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German Pages 118 [236] Year 1824
D i e
Waise von Unterlachen.
In zwei Theilen.
Erster
Theil.
G r i m ni a bei C. F. Göschen Beyer 1824.
Vorwort.
Wer mit dem Geiste der interessanten Ro
mane von dem berühmten Engländer Wal ter Scott vertraut ist, wird in der Waise von Unterlachen des Herrn d'Arlincourt den
nämlichen Geist finden, der sich aber mit französischer Lebhaftigkeit ausspricht.
Man
findet hier eben die Mittel, wodurch die
Aufmerksamkeit erregt und die Neugierde so außerordentlich gespannt wird, das näm liche Anknüpfen an einen wichtigen Zeit
punkt der Europäischen Geschichte;
man
findet auch hier ein anziehendes unbekann
tes Wesen, an die sich die Heldin des Ro mans anschließet;
man findet denselben
Reichthum an hinreißenden Scenen, wes wegen auch schon viele französische Dramen
daraus genommen sind, dieselben poetischen Beschreibungen Gegenstände.
reihender
landschaftlicher
In Frankreich hat das Ori
ginal:
le Solitaire die neunte Auflage
erlebt,
nach welcher diese schöne Ueber-
setzung nicht wörtlich, aber doch mit großer
Treue verfertigt ist. Der
Verleger.
Die Waise v-n Unterlachen nach
D' Arlincourt.
Erster Theil.
Unweit des Murter See's,
mitten in den
Bergen des alten Helvetiens,
in der Tiefe
eines von dichten Wäldem begränzten und von einem reißenden Strom durchrauschten Thales,
erhob
sich im fünfzehnten Zahr-
hundert das Kloster von Unterlachen.
Einige
Tage vor der bekannten Schlacht bei Murten hatte Karl der Kühne diese Abtei mit ihren Reichthümern der gierigen Wuth seiner Sol daten Preis gegeben.
Alle Mönche von Un
terlachen waren umgebracht worden.
Der
Felsen, auf welchem die Häupter dieser Un
glücklichen fielen, wurde dem Wanderer von den Hirten der Gegend gezeigt.
Ein Wun
der sogar verewigte, nach der Aussage der
Bergbewohner,
die grausame That des all-
zuberühmten Burgund's.
Der Stein, welcher den frommen Op
fern zum Blutgerüst diente, hatte die Farbe des Mordes bewahrt.
Von
seinem röth-
lichen Granit schien noch immer das der erwürgten Priester
herab
zu
Blut
rieseln;
und als Denkmal des Entsetzens wurde die
ser, am Ufer des Strom's emporstrebende,
die unauslöschlichen Spuren des Verbrechens tragende Felsen, die Schreckspihe genannt. Mehrere Zahre waren seit dieser trauri
gen Begebenheit verflossen, in deren Lauf Ren«, der junge Herzog von Lothringen,
den Wiederbesttz seiner von den Burgundern eroberten Staaten erlangt hatte.
über
Karl den Kühne»
den
Er hatte
unsterblichen
Sieg bei Nancy davon getragen.
Unweit den Mauern dieser Stadt war der bis zum Unkenntlichen entstellte Körper
Karls aus einem zugefrornen Teiche hervor
gezogen worden,
in welchen sein Edelknabe
ihn, während des Kampfes von einem tödt-
lichen Stich durchbohrt, hineinstürzen gese hen zu haben versicherte.
Seit lange schon
hatten die Schweitzer, von diesem fürchter
lichen Feind befreit, ihren Sieg durch öffent
liche Freudenfeste gefeiert, und,
wie ganz
Helvetien, genoß damals das Thal von Un terlachen eines tiefen Friedens.
Die Nacht umfing schweigend die Erde; das Schneegestöber fiel wirbelnd umher, und
die Winde tobten ungestüm gegen die alten
Bögen des Klosters von Unterlachen.
Der
Freiherr von Herstall, Besitzer der Abtei,
ein Greis, gebeugt von der Last derZahre, zündete seine
Lampe an dem fast verlösch
ten Heerdfeuer des Thurmes an, welchen er
bewohnte, und bewegte sich langsam zur Ka
pelle, wo er jeden Abend zu beten pflegte.
„Großer Golt!" rief Herstall am Fuße des
Altars niedergesunken, „vergieb dem Unglück die Klage.
Sollte mich der Tod vergessen
haben? Ach für mich ist das Leben ein er schöpftes Feld, welches nur dürre und bit
tere Kräuter hervorbringt.
Siehe! ich habe
lange in den Finsternissen des Daseyns umher
geirrt, laß, o gütiger Vater! endlich jene
Pforte öffnen , welche der Mensch das Grab
nennt, und die zu deinem Himmel führt!"
So spricht er:
Nur das Geschrei des
Todtenvogels und
das Gebrause des Win
ters antworten.
Herstall erhebt sich; um
geben von den Grabern der Abtei, unbeweglich,
bleich,
die Lampe in der Hand, die
hohlen Wangen von Thränen gefurcht, scheint
er der-Geist des Schmerzes über der Asche
der Todten zu seyn. Ein leichtes Geräusch bringt ihn zu sich selbst zurück.
Es ist die sanfte Stimme der
Unschuld, welche den Namen Herstall's aus
gesprochen hat, vnd der Greis wird gewahr, daß die zarte, gefühlvolle Elodie, neben ihn
auf die Kniee gesunken, weint. junge Waise,
Elodie, eine
Nichte,
bewohnt
allein mit ihm das Kloster. —
„ Mein
Herstall's
Vater, spricht die sanfte Jungfrau von Un
terlachen, du erflehest den Tod vom Him mel;
und ich, was soll hienieden aus mir
werden!-------- "
Beim Ausfprechen dieser Worte drückt sie die Hand des Greises an ihre Brust;
ihre Stimme verhaucht auf den Lippen und ihre stillen Thränen vollenden den Vorwurf.
Nur der blasse Schein von Herstall's
Lampe beleuchtete den rührenden Auftritt. Ohne zu
antworten
betrachtet
der Greis
einen Augenblick seinen jugendlichen Schütz» ling.
Jenen himmlischen Gebilden ähnlich,
welche sich die Einbildungskraft des Man nes in der ersten Dlüthenzeit des Lebens her vorzaubert, und wornach sich sein Herz im
Alter der Liebe sehnt,
erschien Elodie auf
Erden frischer als die junge Rose, reiner als die balsämische Frühlingsluft.
Ihre Bewegungen voll Anmuth, ihre Züge reihend, ihre Farbe weiß wie die Lilie, auf welche der erste Lichtstrahl aus Osten
fällt,
übertraf ihre Schönheit jede Vor
stellung, schien sie ein tvundervoller Traum. „Unglückliche!" sagt Herstall mit leiser Stimme, das Haupt abwendend, „Unglück-
liche,
wie beklage ich dich!"
dann 'kehrt
der Greis, von der Waise begleitet,
durch
das finstere Schiff der Kirche in den hohen Thurm der Abtei zurück.
Der Freiherr von Herstall hatte seine Zugendjahre an dem burgundischen Hofe zu
gebracht,
und
seinen
Namen
Schlachtfeldern verherrlicht.
auf
den
Für eine der
gefeiertsten Schönheiten des Reiches glühend, war er deren angebeteter Gemahl geworden.
Die Geburt eines Kindes hatte alle seine Wünsche erfüllt. cheres Paar
den
Nie beschiffte ein glückli
stürmischen
Strom
des
Lebens.
Aber dauernde Glückseligkeit ist nicht das Loos des Sterblichen: Oft ist ein glanzendes Glück, wie die Stille auf dem Meere, der
Vorbote eines Sturmes.
Es bekränzt seine
Lieblinge mit Blumen, Nur um sie geschmückt dem L pfer- Altare entgegen zu führen.
Her
stall verlohr seine theute Lebensgefährtin.
All' seine Liebe, alle seine Hoffnungen trug er nun auf seine Tochter über:
mit
strahlender Schönheit
begabt,
wurde die
junge Zrena bald der Stolz und Abgott ihres
Vaters.
Die Herzogin von Aroville, eine
entfernte Verwandte, hatte sterbend ihr un ermeßliches Vermögen dem einzigen Kinde des Freiherr» vermacht.
Durch ihre Ge
burt und Reichthümer,
sowohl als durch
ihre Reitze, schien Zrena zum glänzendsten Loose berufen.
Karl der Kühne, der mächtigste unter den Fürsten Europa's, der schönste der Bur
gundischen Krieger,
der berühmteste Held
des
erblickte Zrena,
Jahrhunderts,
und
schien mächtig von ihren Reitzen ergriffen.
Die schöne Erbin wurde mit allen Verfüh rungen der Liebe umringt, uNd verschwand
bald darauf von den heimischen Ufern.
Sie
war von Karln entführt worden. Der Freiherr gab sich der gräßlichsten
Verzweiflung hin;
Stunden, Tage, Mo
nate vergingen, Irenens Schicksal blieb un bekannt.
Herstall hatte nur seine Tochter
in der Welt gesehen, für ihn blieb nichts
IO
mehr darin zurück.
Irenens Herz war das
nach dessen Liebe er strebte, und
einzige,
Irenens Herz hatte ihn gänzlich allein ge lassen.
Die von Reihen strahlende Tochter
war fein Stolz gewesen, und die verirrte
Tochter war nun seine Schande geworden. Der edle Krieger
hatte sich vom Hofe
zurückgezogen: in der Tiefe seiner Einsam keit wurde ihm von unbekannter Hand Fol gendes geschrieben: — „Herstall, die un
die bereuende Irena erhebt, vom
glückliche,
Sterbebette
die Stimme zu ihrem Vater:
sie ruft dich,
eile ihre Bitte zu erfüllen,
wenn du die letzten Seufzer von dem Opfer
des treulosen Karls empfangen willst. “ Herstall fliegt zu der alterthümlichen BehausunF,
wo sie allein und verlassen ihre
Verirrungen abbüßt.
Er langt an, er er
blickt die Thürme des Lehengebäudes, er ist
mitten im Eingang--------- die Gitterthore des Schlosses öffnen sich,
ein Trauerwagen
schwankt aus seinen weiten Höfen, fromme Gesänge wiederhallen in den Lüften.
Her-
stall
sollte seine unglückliche Tochter nicht
Wiedersehen.
Irena war Mutter geworden; ihr Kind, in Thränen gebohren, hatte nur die Augen
geöffnet
um
sie
auf
immer zu schließen.
Ein Grab myschloß die beiden Geopferten.— Herstall folgte dem Leichenzuge.
Er ver-
theilte Irenens ganzen Nachlaß unter die
Armen und Unglücklichen des Landes, und
Sehnsucht,
voll
fern
von
den Menschen
seine Laufbahn zu beschließen, sein Unglück
in der Stille zu beweinen,
ging er, sein
Daseyn in der Einsamkeit der SchweitzerGebirge zu vergraben. Indessen verkündigte die Erscheinung der
Schwalbe unter den alten Bögen der Abtei den Bergbewohnern die Wiederkehr der Blu menzeit.
Zwischen den wilden Felsen Hel
vetiens hauchte schon das Thal von Unter
lachen den süßen Athem des Frühlings, die göttlichen Düfte der Natur aus.
Von den Thürmen der Abtei erblickte
man
in
blauer
Ferne
die
Alpen,
deren
schneebedeckte Gipfel sich
in
wunderlichen
Pyramiden, in blendenden Zacken erheben.
des
Dem Auge
Wanderers scheinen
diese
drohenden Fclsenmassen die riesenhaften Ge
rippe der Natur.
Von jedem Standpunkt
ihre trotzi
aus lassen ihre steittn Rücken, gen, widerstrebenden Formen, ten
Einbildungskraft
Pfeiler
ferne
Thorhallen
und
der getäusch Säulengänge,
erblicken.
Diese
Felsen tragen noch den erhabenen Charak
ter der Schöpfung;
Dunstgebilden der Zeit,
sie erscheinen
in den
der Lüfte wie die Palläste
die Obelisken des ersten Weltal
ters, die Tempel der Natur. Um den Weiler von Unterlachen, zeigen
sich einige dieser schrecklichen Berge ganz in der Nähe.
Einer der Wege, welche in die
Thäler niederführen,
schlängelt
eines furchtbaren Felsens,
sich längs
den man
von
einem vulkanischen Ausbruch halb umgestürzt
halten könnte. Der Gipfel dieses Spitzberges ist mit einem ewigen Schnee, glänzend noch, wie
am Tage der Schöpfung, überzogen, dessen Reinheit durch die blühenden Wiesen, durch
die duftigen Gebüsche und grünen Wälder
Unterlachens,
über die er herabschimmert,
noch mehr gehoben wird.
Bergstrom
Ein ungestümer
fluthet mitten durch das Thal,
welches düstere Tannen- und Druidenhaine mit ihren geheimnißvollen Gürteln umgeben.
Von den Felsen, durch die sich der Strom
seinen Weg gebahnt,
ziehen sich über den
Abgrund verschlungene Reben,
Frühling neue Blüthen giebt.
denen
der
Brausend
entstürzen die Wellen diesen wilden Gewöl
ben der Natur, dann aber tragen sie ruhig
und klar ihren spiegelnden Kristall gegen die grünen Matten des Klosters.
Jetzt,
da der Frühling seine reihenden
Gaben über Helvetien ausgesireut, vermählt die Nachtigall ihre
süßen Laute mit dem
sanften Gemurmel der Wasserfälle, und giebt der
ganzen Natur Leben und Fröhlichkeit
wieder.
Es ist die Zahrözeit der Liebe; die
J4 ganze Schöpfung
feiert
sie mit' Blumen -
und Dlüthenkränzen; —
Die Waise des Klosters betrachtet aus den vergitterten Fenstern ihres Thurmes die
lachende Landschaft von Unterlachen.
Auf
der Abendscite, gegen den Murtensee hin,
fesselte ein hoher, mit Wald bedeckter Berg besonders ihre Aufmerksamkeit.
„Mutter
Ursula, sagte Elodie zu der alten Hausmei sterin des Klosters, sehet wie glänzend die
ser ungeheure Felsen die letzten Farben der
Sonne zurückstrahlt." „Fromme Zungfrau! wendet eure Blicke
davon ab; dieserFelsen ist der Wildberg."— „Wohnen da keine Menschen?
Warum
fürchtest du ihn?"
„Menschen auf dem Wildberge!
Wer
würde wagen, seine Wohnung dort aufzu schlagen?"— Elodie lächelte.— „Warum ist denn dieser Wald und dieser Berg so ge
fürchtet?"— „Da ist es ja, wo der Ein
siedler haußt" antwortet Ursula, dem sie antwortete,
und in
bebte sie zusammen.
Aus Furcht sie zu betrüben, wagt Herstall's
Nichte keine weitere Frage,
und mit leich
tem Tritt die Treppe des Thurmes
hinab
eilend, vertieft sie sich in die Gebüsche des Klosters. — „Wer ist denn dieser Einsied
ler des Wtldberges, wiederholt sich Elodie? Sein Name schon erregt Grausen, und dem-
ohngeachtet wiederhallt die ganze Gegend von
den Wohlthaten, die er verbreitet." Mit schnellen Schritten geht sie durch
den Park bis zu einem nahen Hügel mit einem ländlichen Sommerhause, von wo aus das Auge das Thal überblicken kann.
her setzt sich Elodie.
mit purpurnen
zuweilen
die
Hie-
Der Himmel, leicht
Wölkchen besäet, ließ nur
Strahlen
der untergehenden
Sonne hindurchscheinen.
Die Gipfel der entfernter» Berge ver den Dünsten des Hori
lieren sich jetzt in
zonts; junge Hirten tanzen mit den Töch
tern
des Thales
den Rundetanz auf der
Mitte des Rasens;
glänzen in
Fröhlichkeit und Liebe
ihren Blicken;
die Hüte
der
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Schäferinnen sind mit Frühlingsblumen um wunden,
und
Pie
langen Flechten
ihrer
Haare werden von Abendwinden gewiegt.
Plötzlich läßt die wohlklingende Stimme eines Bergbewohners diese neuen Gesänge ertönen:
Wem von unsichtbarer Hand Stirn und Wange ist gekühlet,
Wer von seinem Schmerz erstand,
Sanfte Tröstung in sich fühlet, Sinke in dem Staube nieder
Vor des Thal's verborgenem Hüter! Aber, wessen Herz schon schlägt
Bei dem Namen: Todtenmale Und vor Geistern Schrecken hegt; Munt're Hirten aus dem Thale
Weidet nicht auf jenen Höhen, Wo er waltet ungesehen.
Um dem Sänger der Gegend zuzuhören,
haben die Landleute einen Augenblick ihre Tänze eingestellt.
gen.
Die Töne sind verklun
„Weidet nicht
auf jenen Höhen"
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fangen im Chor die Mädchen von Unterla
chen wieder an, und während die freudige Stunde die Alten aus der Einsamkeit zur
glücklichen Zugend
heranlockt,
wiederholt
das entfernte Echo: „Weidet nicht auf jenen Höhen."
Der ländliche Gesang fährt fort: Wenn, verfolgt von dem Geschick, Liebende ein Gott vereinet,
Und am Altar froh ihr Blick Milde FreudenthrÄNen weinet,
Sinket in dem Staube nieder Dor des Thal's verborgtem Hütet!
Aber, wer nicht unbedingt
An des Herzens Reinheit glaubet, Mit Verdacht und Zweifeln ringt
Und die Glücklichen beraubet, Greise — meidet jene Höhen, Wo er waltet ungesehen.
„Greise meidet jene Höhen" beginnt die fröhliche Menge von Neuem.
dauern fort;
Die Tänze
aber der Himmel hat sich in
dessen verdunkelt; die letzten Strahlen des
I.
rs Tages find durch einen Gewitterschleier verHüllt; und die Jungfrau von Uttterlachen bemerkt mit Erstaunen, daß die fröhliche Weise der Hirten und die fast unheilweissa genden Worte der Verse, die rauschenden Akkorde des Gebirgländers und das klagende Murmeln des Waldbaches, die Fröhlichkeit des Rasenplatzes und die Traurigkeit des Horizonts, daß alles in dem ganzen Thale in schneidendem Widersprüche steht. Wer schon nah' am Grabesrand
An der stillbescheidnen Hütte -Schnelle Rettung süß empfand,
Fröhlich in der Seinen Myte; Sinke in dem Staube meder
Vor des Thal's verborgnem Hüter!
Aber, wenn der Rosenhain,
Treulos, Schlangen in sich hegte, Wenn der Tugend falscher Schein
Nur der Unschuld Schlingen legte:
Fliehet Jungfrau'n! jene Höhen, Wo er waltet ungesehen.
»Fliehet Zungfrau'n jene Höhen" wiedechy.lt, abermals, der ländliche Chor. Die
Schatten des Abends dehnen sich über die Wälder hin; sich einander umschlungen Hal? lend entfernen sich die jugendlichen Bewoh ner des Weilers,
immer noch ihre leichten
Tänze fortsetzend.
Schon vermag die Waise
kaum mehr die Kleidung der Landleutc durch
die Bäume im Hintergrund der Wiese zu unterscheiden.
Die Gruppen der jungen Mädchen zer
streuen
sich,
und
verschwinden
unweit
des Stromes; ihre Stimmen verlieren sich in den Wogen der Luft, wie die Erinne rungen in den Herzen der Menschen.
Elodie vernimmt nur noch ferne Laute, flüchtige Akkorde; aber ihre erregte Einbil
dungskraft hat den Schlußreim des Hirten
gesanges
behalten,
und
die lauen Nacht
winde scheinen unaufhörlich die letzten Worte des
Bergliedes
vor
ihr
Ohr zu tragen:
„Fliehet Zungfrau'n jene Höhen “ — Der Freiherr von Herstall geht seiner
Nichte entgegen, begleitet vom Vater Anselmus, einem ehrwürdigen Priester, dem be-
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jährten Seelsorger des Weilers von Unter lachen.
Bald haben sie Siebte erreicht.
„Ehrwürdiger Vater Anselmus" sagt sie nach einigen Augenblicken des Schweigens,
„habt ihr jemals bett Einsiedler vom Wild berge gesehen? — „Ein einziges Mal," ant
wortet der über die Frage erstaunte Priester.
„Ist es ein Greis?" fragt die Jung frau weiter.
„Seine Züge sind mir noch
unbekannt."
„Ich kehrte eines Abends von Wiflisburg zurück, und ging den Murtensee ent lang:
Ein Eiswind
aus Norden wehte
über das ide Ufer des See's hin;
dunkle
Wolken verschleierten die Gestirne; nur der Schnee schien die Natur erhellen zu wollen.
Plötzlich gewahre ich eine Parke, welche den vom Wind bewegten
und
mit Eisschollen
bedeckten See zu durchschneiden strebte.
Ein
Fischer, ein junges Weib und ein schwaches Kind
füllten den Raum des schwankenden
Nachens.
„Schon hatte dern
sich
genähert,
durch angestrengtes Ru
das kleine als
Fahrzeug
dem Ufer
einem
Windstoß
von
es,
gegen die Felsen geschleudert, zerschellt unter die Eisdecke hinunter tauchte. — Ich erhebe ein Angstgeschrri,
der Fischer erschien bald
auf der Oberfläche des Wassers, Frau emporhebend,
die junge
welche er gerettet hat.
Sie erreichen das Ufer,
wo der erschöpfte
Fischer den Gebrauch seiner Sinne verliert.
Allein seine Gattin stürzt auf die Kniee nie
der, und das herzzerreissende Geschrei: Mein Kind!
mein Kind!
entwindet sich ihre«
Lippen."
,Ln demselben Augenblick erscheint ein Unbekannter von majestätischer Gestalt am
Strande des See's.
Den schwarzen Man
tel, welcher ihn verhüllte, von sich werfend, stürzt er sich mitten in
die Wogen.
Er
öffnet sich einen Weg durch die Eisschollm, erreicht den Felsen,
woran sich der Nachen
zersplitterte, taucht unter, verschwindet für einige Augenblicke, — und erhebt sich dann.
auf der einen Hand schwimmend,
mit der
andern das schwache, dem Grund des See's
entrißene Geschöpf emporhaltend,
Gott
wie der
der Gewässer auf einen Felsen
des
Gestades." „Die zärtliche Mutter ist zu seinen §ü-
ßen.
Zn Thränen gebadet umfaßt sie seine
Kniee, erwärmt das leblose Kind an ihrem
Busen.
Zch eile zu ihnen: der Fremde er
blickt mich,
und verhüllt sich sogleich wie
der in seinen Mantel. — euch diese Unglücklichen,
vollendet mein Werk"
„Zch empfehle sagt er zu mir,
und der sonderbare
Mensch ist verschwunden.
„Die Hütte des Fischers war in gerin
ger Entfernung.
Der
seine Augen
Lichte
dem
Unglückliche
wieder
Noch wankend erhebt er sich.
hatte
geöffnet.
Das junge
Weib unterstützt die Schritte ihres Gatten, ich trage das Kind auf meinen Armen; so kommen wir unter das ärmliche Dach; hier
loderte schon,
von wohlthätiger Hand an
gezündet, ein großes Feuer entgegen.
Die
SZ erstarrten Glieder des fast sterbenden Paa res belebten sich wieder an dem rettende»
Heerd.
Das Kind kommt ins Leben zu
rück, und als ich mich von der anziehenden
Familie trenne, bemerke "ich,
daß ein mit
Gold gefüllter Deutel auf dem Tische der
Hütte von der unsichtbaren Macht, von Dem Unbekannten des Wtldberges, zurückgelassen worden ist."
Ganz in
ren,
Anselmus
Erzählung
verlo
hatte Elodie abwechselnd die Thränen
des Entsetzens und der Rührung geweint.
„Und ihr habt die Züge des edel» Unbe
kannten nicht gesehen?" — konnte
mich
ihm
so
weit
„Nein, nicht
ich
nähern.
Die Nacht war dunkel, ich hörte nur seiye Stimme." —
„Und wie konntet ihr ihn
für den.Einsiedler erkennen?" —
„An
dem Bilde, welches mir die Landleute von ihm entworfen haben, an feiner majestäti schen Gestalt,
wn
seinem
geheimnißvolle»
Benehmen, an seinem.bewundernswürdigen
Muthe,- an. seiner bekannten Wohlthätigkeit."
Herstall näherte sich jetzt seinem Freunde
Mit der Frage:
„Habt ihr nicht getrachtet
diesen seltenen Menschen wiederzusehen ? “ —
„Zch
würde
es
umsonst
Der Einsiedler, entzieht sich
versucht
habe».
allen Blicken,
vermeidet alle Unterredungen, und laßt sich nur in gewisser Entfernung von den Un
glücklichen erblicken, denen er erscheint.
beyzustehen
Sein Gesicht ist von den Be
wohnern unserer Gegend kaum noch gekannt.
Unter tausend verschiedenen Trachten, unter
tausend veränderten Gestalten sagt man, im Thal gezeigt;
hat er sich,
und das, dem
Wundervollen anhängende Volk, welches ihn
nicht sieht,
ihn, da, kann.
wo es ihn finden sollte, sucht wo
er. nicht
gesehen
werden
Daher die unbegreiflichen Erzählun
gen der Thalbewohner..
Der eine behaup
tet, ihn Abends über den See gehend gese hen zu haben;
er schritt mit festem Fuß
auf dem Gewässer, wie der Apostel bei der Stimme des Herrn.
Ein anderer sah ihn
sich vom Felsen herab in den Strom stür-
LA unter
zen,
der Gestalt
eines Schwan's,
gleich dem ligurischen Könige beim Grab
Diese versichert,
mal des Phaeton.
von
feiner-Hand auf dem Sterbebette den Trank
empfangend, welcher ihr das Leben wieder-
gab, ihm mit einem'Lichtkreis ums Hanpt erblickt zu haben,
wie Ler Engel des Cab-
variberges, als er die Auferstehung verkün Jene,
digte.
durch, seine
großmüthigen
Gaben vom Verderben gerettet,
behauptet,
daß sie, ihn unter einem Gewitter auf ei nem feurigen Wagen durch die Lüfte schwe
ben gesehen, Jordans. Liebe,
wie Elias an den Ufern des
Endlich,
der
Gegenstand
der
des Schreckens, und der Bewunde
rung, der Inhalt ihrer Unterhaltungen, ist ihnen der Einsiedler des Wiidberges der Geist
des Geheimnisses, der Held der Wohlthätig keit und der Mann der Wunder." — „Welch sonderbares
Herstall.
ihr von dem Einsiedler? —
mir
noch
Gemälde!
Aber ihr, Anselm,
rief
was haltet Ich getraue
nicht ihn.zu beurtheilen; feine
Handlungen kündigen
eine erhabne Seele
an, aber unwillkührlich scheue ich ihn.
Es
giebt große Verbrecher, welche den großen Menschen ähnlich sehen." ;—
brecher! — sagte
„Ein Ver
Clodie erschrocken;
ihr könntet es glauben? " —
er!
„Nein, ich
verwerfe selbst mit Abscheu diesen Gedan ken; aber warum sich in die Schatten des
Geheimnisses hüllen? warum den Blick der Menschen
fliehen,
sich,
warum
wie
die
Thiere der Wildniß, nur in Hölen, Felsen
und Wäldern gefallen? nung
durch
warum seine Woh
Erscheinungen
und
magische
Wirkungen, wovor das leichtgläubige Volk
zittert, unzugänglich machen? meine Tochter, zeichnet sich,
Nicht also, meinem Ge
fühl nach, der reine. Mensch die Dahn des
Lebens
vor.
Die Tugend
Schleier, das Geheimniß
wandelt
ohne
ist nicht für. sie.
Der vorwurfsfreie Sterbliche läßt gern in
seinem Herzen lesen;
er scheut das
Licht
nicht, noch haßt oder flieht er seinen Näch
sten.
Wehe dem Menschen,
welcher
den
Menschen fürchtend,
sein Daseyn mit Fin
sterniß und Blendwert umgeben zu müssen glaubt!“
—
Verdammen wir den Einsiedler noch
nicht, sagt Herstall; vielleicht hat ihn nur
Las Unglück so menschenscheu gemacht.
rückgekommen
von allen
Täuschungen
Zu
deS
Lebens, findet er vielleicht nur noch Reitze in der Einsamkeit; ist dies ein Verbrechen? ist dies
selbst
nur
ein Irrthum?
Wie
viele fromme Einsiedler haben ihre letzten
Tage in verborgener Zurückgezogenheit ver grabe», bereit Seele demohngeachtet nie ein
Vorwurf belastete. lange mitten
Ach!
ich
selbst,
der
unter den Stürmen des Le
bens an heitere Tage glaubte, der auf be
wegten Wogen von Ruhe träumte; der dem Luftgebilde des Glückes in der bevölkerten
Wüste
der gebildeten Welt nachjagte;
ich
selbst, das Opfer des Unglücks, würde ohne di« heilige Pflicht, welche mich an die Waise
von Unterlachen bindet, fern von den Men
schen,
ein
vorwurfsloses
Daseyn
in
der
Tiefe irgend einer unzugänglichen Einsam keit verborgen haben. Der
Unbekannte
Thäler
dieser
seine Mitmenschen nicht, da er
haßt
ihre. Leiden
mitfühlend, sich oft als ihren Retter gezeigt
hat: er flieht sie nicht, weil er überall er
scheint,
wo
die
Stimme
des Schmerzes
und der Verzweiflung ertönt. Verbrechen argwohnen,
Warum also
wo alles nur Tu
gend verkündigt? —
Zch kann mich täuschen, antwortet Anselmus; ich habe Unrecht, ich will eS gern
glauben; ich tadle mich darüber; und demohngeachtet ist es mir unmöglich einen un
durchdringlichen Menschen nicht zu fürchten, welcher dem finstern Schlunde gleicht, des
sen Grund das. Senkblei vergebens suchen würde."
Er sagt' es, und unter den Mau
ern
Abtei
der
trennen
sich
die
beiden
ganz
seinen
Freunde. Von der Welt entfernt,
frommen Pflichten ergeben, hatte Anselmus seine Tage
friedlich in Helvetien verlebt;
ein einziges Ereigniß hatte sein Leben ge
trübt und sein Herz zerrissen.
Der Freund
seiner Kindheit, der Prior- von Unterlachen, wurde unter feinen Augen durch die Sol
daten Karl des Kühnen ermordet; und er selbst entgieng ihrer Wuth gleichsam
nur
durch ein Wunder. Anselmus besaß alle evangelischen Tugen
den
der Seelenhirten des ersten
christli
chen Zeitalters, aber er vereinigte damit die
strenge Unduldsamkeit der Priester des fünf
Wenn er der Re
zehnten Jahrhunderts.
gung seines Herzens folgte, zeigte sich An selmus immer als nachsichtiger Apostel, aber
nach der Vorschrift seiner Grundsätze han delnd,
war er manchmal
Priester.
ein fanatischer
Er glich gewöhnlich dem friedli
chen Dache, welcher- in milden Wellen da
hinfließt; und
demohngeachtet konnte er,
von einer plötzlichen -Eingebung
gleich einem entzündeten Vulkan, und Blitze auf die herabschleudern.
ergriffen, Donner
verirrten Sterblichen
Mit
tiefer Empfindung
und aufopferndem Muthe begabt, bereit sich
für feinen Nächsten hinzugcben,
hielt
er
keine Anstrengung der christli
kein Opfer,
Einfach,
chen Liebe für unmöglich.
aber
Überspannt, ruhig, aber begeistert, vereinigte
Anselm,
in
Menschen,
sich allein
merkwürdige
zwei
zwei entgegengesetzte Naturen;
dieser Fenelon des Thalls hätte ein Samuel seyn können.
Elodir war unlängst in ihr achtzehntes Zahr eingetreten.
Zn der Einsamkeit erzo
gen, einfach, natürlich und rein,
ßen
und
hatte sie
ihren Freuden, ihren Grö
von der Welt,
ihren Gefahren
sprechen hören,
ohne eine Vorstellung damit zu verbinden.:
das Thal von Unterlachen war
für sie der
ihrem
Verlangen.
Erdkreis;
es
genügte
Sie hatte andere. Gegenden, andere Länder rühmen höre»,
ohne jemals den Wunsch zu
hegen, sie kennen zu lernen.
ihre Blicke von
Und wenn sie
den Thürmen der
Abtei
über die bezaubernde Landschaft von Mur ten schweifen ließ, oder sie zu den himmli-
schm Räumen erhob;
hatte sie dann noch
nöthig, die Welt zu durchwandern,
um die
Werke und
den Ruhm des Herrn zu. be
wundern?
Ein einziger Punkt des Erd
balls • genügt
einem
zur Bewunderung,
ganzen Menschenleben
wie der Name Gottes
allein allen Gedanken einer frommen Seele.
Den
mmschlichen
Leidenschaften
fremd,
welche ihre Einbildungskraft kaum
konnte Elodie
greifen vermochte,
die Macht des Böse» glauben; noch
zitternder
als
das
zu be nicht an
und den
schüchterne
Reh
bei der Annäherung des Jägers, oft durch ungewisse Schrecken geängstigt, fuhr sie bet
dem geringsten Geräusch beunruhigte
Vorfall.
sich
bet dem
zuscimmen,
und
unbedeutendsten
Schwach wie das Schilfrohr des
See's, bedurfte sie einer-festen. Stütze,
an
welche sie ihre Gedanken lehnen, zu der sie ihre sanften Bitten erheben, wohin sie ihre Unschuld flüchten konnte. Obschon gewöhnt, sie ins Thal hinab
kommen zu sehen,
stände»" die Lanbleute
jedesmal
Noch
von Bewunderung
fen, bei ihrem Anblick stille.
ergrif
Ihr mit den
Augen durch die Daumgruppen und die Ab tei .folgend, konnte« sie sich kaum überreden,
daß. diese entzückende» Formen nicht einem himmlischen — nur für kurze Zeit zu ihnen herabgestiegenen
Geiste angehören
sollten.
Nie Schönheit der Waise, ihr Adel, ihr«
Anmuth kommen ihnen übernatürlich vor:
und die ganze Gegend hatte ihr den Zunamen „der Taube von Unterlachen" beigelegt.
Obwohl als
die Tochter
des
Grafen
von Saint-Maur, Erbin eines großen Na mens, und schon bei ihrer Geburt bestimmt, einst unermeßliche Reichthümer zu
hatte Elodie doch alles verloren.
die
sie
blieb
irdische ihr
auch
besitzen, Aber da
Größe nicht kannte, das
Bedauern
so
derselben
fremd. In den Staaten Philipps des Guten,
Herzogs von Burgund geboren,
hatte der
Graf von Saint-Maur die ersten Schritte des Grafen von Charolais, später Karl der
Kühne, in den Feldzügen geleitet.
Ludwig
XI., damals noch Dauphin, war den vä
terlichen Zorn fliehend
Hof Phi
an den
lipps geflüchtet, und hatte sich in brüderli cher Freundschaft
mit dem
dieses
Sohne
Herzogs verbunden.
Der Graf von Saint Maur,
obschon
viel älter als die beiden Prinzen,
war der
verließ
Gefährte ihrer Vergnügungen und
sie nur selten; aber bei so entgegengesetzten Gemüthern wie Karl und Ludwig,
konnten
die Gefühle liebender Zuneigung nicht dau
erhaft seyn. Tief versteckt, war Ludwig XI. niemals
mehr zu fürchten,
als wenn er am wenig
sten zu Besorgnissen Anlaß gab.
Freundschaftsverficherungen Lippen drängten, Hasses lößten sich
Eifersüchtig und
sich
Ze mehr
auf
seine
desto mehr Gefühle des in
ab.
seinem Herzen
treulos
Ueberlegenheit noch Macht.
vergab er
weder
Die Größe de
müthigen und die Niedrigkeit erheben, war sein unveränderlicher Grundsatz.
I.
Ehrgeizig, 3
spielte er mit
meineidig und blutdürstig,
jedem edler» Gefühl,
und glaubte nur an
die Verderbtheit; abergläubisch ohne Fröm migkeit, war er weder Sohn, noch Vater,
weder Freund, noch Gemahl;
und dennoch
erhielt er den Bei-Namen des „Wieder
herstellers der Monarchie."
Sollte es denn
wahr seyn, daß man alle großen Eigenschaften eines Königs haben kann,
ohne
eine
rinjige der christlichen Tugenden zu besitzen l Der junge Gefährte Ludwigs, Karl hin
gegen, von Natur offenherzig und großmü thig,
ließ nur allzusehr in seiner Seele le
sen: er war edel und höherer Begeisterung fähig;
aber
sich
ohne Zurückhaltung
Heftigkeit seiner Leidenschaften
kündigte
er
seit
seiner
den ungestümen Krieger, lichen Fürsten an,
frühesten Zugend
den
und
des
unbezwing
welchem die Geschichte
den Namen des Verwegenen, lichen,
der
überlassend,
des Schreck
Kühnen beilegen
sollte.
Bald rief Karls VII. Tod den Dauphin
auf den Thron:
und der Krieg
zwischen
Frankreich und Burgund ist erklärt.
Vom
Grafen von Saint Maur begleitet,
zieht
Karl an der Spitze der Heere seines Va
ters, ins Feld, trägt einen berühmten Sieg
bei Mont-Chery davon, ist auf bey,Punkt, Ludwig XL gefangen zu. nehmen, und schon
belagert er Paris. Der König knüpft Unterhandlungen an:
brr berühmte Vertrag
pon Constans.wird
von den beiden Fürsten unterzeichnet,
und
der siegende Held kehrt in seine Staaten zurück.
Philipp der Gute starb.
Karl,
zog von Burgund geworden,
Her
überließ sich
dem Ungestüm seines Charakters,
und sei
ner glänzenden Tapferkeit vertrauend, setzte
er jeßt seinem Ehrgeiz keine Grenzen mehr. Zahllose Steuern auflegend, um die Be-
dürsiiisse
des Heeres damit zu
bestreiten,
hätte er den Erdkreis unterjochen mögen-
ehe er sich Ruhe eriaubte. rere. Staaten
mit
Er hatte meh
Burgund vereinigt, . er
wollte Lothringen. Hinzufügen.
Nach dem
Elsaß strebend, zählte er auch darauf,
sich
derSchweitz zu bemächtigen, nahm sich vor, seine Herrschaft bis auf Deutschland aus
zudehnen; und ein belgisches Königreich zu gründen, wobei er den Kaiser Friederich zu
zwingen hoffte, ihm selbst die Krone aufs
Haupt zu sehen. Mit Reichthümern beladen und mit Eh
renstellen überhäuft, Gemahl der Schwester
von Herstall, und Elodiens
des Freiherrn
Vater,
hatte der Graf von Saint Maur
niemals den Herzog verlassen.
Vom Volk
und dem Heere geliebt, das höchste Ansehen bei Hofe genießend, wagte er, sich den krie?
gerischen Plänen seines Fürsten zu Wieder Durch
sehen.
die
Vergrößerung
Dur-
gund's beunruhigt, hatte Ludwig XL schon
durch
seine
Kundschafter
Karls Truppen,
ruhrs
in
Spaltung unter
und den Geist des Auf
feinen Provrnzeu gesäet.
Der
Graf von Saint-Maur, glaubte, sich bei ei nem Helden,
seinem.ehemaligen
Zögling
einige strenge Vorstellungen erlauben, zu düc-
feit.
Er
ihm die Gefahr • seiner
machte
Unternehmungen anschaulich und sagte dem Eroberer die Unfälle voraus: —
„ Mein
Fürst, sprach der Graf, indem er seine Rede schloß, seit langer Zeit'zu der Ehre berufen
eure Heere zu befehligen, habe, ich oft euer Betrauen verdient.
erhalten;
immer
eure
Achtung
Wenn euch heute meine Rath«
schlage beleidigen konnten,
so erlaubt mir
mich vom Hofe zurückzuziehen, ich vermag nicht zu bleiben,
wo ich nicht mehr nütz
lich seyn kann." —
„ Gut, antwortete der
Herzog trotzig, „ziehet Euch zurück." Seinem jungen Herrscher ergeben,
enfc
fernt sich
der betrübte Graf Saint Maur
seufzend.
Er geht langsam durch die fürst
liche Gallerte.
Karl folgt ihm mit den Au
gen :. damals
vereinigte
Burgund mit
seinen Heldentugendey
der Herzog
von
eilte
glühende, gefühlvolle Seele, und war noch
weit
entfernt,
jenes Ungeheuer
zu' seyn,
welches später ein Opfer seiner eignen Rase
rey,
das- Entsetzen seiner Zeitgenossen ins
Grab mitnehmen sollte:
Karl gieng seinen
alten Freund zurückzurufen,
als im. Hofe
des- Pallastes ein fürchterlicher Tumult ent stand.
Eine Meuterei- war
ausgebrochen;
Unv der bewaffnete Pöbel drang mit wildem Geschrei gegen die fürstliche Residenz Heran.
Der Herzog horcht auf und unter dem Ge töse der Menge unterscheidet er den Ruf:^
„Es lebe Saint-Maur!"
Die Leibwache
des Fürsten suchte die Angreifenden zurückzustvßen: ein blutiger Kampf entspann sich:
Karl der Kühne ergreift fein Schwerd, und
von einigen Rittern begleitet, will ex selbst auf die Rebellen losstürzen,
da stellt sich
ihm Saint Maur bar, und will ihn,
das Leben seines Herrn fürchtend,
halten. —
„Laß mich,
der wüthende Fürst." — Maur!
schreit
Volksmasse.
Verräther!
sagt
„Es lebe Saint-
Ferne
die
empörte
Dann -sich gegen seine Krie
ger kehrend: —
außer sich,
von
für
zurück
„Hier ist er,
hier ist
ruft Karl
das Haupt des Auf
ruhrs; sein Sieg soll kurz seyn!".
IN diesem Augenblick, von allen Set ten umringt,
Blute
nem
stürht Saint Maur in
nieder:
und
die
sei
öffentliche
Stimme beschuldigte den Fürsten,
mit eig
ner Hand seinen alten Freund geopfert zu haben. Karl ist mitten unter den Kämpfenden. Sein Anblick
«nd seine Tapferkeit haben
Alles' füllt
im Ru die Empörer zerstreut«
oder flieht vor seinem Schwert; und schon
sind
die
Häupter der Verschwörung seine
Gefangenen.
Als
Ueberwinder
in
seine
fürstliche Wohnung zurückgekehrt, freute sich
der Herzog seines Sieges, als sich Saint Maurs Leichnam, der aus dem Pallast ge schleppt wurde, seinen Blicken zeigt« und
ihn schaudern machte.
Ach
der Tag des
Helden schien der eines Mörders.
Ein- Verbrechen zieht immer ein zweites nach sichi
Der Herzog von Burgund er
klärt den Grafen
von Saint
Hochverraths schuldig: —
Maur des
„Man hat ihn
in dem Augenblick getödtet, sagt er, wo er
4o sich an die Spitze der Rebellen stellen wollte, welche ihn herbeiriefen, und der Staat ist
von
seinem
gefährlichsten
Feinde
befreit
worden." Der blutende Körper des vermeintlichen
Rebellen - Anführers wurde der Wuth der
Menge Preis gegeben.
Ein Urtheil zog,
zum Nutzen des Herrschers, die unermeßlichen Güter des Geopferten «in, und ,,Saint
Maurs Wittwe floh in die Berg« -Helve
tiens, von allen ihren Reichthümern Lichts, als die arme Waise * von Unterlachen mit
sich nehmend. Der Freiherr von Herstall
wohnte da
mals an den Ufern des Murter-See's, nicht weit von dem Kloster, zu dessen Besitzer er
sich erst später machte.
Schon halb ster
bend warf sich die Gräfin von Saint Maur in dieArme ihres Bruders.
Zhk Unglück,
ihre Flucht, ihre Leiden hatten ihre Kräfte
erschöpft, und Elodiens Mutter war bald an den Pforten des Grabes. —
„Herstall,
sagte die Unglückliche wenige Tag« vor ih-
rem Tode: ich empfehle dir meine Tochter; niemals, wenn es möglich ist, verlasse sie dieses friedliche Thal,
irdische
Größe
niemals lerne sie die
kennen
und
den
Preis,
welchen sie ihren Besitzern kostet! Wäre ich in der Hütte eines Bergbewohners gebüh
ren, so hätte ich jlvar, gleich, den Welle» dieses Stroms, durch Gewitter getrübt wer
den könne», aber nach vergangenem Sturm würde ich den Azur des reinen Himmels wieder zurückspiegeln.
0
mein
Bruder!
möge Elodie durch dich ganz in der Sitten-
Einfalt früherer Jahrhunderte erzogen Wer den! Spreche ihr von den Fürsten und ih
ren Höfen,, wie von den Klippen des Welt-
meer's,
denen sich nur die kühnen Schif
fer nahen dürfen."
Elodiens Mutter
wurde in der Gruft
der Kloster-Kapelle beigesetzt, und ihr letz
ter Wunsch erfüllt. Der Freiherr von Herstall
selbst durch das Unglück niedergedrückt, und für immer der Welt entsagend, widmete fortan der verlassenen Waise sein ganzes Daseyn.
Zur Stunde des Frühmahls hatten sich Elvdie, Anselm und der Freiherr von Hekstall in einem der alten Säle der Abte» zu sammengefunden. — „Mein Vater, nahm auf einmal Saint Maur's Tochter, sich an den Pfarret v»N> Ilnterlachen wendend, das'Wort: um iveik des Murter-Sce's erhebt sich ein Fel sen,' dem sich die Bewohner der Gegend nicht zu nähern wagen. An der Schreck spitze, sagen sie, erscheine seit mehreren Jahrhunderten das blutige Gespenst. Wo her schreibt sich dieser Schrecken des Volks? Was soll man von den Erzählungen des Thals glauben? Welche Bewandwiß hat es mit diesem Gespenst?" — „Wenn ihr die Schweitz durchwandert hättet, würdet ihr mich nicht über «inen Aberglauben be fragen, der euch jetzt befremdet. Jedes
Dorf unserer
Berge Hat seine Wunder.
Hier ist es ein Gespenst, welches sich in ei
nem Scharlachgewande zxigt; . in Valangin
ist eS ein Brunnen,
aus. dem eine feurig«
Schlange hervorschießt; in Bevaix eine alte Eiche, welche Orakel ercheilt;
in Vervicres
ist es «in Thurm, der zu Zeiten geht;
Merligen
eine
in
schwarze Cisterne, welche
eine weise Fee bewohnt; in. Grindelwald ist es ein« Sänke, die sich.während einiger Mi
nuten in einen Wasserfall verwandelt, wenn eine Jungfrau des Cantons am sechsten Tag
des Neumondes stirbt.
So giebt es endlich
in unserm Jahrhundert keinen Weiler Helvetiens, der nicht seine Erscheinungen und
seine Hmiberer hätte. Der. Mensch, dieser unvollkommene Ent
wurf, das verlöschte Bild der Gottheit, ur sprünglich für einen wundervollen Aufenthalt gemacht-, aber seit seinem Fall auf ein Land
der Verbannung und Wanderschaft geschleu
dert, scheint hier noch eine verworrene Vorstellung seiner ersten Bestimmung zu bewahr
rett:
er trägt
baS schwankende -und
ge
heimnisvolle Bedürfniß zu übernatürlichen Dingen in sich.
Für unsterbliche Wohnun
geschaffen/unruhig
gen
über dieses Leben
und wie am unrechten Plahe in Vieser Welt, zeigt er sich gierig nach allem, .was ihn der
traurigen.Wirklichkeit entreißt.
-Sich die
Wunder eines andern Daseyns vorzeitig zuoignend, seufzt er beständig nach etwas Au
ßerordentlichem auf diesem Erdenrunde, wo rauf er selbst das Größte,
und sein Geist
das Erstaunenswürdigste ist.
Keiner der Thalbewohner hat noch daS blutige Gespenst gesehen, aber die alten Sa gen haben dessen Erscheinung geheiligt; seit Jahrhunderten erschreckten
Kinder damit, Gottlosigkeit
Väter ihre
welche sich einer Art von
schuldig zu
haben würden,
die
machen geglaubt
wenn sie dieselben Nicht so,
wie sie sie von ihren Vorältern empfingen, auf ihre Nachkommen übergetragen hätten.
Sie
fürchteten das Gedächtniß ihrer
Vä
ter zu beleidigen, wenn sie einen Augenblick
Wahrheit ihrer
die
Erzählungen
bezwei
felten.
So Pflanzen sich
die Irrthümer unter
uns fort, Irrthümer, welche auf dem Lande zuweilen ihren Nutzen haben.
Der Aber
glaube erhält das Volk oft in
einer heili
gen Scheu vor dem Verbrechen, er wendet dessen Gedanken
dem
Ewigen zu,
spricht
ihm von einem andern Leben und eifert es zum Gebet an, um sich vor der Macht des
Bösen zu schützen.
Wie oft haben ein ein
faches Kreutz,
geheimnißvoller Rosen
ein
kranz, ein geweihter Zweig, oder ein wunderthätiges
Bild,
Freude,
Hoffnung und
Vertrauen unter das Dach einer armseligen
Hütte getragen.
Dem unglücklichen Land
mann ist.es nothwendig, sich mit Vertheidigern und Tröstungen zu umringen.
Ze-
mehr seine Gewohnheiten, Sitten, und selbst
seine Einbildungen, die Gedgnken von der
traurigen Knechtschaft des. Lebens abziehen, desto
weniger
werden
drückend scheinen.
ihm, dessen
Ketten
Ost auch hängen Irrthümer mit Wahr heiten zusammen:
um ihren Lauf zu hem
men, muß matt deren
wie man,
Ursprung angreifen,
einen Bach auszutrocknen,
um
seine Quelle verstopfen muß.
körperlicher
Dann ersetzt
Stoff das Geistige, der
son
dernde Verstand das Gefühl, und Vernunft
schlüsse
die
Bezauberung.
Dattn
ist der
Mensch kein niedergeschmetterter, aus «ine
Wüste
herabgesunkener
Glaubt mir,
Herstall,
Verbannter mehr.
unter den Sterbli
chen in den Finsternissen des Daseyns,
ist
eine Leuchte
des
das philosophische Todes,
welche
Licht
nichts
als
das -Chaos
erhellt.
Zudem er ditse Worte auSspeach,
war
Anselm aufgestanden';-und seine-Blicke nach
dem Murter - See' hinwendend ,
„Gegen Osten ist
sagte
er r
der Fels, wo sich -das
blutige Gespenst -sehen läßt: Ach, er war
Zeuge eines entsetzlichen Schauspiels!
Auf
dieser unglücklichen Klippe war es, wo der Herzog
von
Burgund
den -Mord
aller
Mönche dieses Klosters befahl; vom Gipfel dieses Gesteins rollten die Köpfe der Schlacht
opfer seiner Grausamkeit, in die Tiefe hinab»
Entsetzlicher Tag! Noch glaube ich den un
glücklichen Prior, den Freund meiner fu gend,
durch die Trabanten eines Ungeheu
ers von den Altären gerissen, zum Tode ge
schleppt,
als ergebenen Märtyrer..... O
meine Tochter! möchten die Gewaltigen die
ser Erde sich niemals unsern entlegenen Thä lern nahen!"
Nach einem, ziemlich langen
Schweigen sagte Herstall: „ich habe erzäh,
len hören, daß seit der gräßlichen Plünde rung der Abtei, das blutige Gespenst auf
der Bergspitze
den
Gebirgsbewohnern er
schienen sey, und sie alle die Züge des Pri
ors von Unterlachen erkannt hätten. — Aber den Aberglauben bey Seite,
ist schön;
Der Morgen
kommt, mein würdiger Freund,
laßt uns noch einmal die Tage
des Früh
lings genießen: vielleicht kehrt diese Jahres zeit für uns nicht wieder» In die Klostergärtrn hinabgestiegen, ver-
vertiefte sich Elodie, fern von Greisen, Kindheit.
in
den beiden
die geliebten Gebüsche ihrer
Als sie bei der kleinen Erhöhung
anlangte, wo sie am Abende zuvor die Ge sänge der Landleute belauscht hatte, blieb
sie stehen, und glaubtö die Spur fremder
Tritte in dem'Sande zu bemerken.
Sie
geht in- den Pavillon hinein: ein vergessenes Körbchen war darin zurückgeblieben:
aber
eine unbekannte Hand hat ein blaues Band, welches ihr zum Gürtel diente, entwendet.
Erstaunt setzt sich die Zungfrau unter das ländliche Dach und bleibt einige Augenblicke
nachdenkend und
unbeweglich.
Aber plötz
lich von einem dunkeln Gefühl des Schre
ckens ergriffen, erhebt sie sich wieder.
Zhre,
feit einigen Tagen von sonderbaren Erzäh
lungen aufgeregte Einbildungskraft, hat al
len Gegenständen, welche sie umgaben, eine abentheuerliche Färbung geliehen.
dicken Fensterscheiben
des
Durch die
Sommerhauses
glaubt sie einen schwarzen Mantel unter dem
Gezweig verschwinden zu sehen: sie wähnt
«inen Kkägelaut aus dem nächsttn Gebüsch
zu vernehmen;
eS scheint ihr, als ob ein
furchtbarer Blick auf sie gerichtet sey; 'sie flieht gegen das Kloster;
und ihr schwe
lender:
leichten,
Lauf
Abendwind
ist
dahin
einer
getriebenen
vom
Wolke
zu
vergleiche».
Einige Tage hindurch wagte die Waise sich von ihrem ehrwürdigen Beschü
nicht,
tzer zu entfernen: sie begab sich nicht Mehr
in
das Sommerhäuschen.
sich,
bleiben; kam rück.
Sie fürchtete
in den Gärten der Abtei allein zu
der Verlust
des
ohne Unterlaß in
blauen Bandes
ihre Gedanken zu
Indeß gelang es ihr allmählig, ihre
«ingebildeten Besorgnisse und trüben Träu
mereien zu überwinden; sie erlangte threü Frohsinn wieder
und hörte auf,
sich mit
Schatten und Geistern zu beschäftigen; ja sie befragte sich
endlich sogar
nicht mehr
über den Einsiedler des Wildberges. Frieden
verfloß
ein
Tag wie
Zn
der andere
Elodien, einer Frühlingsrose gleich, welche
I.
4
der glühende Hauch der Gewitter .noch nicht
getroffen. —
Sie schritt so vertrauensvoll
im Leben weiter, wie sich die Frühlerche in die blauen Räume des Himmels ausschwingt. Eine Sorge nur trübte ihr Daseyn: Her stall, ihr einziger Führer und Freund, ihre
einzige Stühe in der Welt, schien von lan
gem Leiden untergraben sich der Gruft zu zuneigen.
Die heilige Glocke hatte die Gläubigen des Thals
zum Abendgebet gerufen, und
schon versammelte
die Klosterkapelle, . als
einzige Kirche des Dorfes,
die von ihren
Arbeiten zurückgekehrten Landleute.
Elodie
ist unter dem heiligen Gewölbe, und ihre hei ßen Gebete flehen den Ewigen um die Er
haltung ihres Pflegvaters an.
Die Schat
ten der Nacht umhüllen die Abtei; die Worte des Priesters, die Gesänge der Bergbewoh
ner und die sanften Stimmen der Kindheit, welche sich im Chor zu
dem ewigen Dome
erhoben, hatten Elodie in frommen und hei ligen Trübsinn versenkt.
Plötzlich entreißt
sie »in dumpfes Gestöhne in der Nähe ih
rer Andacht; und in dem schwachen Monh-
licht, welches durch die alten Fensterscheiben der Seiten - Kapelle dringt, zurückgezogen,
wohin sie sich
erblickt sie an einem. Bogen
im Schiff der Kirche
einen Fremden,
lange Missionärs-Kleider gehüllt,
auf dem
Er betet
heiligen Boden niedergeworfen. mit Inbrunst,
in
und seiner Brust hat sich
der Klagelaut entwunden, der Elodien auf Alle Bewohner Unterlachens find
schreckte.
der Waise bekannt;
Priester
der
Anselm ist der einzige
Gegend:
der Fremde
also nur ein frommer Pilger seyn, die Kirche
Nichte
des Thales besucht.
beobachtet
ihn
kann
welcher Herstalls
aufmerksam:
seine
Züge sind ihr verborgen; sein Kopf ist ge
gen eine Säule gelehnt, und sein in diesem Augenblick
regungsloser Körper
scheint so
leblos wie der Marmor der ihn stützt.
Die
Abendandacht war geendigt:
tiefes E Schweigen
folgt, den
ein
Lobgesängen.
Dje Menge zerstreut sich unter der Thor-
- ' ■
54
—
Halle; und der Engel des Gebetes' hat sei-
ufli Flug zum Thron des Ewigen zurück genommen.
Elodie wirft einen letzten Blick
auf den Unbekannten, welcher in der veröde ten Bogenwölbung zurückgeblieben ist, und
durch einen
unterirdischen Ausgang,
der
Mittelst einer anstoßenden Gallerte mit best Kloster - Gärten
znsammenhSngt,
entfernt
sie sich aus der Kirche. Sie ist unterhalb den Stufen des We ges, und durchwandelt die düstere Gallerte,
das
ehemalige Refectorium
Ein leichtes Geräusch wird
bar,
Schritte
folgen
des
Klosters.
hinter ihr hör
den ihrigen.
Eine
fast riesenhafte Gestalt zeichnet sich in dem Schatten dieser kommt auf sie zu.
einsamen
Gewölbe,
und
Die furchtsame Elodie
erkennt den Religiösen der Kapelle;
er ist
allein, sein Anblick hat nichts Beunruhigen
des.
Sein hoher Wuchs ist ehrfurchtgebie
tend, seine Haltung ruhig und majestätisch; die Schönheit seiner Person, der Adel fei
nes Ganges, alles an ihm verkündigt Ueber-
legenheit, alles verräth in- ihm den großen Mann. Elodiens erste Bewegung war eine flie-. hende, und dennoch, blieb sie unbeweglich stehen. Beim letzten Schein des-Tages sucht sie die Züge des Unbekannten zu uiu terscheideir. Er nähert sich; und unter sei nen Gewändern einen blauen Gürtel her vorziehend, übergiebt er ihn stillschweigend der jungen Tochter der Abtei, und — o Er staunen ! es ist das aus dem Sommerhaus entwendete Baud. Verlegen und sprachlos,, erhebt Elodie ein schüchternes . Auge auf den Fremden, in welchem ihre Einbildungskraft schon ein übernatürliches Wesen zu erkennen glaubte. Zitternd weilt sie.... ohne sich erklären zu können, welche unsichtbare Macht ihre Schritte fesselt, ihre Stimme hemmt, ihren Gedanken gebietet. — „ Tochter von Unterlachen, sagt end lich der Unbekannte, vergebt dem Mann des Unglücks, der, nicht Meister der Em pfindungen seines Herzpns, wähnte, daß.ein
Banb, welches die Unschuld getragen,
seine dunkle Woh
himmlischer Talisman,
nung zu
reinigen
als
und
seiner
Seele
Ruhe wiederzugebesi vermöge."
Er
die hielt
inne: seine Stimme ist düster und gepreßt; dann fährt er fort:
— „ Der Unsinnige hat seinen Irrthum erkannt, und ich komme,
der gut zu machen.
sein Unrecht wie
Der Talisman,
den
er für rettend hielt, wett entfernt die Wun
den
feines Gemüthes zu heilen,
hat nur
neues Gift darein gestreut, und Ivie eine rä chende Flamme, seine Verletzungen nur um so empfindlicher gemacht.
ewige
Gerechtigkeit....
Es
nehmet
glücklichen Gürtel zurück,
eine
den
un
der Elende war
nicht werth ihn zu besitzen. — er.
giebt
Hier
ist
Engel des Thales, zuweilen, wenn euer
Blick darauf fällt, so beklaget den Schuldi
gen, der ihn euch geraubt hatte."
Zn
diesem Augenblick
beleuchtete
ein
schwacher Lichtstrahl das Gesicht dK Unbe
kannten.
Seine schönen Angen waren nicht
----------
55
mehr auf sie gerichtet: sein Blick war zum Himmel erhoben, und dieser Blick sollte nie mehr in der Erinnerung der Waise verlöschen. Alles was das Unglück Zerreißendes, die Entsagung Edles, alles was die Seele Aus druckvolles, und der Geist Beredtes hat-, war in diesem erhabenen Blick enthalten. Ungeachtet der Finsterniß in der Gallerte, konnte Clodte die Schönheit der männli chen Züge dieses außerordentlichen Men schen bemerken. Sie betrachtet ihn und bebt zusammen. Ach! dieser unwillkührliche Schauer war er ein Vorgefühl? Endlich wagte Saint Maurs Tochter die Lippen zu öffnen: — „Fremdling, sprach sie, ich glaube an die Wahrheit eu rer Reden, aber nennt mir den Unglückli chen, welcher sich dieses Bandes bemäch tigte; ich verzeihe ihm." — »Ihr verzeiht ihm, erwiederte leb haft der Unbekannte; es genügt; er soll es wissen."
— „Er soll es wissen, wiederholte Ejo-
Sie wollte hin?
die; er ist also nicht....
zusetzen, Zhr selbst;
Aber dieses Wort er
starb auf ihren Lippen.
Nun zog der Fremde
die Waise sanft
zu einem Fenster des Ganges.
Seine Hand
zitterte, er zeigte ihr den Himmel.. — „Dort, ruft er, wenn die Reue den Abgrund schließt, ja nur
dort wird er euch
sagen können:
ich liebe dich! So spricht er, und etwas Unheimliches ist
von seinen Lippen in seinen Blick übergegangen.
Erschreckt von dem wilden Ausdruck seiner Ausrufungen, bebt Elodie zurück, und will sich
entfernen.
„Edle Waise, fügte er hinzu,
zittert nicht — was vermag der Unglückliche
gegen
euch.
Niedergeschmettert
von
der
göttlichen Rache, kennt er die Gewalt nicht tyehr.
Sehet
diese nächtlichen Schgtten,
die den Wald bedecken; dicht, als diejenigen,
sie sind
weniger
welche sein Schicksal
verhüllen."
Dann
plötzlich,
heftig
und
wie
in
Wahnsinn ausbrechend: — „ Was hab' ich
Wer? ich euch bere
gesagt! fährt er fort.
den, ihn nicht zu fürchten, ich euch beruhi gen!
Rein, die ganze Natur ruft euch in
diesem Augenblick durch, meine Stimme zu:
Fliehe ihn, junge Blume des Thals, sein Athem ist ansteckend, seine Gegenwart ver
kündigt den Tod!" — „Laßt mich, sagt Elodie, während sie
zu
entfliehen sucht,
Schrecken bleibt,
und
regungslos
vor
laßt mich — ich kann
euch nicht verstehen." Zu sich selbst zurückgekommen und mit
ruhigem Tone
Mensch:
„Ich
unerklärbare
antwortet der
halte
euch
nichts hält euch hier auf.
nicht
zurück,
Tanbe des Klo,
sters! nein, nicht zu deinem Ohr sollen je mals die Nachtwinde jene klagenden Stim
men tragen, wovor jede Regung erstarrt.
Lebe pohl; bete! —,
Fern sey
der Gedanke, Dir je zu sagen:
von
mir
liebe!"
Dieses Wort aussprechend, entflieht er>
Wie von
einer ungeheuren
Last
befreit.
fand Herstall's -Nichte endlich den Gebrauch
ihrer Sinne
Sie
wieder.
durcheilte die
Gallerte, die Gärten und den Hof des Klo sters, dann flüchtete -sie sich, noch beäng
stigt, die Treppe des Thurmes hinauf,
in
die Verborgenheit ihrer Zelle. Ein ungestümer Wind
erhob sich
und
pfiff heulend durch die äußern Bogenhallen des Klosters. men
Der Regen begann in Strö
herabzufallen und das
alterthümliche
Kloster schien durch den Sturm erschüttert.
Das Fenster der Waise, vom Wind einge
drückt, öffnet sich mit Getöse; und die Toch1er Saint Maurs betrachtet mit Entsetzen
die ewige, von schweren Wolken durchzogene Wölbung; der Himmel scheint ihr die Erde zu bedrohen.
Ach, in diesem Augenblick war
die Zerrüttung ihres Innern jener der Nalur gleich: unachtsam auf das Brüllen der entfesselten
Winde,
welche um
das Thal
kämpften, kaum bemerkend, daß das Wasser
mit
Heftigkeit
gegen
ihr
eingebrochenes
Fenster schlug und bis zu ihren Füßen hin-
floß, dachte die Jungfrau von Unterlache»
nur
an ' den
der
Kapelle.
geheimntßvollen Unbekannten
Seine
bewundernswürdige
Schönheit, seine verworrenen Reden
seine,
rührende Stimme, und vor Allem sein himm
lischer Blick beschäftigten ihre Gedanken un aufhörlich. wunderbaren
Manchmal,
Traum
sich
getäuscht
von
einem
wähnend,
suchte sie an der Wirklichkeit der Begeben heiten des Abends
zu zweifeln; aber ihre
Hand hielt- noch den blauen Gürtel, wel« chen sie in der Gallerte zurückempfing. Wie
konnte sie im Zweifel über den nächtlichen Auftritt seyn, dessen geringfügigste Umstände ihrer Vorstellung so gegenwärtig waren!
Sie fliegt an das vom Sturm zerschmet
terte Fenster,
und die Augen zum Himmel
erhoben, ruft sie aus: —
„Dort, wenn
die Reue den Abgrund schließt,
nur
dort
wird er mir sagen können, ich liebe dich!"
„O, mein Gott! fährt die zitternde Jung
frau fort, was bereitet mir das
Geschick?
Warum dieser plöhliche Umsturz meines gan-
6o zen Wesens durch einige unerklärliche Worte
»nF dem Mund« eines
Unbekannten? —
Sollte es eine gräßliche Weissagnng. seyn!
Aber mit welchen zärtlichen Tönen hat er die Worte: ich
liebe dich! ausgesprochen!
Ach der Verbrecher, für
welchen er
mein
Mitleid anflehte, ist er selbst, kayn nur er
seyn;
hatte er für einen Andern so
aus-
drucksvoll, so rührend sprechen können,! War
um
dann
Sprache? wissensangst
diese flüstere
plötzlich
aber so
Warum dieser Ausdruck der Ge und
Verzweiflung?
LHarum
diese gräßliche Raserei? Sollt« «s der Geist
des Dösen gewesen seyn, welcher aus den Finsternissen Heraufstieg? —
Aber dieser
Die flehende und un
göttliche Dlick?
glückliche Tugend kann keinen fxömmern und erhabneren zum Himmel senden! .Allmächti
ger
Gatt!
erleucht«
mein« Schwachheit;
habe Erbarmen mit der Unschuld!"
Die Winde legten sich; ternd ging Elohie
bleich und zit
zu Herstall'n hinunter.
Der Greis bemerkte ihre Unruhe ohne Er-
staunen; da er sie dem Schrecken zuschrieb',
welchen ihr der
Sturm verursachte:
nie
mals indessen verbarg die futtge Waise ih
rem ehrwürdigen Deschüher irgend einm ih rer Gedanken. Seele fremd:
Die Verstellung ist
sie erzählt ihm
ihrer
offenherzig
ihren Schrecken im Sommerhaus/ das Ver
ihres Bandes und den Austritt
schwinden
in der Gallerie.
— „Und dieß war das Erstemal, daß sich dieser Fremdling deinen Blicken zeigte?
sagt Herstall." — „Mein Vater, antwortet das junge
Mädchen,
seit einigen Wochen glaubte ich
zu bemerken, daß in den Gärten des Klo sters et» unsichtbares
Und geheimnißvolles
Wesen beständig meinen
Schritten folgte.
Sonderbares Geräusch nm mich her, uner
wartete
Tine
störten
Meins
gewohnten
Spaziergänge; und ost von gchttmem Ent
setzen ergriffen, getraut« ich nicht, Mich vom Kloster
zu
entfernen.
Da
ich indessen
Meine: Furcht nur der Reitzbarkeit
Meiner
Einbildungskraft zuschrieb, so habe ich es bis auf diese» Tag nicht gewagt,
euch daS
Geständnis davon abzulegen." — „Aber wer kann dieses außerordent
liche Wesen seyn? wiederholte .sich Herstall.
Zch kenne alle Bewohner
dieser Gegend:
keiner gleicht dem sonderbaren Bilde."--------Plötzlich
unterbricht • sich
der
Greis: —
„Es müßte denn der — — „ Wer? fragt
die Waise unruhig ausstehend und sich Hersiall'n
„der Einsiedler des
nähernd. —
Wildberges seyn."
Bei diesem Namen durchrieselt ein un-
willkührlicher
Schauer
sie sinkt auf ihren
Elodiens
Lehnstuhl zurück,
bleibt stumm und regungslos.
öffnet sich,
Glieder:
und
Dse Thüre
und der Vater Anselmus nahte
sich dem schweigenden Paar. — „ Ein großes Unglück hat so
eben
den Weiler in Schrecken versetzt, sagte der ehrwürdige Priester.
Während der verhee
rende Sturm das Thal durchbraust, ist die am Fuß des Berges pon Unterlachen gele-
«jene «Hütte der alten Marzellin«
durch ei
nen Bergfall in die Tiefe des Stromes ge stürzt worden, und selbst ihre Trümmer sind
von
den
ungestümen
Wellen
fortgerissen,
verschwunden." — „Und was ist aus Mar-
zelinen geworden?" rief Elodie. — — t,Niemand ist dabei umgekommen, fuhr
Anselm fort.
Uebrigens kenne ich die nähern
Umstände dieses entsetzlichen Ereignisses nicht, welches noch die Nacht, mit ihren Schleier»
bedeckt.
Der Sturm hat unsere Gegend
verwüstet: die arme Marzellin« hat das We nige verloren, was sie besaß, und die fürch
terlichste Armuth droht ihren letzten Tagen."
.— „Ach,
daß ich nicht das Vermögen
meiner Väter besitze! sagte die Waise mit
leiser Stimme." — „Morgen,
eptgegnete Herstall, mor
gen, mein lieber Anselmus, wollen wir hin gehen, Marzellinen zu trösten."
Seit langer Zeit schon bewohnte Marzellina das Thal von Unterlachen.
Zn wel
chem Lande sie geboren, wer sie erzogen, wo
ft ihr« Zugend verlebt hatte: konnte Nie
mand
erforschen.
man,
habe sie gebeugt;
Großes Unglück,
sägte
aber Marzrline,
für welche die Erinnerung zerreißend war, vermied sorgfältig jeden Gegenstand der Un-
terhaltuffF, der ihr ihre Leiden zntückrufen konnte. —
Ohne Zweifel hatte
sie aber
eine bessere Erziehung genossen; denn ihre
Sprache wat rtitt und durch ihren Nach druck
ihre
aüsfalltnd,
Dorfbewohner,
ihre
Kleidung
die der
Weise einfach-;
und
dennoch war nichts gesuchter als ihre Aus drücke, nichts überspannter
als ihre Em
pfindungen, nichts begeisterter als ihre Ge
spräche:
ein
Gegenstand
des Erstaunens
nnd der Bewunderung-, war sie das Orakel
des Thals. bey ihr;
Die Landleute holten sich Rath
sie hörten ihr entzückt zu, befolg
ten andächtig ihre Weisungen, ünd der Sybilla der Dructetek ähnlich, war Marzeline
die Prophetin Von Unterlachen. Mit den
ersten Strahlen des
verließ Elodie ihre
Tages
Zelle: der Schlummer
hatte ihre Augen die Ruhe
ist
Der Gedanke
nicht schließen sinnen:
auS
ihrer Seele entflohen.
dem Unglück Trost zu brin
gen, zerstreute indessen ihre düstern Träu Von Herstall'y und Anselm be
mereien.
gleitet, richtete sie ihre Schritte zur ehem«ligen Wohnung
Marzelinens,
sühlt sie sich weniger beklommen.
Frühluft,
und
schon
Pie reine
das Aufgehn der Morgenröthe,
der süße Duft der Wiesenblumen, der Ge sang der Waldvögel,
alles lächelt ihrer ju
gendlichen Einbildungskraft zu.
Und bald
ist der Schmerz aus ihrer Seele gewichen, wie der Sturm des Abends aus dem Luft
kreis des Thales. Aber, welches entsetzliche Schauspiel bie tet sich, nicht weit von Marzellineris Güt
chen, den Augen der Klosterbewohner dar! welche
schreckliche Verwüstungen
Sturmwind angerichtet.
hat
der
Zertrümmerte Fel
senstücke, entwurzelte Eichen sind von
der
Höhe des Berges von Unterlachen bis in
die Tiefe des Stromes hinabgerollt: sie haI.
5
ben
den ehemaligen
Abgrund
tmd die reissenden Wellen,
dern Weg bahnend,
ausgefüllt;
sich
benachbarten Wiesen ausgetreten.
nende Land
Das grü
ist mit unfruchtbarem Sande
neue
bedeckt,
einen an
sind verheerend in die
Gräben durchschneiden das
Thal, und mehrere, durch dieses unerwartete Unglück,
verarmte Familien beweinen ihre
verlorenen Erndten mitten unter
streuten
Trümmern
ihrer
den
zer
umgestürzten
Hütten. Auf Drücken die man mühsam und in der Eile über die verschütteten Wiesen ge
schlagen, welche noch Giesbäche nach allen Richtungen durchkreuzten, gelangten Herstall,
Anselmus und
Ufer, wo hatte.
die Waise
Marzellinens
an das verödete
Hütte
gestanden
Eine ungeheure Erdmasse und
den
Bergen entrissene Felsen haben das ärmliche Häuschen entführt:
selbst seine Grundsteine
sind verschwunden.
An der Stelle wo es
gestanden, öffnet sich jetzt ein weiter Schlund, in dessen Tiefe eine schwefliche Welle kocht.
und
woraus
Der
Engel
dumpfes der
Gebrüll
Zerstörung
aufsteigt.
scheint
seine
Stimme aus den Klüften dieses Abgrundes zu erheben.
Am Rand
des neuen Stromes erblickt
die Jungfrau von Unterlachen Marzelltnen; sie fliegt auf sie zu, und den Schmerz thei
lend welchen ihr dieses traurige Schauspiel verursachen muß/ mit Thränen in de» Au gen,
will
sie mit
ihr von dem Unglück
sprechen. „Liebenswürdiges Kind, unterbricht sie
Marzelline, weinet nicht;
mehr als vergütet.
mein Unglück ist
Der Donner hat das
Thal getroffen, aber das hülfreiche Gestirn leuchtet auf dem Berge.
Seht!
fährt sie
fort, einen mit Goldstücken gefüllten Beutel öffnend: hier ist mehr als ich bedürfte, um
drey solcher Hütten wie die verlorene wie der aufzubauen."
„0! gute Mutter,
Elodie außer sich vor Freude;
ruft
der Himmel
ist gerecht,
eure letzten Tage werden glück
lich seyn:
aber welche wohlthätige Hand
Wie?
hat euch so eilig beigestanden?
ruft
Marzelline mit Begeisterung; wie, edle Toch
ter des Klosters,
ihr. fraget noch, welche
hülfreiche Hand sich über die Unglücklichen unserer Cantone ausstreckt! dort, nicht weit von uns,
sehet diesen hohen Berg welchen
ein dichter Wald umgiebt...
Nun wohl!
von dort her offenbart fich der Geist des WvhlthunS den Menschen;
von dort steigt
der Einsiedler herab."
„Und ihr habt ihn diesen Morgen gese hen?" fragte Elodie lebhaft. —
Morgen l
entgegnete Marzelline:
„Diesen
er
läßt
nicht so lange auf sich warten;
ich würde
die ganze Nacht geweint haben;
aber läßt
er eine Stunde
wenn er
hindurch leiden,
helfen vermag!
sogleich
zu
als ich
nach
Diese Nacht,
dem Berg-Sturz
Verschwinden meiner Hütte,
und dem
auf dem ver
wüsteten Ufer die Luft mit meinem Klage
geschrei erfüllte,
mitten in
dem
ist mir der rettende Geist
Sturme
erschieue».
Zch
glaube ihn noch zu sehen — hier — am
des
Raflde
Stromes)
zen Tannen.
gegen diese schwar
Sein Gang war ruhig und
seine Stirn sicher:
unter dem Sturme da
herschreitend, war er der Strahl der Hoff nung durch die Nacht dos Unglücks."
„Unbegreiflicher Mensch!" sprach Her
stall.
„Er war schwarz gekleidet, fuhr Mar-
zelline fort, lange Gewänder umhüllten ihn,
aber
die Schönheit
seiner
Bildung,
daS
Ebenmaß seiner majestätischen Gestalt, zeich
neten sich vollkommen unter den Falten sefnrS Missionärkleides.^ — „Seines Misfionärkleides! rief Elo-
die, Herstalls Arm erfassend:
ach! ihr hat
tet Recht." Bestürzt, aber doch befriedigt, fragte sie
weiter
nun Marzellinen
noch
Wohlthäter aus.
Seine Kleidung,
Gang, seinen Ton,
über
ihren feinen
seinen Blick, alles hat
Marzellin« genau beschrieben; und die Toch-
ter Saint
feln,
Maurs kann nicht mehr zwei
daß es nicht der Einsiedler des Ber
ges sey.
Nachdem sie den Unglücklichsten: aus' dem Thale Trost und Hsslfe gebracht,. nahmen die
beiden Greise-den Weg wieder zur Abtei zu
rück. die
Schweigend .und nachdenkend
Waise
ihnen
vor
her:
sie
ging
wieder
holte sich die begeisterten Worte der alten Marzelline. — „Nein, sprach sie zu sich selbst: der
Genius der Wohlthätigkeit, des
Berges,
der
das
kann
Einsiedler,
Macht des Dösen seyn."
keine
Man wirft ihm
sein geheimnisvolles Daseyn vor!
Gott selbst nicht
Gestirn
Aber ist
gqpz Geheimniß!
Man
beschuldigt ihn,
die Gesellschaft derMem
schen zu fliehen!
aber haben die heiligste»
Sterblichen
nicht- die.
thebaischen
sten -zum Aufenthalt gewählt!
Wü
Ein beschau
endes Gemüth liebe- die Einsamkeit-und das
Geheimniß.
Seit
ihrem
Besuch
bei
Marzellinens
Hütte, stieß Elodie nicht mehr mit Entse tzen die Erinnerung an die Ereignisse in der
Gallerte aus ihrer Seele zurück.
Ihre Be-
sorgnisse,
bei den Spaziergängen nicht un
begleitet zu seyn,
hatten sich gänzlich ver
loren; und wenn sich ein leichtes Geräusche in ihrer, Nähe
hören
ließ,
so war
ihre
Verwirrung nicht mehr die des Schreckens. Ohne, sich von ihrem unbestimmten Verlan
gen Rechenschaft zu. geben,- hatte die un schuldige Waise .schon mehrmals den, Park
mit
der geheimen
Hoffnung
sich beobachtet zu sehen; ten
Sande;
und
ihre Augen such Tritte
fremder
die- Spur
durchgangen,
auf
ihr Körbchen wurde
Abends fast willkührlich vergessen. bene Erwartung!
ihre
dem eines
Verge
kein Vorfall störte mehr
Einsamkeit, keine
Erscheinung
raschte mehr ihre Blicke;
über
kein geheimniß
volles Wesen irrte um sie unter dem dich ten Laub der Gebüsche.
Unruhig, betrübt,
kehrt das junge Mädchen seufzend in ihre Zelle zurück; sich selbst fragend während sie
ihre vorigen Schrecknisse beklagt,
kann sie
ihre neuen Gefühle nicht begreifen, noch sich
ihre neuen Vorstellungen erkläre».
beschäftigte
Ein Gedanke
ihren
Geist
vorjüglich: derjenige, dessen Worte sie nicht hatte sie in Mönchsklei
vergessen konnte,
dern angeredet.
Hatte er sein Leben dem
Ewigen geweiht? war er durch heilige Ge lübde an die Altäre gefesselt? —
Von die
sen Betrachtungen gequält, ohne deren Ur sache nachzuforschrn, begiebt sie sich in Mar-
welche
zellinens Wohnung, Augenblick hatte.
beim
nahe
diese
für den
Kloster
bezogen
Marzelline spricht so gern von dem
Einsiedler,
sie ist so gut von den wohlthä
tigen Handlungen unterrichtet, wodurch er
sich zu erkennen giebt; sie ist so bemüht die
Schleier zu lüften, worein er sich hüllt! — „Gute Marzeline, sagt Elodie zu ihr, nach dem sie ihr einige kleine Geschenke überge
ben und ihre Danksagungen dafür empfan
gen hat, wird eure neue Hütte bald vollen det seyn?
seit lange schon arbeitet man an
„Gott und der Ein
ihrer Erbauung." —
siedler seyen gelobt,
des
Weilers,
antwortet die Sybille
noch
vor
dem
Herbste
ich
werde
meine
neue
Wohnung ■ be
ziehen/' — „Habt ihr sie wieder in die Wiese
gebaut?" —
„Der Himmel behüte mich
dafür! ich habe sie auf eine Anhöhe gesetzt,
von wo aus ich immer meine Augen gegen den Erwählten des Wildberges richten kann:
nur ihm Tag
und
bis
dem Ewigen
zu meiner
letzten
werden
Lebensstunde-
meine ersten Blicke,
meine ersten
geweiht
„Der
seyn."
—
jeden
Gebete
Einsiedler
ohne Zweifel ein Diener des Herrn;
ist
fragt
das junge Mädchen mit unsicherer Stimme. — Nein, erwiedert Marzelline," und eine leb
hafte Nöthe färbt die Wangen der Waise. „Seyd
—
ihr
dessen
gewiß?" setzt
Elodie hinzu, deren Blick von neuem Glanz strahlte.
ten.
„Ich getraue
mir es zu behaup
Wenn er dem Dienst des Altars ge
weiht wäre, würde er die geistliche Tracht nicht ablegen; und dennoch hat er sich nur
einmal in diesem Gewände gezeigt.
Meinung mag
auch
Meine
sonderbar vorkommen.
aber ich (jfaiiße mich nicht zu tauschen; der
Einsiedler,
den ich viel beobachtet habe, ist
eher für den
Purpur als für das Härene
Gewand geboren;
und der Helm des Hel
würde sich, besser für
den
seine
erhabene
Stirn schicken, als die Kapuhe des Mönchs." — „Der Purpur!" wiederholt Elodie
leise.
— „Das Geld fehlt seinen großmü
thigen Handen so wenig als
Seele der Muth,
fährt
seiner edlen
Marzelline fort.
Nein, ich kenne auf Erden nur zwei We sen, welche durch ihre Gesinnungen und ihre
Schönheit über der menschlichen Natur ste hen:
der Adler des Wildberges
und
die
Taube des Klosters." Unruhig und beschämt, erhob sich die Zungfrau
von Unterlachen bei
diesen Worten.
— „Gute Marzelline, sprach sie, die Nacht bricht ein, ich muß euch nun verlassen, aber bald besuche ich euch wieder."
Drittes
Elodiens
Tage flößen
Frieden dahin;
gungen
von Neuem in
ihre gewohnten Beschäfti keine Leere .in
ließen
dringen.
Buch.
Seit
ihre Seele
dem unglücklichen Sturm
hatte kein trauriges Ereigniß mehr das Thal
betroffen;
und
Einsiedler
schien die
der
unsichtbar
gewordene
Gegend verlassen zu
haben.
Glückliches Alter, wo traurige Vorstel
lungen leicht an der Seele vorüberstreichen! Sie sind selten düster, selbst nicht im Schooße eines wiedrigen Geschicks, und den Alcyonen ähnlich, welche mitten in stürmischen Näch
ten über die empörten Meereswogen,
nur
die weißen Flügel ausbreitend, schnell dahin
gleiten. Nachdem es der
lungen,
die
Waise der Abtei ge
Wolken ihres
Gemüthes zu
zerstreuen,
hatte ste auch ihren Frohstnn
wieder gefunden;
der Fremdling der Galle-
rie fing an in ihrer Erinnerung zu verlö schen;
und die Ruhe war wieder
in ihr
Herz zurückgekehrt. Der Dau von Marzellinens neuer Woh
nung ging suchte
sie
schnell vorwärts. oft,
aber
sie
Elodie be immer
vermied
sorgfältig den Gegenstand der Unterhaltung
zu berühren,
welcher allein
die
dankbare
Beschützte des Einsiedlers erfreuen konnte.
Der Frühling hatte mit seinem schöpfe rischen Hauch der Natur ihren vollen Glanz
wiedergegeben; wüstenden
die letzten Spuren des ver
waren
Sturmes
verschwunden,
und das Thal von Unterlachen glich
wie
der einem duftenden
Mit
Blumengarten.
der Morgenröthe erwacht, von den Reitzen
des Thales entzückt,
nimmt die Waise des
Klosters ihre Laute und geht hinaus,
der
Nähe
der Abtei
ihre
süße
in
Stimme
mit jenen der Sänger des Haines zu ver schmelzen.
Der Himmel war rein und wolkenlos. Elodie setzte sich an die malerischen Ufer des
Stromes von Unterlachen nieder, und ver
mischte die Töne ihrer Laute mit dem sanf ten Geplätscher der Wellen,
die über
ein
steiniges Bette hinrieselten. Ueber den Strom erhob sich,
ihr zur
Seite, eine kunstlose Drücke, in malerischem Dogen von einem Felsen zum andern ge-
schlagen und von tet.
Tannengruppen beschat
Erfreut über die Stelle, welche sie ge
wählt, sang das junge Mädchen folgende Worte in die Saiten ihrer Laute: Frühling! dich grüß' ich mit frohem Entzücken, Erstes Erwachen der ganzen Natur,
Blühe! ruft sanft mit beseelenden Blicken Glänzend, Aurora der thauigcn Flur. Hoffnung, du göttliche Stütze im Leiden, Offene Pforte zum Tempel des Herrni
Strahle hernieder vergnügende Freuden, Sey für die Unschuld ein leitender Stern.
König der Zeiten und Herrscher der Wetten! Hoffnung des Tages und Richter dereinst!
Ist nur iM'Menschen das Reine so selten,
Wo du in ihm alle VHunder vereinst?
Du dessen mächtige Stärke ich rufe,
Welcher die Kreise der Jahre regiert,
Hebe dein Kind aus zu lichterer Stufe, Daß nicht der Lenz seine Unschuld entführt, Lobende Stürme, verfinsterte Stunden,
Die ihr die Tage der Sterblichen trübt, Prüfungen, kommt ihr vom Himmel nach unten,
Daß sich die Seele in Tugenden übt.
Ehre! den Opfern der dunklen Gewalten,
Welche,
beim Schiffbruch des Daseyns im All',
Sich noch am schützenden Felsen erhalten,
Rettend die Unschuld vor drohendem Fall.
Also stieg Elodiens melodische Stimme
zu dem Ewigen empor.
Sie schweigt, und
die letzten Accorde ihres Gesanges hallen in dem nahen Walde.
wieder
Elodie hängt
ihre Laute an den Dogen der Brücke, und in süßen Traumen verloren, glaubt sie die
harmonischen Stimmen der Natur ihre letz ten Laute wiederholen zu hören.
Die aussteigende Sonne vergoldete die Gipfel der Berge;
plötzlich sieht sie, auf
dem Felsen von Unterlachen, längs
des Fuß
pfades, der zum Weiler führt, seltsame Lich ter funkeln.
Es sind Helme,- Schilder und
Lanzen; welche dieStrahlen der Sonne beleuch ten.
Viele Krieger kommen den Berg herab
und der reine Stahl ihrer glänzenden Waf fen, schimmert von Weitem.
Regungslos be
trachtet Saint Maurs Tochter einen Augen
blick dieses für sie so ganz- neue Schauspiel.
das Gold ihrer
Das Gewieher der Rosse,
Panzer, die blendenden Helme der Krieger, die
der
weißen Federbüsche
Danner,
Ritter,
ihre
ihre Schilde, ihre Wahlsprüche,
ihre Feldbinden, ihre Wappen, all' dieser kriegerische Zauber entzückt ihre neugierigen
Blicke.
Indessen nähern sich die Schaaren,
bald werden sie am Fuß des Berges seyn;
sie wenden • sich
gegen
die
Drücke.
Nun
empfindet die von ihrem Erstaunen zurückge
kommene Waise nichts als das Gefühl der Furcht.
Sie flieht eilig zur Abtei, und
läßt in der Bestürzung ■ ihre Laute am Bo
gen der Brücke hängen»-
Erstaunt über die
Erscheinung
einer Kriegsschaar
mitten
in
den friedlichen Bergen Unterlachrns, wußte
der Freiherr von Herstall nicht, welche Ver muthungen er aus diesem unerwarteten Er-
eigniß ziehen sollte; als sich ein verwirrtes Pferd - und Waffengetöse im Klosterhof ver
nehmen ließ.
Der Anführer der durchreisen
den Ritter, Graf Eckbert von Norindall,
stellte sich ihm vor,
und bald
war alles
erklärt.
Seit
der Niederlage und
Tod
dem
Karls des Kühnen, beherrschte der, als Sie
ger in seine Hauptstadt zurückgekehrte Her
zog von Lothringen, seine Staaten in Frie
den.
Aber Ludwig XI. regierte; und
die
ser Fürst konnte die Ruhe bei den Nach barvölkern nicht ertragen.
Nachdem er, im
Anfang den Herzog von Burgund aufgefor
dert, Lothringen zu erobern, und durch den
Vertrag von Solothurn versprochen hatte,
kein Hinderniß dazwischen zu legen; nach dem er später erklärt, daß er Karls Usurpa
tion verabscheue,
und
seitdem die
Rechte
9tette$, -welchen er als dm einzigen recht
mäßigen
von
Regenten
Lothringen
aner
kannte, erhalten oder'zu Erhalten geschienen hatte, behauptet er mit Einemmal daß dieß
nehmliche Lothringen ihm selbst von weibli cher Seite und läßt
durch
Erbschaft zugefallen sey)
feine Truppen
Nancy
auf
an
rücken.
Schon hatte sich
der König von Frank
Ren« verlangte ei
reich Bav's bemächtigt. ligst den Beistand und Hob
deS deutschen Kaisers,
von allen Seiten Kriegsvolk aus-
um sein Land zu vertheidigen. Die Schweitzer-Kantone
leb
nahmen
haften Antheil-an diesem jungen, von fei nem Volke angebeteten Fürsten.
Der Graf
Eckbert von Norindall war von dem Her
zog von Lothringen abgeschickt worden, den
helvetischen Freistaat um kung anzusprechen; weise
seine
mächtige Verstär
und nachdem ihm theil-
wichtige
Sendung
gelungen,
durchzog dieser edle Freund Renss, von einem
zahlreichen Gefolge begleitet auf dem RückI.
6
weg
nach Nancy
das Thal
von
Unter
lachen. Die Familie des Grafe« war Herstaü'n
und der Greis empfing den edlen
bekannt,
Ritter auf das
Zuvortommenste.
hatte feine erste Jugend am
-eS Kühnen
verlebt;
und
Eckbert
Hofe Karls
eiy ergebener
Freund dieses Fürsten, ihn bei all' feinen
kriegerischen Unternehmungen begleitet.
An
dem Tage, wo der Burgundische Held untrrlag,
wurde Eckbert unter den Mauern
von Nancy hatte den
gefangen
genommen.
hohen Muth
Narindall rühmen hören;
des
Rens
Grafe»
von
daher suchte er
diesen hochherzigen Krieger an sich zu zie hen.
Als Eckbert
vernommen,
den
Tod des
Fürsten
welchen er ohngeachtet seiner
Gewaltthaten,
so
unaussprechlich
geliebt
hatte, überließ sich sein zerrissenes Herz al
ler Bitterkeit des Schmerzes.
Der Her
zog von Lothringen besuchte ihn, und weinte
mit ihm über den Tod des Herzogs von
Burgund.
Seit diesem Tag fand der un
tröstliche Eckbert nur bei dem großmüthigen
Ren«
feines Schmerzes.
einige Linderung
Der Dankbarkeit folgte Zuneigung, die Tugendm des Herzogs von
Lothringen öffne»
ten Eckberts Herz der Freundschaft;
und-
da er ohnehin nicht nach Butgund zurück
kehren wollte, wo Karl nicht mehr regierte, und ihn. nur
schreckliche Erinnerungen er
so entschloß
warteten-
er
sich bald, von
des. Fürsten
Gunstbezeagungett
überhäuft
feinen Aufenthalt am Hofe, von Nancy zn und wurde einer der ersten Feld
nehmen,
obersten des Lochringischen HeereS.
Eckbert,
der noch im Frühling des Le
bens stand, befaß alle Vorzüge eines Helden Ohne von hohem Wuchs,
«ud regelmäßig
schön zn seyn, zog der Gras von Rorindall,
selbst des Blendwerks seines Ranges- ent» kleidet, unter den glänzendsten Rittern, die Augen der Menge atf stch. Urberlegenheit
schien
sen zu umschweben.
feuriges
Auge
Gedanken.
Ein Geist den
gebietend
sein
We
Sein ausdrucksvolles,
durchdrang die geheimsten
Man warf ihm vor, daß er za
allein oft ist daS Herz desjenigen
still sey;
reich nft Empfindungen, dessen Lippen karg mit Worten find.
Die öffentliche Bewun
derung fesselnd, nöthigte er selbst den Gleich
gültigsten Lobsprüche ab, und spannte gleich sam ein magisches Netz über seine Feinde
welches
aus,
Schweigen, zwang.
sie zum
Ruhig und erlist, schien er vollkommen Herr seiner selbst,
und
immer, stürmische
drücken.
dennoch
leidenschaftliches
glühendes
vermochte fein Gemüth
nicht
Aufwallungen zu unter
Er hatte die Freundschaft bis zur
die Liebe, wenn er
Schwärmerei getrieben:
sie gekannt hätte,
würde ihn vielleicht zum
Wahnsinn gebracht haben.
Die heiße Gluth
seiner Empfindungen- spiegelte sich selten auf
seinen
stets
gleichbleibenden
Zügen
ab:
ftsmm und edel wie er war, erhob sich sein
Hsrz oft gerade in
dem Augenblick
zum
Hiwmel, wo er ganz der Erde anzugehören schien;
aus
und so wie die höchsten Gedanken
seinem
gingrni,
schwärmerischen Geist
konnte man
hervor-
die heldenmüthigsten
Aufopferungen
von
Seele
großen
seiner
erlangen.
Zeit
dem geselligen Verkehr der
von
Fern
hatte sich Herstall' seit
Menschen,
mehr
nicht
Versammlung
einer kriegerischen
unter
Eckberts
befunden.
Ritter
und er betrachtete sie
umgaben ihn jetzt, seufzend.
langer
Sonst glänzte er wie sie auf den
Feldern der Ehre;
sonst kannte auch er die
süßen Täuschungen des Ruhms; sonst wurde er bewundert wie sie....
Jetzt — fragt
man wohl nur noch, ob er gelebt habe!
Gezwungen,
die
Vertheidiger Lothrin
gens gastlich bey sich aufzunehmen, Herstall
die
große Gallerte
des Klosters,
welche viele Fackeln erhellten,
Danket bereiten lassen.
hatte
zum Abend-
Schon war dieser
weite Raum von den edlen Gefährten des
Grafen von Norindall erfüllt,
unter sie trat. heit
Eine
als Herstall
jugendliche
Schön
unterstützte seine zitternden Schritte.
Plötzlich ertönt der ganze Saal von einem
langen Ausruf des Erstaunens;
die Zung-
frau von Unterlachen hat ihren Schielet zurückgeschlagen. Welch ein Augenblick "für daS junge Mädchen! Alle Blicke sind auf sie gertchlet: sie allein wagk nicht die ihrigen zu er heben. Beim Danket saß Elodie schwei gend att Norindalls Seite. Zum erstenmal betrachtete Eckbert eine junge Schönheit, ohne sich zu bestreben ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: die Ritter beobachteten ihren Führer. Sollte er endlich die Liebe kennen lernen? Die Reitze der Waise von Unterlachen schienen ihn zu überraschen, aber in ihrer Nähe wurde keine Bewegung auf seinen Zügen sichtbar. Sein Mund blieb stumm, und er schien nachdenkend. Man hätte sagen können, er frage sein Herz, ob die Stunde gekommen sey, wo er lieben sollte. Endlich wagte Elodie einen schüchternen Blick auf die glänzende Versammlung um sie her. Welches neue Schauspiel für sie! Diese durch Tapferkeit und Jugend vrr»
schtnten Ritter, die funkelnden Waffen, die hohen Helmbüsche, der tausendfache Glanz der Fackeln, die Bewunderung welche sie Helden einflößt, die mit den Thalbewoh nern verglichen, ihr wie Halbgötter erschie nen: Alles dies verwirrt einen Augenblick ihre Gedanken, blendet ihr Auge und bringt ihr ganzes Wesen in Aufruhr. „Wie! sagte jetzt der Graf von Norindall zu ihr, wie, so jung und so schön, al lein in diesem Kloster." Die wohlklin gende männliche Stimme des kriegerischen Anführers bestürzte die Waise; ihr Blick war Eckberts Blicken begegnet, sie erröthete. — „Zch bin nicht allein in diesem Kloster, antwortete sie: als Herstall's Pfle getochter führe ich ein glückliches Le ben an seiner Seite." — „Und die Lan geweile drängt sich nicht in eure friedlichen Tage ein?" — „Langeweile, wie sollte ich diese empfinden! Alle meine Augenblicke sind mit Beschäftigungen ausgefüllt, ich wün sche, erwarte und beklage keine Vergnügungen."
— Aber, ihr kanntet noch nichts?" rief
„Ist -es
Eckbert. —
nichts
zu
kennen!"
denn
ein
Unglück
erwiederte die Waise
unschuldig. der Graf von
Das Mahl ist geendigt:
Norindall erhebt sich; Elodiens zitternde Hand ergreifend, kehrt er in den Saal der Abtei
Dey der Steil« in
zurück.
welche auf der
der Gallerte,
einen Seite
jur Kapelle,
und auf der andern in die Gemächer der
Abtei führt,
bebt die Zungfrau mit einem
Angstruf zurück; es dünkte ihr, im Schat ten eine geheimnißvolle Gestalt vorüberglei-
len
und
verschwinden
gesehen
haben.
zu
Es ist an dem nemlichen Ort, wo der Ein
siedler zum erstenmal das Wort an sie rich tete.
Sollte er es abermals seyn.
Eckbert,
der nicht wußte, welcher Gegenstand Elodixn erschreckt haben konnte, befragte sie darum; sie schrieb ihre Erschütterung der Schwäche ih
rer Organe zu,
unterirdische
welche die Finsterniß und
Gemächer
,,Schwache Liane,"
aufregten.
—
sprach Eckbert leise zu
ihr,
würdest du die Stütze der Ceder ver
schmähen?
der
Ton
seiner Stimme
war
bei diesen Worten - voll Zärtlichkeit und er
drückte Elodiens Hand
gen.
sanft in der seini-
Die Waise beschleunigte ihre Schritte,
und schwieg;
was hätte sie ihm auch ant
worten können! Zn der Zurückgezogenheit
ihrer
Zelle,
wagte Saint Maurs Tochter aufs lebhaf teste bewegt,
nicht sich selbst zu befragen.
Zum erstenmal hatte sie sich, glänzenden Kreis,
unter einem
als den Gegenstand der
Huldigungen einer zuvorkommenden Menge,
erblickt; zum erstenmal sah sie sich von den edelsten
Rittern
Rcnv's Freund,
Lothringens
bewundert.
der berühmte Held,
um
dessen Herz ohne Zweifel die ersten Schön
heiten des Hofes von Nancy buhlten, schien nur mit ihr
beschäftigt;
seine gewöhnlich
so ernsten Blicke, hatten sich mit Zärtlich
keit auf sie gerichtet; seine Stimme schien be
wegt als er mit ihr sprach.
Sollte sie sein
Wohlgefallen erregt haben? sollte sie ge liebt seyn? Tausend verworrene Gefühle reihten sich in ihrer Seele an einander. Wie pracht voll muß dieser Lothringische Hof seyn, wo sich die Ritter des mächtigen Rene'S, die tapfern Waffenbrüder Eckberts versam meln, welche Ehre diejenigen umgeben, die die Vorsehung zu ihren Lebensgefährtinnen bestimmt! Welche Bezauberungen müssen ihren Schritten folgen, wie strahlend die Palläste seyn, wo sich die Großen der Erde zusammenfinden! Und wenn die Helden zu den Füßen der Schönheit knieen, welcher Triumph für diejenige die das Scepter der Liebe hält! Ein Gefühl des Stolzes regte sich in Elodiens Brust. Eckbert, der erlauchte Eckbert ist ihr zwar diesen Abend nicht zu Füßen gesunken, aber was wird vielleicht morgen---------- Elodie öffnet das ver gitterte Fenster ihrer Zelle, und sich ihre Gedanken vorwerfend, fleht sie die Verzei-
hung des Ewigen an, ohne sich deutlich ei
nes Unrechts bewußt zu seyn. funkelten am Firmament,
der Mond brei
tete feilten Silberschleier über
Der Blick der Jungfrau
den
Wildberg
gekehrt,
Sinn ist wieder
det.
Die Sterne
die Natur.
hatte sich gegen und
ihr
ganzer
dem Einsiedler zugewen
Der Graf von Norindall, feine Rit
ter, der Hof von Lothringen,
Alles ist ihr
gleichgültig geworden. Ach! ruft Elodie, seine Stirne schmückt kein schimmernder Helm, — kein hoher Fe derbusch
weht
stolz von
seinem
Haupte
herab, — weder Gold noch Edelsteine zie ren seine Kleider — keine Binde des Ruhms
oder der Liebe umschlingt seinen Leib;
und
doch, in dieser nehmlichen Gallerie wo sich
Eckberts Gefährten versammelten, wie schön
war er nicht in seinem
härnen Gewand!
Welches göttliche Feuer strahlte in seinem
Blick!
Wie majestätisch war sein Anstand!
Wie hätte er alle diese Lothringischen Rit ter verdunkelt, wenn er plötzlich mitten un-
in kriegerischer Rüstung, getreten
ter sie,
wäre! —
Sollte er es gewesen seyn, wel
cher, im Schatten vor mir,
Kapelle durchstrich,
den Weg zur
oder hat mich
meine
Einbildung gelauscht ? Unbegreiflicher Mensch,
der du Wohlthaten verbreitest und unglück lich scheinst, du gleichst dem Engel der Tu
gend , und hast mir von Vorwürfen gespro chen !
Aber was sage ich?
begreifen suchen,
Darf ich
zu
was du denkest und seyn
kannst, ich, die ich selbst noch nicht verstehe,
was ich empfinde und was ich bin! —
Die Jungfrau von Unterlachcn horchte bei diesen Worten
der Stimme des Stro
mes; er scheint ihr eine, mit den Gefühlen
ihrer Seele übereinstimmende Klage aus dem Thal entgegen zu rauschen, und Elodie er
innert sich,
daß ihre Laute am Bogen der
Drücke hängen geblieben.
Endlich schloß sie
ihr Fenster, und fand bald auf ihrem jung fräulichen
Lager
den
Frieden
und
den
Schlummer der Unschuld wieder. Alles schlief noch im Kloster; nur Saint
SS Maurs Tochter stand bei den ersten Strah len der Sonne auf, und, von der Mutter
Ursula begleitet,
begab sie sich an das öde
Ufer,; wo sie ihre Laute wieder zu finden hoffte.
- Das .Wetter
war
Nur
heiter.
leichte Winde spielte» in den Gesträuchen des Thales.
Elodie war beinahe schon zur
Drücke gelangt, als sie plötzlich überrascht stehen bleibt, und, von dichtem Laub verbor
gen, hinter einem Gebüsche verweilt; denn
welch
ein
Blick. —
Gegenstand
zeigt
sich
ihrem
Am Rande des Stroms, an der
nemlichen Stelle, wo Elodie am Tage zu vor ,bte Wiederkehr
des Frühlings besang,
halt ein Gebirgsbewohner
ihre
vergessene
Laute im Arm, und lockt daraus die melo dischsten Töne hervor..
An eine Tanne ge
lehnt, unterbricht er einen Augenblick seine saustest der
Accorde.
Seine Kleidung ist
Gebirgsfchützen,.
sein .Dogen,
die
dessen
Sehne abgespannt, ist zu seinen Füßen; ein todtes Reh, durch und durch von einem bluti
gen Pfeil durchbohrt, liegt nicht weit davon
auf dem Rasen.
Seine hohe
Gestalt er
hebt sich auf dem Ufer, wie die stolze Ceder
Seine nervigten Arme,
auf dem Libanon.
feine gewaltige Kraft, verkündigen den für Wenn Wuth
die Kämpfe gebornen Streiter.
und
Verzweiflung
sich
Seele be
seiner
mächtigten, so könnte er ohne Zweifel
Ro
lands Rasereien erneuern; aber die Ruhe
herrscht auf seinen Zügen,
der
seiner
sich mit
Stimme
verschmelzt
Wohllaut
den
himmlischen Klängen seiner Laute, und die seinen
ganze Natur scheint mit Entzücken Tönen zu lauschen.
0
gestern
Erstaunen!
dasselbe Lied,
Elodie gesungen,
Dergschützen wiederholt.
wird
welches
von
dem
Es sind beinah«
die nemlichrn Worte, dieselben Ausdrücke,
und doch welch verschiedener
Sinn.
Die
Zungfrau von Unterlachen horcht auf, und
wagt kaum ihren Ohren zu trauen.
Nimmer begrüß' ich mit ftohem Entzücken Frühling dich, Wonne der ganzen Natur!
Ach! nur den reinen, den kindlichen Blicken Lächelt Aurora auf blühender Flur.
Hoffnung, du freundliche Stütze im Leben,
Offene Pforte zum Tempel des Herrn! Nimmer vermagst du dies Herz zu erheben,
Friede und Unschuld sind ewig ihm fern. Wohl auch erfleht ich in Tagen der Jugend, Die mir das Haupt einst mit Blumen bekränzt, Beistand von dir,
o erhabene Tugend!
Himmlisch von deiner Erscheinung umglänzt. Wer litt gefährlichern Schiffbruch des Lebens?
Wer rang mit Graus und Entsetzen wie ich?
Aber ein Opfer des feindlichen Strebens, Unschuld, entflohst Du auf ewig für mich!
Bei diesen letzten Worten erstirbt die wehmüthig klagende Stimme des Bergbe wohners zwischen den öden Felsen. Ein tidtlicher Frost macht plötzlich Elodiens Glie der erstarren. Zhr ist als ob eine Binde ihre Stirn schmerzhaft' zusammenpresse, und als ob eine Dleimasse auf ihr Herz gefal len wäre. Der Jäger hatte seine Augen zum Him mel erhoben, die Tochter der Abtei erkannte
96 jene» Blick
Blick
himmlischen
— jenen
Mieder, dessen unauslöschliches Bild tief in
ihre Seele geprägt war.
Bey dem. letzten
Scheine des Tages hatte sie die männlichen
Züge des Unbekannten der Kapelle nur un
deutlich bemerken können; deutlich erkennet
sie solche jetzt bei vollem Lichte wieder, und Nie wurde
betrachtet sie mit Bewunderung.
eine vollkommenere Schönheit einem Sterb
Aber warum schattete der
lichen zu Theil.
Ausdruck des Leidens und der Verzweiflung auf der Stirn
des Einsiedlers?
Warum
dieser Trauergesang bitterer Erinnerung und
der Gewissensangst? —
O sanfte Zung-
frau des Thales! die du schön bist wie die
Gefährtin
des
ersten
Mannes, rein wie
das erste Gebet der Kindheit, entferne dich!
Ach es ist um die Rose geschehen, wenn sie der Hauch des Nordes berührt! Der schöne Zäger des
Berges befestigt
die Laute wieder an dem Dogen der Drü cke: er hebt das Reh auf, welches er nach lässig
über seine
Schultern
wirft,
und
unter seinen Kicher hängt; nachdem er sei nen Dogen wieder ausgenommen, entfernt er sich vom Ufer und ein banger Seufzer entwindet sich seinem beklemmten Dusen. Mit eiligen Schritten ist er über der Drücke, glimmt den Bergpfad hinauf, und verschwin det zwischen den Tannen. Schon ist er weit. Elodie hatte die Bewegung wieder erlangt; sie fliegt zu dem wilden Dogen, und bemächtigt sich ihrer Laute wieder. Die erstaunte sprachlose Ur sula, welche nicht weiß, was sie. von dem nnbekatmten Sänger denken soll, wagt ei nige Fragen; aber die ganz bestürzte Elo die hört weder auf sie, noch antwortet sie ihr. Sie hat wieder den Weg zum Klo ster eingeschlagen; Marzellinens Hütte stellt sich ihren Blicken dyr, ihre Schritte '"iten sie unwillkührlich dahin; dort unter ländlichen Dach wird ja von nichts als dem Einsiedler gesprochen. Die schwärmerische Marzelline erblickt Herstalls Nichte, und eilt ihr entgegen. I7
o— „Kommt, Engel des Klosters, spricht sie, was habe ich euch nicht alles mitzurheilen, der wunderbare Mann wacht auch über euer Geschick." — „Ueber mein Ge schick !" wiederholt das junge Mädchen errSthend. — „Ich komme von der Abtei zurück, wo ich euch suchte," fährt Marzelline feierlich fort, ste auf die Seite ziehend. i,Höeet mich: gestern Abend, auf dieser nämlichen Stelle, ist er Vor mir erschienen, hier habe ich den Einsiedler wieder gesehen. Morgen, sprach er zu Wik, gehe hin, die ZuNgfräu von Unterlachen aufzusuchen, und wiederhole ihr diese Worte: Der Herzog V0n Lothringen hat seine Schwester dem Grafen von Norindall versprochen: Eck berts entstehende Liebe für' eine Andere als seine Braut, kann für Alle hier einen Ab grund des Verderbens öffnen." „ö Himmel! rief Elodie, so hat er zu euch geredet!" — „Er hat mir aufge tragen eüch dies zu sagen." — „Wie! nahm dir Waise wieder das Wort, kaum
sind die Lothringischen Schaaren im Klo ster angekommen, und schon kennt der Ein
siedler ihren Anführer, seinen Namen, seine Verbindungen, sein Geschick,
entstehende Liebe!" — seine
Befehle ertheilte,
sogar
seine
„Während er mir fügte
Marzelline
hinzu, war sein Ton finster und unheimlich, seine strenge Stirne drohend.
Der Mond er
hellte fein Gesicht, und ohne die auffallende
Schönheit seiner Züge, hätte ich fast Mühe gehabt
wieder zu
ihn
Stimme,
deren
Schall
erkennen. er
zu
Seine
dämpfen
suchte, schien der erste Hauch eines Stur mes und sein Blick der erste Schein einer
Feuersbrunst.
Nach diesem fürchterlichen Gemälde Elodien zum Kloster zurückführend, begann Mar zelline aufs Neue:— „Edle Tochter von Un-
rerlachen, vernachlässiget die Warnung des Ge nius vom Berge nicht; nichts scheint ihm un bekannt und alles möglich zu seyn:
Eckbert von Norindall,
Einsiedler.
fliehet
und zählet auf den
IOO
Viertes
Buch.
Drei Tage haben sich der Graf von Norindall und
seine Gefährten bereits in der
Abtei aufgehalten.
Vergebens kämpft Eck
bert gegen die Liebe, welche einflbßt:
Elodie
ihm
Empfin
die heiße Gluth seiner
dungen wächst mit jedem Augenblick;
das Geheimniß
seines Herzens ist
und keines
mehr für seine Krieger. Am vierten Morgen nach der Ankunft
der Fremden im Kloster, stieg Saint MaurS
Tochter von ihrem Thurme zu der Stunde herab, wo die treue Gattin des Landmann'S ihrer jungen Familie das Frühmahl zu be
reiten pstegt.
Wieder
auf
ihren
Rossen
sitzend, wieder mit ihren Waffen bekleidet,
verlassen Renäs edle Streiter so eben die Abtei, und wenden sich gegen Nancy. drei Ritter folgen ihnen nicht,
und
Nur der
Graf von Norindakl ist unter dieser Zahl: er erwarte, sagt er, die Zurückkunft
eines
treuen Abgesandten, welcher ihm eine wich tige
Antwort von
dem
Oberhaupt
Schweitzer-Cantons zu bringen hat.
eines
Eck
bert hatte einen .Theil feiner politischen Ge
heimnisse dem
vertraut,
Freiherrn von
Herstall an
welcher den lebhaftesten Antheil
an dem Herzog von Lothringen nimmt, und
Neues Freund wird noch einige Tage hin durch die Abtei bewohnen.
Die Jungfrau von Unterlachen durch strich
die
blühenden
Gebüsche
des
alten
Klosters, als sich ihr, bei der Wendung ei
nes Ganges der Graf von Norindall zeigte. „Liebenswürdige Waise, sprach Eckbert, die
sen Morgen sollte ich diesen Ort verlassen: und ich bin noch da.
Könnt ihr errathen,
welcher süße Zauber mich hier zurückhält; welche unbekannte Gewalt mich fesselt?...
Ach,. bis diesen Tag
hatte ich an dieser
Bezauberung gezweifelt, trotzt !"
dieser Macht ge
— „Ritter, antwortete bas junge Mäd
chen mit Verwirrung,
laßt uns zur Abtei
zurückkehren."
Sie wollte sich entfernen, Eckbert hielt
sie zurück. — „Noch ein Wort,
ein einziges
und ihr sollt frei seyn.
noch,
Wort
Wenn, zu
euren Füßen sinkend, ber Freund des Her
von Lothringen
zogs
in diesem Au
euch
genblick nicht den Glanz seines Reichthum« und seines Ranges, der euch nicht zu blen
den vermag, aber die Huldigung eines auf
richtigen Herzens darbrächte, ihr ihm antworten? —
was würdet
„Daß
er nicht
mehr Herr seines Geschickes, daß sein Wort
verpfändet ist, und daß allein die erhabene Schwester Rene« die Gemahlin des Gra
fen von Norindall werden muß." sen
unerwarteten
Worten
bleibt
Bei die
Eckbert
stumm vor Erstaunen stehen, umsonst sucht «r seine Verwirrung zu verbergen; der Aus
druck
seiner
seines Blicks, Lippen,
die
das
Blässe
leichte seines
Beben Ge-
—------- -
103
sichts, verrathen die Erschütterung seiner Seele. — „Was höre ich! «in unbestimmter Plan, kaum von einigen der innigste» Vertrauten Renes gekannt, ein Geheimniß, wovon der Hof von nicht die ge ringste Kenntniß hat, «in verborgener Ge danke des Herrschers, ist auch in dieser entiegenen Einsamkeit enthüllt worden?" Elodie schwieg und ging langsam neben dem Grafen her, welcher fortfuhr: — „Es ist wahr, der Herzog von Lo thringen hat mich gewürdigt, mir feine Schwester vorzuschlagen; aber keine heilige Verpflichtung bindet mich: ich kann noch ohne die Ehre zu verletzen, die entworfene Vermählung ausschlagen. Was sage ich! meine Pflicht befiehlt mir jetzt fie zu bre chen; ich würde die Prinzessin von Lothrin gen nicht mehr beglücken können. Es giebt auf Erden nur ein Wesen, welches die Le bensgefährtin Eckberts seyn kann. Ohne Zweifel werd« ich Ren«s Freundschaft »er-
litten, ich werde mir seinen Zorn zuziehen. Aber die Liebe hat mein Gemüth gänzlich
Ruhm, Güter, Würden, ihr
verwandelt:
seyd nichts mehr in meinen Augen: Elodte, himmlische Jungfrau, ein Lächeln! —
ich würde glauben die Erde zu
und
verlassen:
Unterlachen wird zum Elysium." Sein Athemzug
ist
beklommen,
seine
folgen sich stürmisch.
glühenden Ausdrücke
Die Neuheit dieser Sprache überrascht die Waise:
schweigt.
sie
beschleunigt ihre Schritte und
—
„Ihr
antwortet
nichts,
nimmt Eckbert wieder mit Leidenschaft daS
Wort.
Elodie, O! laßt mich für euch al
lem Glanz des Lebens entsagen!
Als ein
vergessener Jäger des Berges, ein einfacher
Fischer des Thales, möge mir nichts als eine Hütte,
chen
bleiben;
aber
auf Erden
nichts als ein Na
Elodie
sey
in dieser
Hütte, Elodie sey in diesem Nachen! Dann ihr Stürme des Daseyns mögt ihr über die
mächtigen Häupter
hier
losbrechen:
ich
werde
dem Donner in Frieden Trotz bieten.
los Rühre du, o Liebe, für mich das Herz der Waise,
und schon hienieden werde ich die
höchste Glückseligkeit gefunden haben."
So Gefühls
spricht er:
strahlt
die
aus
Begeisterung
des
Augen;
die
seinen
Jungfrau von Unterlachen ist bewegt, ge rührt; und dennoch ist Eckbert nicht geliebt.
— „Graf von Norindall, sagt sie endlich, verzeihet mein Stillschweigen.
Die Reden,
welche ich so eben vernahm,
sind meinem
Ohre fremd, und ich wüßte nicht darauf zu
antworten.
Vermählung!
Warum sprecht
ihr mir von
dem Freiherrn von
Herstall
steht es zu, über mein Loos zu entscheiden.
Warum sprecht ihr mir von Liebel ich darf diese Sprache nicht anhören."
Unter diesen Worten waren sie ans Klo ster gekommen, wo sich Saint Maurs Toch ter von Eckbert trennte.
Mehrere Tage waren
verflossen.
Die
Waise hatte beständig den Grafen vermieden;
sie erschien nur selten im Saal der Abtei und
ging nicht mehr in die Gärten hinab.
io6
- -■ -
Der Freiherr von Herstall ließ feine Nichte rufen: Er war «Hein.. Eckbert hatte ihn so eben verlassen. Der Greis empfing die Waise mit seiner gewohnten Zärtlichkeit, und mit feierlicher Stimme richtete er dies« Worte an sie; „Höre mich, liebe Elodie, und hüt« dich, mich zu unterbrechen. 2n den glücklichenTagen meiner Jugend wagte ich rS, den Himmel um eine lange Laufbahn zu bitten. Ach! ich war weit entfernt zu wähnen, daß dies nur ein verlängertes Hinsterben erflehen hieße. 0, Zrena, meine angebetete Toch ter! mein wahres Leben hat mit dem deini gen geendet; dein Vater, ein kaum beseelter Schatten, im Geiste dir allein angehörend, hat dich nur in den Augen der Menschen überlebt. Zch fühle es, das Ziel meiner Leiden ist gekommen : bald, hoffe ich, werde ich mich mit derjenigen vereinigen, die «in vorüber streifendes Meteor auf Erde» verschlang. Dir allein meine Nicht«; Dir allein §uf
dieser Welt würde «s gelungen seyn, mei nen bittern Schmerz zu stillen, wenn meine Seele dem Trost zugänglich gewesen wäre; aber wie die verzweifelnde Löwin, welche vom rohen Jäger verfolgt, ihr letztes Jun ges erwürgen sah, so habe ich mir von wilden Menschen das geliebte Wesen ent reißen sehen, welches allein meinem Daseyn Reitze lieh; und wer versucht hätte mein Leiden zu mildern, würde mir mein Unglück zu beleidigen geschienen haben. Elodie,. schwaches Rohr des einsamen Ufers, ich zitterte, daß wenn ich dahin seyn würde, nicht ein Sturm deinen schwa chen Stengel bräche. Aber ein mächtiger Beschützer zeigt sich, und erbietet sich den sterbenden Greis zu ersetzen. Nimm die edle Stütze an, welche der Ewige dir zu senden scheint: dann wird keine Sorge den Frieden, die Hoffnung und die Freuden meines Sterbelagers mehr stören." Der Greis hält einen Augenblick inne. Ohngeachtet der vergeblichen Anstrengung ElolrienS, /
dringen Thränen
unter ihren
langen Au
Herstall fährt fort: —
genwimpern hervor.
„Der Graf von Norindall hat mich diesen
Morgen
um
deine
Sein Reichthum,
Hattd
sein
angesprochen.
Ruf,
Rang, -sein
seine 'Zugen-, seine Tapferkeit, alles glänzt bei ihm in reinem, fleckenlosen Schimmer;
was soll ich ihm antworten?.—
Allein,
in diesem abgelegenen Kloster, hast du bis her nur die rohen Bewohner unserer Thä
ler gekannt, sprechen,
dein Herz
und
Eckbert
konnte Noch nicht ist
deiner
Liebe
würdig.
Deine Einwilligung zu dieser ersehnten
Verbindung
würde alle meine Wünsche er
füllen; indessen bin ich weit entfernt,
nen Gefühlen Zwang öffne
mir
dein
dei
auflegen zu wollen,
Herz.
Elodie
ist
ganz
Herrin über sich selbst."
Diese lebten, mit dem liebevollsten Tone ausgesprochenen Worte, belebten wieder den Muth der niedergeschlagenen Zungfrau.
— „Mein Vater, antwortete sie,
der
log tapfere Eckbert ist ohne Zweifel zu höherer
Ich bin nicht wür
Bestimmung berufen.
dig seine Gattin zu seyn; Bergen erzogen,
mitten in den
würde ich in dem Kreise
des Hofes am unrechten Platze stehen; die wilden Blumen unserer Thäler verwelken, wenn
sie
werden.
in
andere Gegenden
verpflanzt
nach fürstli
Und ziemt es mir,
chen Wohnungen zu streben, da es «in Pal
last war, wo mein Vater ermordet wurde? 0! erinnert euch der letzten Bitten der un
glücklichen Wittwe Saint Maurs,
beden
ket, daß meine Mutter in ihren letzten Au
genblicken die Worte an euch richtete:
nie
mals, wenn es möglich ist, verlasse Elodie dieses friedliche Thal,
nie lerne sie die ir
dische Größe kennen, und den Preis, wel chen sie ihren Besitzern kostet."
— „Nun wohl! ruft Herstall, der Graf
von Norindall ist bereit für dich dem Hofe von Lothringen zu entsagen,
sich des Ran
ges zu entkleiden,
den
Ruhm zu fliehen,
der ihn umgiebt, und
er einnimmt; den
in dieser wilden Einsamkeit dir sein ganzes Le ben zu weihen. So viele Opfer beweisen «ine Liebe, welche dich nicht ungerührt lassen kann." „Mein Vater, unterbricht ihn die Waise, dauern die ersten Aufwallungen der Liebe ewig? — sind außerordentliche Entschlüsse unerschütterlich? — Ach! die Ueberspannung ist nur ein Aufflug, sie war nie mals ein fester Grund. Heute verspricht mir Eckbert diese Opfer, wer bürgt mir morgen gegen feine Reue." „Elodie beharrt also in ihrer Weige rung ? — ist dieses ihre letzte Ant wort? — — „Ihr habt mir befohlen ohne Rück halt zu euch zu sprechen. Lieber würde ich es vorziehen, mein Leben in diesen Bergen dem Altare zu weihen, als am Hofe zu leben und dem letzten Willen meiner Mut ter ungehorsam zu werden. Auch würde ich, von Eckberts leidenschaftlichem Character geschreckt, fürchten, ihm msin Schicksal
----------
in
anzuvertrauen: und wenn Saint Maurs Tochter frei zu wählen hat, so wird sie niemals die Gemahlin des Grafen von Norindall werden." Ähre Stimme War sicher als sie diese Worte aussprach. Die Festigkeit ihres To nes überraschte Herstalln. Zhr Entschluß scheint unerschütterlich. Der Greis tadelt ihre abschlägige Antwort; aber der letzte Abschied einer vielgeliebten Schwester erneu ert sich seinem Gedächtniß. Er hat gelobt, Elodiens Gefühle niemals zu zwingen: und sein Versprechen soll ihm heilig bleiben. Wer schildert Eckberts Schmerz! Elodie hat seins Hand verschmäht, seine Wünsche verworfen. Ohne bewegt zu scheinen, ver nimmt er aus Herstalls Munde den Aus spruch > Welcher fein Geschick entscheidet. Seine Verzweiflung ist still, seine Raserei stumm. —„Ehrwürdiger Greis, sprach er, des Freiherrn Hand leicht drückend, noch heute Abend werde ich diesen gastfteundlichen Bo-
112
-----------------
den verlassen, — wollte der Himmel, ich hatte ihn nie betreten." Nachdem er dieses gesagt, entfernte er sich. Am Tage zuvor hatte ihm sein gehei mer Bote die Antwort gebracht, welche er erwartete. Der Befehl zum Aufbruch ist gegeben. Tausend finstere und verwirrte Entwürfe rollen durch seine Seele. Sein natürlicher Edelmuth bekämpft vergebens die ungestüme Wuth, welche ihn durchzittert. Er fühlt es, daß die Gewalt des Bösen in ihm über die Tugend den Sieg davon tragen will. Umsonst steht er zum Himmel und heischt eine Stütze gegen seine Leidenschaften; nichts vermag ihre Ausbrüche zu mildern. Außer sich selbst, suchte er Elodien auf; er weiß nicht was er ihr sagen, nicht was er begin nen will, er faßt nicht, was er vor hat, aber es ist ihm Bedürfniß sie zu sehen. Endlich begegnet er ihr. — „Zch reise, spricht er, ihr wünscht, ihr befehlt es. Für immer gehe ich, euch und das Glück zp fliehen. —
—------
113
O! sagt mir wenigstens, — sagt mir, daß ihr mich bedauert!" —
Elodie sieht ihn an. —
Sie stockt ei
nen Augenblick, sie ist von seinem Schmerz gerührt; und dennoch findet sie, um ihm zu
antworten nichts als
diese Worte:
„Lebt
wohl, edler Ritter."
ent
Seinen wilden Renner besteigend, fernt sich der Graf von Norindall,
ohne
Hoffnung, ohne Trost von der Abtei.
Die
beiden
Krieger, welche
ihn begleiten, be
merken mit Schrecken die Kürze seiner Ant
worten, das wilde Feuer seiner Blicke und
das Ungestüme seines Rittes. Lange schon ist die
Sonne unter das
Meer getaucht, Eckbert spornt die Seiten seines Rosses noch
immer ohne Unterlaß,
und bemerkt den ungeheuren Raum nicht,
welchen er schon durcheilt hat. stürzt
endlich
Sein Pferd
Er
unter ihm zusammen.
weiß nicht an welchem Ort er sich befindet, wohin
er sich wenden, welche Vorsätze er
fassen soll. I-
Alles
ist ihm einerlei.
Aber 8
fl4
-------- —
nur zu bald werden sich die Gedanken of welche sich in seiner Seele ent
fenbaren, wickelten.
das Gewie
Die kriegerische Trompete,
her der Rosse, das Geklirr der Waffen, die
schallenden Stimmen der Ritter, wiederhal len nicht
Abtei.
mehr
unter den Gewölben
der
Die Tochter Saint Maurs wirft
sich insgeheim, nicht ihre abschlägliche Ant-
wort auf Eckberts Anerbieten,
ihre kränkende Erwiederung stigen Abschied vor.
wohl aber
und ihren fro
Als er sich trotzig von
der Waise entfernte, hatte er ihr einen dro
henden
Blick
zugeworfen.
Eine
unbe
stimmte Ahnung beunruhigt das junge Mäd chen.
Vielleicht zieht sich schon in diesem
Augenblick
Ungewitter
ein
Haupt zusammen.
Doch,
über
Eckbert ist ein
Held: und besitzt Seelengröße;
durch
eine strafbare
beflecken! —
Ach!
könnte er
Handlung sein das
ihrem
Leben
heldenmüthigste
Herz hat, wie die schönste Jahreszeit seine reinen Tage und seine Stürme.
Mag sich
ohne angeborne Tugend der kalte unem pfindliche Mensch rühmen ohne Laster ge lebt zu haben, wird er wohl jemals Be wunderung einflößen? — Ach! alle Blicke werden sich lieber jenen Sterblichen einer erhabenen Natur zuwenden, welche, es ist wahr, die glühende Begeisterung nicht' im mer auf den himmlischen Höhen erhalten konnte; aber die im Fallen wenigstens ihre Schwingen nicht verloren haben, und bereit, «inen neuen Aufstug nach höher» Regionen zu unternehmen, niemals in den schändli chen Kreis der menschlichen Lauheiten ge krochen sind. Ohne das Bild des Einsiedlers, ohne seine letzte Erscheinung am Bogen der Brücke, ja sogar ohne die letzten Reden Marzellinens, hätte sich Elodie bet ihrer Antwort gegen Herstalln bedacht. Aber der neue Beweis, welchen der wunderbare Be wohner des Wildberges, von seinem lebhaf ten Antheil an ihr, gegeben, hatte ihre Seele gänzlich unterjocht.
------------
Xi6
dringt
Der Einsiedler
bis in die ge-
Heimsten Pläne des Lothringischen Fürsten. Die Großen der Erde und ihre Schicksale sind
ihm
ist
Wer
bekannt.
denn
dieses
übernatürliche Wesen, welches aus der Tiefe seiner Einsamkeit bis in die unbestimmtesten
Wer ist dieser
Gedanken der Höfe blickt?
des Berges,
geheimnißvolle Stern
dessen
schützende Strahlen mit Liebe auf sie nie und sie in der Tiefe
derzusteigen scheinen
des Thales aufsuchen? Schutzgeist seyn:
Es kann nur ein
Nur die
Stimmen
der
Dankbarkeit ertönen vor seinem Ohre, und diese Musik ist nicht der Gesang der Höl
lengeister.
Stolz,
liebt zu seyn,
von einem Manne ge
welcher ihr über alle Men
schen erhaben scheint, jenen Eckbert,
genblick
empfindet Elodie für
dessen Glanz sie einen Au
geblendet
hatte,
nichts als
den
flüchtigen Antheil, welchen eine merkwürdige die er eilig
Stelle dem Wanderer einflößt,
im
Vorübergehen
bewundert
und
nicht mehr wiederzusehen rechnet.
die
er
TI7 Herstall bereitete sich jeden
das Leben zu verlassen.
Augenblick
Das Kloster,
die
dazu gehörigen Güter, alles was er besitzt
wird Elodiens Erbtheil seyn. in der Abtei, ohne Hülfe,
Aber allein ohne Führer,
aus der jungen Waise werden?
was soll
Eine entfernte Verwandte Herstalls, welche
seit
schon
lange
am
Lothringischen
Hofe
lebte, besaß mehrere Durgen in der Schweitz.
Der Greis nimmt seine Zuflucht zu
Der Gräfin von
der Wohlthätigkeit vorschlagen,
heißt nur
die Wünsche ihres Herzens erfüllen.
berzeugt,
Ile«
daß sie, ohngeachtet ihres Alters
und ihrer Gebrechlichkeiten keinen
Augen
blick anstehen würde, die Unschuld zu schützen,
ihr.
Znnberg eine Handlung
be
wandte sich Herstall mit der leb
haftesten Bitte
zum Besten seiner
an sie, und ersuchte sie,
Nichte
Elodien zu würdi
gen, nach seinem Tode Mutterstelle bei ihr
zu vertreten.
Die glühende Hitze des Sommers folgte dem sanften
Hauch des Frühlings.
Der
Einsiedler steigt nicht mehr von seinem Berge Herab, er scheint das Thal vergessen zu haben. Die Jungfrau von Unterlachen wird jeden Tag trauriger und nachdenken der. Keine Begebenheit stört mehr die Einförmigkeit ihres Daseyns; diese Stille beunruhigt sie. Das holde Lächeln verschö nert ihre Rosenlippen nicht mehr; — ihr Gang ist langsamer geworden, sie geht oft in die Kapelle um zu beten; — der Auf gang der Morgenröthe findet sie nicht mehr froh und heiter. Die Saiten ihrer Laute sind erschlafft, ihre Blumen schmachten un bemerkt dahin, — und alle diese Verwand lungen rühren von einem einzigen Gedan ken her. Sonst schien ihr alles lachend und beseelt in dem Thal; jetzt dünkt ihr Unterlachen düster und verödet. Von ih rem geliebten Sommerhäuschen aus betrach tet sie den Schnee der Alpen, der die Gip fel, vhngeachtet der glühenden Flammen der Sonne bedeckt, und seufzet, daß ihr Herz nicht eben so kalt ist, wie diese ewige
1I9
----------------
welche
Mfiffe,
Trotz bietet.
der Glut
des
0! wie viele Stürme haben
ohne etwas
schon diese Höhen durchzogen, an
Sommer-
ihrem Anblick
zu
verändern!
Zunge
Blume Helvetiens, kaum hat dich ein leich
ter Gewitter - Hauch berührt, und schon bist
du nicht mehr dieselbe. Ein dünner Regen,
welcher die Felsen
spitzen von Unterlachen verhüllte, gab ihnen in diesem Augenblick wunderliche Formen;
weißlichte Wolken, tausend sonderbare Ge
stalten
bildend,
Meereswogen,
pen hin.
laufen
durchsichtige
wie
über die Mitte öder Klip
Die Strahlen der Sonne, die
dann mit einemmal die neblichten Dünste niederschlagen, Zwischenräumen,
erhellen den
Horizont
in
dann zerreißt, wie durch
Zauberei der Schleier der Berge, und zeigt
durch weite Oeffnungen, luftige Thorhallen, Fichtenhaine
und Felsentempel,
Wolken des Thales beherrschen. zauberischen
Gemälde
welche die Aber diese
der Natur
werden
1 —■
I2Q
kaum von Siebten bemerkt:
der Abend nä
hert sich.
— „Wieder ein Tag dahin! — ruft die Waise,
entfernt.
während sie sich vom Pavillon
Sie bleibt stehen und sagt zu sich
selbst: dieser Schnee, wie viele Tage und Jahre hat er dahinfliehen sehen! Patriarchen, überlebt.
er hat die ältesten
hundertjährigen
die
Er wird
Eichen
noch da seyn,
lange
Nachdem der Weiler von Unterlachen,
die
Waise der Abtei vergessen, und den Namen,
des Einsiedlers zu
segnen aufgehört haben
wird." Jetzt bricht unweit Elodiens ein hefti ger Stoß die Gartenthür ein, welche auf'S Feld führt, und plötzlich zeigt sich ihr ein
vom Kopf bis zu den Füßen geharnischter
Ritter.
Erschrocken will die Jungfrau ent
fliehen; der Unbekannte halt sie auf, erschlägt
sein Visier zurück: —„Ich bin es," spricht er mit wildem Ton,
und Elodie erkennt Eck
berten.
„Was wollt ihr von mir!"
sie- —
»Folget mir."
ruft
Der Graf von Norindall hat bei die sen Worten die zitternde Hand der Waise ergriffen; aber seine Hand zittert noch stär ker, und das rauhe Ungestüm seiner Bewe gungen bezeugt die Verwirrung seines We sens. — „Laßt mich, sagt Herstalls Nichte, im Namen des Himmels, habt Mitleiden mit mir!" — „Du hast keines mit Eckbert ge habt!" dies sagend, zieht er sie ohngeachtet ihres Widerstandes und ihres schmerzlichen Gewimmers, fort: ein, von mehreren Krie gern bewachter Wagen, harrte des Opfers, welches er entführt. Bei der Thüre des Parks fällt Elodie auf ihre Knie. „Eckbert! edler Eckbert! haltet ein! Nein ihr seid eines solchen Verbrechens nicht fähig. Kommt zu euch selbst, groß müthiger.Ritter; werdet ihr zum erstenmal taub bey dem Klagegeschrei der Unschuld seyn!" Knieend, mit in Thränen schwimmenden
wie schön war sie nicht in ihrem
Augen, Schmerz!
wie stark war sie nicht in ihrer
Schwachheit!
Eckbert antwortet nicht, aber
er betrachtet sie...
Seine große Seele ist
erschüttert; es ist seine erste strafbare Hand
er fürchtete sie zu unternehmen, er
lung:
erschrickt sie zu vollbringen. — „Stehe
auf,
englisches
Geschöpf!
stehe auf, spricht der erweichte Krieger; ich bin es, der zu deinen Füßen fällt. ich bin kein Ungeheuer,
Nein,
aber ich bete dich
an: ich bin nicht für einen feigen Entführer geschaffen, aber ich kann ohne dich nicht le
ben.
Die Ehre ist mir kostbar, die Tugend
theuer; aber meine Liebe für dich, siegt über
Ehre und Tugend.
Reine Jungfrau, rette
mich vom Verbrechen: ich ^kann dich noch frei lassen, — nehme deine erste Weigerung zurück,
rufe Eckbert wieder in die Abtei.
Sprich, ich verlange nur ein Wort, — ein
einziges
Wort der
Hoffnung."
Als
er
dieses gesagt, stützte sich der Graf von No-
rindall
schwankend und
wie verwirrt auf
die Mauer, sein Urtheil erwartend. Sein Herz pocht verzweiflung-voll:
hat seinen Helm von sich geworfen,
er
dessen
Last er nicht mehr auf seinem Haupte zu
ertragen vermag: seine Hand preßt die glü
sein Gesicht ist bleich und
hende Stirn,
entstellt, er erfleht und
fürchtet eine Ant
wort. Eckberts Hand hält Tlodien nicht mehr
gefangen; der bereuende Eckbert scheint wie Anstatt ihm zu antworten, denkt
vernichtet.
Saint Maurs Tochter nur daran zu ent fliehen.
Der Augenblick scheint ihr gün
stig, das nächtliche Dunkel kann ihre Flucht
begünstigen.
Zm raschen Lauf stürzt sie ge
gen die nahen
sich,
Gebüsche
und
zwischen, dem dichten Lau-
schmeichelt zu
ver
schwinden.
Pl-tzlich
wie
mit
Schrecken
erwacht,
verfolgt der Graf von Norindall die Flüch
tige,
welche ihr weißes Gewand verräth.
Vergebens berührt sie die Erde kaum mit
ihrem leichten Fuß, denn schon ist die Waise wieder in die Gewalt ihres Räubers
zu
»Jetzt ist eS aus! ruft Eck
rückgefallen.
bert wüthend,
sie mit Gewalt zur Thüre
des Parks zurückführend:
du willst deinen
Untergang und den meinigen; unser Schick sal erfülle sich! — —
Wort des Mitleids!
Wie!
nicht
ein
nicht «inen tröstenden
Blick I“ —
Dann mit dem Ausdruck des Schmerzes
und
der Verzweiflung: —
fährt er fort,
„Grausame!
wäre es denn ein so entsetz
liches LooS Eckberts Gattin zu seyn!---------
Weißt du, nige suchte!
daß mehr als ein Herz das seidaß mehr als eine Schönheit
insgeheim nach demjenigen seufzte, verschmähst! geliebt.
Ach!
den du
Eckbert hatte noch nie
O! wie bedaure ich jetzt diejenigen,
deren Wünsche ich verwarf! —
Ihr haßt
mich, ich selbst hasse mich: wohlan! wagt, es mir zu sagen;
belastet mich
Ausdrücken eurer Feindschaft, stung ;
bald werden
mit den
eurer Entrü
wir das Thal durch-
schnitten haben: dort ist der Strom-----zeigt mir den Abgrund------ ich werde ge horchen, — und ihr werdet frei seyn." Die wilde Zärtlichkeit seines Ausdrucks, seine fürchterliche Gemüthszerrüttung, die innerlichen Kämpfe seiner Liebe, seine Reue und seine Raserei, preßten Elodiens gefühl volles Herz schmerzlich zusammen. Ohne Kraft ihm zu widerstehen, aller Hülfe be raubt und verzweifelnd, stößt die Waise kein unnützes Geschrei mehr aus, aber ihre kläglichen Blicke flehen ohne Unterlaß den grausamen Krieger an, welcher den Anblick ihres Leidens nicht zu ertragen vermag. Sie verfolgen den Weg nach dem Wei ler. Die Bewohner des Dorfes, in ihre ländlichen Hütten zurückgezogen, werden nichts von den Räubern gewahr. Zn die sem Augenblick tritt das nächtliche Gestirn aus dem schweren Gewölke hervor, das seine silberne Scheibe verschleierte; Eckbert ent fernte sein Roß nicht von Elodiens Wagen. Plötzlich wiederhallt eine fürchterliche
Stimme in den Wäldern.
Ein riesenhafter
Krieger am Ende der Brücke versperrt den
Räubern den Weg. kennt das runde
Wer ist das?
Wer
ungeheure Wappenschild?
Wem gehören diese funkelnden Waffen?
Schon
haben
Eckberts
verwegenen Krieger
Begleiter
angegriffen,
den
der ganz
allein es wagt, ihre Schritte zu hemmen. Alle
über
ihre Schwerter sind mit einem Male seinem
Haupte
Die
geschwungen.
Klingen sprühen Funken; das Klirren der
Waffen giebt das Echo der Berge furchtbar zurück: auf Eckberts Seite ist die Ueberzahl
und die Tapferkeit,
aber
am
Ende
der
Brücke die Kühnheit und der Tod. Erschrocken betrachtet Elodie den Unbe kannten
des
Waldes.
Getümmel das
seine
stolze
leuchtendes
ihn
Stirne
Schwert
ruche des Erzengels
Ruhig
mitten im
umgiebt, erhebt unerschüttert.
sich
Sein
scheint die Flammen
vor den Pforten des
Paradieses; und auf seinem goldenen Helm wiegt sich ein schwarzer Dusch wie ein Trauer-
Fechtend
auf einem Siegesdenkmal.
flor
stürzt er alles zu
was sich ihm
Boden,
naht, zerschmettert er Alles was er erreicht.
Eckberts
hinab gerollt;
wüthend
den
in
sind
Gefährten
dringt
Strom
der Graf
von Norindall mit dem Degen in der Hand auf den unermüdlichen Sieger ein. 0 neues Bei seinem Anblick weicht der
Erstaunen! tapfere
Fremdling
und scheint
einige Schritte zurück,
ihm mit einer Herrscher-Ge
berde zu sagen: — Halt ein! Erstaunt setzt Eckbert einen
seine
Streiche
Mann
Augenblick
Der geheimnißvolle
aus.
scheint gewöhnt ihm zu
gebieten,
das Recht zu haben ihm zu befehlen.
Er
schlägt seinen Helmsturz zurück; ein Mond
blick beleuchtet die Siegers.
strahlende Stirne des
Seine Augen werfen ein glän
zendes Licht von sich.
Die Jungfrau von
Unterlachen erkennt den Schützen des Ber ges ; der rettende Krieger ist der Einsiedler.
Eckbert ergreift ein plötzliches Entsetzen;
die Züge
des Helden
sind
ihm
bekannt.
Alle seine Sinne sind
Die Au
verwirrt.
gen auf eine Erscheinung festhaltend, welche er vielleicht für übernatürlich hält,
bebt er
sein Schild entfällt
jetzt gleichfalls zurück;
ihm, er wirft sein Schwert von sich, stürzt
auf die Kniee; und seine Hände erheben sich flehend zu seinem stolzen Feinde.
Undeutliche Worte, die Elodie nicht zu
entschlüpfen seinen Lip
verstehen vermag,
pen.
Er scheint ei» Wort von dem wilden
und schweigenden Geiste zu erbitten,
wel
cher ihn mit einer Bewegung zu vernichten
geschienen hatte. dieses Wort;
Aber umsonst erwartet er
plötzlich erhebt er sich und
will sich dem siegenden Krieger nähern, den
er mit einem von Bewunderung gemischten Entsetzen
streckt die
Hand
stößt
zurück.
ihn
aber
betrachtet; aus
der
dieses Zeichen
und
Der
Einsiedler
unüberwindliche
Held hat gegen einen Felsen gelehnt, sein
Visier
wieder
herabgelassen.
vom Walde bewegt welche
auf seinem
die
Der Wind
schwarzen Federn,
Haupte
wogen,
und
um ihn her zu
scheint Trauerklagen rings
stöhnen, welche das dumpfe Gemurmel des Stromes verschlingt. verschwindet hinter
Held
mit
Der verfinsterte Mond einer Wolke
den glänzenden
und
der
Waffen scheint
nur noch ein schwarzes Gespenst, bereit ein
Todesurtheil zu verkündigen.
Noch hatte er kein Wort ausgesprochen, und demohngeachtet empfing Eckbert die er wartete Antwort.
Seinen siegreichen Stahl
emporhebend, zeigte der Einsiedler mit des
sen blutiger Spitze dem Grafen von Norindall
den
Gipfel
des Wildberges,
den
eben ein letzter Strahl des nächtlichen Ge
stirns erhellte.
Eckbert hat dieses geheim
nißvolle Zeichen der unwiderstehlichen Macht verstanden. — ten," ruft er,
„Ich eile,
Nun nahte sich
fürchteten Felsen entflohen. der
Einsiedler
dich zu erwar
und ist schnell gegen den ge
gebietend dem Wagen
der
Waise--------- und der Führer nimmt zit
ternd
und
unterwürfig
nach dem Kloster zurück.
I.
den
Weg
wieder
Der kühne Held
schwingt sich auf eines der Pferde von den überwundenen Kriegern und begleitet schüt zend die gerettete Jungfrau. Sicher, ohne Zwang, mit Anstand und Größe führt der Einstedler das Roß, und das hitzige Thier folgt gehorsam seiner lei sen Führung. Ganz gewiß haben außeror dentliche Thaten sein Leben verherrlicht, un zählige Lorbern seine erhabene Stirn be kränzt! Wie viele Feinde mag diese fürch terliche Hand auf den Feldern der Ehre besiegt haben! Welcher Glanz umgiebt ihn unter diesen Waffen, die er niemals ver lassen zu haben scheint! — Aber schon wiederhallen die Hufschlage der Rosse, das Nollen des Wagens in den gewölbten Hö fen des Klosters von Unterlachen — und der Einsiedler ist verschwunden.
Buch.
Fünftes
Herstall hatte die Waise
des Klosters
wieder in seine Arme geschlossen,
und seg
nete', von allen Umständen der unglückseli gen Entführung unterrichtet,
den Ewigen,
welcher die Unschuld beschützte, und den ret tenden Krieger,
dessen sich seine göttliche
Hand bedient hatte.
Aber wie soll Dankbarkeit
er
dem Einsiedler seine
beweisen!
Er
hat
auf
sich
dem Wildberg unzugänglich zu machen ge wußt; ein Versuch sich ihm zu nahen,
ist
in seinen Augen eine Unbescheidenheit, eine
Undankbarkeit und beinahe ein Verbrechen. Sein unerbittlicher Zorn
donnert auf den
Verwegenen, der in der Hoffnung ihn anzure den, den steilen Felsen erglimmt hat.
den Reden des Volkes, Strafen mehrere
Nach
sollten fürchterliche
solcher Kühnen getroffen
haben,
die bis zur
Einsiedelei gedrungen
waren.
Man
die Verwegenen nicht
nennen,
aber man glaubt ihrer Züchtigung
kann
gewiß zu seyn.
Man weiß nicht woher sie
kamen, aber man bekräftigt ihr Verschwin den:
mit leiser Stimme erzählt man
ihre entsetzlichen
Ende;
Abenteuer,
sich
ihr trauriges
und ahnungsvolle Schrecken beglei
ten die unbegreiflichen
Kein Be
Sagen.
wohner von Unterlachen würde von nun an
wagen sich
Entrüstung
der
mannes blos zu stellen,
des
Wunder
Ein Bannfluch des
Einsiedlers ist ein Blitzstrahl,
der unver
auf den
Schuldigen
meidliches
Verderben
schleudert.
Zn
einem geheimnißvollen Ne
bel hat sich der Unbekannte des WildbergeS
gehüllt,
von seinen Mitmenschen abgeson
dert, und scheint
auf dem Gipfel seines
öden Felsens eine höhere Region zu bewoh
nen, deren Luft
einzuathmen kein Sterbli
cher außer ihm das Recht hat.
meine
Volk
wagt
kaum
in
Das ge
seiner Hütte
von ihm zu sprechen, und untersagt sich selbst alle Muthmaßungen. Anselm war noch bei Herstalln, aber Elodie hatte sich, der Erschöpfung erliegend, dem Schlummer hingegeben. Herstall be rieth sich indessen mit seinem Freunde; er befürchtete eine neue Gewaltthat des Gra fen von Norindall und hegte den Wunsch, sich für den Augenblick aus dem Thal von Unterlachen zu entfernen. Vielleicht wäre es das Rathsamsie, Elodiens Daseyn in einem unbekannten Zufluchtsort zu verber gen , bis ihr Andenken in Eckberts Herzen erloschen seyn würde. Aber Anselm bestritt diesen Plan. „Uebereilt euch nicht einen Entschluß zu fassen, sprach der ehrwürdige Seelsorger: Eckbert sagt ihr, hat sich auf den Wildberg bege ben? was wird dort aus ihm selbst gewor den seyn. — Laßt uns dieß erwarten." — „Was! ihr denket, er könne nicht wieder erscheinen? — Man kann nichts denken, nichts vorhersehen, wenn sich der
Einsiedler
die
in
Ereignisse
kommenden
mengt."
Während des ganzen
Tages
folgenden
konnte sich Saint Maurs Tochter, von den
schrecklichen Auftritten des vorigen Abends angegriffen,
nicht
brennende»
Fürchterliche Träume stör
Lager erheben.
ten ihren Schlaf;
Gespenster
als
von ihrem
ihre Augen sahen nichts
und
Gefechte.
Herstall
wachte, seine eigenen Leiden vergessend, sor
Doch siegte Elo-
genvoll an ihrem Bette.
diens Jugend bald' über ein vorübergehen
stieg
wieder von
des Uebel.
Sie
Zelle herab,
die reine Luft der Thäler er
ihrer
frischte ihre Sinne, und die Ruhe zog von neuem tn ihr Herz ein.
Da wurde der Jungfrau von Unterla chen ein Dries
vom Grafen
dall übergeben.
Sie
von Norin-
trug ihn zu ihrem
Pflegevater, und Herstall las ihr den In
halt
vor.
Plan,
Das
Gerücht
von
die Abtei zu verlassen,
nem Ohr gedrungen.
Er bat
Herstalls
war zu sei die Waise,
seine Gewaltthätigkeiten nicht mehr zu fürch ten, an seine Reue zu glauben, und ihn zu
würdigen, ihr ein letztes Lebewohl sagen zu dürfen, dann will er Helvetien für immer
verlassen.
Neue, Schmerz und Verzweiflung hatten diesem rührenden Brief des
die Feder bet Grafen konnte
von Norindall
nicht
an
geführt.
Herstall
den Gefühlen
zweifeln,
welche er enthält, denn jeder Ausdruck trägt
das Gepräge der Wahrheit an sich; Eckbert scheint zu
schlossen. entsagt.
dem
schmerzlichsten
Sein
—
Opfer
bereuendes
ent
Gemüth
Durfte die Waise seine letzte Ditte Herstall nahm es über sich,
zurückstoßen!
ihm zu antworten folgenden Tag empfangen.
das
und Elodie
Lebewohl
Die Stunde
kunft erscheint.
der
sollte
den
des Grafen
Zusammen
Saint Maurs Tochter er
wartet lebhaft bewegt Neues Freundin dem
Saale der Abtei.
Ach dieser für Elodien so
peinliche Augenblick ist noch weit qualvoller
für den unglücklichen Eckbert!
Die Thüre öffnet sich,
von Norindall tritt ein.
und der Graf
Es ist nicht mehr
der junge glänzende Ritter, wie er sich zum erstenmal ihren Augen,
umgeben von den
Lothringischen Kriegern,
darstellte.
Welche
Zeit!
Seine
Veränderung
in
so
kurzer
schönen schwarzen Augen haben ihren Glanz
erloschener
verloren.
Sein
nur
stummen
noch
Blick
drückt
ans.
Die
Schmerz
Niedergeschlagenheit wohnt auf seinen blei
chen Gesichtszügen, und die voreilige Sense
der Zeit scheint sich an seiner Zugend ver sucht zu haben.
Gewohnt die heftigen Ein
drücke seiner Seele zu verbergen, Renes Freund still und
ruhig;
zeigt sich aber ach!
der an seiner Quelle durch Sturm getrübte
Dach kann wohl,
beruhiget,
nachdem sich der Himmel
noch friedliche Wellen dahinströ
men, aber getrübt sind sie doch. „Edle Tochter Saint Maurs, spricht Eck
bert, einem Strafbaren,
einen Augenblick
der Unterredung bewilligen, heißt ihm Hoff nung zur Verzeihung geben.
Eine Unglück-
liche Leidenschaft hat mich hingerissen,
zu Verirrungen
aber die Neue führt mich zu
euren Füßen zurück.
Mein Ungestüm hat
aufgehört — beruhiget
euch. —
ist nicht mehr zu fürchten. —
Eckbert
Er entsagt
in diesem Augenblick Elodien, der Liebe, der Ehe, dem Glücke;
warum darf er nicht sagen,
dem Leben auf immer!"
ich kann
„Ritter, antwortet die Waise,
nicht
an
der
Worte
eurer
Aufrichtigkeit
zweifeln; sprecht mir daher nicht mehr von
Verirrungen und Neue; wieder gut gemacht,
und
euer Unrecht ich
ist
habe alles
vergessen." — „Ihr verzeiht mir,
bert, das ist genug:
erwiedert Eck
ich habe nun künftig
nichts mehr auf Erden zu erwarten.
Das
Leben bietet mir jetzt nur eine unermeßliche
Leere dar, Nacht ist.
in
deren Hintergrund
Elodie!
möchtet
ihr
ewige glücklich
seyn! mein Opfer ist vollbracht, meine Seele
ergeben;
ich habe nichts mehr diesseits des
Grabes zu hoffen."
Der Graf von
Norindall war
aufge-
standen, eine Thräne der Rührung entfloß Elodiens Augen.
Renös Freund entfernte
„Eckbert!" rief die Jungfrau:
sich.
und
dieses mit bewegter Stimme ausgesprochene Wort hält den Krieger zurück;
rasch wen
„Schonet mich!
det er sich wieder zu ihr.
Eure rührende Stimme töne nicht
tust er.
mehr in mein Ohr, oder ich stürze zu euren
Füßen nieder.
Der sanfte Blick Elodiens meinigen nicht mehr,
begegne dem
oder
keine menschliche Gewalt vermag mich von dieser
Stelle
zu
reißen,
wo
ich
meine
dem Einsiedler gegebene Schwüre vergessen
würde!"
„Eure dem Einsiedler gegebenen Schwüre!" wiederholt die erstaunte Jungfrau.
„Ja alle meine Schwüre, fährt Eckbert
mit Leidenschaft fort. ben!
fliehen,
ich
eure Ruhe
und
Könnt ihr es glau
Ich habe ihm geschworen,
doch
habe ihm
gelobt nicht mehr
zu stören. — hat
er
euch zu
meine
Er heischte es,
Thränen
fließen
sehen... die ersten welche ich jemals ver gossen."
Neues Freund durchgeht den Saal mit
starken Schritten; seine Stimme ist gepreßt, vergebens hätte er dem Laut des Schmerzes
Vom gro
einen Ausgang versagen wollen.
ßen Balkon der Abtei, das Thal
erblickt,
Wildberg.
—
von wo aus man
sucht
sein Auge
den
„Armer unglücklicher Ein
stedler! ruft er, hältst du dich denn in diesem Augenblick für beklagenswerther als ich es bin!" Jedes Wort des Grafen von Norindall
vermehrt
die
„Eckbert,
spricht sie,
Verwirrung
Waise. —
der
dem Einsiedler
verdanke ich eure edle Reue,
thigen Entschlüsse?" —
also
eure großmü
„O,
fragt
mich
nicht, unterbricht sie der Krieger mit wilder Heftigkeit.
Ich
nicht verrathen;
darf
seine
Geheimnisse
und ihr selbst fürchtet sie
ja zu kennen." Nach einigem Stillschweigen: „Elodie, nahm er wieder ruhiger geworden,
das Wort,
und näherte sich ihr, ich hätte
euer Daseyn beglücken können; ich fühlte mich werth euer Gemahl zu seyn: der Him mel hat es nicht gewollt... Empfanget also mein letztes Lebewohl. Wenn jemals mein Beistand Derjenigen nützlich seyn könnte, über welche der Einsiedler Macht, so verfü get über den unglücklichen Grafen von Norindall. Ach diese leidenschaftliche Seele welche euch anbetet und euch zu entsagen vermag, kann nicht ganz ohne einige Größe seyn, aber ihr konntet dieses Gemüth nicht näher kennen lernen. Eckbert hatte euch mit Gewalt besitzen können: als Elodiens Gemahl würde er durch seine Tugenden, seine Ergebenheit und Zärtlichkeit, ihre Ver gebung für eine vorübergehende Verirrung erlangt haben. Die glückliche Elodie würde der Liebe die Vergehen der Liebe verziehen, Eckbert würde aus seiner angebeteten Gat tin seine Gottheit auf Erden gemacht ha ben; er hatte die Seligkeit des Himmels schon hienieden genossen. Eckbert hat frei willig seine Blicke von der bezaubernden
I4I
---------------
Aussicht abgewendet,
freiwillig vorgezogen
das Finstere, ein Nichts, die Verzweiflung. Sanfte Taube,
indem ich mich von euch
losreiße, wage ich nicht auf euer Andenken zu rechnen, und doch hat vielleicht niemand
mehr wie ich Bedauern verdient."
Nach diesen Worten verließ der Graf von Norindall die Waise, welche allein zurückge
Eckberts
blieben, aus tiefer Brust seufzte.
Seelengröße hatte sich in dieser kurzen Un
terredung geoffenbart. Wie sollte Elodie
Krieger beklagen,
nicht einen so edlen
mit
der sich
gänzlicher
Selbstverläugnung aufopferte, um ihre Ruhe
«nd ihr Glück zu sichern.
Ein schreckliches
Geheimniß ist in seinem Dusen verschlossen
geblieben, aber es dünkt der
ihr, je mehr sich
geheimnißvolle Schleier heben
werde,
je erhabener müsse ihr Eckberts Entsagung erscheine^.
von
Elodien
Herstall
die
hatte
letzte
sich
Renös Freund wiederholen lassen,
staunen wuchs jeden Tag.
mehrmals
Unterredung
mit
sei» Er
Der Einsiedler
war es also,
der
seiner Liebe heischte. dunkle Eremit
von Eckbert das Opfer
Aber wie kann
vom Berge
seinen
dem mächtigen Grafen von Norindall schreiben?
der
Willen
oor-
Und mit welchem Rechte wirft
er sich zum Richter seines Schicksals auf? Der Greis beklaget mit tiefem Schmerz,
daß er seine Nichte nicht hatte bewegen kön nen, Eckberten zum Altar zu folgen.
Edle
großmüthige Seele! ruft er aus; und dann
denkt er wieder: ach, wie wird Elodie einen erlauchteren Gemahl, ein zärtlicheres Herz
und einen edleren Helden finden! Herstall kaun sich Elodiens Gleichgültigkeit
für Eckbert nur durch die Vermuthung erklä
ren, daß ein Anderer ihr Herz besihen müsse.
was sonst
Eckbert vereinigte alles in fich,
der Schönheit gefällt, die Zeigend entzückt;
alles was
das Herz der Frauen
und dennoch
vermochte
seines Ranges,
Züge,
weder
besticht;
der Zauber
weder seine männlichstolzen
noch sein Ruhm und seine Tugen-
den, nichts das Herz der Waise zu seinen
Gunsten zu rühren.
Auferzogen in der Einsamkeit,
gewohnt
nur rohe Hirten zu sehen, konnte ohne da
durch geblendet zu werden, Elodie den Glanz betrachten, welcher Nenes Freund, sten Großen, darstellte,
der sich
ihr
aus
den er der Welt
Der schöne Graf von
umgab.
Norindall betet sie an: er schildert ihr seine Gefühle mit dem Feuer
der Zugend
und
Leidenschaft — er legt ihr seine Ehrentitel
und Schatze zu Füßen, er erhebt sie entwe
der zu hohen Würden, oder er opfert sie ihr
auf;
und die arme Waise eines entlegenen
Anerbietun
Thals schlägt die glänzendsten
gen aus,
verschmäht den
verführerischsten
Krieger und bleibt unempfindlich gegen die
leidenschaftlichste
Liebe! —
holt sich Herstall betrübt,
„Za, wieder
ein Anderer hat
ihr Herz bezaubert."
Anselm,
der
würdige
Vertraute
Freiherrn, wohnte nahe beim Kloster:
widmete
seinem
Freunde
alle
des er
Stunden,
welche üjm die Erfüllung feiner Pflichten
übrig ließ.
Zn solchen Stunden tadelte er
bei gewissen Umstanden die Sanftmuth als Schwäche und
eine
die Güte
als
einen
Irrthum. — „Ziemte es euch, sprach Anselm bei dieser Gelegenheit,
dem
Eigensinn
eines
Kindes nachzugeben? Ihr seyd der Waise Vater; als solcher seid ihr in dieser Welt das Ebenbild Gottes, nicht fragt.
eures
welcher befiehlt und
Zhr allein sollt
Kindes
entscheiden.
das Geschick Ei»
oberster
Richter soll er seine Aussprüche wohl erwä gen! aber sobald
er von ihrer
Gerechtig
keit überzeugt ist, verkündige er sie!
Dies
schreibt ihm seine Pflicht vor.
Graf
Der
von Norindall würde Saint Maurs Toch ter beglückt haben: ihr war't davon über
zeugt, und hättet sogleich die Vermählungs
feier bereiten lassen sollen.
Es wird vielleicht ein Tag kommen, wo Elodie zu spät die Weigerung bereuen könnte; sie hätte dann das Recht euch zu sagen: Zhr
wäret mein Vater,
habt ihr mir
warum
nicht die Vermählung geboten, welche mich
Zch
glücklich gemacht hätte?
war
jung,
ohne vernünftige Ueberlegung, ohne Erfah
rung, warum habt ihr mich gehört? doch das himmlische Gestirn bei
Fragt
der Wie
derkehr des Frühlings, nicht die Pflanzen des Thales, ob es auf sie seine Strahlen,
seine Gluthen
das
und
Leben
ausgießen
soll l “ Durch Anselms Vorwürfe niedergeschla
gen überließ sich Herstall zu später
diente
Indessen
letzte
der
Reue. seiner
Wille
Schwester seinem Benehmen zur Entschul
digung:
er vertraut dem würdigen Priester
seine Unruhe,
hinsichtlich der verborgenen
Gefühle seiner Nichte;
seiner Befürchtungen
verhehlt ihm keine
und
theilt ihm alle
seine Gedanken mit. „Aber,
borgenen
wer hätte denn in diesen ver
Thälern
Elodiens
Herz
rühren
sollen?" ruft Anselmus. „Wer?
I.
antwortet
der Freiherr:
der,
io
welchen die ganze Gegend fürchtet und be wundert, derjenige, dessen Daseyn ein Räth sel und dessen Macht ein Wunder ist, der, dessen Name auf Aller Lippen schwebt, und
dessen Wohlthaten in jeder Erinnerung
le
mit einem Wort der Mann des Ge
ben;
heimnisses
und
dex
„Was höre ich! Einsiedler
Bezauberung." eS möglich?
wäre
Wildberge?"
vom
—
— Der
„Er
„Sie haben sich gesehen?" —
selbst." —
„Sie haben
„Mehrere Male." —
gesprochen?"
„Zn der
—
„Und
Klosters." —
sie
Gallerte
sollte
ihn
sich
des lie
ben?« ....
„Höret mich.
Saint
Maurs Tochter
ist in dem Akter der Täuschung und Schwär merey.
Der noch jugendliche Einsiedler ist,
sagt man,
der
Schönste der Sterblichen.
Noch ehe sie ihn kannte,
nur mit ihm beschäftigt. würdigen Erzählungen
ihre
lebhafte
war
die Waise
Die erstaunens
der Gegend hatten
Einbildungskraft
entflammt.
Ohne Unterlaß die heldenmüthigen Thaten,
die wohlthätigen Werke, die edlen Züge des Einsiedlers rühmen hörend, hatte sich ihn Elodie, schon ehe sie ihn sah, als einen, zu den Menschen herabgestiegenen Schutz gott vorgestellt. Von Blendwerk, Geheim nissen und Wundern umgeben, ist ihr plötz lich der Genius des Berges erschienen. Die Schönheit seiner Person war ein neuer Reitz, ein fast himmlisches Wesen wirft einen Blick der Liebe auf sie.... Wie sollte sie so vielen Bezauberungen wiederstehen l — „Der Unbekannte vom Berge liebt also die Waise?" — „Kann ich daran zweifeln! Unsichtbar heftet er sich an ihre Schritte und beschäftigt sich stets mit ihr; er scheint in alle Geheimnisse der Erde ein geweiht, von allen vergangenen Begeben heiten unterrichtet zu seyn, ja er enthüllt ihr sogar die künftigen Dinge. Die Gro ßen des Hofes von Lothringen sind ihm bekannt. Durch ihn hat Elodie die vorge habte Vermählung Eckberts mit der Prin zessin von Lothringen erfahren; und sein»
heldenmüthige Tapferkeit war es, welche die Waise den Händen ihrer Räuber entriß. Der Einsiedler ist ohne Zweifel ein furchtbarer Krieger. Allein, an der Drücke des Stromes, hat er die ganze Schaar des Grafen von Norindall niedergeworfen. Ach warum habt ihr Elodien nicht die Um stände dieses außerordentlichen Gefechtes er zählen hören! Mit welchem Feuer malt sie nicht diesen Helden, dessen erhobenes Schild allein ein ganzes Heer besiegte! Mit welcher Bewunderung stellt sie nicht den Sohn des Sieges in seinen kriegerischen Waffen glänzend, wie der erste der Erzen gel unter den himmlischen Panieren dar." „Ach! ihre schwärmerische Begeisterung hat mir ihre Liebe enthüllt." — „Und, welche Hoffnungen hat sie? was können ihre Entwürfe seyn?" Alles beweißt mir, daß der Eremit von Unterlachen kein gemeiner Sterblicher ist. Könnt ihr es glauben, Anselm? er hat dem Grafen von Norindall Befehle vorge-
schrieben.
Der erlauchte Freund Renes ist
zu den Füßen des Unbekannten vom Wild
berge gestürzt: der Einsiedler hat von Eck
bert das Opfer seiner Leidenschaft gefordert, und Elodiens
glühender Liebhaber schwur,
diese Gegend auf immer zu fliehen. „Könnte ich jetzt noch
an
der Macht
von Eckberts Ueberwinder und seiner Liebe für die Waise zweifeln? —
Zch will ihn
auf dem Wildberge aufsuchen." —
Herstall!" —
„Ihr,
„Warum diesen Schrecken?
Zch kenne die Volks-Gerüchte, welche je dem
Verwegenen
mit
einem
schrecklichen
Ende drohen, der es wagt ohne seinen Be fehl den Wildberg zu ersteigen und sich sei
ner Wohnung zu nähern; aber steht es mir zu davon zurückgeschreckt zu werden? Wäre es auch wahr,
daß
er
einige Zudringliche
bestraft hätte, welche bis zu seiner Ansiede lung
drangen um den Frieden derselben zu
stiren, so darf der Pflegvater derjenigen, die
er liebt, nichts von seinen Gewaltthätigkei ten befürchten.
Die Neugierde
ist
nicht
das Gefühl welches meine Schritte zu sei ner geheimnißvollen Wohnung leitet: ElodienS Glück, vielleicht selbst das seinige er heischen diese Zusammenkunft. A. Was! Zhr hättet den Gedanken ge faßt, eure Nichte mit dem Etnstedler zu verbinden? H. Noch habe ich keinen Plan ent worfen, noch kann ich keinen Entschluß fassen; aber ich will Eckberts Ueberwinder sehen. — 2s. Zhr wollet ihn sehen? Weil ihr euch darnach sehnt, so wünsche ich es. — H. Zhr zweifelt, daß ich bis zu ihm dringe? — A. Zch erwarte vom Einsiedler nur das 2lußerordentliche, das Uebernatürliche und Unbegreifliche. H. 2sber es handelt sich tim sein eig nes Geschick mit Lebhaftigkeit; dieses Ge heimniß muß enden.... 2s. Das Geheimniß! wehe euch, wenn ihr an seine Schleier rührt!.... Herstall!
----------------
151
läuft
wer sich einem Abgrund nahen will,
Gefahr davon verschlungen zu werden.
Es
giebt keinen Bewohner Unterlachens,
der
euch nicht mit mir zuriefe:
den
Ersteiget
Wildberg nicht.
kümmert mich
Was
H.
glaube des Volkes!
Zch glaube nicht an
Eckberts Besieger
Zauberei;
dieser Aber
ist
nur ein
durch großmüthige Züge
Mensch:
hat er
große Tugenden bewiesen; was habe ich von
ihm zu befürchten!
Die Wohlthaten, die er
verbreitet hat, sind Thatsachen; die strafba ren Handlungen, welche man ihm vorwirft,
sind nur ungewisse Vermuthungen. Entschluß
ist
unerschütterlich;
ich
Mein werde
morgen den Einsiedler aufsuchen. —
A.
Morgen! gut, morgen will ich für
euch beten.
Gott sei mit euch!
Saint Maurs Tochter kannte den Ent
schluß ihres Pflegevaters, sich auf den Wild
berg zu begeben, und eine besondere Unter redung mit dem seltnen Manne zu haben,
welcher sich
für
berufen hält über
sie zu
wachen. Zwar ist bie Zungfrau von Un terlachen weit entfernt sich zu schmeicheln, daß diese Zusammenkunft einen Erfolg her beiführen könne, aber dennoch scheint ihr eine geheime Stimme zu sagen, daß sich ein großes Ereigniß bereite, und es ihr Loos ändern werde. Ze näher Elodie den Augenblick heran rücken sieht, wo der Freiherr von Herstall nach dem Wildberge aufbrechen wollte, desto inbrünstiger steigen ihre Gebete zu dem Höchsten empor. Zhre sonst stillen Züge, ihre schnellen Bewegungen verrathen die Aufregung ihres Gemüthes. Oft sieht man sie ohne Ursache zusammenschrecken. Sie spricht oder antwortet hastig, ohne selbst den Sinn ihrer Worte zu verstehen. Das min deste Geräusch erschreckt sie; der geringste Gegenstand überrascht, die unbedeutendste Frage bestürzt sie. Zu offen um sich zu verstellen, zu natürlich um sich zu zwingen, scheint ihr Geist minutenlang abwesend zu seyn. Herstall beobachtet und versteht
sie; er seufzt, und beschleunigt den Au genblick seines Weggehens. Es ist kaum Mittag; der Greis hat sich von der Abtei entfernt; er ist wahrscheinlich schon bei der Wohnung des Einsiedlers angelangt. Die Stunden verrinnt«. Auf dem großen Bal kon des Klosters sitzend, sind Elodiens Blicke unabläßig auf den Weg, der zum Wildberge führt, gerichtet, und nur zuwei len wendet sie sie davon ab, um sie zum Himmel emporzuheben.- Zn dem Herzen der Unschuld ist die Liebe verschwistert mit dem religiösen Gefühl; der empfindsamen Seele ist es ein eben so großes Bedürfniß zu beten, wie zu lieben. Die Sonne sinkt zum Horizont; ihre halb verschleierte goldne Scheibe erhellte die Gipfel der Berge nicht mehr. Herstall sollte zur Abtei zurück seyn: woher dieser lange Verzug? was kann ihm begegnet seyn? Die Furcht folgte auf die Ungeduld in Elodiens Herzen: bald wird es dunkel seyn; Herstall zeigt sich ihr weder in der
Ferne auf dem Fußpfad des Waldes,
noch
auf einer der Straßen des Thales.
Der
letzte rothe Strahl der untergehenden Sonne fällt auf den Gipfel des Wildberges.
Jungfrau von Unterlachen
Die
schaudert zusam
men... sie wähnt zwischen sich und dem
Berge eine blutige Schranke zu sehen,
und
stößt unwillkührlich einen Schrei aus. Mutter Ursula läuft herbei und eiligst
verläßt die Waise den Balkon;
die
Ver
wirrung ihrer Lebensgeister ist aufs höchste gestiegen. —
Mädchen
„Folgt mir!" sagt das junge
außer sich. —
„Auf den Wildberg." —
„Wohin?"
—
„Auf den Wild
berg !" wiederholt Ursula erschrocken.
--------- „Ich befehle es euch."
Es war das Erstemal, daß Elodie dieses Wort aussprach: ihre Stimme ist fest, ihr
Blick streng; und Mutter Ursula außer sich vor Erstaunen, folgt schweigend ihren Schrit ten nach.
Im Süden thürmten sich ken auf;
schwere Wol
die Sonne war von
der
Erde
verschwunden;
kein Wind bewegte die Ge
sträuche des Thales,
die Natur war fried
lich, aber die Stille ging dem Ungewitter
voraus.
Die drückende Hitze der Luft, der
erschrockene Flug der Vögel,
ein entferntes
Brausen,
ein
drohende Blitze,
schwarzer
Vorhang, der sich immer weiter über den Himmel ausbreitete,
Sturm.
Aber
alles verkündigte den
Elodie
bemerkte
nichts
davon. Sie durchfliegt die Wiesen:
mag sie aufzuhalten.
nichts ver
Jenseits des Stro
mes, beim Eingang des Waldes hält sie ei
nen Augenblick an,
um
neue Kräfte
des
Himmels,
zu
schöpfen. — „Im Namen
wollt ihr thun!" ruft Mutter Ursula,
was vor
Müdigkeit erliegend und vor Entsetzen er starrt. —
„Herstall,
antwortet die heftig
weinende Waise, mein Beschützer, mein Va
ter, Herstall ist seit diesem Morgen in der
Einsiedelei. verloren! —
Er ist — großer Gott! er ist Ich will ihn suchen."
— „Ich falle zu euren Füßen,
schreit
Ursula außer sich, habt Mitleiden mit mir,
habt Mitleiden mit euch selbst, gehet nicht Weiler:
der Tod ist dort." —
„Was ist
mir der Tod! Herstall vom Alter gebeugt, ist vielleicht der Müdigkeit erliegend,
zwi
schen Felsen mitten in den Wäldern nieder
gesunken.
Vielleicht
bedarf er
Augenblick meinen Beistand,
er mich...
in
diesem
vielleicht ruft
Nein, keine menschliche Gewalt
könnte mich abhalten." — „Ihr werdet beide umkommen." — „Ich habe füllt."
Nach
dann meine Pflicht er
diesen Worten vertiefte sich
die Jungfrau von Unterlachen in den Wald; die Mutter Ursula stürzt ihr nach, erhascht ihr weißes Oberkleid und wirft sich ihr bei
nahe sterbend zu Füßen. — „Kehret ins Kloster zurück,
spricht
das junge Mädchen erweicht, ich erlaube es
euch.
Ich werde allein gehen--------- aber
laßt mich." — „Ich euch verlassen! Niemals.
Hö-
ret ihr den Donner rollen? — der
Him
mel widersetzt sich eurem Vorhaben,
waS
wagt ihr zu unternehmen! Gerechter, vergel tender
zerschmettere
Gott!
Berg!" —
Fort!
den höllischen
ruft Elodie mit
dem
Ausdruck des Zorns und der Verzweiflung:
laßt mich!" Ein wüthender Sturm erhebt sich:
das
Rollen des Donners erschüttert den Wald;
die
entfesselten
Winde
heulen
durch
die
schwarzen Fichten. Das Ungewitter bricht über den Höhen
des Thales aus...
Die Mutter Ursula ist
fast leblos zu Elodiens Füßen. —
„Himm
lische Stütze der Unschuld! ruft die Waise,
stehe mir bei."
Der Schleier welcher ihr
Haupt bedeckt, wird vom Sturme entführt:
die zerstreuten Locken ihrer langen Haare flie gen in Unordnung um Stirn und Schultern.
Der Regen strömt mit Heftigkeit herab: dichte
Nacht bedeckt den Wald, welchen das rothe Feuer der Blitze in Zwischenräumen erhellt.
Elodie hebt die Mutter Ursula auf,
zieht
sie mit Anstrengung zu einer nahen Eiche
und unterstützt ihre erstarrten Glieder; nun unter dem schützenden Daum stehend, bleich,
regungslos, ergeben, und vom Sturme zer schlagen , Abtei,
scheint die sanfte Jungfrau der
bei
dem
furchtbaren
Schein
der
Blitze, eine Lichterscheinung des Himmels,
zwischen den Finsternissen der Hölle. Indessen
ist das fürchterliche Gewitter
vorüber gezogen,
Abend her;
über dem Berge. Sturmwindes Ferne,
ein Lichtstrahl glänzt von
der Donner rollt nicht
mehr
Die laute Stimme des
brüllt
nur
noch
aus
der
gegen Morgen zu drängen sich am
Horizont die Wolken zusammen;
das reine
Blau des Himmels ist wieder sichtbar. —
Die
niedergeschlagene
auf; —
Pflanze
richtet
sich
der beruhigte Vogel findet seine
Gesänge wieder; — die Natur scheint einer gräßlichen Gefahr entgangen.
Ach! umsonst
hat sich der Himmel erheitert, .der Sturm
ist noch in Elodiens Herzen.
Ihre Glie
der sind'vor Kälte erstarrt, ihr Kopf glüht.
das Beben ihrer
und
Nerven
Alle Wege sind überschwemmt;
ihr wälzt
von
nicht weit
der Strom seine sandigen
mit Getöse dahin.
Wellen
fieberhaft.
durch
Neue,
das Ungewittcr entstandene Wildbäche, stür zen sich von den Höhen herab und durchschnei
die Pfade
den
Waldes,
des
Bäume sperren alle Wege.
ausgerissene
Aber für die
Waise giebt es kein Hinderniß, keine Furcht mehr: es ist nicht mehr die zitternde Taube des Klosters;
Hülle
ternen
unter der zarten und schüch
verbarg
Elodie
große
eine
Seele, die nur einer außerordentlichen Ge
legenheit bedurfte, um ihre Kraft zu ent wickeln.
Die Mutter Ursula hat ihre Besinnung wieder erlangt:
ihr flehender Blick befragt
ihre junge Gebieterin über den Entschluß, welchen
sie
fassen
Elodie
will.
versteht
diese stumme Ditte, sie antwortet nicht, aber
zeigt
ihr mit
Kloster
und
Wildberge.
der
Weg
zum
den Fußsteig
zum
Hand
verfolgt
den
—---------- -
i6o
großer Raum
Ein
trennte sie
schon
von Ursula'», welche sich vergebens bemühte
ihr von ferne zu
folgen,
und zur Aufop-
ferung ihres Lebens entschlossen scheint. dringt ein dumpfes Stöh
Auf einmal
nen zu ihren Ohren:
men. —
Dieser
sie schaudert zusam
klägliche Ton,
welcher
nicht weit von ihr ausgestoßen wurde, dünkt ihr der letzte Seufzer irgend eines Unglück
lichen:
sie stürzt auf eine Daumgruppe zu,
woraus derSchmerzenslautzu dringen schien,
und wird bei dem letzten Schein des
Ta
einen Entseelten auf dem Rasen lie
ges gend
verhüllt ihn.
Kraft
Ein
gewahr.
schwarzes
Gewand
Die Waise nimmt alle ihre
zusammen,
nähert
sich,
hebt
den
Mantel auf, und — erkennt Herstalln.
Bei diesem fürchterlichen Anblick erfüllt die Jungfrau von Unterlachen die Luft mit ihrem herzzerreißenden
Geschrei.
Knieend
über den bleichen Körper ihres Vaters ge
beugt, bestrebt sie sich ihn zu erheben, und ruft
ihn
mit
den
zärtlichsten
Namen.
Ursula ist jeht herbeigeeilt. „Das Unge heuer! schreit sie, er hat ihn ermordet. Zch sah es voraus. Noch ein Opfer!" — — „Ermordet! wiederholt die Waise mit Entsetzen, wo ist denn die Wunde? wo das Blut?" — Und ihre zitternden Hände, ihre irren Blicke suchen vergebens die Spuren eines Mordes. — „Aber sagt sie, vielleicht ist er nur ohnmächtig. Die Beschwerlichkeit des Weges — sein hohes Alter — dieses fürchterliche Ungewitter------ und für mich setzte er sein Leben in Gefahr! ich wäre die Ursache feines Todes! Ursula, lauft inS Dorf! lauft, Ursula! Schnelle Hülfe bringt ihn vielleicht wieder ins Leben zurück." Ursula gehorcht, sie beschleunigt ihre Tritte so viel sie vermag; aber sie hofft nichts. — „Es ist um ihn geschehen, sagt sie leise, er hat es nicht anders gewollt." Saint Maurs Tochter ist allein bei dem Greise zurückgeblieben, der ohne Bewegung auf dem feuchten Waldgras ausgestreckt I.
IÖ2
liegt.
Zn ihren Händen sucht sie die er
starrten Hande ihres Vaters zu erwärmen. Zhre heißen Thränen baden Herstalls ent
färbtes Gesicht. fragt ihn,
Sie spricht mit ihm,
sie
um eine
und unterbricht sich,
Antwort zu erwarten---------dann sich über
zeugend,
daß er zu leben aufgehört hat,
überläßt
sie
sich
dem
Uebermaß
ihres
Schmerzes.
ist Ursula zurück.
Zwei Hir
ten und Marzelline folgen ihr-
Beim An
Endlich
blick dieser
letzten
steht Elodie auf, und
wirft sich mit Thränen strömenden Augen
in ihre Arme.
Während
die Hirten deö
Weilers die Tragbahre bereiten, worauf sie
Herstalln zur Abtei bringen wollen,
sucht
Marzelline die Waise zu beruhigen. — „Lebt er noch?“ ruft Elodie.
Mar
zelline beugt sich über den Körper des Grei, ses, legt die Hand auf sein Herz, scheint
einen Augenblick zu horchen,
endlich die Worte aus: — Elodie erhebt
und spricht
„Er lebt."
ein Freudengeschrei. —■
----------
l6s
„Hätte er sein Opfer verfehlt? sagt Ursula verwundert." — „Argwohnt ihr einen Mord! unterbricht Marzelline sie leb haft." „Ob ich einen Mord argwohne! wieder holt Ursula: Herstall kommt ja vom Wild berge zurück." Bei dieser Antwort wendet die entrüstete Marzelline ihr Haupt mit Verachtung weg. — Die Hirten, welche Herstalls Körper trugen, stiegen den Berg hinunter; Elodie folgte dem Trauerzug auf Marzelline» ge stützt; und in dem Schatten der Nacht zog dieses Gefolge der Verzweiflung und des Todes schweigend durch die öden Höfe der Abtei.
Sechstes
Buch.
Jedes Mittel der Kunst wurde an dem Greise des Klosters versucht. Die verzwei felnde Elodie entfernte sich nicht von dem Bette, worauf ihr Pflegevater, noch beim Anbruch des Tages, bewegungslos hinge streckt lag. Anselmus, der Aeskulap des Thales, leistete ihm vergebens alle erdenk liche Hülfe, ohne sich zu schmeicheln sein Le ben erhalten zu können. Noch ist kein Wort der Hoffnung über seine Lippen gegan gen, und das Schweigen des guten Prie sters kann für die Weissagung von Herstalls Tod gelten. Elodiens Thränen, ihre furchtbare Blässe, ihr dumpfes Gewimmer, rührten den ehr würdigen AnselmuS, und bemüht, sie auf den gräßlichen Schlag vorzubereiten, wel cher ihr einen zweiten Vater zu rauben
droht, spricht er zu ihr: —
ter,
wenn Gott HerstallS
„Meine Toch reine Seele zu
sich rufen sollte, so wollen wir uns demü
thig und kindlich in seinen Willen ergeben; wir wollen den Augenblick segnen, der seine
Leiden endigt,
und ihm die Pforten
überirdischen Freude öffnet.
die himmlischen
Chöre die
des neuen Erwählten.
nahe Ankunft
Schon ruft ihn ein
ewigen Seligkeiten.
Engel zu
der
Schon feiern
Entfernet
euch, reine Jungfrau; hier seid nur ihr zu
beklagen." — „Nein, nein,
lassen!"
sie eine
ruft das junge Mädchen,
ich werde sein Sterbebett nicht ver
Zn diesem Augenblick überrascht leichte
Bewegung Herstalls:
«in
Strahl von Hoffnung leuchtet in ihre Seele. Neue Bemühungen, die starren Glieder des
Greises
zu
beleben,
werden «»gewendet.
Ein leichtes Roth färbt das Angesicht des
Sterbenden und feine Augen öffnen sich dem Lichte wieder. Nach einer
Weile scheint Herstall
die
theuren Gegenstände
ihn umringen.
zu erkennen,
welche
Seine Zlugen heften sich Mit
dem zärtlichsten und schmerzlichsten Ausdruck Er versucht
auf die Waise:
einige Worte
an sie zu richten;
vergebliche Anstrengung!
seine Bewegungen
sind gelähmt
und seine
Zunge bleibt stumm. Elodie nähert sich Anselm. —
„0 mein
Vater, sagt sie, verhehlet mir nichts: ist die ser Zustand natürlich?
Hätte
ther den Augenblick seines nigen wollen?
ein Äerrä-
Todes beschleu
ist Herstall das Opfer eines
grausamen Feindes? —
„Nichts beweißt
mus. —
> ‘‘ antwortet Ansel-
„Und ihr argwohnt
brechen?" —
kein Ver
„Wenn ein Verbrechen ver
übt wurde, so hat es wenigstens keine Spu
ren zurückgelassen.
Herstall ist im Walde,
vom Schlage getroffen niedergefallen.
Keine
schuldige Hand, kein mörderisches Eisen sind auf ihn erhoben worden. keit eines langen Weges,
Die Mühselig
der Sturm und
vielleicht eine zu heftige Gemüthsbewegung
167
- --------------
haben den Anfall beschleunigt, den ich schon längst bei ihm besorgte."
Von
welcher
drückenden
diese Antwort Elodiens
befreite
Last
ihr Blut
Herz!
kreiste ungehemmter durch die Adern.
Aber
ach! dem schrecklichen Propheten gleich, der
den
unter
Tempels
fährt
Mauern
„Wehe
Salomonischen
des
schrie,
dir Zerusalem!"
Anselmus mit
Stimme
begeisterter
fort: — „Ein schwarzer Schleier verhüllt die
Umstände, welche Herstalls Fall mitten im Walde
niß. ...
bührt
Wenn
vorangingen.
würde, vielleicht
er
gehoben
ein entsetzliches Geheim
Aber nur dem höchsten Wesen ge
es verborgene
zu strafen.
Sünden
Es giebt einen andern Richterstuhl als die menschliche
Verdammniß
Ein
Gerechtigkeit.
wird sich in
Ruf
der
der Einsamkeit
erheben--------- der Koloß wird wie ein zer brechliches Gefäß zerschmettert
Umsonst stolzen
errichtet Lügenthron
bas auf
werden. —
Verbrechen
den
seinen
Höhen
der
---------------
l6g
Erbe.
Der Blitz
ist noch über den Ber
gen." Indem er diese letzten Worte aussprach,
gehörten weder sein Blick der
Ton
noch sein
Eine übernatürliche Macht
Erde an.
schien diese Rede geboten zu haben.
Die
Jungfrau
von Unterlachen schrickt
men. —
Ihr Haupt ist schweigend wie
zusam
der auf ihre Brust gesunken, und ihren Au
gen entfließen neue Thränen. Indessen ist ein Tag mehr in die Tiefe
welcher die Monde, Jahre
hinabgesunken,
und Jahrhunderte verschlingt. ter
Saint
MaurS
ruft
Die Toch
vergebens
den
Schlummer weniger Stunden an, damit er ihr neue Kräfte verleihe,
um
bei
ihrem
sterbenden Vater wachen zu können.
Der
Schlummer gleitet von ihren Augenliedern ab, wie der Trost von ihrer Seele.
Sie kehrt
zu Herstall zurück,
allein mit ihm. sprechen;
Der
Greis
aber sein Blick,
kann
sie
ist
nicht
ausdrucksvoller
als je, scheint die Waise zu bitten,
daß sie
l6g ihn befragen möge,
könnte,
ihr durch
als wenn einen
er
hoffen
andern Beistand
wie den der Rede zu antworten. — mein Vater!
verlasset euer Kind
„O
nicht!"
sagt ElodieZhre Hand hält die Hand des Greises; es dünkt ihr einen leisen Druck empfunden
zu haben. —
„Der unglückselige
beginnt fie wieder;
Gang!
vielleicht ohne die Be
schwerlichkeit des Weges, ohne eure Zusam menkunft «yit dem Einsiedler..." Die Waise hält erschrocken inne.
Bei
dem Namen des Einsiedlers scheint Herstall von
einem
plötzlichen
Sein Auge belebt sich,
Schauder ein
Wuth dringt daraus hervor.
erfaßt.
Strahl
von
Seine Seele
sucht, um sich verständlich zu machen, die
Hindernisse zu durchbrechen, seln.
welche sie fes
Eine gewaltsame Anstrengung, den
letzten Zuckungen ähnlich, hat seinen zittern
den Lippen die Bewegung wieder gegeben. Einige erstickte Laute,
undeutliche Worte,
bahnen sich einen Ausweg.
Elodie horcht
auf. —
„Das Ungeheuer! ...
Ach!...
Unglückselige!... Fliehe!“ Das Feuer seiner
Blicke ist verschwun-
den, seine Glieder sind wieder steif gewor den; seine Stimme ist erloschen; seine Züge
entstellt.
Es ist um ihn geschehen!
Der
Vorhang der Ewigkeit ist zwischen dieZung-
frau und den Sterbenden gezogen. Mehrere Tage waren vergangen.
An-
selmuS bemüht sich, die hinterlassene Waise
wieder ins Leben zurückzurufen. wie vernichtet,
und unempfindlich
Sie ist
für die
Die Farben ihres An
zärtliche Sorgfalt.
gesichtes sind gänzlich erloschen; ihre Stimme ist nur noch ein klägliches Aechzen, und ihr Daseyn ein immerwährender Schmerz.
Endlich erhebt die gebeugte Blume wie der ihr Haupt. Tochter, beraubt,
haben,
Aber ach! Saint Maurs
der einzigen Stütze ihrer Zugend beklagt,
Herstalln
überlebt
zu
und wagt nicht ihre Gedanken auf
die Zukunft zu richten, welche sie erwartet.
Sie wankt zum Balkon des Klosters;
171
---------------
dort läßt sie ihre Blicke in die Ferne schwei Die Sonne hat die Dünste überwun
fen.
den und Himmel
zerstreut.
Unter
dem
blauen
erheben sich die blendend weißen
Gipfel der schneebedeckten Felsen.
Die Wiese ist mit Blumen besäet; die Natur
schön und rein wie in den ersten
Tagen der Schöpfung; der Wasserfall rauscht die Lüfte wiederhallen von
in der Ferne;
freudigem Schall der Sänger der Haine. —
„Ach, ruft die Waise mit klagender Stimme, außer meinem Daseyn und meinem Geschick, außer dieser unglückseligen von Vorwürfen
belasteten Seele ist nichts
in der Natur
verändert!" Ihre Thränen flössen in Strömen als sie dieses sagte.
Ach!
dem von Schmerz
zerrissenen, durch Unglück gebrochenen Her
zen
erscheint
mel,
ein reiner und heiterer Him
eine lachende Gegend nur eine bittere
Verspottung.
Wie viele Klagen auch hienieden dem
entschwundenen Geist des Gerechten folgen,
der Himmel giebt ihm keine Thräne,
Die Natur verfolgt
Erde keine Seufzer.
ihren gewohnten Lauf;
den Menschen,
wähnt,
der
die
gleichgültig
sie für sich
gegen
geschaffen
bemerkt sie seine Geburt so wenig
wie sie sich mit seinem Tod beschäftigt. Herstalls Wille wurde erfüllt.
Im Hin
tergründe des Klostergartens lag ein Hügel, von hohen Bäumen beschattet, deren dichtes
Gezweig die Strahlen der Sonne abhalten. Hier
ruht
seine
sterbliche
Kein
Hülle.
Todtenmal soll hier errichtet werden, Stein sein Grab decken,
kein
keine stolze In
schrift an seine Tugenden erinnern.
Elo-
diens Pflegevater hat diese Pracht des To des, diese Eitelkeit des Staubes untersagt.
Nur ein einfaches Kreuz erhebt sich beschei
den auf dem Grabhügel. Der ehrwürdige Pfarrer von Unterla chen verließ das junge Mädchen nur selten,
deren einzige Stütze er geblieben ist.
aufmerksame
Sorgfalt
und
fromme
Durch Ge
spräche suchte er die Wunden ihres Gemü-
ihrs zu heilen. Anselm kannte die letzten Absichten seines Freundes, er hatte daher seinen Neffen, den jungen Konrad, an die Gräfin von Zmberg abgeschickt, um ihr Herstalls Tod bekannt zu machen. Zeden Tag erwartet er Konrads Rück kehr und die Antwort der Gräfin. Viel leicht wird Elodiens neue Beschützerin selbst ins Kloster kommen um sie abzuholen. Ihre Gemächer sind bereitet, der gute Anselmus hat alles bedacht. Elodie hatte ihre Kräfte wieder erlangt, und der erste Gedanke ihrer Genesung ist an HerstallS Grabe zu beten. Gegen Abend ging sie allein durch den Park, verweilte am Fuß des Trauerhügels, sank heiß weinend auf die Kniee nieder und schluchzte: — „O mein Vater! jetzt eine Fremde auf dieser weiten unbekannten Erde; waS habe ich von der Zeit zu erwarten als ge häuften Gram! was von den Menschen zu hoffen als Mitleiden! O erflehe meine
Erlösung
Herrn,
deine Fürbitte
durch
von
dem
erflehe, daß er vor mir die trauri
gen Schranken des Lebens niedersinken lasse, und
mir
den
himmlischen
Weg
zu
dir
eröffne!“
An das Kreuz auf dem Grabe gelehnt, in ihre frommen Betrachtungen versunken,
waren Saint
Maurs Tochter die Augen
blicke entflohen, ohne daß sie ihr Entschwin Mit Abscheu stieß sie das
den bemerkte.
Andenken des Einsiedlers zurück, derholte
sich
die
Worte
ihres
und wie sterbenden
Vaters. Der Bewohner des Wildberges, die ge heimnißvolle Macht, ist für sie keine himm
lische mehr; und demohngeachtet vermag sie
nicht sich ihn als den Genius des Bösen vorzustellen.
Seit Herstalls Tod hatte sich
im tiefsten ihrer Seele ein gewisses Ent setzen zu dem Namen des Einsiedlers gesellt;
vielleicht würde sie den Muth haben ihn zu fliehen, aber sie fühlt sich nicht stark genug
ihn zu vergessen.
Nur
nächtliche Strahlen erhellten den
Trauerhain. Erstarrt von der feuchten Abend
luft, bleich wie das Espenblatt im Mond licht,
hebt die Jungfrau von Unterlachen
langsam ihr sorgenschweres Haupt
empor;
und — auf welchen Gegenstand trift
Blick!
ihr
Auf den Baum der Gräber gebeugt,
schön wie am Tage wo er die Laute im Arm,
ihr wie ein höheres Wesen erschien, steht der
Jäger des Berges vor ihr, und betrachtet
sie still,
unbeweglich gleich dem Marmor
bild eines Grabmals.
Sein rechter Arm
hebt nachlässig einen Theil des, von den Schul tern herabgleitenden Mantels empor; dichtx
schwarze Locken fliegen unordentlich um die freie
männliche Stirn.
Das Mondlicht welches
durch die Zweige bricht, scheint ihn mit einem
silbernen Gürtel zu umschlingen
und
der
zitternde Schein umgiebt ihn mit magischem Schimmer.
Die ruhige Haltung von Eckberts Ueberwinder, der rührende Ausdruck seines Bli
ckes, die Klarheit seines Angesichts, haben
augenblicklich alle trüben Erinnerungen und schreckenden
Betrachtungen
Herzen verscheucht.
aus
ElodienS
Durch seinen Anblick
allein, ist jeder düstere Eindruck verlöscht;
und schon
hat der
Zauberer vom
Berge
wieder seine Gewalt über sie erlangt.
Die Waise glaubte eine fromme Thräne aus seinen Augen auf Herstalls Grab fallen zu sehen.
Seine Gegenwart im Trauerge
büsch, diese letzte dem Andenken ihres Va erfüllte Elodiens
ters geweihte Huldigung,
Seele mit einer geheimen Freude, mit zärt
licher Dankbarkeit:
der
Einsiedler
ihren Augen gerechtfertigt. Licht
hat plötzlich
erleuchtet.
ist
in
Ein glänzendes
die finstern
Gedanken
Der Weg durchs Leben ist ihr
jetzt kein Gang in die Wüste mehr, Elodie nicht mehr allein in der Welt,
und wenn
sie wieder vor Herstalls Grab knieen würde, so wäre es nicht dasselbe Gebet mehr, wel
ches sie an den Himmel richtete. „Er, ein Ungeheuer! er, ein Mörder!
spricht sie in ihrem Herzen.
Ach! wenn die
Tugend in menschlicher Hülle herabstiegen, sie könnte keine himmlischere Gestalt wäh
len. — stalls
Die Vernunft des sterbenden Her
konnte
zerstört
schon
ich den Beschuldigungen
seyn:
dürfte
des Fieberwahns
glauben?“
Der Einsiedler näherte sich ihr. „Ihr habt mich für strafbar halten kön
nen !
sagt er mit dem Ton deS Vorwurfs;
ihr konntet mich Herstalls Tod beschuldigen!"
Diese Worte entsprachen» Elodiens ver borgensten Gedanken.
Der geheimnißvolle
Mann liest also in ihrer Seele.
Die be
stürzte Waise hütet sich ihn zu unterbrechen:
die Stimme des Einsiedlers hat zu süß in ihrem Herzen wiedergeklungen.
Sie wagt
nicht zu sprechen, aus Furcht ihn nicht län
ger reden zu hören. — „Reine, fleckenlose Jungfrau, nimmt er
wieder das Wort,
ich wollte euch Wiederse
hen, um mich in euren Augen zu rechtfer
tigen.
Ueber
Herstalls sterblichen Resten,
vor diesem geheiligten Kreuz, im Angesicht I.
des Himmels schwirr ich es,
niemals hat
sich auf dem Wildberge der Einsiedler mit einem Verbrechen befleckt."
So spricht er, und die Hand über dem ehrwürdigen Zeichen der Erlösung erhoben,
scheint er jede menschliche und göttliche Ge
walt herauszufordern, seine feierlichen Worte
Lügen zu strafen. „Herstall! fährt er fort, wenn ich dein
Leben antastete,
wenn ich jemals nur den
Gedanken daran hegte, so erhebe sich deine drohende Stimme
aus
dem
Sarge!
—
Wenn ich die Wahrheit verrathen habe, so
klage ungesäumt den Verbrecher an!" Elodiens
Herz
schlug
mit Heftigkeit;
aber nicht mehr mit Entsetzen.
Zeder Arg
wohn ist zerstört, jede Unruhe zerstreut, und
weit entfernt den gegenwärtigen Augenblick zu fürchten,
hätte sie seine Dauer verlän
gern mögen. — „Ich sehe, sagt der Einsiedler, ihr glaubt
meinem Schwur:
ich bin vor euch gerecht
fertigt — Lebet wohl."
Er wollte sich ent-
„Verzeihet ihr mir kränkenden
fernen. —
Argwohn?"
spricht die Waise mit Schüch
ternheit. —
„Der Schein klagte mich an,
und
antwortet er,
schuldig
halten.
ihr konntet
mich
für
seufze ich seit
Ueberdieß
lange schon unter der Last ungerechter Ver-
urtheilungen, und erstaune nicht mehr dar
„Ihr
über." —
verlaßt
mich?"
sagte
dem Gebüsch ge
Elodie, als ste ihn aus
hen sah. „Vielleicht für immer."
Bei dieser Antwort machte die Jung frau
unwillkührliche
von Unterlachen eine
Bewegung,
ihn zurückzuhalten,
und der
Schmerz malte sich auf ihrem lieblichen Ge „Wie! sprach der Einsiedler von
sichte. —
Neuem, ihr
erns!" — freier?"
würdigtet mich eines Bedau
„War't ihr nicht mein Be
antwortete
lebhaft bewegt;
als
das
junge
Mädchen
ihre Stimme drückte mehr
bloße Dankbarkeit
aus.
Der Jäger
des Gebirges ist nicht mehr Herr der Em pfindungen, welche ihn bestürmen. — „En-
ruft er, haltet mich nicht
gel des Klosters,
zurück, ihr seid verloren!"
Und
der unbegreifliche
scheint
Mensch
sie von sich zu stoßen.
Saint Maurs Tochter bebt erschrocken zurück.
Finstere
mengepreßt. sie aufs
ist schmerzhaft zusam-
Herz
Ihr
neue.
Gedanken
Sie flüchtet
verfolgen
sich zu dem
Tvdtenkreuz, wie unter die Arche, des Heils, und ihre Thränen strömen.
Erschüttert,
außer sich, vergißt der Jä
ger des Berges alle seine Entschließungen:
er stürzt zu ihren Füßen nieder. — „Du hast es gewollt:
du
entreißt
mir das unglückselige Geständniß — wohl! ja,
ich liebe dich!
Du allein
Nun bist
mir mitten in der Finsterniß wie ein himm
lisches Morgenlicht erschienen, mich ins Le ben zurückzurufen.
den für mich
Jetzt giebt es auf Er
nichts mehr außer Elodien,
und diese Elodie kann niemals die Meine
werden."
„Niemals!,, wiederholt die Waise: und
•------------- -
181
in diesem Wort der Zärtlichkeit und Ver
zweiflung hat sich ihre ganze Seele geoffenbaret.
„Blicke
um
dich
irrem Wesen fort: verbirgt den Tod, ist eine Gruft.
her,
fährt
er
mit
Rasen
dieser blühende
dieses lachende Gebüsch
Unglückliche! mein Geschick
gleicht diesem trügenden Rasen, und meine
diesem
Liebe
Mädchen,
AngebeteteS
Trauerhain.
laß mich dich fliehen,
um auf
einem Meer von Leiden und Verzweiflung, rin Spiel der Wogen,
vom Sturme ver
folgt, und vom Blitze gestreift,
So will es der Ausspruch des Him
ren.
ich unterwerfe mich meinem Schick
mels, sal:
umherzuir
aber der Schiffbruch
schleudere
mich
wenigstens allein in den Abgrund! Noch ist
es Zeit., rette dich! Mein Wahnsinn erschreckt dich, hinzu,
seht er
Elodie suche nicht den Mann des
Verderbens
zu
verstehen;
begnüge
dich
ihn zurückzustoßen: Engel der Erde! Ahme
die himmlischen Geister nach und verschließe
mir den Eingang deiner Wohnung."
Die Jungfrau
von Unterlachen fühlte
ihre Kniee unter sich zusammenbrechen und
starr vor Entsetzen sagt sie zu ihm: „Stehet auf, Grausamer! Ach! was vermag ich euch zu antworten! ihr habt meine Seele zerrissen."
Der Einsiedler sieht sie wanken: er will sie aufrecht halten;
er schlägt seinen Arm
um ihren Leib; und bas junge Mädchen,
in einem Augenblick der Besinnungslosig keit,
läßt ihr Haupt sanft an seinen Du
sen sinken:
weise
so
Blume
schmiegt an
sich des
Epheu'S
die Ulme des Thales.
Der jungfräuliche Schein des Gestirns der Liebe verklärt ihr
Ihre langen
himmlisches
Angesicht.
halbgeschlossenen. Augenwim
pern verschleiern ihren zauberischen Blick.
Der Unbekannte sie schweigend;
der Wüste betrachtet
ein glühendes Feuer rollt
durch seine Adern. — er,
Auf einmal ruft
mit dem Ausdruck der heftigsten Lei-
denschaft: — „Elodie, ist es wirklich wahr! liebst du mich?" Zn seinem Blick ist kein wilder Aus druck, kein irres Wesen auf seinen Zü gen mehr, er drückt die angebetete Zungfrau mit Zärtlichkeit an sein Herz. Bei der süßen Frage der Liebe kommt die Waise von Unterlachen zu sich selbst zurück: sanft schiebt sie de» Einsiedler von sich, und macht sich erröthend aus seinen Armen los. „Ob ich euch liebe? antwortet sie, wozu könnte dieses Geständniß dienen! Habt ihr mir nicht gesagt, daß Elodie euch niemals angehören kann?" Der Bewohner des Wildberges fürchtete wie es schien, ihr zu antworten; tausend verschiedene Empfindungen bekämpften sich zu gleicher Zeit in seinem Innern; er ent fernt sich, durchrennt das dunkle Gebüsch mit starken Schritten, kommt dann plötzlich zur Waise zurück und rasch das Stillschwei gen brechend, ruft er aus: — „Und wie könnte ich hoffen, daß
Elodie mir jemals angchörcn wolle. herirrend,
was habe
verbannt «nd elend,
ich einer Gattin zu bieten?
einen
eine wilde Hütte,
der Verbannung,
Um-
Felsen einen
unbekannten Namen, ein unglückliches Da seyn.«
— „Allein
Elodie,
und
verlassen,
ohne Verwandte,
antwortet
ohne Reichthum
und ohne Stühe, was besitze denn ich mehr
als ihr auf dieser Erde?" — „O, bezauberndes Mädchen!
unter
bricht sie der Zager des Berges mit Ent diese Worte ändern mein Schicksal,
zücken:
der Donner über meinem Haupte verhallt.
— „Du liebst mich! Ach! der Himmel muß
mir verziehen haben:
auf Glück hoffen.
ich
darf also
noch
Wohlan! folge mir und
du wirst dich nicht mehr allein und verlas sen fühlen:
ich werde deine Stütze,
Vater, dein Gemahl,
meine
Elodie
als eine
dein
ich werde alles für
seyn.
Hütte zwischen
Ich
habe
nichts
einsamen Felsen,
aber an deiner Seite werde ich
mich dort
für den Glücklichsten der Natur,
günstigten des Lebens
den Be
Nichts als
halten.
ein Herz habe ich dir zu bieten,
aber die
ses Herz glüht in Liebe für dich.
Unschul
dige Taube, o! komm, meine Einsamkeit zn
reinigen!
komm,
wie eine Gesendete des
Himmels, den Abgrund
in
ein Paradies
umzuschaffen.
Mitten in unsern Bergen allein,
von
der Gewalt
der
Menschen,
fern
in eine
Wolke der Liebe und Wonne gehüllt, wer
den wir ungesehen und glücklich durch das Leben wallen, und unsere verborgenen Freu den den Neid nicht erregen.
Ach! ich habe
die Hoheit gekannt, und sie hassen lernen;
ich habe Reichthümer besessen und sie ver
worfen;
ich war vom Ruhm geliebt,
habe ihn verflucht.
diesem Thal
höchste Gut.
und
O reine Jungfrau, in
der Thränen
ist Lieben
das
Die Liebe ist ein den himm
lischen Seligkeiten entflohener Strahl,
ein
Blick in die Entzückungen des andern Le bens,
die Glorie des Herzens auf Erden!
Ig6 Antworte Elodie, antworte, willst du mir dein Geschick anvertrauen?"
Bei diesen letzten Worten hatte der Jä ger des Berges die Hand der Waise ergrif fen und führte sie aus dem Gebüsch.
schüttert, hingerissen, hebt sie
zum Himmel,
Er
die Augen
scheint ihn zu fragen und
widersteht nur schwach.
Aber
der
Mond
ist vom Horizont verschwunden, dichte Wol-' ken verhüllen die Natur, und das Brausen
des WindeS widerhallt von wie ein
den Wäldern,
Klagelaut, welcher um Hülfe für
die Unschuld ruft.
— „Haltet ein!
sagt plötzlich Elodie,
ich bitte euch, haltet ein! Wohin führt ihr
mich?" —
„Auf den Wildberg! zur Liebe,
zum Glück!“ antwortet der Einsiedler mit
Leidenschaft;
und schneller noch zieht er die
Geliebte mit sich fort.
Jetzt fand die Waise ihren Muth wie der, —
druck,
„Nein,
erwiedert sie mit Nach
ich werde nur meinem Gemahl fol-
gen, nur vom Mare zurückkehrend, würdet ihr das Recht
haben über
mich zu
be
stimmen." — „ES giebt Altäre in der Wüste, ruft
Einsiedler
der
Ueberspannung;
in
der
leidenschaftlichsten
überall Hirt der Ewige die
Gelübde des Menschen, überall zünden sich die hochzeitlichen
Kerzen und
die
Fackeln
der Liebe an.
Wage es, dich mir zu vertrauen, zarte Blume des Thales! ich schwöre dir deinen
jungfräulichen Glanz nicht zu beflecken. Ein Diener Gottes soll unsere Loose vereinigen. Komm! dein Gemahl wird deiner
seyn.
würdig
0 meine Elodiel willige darein mir
zu folgen.
Meine Liebe für dich hat mir
die ersten Führer meiner Jugend, die ersten Gefühle meines Lebens, die Ehre, die Recht
lichkeit, die Begeisterung und
die Tugend
wiedergegeben." — „Nein,
wiederholt Elodie mit fle
hender Stimme, und seinen Bemühungen
widerstehend:
nein
ich
darf euch
nicht
folgen: laßt mich!“
Bei diesem rührenden Angstruf der Un schuld halt der Einsiedler
inne.
flüchtiger
die
Blitzstrahl
ist
Wie ein
Begeisterung
verflogen, wie ein Dunstgebild der Lüfte ist das bezaubernde Gemälde zerronnen.
Dem
himmlischen Traum folgt ein gräßliches Er wachen:
schreckliche Erinnerungen
entreißen
ihn der süßen Täuschung; plötzliche Gedan
ken rufen ihn zu sich selbst zurück.
Unbegreifliche
läßt Elodiens
Der
Hand wieder
fallen. „Vergebt, sagt er zu ihr, einen Augen-
blick des
Wahnsinns....
ben ! —
was wagte ich zu hoffen!
Zhr! mich lie
mir auf den öden Felsen folgen!
Zhr!
war ich
eines solchen Opfers würdig! Nein, meine sinnlosen Wünsche konnten
nur den Him
mel und die Erde beleidigen. —
Zch weiß
mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. — Zhr seid frei."
Sein Ton ist verändert.
Niemals stie-
ßen die Klage, der Schmerz, die Reue, die
Verzweiflung einen zerreißender» aus.
Elo-
die ist frei, und dennoch bleibt Elodie wie
Kehret
gefesselt an seiner Seite stehen. —
zurück ins Kloster,
nimmt er wieder mit
düsterer Stimme das Wort. wohner,
euren
Neue
Be
eine neue Stütze wird euch dort ersetzen.
Pflegvater
Ich
glücklich seyn!
Möchtet
ihr
selbst verbanne mich
von morgen an aus dem Thale.
Jenseits
des Murtersee's, fern von Unterlachen, auf einem entlegenen Berge, von wo aus man
die Zinne des hohen Kloster-Thurmes ent deckt,
will ich
flüchtiger
mein
Glanz,
Grab
welcher
hölen.
Ein
die Dunkelheit
durchbricht, macht die darauf folgende Fin sterniß noch gräßlicher.
Der Tod, meine
einzige Hoffnung, wird meine Qualen bald
endigen. —
Lebt wohl.
Wenn ein Un
glück eure Tage bedrohen sollte,
wenn die
Gegenwart des Einsiedlers euch
noch aus
irgend einer Gefahr retten könnte,
so zün
det auf dem hohen Thurme der Abtei, wel-
igo
----------
chen mein Auge bis zur Todesstunde nicht zu betrachten aufhören wird, bei Nacht ein Feuerzeichen an, und ihr werdet mich erschei nen sehen." So spricht er, und sich von ElodienS Seite reißend, stürzt er aus den Gärten des Klosters und flieht schnell durch Laub und Schatten. Unglückliche Elodie! nie mals wird dieser Abend in deinem Gedächt niß verlöschen!
Siebentes
Buch.
Zwei Tage sind vorüber und noch ist Konrad nicht in Anselms Priesterwohnung zurückgekehrt. Der Pfarrer von Unterlachen weiß nicht mehr, wie er sich diesen langen Verzug erklären soll. Konrad hatte kaum noch sein fünfzehntes Zahr erreicht: sollte ihm ein Unglück begegnet seyn? so jung noch und ohne Führer durch das Ge birge wandernd, konnte er sich verirrt ha ben, in Lebensgefahr gerathen seyn? — Vielleicht liegt er irgendwo von den Müh seligkeiten der Reise erschöpft? Ungeduldig zählte Anselm jeden Augenblick. Konrad war der Sohn einer geliebten Schwester, Konrad war sein Zögling; seine Zärtlich keit für ihn hatte keine Gränzen; er beren'te es, ihm diese Botschaft übertragen
zu haben und fing an,
an seiner Rückkehr
zu verzweifeln. Es war zwölf Uhr Nachts, als ein hef tiger Stoß die Thüre der Priesterwohnung
erschütterte:
dem Schlafe
der
alte
auf.
sein Pflegsohn.
Pfarrer
Ohne
aus
fahrt
Zweifel
ist
Er steht eiligst auf,
es
zün
und geht selbst, das
det seine Lampe an,
Haus zu öffnen.
Ein Unbekannter,
stellt sich ihm dar,
von hohem Wüchse,
in seiner Hand ist eine
mit Blut gefärbte Keule,
läuft auf allen
Seiten
und das Wasser von
seiner Klei
dung herab. Der Fremde trägt einen leblosen Gegen
stand,
und der Anstrengung beinahe erlie
gend, scheint er kaum noch zu athmen. tritt näher,
chen
erkennt
Er
und der Priester von Unterla
beim
schwachen
Schein
der
Lampe in seinen Armen den bleichen, bluti
gen und der Empfindung beraubten Körper seines geliebten Konrads.
Anselm
bebt
schaudernd
zurück.
—
„Fürchtet nichts,
spricht
der Unbekannte,
dieses Blut ist das meine; ich habe es ver gossen, um Konrad
zu
„Er
retten." —
ist todt?" schreit der Greis schmerzlich. —
„Er ist nur ohnmächtig;
darum eilet ihm
beizustehen." Ein
großes
Feuer
wird
angezändet.
Der Fremde legt seine mühevolle Bürde auf
ein vor dem Heerde bereitetes Lager.
des jungen
Kleider Wasser,
Konrads
Die
triefen von
seine Glieder sind steif vor Kälte,
nur langsam kommt er ins Leben zurück. — „Ihr habt ihn gerettet, ruft AnselmuS mit
aber
an
des Stromes."
—
dem Ausdruck der Dankbarkeit;
welchem Orte?" —
„Am Rande
„Von welcher Gefahr ?" „Von den Dolchen
der Mörder." — „Mit
„Wie! ihr allein?" —
dem Beistand
deS Himmels."
—
„Muthiger Unbekannter! aber wer seid ihr
denn ?" — „Der Bewohner des Wildberges." Bei diesem Namen bleibt der Seelen hirte der Gläubigen regungslos wie verstei-
I.
13
und ohne
nett,
sagt
Stimme stehen.
Dann
plötzlich das Stillschweigen
er,
bre
„Wer ihr auch seyn möget, ich
chend: —
bin euch meine Dankbarkeit schuldig.
Diese
Der Ein
großmüthige Aufopferung"....
Eine Art wil
siedler fällt ihm ins Wort.
der Verachtung zeigt sich auf seinen Zügen; seine Stimme
bitter.
—
ist rauh
und
„Dankbarkeit!
sein
Lächeln
wiederholt er,
giebt es denn deren unter den Menschen!" Der erstaunte Anselmus betrachtet ihn mit
Erschütterung.
Sterblicher!
„Unbegreiflicher
—
wahrscheinlich er
spricht er,
schöpfte gegen euch das Unglück seine Pfeile;
aber steht eine große Seele wie die eurige Die himmlische
nicht über dem Schicksal!
Gerechtigkeit"....
—
„Die
himmlische
Gerechtigkeit!".... wiederholt
der Einsie
dler mit unterdrückter Wuth." —
tet ein,
unterbricht ihn
„Hal
der Greis seiner
Seits mit heiligem Eifer,
haltet ein!
ihr
seid im Begriff Gott zu lästern." Der furchtbare
Mann
vermochte
der
Stimme des
Dieners
widerstehen;
seine
der Kirch« nicht zu
unbezwinglich«
Seele
beugte sich vor dem mächtigen Einflusi der Tugend
der Zorn
und in
Frömmigkeit.
Er schweigt,
seinem Blicke
ist
— „Mein Sohn, mit sanfter
Stimm«
erloschen;
spricht der Pfarrer und
der
innigste»
Theilnahme,
ihr
„Verwundet!
erwiedert der Einsiedler mit
ungewissem Tone,
seid
verwundet?"
—
als wenn er die Bedeu»
tung dieses Worts zu verstehen suchte; ver
wundet!... was liegt daran!"
— „Laßt mich eure Wunden verbinden."—
„Meine Wunden, spricht der Einsiedler und legt die Hand aufs Herz, sind unheilbar."
Er ging einige Schritte um sich zu «nt-
fernen: Anselmus hält ihn auf. —
„Edler
Retter meines Konrads! verlaßt mich noch nicht; gewährt mir die Ditte, ein Nachtla
ger bei mir anzunehmen, und einiger Ruhr
unter diesem gastlichen Dach zu genießen." Der Greis sagte dieß mit bittender Stimme.
— „Nein, erwiedert der Einsiedler, ich
will zu meiner Felsenhöle zurück,
dort nur
werde ich Ruhe finden unter den Steinen
meiner Geister. — „Verirrte Seele!
ruft der Priester
mit Schmerz aus; meine Tröstungen. —
— „Habe ich deren von euch verlangt? unterbricht ihn der unbeugsame Sterbliche mit Hoheit.
erwarte sie weder von
Ich
Gott noch von den Menschen.
Kehret zu
Konrad eurem Sohn zurück." — »Zeder Unglückliche ist mein Sohn,
antwortet Anselmus mitLebhaftigkeit. Mann, über und unter der
Menschheit
zugleich!
welche Sprache wagt ihr zu führen!"
Bet diesen Worten, ganz wieder zu sich
selbst gekommen, Tone,
sagt
der
Deine Meinung
bekannt.
ruhig und mit feierlichem Einsiedler:
„Anselmus!
über mich war mir längst
Verkündiger
des
Evangeliums,
sei weniger streng, sei liebevoller in deinem Urtheil!
der Schein täuscht.
Die Nacht
des Geheimnisses verhüllt nicht immer das
Verbrechen; und wäre ich auch so strafbar.
als ich unglücklich bin, so bedenke, daß die
letzten Worte
Priester des
Worte der Verzeihung waren. barmherzigen
Mensche»
des Erlösers der
die
Gottes,
Absicht
deiner
Sendung unter den Menschen ist loszuspre
chen und nicht zu verdammen. Nach Endigung
Jäger des
dieser
schon
Gebirges
Worte
weit
ist
der
von
der
Priesterwohnung entfernt.
Glanzend und strahlend war die Mor genröthe angebrochen, und jagte die Schat
ten der Nacht vor sich her. in der Abtei,
und
Maxzelline ist
bei der Waise eingetrr-
ten, ruft sie ihr sogleich entgegen: „Konrad
ist hier; eben ist er noch gerettet."
Die Zungfrau von Unterlachen betrach tet
sie
Erstaunen,
mit
und
Marzellin«
fährt fort:
— „Konrad hatte die Gräfin von Zm-
berg getroffen.
Mit ihrer Antwort und ei
nigen Geschenken
kehrte
er
zur
für
Anselmus
Priesterwohnung
beladen, zurück:
aber unterwegs hatte der Unbesonnene die
köstlichen Gaben blicken lassen,
welche er
trug; und diese Nacht warteten seine Mör der nahe beim Strom.
Bon
umringt,
Straßenräubern
stößt
Ansetyrs Neffe ein durchdringendes Geschrei
aus.
Da erscheint plötzlich der Held als
Richter des Herrn.
mit einer zer-
Allein,
Keule
schmekternden
bewaffnet,
wirft
er
alles zu Boden, erschlägt den Anführer und fet»»e Raubgesellen.
Ein einziger nur ent
geht seinen Streichen;
der Verräther rächt
er stürzt Konraden in
stch stirhend,
den
Strom. Verwundet und von Todten hat der
Einssebler
keine Feinde
bekämpfen, aber er bemerkt, Zögling verschwunden ist. Schlachtopfers
schwimmen
mehr zu
Anselms
Die Kleider des über dem
Ge
der Sieger wirft stch
wässer des Stromes, in die Fluthen,
daß
umgeben,
und
zum zweitenmal ist
Konrad gerettet. Belastet,
terliegt
er
blutend seinen
und erschöpft,
Leiden?
Nein.
un
So
viel noch Leben in ihm ist,
Unglücklichen.
Der
gehört es den
Geist
göttliche
des
Wildberges trägt eine ganze Stunde weit
den nassen starren Körper des jungen Kon rads,
erhält seinen
und Vater Anselmus
Pflegesohn wieder." — „Aber der Einsiedler ist verwundet!"
ruft die geängstigte Waise aus. — Wunde ist
leicht,
antwortet
„Seine
Marzellin«.
„3ft er bei Anselmus geblieben?"
„Der
strahlende Adler bewohnt nur die Wolken." Der Pfarrer des Weilers war so eben
im
Kloster
angekommen.
Marzellinen und
sprach er,
Gräfin Jmberg.
verließ
flog ihm entgegen.
selm hielt ein Papier „Hier, ist,
Elodie
in
An
der Hand. —
ein Dries von der
Morgen
werdet ihr sie
hier sehen." — „Schon! erwiederte Elodie.
O mein
Vater! werde ich das Thal von Ünterlachen verlassen müssen?" — „Ich kenne die Absichten eurer De-
schützen» nicht, geliebte Tochter! Sind wir Herren unseres Schicksals?" Die Waise las den Brief der Gräfin, welche lebhaften Antheil an ihr zu nehmen schien. Ihre Ausdrücke sind liebevoll, sie kündigt ihre Ankunft im Kloster an; und ihre Absichten scheinen eben so edel als wohlthätig. — „Ihr sprecht mir nicht von Konrad? den? sagte Elodie nach einigem Schwei gen. — „Er ist außer Gefahr, antwort tete Anselmus." — „Hat er euch die Umstande seines schrecklichen Abentheuers erzählt?" — „Gewiß; und der Muth des Krie gers, dem er sein Leben verdankt, kommt ihm nicht aus dem Sinn. Seine Begei sterung ist seiner Dankbarkeit gleich." — „Ihr habt ihn gesehen? nahm die Waise wieder verlegen das Wort." — „Wen? — den Einsiedler? antwor tete Anselm; er hat sich nur einen Augen blick meinen Augen gezeigt."
—
Ȁhr
habt ihn
gesprochen?"
—
„Er hat sich schnell dem Danke entzogen,
welchen ich seinem Heldenmuth so gern be wiesen hätte.
Aber er hat mich vergeblich
geflohen, denn Konrads großmüthiger Ret ter wird
meiner
Erinnerung ewig
wärtrg bleiben." —
gegen-
„Und dennoch ist der
großmüthige Retter Konrads das Ziel arg wöhnischen Hasses,
dung!" —
das Ziel der Verläum-
„Meine Tochter,
antwortete
Anselmus, laßt uns ein heiliges Stillschwei
gen über diesen außerordentlichen Menschen beobachten.
Gott allein vermag ihn zu be
greifen, Gott allein kann über ihn richten." Nach diesen Worten das Gespräch ver ändernd,
berieth der Priester von Unterla
chen mit Elodien
die Vorbereitungen
für
die Ankunft der edlen Verwandtin Herstalls.
Durch ihren Reichthum
und Rang
an die
Genüsse des Lebens gewöhnt, wird die Grä fin Zmberg nur Entbehrungen im Kloster fin
den;
in den
Gebäudes
Gemächer»
des
herrscht kein Luxus.
Gothischen Indessen
wünscht Saint Maurs Tochter,
daß der
Aufenthalt ihrer Kindheit, ihrer Beschützerin einige Reitze bieten möge, welche sich vielleicht
alsdann dazu verstehen würde, den Rest der schönen Zahrszeit hier zuzubringen.
Sie
das Znnere des
hat nichts versäumt, um Klosters zu verschönern.
Das alte HauS-
geräth ist verjüngt worden, und seine altvä, terische
mit
Staub
wird wieder sichtbar.
Vergoldung
bedeckte
Körbe voll wohlrie
chender Blumen schmücken die weiten Säle der Abtei;
und
die Waise hat jetzt nur
noch zu erwarten und zu hoffen.
Der Morgen dämmerte schon in Osten; die friedlichen Bewohner des Thals lagen
noch in tiefem Schlaf, als ein verworrenes Getöse
Abtei
von
Wagen und Pferden in
vernommen
welche Mutterstelle
wurde.
bei
Die
der
Dame,
Elodien vertreten
soll, langte so eben an: eine zahlreiche Be
gleitung folgt ihr;
Stallmeister, Edelkna
ben und Krieger gehen ihr voraus: und in den weiten Höfen des Klosters herrscht auf
allen Seiten Unordnung, Lärm und Ver
wirrung.
Elodie stieg
eilends
Treppe der Abtei hinab, Gräfin von Zmberg
die
große
und empfing die
unter
der Vorhalle.
Ein glänzendes Gefolge umgiebt die Dame, und an ihrer Seite befindet sich ein gewapp
neter Ritter von
hohem
Adel.
edle Verwandtin
streckte
ihre
Herstalls Arme
der
Tochter Saint Maurs entgegen, drückte sie freundlich an ihre Brust und betrachtete sie
mit Bewunderung und Erstaunen.
Sch-nheit,
ihre Bescheidenheit,
Ihre
ihr Aus
druck, ihre Anmuth, alles an ihr schien sie z» entzücken.
Liebenswürdige Elodie!
den Krieger vorstellend,
sagte sie, ihr
der
sie begleitete,
mein theuerster Freund, das Haupt eines
der erlauchtesten Häuser Deutschlands, Verbündete
der
der
ersten nordischen Mächte,
der Fürst von Palzo hat geruht mich selbst in diese mir,
len,
Berge
zu
begleiten.
einige Tage in
Er
versprach
der Abtei zu verwei
und ich beeile mich,
meinen tapfern
Ehren-Ritter meiner angenommenen Nichte
zu empfehlen."
Die Waise verneigte sich tief vor dem Fürsten von Paljo,
dessen Blicke unabläs
sig auf sie geheftet sind.
Die Gräfin Zm-
berg bejeugt ihre Zufriedenheit mit den Ge
mächern,
welche für
Verbindlich
und
sie bereitet wurden.
liebevoll schien
sie
nicht
von dem düstern Anblick der weiten Galle
rten erschreckt, welche sie zu durchgehen hat: sie tadelte keine Austheilung der Zimmer, beklagte
und
sich
trennte
über
sich
keine
Beschwerlichkeit,
nur mit Bedauern
von
Elodien, um einige Augenblicke auszuruhen.
Nun allein zurückgeblieben, überließ sich
die Jungfrau ihren Betrachtungen.
Die
Gräfin scheint wohlthätig, gefühlvoll, groß
müthig,
und doch fühlt sich ihr Herz nicht
zu ihr hingezogen.
Die edle Anspruchlo-
sigkeit ihrer Reden steht in seltsamem Wi
derspruch mit der Pracht, die sie umgiebt. Mit
welcher
ihres Freundes,
Aufzählung
der Ehrentitel
hat sie Elodien nicht den
---------------
205
Fürsten von Palzo vorgestellt! Zhr sanf ter wohlwollender Blick ist zugleich stolz herablassend, sie hatte Elodien ihre Nichte genannt, aber welche Ueberlegenheit lag nicht selbst in dem Ausdruck ihrer Zärt lichkeit. — „Ach Herstall! sagte die Waise zu sich selbst, ach ich fühle es wohl, sonst hatte ich hier einen Vater, jetzt habe ich nur noch eine Beschützerin. Die Gräfin, älter als Herstall bei sei nem Tode war, bewahrte noch einige Ueberreste von Schönheit. In jedem Zeitpunkt ihres Lebens hatte sie Bewunderung zu erre gen gewußt; in den Tagen ihrer Zugend aber war dieses Gefühl, das einzige, wel ches sie einzuflößen vermochte, nur die Qual ihres Daseyns geworden: denn eine Frau ist nicht schön um blos bewundert zu werden. Die Zahre zerstörten ihre Reihe; da sie der Liebe nicht hatte gebieten kön nen, so wollte sie jetzt die Meinung unter jochen. Zhr Vermögen erlaubte ihr äußer-
lichen Glanz, sie blendete die Menschen durch ihre Pracht und Freigebigkeit, und ihr Herz, welches nicht lieben konnte, hatte Muse und Fähigkeit gehabt die Herzen An derer auszuforschen: die gefühlvolle Seele ist immer verschleiert, das kalte Gemüth sieht alles entblößt. Die Gräfin verstand die Kunst der Verstellung und doch rühmte man ihre Auf richtigkeit. Scheinbar bemüht, ihre edlen und wohlthätigen Handlungen zu verbergen, traf sie auf eine geschickte Weise heimliche Veranstaltungen ihre Großmuth ausposau nen zu lassen. Sie war eines erhabenen Zuges fähig, aber sie mußte dabei gesehen werden. Ihr Wille verlangte unbedingte Gewährung und doch schien sie beständig sich ihrer ganzen Umgebung aufzuopfern. Sie rühmte sich eines Lebens, welches nie mals durch eine strafbare Verirrung befleckt worden war, wie alle dürftige Gemüther, welche ihre Thaten, wie ihre Worte abwie-
gen:
sie
nennen
Leere der Seele, Tiefe,
und seine Trockenheit, Tugend.
Die
Gräfin,
Welt nachfolgten,
Eitelkeiten der
alle
der
äußerlicher
von
sprach
Verhältnisse und
Pracht mit Verachtung;
Pflicht haben mich genöthigt, sagte fle, diese
schweren Ketten zu tragen.
Begierig nach
Gelegenheit, irgend Jemanden ihren Schutz angedeihen zu
nahm sie nicht den
lassen,
mindesten Antheil an dem Beschützten; allen Unglücklichen
zugethan,
selbst
einzigen;
eine
kannte sie keinen
Gebieterin,
strenge
donnerte sie gegen die Tirannei; ehrgeitzig, rühmte
sie
unaufhörlich das
dunkeln Daseyns;
Glück eines
mit Demuth
prahlend,
bezog sie alles auf den Himmel und glaubte
nut an irdische Dinge; übrigens, edel in ihrer äußern Erscheinung, anmuthig in ihren
Bewegungen,
freundlich in
ihren Reden,
war sie der Abgott der Menge und
das
Orakel ihrer zahlreichen Bewunderer. Der Fürst von Palzo hatte das reifere
Lebensalter erreicht.
Er trug einen berühm-
ten Namen, war Feldoberster im Dienst des
Herzogs von Lothringen,
licher Güter
Besitzer unermeß
murrte
und
doch
unablässig
über das ihm ungünstige Glück.
Listig und
treulos, dreist und feig wie er war, strebte
er nach der höchsten Gewalt, und arbeitete daran, durch dunkle Anschläge seinen Herr
scher
zu
entthronen.
Als
ein
geschickter
Aufwiegler besaß er die Kunst, den Leiden
schaften der Menge zu schmeicheln, die un
zufriedenen
Gemüther
zu
Zwietracht zu unterhalten
auSzubreiten.
erbittern,
und
den
die
Haß
Er war ein geübter Redner
und verstand als solcher, das glänzende Blend
werk
kühner Bilder
gewagter
Ausdrücke;
besser als er,
die
Augen des Volks zu blenden und in
sei
endlich wußte niemand
nen Gesprächen die Zauberworte: Unabhän gigkeit und Freiheit hinzuwerfen. Niemals hatte sich der Fürst von Palzo weder durch seine Gestalt noch durch Schön
heit ausgezeichnet; regelmäßig
und
aber seine Züge waren
seine Haltung würdevoll.
Den Augen des tiefern Beobachters verkün digte sein verächtliche- Lächeln, seine strenge Stirn, sein spöttischer Blick, den hochmü» thigen Mann, welcher den Menschen auS Ehrgeitz gebietet und sie aus Grundsatz verachtet. Der Grundton seines Wesens wel ches überhaupt nur durch die Sinne gerührt wurde, hatte stets nur trügerische Klänge von sich gegeben, zuweilen auffallende aber immer falsche, zuweilen kräftige aber nie mals erhabene. Eine glänzende Erziehung war an ihm wie das Licht über die Pflanzen hingegan gen; sie hatte seinem Wesen Farben gelie hen, ohne etwas an seiner Natur zu än dern. Wenn es seine Absichten erheischten, war er am Hofe geschmeidig, und gegen Geringere herablassend. Um in einen Pal last zu gelangen, besann er sich nicht lange, hinein zu kriechen, wenn er nur Jn den Augen des Volks als Riese daraus hervor treten konnte. Zügellos in der Liebe, und sich der Heftigkeit der ersten Bewegung L 14
überlassend, glich er dem Schiffsführer, welcher die Segel während dem Sturme aufziehet; dagegen war er klug und ver steckt in der Politik, erregte oder besänf tigte die Gewitter, als wenn er die Ele mente beherrschte. Oesters verschwenderisch ohne Großmuth; wohlthätig ohne Gerech tigkeit, zeigte er sich edel und galt dafür. Don der Oberfläche seiner Seel« schien die Tugend einige Düfte auszuhauchen, wie sich am Rand eines Gefäßes aus verdorbe nem Wasser Blumen erheben können. Ludwig XL König von Frankreich hatte den Fürsten von Palzo bemerkt: ein solcher Mensch paßte vollkommen zu seinen politi schen Absichten. Die Empörungen der Nach barstaaten hatten stets sein Königreich ver größert. Scheinbar den wankenden Thro nen zu Hülfe eilend, vollendete er ihren Umsturz. Er wußte sich auf Trümtnern zu erheben und sich auf Zerstörungen zu befestigen. Viele Mißvergnügte bewegten sich in
'
211
Nancy, die Anhänger Karls barchten
den
des Kühnen
glänzenden Hof des Erobe-
rerS in Erinnerung.
Einige Krieger beklag
ten den Mann der Schlachten, und einige
ihre ver
in Ungnade gefallene Angestellte
lorenen Aemter.
Die Ehrgeitzigen bewaff
neten die Leidenschaften,
und
Aufwiegler
steten Unruhen aus. Ludwig XL im Krieg mit Rene und schon Herreiner seiner Provinzen, zündete das
Feuer der Zwietracht in Nancy an.
Ge
heime Unterhandlungen hatten sich zwischen
Ministern
seinen Palzo
und
dem
Fürsten
Eine
angesponnen.
ausgebreitete
Verschwörung ist im Werk.
her greifen Ludwigs
von
Don Westen
Truppen Lothringen
an, auf der Süd-Seite, nahe beim Mut
ter-See erwartet eine drohende, von Frank reich
unterhaltene
Partey
ehrgeiziger
Anführer, um aufzustecken
Das
Gold
und
hier
versammelte
Lothringer
nur einen
die Fahne der Empörung
und auf Nancy
der
Verräthrr
einzurücken. hat
heimlich
ganze Haufen von Bergbewohnern besoldet.
Zhr Führer ist gewählt, von Palzo.
Er begiebt sich nach Helvetien,
wo ihn zahlreiche
Verschworn« erwarten;
aus wird das Gewitter
und von Murten losbrechen
es ist der Fürst
welches
Sobald die Fahne
Ren«
vernichten
des Aufruhrs
soll.
an
der
schweizerischen Gränze aufgepflanzt ist, stri«
men in Menge
die
Mißvergnügten
von
Nancy, die Feinde des Herzogs von Lothrin gen, die Schwärmer der Freiheit, die ehe
maligen Bewunderer Karls des Kühnen zu dem Kern der Empörung.
Ludwig wird
sich zu ihrem Empfang gegen Epinal ziehen, wo sich das ganze Heer versammeln soll. Der Herzog von Lothringen wird von allen
Seiten angegriffen werden; und die Unter händler des Königs von Frankreich
lassen
den Fürsten von Palzo die Herrschaft einer Provinz hoffen.
Die Abreise der Gräfin Zmberg Nach der Abtei von Unterlachen unterstützte die Plane des Insurgenten-Anführers.
Unter
dem Vorwand eine Freundin zu begleiten, hat er den Lothringischen Hof verlassen, ist
nach Murten abgereist,
und vom Kloster
aus, wo er wie vergraben ist,
Verräther
der
die Empörer.
bewaffnet
Alle seine
Plane sind geschmiedet; die Gräfin Zmberg
kennt sie alle, und der niederträchtige An schlag säumt nicht auszubrechen. .
Welche Veränderung im Kloster! die ehe dem so einsamen Höfe bevölkern jetzt eine Menge von Dienern.
flattern auf
stehen
den
Wappen,
Zinnen,
Paniere
Schildwachen
vor allen Eingängen des alterthüm-
lichen Gebäudes; junge Edelknaben reiten
muthige Rosse zu;
Waldhörner,
und Pauken erschallen des Tages.
zu allen
Pfeifen
Stunden
Die Trommel wirbelt,
die
Trompete tönt: eine kriegerische Begleitung war dem Fürsten gefolgt; er mustert sein«
Schaar, prüft ihre Waffen, übt ihren Muth; er versammelt sie,
redet sie an: alles ist
Bewegung, Unruhe, Tumult in der Abtei.;
und das friedliche Kloster ist
eine kriege
rische Veste geworden.
Die schüchterne Zungfrau von Unterla
chen versteht nichts von all den neuen Auf
tritten, welche sich ihren Blicken darbieten. Was konnten die nächtlichen
Versammlun
gen, welche sie seit der Ankunft des Fürsten bemerkte,
was
diese
Vorbereitungen
zu
Kämpfen, diese nach allen Richtungen auS-
gesandten henden
Eilboten
und die vielen
Briefschaften zu
Und wozu
bedeuten
einge
haben?
diese in den untern Sälen des
Hauptthurms heimlich angehäufte Waffen
masse, die verborgenen Ausgänge des Prin
zen zu allen Stunden der Nacht und die Verkleidungen seiner
Kundschafter?
gehören die rauhen Stimmen,
Wem
welche oft
während der Nachtzeit in den unterirdischen
Gewölben des Klosters wiederhallen? Alles
schreckt die zitternde Elodie, die irgend ein außerordentliches, schreckliches Ereigniß ahnet. Der Fürst von Palzo hatte die Waise
nicht ohne Bewunderung erblickt: er konnte
sie nicht kennen, ohne den Wunsch zu hegen
Von seinen stolzen
sich laut ausgesprochen.
Hoffnungen
hatte
seine Leidenschaft
sie zu verführen;
beleidigt, erschreckt
von seiner
kühnen Sprache, flüchtete sich Saint MaurS Tochter zu der Gräfin und
nicht,
wagte
sich einen Augenblick von ihr zu entfernen'
Elodiens
Lage
war
schrecklich.
Dem
Vater Anselmus war der Eintritt ins Klo ster von dem Fürsten, welcher seinen Einfluß
fürchtete,
untersagt
Die Waise
worden.
wagt nicht die Grenzen der von Palzos Tra banten bewachten Abtei zu überschreiten.
Ue-
berall folgt der Fürst ihren Schritten; seine
Liebe kennt keine Zurückhaltung, seine Lei
denschaft
keinen
Zügel
unglückliche Gefangene eines
ehrgeihtgen
und
mehr,
ist in
der Gewalt
und verworfenen
schen, über welchen die Ehre,
die
Men
Gerechtigkeit
und Tugend niemals Gewalt gehabt hatten.
Elodiens einzige Hoffnung ist auf ihre
Beschützerin beschränkt, aber die Gräfin ist dem
unternehmende»
Anführer
ergeben.
dessen Stirn
fit
geschmückt sieht.
schon
einer Krone
mit
Der Fürst schilderte ihr
seine Leidenschaft für Elodien,
er bat sie
um die Hand ihrer angenommenen Nichte. Ihre Nichte würde also eines Tages Regen
tin werden! konnte die Gräfin einen Au genblick anstehen Palzo's Wünsche zu erfül
len!
Von
dem
Anerbieten
des
Fürsten
geschmeichelt, welcher durch die Liebe hinge
rissen die Ungleichheit der Verbindung zu
vergessen geruhte,
hatte sie ihm zugeschwo
ren, daß die Waise seine Gemahlin werden würde,
waren bereits
und seine Befehle
um die ersehnte Vermählung so
gegeben,
bald als möglich vollziehen zu können. Fest in
heftig in
ihren Entschlüssen',
ihrem Willen,
aber ihr geheimes Denken
immer durch eine trügerische Außenseite ver
schleiernd,
ließ die Gräfin eines Morgens
ihre Nichte zu
sich rufen.
Nie hatte ihre
Stimme zärtlicher geklungen, Lächeln
anmuthiger
niemals ihr
geschienen;
ihre Art einschmeichelnder.
nie
war
Nach einer prunkvollen Aufzählung der Ehrentitel und Besitzungen des Fürsten von
Palzo, nach einer umständlichen Erzählung der Großthaten seines Lebens,
langen Lobrede
nach einer
seiner Tugend und Wohl
unterrichtete sie die Gräfin von
thätigkeit,
den schmeichelhaften Anträgen, deren er sie
gewürdigt habe.
Mit
ihrer gewöhnlichen
Beredsamkeit wußte sie die glanzenden Vor theile
dieser
herauszuheben;
vorgeschlagenen
Verbindung
sie schilderte mit Begeiste
rung die leidenschaftliche Liebe des Fürsten,
und die innige Ueberzeugung, daß Elodie
glücklich werden wird,
scheint das einzige
Gefühl, welches sie zu Gunsten des erlauch ten Kriegers gestimmt hat. —
„Liebliches Kind, schloß sie ihre Rede, folget dem Fürsten von Palzo zum Altare:
Liebe, Ehre,
Schätze und Ruhm werden
euer Daseyn verherrlichen.
Wie segne ich
den Himmel, daß er mich hteher führte, um so das Glück einer gründen.
verlassenen
Waise zu
Mächtig durch eure Reichthümer
werdet
ihr
Freude
und
euren Rang,
durch
unter
Ueberfluß
alle Hütten Unterlachens bringen;
mächtig
werdet ihr der Stolz
und die Stütze eures Hauses seyn; mächtig
durch eure Reitze, werdet ihr die Zierde des
Lothringischen Hofes werden; mächtig durch
eure Tugenden, werdet ihr dort die reinen Sitten
Ahnen
unserer
zurückführen.
O,
theure Elodie! wer weiß, ob euch nicht der
Ewige, vermittelst- des Helden, welcher euch anbetet, noch zu höherer Bestimmung ruft, ob er euch nicht eine Krone bereitet!"
Aber so listig auch diese Rede war, ver mochte
die Gräfin Zmberg dennoch
Elodiens Seele wankend zu machen:
nicht kein
Gemälde konnte sie entzücken, kein Anerbie
ten blenden.
Die,
Muth gehabt hatte,
unlängst
welche
den
der reinen großmüthi
gen Liebe, den rührenden Bitten des schö nen
und
edlen
Eckberts
zu
widerstehen,
konnte sie wohl durch die prunkende Her nennung der Titel und Reichthümer eines
Ehrgeizigen verführt werden!
Ruhig ohne
Kälte,
fest ohne Dreistigkeit,
erhob sich
Saint Maurs Tochter, und antwortete mit
diesen Worten: „Zch
Frau,
das
kenne
Loos nicht,
gnädige
welches mir der Himmel bestimmt;
abereine Krone ist es nicht, wonach ich trachte; der Glanz scheint mir nicht das Glück. Zn der Dunkelheit erzogen, halte ich mich nicht
zu irdischer Hoheit berufen;
und der klö
sterliche Schleier würde sich besser für meine Stirne schicken,
als
eine
Herrscherkrone.
Nie werde ich die Berge Helvetiens
ver
lassen ; der lehte Wille meiner Mutter macht
es mir zum Gesetz.
Erzeugt mir also die
Gnade, die ehrenvolle Vermählung abzuleh
nen die mir angetragen wurde.
Dankbar
keit ist die einzige Empfindung, welche der Fürst von Palzo
von Elodien
zu
erwar
ten hat."
So sprach sie und entfernte sich.
vor Erstaunen
verwirrte Gräfin
Die
versuchte
umsonst sie zurückzuhalten; aber nichts ver
mochte dennoch den Entschluß der Freundin
Palzo'S zu ändern.
Zu
listig, um ihren
hütete sie sich,
Zorn durchblicken zu lassen,
durch Gewalt ein Gemüth aufzuregen, des
sen Stärke sie bemerkte.
Die Gräfin hatte
wohl widerspenstigere Geister zu bezwingen
gewußt, die Probe der Sanftmuth soll dem
Versuch
der
vorangehen.
Gewalt
Feste,
Huldigungen, Vergnügen und Schmeichelei
belagern jetzt
das Herz
der Waise,
legen ihr Fallstricke von allen Seiten. die Verführung
hat
tausenderlei
und
Ach!
Waffen,
und die Unschuld keine andere als sich selbst.
Die Stunde der Mahlzeit schlug: Elo-
die begab
sich
zur
Gräfin
Jmberg;
sie
machte sich auf ihre Vorwürfe, ihren Zorn, ihre Entrüstung gefaßt;
lich
aber unerschütter
in ihrer Weigerung
und entschlossen
dem Ungewitter zu trotzen, verbarg sie ihre Verwirrung und ihren Schmerz unter einer
ruhigen und heitern Stirn. Ein liebenswürdiges Lächeln der Gräfin empfing
die Jungfrau
Ihr liebkosender
von
Unterlachen.
Blick suchte den
ihrigen
Zärtlichkeit.
mit
Kein
Vorwurf,
keine
Klage ging über ihre Lippen.
Sie schien
nur von
ihre junge
gequält,
der Furcht
Freundin betrübt zu haben.
einer,
find die
unruhigen
Tochter,
Glück
über
Ihre Ausdrücke
das Schicksal ihrer
und
nur
Mutter.
beschäftigten
mit
deren
Der
Fürst
von Palzo, eben so zärtlich aber ehrerbieti ger, hörte auf,
Elodien mit jener beleidi
genden Vertraulichkeit anzureden, welche der wahren Liebe fremd ist.
Seine Aufmerk
samkeiten sind zart, seine Blicke schmeicheHrd,
seine Worte zurückhaltend. Waise
fürchten,
Die schüchterne
Gegenwart nicht
darf seine
mehr
und schon oft hat fich ihr Blick
dankend zu ihrer Beschützerin gewendet.
Es ward Nacht. gekehrt,
Zn ihre Zelle zurück
am Fenster sitzend und wenig zur
Ruhe geneigt, überließ sich Saint Maur-
Tochter
ihren
Betrachtungen,
Herstalln zurück,
fließen.
rüste
sich
und fühlte ihre Thränen
Sonst bewohnte sie allein mit ihm
da- Kloster,
und
dieses Kloster
war für
Elodien mit geliebten Wesen erfüllt. Jetzt birgt diese alterthümliche Behausung zahl reiche Schaaren in ihrem Innern, und die ser Aufenthalt ist für sie nur eine Einöde. Auf den entfernten Gipfeln der Berge irren alle ihre Gedanken, verseht sich ihr ganze« Daseyn hin; die kahlen Felsenklippen von Murten stellen sich ihren Blicken wie bezau bert dar. Ach! um den Erdkreis zu bele ben, um die Natur durch ein magische« Glas zu betrachten, was bedarf der Mensch unter den Menschen? ein Herz, welches da« seintge versteht. Nur der Gefühllose ist der wirklich Vereinzelte; nur der Vergessene der wahrhaft Verbannte. Die Stunden fliehen. Mit einem Mal sieht Elodie auf einem der Felsen, welche das Thal beherrschen, eine sonderbare Flamme sich erheben. Sie glänzt einen Augenblick und verlischt. Sogleich entzün det sich auf dem Gipfel des entgegengesetz ten Berges ein ähnliches Feuer, welches gleichfalls verschwindet. Ls sind Zeichen,
22Z
di«
sich antworten:
des Fußsteiges,
der
längs
welcher
zur
Wendung
Drücke
deS
Stromes führt, erblickt sie einen zahlreichen
Haufen bewaffneter Landleute, die sich eiligst
in die Wälder vertiefen.
diese
dunklen
Oberhaupt
versammelt
Horden?...
Wo bilden sich
Zusammenkünfte?
diese
Welches
ungeregelten
Die bestürzte Waise,
welche
nun nicht mehr zu schlummern vermochte, beobachtete, an das Gitter ihres Fensters gelehnt,
unablässig die sonderbaren Bewe
gungen, welche auf den Höhen um das Thal zu bemerken sind,
und
die nächtlichen Zei«
chen, die von einer Entfernung zur andern
sich
rings
um
das
Kloster
wiederholen.
Kaum war noch ein Schein der Morgen dämmerung angebrochen, als ein tumultua-
rtscher Lärm von Stimmen und Waffen und Pferden Elodiens Ohr berührte.
Sollten
neue Fremde im Kloster ankommen? Sind
es Eilboten,
die
der Fürst empfängt oder
abschickt, oder drohet der Gegend Gefahr?
Leise öffnet die Waise die Thür ihrer Zelle,
durcheilt den langen Klostergang und wirst aus einem der hohen Fenster gegen die Mittagsseite einen schnellen Blick in den großen Hof der Abtei. Vom Kopf bis zu den Füße» gewapp net bestieg der Fürst von Palzo ein wüthi ges Roß, bedeckte seinen Waffenrock und den blanken stählernen Harnisch mit einem violetten Mantel, und nahm von seinem schwarzen Helm den weißen Busch herabEr hatte keine Feldbinde um seinen Leib, und keine Abzeichen auf seiner Brust. Er ließ das Vister herab, und sprengte finster wie eine Herbstnacht, von einigen eben so geheimnißvollen Kriegern wie ihr Herr, begleitet, aus dem Gitterthor der Abtei. WaS sollte Elodie aus Palzo's unge wöhnlichem Betragen schließen? ES bleibt ihr kein Zweifel, daß nicht ein großes Un ternehmen die Gedanken dieses Fürsten beschäftige. Aber ein finsterer Anschlag muß strafbar seyn. Diese nächtlichen Ritte, diese Verkleidungen, diese Zeichen, diese Der-
sammlungen, dieser Briefwechsel, alles zeigt geheime entsetzliche Ränke, dumpfe bösartige Anschläge an. Ein Ungewitter jiehtsich zusam men und soll sich von Unterlachen aus erhe
ben, aber an welchem Orte,
über welchen
Häuptern wird seine finstere Wuth losbre
daS
Wenn
chen?
Kloster
die
Herberge
irgend einer Verschwörung ist, kann viel dieser Blitzstrahl
leicht treffen.
Rache
Die
das Kloster
selbst
Himmels
wird
des
ohne Zweifel die Verrärher vertilgen, aber
das Thal kann der Schauplatz des Kam
pfes und des Blutvergießens werden, und was wird dann
das Schicksal der sanften
Jungfrau von Unterlachen seyn!
Ahnungen kann
nicht
denn der Eintritt untersagt.
und
in
Sie
diesem
in
die
Abtei
Sie
fragen;
ist
ihm
Augenblick
allein,
ohne
Welchen Theil soll sie
Zu welcher Macht ihre Zuflucht
nehmen! —
I.
Seele.
um Rath
selbst ist eine Gefangene,
Stütze und Führer.
ergreifen!
ihre
erschrecken
Anselmus
Finstere
„Wenn ich das Feuerzeichen
15
auf dem Thurme anzündete! sagte sich heim lich die Jungfrau.
Wenn ich den Einsied
ler herbeiriefe! —
Die Wachen des Für
sten versagen zwar jedem Fremden den Ein
gang ins Kloster; aber als kühner Krieger,
als Verzweiflungsvolker Liebender, wäre der
Bewohner
des
Wildberges
fähig,
allein
alle diese Söldlinge Palzos zu bekämpfen, um ihnen
Elodien
zu
entreißen.
Aber
ach!
vielleicht könnte er selbst der Menge unter liegen; und ich wäre dann die Ursache sei
nes Todes." Dieser zurück. —
furchtbare
Gedanke
hält
sie
„Ich will noch warten, spricht
sie, vielleicht gebe ich mich blos eingebilde
ten Schrecknissen hin:
die Gräfin Jmberg
behandelt mich wie ihre Tochter; der Fürst
hat sein Betragen gegen mich geändert; ich habe für den Augenblick nichts zu fürchten,
ich darf das Leben des Einsiedlers keiner Gefahr aussetzen. letzten
Nur im Augenblick der
Entscheidung,
in
den Tagen
der
Verzweiflung, werde ich das Feuerzeichen auf dem Thurm anzünden." Seit langer Zeit hatte Elodie aus Furcht dem Fürsten zu begegnen, nicht mehr gewagt in die Klostergärten hinabzugehen. Die Morgenröthe glänzte am Himmel; Palzo hatte sich aus dem Thal entfernt; furchtlos flog daher heute die Waise auf das länd liche Sommerhaus zu, welches schon Zeuge ihrer Kinderspiele war; und in den seligen Erinnerungen der Vergangenheit suchte sie ein augenblickliches Vergessen der Gegen wart. Der Pavillon beherrschte die Fluren von Unterlachen. Marzeline hakte Saint Maurs Tochter von weitem gesehen; sie läuft mit schnellen Schritten auf sie zu, die Thüre des Parks öffnet sich und Marzeline ist bei Elodie». — „Endlich sehe ich euch wieder! ruft die Sybilla des Weilers schwärmerisch aus. Welche Begebenheiten haben sich seit weni gen Tagen in »inserm entlegenen Kanton
22g
ereignet! Eine weissagende Stimme hat sich vom Cedron unseres Thales erhoben;
sonst war das Kloster unser Zion; jetzt ist das Verbrechen in dem Heiligthum; wehe, wehe dem Tempel!" — „O Himmel! was wollt ihr damit sagen?" fragte das erschreckte Mädchen. — „Weiße Taube, über eurem Haupte
schwebt der Raubvogel; er öffnet seine blu tigen Klauen. — Fliehet, wenn es noch Zeit dazu ist!" — „Wohin?" — „Auf
bas Gebirge: es ist dort keine unserer Hüt ten, die euch nicht einen sichern Zufluchts ort böte." — „Wer wird mich dort
beschützen?" — „Der Himmel! es bleibt uns nur noch seine Hülfe übrig. Das Ge stirn unserer Thäler ist unter den Wolken verschwunden. Hier ist kein Hafen mehr für die Schiffbrüchigen; kein Gedeon mehr um die Philister niederzuschmettern." — „Der Einsiedler hat also die Ge gend verlassen?" —
„Seit dem Tage wo
er Konraden rettete. —
Tochter Saint
-----------------
22y
MaurStitle ausgebreitete Verschwörung spinnt sich bet uns an. Die Hölen des Waldes wiederhallen von den Stimmen des Aufruhrs. Zch habe ausgeforscht, ich habe gelauscht, ich habe gehört; betrogene Landleute eilen zu den Waffen; Lothringen ist bedroht; Frankreich besoldet die Auf wiegler; der Fürst von Palzo ist ein VerrLther, und das Thal von Unterlachen eine Raubhöle. — Aber man könnten»- beob achten, ich verlasse euch — 0 schlummert nicht am Rande deS Abgrundes."