieses Kriteriums, um die Grenzen der Rechtskraft zu bestimmen und hält es für fragwürdig, die Reichweite der Rechtskraft von „logisch-begrifflichen Konstruktionen“ des Gesetzes abhängig zu machen316. Mit Logik bezieht er sich dabei auf die Konstruktion von Tatbestand und Rechtsfolge einer Norm und nicht auf inhaltlich logische Beziehungen. Eine Herleitung solcher Beziehungen ist gerade das Anliegen seiner Habilitationsschrift. d)  Inhaltliche Kriterien zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft Zeuner meint, die logische Verbindung zwischen der rechtskräftig zu- oder aberkannten und der hierdurch bedingten Rechtsfolge im Fall der Präjudizialität sei nicht enger als diejenige zwischen der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge und den Entscheidungsgründen317. Deshalb sei die Reichweite der Rechtskraft mithilfe inhaltlicher Kriterien zu bestimmen318. Solche Kriterien hat Zeuner bereits zuvor genauer umschrieben und dabei als Kriterium den „Sinngehalt“ angeführt, wobei seiner Meinung nach die Ziele der Rechtsfolgen besonders beachtet werden müssen319. In seiner Habilitationsschrift schlägt er als Kriterium ferner vor, danach zu fragen, ob im Folgeprozess der rechtskräftig abgeschlossene Vorprozess inhaltlich fortgesetzt wird320. Weitere Begriffe, die er benutzt, um diese Zusammenhänge zu umschreiben sind beispielsweise „inhaltliche Beziehung“, „Sachzusammenhänge“ oder „teleologische[r] Zusammenhang“321. 314  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 4; ähnlich bereits Kloeppel, Einrede der Rechtskraft nach der deutschen CPO (1882), S. 40. 315  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 13, 52 f. 316  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 14. 317  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 28. 318  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 30. 319  Zeuner, MDR 1956, 257, 259 f. 320  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 44. 321  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 44, 51, 57.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 109

e)  Zur Kündigungsschutzklage Speziell zur Kündigungsschutzklage begründet Zeuner die Erweiterung auf dreierlei Weise, je nachdem, wie man die Kündigungsschutzklage dogmatisch einordnet. Gehe man erstens davon aus, dass die Kündigungsschutzklage auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtet sei322, sei die Kündigung ein Verteidigungsmittel des Beklagten323. Zwar sei die Gestaltungserklärung eine andere, die Gestaltungsgrundlage allerdings die gleiche324. Die Rechtskraft der Entscheidung zur ersten Kündigung schließe daher die Wiederholung der Kündigung aus325. Betrachte man die Kündigungsschutzklage zweitens als „verkappte Gestaltungsklage“, die bezwecke, eine zunächst wirksame Kündigung unwirksam zu machen, erfasst die Rechtskraft der Entscheidung zur ersten Kündigung auch eine wiederholte Kündigung, die auf denselben Sachverhalt gestützt wird326. Das Nichtbestehen einer Rechtsfolge verkörpere einen Sinngehalt, welcher der Rechtskraft fähig sei. Jede rechtliche Unwirksamkeit bedeute, dass sie in der konkreten Situation vom Gesetz nicht gewollt sei. Folglich müsse die Feststellung, dass eine Willenserklärung unwirksam sei, Rechtskraft hinsichtlich der unveränderten Wiederholung dieser Willenserklärung entfalten327. Nehme man drittens an, dass die Kündigungsschutzklage allein auf Feststellung der Unwirksamkeit einer speziellen Kündigung abziele, stehe einer Wiederholungskündigung ebenfalls die Rechtskraft der Entscheidung zur ersten Kündigung entgegen328. Zeuner verweist auf das bereits von Bötticher vorgetragene Argument der Waffengleichheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer329, da einem unterlegenen Arbeitnehmer einem erneuten Angriff der Kündigung die Rechtskraft des ersten Urteils entgegenstehen würde330. f)  Bestätigung der Argumentation Auch mehrere Jahrzehnte nach der Veröffentlichung seiner Habilitationsschrift hat Zeuner seine darin vertretene Auffassung erneut bestätigt. Einer Wiederholungskündigung stehe die Rechtskraft des Vorprozesses entgegen331. Er spricht aus322  Hiermit bezieht sich Zeuner offensichtlich auf die bestandsrechtlichen Streitgegenstandstheorien; siehe hierzu bereits: § 2.III.2, insb. Fn. 98. 323  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 132. 324  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 99, 132. 325  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 132. 326  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 132 f. 327  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 130. 328  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 133. 329 Vgl. Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 5. 330  Zeuner, MDR 1956, 257, 259. 331  Zeuner, FG BGH (2000), S. 337, 355; Zeuner, in: FS Otto (2008), S. 647, 665.

110

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

drücklich von einer „erweiterte[n] Präjudizialwirkung“ und begründet diese damit, dass eine anderslautende Entscheidung dem „negatorischen Ordnungsgehalt“ der Vorentscheidung widersprechen würde332. g)  Zustimmende Stellungnahmen Wie bereits erwähnt, stimmt das Schrifttum Zeuner nur sehr vereinzelt zu. aa)  Grunsky: Anknüpfung an den Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO Prominentester Befürworter der Ansicht Zeuners ist Grunsky, der eine der ersten Stellungnahmen zu Zeuners neuen Ansätzen abgab. Grunsky spricht sich ausdrücklich für eine, wenn auch begrenzte, Rechtskraft der Entscheidungsgründe aus und ergänzt Zeuners Ideen inhaltlich. Der Zweck der Begrenzung der Rechtskraft auf die Entscheidung greife nur bei verschiedenen Streitgegenständen. Folglich müssen die Entscheidungsgründe dann von der Rechtskraft erfasst sein, wenn in einem zweiten Prozess über denselben Anspruch gestritten wird333. Seine Auffassung sei mit dem Wortlaut des § 322 ZPO334 vereinbar. Man müsse lediglich das Wort „insoweit“ auch auf die Tatbestandselemente beziehen335. Da Grunsky sich zunächst nicht dazu geäußert hat, was denn Anspruch oder Streitgegenstand sei, helfen diese Ausführungen allein nicht weiter. In seinem später erschienenen Lehrbuch zum Verfahrensrecht hat Grunsky seine Ausführungen ergänzt. Er lehnt eine Begrenzung der Rechtskraftwirkung auf Fälle der Präjudizialität ab und stimmt dabei Zeuner ausdrücklich zu336. Grunsky führt einige Beispiele an, bei denen nach der herrschenden Meinung die Rechtskraft eines Vorprozesses einem weiteren Prozess nicht entgegenstehen würde; etwa könne nach einer Verurteilung zur Leistung bei einem Prozess um die Gegenleistung der Beklagte das Zustandekommen des Vertrages anzweifeln. Grunsky argumentiert vom Ergebnis her, dass die Folgen der herrschenden Meinung „befremdlich“ oder nicht befriedigend seien337. Deshalb müsse die materielle Rechtskraft an die Bedürfnisse der Praxis angepasst werden338. Auch für die allgemein anerkannte Präjudizität sei die Erstreckung der Rechtskraft dem Gesetz nicht zu entnehmen und beruhe darauf, dass ein „enger Sinnzusammenhang“ zwischen den Prozessen besteht. Außer den Fällen der Präjudizialität gebe es jedoch weitere KonstellatioZeuner, in: FS Otto (2008), S. 647, 666. Grunsky, AcP 76 (1963), 165, 175. 334  Grunsky bezieht sich wohl auf § 322 Abs. 1 ZPO. 335  Grunsky, AcP 76 (1963), 165, 176 f. 336  Grunsky, Verfahrensrecht (1974), S. 519. 337  Grunsky, Verfahrensrecht (1974), S. 520 f. 338  Grunsky, Verfahrensrecht (1974), S. 521; siehe hierzu bereits: § 4.III.2. 332  333 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 111

nen eines solchen Sinnzusammenhangs, bei denen widersprüchliche Entscheidungen vermieden werden sollten339. Die Entscheidungsgründe sollten nach dem Willen des Gesetzgebers nicht von der Rechtskraft erfasst sein, um Überraschungseffekte zu vermeiden. Eine entsprechende Gefahr bestehe bei einem engen Sinnzusammenhang indes nicht. Deshalb wirke die materielle Rechtskraft bei einem solchen Sinnzusammenhang auch dann, wenn kein Fall der Präjudizialität gegeben ist340. bb)  Billigung Zeuners Anliegens Zwar wird Zeuners Erweiterung der Rechtskraft anhand von Sinnzusammenhängen oft kritisiert341. Dennoch wird sein Anliegen häufig begrüßt und sein Ziel anerkannt, unbillige Ergebnisse zu vermeiden, die ohne eine Rechtskrafterweiterung eintreten342. h)  Ablehnende Stellungnahmen Die herrschende Meinung lehnt die Lehre Zeuners ab343. Insbesondere K.H. Schwab und Brox haben sich bereits recht früh ausführlich ablehnend geäußert344. aa)  Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO Ausgangspunkt der Kritik ist in der Regel der klare Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO, der die Wirkung der Rechtskraft ausdrücklich auf die Entscheidung beschränkt345.

Grunsky, Verfahrensrecht (1974), S. 521. Grunsky, Verfahrensrecht (1974), S. 522. 341  Siehe hierzu ausführlich: § 5.III.4.h). 342  Brox, JuS 1962, 121, 123; Dütz, Anm. BAG 07. 11. 1985 ‒ 8 Ta 34/85, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 8, Bl. 720; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 205; Lent, ZZP 73 (1960), 317, 320; Martens, ZZP 79 (1966), 404, 441; Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 428; Peters, ZZP 76 (1963), 229, 230, 241; K.H. Schwab, JZ 1959, 786; zur Argumentation mit Zeuners Ansätzen durch die Gerichte anderer Länder, vgl. Dalla Bontà, ZZP 125 (2012), 93 ff. 343  Vgl. BGH 23. 07. 2008 – XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922, Tz. 22; BGH 26. 06. 2003 – I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 54; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 206; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 205; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 27 jeweils m.w.Nachw.; a.A.: Grunsky, AcP 76 (1963), 165, 175 ff.; Grunsky, Verfahrensrecht (1974), S. 519 ff. [siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.III.4.g)aa)], sowie i.E. auch Kerameus, AcP 167 (1967), S. 241, 267. 344  Brox, JuS 1962, 121 ff.; K.H. Schwab, JZ 1959, 786 f. 345  BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Batschari/Durst, NJW 1995, 1650, 1652; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 176; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverahrens (2005), S. 206; K.H. Schwab, JZ 1959, 786, 787. 339 

340 

112

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

bb)  Entstehungsgeschichte Ferner wird die Auffassung Zeuners mithilfe der Gesetzesgeschichte abgelehnt346. Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen v. Savignys Theorie von der Rechtskraft der Entscheidungsgründe entschieden347. cc)  Systemzusammenhang (1) § 256 Abs. 2 ZPO Systematisch wird die Ablehnung Zeuners damit begründet, dass der Kläger gemäß § 256 Abs. 2 ZPO Zwischenfeststellungsklage erheben könne, wenn er Vorfragen rechtskräftig feststellen lassen will348. (2) § 322 Abs. 2 ZPO Systematisch wird ferner mit einem Umkehrschluss aus § 322 Abs. 2 ZPO argumentiert. § 322 Abs. 2 ZPO erstreckt die Rechtskraft auf Gegenforderungen, mit denen erfolglos aufgerechnet wurde. Die Existenz dieser Norm zeige, dass sie eine Ausnahme sei, sodass die Entscheidungsgründe grundsätzlich nicht von der Rechtskraft erfasst seien349. dd)  Unbestimmtheit und Rechtsunsicherheit Viele Autoren kritisieren außerdem, dass Zeuners Kriterien vom „teleologischen Zusammenhang“ und der „intendierten Ordnung“, nach denen er die Sinnzusammenhänge ermittelt, nicht hinreichend bestimmt seien350. Ferner wird eine generelle Erweiterung der Rechtskraft auf die tragenden Gründe oder für wertungsmäßig vergleichbare Fälle, um allein in Einzelfällen zu billigen Entscheidungen zu kom-

Kerameus, AcP 167 (1967), S. 241, 267. Brox, JuS 1962, 121, 123; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 206; Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 427 f. 348  BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Batschari/Durst, NJW 1995, 1650, 1652; Doderer, NJW 1991, 878, 879; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 27; Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 428; Peters, ZZP 76 (1963), 229, 232; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 36; Zimmermann, § 322 ZPO Rn. 24; a.A.: Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 174 f., siehe hierzu noch ausführlich: § 5.III.6.b)aa). 349  BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Batschari/Durst, NJW 1995, 1650, 1652. 350  BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Dalla Bontà, ZZP 125 (2012), 93, 121; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 54; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverahrens (2005), S. 206; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 205; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 27; K.H. Schwab, JZ 1959, 786, 787; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 36; ebenfalls kritisch Zeiss/Schreiber, Rn. 574. 346 A.A.: 347 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 113

men, damit abgelehnt, dass andernfalls die Grenzen der Rechtskraft verwischen und die Rechtssicherheit gefährdet würden351. ee)  Unvereinbarkeit mit der Stellung des Richters Eine Bindung des Richters an die Entscheidungsgründe eines Vorprozesses, über die Grenzen der Rechtskraft hinaus, ist nach Musielaks Auffassung ferner nicht mit der Position des Richters vereinbar. Dessen Entscheidungsfreiheit dürfe nur eingeschränkt werden, soweit dies zwingend geboten sei. Allein die Rechtskraft, die Musielak nicht auf die Gründe oder Sinnzusammenhänge ausdehnt, sei ein solch zwingender Grund, nicht jedoch die Prozessökonomie352. ff)  „Verstärkung von Unrecht“ Zudem wird vom Ergebnis her gegen Zeuners Ansicht argumentiert. Ist die Entscheidung des ersten Prozesses falsch, sei dies aufgrund der zwingenden Bindung infolge der Rechtskraft der Entscheidungsgründe im Sinne der Rechtsfortbildung Zeuners, auch für die Entscheidung im zweiten Prozess der Fall353. Eine freie Entscheidung des Gerichts, ohne Bindung an die Entscheidung des Vorprozesses, sei in diesem Fall vorteilhaft, da eine Verstärkung des Unrechts so verhindert werde354. In anderen Fällen eines „richtigen“ Urteils reiche die Bindung an Recht und Gesetz im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG aus, da der Richter gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Akten des Vorprozesses einsehen und von der Entscheidung des Vorprozesses in der Regel nicht abweichen werde355. i)  Zwischenergebnis Zeuner will die objektiven Grenzen der Rechtskraft, mithin die Reichweite – den „Tatbestand“ – der Rechtskraft, mit dem Kriterium des Sinnzusammenhangs de lege ferenda erweitern. Die herrschende Meinung lehnt Zeuners Ansicht unter anderem mithilfe der Auslegungscanones ab.

351  Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 556; W. Lüke, ZivilprozessR, Rn. 365; Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 429. Dies räumt sogar Zeuner selbst mittlerweile ein, vgl. Zeuner, FG BGH III (2000), S. 337, 357, Fn. 64. 352  Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 441. 353  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 55; Peters, ZZP 76 (1963), 229, 231. 354  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 55. 355  Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 556; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 55; Reischl,, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 188.

114

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

5.  Erweiterte Auslegung der Entscheidung, insbesondere nach K.H. Schwab K.H. Schwab schlägt in einer Anmerkung zu Zeuners Habilitationsschrift eine Anknüpfung an das mit der Entscheidung anvisierte Ziel vor. Er beabsichtigt, die Entscheidung auf diesem Weg weiter auszulegen und so auch die Rechtskraft zu erweitern. Diese Lösung hat er zunächst nicht genauer ausgeführt356. Kurz danach hat auch Grunsky diesen Gedanken angerissen, indem er Zeuners Ansicht mit einer erweiternden Auslegung des Wortes „insoweit“ (§ 322 Abs. 1 ZPO) unterstützt hat357. Diese Idee hat er, insbesondere in seinem Lehrbuch zum Verfahrensrecht, indes nicht weiter vertieft. Wenige Jahre danach, entwickelt K.H. Schwab in der Festschrift für Bötticher seine Gedanken zur Rechtskrafterweiterung im allgemeinen Zivilrecht weiter358. Er erstreckt die Rechtskraft auf die tragenden Entscheidungsgründe, „die nicht hinweg gedacht werden können, ohne daß die vom Richter aus dem ‚Grund‘ geschlossene ‚Folge‘ entfiele“. Die tragenden Gründe und die „Folge“ seien untrennbar und logisch voneinander abhängig359. K.H. Schwab betont, dass er damit keine „absolute“ Rechtskraftwirkung im Sinne v. Savignys befürwortet360 und weist deshalb auch Nikischs Einwand361, dass einer Rechtskrafterweiterung § 322 Abs. 1 ZPO entgegenstehe, zurück362. K.H. Schwab stellt klar, dass eine Rechtskraftwirkung nur in den drei Fällen Identität, Präjudizialität und kontradiktorisches Gegenteil möglich sei363. Dabei ordnet er seine Rechtskrafterstreckung auf die „tragenden“ Entscheidungsgründe keiner dieser Fallgruppen zu, sodass die genaue Konstruktion seiner Rechtskrafterweiterung offen bleibt. Bereits in seiner Kritik zu Zeuners Habilitationsschrift hat K.H. Schwab diese Rechtskrafterweiterung, wie soeben erwähnt, aufgeworfen, aber nicht weiter ausgeführt. In der Festschrift für Bötticher trägt er anschließend vor, dass die Entscheidung untrennbar mit den tragenden Entscheidungsgründen verknüpft sei. Damit legt er letztendlich die Entscheidung erweiternd aus, was dem Ansatz entspricht, den er zuvor erarbeitet hat. K.H. Schwabs Rechtskrafterstreckung auf die „tragenden“ Gründe ist daher als erweiternde Auslegung der Entscheidung im Sinne des § 322 Abs. 1 ZPO zu verstehen.

K.H. Schwab, JZ 1959, 786, 787. Grunsky, AcP 76 (1963), 165, 176 f.; siehe hierzu bereits: § 5.III.4.g)aa). 358  K.H. Schwab, in: FS Bötticher (1969), S. 321 ff. 359  K.H. Schwab, in: FS Bötticher (1969), S. 321, 323. 360  K.H. Schwab, in: FS Bötticher (1969), S. 321, 325. 361  Nikisch, AcP 154 (1955), 271, 281. 362  K.H. Schwab, in: FS Bötticher (1969), S. 321, 326. 363  K.H. Schwab, in: FS Bötticher (1969), S. 321, 333. 356  357 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 115

6.  Telelogische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO Eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO ist eine weitere Möglichkeit, die Rechtskraft allgemein, Zeuners Ansicht entsprechend, auf Sinnzusammenhänge und speziell im Kündigungsschutzprozess auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund zu erstrecken. Dieser Ansatz wird in der Literatur vereinzelt vertreten364. Argumentiert wird mit dem Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO (a), der Gesetzessystematik (b), der Entstehungsgeschichte (c) sowie dem Telos der Norm (d). Ob Fallgruppen zu bilden sind, wird nicht einheitlich beurteilt (e). a)  Wortlaut Ausgangspunkt sei der Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO, der eine Rechtskrafterstreckung auf Vorfragen ausschließt365. b)  Systematik aa)  § 256 Abs. 2 ZPO Systematisch spreche die Möglichkeit, gemäß § 256 Abs. 2 ZPO Zwischenfeststellungsklage zu erheben, nicht gegen eine Rechtskrafterweiterung366. Eine solche werde nur dann erhoben, wenn die Parteien einen Anlass hierzu haben, mithin, wenn sie nicht damit rechnen, dass sich der Streit mit dem laufenden Prozess erledigt. Ein solcher Anlass bestehe indes in den Konstellationen, in denen eine Erweiterung der Rechtskraft erwogen wird, gerade nicht367. Ferner würde die Zwischenfeststellungsklage dann zur Regel gemacht, als was sie jedoch nicht konzipiert wurde368. bb)  § 322 Abs. 2 ZPO Nach Deckers’ Auffassung spricht systematisch auch § 322 Abs. 2 ZPO nicht gegen eine Erstreckung der Rechtskraft auf Vorfragen369. Zwar erkennt Deckers an, 364  Siehe insb.: Deckers (1999), S. 45 ff. und faktisch auch Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 18 ff. speziell zur Wiederholungskündigung; faktisch auch Dütz, Anm. BAG 07. 11. 1985 ‒ 8 Ta 34/85, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 8, Bl. 720; zum allgemeinen Zivilprozessrecht: Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 176 ff. 365  Deckers (1999), S. 45; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 176 f.; vgl. auch MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 55, der i.E. eine teleologische Reduktion jedoch ablehnt. 366  A.A.: BGH 19. 06. 1984 – IX ZR 89/83, BeckRS 2010, 05210, Ls. 3; BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 57. 367  Deckers (1999), S. 48; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 174; vgl. hierzu auch Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 5, der ebenfalls von einer Rechtsschutzlücke ausgeht, wenn die Parteien aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Feststellungsklage erheben oder eine solche praktisch nicht von ihnen erwartet wird. 368  Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 175. 369  A.A.: BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059.

116

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

dass § 322 Abs. 2 ZPO eine Ausnahmevorschrift ist. Allerdings definiert er als Regel, von der § 322 Abs. 2 ZPO eine Ausnahme macht, dass bei einer Entscheidung über eine Leistungsklage die Rechtskraft sich nicht auf Gegenrechte erstreckt, welche der Beklagte vorträgt. Es gehe nicht um die Regel, dass Vorfragen nicht von der Rechtskraft erfasst sind370. c)  Entstehungsgeschichte Auch die Entstehungsgeschichte des § 322 Abs. 1 ZPO spreche nicht gegen eine Erweiterung der Rechtskraft. Die Diskussion im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens konzentrierte sich auf die Vermeidung einer zu weitgehenden Rechtskraft, während die Erweiterung für weniger weit reichende „Ausgleichsverhältnisse“ nicht thematisiert worden sei371. d)  Telos Auf Grundlage der vorstehenden Ausführungen sei eine Rechtskrafterstreckung auf die Entscheidungsgründe nur mithilfe einer teleologischen Reduktion möglich. Diese setzt eine Anknüpfung an den Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO voraus. § 322 Abs. 1 ZPO bezwecke Rechtsfrieden und Rechtssicherheit. Dem widerspreche es nach Deckers, wenn eine Partei nach einer rechtskräftigen Entscheidung einen weiteren Prozess beginnt, dessen Entscheidung möglicherweise derjenigen des Vorprozesses zuwiderläuft372. Ferner sei Zweck der begrenzten Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO, die Parteien vor einer überraschenden Bindung an unbedeutende Vorfragen zu schützen. Für die Parteien sei es überraschend, wenn sie in einem zweiten Prozess plötzlich an Vorfragen eines Vorprozesses gebunden sind, welche sie während des Vorprozesses für irrelevant hielten373. Dieser Zweck greife hingegen nicht, wenn die Parteien über Vorfragen streiten, die im engen („Ausgleichs“)Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen und denen die Parteien eine besondere Bedeutung beimessen. Eine Bindung überrasche sie dann nicht. Folglich sei in diesen Fällen eine teleologische Reduktion angebracht374.

Deckers (1999), S. 49. Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 177; a.A.: ausdrücklich BGH 26. 06. 2003‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059, wonach eine teleologische Reduktion der erklärten Absicht des Gesetzgebers widerspricht. Zur Argumentation mit der Gesetzesgeschichte allgemein gegen eine Erweiterung der Rechtskraft, siehe noch ausführlich: § 5.III.11.b). 372  Deckers (1999), S. 51. 373  Deckers (1999), S. 52; Dütz, Anm. BAG 07. 11. 1985 ‒ 8 Ta 34/85, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 8, Bl. 720; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 176 f.; Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 19. 374  Deckers (1999), S. 137; Dütz, Anm. BAG 07. 11. 1985 ‒ 8 Ta 34/85, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 8, Bl. 720; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 176 f. 370  371 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 117

e)  Fallgruppen Deckers und Foerste beschreiben diese Fälle, in denen eine teleologische Reduktion in Betracht kommt, etwas genauer. Eine einzelfallbezogene Prüfung, ob die Parteien durch die Bindung an einen Entscheidungsgrund überrascht wären, würde zu Rechtsunsicherheit führen. Deshalb sei eine teleologische Reduktion nur geboten, wenn die Parteien durch eine Bindung an Vorfragen typischerweise nicht überrascht werden375. Nach Deckers’ Auffassung sei das zu bejahen, wenn präjudizielle Fragen regelmäßig im Mittelpunkt des Prozesses stehen. Bei der Kündigungsschutzklage liege mit dem Streit um die Wirksamkeit der Kündigung als Vorfrage ein solcher Fall vor, in dem die Rechtskrafterstreckung auf diese präjudizielle Vorfrage gerechtfertigt sei376. f)  Zwischenergebnis Eine teleologische Reduktion wird im Schrifttum bislang nur vereinzelt vertreten, wenn auch auf Grundlage einer systematischen Argumentation. 7.  Analoge Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO Foerste schlägt alternativ zur telelogischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO eine Analogie zu § 322 Abs. 2 ZPO vor. Gemäß § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung zum Nichtbestehen einer Forderung, die der Beklagte in Form einer Aufrechnung geltend macht, der Rechtskraft fähig. Hintergrund dieser Regelung ist nach Foerste, dass der Beklagte mit einer erneuten Geltendmachung der Forderung den „Ausgleichszusammenhang“ missachten würde377. Es sei willkürlich, § 322 Abs. 2 ZPO nicht auch auf andere Ausgleichszusammenhänge anzuwenden378. Beispiele für solche Ausgleichszusammenhänge nennt Foerste nicht. Allerdings kommen die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund hierfür in Frage. 8.  Erweiterung der Präjudizialität und des kontradiktorischen Gegenteils K.H. Schwab erwägt neben einer erweiterten Auslegung der Entscheidung379 auf „Tatbestandsseite“ der Rechtskraft als weiteren Lösungsweg eine Anknüpfung an Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 177. Deckers (1999), S. 137 f.; ähnlich i.E. Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 ‒ 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 19, der nur faktisch eine teleologische Reduktion annimmt, aber trotzdem die Bildung von Fallgruppen für die Rechtskrafterweiterung vorschlägt. 377  Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 178. 378  Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 178 f. 379  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.III.5. 375 

376 

118

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

die Fälle, in denen eine Wirkung der Rechtskraft ‒ als „Rechtsfolge“380 ‒ in einem weiteren Prozess anerkannt ist, nämlich die Präjudizialität und das kontradiktorische Gegenteil381. Teile der Literatur haben diese Ansätze bestätigt382. Zwar sprechen auch das BAG in seiner Leitentscheidung sowie Zeuner von Präjudizialität383, sodass man geneigt sein könnte, die Meinungen für identisch zu halten. Allerdings ist Ausgangspunkt des BAG und Zeuners allgemein eine Erweiterung der Rechtskraft – auf „Tatbestandsseite“ – zu welcher sie auch den größten Begründungsaufwand treiben. Mit Präjudizialität bezeichnet das BAG allein die Art der Rechtskraftwirkung: Der Richter ist wie in den anerkannten Konstellationen der Präjudizialität an die Entscheidung des Vorprozesses gebunden. Zeuner argumentiert zwar auch mit einer Vergleichbarkeit der Situationen, leitet seine Meinung letztendlich jedoch mit einer Rechtskrafterstreckung auf Sinneszusammenhänge her. Die an dieser Stelle thematisierte Meinung hingegen bezieht sich direkt auf die Art und Weise der Wirkung der Rechtskraft – die „Rechtsfolgen“ – und meint, der Richter müsse bei der Wiederholungskündigung genauso gebunden sein. Die beiden Begriffe – Präjudizialität und kontradiktorisches Gegenteil – seien erweitert auszulegen. Präjudizialität sei auch in den Konstellationen zu bejahen, in denen Zeuner eine Rechtskrafterstreckung auf die Entscheidungsgründe aufgrund von Sinnzusammenhängen befürwortet, da eine gegenteilige Entscheidung im Folgeprozess die erste Entscheidung in Frage stellen würde384. Das kontradiktorische Gegenteil sei bereits immer dann anzunehmen, wenn die im laufenden Verfahren begehrte Entscheidung der Entscheidung im Vorprozess widerspreche oder nicht mit ihr vereinbar ist385. Keiner der Autoren äußert sich dabei jedoch konkret zu der von Zeuner detailliert behandelten Fallgruppe der Kündigung. 9.  „Entsprechende Anwendung des Präklusionsprinzips“ nach Ascheid Ascheid geht zwar von identischen Streitgegenständen aus386, äußert sich in der Festschrift für Stahlhacke jedoch hilfsweise zur Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess387. Dabei lehnt er die Lösungsvorschläge des BAG ab388. Stattdessen stellt Ascheid einen alternativen Lösungsweg mithilfe der Präklusion vor. 380 

Zur Erklärung dieser Terminologie siehe: § 5.III.1.b). K.H. Schwab, JZ 1959, 786, 787. 382  Doderer, NJW 1991, 878, 879 f.; Martens, ZZP 79 (1966), 404, 439 ff.; Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 430; Peters, ZZP 76 (1963), 229, 242 f. 383  Siehe hierzu bereits: § 5.III.2.a) und § 5.III.4.c). 384  Peters, ZZP 76 (1963), 229, 242 f.; K.H. Schwab, JZ 1959, 786, 787. 385  Doderer, NJW 1991, 878, 879 f.; Martens, ZZP 79 (1966), 404, 440; Peters, ZZP 76 (1963), 229, 242 f.; K.H. Schwab, JZ 1959, 786, 787; so i.E. auch Böhm, in: FS Kralik (1986), S. 83, 120, Fn. 105. 386  Siehe hierzu bereits: § 5.II.3.e). 387 Vgl. Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 7. 388  Siehe hierzu bereits: § 5.III.2.e)bb). 381 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 119

Wie bereits bei der Meinung, die eine Erweiterung der Präjudizialität vertritt389, könnte man annehmen, dass diese der Erweiterung der Rechtskraft und Rechtskraftwirkung kraft Präklusion der jüngeren Rechtsprechung390 entspricht. Wiederum wird hier allerdings unmittelbar an die Wirkung auf „Rechtsfolgenseite“ und nicht an die Reichweite der Rechtskraft auf „Tatbestandsseite“ angeknüpft, sodass die Ansichten insofern nicht vergleichbar sind. Zunächst stellt Ascheid klar, dass eine Präklusion nur im Rahmen des Streitgegenstands relevant wird und unter Zugrundelegung des punktuellen Streitgegenstands deshalb keine unmittelbare Präklusionswirkung eintreten kann. Sie sei jedoch zwecks „prozessualen Gleichgewichts“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsprechend anzuwenden. Der Arbeitnehmer könne als Kläger die Kündigung wegen der entgegenstehenden Rechtskraft nicht erneut angreifen, wenn er den Kündigungsschutzprozess verliert391. Genauso dürfe auch dem Arbeitgeber keine „Neuauflage“ des Prozesses durch Ausspruch einer Wiederholungskündigung möglich sein392. Diese teleologische Argumentation entspricht dabei dem Gleichbehandlungsargument Böttichers und des BAG. 10.  Rechtskraftfremde Präklusion a)  Ausgangspunkt Eine weitere Lösungsmöglichkeit zum prozessualen Umgang mit der Wiederholungskündigung ist eine Erweiterung der Präklusionswirkung. Präklusion bedeutet, dass der Kläger in einem Folgeprozess mit dem Vortrag von Tatsachen, die zum Streitgegenstand des Vorprozesses gehörten, ausgeschlossen ist393. Geht man erstens mit der herrschenden Meinung davon aus, dass eine Wiederholungskündigung einen anderen Streitgegenstand als im Vorprozess begründet und bedenkt zweitens, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nicht Kläger, sondern Beklagter ist, wäre das Präklusionsprinzip (doppelt) analog anzuwenden. Eine alternative Lösungsmöglichkeit ist die analoge Anwendung spezieller Präklusionsregelungen, wie § 616 a.F. ZPO394, § 767 Abs. 3 ZPO, § 17 MSchG395, § 145 PatG. 389 

Vgl. § 5.III.8. BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 141, Ls. 1, Tz. 13; BAG 11. 07. 2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, Tz. 37; BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 1, Tz. 26; siehe hierzu bereits: § 3.IV, § 3.V. 391  Zu den prozessualen Folgen der Erweiterung der Rechtskraft siehe noch ausführlich: § 6.II. 392  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 11. 393  Siehe hierzu bereits: § 5.I.2.d)bb). 394  Entspricht dem heutigen § 127 FamFG, siehe hierzu bereits: § 3, Fn. 7. 395  Zum Wortlaut der Norm siehe bereits: § 3, Fn. 8. 390 

120

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

b)  Zustimmende Stellungnahmen Bötticher hat bereits in seiner Kritik zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes dafür plädiert, eine § 616 a.F. ZPO entsprechende Regelung in das Kündigungsschutzgesetz aufzunehmen396. Nachdem der Gesetzgeber dem nicht gefolgt ist, hat er sich für eine analoge Anwendung des § 616 a.F. ZPO ausgesprochen397. Das LAG Niedersachsen hat in der Vorinstanz zur Leitentscheidung des BAG zur Wiederholungskündigung vom 26. August 1993 die Präklusionsvorschriften § 616 a.F. ZPO, § 767 Abs. 3 ZPO, § 17 MSchG398, § 145 PatG herangezogen, um die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung zu begründen399. Auch Becker spricht sich für eine analoge Anwendung von §§ 68, 767 Abs. 3, 616 a.F. ZPO, § 145 PatG aus. Diese Vorschriften seien allgemeingültig, da sie der Prozessökonomie dienen und bezwecken, dem Gestaltungsgegner schnell zu Rechtssicherheit verhelfen400. c)  Verfassungsrechtliche und systematische Gegenargumente Die analoge Anwendung der Präklusionsvorschriften wird allgemein aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt. Ohne gesetzliche Regelung führe sie dazu, dass einer Partei kein rechtliches Gehör gewährt werde401. Speziell für den Fall der Wiederholungskündigung seien ferner die Voraussetzungen einer Analogie nicht erfüllt. Erstens liege keine planwidrige Regelungslücke vor, da der Gesetzgeber entgegen Böttichers Vorschlag402 bewusst keine § 616 a.F. ZPO entsprechende Regelung in das Kündigungsschutzgesetz aufgenommen habe403. Zweitens sei die Interessenlage im Kündigungsschutzprozess nicht mit den Sachverhalten der Präklusionsvorschriften der § 616 a.F., § 767 Abs. 3 ZPO, § 17 MSchG404, § 145 PatG vergleichbar. Diese Regelungen beziehen sich allein auf alte Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung vorlagen. Zumindest die Erklärung einer Trotzkündigung sei jedoch eine „neue Tatsa-

Bötticher, RdA 1951, 81, 86. Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 183, 195; Bötticher, Anm. BAG 12. 04. 1956 ‒ 2 AZR 247/54, AP BGB §  626 Nr. 11; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 5. 398  Zum Wortlaut der Norm siehe bereits: § 3, Fn. 8. 399  Vgl. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; nota bene: das BAG zitiert fälschlich § 616 a.F. BGB und § 17 MuSchG. 400  Becker, AcP 188 (1988), 24, 52. 401  Deckers (1999), S. 134; Prütting, RdA 1991, 257, 265; a.A.: Jauernig/Hess, § 28 Rn. 15. 402  Bötticher, RdA 1951, 81, 86. 403  Bettermann, ZfA 1985, 5, 12; Deckers (1999), S. 135 f. 404  Zum Wortlaut der Norm siehe bereits: § 3, Fn. 8. 396 

397 

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 121

che“405. Eine Wertung, dass die Regelungen die Wiederholung bereits verwendeter Gestaltungsgründe ausschließen, lasse sich den soeben aufgezählten Präklusionsvorschriften nicht entnehmen. Zweck der Vorschriften sei, dass der Kläger alle Tatsachen und Einwendungen in einem Prozess vorträgt, um eine Konzentration des Streits in einem Verfahren zu erreichen406. Dem Kündigungsschutzgesetz sei eine solche Konzentrationsmaxime darüber hinaus nicht zu entnehmen407. Die genannten Präklusionsnormen seien daher nicht verallgemeinerungsfähig408. Eine rechtskraftfremde Präklusion bedürfe einer ausdrücklichen Regelung409. Da es eine solche für die Wiederholungskündigung nicht gibt, sei eine rechtskraftfremde Präklusion für die Wiederholungskündigung abzulehnen. 11.  Grundsätzliche Kritik an einer Erweiterung der Rechtskraft In diesem Abschnitt (§ 5.III.) wurden bisher spezielle konstruktive Möglichkeiten, die Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess zu erweitern sowie die Kritik zu denselben dargestellt. Wiederkehrende Gegenargumente hierzu waren der Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO, der sich eindeutig nur auf die Entscheidung zu einer konkreten Kündigung bezieht, die Entstehungsgeschichte des § 322 Abs. 1 ZPO sowie ein systematischer Umkehrschluss aus § 256 Abs. 2 ZPO und § 322 Abs. 2 ZPO. Auf die Meinungen, die sich generell gegen eine Erweiterung der Rechtskraft aussprechen, soll ebenfalls kurz eingegangen werden. Deren Argumentation entspricht teilweise derjenigen gegen die speziellen Wege der Rechtskrafterweiterung. a)  Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO Gegen eine Erweiterung der Rechtskraft spreche generell der Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO410, speziell für die Kündigungsschutzklage der aus dem Wortlaut des § 4 KSchG resultierende punktuelle Streitgegenstand, der den Arbeitnehmer eindeutig zwinge, jede Kündigung separat anzugreifen411. b)  Entstehungsgeschichte der Zivilprozessordnung Auch die Gesetzeshistorie wird als Argument gegen eine Bindung an Vorentscheidungen, die über die eng begrenzte Rechtskraftwirkung hinausgeht, vorgeDeckers (1999), S. 134 f. Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 274 (für §§ 616 a.F. ZPO, 17 MSchG); Deckers (1999), S. 135 f. (für §§ 616 a.F. 767 Abs. 3 ZPO, 17 MSchG); MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 167. 407  Deckers (1999), S. 135 f. 408  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 166; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 231; Lüke, JZ 1960, 203, 204 für § 616 a.F. ZPO; Lüke, JZ 1960, 222, 223; Lüke, NJW 1960, 1390, 1391. 409  W. Habscheid, in: FS Nipperdey (1965), S. 895, 903 f. 410  J. Blomeyer, NJW 1969, 587, 588. 411 APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146. 405 

406 

122

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

bracht412. Prütting beruft sich auf die Gesetzesmaterialien zur Zivilprozessordnung, speziell zur Reichweite der Rechtskraft. Hier werde der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung hervorgehoben und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bei einer Beschränkung der Rechtskraft auf die Entscheidung verneint413. Anders als das BAG nach Prüttings Lesart meint, gebe es deshalb keinen allgemeinen und zwingenden Grundsatz, dass das Verfahrensrecht sich widersprechende Entscheidungen verhindern soll414. c)  Systematik Systematisch wird der Arbeitnehmer auf die Erhebung einer speziellen Feststellungsklage verwiesen, wenn er ausnahmsweise auch ein Interesse an einer „echten“ Entscheidung zu einer speziellen Anspruchsvoraussetzung hat415. Gemeint ist hiermit wohl vor allem die Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO. Ferner wird eine generelle Erweiterung der Rechtskraft, um den Problemen seltener Einzelfälle zu begegnen, per se für bedenklich gehalten416. d)  Interessen des Klägers Ferner entspreche eine Erweiterung der Rechtskraft nicht dem Ziel des Klägers. Der Kläger habe grundsätzlich nur ein Interesse am Ergebnis des Prozesses, nicht jedoch an den Entscheidungsgründen417. Für den Arbeitnehmer würde sich bei einer Erweiterung der Rechtskraft die Situation im Kündigungsschutzprozess nicht verbessern. Erstens würde sich der Streit dann um die Frage drehen, ob eine Wiederholungskündigung ausgesprochen wurde. Der Arbeitnehmer müsste Kündigungsschutzklage erheben, um das Risiko zu verhindern, dass das Gericht nicht vom Vorliegen einer Wiederholungskündigung ausgeht und deshalb andernfalls die Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG eintreten würde418. Zweitens würde nach Ansicht Hesses den Arbeitnehmer darüber hinaus auch noch das Kostenrisiko treffen419. Nimmt das Gericht an, dass eine Wiederholungskündigung vorliegt, weist es die Klage wegen der entgegenstehenden Rechtskraft als unzulässig ab, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer die Kosten 412  Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 226; Peters, ZZP 76 (1963), 229, 241; Prütting, RdA 1991, 257, 264 f.; Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 630. 413  Prütting, RdA 1991, 257, 264. 414  Prütting, RdA 1991, 257, 265. 415  Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 226; J. Blomeyer, NJW 1969, 587, 589. 416  J. Blomeyer, NJW 1969, 587, 588. 417  J. Blomeyer, NJW 1969, 587, 589. 418 APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146. 419 APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146.

§ 5  Prozessrechtliche Lösungen zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung 123

tragen muss420. Hesse zieht hierbei jedoch, im Gegensatz zu anderen Autoren421, keine Korrektur bei den Rechtsfolgen der Rechtskraft in Betracht. Das Gegenargument des Kostenrisikos für den Arbeitnehmer steht daher unter der Prämisse, dass bei einer Ausdehnung der Reichweite – dem „Tatbestand“ der Rechtskraft – die Rechtswirkungen der Rechtskraft – die „Rechtsfolgen“ – nicht modifiziert werden422. e)  Zwischenergebnis Sowohl in der Kommentarliteratur als auch im weiteren Schrifttum wird eine Erweiterung der Rechtskraft seit Jahrzehnten generell kritisiert. 12.  Ergebnis Die herrschende Meinung erweitert die Rechtskraft eines Urteils im Kündigungsschutzprozess, um die Unzulässigkeit einer Wiederholungskündigung zu begründen. Zwar haben einige Prozessrechtler diese Meinung kritisiert, doch konnten sie sich mit ihren Argumenten bislang nicht durchsetzen. Die Rechtsprechung des BAG prägt die herrschende Meinung hierbei ganz wesentlich. Sie knüpft ohne genaue dogmatische Herleitung unmittelbar an die Reichweite der Rechtskraft an. Diese Anknüpfung wird auf Grundlage Böttichers hauptsächlich mit der Gleichbehandlung mit einer hypothetischen Gestaltungsklage, gerichtet auf Vertragsaufhebung, begründet. Die Wirkung der Erweiterung der Rechtskraft ordnet die herrschende Meinung als Präjudizialität und Präklusion ein.

IV.  Zusammenfassung Die herrschende Meinung vertritt aufgrund der Regelung des § 4 S. 1 KSchG den sogenannten punktuellen Streitgegenstandsbegriff. Danach begründet jede Kündigung einen neuen Streitgegenstand. Dies gilt auch für die Wiederholungskündigung. Nach der Gegenansicht ist der Streitgegenstand bei der Wiederholungskündigung derselbe wie im Vorprozess. Dies wird entweder damit begründet, dass Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess das Kündigungsrecht sei (Bötticher, ähnlich Ascheid), primär der Sinngehalt des Rechtsstreits (Zeuner) oder der in einer Kündigung liegende rechtswidrige Eingriff (Lüke) betrachtet werden. Die Gegenansicht ist jedoch eine Mindermeinung geblieben. 420  Anmerkung: Gem. § 91 Abs. 1 ZPO trägt die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits. § 91 ZPO ist als Vorschrift im ersten Buch der ZPO wegen des Charakters des Urteilsverfahrens auch ohne spezielle Verweisung im ArbGG anwendbar, vgl. GMP-Germelmann, § 46 ArbGG Rn. 4, wobei der Arbeitnehmer auch beim Verlieren gem. § 12a Abs. 1 ArbGG nicht die Anwaltskosten des Gegners tragen muss. 421  Hierzu noch ausführlich: § 6. 422  Zur Erklärung dieser Terminologie siehe: § 5.III.1.b).

124

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

Will man die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung mithilfe des Prozess­ rechts begründen, ist eine Erweiterung der Rechtskraft geboten. Denn erstens ist die ne bis in idem-Wirkung der Rechtskraft nur bei identischem Streitgegenstand möglich. Zweitens erfasst die Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO nicht die Entscheidungsgründe, in denen auch die Beurteilung des Kündigungsgrundes enthalten ist, sodass auch eine Präjudizialitätswirkung ausscheidet. Die herrschende Meinung befürwortet eine Erweiterung der Reichweite der Rechtskraft auf den Kündigungsgrund ohne dogmatische Herleitung. Sie argumentiert regelmäßig mit der Gleichbehandlung mit einer hypothetischen Klage gerichtet auf Vertragsaufhebung. Müsste der Arbeitgeber eine Klage gerichtet auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erheben und würde diese abgewiesen, könne er keine zweite Klage aus demselben Grund erheben. Die Situationen seien gleichzubehandeln, sodass auch keine zweite Kündigung aus demselben Grund ausgesprochen werden dürfe. Die Wirkung der Erweiterung der Rechtskraft wird meistens als Präjudizialität bezeichnet. Allerdings verwendet das BAG seit seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2012423 den Begriff der Präklusion(-swirkung), sodass eine entsprechende Anpassung des Schrifttums zu erwarten ist.

§ 6  Anforderungen an das Verhalten des Arbeitnehmers Nimmt man an, dass der Streitgegenstand im Prozess um die Wiederholungskündigung mit dem des Vorprozesses identisch ist, steht einem Kündigungsschutzprozess wegen der Wiederholungskündigung bei konsequenter Anwendung der allgemeinen Regeln zur Rechtskraft die Rechtskraft des Vorprozesses entgegen, was zur Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage führt424. Dies wird zum Teil auch dann angenommen, wenn von verschiedenen Streitgegenständen ausgegangen wird425. Bei einer Kündigungsschutzklage gegen eine Wiederholungskündigung ist die Besonderheit zu beachten, dass der Arbeitgeber derjenige ist, der mit dem Ausspruch der Wiederholungskündigung die Ergebnisse des Vorprozesses in Frage stellt426. Es liegt gerade nicht der Normalfall vor, dass der Verlierer des Prozesses erneut klagt. Stattdessen wird die Wiederholungskündigung außerhalb des Prozesses erklärt. Der Arbeitnehmer, der die Wiederholungskündigung im Zweifel nicht akzeptiert, müsste erstens binnen drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben, um die Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG zu verhindern. Zwei423 

BAG 20. 12. 2012 ‒ 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 26. Siehe hierzu bereits: § 5.II.3. 425 APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146. 426 Vgl. Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 2, der jedoch von einem Infragestellen der „Rechtskraft“ spricht und damit sein Ergebnis einer erweiterten Rechtskraft vorwegnimmt und damit ferner das Risiko eines Zirkelschlusses eingeht. 424 

§ 6  Anforderungen an das Verhalten des Arbeitnehmers

125

tens müsste er die Nachteile der entgegenstehenden Rechtskraft des Vorprozesses tragen, falls seine Klage wegen der entgegenstehenden Rechtskraft erfolglos ist und er deshalb die Kosten tragen muss. Aus diesen Gründen besteht ein Bedürfnis, die Regeln der Rechtskraft zu korrigieren. Insofern wird neben der Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage gegen die Wiederholungskündigung (II.1.) auch vorgeschlagen, dass der Arbeitnehmer entweder gar nicht klagen muss (I.1. – 2.) oder seine Klage automatisch begründet ist (II.2.).

I.  Zur Erforderlichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die Wiederholungskündigung 1.  Entbehrlichkeit einer Kündigungsschutzklage nach Teilen der älteren Literatur Insbesondere Bötticher als prominentester Vertreter der materiellrechtlichen Lösungen hat sich als einer der ersten dagegen ausgesprochen, dass der Arbeitnehmer gegen eine Wiederholungskündigung klagen muss. Bötticher argumentiert dabei vom Ergebnis her, dass ein „Bedürfnis“ bestehe, zumindest Trotzkündigungen der Wirksamkeitsfiktion zu entziehen427. Seine Formulierung, der Kündigung sei das ne bis in idem materiellrechtlich eingeboren428 sowie die Annahme des Verbrauchs des Kündigungsrechts bestätigen seine Auffassung, dass die Wiederholungskündigung nicht einmal mit einer Klage angegriffen werden muss. Auch Lüke hat bereits recht früh dafür argumentiert, dass der Arbeitnehmer zumindest gegen eine Trotzkündigung keine Kündigungsschutzklage erheben müsse. Die Wiederholungskündigung sei rechtlich unbeachtlich, da sie gegen die Rechtskraft verstoße. Er argumentiert ferner mit dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers, der nicht klagen könne, da einer zweiten Kündigungsschutzklage die Rechtskraft des Vorprozesses entgegenstehe. Der Arbeitnehmer könne allein die Feststellung verlangen, dass die Rechtskraft des Vorprozesses auch die Trotzkündigung erfasse429. In der älteren Literatur stimmt allein Zeuner Bötticher und Lüke im Ergebnis zu430. Zum besseren Verständnis dieser Auffassung ist darauf hinzuweisen, dass die Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG erst seit dem 1. Januar 2004

Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 194 f. Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 5. 429  Lüke, JZ 1960, 203, 208. 430  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 133, wenn auch etwas verhalten („mag hier dahin gestellt bleiben“); Zeuner, MDR 1956, 257, 260. 427 

428 

126

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

grundsätzlich431 alle Unwirksamkeitsgründe erfasst432. Nach früherer Rechtslage war § 6 a.F. KSchG433 ausdrücklich allein auf die Sozialwidrigkeit anwendbar. Der materiellrechtliche Verbrauch des Kündigungsrechts ist nicht ohne Weiteres ein Fall der Sozialwidrigkeit einer Kündigung, sodass vor der Gesetzesänderung im Jahr 2004 die Unwirksamkeit einer Trotz- oder Wiederholungskündigung nicht zwangsläufig von der bis dahin relativ beschränkten Wirksamkeitsfiktion erfasst war. Die Annahme einer Entbehrlichkeit einer Kündigungsschutzklage gegen eine Trotz- oder Wiederholungskündigung war vor diesem Hintergrund früher eher mit dem Kündigungsschutzgesetz vereinbar als heute. 2.  Entbehrlichkeit einer Kündigungsschutzklage nach einer Minderansicht der jüngeren Literatur In der jüngeren Literatur wird die Entbehrlichkeit der Kündigungsschutzklage zunehmend mit einer teleologischen Reduktion des § 4 KSchG begründet434. Zweck der kurzen Klagefrist des § 4 KSchG sei, dass der Arbeitgeber möglichst schnell wissen soll, ob der Arbeitnehmer die Kündigung akzeptiert oder nicht. Wurde jedoch nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer bereits rechtskräftig entschieden, dass der vorgetragene Kündigungsgrund keine Kündigung rechtfertigt, könne der Arbeitgeber keine Hoffnung haben, dass der Arbeitnehmer die Wiederholungskündigung aus demselben Grund akzeptiert435. Der Arbeitgeber sei ferner nicht schutzbedürftig, da er die Rechtsunsicherheit selbst und rechtswidrig herbeigeführt hat436. Der Zweck des § 4 KSchG – schnelle Rechtssicherheit für den Arbeitgeber – greife daher nicht, sodass eine teleologische Reduktion geboten sei und keine Kündigungsschutzklage gegen die Wiederholungskündigung erhoben werden müsse437.

431  Zu Ausnahmen, die jedoch nicht für eine Trotz- oder Wiederholungskündigung in Betracht kommen, siehe ausführlich: HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 139 ff.; Genenger, RdA 2010, 274 ff. 432 Vgl. BT-Drs. 15/1204, S. 13; HaKo-Gallner, § 7 KSchG Rn. 1; APS-Hesse, § 7 KSchG Rn. 1; BeckOK ArbR-Kerwer, § 7 KSchG Rn. 2; Löwisch, NZA 2003, 689; Richardi, NZA 2003, 764, 765. 433  Vgl. § 6 KSchG i.d.F. vom 11. 08. 1951 – 01. 09. 1969: „Wird die Rechtsunwirksamkeit einer sozial ungerechtfertigten Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 3 Satz 1, §§ 4 und 5), so gilt die Kündigung, wenn sie nicht aus einem anderen Grunde rechtsunwirksam ist, als von Anfang an wirksam.“ 434  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 9, 12; BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 77.1., der i.E. jedoch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage empfiehlt; M. Schwab, RdA 2013, 257, 264. 435  M. Schwab, RdA 2013, 257, 264. 436  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 9. 437  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 12; M. Schwab, RdA 2013, 257, 264.

§ 6  Anforderungen an das Verhalten des Arbeitnehmers

127

3.  Erforderlichkeit einer Kündigungsschutzklage nach der herrschenden Meinung Die herrschende Meinung, unter anderem das BAG, geht hingegen davon aus, dass der Arbeitnehmer auch die Wiederholungskündigung mit einer Kündigungsschutzklage angreifen muss438. Im Regelfall wird dies nur festgestellt439. Teilweise wird auch teleologisch argumentiert. § 4 KSchG bezwecke Rechtsklarheit dahingehend, ob der Arbeitnehmer die Kündigung akzeptiert oder nicht440. Es könne auch sein, dass der Arbeitnehmer die Kündigung nicht angreifen will441. Für die Erforderlichkeit einer Klage spreche ferner, dass oft nicht sicher sei, ob tatsächlich derselbe Kündigungsgrund erneut verwendet wurde442.

II.  Folgen bei Erforderlichkeit einer Kündigungsschutzklage 1.  Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage Teilweise wird die Kündigungsschutzklage gegen eine Wiederholungskündigung aufgrund der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils des Vorprozesses für unzulässig gehalten. Dabei wird eine Modifizierung der allgemeinen Regeln zur Rechtskraft nicht einmal in Betracht gezogen443. 2.  Begründetheit der Kündigungsschutzklage Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der zweiten Kündigungsschutzklage gegen die Wiederholungskündigung „ohne weiteres stattzugeben“ sei, was einer automatischen Begründetheit der Kündigungsschutzklage entspricht. Das Urteil des Vorprozesses sei präjudiziell und stehe einer erneuten 438  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, Ls. 3; BAG 12. 10. 1954 – 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5, Ls. 1; Bettermann, ZfA 1985, 5, 18 f.; AR-Fischermeier, § 626 BGB Rn. 255; KR-Friedrich/Klose § 4 KSchG Rn. 326; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 170; MüKo BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn. 80; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38; Nikisch, DB 1956, 1133, 1134; GMP ArbGG-Prütting, Einleitung Rn. 206; Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 626; Tschöpe-Rolfs, Teil 5A Rn. 10; BeckOK ArbR-Stoffels, § 626 BGB Rn. 219; SPV-Vossen, Rn. 2046; Weißenfels, BB 1996, 1326, 1331; Zeuner, in: FS Otto (2008), S. 647, 665. 439 KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 326; GMP ArbGG-Prütting, Einleitung Rn. 206; Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 626; SPV-Vossen, Rn. 2046; Zeuner, in: FS Otto, S. 647 („bedarf keiner weiteren Begründung“). 440  Nikisch, DB 1956, 1133, 1134. 441  Weißenfels, BB 1996, 1326, 1331. 442  Bettermann, ZfA 1985, 5, 19. 443  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 12; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146; M. Schwab, RdA 2013, 357, 363; Zeuner, MDR 1956, 257, 260; offen gelassen von BAG 07. 03. 1996 ‒ 2 AZR 180/95, NZA 1996, 931, 934.

128

Teil 2: Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

materiellen Prüfung des Kündigungsgrundes entgegen444. Große Teile der Literatur übernehmen diese Formel, ohne sie zu hinterfragen445.

III.  Zusammenfassung Nach der herrschenden Meinung des BAG und eines Großteils der Literatur muss auch gegen eine Wiederholungskündigung Kündigungsschutzklage erhoben werden. Die Klage ist jedoch automatisch begründet.

444  BAG 08. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209, Tz. 21; BAG 18. 05. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272, Ls. 1, Tz 14; BAG 12. 02. 2004 – 2 AZR 307/03, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75; BAG 22. 05. 2003 – 2 AZR 485/02, NJOZ 2004, 1043, Ls. 1, 1045; BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, Ls. 3. 445 MüArbR-Berkowsky, § 127 Rn. 39; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 327; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 363; MüKo BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn. 80; v. Hoyningen-Huene/Linck-Linck, § 4 KSchG Rn. 140; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38; Mues/Eisenbeis/ Laber, Teil 1 Rn. 406; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rn. 318; GMP-Prütting, Einleitung, Rn. 206; Prütting, bereits in: FS Lüke 1997, S. 617, 630; HK-ArbR-Schmitt, § 4 KSchG Rn. 23; BeckOK ArbR-Stoffels, § 626 Rn. 219; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 165; SPV-Vossen, Rn. 2046.

Teil 3

Untersuchung der Wiederholungskündigung Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Im vorherigen Teil (§ 3, § 4, § 5, § 6) wurde das komplexe Meinungsspektrum zum Umgang mit der Wiederholungskündigung vorgestellt. Zwar besteht innerhalb der ganz herrschenden Meinung dahingehend Einigkeit, dass die Wiederholungskündigung, speziell der Kündigungsgrund, gerichtlich nicht geprüft werden darf 1. Indes ist die Begründung hierfür sehr umstritten. Die Anzahl der Lösungsansätze ist nahezu so groß wie diejenige der Autoren, die sich mit dem Thema befasst haben. Auch die Meinung des BAG zeichnete sich bis zur Klarstellung der Rechtsprechung durch das Urteil vom 20. Dezember 20122 vor allem dadurch aus, dass das Gericht zwar mit verschiedenen prozessualen Lösungen sympathisierte, eine Entscheidung dafür oder dagegen im Ergebnis jedoch meistens dahinstehen ließ3. Das weite Meinungsspektrum sowie die eben beschriebene Vorgehensweise des BAG legen den Verdacht nahe, dass es bislang keine dogmatisch überzeugende Lösung zum Umgang mit der Wiederholungskündigung gibt. Wie bereits in der Einleitung (§ 1) angedeutet, lässt die Meinungsvielfalt vermuten, dass die allgemeinen Grundsätze des Bürgerlichen Rechts und des Zivilprozessrechts vernachlässigt werden. In diesem Teil der Arbeit wird versucht, unter Rückbesinnung auf das Bürgerliche Recht und das Zivilprozessrecht eine überzeugende dogmatische Lösung zum Umgang mit der Wiederholungskündigung zu entwickeln. In den folgenden zwei Kapiteln wird die Wiederholungskündigung daher zunächst materiellrechtlich untersucht (§ 7). Im Anschluss wird der prozessual richtige Umgang mit der Wiederholungskündigung erarbeitet (§ 8). Intention ist, dass sich dabei eine logische und dogmatisch überzeugende Lösung zum Thema ergibt. Differenzierungen hinsichtlich spezieller Problemfälle werden an den Stellen präsentiert, an denen sie relevant werden. Das gilt insbesondere für die Fallgruppen der Wiederholungskündigung, erstens die Trotzkündigung, zweitens, wenn sie zwar bereits vor der rechtskräftigen Entscheidung des Vorprozesses ausgesprochen wird, aber im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederholungskündigung bereits ein rechtskräftiges Urteil im Vorprozess existiert, drittens, wenn in diesem

1 

Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.III.2.a) – § 5.III.2.d). 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.IV. 3  Vgl. insbesondere BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, siehe hierzu ausführlich: § 3.II. 2  BAG

130

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Zeitpunkt noch kein rechtskräftiges Urteil zur ersten Kündigung vorliegt4. Dasselbe gilt für praktische Fragen, vor allem ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben muss. Aus dieser logischen Erarbeitung ergeben sich ferner die Schlussfolgerungen für die bereits ausführlich dargestellten Argumente der Rechtsprechung und des Schrifttums zum materiellrechtlichen und prozessrechtlichen Umgang mit der Wiederholungskündigung (§ 4 und § 5). Deshalb werden diese Auffassungen nicht separat kommentiert, sondern im Rahmen der folgenden Stellungnahme.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung Die Kündigung ist ein Gestaltungsrecht. Im Rahmen der materiellrechtlichen Untersuchung soll zunächst analysiert werden, ob sich bereits hieraus Schlussfolgerungen für die Wiederholungskündigung ziehen lassen (I.). Schwerpunkt dieses Abschnitts ist die Frage nach dem Erlöschen des Kündigungsrechts, der Ansatz, der maßgeblich von Bötticher entwickelt und bereits ausführlich präsentiert wurde (§ 4). Sodann wird untersucht, ob der Arbeitgeber auf das Kündigungsrecht verzichtet hat (II.). Auf die Generalklauseln im Allgemeinen Teil des BGB ist nur dann zurückzugreifen, wenn sich keine Lösung aus den anderen Büchern des BGB oder anderen Teilen des Privatrechts ergibt5. Sie werden daher erst im Anschluss an die Besonderheiten des Kündigungsrechts als Gestaltungsrecht und einen etwaigen Verzicht geprüft (§ 7.II.). Dabei wird zunächst ausführlich auf eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB eingegangen (§ 7.III.1.), anschließend kurz auf das Schikaneverbot des § 226 BGB (§ 7.III.2.) und schließlich noch detailliert auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (§ 7.III.3.).

I.  Kündigung als Gestaltungsrecht Im Folgenden wird untersucht, ob sich aus der Eigenschaft als Gestaltungsrecht Konsequenzen zum materiellrechtlichen Umgang mit der Wiederholungskündigung ergeben. Zunächst werden hierfür die wichtigsten Grundsätze zu Gestaltungsrechten dargestellt (§ 7.I.1.). Anschließend werden das Erlöschen des Kündigungsrechts (§ 7.I.2.), Konsequenzen aus der Unwiderruflichkeit und der Bedingungsfeindlichkeit (§ 7.I.3.) sowie die Besonderheiten der Kündigung (§ 7.I.4.) thematisiert.

4 

Siehe hierzu bereits ausführlich: § 2.III.4. Brox/Walker, BGB AT Rn. 42; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 4; Wolf/Neuner, BGB AT, § 6 Rn. 3. 5 Vgl.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

131

1.  Allgemeines zu Gestaltungsrechten Gestaltungsrechte sind eine Besonderheit des deutschen Rechts6. Nach der klassischen, herrschenden Definition sind Gestaltungsrechte subjektive Rechte, die sich dadurch auszeichnen, dass der Berechtigte durch einseitiges Rechtsgeschäft die bestehende Rechtslage verändern kann7. Sie sind daher als Verfügung einzuordnen8. Die Gestaltungswirkungen werden dabei meistens durch Rechtsgeschäft9, seltener durch Hoheitsakt oder als „Gestaltungsklagerechte“ durch gerichtliche Entscheidung („Gestaltungsurteil“)10 ausgeübt11. Auf die Gestaltungsrechte, die durch ein einseitiges Rechtsgeschäft ausgeübt werden, sind die allgemeinen, für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen anzuwenden12. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gehört dabei als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung zu der ersten Kategorie der Gestaltungsrechte, die durch Rechtsgeschäft ausgeübt werden13. Weitere Beispiele für solche Gestaltungsrechte sind Anfechtung, Rücktritt, Widerruf, Aufrechnung, Ausübung eines Vorkaufs- oder Wahlrechts und das Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB14. 2.  Erlöschen des Kündigungsrechts Die materiellrechtliche Unwirksamkeit der Wiederholungskündigung kann sich aufgrund der Eigenschaft als Gestaltungsrecht allein daraus ergeben, dass das Kündigungsrecht mit dem Ausspruch der ersten Kündigung erlischt, sodass die zweite Kündigung, die Wiederholungskündigung, ins Leere geht und ein juristisches Nullum ist. Dieser Gedanke entspricht dem von Bötticher entwickelten und zunächst 6  Becker, AcP 188 (1988), 24, 26, auch mit Erläuterungen zum französischen Recht; siehe hierzu auch Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 2 („Speerspitze des subjektiven Rechts“). 7 Grundlegend Seckel, Gestaltungsrechte (1903), S. 12; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 629; Joussen, AcP 203 (2003), 429, 441; Medicus, BGB AT, Rn. 79; Rüthers/Stadler, BGB AT, § 5 Rn. 8; Schürnbrand, AcP 203 (2003), 177, 179; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 29. 8 Palandt-Ellenberger, vor § 104 BGB Rn. 17; Kaiser, Bürgerliches Recht, Rn. 54. 9  Brox/Walker, BGB AT, Rn. 629; Kaiser, Bürgerliches Recht, Rn. 56; Medicus, BGB AT, Rn. 83; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 29. 10  Z.B. bei der Ehescheidung (§ 1564 BGB), der Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes (§§ 1599 ff. BGB), dem Ausschluss eines Gesellschafters (§ 140 HGB) oder der Auflösung einer Gesellschaft (§ 133 HGB), vgl. Brox/Walker, BGB AT, Rn. 630; Köhler, BGB AT, § 17 Rn. 12; Medicus, BGB AT, Rn. 85 m.w.Bsp.; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 41. 11  Leverenz, Jura 1996, 1, 7; vgl. auch Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 41. 12  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 67; Leverenz, Jura 1996, 1, 2; vgl. Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 33. 13 Vgl. Hromadka/Maschmann, § 10 Rn. 36. 14  Bork, BGB AT, Rn. 297; Medicus, BGB AT, Rn. 81; Rüthers/Stadler, BGB AT, § 5 Rn. 8, § 20 Rn. 12.

132

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

vom BAG sowie der herrschenden Meinung übernommenen „Verbrauch“15 oder der „Konsumtion“ des Gestaltungsrechts16. Häufig wird vom Verbrauch oder Erlöschen eines Gestaltungsrechts durch Ausübung gesprochen17. Fraglich ist, ob hierfür bei der Kündigung eine Kündigungserklärung ohne Kündigungsgrund genügt, oder ob sowohl Kündigungserklärung als auch Kündigungsgrund vorliegen müssen. Bevor die Frage beantwortet werden kann, ist zu klären, ob für einzelne Fallgruppen der Wiederholungskündigung das Kündigungsrecht durch die Erklärung der ersten Kündigung bereits per se nicht „erlöschen“ kann (a)). Anschließend wird erarbeitet, ob das Kündigungsrecht beim Vorliegen von Kündigungserklärung und Kündigungsgrund (b)) und beim Vorliegen allein einer Kündigungserklärung (c)) durch Ausspruch dieser Kündigung erlöschen kann. a)  Keine Ausnahme für einzelne Fallgruppen der Wiederholungskündigung Eine Wiederholungskündigung kann, wie bereits erwähnt, in verschiedenen Konstellationen relevant werden; erstens als Trotzkündigung, die nach einer rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung ausgesprochen wird; zweitens als Wiederholungskündigung vor dem rechtskräftigen Urteil zur ersten Kündigung, wobei zum Zeitpunkt der Entscheidung zur Wiederholungskündigung mittlerweile eine Entscheidung zur ersten Kündigung vorliegt; drittens ebenfalls als Wiederholungskündigung vor der Entscheidung zur ersten Kündigung, wobei allerdings im Unterschied zur zweiten Fallgruppe bei der Entscheidung zur Wiederholungskündigung noch kein Urteil zur ersten Kündigung existiert18. Vor diesem Hintergrund ist vorab zu klären, ob in allen drei Situationen ein Erlöschen des Kündigungsrechts mit dem Ausspruch der ersten Kündigung überhaupt möglich ist. Insbesondere ist fraglich, ob die Entscheidung des Vorprozesses hierfür relevant ist. Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist eine Kündigung ohne personen-, verhaltensoder betriebsbedingte Gründe sozial ungerechtfertigt. Gemäß § 7 Hs. 1 KSchG gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, wenn die Rechtsunwirksamkeit vom Arbeitnehmer nicht rechtzeitig gemäß § 4 S. 1 KSchG geltend gemacht wird. Eine sozial ungerechtfertigte oder aus anderen Gründen rechtsunwirksame Kün-

15  Damit ist nur der Verbrauch des Kündigungsrechts durch Ausspruch einer Kündigung gemeint; zum Verbrauch des Kündigungsrechts durch Abmahnung siehe: HBD-Holthausen, § 1 KSchG Rn. 322. 16  Vgl. insb. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 5; siehe hierzu bereits ausführlich: § 4.I. 17 Palandt-Ellenberger, § 143 BGB Rn. 1; Flume, AT II, § 11/5, S. 144; Kaiser, Bürgerliches Recht, Rn. 54; Staudinger-Rieble, § 315 BGB Rn. 259. 18  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 2.III.4.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

133

digung ist daher ab dem Zeitpunkt ihres Zugangs19 unwirksam, wenn auch nur schwebend 20. Das Urteil des Arbeitsgerichts im Kündigungsschutzprozess ist folglich nur deklaratorisch und stellt allein den bereits bestehenden Rechtszustand fest. Die Klage des Arbeitnehmers ist dementsprechend eine Feststellungs- und keine Gestaltungsgegenklage21. Das Kündigungsrecht wäre daher bereits mit dem Ausspruch der Kündigung verbraucht. Es wäre unerheblich, wann der Kündigungsgrund gerichtlich und rechtskräftig verneint wird. Deshalb ist in keiner Fallgruppe der Wiederholungskündigung ein materiellrechtlicher Verbrauch des Kündigungsrechts bereits aufgrund des Zeitpunkts der Entscheidung des Vorprozesses ausgeschlossen. Folglich ist an dieser Stelle vorab auch keine Fallgruppe der Wiederholungskündigung aus der Erörterung des materiellrechtlichen Verbrauchs herauszunehmen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher zunächst einmal auf alle drei Fallgruppen der Wiederholungskündigung. Auf Ausnahmen wird ausdrücklich hingewiesen. b)  Vorliegen von Kündigungserklärung und Kündigungsgrund Liegen sowohl eine wirksame Kündigungserklärung als auch ein Kündigungsgrund vor, führt die Kündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Würde der Arbeitgeber eine weitere Kündigung aussprechen, hätte diese Folgekündigung mangels Arbeitsverhältnis, das sie beenden könnte, keinen Bezugspunkt mehr. Somit besteht das Kündigungsrecht dann nicht, weil es vorher erloschen ist. Dies verdeutlicht auch ein Vergleich mit anderen Gestaltungsrechten, die mit ex nunc-Wirkung ein Rechtsverhältnis beenden, wie etwa der Widerruf oder der Rücktritt22. Ein wirksamer Rücktritt oder Widerruf wandelt den zugrunde liegenden Vertrag, etwa einen Kaufvertrag, in ein Rückgewährschuldverhältnis um 23. Mangels Kaufvertrages gibt es keinen Bezugspunkt mehr für eine erneute Ausübung des Rücktritts- oder Widerrufsrechts. Diese Gestaltungsrechte erlöschen somit ebenfalls mit ihrer erfolgreichen Ausübung. c)  Vorliegen allein einer Kündigungserklärung Problematischer ist die Rechtslage, wenn zwar eine wirksame Kündigungserklärung, aber kein Kündigungsgrund vorliegt. 19 HaKo-Gallner,

§ 7 KSchG Rn. 1; KR-Rost, § 7 KSchG Rn. 8. der Möglichkeit der Wirksamkeitsfiktion gem. §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG, vgl. APS-Vossen, § 1 KSchG Rn. 59, 117. 21  BAG 02. 04. 1987 – 2 AZR 418/86, NZA 1987, 808, 810; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 19; MüKo BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn. 15; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 18. 22 Vgl. Bähr, Bürgerliches Recht, S. 57. 23 NK-BGB-Büdenbender, § 441 Rn. 28; BeckOK BGB-Müller-Christmann, § 355 Rn. 29; Staudinger-Schwarze, § 323 BGB Rn. D 26. 20  Aufgrund

134

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Die Literatur setzt hinsichtlich der Ausübung eines Gestaltungsrechts in der Regel voraus, dass es auch einen Gestaltungsgrund gibt24. Bei der Kündigung entspricht der Gestaltungsgrund dem Kündigungsgrund, also einem Grund in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers oder einem dringenden betrieblichen Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Flume und Leverenz etwa sprechen von einem Verbrauch nur in dem Zusammenhang, dass Rechtsänderungen herbeigeführt werden 25. Rechtsänderungen sind jedoch nur möglich, wenn auch ein Gestaltungsgrund existiert. Rieble setzt ausdrücklich eine wirksame Ausübung des Gestaltungsrechts voraus26. Auch v. Tuhr erwähnt allein bei der erfolgreichen Ausübung eines Gestaltungsrechts das Erlöschen desselben 27. Wolf und Neuner nehmen an, dass die Ausübung eines Gestaltungsrechts zum Verbrauch führt, was jedoch einen Gestaltungsgrund erfordert, den sie mit den Voraussetzungen eines Gestaltungsrechts gleichsetzen 28. Die ältere Kommentarliteratur, die das BAG in seiner Leitentscheidung vom 26. August 199329 zitiert hat, um den Verbrauch des Kündigungsrechts durch Ausübung zu rechtfertigen, geht weitgehend ebenfalls davon aus, dass ein Gestaltungsrecht oder das Kündigungsrecht nur dann verbraucht ist, wenn bei dessen Ausübung auch ein Gestaltungs- oder Kündigungsgrund vorliegt30. Söllner erwähnt den Verbrauch etwa allein im Zusammenhang mit der Veränderung der Rechtslage durch die Gestaltungserklärung31. Die Rechtslage kann sich jedoch nur ändern, wenn es auch einen Gestaltungsgrund gibt. Larenz scheint für das Anfechtungsrecht von einem Erlöschen nur bei einer Rechtsänderung durch dieses Gestaltungsrecht auszugehen, da er die Möglichkeit anderer Erlöschungsgründe – Zeitablauf, Verzicht und Bestätigung – davon abhängig macht, dass das Anfechtungsrecht nicht vorher ausgeübt wurde32. Das ist jedoch nur sinnvoll, wenn die Ausübung des Gestaltungsrechts weiteren Erlöschungsgründen entgegensteht. Das ist allein dann der Fall, wenn die weiteren Erlöschungsgründe nicht mehr greifen können, weil das zugrunde liegende Rechtsverhältnis bereits nicht mehr existiert. Dies wiederum ist bloß bei wirksamer Ausübung des Gestaltungsrechts zu bejahen. Dilcher und Heinrichs sprechen vom Erlöschen des Anfechtungsrechts, ohne dabei weiter auf den Anfechtungsgrund einzugehen33. 24 

Siehe hierzu bereits: § 4.I.3.b). Flume, AT II, § 11/5, S. 144; Leverenz, Jura 1996, 1, 8. 26 Staudinger-Rieble, § 315 BGB Rn. 259. 27  v. Tuhr II 1, § 47, S. 94. 28  Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 35, 40. 29  BAG 26. 08. 1993 ‒ 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71. 30  Zutreffend insofern: Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 3; Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 16; siehe hierzu bereits: § 4.I.4. 31  MüKo BGB-Söllner, 2. Aufl., § 305 Rn. 33. 32  Larenz, BGB AT, 7. Aufl., S. 479. 33 Staudinger-Dilcher, 12. Aufl., § 142 BGB Rn. 2; Palandt-Heinrichs, 52. Aufl., § 143 BGB Rn. 1. 25 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

135

Es ist unklar, ob die Literatur teilweise nicht ausdrücklich zwischen Ausübung des Kündigungs- oder Gestaltungsrechts mit und ohne Grund differenziert, weil es selbstverständlich ist, dass die wirksame Ausübung eines Gestaltungsrechts das Vorliegen eines Gestaltungsgrundes voraussetzt, also zum Beispiel einen Anfechtungs- oder Kündigungsgrund. Letzteres würde erklären, dass die Kommentarliteratur den Verbrauch ebenfalls nur bei Vorliegen eines Gestaltungsgrundes thematisiert. Die Frage, ob das Kündigungsrecht nur verbraucht sein kann, wenn sowohl Erklärung als auch Grund vorliegen, wird im Folgenden beantwortet. Ein erster Ansatz, diese Frage zu beantworten, ist eine Auslegung der kündigungsrechtlichen Vorschriften insbesondere anhand der Auslegungscanones, also Wortlaut (aa)), Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzgesetzes (bb)), Systematik und Telos (gg))34. Die systematische Auslegung steht dabei im Vordergrund. Im Rahmen dessen ist nicht nur die Norm selbst, sondern auch zum Beispiel der Normkomplex35 sowie vergleichbare Interessenkonflikte36 zu berücksichtigen. Daher werden im Rahmen dieses Auslegungscanons andere Erlöschungsgründe des Kündigungsrechts (cc)) und Unwirksamkeitsgründe der Kündigung (dd)) zum Vergleich herangezogen, ferner der Zusammenhang zum Prozessrecht näher betrachtet (ee)) und ein Vergleich mit anderen Gestaltungsrechten angestellt (ff)). aa)  Wortlaut des § 1 KSchG Die Vorschriften zum Kündigungsrecht regeln als Voraussetzung unter anderem die soziale Rechtfertigung (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG). Das Erfordernis ist nur erfüllt, wenn der zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein wirksamer Kündigungsgrund ist. Wie mit einem Sachverhalt umzugehen ist, der keinen Kündigungsgrund begründen kann, regelt § 1 KSchG hingegen nicht. Der Vorschrift lässt sich daher nicht entnehmen, dass das Kündigungsrecht mit der Erklärung einer solchen unwirksamen, grundlosen Kündigung „erlöschen“ kann. § 1 KSchG statuiert die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung. Ein Sachverhalt, der nicht als Kündigungsgrund genügt, führt danach gerade nicht zu einem Kündigungsrecht. Wenn er erfolglos verwendet wird, um eine Kündigung zu begründen, ergibt sich daraus noch kein Kündigungsrecht. Es wäre demnach unlogisch, wenn etwas „erlöschen“ könnte, was gar nicht existiert. Stattdessen ist es naheliegender, dass das in § 1 KSchG geregelte Kündigungsrecht nur erlöschen kann, wenn die Voraussetzungen des § 1 KSchG erfüllt sind. Der Wortlaut der kündigungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere des § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG spricht daher dafür, dass das Kündigungsrecht einen Kündigungsgrund voraussetzt und nur bei dessen Vorliegen ausgeübt werden und erlöschen kann. Gegenteiliges hätte eine zusätzliche Regelung vorausgesetzt. Insofern ist den Autoren, die sich mit der Leitentscheidung des BAG auseinandersetzen Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff.; Wank, Auslegung, S. 41. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 746. 36  Wienbracke, Juristische Methodenlehre, Rn. 175. 34 Vgl. 35 

136

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

und meinen, dass der Verbrauch des Kündigungsrechts eine spezielle Norm voraussetze37, zuzustimmen. bb)  Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzgesetzes (1) Begründung des Regierungsentwurfs In der Begründung des Entwurfs des Kündigungsschutzgesetzes hat sich der Gesetzgeber nicht mit dem Problem der Wiederholungskündigung auseinandergesetzt38. Aus der Entstehungsgeschichte des Kündigungsschutzgesetzes ergibt sich somit nichts zum Verbrauch des Kündigungsrechts bei Ausspruch einer Kündigung ohne Grund. (2) Rückbesinnung auf Seckel als Erfinder des Gestaltungsrechts Seckel hat 1903 als erster die Bezeichnung „Gestaltungsrecht“ gewählt39 und damit das Gestaltungsrecht „entdeckt“40. Auch Rechtsprechung und Literatur verweisen in der Regel auf Seckel als Erfinder des Gestaltungsrechts, insbesondere auch das BAG in seiner Leitentscheidung41 sowie Bötticher in seinen maßgeblichen Beiträgen zur Wiederholungskündigung42. Es ist anzunehmen, dass sich auch der Gesetzgeber bei Erlass des Kündigungsschutzgesetzes Seckels Ausführungen zum Gestaltungsrecht bewusst war. Daher liegt es nahe zu ergründen, ob aus Seckels Beitrag etwas zum Verbrauch des Kündigungsrechts als Gestaltungsrecht folgt. Seckel meint, der bestimmungsgemäße Gebrauch des Gestaltungsrechts bestehe in seinem Verbrauch43. Es ist nicht klar, was genau er mit dem „bestimmungsgemäß“ meint, also welche Anforderungen er an den Verbrauch eines Gestaltungsrechts stellt, etwa ob es nur formell wirksam ausgeübt werden muss oder ob auch das Gestaltungsrecht materiell bestehen muss. Aus Seckels Ausführungen ergibt sich somit nichts, was bei der Beantwortung der Frage nach einem Erlöschen des Kündigungsrechts bei einer Kündigungserklärung ohne Kündigungsgrund weiterhilft.

37  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 3; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146; Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9; siehe hierzu bereits: § 4.I.4. 38 Vgl. Erläuterung zum Regierungsentwurf des KSchG vom 23. 1. 1951, RdA 1951, 58 ff. 39  Seckel, Gestaltungsrechte (1903), S. 12: „Ich möchte vorschlagen, die fraglichen Rechte als Gestaltungsrechte zu benennen.“ 40  Dölle, Juristische Entdeckungen, S. 17 f. 41  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72 („juristische Entdeckung“). 42  Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41 ff.; Bötticher, Gestaltungsrechte und Unterwerfung, S. 1; Dölle, Juristische Entdeckungen (2001), S. 17 f.; Joussen, AcP 203 (2003), 429, 441. 43  Seckel, Gestaltungsrechte (1903), S. 36.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

137

cc)  Systematischer Vergleich mit anderen Erlöschensgründen Im Rahmen der systematischen Auslegung ist ein Vergleich mit anderen Erlöschensgründen des Kündigungsrechts geboten: Verzeihung, Verzicht und Verwirkung44. Sollten die Situationen der anerkannten Erlöschensgründe mit derjenigen der Erklärung einer Kündigung vergleichbar sein, könnte dies auch für eine rechtliche Gleichbehandlung und daher für ein Erlöschen des Kündigungsrechts sprechen. Im Folgenden werden zunächst kurz die Voraussetzungen dieser anerkannten Erlöschensgründe erläutert (1). Anschließend werden die anerkannten Erlöschensgründe mit einer Kündigungserklärung verglichen. Dabei werden insbesondere der genaue Bezugspunkt des Erlöschens (2), die Kenntnis und Absichten des Arbeitgebers (3), die Vorwerfbarkeit seines Verhaltens (4) und die zugrunde liegenden Sachverhalte (5) beleuchtet. (1) Verzeihung, Verzicht, Verwirkung als vergleichbare Erlöschensgründe Bei der Verzeihung gibt der Arbeitgeber mit einer sogenannten Gesinnungserklärung45 eindeutig zu erkennen, dass er den Sachverhalt, der eigentlich zur Kündigung berechtigen würde, nicht dafür nutzt46. Der Verzicht auf das Kündigungsrecht setzt eine empfangsbedürftige Willenserklärung voraus47. Die Verwirkung des Kündigungsrechts gemäß § 242 BGB erfordert erstens, dass der Arbeitgeber längere Zeit nach Kenntnis des Kündigungsgrundes untätig bleibt (Zeitmoment) und zweitens, dass der Arbeitgeber durch sein Verhalten den Eindruck hervorruft, er werde nicht kündigen (Umstandsmoment)48. Eine Frist, die bei anderen Gestaltungsrechten ein weiterer Erlöschensgrund ist, wie zum Beispiel dem Anfechtungsrecht gemäß §§ 121, 124 BGB, gibt es bei der ordentlichen Kündigung nicht. Die zweiwöchige Frist des § 626 Abs. 2 S. 2 BGB für die außerordentliche Kündigung ist ein gesetzlich konkretisierter Ver44 HaKo-Gieseler, § 626 BGB Rn. 19 für Verzicht und Verzeihung; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 30 ff.; BeckOK ArbR-Rolfs, § 1 KSchG Rn. 91 ff.; Moll-Ulrich, § 43 Rn. 105 ff. 45  Im Gegensatz zu einer Willenserklärung ist eine Gesinnungserklärung z.B. nicht anfechtbar, vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck-Krause, § 1 KSchG Rn. 243; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 31. 46  BAG 26. 09. 2013 – 2 AZR 741/12, NZA 2014, 529 Tz. 36; BAG 28. 10. 1971 – 2 AZR 15/71, AP BGB § 626 Nr. 62; HaKo-Gieseler, § 626 BGB Rn. 19; v. Hoyningen-Huene/ Linck-Krause, § 1 KSchG Rn. 243. 47 BAG 26. 09. 2013 – 2 AZR 741/12, NZA 2014, 529 Tz. 36; HBD-Holthausen, § 1 KSchG Rn. 194; Hromadka/Maschmann, § 10 Rn. 82. 48  BAG 11. 07. 2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, Tz. 32; BAG 05. 05. 1977 – 2 AZR 297/76, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 11; HBD-Holthausen, § 1 KSchG Rn. 195; vgl. für das allgemeine Zivilrecht ferner: BGH 23. 01. 2014 – VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230, Tz. 13; BGH 20. 07. 2010 – EnZR 23/09, NJW 2011, 212, Tz. 20; Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 54; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 363.

138

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

wirkungstatbestand und daher kein zusätzlicher Erlöschensgrund neben den drei soeben erläuterten49. (2) Vergleichbarkeit hinsichtlich des speziellen Grundes Die drei Erlöschensgründe Verzeihung, Verzicht und Verwirkung führen jeweils zum Erlöschen eines speziellen Kündigungsgrundes und nicht etwa des Kündigungsrechts als solchem. Insofern besteht eine Gemeinsamkeit mit der Kündigungserklärung, bei welcher es ebenfalls nur um das mögliche Erlöschen eines speziellen Kündigungsgrundes geht. (3) Keine Vergleichbarkeit hinsichtlich der Kenntnis und Absichten des Arbeitgebers (a) Kenntnis oder Finalität hinsichtlich des Erlöschens bei Verzeihung, Verzicht und Verwirkung (aa) Verzeihung und Verzicht Bei den Erlöschensgründen Verzeihung und Verzicht bringt der Arbeitgeber das Recht, aus einem speziellen Grund zu kündigen, unmittelbar zum Erlöschen. Die Erklärungen des Arbeitgebers zielen bei Verzeihung und Verzicht ferner gerade auf ein Erlöschen des Kündigungsrechts ab. Das Erlöschen erfolgt daher final und der Arbeitgeber weiß, dass sein Verhalten zum Erlöschen des Kündigungsrechts aus diesem speziellen Grund führt. (bb) Verwirkung Bei der Verwirkung hat der Arbeitgeber im Regelfall ebenfalls positive Kenntnis von dem Umstandsmoment. Ausnahmsweise kann jedoch auch das Gegenteil der Fall sein, sodass er sich des Erlöschens des Kündigungsrechts möglicherweise nicht bewusst ist. Diese Unkenntnis steht einer Verwirkung indes nicht ohne Weiteres entgegen, da die Verwirkung auch unabhängig von der Kenntnis des Berechtigten eintreten kann50. Allerdings setzt das Umstandsmoment ein berechtigtes Vertrauen des Arbeitnehmers voraus51. Im Rahmen dessen wird wiederum die subjektive Einschätzung des Arbeitgebers berücksichtigt. Die Anforderungen der Rechtsprechung hieran sind sehr streng. Der Arbeitgeber muss sein Kündigungsrecht kennen52. Im Ergebnis sind ein Umstandsmoment und ein Erlöschen wegen Verwirkung daher letztendlich doch nur möglich, wenn der Arbeitgeber das Umstandsmoment kennt 49  BAG 26. 09. 2013 – 2 AZR 741/12, NZA 2014, 529 Tz. 23; BAG 09. 01. 1986 – 2 ABR 24/85, NZA 1986, 467, Ls.; Hromadka/Maschmann, § 10 Rn. 125. 50  MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 387; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 132. 51  MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 368. 52 BAG 09. 01. 1986 – 2 ABR 24/85, NZA 1986, 467; Küttner-Schmidt, Verwirkung Rn. 2; Moll-Schulte, § 44 Rn. 132.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

139

oder entsprechend § 122 Abs. 2 BGB eigentlich kennen müsste und ihm die Unkenntnis insofern vorwerfbar ist53. Der Arbeitgeber ist daher genauso wenig schützenswert wie bei einer finalen, auf ein Erlöschen des Kündigungsrechts gerichteten Erklärung wie Verzeihung und Verzicht. Das Zeitmoment steht dem nicht entgegen, weil diese Voraussetzung automatisch irgendwann erfüllt ist. Bei der Verwirkung hat der Arbeitgeber daher regelmäßig Kenntnis oder eine vorwerfbare Unkenntnis von dem Verhalten, das zum Erlöschen des Kündigungsrechts führt. (cc) Zwischenergebnis Die drei anerkannten Erlöschensgründe Verzeihung, Verzicht und Verwirkung charakterisieren sich dadurch, dass der Arbeitgeber regelmäßig beabsichtigt oder er zumindest Kenntnis oder ausnahmsweise pflichtwidrige Unkenntnis hat, dass er aufgrund seines Verhaltens nicht mehr aus einem bestimmten Grund kündigen kann und sein Kündigungsrecht deshalb erlischt. (b) Keine Vergleichbarkeit bei der Wiederholungskündigung Es ist zu untersuchen, inwiefern der Arbeitgeber auch bei der Erklärung einer Kündigung Kenntnis von den Rechtsfolgen hat und diese Folgen beabsichtigt, mithin ob diese Konstellation mit den drei anerkannten Erlöschensgründen Verzeihung, Verzicht und Verwirkung vergleichbar ist. (aa) Rechtliche Unsicherheit über Rechtsfolgen der Erklärung Was die Kenntnis von den Rechtsfolgen betrifft, sind Zweifel an einer Vergleichbarkeit der Kündigungserklärung mit den anerkannten Erlöschungsgründen angebracht. Erstens steht im Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht fest, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt oder die Wirksamkeit der Kündigung gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG fingiert wird. Zweitens ist es im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht sicher, wie ein Richter bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage den zugrunde liegenden Sachverhalt bewertet. Infolgedessen ist nicht gewiss, ob ein Kündigungsgrund bejaht oder verneint wird und das Arbeitsverhältnis endet. Einerseits könnte man annehmen, die Erklärung des Arbeitgebers führt in jedem Fall zum Erlöschen des Kündigungsrechts, wenn man ein Erlöschen auch bei einer Kündigungserklärung ohne Kündigungsgrund bejaht. Gibt es einen Kündigungsgrund, erlischt das Kündigungsrecht aus diesem Grund; reicht der zugrunde liegende Sachverhalt nicht als Kündigungsgrund aus, erlischt das Kündigungsrecht ebenfalls. Ein Irrtum darüber, dass die Erklärung erlischt, weil der Arbeitgeber von einem Kündigungsgrund ausgeht, sie tatsächlich jedoch erlischt, weil kein Kündigungsgrund vorliegt, wäre ein unbeachtlicher Subsumtionsirrtum, an dessen 53  Vgl. BGH 15. 09. 1999 ‒ I ZR 57/97, NJW 2000, 140; BGH 12. 07. 1984 ‒ I ZR 49/82, NJW 1985, 741, 742; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 369.

140

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Entschuldbarkeit sehr strenge Anforderungen zu stellen sind54. Aufgrund der rechtlichen Unbeachtlichkeit könnte man zu dem Schluss kommen, der Arbeitgeber weiß, dass seine Erklärung zum Erlöschen des Kündigungsrechts führt, genauso wie er bei Verzeihung, Verzicht und Verwirkung weiß, dass er den dort zugrunde liegenden Lebenssachverhalt nicht mehr als Kündigungsgrund nutzen kann und dieser daher erlischt. Andererseits sind die Rechtsfolgen des Verhaltens des Arbeitgebers bei einer Kündigungserklärung weit erheblicher. Sie beschränken sich nicht nur auf ein Erlöschen des Kündigungsrechts aus einem speziellen Grund, sondern beziehen sich auch auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Bei der Verzeihung, dem Verzicht und im Regelfall auch bei der Verwirkung weiß der Arbeitgeber, dass seine Erklärung unmittelbar zum Erlöschen des Kündigungsrechts führt55. Die Erklärungen haben jedoch keine weiter gehenden Rechtsfolgen. Bei einer Kündigung würden sich die Folgen hingegen nicht auf das sofortige Erlöschen des Kündigungsrechts beschränken. Stattdessen entscheidet sich erst später, ob die Erklärung zusätzlich das Arbeitsverhältnis beendet hat; entweder aufgrund der Wirksamkeitsfiktion (§§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG) oder einer gerichtlichen Bewertung. Der rechtliche Schwebezustand bei der Kündigung führt zu erheblichen Unterschieden zu den anerkannten Erlöschensgründen Verzeihung, Verzicht und Verwirkung. Dies spricht gegen eine Vergleichbarkeit und gegen eine Gleichbehandlung, was die Rechtsfolgen des Arbeitgeberverhaltens, das Erlöschen, betrifft. (bb) Intention des Arbeitgebers Die Unterschiede werden durch die andere Erwartungshaltung des Arbeitgebers noch verstärkt. Der Arbeitgeber spricht die Kündigung in der Regel aus, weil er denkt, der zugrunde liegende Sachverhalt begründe eine Kündigung. Er beabsichtigt mit seinem Verhalten, das Arbeitsverhältnis zu beenden, während die anerkannten Erlöschensgründe, insbesondere Verzicht und Verzeihung, gerade auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet sind. Auch insofern besteht ein bedeutender Unterschied zwischen der Wiederholungskündigung auf der einen und Verzeihung, Verzicht und Verwirkung auf der anderen Seite. (cc) Zwischenergebnis Folglich unterscheiden sich die anerkannten Erlöschensgründe Verzeihung, Verzicht und Verwirkung und der Ausspruch einer Kündigung ohne Kündigungs54  Vgl. Staudinger-Caspers, § 276 BGB Rn. 55, 56 (eine Entschuldbarkeit setzt solche Rechtskenntnisse voraus, welche die Verkehrsanschauung verlangt; wenn ein Erlöschen auch ohne Grund möglich ist, wäre dies die Rechtslage und würde damit wohl zur erforderlichen Rechtskenntnis gehören); Jauernig-Stadler, § 276 BGB Rn. 30. 55  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.I.2.c)cc)(3)(a).

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

141

grund ganz wesentlich, was die Kenntnis und Absichten des Arbeitgebers betrifft. Dies spricht dagegen, auch bei der Erklärung einer Kündigung ohne Kündigungsgrund ein Erlöschen des mutmaßlichen Kündigungsgrundes anzunehmen. (4) Unterschiedliche Anknüpfungspunkte hinsichtlich der „Vorwerfbarkeit“ Des Weiteren ist speziell im Fall der Wiederholungskündigung das dem Arbeitgeber „vorwerfbare“ Verhalten, welches das Bedürfnis begründet, ein Erlöschen des Kündigungsrechts in Betracht zu ziehen, nicht der Ausspruch der ersten Kündigung, die zum Erlöschen führen würde, sondern die Wiederholungskündigung. Was dem Arbeitgeber hingegen bei Verzeihung und Verzicht „vorgeworfen“ wird, ist das Verhalten, das unmittelbar zum Erlöschen des Kündigungsrechts führt. Bei der Verwirkung erlischt das Kündigungsrecht möglicherweise erst nach dem Umstandsmoment, nämlich wenn auch das Zeitmoment vorliegt. Allerdings gibt es im Gegensatz zur Wiederholungskündigung keine zwei Handlungen des Arbeitgebers, von denen nur eine „vorwerfbar“ ist. Auch hinsichtlich der „Vorwerfbarkeit“ des Verhaltens, welches zum Erlöschen des Kündigungsrechts führt beziehungsweise führen würde, bestehen somit signifikante Unterschiede zwischen der Kündigungserklärung und einer Wiederholungskündigung und den anerkannten Erlöschensgründen. (5) Unterschiedliche Sachverhalte Verzeihung, Verzicht und Verwirkung beziehen sich ferner auf einen Sachverhalt, der ein Kündigungsgrund ist, der das Arbeitsverhältnis beenden könnte. Die hier thematisierte Kündigungserklärung vor einer Wiederholungskündigung zeichnet sich im Gegensatz zu den anerkannten Erlöschensgründen jedoch dadurch aus, dass der zugrunde liegende Sachverhalt gerade kein tauglicher Kündigungsgrund ist. Die zugrunde liegenden Sachverhalte sind daher grundverschieden, was ebenfalls gegen eine Vergleichbarkeit anzuführen ist. (6) Zwischenergebnis Zwar beziehen sich sowohl eine Kündigungserklärung als auch die Erlöschensgründe Verzeihung, Verzicht und Verwirkung auf einen speziellen Kündigungsgrund. Indessen bestehen deutliche Unterschiede, was die Kenntnis des Arbeitgebers von den Rechtsfolgen seines Verhaltens betrifft, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Des Weiteren beabsichtigt der Arbeitgeber bei den anerkannten Erlöschensgründen gerade nicht, das Arbeitsverhältnis zu beenden, während bei einer Kündigungserklärung das Gegenteil der Fall ist. Diese Unterschiede sind so essentiell, dass die Situationen nicht gleichzubehandeln sind. Ein Vergleich mit den anerkannten Erlöschensgründen spricht daher nicht für ein Erlöschen des Kündigungsrechts durch die Erklärung einer Kündigung ohne Kündigungsgrund.

142

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

dd)  Systematischer Vergleich mit anderen Unwirksamkeitsgründen einer Kündigung Anhaltspunkte zum Verbrauch des Kündigungsrechts durch die Erklärung einer Kündigung ohne Grund könnten sich ferner aus einem Vergleich mit anderen Unwirksamkeitsgründen ergeben. Solche gibt es in Abgrenzung zum Kündigungsgrund auch auf der Ebene der Kündigungserklärung, etwa beim Zugang, der Vertretungsmacht, Zustimmungs- und Anzeigeerfordernissen. Diese Unwirksamkeitsgründe entsprechen den Unwirksamkeitsgründen der ersten Kündigung bei der Fallgruppe der unechten Wiederholungskündigung56. Bei der unechten Wiederholungskündigung ist anerkannt, dass die Kündigung aus demselben Grund erneut erklärt werden kann, unabhängig davon, ob die Erklärungsfehler bei der zweiten Erklärung immer noch vorliegen oder die zweite Kündigungserklärung wirksam ist. Die erste fehlerhafte Kündigung führt daher nicht zum Erlöschen des Kündigungsrechts. Zwar besteht insofern ein Unterschied, als es hier um formale Fehler geht und bei einer Kündigung ohne tauglichen Kündigungsgrund um materielle Fehler. Indes haben beide Fälle gemeinsam, dass irgendeine Voraussetzung nicht erfüllt ist, die für eine insgesamt wirksame Kündigung erforderlich ist. Diese Gemeinsamkeit spricht für eine Gleichbehandlung der Mängel und daher dagegen, dass ein Mangel auf Ebene des Kündigungsgrundes zum Erlöschen des Kündigungsrechts aus diesem Grund führt. ee)  Systematischer Zusammenhang mit dem Prozessrecht Sollte sich eine einfache Lösung zum Umgang mit der Wiederholungskündigung aus dem Prozessrecht ergeben, wäre diese Lösung möglicherweise vorrangig gegenüber einer komplizierten materiellrechtlichen57. Dagegen spricht allerdings, dass das Prozessrecht nur eine dienende Funktion gegenüber dem materiellen Recht hat58. Prozessuale Lösungswege sind daher subsidiär. Dem Argument, es gebe vorrangige prozessuale Lösungsmöglichkeiten, ist daher zu widersprechen.

56 

Siehe hierzu bereits ausführlich: § 2.II.2.d)bb). Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194; Lüke, JZ 1960, 203, 207; Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 121 jeweils im Zusammenhang mit § 138 BGB, siehe hierzu bereits: § 4.II.3.a); vgl. auch Grunsky, Verfahrensrecht (1974), S. 521 im Zusammenhang mit § 242 BGB. 58  Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 239 f.; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 188; Musielak-Musielak, Einleitung Rn. 5; MüKo ZPO-Rauscher, Einleitung Rn. 27; Hk-ZPO-Saenger, Einführung Rn. 16; vgl. ferner bereits BGH 08. 10. 1953 ‒ III ZR 310/51, NJW 1953, 1826, 1828: „Der Zivilprozeß hat die Verwirklichung des materiellen Rechts zum Ziele.“ 57 So

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

143

ff)  Systematischer Vergleich mit anderen Gestaltungsrechten. Ein weiterer Ansatzpunkt, um die Frage nach dem Verbrauch des Kündigungsrechts zu beantworten, ist ein systematischer Vergleich mit anderen Gestaltungsrechten59. (1) Systematisch grundsätzliche Vergleichbarkeit von Rücktritt und Widerruf Für den Vergleich mit anderen Gestaltungsrechten kommen insbesondere solche Gestaltungsrechte in Betracht, die wie die Kündigung ein Rechtsverhältnis mit ex nunc-Wirkung beenden und daher die gleichen Rechtsfolgen haben. Das trifft auf den Rücktritt und den Widerruf zu60. Ein wirksamer Rücktritt setzt grundsätzlich einen Rücktrittsgrund voraus. Für das allgemeine Schuldrecht sind die Rücktrittsgründe in den §§ 323 Abs. 1, 324, 326 Abs. 1, 5 BGB geregelt, für das besondere in den §§ 437 Nr. 2, 508, 634 Nr. 3 BGB. Nur der Rücktritt vom Reisevertrag vor Reisebeginn ist gemäß § 651i Abs. 1 BGB ausnahmsweise ohne Grund möglich („jederzeit“). Der Widerruf ist im Gegensatz zum Rücktritt grundsätzlich nicht an einen besonderen Grund, sondern an eine spezielle Art und Weise des Vertragsschlusses oder an eine besondere Vertragsform geknüpft, etwa gemäß §§ 312g Abs. 1, 356 Abs. 1 BGB für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge, gemäß § 356a BGB für Teilzeit-Wohnrechteverträge, Verträge über ein langfristiges Urlaubsprodukt, Vermittlung- und Tauschsystemverträge gemäß §§ 356b, 495 BGB für Verbraucherdarlehensverträge und gemäß §§ 356c, 510 BGB für Ratenlieferungsverträge. Ausnahmsweise setzt der Widerruf einer Schenkung gemäß § 530 Abs. 1 BGB mit einer schweren Verfehlung oder grobem Undank des Schenkers einen Widerrufsgrund voraus61. Der Auftrag kann gemäß § 671 BGB grundlos („jederzeit“) widerrufen werden. Die geregelten Rücktrittsgründe und besonderen Vertragsformen als Voraussetzung eines Widerrufsrechts entsprechen dabei einem Gestaltungsgrund. Sie stellen besondere Sachverhalte dar, die Voraussetzung für die Ausübung eines Gestaltungsrechts sind und ähneln daher dem Kündigungsrecht, dessen Bezeichnung als Gestaltungsgrund anerkannt ist. Gibt es ausnahmsweise keinen Gestaltungsgrund, ist dies mit Worten wie „jederzeit“ (insb. §§ 651i Abs. 1, 671 BGB) ausdrücklich klargestellt. Zumindest Rücktritt und Widerruf setzen als andere Gestaltungsrechte somit auch einen Gestaltungsgrund voraus. Sie sind mit der Kündigung vergleichbar. Im Rahmen der Ausführungen zum Vorliegen von Gestaltungserklärung und -grund wurde bereits darauf hingewiesen, dass das Gestaltungsrecht erlischt, Zeuner, MDR 1956, 257, 259; siehe hierzu bereits: § 5.II.3.c). Bähr, Bürgerliches Recht, S. 57. 61  MüKo BGB-Koch, § 530 Rn. 1. 59 Vgl.

60 Vgl.

144

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind62. Dies gilt auch bei Widerruf und Rücktritt. Die Situation ohne Gestaltungsgrund wird in der Literatur zum Rücktritt und Widerruf, anders als bei der (Wiederholungs-)Kündigung, nicht thematisiert63. Daher ist an dieser Stelle zu erarbeiten, ob das Rücktritts- oder Widerrufsrecht aus einem speziellen mutmaßlichen Grund erlischt, wenn ein Rücktritt oder ein Widerruf erklärt wird, ohne dass ein wirksamer Grund vorliegt. Daraus ergeben sich möglicherweise Rückschlüsse auf das Kündigungsrecht. (2) Logisches Nichterlöschen Eine Rücktritts- oder Widerrufserklärung ohne Grund geht ins Leere und ist deshalb ein juristisches Nullum. Folglich gibt es auch nichts, was „erlöschen“ kann. Bei der Kündigungserklärung ohne wirksamen Grund ist die Situation identisch, was daher für die Kündigung ebenfalls gegen ein Erlöschen des Kündigungsrechts spricht. (3) Praktisch fehlende Vergleichbarkeit der Situationen Es ist jedoch grundlegend zweifelhaft, ob Schlussfolgerungen aus dem Rücktritts- und Widerrufsrecht zu ziehen sind: Etwaige Folgerungen setzen voraus, dass die Situationen generell vergleichbar sind. Das ist indes in mehrfacher Hinsicht nicht der Fall, nämlich was einen etwaigen Prozess um den Gestaltungsgrund sowie die wirtschaftliche und persönliche Beziehung der Parteien betrifft. (a) Beurteilungsspielräume vor Gericht Bei der Wiederholungskündigung ist der zugrunde liegende Sachverhalt regelmäßig sehr viel komplexer als beim Rücktritt oder Widerruf. Ob ein wirksamer Kündigungsgrund vorliegt, ist häufig schwerer zu ermitteln und bietet dem Richter weiter gehende Beurteilungsspielräume als sämtliche Rücktritts- und Widerrufsgründe, wie etwa ein Sachmangel als nicht vertragsgemäße Leistung oder das Vorliegen eines Verbraucherdarlehensvertrages. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit geringer als bei der Kündigung, dass ein anderer Richter in einem zweiten Prozess zur zweiten Rücktritts- oder Widerrufserklärung die Frage nach dem Vorliegen des Gestaltungsgrundes anders beurteilt als der Richter des Vorprozesses. Aus diesem Grund wird es nur selten vorkommen, dass ein Widerrufs- oder Rücktrittsberechtiger sein Gestaltungsrecht nach mangels Gestaltungsgrundes 62 

Siehe hierzu: § 7.I.2.b). Brox/Walker, SchuldR AT, § 18 Rn. 15 ff.; Hirsch, SchuldR AT, Rn. 281; Larenz, SchuldR AT, S. 413 f.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 808, 813 ff.; Medicus/Lorenz, ­SchuldR AT, Rn. 595 ff., 639; BeckOK BGB-H. Schmidt, § 323 Rn. 31; Staudinger-Schwarze, § 323 BGB Rn. D 21 (die jeweils nur die Rechtsfolgen eines wirksamen Rücktritts thematisieren). 63 Vgl.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

145

erfolgloser erster Ausübung aus dem mutmaßlichen Grund erneut erklärt. Es ist daher die These aufgestellt, dass die Frage nach dem Verbrauch des Gestaltungsrechts durch Erklärung ohne Grund bei Gestaltungsrechten, die mit der Kündigung vergleichbar sind, praktisch selten relevant ist. Schlussfolgerungen aus diesem nur theoretischen Problem beim Rücktritt und Widerruf hinsichtlich des praktisch wesentlich relevanteren Problems der Wiederholungskündigung zu ziehen, ist nicht sachgerecht und steht einer Vergleichbarkeit möglicherweise entgegen. Da es allerdings auch Ausnahmefälle geben kann, in denen die Beurteilungsspielräume bei einer Kündigung kleiner sind als bei einem Rücktritt oder Widerruf, kann man nicht pauschal von einer fehlenden Vergleichbarkeit der Situationen im Prozess ausgehen. Mithin ist das Argument der fehlenden Vergleichbarkeit in dieser Hinsicht schwach. (b) Wirtschaftliche Abhängigkeit Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bezieht sich auf ein Dauerschuldverhältnis, Rücktritt und Widerruf hingegen auf Austauschverträge64. Insbesondere im Arbeitsverhältnis als einer besonderen Form eines Dauerschuldverhältnisses ist der Arbeitnehmer wirtschaftlich abhängig. Bei Austauschverträgen hingegen gibt es nicht immer eine derartige wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen den Vertragsparteien. Das Rechtsverhältnis, das einem Rücktritt oder Widerruf als Austauschvertrag zugrunde liegt, ist dem Gestaltungsberechtigten deshalb möglicherweise nicht so wichtig. Der Gestaltungsberechtigte wird die Erfolglosigkeit seiner Gestaltungserklärung daher im Zweifel eher auf sich beruhen lassen und die Erklärung nicht wiederholen. Die wirtschaftliche Bedeutung kann jedoch gerade bei Austauschverträgen auch beträchtlich sein. Deshalb ist eine wirtschaftliche Abhängigkeit nicht ausgeschlossen. Mithin steht auch die wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers Parteien einer Vergleichbarkeit von Kündigung und Rücktritt oder Widerruf nicht generell entgegen. (c) Persönliche Beziehung der Vertragsparteien Aus der Eigenschaft als Dauerschuldverhältnis folgt ferner, dass beim Arbeitsverhältnis die persönliche Beziehung der Vertragsparteien stärker im Vordergrund steht65. Bei einem Austauschvertrag hingegen wird sich der Kontakt zum Gestaltungsgegner in vergleichsweise kurzer Zeit erledigen, während die Vertragspar64  BGH 11. 02. 1981 ‒ VIII ZR 312/79, NJW 1981, 1264, 1265; MüKo BGB-Emmerich, Vorbemerkung zu §§ 320 – 327, Rn. 5; Hirsch, SchuldR AT, Rn. 629; HK-BGB-Schulze, § 323 Rn. 2. 65  Vgl. hierzu, wenn auch krit., Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung (1994), S. 203.

146

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

teien beim Arbeitsverhältnis nach der Erfolglosigkeit der Gestaltungserklärung weiter miteinander konfrontiert werden. Dieser Unterschied spricht gegen eine Vergleichbarkeit der Gestaltungsrechte. (4) Schutzbedürfnis des Gestaltungsgegners Ferner ist die Situation des Gestaltungsgegners genauer zu betrachten. Beim Rücktritt und Widerruf gibt es kein praktisches Bedürfnis dafür, einen weiteren Rücktritt- oder Widerruf des Gestaltungsberechtigten zu verhindern, der auf Grundlage eines Sachverhalts erklärt wird, der bereits erfolglos als Gestaltungsgrund herangezogen wurde. Denn die neue Gestaltungserklärung hat keine Rechtsfolgen. Deshalb spricht nichts dagegen, dem Gestaltungsberechtigten die Möglichkeit zu belassen, den Rücktritt oder den Widerruf ohne Grund sooft wiederholt erklären zu lassen, wie es ihm beliebt. An dieser Stelle besteht allerdings ein entscheidender Unterschied zur Kündigung. Bei jeder Kündigungserklärung existiert die Gefahr einer Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG. Bei jeder Kündigungserklärung ist der Arbeitnehmer daher mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage zum Tätigwerden gezwungen, wenn er die Wirksamkeitsfiktion verhindern will. Der Arbeitnehmer als Gestaltungsgegner ist deshalb wesentlich schutzbedürftiger als der Gestaltungsgegner eines (unwirksamen) Rücktritts oder Widerrufs. Dieser erhebliche Unterschied spricht entscheidend dagegen, auch bei der Kündigungserklärung ohne Kündigungsgrund ein Erlöschen zu verneinen. (5) Zwischenergebnis Das Rücktritts- und das Widerrufsrecht sind nicht mit dem Kündigungsrecht vergleichbar66, insbesondere was die mit der Wiederholungskündigung verbundenen Probleme betrifft. Die Gegenüberstellung dieser Gestaltungsrechte erlaubt daher keine Schlussfolgerungen und hilft bei der Beantwortung der Frage nach dem Verbrauch des Kündigungsrechts bei der Wiederholungskündigung nicht weiter. gg)  Telos Das Kündigungsrecht gewährleistet die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers, die mit der Berufsfreiheit (Art. 12 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich geschützt werden67. A.A. insb. Zeuner, MDR 1956, 257, 259; siehe hierzu bereits: § 5.II.3.c). 27. 01. 1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471; BAG 12. 09. 2013 – 6 AZR 121/12, NZA 2013, 1412, Tz. 24; MüKo BGB-Hergenröder, Einleitung KSchG Rn. 15; HBD-Holthausen, § 1 KSchG Rn. 10; HaKo-Mayer, § 1 KSchG Rn. 1; APS-Preis, Grundlagen A. Rn. 29 ff.; BeckOK ArbR-Rolfs, § 1 KSchG Rn. 36; Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 58. 66 

67  BVerfG

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

147

Grenze ist dabei das Kündigungsschutzgesetz, welches nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere dem Bestandsschutz, also den Interessen des Arbeitnehmers, dienen soll68. Zwar wird der Arbeitnehmer bei der Erklärung einer Kündigung ohne ausreichenden Grund durch die automatische Unwirksamkeit gemäß § 1 Abs. 2 KSchG geschützt. Allerdings gefährdet eine Kündigungserklärung ohne Kündigungsgrund den Bestand des Arbeitsverhältnisses trotzdem, weil die Wirksamkeit gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG fingiert werden kann, wenn der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhebt. Die Wirksamkeitsfiktion spricht auf den ersten Blick dafür, mithilfe eines Verbrauchs des angeblichen Kündigungsgrundes einer Kündigung ohne Kündigungsgrund die materielle Wirksamkeit zu nehmen. Indessen wäre dies ein Zirkelschluss. Erstens statuiert die Wirksamkeitsfiktion im Sinne der §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG gerade die Grenze des Bestandsschutzes für den Arbeitnehmer. Zweitens wäre auch der Verbrauch des Kündigungsrechts als weiterer Unwirksamkeitsgrund neben dem Fehlen eines Kündigungsgrundes von der Wirksamkeitsfiktion erfasst. Die Wirksamkeitsfiktion erfasst grundsätzlich alle Unwirksamkeitsgründe69. Allein im Hinblick auf Mängel, die der Kündigungserklärung selbst anhaften, ist die Reichweite der Fiktion umstritten70. Der „Verbrauch“ wäre jedoch kein solcher Mangel und stattdessen mit materiellrechtlichen Unwirksamkeitsgründen, die unstreitig von der Fiktion erfasst sind, vergleichbar71. Aus diesem Grund spricht auch die teleologische Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes nicht für einen Verbrauch des Kündigungsrechts. hh)  Zwischenergebnis Die umfassende Auslegung der kündigungsrechtlichen Vorschriften anhand der vier klassischen juristischen Auslegungscanones, Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Telos, spricht im Ergebnis gegen einen Verbrauch des Kündigungsrechts, wenn eine Kündigung ohne Kündigungsgrund erklärt wird. Deshalb ist ein Erlöschen des Kündigungsrechts nur bei dessen wirksamer Ausübung möglich, was nur bei einem wirksamen Kündigungsgrund der Fall ist.

68  BAG 05. 11. 1964 – 2 AZR 15/64, NJW 1965, 787; Erläuterung zum Regierungsentwurf des KSchG vom 23. 1. 1951, RdA 1951, 58, 63; Bötticher, RdA 1951, 81, 82; APS-Vossen, § 1 KSchG Rn. 1; Herschel, BB 1951, 61, 62. 69  Siehe hierzu bereits: § 6.I.1. 70  Vgl. HBD-Berger, § 4 KSchG Rn. 6; Genenger, RdA 2010, 274 ff.; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 10c; BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 17; v. Hoyningen-Huene/LinckLinck, § 4 KSchG Rn. 19; hierzu ausführlich: Ulrici, in: FS v. Hoyningen-Huene (2014), S. 501 ff. 71  Genenger bezeichnet diese als Gründe, die zur „Unwirksamkeit der Kündigung führen“, vgl. RdA 2010, 274, 280.

148

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

d)  Zwischenergebnis Das Kündigungsrecht erlischt nur beim Vorliegen von Kündigungserklärung und Kündigungsgrund, nicht jedoch, wenn eine Kündigung ohne einen wirksamen Kündigungsgrund erklärt wird. 3.  Keine Konsequenzen aus der Unwiderruflichkeit und Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten Möglicherweise ergibt sich etwas aus anderen Eigenschaften der Gestaltungsrechte im Hinblick auf den Verbrauch des Kündigungsrechts. Gestaltungsrechte sind grundsätzlich72 bedingungsfeindlich und unwiderruflich73. Im Kontext mit dem Verbrauch von Gestaltungsrechten wird häufig argumentiert, dass ein Zusammenhang mit der Unwiderruflichkeit bestehe74. Die Unwiderruflichkeit ergibt sich aus § 130 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Regelung ist auf empfangsbedürftige Willenserklärungen anzuwenden, mithin auch auf Gestaltungsrechte, die durch einseitiges Rechtsgeschäft ausgeübt werden. Die Bedingungsfeindlichkeit ist für die Aufrechnung ausdrücklich in § 388 S. 2 BGB geregelt. Die Vorschrift ist nach der herrschenden Meinung entsprechend auf alle anderen Gestaltungsrechte anwendbar75. Die Unwiderruflichkeit von Gestaltungsrechten bezweckt Rechtssicherheit76. Dasselbe gilt für die Bedingungsfeindlichkeit77. Der Gestaltungsgegner soll auf die Rechtslage vertrauen können.

72 Ausnahmsweise gilt dies nicht für sog. Rechtsbedingungen (die gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Rechtsgeschäfts, vgl. Staudinger-Bork, Vorbem. §§ 158 – 163 BGB Rn. 23), vgl. BGH 21. 03. 1986 – V ZR 23/85, NJW 1986, 2245, 2246; Medicus, BGB AT, Rn. 832; Staudinger-Schwarze, § 323 BGB Rn. D 8 (für den Rücktritt); Wolf/Neuner, BGB AT, § 52 Rn. 7. 73  BAG 30. 10. 2003 – 8 AZR 491/02, NJW 2004, 1891; Staudinger-Bork, Vorbemerkungen zu §§ 158 – 163 BGB Rn. 38; MüKo BGB-Emmerich, § 311 Rn. 23; Medicus, BGB AT, Rn. 90; BeckOK BGB-H. Schmidt, § 346, Rn. 6; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 37, 39; a.A. für die Bedingungsfeindlichkeit: Hattenauer, S. 285. 74  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 6 [siehe hierzu bereits ausführlich: § 4.I.2.b)]; Leverenz, Jura 1996, 1, 8; Staudinger-Rieble, § 315 BGB Rn. 259. 75  BGH 22. 10. 2003 – XII ZR 112/02, NJW 2004, 284, 285; Staudinger-Bork, Vorbemerkungen zu §§ 158 – 163 BGB Rn. 38; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 37; so i.E. auch Seckel, Gestaltungsrechte (1903), S. 49, nach dem die Bedingungsfeindlichkeit jedoch aus der Natur des Gestaltungsrechts folgt. 76  Medicus, BGB AT, Rn. 90; v. Tuhr II 1, § 53, S. 209; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 39. 77  BGH 21. 03. 1986 – V ZR 23/85, NJW 1986, 2245, 2246; Staudinger-Bork, Vorbemerkungen zu §§ 158 – 163 BGB Rn. 38; Staudinger-Gursky, § 388 BGB Rn. 25; Medicus, BGB AT, Rn. 90; Wolf/Neuner, BGB AT, § 20 Rn. 37.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

149

Bei der Wiederholungskündigung hat die erste Kündigung die Rechtslage nicht verändert. Daher gibt es gar keine entsprechende Rechtsänderung, auf die der Arbeitnehmer vertrauen können muss. Auch bei der Unwiderruflichkeit und Bedingungsfeindlichkeit kann Vertrauen nur dann investiert werden und schützenswert sein, wenn sich die Rechtslage geändert hat oder durch das Gestaltungsrecht überhaupt ändern kann. Das ist nur bei der wirksamen Ausübung eines Gestaltungsrechts der Fall. Die Unwiderruflichkeit und Bedingungsfeindlichkeit setzen daher sowohl eine Gestaltungserklärung als auch einen Gestaltungsgrund voraus. Die Situation des etwaigen Verbrauchs des Kündigungsrechts bei der Erklärung einer Kündigung ohne Grund ist deshalb nicht mit derjenigen der Unwiderruflichkeit und Bedingungsfeindlichkeit einer Kündigung vergleichbar. Der Zweck dieser Eigenschaften ist somit nicht auf einen etwaigen Verbrauch des Gestaltungsrechts übertragbar. Aus der Unwiderruflichkeit und der Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten folgt daher nichts für den Verbrauch von Gestaltungsrechten oder speziell den Verbrauch des Kündigungsrechts78. 4.  Keine Konsequenzen aus Besonderheiten der Kündigung hinsichtlich der Mitteilung des Kündigungsgrundes Gegen den Verbrauch könnte ferner die Besonderheit sprechen, dass die Wirksamkeit der Kündigung keine Mitteilung des Kündigungsgrundes erfordert, was sich aus einem Umkehrschluss aus § 626 Abs. 2 S. 3 BGB ergibt79. Diese Auffassung vertreten insbesondere Ascheid sowie Lingemann und Beck80. Bei der Wiederholungskündigung besteht allerdings die Besonderheit, dass der Grund der ersten Kündigung praktisch regelmäßig doch mitgeteilt wird: Bei der Trotzkündigung und der einen Fallgruppe der Wiederholungskündigung im engeren Sinne wurde im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederholungskündigung bereits rechtskräftig über die erste Kündigung entschieden81. Liegt im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederholungskündigung noch keine Entscheidung zur ersten Kündigung vor, muss das Gericht, das sich mit der Wiederholungskündigung befasst, nach der herrschenden Meinung die Vorfrage beantworten, ob ein Arbeitsverhältnis bestand82. Dabei hat es die Wirksamkeit der ersten Kündigung zu prüfen. Im ersten Kündigungsschutzprozess oder der Prüfung der ersten KünSo i.E. auch Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 273 f.; vgl. hierzu bereits: § 4.I.4. H.M.: BAG 30. 06. 1959 – 3 AZR 111/58, AP KSchG § 1 Nr. 56, Ls.; BAG 21. 03. 1959 – 2 AZR 375/56, NJW 1959, 1844; KR-Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 238; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 66; HaKo-Pfeiffer, § 1 KSchG Rn. 189; APS-Preis, Grundlagen D. Rn. 23; APS-Vossen, § 1 KSchG Rn. 115. 80  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 3; Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 226 (vgl. hierzu bereits: § 4.I.4.). 81  Zu den drei Fallgruppen siehe bereits: § 2.III. 82  Siehe hierzu bereits: § 2.III.2. 78 

79 

150

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

digung im Rahmen des Prozesses wegen der Wiederholungskündigung muss der Arbeitgeber das Vorliegen eines Kündigungsgrundes beweisen (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG). Deshalb trägt der Arbeitgeber im Regelfall einen mutmaßlichen Kündigungsgrund vor. Das der Kündigungsschutzklage stattgebende Urteil bezieht sich auf diesen Kündigungsgrund. Ein etwaiger Verbrauch würde sich daher ebenfalls auf diesen konkreten Grund beschränken. Sollte der Arbeitgeber ausnahmsweise keinen Grund vortragen, wird das Gericht der ersten Kündigung mangels Kündigungsgrundes ebenfalls die Wirksamkeit versagen. Dann ist jedoch nicht klar, auf welchen Sachverhalt sich der mögliche Verbrauch des Kündigungsrechts beziehen sollte. Ein genereller Verbrauch des Kündigungsrechts für sämtliche in Betracht kommende Kündigungsgründe wäre absurd, mit der Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers kaum vereinbar und daher abzulehnen. Für diesen Fall haben Ascheid, Lingemann und Beck insofern Recht, als dass die fehlende Begründungspflicht einem Verbrauch entgegensteht. Allerdings ist die Konstellation, dass der Arbeitgeber gar keinen Kündigungsgrund vorträgt, eher eine seltene Ausnahme als die Regel. Das Argument der fehlenden Notwendigkeit der Kündigungsbegründung ist daher schwach und spricht zumindest nicht entscheidend gegen den Verbrauch des Kündigungsrechts durch die Erklärung einer mangels Grundes unwirksamen Kündigung. 5.  Ergebnis Allein die Besonderheit, dass eine Kündigung nicht begründet werden muss, spricht für einen Verbrauch des Kündigungsrechts, wenn eine Kündigung ohne Grund erklärt wird. Allerdings ist das Argument nur sehr schwach. Stattdessen sprechen die Besonderheiten des Kündigungsrechts als Gestaltungsrecht sowie eine Heranziehung anderer Eigenarten wie der Unwiderruflichkeit und der Bedingungsfeindlichkeit entscheidend gegen einen Verbrauch des Kündigungsrechts bei Ausspruch einer Kündigung ohne Grund. Daher ist der Rechtsprechungsänderung des BAG sowie Teilen der Literatur zuzustimmen, dass ein Verbrauch des Kündigungsrechts nur bei dessen wirksamer Ausübung möglich ist83. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass aufgrund seiner Eigenschaft als Gestaltungsrecht das Kündigungsrecht des Arbeitgebers nicht durch die Erklärung einer Kündigung ohne Grund verbraucht sein kann.

II.  Verzicht auf das Kündigungsrecht Bis hierhin wurde festgestellt, dass das Kündigungsrecht mit der Kündigungserklärung nicht bereits ipso iure aufgrund der Eigenschaft als Gestaltungsrecht erloschen ist und eine Wiederholungskündigung nicht deshalb unzulässig ist. In Be83  Vgl. BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 28, siehe hierzu ausführlich: § 3.IV. sowie § 4.I.3.b); a.A. insb. Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

151

tracht kommt darüber hinaus ein Erlöschen durch einen Verzicht des Arbeitgebers auf sein Kündigungsrecht84. Ein solcher Verzicht könnte sich bereits aus der ersten Kündigungserklärung (1.), einem Rechtsmittelverzicht (2.) oder dem sonstigen Verhalten im Kündigungsschutzprozess um diese erste Kündigung (3.) ergeben. 1.  Kein konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht durch die erste Kündigungserklärung Die erste Kündigungserklärung könnte einen konkludenten Verzicht beinhalten, dass der Arbeitgeber beim Verlieren eines Kündigungsschutzprozesses wegen eines unzureichenden Kündigungsgrundes keine weitere Kündigung auf diesen Grund stützen wird. a)  Kündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung Die Kündigungserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung85. Eine Willenserklärung ist eine Willensäußerung, die unmittelbar auf das Herbeiführen einer Rechtsfolge gerichtet ist86. Subjektiv setzt sie Handlungsbewusstsein, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille voraus87. Dabei ist das Handlungsbewusstsein konstitutiv, während es für das Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen ausreicht, wenn sie aus einer Auslegung der Erklärung folgen88. Handlungsbewusstsein bedeutet, dass der Erklärende seine Handlung bewusst steuert, Erklärungsbewusstsein das Bewusstsein, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben und Geschäftswille die Absicht, eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen89. b)  Handlungs- und Erklärungsbewusstsein Der Arbeitgeber will mit der Kündigung das Arbeitsverhältnis beenden, sodass er eine rechtserhebliche Erklärung bezweckt und folglich mit Handlungs- und Erklärungsbewusstsein handelt. 84  Dies ist insbesondere im Hinblick auf eine Abgrenzung zu einem widersprüchlichen Verhalten (siehe hierzu noch ausführlich: § 7.III.3.b)dd)) relevant, vgl. NK-BGB-Krebs, § 242 Rn. 93; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 317 f.; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 107; Teichmann, JA 1985, 495, 500; a.A.: Wieling, AcP 176 (1976), 334, 335, 337 (immer konkludenter Verzicht). 85 HaKo-Mestwerdt, Einleitung Rn. 1; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 30a. 86  BGH 17. 10. 2000 – X ZR 97/99, NJW 2001, 289, 900; Jauernig-Mansel, Vorbemerkungen zu §§ 104 ff. Rn. 1; Staudinger-Singer, Vorbemerkungen zu §§ 116 ff. BGB Rn. 1. 87  Brox/Walker, BGB AT, Rn. 84 – 86. 88 Jauernig-Mansel, Vorbemerkungen zu §§ 116  –  144 BGB Rn. 6  –  8; BeckOK BGB-Wendtland, § 133 Rn. 6 f. 89  Brox/Walker, BGB AT, Rn. 86; Jauernig-Mansel, Vorbemerkungen zu §§ 116 – 144 BGB Rn. 4 – 6; BeckOK BGB-Wendtland, § 133 Rn. 5 – 7.

152

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

c)  Kein entsprechender Geschäftswille Fraglich ist, ob sich der Arbeitgeber bei seiner ersten Kündigungserklärung auch der konkreten Rechtsfolge bewusst wäre, dass er bereits mit dieser Erklärung auf eine erneute Verwendung des mutmaßlichen Grundes nach dem Verlieren eines Kündigungsschutzprozesses verzichtet, mithin ob auch der Geschäftswille hinsichtlich einer Verzichtserklärung gegeben ist. Da sich der Geschäftswille in aller Regel dem Wortlaut der Kündigungserklärung nicht entnehmen lässt, ist die Kündigungserklärung gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen90, also danach, wie sie nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu verstehen ist91. Dabei sind der Zweck der Erklärung92, die Begleitumstände93 und die beiderseitigen Interessen94 zu berücksichtigen95. Späteres Verhalten kann im Rahmen der Auslegung ebenfalls herangezogen werden, soweit es Rückschlüsse auf den Willen zulässt96. Zweck der Kündigungserklärung ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Einerseits beabsichtigt der Arbeitgeber bereits mit der ersten Kündigung, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Deshalb rechnet er nicht damit, in Zukunft eine weitere Kündigung auszusprechen. Für den Arbeitnehmer ist dieser Zweck mit der Erklärung der Kündigung offensichtlich. Der Zweck, das Arbeitsverhältnis zu beenden, könnte folglich für einen Verzicht auf eine erneute Verwendung des mutmaßlichen Kündigungsgrundes sprechen. Andererseits macht sich der Arbeitgeber bei der Erklärung der ersten Kündigung in der Regel keine Gedanken über eine weitere Kündigung, da er hofft, bereits mit der ersten Kündigung das Arbeitsverhältnis zu beenden. Dies steht einem Verzichtsbewusstsein und daher einem Verzicht entgegen. Außerdem spricht der Zweck einer Kündigungserklärung, das Arbeitsverhältnis zu beenden, per se dafür, das Kündigungsrecht des Arbeitgebers möglichst wenig einzuschränken. Beim Ausspruch der ersten Kündigung steht noch nicht fest, ob der vorgetragene Kündigungsgrund im Kündigungsschutzprozess rechtskräftig verneint und die Kündigung für unwirksam erklärt wird. Es ist nicht 90 Staudinger-Schiemann,

Eckpfeiler des Zivilrechts, C. Rn. 52. BGH 27. 01. 2010 – VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422, Tz. 33; BGH 05. 07. 1990 ‒ IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206; MüKo BGB-Busche, § 133 Rn. 28; Jauernig-Mansel, § 133 BGB Rn. 10; BeckOK BGB-Wendtland, § 133 Rn. 27. 92  Vgl. BGH 24. 04. 2009 – LwZR 11/08, NJW-RR 2009, 1714, Tz. 25; BGH 23. 02. 1956 ‒ II ZR 207/54, NJW 1956, 665. 93  Vgl. BGH 19. 12. 2001 ‒ XII ZR 281/99, NJW 2002, 1260, 1261; BGH 19. 01. 2000 – VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1003. 94  Vgl. BGH 12. 04. 2007 – VII ZR 236/05, NJW 2007, 1952, Tz. 32. 95  MüKo BGB-Busche, § 133 Rn. 55; Hk-BGB-Dörner, § 133 Rn. 5; Jauernig-Mansel, § 133 BGB Rn. 10; BeckOK BGB-Wendtland, § 133 Rn. 25. 96  BGH 01. 02. 2007 ‒ III ZR 159/06, NJW 2007, 1581, Tz. 21; Jauernig-Mansel, § 133 BGB Rn. 9; BeckOK BGB-Wendtland, § 133 Rn. 25. 91 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

153

auszuschließen, dass der Arbeitgeber beim Verlieren des ersten Prozesses den zugrunde liegenden Sachverhalt bei einer etwaigen zweiten Kündigung unterstützend heranziehen möchte. Hierbei müsste es sich nicht einmal um eine unzulässige Wiederholungskündigung handeln. Stattdessen besteht auch die Möglichkeit einer unproblematischen, zulässigen unechten Wiederholungskündigung auf der Grundlage eines wesentlich anderen Sachverhalts97. Ein Verzicht würde einer solchen zulässigen Kündigung entgegenstehen. Der Zweck der Kündigungserklärung, das Arbeitsverhältnis zu beenden, spricht deshalb entscheidend gegen einen Verzicht auf eine erneute Verwendung des Sachverhalts für eine weitere Kündigung. Einem Verzicht steht ferner das spätere Verhalten des Arbeitgebers entgegen. Mit der Wiederholungskündigung zeigt er, dass er annimmt, den mutmaßlichen Kündigungsgrund erneut verwenden zu können. Er geht mithin nicht von einem Verzicht hierauf aufgrund der ersten Kündigung aus. Die Interessen des Arbeitnehmers, die ebenfalls zu berücksichtigen sind, sprechen auch nicht ausschlaggebend für einen Verzicht. Zwar hat der Arbeitnehmer generell ein Interesse an einer Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers. Allerdings schützt die Rechtsordnung den Arbeitnehmer nicht vor grundlosen oder aus anderen Gründen unwirksamen Kündigungen, wie die Wertung der §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG zeigt98. Ferner wird der Arbeitnehmer bereits mit der Möglichkeit, Kündigungsschutzklage zu erheben, sowie der Sozialwidrigkeit gemäß § 1 Abs. 2 KSchG und der Grundlosigkeit im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geschützt. Allein das Interesse des Arbeitnehmers, vor Kündigungen geschützt zu werden, spricht daher nicht dafür, eine Kündigung des Arbeitgebers als Verzicht auf eine erneute Geltendmachung des Kündigungsgrundes auszulegen. Das Interesse des Arbeitnehmers wiegt somit nicht schwerer als der Kündigungszweck und die Interessen des Arbeitgebers. Für den Arbeitnehmer sind der Zweck der Kündigung sowie die Interessen des Arbeitgebers eindeutig. Mithin ist eine Kündigung nicht als Verzicht auf eine erneute Verwendung des Kündigungssachverhalts auslegen. d)  Zwischenergebnis Folglich ergibt die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB, dass der Arbeitgeber keinen Geschäftswillen hat, mit der ersten Kündigung auf eine erneute Verwendung des mutmaßlichen Kündigungsgrundes zu verzichten99. Mithin ist die Erklärung der ersten Kündigung kein Verzicht auf eine erneute Verwendung des mutmaßlichen Kündigungsgrundes.

97 

Siehe hierzu bereits: § 2.II.2.a). Siehe hierzu noch ausführlich: § 7.III.1.b)bb)(2)(b)(bb). 99  Vgl. BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 107; wohl ebenfalls zurückhaltend: Teichmann, JA 1985, 497, 500. 98 

154

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

2.  Kein konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht durch Rechtsmittelverzicht im Vorprozess Ein Rechtsmittelverzicht des Arbeitgebers könnte zugleich ein Verzicht auf eine erneute Verwendung des Kündigungsgrundes sein und daher zumindest einer Trotzkündigung entgegenstehen. a)  Verschiedene Möglichkeiten eines Rechtsmittelverzichts Der Arbeitgeber verzichtet auf Rechtsmittel, indem er die Rechtsmittelfrist ablaufen lässt (vgl. § 705 ZPO) oder gemäß § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. § 515 ZPO für die Berufung beziehungsweise gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. §§ 515, 565 S. 1 ZPO100 für die Revision ausdrücklich einen entsprechenden Verzicht erklärt. b)  Kein Verzicht auf das Kündigungsrecht bei Rechtsmittelverzicht durch Schweigen Im ersten Fall ‒ dem Ablaufen der Rechtsmittelfrist – schweigt der Arbeitgeber. Schweigen ist jedoch grundsätzlich ein rechtliches Nullum und hat als solches keinen Erklärungswert, da die Privatautonomie die negative Freiheit schützt, nichts erklären zu müssen101. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind restriktiv handzuhaben. Hier liegt keine der anerkannten Ausnahmen vor102. Bereits deshalb lässt sich einem Rechtsmittelverzicht durch Schweigen kein Verzicht auf eine erneute Verwendung des Kündigungsgrundes entnehmen. c)  Kein Verzicht auf das Kündigungsrecht bei ausdrücklichem Rechtsmittelverzicht im Vorprozess Möglicherweise enthält jedoch der ausdrückliche Rechtsmittelverzicht zugleich die Erklärung, auf eine erneute Verwendung des mutmaßlichen Kündigungsgrundes zu verzichten. Der Rechtsmittelverzicht ist als Prozesshandlung wie Willenserklärungen, entsprechend §§ 133, 157 BGB, auszulegen103. 100 Moll-Ziemann/Hamacher,

§ 77 Rn. 515, 604. BAG 18. 03. 2009 ‒ 10 AZR 281/08, NJW 2009, 2475, Tz. 14; MüKo BGB-Armbrüster, Vorbemerkung §§ 116 – 144 Rn. 8; BeckOK BGB-Wendtland, § 133 Rn. 10; Wolf/Neuner, BGB AT, § 31 Rn. 12. 102  Diese sind: Beredtes Schweigen, bei entsprechender ausdrücklicher oder konkludenter Vereinbarung, was allein bei länger bestehenden Geschäftsverbindungen anerkannt ist (Rüthers/Stadler, BGB AT Rn. 26 f.; Wolf/Neuner, BGB AT, § 31 Rn. 13 – 15) und das gewohnheitsrechtlich anerkannte Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Brox/Walker, BGB AT, Rn. 196 ff.; Rüthers/Stadler, BGB AT Rn, 30 f.). 103  BGH 22. 12. 2009 ‒ 3 AZN 753/09, NJW 2010, 956, Tz. 12; BGH 29. 11. 1956 ‒ III ZR 121/55, BeckRS 1956, 31202460; MüKo BGB-Busche, § 133 Rn. 43; Hk-BGB-Dörner, § 133 Rn. 2; NK-BGB-Looschelders, § 133 Rn. 9. 101 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

155

In der Regel erklärt der Arbeitgeber mit einem Rechtsmittelverzicht nicht zugleich einen ausdrücklichen Verzicht auf eine Wiederholung des Kündigungsgrundes. In Betracht kommt nur eine konkludente Erklärung. Dann müsste sich bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) dem Verhalten des Arbeitgebers und den sonstigen Umständen ein entsprechender Verzichtswille entnehmen lässt104. Der Arbeitgeber bezweckt mit seinem gesamten Verhalten, das mit einer Kündigung zusammenhängt, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Ein Verzicht auf eine weiter gehende Verwendung des herangezogenen Kündigungssachverhalts ist das exakte Gegenteil und widerspricht dem vom Arbeitgeber verfolgten Zweck eklatant. Ohne konkrete Anhaltspunkte kann folglich nicht auf einen Verzichtswillen geschlossen werden. Des Weiteren kann der Rechtsmittelverzicht auf verschiedenen Motiven des Arbeitgebers beruhen. Dass der Arbeitgeber aufgibt, den zugrunde liegenden Sachverhalt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verwenden, ist dabei nur ein mögliches Motiv. Darüber hinaus kommen auch andere Beweggründe in Betracht, wie zum Beispiel solche, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Prozess stehen, etwa persönliche, betriebliche oder finanzielle Gründe. Ohne konkreten Hinweis ist folglich nicht auszuschließen, dass der Arbeitgeber ein anderes Motiv verfolgt, als den Streit aufzugeben. Außerdem würde ein Verzicht den Interessen des Arbeitgebers widersprechen. Der im ersten Kündigungsschutzprozess vorgetragene Kündigungsgrund kann unterstützend zur Begründung einer weiteren Kündigung auf Grundlage eines wesentlich anderen Sachverhalts herangezogen werden, obwohl er rechtskräftig verneint wurde. Diese Kündigung wäre eine unechte Wiederholungskündigung, die ohne Weiteres zulässig ist105. Der Arbeitgeber übt hiermit sogar seine grundrechtlich geschützte unternehmerische Freiheit aus106. Ohne besondere Anhaltspunkte kann nicht angenommen werden, dass der Arbeitgeber seine Grundrechte beschränken will und konkludent auf sein Kündigungsrecht verzichtet. Nach alledem ist auch der ausdrückliche Rechtsmittelverzicht nicht als konkludenter Verzicht auf eine erneute Verwendung des Kündigungsgrundes auszulegen.

104  MüKo BGB-Armbrüster, Vorbemerkung §§ 116 – 144 Rn. 6; Bork, BGB AT, Rn. 571; Wolf/Neuner, BGB AT, § 31 Rn. 7. 105  Vgl. hierzu bereits: § 2.II.2.a). 106  Vgl. BVerfG 27. 01. 1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471; BAG 12. 09. 2013 – 6 AZR 121/12, NZA 2013, 1412, Tz. 24; MüKo BGB-Hergenröder, Einleitung KSchG Rn. 15; HBD-Holthausen, § 1 KSchG Rn. 10; HaKo-Mayer, § 1 KSchG Rn. 1; APS-Preis, Grundlagen A. Rn. 29 ff.; BeckOK ArbR-Rolfs, § 1 KSchG Rn. 36; Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 58.

156

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

d)  Zwischenergebnis Der Arbeitgeber verzichtet mit einem Rechtsmittelverzicht im Vorprozess nicht zugleich auf sein Kündigungsrecht. Er kann den vorgetragenen Kündigungsgrund für eine weitere Kündigung verwenden. 3.  Kein konkludenter Verzicht durch sonstiges Verhalten im Vorprozess Es ist weiter zu untersuchen, ob das sonstige Verhalten des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess wegen der ersten Kündigung ‒ etwa der Tatsachenvortrag ‒ als konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht ausgelegt werden kann. Prozesshandlungen sind analog §§ 133, 157 BGB wie Willenserklärungen auszulegen107. Einerseits macht sich der Arbeitgeber – anders als bei der Erklärung der ersten Kündigung – zwar möglicherweise Gedanken über eine zweite Kündigung, falls ein Verlieren des Kündigungsschutzprozesses ab irgendeinem Punkt zumindest nicht mehr ausgeschlossen ist. Andererseits würde jedoch auch bei dem sonstigen Verhalten im Prozess der Verzicht auf eine weitere Verwendung des angeblichen Kündigungsgrundes den Interessen des Arbeitgebers widersprechen. Wie bei der ersten Kündigungserklärung und einem Rechtsmittelverzicht hat der Arbeitgeber immer ein Interesse daran, den vorgetragenen Kündigungsgrund unterstützend für eine weitere Kündigung heranzuziehen, die unter Umständen nicht einmal eine unzulässige Wiederholungskündigung wäre. Ohne entsprechende Anhaltspunkte kann deshalb auch das sonstige prozessuale Verhalten des Arbeitgebers nicht als konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht ausgelegt werden. 4.  Ergebnis Weder die erste Kündigung noch ein Rechtsmittelverzicht oder das sonstige Verhalten im Vorprozess sind als konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht des Arbeitgebers auszulegen. Das Kündigungsrecht des Arbeitgebers erlischt folglich auch nicht durch einen Verzicht hierauf, sodass eine Wiederholungskündigung nicht bereits aus diesem Grund unzulässig ist.

III.  Anwendung der Generalklauseln Aus den Besonderheiten des Kündigungsrechts als Gestaltungsrecht ergibt sich keine materiellrechtliche Lösung für die Wiederholungskündigung. Auch ein konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht ist ohne besondere Anhaltspunkte auszuschließen. Folglich sind die subsidiären Generalklauseln anwendbar. Grunskys Argument, zumindest § 242 BGB sei wegen des ultima ratio-Prinzips nicht 107 

Siehe hierzu bereits: § 7.II.2.c), insb. Fn. 103.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

157

heranzuziehen108, überzeugt nicht, da gerade ein Fall von ultima ratio gegeben ist. Auch der zu § 138 BGB vorgetragene Einwand, es gebe vorrangige prozessrechtliche Lösungswege109, ist nicht überzeugend, da das Prozessrecht aufgrund seiner dienenden Funktion wiederum subsidiär gegenüber den materiellrechtlichen Generalklauseln ist110. Daher ist zu untersuchen, ob sich aus den Generalklauseln eine Lösung zum Umgang mit der Wiederholungskündigung ergibt. Dabei kommen insbesondere die §§ 138 Abs. 1, 226, 242 BGB in Frage, wobei § 138 Abs. 1 BGB111 und § 226 BGB112 vorrangig gegenüber § 242 BGB sind. Daher wird die Wiederholungskündigung zunächst gemäß § 138 BGB (1.), anschließend gemäß § 226 BGB (2.) und schließlich gemäß § 242 BGB (3.) untersucht. 1.  Zur Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB Gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Die Vorschrift erfasst mit den Rechtsgeschäften auch einseitige Rechtsgeschäfte, mithin auch Kündigungen113. § 138 Abs. 2 BGB beinhaltet Regelbeispiele wucherischer Austauschgeschäfte114. Bei der Wiederholungskündigung kommt allein eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB in Frage, da die Kündigung ein einseitiges Rechtsgeschäft und kein Austauschgeschäft im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB ist. Zunächst sind die Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB zusammenzufassen (a). Anschließend werden die Voraussetzungen auf die erste Kündigung und die Wiederholungskündigung angewendet (b). a)  Voraussetzungen aa)  Objektive Voraussetzungen (1) Begriff der Sittenwidrigkeit Sittenwidrigkeit wird auf Grundlage der Gesetzesmaterialien traditionell als ein Verstoß gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ de108 

Siehe hierzu bereits: § 4.III.2. Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194; Lüke, JZ 1960, 203, 207; Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 121; siehe hierzu bereits: § 4.II.3.a). 110  Siehe hierzu bereits: § 7.I.2.c)ee). 111  MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 5; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 35; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 8. 112 Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 374; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 134. 113  BAG 28. 09. 1972 – 2 AZR 469/71, AP BGB § 134 Nr. 2, Ls. 1; MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 9; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 3. 114  Vgl. MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 143; Hk-BGB-Dörner, § 138 Rn. 15. 109 

158

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

finiert115. Zur Konkretisierung ist die herrschende Rechts- und Sozialmoral heranzuziehen116, die sich wiederum den Grundwertungen und -prinzipien der Rechtsordnung entnehmen lässt117. Hieraus folgt ein strenger Maßstab, sodass eine Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB nur in Extremfällen anzunehmen ist118. (2) Bezugspunkt Inhalt oder Umstände Vorrangig ist der Inhalt eines Rechtsgeschäfts anhand des § 138 Abs. 1 BGB zu prüfen („Inhaltssittenwidrigkeit“119)120. Der Gesetzgeber wollte mit § 138 BGB ursprünglich allein an den Inhalt des Rechtsgeschäfts anknüpfen. Nach dem ersten Entwurf des BGB sollte ein Rechtsgeschäft, dessen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt, nichtig sein121. Auch in den Motiven zum ersten Entwurf betont der Gesetzgeber, dass der „Inhalt eines Rechtsgeschäfts unmittelbar, in objektiver Einsicht und unter Ausscheidung der subjektiven Seite“122 eine Sittenwidrigkeit begründen sollte. Vermag allein der Inhalt eines Rechtsgeschäfts keine Sittenwidrigkeit zu rechtfertigen, kann sich eine solche aus dem Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts ergeben, wobei insbesondere Inhalt, Beweggrund und Zweck zu berücksichtigen sind („Umstandssittenwidrigkeit“123)124. Auch dies entspricht dem Willen des Gesetzge115  Motive II, S. 727 = Mugdan, II, S. 406 (zum heutigen § 826 BGB); BGH 09. 07. 1953 – IV ZR 242/52, NJW 1953, 1665; BGH 18. 12. 2008 – VII ZR 201/06, NJW 2009, 835, Tz. 10; RG 11. 04. 1901 – VI 443/00, RGZ 46, 114, 124 (zu § 826); MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 14; Bork, BGB AT, Rn. 1181; Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 68; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 3; Hk-BGB-Dörner, § 138 Rn. 3; Jauernig-Mansel, § 138 BGB Rn. 6; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 14; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 16. 116 Vgl. Larenz, JurJb VII (1966/1967), S. 98, 105; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 19; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 16. 117  MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 12; Hk-BGB-Dörner, § 138 Rn. 3; Lindacher, ZZP 173 (1973), 124, 125; Jauernig-Mansel, § 138 BGB Rn. 6; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 18. 118  BAG 21. 02. 2001 – 2 AZR 15/00, NZA 2001, 833, 835; BAG 09. 05. 1996 – 2 AZR 128/95, BeckRS 30924514; BAG 23. 04. 1981 ‒ 2 AZR 1091/78, BeckRS 1981, 04431; BAG 19. 07. 1973 – 2 AZR 464/72, AP BGB § 138 Nr. 32; Beater, AcP 197 (1997), 505, 524; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 236, 241, 244; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 15, 31; Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, 325; Preis, Prinzipien (1987), S. 397; Staudinger-Sack/ Fischinger, § 138 BGB Rn. 28. 119 Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 5. 120  BGH 31. 03. 1970 – III ZB 23/68, NJW 1970, 1273, 1274; Hk-BGB-Dörner, § 138 Rn. 2; Flume, AT II, § 18/2, S. 368, Köhler, BGB AT, § 13 Rn. 22; Medicus, BGB AT, Rn. 685; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 4. 121 Vgl. Mugdan, I, S. LXXXV, noch § 106 EBGB. 122  Vgl. Motive I, S. 211 = Mugdan, I, S. 469 [Hervorhebungen d. Verf.]. 123 Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 5.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

159

bers. Der zweite Entwurf stellte im Gegensatz zum ersten nicht mehr auf den Inhalt des Rechtsgeschäfts ab, sondern auf das Rechtsgeschäft. Nach den Protokollen zum zweiten Entwurf reicht es nicht aus, wenn sich die Sittenwidrigkeit aus dem objektiven Inhalt ohne Berücksichtigung subjektiver Umstände ergeben kann125. Die verwerfliche Gesinnung der Parteien ist hinzuzuziehen, weil nur dann der Inhalt des Rechtsgeschäfts „in das rechte Licht gesetzt werde“126. 124

Meistens beziehen Rechtsprechung und Literatur den Inhalt ausdrücklich in die Gesamtabwägung ein, sodass es im Ergebnis bei einer Inhaltskontrolle des Rechtsgeschäfts bleibt127. Aufgrund der Gesamtabwägung kann sich die Sittenwidrigkeit insbesondere aus der Ausnutzung einer Machtstellung ergeben, wobei die Machtstellung unter anderem aus einer sozialen Position128 oder wirtschaftlicher Übermacht129 resultieren kann, wie sie auch ein Arbeitgeber hat130. Der bei der Sittenwidrigkeit generell strenge Maßstab wird im Arbeitsrecht hinsichtlich der Kündigung oft dahingehend konkretisiert, dass das Motiv des Arbeitgebers verwerflich sein muss131. (3) Zeitpunkt Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist die Ausübung des Rechtsgeschäfts132. Das gilt sowohl für den rechtlichen Maßstab der Sittenwidrigkeit als auch die tatsächlichen Verhältnisse133. Bei der Kündigung ist dies 124  St. Rspr., siehe nur: BAG 22. 07. 2010 – 8 AZR 144, 09, NZA 2011, 743, Tz. 30; BGH 10. 10. 1997 – V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590; BGH 31. 03. 1970 – III ZB 23/68, NJW 1970, 1273, 1275; MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 30; Bork, BGB AT, Rn. 1183; Palandt-Ellenberger, § 138 BGB Rn. 7; Jauernig-Mansel, § 138 BGB Rn. 8; Medicus, BGB AT, Rn. 688; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 6; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 21; Wolf/Neuner, BGB AT, § 46 Rn. 21. 125  Protokolle I, S. 123 = Mugdan, I, S. 725. 126  Protokolle I, S. 123 f. = Mugdan, I, S. 725. 127  Vgl. Hk-BGB-Dörner, § 138 Rn. 2, 4; Flume, AT II, § 18/2, S. 368; Staudinger-Sack/ Fischinger, § 138 BGB Rn. 6; a.A. wohl Jauernig-Mansel, § 138 BGB Rn. 8 f., der Inhalt und Umstände alternativ darstellt. 128  Wolf/Neuner, BGB AT, § 46 Rn. 38. 129  Bork, BGB AT, Rn. 1196. 130  MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 35. 131  BAG 21. 02. 2001 – 2 AZR 15/00, NZA 2001, 833, 835; BAG 16. 02. 1989 – 2 AZR 347/88, NZA 1989, 962; BAG 23. 11. 1961 – 2 AZR 301/61, AP BGB § 138 Nr. 22, Ls. 2; BAG 29. 05. 1956 – 3 AZR 454/54, AP BGB § 184 Nr. 2, 2; v. Hoyningen-Huene/Linck-v. Hoyningen-Huene, § 13 KSchG Rn. 57; Preis, Prinzipien (1987), S. 396; Thüsing/Laux/ Lembke-Stelljes, § 138 BGB Rn. 6. 132  Vgl. BGH 30. 06. 1983 – III ZR 114/82, NJW 1983, 2692, Ls. 1; MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 133, 136; Palandt-Ellenberger, § 138 BGB Rn. 9; NK-BGB-Looschelders, § 138 BGB Rn. 122; Jauernig-Mansel, § 138 BGB Rn. 2; Wolf/Neuner, BGB AT, § 46 Rn. 26. 133  MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 136; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 95; Schmoeckel, ZZP 197 (1997), 1, 20.

160

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

konkret der Zugang der Kündigung134. Spätere tatsächliche Umstände sind nur zu berücksichtigen, soweit sie bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts vorhersehbar waren135. Folglich gibt es keine rückwirkende Sittenwidrigkeit136. bb)  Subjektive Voraussetzungen Die Inhaltssittenwidrigkeit hat keine subjektiven Voraussetzungen137. Diese Auffassung ist nicht unumstritten, was hier jedoch nicht vertieft werden muss. Denn es sei vorweggenommen, dass für die Wiederholungskündigung einzig eine Umstandssittenwidrigkeit in Frage kommt. Die Umstandssittenwidrigkeit erfordert auf subjektiver Seite die Kenntnis oder pflichtwidrige Unkenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände138. b)  Subsumtion Bei der Wiederholungskündigung kommen mit der ersten und der zweiten Kündigung – der Wiederholungskündigung – zwei Kündigungen in Betracht, welche sittenwidrig und deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sein könnten. Daher sind beide Kündigungen anhand des § 138 Abs. 1 BGB zu untersuchen, zunächst die erste Kündigung (aa)) und sodann die Wiederholungskündigung (bb)). aa)  Erste Kündigung Der entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist der Zugang der Kündigung139. Der Arbeitgeber müsste daher schon mit der ersten Kündigung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Bork, BGB AT, Rn. 1156. BGH 30. 03. 1995 ‒ IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886, 1887; Schmoeckel, ZZP 197 (1997), 1, 20 f. 136  BGH 30. 06. 1983 – III ZR 114/82, NJW 1983, 2692; BGH 14. 07. 1952 ‒ IV ZR 1/52, NJW 1952, 1169, Ls.; MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 134; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 98; Schmoeckel, ZZP 197 (1997), 1, 21. 137  BGH 08. 05. 1985 ‒ IV a ZR 138/83, NJW 1985, 2405, 2406; Flume, AT II, § 18/2, S. 373; Larenz, JurJb. VII (1966/1967), S. 98, 119; Jauernig-Mansel, § 138 BGB Rn. 10; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 22; a.A.: Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 74. 138  BAG 22. 07. 2010 – 8 AZR 144/09, NZA 2011, 743, Tz. 30; BGH 19. 01. 2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127; BGH 08. 05. 1985 – IV a ZR 138/83, NJW 1985, 2405, 2406; BGH 09. 07. 1953 – IV ZR 242/52, NJW 1953, 1665, 1666; Jauernig-Mansel, § 138 BGB Rn. 10 f.; Medicus, BGB AT, Rn. 690; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 74; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 23; a.A. BGH 10. 03. 1982 – VIII ZR 74/81, NJW 1982, 1455 (Bewusstsein der Sittenwidrigkeit); BGH 07. 03. 1974 ‒ VII ZR 148/73, NJW 1974, 942 (verwerfliche Gesinnung); RG 13. 03. 1936 – V 184/35, RGZ 150, 1, 5; Lindacher, ZZP 73 (1973), 124, 126 f. (gar keine subjektiven Voraussetzungen, mit Ausnahme neutraler Geschäfte). 139  Siehe hierzu ausführlich: § 7.III.1.a)aa)(3). 134  135 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

161

Der fehlende Kündigungsgrund selbst vermag keine Sittenwidrigkeit zu begründen, da § 1 Abs. 2 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB die Konsequenzen einer Kündigung ohne ausreichenden Grund abschließend regeln140. Die spätere Wiederholungskündigung führt auch nicht zur Sittenwidrigkeit der ersten Kündigung. Bei der Erklärung der ersten Kündigung gibt es noch gar keine Wiederholungskündigung. Die Wiederholungskündigung kann nur dann berücksichtigt werden, wenn sie bereits bei der ersten Kündigung vorhersehbar ist141. Das ist nicht der Fall. Bei der Wiederholungskündigung geht es um zwei Kündigungen aus demselben (mutmaßlichen) Grund. In der Regel beabsichtigt der Arbeitgeber, mit der ersten Kündigung das Arbeitsverhältnis zu beenden. Die erste Kündigung ist daher nicht von vornherein und offensichtlich unwirksam. Selbst, wenn der Arbeitgeber Zweifel am Kündigungsgrund hat, ist es noch möglich, dass der Arbeitnehmer die Frist der §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG verstreichen lässt oder das Gericht den Kündigungsgrund wider Erwarten doch bejaht. Daher ist es auf keinen Fall vorhersehbar, dass er eine zweite Kündigung aus demselben Grund aussprechen wird. Mithin kann die Wiederholungskündigung im Zeitpunkt der Erklärung der ersten Kündigung nicht berücksichtigt werden. Aufgrund des für § 138 Abs. 1 BGB relevanten Beurteilungszeitraums ist die erste Kündigung somit nicht sittenwidrig. bb)  Wiederholungskündigung Im Folgenden wird daher die Wiederholungskündigung anhand des § 138 Abs. 1 BGB geprüft. Dabei ist auf objektiver Seite zunächst allein der Inhalt der Kündigung zu analysieren (1) und wenn dieser keine Sittenwidrigkeit zu begründen vermag, zusätzlich die Umstände (2). (1) Prüfung einer Inhaltssittenwidrigkeit Hinsichtlich des fehlenden Kündigungsgrundes gilt dasselbe wie für die erste Kündigung. Der fehlende Kündigungsgrund wird abschließend durch die § 1 Abs. 2 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB sanktioniert und führt deshalb nicht zur Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung. (2) Prüfung einer Umstandssittenwidrigkeit Worauf man mit einer möglichen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB reagieren will, ist die Tatsache, dass der Arbeitgeber zuvor schon einmal aus demselben mutmaßlichen Grund gekündigt hat. Dies betrifft jedoch nicht den Inhalt der Kündigung, sondern deren Umstände. Daher ist zu untersuchen, ob die Wiederholungskündigung vor diesem Hintergrund umstandssittenwidrig ist. 140  Vgl. BAG 29. 05. 1956 – 3 AZR 454/54, AP BGB § 184 Nr. 2, 2; LSW-Löwisch, § 13 KSchG Rn. 37; Preis, NZA 1997, 1256, 1264; Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 499, 528 f. 141  Siehe hierzu ausführlich: § 7.III.1.a)aa)(3).

162

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

(a) Möglichkeit der Differenzierung bezüglich der Trotzkündigung Im Rahmen der Gesamtbetrachtung der Umstände ist eine Differenzierung zwischen den drei Fallgruppen der Wiederholungskündigung ‒ erstens Trotzkündigung, zweitens Wiederholungskündigung im engeren Sinne bei Vorliegen und drittens bei Fehlen einer Entscheidung zur ersten Kündigung im Zeitpunkt der Entscheidung142 – geboten. Es ist ein entscheidender Unterschied, ob der Arbeitgeber eine Kündigung wiederholt, nachdem ein Gericht bereits rechtskräftig entschieden hat, dass diese Kündigung am Fehlen eines wirksamen Grundes scheitert – so bei der Trotzkündigung – oder bevor eine solche Entscheidung ergeht. Einer Differenzierung und damit generell einer Lösung zur Wiederholungskündigung mithilfe des § 138 Abs. 1 BGB steht dabei möglicherweise entgegen, dass die drei Fallkonstellationen gleichzubehandeln sind, wie es das BAG vertritt143. Das kann jedoch offen bleiben, solange nicht feststeht, dass die Frage nach der Sittenwidrigkeit der Wiederholungskündigung je nach Fallgruppe tatsächlich unterschiedlich zu beantworten ist. Ein rechtskräftiges Urteil zu einer früheren Kündigung aus demselben Kündigungsgrund ist ein erschwerender Umstand, der eher eine Sittenwidrigkeit begründen könnte, als das Fehlen eines rechtskräftigen Urteils. Aus diesem Grund ist die Trotzkündigung als erstes zu prüfen. Ist eine Trotzkündigung nicht sittenwidrig, ist eine Wiederholungskündigung in den anderen Fallkonstellationen erst Recht nicht sittenwidrig. Unter diesen Voraussetzungen müsste auf das Gleichbehandlungsargument des BAG im Rahmen dieser Ausführungen zu § 138 Abs. 1 BGB nicht weiter eingegangen werden144. (b) Prüfung der Trotzkündigung Folglich ist der Gesamtcharakter der Trotzkündigung zu untersuchen, mithin ob Inhalt, Beweggrund und Zweck Grundprinzipien der Rechtsordnung widersprechen. (aa) Möglichkeit unterschiedlicher Motivation des Arbeitgebers Der Arbeitgeber kann mit einer Trotzkündigung verschiedene Zwecke verfolgen. Die Unterschiede hinsichtlich der Motivation könnten auch Konsequenzen für die Beantwortung der Frage nach der Sittenwidrigkeit haben. Einerseits kann es Fälle geben, in denen der Arbeitgeber das rechtskräftige Urteil des Vorprozesses nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel für unrichtig hält, sodass er sich im Recht fühlt und mit der Trotzkündigung beabsichtigt, eine „rich142 

Siehe hierzu bereits ausführlich: § 2.III.3. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; siehe hierzu bereits: § 4.II.1. 144 Siehe hierzu jedoch noch die Ausführungen im Zusammenhang mit § 242 BGB: § 7.III.3.b)dd)(6). 143 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

163

tige“ Entscheidung zu veranlassen. Er hofft daher möglicherweise, dass für den Fall der Erhebung einer Kündigungsschutzklage ein anderer Richter als im Vorprozess über die Trotzkündigung entscheiden wird und dieser Richter vielleicht den der Kündigungserklärung zugrunde liegenden Sachverhalt als wirksamen Kündigungsgrund bewertet. Ebenso ist auch bei einer Entscheidung desselben Richters eine anderslautende Entscheidung nicht ausgeschlossen, sodass eine entsprechende Hoffnung des Arbeitgebers nicht unberechtigt ist. Andererseits kann der Arbeitgeber auch aus reiner Schikane wiederholt kündigen; beispielsweise, wenn der erste Kündigungsschutzprozess die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so sehr beeinträchtigt hat, dass der Arbeitgeber hofft, der Arbeitnehmer werde eine zweite Kündigung akzeptieren und auf den Kündigungsschutz verzichten, nur weil er die Arbeitgeberkündigung als Gelegenheit sieht, aus dem Arbeitsverhältnis zu entkommen oder die Kündigung ihn veranlasst, aufzugeben. Vergleichbar ist es, wenn der Arbeitgeber lediglich zusätzlichen Aufwand für den Arbeitnehmer verursachen will. Möglicherweise sind jedoch nicht einmal solche „schikanösen“ Wiederholungskündigungen bei einer genaueren Betrachtung von Inhalt, Beweggrund und Zweck (umstands-)sittenwidrig, sodass die Trotzkündigung weder generell noch im Einzelfall gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Dies wird im Folgenden weiter untersucht. (bb) Inhaltlich untauglicher Kündigungsgrund und Ausnutzung einer Machtposition Als Fallgruppe der Umstandssittenwidrigkeit ist vor allem das Ausnutzen einer Machtstellung145 in Betracht zu ziehen. Der Arbeitgeber hat aufgrund der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers146 generell eine Machtposition, die konkret bei der Kündigung durch die Möglichkeit der Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG verstärkt wird. Mit der zweiten Kündigung nutzt der Arbeitgeber die Rechtslage aus, dass der Arbeitnehmer tätig werden muss, um sich gegen die Kündigung zu wehren. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass die Kündigung inhaltlich sozialwidrig (§ 1 Abs. 2 KSchG) oder grundlos (§ 626 Abs. 1 BGB) ist. Dies könnte den Missbrauch einer Machtstellung und damit eine Sittenwidrigkeit begründen. Bei der ordentlichen Kündigung ist der fehlende Kündigungsgrund als Sozialwidrigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG in vier Schritten zu prüfen. Erstens das Vorliegen eines an sich geeigneten ‒ personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten ‒ Kündigungsgrundes zu prüfen. Zweitens ist eine negative Prognose geboten. Drittens darf es keine vorrangigen milderen Mittel geben („ultima ratio“) und 145 

Vgl. hierzu bereits: § 7.III.1.a)aa)(2). BAG 30. 11. 1994 – 5 AZR 704/93, NZA 1995, 622, 623; BAG 28. 02. 1962 – 4 AZR 141/61, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 1, Ls; MüKo BGB-Müller-Glöge, § 611 Rn. 171; ErfK-Preis, § 611 BGB Rn. 50 ff. 146  Vgl.

164

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

viertens ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, die bei der betriebsbedingten Kündigung durch die Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 KSchG ersetzt wird147. Bei der außerordentlichen Kündigung wird die Wirksamkeit danach geprüft, ob ein an sich geeigneter Kündigungsgrund vorliegt; anschließend erfolgt eine Interessenabwägung148. Vor diesem Hintergrund kann eine Trotzkündigung im Einzelfall auf einem an sich geeigneten Kündigungsgrund beruhen und erst an einem der folgenden Prüfungspunkte – negative Prognose, ultima ratio oder Interessenabwägung – scheitern. Liegt ein an sich geeigneter Kündigungsgrund vor, wird der Inhalt der Trotzkündigung zumindest teilweise von der Rechtsordnung anerkannt149. Dies spricht jedenfalls in diesen Einzelfällen gegen eine Sittenwidrigkeit der Trotzkündigung. Darüber hinaus erkennt die Rechtsordnung mit den §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG das Wirksamwerden einer unwirksamen Kündigung grundsätzlich an, unabhängig davon, ob die Kündigung bereits an der ersten materiellen Wirksamkeitsvoraussetzung scheitert oder sie insgesamt sozialwidrig oder grundlos ist. Zudem können selbst ganz ohne Grund ausgesprochene Kündigungen ‒ ohne jeglichen Vortrag eines Sachverhalts, als Kündigungsgrund ‒ die in der Literatur teilweise als „willkürlich“150 oder „willkürlich in weiterem Sinne“151 bezeichnet werden, gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG wirksam werden. Sie sind daher zulässig und insbesondere nicht sittenwidrig152. Einer Trotzkündigung hingegen liegt ein Sachverhalt zugrunde, von dem sich der Arbeitgeber zumindest beim Ausspruch der ersten Kündigung erhofft hat, dass er eine Kündigung rechtfertigt. Bei der Erklärung der Trotzkündigung erwartet er möglicherweise dasselbe. Insofern ist dem Argument von Nikisch zuzustimmen, dass das Empfinden des Arbeitgebers, er befinde sich im Recht, gegen eine Sittenwidrigkeit der zweiten Kündigung spricht153. Aufgrund der Entscheidung zur unwirksamen ersten Kündigung sind indes bei der Erklärung der Trotzkündigung Zweifel des Arbeitgebers am Kündigungsgrund 147  Siehe zu diesen Voraussetzungen ausführlich: Hromadka/Maschmann, § 10 Rn. 139, 155; v. Hoyningen-Huene/Linck-Krause, § 1 Rn. 179 ff., 191 ff., 201 ff.; ErfK-Oetker, § 1 KSchG Rn. 61 ff.; SEM-Schwarze, Einleitung Rn. 107; APS-Vossen, § 1 KSchG Rn, 58 ff. 148 SEM-Schwarze, Einleitung Rn. 108. 149  Vgl. BAG 24. 04. 1997 – 2 AZR 268/96, NZA 1998, 145, 146; BAG 23. 04. 1981 – 2 AZR 1091/78, BeckRS 1981, 04431; BAG 20. 02. 1975 – 2 AZR 534/73, BeckRS 1975, 00086; v. Hoyningen-Huene/Linck-v. Hoyningen-Huene, § 13 KSchG Rn. 58; SchaubLinck, § 129 Rn. 6; Preis, Prinzipien (1987), S. 397; Stahlhacke, in: FS Wiese (1998), S. 513, 526; Thüsing/Laux/Lembke-Stelljes, § 138 BGB Rn. 4. 150 Grundlegend Preis, Prinzipien (1987), S. 397; Preis, NZA 1997, 1256, 1258. 151  Stahlhacke, in: FS Wiese (1998), S. 513, 524. 152  BAG 23. 4. 1981 – 2 AZR 1091/78, BeckRS 1981, 04431; BAG 23. 11. 1961 – 2 AZR 301/61, AP BGB § 138 Nr. 22, II; Preis, Prinzipien (1987), S. 397; Stahlhacke, in: FS Wiese (1998), S. 513, 524 f.; siehe hierzu ferner: BeckOK ArbR-Kerwer, § 7 KSchG Rn. 13. 153  Siehe hierzu bereits: § 4.II.3.c).

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

165

zumindest nicht ausgeschlossen. Bei der grundlosen „willkürlichen“154 Kündigung weiß der Arbeitgeber, dass er keinen Kündigungsgrund hat. Die Kenntnis des Arbeitgebers hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht einen Kündigungsgrund verneint ist daher vergleichbar und spricht für eine Gleichbehandlung von „willkürlichen“ und Trotzkündigungen, was die Sittenwidrigkeit betrifft. Selbst wenn der Arbeitgeber aufgrund des Urteils zur ersten Kündigung bei der Trotzkündigung am Kündigungsgrund zweifelt, bietet der zugrunde liegende Sachverhalt mehr Anhaltspunkte, die eine Kündigung rechtfertigen könnten als bei einer „willkürlichen“ Kündigung ganz ohne Grund, da der ersten Kündigung immerhin ein mutmaßlicher Grund zugrunde lag. Eine Trotzkündigung ist daher sogar weniger schwerwiegend als „willkürliche“ grundlose Kündigungen, die der Wirksamkeitsfiktion (§§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG) unterfallen und deshalb von der Rechtsordnung gebilligt werden. Dies spricht dafür, dass Trotzkündigungen erst Recht nicht der Rechtsordnung widersprechen und sie erst Recht nicht sittenwidrig sind. Der Inhalt einer Trotzkündigung führt daher nicht zur Sittenwidrigkeit. Deshalb ist die Art und Weise, wie der Arbeitgeber möglicherweise im Hinblick auf eine erhoffte Wirksamkeitsfiktion seine Macht ausübt, von der Rechtsordnung gebilligt. Auch ein möglicher Beweggrund, die Fiktionsmöglichkeit auszunutzen, ist daher nicht verwerflich. Eine Trotzkündigung widerspricht folglich inhaltlich nicht den Grundprinzipien der Rechtsordnung und ist nicht sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB. Folglich ist festzuhalten, dass allein die Ausnutzung der unter anderem aus §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG folgenden Machtposition des Arbeitgebers nicht zur Sittenwidrigkeit von Trotzkündigungen führt. (cc) Bestätigung durch historische Auslegung Die historische Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes bestätigt die Bedenken hinsichtlich einer Sittenwidrigkeit der Trotzkündigung. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 a.F. KSchG konnte der Arbeitgeber trotz erfolgreicher Kündigungsschutzklage einen Auflösungsantrag stellen, aus Gründen, „die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen“155. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 3 a.F. KSchG war dieser Antrag unter anderem abzulehnen, „wenn die Kündigung offensichtlich willkürlich oder aus nichtigen Gründen unter Mißbrauch der Machtstellung des Arbeitgebers im Betrieb erfolgt ist“156. § 7 a.F. KSchG bezog sich dabei auf solche Kündigungsschutzklagen, die gemäß § 3 S. 1 a.F. KSchG aufgrund der Sozialwidrigkeit der Kündigung erfolgreich waren. Der Zusammenhang mit § 7 Abs. 1 S. 3 a.F. KSchG zeigt daher, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch willkürliche Kündigungen, die unter 154  Im Folgenden werden in Abgrenzung zur gem. § 242 BGB willkürlichen Kündigung (vgl. APS-Preis, Grundlagen J. Rn. 51 m.w.Nachw.) bewusst Anführungszeichen verwendet. 155  Vgl. BGBl. Teil I, Nr. 40 vom 13. 08. 1951, S. 500. 156  Vgl. BGBl. Teil I, Nr. 40 vom 13. 08. 1951, S. 500.

166

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Missbrauch der Machtstellung des Arbeitgebers ausgesprochen werden, im Ausgangspunkt nur sozialwidrig und nicht sittenwidrig sind. Sittenwidrigkeit ist deshalb nur unter noch schwerwiegenderen Umständen zu bejahen157, was gegen eine generelle Sittenwidrigkeit von Trotzkündigungen spricht. (dd) Beweggrund Trennung vom Arbeitnehmer Dem Arbeitgeber geht es beim Ausspruch der Trotzkündigung darum, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Selbst, wenn seine Motivation auf den ersten Blick verwerflich wirken mag, liegt der Zweck, sich vom Arbeitnehmer zu trennen, letztendlich jeder Kündigung zugrunde. Aufgrund des möglicherweise unsittlichen Motives wird daher nicht ohne Weiteres auch das Rechtsgeschäft unsittlich und sittenwidrig158. Die Rechtsordnung schützt mit der Fiktionsmöglichkeit der §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG das Kündigungsrecht des Arbeitgebers, selbst wenn es keinen Kündigungsgrund gibt159. Ferner macht der Arbeitgeber mit der Kündigung von seiner gemäß Art. 12, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit Gebrauch160. Dies spricht gegen einen Widerspruch mit Grundprinzipien der Rechtsordnung und folglich gegen eine Sittenwidrigkeit der Trotzkündigung. Erklärt ein Arbeitgeber daher eine Kündigung allein deshalb, weil ihm der Arbeitnehmer „unbequem“ ist, führt dies höchstens dazu, dass die Kündigung unsozial ist, nicht jedoch sittenwidrig161. Ist im Einzelfall der Kündigungszweck des Arbeitgebers darüber hinaus verwerflich, mag das unter Umständen eine Sittenwidrigkeit begründen. Die Sittenwidrigkeit resultiert dann allerdings nicht daraus, dass der Arbeitgeber einen mutmaßlichen Grund verwendet, den ein Gericht bereits für unwirksam gehalten hat, mithin er eine Trotzkündigung ausspricht. Eine Sittenwidrigkeit wäre unabhängig von der Eigenschaft als Trotzkündigung. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass allein der mögliche Zweck des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu beenden, nicht zu einer grundsätzlichen Sittenwidrigkeit der Trotzkündigung führt. 157  Vgl. BAG 23. 4. 1981, 2 AZR 1091/78; BAG 14. 05. 1964 – 2 AZR 244/63, AP BGB § 242 Kündigung Nr. 5, III; vgl. Hueck, Anm. BAG 29. 05. 1956 – 3 AZR 454/54, AP BGB § 184 Nr. 2, 2., Bl. 412. 158 Vgl. Flume, AT II, § 18/4, S. 375. 159  Siehe hierzu bereits: § 7.III.1.b)bb)(2)(b)(bb). 160  BVerfG 27. 01. 1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471; BAG 12. 09. 2013 – 6 AZR 121/12, NZA 2013, 1412, Tz. 24; MüKo BGB-Hergenröder, Einleitung KSchG Rn. 15; HBD-Holthausen, § 1 KSchG Rn. 10; HaKo-Mayer, § 1 KSchG Rn. 1; APS-Preis, Grundlagen A. Rn. 29 ff.; BeckOK ArbR-Rolfs, § 1 KSchG Rn. 36; Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 58. 161  So i.E. auch BAG 25. 6. 1964, 2 AZR 135/63, AP § 242 BGB Auskunftspflicht Nr. 3, Ls. 1, I.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

167

(ee) Zweck „Korrektur“ der Entscheidung des Vorprozesses Die entscheidende Besonderheit bei der Trotzkündigung ist das rechtskräftige Urteil zur ersten Kündigung. Der Zweck des Arbeitgebers, die Entscheidung des Vorprozesses zu „korrigieren“, könnte die Sittenwidrigkeit der Trotzkündigung begründen. Die Sittenwidrigkeit setzt wiederum eine Missachtung grundlegender Rechts­ prinzipien voraus. Der Arbeitgeber stellt sich mit der Trotzkündigung gegen eine rechtskräftige Entscheidung. Selbst wenn man die Rechtskraft als grundlegendes Prinzip der Rechtsordnung anerkennt, sind die Wirkungen der Rechtskraft allein prozessual (Unzulässigkeit bei demselben Streitgegenstand, Unbegründetheit bei Präjudizialität und Präklusion162). Das „Prinzip“ der Rechtskraft ist nicht materiellrechtlich163. Mit der Erklärung einer Trotzkündigung außerhalb des Prozesses befindet sich der Arbeitgeber folglich außerhalb des Wirkungsbereichs der Rechtskraft. Bereits aus diesem Grund kann er mit seiner Trotzkündigung die Rechtskraft nicht missachten. Eine Trotzkündigung kann somit mangels Widerspruchs zu einem grundlegenden Rechtsprinzip nicht sittenwidrig sein. Dementsprechend ist Hueck darin zuzustimmen, dass eine Partei das Recht hat, die gleiche Frage vor ein höheres Gericht zu bringen164. Ferner muss entgegen Deckers’ Meinung gar nicht erst danach gefragt werden, ob das Urteil eine Regel begründen kann, an welche die Parteien gebunden sind und bei welcher ein Verstoß zur Sittenwidrigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts führt165. Folglich führt auch die Tatsache, dass es bereits ein Urteil zu dem Kündigungsgrund gibt und der Arbeitgeber sich mit der Trotzkündigung über dieses Urteil hinweg setzen und es „korrigieren“ will, nicht zur Sittenwidrigkeit der Trotzkündigung166. (ff) Ausschlaggebende Gesichtspunkte Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, dass eine Trotzkündigung im Ausgangspunkt auf Grundlage eines Sachverhalts ausgesprochen wird, der kein Kündigungsgrund ist, was die Rechtsordnung billigt. Auch der Umstand, dass der Arbeitgeber bezweckt, das Arbeitsverhältnis zu beenden und sich über das Urteil des Vorprozesses hinwegsetzt oder es „korrigieren“ will, vermag keine Sittenwidrigkeit zu begründen, weil diese Motivation keinem grundlegenden Rechtsprinzip entgegensteht. Dies spricht bereits dagegen, dass Trotzkündigungen im Einzelfall 162 

Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.I.2.b) – § 5.I.2.d). entspricht der herrschenden prozessualen Rechtskrafttheorie, siehe hierzu bereits: § 5.I.2.a). 164  Hueck, Anm. BAG 12. 10. 1954 ‒ 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5; siehe hierzu bereits: § 4.II.2. 165  So aber Deckers (1999), S. 127; siehe hierzu bereits ausführlich: § 4.II.3.c). 166  So i.E. auch Deckers (1999), S. 127. 163  Dies

168

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

oder generell sittenwidrig sind – anders als das BAG ursprünglich vertrat167 und später noch als Möglichkeit in Betracht zog, aber mit dem Gleichbehandlungsargument ablehnte168. Für das Ergebnis, dass die Trotzkündigung nicht sittenwidrig ist, sprechen ferner entscheidend die grundlegenden Maßstäbe des § 138 BGB. Erstens ist § 138 BGB eine Ausnahmevorschrift, die nur in Extremfällen anwendbar sein soll. Führt man sich Fälle vor Augen, in denen das BAG die Sittenwidrigkeit einer Kündigung annimmt, sind diese Fälle sehr viel schwerwiegender als eine Trotzkündigung, selbst wenn die Trotzkündigung allein aus Schikane ausgesprochen wird169. Zweitens ist zu betonen, dass § 138 BGB nach dem erklärten gesetzgeberischen Willen primär auf den Inhalt eines Rechtsgeschäfts reagieren soll. Der Inhalt einer Trotzkündigung ‒ eine Kündigung ohne Grund – wird von der Rechtsordnung jedoch gebilligt, wie insbesondere die Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG indiziert. Insofern ist dem Hauptkritikpunkt Böttichers zuzustimmen, dass bei der Wiederholungskündigung nicht der Inhalt, sondern eher die Ausübung bedenklich ist, sodass § 138 BGB nicht geeignet ist, um die Unwirksamkeit der Wiederholungskündigung zu begründen170. Drittens ist der Telos des § 138 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Die Regelung soll den Missbrauch von Privatautonomie verhindern171 sowie solcher Rechtsgeschäfte, die für die Rechtsgemeinschaft unerträgliche Auswirkungen haben172, weil 167  BAG 12. 10. 1954 – 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5 m.zust.Anm. v. Hueck, AP KSchG § 3 Nr. 5; siehe hierzu bereits: § 3.I und § 4.II.1. 168  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; siehe hierzu bereits: § 3.II und § 4.II.1. 169  Vgl. z.B. BAG 02. 04. 1987 ‒ 2 AZR 277/86, NZA 1988, 18 (Unwirksamkeit einer Kündigung gem. § 138 i.V.m. § 612a BGB, die als Maßregelung für die Geltendmachung von Vorruhestandsgeld ausgesprochen wurde); BAG 05. 03. 1987 ‒ 2 AZR 187/86, BeckRS 1987, 30720512 (Sittenwidrigkeit einer Kündigung als Reaktion auf die Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers); BAG 23. 11. 1961 ‒ 2 AZR 301/61 AP BGB § 138 Nr. 22, II (Sittenwidrigkeit einer Kündigung als Vergeltung dafür, dass Arbeitnehmer Bezahlung für geleistete Nachtschichten verlangt, wobei der Fall heute über § 612a BGB i.V.m. § 134 zu lösen wäre, vgl. HK-ArbR-Kraushaar, § 242 BGB Rn. 7); siehe auch BAG 23. 06. 1994 – 2 AZR 617/93, NZA 1994, 1080, 1082 (Sittenwidrigkeit einer Kündigung als Reaktion auf die Homosexualität eines Arbeitnehmers, wobei diese „fälschlicherweise“ auf § 242 BGB gestützt wurde vgl. Staudinger-Sack/Fischinger, § 138 Rn. 534); vgl. ferner zusammenfassend zum strengen Maßstab: BAG 09. 05. 1996 ‒ 2 AZR 128/95, BeckRS 1996, 30924514; BAG 16. 02. 1989 ‒ 2 AZR 347/88, NZA 1989, 962; v. Hoyningen-Huene/Linck-v. HoyningenHuene, § 13 KSchG Rn. 56; Thüsing/Laux/Lembke-Stelljes, § 138 BGB Rn. 7 (verwerfliche Gründe, Rachsucht oder Vergeltung). 170 Vgl. Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 68; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 3; siehe hierzu bereits ausführlich: § 4.II.3.b). 171 BGH 14. 05. 1998 – I ZR 19/96, NJW 1998, 2531, 2532; MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 1; BeckOK BGB-Wendtland, § 138 Rn. 2. 172  MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 1.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

169

sie grundlegende gesellschaftliche Wertvorstellungen durchsetzen soll173. Der Arbeitgeber macht im Ergebnis mit der Erklärung einer Trotzkündigung jedoch lediglich von seinem Kündigungsrecht Gebrauch und dies sogar in einer Weise, die das Gesetz anerkennt. Folglich spricht die teleologische Auslegung des § 138 Abs. 1 BGB ebenfalls gegen die Sittenwidrigkeit der Trotzkündigung. Die grundlegenden Wertungen des § 138 BGB bestätigen das Ergebnis, dass Trotzkündigungen nicht sittenwidrig sind. (c) Zwischenergebnis Eine Trotzkündigung ist weder im Einzelfall noch generell umstandssittenwidrig. Da nicht einmal Trotzkündigungen sittenwidrig sind, gilt dies erst Recht für die anderen Fallgruppen der Wiederholungskündigung, das heißt Wiederholungskündigungen, die vor einer rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung erklärt werden. c)  Zwischenergebnis Weder die Wiederholungskündigung noch die zuvor ausgesprochene Kündigung aus demselben mutmaßlichen Grund ist sittenwidrig. Die Wiederholungskündigung ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB unzulässig. 2.  Zum Verstoß gegen das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB Möglicherweise ergibt sich aus dem in § 226 BGB normierten Schikaneverbot eine Lösung zum materiellrechtlichen Umgang mit der Wiederholungskündigung. Eine Unwirksamkeit gemäß § 226 BGB kommt allein im Hinblick auf die Wiederholungskündigung in Betracht und nicht die davor ausgesprochene Kündigung aus demselben Grund. § 226 BGB gilt mit der „Rechtsausübung“ für das gesamte Privatrecht174 und ist daher auch auf Wiederholungskündigungen anwendbar. Betrachtet man die amtliche Überschrift des § 226 BGB, Schikaneverbot, könnte naheliegen, dass zumindest eine Trotzkündigung im Einzelfall gemäß § 226 BGB unzulässig sein könnte175. Allerdings setzt § 226 BGB voraus, dass die Rechtsausübung nur den Zweck hat, einem anderen Schaden zuzufügen. Ein berechtigtes Interesse muss sicher ausgeschlossen sein176. Ein solcher Nachweis ist bereits generell 173 Staudinger-Sack/Fischinger,

§ 138 BGB Rn. 2. MüKo BGB-Grothe, § 226 Rn. 2. 175  Anm.: Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 226 BGB ist allein die Rechtswidrigkeit und Unzulässigkeit der Rechtsausübung. § 226 BGB führt nur zu einer rechtshindernden Einwendung, nicht etwa zu einer Nichtigkeit ipso iure, vgl. RG 01. 06. 1906 ‒ V 539/03, RGZ 58, 214, 216; BeckOK BGB-Dennhardt, § 226 Rn. 7; Staudinger-Repgen, § 226 BGB Rn. 38. 176  BGH 14. 07. 2008 ‒ II ZR 204/07, NJW 2008, 3438, Tz. 7; Palandt-Ellenberger, § 226 BGB Rn. 3; MüKo BGB-Grothe, § 226 Rn. 4; Heinrich, in: FS Laufs (2006), S. 585, 590. 174 

170

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

praktisch schwer177. Einer Kündigung liegt darüber hinaus immer das Interesse des Arbeitgebers zugrunde, das Arbeitsverhältnis zu beenden, welches sogar verfassungsrechtlich gemäß Art. 12, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützt ist178. Aus diesem Grund hat der Arbeitgeber in jedem Fall ein berechtigtes Interesse an der Rechtsausübung und handelt sicher nicht allein aus Schikane. Deshalb ist weder speziell eine Trotzkündigung noch allgemein eine Wiederholungskündigung gemäß § 226 BGB unwirksam. 3.  Zum Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB Wiederholungskündigungen sowie zuvor ausgesprochene Kündigungen aus demselben Grund sind weder gemäß § 138 Abs. 1 BGB noch gemäß § 226 BGB unwirksam. Die Normen begründen daher keine Lösung zum materiellrechtlichen Umgang mit der Wiederholungskündigung. Folglich kann nun als ultima ratio § 242 BGB angewendet werden. Gemäß § 242 BGB ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Es ist gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass § 242 BGB über den Wortlaut hinaus als allgemeine Regel auf die Rechtsausübung179 und in der gesamten Rechtsordnung anwendbar ist180. Mithin gilt § 242 BGB auch für den Arbeitgeber bei der Ausübung seines Kündigungsrechts181. Bevor § 242 BGB auf die Wiederholungskündigung und die vorangehende Kündigung angewendet wird (b)), sind vorab die Voraussetzungen der Norm zu erläutern (a)).

Rüthers/Stadler, BGB AT, § 7 Rn. 2. BVerfG 27. 01. 1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471; BAG 12. 09. 2013 – 6 AZR 121/12, NZA 2013, 1412, Tz. 24; MüKo BGB-Hergenröder, Einleitung KSchG Rn. 15; HBD-Holthausen, § 1 KSchG Rn. 10; HaKo-Mayer, § 1 KSchG Rn. 1; APS-Preis, Grundlagen A. Rn. 29 ff.; BeckOK ArbR-Rolfs, § 1 KSchG Rn. 36; Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 58. 179  Vgl. BGH 20. 07. 2012 ‒ V ZR 217/11, NJW 2012, 3424, Tz. 16; BGH 26. 09. 1984 – IV b ZR 17/83, NJW 1985, 732, 733; BGH 23. 09. 1982 – VII ZR 183/80, NJW 1983, 109, 110, 111; Palandt-Grüneberg, § 242 BGB Rn. 1; NK-BGB-Krebs, § 242 BGB Rn. 1. 180  BGH 20. 07. 2012 – V ZR 217/11, NJW 2012, 3424, Tz. 16; BGH 05. 05. 1992 ‒ X ZR 134/90, NJW 1992, 2557, 2559; BGH 23. 09. 1982 – VII ZR 183/80, NJW 1983, 109, 110; Gernhuber, JuS 1983, 764; Palandt-Grüneberg, § 242 BGB Rn. 3 f.; Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 10; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 1. 181  BAG 28. 09. 1972 – 2 AZR 469/71, AP BGB § 134 Nr. 2, Ls. 1; Thüsing/Laux/Lembke-Stelljes, § 242 BGB Rn. 1. 177 

178 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

171

a)  Voraussetzungen des § 242 BGB aa)  Struktur des § 242 § 242 BGB ist eine Generalklausel. Sie führt zu einer Billigkeitskorrektur und bezweckt, untragbare Ergebnisse zu verhindern182. Bei den Grenzen der Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB sind Treu und Glauben vorrangig, während die Verkehrssitte nachrangig ist183. Die Berücksichtigung von Treu und Glauben führt zu einer umfassenden Interessenabwägung184. Treue bedeutet dabei eine Haltung, die sich durch Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit, Gewissenhaftigkeit und Rücksicht auszeichnet; Glaube, dass sich die andere Partei hierauf verlassen kann185. Im Rahmen der Interessenabwägung sind vor diesem Hintergrund allgemeingültige soziale, ethische und rechtliche Prinzipien zu berücksichtigen186. Dabei muss auch die Rechtsordnung selbst beachtet werden, einerseits einfachgesetzliche Wertungen187, andererseits aufgrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auch diese188. Es fällt auf, dass diese Maßstäbe teilweise denjenigen des § 138 BGB entsprechen; allerdings sind die Voraussetzungen des § 242 BGB generell geringer189. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Verstoßes gegen Treu und Glauben ist bei der Rechtsausübung die Geltendmachung des Rechts190. Rechtsprechung und Literatur haben die Generalklausel des § 242 BGB durch die Bildung von Fallgruppen konkretisiert, die mit den Funktionen der Norm zusammenhängen191. Diese Fallgruppen sind für vorliegende Arbeit nur teilweise re-

182  BGH 22. 10. 1987 – VII ZR 12/87, NJW 1988, 255, 257; NK-BGB-Krebs, § 242 Rn. 7; Hk-BGB-Schulze, § 242 Rn. 1; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 2. 183  Mugdan II, S. 552; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 167. 184 Palandt-Grüneberg, § 242 BGB Rn. 7; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 50; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 18. 185  Heinrich, in: FS Laufs (2006), S. 585, 587; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 140 f.; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 16. 186 Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 142; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 34; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 1. 187 NK-BGB-Krebs, § 242 Rn. 16; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 148; Hk-BGB-Schulze, § 242 Rn. 13. 188  BVerfG 19. 10. 1993 ‒ 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36, 37; BVerfG 15. 01. 1958 – 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257, Ls. b; BAG 23. 06. 1994 ‒ 2 AZR 617/93, NZA 1994, 1080, 1082; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 146; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 22. 189  MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 5; Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 13; Staudinger-Sack/Fischinger, § 242 BGB Rn. 181; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 35. 190  BGH 29. 05. 1954 ‒ II ZR 223/53, NJW 1954, 1402, 1403; NK-BGB-Krebs, § 242 Rn. 66; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 153; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 50. 191  Vgl. Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 210.

172

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

levant. Eine Funktion des § 242 BGB ist die Beschränkung von Rechten192. Zwei hieraus resultierende Unterfallgruppen sind das Verbot des Rechtsmissbrauchs und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“)193. Diese beiden Unterfallgruppen werden im Folgenden zunächst abstrakt genauer dargestellt. Bereits vorab ist hervorzuheben, dass § 242 BGB eine wertungsoffene Generalklausel ist, die im Einzelfall zu gerechten Lösungen führen soll. Daher bieten Fallgruppen und Kriterien lediglich einen Orientierungspunkt mit Wertungsspielräumen und sind nicht als strenge Voraussetzungen oder Grenzen anzusehen194. bb)  Rechtsmissbrauch Beim Rechtsmissbrauch195 macht eine Partei ein ihr formal zustehendes Recht geltend, was jedoch § 242 BGB widerspricht und daher unzulässig ist196. Da jeder seine Rechte auch dann ausüben darf, wenn ein anderer dadurch Nachteile erleidet, sind die Anforderungen an den Rechtsmissbrauch insgesamt streng, sodass ein solcher nur ausnahmsweise zu bejahen ist197. Im Rahmen des Rechtsmissbrauchs gibt es wiederum verschiedene Fallgruppen198, wobei für die Wiederholungskündigung allein die Art und Weise der 192 Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 6 f.; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 140; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 32. Andere Funktionen: Konkretisierung von Leistungspflichten, Ergänzung von Pflichten, Beschränkung der Privatautonomie, vgl. Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 6 – 9; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 140; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 30 f., 33. 193  Teilweise wird das Verbot des venire contra factum proprium auch als Fallgruppe des Verbots des Rechtsmissbrauchs gesehen: Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 233; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 309 ff.; Teichmann, JA 1985, 497; für ein Nebeneinander: Jauernig-Mansel, § 242 Rn. 37 ff., 48 ff.; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 106 ff. Dies ist jedoch hinsichtlich der Voraussetzungen und Subsumtion unerheblich. 194 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 303, 335; Heinrich, in: FS Laufs (2006), S. 585, 606; Jung, Generalklausel (2006), S. 37, 60; Teichmann, JA 1985, 497, 502; Weber, AcP 192 (1992), S. 516 ff. 195  Zur Terminologie: Rechtsmissbrauch bezeichnet den Tatbestand, unzulässige Rechtsausübung die Rechtsfolge dieser Fallgruppe, vgl. MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 202; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 47. 196 Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 32; Rüthers/Stadler, BGB AT, § 7 Rn. 2. 197  BGH 20. 07. 2012 ‒ V ZR 217/11, NJW 2012, 3424, Tz. 16; Heinrich, in: FS Laufs (2006), S. 585, 589; vgl. auch Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 221: „grob und unerträglich empfundene Unbilligkeit.“ 198  Ferner ist beim Rechtsmissbrauch zwischen dem individuellen und dem institutionellen Rechtsmissbrauch zu unterscheiden. Beim individuellen ergibt sich die Treuwidrigkeit aus dem Verhalten der Partei, bei dem institutionellen aus dem Zweck des Rechtsinstituts. Diese Differenzierung hat allerdings keine praktischen Konsequenzen. Siehe hierzu: Heinrich, in: FS Laufs (2006), S. 585, 591; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 217; Hk-BGB-Schulze, § 242 Rn. 22

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

173

Rechtsausübung199, das Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses sowie ein schutzwürdiges Interesse der Gegenpartei in Betracht kommen 200. cc)  Widersprüchliches Verhalten Widersprüchliches Verhalten, oder ein sogenanntes venire contra factum proprium, liegt vor, wenn das gegenwärtige Verhalten einer Partei ihrem früheren Verhalten widerspricht201. Dabei ist das Verhalten der Partei über einen längeren Zeitraum zu berücksichtigen und ‒ im Gegensatz zu anderen Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs – nicht nur punktuell das bei oder vor einem bestimmten Rechtsgeschäft202. Das Verhalten ist vorab von einem konkludenten Verzicht abzugrenzen 203. Die Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens ist ebenfalls nur ausnahmsweise zu bejahen 204. Das Verbot des venire contra factum proprium bezweckt Vertrauensschutz. Das Vorverhalten muss daher einen Vertrauenstatbestand schaffen und die andere Partei berechtigterweise Vertrauen in das Vorverhalten investieren 205. Dabei ist umstritten, ob das Vertrauen Dispositionen der anderen Partei voraussetzt oder ob solche allein im Rahmen der Interessenabwägung für eine besondere Schutzwürdigkeit sprechen 206. 199  Typisches Beispiel hierfür ist die Kündigung zur Unzeit, vgl. BAG 01. 07. 1999 ‒ 2 AZR 926/98, NZA 2000, 437, 438; HK-ArbR-Kraushaar, § 242 BGB Rn. 22; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 822; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 244; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 70. 200  Vgl. Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 37 ff.; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 244; Hk-BGB-Schulze, § 242 Rn. 22; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 57. 201 Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 284; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 344; Hk-BGB-Schulze, § 242 Rn. 36. 202  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 301. 203 NK-BGB-Krebs, § 242 Rn. 93; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 317; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 107; Teichmann, JA 1985, 495, 500; a.A. Wieling, AcP 176 (1976), 334, 335, 337 (immer konkludenter Verzicht). 204 Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 288. 205 BGH 23. 11. 2012 – BLw 12/11, NJW-RR 2013, 713; BGH 23. 10. 2008 – VII ZR 105/07, NJW 2009, 435; BGH 05. 12. 1991 ‒ IX ZR 271/90, NJW 1992, 834; BGH 20. 03. 1986 – III ZR 236/84, NJW 1986, 2104, 2107; BGH 09. 05. 1960 – III ZR 32/59, NJW 1960, 1522, 1524; BAG 11. 12. 1996 – 5 AZR 708/95, NZA 1997, 818, 820; grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, S. 266, 302; NK-BGB-Krebs, § 242 Rn. 94; Larenz, SchuldR AT, § 10 II, S. 133; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 84; Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 50; Menezes Cordeiro, in: FS Canaris (2007), S. 857, 862, 864 f.; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 110; Teichmann, JA 1985, 497, 500; Wieling, AcP 176 (1976), 334, 335; a.A.: BGH 20. 09. 1995 – VIII ZR 52/94, DtZ 1996, 48, 49; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 287; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 309, 344, die Vertrauen nicht als notwendige Voraussetzung ansehen. 206  Für Dispositionen als Voraussetzung: wohl Canaris, Vertrauenshaftung, S. 303, vgl. aber auch S. 338 f., wo er Dispositionen nur im Rahmen einer Abwägung berücksichtigen

174

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Ein Verstoß gegen § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens setzt kein Verschulden voraus207. Allerdings muss das vertrauensbegründende Vorverhalten der Partei zurechenbar sein 208. b)  Anwendung des § 242 BGB aa)  Erste Kündigung Die Erklärung der Kündigung ist der für die Beurteilung der Treuwidrigkeit maßgebliche Zeitpunkt, sodass eine Unwirksamkeit der ersten Kündigung gemäß § 242 BGB voraussetzen würde, dass der Arbeitgeber schon mit dieser ersten Kündigung gegen Treu und Glauben verstößt209. Der fehlende Kündigungsgrund selbst führt nicht zu einem Verstoß gegen § 242 BGB, weil § 1 Abs. 2 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB die Rechtsfolgen einer grundlosen Kündigung abschließend regeln 210. Aufgrund des Beurteilungszeitpunktes kann die Wiederholungskündigung noch nicht berücksichtigt werden und daher keinen Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB begründen. Die erste Kündigung, die vor der Wiederholungskündigung erklärt wird, verstößt deshalb aufgrund des Zusammenhangs mit der Wiederholungskündigung nicht gegen Treu und Glauben und ist nicht gemäß § 242 BGB unwirksam. bb)  Möglichkeit der Differenzierung bezüglich der Trotzkündigung Bei der Prüfung der zweiten Kündigung gemäß § 242 BGB ist, wie bereits bei § 138 Abs. 1 BGB211, eine Differenzierung zwischen den drei Fallgruppen der Wiederholungskündigung geboten: erstens die Trotzkündigung; zweitens die Wiederholungskündigung im engeren Sinne mit und drittens ohne rechtskräftiges Urteil im Vorprozess im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederholungskündigung212. will; Heinrich, in: FS Laufs (2006), S. 585, 601; Teichmann, JA 1985, 497, 501; a.A.: Palandt-Grüneberg, § 242 BGB Rn. 56; NK-BGB-Krebs, § 242 Rn. 94; Staudinger-Olzen/ Looschelders, § 242 BGB Rn. 293; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 316; Hk-BGB-Schulze, § 242 Rn. 37. 207  BGH 12. 11. 2008 ‒ XII ZR 134/04, NJW 2009, 1334, Tz. 41; BGH 31. 01. 1975 – IV ZR 18/74, NJW 1975, 827, 828. 208  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 303; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 291; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 313; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 109. 209  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.III.3.a)aa). 210 BAG 23. 06. 1994 – 2 AZR 617/93, NZA 1994, 1080, 1081; HK-ArbR-Kraushaar, § 242 BGB Rn. 23; Stahlhacke, in: FS Wiese (1998), S. 513, 523; Thüsing/Laux/Lembke-Stelljes, § 242 BGB Rn. 5; siehe hierzu bereits im Zusammenhang mit § 138 Abs. 1 BGB: § 7.III.1.b)aa). 211  Vgl. hierzu: § 7.III.1.b)bb)(2)(a). 212  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 2.III.3.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

175

Dem könnte entgegenstehen, dass die drei Fälle gleich zu behandeln sind, wie es das BAG zur Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB vertritt213. Dies kann jedoch genau wie bei den Ausführungen zu § 138 Abs. 1 BGB offen bleiben, solange nicht feststeht, dass die Frage nach einem Verstoß gegen § 242 BGB je nach Fallgruppe unterschiedlich zu beantworten ist214. Die drei Fallgruppen werden zunächst gemeinsam thematisiert. Auf etwaige Unterschiede wird ausdrücklich hingewiesen. Sollten sich Unterschiede hinsichtlich der Fallgruppen ergeben, wird die Frage nach der Gleichbehandlung erneut aufgegriffen 215. cc)  Rechtsmissbrauch bei der Wiederholungskündigung Die zweite Kündigung, die Wiederholungskündigung, könnte rechtsmissbräuchlich und deshalb gemäß § 242 BGB unwirksam sein. Als Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs kommen ein fehlendes Eigeninteresse des Arbeitgebers, überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers sowie die Art und Weise der Rechtsausübung in Frage216. (1) Fehlendes Eigeninteresse des Arbeitgebers Gegen ein fehlendes Eigeninteresse des Arbeitgebers spricht, dass er sich von seinem Arbeitnehmer trennen will, was als Teil seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit sogar den Schutz des Grundgesetzes (Art. 12, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) genießt217. Allerdings ist die Geltendmachung formal bestehender Rechte gerade kennzeichnend für einen Rechtsmissbrauch, sodass dies allein nicht genügt, um ein fehlendes Eigeninteresse und einen Verstoß gegen § 242 BGB zu verneinen. Andernfalls könnte eine Kündigung nie rechtsmissbräuchlich sein. Speziell der Wiederholungskündigung liegt jedoch ein Sachverhalt zugrunde, den der Arbeitgeber zumindest bei Ausspruch der ersten Kündigung für einen wirksamen Kündigungsgrund gehalten hat. Sein Interesse, das Arbeitsverhältnis zu beenden, kann er daher ‒ wenn auch im Ergebnis erfolglos ‒ sogar begründen. Dies spricht gegen ein fehlendes Eigeninteresse und einen Rechtsmissbrauch. Sollte der Arbeitgeber ausnahmsweise einen ganz anderen Zweck verfolgen und die Wiederholungskündigung als Mittel hierzu nutzen, könnte dieser Zweck eine Rechtsmissbräuchlichkeit begründen. Das BAG hat das beispielsweise für den Fall 213 

BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71; siehe hierzu bereits: § 4.II.1. Vgl. hierzu bereits: § 7.III.1.b)bb)(2)(a). 215  Siehe hierzu insbesondere: § 7.III.3.b)dd)(6). 216  Siehe hierzu bereits: § 7.III.3.a)bb). 217  BVerfG 27. 01. 1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471; BAG 12. 09. 2013 – 6 AZR 121/12, NZA 2013, 1412, Tz. 24; MüKo BGB-Hergenröder, Einleitung KSchG Rn. 15; HBD-Holthausen, § 1 KSchG Rn. 10; HaKo-Mayer, § 1 KSchG Rn. 1; APS-Preis, Grundlagen A. Rn. 29 ff.; BeckOK ArbR-Rolfs, § 1 KSchG Rn. 36; Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 58. 214 

176

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

bejaht, dass der Arbeitgeber eine Kündigung allein aufgrund der Homosexualität des Arbeitnehmers ausgesprochen hat und andere Kündigungsmotive sicher ausgeschlossen werden konnten 218. In einem solchen Fall würde der Rechtsmissbrauch jedoch mit dem konkreten Motiv oder dem der Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalt zusammenhängen und nicht mit der Eigenschaft als Wiederholungskündigung. Ein Rechtsmissbrauch der Wiederholungskündigung kann sich vor diesem Hintergrund lediglich aus dem vorgetragenen Grund an sich ergeben. Dann ist die Wiederholungskündigung allerdings nicht aufgrund der Wiederholung eines Kündigungsgrundes unwirksam, sondern wegen des konkreten ‒ angeblichen – Grundes. Die Rechtsmissbräuchlichkeit wäre daher unabhängig von der Eigenschaft als Wiederholungskündigung. Dies spricht dafür, dass der Arbeitgeber grundsätzlich ein Eigeninteresse an der Wiederholungskündigung hat. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, führt das fehlende Eigeninteresse unabhängig von der Eigenschaft als Wiederholungskündigung zu einem Rechtsmissbrauch. Dies steht nach alledem einem fehlenden Eigeninteresse des Arbeitgebers bei der Wiederholungskündigung entgegen. Darüber hinaus ist ausschlaggebend zu berücksichtigen, dass § 242 BGB als Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegen ist. Dies spricht bei einem Motivbündel, das zumindest ein schützenswertes Motiv des Arbeitgebers beinhaltet, gegen die Verletzung eines sozialen oder ethischen Prinzips und damit gegen ein fehlendes Eigeninteresse und gegen einen Rechtsmissbrauch. Solange der Arbeitgeber daher seine verfassungsrechtlich geschützte Kündigungsfreiheit ausübt und dies sogar auf einem möglichen Grund basiert, ist es deshalb unerheblich, dass er gegebenenfalls primär bezweckt, den Arbeitnehmer loszuwerden, was sich daran zeigt, dass er auch auf mutmaßliche Gründe zugrückgreift, deren Wirksamkeit er nach der Entscheidung des Vorprozesses zumindest bezweifeln könnte. Nach alledem ist festzuhalten, dass einer Wiederholungskündigung ein Eigeninteresse des Arbeitgebers zugrunde liegt, sodass kein entsprechender Fall eines Rechtsmissbrauchs vorliegt. (2) Überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers Es ist weiter zu untersuchen, ob schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers überwiegen und die Wiederholungskündigung deshalb wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist. Einerseits hat der Arbeitnehmer generell ein Interesse an einer Beschränkung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers. Das ist mit der Freiheit der Arbeitsplatzwahl aus Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt219. Hieraus folgt sogar eine staatliche Schutzpflicht220. Andererseits statuiert das Kündigungsschutzgesetz selbst die verfassungskonformen Grenzen des Interesses des Arbeit218 

BAG 23. 06. 1994 – 2 AZR 617/93, NZA 1994, 1080, 1082. BAG 26. 09. 2002 ‒ 2 AZR 636/01, NZA 2003, 549, 550 f. 220  BVerfG 27. 01. 1998 – 1 BvL 15 – 87, NJW 1998, 1475; BeckOK GG-Ruffert, Art. 12 GG Rn. 19. 219 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

177

nehmers221. Aufgrund der gesetzlichen Wertung der §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG, die sogar eine „willkürliche“ Kündigung ganz ohne möglichen Grund billigen222, ist das fehlende Interesse des Arbeitnehmers an einer Kündigung auf Grundlage eines Sachverhalts, der keinen Kündigungsgrund rechtfertigen kann, nicht schützenswert223. Darüber hinaus müssten aufgrund der restriktiven Anwendung des § 242 BGB schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers derart betroffen sein, dass das Ergebnis ohne eine Unwirksamkeit gemäß § 242 BGB grob unbillig wäre224. Dies ist bei der Erklärung einer Wiederholungskündigung nicht der Fall, solange nicht weitere Umstände hinzutreten, wie soeben bereits für ein etwaiges fehlendes Eigeninteresse des Arbeitgebers herausgearbeitet wurde225. Solche weiteren Umstände würden dann allerdings unabhängig von der Eigenschaft als Wiederholungskündigung zur Unwirksamkeit gemäß § 242 BGB führen. Für eine restriktive Herangehensweise ist insbesondere anzuführen, dass § 242 BGB als Generalklausel zur Berücksichtigung der Grundrechte führt und die Fallgruppe der schutzwürdigen Interessen der Gegenseite insofern ein typischer Fall für die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte ist226. Damit ist ein strenger Maßstab festgelegt, sodass bei der Wiederholungskündigung grundsätzlich keine überwiegenden Interessen des Arbeitnehmers vorliegen, die einen Verstoß gegen grundlegende Wertungsprinzipien und einen Rechtsmissbrauch der Kündigung rechtfertigen könnten. Folglich gibt es keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers, die wegen Rechtsmissbrauchs zu einer Unwirksamkeit der Wiederholungskündigung gemäß § 242 BGB führen. (3) Art und Weise der Kündigung Möglicherweise führt die Art und Weise der Kündigung, nämlich die Wiederholung des mutmaßlichen Grundes, zum Rechtsmissbrauch der Wiederholungskündigung. Auch hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Verstoß gegen Treu 221 ErfK-Schmidt, 222 Grundlegend:

Art. 12 GG Rn. 36. Preis, Prinzipien (1987), S. 397; siehe hierzu bereits: § 7.III.1.b)bb)(2)

(b)(bb). 223  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.III.1.b)bb)(2)(b)(bb). 224  Vgl. BGH 12. 11. 2007 ‒ II ZR 293/06, NJW-RR 2008, 612, Tz. 6 („besondere Härte“); BGH 27. 04. 1977 ‒ IV ZR 143/76, NJW 1977, 1234, 1235 („unzumutbar unbilliges Ergebnis“); Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 41; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 80 („grob unbillig und schlechthin unerträglich“). 225  Vgl. hierzu: § 7.III.3.b)cc)(1). 226  Vgl. BVerfG 19. 10. 1993 ‒ 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36, 37; BVerfG 15. 01. 1958 – 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257, Ls. b; BAG 23. 06. 1994 ‒ 2 AZR 617/93, NZA 1994, 1080, 1082; Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 146; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 22.

178

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

und Glauben nur im Ausnahmefall anzunehmen ist, nämlich bei einer Verletzung sozialer, ethischer und rechtlicher Prinzipien 227. Mit der bloßen Wiederholung einer Kündigung macht der Arbeitgeber zunächst einmal nur von seinen Grundrechten Gebrauch. Die Wiederholungskündigung allein kann daher keine Missachtung des Arbeitnehmers sein228, die einen Verstoß gegen soziale, ethische oder rechtliche Prinzipien begründen könnte. Speziell für die Trotzkündigung könnte jedoch die rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung einen Verstoß gegen ein grundlegendes rechtliches Prinzip und deshalb gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB begründen. Mit der Erklärung einer Trotzkündigung setzt sich der Arbeitgeber möglicherweise über die Rechtskraft der Entscheidung zur ersten Kündigung hinweg229. Die einzigen Regeln, die es im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Entscheidung gibt, sind indes ne bis in idem, Präjudizialität und Präklusion 230. Die Folgen der Rechtskraft sind prozessrechtlich und nicht materiellrechtlich. Sie haben ferner insbesondere keine außerprozessuale Relevanz. Deshalb gibt es kein materiellrechtliches „Prinzip“ der Rechtskraft. Erklärt der Arbeitgeber eine Trotzkündigung, geschieht es außerhalb des Wirkungsbereichs der Rechtskraft. Unabhängig davon, ob die Regeln der Rechtskraft grundlegend sind und damit ein rechtliches Prinzip begründen, deren Missachtung zur Unwirksamkeit gemäß § 242 BGB führt, verstößt die erneute Erklärung einer Kündigung aus einem angeblichen Grund, dessen Wirksamkeit bereits rechtskräftig verneint wurde, daher nicht gegen das prozessrechtliche „Prinzip“ der Rechtskraft231. Aus diesen Gründen ist auch die Art und Weise der Trotzkündigung nicht unerträglich unbillig und verstößt nicht gegen § 242 BGB232. Dies gilt erst Recht für die anderen Fallgruppen der Wiederholungskündigung (4) Rechtsmissbrauch in Einzelfällen Vor dem Hintergrund der bisherigen Untersuchung zum Rechtsmissbrauch ist die Wiederholungskündigung grundsätzlich weder im Allgemeinen noch im Spezialfall der Trotzkündigung rechtsmissbräuchlich. Ein Rechtsmissbrauch kann 227  Vgl.

auch die restriktive Rechtsprechung zur Kündigung zur Unzeit als typischen Anwendungsfall der Treuwidrigkeit wegen Art und Weise der Kündigung: BAG 12. 07. 1990 ‒ 2 AZR 39/90, NZA 1991, 63, 65 f.; BAG 14. 11. 1984 ‒ 7 AZR 174/83, NZA 1986, 97, 98; LAG Köln 13. 02. 2006 ‒ 14 (3) Sa 1363/05, BeckRS 2006, 43255. 228  Vgl. BAG 05. 04. 2001 – 2 AZR 185/00, NZA 2001, 890, Ls. 229  Dies nehmen, wenn auch in anderem Zusammenhang (Rechtsmissbrauch), Jauernig/ Hess, § 63 Rn. 20 f. an. 230  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.I.2. 231  Vgl. hierzu bereits die vergleichbare Argumentation zu § 138 BGB: § 7.III.1.b)bb)(2) (b)(ee). 232 Vgl. Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 221; MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 438.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

179

allerdings in Einzelfällen gegeben sein. Anknüpfungspunkt hierfür sind erstens Gründe, die nicht speziell mit der Wiederholungskündigung zusammenhängen (a)). Zweitens könnte ein Rechtsmissbrauch ab einer gewissen Anzahl von Wiederholungskündigungen zu bejahen sein (b)). (a) Gründe unabhängig von der Wiederholungskündigung Wie bereits bei der Erörterung aller drei Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs ‒ fehlendes Eigeninteresse, schutzwürdige Interessen der anderen Partei, Art und Weise der Rechtsausübung – teilweise ausführlicher herausgestellt wurde, kann ein Rechtsmissbrauch einerseits auf Gründen beruhen, die unabhängig von der Wiederholungskündigung sind, wie etwa der Ausspruch der Kündigung zu Unzeit233. Andererseits kann insbesondere die (möglicherweise sogar mehrmalige) Wiederholung einer Kündigung als Mittel gewählt werden, um ein treuwidriges Ziel durchzusetzen, sodass die Kündigung bereits aufgrund ihres Ziels unwirksam ist234. In beiden Fällen basiert die Treuwidrigkeit auf einem zugrunde liegenden Zweck, der unabhängig vom Mittel der Wiederholung des Kündigungsgrundes zur Unwirksamkeit führt. Umstände, die im Einzelfall einen Rechtsmissbrauch begründen können, sind demnach etwa bestimmte Äußerungen des Arbeitgebers, die darauf hindeuten, dass er eine erneute Kündigung allein aus Schikane erklärt, etwa wenn er im Prozess zur ersten Kündigung ankündigt, so lange weitere Kündigungen auszusprechen, bis der Arbeitnehmer sich keinen Anwalt mehr leisten kann. Hier wäre ein Kündigungsmotiv des Arbeitgebers sicher auszuschließen, sodass die Kündigung deshalb rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB wäre235. (b) Rechtsmissbrauch ab bestimmter Anzahl von Wiederholungskündigungen Darüber hinaus könnten die Besonderheiten der Wiederholungskündigung zumindest im Einzelfall zum Rechtsmissbrauch führen. Insbesondere bei einer höheren Zahl von Wiederholungskündigungen scheint sich ein Rechtsmissbrauch aufzudrängen. Gegen einen Rechtsmissbrauch ab einer bestimmten Anzahl könnte grundsätzlich sprechen, dass sich eine genaue Anzahl, ab welcher Wiederholungskündigungen rechtsmissbräuchlich sind, nicht festlegen lässt. Eine feste Grenze wäre willkürlich, jedoch im Ergebnis zulässig, weil sich dieses Problem bei allen festen rechtlichen Grenzen (z.B. Fristen) stellt. Variable Grenzen abhängig von den 233 APS-Biebl, § 13 KSchG Rn. 58; ErfK-Kiel, § 13 KSchG Rn. 14; HK-ArbR-Kraushaar, § 242 BGB Rn. 28; Schaub-Linck, § 129 Rn. 21. 234  Beispiel hierfür ist vor allem die Maßregelung des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber weitere Kündigungen nur ausspricht, um den Arbeitnehmer etwa für die Klage gegen die erste Kündigung zu bestrafen. In diesem Fall ist die Kündigung bereits aufgrund dieser Maßregelung gemäß § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. § 612a BGB unwirksam, sodass kein Rückgriff auf § 242 BGB erforderlich ist. Siehe hierzu bereits: § 7.III.1.b)bb)(2)(b)(dd). 235  Siehe hierzu bereits: § 7.III.3.b)cc)(1).

180

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Umständen des Einzelfalles ließen sich kaum bestimmen. Diese Lösung würde die Rechtssicherheit gefährden 236 und wäre praktisch nur schwer anzuwenden, was indes ebenfalls ein schwaches Argument ist, weil es auf jede Regel zutrifft, deren Anwendung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Folglich ist weiter zu analysieren, ob ab einer gewissen Anzahl von Wiederholungskündigungen ein Eigeninteresse des Arbeitgebers verneint und folglich ein Rechtsmissbrauch bejaht werden kann. Dagegen spricht, dass der Arbeitgeber nach wie vor das verfassungsrechtlich grundsätzlich geschützte Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfolgt. Die hohe Anzahl von Kündigungen deutet sogar auf ein gesteigertes Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hin, selbst wenn die Art und Weise möglicherweise nicht besonders erfolgversprechend ist. Letzteres trifft vor allem auf die Trotzkündigung zu, bei welcher der Kündigungsgrund bereits rechtskräftig verneint wurde. Um das Eigeninteresse des Arbeitgebers genauer zu bewerten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitgeber mit den Wiederholungskündigungen sein Ziel erreicht, genauer zu betrachten. Ist die erste Kündigung bereits wirksam, stellt sich das Problem der Wiederholungskündigung nicht, da etwaige Folgekündigungen kein Arbeitsverhältnis mehr beenden können und ins Leere gehen. Ist die erste Kündigung hingegen unwirksam, hat der Arbeitgeber nach wie vor ein Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welches grundsätzlich geschützt wird. Nimmt man an, dass Wiederholungskündigungen ab einer bestimmten Anzahl rechtsmissbräuchlich und deshalb gemäß § 242 BGB unwirksam sind, müsste der Arbeitnehmer gemäß §§ 4 S. 1, 13 Abs. 3 KSchG trotzdem Kündigungsschutzklage erheben, da ein Verstoß gegen § 242 BGB ein anderer Unwirksamkeitsgrund im Sinne des § 4 S. 1 KSchG ist237. Das Gericht müsste trotz Rechtsmissbrauchs einer Wiederholungskündigung zunächst einmal prüfen, ob überhaupt eine Widerholungskündigung vorliegt, sodass der Arbeitnehmer das Risiko trägt, dass das Gericht die Identität der Kündigungsgründe verneint und die Rechtswirksamkeit der Kündigung sowie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bejaht. Die praktische Situation ist für den Arbeitnehmer bei Annahme eines Rechtsmissbrauchs der Wiederholungskündigung die gleiche wie ohne. Daher ist das Ergebnis ‒ kein Rechtsmissbrauch einer Wiederholungskündigung ab einer gewissen Anzahl von Wiederholungskündigungen – für den Arbeitnehmer nicht unerträglich. Somit hat der Arbeitnehmer keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen, die ab einer bestimmten Anzahl für einen Rechtsmissbrauch der Wiederholungskündigungen sprechen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass Wiederholungskündigungen auch nicht im Einzelfall aufgrund einer bestimmten Anzahl rechtsmissbräuchlich und gemäß § 242 BGB unwirksam sind. 236 

Vgl. hierzu auch Staudinger-Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 122. H.M.: BAG 09. 02. 2006 ‒ 6 AZR 283/05, NZA 2006, 1207, Tz. 29; BT-Drs. 15/1204, S. 9 f., 13; HBD-Berger, § 4 KSchG Rn. 6; APS-Biebl, § 13 KSchG Rn. 58; HaKo-Gieseler, § 13 KSchG Rn. 79; BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 15; ErfK-Kiel, § 4 KSchG Rn. 4. 237 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

181

(5) Zwischenergebnis Weder die Wiederholungskündigung im Allgemeinen noch die Trotzkündigung im Besonderen ist rechtsmissbräuchlich und gemäß § 242 BGB unwirksam. Im Einzelfall kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegen. Dies beruht dann allerdings auf Gründen, die unabhängig von der Wiederholung des angeblichen Kündigungsgrundes allein sind. dd)  Widersprüchliches Verhalten bei der Wiederholungskündigung Die Wiederholungskündigung könnte wegen widersprüchlichen Verhaltens des Arbeitgebers gemäß § 242 BGB unwirksam sein. Um dies festzustellen, ist das gesamte Vorverhalten des Arbeitgebers von der Erklärung der ersten bis vor der Erklärung der zweiten Kündigung ‒ der Wiederholungskündigung ‒ zu berücksichtigen 238. Dafür ist zunächst das Vorverhalten des Arbeitgebers genauer zu betrachten und auf mögliche Anknüpfungspunkte für ein widersprüchliches Verhalten zu untersuchen (1). Ferner ist vorab zu klären, ob das Vorverhalten des Arbeitgebers einen konkludenten Verzicht enthält, weil dann ein Rückgriff auf § 242 BGB nicht erforderlich wäre (2). Anschließend ist die eigentliche Frage nach einem widersprüchlichen Veralten des Arbeitgebers im Sinne des § 242 BGB zu beantworten. Dafür ist zu prüfen, ob das Vorverhalten dem Arbeitgeber zurechenbar (3) und vertrauensbegründend ist (4) sowie ob eine Interessenabwägung zu einem Verstoß gegen § 242 BGB führt (5). Anschließend ist noch auf das Argument des BAG zur Gleichbehandlung aller Fallgruppen der Wiederholungskündigung einzugehen (6). Schließlich wird die in diesem Abschnitt der Arbeit gefundene Lösung in den aktuellen Stand der Meinungen eingeordnet (7). (1) Mögliche Anknüpfungspunkte für ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers Für ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers gibt es verschiedene Anknüpfungspunkte, die sich aus den Regeln zur Begründung der Kündigung im Kündigungsschutzprozess ergeben. (a) Regeln zur Kündigungsbegründung im Kündigungsschutzprozess (aa) Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers In der Kündigungserklärung selbst muss der Arbeitgeber keine Kündigungsgründe angeben, weder bei der ordentlichen239 noch bei der außerordentlichen 238 

Vgl. Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 50. BAG 16. 09. 2004 ‒ 2 AZR 447/03, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 44, Os. 1; BAG 21. 03. 1959 – 2 AZR 375/56, NJW 1959, 1844; BeckOK ArbR-Hesse, § 620 BGB Rn. 36; v. Hoyningen-Huene/Linck-Krause, § 1 KSchG Rn. 272; ErfK-Müller-Glöge, § 620 BGB 239 

182

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Kündigung240. Allerdings trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Kündigungsgrundes. Für die ordentliche Kündigung folgt dies aus § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG241. Für die außerordentliche Kündigung gilt dies ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung242 und ist auf die allgemeine Regel zurückzuführen, dass der Arbeitgeber die Voraussetzungen des für ihn günstigen Rechtssatzes oder der Kündigung als rechtsvernichtende Tatsache beweisen muss243. Spätestens im Kündigungsschutzprozess wird der Arbeitgeber daher seine Kündigungsgründe vortragen. Im Prozess darf der Arbeitgeber einerseits etwaige bereits in der Kündigungserklärung angegebene Gründe, andererseits auch seinen Vortrag im Prozess ergänzen und damit Kündigungsgründe nachschieben 244. Dies setzt erstens voraus, dass die Gründe bereits bei Ausspruch der Kündigung vorlagen245, und zweitens, dass gegebenenfalls der Betriebsrat ordnungsgemäß gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG beteiligt wurde246. Rn. 66; Grobys-Panzer-SWK-Powietzka, Kündigungserklärung Rn. 12; APS-Preis, Grundlagen D. Rn. 23; MüArbR-Wank, § 96 Rn. 18. 240  BGH 16. 01. 1995 ‒ II ZR 26/94, NJW-RR 1995, 416, 417; BAG 17. 08. 1972 – 2 AZR 415/71, AP BGB § 626 Nr. 65; HK-ArbR-Griebeling, § 626 BGB Rn. 163; MüKo BGB-Hesse, § 626 Rn. 61; v. Hoyningen-Huene/Linck-Krause, § 1 KSchG Rn. 272; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rn. 257; BeckOK ArbR-Stoffels, § 626 BGB Rn. 30; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 158. 241 HaKo-Zimmermann, § 1 KSchG Rn. 326; MüKo BGB-Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 74; HK-ArbR-Schmitt, § 1 KSchG Rn. 62; Moll-Ulrich, § 43 Rn. 112. 242  BAG 18. 09. 2008 – 2 AZR 1039/06, BeckRS 2009, 59320, Tz. 29; BAG 06. 09. 2007 ‒ 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, Tz. 24; BAG 24. 11. 1983 – 2 AZR 327/82, AP BGB § 626 Nr. 76; BAG 25. 07. 1963 ‒ 2 AZR 510/62, NJW 1963, 2340, 2341; HaKo-Gieseler, § 626 BGB Rn. 160; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 342; ErfK-Müller-Glöge, § 626 BGB Rn. 234; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rn. 313; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 173. 243  Vgl. st. Rspr. und h.Lit., siehe nur: BGH 05. 12. 2012 – VIII ZR 74/12, NJW 2013, 1299, Tz. 28; BGH 10. 03. 2010 ‒ IV ZR 264/08, NJW-RR 2010, 1378, Tz. 12; BGH 13. 11. 1998 – V ZR 386/97, NJW 1999, 352; BeckOK ZPO-Bacher, § 284 Rn. 72; Musielak-Foerste, § 286 ZPO Rn. 35; MüKo ZPO-Prütting, § 286 Rn. 111. 244  BAG 06. 09. 2007 ‒ 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, Ls. 2; BAG 11. 04. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674, Ls. 1; BAG 18. 01. 1980 – 7 AZR 260/78, AP BGB § 626 Nachschieben von Kündigungsgründen Nr. 1, Ls. 1; BAG 30. 01. 1963 – 2 AZR 143/62, NJW 1963, 1267, Ls. b; BeckOK BGB-Fuchs, § 626 Rn. 61; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 126; BeckOK ArbR-Hesse, § 620 BGB Rn. 36; HBD-Holthausen, § 1 KSchG Rn. 191; HaKo-Pfeiffer, § 1 KSchG Rn. 192; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rn. 66; Tschöpe-Schulte, Teil 3D Rn. 26. 245  BAG 03. 05. 1956 ‒ 2 AZR 388/54, NJW 1956, 1047, Ls.; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 3 Rn. 59; v. Hoyningen-Huene/Linck-Krause, § 1 KSchG Rn. 277; SchaubLinck, § 124 Rn. 41; HaKo-Pfeiffer, § 1 KSchG Rn. 192; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rn. 67. 246  BAG 06. 02. 1997 ‒ 2 AZR 265/96, NZA 1997, 656, Ls. 2; BAG 03. 04. 1986 – 2 AZR 324/85, NZA 1986, 677, Ls.; BeckOK ArbR-Hesse, § 620 BGB Rn. 36; v. Hoyningen-Huene/

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

183

(bb) Berufungsinstanz als zweite Tatsacheninstanz im Arbeitsgerichtsprozess Das Berufungsgericht ist gemäß § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. § 529 Abs. 1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen gebunden. Tatsachen, die erst in der Berufungsinstanz vorgetragen werden, sind ausnahmsweise erstens gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bei Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen zu berücksichtigen, sodass deshalb neue Feststellungen geboten sind 247. Die Zweifel müssen dabei auf Fehlern des Arbeitsgerichts erster Instanz beruhen 248. Praktisch wesentlich wichtiger ist die zweite Ausnahme: Das Berufungsgericht darf gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO neue Tatsachen berücksichtigen, soweit dies zulässig ist. Im Zivilprozess richtet sich dies grundsätzlich nach den §§ 530, 531 ZPO249, welche insbesondere die Präklusion verspäteten Vorbringens (§ 530 ZPO i.V.m. § 296 ZPO) sowie die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 531 Abs. 2 ZPO) regeln. Im Arbeitsrecht ist dabei gemäß § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG die Präklusionsvorschrift des § 56 Abs. 2 S. 1 ArbGG vorrangig vor dem wortgleichen § 296 Abs. 1 ZPO250 sowie § 67 ArbGG als lex specialis vor § 531 Abs. 2 ZPO251. Die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel gemäß § 67 ArbGG setzt im Wesentlichen voraus, dass der Rechtsstreit nicht verzögert wird. Eine Verzögerung ist wiederum ausgeschlossen, wenn sie auf einem Verstoß gegen richterliche Aufklärungs- und Hinweispflichten 252 gemäß § 139 ZPO beruht253. Die Norm ist auch im Arbeitsgerichtsprozess anwendbar254. Gemäß § 139 ZPO hat der

Linck-Krause, § 1 KSchG Rn. 278; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 3 Rn. 59; BeckOK ArbR-Mauer, § 102 BetrVG Rn. 20; HaKo-Nägele, § 102 BetrVG Rn. 188. 247  Dafür genügt bereits eine verfahrensfehlerfreie, aber nicht überzeugende Beweiswürdigung, vgl. BGH 09. 03. 2005 – VIII ZR 266/03, NJW 2005, 1583, 1584. 248 Vgl. Musielak-Ball, § 529 ZPO Rn. 5; Musielak/Voit, GK ZPO, Rn. 941; Thomas/ Putzo-Reichold, § 529 ZPO Rn. 2 ff.; BeckOK ZPO-Wulf, § 529 Rn. 9. 249  MüKO ZPO-Rimmelspacher, § 529 Rn. 24; BeckOK ZPO-Wulf, § 529 Rn. 13. 250 Moll-Ziemann/Hamacher, § 77 Rn. 343. 251  BAG 25. 04. 2007 – 6 AZR 436/05, NZA 2007, 1387, Ls. 2; BAG 15. 02. 2005 ‒ 9 AZN 892/04, NZA 2005, 484 Ls. 2; BeckOK ArbR-Klose, § 67 ArbGG vor Rn. 1; O/K/S-Künzl, Rn. 494; Lansnicker, Prozesse in Arbeitssachen-Lansnicker, § 2 Rn. 297; HK-ArbR-Pfeiffer, § 67 ArbGG Rn. 2; Schmidt/Schwab/Wildschütz, NZA 2001, 1217, 1221; Moll-Ziemann/ Hamacher, § 77 Rn. 533. 252  Zur Terminologie: Die Aufklärungspflichten sind in Abs. 1 geregelt, die Hinweispflichten in den Abs. 2 und 3. In der Praxis wird jedoch i.d.R. nicht zwischen ihnen differenziert, vgl. BeckOK ZPO-v. Selle, § 139 Rn. 12. 253 HK-ArbR-Pfeiffer, § 67 ArbGG Rn. 2. 254  Vgl. BAG 18. 01. 2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817; GMP-Germelmann, § 46 ArbGG Rn. 4; BeckOK ArbR-Hamacher, § 46 ArbGG Rn. 21.

184

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Richter auf die Ergänzung eines unvollständigen 255, unschlüssigen 256 oder unsubstantiierten Tatsachenvortrags257 hinzuwirken. In der Praxis wird § 139 ZPO häufig missachtet258. Darüber hinaus wird es selten zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kommen. Die Voraussetzungen der Ergänzung des Tatsachenvortrags werden daher regelmäßig erfüllt sein. Folglich ist die Berufungsinstanz im Arbeitsgerichtsprozess im Ergebnis eine zweite Tatsacheninstanz259. (cc) Revisionsinstanz als Rechtsinstanz Das Revisionsgericht ist gemäß § 73 Abs. 1 ArbGG, § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 559 ZPO an die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts gebunden und daher grundsätzlich eine reine Rechtsinstanz und keine neue Tatsacheninstanz260. Neue Tatsachen sind auch im Arbeitsgerichtsprozess nur in engen Ausnahmen zu berücksichtigen: wenn die fehlende Beachtung in den Vorinstanzen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. §§ 551 Abs. 3 Nr. 2b, 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein Verfahrensfehler ist, wenn die neuen Tatsachen unstreitig sind, wenn sie von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzungen anbelangen oder später entstanden sind 261. Als Verfahrensfehler kommt vor allem ein Verstoß gegen § 139 ZPO in Betracht262. Indes sind die Parteien trotz der richterlichen Hinweispflicht des § 139 ZPO zu einem vollständigen Vortrag verpflichtet263. Diese Verpflichtung gilt auch im Arbeitsgerichtsprozess264, sodass sich der Arbeitgeber nicht auf eine Ergänzung des Tatsachenvortrags in der dritten Instanz einstellen kann. 255  BGH 08. 02. 1999 – II ZR 261/97, NJW 1999, 2123, 2124; BeckOK ZPO-v. Selle, § 139 Rn. 22; MüKo ZPO-Wagner, § 139 Rn. 19. 256  BGH 07. 12. 2000 ‒ I ZR 179/98, NJW 2001, 2548, 2549; BGH 27. 11. 1996 ‒ VIII ZR 311/95, NJW 1997, 441; BeckOK ZPO-v. Selle, § 139 Rn. 24; Musielak-Stadler, § 139 Rn. 8; MüKo ZPO-Wagner, § 139 Rn. 19. 257  BGH 13. 03. 2008 ‒ I ZB 59/07, NJW 2008, 1742, Tz. 16; BGH 10. 10. 2006 ‒ VI ZR 44/05, NJW 2007, 370, Tz. 18; BeckOK ZPO-v. Selle, § 139 Rn. 25; Musielak-Stadler, § 139 ZPO Rn. 8; MüKo ZPO-Wagner, § 139 Rn. 19 f. 258  Schmädicke, NZA 2007, 1029. 259  BeckOK ArbR-Klose, § 67 ArbGG Rn. 1; O/K/S-Künzl, Rn. 493; Lansicker, Prozesse in Arbeitssachen-Lansicker, § 2 Rn. 297; HK-ArbR-Pfeiffer, § 67 ArbGG Rn. 1. 260 HK-ArbR-Gross, § 73 ArbGG Rn. 2; Jauernig/Hess, § 74 Rn. 32; BeckOK ArbRKlose, § 73 ArbGG Rn. 1; GMP-Müller-Glöge, § 73 ArbGG Rn. 1. 261 HK-ArbR-Gross, § 73 ArbGG Rn. 2; BeckOK ArbR-Klose, § 73 ArbGG Rn. 1; ErfKKoch, § 73 ArbGG Rn. 1. 262  Vgl. Musielak-Ball, § 551 ZPO Rn. 11; BeckOK ZPO-Kessal-Wulf, § 551 Rn. 13.2; MüKo ZPO-Krüger, § 551 Rn. 22. 263  BVerfG 14. 07. 1998 ‒ 1 BvR 1640 – 97, NJW 1998, 2515, 2523; BVerfG 19. 05. 1992 – 1 BvR 986/91, DtZ 1992, 327, 328; Stein/Jonas-Leipold, § 139 ZPO Rn. 51; BeckOK ZPOv. Selle, § 139 Rn. 5. 264  Vgl. BAG 18. 01. 2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817; GMP-Germelmann, § 46 ArbGG Rn. 4; BeckOK ArbR-Hamacher, § 46 ArbGG Rn. 21.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

185

(dd) Zwischenergebnis Abschließend lässt sich somit feststellen, dass der Arbeitgeber in der Berufungsinstanz grundsätzlich neue Tatsachen vortragen, mithin auch den Tatsachenvortrag zum Kündigungsgrund ergänzen kann. In der Revisionsinstanz hingegen ist grundsätzlich kein neuer Tatsachenvortrag möglich. Folglich ist der Arbeitgeber bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer dazu gezwungen, seine Kündigungsgründe spätestens in der Berufungsinstanz vollständig vorzutragen. (b) Schlussfolgerungen für ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers Auf Grundlage der soeben zusammengefassten Regeln zur Begründung der Kündigung im Kündigungsschutzprozess ergeben sich mehrere Anknüpfungspunkte für ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers sowie erneut mehrere Fallgruppen der Wiederholungskündigung. In chronologischer Reihenfolge sind dies: erstens, die Wiederholungskündigung noch vor dem erstinstanzlichen Urteil zur ersten Kündigung; zweitens, die Trotzkündigung nach dem rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteil oder nach dem Berufungsurteil bei Rechtsmittelverzicht des Arbeitgebers; drittens, die Wiederholungskündigung im weiteren Verfahren und dabei vor einem rechtskräftigen Urteil, insbesondere während des Berufungsoder Revisionsverfahrens bei Rechtsmitteleinlegung durch den Arbeitgeber sowie ferner bei Zurückverweisung265; viertens, die Trotzkündigung nach Ausschöpfung des Instanzenzugs durch den Arbeitgeber. Im Folgenden wird, soweit erforderlich, zwischen den einzelnen Begründungsschritten im Kündigungsschutzprozess und den hieraus resultierenden Fallgruppen differenziert. Hierauf wird ausdrücklich hingewiesen.

265  Da mit der Zurückverweisung der Sache, durch das Berufungsgericht an das Arbeitsgericht gem. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. § 538 ZPO oder durch das Revisionsgericht an das Berufungsgericht gem. § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 563 ZPO, diese Verfahren jeweils fortgesetzt werden, umfasst diese dritte Fallgruppe auch Wiederholungskündigungen, die nach der Zurückverweisung während der Fortführung der Vorinstanzen ausgesprochen werden. Für die Zurückverweisung an die erste Instanz vgl. Musielak-Ball, § 538 ZPO Rn. 38; MüKo ZPO-Rimmelspacher, § 538 Rn. 83; BeckOK ZPO-Wulf, § 538 Rn. 34; für die Zurückverweisung an die Berufungsinstanz vgl. BGH 28. 09. 2000 ‒ IX ZR 6/99, NJW 2001, 146; Musielak-Ball, § 563 ZPO Rn. 7; MüKo ZPO-Krüger, § 563 ZPO Rn. 5. Das Eintreten von für die Wiederholungskündigung relevanter Teilrechtskraft (vgl. dazu BGH 01. 12. 1993 ‒ VIII ZR 41/93, NJW 1994, 657, 659; Musielak-Ball, § 563 ZPO Rn. 7; MüKo ZPO-Krüger, § 563 ZPO Rn. 7) aufgrund nur teilweiser Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz ist im Kündigungsschutzprozess praktisch ausgeschlossen. Dann müsste der Sachverhalt zur Entscheidung reif sein. Denn das kann nur bei Entscheidungsreife (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO und arg. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO) was die Kündigungsgründe betrifft der Fall sein. Dann steht einer eigenen Entscheidung der höheren Instanz ohne teilweise Zurückverweisung jedoch i.d.R. nichts entgegen.

186

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

(2) Abgrenzung zu Verzicht Bevor ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers geprüft werden darf, ist zu klären, ob der Arbeitgeber darauf verzichtet hat, eine Wiederholungskündigung auszusprechen, für den Fall dass die erste Kündigung unwirksam ist. Ein Verzicht wäre vorrangig vor einer Unzulässigkeit wegen widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB. Wie bereits ausführlich begründet wurde266, kommt ein solcher Verzicht nicht in Betracht. Er folgt insbesondere weder aus der ersten Kündigungserklärung noch aus einem etwaigen Rechtsmittelverzicht oder dem sonstigen Verhalten im Kündigungsschutzprozess um die erste Kündigung. Ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers scheitert daher nicht an einem vorrangigen Verzicht auf das Kündigungsrecht. Deshalb können die Voraussetzungen eines widersprüchlichen Verhaltens im Sine des § 242 BGB ‒ zurechenbares und vertrauensbegründendes Vorverhalten und Interessenabwägung ‒ im Folgenden geprüft werden. (3) Zurechenbares Vorverhalten Der Arbeitgeber hat seine erste Kündigungserklärung absichtlich in den Rechtsverkehr gelangen lassen, sodass er erkennen konnte, dass die Kündigung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Willenserklärung verstanden wird 267. Daher ist ihm sein Vorverhalten sogar rechtsgeschäftlich zurechenbar268. Folglich ist die erste Voraussetzung des widersprüchlichen Verhaltens, die Zurechenbarkeit des Vorverhaltens, erfüllt. (4) Vertrauensbegründendes Vorverhalten Das gesamte Vorverhalten des Arbeitgebers ist in die Prüfung eines Vertrauens­ tatbestands einzubeziehen, mithin das gesamte Verhalten von der Erklärung der ersten bis vor der Erklärung der zweiten Kündigung. Auf Grundlage der bereits zusammengefassten Regeln zur Kündigungsbegründung269 und der hieraus folgenden Anknüpfungspunkte für ein möglicherweise widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers270 ist zu untersuchen, ob sich Vertrauenstatbestände für den Arbeitnehmer dahingehend ergeben, dass der Arbeitgeber diese mutmaßlichen Kündigungsgründe nicht für eine weitere Kündigung ‒ eine Wiederholungskündigung 266 

Siehe hierzu: § 7.II. Vgl. BGH 07. 06. 1984 ‒ IX ZR 66/83, NJW 1984, 2279, Ls.; NK-BGB-Faust, § 130 BGB Rn. 9; Staudinger-Singer, Vorbemerkungen zu §§ 116 ff. BGB Rn. 35. 268 Vgl. BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 109; nach teilweise vertretener Ansicht soll weiter gehend eine objektiven Beherrschbarkeit genügen, da ein venire contra factum pro­prium zwar auf einem Rechtsgeschäft basieren kann, aber nicht muss; vgl. StaudingerOlzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 291. 269  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.III.3.b)dd)(1)(a). 270  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.III.3.b)dd)(1)(b). 267 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

187

– heranziehen wird. Im Folgenden wird daher anhand der einzelnen Begründungsschritte im Kündigungsschutzprozess geprüft, inwiefern ein entsprechendes Vertrauen des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist. Als erstes wird der Zeitraum vor dem ersten Urteil im Vorprozess näher beleuchtet (a), als zweites der Zeitraum nach einem rechtskräftigen Urteil zur ersten Kündigung bei Rechtsmittelverzicht des Arbeitgebers (b), als drittes die Berufungsinstanz des Vorprozesses (c), als viertes dessen Revisionsinstanz (d), als fünftes die Situation bei Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (e) und als sechstes der Zeitraum ab der Ausschöpfung aller Rechtsmittel durch den Arbeitgeber (f). (a) Wiederholungskündigung vor dem erstem Urteil im Vorprozess In der Zeit zwischen der Erklärung der ersten Kündigung und dem erstinstanzlichen Urteil zu dieser Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigung begründen. Dabei darf er seine Begründung bis unmittelbar vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils ergänzen – freilich unter dem Vorbehalt einer Zurückweisung wegen Verzögerung des Rechtsstreits gemäß §§ 56 Abs. 2, 61a Abs. 5 ArbGG, § 296 Abs. 2 ZPO271. Deshalb steht bis unmittelbar vor der Urteilsverkündung der Grund der ersten Kündigung nicht fest. Beim Arbeitnehmer kann demnach gar kein Vertrauen entstehen, dass der Arbeitgeber einen bestimmten Kündigungsgrund nicht erneut für eine Kündigung verwendet. Problematisch ist, dass der Arbeitgeber im laufenden Kündigungsschutzprozess wegen der ersten Kündigung dieselben Gründe vortragen kann, mit denen er möglicherweise zuvor die bereits erklärte zweite Kündigung begründet hat. Zu diesem Zeitpunkt kann der Arbeitnehmer jedoch kein Vertrauen mehr entwickeln, dass der Arbeitgeber für die zweite Kündigung nicht dieselben Gründe vorträgt. Daher bleibt festzustellen, dass bei einer Wiederholungskündigung vor dem erstinstanzlichen Urteil des Vorprozesses die Voraussetzung des Vertrauenstatbestands im Sinne des venire contra factum proprium nicht erfüllt ist, sodass diese Wiederholungskündigung nicht gegen Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB verstößt. (b) Trotzkündigung nach rechtskräftigem Urteil im Vorprozess bei Rechtsmittelverzicht des Arbeitgebers Bei einem erstinstanzlichen Urteil zur ersten Kündigung, hat der Arbeitgeber mehrere Handlungsoptionen, was diese Kündigung betrifft. In diesem Abschnitt wird die Frage nach einem vertrauensbegründenden Vorverhalten beim Rechtsmittelverzicht und einer anschließenden Trotzkündigung beantwortet. Der Arbeitgeber kann bereits nach dem erstinstanzlichen Urteil auf die Einlegung einer Beru271  Zwar wird § 296 Abs. 1 ZPO von § 56 Abs. 2 ArbGG verdrängt. Indes ist § 296 Abs. 2 ZPO bei einem Verstoß gegen § 282 ZPO anwendbar, vgl. BeckOK ArbR-Hamacher, § 56 ArbGG Rn. 40.

188

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

fung verzichten oder Berufung einlegen und bei Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung dann darauf verzichten, Revision einzulegen, sofern sie gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG zugelassen ist. Verzichtet der Arbeitgeber auf die Einlegung von Rechtsmitteln, enthält er sich einer erneuten gerichtlichen Überprüfung des von ihm vorgetragenen Kündigungsgrundes. Er verzichtet auf die Chance, den Kündigungsschutzprozess eventuell doch zu gewinnen und mit der ersten Kündigung erfolgreich zu sein. Das Verhalten des Arbeitgebers deutet aus diesen Gründen darauf hin, dass er es aufgibt, mit diesem mutmaßlichen Kündigungsgrund das Arbeitsverhältnis zu beenden. Auch der Arbeitnehmer darf das Verhalten des Arbeitgebers deshalb dahingehend interpretieren. Der Arbeitnehmer darf annehmen, dass der Arbeitgeber einsieht, dass der von ihm vorgetragene Lebenssachverhalt nicht geeignet ist, eine Kündigung wirksam zu begründen. Deshalb kann der Arbeitnehmer darüber hinaus davon ausgehen, dass der Arbeitgeber den Kündigungsgrund nicht zur Begründung einer neuen Kündigung nutzt. Folglich darf der Arbeitnehmer beim Rechtsmittelverzicht des Arbeitgebers darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber den vorgetragenen Kündigungsgrund nicht für eine weitere Kündigung verwendet. Bei einer Trotzkündigung nach Rechtsmittelverzicht im Vorprozess ist daher die erste Voraussetzung eines Verstoßes gegen das Verbot des venire contra factum proprium im Sinne des § 242 BGB aufgrund des Rechtsmittelverzichts des Arbeitgebers erfüllt. (c) Wiederholungskündigung in der Berufungsinstanz Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer auch bereits während des Berufungsverfahrens, vor einer rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung, ein Vertrauen entwickeln kann, dass der Arbeitgeber den vorgetragenen Kündigungsgrund nicht für eine weitere Kündigung heranziehen wird. Entscheidend gegen ein solches Vertrauen des Arbeitnehmers spricht, dass die Berufungsinstanz eine zweite Tatsacheninstanz ist272. Bei der Berufung setzt die Berücksichtigung neuer Tatsachen gemäß § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, 531 ZPO Verfahrensfehler des Gerichts voraus oder gemäß § 67 ArbGG, dass der Arbeitgeber nicht präkludiert ist, was insbesondere wegen eines häufigen Verstoßes gegen § 139 ZPO nicht der Fall ist. Bis zum Urteil weiß der Arbeitnehmer daher nicht, was alles zum Lebenssachverhalt des möglichen Kündigungsgrundes gehört. Wie vor dem erstinstanzlichen Urteil gibt es deshalb gar keinen Kündigungsgrund, in den der Arbeitnehmer Vertrauen investieren kann, dass der Arbeitgeber ihn nicht für eine Wiederholungskündigung heranzieht. Das Verhalten des Arbeitgebers während des Berufungsverfahrens ist daher kein vertrauensbegründendes Vorverhalten im Sinne eines venire contra factum

272 

Siehe hierzu bereits: § 7.III.3.b)dd)(1)(a)(bb).

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

189

proprium. Eine weitere Kündigung zu diesem Zeitpunkt ist somit kein widersprüchliches Verhalten und verstößt nicht gegen § 242 BGB. (d) Wiederholungskündigung in der Revisionsinstanz Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer während des Revisionsverfahrens bei einer entsprechenden Zulassung gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG, vor einer endgültigen rechtskräftigen Entscheidung, Vertrauen entwickeln kann, dass der Arbeitgeber den vorgetragenen Kündigungsgrund in diesem Zeitraum nicht für eine weitere Kündigung verwenden wird. (aa) Keine Tatsacheninstanz Gegen ein Vertrauen des Arbeitnehmers könnte sprechen, dass auch im Revisionsverfahren ‒ zumindest ausnahmsweise unter strengen Voraussetzungen ‒ neue Tatsachen berücksichtigt werden können. Somit steht der genaue Kündigungssachverhalt möglicherweise wie beim Ausspruch der Wiederholungskündigung vor der erst- oder zweitinstanzlichen Entscheidung noch gar nicht fest. Um zu ermitteln, ob dies wirklich der Fall ist, sind die Ausnahmen der Berücksichtigung eines neuen Tatsachenvortrages in der Revisionsinstanz genauer zu betrachten. Das Revisionsgericht darf neue Tatsachen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. §§ 551 Abs. 3 Nr. 2b, 559 Abs. 1 S. 2 ZPO nur bei Verfahrensfehlern berücksichtigen, wenn die Tatsachen unstreitig sind, bei Sachurteilsvoraussetzungen oder wenn die neuen Tatsachen später entstanden sind. Die erste Ausnahme, Verfahrensfehler des Gerichts, insbesondere ein Verstoß gegen § 139 ZPO, setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinerseits alles getan hat, um die Tatsachen vorzutragen 273. Folglich ist der Arbeitgeber gezwungen, seine Kündigung bereits vor der Revisionsinstanz, mithin spätestens in der Berufungsinstanz, vollständig zu begründen. Die Revisionsinstanz ist demnach eine reine Rechtsinstanz. Der Arbeitnehmer kann daher in der Revisionsinstanz darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber die Kündigung bereits vollständig begründet hat. Dies rechtfertigt allerdings nicht unbedingt auch ein Vertrauen, dass der Arbeitgeber keine zweite Kündigung mit derselben Begründung ausspricht. Praktisch ist es kaum denkbar, dass der der Kündigung zugrunde liegende Lebenssachverhalt unstreitig ist, sodass auch die zweite Ausnahme selten vorliegen wird. Ferner ist der Zugang der Kündigung maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung, sodass später entstandene Tatsachen bereits aus diesem Grund nicht als Kündigungsgrund berücksichtigt werden können. Daher werden auch die Voraussetzungen der dritten Ausnahme nie erfüllt sein. Der Kündigungsgrund ist keine Sachurteilsvoraussetzung, sodass die vierte Ausnahme nicht in Betracht kommt.

273 

Siehe hierzu bereits: § 7.III.3.b)dd)(1)(a)(cc).

190

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Obwohl die Ausnahmen selten oder nie vorliegen und die Revisionsinstanz daher im Grundsatz keine Tatsacheninstanz ist, führt dies nicht automatisch zu der Annahme, dass der Arbeitgeber den Kündigungsgrund nicht erneut verwendet. Festzuhalten ist daher, dass die Revisionsinstanz zwar keine Tatsacheninstanz ist, was jedoch kein zwingendes Argument für ein vertrauensbegründendes Verhalten des Arbeitgebers ist. (bb) Detaillierte Betrachtung des Verhaltens des Arbeitgebers Es ist weiter zu klären, ob in der Revisionsinstanz ein Vertrauen des Arbeitnehmers dahingehend entstehen kann, dass der Arbeitgeber keine weitere Kündigung auf Grundlage desselben Sachverhalts ausspricht. Möglicherweise hilft eine genauere Betrachtung des Verhaltens des Arbeitgebers, um eine Lösung zu finden. § 242 BGB schützt mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens nicht allgemein das Vertrauen in das Verhalten einer Partei, sondern das Vertrauen in die Beständigkeit des Verhaltens274. Der Arbeitgeber beabsichtigt mit der ersten Kündigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Mit der ersten Kündigung und seinem Tatsachenvortrag zeigt er, dass er den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt für geeignet hält, das Arbeitsverhältnis zu beenden, und alles unternimmt, um dies zu tun. Einerseits könnte es deshalb gerade Ausdruck der Beständigkeit seines Verhaltens sein, wenn der Arbeitgeber aufgrund der Überzeugung von seinem Kündigungsgrund diesen für eine weitere Kündigung heranzieht. Andererseits ist der Arbeitgeber mit der Erklärung der ersten Kündigung das Risiko eingegangen, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt und ein Rechtsstreit um die Wirksamkeit dieser Kündigung geführt wird, welchen er verliert. Der Kündigungsschutzprozess ist das Verfahren, das die Rechtsordnung zur Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung bereitstellt, sodass sich der Arbeitgeber mit der Erklärung der Kündigung auf dieses Verfahren eingelassen hat. In der ersten Instanz und in der Berufungsinstanz hatte er Gelegenheit, die Kündigung in tatsächlicher Hinsicht abschließend zu begründen und seinen Vortrag bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz zu ergänzen275. Diese mündliche Verhandlung ist insofern eine zeitliche Zäsur, nach welcher der Arbeitgeber nur noch Rechtsansichten vortragen darf. Bis dahin muss der Arbeitgeber den Kündigungsgrund abschließend konkretisieren. Als nächsten Schritt sieht die Rechtsordnung allein die Entscheidung des Revisionsgerichts über den Kündigungsgrund vor. Der Arbeitgeber hat mit der Erklärung der Kündigung den ersten Schritt in diesem Verfahren veranlasst. Dies spricht dafür, dass der Arbeitgeber den Kündigungsgrund abschließend in der Berufungsinstanz definiert, die Entscheidung des Revisionsgerichts über den Kündigungsgrund abwartet, die Entscheidung aner274  275 

Teichmann, JA 1985, 497, 500. Siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.III.3.b)dd)(1)(a).

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

191

kennt und bis dahin keine Wiederholungskündigung ausspricht. Der Arbeitnehmer könnte deshalb darauf vertrauen dürfen, dass der Arbeitgeber sich im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses hält und nicht eigenmächtig seine Überzeugung über die des Gerichts stellt, indem er eine weitere Kündigung erklärt. Allerdings ist beim Verhalten des Arbeitgebers auch der Zusammenhang mit dem Kündigungsschutzprozess zu berücksichtigen. Solange es keine rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung gibt, ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht die Kündigungsschutzklage zurückweist und somit einen Kündigungsgrund sowie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bejaht. Der Arbeitnehmer kann daher nicht darauf vertrauen, dass es keinen Kündigungsgrund gibt und der vorgetragene Lebenssachverhalt sein Arbeitsverhältnis nicht beendet. Ob dies aufgrund der ersten Kündigung oder einer Wiederholungskündigung geschieht, ergibt zumindest hinsichtlich des fehlenden Vertrauens des Arbeitnehmers und der Beständigkeit des Arbeitgeberverhaltens keine Unterschiede. Dies spricht dagegen, dass die Wiederholungskündigung widersprüchliches Verhalten ist. Indes ändert der Zusammenhang mit dem Prozess nichts daran, dass der Arbeitgeber ‒ wie soeben ausführlich begründet ‒ gezeigt hat, dass er die verbindliche Entscheidung des Gerichts akzeptiert. Aus diesem Grund rechtfertigt es allein die Möglichkeit, dass der der ersten Kündigung zugrunde liegende Sachverhalt das Arbeitsverhältnis beendet und der Arbeitnehmer daher bis zur Entscheidung nicht auf das Gegenteil vertrauen darf, es nicht, dass der Arbeitgeber außerhalb des von ihm akzeptierten rechtlichen Rahmens erneut aus diesem Grund kündigt. Die rechtliche Unsicherheit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts spricht mithin zumindest nicht entscheidend gegen das Vertrauen des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber den vorgetragenen Kündigungsgrund nicht für eine Wiederholungskündigung verwendet. Entscheidend lässt sich dem Entstehen eines Vertrauenstatbestands jedoch Folgendes entgegenhalten: Wenn das Arbeits- oder das Berufungsgericht die Wirksamkeit des Kündigungsgrundes verneint hat, schließt dies nicht aus, dass das Revisionsgericht den materiellen Kündigungsgrund gar nicht erst prüft, weil die Parteien sich vergleichen oder weil das Gericht die Wirksamkeit der Kündigung bereits aufgrund formeller Fehler scheitern lässt276. Die Rechtsmittelinstanzen nehmen eine komplette rechtliche Überprüfung vor277 und können daher zu einem anderen rechtlichen Ergebnis kommen als die Vorinstanz(en). Ist das der Fall, hebt die Revisionsinstanz das Urteil des Berufungsgerichts auf (§ 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1 ZPO), sodass es in keinem dieser Fälle überhaupt eine Entscheidung zum Kündigungsgrund gibt. Eine zweite Kündigung auf Grundlage desselben Lebenssachverhalts wäre dann keine unzulässige echte Wiederholungskündigung, sondern eine zulässige unechte 276  Vgl. z.B. BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003; siehe hierzu bereits ausführlich: § 3.IV. 277  Vgl. Musielak-Ball, § 513 ZPO Rn. 3; BeckOK ZPO-Kessal-Wulf, § 542 Rn. 1.

192

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Wiederholungskündigung278, die dem Arbeitgeber problemlos möglich ist und das Arbeitsverhältnis noch beenden kann. Der mögliche Kündigungsgrund befindet sich daher während des Revisionsverfahrens in einem rechtlichen Schwebezustand. Aufgrund dieser rechtlichen Unsicherheit kann bei der Wiederholungskündigung während des Revisionsverfahrens und vor einer rechtskräftigen Entscheidung kein Vertrauen des Arbeitnehmers entstehen, dass der Arbeitgeber den mutmaßlichen Kündigungsgrund der ersten Kündigung nicht für eine weitere Kündigung verwendet. (cc) Zwischenergebnis Folglich entsteht während der Revisionsinstanz im Prozess um die erste Kündigung kein Vertrauen des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber den vorgetragenen Kündigungsgrund nicht für eine weitere Kündigung verwendet. Die Wiederholungskündigung während der Revisionsinstanz verstößt deshalb nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens im Sinne von § 242 BGB. (e) Wiederholungskündigung bei Zurückverweisung Bei der Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht an das Arbeitsgericht gemäß § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. § 538 ZPO oder durch das Revisionsgericht an das Berufungsgericht gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 563 ZPO wird das Verfahren der ersten Instanz279 beziehungsweise der Berufungsinstanz fortgeführt280. Das bedeutet insbesondere, dass neue Tatsachen vorgetragen werden können 281. Aus diesem Grund steht der genaue Kündigungsgrund bis zur Urteilsverkündung nicht fest. Die Situation ist die gleiche wie bei den ursprünglichen Verfahren in diesen Instanzen. Daher kann der Arbeitnehmer kein Vertrauen entwickeln, dass der Arbeitgeber einen bestimmten Kündigungsgrund nicht für eine Wiederholungskündigung verwendet. Darüber hinaus ist es, wie bei der Wiederholungskündigung in der Revisionsinstanz282, nicht ausgeschlossen, dass sich die Parteien vergleichen oder sich das Urteil aufgrund formeller Fehler der Kündigung nicht auf den vorgetragenen Kündigungsgrund bezieht. Der Grund kann dann für eine zulässige unechte Wiederholungskündigung verwendet werden, sodass der Arbeitnehmer nicht darauf vertrau278 

Siehe hierzu bereits: § 2.II.2.a). § 538 ZPO Rn. 38; MüKo ZPO-Rimmelspacher, § 538 Rn. 83; BeckOK ZPO-Wulf, § 538 Rn. 34. 280  BGH 28. 09. 2000 ‒ IX ZR 6/99, NJW 2001, 146; Musielak-Ball, § 563 ZPO Rn. 7; MüKo ZPO-Krüger, § 563 ZPO Rn. 5. 281  Zur ersten Instanz vgl. MüKo ZPO-Rimmelspacher, § 538 Rn. 82; BeckOK ZPOWulf, § 538 Rn. 34; zur Berufungsinstanz als Tatsacheninstanz wegen der Besonderheiten im Arbeitsgerichtsprozess, siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.III.3.b)dd)(1)(a)(bb). 282  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.III.3.b)dd)(4)(d). 279 Musielak-Ball,

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

193

en kann, dass der Arbeitgeber den vorgetragenen Kündigungsgrund nicht für eine weitere Kündigung heranzieht. Folglich ist eine Wiederholungskündigung vor einem rechtskräftigen Urteil nach einer Zurückverweisung an die Vorinstanz nicht als venire contra factum proprium gemäß § 242 BGB unwirksam. (f) Trotzkündigung nach Ausschöpfung der Rechtsmittel (aa) Ausgangssituation Schwieriger zu beurteilen ist die Situation, in welcher der Arbeitgeber eine Trotzkündigung ausspricht, nachdem er den Rechtsweg erschöpft hat. Gemäß § 64 Abs. 2c ArbGG kann im Kündigungsschutzprozess immer Berufung eingelegt werden. Die Revision hingegen ist gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG nur statthaft, wenn das LAG sie im Urteil oder das BAG nach einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 5 S. 2 ArbGG zugelassen hat. Der Arbeitgeber hat seine Rechtsmittel daher frühestens nach der Berufungsinstanz ausgeschöpft. (bb) Kein Verzicht auf Rechtsschutz durch den Arbeitgeber Entscheidender Unterschied zu der bereits thematisierten Variante der Trotzkündigung nach Rechtsmittelverzicht283 ist, dass der Arbeitgeber – wenn auch erfolglos – in diesem Fall, der Ausschöpfung der Rechtsmittel, alles ihm Mögliche getan hat, um die Rechtswirksamkeit des vorgetragenen Kündigungsgrundes feststellen zu lassen. Das wichtigste Argument für Vertrauensschutz bei der anderen Fallkonstellation, der Verzicht des Arbeitgebers auf die Chance, im ersten Prozess doch noch erfolgreich zu sein, lässt sich daher nicht übertragen. (cc) Keine rechtliche Unsicherheit Auch das ausschlaggebende Argument, das bei der Wiederholungskündigung während des Revisionsverfahrens gegen einen Vertrauenstatbestand spricht, nämlich dass noch gar nicht feststeht, ob es je eine rechtskräftige Entscheidung zum materiellen Kündigungsgrund geben wird 284, ist hier nicht anwendbar. Bei einer Trotzkündigung gibt es gerade eine solche Entscheidung. (dd) Kein Vertrauenstatbestand aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Ein Vertrauenstatbestand könnte sich in dieser Fallgruppe der Trotzkündigung mithilfe der Nebenpflichten des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) begründen lassen. Der Arbeitgeber hat aufgrund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht auf den Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen und darf ihm nicht ohne Grund Nachteile 283 

Siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.III.3.b)dd)(4)(b). § 7.III.3.b)dd)(4)(d)(bb).

284  Vgl.

194

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

zufügen 285. Hieraus könnte die Pflicht folgen, nach einem rechtskräftigen Urteil im Kündigungsschutzprozess den vorgetragenen Kündigungsgrund nicht für eine weitere Kündigung zu verwenden. Die Reichweite der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird indes mit § 242 BGB definiert286. Es wäre daher ein Zirkelschluss, anzunehmen, die Wiederholungskündigung sei wegen eines aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers folgenden Vertrauenstatbestands gemäß § 242 BGB unzulässig. Die Nebenpflichten des Arbeitgebers vermögen daher keine Pflicht zu einem beständigen Verhalten mit einem Verbot der Trotzkündigung sowie einen entsprechenden Vertrauenstatbestand zu begründen. (ee) Zum Rechtsfrieden und zur Rechtssicherheit Für einen Vertrauenstatbestand könnte das allgemeine Rechtsprinzip sprechen, dass ein rechtskräftiges Urteil Rechtsfrieden und Rechtssicherheit bezweckt287. Da die Rechtskraft auf die Entscheidung beschränkt ist und grundsätzlich nicht die Gründe erfasst288, sind die Gründe jedoch nicht vom Zweck der materiellen Rechtskraft umfasst, sodass dieses Argument allein nicht überzeugt. (ff) Entscheidung des Arbeitgebers für rechtlich verbindliches Verfahren Für das Entstehen eines Vertrauenstatbestands spricht das Argument, das bereits bei der Wiederholungskündigung während der Revisionsinstanz angeführt wurde289, auch wenn der Vertrauenstatbestand bei jener Fallgruppe im Ergebnis abgelehnt wurde. Der Arbeitgeber hat sich mit der Kündigung darauf eingelassen, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt und damit das von der Rechtsordnung vorgesehene Verfahren zur Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung eingeleitet wird. Damit hat er insbesondere eine verbindliche gerichtliche Entscheidung zu dieser Kündigung in Kauf genommen, die auch das Risiko beinhaltet, den Prozess zu verlieren. Der Arbeitgeber muss sich an der gerichtlichen Entscheidung festhalten lassen, da er für ihren Inhalt aufgrund seines Tatsachenvortrags mit verantwortlich ist290. Dies rechtfertigt ein Vertrauen, dass der Arbeitgeber das Ergebnis des Prozesses anerkennt, unabhängig davon, ob es für ihn positiv oder negativ ist und er keine Trotzkündigung ausspricht.

285 

Vgl. BAG 14. 09. 1994 ‒ 5 AZR 632/93, NZA 1995, 220, 221. BAG 16. 02. 2012 ‒ 8 AZR 242/11, AP HGB § 87 Nr. 13, Tz. 50; BAG 27. 01. 2011 ‒ 8 AZR 280/09, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 44, Tz. 37; BAG 14. 09. 1994 ‒ 5 AZR 632/93, NZA 1995, 220, 221; BAG 01. 07. 1965 ‒ 5 AZR 264/64, NJW 2173, 2174; Küttner-Kreitner, Fürsorgepflicht, Rn. 3; ErfK-Preis, § 611 BGB Rn. 610. 287  Vgl. BeckOK ZPO-Gruber, § 322 Rn. 1; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 1; HkZPO-Saenger, § 322 Rn. 1. 288  Siehe hierzu bereits: § 5.I.2.d)aa)(1). 289  Vgl. hierzu: § 7.III.3.b)dd)(4)(d)(bb). 290 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 302. 286 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

195

(gg) Zu Jauernig und Hess Die Annahme eines Vertrauenstatbestands mit dieser Begründung entspricht im Ergebnis der von Jauernig und Hess vertretenen Bindung an nicht nur beiläufige Urteilsgründe291. Der Arbeitgeber definiert mit seinem eigenen Tatsachenvortrag erst den Kündigungsgrund, sodass die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund deshalb nicht lediglich beiläufig sind. (hh) Entkräftung möglicher Gegenargumente Bevor der Vertrauenstatbestand definitiv bejaht werden kann, sind noch mögliche Einwände auszuräumen. Fraglich ist, ob eine Bindung des Arbeitgebers an die Entscheidung des Gerichts zum ersten Kündigungsgrund zu einer Rechtskrafterstreckung auf die Entscheidungsgründe führt, sodass der hier eingeschlagene Lösungsweg wesentlichen Grundprinzipien des Prozessrechts widerspricht und deshalb im Ergebnis doch abzulehnen ist. Gegen diesen Einwand spricht, dass es bei einer Lösung mit § 242 BGB um eine materiellrechtliche Bindung geht. An dieser Stelle könnte man annehmen, dass die hier präsentierte Ansicht darüber hinaus eine Rückkehr zu den veralteten materiellrechtlichen Rechtskrafttheorien ist, nach denen ein Urteil die Rechtslage verändert292. Allerdings basiert die materielle Bindung allein darauf, dass der Arbeitgeber mit der Erklärung der Kündigung das Entstehen eines Vertrauenstatbestands veranlasst hat. Dass der Vertrauenstatbestand im Rahmen eines Prozesses geschaffen wurde, ist dabei nebensächlich. (ii) Zwischenergebnis Das Verhalten des Arbeitgebers während des Prozesses zur ersten Kündigung rechtfertigt mit dem rechtskräftigen Urteil ein Vertrauen, dass der Arbeitgeber keine weitere Kündigung auf Grundlage desselben Kündigungsgrundes ausspricht. (g) Zwischenergebnis Bei der Wiederholungskündigung vor dem ersten Urteil im Vorprozess, der Wiederholungskündigung in der Berufungsinstanz und in der Revisionsinstanz sowie während der Fortführung des Prozesses nach Zurückverweisung der Sache entstehen keine Vertrauenstatbestände, die ein venire contra factum proprium begründen könnten. Bei der Trotzkündigung, sowohl bei einem Rechtsmittelverzicht als auch nach der Erschöpfung des Rechtswegs durch den Arbeitgeber, rechtfertigt das Verhalten des Arbeitgebers während des Prozesses zur ersten Kündigung hingegen ein Vertrauen, dass der Arbeitgeber keine weitere Kündigung auf Grundlage desselben Kündigungsgrundes ausspricht. Folglich liegt allein bei Trotzkündigun291 

Siehe hierzu bereits: § 4.III.1.b). Vgl. MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 7; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 4; HkZPO-Saenger, § 322 Rn. 9. 292 

196

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

gen ein vertrauensbegründendes Vorverhalten im Sinne eines venire contra factum proprium vor. Die Prüfung der weiteren Voraussetzungen eines venire contra factum proprium ‒ insbesondere die Interessenabwägung – beschränkt sich daher auf die Trotzkündigung. (5) Interessenabwägung und Vertrauensdispositionen (a) Kriterien und Ausgangspunkt weiterer Überlegungen Ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB kann erst nach einer abschließenden Interessenabwägung bejaht werden 293. Fraglich ist, welche Kriterien in der Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens dafür heranzuziehen sind. Die Literatur beantwortet die Frage uneinheitlich, was vor allem der Streit um das Erfordernis von Vertrauensdispositionen verdeutlicht294. Auch die Rechtsprechung hat außer dem widersprüchlichen Verhalten selbst und einem Vertrauenstatbestand oder anderen „besonderen Umständen“295, keine bestimmten Kriterien, die sie im Rahmen einer Interessenabwägung stringent anwendet. Um die Anforderungen an die Interessenabwägung genauer zu definieren, ist eine Rückbesinnung auf das geboten, was sich § 242 BGB eindeutig und unstreitig entnehmen lässt. Dies sind der Wortlaut – Treu und Glauben – und der Zweck, unbillige Ergebnisse nur ausnahmsweise zu korrigieren, da die Privatautonomie widersprüchliches Verhalten grundsätzlich schützt296. Ein Verstoß gegen das Gebot der „Treue“ im Sinne von § 242 BGB wurde bereits festgestellt: Das Verhalten des Arbeitgebers ist widersprüchlich, weil er sich einerseits dem Kündigungsschutzprozess beugt und sich andererseits mit der Trotzkündigung darüber hinwegsetzt. Damit ist der Arbeitgeber unzuverlässig. Der Arbeitnehmer hat an das Verhalten des Arbeitgebers „geglaubt“, wenn er sich auf die Rechtslage „eingerichtet“ hat297. Ein Verstoß gegen § 242 BGB ist nur in „untragbaren“298 Ausnahmefällen anzunehmen, was sich anhand des Ausmaßes des „Glaubens“ auf Arbeitnehmerseite bestimmen lässt. Dispositionen können Ausdruck dieses „Glaubens“ sein. Etwaige Dispositionen müssen nicht unbedingt vermögensrelevant sein und können auch durch Unterlassen erfolgen299. Im Rah293 

Siehe hierzu bereits: § 7.III.3.a)aa). Siehe hierzu bereits: § 7.III.3.a)cc). 295  Vgl. BGH 05. 12. 1991 ‒ IX ZR 271/90, NJW 1992, 834; BGH 09. 05. 1960 ‒ III ZR 32/59, NJW 1960, 1522, 1523, 1524. 296  Vgl. BGH 05. 12. 1991 ‒ IX ZR 271/90, NJW 1992, 834; BGH 07. 04. 1983 ‒ IX ZR 24/82, NJW 1983, 2073, 2074; NK-BGB-Krebs, § 242 Rn. 92; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 106. 297  Vgl. Jauernig-Mansel, § 242 BGB Rn. 50. 298  BGH 22. 10. 1987 – VII ZR 12/87, NJW 1988, 255, 257; NK-BGB-Krebs, § 242 Rn. 7; Hk-BGB-Schulze, § 242 Rn. 1; BeckOK BGB-Sutschet, § 242 Rn. 2. 299  Teichmann, JA 1985, 497, 501. 294 

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

197

men der Interessenabwägung ist insbesondere das Ausmaß der Dispositionen entscheidend300. Dispositionen, die für einen Verstoß gegen § 242 BGB ausreichen sind somit insbesondere dann zu bejahen, wenn sie existenzrelevant sind301 oder wenn sich der Arbeitnehmer mit seiner Lebensführung auf den Vertrauenstatbestand eingestellt hat302. Folglich ist zu analysieren, wie der Arbeitnehmer im Vertrauen darauf, dass der Arbeitgeber nach dem rechtskräftigen Urteil nicht erneut aus demselben Grund kündigt, reagiert hat. Hierbei ist vor allem zu untersuchen, inwieweit der Arbeitnehmer disponiert hat. (b) Vertrauensdisposition mit Unterlassen einer Feststellungsklage Um eine Trotzkündigung zu verhindern, hätte der Arbeitnehmer während des Prozesses seine Kündigungsschutzklage mit einer nachträglichen Anspruchshäufung entsprechend § 263 ZPO dahingehend ändern können, dass neben der Nichtauf­lösung des Arbeitsverhältnisses durch die angegriffene Kündigung gemäß § 256 ZPO festgestellt wird, dass der vorgetragene Sachverhalt generell kein wirksamer Kündigungsgrund ist303. Alternativ hätte er nach dem seiner Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteil eine entsprechende Feststellungsklage erheben können, bevor der Arbeitgeber erneut kündigt. Dies hat er nicht getan, da er nicht mit einer Trotzkündigung gerechnet hat. Fraglich ist, ob das Unterlassen einer Feststellungsklage als Disposition existenzrelevant ist und die persönliche Lebensführung des Arbeitnehmers beeinflusst. Die Frage nach einem Verstoß gegen Treu und Glauben wird erst relevant, nachdem der Arbeitgeber eine Trotzkündigung ausgesprochen hat. Daher ist eine Disposition in dem eben bezeichneten Sinne dann anzunehmen, wenn die Trotzkündigung Existenzrelevanz hat. Dafür spricht, dass der Arbeitnehmer die Trotzkündigung mit einer Kündigungsschutzklage angreifen muss, um die Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG zu verhindern. Wird sie wirksam, beendet sie das Arbeitsverhältnis und der Arbeitnehmer verdient keinen Lebensunterhalt mehr, was durchaus existenzrelevant ist. Dagegen spricht allerdings, dass er auch bei einem entsprechenden Feststellungsurteil Kündigungsschutzklage gegen die zweite 300  Canaris, Vertrauensschutz, S. 295. Nach Canaris ist ferner die Irreversibilität der Disposition entscheidend, was allerdings mit MüKo BGB-Schubert, § 242 Rn. 316 abzulehnen ist, weil das Vertrauen des Arbeitnehmers unabhängig von der Art der Vertrauensinvestition schützenswert ist. 301  Canaris, Vertrauensschutz, S. 296. 302 Vgl. Teichmann, JA 1985, 497, 501. 303  Vgl. die h.M., die § 263 ZPO für die nachträgliche Anspruchshäufung i.S.v. § 260 ZPO entsprechend anwendet: BGH 27. 09. 2006 ‒ VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414, Tz. 8; BGH 10. 01. 1985 ‒ NJW 1985, 1841, 1842; BAG 11. 04. 2006 ‒ 9 AZN 892/05, NZA 2006, 750, Tz. 12; BeckOK ZPO-Bacher, § 263 Rn. 5; MüKo ZPO-Becker-Eberhard, § 263 Rn. 21; Stein/Jonas-Roth, § 260 ZPO Rn. 3; Hk-ZPO-Saenger, § 263 Rn. 2; a.A.: Musielak-Foerste, § 263 ZPO Rn. 4.

198

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Kündigung erheben müsste, da gemäß § 4 S. 1 KSchG jede Kündigung anzugreifen ist. Allerdings wäre die zweite Klage aufgrund der Bindung des Richters an die Entscheidung des Vorprozesses erfolgreich304, was wiederum für eine Existenzrelevanz spricht. Deutlicher für eine Existenzrelevanz könnte sprechen, dass ein Feststellungsurteil den Arbeitgeber davon abhalten könnte, überhaupt eine Trotzkündigung auszusprechen. Die Existenz des Arbeitnehmers wird daher möglicherweise gar nicht erst durch die Erklärung einer zweiten Kündigung gefährdet. Außerdem bietet das Feststellungsurteil dem Arbeitnehmer mehr Rechtssicherheit. Eine Kündigungsschutzklage gegen die Trotzkündigung hätte bei Vorliegen eines Feststellungsurteils aufgrund dessen Bindungswirkung ohne Weiteres Erfolg. Ohne ein solches Urteil ist die Rechtslage zumindest unklar, wie die vorliegende Arbeit gerade zeigt. Das Unterlassen einer Feststellungsklage zeigt daher, dass der Arbeitnehmer an die Beständigkeit des Verhaltens des Arbeitgebers „geglaubt“ hat305 und spricht im Rahmen der Interessenabwägung für eine Unwirksamkeit der Trotzkündigung gemäß § 242 BGB. (c) Vertrauen in harmonischen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses Der „Glaube“ des Arbeitnehmers könnte sich noch an anderer Stelle zeigen. Indem der Arbeitgeber das Risiko des Kündigungsschutzprozesses eingegangen ist, hat er gezeigt, dass er das Ergebnis des Prozesses akzeptiert. Dies wurde bereits im Rahmen des vertrauensbegründenden Vorverhaltens ausführlich begründet306. Der Arbeitnehmer durfte daher annehmen, dass der vorgetragene Sachverhalt das Arbeitsverhältnis nicht länger belastet und diesbezüglich Rechtsfrieden herrscht. Solange es keinen neuen möglichen Kündigungsgrund gibt, kann der Arbeitgeber daher nicht versuchen, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Bis dahin darf der Arbeitnehmer damit rechnen, dass das Arbeitsverhältnis, zumindest was Kündigungsgründe betrifft, harmonisch und konfliktfrei verläuft und vom Arbeitgeber nicht in Frage gestellt wird. Obwohl der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Trotzkündigung Erfolg haben wird, weil diese Kündigung im Ergebnis wohl unzulässig ist, belastet die Trotzkündigung das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sowohl während des Prozesses als auch danach. Bis zum rechtskräftigen Urteil kann der Arbeitnehmer nicht sicher sein, ob tatsächlich eine unzulässige Trotzkündigung vorliegt oder ob sich der Sachverhalt wesentlich geändert hat. Es liegt nahe, dass diese Frage während des Prozesses ein zentraler Streitpunkt ist und der Erfolg der einen oder anderen Partei bis zu einem 304 

Vgl. hierzu bereits: § 5.I.2. Disposition wäre auch bei der Wiederholungskündigung während des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu bejahen, wenn sie nicht schon am Vertrauenstatbestand gescheitert wäre. 306  Zur Begründung siehe bereits ausführlich: § 7.III.3.b)dd)(4)(d)(bb). 305  Diese

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

199

weiteren rechtskräftigen Urteil nicht gewiss ist. Dieser Prozess und die damit verbundene Unsicherheit belasten das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber bringt mit der Kündigung darüber hinaus deutlich zum Ausdruck, dass er das Arbeitsverhältnis beenden möchte. Da er hierfür einen Sachverhalt verwendet, der aller Voraussicht nach nicht als Kündigungsgrund genügt, zeigt er, dass er jede Gelegenheit hierfür nutzt und er ein großes Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat. Dies wird das Arbeitsverhältnis auch nach einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage gegen die Trotzkündigung belasten; erstens, da das Vertrauen des Arbeitnehmers in die Zuverlässigkeit des Arbeitgebers enttäuscht wurde und zweitens, weil der Arbeitnehmer damit rechnen muss, dass der Arbeitgeber erneut versuchen wird, zu kündigen, entweder mit einer zweiten Trotzkündigung oder auf Grundlage eines neuen Sachverhalts, wofür er jede Gelegenheit ergreifen würde. Für die Berücksichtigung dieser subjektiven Aspekte spricht auch, dass das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis die persönliche Lebensführung des Arbeitnehmers mitbestimmt und sich durch eine im Vergleich zu anderen Schuldverhältnissen intensivere persönliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auszeichnet. Diese Eigenarten bestimmen die Grenzen der Rechtsausübung und daher auch die Reichweite von Treu und Glauben307. (d) Ergebniskontrolle Der Arbeitgeber verstößt mit der Trotzkündigung als widersprüchliches Verhalten generell gegen das Gebot der „Treue“ im Sinne von § 242 BGB, da der Arbeitnehmer sich insofern nicht auf den Arbeitgeber verlassen kann. Das Ergebnis betrifft mit dem Bestand des Arbeitsverhältnisses die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers und ist daher unbillig und gemäß § 242 BGB mit der Unwirksamkeit der Trotzkündigung zu korrigieren. Es handelt sich daher um ein untragbares Ergebnis, welches § 242 BGB verhindern soll. Da der Arbeitgeber in der Regel nicht genau denselben Kündigungsgrund wiederholt, sondern gerade wegen der Erfolglosigkeit im Vorprozess versuchen wird, weiter gehende Gründe zu finden, ist die Trotzkündigung mit dem identischen Kündigungsgrund eine seltene Ausnahme308. Nur solche sollen mithilfe des § 242 BGB gelöst werden, sodass diesbezüglich der Zweck des § 242 BGB ebenfalls greift. Heinrich, in: FS Laufs (2006), S. 585, 587, 589. nur die zahlreichen BAG-Entscheidungen, die häufig nur erläutern, wie mit Wiederholungskündigung zu verfahren ist, aber feststellen, dass im konkreten Fall keine vorliegt: BAG 20. 12. 2012 ‒ 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 29; BAG 06. 09. 2012 ‒ 2 AZR 372/11, NJW-RR 2013, 441, Tz. 14; BAG 26. 11. 2009 ‒ 272/08, NZA 2010, 628, Ls. 1; BAG 06. 07. 2006 ‒ 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266, Tz. 25; BAG 18. 05. 2006 ‒ 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272, Tz. 13; BAG 22. 05. 2003 ‒ 2 AZR 255/02, NZA 2003, 1086, Ls. 2. 307 Vgl.

308 Vgl.

200

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Folglich ist es auch im Ergebnis angemessen, bei der Trotzkündigung einen Verstoß gegen Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB anzunehmen. (e) Zwischenergebnis Die im Rahmen des § 242 BGB vorzunehmende Interessenabwägung spricht dafür, dass die Trotzkündigung als widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers gegen Treu und Glauben verstößt und deshalb gemäß § 242 BGB unwirksam ist. Nach alledem rechtfertigt das Verhalten des Arbeitgebers im Vorprozess zur ersten Kündigung bis zu einem rechtskräftigen Urteil, sowohl bei einem Rechtsmittelverzicht des Arbeitgebers als auch der Erschöpfung des Rechtswegs ein Vertrauen des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber keine weitere Kündigung auf Grundlage desselben Kündigungsgrundes ausspricht. Die Erklärung einer weiteren Kündigung, einer Trotzkündigung, ist ein widersprüchliches Verhalten, das auch nach der gemäß § 242 BGB gebotenen Interessenabwägung unzulässig ist. (6) Zum Gleichbehandlungsargument des BAG Das BAG hat eine Sittenwidrigkeit der Trotzkündigung (§ 138 BGB) damit abgelehnt, dass die Wiederholungskündigung vor einer rechtskräftigen Entscheidung und die Trotzkündigung nach einer rechtskräftigen Entscheidung, für die eine Sittenwidrigkeit in Betracht kommt, gleichzubehandeln seien309. Möglicherweise lässt sich das Argument auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB übertragen und steht dem in dieser Arbeit eingeschlagenen Lösungsweg – venire contra factum proprium allein bei der Trotzkündigung – entgegen. Das BAG begründet seine ablehnende Haltung nicht. Sie lässt sich jedoch systematisch erklären. Das Gericht geht davon aus, dass die Konstellationen der Trotzkündigung und der Wiederholungskündigung im engeren Sinne so ähnlich sind, dass sie gleich behandelt werden müssen. Möglicherweise nimmt das BAG an, dass der Entscheidungszeitpunkt zufällig ist, sodass es ebenfalls Zufall ist, ob eine Trotzkündigung oder eine Wiederholungskündigung im engeren Sinne vorliegt. Ebenso ist es für den Arbeitnehmer zufällig und daher unerheblich, ob der Arbeitgeber aus demselben Grund erneut kündigt, bevor oder nachdem eine rechtskräftige Entscheidung zu diesem Grund im Rahmen des Prozesses zur ersten Kündigung ergangen ist, weil er in jedem Fall gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG Kündigungsschutzklage erheben muss. Zwar mag der Urteilszeitpunkt zufällig sein. Allerdings ist es ein schwerwiegender Unterschied, ob der Arbeitgeber kündigt und zu diesem Zeitpunkt bereits gerichtlich entschieden wurde, dass der Sachverhalt, den er nun erneut verwendet, kein Kündigungsgrund ist oder ob es noch keine Entscheidung zu dem mutmaßlichen Kündigungsgrund gibt. Nur im ersten Fall, bei einer Trotzkündigung, setzt er 309  BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 71, siehe hierzu bereits: § 3.II, § 4.II.1.

§ 7  Materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

201

sich über die Entscheidung hinweg. Diese Entscheidung legt Zweifel nahe, ob der Lebenssachverhalt ein tauglicher Kündigungsgrund ist. Gibt es hingegen noch keine Entscheidung, ist die gerichtliche Bewertung des vorgetragenen Kündigungsgrundes offen. Die Unterschiede rechtfertigen eine differenzierte Behandlung von Trotzkündigung und Wiederholungskündigung im engeren Sinne. Die Trotzkündigung nach einem rechtskräftigen und die Wiederholungskündigung vor einem rechtskräftigen Urteil müssen daher rechtlich nicht gleich behandelt werden. Dieses Argument des BAG steht der Unwirksamkeit der Trotzkündigung gemäß § 242 BGB daher nicht entgegen. (7) Einordnung der neuen Lösung in den Meinungsstand Die hier zur Trotzkündigung erarbeitete Unwirksamkeit gemäß § 242 BGB vertritt sonst – soweit ersichtlich ‒ niemand. Allein Bötticher hat den Gedanken, der Wiederholungskündigung mit § 242 BGB zu begegnen angerissen, aber nicht weiter vertieft310. Allerdings unterscheidet sich die Lösung mit § 242 BGB im Ergebnis nicht von der herrschenden Meinung, die mit einem prozessualen Ansatz ‒ Erweiterung der Rechtskraft – zur automatischen Begründetheit einer Kündigungsschutzklage gegen die Trotzkündigung kommt311. Nach beiden Ansichten muss der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen die Trotzkündigung erheben, nach der herrschenden Meinung gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG, nach der hier vertretenen Ansicht gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1, 13 III KSchG, weil ein Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ein anderer Unwirksamkeitsgrund im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG ist. Nach beiden Ansichten muss das Arbeitsgericht zunächst einmal feststellen, ob überhaupt eine Trotzkündigung vorliegt, also ob derselbe Kündigungsgrund vorgetragen wurde. Ist das der Fall, ist die Kündigungsschutzklage nach beiden Ansichten ohne umfangreiche weitere Prüfung begründet. Die herrschende Meinung geht von einer automatischen Begründetheit aus („der Kündigungsschutzklage ist ohne Weiteres stattzugeben“312), die hier vertretene Ansicht von einer Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 242 BGB, was nach der Feststellung, dass eine Trotzkündigung vorliegt, knapp bejaht werden kann und zur Begründetheit der Kündigungsschutzklage führt. In der Theorie und Dogmatik unterscheidet sich die hier erarbeitete Lösung daher fundamental von der bisher herrschenden Meinung, in der praktischen Umsetzung hingegen überhaupt nicht. 310  Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 3; Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 68; siehe hierzu bereits: § 4.III.1. 311  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.III. 312  BAG 08. 11. 2007 ‒ 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209, Tz. 21; BAG 18. 05. 2006 ‒ 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272 Tz. 13; BAG 12. 02. 2004 ‒ 2 AZR 307/03, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75; BAG 22. 05. 2003 ‒ 2 AZR 255/02, NZA 2003, 1086, Ls. 1, 1045; BAG 26. 08. 1993 ‒ 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, Ls. 3; vgl. ferner die Nachweise in Teil 2, Fn. 257.

202

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

c)  Zwischenergebnis Wiederholungskündigungen sind nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB. Dies gilt sowohl für Trotzkündigungen als auch für Wiederholungskündigungen im engeren Sinne. Insbesondere die Wiederholung des Kündigungsgrundes vermag keinen Rechtsmissbrauch zu begründen, weil sogar ganz ohne Grund ausgesprochene „willkürliche“ Kündigungen nicht rechtsmissbräuchlich sind. Wiederholungskündigungen im engeren Sinne sind auch nicht als widersprüchliches Verhalten gemäß § 242 BGB unwirksam, weil es noch kein vertrauensbegründendes Vorverhalten gibt, welches zu einem widersprüchlichen Verhalten durch die Wiederholungskündigung führt. Trotzkündigungen hingegen, sowohl nach einem rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteil als auch nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel, verstoßen als widersprüchliches Verhalten gegen Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB und sind deshalb unwirksam. Grund hierfür ist vor allem, dass sich der Arbeitgeber mit der Erklärung der ersten Kündigung für eine rechtsverbindliche Entscheidung über den Kündigungsgrund infolge einer Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers entschieden hat. 4.  Ergebnis Die Anwendung der Generalklauseln hat ergeben, dass die Trotzkündigung gemäß § 242 BGB unwirksam ist.

IV.  Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde die Wiederholungskündigung umfangreich materiellrechtlich untersucht. Soweit erforderlich und möglich, wurde dabei zwischen den einzelnen Fallgestaltungen der Wiederholungskündigung differenziert. Aus der Eigenschaft als Gestaltungsrecht ergibt sich keine Lösung dazu, wie mit einer Wiederholungskündigung umzugehen ist. Insbesondere wird das Kündigungsrecht nicht durch die Erklärung der ersten Kündigung „verbraucht“. Ferner verzichtet der Arbeitgeber zu einem früheren Zeitpunkt nicht konkludent darauf, den Kündigungsgrund der ersten Kündigung für weitere Kündigungen heranzuziehen, vor allem nicht bereits mit der Erklärung der ersten Kündigung oder seinem Verhalten im Kündigungsschutzprozess über die erste Kündigung. Die Prüfung der ersten Kündigung sowie der Wiederholungskündigung anhand der Generalklauseln des BGB hat eine Lösung ergeben. Dabei liegt weder eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB vor, noch ein Verstoß gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB. Erst mit § 242 BGB wurde ein Ergebnis gefunden: Trotzkündigungen, als eine Fallgruppe der Wiederholungskündigung, verstoßen wegen widersprüchlichen Verhaltens des Arbeitgebers gegen § 242 BGB und sind daher unwirksam.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

203

Mithin hat die materiellrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung zu einer Lösung für Trotzkündigungen geführt.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung I.  Einleitung 1.  Relevanz des Kapitels Im vorigen Kapitel wurde lediglich eine Lösung für die Trotzkündigung erarbeitet. Die Trotzkündigung ist wegen widersprüchlichen Verhaltens des Arbeitgebers gemäß § 242 BGB unwirksam313. Daher muss nach wie vor der Umgang mit der Wiederholungskündigung im engeren Sinne314 geklärt werden. Diese wird in zwei verschiedenen Konstellationen relevant315; erstens gibt es bei der Entscheidung zur Wiederholungskündigung bereits eine Entscheidung zur ersten Kündigung; zweitens gibt es bei der Entscheidung zur Wiederholungskündigung noch keine Entscheidung zur ersten Kündigung, wobei das Gericht jedoch als Vorfrage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses beantworten und daher die Wirksamkeit der ersten Kündigung prüfen muss316. Wie beim materiellrechtlichen Umgang mit der Wiederholungskündigung ist es nicht ausgeschlossen, dass sich unterschiedliche Ergebnisse für diese zwei Fallgruppen der Wiederholungskündigung ergeben werden. Möglicherweise kommt jedoch ebenfalls zunächst eine gemeinsame Behandlung der zwei Fallgruppen in Betracht, wobei Differenzierungen an den gebotenen Stellen erfolgen. Allerdings gehen Rechtsprechung und Literatur in ihren Ausführungen zum prozessualen Umgang mit der Wiederholungskündigung in der Regel davon aus, dass es bereits ein Urteil zur ersten Kündigung gibt317. Dieses Urteil ist jeweils entscheidend für die Begründung. Zwar könnte sich aus dem Umgang mit der Wiederholungskündigung bei rechtskräftigem Urteil zur ersten Kündigung eine Lösung für die Situation ohne Urteil ergeben. Solange dies nicht feststeht, ist eine Gleichbehandlung jedoch nicht geboten. Daher wird zunächst nur die Situation mit Urteil thematisiert. Auf die Fallgruppe ohne Urteil wird erst im Anschluss eingegangen (IV.). Lehnt man die in dieser Arbeit entwickelte Auffassung zur Trotzkündigung ‒ Unwirksamkeit gemäß § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Ar313 

Siehe hierzu ausführlich: § 7.III.3.b)dd). Zum Begriff siehe: § 2.III.1.c). 315  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 2.III.1.c) und § 2.III.3.b). 316  Siehe hierzu bereits: § 2.III.2, insb. Fn. 98, Fn. 99, Fn. 100. 317  Vgl. hierzu bereits ausführlich: § 5.II und § 5.III. 314 

204

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

beitgebers ‒ ab, gelten die folgenden Ausführungen zur prozessualen Behandlung der Wiederholungskündigung auch für die Trotzkündigung. Der entscheidende Unterschied zwischen der Trotzkündigung und der Wiederholungskündigung im engeren Sinne ist, dass bei der Trotzkündigung bereits eine rechtskräftige Entscheidung zur ersten Kündigung vorliegt, bei der Wiederholungskündigung im engeren Sinne hingegen nicht. Dies führt allein für den Arbeitgeber zu deutlichen Unterschieden, für das Gericht, das sich mit der zweiten Kündigung befasst, demgegenüber nicht, da im Zeitpunkt der Entscheidung in beiden Konstellationen zwei Kündigungen vorliegen. Auf etwaige Unterschiede bei der Argumentation, die allein aus dem Zeitpunkt resultieren können, zu dem der Arbeitgeber seine zweite Kündigung aus demselben Grund ausspricht, wird an den relevanten Stellen ausdrücklich hingewiesen. 2.  Offene Fragen In der Darstellung der Rechtsprechung und Literatur zum prozessrechtlichen Umgang mit der Wiederholungskündigung (§ 5) dominierten drei Probleme, die eine Lösung in drei Schritten implizieren. Erstens stellt sich die Frage nach dem Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess. Streitgegenstand ist entweder die konkrete mit der Kündigungsschutzklage angegriffene Kündigung, mit welcher der Kündigungsgrund untrennbar verbunden ist, oder allgemein das Recht des Arbeitgebers, aus diesem Grund zu kündigen. Ist der Streitgegenstand im Prozess um die erste und um die Wiederholungskündigung verschieden, geht es zweitens darum, dass die gerichtliche Würdigung zum Kündigungsgrund als Bestandteil der Entscheidungsgründe bei Anwendung der allgemeinen Regeln zur Rechtskraft de lege lata nicht von der Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses erfasst wird318. Zweites Problem ist also die Reichweite der Rechtskraft und deren Erweiterung. Drittens sind die im Kündigungsschutzprozess „umgekehrten“ Parteirollen problematisch: Der Arbeitnehmer als Kläger beabsichtigt mit der Kündigungsschutzklage die Beibehaltung der ursprünglichen Rechtslage, während der Kläger im Zivilprozess im Regelfall eine Veränderung der aktuellen Situation anstrebt319. Hierbei geht es um die Rechtsfolgen der Rechtskraft. In den meisten Beiträgen zum prozessrechtlichen Umgang mit der Wiederholungskündigung wird zwischen den beiden Fragen, die mit der Rechtskraft zusammenhängen ‒ der Reichweite (dem „Tatbestand“) und den Wirkungen (den 318 

Vgl. hierzu bereits ausführlich: § 5.I.2.d)aa)(1). Veränderung der Rechtslage kann nur mit einer Gestaltungsklage angestrebt werden, die eine spezielle gesetzliche Grundlage voraussetzen und praktisch daher nicht der Regelfall sind; häufiger geht es um Veränderungen der tatsächlichen Lage mit einer Leistungsklage, die in der Praxis der Regelfall ist, vgl. Jauernig/Hess, § 34 Rn. 2, 15. 319  Eine

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

205

„Rechtsfolgen“) der Rechtskraft320 ‒ nicht ausreichend differenziert. Im Rahmen dieses Teils der vorliegenden Arbeit erfolgen entsprechende Differenzierungen an den gebotenen Stellen. 3.  Methodik und Struktur dieses Kapitels Das Meinungsspektrum zum prozessrechtlichen Umgang mit der Wiederholungskündigung ist äußerst unübersichtlich. Das zeigen allein die Anzahl der verschiedenen Meinungen sowie die nicht eindeutige, zum Teil sogar widersprüchliche Terminologie. Das BAG geht beispielsweise seit seinem Urteil vom 20. Dezember 2012 einerseits von einer Erweiterung der Rechtskraft auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund 321, andererseits von einer Präklusion aus322. Die Begriffe schließen sich aus. Eine Rechtskrafterweiterung setzt voraus, dass verschiedene Streitgegenstände zugrunde liegen ‒ was auch das BAG ausdrücklich annimmt323. Die Präklusion indes wird nur bei identischen Streitgegenständen relevant324. In dieser Arbeit wird versucht, eine logische, dogmatisch überzeugende Lösung zum Umgang mit der Wiederholungskündigung zu finden. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sind zunächst einmal die unmodifizierten Grundregeln zum Streitgegenstand und zur Rechtskraft. Erst wenn die Grundregeln nicht weiterführen, werden sie im Wege der Rechtsfortbildung modifiziert. Dementsprechend wird zunächst der Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess thematisiert (II.) und anschließend die Rechtskraft (III.), jeweils speziell im Hinblick auf die Wiederholungskündigung. In diesem Kapitel soll nicht einzeln zu den vielen verschiedenen Meinungen Stellung genommen werden. Stattdessen werden im Rahmen der Entwicklung eines eigenen logischen Ansatzes die anderen Ansichten an den jeweils passenden Stellen aufgenommen und bewertet.

II.  Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess Ausgangspunkt der Ermittlung des Streitgegenstands im Kündigungsschutzprozess ist der zivilprozessuale Streitgegenstandsbegriff 325.

320 

Zur Erklärung dieser Terminologie siehe bereits: § 5.III.1.b). BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 2, Tz. 26. 322  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 27. 323  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Tz. 27. 324 Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.I.2.d)bb), sowie insb. ausdrücklich MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 144. 325  Siehe hierzu bereits: § 5.II.1. 321 

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

206

1.  Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff Auf Grundlage des bisher herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffes ist zu ermitteln, was der Antrag (a)) und der zugrunde liegende Lebenssachverhalt (b)) im Kündigungsschutzprozess sind. Hierfür kommen die konkrete Kündigung in Betracht oder allgemein das Recht des Arbeitgebers, aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts zu kündigen, also sein Kündigungsrecht. Im Anschluss an die Bestimmung des Streitgegenstands wird zum Zwecke der Klarstellung noch kurz auf die Argumentation der herrschenden Meinung mit dem punktuellen Streitgegenstandsbegriff eingegangen (c)). a)  Antrag Gemäß § 4 S. 1 KSchG muss ein Arbeitnehmer Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. aa)  Auslegung des § 4 Satz 1 KSchG Um den genauen Inhalt dieses Antrags zu ermitteln, ist eine Auslegung des § 4 S. 1 KSchG anhand der vier traditionellen Auslegungscanones ‒ Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Telos326 – geboten. (1) Wortlaut Die Regelung des § 4 S. 1 KSchG zwingt den Arbeitnehmer dem eindeutigen Wortlaut nach dazu, jede einzelne Kündigung separat anzugreifen und seinen Antrag auf ebendiese Kündigung zu beschränken327. Daher ist den Auffassungen zuzustimmen, die sich aufgrund des Wortlauts328 und der neuen Kündigungserklärung329 für einen anderen Streitgegenstand bei der Wiederholungskündigung im Verhältnis zur vorangegangenen Kündigung und damit gegen das Kündigungsrecht als Streitgegenstand aussprechen. Auf unterschiedliche Kündigungstermine kommt es folglich gar nicht an330. Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff.; Wank, Auslegung, S. 41. Vgl. hierzu bereits insb.: Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 625 f. 328  Bettermann, ZfA 1985, 5, 18; W. Habscheid, RdA 1958, 95, 99; Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 626 f.; vgl. hierzu bereits: § 5.II.4.b). 329 KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 326; W. Habscheid, in: FS Nipperdey (1965), S. 895, 904; Weißenfels, BB 1996, 1326, 1327; vgl. hierzu bereits: § 5.II.4.c). 330  Anders: HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 170 und W. Habscheid, RdA 1958, 95, 99, die kumulativ mit verschiedenen Erklärungen und „Wirkungszeitpunkten“ (so Gallner) bzw. „Rechtsfolgenbehauptungen“ (so W. Habscheid) argumentieren; siehe hierzu bereits: § 5.II.4.c). Im Übrigen wird eine Wiederholungskündigung nicht in jedem Fall zu einem anderen Termin ausgesprochen, wie eine zuvor ausgesprochene Kündigung aus demselben 326 Vgl.

327 

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

207

(2) Systematik Die Regelung der Kündigungsschutzklage als besondere Feststellungsklage in § 4 S. 1 KSchG neben der allgemeinen Feststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO bestätigt bei systematischer Auslegung dieses Ergebnis. Mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO lässt sich der Bestand eines Rechtsverhältnisses feststellen. Da § 4 S. 1 KSchG sonst überflüssig wäre, muss der Streitgegenstand bei der Kündigungsschutzklage ein anderer sein als das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Aufgrund des Wortlauts des § 4 S. 1 KSchG kommt dabei nur die angegriffene Kündigung als ein Ausschnitt des Arbeitsverhältnisses in Betracht331 und nicht generell das Kündigungsrecht des Arbeitgebers auf Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts. Auch die Gesetzessystematik spricht demnach dafür, dass der Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess allein die konkret angegriffene Kündigung und nicht das Kündigungsrecht des Arbeitgebers ist. (3) Entstehungsgeschichte Die Begründung zum Entwurf des Kündigungsschutzgesetzes enthält keine Ausführungen zu § 3 KSchG, der dem heutigen § 4 KSchG entspricht332. Später erwähnte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 19. Juni 2003 im Rahmen der Ausführungen zu § 4 KSchG das Interesse des Arbeitgebers an der schnellen Klärung, ob eine spezielle Kündigung ein Arbeitsverhältnis beendet hat333. Ein Interesse des Arbeitgebers an der generellen Eignung des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts als Kündigungsgrund hat der Bundesrat überhaupt nicht in Betracht gezogen. Die Entstehungsgeschichte und die weitere Entwicklung des Kündigungsschutzgesetzes lassen somit keine Rückschlüsse auf den Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess zu. (4) Telos Aus der historischen Auslegung lässt sich aber der Telos des § 4 S. 1 KSchG ableiten, nämlich die schnelle Rechtssicherheit für den Arbeitgeber hinsichtlich der Wirksamkeit einer konkreten Kündigung334. Insbesondere die mit drei Wochen remutmaßlichen Grund. Bei Arbeitsverhältnissen, die mindestens zwei Jahre bestanden haben, ist eine Beendigung gemäß § 622 Abs. 2 BGB nur zum Monatsende möglich, sodass zwei im selben Monat erklärte Kündigungen zum selben Zeitpunkt wirksam würden. 331  Vgl. hierzu auch Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 626 [vgl. hierzu: § 5.II.4.d)], der dies allerdings als historisches Argument einordnet. 332  Vgl. BT-Drs. I/2090, S. 13. 333  BR-Drs. 421/03, S. 11, 19. 334  BAG 28. 01. 2010 ‒ 2 AZR 985/08, NZA 2010, 1373, Tz. 32; BAG 23. 06. 2009 ‒ 2 AZR 474/07, NZA 2009, 1136, Ls. 1, Tz. 28; BAG 28. 08. 2008 ‒ 2 AZR 63/07, NZA 2009,

208

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

lativ kurze Frist, in welcher der Arbeitnehmer die Kündigung angreifen muss, um eine Wirksamkeitsfiktion im Sinne von §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG zu verhindern, bestätigt, dass § 4 S. 1 KSchG auf diese konkrete Kündigung zugeschnitten ist. Denn das Bedürfnis nach rascher Rechtssicherheit besteht primär im Hinblick auf die konkrete, bereits ausgesprochene Kündigung. Einerseits hat der Arbeitgeber ein Interesse daran, schnell zu wissen, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt, andererseits, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Je nachdem muss er beispielsweise den Kündigungsschutzprozess vorbereiten, unter Umständen zuvor Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer aufnehmen, etwa mit dem Ziel eines außergerichtlichen Vergleichs335 oder eine Neubesetzung des Arbeitsplatzes veranlassen. Zwar mag der Arbeitgeber auch ein Interesse an der Feststellung haben, ob der Sachverhalt generell als Kündigungsgrund geeignet ist. Allerdings ist diese Frage abstrakt und deshalb nicht ebenso dringend zu beantworten wie diejenige nach der Wirksamkeit der im Raum stehenden Kündigung. Der Zweck des § 4 S. 1 KSchG beschränkt sich daher auf die konkrete, bereits ausgesprochene Kündigung336. Die teleologische Auslegung des § 4 S. 1 KSchG spricht folglich ebenfalls dafür, dass nur die einzelne, mit der Kündigungsschutzklage angegriffene Kündigung vom Klageantrag des Arbeitnehmers erfasst ist. bb)  Argumentation vom Ergebnis Darüber hinaus könnte man mit M. Schwab vom Ergebnis her argumentieren, dass die Annahme identischer Streitgegenstände eine „Rechtsschutzverweigerung“ zu Lasten des Arbeitnehmers bedeuten würde337, was sich hier allerdings noch nicht abschließend feststellen lässt. M. Schwab geht davon aus, dass identische Streitgegenstände zur Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage gegen die Wiederholungskündigung führen. Dies ist jedoch eine Frage der Rechtskraft, die unabhängig vom Streitgegenstand und erst hiernach zu beantworten ist338. M. Schwabs Argument führt daher nicht weiter und vermag die hier vertretene Meinung an dieser Stelle nicht zu unterstützen.

275, 17; BAG 14. 09. 1994 ‒ 2 AZR 182/94, NZA 1995, 417; BAG 23. 02. 1978 ‒ 2 AZR 462/76, AP SchwbG § 12 Nr. 3; HBD-Berger, § 4 KSchG Rn. 1; Fornasier/Werner, NJW 2007, 2729, 2730; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 11; HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 2; MüKo BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn. 1; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 3; BeckOK ArbRKerwer, § 4 KSchG Rn. 1; ErfK-Kiel, § 4 KSchG Rn. 1; HK-ArbR-Schmitt, § 4 KSchG Rn. 1. 335  Vgl. hierzu z.B. Küttner-Kania, Vergleich Rn. 1 – 3; APS-Rolfs, Aufhebungsvertrag Rn. 28. 336  So bereits Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 626. 337  M. Schwab, RdA 2013, 357, 363, siehe hierzu bereits: § 5.II.4.f). 338  Siehe hierzu bereits: § 8.I.2.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

209

cc)  Zwischenergebnis Die Auslegung des § 4 S. 1 KSchG mithilfe der vier traditionellen Auslegungscanones hat ergeben, dass sich der Antrag im Kündigungsschutzprozess auf die konkrete Kündigung und nicht die abstrakte Eignung des zugrunde liegenden Sachverhalts als Kündigungsgrund bezieht. b)  Lebenssachverhalt Auf Grundlage des Antrags, der sich auf die konkrete Kündigung beschränkt, ist der zugrunde liegende Lebenssachverhalt zu ermitteln, mithin „alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören“339. Der dem Antrag im Kündigungsschutzprozess zugrunde liegende Lebenssachverhalt ist die konkrete Kündigung, weil sich dieser spezielle Antrag, wie soeben herausgearbeitet, auf eine konkrete Kündigung beschränkt. Da nach der herrschenden Definition derjenige Lebenssachverhalt maßgeblich ist, welcher dem Antrag zugrunde liegt, kann der Lebenssachverhalt logischerweise nicht weiter gehen als der Antrag. Die Vertreter einer anderen Ansicht hingegen gehen von dem der Kündigung zugrunde liegenden und demnach einem weiter gehenden Lebenssachverhalt aus. Bötticher340 und die ihm zustimmenden Autoren wie insbesondere Ascheid341 und Leipold342 betrachten das Kündigungsrecht, Lüke den rechtswidrigen Eingriff 343 und Zeuner den Sinngehalt der Kündigung344. Der Lebenssachverhalt, welcher der Kündigung zugrunde liegt, lässt sich im Sinne der soeben aufgezählten Autoren weit auslegen. Indes zwingt § 4 S. 1 KSchG aufgrund des Antrags zu einer Beschränkung des streitgegenständlichen Lebenssachverhalts auf die konkret angegriffene Kündigung. Die Vertreter der anderen Ansicht vernachlässigen daher bei ihrer Herangehensweise das Antragselement des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffes und sind aus diesem Grund abzulehnen. Festzuhalten bleibt somit, dass der dem Antrag zugrunde liegende Lebenssachverhalt die konkrete mit der Kündigungsschutzklage angegriffene Kündigung ist und nicht das Kündigungsrecht. 339  BGH 21. 10. 2008 – XI ZR 466/07, NJW 2009, 56 Tz. 15; BGH 11. 11. 1994 – V ZR 46/93, NJW 1995, 967, 968; MüKo-Becker-Eberhard, vor §§ 253 ff. Rn. 33 je m.w.Nachw., siehe hierzu bereits: § 5.I.1. 340 Insb. Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 4; vgl. hierzu bereits: § 5.II.3.a). 341  Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 6; vgl. hierzu bereits: § 5.II.3.e). 342 Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 198; vgl. hierzu bereits: § 5.II.3.f). 343  Lüke, JZ 1960, 203, 205; vgl. hierzu bereits: § 5.II.3.d). 344  Zeuner, MDR 1956, 259 f.; vgl. hierzu bereits: § 5.II.3.c).

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

210

c)  Anmerkung zur Argumentation mit dem punktuellen Streitgegenstand Daher kann mit der herrschenden Meinung, in Abgrenzung zur allgemeinen Feststellungsklage im Sinne des § 256 ZPO, die Bezeichnung des punktuellen Streitgegenstands verwendet werden, obwohl der Begriff in einem anderen Zusammenhang entwickelt wurde, nämlich der Diskussion darum, ob das Gericht das Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu prüfen hat345. Wenn die herrschende Meinung innerhalb dieser anderen Diskussion wiederum eine Ausnahme hinsichtlich der Vorfrage, ob beim Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestand, zulässt346 und daher im Ergebnis mehrere Kündigungen vom Streitgegenstand erfasst, steht die Ausnahme dem hier gefundenen Ergebnis – verschiedene Streitgegenstände im Prozess um die Wiederholungskündigung im Verhältnis zum Vorprozess – nicht entgegen. Die Ausnahme erfasst nur Kündigungen, die bereits vor der angegriffenen Kündigung ausgesprochen wurden und nicht, wie bei Wiederholungskündigung, danach. Ferner beruht die Ausnahme darauf, dass bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung notwendigerweise die Vorfrage nach dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, das durch die angegriffene Kündigung überhaupt beendet werden kann, beantwortet werden muss. Die Ausnahme beruht demnach auf logischen Gründen. Eine Wiederholungskündigung hingegen ist irrelevant für die Wirksamkeit der zuvor ausgesprochenen Kündigung. Sie steht daher in keinem vergleichbaren logischen Zusammenhang zur angegriffenen Kündigung. Bei der Argumentation „mit“ dem punktuellen Streitgegenstand ist ausdrücklich zu betonen, dass es sich hierbei nicht um einen eigenständigen Streitgegenstandsbegriff handelt, sondern der spezielle Antrag bei der Kündigungsschutzklage zu einem im Vergleich zur allgemeinen Feststellungsklage „kleineren“ Streitgegenstand führt und die Bezeichnung allein deshalb zutrifft347. Nach alledem bleibt festzuhalten, dass der Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess auch im Zusammenhang mit der Wiederholungskündigung als punktueller Streitgegenstand bezeichnet werden kann. d)  Zwischenergebnis Nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ist der Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess die konkrete angegriffene Kündigung und nicht die Eignung des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts als Kündigungsgrund oder das Kündigungsrecht des Arbeitgebers. Die Wiederholungskündigung führt daher zu einem anderen Streitgegenstand im Verhältnis zum Vorpro-

345 

Siehe hierzu bereits: § 2.III.2, insb. Fn. 98. Siehe hierzu bereits: § 2.III.2, insb. Fn. 100. 347 Vgl. Prütting, in: FS Beys (2003), S. 1273, 1280, Prütting, in: FS Lüke (1997), S. 617, 625. 346 

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

211

zess. Mithin ist der herrschenden Meinung, die ebenfalls dieser Auffassung ist348, zuzustimmen. 2.  Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess nach anderen Streitgegenstandsbegriffen Der eingliedrige Streitgegenstandsbegriff 349 käme ebenfalls dazu, dass Streitgegenstand nur die konkrete Kündigung ist. Nach dieser Theorie ist allein der Antrag entscheidend. Der Antrag bezieht sich, wie soeben ausführlich begründet wurde350, nach der eindeutigen Wertung des § 4 S. 1 KSchG auf die konkrete Kündigung und nicht das Kündigungsrecht. Dasselbe gilt für die immer stärker befürworteten Lehren vom variablen oder relativen Streitgegenstand351. Danach ist auf die Norm, ihren Zweck und die durch sie geregelte prozessuale Situation abzustellen352. Die Kündigungsschutzklage bezweckt Rechtssicherheit allein im Hinblick auf die konkrete Kündigung. Mithin ist auch nach diesen Theorien der Streitgegenstand lediglich die konkrete Kündigung. Sollte sich der BGH in der allgemeinen zivilprozessualen Rechtsprechung den jüngeren Theorien annähern, hätte dies keine Konsequenzen für den punktuellen Streitgegenstand bei der Kündigungsschutzklage sowie für die hier vertretene Position. Allenfalls auf Grundlage der „Kernpunkttheorie“ des EuGH könnte man annehmen, dass „Kernpunkt“ der beiden Prozesse jeweils das Kündigungsrecht ist und deshalb die Streitgegenstände identisch sind. Allerdings ist es erstens aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 4 S. 1 KSchG sehr fraglich, ob eine Kernpunkttheorie auch im Kündigungsschutzprozess anwendbar sein kann. Zweitens bekannte sich der EuGH bereits 1987 das erste Mal zur Kernpunkttheorie. Seitdem gab es allenfalls zum allgemeinen Zivilprozessrecht, nicht jedoch zum Arbeitsgerichtsprozess, entsprechende Überlegungen einer Änderung des nationalen Streitgegenstandsbegriffes. Drittens ist mit der wohl herrschenden Meinung in der Literatur generell in Frage zu stellen, ob sich eine Änderung des Streitgegenstandsbegriffes überhaupt rechtfertigen ließe353. Die wichtigsten anderen Streitgegenstandsbegriffe kommen daher ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess allein die 348 

Vgl. § 5.II.2, § 5.II.3.f). Siehe hierzu bereits: § 5.I.1, insb. Fn. 149. 350  § 8.II.1.a). 351  Siehe hierzu bereits: § 5.I.1, insb. Fn. 149. 352  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 36. 353 Musielak-Musielak, Einleitung, Rn. 72a; Prütting, in: FS Beys (2003), S. 1273, 1282; sowie Rüßmann, ZZP 111 (1998), 399, 424 und Walker, ZZP 111 (1998), 429, 454, die zumindest keine Veranlassung zur Änderung der herrschenden deutschen Streitgegenstandslehren sehen. 349 

212

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

konkrete ausgesprochene und angegriffene Kündigung ist und nicht das Kündigungsrecht des Arbeitgebers. 3.  Ergebnis Auf Grundlage des herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffes sowie der eingliedrigen und relativen oder variablen Streitgegenstandsbegriffe ist Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess die konkret angegriffene Kündigung und nicht das Kündigungsrecht des Arbeitgebers oder die Eignung des zugrunde liegenden Sachverhalts als Kündigungsgrund. Eine Wiederholungskündigung führt daher zu einem anderen Streitgegenstand.

III.  Rechtskraft Im vorigen Abschnitt wurde festgestellt, dass Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess die konkrete Kündigung ist und deshalb die Streitgegenstände im Kündigungsschutzprozess um die erste Kündigung und um die Wiederholungskündigung verschieden sind. Hierauf aufbauend ist auf die Konsequenzen für die Rechtskraft einzugehen. Zunächst wird die Notwendigkeit einer Erweiterung der Rechtskraft begründet (1.). Anschließend wird entwickelt, welche dogmatische Lösung hierfür in Betracht kommt (2.). Diese, eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO, wird danach ausführlich geprüft (3.). Anschließend wird die Wirkung einer teleologischen Reduktion erarbeitet (4.). Schließlich wird die in diesem Abschnitt gefundene Lösung in das Meinungsspektrum eingeordnet (5.). 1.  Notwendigkeit einer erweiterten Rechtskraft Im Kündigungsschutzverfahren gelten die zivilprozessualen Regeln, auch was die Rechtskraft betrifft354. Die Rechtskraft reicht gemäß § 322 Abs. 1 ZPO so weit, wie über den Anspruch entschieden wurde355. Die Rechtskraft reicht demnach nicht weiter als der Streitgegenstand. Begründet eine Wiederholungskündigung einen anderen Streitgegenstand als die erste Kündigung, ist die Wiederholungskündigung nicht von der Rechtskraft des Urteils zur ersten Kündigung erfasst. Die Bindung des Richters an die Entscheidung eines Vorprozesses im Sinne des ne bis in idem setzt identische Streitgegenstände voraus. Diese liegen bei der Wiederholungskündigung nicht vor, sodass keine derartige Rechtskraftwirkung in Frage kommt. Auch eine Präklusionswirkung als zweite mögliche Rechtskraftwirkung setzt identische Streitgegenstände voraus und kommt aus diesem Grund bei der Wiederholungskündigung nicht in Betracht. Präjudizialität als weitere Rechtskraftwirkung erfordert eine Entscheidung über eine Vorfrage, die für den zweiten Prozess relevant ist. Da die Entscheidung des ersten Prozesses jedoch aufgrund der 354  355 

Siehe hierzu bereits: § 5.II.1. Siehe hierzu bereits: § 5.I.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

213

fehlenden Rechtskraft der Gründe keine Aussage über die Eignung des Sachverhalts als Kündigungsgrund enthält und die Rechtskraft folglich nicht die gerichtliche Bewertung des Kündigungsgrundes erfasst, hilft auch die Präjudizialität nicht weiter. Demnach ist die Ausgangslage bei strenger Anwendung der allgemeinen Rechtskraftregeln wie folgt: Der Arbeitnehmer muss die zweite Kündigung gemäß § 4 S. 1 KSchG mit der Kündigungsschutzklage angreifen. Die Entscheidung des Vorprozesses entfaltet im Prozess um die Wiederholungskündigung keine Rechtskraftwirkung, sodass der Richter im Prozess um diese Kündigung in seiner Entscheidung hierzu frei ist. Folglich kann er theoretisch anders als im Vorprozess entscheiden, dass die Kündigung wirksam ist, weil der zugrunde liegende Sachverhalt ein tauglicher Kündigungsgrund ist. Prozessrechtlich wäre das folgerichtig. Möglicherweise sind die Konsequenzen der engen Rechtskraft sogar hinzunehmen. Ein anderes Ergebnis, eine Bindung des Richters an die Entscheidung des Vorprozesses, erfordert eine Erweiterung der Regeln der Rechtskraft im Wege der Rechtsfortbildung. Im Folgenden wird untersucht, ob eine solche Rechtsfortbildung geboten und möglich ist. 2.  Auswahl des zu prüfenden konstruktiven Lösungswegs Zur Erweiterung der Rechtskraft wurden von Rechtsprechung und Literatur seit den 1950er-Jahren viele Lösungswege entwickelt: eine generelle Erweiterung der Rechtskraft, teilweise auf dem Wege der erweiterten Auslegung der Entscheidung im Sinne des § 322 Abs. 1 ZPO, eine entsprechende Anwendung der Präjudizialität und des kontradiktorischen Gegenteils, eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO, eine analoge Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO, eine entsprechende Anwendung der Präklusion sowie eine rechtskraftfremde Präklusion356. Wie bereits zu Beginn des Kapitels angedeutet357, vermengen die in § 5 dargestellten Ansichten in ihren Beiträgen zum Umgang mit der Wiederholungskündigung mithilfe der Rechtskraft teilweise die Reichweite und die Wirkung, also den „Tatbestand“ und die „Rechtsfolgen“ der Rechtskraft358. Präjudizialität, Bindung an das kontradiktorische Gegenteil und Präklusion sind „Rechtsfolgen“ der Rechtskraft und hängen daher hiervon ab. Präjudizialität ist die Bindung an das rechtskräftige Ergebnis eines Prozesses in einem weiteren Prozess mit einem anderen Streitgegenstand. Die Präjudizialität wird demnach erst relevant, wenn die Reichweite der Rechtskraft feststeht. Das kontradiktorische Gegenteil ist das Gegenteil der rechtskräftigen Entscheidung und hängt demnach ebenfalls von der Reichweite der Rechtskraft ab. Präklusion ist der Ausschluss von Tatsachenvorträgen außerhalb der Rechtskraftgrenzen. Die Reichweite der Präklusionswirkung kann des356 

Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.III. Siehe hierzu: § 8.I.2. 358  Zur Erklärung dieser Terminologie siehe bereits: § 5.III.1.b). 357 

214

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

halb auch erst nach der Festlegung der Grenzen der Rechtskraft ermittelt werden. Eine entsprechende Anwendung der Präjudizialität, des kontradiktorischen Gegenteils und der Präklusion können daher erst diskutiert werden, nachdem Reichweite der Rechtskraft geklärt ist. Folglich können die Lösungswege mit Präjudizialität, kontradiktorischem Gegenteil, Präklusion sowie einer entsprechenden Anwendung derselben an dieser Stelle zunächst einmal nicht in Betracht gezogen werden. Sie werden erst im zweiten Schritt relevant, wenn die „Rechtsfolgen“ der Rechtskraft, also deren Rechtswirkungen, behandelt werden359. Zunächst einmal muss die Frage nach der Erweiterung der Reichweite, mithin dem „Tatbestand“ der Rechtskraft thematisiert werden. Eine Erweiterung der Reichweite der Rechtskraft entspricht einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO, der die Reichweite der Rechtskraft begrenzt. Mit einer Reduktion der Begrenzung der Rechtskraft wird die Reichweite der Rechtskraft wiederum erweitert. Da mit der teleologischen Reduktion an eine Norm angeknüpft wird, ist dieser Lösungsweg vor einer generellen Erweiterung der Rechtskraft ohne normative Grundlage zu prüfen. Eine Analogie zu § 322 Abs. 2 ZPO würde eine vergleichbare Interessenlage voraussetzen360. § 322 Abs. 2 ZPO regelt eine Ausnahme zu § 322 Abs. 1 ZPO und beruht demnach auf § 322 Abs. 1 ZPO. Daher ist Anknüpfungspunkt einer Analogie letztendlich § 322 Abs. 1 ZPO. Sollte sich bereits eine Lösung aus § 322 Abs. 1 ZPO ergeben, wäre diese vorrangig, sodass eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO vor einer analogen Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO in Betracht zu ziehen ist. Nach alledem wird im Folgenden geprüft, ob § 322 Abs. 1 ZPO im Kündigungsschutzprozess teleologisch reduziert werden kann. Konsequenz wäre, dass sich die Rechtskraft einer Entscheidung im Kündigungsschutzprozess auch auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund bezieht. 3.  Teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO a)  Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion und Anmerkung zum weiteren Vorgehen Die teleologische Reduktion dient dazu, „Gesetzeslücken“361 aufzuzeigen362 und zu füllen363. Sie ist die Beschränkung einer ihrem eindeutigen Wortlaut nach zu weit gefassten Regel auf den ihr nach dem Gesetzeszweck oder Sinnzusammenhang sowie der Entstehungsgeschichte beziehungsweise dem Willen des Gesetz359 

Siehe hierzu noch ausführlich: § 8.III.4. Larenz, Methodenlehre, S. 381.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 889; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 69. 361  Grundlegend zu diesem Begriff: Canaris, Feststellung von Lücken (1983), S. 83 f. 362  Canaris, Feststellung von Lücken (1983), S. 83 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 401. 363  Larenz, Methodenlehre, S. 401. 360 Vgl.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

215

gebers (dem „Plan“ des Gesetzes364) entsprechenden Anwendungsbereich365. Dabei sind auch der Zweck anderer Normen, die „Natur der Sache“ und gesetzesimmanente Prinzipien zu berücksichtigen366. Hieraus ergeben sich folgende Prüfungsvoraussetzungen: Zunächst ist festzustellen, dass der Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO aufgrund der Folgen für die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund relativ weit ist (b)). Anschließend ist ausführlich zu hinterfragen, ob die in § 322 Abs. 1 ZPO geregelte begrenzte Rechtskraftwirkung generell mit der Entstehungsgeschichte der Norm (c)) und der Gesetzessystematik (d)) vereinbar ist oder ob speziell für die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund im Kündigungsschutzprozess eine Ausnahme geboten ist. Die Reichweite dieser konkreten Ausnahme ist mit Rücksicht auf den Telos des § 322 Abs. 1 ZPO (f)) sowie weitere gesetzesimmanente Prinzipien zu ermitteln. Hierbei wird insbesondere auf den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit (g)), die Gleichbehandlung im Prozess (h)) und die Prozessökonomie (i)) eingegangen. Schließlich ist noch die Situation des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (j)). Im Rahmen dieses Abschnitts kann unter anderem auf die Argumente derjenigen Autoren zurückgegriffen werden, die sich zur allgemeinen Erweiterung der Rechtskraft, ohne dogmatischen Anknüpfungspunkt, äußern. Da mithin eine Auseinandersetzung mit anderen Ansichten weitgehend inzident erfolgt, ist keine separate Stellungnahme geboten. b)  Weiter Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO Die gerichtliche Bewertung des vorgetragenen Kündigungsgrundes steht nur in den Entscheidungsgründen und nicht im Tenor der Entscheidung. Sie ist daher gemäß § 322 Abs. 1 ZPO nicht von der Rechtskraft der Entscheidung erfasst367. Das ist bereits mehrmals festgestellt worden368 und muss nicht erneut geprüft werden. Festzuhalten ist deshalb, dass der Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO zu weit ist. Somit ist die erste Voraussetzung einer teleologischen Reduktion erfüllt.

hierzu grundlegend Canaris, Feststellung von Lücken (1983), S. 16 (Lücke als „planwidrige Unvollständigkeit“). 365 Grundlegend: Larenz, Methodenlehre, S.  391; vgl. ferner BVerfG 26. 09. 2011 ‒ 2 BvR 469/07, BeckRS 2011, 55542, Tz. 57, 59; BVerfG 19. 06. 1973 ‒ 1 BvL 39/69 und 14/72, NJW 1973, 1491, 1494; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 493, 496; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 902 f.; Wank, Auslegung, S. 92. 366  Larenz, Methodenlehre, S. 392. 367  Deckers (1999), S. 45; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 176 f. (siehe hierzu bereits: § 5.III.6.a)); Nikisch, DB 1956, 1133, 1134, vgl. ferner die Nachweise in Teil 2, Fn. 345, die sich jedoch alle allgemein gegen eine Erweiterung der Rechtskraft aussprechen. 368  Z.B.: § 1.II. 364  Vgl.

216

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

c)  Entstehungsgeschichte des § 322 Abs. 1 ZPO Im Weiteren ist somit zu untersuchen, ob die Entstehungsgeschichte mit den in § 322 Abs. 1 ZPO festgelegten objektiven Grenzen der Rechtskraft vereinbar ist. aa)  Rechtslage vor Inkrafttreten der Zivilprozessordnung Vor Inkrafttreten der „Civilprozeßordnung“ (im Folgenden: „Zivilprozessordnung“) am 30. Januar 1877369 hatten die damaligen deutschen (Klein-)Staaten jeweils ihr eigenes Zivilprozessrecht370. Das Zivilprozessrecht war zersplittert371. In Bayern und Preußen war im 18. Jahrhundert geregelt, dass die Rechtskraft sich nicht auch auf die Gründe eines Urteils erstreckt372. In den anderen Staaten gab es zunächst gar keine Regelungen zur Reichweite der materiellen Rechtskraft373. Nur in Sachsen folgte in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine entsprechende Regelung, welche die materielle Rechtskraft im Gegensatz zu Bayern und Preußen nicht nur auf die Entscheidungsgründe, sondern auch auf den Inhalt des Urteils erstreckte374. Trotz der eindeutigen gesetzlichen Regelungen in Bayern und Preußen ging die herrschende Lehre dort, ebenso wie in sämtlichen anderen Staaten, von einer weiter gehenden Reichweite der materiellen Rechtskraft aus375. Wichtigster Vertreter einer „absoluten Rechtskraft“376 war Friedrich Karl v. Savigny in Preußen. Nach v. Savigny sind auch die „objektiven“ Gründe des Urteils von der Rechtskraft erfasst. Hiermit meint er diejenigen Gründe, die Bestandteil des Urteils selbst sind, in Abgrenzung zu den subjektiven Gründen, welche mit der persönlichen Über369 

Reichsgesetzblatt 1877, S. 83 ff. Zum Römischen Reich und deutschen Mittelalter siehe ausführlich: Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 10 – 46. 371 Siehe hierzu ausführlich: Kerameus, AcP 167 (1967), 241; Kloeppel, Einrede der Rechtskraft nach der deutschen CPO (1882), S. 7 ff.; Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 117 f. 372  Vgl. Codex iuris bavarici iudiciarii (1753), 14. Cap. § 7 Nr. 6 und § 11 Nr. 3 („Rationes decidendi […] nimmermehr die Kraft Rechtens erlangen“); Art. 294 Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern (1869) („Die Wirkung des Urteils ist beschränkt einerseits auf den Gegenstand des Rechtsstreits[…]“); I. 13 § 38 Allgemeine Gerichtsordnung für die preußischen Staaten (1793) („[…] bloße Entscheidungsgründe niemals die Kraft eines Urteils haben sollen“); zitiert nach Kerameus, AcP 167 (1967), 241, 244 f. 373 Vgl. Kerameus, AcP 167 (1967), 241, 245. 374  Vgl. § 177 Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen (1863), zitiert nach Kerameus, AcP 167 (1967), 241, 247. 375 Vgl. Kerameus, AcP 167 (1967), 241, 249 f. m.zahlr.Nachw.; zum Meinungsstand siehe ferner ausführlich: Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 77 ff. 376  Diese Bezeichnung verwendete v. Savigny selbst nicht in seinen wichtigsten Ausführungen zum Thema, sondern wurde später zur Bezeichnung seiner Ansicht verwendet, vgl. z.B. K.H. Schwab, in: FS Bötticher (1969), S. 321, 324. 370 

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

217

zeugungsbildung des Richters zusammenhängen377. Tatbestandliche Elemente und Tatsachenfragen gehören jedoch nicht dazu378, was er mit der Aufgabe des Richters begründete, langfristig und nicht nur kurzfristig für Rechtssicherheit zu sorgen379. bb)  Gesetzgebungsverfahren Trotz der ausführlichen wissenschaftlichen Diskussion wurde die Reichweite der materiellen Rechtskraft im Gesetzgebungsverfahren zur Zivilprozessordnung zunächst nicht thematisiert380. Der Norddeutsche Entwurf zur Zivilprozessordnung von 1870 nahm die Entscheidungsgründe ‒ entgegen der herrschenden Lehre – ausdrücklich von der Rechtskraft aus381. Hiermit sollten Zweifel über die Reichweite des Urteils ausgeschlossen werden382. Im ersten Entwurf der Zivilprozessordnung wurde die Beschränkung der Rechtskraft auf die „Entscheidung über den Anspruch“ beibehalten383. Ein späterer Änderungsvorschlag, die Rechtskraft auch auf solche Rechtsverhältnisse auszudehnen, welche den Anspruch bedingen, wurde ausdrücklich abgelehnt384. Der Gesetzgeber entschied sich für eine Begrenzung der Rechtskraft auf die Entscheidung über den Anspruch und hat die Regelung seit Inkrafttreten der Zivilprozessordnung nicht geändert. Folglich hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen v. Savigny und gegen eine Erstreckung der Rechtskraft auf die Entscheidungsgründe entschieden385. cc)  Schlussfolgerungen für die Reichweite der Rechtskraft Allerdings steht damit nur fest, dass der Gesetzgeber eine generelle, absolute Rechtskraftwirkung nach v. Savigny verhindern wollte386. Denn ausdrücklich hat 377 

v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, VI (1847), S. 358 ff., 394 ff.

378 Vgl. Kerameus, AcP 167 (1967), 241, 253; Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft

(1959), S. 1, Fn. 3. 379  v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, VI (1847), S. 359. 380 Vgl. Kerameus, AcP 167 (1967), 241, 248. 381  Zur Entstehung des Norddeutschen Entwurfs siehe ausführlich m.w.Nachw.: Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 119 ff. 382 Vgl. Kerameus, AcP 167 (1967), 241, 248. 383  Hahn, Materialien II/1, S. 291. 384  Hahn, Materialien II/1, S. 607 – 609. 385  BGH 05. 11. 2009 – IX ZR 239/07, NJW 2010, 2210, Tz. 9; BGH 26. 06. 2003 – I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Brox, JuS 1962, 121, 123; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 177; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 83; BeckOK ZPO-Gruber, § 322 Rn. 28; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 202; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 2; Musielak, in: FS Nakamura (1996), S. 423, 427; Prütting, RdA 1991, 257, 264; K.H. Schwab, in: FS Bötticher (1969), S. 321, 324; siehe hierzu ferner bereits: § 5.III.4.h)bb). 386  Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 4; vgl. auch Peters, ZZP 76 (1963), 230, 241 („Entscheidung im groben“); ebenfalls kritisch zu einer weiter gehenden Interpretation der Protokolle: Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilpro-

218

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

sich der Gesetzgeber nur gegen die sehr weitgehende Rechtskraftwirkung im Sinne von v. Savigny entschieden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass jede Rechtskraftwirkung, die nicht so weit reicht wie die „absolute“ Rechtskrafttheorie v. Savignys, ebenfalls mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar ist. dd)  Zwischenergebnis Die Entstehungsgeschichte der Regelungen zur materiellen Rechtskraft steht einer teleologischen Reduktion, die auf eine Erweiterung der Rechtskraft abzielt, nicht grundsätzlich entgegen. d)  Gesetzessystematik aa)  § 256 Abs. 2 ZPO Aus der Möglichkeit des Klägers, gemäß § 256 Abs. 2 ZPO Zwischenfeststellungsklage („Inzidentklage“387, „Inzidentfeststellungsklage“388) zu erheben, wird oft ein Umkehrschluss gezogen, dass eine darüber hinausgehende Ausdehnung der Rechtskraft nicht in Betracht kommt389. Hiermit wird teilweise auch speziell gegen eine teleologische Reduktion argumentiert390. (1) Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann der Kläger bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, durch Erweiterung des Klagantrags beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift ist dabei „eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache“, wozu auch „einzelne auf einem umfassenden

zeß, S. 137 („sachliche[r] Interpretationswert […] niedrig“). Siehe hierzu noch: § 8.III.3.d) aa)(2). 387 Stein/Jonas-Roth, § 256 ZPO Rn. 9. 388  MüKo ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn. 80. 389  BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Batschari/Durst, NJW 1995, 1650, 1652; Doderer, NJW 1991, 878, 879; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 27; Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 428; Peters, ZZP 76 (1963), 229, 232; Pfeiffer, EWiR 1994, 409, 410; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 36; Zimmermann, § 322 ZPO Rn. 24; siehe hierzu bereits: § 5.III.4.h)cc)(1) (allgemein) sowie § 5.III.2.e)aa) (speziell zur Kündigungsschutzklage). 390  BGH 19. 06. 1984 – IX ZR 89/83, BeckRS 2010, 05210, Ls. 3; BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 57 (je allgemein, nicht speziell zur Kündigungsschutzklage).

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

219

Rechtsverhältnis beruhende Ansprüche oder Rechte“ zählen391, sodass das Kündigungsrecht einer Partei ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist392. Das Rechtsverhältnis muss ferner vorgreiflich sein, also zumindest teilweise maßgeblich für die Hauptentscheidung393. Die Zwischenfeststellungsklage ermöglicht es dem Kläger demnach, auf Antrag eine rechtskräftige Entscheidung zu einer bestimmten, für die Hauptfrage relevante Vorfrage zu veranlassen, die andernfalls als Bestandteil der (tragenden394) Entscheidungsgründe nicht von der Rechtskraft erfasst wäre. So bewirkt er eine weiter reichende Rechtskraftwirkung des Urteils395. Teilweise wird die Ausdehnung der Rechtskraft ausdrücklich als „Rechtskrafterweiterung“ bezeichnet396. (2) Zwecke und nicht abschließender Charakter des § 256 Abs. 2 ZPO Die Zwischenfeststellungsklage wurde speziell geregelt, um die unter Umständen zu engen Grenzen der Rechtskraft auszugleichen, wenn eine Partei ein Interesse an einer rechtskräftigen Entscheidung zu einer Vorfrage hat und damit widersprechende Entscheidungen vermeiden will397. Dies bestätigt die Entstehungsgeschichte der Zivilprozessordnung. In der Begründung des ersten Entwurfs der Zivilprozessordnung heißt es, dass Bedenken gegen die Begrenzung der Rechtskraft auf die Entscheidung durch die Zwischenfeststellungsklage beseitigt werden. Diese Bedenken hat der Gesetzgeber selbst an391  BGH 23. 04. 2013 – II ZR 74/12, NJW-RR 2013, 873, Tz. 27; BGH 29. 11. 2011 – II ZR 306/09, NZG 2011, 222, Tz. 14; Musielak-Foerste, § 256 ZPO Rn. 2; Hk-ZPO-Saenger, § 256 Rn. 3. 392 Vgl. MüKo ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn. 15; Musielak-Foerste, § 256 ZPO Rn. 3; Stein/Jonas-Roth, § 256 ZPO Rn. 26. 393  Vgl. BGH 23. 04. 2013 – II ZR 74/12, NJW-RR 2013, 873, Tz. 28; BGH 07. 03. 2013 – VII ZR 223/11, NJW 2013, 1744, Tz. 19; Musielak-Foerste, § 256 ZPO Rn. 41; Hk-ZPOSaenger, § 256 Rn. 30. 394 Hk-ZPO-Saenger, § 256 Rn. 26. 395  Vgl. BGH 07. 03. 2013 – VII ZR 223/11, NJW 2013, 1744, Tz. 19; BGH 12. 10. 2006 – VII ZR 247/05, NJW 2007, 82, Tz. 12; BGH 21. 02. 1992 – V ZR 273/90, NJW 1992, 1897; MüKo ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn. 6; Musielak-Foerste, § 256 ZPO Rn. 39; Stein/ Jonas-Roth, § 256 ZPO Rn. 102; Hk-ZPO-Saenger, § 256 Rn. 26; Schellhammer, Rn. 194; Schumann, in: FS Georgiades (2006), S. 543, 548. 396  OVG Koblenz 10. 07. 2014 – 3 U 1415/13, NJW-RR 2014, 1212; Musielak-Foerste, § 256 ZPO Rn. 39; Schellhammer, Rn. 194. 397  Vgl. BGH 26. 06. 2003 ‒ I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Batschari/Durst, NJW 1995, 1650, 1652; Doderer, NJW 1991, 878, 879; Musielak-Foerste, § 256 ZPO Rn. 39; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 57; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 221 (zur Feststellungs- und Zwischenfeststellungsklage); Michaelis, in: FS Larenz (1983), S. 443, 447 (zur Feststellungsklage); Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 27; Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 428; Peters, ZZP 76 (1963), 229, 232; Pfeiffer, EWiR 1994, 409, 410; Hk-ZPO-Saenger, § 256 Rn. 26; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 36; Zimmermann, § 322 ZPO Rn. 24.

220

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

erkannt, indem er den Vorteil der Ansicht v. Savignys ausdrücklich hervorhob. Die Verhinderung sich widersprechender Entscheidungen könne „nicht hoch genug angeschlagen werden […], weil widersprechende Urtheile im Volke als ein schwerer Uebelstand empfunden werden müssen.“398

Mit den Inzidentfeststellungsklagen könne der Kläger jedoch über streitige Rechtsverhältnisse, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung abhängt, eine der Rechtskraft fähige Entscheidung erwirken399. Auf diesem Wege gelange man zu einem Ergebnis, welches „im Wesentlichen dem v. Savigny’schen Standpunkt entspricht, nur daß er nicht das Gesetz, sondern den Willen der Parteien darüber bestimmen lässt, was mit einer über den Bereich des Prozesses hinausreichenden Rechtskraft entschieden werden soll“400.

Die Überlegungen des Gesetzgebers zeigen zweierlei: Erstens hat der Gesetzgeber erkannt, dass die Grenzen der Rechtskraft zu eng sein und zu unbilligen Ergebnissen führen können, sodass der Kläger infolgedessen ein berechtigtes Interesse an einer rechtskräftigen Entscheidung über eine Vorfrage haben mag, die nach § 322 Abs. 1 ZPO nicht der Rechtskraft fähig ist. Zweitens hat er deshalb die Zwischenfeststellungsklage geregelt401. Der Gesetzgeber hat dabei angenommen, dass die Zwischenfeststellungsklage das geeignete Mittel ist, dem „Willen der Parteien“402 an einer Erweiterung der Rechtskraftwirkungen gerecht zu werden. Auch im Rahmen der Argumentation mit § 256 Abs. 2 ZPO gegen die Erweiterung der Rechtskraft403, sowie bei der Auseinandersetzung mit § 256 Abs. 2 ZPO im Allgemeinen404, wird regelmäßig unterstellt, dass der Kläger bereits während des ersten Prozesses die Relevanz der Vorfrage kennt und schon zu diesem Zeitpunkt in der Lage ist, eine Zwischenfeststellungsklage zu erheben, mithin seinen „Willen“ zu bilden und zu verwirklichen. Hieraus wird gefolgert, dass die Zwischenfeststellungsklage einem etwaigen Interesse des Klägers an einer rechtskräftigen Entscheidung über eine Vorfrage ausreichend Rechnung trägt405. Das trifft jedoch nur für den Fall zu, dass der Kläger bereits vor der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht (vgl. § 256 Abs. 2 ZPO), ein solches InteresHahn, Materialien II/1, S. 291. Hahn, Materialien II/1, S. 291. 400  Hahn, Materialien II/1, S. 291 f. 401  Zutreffend insoweit Reischls Bezeichnung als „zweistufiges Modell der Rechtskraftregelung“, Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 293. 402  Hahn, Materialien II/1, S. 291 f. 403  BGH 26. 06. 2003 – I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Doderer, NJW 1991, 878, 879; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 221; Musielak, in: FS Nakamura (1990), S. 423, 428; Peters, ZZP 76 (1963), 229, 232. 404  Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 32; Musielak-Foerste, § 256 ZPO Rn. 39; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 36. 405  So i.E. auch Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 293. 398 

399 

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

221

se hat. Allein dann wird der Kläger eine Zwischenfeststellungsklage erheben und nicht vorsorglich und ohne konkreten Grund406. Entsteht erst später, nach dem für die Erhebung der Zwischenfeststellungsklage (vgl. § 256 Abs. 2 ZPO) maßgeblichen Zeitpunkt, ein Interesse des Klägers an einer rechtskräftigen Entscheidung über eine Vorfrage, kann dem „Willen der Parteien“407, der nach der Absicht des Gesetzgebers für die Ausdehnung der Rechtskraft maßgeblich sein soll, nicht mehr entsprochen werden. Trotz „theoretisch rechtlicher Möglichkeit“408 läuft der Parteiwille praktisch leer, was damit dem Zweck des § 256 Abs. 2 ZPO widerspricht. In einem solchen Fall besteht die Gefahr, dass über die relevante Vorfrage in einem weiteren Prozess anders entschieden wird und es damit zu widersprechenden Urteilen kommt, was nach Auffassung des Gesetzgebers ein „schweres Übel“409 wäre. Folglich steht die Zwischenfeststellungsklage einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO allgemein jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Zwischenfeststellungsklage dem Interesse des Klägers an einer rechtskräftigen Entscheidung über eine Vorfrage, um unbillige Ergebnisse zu verhindern, nicht gerecht werden kann und deshalb die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht410. Die Zwischenfeststellungsklage ist nach alledem eine „notwendige Ergänzung zur beschränkten Rechtskraftwirkung“411, dabei jedoch nicht abschließend. (3) Abschließender Charakter bei der Kündigungsschutzklage im Hinblick auf die Wiederholungskündigung Fraglich ist, ob die Zwischenfeststellungsklage speziell für die Wiederholungskündigung eine abschließende Regelung ist, um eine rechtskräftige Entscheidung über eine Vorfrage herbeizuführen oder nicht. An dieser Stelle ist zwischen der Trotzkündigung und der Wiederholungskündigung im engeren Sinne zu unterscheiden. Die Ausführungen zur Trotzkündigung erfolgen in der vorliegenden Arbeit jedoch nur hilfsweise, weil für diese Fallgruppe der Wiederholungskündigung bereits von einer Unwirksamkeit gemäß § 242 BGB ausgegangen wird412. Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 294. Hahn, Materialien II/1, S. 291 f. 408  Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 294. 409 Vgl. Hahn, Materialien II/1, S. 291. 410 Vgl. Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 294; ähnlich i.E. auch Kloeppel, Einrede der Rechtskraft nach der deutschen CPO (1882), S. 40, der die Voraussetzung zusätzlicher Feststellungsklagen zur Erweiterung der Rechtskraftwirkung nur als formale Voraussetzung zur Erweiterung der Rechtskraftwirkung betrachtet, die den Umfang der Rechtskraft jedoch nicht beeinflusst. 411  Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 221. 412  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 7.III.3. 406 Vgl. 407 

222

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

(a) Kein ausreichender Schutz des Arbeitnehmers bei einer Trotzkündigung Eine Trotzkündigung wird erst nach dem rechtskräftigen Urteil zur ersten Kündigung ausgesprochen, somit nach dem gemäß § 256 Abs. 2 ZPO entscheidenden Zeitpunkt. Davor wird der Arbeitnehmer regelmäßig nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber aus demselben Grund erneut kündigt und er hat keinen Anlass, Zwischenfeststellungsklage zu erheben. Erst mit der Erklärung der zweiten Kündigung entsteht beim Arbeitnehmer das Interesse, die Rechtskraft der Vorentscheidung auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund auszudehnen413. Die Zwischenfeststellungsklage ist dann jedoch nicht mehr statthaft und vermag das Problem der unter Umständen zu engen Rechtskraftgrenzen nicht mehr zu lösen. Bei der Trotzkündigung spricht § 256 Abs. 2 ZPO daher nicht gegen eine teleologische Reduktion ‒ sofern man entgegen der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht nicht bereits eine Unwirksamkeit gemäß § 242 BGB annimmt. (b) Kein ausreichender Schutz des Arbeitnehmers bei einer Wiederholungskündigung im engeren Sinne Bei der Wiederholungskündigung im engeren Sinne ist es weniger eindeutig, ob der Arbeitnehmer nicht doch ausreichend durch § 256 Abs. 2 ZPO geschützt ist. Eine Wiederholungskündigung im engeren Sinne wird bereits vor der rechtskräftigen Entscheidung zur ersten Kündigung erklärt. Deshalb hat der Arbeitnehmer möglicherweise bereits vor dem gemäß § 256 Abs. 2 ZPO entscheidenden Zeitpunkt ein Interesse an einer rechtskräftigen Entscheidung zum Kündigungsgrund. Mithin könnte er bereits im Prozess um die erste Kündigung gemäß § 256 Abs. 2 ZPO Zwischenfeststellungsklage darauf gerichtet erheben, dass nicht nur über die Rechtswirksamkeit der ersten Kündigung, sondern auch über den Kündigungsgrund rechtskräftig entschieden wird. Ob der Arbeitnehmer auch tatsächlich Zwischenfeststellungsklage erheben würde, ist im Detail zu analysieren. (aa) Vorrang der Kündigungsschutzklage für zweite Kündigung Wenn der Arbeitnehmer ein Interesse daran hat, eine rechtskräftige Entscheidung herbeizuführen, die sich auf die Wiederholungskündigung bezieht, wird er in der Regel eine Kündigungsschutzklage gegen die Wiederholungskündigung erheben (ggf. mit einer Klageerweiterung414). Dies wird er allein deshalb tun, um die Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG zu verhindern. Im Zweifel wird er die Kündigungsschutzklage für ausreichend erachten, um sich effektiv gegen die zweite Kündigung zu wehren415 oder allenfalls die erste Kündigungsschutz413 Vgl. Deckers (1999), S. 48; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 174; siehe hierzu bereits: § 5.III.6.b)aa). 414  Vgl. HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 25; BeckOK ArbR-Kerwer, § 4 KSchG Rn. 71, 76. 415  Vgl. hierzu auch entsprechende Hinweise in Praxishandbüchern, die sich auf die Erhebung einer weiteren Kündigungsschutzklage beschränken, z.B. Tschöpe-Rolfs, Teil 5A Rn. 11.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

223

klage mit einer Feststellungsklage zur Erfassung weiterer Kündigungen verbinden (sog. Schleppnetzantrag)416. Dafür spricht auch, dass die Kündigungsschutzklage das speziellere Institut ist, das die Rechtsordnung dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt hat, um gegen eine Kündigung vorzugehen. Dem würde es widersprechen, wenn der Arbeitnehmer bei einer Wiederholungskündigung im engeren Sinne über die Kündigungsschutzklage hinaus Zwischenfeststellungsklage erheben müsste, um sich effektiv gegen die zweite Kündigung zu wehren. Es ist demnach zweifelhaft, ob er im Prozess um die erste Kündigung zusätzlich eine Zwischenfeststellungsklage erhebt, obwohl dies rechtlich möglich wäre. In der Praxis ist es daher naheliegender, dass der Arbeitnehmer allein eine zweite Kündigungsschutzklage (gegen die Wiederholungskündigung) erhebt. Diese ist insofern vorrangig. (bb) Kein „wirkungsvoller“ Rechtsschutz ohne Rechtskrafterweiterung Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt für bürgerlichrechtliche Streitigkeiten die Garantie eines „wirkungsvollen Rechtsschutzes“417. Die Verwirklichung, der Schutz und die Durchsetzung subjektiver Rechte ist deshalb die „Hauptfunktion des Zivilprozesses“418. Der wirkungsvolle Rechtsschutz soll nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine „umfassende […] Prüfung des Streitgegenstands und eine verbindliche Entscheidung […] ermöglichen“419. Es ist fraglich, ob dem Arbeitnehmer, der keine Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO erhebt, „wirkungsvoller Rechtsschutz“ gewährt wird, wenn die Regeln zur Rechtskraft nicht korrigiert werden. Ohne die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage ist nicht ausgeschlossen, dass die beiden Kündigungen bei der Erhebung zweier Kündigungsschutzklagen in zwei verschiedenen Urteilen unterschiedlich bewertet werden und für die erste Kündigung ein wirksamer Kündigungsgrund verneint und die zweite Kündigung bejaht wird420.

416  Vgl. hierzu auch Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 4, 137, der ebenfalls annimmt, dass es Fälle gibt, in denen die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage mit der Folge einer Erweiterung der Rechtskraftwirkung von den Parteien praktisch nicht erwartet wird. 417  BVerfG 30. 04. 2003 – 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924; BVerfG 02. 03. 1993 – 1 BvR 249/92, NJW 1993, 1635; BVerfG 11. 06. 1980 – 1 PBvU 1/79, NJW 1981, 39, 41; ähnlich: MüKo ZPO-Rauscher, Einleitung Rn. 256. 418  Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 184; ders. hierzu ebd. ausführlich, S. 183 ff. 419  BVerfG 11. 06. 1980 – 1 PBvU 1/79, NJW 1981, 39, 41. 420  Die umgekehrte Situation ist i.d.R. ausgeschlossen. Denn wenn die erste Kündigung rechtswirksam ist, gibt es kein Arbeitsverhältnis mehr, welches die zweite Kündigung beenden könnte, sodass der Kündigungsgrund gar nicht zu prüfen ist.

224

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Der Arbeitnehmer kann nicht regelmäßig damit rechnen, dass das zweite Verfahren derselben Kammer zugeteilt wird wie das erste421. Die Zuständigkeit derselben Kammer führt ferner nicht automatisch zu gleich lautenden Entscheidungen, was den Kündigungsgrund betrifft422. Zwar kann das Gericht für beide Kündigungen gemäß § 147 ZPO423 nur einen Termin anberaumen, wo im Zweifel die Kündigungen aus demselben Grund gleich beurteilt werden. Gemäß § 61a Abs. 2 ArbGG soll die Güteverhandlung jedoch zwei Wochen nach Klageerhebung stattfinden. Liegen mindestens zwei Wochen zwischen den zwei Kündigungen, ist es wahrscheinlicher, dass zwei Termine angesetzt werden. Dann wird die Kammer mit anderen ehrenamtlichen Richtern besetzt sein (vgl. § 31 Abs. 1 ArbGG), sodass bereits aus diesem Grund im Prozess um die zweite Kündigung eine anderslautende Entscheidung über den Kündigungsgrund nicht ausgeschlossen ist. Darüber hinaus muss das Gericht, nicht einmal, wenn es durch denselben oder dieselben Richter besetzt ist, seine Rechtsansicht aus dem Urteil zur ersten Kündigung aufrecht erhalten und kann sie stattdessen ändern, wenn es neuen Argumenten der Parteien folgt oder den Sachverhalt selbst anders bewertet424. Sich widersprechenden Entscheidungen ließen sich mit einer Rechtskrafterstreckung auf den Kündigungsgrund sicher vermeiden, sodass hier ein Bedürfnis des Klägers besteht, Vorfragen verbindlich zu klären. Ein solches Bedürfnis hat auch der Gesetzgeber anerkannt. Die hierfür geschaffene Zwischenfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO vermag dieses Bedürfnis jedoch bei der Kündigungsschutzklage nicht zu erfüllen, weil hier eine zweite Kündigungsschutzklage systematisch vorrangig ist und der Arbeitnehmer keinen Anlass hat, darüber hinaus eine Zwischenfeststellungsklage zu erheben. (4) Zwischenergebnis Der Gesetzgeber hat die Schwierigkeiten der engen Rechtskraftgrenzen erkannt, aber mit § 256 Abs. 2 ZPO nicht vollständig gelöst. § 256 Abs. 2 ZPO lässt daher nicht die Schlussfolgerung zu, dass der Gesetzgeber die Erstreckung der Rechtskraft auf Vorfragen außerhalb der Grenzen des § 322 Abs. 1 ZPO abschließend geregelt hat. Dies gilt auch für eine Trotzkündigung und eine Wiederholungskündigung im engeren Sinne. Nach alledem steht die Regelung zur Zwischenfeststellungsklage, § 256 Abs. 2 ZPO, bei systematischer Auslegung einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO im Kündigungsschutzprozess nicht entgegen. 421 Die Geschäftsverteilungspläne für 2017 der Arbeitsgerichte München (§ 10 III.) und Düsseldorf (Ziff. III.1.a,b) z.B. sehen grds. eine turnusmäßige Verteilung vor und ausnahmsweise die Zuteilung von Verfahren derselben Parteien an dieselbe Kammer, allerdings nur bei gleichzeitigem Eingang der Klagen, was bei einer (zweiten) Klage gegen eine Wiederholungskündigung regelmäßig nicht der Fall sein wird. 422  Krit. hierzu: Nikisch, DB 1956, 1133, 1134; siehe hierzu bereits: § 5.III.3.f)aa). 423 Die Vorschrift wird auch im Arbeitsgerichtsprozess angewendet, vgl. BAG 22. 03. 2001 – 565/00, NZA 2002, 1349. 424  Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 207, 259.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

225

bb)  § 322 Abs. 2 ZPO Bei systematischer Auslegung könnte ferner § 322 Abs. 2 ZPO gegen eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO sprechen425. Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist, wenn der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend macht, die Entscheidung, dass diese nicht besteht, der Rechtskraft fähig. Das gilt nach herrschender Meinung auch für die erfolgreiche Aufrechnung des Beklagten426. § 322 Abs. 2 ZPO regelt mithin eine Rechtskrafterstreckung auf Gegenrechte, die der Beklagte geltend macht427. Im Gegensatz zu § 256 Abs. 2 ZPO erfolgt die Rechtskrafterstreckung ipso iure statt auf Antrag. Ferner ist der Zweck ein anderer. § 322 Abs. 2 ZPO soll verhindern, dass der Beklagte die zur Aufrechnung gestellte Forderung in einem weiteren Prozess ein zweites Mal geltend macht und dadurch privilegiert wäre428. Bei der Auseinandersetzung mit § 256 Abs. 2 ZPO wurde bereits festgestellt, dass der Gesetzgeber die Beschränkung der Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO für unbillig hielt429. Mit der Möglichkeit, gemäß § 256 Abs. 2 ZPO Zwischenfeststellungsklage zu erheben, kommt er etwaigen Interessen des Beklagten an einer bindenden Entscheidung bereits teilweise entgegen, allerdings nicht vollständig. Auch § 322 Abs. 2 ZPO als zusätzliche Regelung zur Durchbrechung der Rechtskraftgrenzen genügt nicht, um unbillige Ergebnisse zu verhindern. § 322 Abs. 2 ZPO ist auf die Rechtskrafterweiterung auf Gegenrechte beschränkt, die der Beklagte erst im Prozess aus Anlass eines anderen Streitgegenstandes geltend macht. Insbesondere der Kündigungsgrund wird nicht hiervon erfasst, obwohl der Arbeitnehmer im Fall einer Wiederholungskündigung im Vorprozess ein Interesse an einer Rechtskrafterstreckung haben kann. Ferner bezweckt § 322 Abs. 2 ZPO die Verhinderung der erneuten Geltendmachung einer Forderung und zwar auf dem Klagewege. Selbst wenn § 322 Abs. 2 ZPO für vergleichbare Situationen abschließend sein sollte, fällt zumindest eine Wiederholungskündigung nicht darunter. Erstens geht es bei § 322 Abs. 2 ZPO um eine Rechtskrafterweiterung auf ein vom Streitgegenstand unabhängiges Gestaltungsrecht, mithin auf rechtlicher Ebene, während der Arbeitgeber mit seinem Vortrag zum Kündigungsgrund „kein subjektives Recht“ ausübt, sondern allein auf der „tatsächlichen Ebene“ zum Streitgegenstand argumentiert430. Dass Anlass 425  So BGH 26. 06. 2003 – I ZR 269/00, NJW 2003, 3058, 3059; Batschari/Durst, NJW 1995, 1650, 1652; siehe hierzu bereits: § 5.III.4.h)cc)(2). 426  BGH 13. 12. 2001 ‒ VII ZR 148/01, NJW 2002, 900; BGH 01. 02. 1962 ‒ VII ZR 213/60, NJW 1962, 907; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 194; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 76. 427  Deckers (1999), S. 49; siehe hierzu bereits: § 5.III.6.b)bb). 428  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 192; BeckOK ZPO-Gruber, § 322 Rn. 62; Hk-ZPOSaenger, § 322 Rn. 45. 429  § 8.III.3.d)aa). 430  So auch W. Habscheid, RdA 1958, 95, 98; siehe hierzu bereits: § 5.III.3.f)bb).

226

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

hierfür die Kündigungserklärung war, ändert nichts daran. Zweitens erfolgt die Kündigung, anders als die Geltendmachung einer Gegenforderung im Sinne des § 322 Abs. 2 ZPO, nicht per Klage, sondern außergerichtlich, weil die Arbeitgeberkündigung kein Gestaltungsklagerecht, sondern ein Gestaltungsrecht ist. Nach alledem ist § 322 Abs. 2 ZPO keine abschließende Ausnahme vom Grundsatz der begrenzten Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO431. Folglich steht § 322 Abs. 2 ZPO einer Rechtskrafterstreckung auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund mittels einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO nicht entgegen. cc)  Präklusion Gegen eine teleologische Reduktion könnte ferner ein Umkehrschluss aus den existierenden Präklusionsvorschriften (z.B. § 127 Abs. 3 FamFG bzw. § 616 a.F. ZPO432, § 17 MSchG a.F.433, § 767 ZPO, § 145 PatG) sprechen. Präklusion bedeutet, dass die Parteien mit Tatsachenvorträgen, die zum Streitgegenstand der rechtskräftigen Entscheidung gehören, ausgeschlossen sind434. Die Präklusionswirkung hängt demnach von der Reichweite der Rechtskraft ab. Eine umgekehrte Abhängigkeit ist systematisch und logisch ausgeschlossen. Die Regelungen zur Präklusion lassen daher keine Schlussfolgerung hinsichtlich der Reichweite der Rechtskraft zu. Die Vorschriften, die eine rechtskraftfremde Präklusion regeln, sprechen folglich nicht gegen eine Erweiterung der Rechtskraft mittels einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO. e)  Zwischenergebnis und weiterer Gang der Untersuchung Die bisherige Prüfung einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO hat ergeben, dass nach dem Wortlaut der Norm die rechtliche Würdigung zum Kündigungsgrund als Bestandteil der Entscheidungsgründe nicht von der Rechtskraft erfasst ist. Die Entstehungsgeschichte und Systematik des § 322 Abs. 1 ZPO stehen einer Reduktion der Norm, also einer Erweiterung der Rechtskraft, jedoch nicht grundsätzlich entgegen. Nach alledem liegt eine „Gesetzeslücke“435 vor, was die Reichweite der Rechtskraft betrifft, um unbillige Ergebnisse für die Parteien zu verhindern. Um festzustellen, inwiefern eine Erweiterung der Rechtskraft in Betracht kommt, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses, sind im Folgenden der Zweck 431 So i.E. auch: Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 195; siehe hierzu bereits: § 5.III.3.a). 432  Entspricht dem heutigen § 127 FamFG, siehe hierzu bereits: § 3, Fn. 7. 433  Zum Wortlaut der Norm bereits: § 3, Fn. 8. 434  Siehe hierzu bereits: § 5.I.2.d)bb). 435 Vgl. Canaris, Feststellung von Lücken (1983), S. 83 f.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

227

der Rechtskraftbegrenzung gemäß § 322 Abs. 1 ZPO (f) und gesetzesimmanenter Prinzipien zu analysieren; dies sind der Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit (g), die Gleichbehandlung der Prozessparteien (h) und die Prozessökonomie (i). Darüber hinaus sind die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (j). Die Schlussfolgerungen für eine Rechtskrafterstreckung auf den Kündigungsgrund werden jeweils im unmittelbaren Anschluss an die Analyse dieser verschiedenen Aspekte gezogen. f)  Vermeidung überraschender Bindung als Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO aa)  Herleitung Die Begrenzung der Rechtskraft auf die Entscheidung bezweckt, eine überraschende Bindung der Parteien zu vermeiden. Über Vorfragen haben sie möglicherweise gar nicht gestritten, sodass eine Bindung an die Entscheidungsgründe hierzu während des ersten Prozesses nicht beabsichtigt und daher nicht absehbar wäre436. Dies bestätigt die Entstehungsgeschichte des § 322 Abs. 1 ZPO. In der Begründung des ersten Entwurfs der Zivilprozessordnung heißt es: „Das Urtheil darf nicht weiter gehen, als die Absicht der Parteien gegangen ist, und darf nicht Folgen erzeugen, deren sich die Parteien im Laufe des Prozesses gar nicht bewusst geworden sind.“ 437

Für die relativ engen Rechtskraftgrenzen gemäß § 322 Abs. 1 ZPO hat sich der Gesetzgeber demnach entschieden, weil ihm die grundsätzliche Vermeidung von Überraschungsentscheidungen wichtiger war als ausnahmsweise bestehende Interesse der Parteien an der rechtskräftigen Entscheidung über eine Vorfrage438. Der Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO, Überraschungsentscheidungen zu vermeiden, greift jedoch nicht, wenn die Parteien durch die Bindung an eine Vorfrage nicht überrascht werden. Es entspricht in Anbetracht der soeben zitierten Begründung dem Willen des Gesetzgebers, dann eine rechtskräftige Bindung an die Entscheidungsgründe anzunehmen, wenn eine dort thematisierte Vorfrage zentraler Streitpunkt des Prozesses war. In diesen Fällen ist die Norm demnach teleologisch zu reduzieren. Unter den Befürwortern einer teleologischen Reduktion ist umstritten, ob eine teleologische Reduktion nur im Einzelfall in Betracht kommt oder ob hierfür Fall436  Vgl. BGH 20. 05. 1954 ‒ GSZ 6/53, BGHZ 13, 265, 270; Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 226; Deckers (1999), S. 52; Dütz, Anm. BAG 07. 11. 1985 ‒ 8 Ta 34/85, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 8, Bl. 720; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 176 f.; Gaul, in: FS Flume (1978), S. 443, 479; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 84; Grunsky, Verfahrensrecht (1974), S. 522; Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 69; Musielak/Voit, GK ZPO Rn. 1043; Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 18 f.; siehe hierzu bereits: § 5.III.4.g)aa). 437  Hahn, Materialien II/1, S. 291. 438  Siehe hierzu bereits: § 8.III.3.d)aa)(2).

228

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

gruppen439 zu bilden sind. Hier kann diese Frage allerdings dahinstehen. Denn die Bindung an die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund bei Urteilen in Kündigungsschutzprozessen wäre eine Fallgruppe. bb)  Situation bei der Kündigungsschutzklage Daher kann nun untersucht werden, ob der mit den engen Rechtskraftgrenzen des § 322 Abs. 1 ZPO verfolgte Zweck, überraschende Bindungen zu verhindern, auch bei einem Urteil im Kündigungsschutzprozess greift, oder aber ob der Zweck hier eine Erstreckung der Rechtskraft auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund und folglich eine teleologische Reduktion der Norm gebietet. (1) Punktueller Streitgegenstand § 4 S. 1 KSchG zwingt dazu, aus Anlass einer konkreten Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben. Dies führt bei der Kündigungsschutzklage zur Bezeichnung des punktuellen Streitgegenstands. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses wird im Wesentlichen über den Kündigungsgrund gestritten440, wenn die Kündigung nicht bereits eindeutig an den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen scheitert441. Ist die Kündigungsschutzklage bereits aufgrund formaler Fehler442 der Kündigung begründet, muss der Grund nicht geprüft werden, sodass die Frage nach einer Bindung an die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund grundsätzlich443 nicht relevant ist. Eine zweite Kündigung aus demselben Grund wäre eine unproblematische unechte Wiederholungskündigung444. Ist die Kündigung jedoch formell wirksam und wird über den materiellen Kündigungsgrund gestritten, ist dies der zentrale Streitpunkt im Prozess. Allein hiervon hängt ab, ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat und wer den Prozess gewinnt. Die Parteien widmen dieser Frage ihre ganze Aufmerksamkeit. Eine Bindung an das Ergebnis wäre deshalb nicht überraschend, obwohl es nur in den Entscheidungsgründen und nicht im Tenor steht.

439 Dafür: Deckers (1999), S. 52; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 176 f.; Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 19; siehe hierzu bereits: § 5.III.6.e). 440  Vgl. auch BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 73. 441  Wirksame Kündigungserklärung, Einhaltung der Klagefrist, keine allgemeinen Unwirksamkeitsgründe (z.B. Verstoß gegen § 7 AGG, § 612a BGB, § 613a Abs. 4 BGB), kein Verstoß gegen besondere Kündigungsverbote, Anhörung des Betriebsrats, vgl. hierzu ausführlich: Preis, Individualarbeitsrecht, § 56 – § 59. 442  Vgl. hierzu die Aufzählung bei § 2.II.2.d). 443  Ausnahmsweise ist das der Fall, wenn der Kündigungsgrund trotz der formellen Fehler geprüft wird, vgl. hierzu bereits: § 2.II.2.d)aa). 444  Siehe hierzu bereits: § 2.II.2.d).

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

229

Die Konzentration der Aufmerksamkeit ist unabhängig davon, ob später eine Wiederholungskündigung ausgesprochen wird, weil es bei der Frage nach dem Kündigungsgrund allein um den Kündigungsschutzprozess wegen der ersten Kündigung geht. Außerdem bestehen keine Unterschiede zwischen der Trotzkündigung nach der Entscheidung im Vorprozess und der Wiederholungskündigung im engeren Sinne, die davor ausgesprochen wird. Folglich ist keine unterschiedliche rechtliche Behandlung geboten. Der punktuelle Streitgegenstand bei der Kündigungsschutzklage führt somit dazu, dass wesentlicher Streitpunkt im Kündigungsschutzprozess der Kündigungsgrund ist. Dies spricht dagegen, dass eine Bindung der Parteien an die Entscheidung über den Kündigungsgrund infolge einer Erweiterung der Rechtskraft überraschend wäre. (2) Gestaltungsgegenklage (a) Vergleichbare Situation Bis zu diesem Punkt wurde hauptsächlich damit argumentiert, dass der Kündigungsgrund im Zentrum des Kündigungsschutzprozesses steht, weil allein die Kündigung Anlass des Prozesses ist. Diese Fokussierung liegt jedoch nicht nur speziell am punktuellen Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage, sondern auch daran, dass es um die Wirksamkeit eines Gestaltungsrechts geht, welches das zugrunde liegende Rechtsverhältnis, das Arbeitsverhältnis, entweder beendet oder nicht. Der Kündigungsgrund wäre den Prozessparteien genauso wichtig, wenn eine Gestaltungsklage vorläge, also der Arbeitgeber eine Klage erheben müsste, um das Arbeitsverhältnis zu beenden (eine „Kündigungsklage“). Dann wäre die Beurteilung des Gestaltungsgrundes, des Kündigungsgrundes, Teil der Entscheidung im Sinne des § 322 Abs. 1 ZPO und aus diesem Grund ohne Weiteres von der Rechtskraft erfasst445. Im Fall einer Gestaltungsklage wäre diese Reichweite der Rechtskraft genauso wenig überraschend, als wenn man bei einer Gestaltungsgegenklage, wie der Kündigungsschutzklage, ausnahmsweise von einer entsprechenden Rechtskrafterweiterung ausgehen würde. In beiden Fällen geht es im Prozess maßgeblich um das Gestaltungsrecht. Es ist für die Parteien eher Zufall, ob die Wirksamkeit des Gestaltungsrechts im Tenor oder in den Gründen festgestellt wird, sodass eine entsprechende Bindung nicht mehr oder weniger überraschend ist. Die Situationen sind daher vergleichbar. Dies spricht dafür, auch bei der Kündigungsschutzklage als Gestaltungsgegenklage nicht von einer Überraschung über eine Rechtskrafterstreckung auf den Kündigungsgrund als Gestaltungsgrund auszugehen. Die Rechtskrafterweiterung auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund wird häufig damit begründet, dass Gestaltungsklagen und Gestaltungsge445  Vgl. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 186; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 64; Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 43.

230

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

genklagen hinsichtlich ihrer Rechtskraftwirkungen gleichzubehandeln sind446. Die Argumente werden hauptsächlich vorgetragen, um eine Rechtskrafterweiterung bei der Kündigungsschutzklage ganz allgemein zu rechtfertigen, in der Regel ohne einheitlichen dogmatischen Anknüpfungspunkt. Die Argumentation trifft ebenso auf eine teleologische Reduktion zu. Darüber hinaus vervollständigt die vorliegende Arbeit jene Argumentation. Als Zwischenschritt wurde herausgearbeitet, dass die Überraschungswirkung hinsichtlich einer Rechtskrafterstreckung auf das Gestaltungsrecht bei Gestaltungsklage und bei Gestaltungsgegenklage identisch ist. Speziell dies legitimiert eine Gleichbehandlung der prozessualen Konstellationen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass auch ein Vergleich mit Gestaltungsklagen dafür spricht, dass der Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO, überraschende Bindungen zu vermeiden, im Kündigungsschutzprozess nicht greift, was die de lege lata fehlende Rechtskrafterstreckung auf den Kündigungsgrund betrifft. Dieser Vergleich ist ein weiteres Argument für eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO. (b) Entgegenstehende bewusste Differenzierung des Gesetzgebers? Gegen das Gleichbehandlungsargument wird teilweise vorgebracht, dass der Gesetzgeber bewusst zwischen Gestaltungsrechten, die mit einer Gestaltungsgegenklage angegriffen werden und Gestaltungsklagerechten, die per Gestaltungsklage durchgesetzt werden447, differenziert habe. Diese Differenzierung spreche gegen eine Rechtskrafterstreckung auf das Gestaltungsrecht bei Urteilen zu Gestaltungsgegenklagen448. Zwar mag der Gesetzgeber in Einzelfällen Gründe gehabt haben, sich für eine Ausgestaltung als Gestaltungsklage mit Gestaltungsurteil zu entscheiden. Insbesondere der Zweck einer präventiven staatlichen Kontrolle449, etwa bei der Ehe446  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003; BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70; Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 69 f. [siehe hierzu bereits: § 5.III.3.b)]; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 5, [siehe hierzu bereits: § 5.III.3.c)]; M. Schwab, RdA 2013, 357, 363, siehe hierzu bereits: § 5.III.2.c); Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 18 [siehe hierzu bereits: § 5.III.2.d)bb)]. 447 Zur Terminologie siehe insb. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70; Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964), S. 5 (Ein Gestaltungsrecht wird außergerichtlich erklärt. Will sich der Gestaltungsgegner hiergegen wehren, muss er Gestaltungsgegenklage erheben. Beispiel für eine solche Gestaltungsgegenklage ist die Kündigungsschutzklage. Mit einer Gestaltungsklage macht der Gestaltungsberechtigte sein Gestaltungsrecht gerichtlich geltend, wie z.B. die Ehescheidung oder den Antrag auf Zustimmungsersetzung bei personellen Einzelmaßnahmen gem. § 99 Abs. 4 BetrVG, vgl. Richardi-Thüsing, § 99 BetrVG Rn. 305). 448  Becker, AcP 188 (1988), 24, 68 [siehe hierzu bereits: § 5.III.3.f)dd)]; Dölle, in: FS Bötticher (1969), S. 93, 96 [siehe hierzu bereits: § 5.III.3.f)ee)]. 449 Vgl. Dölle, in: FS Bötticher (1969), S. 93, 95 f.; Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 171.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

231

scheidung450, ist einleuchtend. Indes spricht dies nicht gegen eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO bei Gestaltungsgegenklagen, wie der Kündigungsschutzklage. Bestimmte Gestaltungsrechte sollen nach Ansicht des Gesetzgebers präventiv kontrolliert werden und können daher allein durch Gestaltungsklage ausgeübt werden. Die Regelung als Gestaltungsklage führt dazu, dass das Gestaltungsrecht automatisch von der Rechtskraft des (Gestaltungs-)Urteils erfasst wird451. Die Motivation des Gesetzgebers hängt jedoch allein mit den Besonderheiten der einzelnen Gestaltungsrechte zusammen, aufgrund derer er sich positiv für eine Einordnung als Gestaltungsklagerecht entschieden hat452. Die Differenzierung des Gesetzgebers zwischen Gestaltungsrechten und Gestaltungsklagerechten rechtfertigt deshalb nicht den Umkehrschluss, dass bei allen Gestaltungsrechten, die nicht als Gestaltungsklagen ausgestaltet sind, eine Rechtskrafterweiterung auf das Gestaltungsrecht selbst ausgeschlossen sein soll. Darüber hinaus ändert die Regelung als Gestaltungsklage nichts daran, dass bei einer Gestaltungsgegenklage genauso über das Gestaltungsrecht gestritten wird und eine Rechtskraftwirkung daher gleichsam nicht überraschend wäre. (c) Zwischenergebnis Die bewusste Differenzierung des Gesetzgebers zwischen Gestaltungsrechten und Gestaltungsklagerechten spricht nicht dagegen, dass der Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO, Überraschungsentscheidungen zu vermeiden, bei Gestaltungsgegenklagen nicht erfüllt ist. Stattdessen spricht eine Vergleichbarkeit der Situationen hinsichtlich der fehlenden Überraschung einer Rechtskrafterstreckung auf das Gestaltungsrecht für eine Gleichbehandlung bezüglich der Reichweite der Rechtskraft. Dies entspricht einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO bei Entscheidungen zu Gestaltungsgegenklagen mit der Folge, dass die Rechtskraft sich auch auf die Entscheidungsgründe zum Gestaltungsrecht erstreckt, was bei der Kündigungsschutzklage als Gestaltungsgegenklage der Kündigungsgrund ist. (3) Keine „Verstärkung geschehenen Unrechts“ Gegen eine Rechtskrafterweiterung werden vereinzelt vom Ergebnis her Bedenken geäußert, in der jüngeren Literatur insbesondere von Gottwald453 und Althammer454. Stelle sich im zweiten Prozess heraus, dass im ersten Prozess Sachoder Rechtsfehler unterlaufen sind, würde eine Bindung an die Entscheidung des 450  Vgl. MüKo BGB-Ey, § 1564 Rn. 3; Johannsen/Heinrich-Jaeger/Hamm, § 1564 BGB Rn. 5. 451  Vgl. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, 72; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 186; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 64; Hk-ZPO-Saenger, § 322 Rn. 43. 452 Vgl. Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 171. 453  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 55. 454  Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 556.

232

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Vorprozesses das „bereits geschehene Unrecht“ verstärken455. Auch der Gesetzgeber sieht eine zu weitgehende Bindung kritisch und hat bei der Entstehung der Zivilprozessordnung den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung betont456. Allerdings ist eine solche fehlerhafte Entscheidung umso unwahrscheinlicher, je intensiver sich das Gericht mit einer Frage befasst hat. Eine Bindung kommt hier nur bei einer Entscheidung über eine Wiederholungskündigung in Betracht. In diesem Fall ist im ersten Kündigungsschutzprozess im Wesentlichen über den Kündigungsgrund gestritten worden. Die Parteien haben ihre Vorträge hierauf konzentriert und das Gericht seine Prüfung. Das Risiko einer fehlerhaften Entscheidung und einer zu weitreichenden Einschränkung der freien richterlichen Beweiswürdigung ist demnach gering und spricht deshalb nicht unbedingt gegen eine teleologische Reduktion. Dies hängt unmittelbar damit zusammen, dass hauptsächlich über eine Rechtsfrage gestritten wurde, bei welcher auch eine Rechtskrafterstreckung nicht überraschend wäre. Die Wesentlichkeit der Rechtsfrage und die daraus folgende fehlende Überraschung einer Bindung führen zu der geringen Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften Entscheidung und entsprechenden „Unrecht verstärkenden“ Bindung. Das Problem der Bindung an eine fehlerhafte Entscheidung kann sich darüber hinaus nur in der Weise stellen, dass ein Kündigungsgrund verneint werden muss und der Arbeitgeber deshalb den Kündigungsschutzprozess verliert. Eine Bindung derart, dass ein Kündigungsgrund bejaht werden muss, kommt nicht in Betracht. Hätte das Gericht im Vorprozess einen Kündigungsgrund des Arbeitgebers bejaht, wäre das Arbeitsverhältnis beendet worden und der Arbeitgeber könnte gar keine Wiederholungskündigung aussprechen. Eine fehlerhafte Bewertung des Kündigungsgrundes kann sich daher nur zu Lasten des Arbeitgebers auswirken. Allerdings hat sich der Arbeitgeber mit der Erklärung der ersten Kündigung und seinem Tatsachenvortrag auf das Risiko einer unrichtigen Entscheidung eingelassen457. Aus diesem Grund ist es auch sachgerecht, wenn er das (geringe) Risiko einer „unrichtigen“ Entscheidung trägt. Nach alledem ist festzuhalten, dass die Gefahr einer Bindung an fehlerhafte Entscheidungen allenfalls ein schwaches Argument gegen eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO ist. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Bindung infolge der teleologischen Reduktion nicht überraschend wäre. 455  MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 55; vgl. hierzu krit. insb.: Schumann, in: FS Bötticher (1969), S. 389, 319, der meint, wegen der Rechtskraft verbiete sich die Frage nach der Richtigkeit des Urteils. 456  Hahn, Materialien II/1, S. 280 f.; Kerameus, AcP 167 (1967), 241, 254; Prütting, RdA 1991, 257, 264. 457  Vgl. MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 204; siehe zu diesem Argument bereits in anderem Zusammenhang (widersprüchliches Verhalten i.S.v. § 242 BGB): § 7.III.3.b)dd)(4) (d)(bb).

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

233

Folglich vermag die fehlende Überraschung bei einer Rechtskrafterweiterung auch Bedenken wegen einer „Verstärkung geschehenen Unrechts“ zu entkräften. cc)  Zwischenergebnis Der Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO, mit einer Begrenzung der Rechtskraft die überraschende Bindung der Parteien an möglicherweise als unwichtig erachtete Vorfragen zu verhindern, greift nicht bei der gerichtlichen Bewertung des Kündigungsgrundes im Kündigungsschutzprozess. Dies gilt sowohl für die Trotzkündigung als auch die Wiederholungskündigung im engeren Sinne. Der Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO spricht somit für eine teleologische Reduktion, mit der Folge, dass die Rechtskraft die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund erfasst. g)  Rechtsfrieden und Rechtssicherheit als Zwecke der Rechtskraft Der Zweck der Rechtskraft als das § 322 Abs. 1 ZPO zugrunde liegende Rechtsinstitut sind bei der Prüfung einer teleologischen Reduktion der Norm ebenfalls zu berücksichtigen458. Zwecke der Rechtskraft sind Rechtsfrieden und Rechtssicherheit459. Die Rechtskraft ist demnach notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung, den Schutz und die Durchsetzung subjektiver Rechtem, als Zweck des Zivilprozesses im Allgemeinen460. Rechtsfrieden und Rechtssicherheit bedeuten, dass mit der Maßgeblichkeit der richterlichen Entscheidung über einen Streitgegenstand die Rechtslage zwischen den Parteien verbindlich geklärt ist461, sodass weitere gerichtliche Entscheidungen nicht sinnvoll462 und widersprechende Entscheidungen nicht möglich sind463.

Larenz, Methodenlehre, S. 392 [siehe hierzu bereits: § 8.III.3.a)]. BVerfG 25. 11. 2008 – 1 BvR 848/07, NJW 2009, 829, Tz. 39; BVerfG 31. 01. 1978 – 2 BvL 8/77, NJW 1978, 1151; BGH 22. 10. 2013 – XI ZR 42/12, NJW 2014, 314, Tz. 19; BGH 16. 11. 1989 – III ZR 162/88, NJW-RR 1990, 303, 304; BGH 14. 02. 1962 – IV ZR 156/61, NJW 1962, 1109; Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 505 f.; Deckers (1999), S. 51; Gaul, in: FS Flume (1978), S. 443, 513; MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 204, allerdings krit. zur Rechtssicherheit in Rn. 55; BeckOK ZPO-Gruber § 322 Rn. 1; Habscheid, NJW 1988, 2641, 2642; Jauernig/Hess, § 62 Rn. 1; W. Lüke, ZivilprozessR, Rn. 351; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 1; Hk ZPO-Saenger, § 322 Rn. 1; v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, VI (1847), S. 259 ff., insb. S. 261; krit. im Zusammenhang mit Rechtsfrieden und Rechtssicherheit als Prozesszweck: Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 183. 460  Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 196; vgl. ferner Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 27, der die Herstellung von Rechtsfrieden und Rechtsgewissheit neben dem Schutz subjektiver Rechte als Zweck des Zivilprozesses betrachtet. 461  BGH 14. 02. 1962 – IV ZR 156/61, NJW 1962, 1109. 462  BGH 18. 01. 1985 – V ZR 233/83, NJW 1985, 1711, 1712. 463  Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009), S. 505. 458  459 

234

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

aa)  Gefährdung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit durch Erklärung einer Wiederholungskündigung Wurde einer Kündigungsschutzklage stattgegeben, weil der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund hatte, wurde das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Der Arbeitgeber kann eine Wiederholungskündigung aussprechen und hiermit einen zweiten Rechtsstreit über dieselbe Sache initiieren. Aufgrund der de lege lata fehlenden Rechtskraft der Entscheidungsgründe ist eine gegenteilige Entscheidung hinsichtlich des Kündigungsgrundes nicht ausgeschlossen. Deshalb führt die Wiederholungskündigung zu Rechtsunsicherheit und gefährdet damit den durch die erste Entscheidung herbeigeführten Rechtsfrieden. Teilweise wird gegen eine Rechtskrafterweiterung vorgebracht, dass es genüge, wenn der Richter im zweiten Prozess gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 495 ZPO auch im Kündigungsschutzprozess anwendbar ist, die Vorprozessakten beizieht464. Dies sei bereits ausreichend, um sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Das Argument trifft im Kündigungsschutzprozess jedoch nicht zu. Gemäß § 56 Abs. 1 ArbGG bereitet der Vorsitzende die mündliche Verhandlung vor, nicht jedoch die ehrenamtlichen Richter. Allein der Vorsitzende Richter wird daher vor der Verhandlung die Akten des Vorprozesses einsehen können. Da die Verhandlung gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 ArbGG nur aus einem Termin bestehen soll, ist nicht davon auszugehen, dass die ehrenamtlichen Richter nach der mündlichen Verhandlung Gelegenheit haben, die Akten des Vorprozesses einzusehen und sich in einem zweiten Termin hieran orientieren werden. Die ehrenamtlichen Richter werden den Inhalt der Akten des Vorprozesses bei ihrer Entscheidungsfindung folglich regelmäßig nicht berücksichtigen. § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kann im Kündigungsschutzprozess daher nicht effektiv zur Verhinderung widersprechender Entscheidungen beitragen. Die Vorschrift spricht deshalb nicht gegen eine teleologische Reduktion. Mithin beseitigt der Arbeitgeber mit einer Wiederholungskündigung den Rechtsfrieden, den die erste Entscheidung herbeigeführt hat und verursacht Rechtsunsicherheit. Eine freie Entscheidung über die Wiederholungskündigung widerspricht daher dem Zweck der Rechtskraft465. Dies spricht dafür, § 322 Abs. 1 ZPO für die Kündigungsschutzklage teleologisch zu reduzieren, sodass sich die Rechtskraft auch auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund erstreckt. bb)  Keine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses in § 322 Abs. 1 ZPO Mit dem Argument, sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, könnte man auf den ersten Blick viele weitere teleologische Reduktionen rechtfertigen, sodass eine begrenzte Rechtskraft im Sinne des § 322 Abs. 1 ZPO die Ausnahme 464  465 

Vgl. MüKo ZPO-Gottwald, § 322 Rn. 55. So auch Deckers (1999), S. 51.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

235

und eine Rechtskraft der Entscheidungsgründe oder sogar eine absolute Rechtskraftwirkung im Sinne v. Savignys die Regel wäre. Allerdings hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen v. Savignys absolute Rechtskrafttheorie als Regel entschieden und sich widersprechende Entscheidungen ausdrücklich in Kauf genommen466. Eine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses des § 322 Abs. 1 ZPO würde dem Willen des Gesetzgebers eklatant widersprechen. Indes werden bei einer freien Entscheidung zu einer Wiederholungskündigung, welche dem Urteil des Vorprozesses widerspricht, die Rechtssicherheit und der Rechtsfrieden in besonders hohem Maße gefährdet. Denn es wird nicht nur über eine beiläufige und im ersten Prozess irrelevante Vorfrage widersprechend entschieden, sondern über eine Vorfrage, die zwar rechtlich nur eine solche war, tatsächlich jedoch einen zentralen Streitpunkt des ersten Prozesses darstellte. Der Zweck der Rechtskraft gebietet gerade deshalb eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO bei einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteil. Hierbei handelt es sich um eine eng begrenzte und fallspezifische Ausnahme. Eine sehr restriktive Anerkennung einer Erweiterung der Rechtskraft würde nicht automatisch zu weiter gehenden Ausnahmen führen. Sie führt nicht zu einem Widerspruch mit grundsätzlichen Entscheidungen des Gesetzgebers und spricht deshalb nicht gegen die teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO. cc)  Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass der Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit als Zwecke der Rechtskraft ebenfalls für eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO sprechen, mit der Folge, dass die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund von der Rechtskraft erfasst werden. h)  Gesetzesimmanentes Prinzip der Gleichbehandlung im Prozess Befürworter einer Erweiterung der Rechtskraft argumentieren häufig mit einem Gebot der Gleichbehandlung im Prozess, wenn auch nie im Zusammenhang mit einer teleologischen Reduktion. Hierfür gibt es zwei Anknüpfungspunkte: einerseits der Vergleich von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, was die Folgen eines rechtskräftigen Urteils im Kündigungsschutzprozess betrifft467, andererseits von Gestaltungsklage und Gestaltungsgegenklage. Letzteres wurde bereits im Zusammenhang mit dem Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO, überraschende Bindungen zu vermeiden, abschließend thematisiert468. In diesem Abschnitt soll daher die prozessuale Gleichbehandlung näher beleuchtet werden. Hahn, Materialien II/1, S. 291; vgl. auch Prütting, RdA 1991, 257, 265. grundlegend: Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194; Bötticher., in: FS Dölle, S. 41, 63 [siehe hierzu bereits § 5.III.3.a) – § 5.III.3.b)]; Zeuner, MDR 1956, 257, 269 [siehe hierzu bereits: § 5.III.4.e)]. 468  Siehe hierzu: § 8.III.3.f). 466 

467  Vgl.

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

236

aa)  Herleitung Arbeitsgerichte sind als Teil der Judikative gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die Verfassung gebunden469. Nach dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Gleichheitssatz darf wesentlich Gleiches nicht ungleich behandelt werden470. In Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG gebietet Art. 3 Abs. 1 GG eine „Waffengleichheit“ im Prozess, was auch für die Anwendung des Verfahrensrechts gilt471. Die Waffengleichheit ist Ausdruck des „fair trial-Grundsatzes“472 und gewährleistet „die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter“473. Diese Grundsätze muss der Arbeitsrichter daher im Kündigungsschutzprozess bei der Rechtsanwendung, mithin auch bei der Anwendung des § 322 Abs. 1 ZPO beachten474. Der allgemeine Gleichheitssatz entfaltet insofern sogenannte „mittelbare Drittwirkung“475. Nach alledem lässt sich der Grundsatz der Gleichbehandlung im Prozess als gesetzesimmanentes Prinzip herleiten. Daher ist zu prüfen, ob das Prinzip für eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO spricht. bb)  Prozessuale Ungleichbehandlung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer (1) Keine erneute Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers Nach einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess kann der Arbeitnehmer keine weitere Kündigungsschutzklage erheben, weil einer solchen die materielle Rechtskraft der Entscheidung entgegensteht. Sie wäre daher unzulässig476. Unabhängig davon wird im Regelfall die Ausschlussfrist im Sinne von §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG abgelaufen sein, sodass eine zweite Kündigungsschutzklage gegen die erste Kündigung praktisch regelmäßig auch aus diesem Grund unbegründet477 ist und deshalb keinen Erfolg hat.

469 Maunz/Dürig-Grzeszick,

Art. 20 GG, VI. Rn. 71. St. Rspr., siehe nur: BVerfG 17. 12. 2014 ‒ 1 BvL 21/12, NJW 2015, 303, Tz. 121; BVerfG 06. 04. 1990 ‒ 1 BvR 171/90, NJW 1991, 217; BVerfG 14. 12. 1966 ‒ 1 BvR 496/65, NJW 1967, 387; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 485. 471  Vgl. BVerfG 30. 07. 2008 – 1 BvR 1525/08, NJW 2009, 137, 138; BVerfG 24. 04. 1985 – 2 BvR 1248/82, NJW 1985, 3005, 3006; BVerfG 29. 04. 1980 – 2 BvR 1441/79, NJW 1980, 1737; BVerfG 25. 07. 1979 – 2 BvR 878/74, NJW 1979, 1925; Stein/Jonas-Brehm, Einleitung, vor § 1 Rn. 293; BeckOK GG-Kischel, Art. 3 Rn. 171; Stein/Jonas-Leipold, vor § 128 Rn. 115; Vollkommer, in: FS Schwab (1990), S. 503, 508; HK-GG-Wolff, Art. 3 Rn. 10; krit.: Sachs-GG-Osterloh/Nußberger, Art. 3 Rn. 208. 472  Beck OK GG-Krischel, Art. 3 Rn. 171. 473  BVerfG 24. 04. 1985 – 2 BvR 1248/82, NJW 1985, 3005, 3006. 474  Vgl. Stein/Jonas-Leipold, vor § 128 Rn. 113. 475  Grundlegend: BVerfG 15. 01. 1958 – 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257. 476  Vgl. hierzu bereits ausführlich: § 5.I.2.b) m.w.Nachw. 470 

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

237

Vor einer rechtskräftigen Entscheidung, also während des Kündigungsschutzprozesses, steht einer zweiten Kündigungsschutzklage gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Rechtshängigkeit entgegen, falls nicht bereits die Drei-Wochen-Frist gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG abgelaufen ist. 477

Eine zweite Kündigungsschutzklage wäre daher in keinem Fall erfolgreich. Der Arbeitnehmer kann somit keine zweite gerichtliche Klärung der Rechtswirksamkeit einer Kündigung und damit möglicherweise eine andere Entscheidung als die im ersten Prozess herbeiführen, indem er eine zweite Kündigungsschutzklage erhebt. (2) Keine Feststellungsklage des Arbeitnehmers Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer mit einer Feststellungsklage eine zweite gerichtliche Entscheidung über den Kündigungsgrund bewirken kann. Während des Kündigungsschutzprozesses kann der Arbeitnehmer gemäß § 256 Abs. 2 ZPO Zwischenfeststellungsklage erheben, wenn er über die Unwirksamkeit der Kündigung hinaus eine rechtskräftige Entscheidung über die Eignung des vorgetragenen Sachverhalts als Kündigungsgrund anstrebt. Wegen des Vorrangs der Kündigungsschutzklage ist es jedoch zweifelhaft, ob der Arbeitnehmer in der Praxis überhaupt eine Zwischenfeststellungsklage erheben würde478. Nach dem Ende des Kündigungsschutzprozesses, also nachdem das Urteil rechtskräftig geworden ist, könnte man meinen, dass eine Feststellungsklage hinsichtlich des Kündigungsgrundes zulässig ist. Es liegt ein anderer Streitgegenstand vor, weil der Antrag ein anderer ist als bei der bereits zuvor erhobenen Kündigungsschutzklage. Auch die Rechtskraft des Vorprozesses steht einer zweiten Feststellungsklage nicht entgegen, da sich die Rechtskraft nicht auch auf den Kündigungsgrund bezieht. Allerdings verfolgt der Kläger mit einer solchen Feststellungsklage das gleiche Ziel, wie er es während des Vorprozesses mit der Zwischenfeststellungsklage tun würde. Diese ist jedoch vorrangig und mit dem Erlass des Grundurteils ausgeschlossen479. Daher kann der Arbeitnehmer auch keine zweite gerichtliche Prüfung des Kündigungsgrundes mithilfe einer Feststellungsklage und somit auch keine Entscheidung herbeiführen, welche der ersten widersprechen würde. (3) Wiederholungskündigung des Arbeitgebers Der Arbeitgeber hingegen kann ohne Korrektur der Regeln der Rechtskraft zu jedem Zeitpunkt eine zweite Kündigung aus demselben Grund ‒ eine Wiederho477  Die Klagefrist ist eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, vgl. BAG 26. 03. 2009 – 2 AZR 403/07, NZA 2009, 1146, Tz, 17; BAG 26. 06. 1986 – 2 AZR 358/85, NZA 1986, 761, 762; HaKo-Gallner, § 7 KSchG Rn. 1; APS-Hesse, § 7 KSchG Rn. 6. 478  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 8.III.3.d)aa)(3)(b). 479  RG 23. 11. 1938 ‒ II 99/38, JW 1939, 366; BeckOK ZPO-Bacher, § 256 ZPO Rn. 39; MüKo ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn. 82; Musielak-Foerste, § 256 ZPO Rn. 40.

238

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

lungskündigung ‒ aussprechen, sowohl vor als auch nach der Entscheidung zur ersten Kündigung. Diese Folgekündigung muss der Arbeitnehmer gemäß §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG mit einer Kündigungsschutzklage angreifen. Es kommt zu einem zweiten Kündigungsschutzprozess, sodass der Arbeitgeber eine zweite gerichtliche Prüfung des Kündigungsgrundes veranlassen kann. Zwar kann aufgrund entsprechender Regelungen in den Geschäftsverteilungsplänen der Arbeitsgerichte dieselbe Kammer wie im ersten Kündigungsschutzprozess zuständig sein. Trotzdem ist im zweiten Kündigungsschutzprozess eine andere Entscheidung über den Kündigungsgrund nie ausgeschlossen, weil die Kammer regelmäßig mit anderen ehrenamtlichen Richtern besetzt ist (vgl. § 31 Abs. 1 ArbGG). Im Übrigen wäre das Gericht, nicht einmal bei identischer Besetzung an seine Rechtsansichten aus dem ersten Urteil gebunden480. Der Arbeitgeber kann daher mit der Erklärung einer Wiederholungskündigung eine andere Entscheidung als im Prozess um die erste Kündigung herbeiführen. (4) Ungleichbehandlung Der Arbeitnehmer kann weder mit einer zweiten Kündigungsschutzklage noch mit einer Feststellungsklage eine Entscheidung über den Kündigungsgrund veranlassen, welche der Entscheidung zu der ersten Kündigung widerspricht. Der Arbeitgeber hingegen hat eine solche Möglichkeit, indem er eine Wiederholungskündigung ausspricht. Folglich werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer prozessual unterschiedlich behandelt. Dies widerspricht dem Grundsatz der prozessualen Gleichbehandlung481. cc)  Schlussfolgerungen für teleologische Reduktion Es liegt ein Verstoß gegen das gesetzesimmmanente Prinzip der prozessualen Gleichbehandlung vor. Dies spricht dafür, § 322 Abs. 1 ZPO dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die Ungleichbehandlung unterbleibt. Die teleologische Reduktion muss dazu führen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleich behandelt werden. Der Arbeitgeber darf daher mit dem Ausspruch einer Wiederholungskündigung keine Möglichkeit haben, eine Entscheidung über den Kündigungsgrund zu erlangen, welche derjenigen des ersten Prozesses widerspricht. Das ist dann der Fall, wenn das Gericht im zweiten Prozess an die Entscheidungsgründe des ersten Prozesses zum Kündigungsgrund gebunden ist. Dies wäre eine Bindung infolge der Rechtskraft und spricht daher für eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO.

480 Vgl. Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 207, 259; siehe hierzu bereits: § 8.III.3.d)aa)(3)(b)(bb). 481  So i.E. auch: Bötticher, in: FS Herschel (1955), S. 181, 194; Bötticher, in: FS Dölle (1963), S. 41, 63; Zeuner, MDR 1956, 257, 269.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

239

dd)  Zwischenergebnis Das Prinzip der prozessualen Gleichbehandlung spricht dafür, § 322 Abs. 1 ZPO teleologisch zu reduzieren, sodass sich die Rechtskraft eines einer Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteils auch auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund erstreckt. i)  Prozessökonomie Vordergründig könnte auch die Prozessökonomie als „gesetzesimmanentes Prinzip“482 für eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO sprechen. Mit dem „Verbot der Wiederholungskündigung“ soll ein zweiter Prozess vermieden werden, was möglicherweise „wirtschaftlich“ ist. Allerdings ist diese Herangehensweise bedenklich. Erstens ist bereits die Argumentation mit dem „Prinzip“ zweifelhaft; zweitens ist es fraglich, ob eine teleologische Reduktion tatsächlich prozessökonomisch ist. Die Prozessökonomie ist nach umstrittener Ansicht ein Verfahrensprinzip der ZPO483. Danach ist ein Rechtsstreit möglichst in einem Verfahren vollständig zu klären484. Die Zivilprozessordnung soll mit dem Ziel unaufwändiger, sachdienlicher, praktikabler und zweckmäßiger Lösungen interpretiert werden485. Dabei ist der Aufwand aller Betroffenen zu berücksichtigen, also sowohl des Gerichts als auch der Parteien486. Mit dieser Argumentation, insbesondere dem Ziel zweckmäßiger Lösungen, lässt sich jedoch jedes Ergebnis begründen487. Die Prozessökonomie ist deshalb eine Auslegungsregel488 und allenfalls neben den weiteren Argumenten, die für oder gegen eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO sprechen, relevant. Zunächst ist indes zu analysieren, ob eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO bei Urteilen in Kündigungsschutzprozessen überhaupt prozess­ ökonomisch wäre. Die hier diskutierte teleologische Reduktion würde dazu führen, dass das Gericht, das über eine Wiederholungskündigung entscheidet, an die Larenz, Methodenlehre, S. 392. Schöpflin, JR 2003, 485, 487; Schumann, in: FS Larenz (1973), S. 271, 276, 280 ff.; mit Einschränkungen: Hofmann, ZZP 126 (2013), 83, 91 (nicht als absolutes Prinzip, aber soweit es darum geht, Folgeprozesse zu vermeiden und Rechtsstreit in einem Verfahren umfassend zu erledigen); a.A. Gaul, AcP 168 (1968), 27, 42; insb.: Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 340 ff.; Schwab, Anm. BGH 16. 06. 1959 – VI ZR 81/58, 03. 07. 1959 – I ZR 169/55, NJW 1959, 1827, 1828; krit. ferner: Putzo, Anm. BGH 25. 11. 1964 – V ZR 187/62, NJW 1965, 1018, 1019; zum Ganzen ausführlich: Jacobs, ebd. 484  BGH 15. 01. 1982 ‒ V ZR 50/81, NJW 1982, 1598. 485 Stein/Jonas-Brehm, Einleitung, vor § 1 Rn. 110; Schumann, in: FS Larenz (1973), S. 271, 277 f. 486  Schumann, in: FS Larenz (1973), S. 271, 279. 487  Vgl. insb.: Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 342. 488  So insb.: Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 343. 482 Vgl. 483 

240

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Entscheidung des Vorprozesses gebunden und deshalb von der Prüfung des Kündigungsgrundes befreit ist. Die Bindung wiederum setzt indes voraus, dass eine Wiederholungskündigung vorliegt. Ob das der Fall ist, muss im zweiten Verfahren trotz der erweiterten Rechtskraft geprüft und entschieden werden. Die Prozessökonomie spricht nur dann für eine Erweiterung der Rechtskraftwirkung, wenn die Prüfung, ob eine Wiederholungskündigung vorliegt und die Bindung an die Entscheidung des Vorprozesses prozessökonomischer ist als die erneute umfassende materielle Prüfung der Kündigung ohne eine entsprechende Bindung. Dies hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab. Einerseits mag es Fälle geben, in denen eindeutig eine Wiederholungskündigung vorliegt, weil der Arbeitgeber genau dieselben Tatsachen vorträgt, wie im Prozess um die erste Kündigung. Dann führt eine Bindung an die Entscheidung des Vorprozesses mit weniger Aufwand zu einem Urteil als eine erneute materielle Prüfung. Andererseits kann es sein, dass die materielle Wirksamkeit der Kündigung relativ leicht zu prüfen ist, während es aufwändiger ist zu ermitteln, ob eine Wiederholungskündigung vorliegt oder nicht. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich der Tatsachenvortrag des Arbeitgebers zwar von demjenigen zur ersten Kündigung unterscheidet, inhaltlich aber trotzdem kein anderer Kündigungsgrund existiert. Geht es bei der Annahme einer Bindung aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO also entscheidend darum, festzustellen, ob eine Wiederholungskündigung vorliegt, kann der Arbeitnehmer dies in seiner Kündigungsschutzklage, der Klagebegründung oder weiteren Schriftsätzen vortragen489. Das Gericht muss die Ausführungen der Parteien prüfen. Die Feststellung, ob eine Wiederholungskündigung vorliegt, ist demnach nicht automatisch weniger aufwändig als die erneute materiellrechtliche Prüfung des Kündigungsgrundes. Die teleologische Reduktion führt nicht immer zu einer prozessökonomischeren Lösung. Die Prozessökonomie als Auslegungsregel der Zivilprozessordnung spricht deshalb nicht für eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO für die Kündigungsschutzklage, soweit die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund betroffen sind. Da die Prüfung, ob eine Wiederholungskündigung vorliegt, nicht unbedingt zu mehr Aufwand führt und demnach weniger prozessökonomisch ist, spricht die Prozessökonomie jedoch auch nicht gegen eine teleologische Reduktion. j)  Besserstellung des Arbeitnehmers In den bisherigen Ausführungen zur teleologischen Reduktion wurden die Gegenargumente, sowohl zur Erweiterung der Rechtskraft im Allgemeinen als auch zur teleologischen Reduktion im Besonderen bereits weitgehend entkräftet. Nicht im Detail eingegangen wurde bislang auf das Argument, dass sich bei einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO die Situation des Arbeitnehmers im 489  Verpflichtet ist er hierzu nicht. Er muss lediglich darlegen, dass das KSchG anwendbar ist. Darüber hinaus genügt bereits die Behauptung, dass kein Kündigungsgrund vorliegt, vgl. Tschöpe-Rolfs, Teil 5A Rn. 93.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

241

Ergebnis nicht verbessere490. Da dieser Aspekt praktisch jedoch der relevanteste ist, soll er an dieser Stelle etwas genauer beleuchtet werden und abschließend das Bedürfnis einer teleologischen Reduktion bestätigen. Hierzu wird die Situation des Arbeitnehmers de lege lata ohne eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO mit derjenigen de lege ferenda mit einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO und einer daraus folgenden Bindung an die Entscheidungsgründe des Vorprozesses zum Kündigungsgrund verglichen. aa)  Situation des Arbeitnehmers ohne teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO Ohne eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO muss der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen die zweite Kündigung erheben. Die erneute Prüfung des Kündigungsgrundes kommt nur in Betracht, wenn die erste Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, die erste Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers also erfolgreich war. Das Gericht, das die Wirksamkeit der zweiten Kündigung prüft, ist nicht an die Entscheidung des Vorprozesses gebunden. Insbesondere da eine anders besetzte Kammer nicht ausgeschlossen werden kann und selbst derselbe Richter nicht an seine frühere rechtliche Wertung gebunden ist491, ist es möglich, dass im zweiten Kündigungsschutzprozess über den Kündigungsgrund anders entschieden wird als im ersten Prozess. Es ist daher möglich, dass die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers keinen Erfolg hat und die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet. bb)  Situation des Arbeitnehmers mit teleologischer Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO Bei einer Bindung an die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund muss der Arbeitnehmer zwar auch Kündigungsschutzklage gegen die Wiederholungskündigung erheben. Ferner setzt eine Rechtskraftwirkung voraus, dass eine Wiederholungskündigung vorliegt, was erst einmal festgestellt werden muss. Um eine Bindung zu vermeiden, wird der Arbeitgeber im Zweifel vortragen, dass die zweite Kündigung aufgrund eines wesentlich anderen Sachverhalts ausgesprochen wurde und deshalb keine Wiederholungskündigung ist. Obwohl der Arbeitnehmer hierzu nicht verpflichtet ist492, wird er häufig versuchen, das Gegenteil darzulegen oder zu beweisen. Gelingt ihm dies, ist aufgrund der Bindung des Gerichts an die Entscheidung des Vorprozesses sicher, dass der Arbeitnehmer mit seiner zweiten Kündigungsschutzklage Erfolg hat und das Arbeitsverhältnis nicht endet.

490  Vgl.

APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146; siehe hierzu bereits: § 5.III.11.d). Siehe hierzu bereits: § 8.III.3.d)aa)(3)(b)(bb). 492  Vgl. Tschöpe-Rolfs, Teil 5A Rn. 93. 491 

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

242

cc)  Vergleich Die teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO bei einer Kündigungsschutzklage dahingehend, dass sich die Rechtskraft auch auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund erstreckt, führt dazu, dass die zweite Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers sicher Erfolg hat. Ohne teleologische Reduktion ist dies nicht der Fall. dd)  Zwischenergebnis Folglich verbessert eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO die Situation des Arbeitnehmers. k)  Zwischenergebnis Die Entstehungsgeschichte des § 322 Abs. 1 ZPO, die Gesetzessystematik, die Vermeidung überraschender Bindungen als Zweck des § 322 Abs. 1 ZPO und der Zweck der Rechtskraft sowie das Prinzip der prozessualen Gleichbehandlung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sprechen dafür, § 322 Abs. 1 ZPO teleologisch zu reduzieren. Die Verbesserung der Situation des Arbeitnehmers bestätigt dies. Die Prozessökonomie als Auslegungsregel unterstützt das Ergebnis zwar nicht, spricht jedoch auch nicht dagegen. Aus diesen Gründen ist § 322 Abs. 1 ZPO teleologisch zu reduzieren, mit der Folge dass im Kündigungsschutzprozess die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund von der Rechtskraft des Urteils erfasst werden. 4.  Präjudizialität als „Rechtsfolge“ und Wirkung der Rechtskraft Bis zu diesem Punkt wurde erarbeitet, dass das einer Kündigungsschutzklage stattgebende Urteil infolge einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO auch insoweit der Rechtskraft fähig ist, als über den Kündigungsgrund entschieden wurde, also die Würdigung, ob ein bestimmter Lebenssachverhalt eine Kündigung materiell begründen kann von der Rechtskraft erfasst ist. Dies betrifft die Reichweite, den „Tatbestand“, der Rechtskraft493. Fraglich ist, welche Wirkung, welche „Rechtsfolge“494, die Erweiterung der Rechtskraft hat. Es gibt es drei zentrale Folgen der Rechtskraft: ne bis in idem, Präjudizialität und Präklusion495. Bei identischen Streitgegenständen führt die Bindung wegen des ne bis in idem-Grundsatzes zur Unzulässigkeit einer Klage. Es ergeht ein Prozessurteil. Ist bei verschiedenen Streitgegenständen die rechtskräftige Entscheidung in einem neuen Prozess als Vorfrage relevant, ist das Gericht im zweiten Prozess aufgrund der Präjudizialität hieran gebunden. Es ergeht ein Sach493 

Zur Erklärung dieser Terminologie siehe bereits: § 5.III.1.b). Zur Erklärung dieser Terminologie siehe bereits: § 5.III.1.b). 495  Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.I.2.b) – § 5.I.2.d). 494 

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

243

urteil. Präklusion hingegen bedeutet, dass die Parteien mit dem Tatsachenvortrag, der zum Streitgegenstand des Vorprozesses gehört, aber nicht von der Rechtskraft erfasst ist, in einem weiteren Prozess ausgeschlossen sind496. Im Kündigungsschutzprozess um eine Wiederholungskündigung geht es um einen anderen Streitgegenstand als im Vorprozess497. Eine Rechtskraftwirkung im Sinne eines ne bis in idem498 kommt nicht in Frage. Dasselbe gilt für eine Präklusion499, da die erweiterte Rechtskraftwirkung nichts an dem punktuellen Streitgegenstand ändert. Stattdessen besteht eine Präjudizialität500. Erstens liegt im Prozess um die Wiederholungskündigung ein anderer Streitgegenstand vor. Zweitens ist das Kündigungsrecht des Arbeitgebers infolge der teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO von der Rechtskraft des Urteils im ersten Kündigungsschutzprozess erfasst. Drittens ist der Kündigungsgrund Vorfrage für die Entscheidung über die Wiederholungskündigung. Die Präjudizialität führt im zweiten Kündigungsschutzprozess zu einer Bindung des Gerichts. Die Rechtskraftwirkung der vorangegangenen Entscheidung ist von Amts wegen zu prüfen501. Das Gericht muss daher der Kündigungsschutzklage stattgeben und die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ist automatisch begründet. Es ergeht ein Sachurteil. Das Gericht, das über die Wiederholungskündigung entscheidet, ist bereits infolge einer Präjudizialität an die Entscheidung des Vorprozesses gebunden, was den Kündigungsgrund betrifft. Da die unmodifizierten Regeln zur Wirkung, den „Rechtsfolgen“ der Rechtskraft zu einer Lösung zu den Folgen der teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO führen, ist an dieser Stelle keine weitere Rechtsfortbildung notwendig. Insbesondere ist im Gegensatz zur Auffassung des BAG502 keine Präklusionswirkung außerhalb der Rechtskraftgrenzen geboten. Auch das Problem, dass die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers unzulässig ist, was 496 

Siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.I.2.d)bb). Siehe hierzu bereits ausführlich: § 8.II. 498  So jedoch offensichtlich W. Habscheid, RdA 1958, 95, 99. 499  So das BAG, dazu sogleich. 500  So insb. noch BAG 26. 08. 1993 ‒ 2 AZR 159/03, NZA 1994, 70, Ls. 3; MüArbR-Berkowsky, § 127 Rn. 39 ; KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 327; MüKo BGB-Henssler, § 626 Rn. 363; MüKo BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn. 80; v. Hoyningen-Huene/Linck-Linck, § 4 KSchG Rn. 140; Schaub-Linck, § 138 Rn. 38; Mues/Eisenbeis/Laber, Teil 1 Rn. 406; HWK-Quecke, § 4 KSchG Rn. 48; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rn. 318; GMP-Prütting, Einleitung, Rn. 206; Prütting, in: FS Lüke 1997, S. 617, 630; HK-ArbR-Schmitt, § 4 KSchG Rn. 23; BeckOK ArbR-Stoffels, § 626 Rn. 219; APS-Vossen, § 626 BGB Rn. 165; SPV-Vossen, Rn. 2064; Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959), S. 13 f., 52 f. 501  Siehe hierzu bereits oben: § 5.I.2.a). 502  Vgl. insb. jüngst: BAG 20. 03. 2014 ‒ 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Ls. 1; BAG 11. 07. 2013 ‒ 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250; BAG 20. 12. 2012 ‒ 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 3; Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 11 f. (siehe hierzu bereits ausführlich: § 5.III.9.); HaKo-Gallner, § 1 KSchG Rn. 640. 497 

244

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

möglicherweise eine Korrektur der Regeln zur Rechtskraft erforderlich macht, stellt sich daher nicht503. Folglich führt die teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO dazu, dass das Gericht im Prozess um eine Wiederholungskündigung aufgrund der Präjudizialität an die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund aus dem Urteil des Vorprozesses gebunden ist. 5.  Anmerkung zur Rechtsprechung des BAG und Einordnung in das Meinungsspektrum Die in dieser Arbeit entwickelte teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO für die Kündigungsschutzklage mit einer Präjudizialität als Wirkungsweise derselben wird bisher ‒ soweit ersichtlich ‒ nicht ausdrücklich vertreten504. Die herrschende Meinung geht von einer Erweiterung der Rechtskraft ohne dogmatische Anknüpfung aus und verwendet spätestens seit dem Urteil des BAG vom 20. Dezember 2012505 vor allem den Begriff der „Präklusionswirkung“. Allerdings unterscheidet sich die in dieser Arbeit vertretene Auffassung nicht so wesentlich von der bisher herrschenden Meinung, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Die teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO betrifft die Reichweite – den „Tatbestand“ – der Rechtskraft, die Präjudizialität ihre Wirkungsweise – die „Rechtsfolgen“. Im Folgenden werden die Gemeinsamkeiten mit der herrschenden Meinung analysiert. a)  Zur teleologischen Reduktion und Reichweite der Rechtskraft Hinsichtlich der Reichweite der Rechtskraft entsprechen die Argumente für eine teleologische Reduktion denen des BAG für eine Erweiterung der Rechtskraft ohne konkreten dogmatischen Anknüpfungspunkt. Die wichtigsten Argumente für die teleologische Reduktion verwendet auch das BAG, insbesondere dass zentral über das Kündigungsrecht gestritten wird und die Situation von Gestaltungsklage und Gestaltungsgegenklage vergleichbar ist506. Faktisch nimmt das BAG somit eine teleologische Reduktion vor, ohne die Vorgehensweise dabei als solche zu benen503 A.A.: Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995), S. 1, 11; W. Habscheid, RdA 1958, 95, 99; APS-Hesse, § 4 KSchG Rn. 146; M. Schwab, RdA 2013, 357, 363; Zeuner, MDR 1956, 257, 260; siehe hierzu bereits: § 6.II. 504  Eine teleologische Reduktion speziell bei der Kündigungsschutzklage vertritt zwar, wenn auch als einziger, ferner Deckers (1999), S. 45 ff. Auch geht er von einer präjudiziellen Wirkung aus, allerdings nicht in der gleichen Weise wie in dieser arbeit. Er verwendet die Bezeichnung „präjudiziell“ nur in dem Schlussteil seiner Arbeit und schließt sich im Hauptteil der Rechtskrafterstreckung des BAG an (S. 138 ff.). 505  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003. 506  Vgl. z.B. jüngst ausdrücklich BAG 20. 12. 2012 ‒ 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 2: „Gleichwertigkeit […] mit einem (fiktiven) Gestaltungsurteil“.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

245

nen. Die in dieser Arbeit vertretene Position unterscheidet sich vom BAG folglich nur dahingehend, dass sie die Herangehensweise des BAG dogmatisch erklärt. b)  Zur Präjudizialität und Wirkungsweise der Rechtskraft Die Wirkungsweise der erweiterten Rechtskraft bezeichnet das BAG in seiner jüngeren Rechtsprechung als Präklusionswirkung507. Die Wirkung, die es dabei beschreibt, entspricht jedoch einer Präjudizialität. Erstens geht auch das BAG von einer erweiterten Rechtskraftwirkung aus. Dies spricht bereits per se gegen eine Präklusionswirkung, weil diese de lege lata nur außerhalb der Rechtskraftgrenzen relevant wird. Zweitens meint das BAG, dass die Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses Bindungswirkung für nachfolgende Verfahren entfaltet508 und nicht etwa der Arbeitgeber mit demselben Tatsachenvortrag ausgeschlossen ist, was demgegenüber einer Präklusionswirkung entsprechen würde. In diesem Zusammenhang hat das BAG zumindest bis zu seinem klarstellenden Urteil vom 20. Dezember 2012509 wiederholt die Formel verwendet, dass der zweiten Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers „ohne weiteres stattzugeben ist“510. Diese Formel entspricht darüber hinaus der Konsequenz der Präjudizialität, nämlich dass automatisch ein identisches Sachurteil ergehen muss. Nach alledem geht auch das BAG faktisch von einer Präjudizialität aus, bezeichnet sie jedoch als Präklusionswirkung. Der Begriff ist indes nicht zutreffend, da er nur bei einer Bindung außerhalb der Rechtskraftgrenzen verwendet werden muss. Die in der vorliegenden Arbeit vertretene Ansicht geht von der gleichen Wirkungsweise der Rechtskraft aus wie das BAG. Allerdings wird sie anders bezeichnet. c)  Abgrenzung zur Präklusion bei identischen Streitgegenständen Es ist ausdrücklich herauszustellen, dass diese Arbeit die Rechtsprechung des BAG zur Präklusion bezogen auf eine konkrete Kündigung, mithin einen Streitgegenstand, nicht in Frage stellt.

507  BAG 20. 03. 2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Ls. 1, Tz. 13; BAG 11. 07. 2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, Tz. 37; BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003, Ls. 3, Tz. 26. 508  BAG 20. 03. 2014 ‒ 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415, Tz. 24; etwas weniger eindeutig jedoch BAG 11. 07. 2013 ‒ 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, Ls. 3, Tz. 37 („kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden“), wobei in diesem Urteil auch nicht über die Wiederholungskündigung entschieden werden musste. 509  BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003. 510  BAG 08. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, AP BGB § 626 Nr. 209, Tz. 21; BAG 18. 05. 2006 – 2 AZR 207/05, NZA-RR 2007, 272, Ls. 1; BAG 12. 02. 2004 – 2 AZR 307/03, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75; BAG 22. 05. 2003 ‒ 2 AZR 485/02, NJOZ, 2004, 1043, Ls. 1; BAG 26. 08. 1993 ‒ 2 AZR 159/93, NZA 1994, 70, Ls. 3.

246

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Das BAG benutzt den Begriff der Präklusion für zwei verschiedene Fälle: Erstens in Bezug auf den Tatsachenvortrag zu demselben Streitgegenstand. Danach ist der Arbeitgeber mit einem neuen, nachträglichen Tatsachenvortrag zu einer bestimmten Kündigung, mithin innerhalb der Grenzen dieses Streitgegenstandes, präkludiert511. Zweitens verwendet das BAG den Begriff der Präklusion, wie in der vorliegenden Arbeit ausführlich thematisiert wurde, für den Tatsachenvortrag zu einer Wiederholungskündigung, welche gegenüber der früheren Kündigung aus demselben Grund, einen anderen Streitgegenstand begründet. Im ersten Fall ist die Bezeichnung des BAG korrekt und entspricht den allgemeinen zivilprozessualen Regeln. Präklusion bedeutet, dass eine Partei mit dem Tatsachenvortrag zu einem bestimmten Streitgegenstand ausgeschlossen ist, sobald es eine rechtskräftige Entscheidung hierzu gibt512. Im zweiten Fall ist die Bezeichnung des BAG, wie in der vorliegenden Arbeit dargelegt wurde, nicht richtig, weil die verschiedenen Kündigungserklärungen zu mehreren Streitgegenständen führen. Allein die weitergehende Wirkung, die das BAG aus dem Präklusionsprinzip für die Wiederholungskündigung ableitet513, wird demnach hier kritisiert. d)  Zwischenergebnis Sowohl das BAG als auch die hier vertretene Ansicht gehen von einer Erweiterung der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess aus. Eine dogmatische Begründung oder Bezeichnung verwendet das BAG dabei nicht. Diese Arbeit hat gezeigt, dass das BAG eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO vornimmt. Die Wirkungsweise dieser Rechtskraft bezeichnet das BAG zu Unrecht als Präklusion, obwohl die Beschreibung der Wirkungsweise der Präjudizialität entspricht. Diese Arbeit erläutert, dass die Wirkungsweise der Rechtskraft allein eine Präjudizialität ist und gibt der Herangehensweise des BAG daher die zutreffende Bezeichnung. Diese Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass der Lösung des BAG zur Wiederholungskündigung im ersten Schritt die Bezeichnung fehlt und im zweiten Schritt unzutreffend ist; sie gibt dem ersten Schritt die Bezeichnung und korrigiert diejenige des zweiten Schrittes. 6.  Ergebnis § 322 Abs. 1 ZPO ist für die Kündigungsschutzklage teleologisch zu reduzieren mit der Folge, dass die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund von der 511  Vgl. KR-Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn. 328; siehe hierzu ferner bereits zusammenfassend: § 5.I.2.d)bb). 512 Stein/Jonas-Leipold, § 322 ZPO Rn. 217; Musielak-Musielak, § 322 ZPO Rn. 18. 513  Zutreffend insofern: HaKo-Gallner, § 4 KSchG Rn. 170.

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

247

Rechtskraft erfasst sind. Die Rechtskraftwirkung ist als Präjudizialität einzuordnen. Diese dogmatische Konstruktion unterscheidet sich in der Begründung erheblich von der bisher herrschenden Meinung, im Ergebnis hingegen gar nicht.

IV.  Konsequenzen für Entscheidung über Wiederholungskündigung ohne Urteil im Vorprozess zur ersten Kündigung 1.  Keine Lösung mit teleologischer Reduktion und Präjudizialität Die bisherigen Ausführungen zum prozessrechtlichen Umgang mit der Wiederholungskündigung beschränken sich, wie zu Beginn des Kapitels klargestellt514, auf solche Fallgestaltungen, in denen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederholungskündigung bereits ein rechtskräftiges Urteil zur ersten Kündigung vorliegt. Die hierzu ermittelte Lösung lässt sich nicht auf Konstellationen übertragen, in denen es noch kein Urteil zur ersten Kündigung gibt515. Denn die teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO setzt eine rechtskräftige Entscheidung voraus. 2.  Bindung an Entscheidung zur ersten Kündigung Folglich ist zu untersuchen, ob eine Wiederholungskündigung auch dann unzulässig ist, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederholungskündigung noch keine Entscheidung zur ersten Kündigung vorliegt und ob sich die Unzulässigkeit insbesondere auch auf die Weise begründen lässt, dass die gerichtlichen Entscheidungen über die verschiedenen Kündigungen aus demselben Grund gleich sind. Dieses Problem wurde ‒ soweit ersichtlich ‒ im Zusammenhang mit der Wiederholungskündigung bisher noch nicht erörtert. Das Gericht, das die Rechtswirksamkeit der Wiederholungskündigung prüft, muss nach der herrschenden Meinung die Vorfrage beantworten, ob im Zeitpunkt des Zugangs der Wiederholungskündigung ein Arbeitsverhältnis bestand516. Das ist nicht der Fall, wenn die erste Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat. Daher muss das Gericht, das sich mit der Wiederholungskündigung befasst, auch die Wirksamkeit der ersten Kündigung prüfen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die erste Kündigung bereits rechtswirksam ist und das Arbeitsverhältnis beendet hat, muss es die Wirksamkeit der zweiten Kündigung gar nicht prüfen. Entscheidet das Gericht hingegen, dass die erste Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, weil kein Kündigungsgrund vorlag, muss es auch die Rechtswirksamkeit der Wiederholungskündigung prüfen. Eine Bindung an die Beurteilung der ersten Kündigung kommt dabei nur in Betracht, wenn der erste Kündigungsgrund derselbe ist, also eine Wiederholungskündigung ausgesprochen wurde. 514 

Siehe hierzu: § 8.I.1. Vogg, Anm. BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, S. 20. 516  Siehe hierzu bereits: § 2.IV.2. 515 Vgl.

248

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

Daher ist zu untersuchen, inwiefern sich eine solche Bindung an die Bewertung des ersten vorgetragenen Kündigungsgrundes begründen lässt, wenn die zweite Kündigung eine Wiederholungskündigung ist. a)  Keine Bindung durch Zwischenurteil gemäß § 318 ZPO Eine Bindung könnte sich daraus ergeben, dass das Gericht gemäß § 303 ZPO, der gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwendbar ist517, ein Zwischenurteil erlässt. Hieran wäre es gemäß § 318 ZPO gebunden. Ein Zwischenurteil setzt voraus, dass die Hauptsache noch nicht entscheidungsreif ist, weil sonst gemäß § 300 Abs. 1 ZPO ein Endurteil erlassen werden müsste518. Ist das Gericht in der Lage, ein Zwischenurteil zur Rechtswirksamkeit der ersten Kündigung zu erlassen, muss es hierfür den entscheidungserheblichen Tatsachenstoff, insbesondere zum Kündigungsgrund, hinreichend geklärt haben519. Sobald dies der Fall ist, kann das Gericht auch über die Wiederholungskündigung entscheiden, welche sich gerade dadurch auszeichnet, dass die vorgetragenen Kündigungsgründe als Tatsachen identisch sind. Ein Zwischenurteil zur ersten Kündigung im Prozess wegen der Wiederholungskündigung ist daher rechtlich nicht möglich. Folglich lässt sich mithilfe eines Zwischenurteils im Sinne des § 303 ZPO bei der Entscheidung über die Wiederholungskündigung keine Bindung des Gerichts an die eigene Beurteilung desselben Kündigungsgrundes der ersten Kündigung herleiten. b)  Bindung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG Möglicherweise sind die Gerichte jedoch bereits ohnehin dazu gehalten, innerhalb eines Kündigungsschutzprozesses, in welchem mehrere Kündigungen relevant sind, über Kündigungen aus demselben Grund gleich zu entscheiden. Arbeitsgerichte sind als Teil der rechtsprechenden Gewalt gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die Verfassung gebunden520. Nach dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Gleichheitssatz darf wesentlich Gleiches nicht ungleich behandelt werden521. Dazu gehört auch die Behandlung von Sachverhalten, die in wesentlicher Hinsicht gleich sind522. Das Verbot der Ungleichbehandlung gilt auch für die 517  Vgl. BAG 01. 12. 1975 ‒ 5 AZR 466/75, NJW 1976, 774; BeckOK ZPO-Elzer, § 303 Rn. 3; MüKo ZPO-Musielak, § 303 Rn. 6. 518  BeckOK ZPO-Elzer, § 303 Rn. 11; Musielak-Musielak, § 303 ZPO Rn. 5; Hk-ZPOSaenger, § 303 Rn. 4. 519  Vgl. MüKo ZPO-Musielak, § 300 Rn. 2. 520 Maunz/Dürig-Grzeszick, Art. 20 GG, VI. Rn. 71. 521  St. Rspr., siehe nur: BVerfG 17. 12. 2014 ‒ 1 BvL 21/12, NJW 2015, 303, Tz. 121; BVerfG 06. 04. 1990 ‒ 1 BvR 171/90, NJW 1991, 217; BVerfG 14. 12. 1966 ‒ 1 BvR 496/65, NJW 1967, 387; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 463; siehe hierzu bereits: § 8.III.3.h)aa).

§ 8  Prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung

249

rechtsprechende Gewalt523. Arbeitsgerichte sind daher bereits von Verfassung wegen dazu verpflichtet, gleiche Sachverhalte gleich zu beurteilen. Eine Wiederholungskündigung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie auf Grundlage desselben Sachverhalts ausgesprochen wird wie eine bereits zuvor erklärte Kündigung. Die beiden Kündigungen sind daher wesentlich gleiche Sachverhalte im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. 522

Aus diesem Grund muss das Gericht, das sich im Kündigungsschutzprozess um die Wiederholungskündigung mit einer zuvor ausgesprochenen Kündigung aus demselben Grund befasst, den Kündigungsgrund bei der Wiederholungskündigung verneinen, wenn es auch für die erste Kündigung so entschieden hat. Folglich ist die Wiederholungskündigung im Ergebnis unzulässig. 3.  Ergebnis Die in dieser Arbeit entwickelte Lösung zur Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO ist nicht anwendbar, wenn es noch kein Urteil zur ersten Kündigung gibt. Allerdings ist das Gericht, das sich mit der Wiederholungskündigung befasst und dabei auch die Wirksamkeit der ersten Kündigung prüfen muss, gemäß Art. 3 Abs. 1 GG dazu verpflichtet, über den Kündigungsgrund gleich zu entscheiden. Deshalb ist das Gericht bei der Beurteilung der Wiederholungskündigung an seine eigene Entscheidung über den Kündigungsgrund bei der ersten Kündigung gebunden. Es kommt daher genau wie bei den Fallgruppen der Wiederholungskündigung, bei denen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederholungskündigung bereits eine rechtskräftige Entscheidung des Vorprozesses vorliegt, zu gleichen Entscheidungen über den Kündigungsgrund. Hiernach wird der Kündigungsgrund in beiden Fällen verneint, sodass die Wiederholungskündigung des Arbeitgebers im Ergebnis ebenfalls unzulässig und die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers begründet ist.

V.  Zusammenfassung Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozess ist die konkrete, mit einer Kündigungsschutzklage angegriffene Kündigung und nicht abstrakt das Kündigungsrecht des Arbeitgebers, mithin die Frage, ob der zugrunde liegende Sachverhalt ein geeigneter Kündigungsgrund ist. Folglich wird de lege lata die gerichtliche Beurteilung des Kündigungsgrundes gemäß § 322 Abs. 1 ZPO nicht von der Rechtskraft des Urteils erfasst, weil diese nur in den Entscheidungsgründen steht. Das ist insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungskündigung problematisch, weil der Arbeitgeber mit der Erklärung einer solchen eine zweite gerichtliche Entscheidung veranlassen kann, bei welcher das Gericht frei in der Beurteilung des Kündigungs522  Vgl. Stein/Jonas-Leipold, vor § 128 Rn. 114; BeckOK GG-Kischel, Art. 3 vor Rn. 1; ErfK-Schmidt, Art. 3 GG Rn. 33. 523 Sachs-GG-Osterloth/Nußberger, Art. 3 Rn. 125.

250

Teil 3: Untersuchung der Wiederholungskündigung

grundes und insbesondere nicht an die Entscheidung des Vorprozesses gebunden ist. Dies gebietet eine teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO im Kündigungsschutzprozess, sodass sich die Rechtskraft auch auf die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund erstreckt. Rechtswirkung dieser Erweiterung der Rechtskraft ist eine Präjudizialität, mit der Folge, dass der Richter im Prozess um die Wiederholungskündigung bei der Beurteilung der Vorfrage nach dem Kündigungsgrund an die Bewertung im Vorprozess gebunden ist. Die entsprechenden Ausführungen in diesem Kapitel beziehen sich nur auf Wiederholungskündigungen im engeren Sinne. Sie gelten jedoch gleichermaßen für Trotzkündigungen, falls man die Trotzkündigung nicht bereits gemäß § 242 BGB für unzulässig erachtet. Die teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO bietet jedoch keine Lösung für die solche Wiederholungskündigungen, bei denen es zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederholungskündigung noch kein Urteil im Vorprozess gibt. Da das Arbeitsgericht jedoch die Rechtswirksamkeit beider Kündigungen prüfen muss und dabei gemäß Art. 3 Abs. 1 GG zu einer einheitlichen Entscheidung gezwungen ist, muss es, wenn es bei der ersten Kündigung einen Kündigungsgrund verneint, dies bei der Wiederholungskündigung ebenfalls tun. Insofern besteht ebenfalls eine Bindung an die Beurteilung des Grundes der ersten Kündigung. Die prozessrechtliche Untersuchung der Wiederholungskündigung hat zu einer Lösung für die Wiederholungskündigung im engeren Sinne geführt, die auch auf die Trotzkündigung anwendbar wäre.

Teil 4

Gesamtergebnis Teil 4: Gesamtergebnis Teil 4: Gesamtergebnis

Wiederholungskündigungen sind „unzulässig“. Dies ist seit jeher die ganz herrschende Meinung. Dieses Ergebnis wurde in der vorliegenden Arbeit das erste Mal ausführlich und differenzierend hinterfragt. Zunächst wurde herausgearbeitet, dass eine Wiederholungskündigung in mehreren Fallkonstellationen relevant werden kann, je nachdem ob sie vor oder nach einer rechtskräftigen Entscheidung zur vorherigen Kündigung aus demselben Grund erklärt wird und ob im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Wiederholungskündigung bereits ein rechtskräftiges Urteil im Vorprozess existiert oder nicht. Dies indiziert bereits, dass es keine einheitliche Lösung für den Umgang mit der Wiederholungskündigung geben kann. Entsprechende Differenzierungen sind in der Rechtsprechung und Literatur bislang jedoch kaum zu erkennen. Die Rechtsprechung des BAG zeichnet sich stattdessen dadurch aus, dass sie weitgehend uneinheitlich und widersprüchlich ist. Dies hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich auch in der Literatur keine einheitlichen und klaren Meinungsströme herausgebildet haben. Erst seit einer korrigierenden Entscheidung des BAG vom 20. Dezember 20121 ist die Rechtsprechung etwas konsistenter. Die jüngere Literatur folgt weitgehend der Rechtsprechung des BAG, die ältere Literatur beschäftigt sich vor allem mit den Arbeiten Böttichers und Zeuners, die mittlerweile jedoch als Minderansichten einzuordnen sind. In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, die Meinungsvielfalt zur Wiederholungskündigung, insbesondere der Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung, zu systematisieren. Hier ist grundsätzlich zwischen materiellrechtlichen und prozessrechtlichen Begründungen zu unterscheiden. Materiellrechtlich wurde vor allem früher vertreten, dass das Kündigungsrecht mit der Erklärung der ersten Kündigung „verbraucht“ sei, auch wenn diese Kündigung mangels Grundes unwirksam ist. In jüngerer Zeit wird überwiegend prozessrechtlich argumentiert. Herrschend wird im Ergebnis eine Erweiterung der Rechtskraft vertreten, wobei die Begriffe teilweise uneinheitlich sind. Als Konsequenz ist das Gericht im Prozess um die Wiederholungskündigung an die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund aus dem Urteil zur ersten Kündigung gebunden. Im Anschluss an die Darstellung dieses Meinungsspektrums erfolgte eine umfangreiche materiellrechtliche und prozessrechtliche Analyse der ersten Kün1 

BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, NZA 2013, 1003.

252

Teil 4: Gesamtergebnis

digung und der Wiederholungskündigung, um Lösungen zum Umgang mit der Wiederholungskündigung zu finden. Folgende Ergebnisse lassen sich zusammenfassend festhalten: 1. Trotzkündigungen sind gemäß § 242 BGB als widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers unwirksam. Der Arbeitnehmer muss Kündigungsschutzklage gegen eine Trotzkündigung erheben. Das Arbeitsgericht hat zunächst einmal zu prüfen, ob überhaupt eine Trotzkündigung vorliegt und erlässt ein Sachurteil, wonach die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers begründet ist. Die Trotzkündigung kann nicht erfolgreich sein und ist daher unzulässig. 2. Wiederholungskündigungen, über die zu entscheiden ist, wenn bereits ein rechtskräftiges Urteil zur ersten Kündigung aus demselben Grund vorliegt, sind immer unwirksam, weil es keinen Kündigungsgrund gibt. Der Arbeitnehmer muss auch eine Wiederholungskündigung mit einer Kündigungsschutzklage angreifen. Das Gericht hat zunächst zu prüfen, ob eine Wiederholungskündigung vorliegt. Aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO sind die Entscheidungsgründe zum Kündigungsgrund aus dem Urteil des Vorprozesses von der Rechtskraft erfasst. Das Gericht ist infolge einer Präjudizialität hieran gebunden. Es ergeht ein Sachurteil, dass die Kündigungsschutzklage begründet ist. Die Wiederholungskündigung kann nicht erfolgreich sein und ist deshalb unzulässig. 3. Wiederholungskündigungen, über die zu entscheiden ist, ohne dass ein rechtskräftiges Urteil zur ersten Kündigung aus demselben Grund vorliegt, sind mangels Kündigungsgrundes ebenfalls immer unwirksam. Der Arbeitnehmer muss Kündigungsschutzklage erheben. Das Gericht hat die Wirksamkeit beider Kündigungen zu prüfen. Liegt eine Wiederholungskündigung vor, ist das Gericht gemäß Art. 3 Abs. 1 GG zu gleichlautenden Entscheidungen über dieselben Kündigungsgründe gezwungen. Die Wiederholungskündigung kann nicht erfolgreich sein und ist folglich unzulässig. Die in der Einleitung (§ 1) aufgestellte Hypothese wurde bestätigt. In der Diskussion um die Wiederholungskündigung hat sich die herrschende Meinung von den bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zum Kündigungsrecht als Gestaltungsrecht und den allgemeinen zivilprozessualen Regeln weg entwickelt. Ferner ist sie teilweise nicht methodengerecht. Bei der Trotzkündigung ohne Urteil verkennt sie die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Rechts. Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass § 242 BGB als allgemeine Grenze für Gestaltungsrechte auf diese Fallgruppe der Wiederholungskündigung anzuwenden ist. Hinsichtlich der Wiederholungskündigung vertritt die herrschende Meinung eine Rechtskrafterweiterung ohne dogmatische Grundlage. Die Rechtskrafterweiterung lässt sich jedoch einerseits mit einer sauberen methodischen Rechtsfortbildung ‒ teleologische Reduktion des §  322  Abs.  1 ZPO – und andererseits bereits den allgemeinen zivilprozessualen Regeln ‒ Präjudizialität – begründen. Darüber hinaus verkennt die herrschende Meinung, dass für die Fallgruppe der Wiederholungskündigung ohne rechtskräftiges Urteil im Vorprozess im Zeitpunkt

Teil 4: Gesamtergebnis

253

der Entscheidung über die Wiederholungskündigung eine weitere Lösung erforderlich ist. Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass sich diese Fallgruppe mithilfe des Art. 3 Abs. 1 GG relativ einfach lösen lässt. Das Ziel dieser Arbeit, dogmatisch überzeugende und methodengerechte Lösungen zu finden, wurde daher erreicht. Das Ziel, interessengerechte Lösungen zu finden, wurde ebenfalls erreicht. Das zentrale Ergebnis ist die Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung. Für den Arbeitnehmer ist dieses Ergebnis interessengerecht und vorteilhaft, weil er so Rechtssicherheit hat, dass eine für ihn positive Entscheidung über einen vorgetragenen, mutmaßlichen Kündigungsgrund verbindlich ist. Für den Arbeitgeber ist das Ergebnis gleichermaßen angemessen. Sein Kündigungsrecht wird nicht wesentlich eingeschränkt. Es genügt bereits, wenn er neue Tatsachen vorträgt, welche den ersten Kündigungsgrund ergänzen, um einen neuen Kündigungsgrund zu begründen. Dann liegt keine Wiederholungskündigung vor und im Fall einer Kündigungsschutzklage erfolgt eine uneingeschränkte materiellrechtliche Prüfung durch das Gericht. Die vorliegende Arbeit bestätigt die herrschende Meinung im Ergebnis ohne Einschränkungen, begründet sie aber wesentlich anders. Die Begründung ist dogmatisch und methodengerecht und deshalb überzeugender. Die herrschende Meinung wird so auf eine stärkere Grundlage gestellt. Diese Arbeit trägt nach alledem zu mehr Rechtssicherheit bei dem praxisrelevanten Thema der Wiederholungskündigung bei.

Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis

Albrecht, Hendrik: Die Streitsache im deutschen und englischen Zivilverfahren, Tübingen 2013 (zugl. Diss. Universität Würzburg 2012) (zitiert als: Albrecht, Streitsache (2013)). Althammer, Christoph: Streitgegenstand und Interesse, Tübingen 2012 (zugl. Habil. Universität Regensburg 2009) (zitiert als: Althammer, Streitgegenstand und Interesse (2009)). Ascheid, Reiner: Die Wiederholungskündigung als Problem der „hinkenden“ Rechtskraftwirkung, in: Farthmann, Friedhelm/Hanau, Peter/Isenhardt, Udo/Preis, Ulrich (Hrsg.), Arbeitsgesetzgebung und Arbeitsrechtssprechung. Festschrift zum 70. Geburtstag von Eugen Stahlhacke, Neuwied/Kriftel/Berlin 1995, S. 1 – 13 (zitiert als: Ascheid, in: FS Stahlhacke (1995)). Ascheid, Reiner/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid (Hrsg.): Kündigungsrecht. Großkommentar zum gesamten Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 5. Auflage, München 2017 (zitiert als: APS-Bearbeiter). Bähr, Peter: Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, 12. Auflage, München 2013 (zitiert als: Bähr, Bürgerliches Recht). Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01. 11. 2016, Edition: 41, München 2016 (zitiert als: BeckOK BGB-Bearbeiter). Batschari, Alexander/Durst, Matthias: Wirkung des Synallagmas auf die materielle Rechtskraft? NJW 1995, 1650 – 1653. Baumbach, Adolf (Hrsg.)/Lauterbach, Wolfgang/Albers, Jan/Hartmann, Peter: Zivilprozess­ ordnung, 75. Auflage, München 2017 (zitiert als: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann). Beater, Axel: Der Gesetzesbegriff von § 134 BGB, AcP 197 (1997), 505 – 528. Becker, Michael: Gestaltungsrecht und Gestaltungsgrund, AcP 188 (1988), 24 – 68. Benke, Nikolaus/Meissel, Franz-Stefan: Juristenlatein. 2800 lateinische Fachausdrücke und Redewendungen der Juristensprache, 3. Auflage, Wien/München/Bern 2009 (zitiert als: Benke/Meissel, Juristenlatein). Bettermann, Karl August: Der Gegenstand des Kündigungsstreits nach dem Kündigungsschutzgesetz, ZfA 1985, 5 – 20. Blomeyer, Arwed: Zivilprozessrecht. Erkenntnisverfahren, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1963 (zitiert als: A. Blomeyer, Zivilprozessrecht). – Zum Urteilsgegenstand im Leistungsprozess, in: Rosenberg, Leo/Schwab, Karl Heinz (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Lent zum 75. Geburtstag 6. 1. 1957, München/Berlin 1957, S. 43 – 88 (zitiert als: A. Blomeyer, in: FS Lent (1957)). Blomeyer, Jürgen: Rechtskraft und Rechtsmittel bei Klageabweisung, NJW 1969, 587 – 593. Blomeyer, Karl: Arrest und einstweilige Verfügung, ZZP 65 (1952), 52 – 66. Boemke, Burkhard: Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG) und allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO), RdA 1995, 211 – 229. Boewer, Dietrich: Ausgewählte Aspekte des Kündigungsschutzprozesses, RdA 2001, 380 – 404.

Literaturverzeichnis

255

– Der Streitgegenstand des Kündigungsschutzprozesses, NZA 1997, 359 – 365. Böhm, Peter: Die Ausrichtung des Streitgegenstandes am Rechtsschutzziel, in: Rechberger, Walter H./Welser, Rudolf (Hrsg.), Festschrift für Winfried Kralik zum 65. Geburtstag. Verfahrensrecht ‒ Privatrecht, Wien 1986, S. 83 – 123 (zitiert als: Böhm, in: FS Kralik (1986)). Bork, Reinhard: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage, Tübingen 2016 (zitiert als: Bork, BGB AT). – Streitgegenstand der Beschlussmängelklage im Gesellschaftsrecht, NZA 2002, 1094 – 1095. Bötticher, Eduard: Zum Regierungsentwurf des Kündigungsschutzgesetzes, RdA 1951, 81 – 87. – Die „sozial ungerechtfertigte Kündigung“ im Sinne des KSchG vom 10. 8. 1951, MDR 1952, 260 – 264. – Streitgegenstand und Rechtskraft im Kündigungsschutzprozeß, in: Festschrift für Wilhelm Herschel. Beiträge zu Problemen des neuzeitlichen Arbeitsrechts, Stuttgart/Köln 1955, S. 181 – 197 (zitiert als: Bötticher, in: FS Herschel (1955)). – Besinnung auf das Gestaltungsrecht und das Gestaltungsklagerecht, in: Caemmerer, Ernst von/Nikisch, Arthur/Zweigert, Konrad (Hrsg.), Festschrift für Hans Dölle. Band I. Deutsches Privat- und Zivilprozessrecht. Rechtsvergleichung, Tübingen 1963, S. 41 – 77 (zitiert als: Bötticher, in: FS Dölle (1963)). – Anmerkung zu BAG 12. 04. 1956 ‒ 2 AZR 247/54, AP BGB § 626 Nr. 11. – Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht, Berlin 1964 (zitiert als: Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung (1964)). Brox, Hans: Die objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft im Zivilprozeß, JuS 1962, 121 – 128. Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich: Allgemeiner Teil des BGB, 40. Auflage, München 2016 (zitiert als: Brox/Walker, BGB AT). – Allgemeines Schuldrecht, 40. Auflage, München 2016 (zitiert als: Brox/Walker, SchuldR AT). Bruns, Rudolf: „Funktionaler“ und „instrumentaler“ Gehalt der Gestaltungsrechte und Gestaltungsklagerechte. Zu Eduard Bötticher: „Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht“, ZZP 78 (1965), 264 – 286. Canaris, Claus-Wilhelm: Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, München 1971 (zugl. Habil. Universität München 1967, u.d.T. Die Rechtsscheinhaftung im deutschen Privatrecht) (zitiert als: Canaris, Vertrauenshaftung (1971)). – Die Feststellung von Lücken im Gesetz. Eine methodische Studie über die Voraussetzungen und Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung praeter legem (zugl. Diss. Universität München 1965), 2. Auflage, Berlin 1983 (zitiert als: Canaris, Feststellung von Lücken (1983)). – Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201 – 246. Coester-Waltjen, Dagmar: Die Inhaltskontrolle von Verträgen außerhalb des AGBG, AcP 190 (1990), 1 – 33. Dalla Bontà, Silvana: Rechtsvergleichende Anmerkung zur Bestimmung der objektiven Grenzen der Rechtskraft in der jüngeren Rechtsprechung im Lichte der Thesen Zeuners, ZZP 125 (2012), 93 – 123.

256

Literaturverzeichnis

Däubler, Wolfgang/Hjort, Jens Peter/Schubert, Michael/Wolmerath, Martin (Hrsg.): Arbeitsrecht. Individualarbeitsrecht mit kollektivrechtlichen Bezügen. Handkommentar, 3. Auflage, Baden-Baden 2013 (zitiert als: HK-ArbR-Bearbeiter). Dauner-Lieb, Barbara: Reichweite und Grenzen der Privatautonomie im Ehevertragsrecht. Zugleich Anmerkungen und Fragen zum Urteil des BVerfG vom 6. 2. 2001 – 1 BvR 12/02, AcP 201 (2001), 295 – 332. Dauner-Lieb, Barbara/Heidel, Thomas/Ring, Gerhard (Gesamthrsg.), – Heidel, Thomas/Hüßtege, Rainer/Mansel, Heinz-Peter/Noack, Ulrich (Hrsg.), BGB. Allgemeiner Teil, EGBGB, Band 1, 3. Auflage, Baden-Baden 2016, – Dauner-Lieb, Barbara/Langen, Werner (Hrsg.), BGB. Schuldrecht, Band 2, 2. Auflage, Baden-Baden 2012

(zitiert als: NK-BGB-Bearbeiter).

Deckers, Stefan: Die Präklusionswirkung rechtskräftiger Entscheidungen im Kündigungsschutzprozeß, (zugl. Diss. Universität Köln 1999), Köln 1999 (zitiert als: Deckers (1999)). Doderer, Hans-Joachim: Auswirkungen materieller Rechtskraft auf Einwendungen und Einreden, NJW 1991, 878 – 881. Dölle, Hans: Zum Wesen der Gestaltungsklagerechte, in: Bettermann, Karl August/Zeuner, Albrecht (Hrsg.), Festschrift für Eduard Bötticher zum 70. Geburtstag am 29. Dezember 1969, Berlin 1969, S. 93 – 99 (zitiert als: Dölle, in: FS Bötticher (1969)). – Juristische Entdeckungen (aus: Verhandlungen des 42. Deutschen Juristentages, hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Tübingen 1958, S. B 1 ff.), in: Hoeren, Thomas (Hrsg.), Zivilrechtliche Entdecker, München 2001, S. 5 – 33 (zitiert als: Dölle, Juristische Entdeckungen (2001)). Dornbusch, Gregor/Fischermeier, Ernst/Löwisch, Manfred (Hrsg.): AR. Kommentar zum gesamten Arbeitsrecht, 8. Auflage, Köln 2016 (zitiert als: AR-Bearbeiter). Dütz, Wilhelm: Anmerkung zu BAG 07. 11. 1985 ‒ 8 Ta 34/85, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 8, Bl. 718 – 722. Epping, Volker/Hillgruber, Christian (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar GG, Stand: 01. 09. 2016, Edition: 30, München 2016 (zitiert als: BeckOK GG-Bearbeiter). Etzel, Gerhard/Bader, Peter/Fischermeier, Ernst u.a. (Hrsg.): KR - Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 11. Auflage, Köln 2016 (zitiert als: KR-Bearbeiter). Flume, Werner: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Zweiter Band: Das Rechtsgeschäft, 4. Auflage, Berlin/Heidelberg/New York/London/Paris/Tokyo/Hong Kong/Barcelona/Budapest 1992 (zitiert als: Flume, AT II). Foerste, Ulrich: Zur Rechtskraft in Ausgleichszusammenhängen, ZZP 108 (1995), 167 – 191. Fornasier, Matteo/Werner, Stefan: Die „anderen Gründe“ für die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung im Rahmen des § 4 S. 1 KSchG, NJW 2007, 2729, 2734. Gallner, Inken/Mestwerdt, Wilhelm/Nägele, Stefan (Hrsg.): Kündigungsschutzrecht: Handkommentar, 5. Auflage, Baden-Baden 2015 (zitiert als: HaKo-Bearbeiter). Gaul, Hans Friedhelm: Zur Frage nach dem Zweck des Zivilprozesses, AcP 168 (1968), 27 – 62. – Die Entwicklung der Rechtskraftlehre seit Savigny und der heutige Stand, in: Jakobs, Horst Heinrich/Knobbe-Keuk, Brigitte/Picker, Eduard/Wilhelm, Jan (Hrsg.), Fest-

Literaturverzeichnis

257

schrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag, 12. September 1978, Band 1, Köln 1978, S. 443 – 525 (zitiert als: Gaul, in: FS Flume (1978)). Genenger, Angie: Die beschränkte Reichweite der einheitlichen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG, RdA 2010, 274 – 280. Germelmann, Claas-Hinrich/Künzl, Reinhard/Matthes, Hans-Christoph/Müller-Glöge, Rudi/Prütting, Hanns/Schlewing, Anja/Spinner, Günter (Hrsg.): Arbeitsgerichtsgesetz: Kommentar, 8. Auflage, München 2013 (zitiert als: GMP-Bearbeiter). Gernhuber, Joachim: § 242 BGB ‒ Funktionen und Tatbestände, JuS 1983, 764 – 769. Götz, Heinrich: Die innerprozessuale Bindungswirkung von Urteilen im Zivil-, Arbeitsund Verwaltungsprozeßrecht, JZ 1959, 681 – 690. Grimm, Detlef: Anmerkung zu BAG 26. 06. 2008 ‒ 6 AZN 648/07, NJW 2008, 3235, NJW 3237 – 3238. Grobys, Marcel/Panzer, Andrea (Hrsg.): Stichwortkommentar Arbeitsrecht. Alphabetische Gesamtdarstellung. Individualarbeitsrecht. Kollektives Arbeitsrecht. Prozessrecht, 2. Auflage, Baden-Baden 2014 (zitiert als: Grobys/Panzer-SWK-Bearbeiter). Grunsky, Wolfgang: Rechtskraft von Entscheidungsgründen und Beschwer, ZZP 76 (1963), 165 – 183. – Grundlagen des Verfahrensrechts. eine vergleichende Darstellung von ZPO, FGG, VwGO, FGO, SGG, 2. Auflage, Bielefeld 1974 (zitiert als: Grunsky, Verfahrensrecht (1974)). – Anmerkung zu BAG 12. 01. 1977 ‒ 5 AZR 593/75, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 3. Güntner, Hans: Der Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage, AuR 1962, 257 – 264. Habscheid, Edgar J.: Neue Probleme zu Streitgegenstand, Rechtskraft und Präklusion im Kündigungsschutzprozeß, RdA 1989, 88 – 96. Habscheid, Walther J: Der Streitgegenstand im Zivilprozess und im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Bielefeld 1956 (zugl. Habil. Universität Bonn 1954) (zitiert als: W. Habscheid, Streitgegenstand (1956)). – Zur Lehre vom Streitgegenstand im Kündigungsschutzprozeß, RdA 1958, 46 – 50, 95 – 100. – Das Bundesarbeitsgericht und die Lehre von der materiellen Rechtskraft, in: Dietz, Rolf/ Hübner, Heinz (Hrsg.), Festschrift für Hans Carl Nipperdey zum 70. Geburtstag, 21. Januar 1965, Band I, München/Berlin 1965, S. 895 – 908 (zitiert als: W. Habscheid, in: FS Nipperdey (1965)). – Die materielle Rechtskraft des die negative Feststellungsklage aus Beweisgründen abweisenden Urteils, NJW 1988, 2641 – 2644. – Die neuere Entwicklung der Lehre vom Streitgegenstand im Zivilprozeß (zugleich zur deutsch-japanischen Rechtsvergleichung), in: Gottwald, Peter/Prütting, Hanns (Hrsg.), Festschrift für Karl Heinz Schwab zum 70. Geburtstag, München 1990, S. 181 – 195 (zitiert als: W. Habscheid, in: FS Schwab (1990)). Hahn, Karl: Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen. Auf Veranlassung des Kaiserlichen Reichs-Justizamts. Band 2: Materialien zur Civilprozeßordnung. Erste Ab­ theilung, Berlin 1880 (zitiert als: Hahn, Materialien II/1). Hattenauer, Christian: Einseitige private Rechtsgestaltung, Geschichte und Dogmatik, Tübingen 2011 (zugl. Habil. Universität Münster 2003) (zitiert als: Hattenauer (2011)). Heiderhoff, Bettina: Diskussionsbericht zu Streitgegenstandslehre und EuGH, ZZP 111 (1998), 455 – 462.

258

Literaturverzeichnis

Heinrich, Christian: Die Generalklausel des § 242 BGB, in: Kern, Bernd-Rüdiger/Wadle, Elmar/Schroeder, Klaus-Peter/Katzenmeier, Christian (Hrsg.), Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag, Berlin/Heidelberg/New York 2006, S. 585 – 607 (zitiert als: Heinrich, in: FS Laufs (2006)). Henssler, Martin/Willemsen, Heinz Josef/Kalb, Hans-Jürgen (Hrsg.): Arbeitsrecht Kommentar, 7. Auflage, Köln 2016 (zitiert als: HWK-Bearbeiter). Herschel, Wilhelm: Zum Entwurf eines Kündigungsschutzgesetzes (Westzonen), BB 1951, 61 – 62. Hirsch, Christoph: Schuldrecht Allgemeiner Teil, 10. Auflage, Baden-Baden 2016 (zitiert als: Hirsch, SchuldR AT). Hofmann, Franz: Prozessökonomie ‒ Rechtsprinzip und Verfahrensgrundsatz der ZPO?, ZZP 126 (2013), 83 – 110. Hömig, Dieter/Wolff, Heinrich Amadeus (Hrsg.): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Handkommentar, 11. Auflage, Baden-Baden 2016 (zitiert als: HK-GG-Bearbeiter). Howald, Bert: Die außerordentliche (personenbedingte) Arbeitgeberkündigung bei Unkündbarkeit, öAT 2013, 1 – 4. Hoyningen-Huene, Gerrick v./Linck, Rüdiger/Krause, Rüdiger (Hrsg.): Kündigungsschutzgesetz. Kommentar, 15. Auflage, München 2013 (zitiert als: v. Hoyningen-Huene/ Linck-Bearbeiter). Hromadka, Wolfgang/Maschmann, Frank: Arbeitsrecht Band 1: Individualarbeitsrecht, 6. Auflage, Heidelberg/Dordrecht/London/New York, 2015: (zitiert als: Hromadka/ Maschmann). Hueck, Alfred: Anmerkung zu BAG 12. 10. 1954 ‒ 2 AZR 36/53, AP KSchG § 3 Nr. 5. – Klage und Urteil im Kündigungsschutzstreit, in: Dietz, Rolf/Hueck, Alfred/Reinhardt, Rudolf (Hrsg.), Festschrift für Hans Carl Nipperdey zum 60. Geburtstag 21. Januar 1955, München/Berlin 1955, S. 99 – 118 (zitiert als: Hueck, in: FS Nipperdey (1955)). – Anmerkung zu BAG 29. 05. 1956 – 3 AZR 454/54, AP BGB § 184 Nr. 2. Hümmerich, Klaus/Boecken, Winfried/Düwell, Franz Josef (Hrsg.): Arbeitsrecht. AnwaltKommentar, 2. Auflage, Baden-Baden 2010 (zitiert als: HBD-Bearbeiter). Jacobs, Matthias: Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens. Rechtsverhältnis und rechtliches Interesse bei Feststellungsstreitigkeiten vor Zivil- und Arbeitsgerichten, Tübingen 2005 (zugl. Habil. Universität Mainz 2003/2004) (zitiert als: Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005)). Jaroschek ,Marcus/Lüken, Christian: Kündigungsschutzklage und allgemeine Feststellungsklage im arbeitsgerichtlichen Verfahren, JuS 2001, 64 – 70. Jauernig, Othmar: Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, Tübingen 1967 (zitiert als: Jauernig, Streitgegenstand (1967)). Jauernig, Othmar/Hess, Burkhard: Zivilprozessrecht. Ein Studienbuch, 30. Auflage, München 2011 (zitiert als: Jauernig/Hess). Johannsen, Kurt (Mitbegr.)/Heinrich, Dieter (Hrsg.): Familienrecht. Scheidung, Unterhalt, Verfahren, 6. Auflage, München 2015 (zitiert als: Johannsen/Heinrich-Bearbeiter). Joussen, Jacob: Das Gestaltungsrecht des Dritten nach § 317 BGB, AcP 203 (2003), 429 – 463. Jung, Peter: Die Generalklausel im deutschen und französischen Vertragsrecht, in: Baldus, Christian/Müller-Graff, Peter-Christian (Hrsg.), Die Generalklausel im Europäischen

Literaturverzeichnis

259

Privatrecht. Zur Leistungsfähigkeit der deutschen Wissenschaft aus romanischer Perspektive, München 2006, S. 37 – 61 (zitiert als: Jung, Generalklausel (2006)). Kaiser, Gisbert, A.: Bürgerliches Recht. Basiswissen und Fallschulung für Anfangssemester, 12. Auflage, Wien 2009 (zitiert als: Kaiser, Bürgerliches Recht). Kerameus, Konstantin D.: Die Rechtskraftwirkung der Entscheidungsgründe nach gemeinem und partikularem Recht, AcP 167 (1967), 241 – 267. Kerwer, Christof: Die Arbeitsgerichtsbarkeit, JuS 1999, 250 – 256. Kittner, Michael: Neues Kündigungsschutzrecht außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, NZA 1998, 731 – 734. Klöppel, Peter: Die Einrede der Rechtskraft nach der deutschen Civilprozess-Ordnung, Berlin 1882 (zitiert als: Klöppel, Einrede der Rechtskraft nach der deutschen CPO (1882)). Köhler, Helmut: BGB, Allgemeiner Teil. Ein Studienbuch, 40. Auflage, München 2016 (zitiert als: Köhler, BGB AT). Krüger, Wolfgang/Rauscher, Thomas (Hrsg.): Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen. – Band 1: §§ 1 – 354, 5. Auflage, München 2016, – Band 2: §§ 355 – 1024, 5. Auflage, München 2016 (zitiert als: MüKo ZPO-Bearbeiter). Kuchinke, Kurt: Anmerkung zu BAG 12. 01. 1977 ‒ 5 AZR 593/75, SAE 1979, 287 – 288. Küttner, Jürgen (Begr.): Personalbuch 2016. Arbeitsrecht, Lohnsteuerrecht, Sozialversicherungsrecht, 23. Auflage, München 2016 (zitiert als: Küttner-Bearbeiter). Lansnicker, Frank (Hrsg.): Prozesse in Arbeitssachen. Vertretung. Verfahren. Vollstreckung, 3. Auflage, Baden-Baden 2013 (zitiert als: Lansnicker, Prozesse in Arbeitssachen-Bearbeiter). Larenz, Karl: Grundsätzliches zu § 138 BGB, in: Erdsiek, Gerhard (Hrsg.), Juristen-Jahrbuch, 7. Band, 1966/1967, Köln 1966, S. 98 – 122 (zitiert als: Larenz, JurJb. VII (1966/1967)). – Lehrbuch des Schuldrechts. Erster Band. Allgemeiner Teil, 14. Auflage, München 1987 (zitiert als: Larenz, SchuldR AT). – Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Auflage, München 1989 (zitiert als: Larenz, BGB AT, 7. Aufl.). – Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin/Heidelberg/New York/London/Paris/Tokyo/Hong Kong/Barcelona/Budapest 1991 (zitiert als: Larenz, Methodenlehre). Lembke, Mark: Die Verdachtskündigung in Rechtsprechung und Praxis, RdA 2013, 82 – 92. Lent, Friedrich: Besprechung von Albrecht Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge, ZZP 73 (1960), 316 – 320. Leverenz, Kent: Die Gestaltungsrechte des Bürgerlichen Rechts, Jura 1996, 1 – 9. Lindacher, Walter F.: Grundsätzliches zu § 138 BGB. Zur Frage der Relevanz subjektiver Momente, ZZP 73 (1973), 124 – 136. Lingemann, Stefan: Kündigungsschutz. Arbeitnehmer, Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, München 2011 (zitiert als: Lingemann, Kündigungsschutz). – Anmerkung zu BAG 20. 03. 2014 ‒ 2 AZR 840/12, ArbRAktuell 2014, 464. Lingemann, Stefan/Beck, Charlotte: Wiederholungskündigung und Wiederholungsauflösungsantrag, NZA-RR 2007, 225 – 233.

260

Literaturverzeichnis

Lingemann, Stefan/Groneberg, Rut: Der Kündigungsschutzprozess in der Praxis ‒ Klagefrist, NJW 2013, 2809 – 2811. Lingemann, Stefan/Ludwig, Gero/Einem, Dorothee v.: Die „krankheitsbedingte Kündigung“ ‒ Rechtfertigung der Kündigung wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen, ArbRAktuell 2010, 409 – 411. Looschelders, Dirk: Schuldrecht. Allgemeiner Teil, 14. Auflage, München 2016 (zitiert als: Looschelders, SchuldR AT). Löwisch, Manfred: Die kündigungsrechtlichen Vorschläge der „Agenda 2010“, NZA 2003, 689 – 695. Löwisch, Manfred/Spinner, Günter/Wertheimer, Frank: Kommentar KSchG, 10. Auflage, Frankfurt (Main) 2013 (zitiert als: LSW-Bearbeiter). Lüke, Gerhard: Zum Streitgegenstand im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozeß, JZ 1960, 203 – 209. – Anmerkung zu BAG 13. 11. 1958 – 2 AZR 573, 57, JZ 1960, 222 – 225. – Zur Streitgegenstandslehre Schwabs – eine zivilprozessuale Retrospektive, in: Gottwald, Peter/Prütting, Hanns (Hrsg.), Festschrift für Karl Heinz Schwab zum 70. Geburtstag, München 1990, S. 309 – 320 (zitiert als: Lüke, in: FS Schwab (1990)). Lüke, Wolfgang: Zivilprozessrecht. Erkenntnisverfahren, Zwangsvollstreckung, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 10. Auflage, München 2011(zitiert als: W. Lüke, ZivilprozessR). Martens, Joachim: Rechtskraft und materielles Recht, ZZP 79 (1966), 404 – 450. Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Begr.): Grundgesetz. Kommentar, Stand: 78. Ergänzungslieferung, München 2016 (zitiert als: Maunz/Dürig-Bearbeiter). Medicus, Dieter: Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage, Heidelberg/München/Landsberg/ Frechen/Hamburg 2016 (zitiert als: Medicus, BGB AT). Medicus, Dieter/Lorenz, Stephan: Schuldrecht I. Allgemeiner Teil. Ein Studienbuch, 21. Auflage, München 2015 (zitiert als: Medicus/Lorenz, SchuldR AT). Menezes Cordeiro, António: Die Dogmatisierung des Systemdenkens durch Treu und Glauben, in: Heldrich, Andreas/Prölss, Jürgen/Koller, Ingo (Hrsg.), Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag, München 2007, S. 857 – 869 (zitiert als: Menezes Cordeiro, in: FS Canaris (2007)). Merten, Frank: BAG: Verbot der Wiederholungskündigung nur bei identischem Kündigungssachverhalt, Anmerkung zu BAG 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11, FD-ArbR 2013, 348011. Michaelis, Karl: Der materielle Gehalt des rechtlichen Interesses bei der Feststellungsklage und bei der gewillkürten Prozeßstandschaft, in: Canaris, Claus-Wilhelm/Diederichsen, Uwe (Hrsg.), Festschrift für Karl Larenz zum 80. Geburtstag am 23. April 1983, München 1983, S. 443 – 485 (zitiert als: Michaelis, in: FS Larenz (1983)). Moll, Wilhelm (Hrsg.): Münchener Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht, 3. Auflage, München 2012 (zitiert als: Moll-Bearbeiter). Mues, Werner M./Eisenbeis, Ernst/Laber, Jörg: Handbuch Kündigungsrecht, 2. Auflage, Köln 2010 (zitiert als: Mues/Eisenbeis/Laber). Mugdan, Benno: Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band I – II, Berlin 1899 (zitiert als: Mugdan).

Literaturverzeichnis

261

Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid (Hrsg.): Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Auflage, München 2017 (zitiert als: ErfK-Bearbeiter). Mummenhoff, Winfried: Anmerkung zu BAG 21. 01. 1988 ‒ 2 AZR 581/86, SAE 1988, 88 – 90. Musielak, Hans-Joachim: Einige Gedanken zur materiellen Rechtskraft, in: Heldrich, Andreas/Uchida, Takeyoshi (Hrsg.), Festschrift für Hideo Nakamura zum 70. Geburtstag am 2. März 1996, Tokyo 1996, S.423 – 443 (zitiert als: Musielak, in: FS Nakamura (1996)). Musielak, Hans-Joachim/Voit, Wolfgang: Grundkurs ZPO, 13. Auflage, München 2016 (zitiert als: Musielak/Voit, GK ZPO). – (Hrsg.): Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz. Kommentar, 13. Auflage, München 2016 (zitiert als: Musielak-Bearbeiter). Natter, Eberhard/Gross, Roland (Hrsg.): Arbeitsgerichtsgesetz. Handkommentar, 2. Auflage, Baden-Baden 2013 (zitiert als: Natter/Gross-Bearbeiter). Nikisch, Arthur: Zivilprozeßrecht. Ein Lehrbuch, 2. Auflage, Tübingen 1952 (zitiert als: Nikisch, Zivilprozeßrecht (1952)). – Zur Lehre vom Streitgegenstand im Zivilprozeß, AcP 154 (1955), 271 – 299. – Probleme des Kündigungsschutzrechts (Teil II), DB 1956, 1133 – 1134. Oetker, Hartmut: Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung. Bestandsaufnahme und kritische Würdigung einer tradierten Figur der Schuldrechtsdogmatik, Tübingen 1994 (zugl. Habil. Universität Kiel 1993/1994) (zitiert als: Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung (1994)). Olzen, Dirk: Die Zwangsvollstreckung in Dispositionskrediten, ZZP 97 (1984), 1 – 32. Ostrowicz, Alexander/Künzl, Reinhard/Scholz, Christian: Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Eine systematische Darstellung des gesamten Verfahrensrechts mit einstweiligem Rechtsschutz und Zwangsvollstreckungsrecht, 5. Auflage, Berlin 2014 (zitiert als: O/K/S-Bearbeiter). Palandt, Otto (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch, mit Nebengesetzen, insbesondere mit Einführungsgesetz (Auszug) einschließlich Rom I-, Rom II- und Rom III-Verordnungen sowie Haager Unterhaltsprotokoll und EU-Erbrechtsverordnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (Auszug), Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz, BGB-Informationspflichten-Verordnung, Unterlassungsklagengesetz, Produkthaftungsgesetz, Erbbaurechtsgesetz, Wohnungseigentumsgesetz, Versorgungsausgleichsgesetz, Lebenspartnerschaftsgesetz, Gewaltschutzgesetz, 76. Auflage, München 2017 (zitiert als: Palandt-Bearbeiter). – Bürgerliches Gesetzbuch, mit Einführungsgesetz, Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen, Verbraucherkreditgesetz, Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, Gesetz zur Regelung der Miethöhe (Art. 3 des 2. WKSchG), Produkthaftungsgesetz, Erbbaurechtsverordnung, Wohnungseigentumsgesetz, Ehegesetz, Hausratsverordnung, 52. Auflage, München 1993 (zitiert als: Palandt-Bearbeiter, 52. Aufl.). Pawlowski, Hans-Martin: Methodenlehre für Juristen. Theorie der Norm und des Gesetzes; Ein Lehrbuch, 3. Auflage, Heidelberg 1999 (zitiert als: Pawlowski, Methodenlehre). Peters, Egbert: Zur Rechtskraftlehre Zeuners, ZZP 76 (1963), 229 – 243. Pfeiffer, Thomas: Anmerkung zu BAG 26. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EWiR 1994, 409 – 410.

262

Literaturverzeichnis

Pieroth, Bodo/Schlink, Bernhard/Kingreen, Thorsten/Poscher, Ralf: Grundrechte. Staatsrecht II, 32. Auflage, Heidelberg/München/Landsberg/Frechen/Hamburg, 2016 (zitiert als: Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte). Preis, Ulrich: Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen: Eine Untersuchung zum Recht des materiellen Kündigungsschutzes, insbesondere zur Theorie der Kündigungsgründe, München 1987 (zugl. Habil. Universität Köln 1985/1986) (zitiert als: Preis, Prinzipien (1987)). – Der Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, NZA 1997, 1256 – 1270. – Arbeitsrecht. Individualarbeitsrecht. Lehrbuch für Studium und Praxis, 4. Auflage, München 2012 (zitiert als: Preis, Individualarbeitsrecht). Prütting, Hanns: Prozessuale Koordinierung von kollektivem und Individualarbeitsrecht, RdA 1991, 257 – 267. – Der Streitgegenstand im Arbeitsgerichtsprozess, in: Prütting, Hanns/Rüssmann, Helmut (Hrsg.), Verfahrensgang am Ausgang des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Gerhard Lüke zum 70. Geburtstag, München 1997, S. 617 – 631 (zitiert als: Prütting, in: FS Lüke (1997)). – Vom deutschen zum europäischen Streitgegenstand, in: Nakamura, Hideo/Fasching, Hans W./Gaul, Hans Friedhelm/Georgiades, Apostolos (Hrsg.), Festschrift für Kostas E. Beys dem Rechtsdenker in attischer Dialektik zum 70. Geburtstag am 25. November 2003, Zweiter Band, Athen 2003, S. 1273 – 1283 (zitiert als: Prütting, in: FS Beys (2003)). Putzo, Hans: Anmerkung zu BGH 25. 11. 1964 – V ZR 187/62, NJW 1965, 1018 – 1019. Rebmann, Kurt/Säcker, Franz Jürgen (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Band 2: Schuldrecht. Allgemeiner Teil, 2. Auflage, München 1985 (zitiert als: MüKo BGB-Bearbeiter, 2. Aufl.). Reischl, Klaus: Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozeß, Tübingen 2002 (zugl. Habil. Universität Passau 2001). Richardi, Reinhard: Die neue Klagefrist bei Kündigungen, NZA 2003, 764 – 766. – (Hrsg.): Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung. Kommentar, 15. Auflage, München 2016 (zitiert als: Richardi-Bearbeiter). Richardi, Reinhard/Wlotzke, Otfried/Wißmann, Hellmut/Oetker, Hartmut (Hrsg.): Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht. Band 1: Individualarbeitsrecht, 3. Auflage, München 2009 (zitiert als: MüArbR-Bearbeiter). Rolfs, Christian/Giesen, Richard/Kreikebohm, Ralf/Udsching, Peter (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, Stand: 01. 12. 2016, Edition: 42, München 2015 (zitiert als: BeckOK ArbR-Bearbeiter). Roquette, Hermann: Mieterschutzgesetz. Kommentar, München, Berlin 1956 (zitiert als: Roquette, MSchG). Rüßmann, Helmut: Die Streitgegenstandslehre und die Rechtsprechung des EuGH ‒ nationales Recht unter gemein-europäischem Einfluß? ZZP 111 (1998), 399 – 427. Rüthers, Bernd/Fischer, Christian/Birk, Axel: Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 9. Auflage, München 2016 (zitiert als: Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie). Rüthers, Bernd/Stadler, Astrid: Allgemeiner Teil des BGB, 18. Auflage, München 2014 (zitiert als: Rüthers/Stadler, BGB AT).

Literaturverzeichnis

263

Sachs, Michael (Hrsg.): Grundgesetz. Kommentar, 7. Auflage, München 2014 (zitiert als: Sachs-GG-Bearbeiter). Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland (Hrsg.) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. – Band 1: Allgemeiner Teil, §§ 1 – 240, ProstG, AGG, 7. Auflage, München 2015, – Band 2: Schuldrecht, Allgemeiner Teil, §§ 241 – 432, 7. Auflage, München 2016, – Band 3: Schuldrecht, Besonderer Teil, §§ 433 – 610. Finanzierungsleasing. HeizkostenV. BetriebskostenV. CISG, 7. Auflage, München 2016, – Band 4: Schuldrecht, Besonderer Teil, §§ 611 – 704, EFZG, TzBfG. KSchG, 7. Auflage, München 2016 (zitiert als: MüKo BGB-Bearbeiter). Saenger, Ingo (Hrsg.): Zivilprozessordnung. FamFG. Europäisches Verfahrensrecht, 7. Auflage, Baden-Baden 2017 (zitiert als: Hk-ZPO-Bearbeiter). Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts, Sechster Band, Berlin 1847 (zitiert als: Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, VI (1847)). Schaub, Günter (Begr.): Arbeitsrechts-Handbuch. Systematische Darstellung und Nachschlagewerk für die Praxis, 16. Auflage, München 2015 (zitiert als: Schaub-Bearbeiter). Schellhammer, Kurt: Zivilprozess. Gesetz - Praxis - Fälle, 14. Auflage, Heidelberg/München/Landsberg/Frechen/Hamburg 2012 (zitiert als: Schellhammer). Schmädicke, Axel: Wie weit geht die Aufklärungspflicht des Arbeitsrichters in der Güteverhandlung?, NZA 2007, 1029 – 1033. Schmidt, Klaus/Schwab, Norbert/Wildschütz, Martin: Die Auswirkungen der Reform des Zivilprozesses auf das arbeitsgerichtliche Verfahren (Teil 2), NZA 2001, 1217 – 1227. Schmoeckel, Mathias: Der maßgebliche Zeitpunkt zur Bestimmung der Sittenwidrigkeit, ZZP 197 (1997), 1 – 79. Schöpflin, Martin: Die Verfahrensökonomie ‒ eine Prozessmaxime, JR 2003, 485 – 490. Schulze, Rainer (Schriftl.): Bürgerliches Gesetzbuch. Handkommentar, 9. Auflage, Baden-Baden 2017 (zitiert als: Hk-BGB-Bearbeiter). Schumann, Ekkehard: Fehlurteil und Rechtskraft. Eine dogmengeschichtliche Auseinandersetzung mit den Leugnern des Fehlurteils, in: Bettermann, Karl August/Zeuner, Albrecht (Hrsg.), Festschrift für Eduard Bötticher zum 70. Geburtstag am 29. Dezember 1969, Berlin 1969, S. 289 – 320 (zitiert als: Schumann, in: FS Bötticher (1969)). – Die Prozessökonomie als rechtsethisches Prinzip, in: Paulus, Gotthard/Diederichsen, Uwe/Canaris, Claus-Wilhelm (Hrsg.), Festschrift für Karl Larenz zum 70. Geburtstag, München 1973, S. 271 – 287 (zitiert als: Schumann, in: FS Larenz (1973)). – Die Zwischenfeststellungsklage als Institut zwischen Prozessrecht und materiellem Recht, in: Stathopoulos, Michael/Beys, Kostas/Doris, Philippos/Karakostas, Ioannis (Hrsg.), Festschrift für Apostolos Georgiades zum 70. Geburtstag, Athen/München/ Bern 2006, S. 543 – 576 (zitiert als: Schumann, in: FS Georgiades (2006)). Schürnbrand, Jan: Gestaltungsrechte als Verfügungsgegenstand, AcP 203 (2003), 177 – 207. Schwab, Karl Heinz: Anmerkung zu Zeuner, Albrecht: Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinneszusammenhänge. Zur Lehre über das Verhältnis von Rechtskraft und Entscheidungsgründen im Zivilprozeß, JZ 1959, 786 – 787. – Gemeinsame Anmerkung zu BGH 16. 06. 1959 – VI ZR 81/58 und 03. 07. 1959 – I ZR 169/55, NJW 1959, 1824 – 1827.

264

Literaturverzeichnis

– Die Bedeutung der Entscheidungsgründe, in: Bettermann, Karl August/Zeuner, Al­ brecht (Hrsg.), Festschrift für Eduard Bötticher zum 70. Geburtstag am 29. Dezember 1969, Berlin 1969, S. 321 – 340 (zitiert als: Schwab, in: FS Bötticher (1969)). – Gegenwartsprobleme der deutschen Zivilprozeßrechtswissenschaft, JuS 1976, 69 – 74. – Noch einmal: Bemerkungen zum Streitgegenstand, in: Prütting, Hanns/Rüssmann, Helmut (Hrsg.), Verfahrensrecht am Ausgang des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Gerhard Lüke zum 70. Geburtstag, München 1997, S. 793 – 807 (zitiert als: Schwab, in: FS Lüke (1997)). – Streitgegenstand und Rechtskraft bei der arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage, RdA 2013, 357 – 364 (zitiert als: M. Schwab, RdA 2013, 357 – 364). Schwarze, Roland/Eylert, Mario/Schrader, Peter (Hrsg.): Kündigungsschutzgesetz. Kommentar, München 2011 (zitiert als: SEM-Bearbeiter). Schwerdtner, Peter: Die Präklusionswirkung von Urteilen im Kündigungsschutzprozeß, NZA 1987, 263 – 266. Seckel, Emil: Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts (Skizze nach einem unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Präsidenten Dr. Koch in der Berliner Juristischen Gesellschaft am 23. Mai 1903 gehaltenen Vortrage), Sonderausgabe, Darmstadt 1954 (zitiert als: Seckel, Gestaltungsrechte (1903)). Selzer, Dirk: Arbeitsgerichtliche Tenorierung im Urteil, NZA-Beil. 2011, 164 – 180. Spindler, Gerald/Stilz, Eberhard (Hrsg.): Kommentar zum Aktiengesetz. Band 2: §§ 150 – 410, IntGesR, SpruchG, SE-VO, 3. Auflage, München 2015 (zitiert als: Spindler/ Stilz-Bearbeiter). Stahlhacke, Eugen: Der Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage und ihre Kombination mit einer allgemeinen Feststellungsklage, in: Anzinger, Rudolf/Wank, Rolf (Hrsg.), Entwicklungen im Arbeitsrecht und Arbeitsschutzrecht. Festschrift für Otfried Wlotzke zum 70. Geburtstag, München 1996, S. 173 – 189 (zitiert als: Stahlhacke, in: FS Wlotzke (1996)). – Grundrechtliche Schutzpflichten und allgemeiner Kündigungsschutz, in: Hanau, Peter/ Lorenz, Egon/Matthes, Hans-Christoph (Hrsg.), Festschrift für Günter Wiese zum 70. Geburtstag, Neuwied/Triftel (Taunus), 1998, S. 513 – 533 (zitiert als: Stahlhacke, in: FS Wiese (1998)). – Zum Problemfeld der Klage nach § 4 KSchG, in: Düwell, Franz Josef/Stückemann, Wolfgang/Wagner, Volker (Hrsg.), Bewegtes Arbeitsrecht. Festschrift für Wolfgang Leinemann zum 70. Geburtstag, Neuwied 2006, S. 389 – 408 (zitiert als: Stahlhacke, in: FS Leinemann (2006)). Stahlhacke, Eugen/Preis, Ulrich/Vossen, Reinhard (Hrsg.): Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 11. Auflage, München 2015 (zitiert als: SPV-Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.): J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, – Erstes Buch: Allgemeiner Teil §§ 90 – 240, 12. Auflage, Berlin 1979

(zitiert als: Staudinger-Bearbeiter, 12. Aufl.), – Buch 1: Allgemeiner Teil §§ 90 – 124; §§ 130 – 133 (Allgemeiner Teil 3), 14., neubearbeitete Auflage, Berlin 2012, – Buch 1: Allgemeiner Teil §§ 134 – 138 (Allgemeiner Teil 4a – Gesetzliches Verbot und Sittenwidrigkeit), 15., neubearbeitete Auflage, Berlin 2011,

Literaturverzeichnis

265

– Buch 1: Allgemeiner Teil §§ 139 – 163 (Allgemeiner Teil 4b – Teilnichtigkeit), Neubearbeitung, Berlin 2015, – Buch 1: Allgemeiner Teil §§ 164 – 240 (Allgemeiner Teil 5) Neubearbeitung, Berlin 2014, – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse §§ 241 – 243, 15., neubearbeitete Auflage, Berlin 2015, – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse §§ 255 – 304 (Leistungsstörungsrecht 1), Neubearbeitung, Berlin 2014, – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse §§ 315 – 326 (Leistungsstörungsrecht 2), 15., neubearbeitete Auflage, Berlin 2015, – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse §§ 362 – 396 (Erfüllung, Hinterlegung, Aufrechnung), 16., neubearbeitete Auflage, Berlin 2011, – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse §§ 620 – 630 (Dienstvertragsrecht 3), Neubearbeitung Berlin 2012, – Eckpfeiler des Zivilrechts, Neubearbeitung, Berlin 2014

(zitiert als: Staudinger-Bearbeiter).

Stein, Friedrich/Jonas, Martin (Hrsg.): Kommentar zur Zivilprozessordnung. – Band 1: Einleitung, §§ 1 – 77, 23. Auflage, Tübingen 2014, – Band 3: §§ 148 – 270, 23. Auflage, Tübingen 2016, – Band 4: §§ 253 – 327, 22. Auflage, Tübingen 2008

(zitiert als: Stein/Jonas-Bearbeiter).

Stenslik, Bastian-Peter: Schwerpunktbereich ‒ Arbeitsrecht: Die Klagefrist im arbeitsgerichtlichen Bestandsschutzverfahren, JuS 2011, 15 – 19. Stürner, Rolf: Der deutsche Prozeßrechtslehrer am Ende des 20. Jahrhunderts, in: Prütting, Hanns/Rüßmann, Helmut (Hrsg.), Verfahrensrecht am Ausgang des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Gerhard Lüke zum 70. Geburtstag, München 1997, S. 829 – 844 (zitiert als: Stürner, in: FS Lüke (1997)). – (Hrsg.): Jauernig. Bürgerliches Gesetzbuch mit Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (Auszug). Kommentar, 16. Auflage, München 2015 (zitiert als: Jauernig-Bearbeiter). Teichmann, Arndt: Venire contra factum proprium – Ein Teilaspekt rechtsmißbräuchlichen Handelns, JA 1985, 497 – 502. Thomas, Heinz/Putzo, Hans: Zivilprozessordnung mit Nebengesetzen, 10. Auflage, München 1978 (zitiert als: Thomas/Putzo, 10. Aufl. 1978). – (Begr.): Zivilprozessordnung. FamFG, Verfahren in Familiensachen, GVG, Einführungsgesetze, EU-Zivilverfahrensrecht. Kommentar, 37. Auflage, München 2016 (zitiert als: Thomas/Putzo-Bearbeiter). Thüsing, Gregor/Laux, Helga/Lembke, Mark (Hrsg.): Kündigungsschutzgesetz. Praxiskommentar zum KSchG und zu angrenzenden Vorschriften mit Gestaltungshinweisen und Beispielen, 3. Auflage, Freiburg 2014 (zitiert als: Thüsing/Laux/Lembke-Bearbeiter). Tschöpe, Ulrich (Hrsg.): Arbeitsrecht Handbuch, Eine Darstellung des gesamten formellen und materiellen Arbeitsrechts, 9. Auflage, Köln 2015 (zitiert als: Tschöpe-Bearbeiter). Tuhr, Andreas von: Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Erste Hälfte, 1. Auflage, 1914, unveränderter Nachdruck, Berlin 1957 (zitiert als: v. Tuhr II 1).

266

Literaturverzeichnis

Ulrici, Bernhard: Zur gegenständlichen Reichweite der kündigungsrechtlichen Präklusion, in: Boemke, Burkhard/Lembke, Mark/Linck, Rüdiger (Hrsg.), Festschrift für Gerrick Frhr. v. Hoyningen-Huene zum 70. Geburtstag, München 2014, S. 501 – 520 (zitiert als: Ulrici, in: FS v. Hoyningen-Huene (2014)). Vogg, Stefan: Anmerkung zu BAG 23. 08. 1993 – 2 AZR 159/93, EzA ZPO, § 322 Nr. 9, 15 – 20. Vollkommer, Max: Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß – eine neue Prozeßmaxime?, in: Gottwald, Peter/Prütting, Hanns (Hrsg.), Festschrift für Karl Heinz Schwab zum 70. Geburtstag, München 1990, S. 503 – 520 (zitiert als: Vollkommer, in: FS Schwab (1990)). Vorwerk, Volkert/Wolf, Christian (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01. 09. 2016, Edition 22, München 2016 (zitiert als: BeckOK ZPO-Bearbeiter). Walker, Wolf-Dietrich: Die Streitgegenstandslehre und die Rechtsprechung des EuGH ‒ nationales Recht unter gemeineuropäischem Einfluß, ZZP 111 (1998), 429 – 454. Walter, Gerhard: Streitgegenstand und materielle Rechtskraft bei Feststellungsklagen aus Anlass der Kündigung eines Arbeitnehmers, RdA 1954, 264 – 268. Wank, Rolf: Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage, München 2015 (zitiert als: Wank, Auslegung). Weber, Ralph: Einige Gedanken zur Konkretisierung von Generalklauseln durch Fallgruppen, AcP 192 (1992), 516 – 567. Weißenfels, Eike: Streitgegenstand in arbeitsrechtlichen Bestandsstreitigkeiten, BB 1996, 1326 – 1332. Wenzel, Leonhard: Der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers (IX). Teil 7: Der Kündigungsschutzprozeß, MDR 1978, 103 – 108. Weth, Stephan/Kerwer, Christof: Anmerkung zu BAG 05. 10. 1995 – 2 AZR 909/94, SAE 1997, 295 – 302. Wieling, Hans Josef: Venire contra factum proprium und Verschulden gegen sich selbst, AcP 176 (1976), 334 – 355. Wienbracke, Mike: Juristische Methodenlehre, Heidelberg/München/Landsberg/Frechen/ Hamburg, 2013. Wolf, Manfred: Anmerkung zu BAG 11. 02. 1981 ‒ 7 AZR 12/79, AP KSchG 1969 §  4 Nr. 8. Wolf, Manfred/Neuner, Jörg: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Auflage, München 2012 (zitiert als: Wolf/Neuner, BGB AT). Zeiss, Walter/Schreiber, Klaus: Zivilprozessrecht, 12. Auflage, Tübingen 2014 (zitiert als: Zeiss/Schreiber). Zeuner, Albrecht: Wiederholung der Kündigung und Rechtskraft im Kündigungsschutzstreit. Zum Verhältnis von Rechtskraft und neuen Tatsachen im Zivilprozeß, MDR 1956, 257 – 261. – Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge. Zur Lehre über das Verhältnis von Rechtskraft und Entscheidungsgründen im Zivilprozeß, Tübingen 1959 (zugl. Habil. Universität Hamburg 1957) (zitiert als: Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft (1959)). – Beobachtungen und Gedanken zur Behandlung von Fragen der Rechtskraft in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in: Schmidt, Karsten (Hrsg.), 50 Jahre Bundesge-

Literaturverzeichnis

267

richtshof. Festgabe aus der Wissenschaft. Band III. Zivilprozeß, Insolvenz, Öffentliches Recht, München 2000, S. 337 – 366 (zitiert als: Zeuner, FG BGH III (2000)). – Die Behandlung mehrfacher Kündigungen im Kündigungsrechtsstreit, in: Krause, Rüdiger/Schwarze, Roland (Hrsg.), Festschrift für Hansjörg Otto zum 70. Geburtstag am 23. Mai 2008, Berlin 2008, S. 647 – 667 (zitiert als: Zeuner, in: FS Otto (2008)). Zimmermann, Walter: Zivilprozessordnung. mit FamFG (Allgemeiner Teil sowie Verfahren in Familiensachen), GVG, EGGVG, EGZPO, EU-Zivilverfahrensrecht, 9. Auflage, Münster 2011 (zitiert als: Zimmermann). Zippelius, Reinhold: Juristische Methodenlehre, 11. Auflage, München, 2012 (zitiert als: Zippelius, Juristische Methodenlehre). Zöller, Richard (Begr.): Zivilprozessordnung. Mit FamFG (§§ 1 - 185, 200 – 270, 433 – 484) und Gerichtsverfassungsgesetz, den Einführungsgesetzen, mit internationalem Zivilprozessrecht, EU-Verordnungen, Kostenanmerkungen. Kommentar, 31. Auflage, Köln 2016 (zitiert als: Zöller-Bearbeiter).

Sachregister Sachregister

Allgemeiner Gleichheitssatz  Analogie  213 f.

236, 248

57, 95, 105, 117 f., 119 ff.,

Änderungskündigung  33 f., 39, 44, 52 Anfechtung  131, 134 f., 137 Aufrechnung  100, 102, 105, 117, 131, 148, 225 Auslandsfälle  34 Bedingungsfeindlichkeit  148 f. Berufungsinstanz  Betriebsrat 

183 f., 188 ff., 193

46 f., 182

Darlegungs- und Beweislast 

Gestaltungserklärung  58, 60, 64, 70, 73, 109, 134, 143, 145 f., 149 Gestaltungsgegenklage  133, 229 ff., 235, 244 Gestaltungsklage  58 f., 98 f., 104, 106, 109, 123, 204, 229 ff., 235, 244 Gestaltungsklagerecht  226, 230

Gestaltungsrechte  31 ff., 58 f., 64 ff., 69 ff., 88 f., 97 f., 101 ff., 130 ff., 226, 229 ff., 252 Gestaltungsurteil 

181 f.

97, 105 f., 131,

66, 106, 131, 230, 244

grundlose Kündigung siehe willkürliche Kündigung

echte Wiederholungskündigung  35 ff., 47 ff., 52, 191

Inlandsfälle  34

Ehescheidung 

Kernpunkttheorie des EuGH 

104, 106, 131, 230

Entstehungsgeschichte – des KSchG  – der ZPO 

92, 136 ff., 165 f., 207

121 f., 219 ff.

– von § 322 Abs. 1 ZPO  121, 216 ff., 227 ff.

108, 112, 116,

Erhebung Kündigungsschutzklage  87, 105, 121 f., 124 ff. Erlöschen des Kündigungsrechts 

57, 131 ff.

Feststellungsklage  51, 53, 92 f., 122, 197 f., 207, 210, 223 Folgekündigung  29, 35, 133, 180 formale Fehler  33, 36, 44 ff., 52, 64, 142, 191 f., 228 fristgerechte Kündigung  36, 43 f., 46, 52, 64 fristlose Kündigung  36, 43 f., 45, 52, 64

Kleinbetriebe  Konsumtion 

81, 211

34 70 f., 74, 132

kontradiktorisches Gegenteil  117 f., 213 f. Kündigungsfreiheit  175 f. Kündigungszweck 

84, 95, 114,

146, 150, 155, 166, 153, 162 f., 166 f.

ne bis in idem  58, 70, 82, 88, 124 f. Präjudizialität  32, 59, 62, 68, 83, 97 f., 100 f., 108, 110 f., 114, 117 ff., 123, 167, 178, 212 ff., 242 ff., 250, 252 Präjudizialitätswirkung 

50, 124

präjudiziell  61 ff., 83, 95, 97, 99, 117, 127, 244 Präjudizität  33, 59 f., 65, 98, 110

Geschäftsverteilungspläne  29, 224, 238

Präklusion  32 f., 57, 59, 64 ff., 84 f., 95 ff., 118 ff., 167, 178, 183, 205, 212 ff., 226, 242 ff.

Gesetzeslücke  214, 226

Präklusionsprinzip 

Fürsorgepflicht 

193 f.

95, 99, 118 f., 246

Sachregister Privatautonomie  154, 168, 196 Prozessökonomie  113, 120, 215, 227, 239 f., 242 punktueller Streitgegenstandsbegriff  49 f., 86 ff., 210, 228 f. Rechtsfolgen der Rechtskraft  95, 97 ff., 118 f., 123, 205 f., 213 f., 242 ff. Rechtsfrieden  82, 85, 101, 116, 194, 198, 227, 233 ff. Rechtsmissbrauch  77, 172 ff., 202 Rechtsmittelverzicht  48, 154 ff., 185 ff., 193, 195, 200 Rechtssicherheit  36, 74, 81, 82, 85, 93, 106, 113, 116, 120, 126, 148, 180, 194, 198, 207 f., 211, 215, 217, 253 Revisionsinstanz  184 f., 189 ff., 194 Rücktritt  89, 131, 133, 143 ff., 184 Schikane  30, 33, 163, 168, 179 Schikaneverbot (§ 226 BGB)  71, 76, 157, 169 f., 202 Schleppnetzantrag  223 Sinnzusammenhänge  107 ff., 115, 118 Sittenwidrigkeit  55 f., 58, 71, 74 ff., 157 ff., 175, 200 Streitgegenstandsbegriff  79 ff. Stufenklage  103 Tatbestand der Rechtskraft  95, 97, 100, 113, 117 ff., 123, 204, 213 f., 242, 244 Tatsachenvortrag  38, 41, 85, 156, 184, 189 f., 194 f., 213, 226, 232, 240, 243, 245 f. teleologische Reduktion  95, 100, 115 ff., 126, 213 ff., 244, 246 f., 250, 252 Treu und Glauben (§ 242 BGB)  46, 55, 71, 76 ff., 137, 152, 156 f., 170 ff.

269

Trotzkündigung  48, 54, 58, 60, 62, 74, 91, 120, 125, 129, 132, 149, 154, 162 ff., 169 f., 174 ff., 203 f., 221 f., 229, 233, 250, 252 überraschende Bindung  99, 111, 116, 227 ff. umgekehrte Parteirollen  204 unechte Wiederholungskündigung  35 ff., 142, 153, 155, 191 f., 228 unternehmerische (Entscheidungs-)Freiheit siehe Kündigungsfreiheit Unwiderruflichkeit  70, 74, 148 ff. venire contra factum proprium siehe wider­sprüchliches Verhalten Verbrauch  31 f., 41, 47, 58 ff., 69 ff. Verdachtskündigung  39 ff., 57, 125 Vertrauenstatbestand  173, 186 f., 191, 193 ff. Waffengleichheit  103 f., 109, 236 Widerruf  131, 133, 143 ff. widersprechende Entscheidungen  38, 111, 122, 219 ff, 224, 233 ff. willkürliche Kündigung  153, 164 f., 177, 202 Wirksamkeitsfiktion  122, 124 ff., 140, 146 f., 163, 165 f., 168, 197, 208, 222 Zweistufigkeit der Rechtskraft siehe Tatbestand der Rechtskraft und Rechtsfolgen der Rechtskraft Zwischenfeststellungsklage  101, 112, 115, 122, 218 ff., 237 f. Zwischenurteil  248