Die Stellung der Elektroindustrie im Industrialisierungsprozeß [1 ed.] 9783428421732, 9783428021734


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German Pages 282 [285] Year 1970

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Die Stellung der Elektroindustrie im Industrialisierungsprozeß [1 ed.]
 9783428421732, 9783428021734

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Schriftenreihe zur Industrie- und Entwicklungspolitik

Band 5

Die Stellung der Elektroindustrie im Industrialisierungsprozeß

Von

Klaus Schulz-Hanßen

Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS

SCHULZ-HANSSEN

Die Stellung der Elektroindustrie im Industrialisierungsprozeß

SCHRIFTENREIHE ZUR INDUSTRIE- UND

ENTWICKLUNGSPOLITIK

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Fritz Voigt

Band 5

Die Stellung der Elektroindustrie im Industrialisierungsprozeß

Von

Dr. Klaus Schulz-Hanfien

D U N C K E R

& H U M B L O T /

B E R L I N

Redaktion der Schriftenreihe zur Industrie- und Entwicklungspolitik: Diplom-Volkswirt Rainer Pötzsch Alle Rechte vorbehalten © 1970 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1970 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany

Meiner Frau

Vorwort

Die politisch realisierbaren Möglichkeiten, m i t wirtschafts- und finanzpolitischen Instrumenten gesamtwirtschaftliche Wachstumsvorgänge innerhalb bestimmter Bandbreiten zu steuern, d. h. sie je nach Erfordernis zu stimulieren oder auch abzubremsen, sind seit Keynes insbesondere i m Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion u m die moderne Wachstumstheorie erheblich erweitert und verfeinert worden. Gesamtwirtschaftliches Wachstum ist dabei i n seiner Wachstumsintensität und -richtung nicht nur eine aggregierte Größe der Beiträge der verschiedenen volkswirtschaftlichen Produktionssektoren (Urproduktions-, Industrie« und Dienstleistungssektor), sondern zugleich auch das Ergebnis der Produktionsbeiträge der einzelnen Zweige innerhalb der Sektoren. Der überragende Einfluß des Industriesektors auf langfristige Wachstumsvorgänge ist schon von den Klassikern der Volkswirtschaftslehre erkannt und durch den Verlauf des Industrialisierungsprozesses weltweit hinlänglich erwiesen worden. Die einzelnen Industriezweige spielen i n diesem Prozeß unterschiedliche Rollen. Soll langfristiges wirtschaftliches Wachstum als wirtschaftspolitische Maxime i n einer Volkswirtschaft gesichert werden, ist es von Bedeutung, die jeweilige Wachstumseffizienz der einzelnen Träger des Prozesses zu bestimmen, und die hierfür maßgeblichen Gründe zu präzisieren. Dies gilt gleichermaßen für bereits industrialisierte Länder wie für industrialisierende Entwicklungsländer. Die Rolle der Elektroindustrie bei dieser Kernfrage wirtschaftlicher Wachstumsvorgänge und damit ihre Stellung i m Industrialisierungsprozeß hoch- wie unterentwickelter Volkswirtschaften zu bestimmen, ist Anliegen dieser Arbeit. Sie kann als ein Beitrag zur sektoral orientierten Wirtschaftspolitik angesehen werden, die der Wachstumspolitik als zielkonforme Orientierungshilfe bei strukturpolitischen Entscheidungen dienen kann. Bei der Abfassung der Arbeit wurde ich von vielen Seiten i n dankenswerter Weise unterstützt. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. Dr. Dr. h. c. Fritz Voigt, unter dessen Betreuung die Arbeit entstand. Die AEG, vor allem ihr Generalbevollmächtigter Herr Direktor Werner Graber, schuf m i r die Voraussetzung für meine wissenschaftliche Betätigung. Die umfangreiche empirische Dokumentation zu den theoretischen Ergebnissen wäre ohne die sachkundige

6

Vorwort

und interessierte Unterstützung durch leitende Referenten des Wernervon-Siemens-Institutes München, insbesondere durch die Herren Dr. B r i l l und Dipl.-Ing. Gitschger nicht möglich gewesen. Schließlich waren m i r viele Unternehmen, Verbände, Institute und Behörden bei der Beschaffung des notwendigen Materials behilflich. Ihnen allen, wie auch meiner Frau, möchte ich an dieser Stelle nochmals herzlich danken. Wien, i m Dezember 1969 Klaus Schulz-Hanßen

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel: Einleitung

15

..

15

§ 1 Begriffsbestimmungen

A. Elektroindustrie, Elektrizitätswirtschaft u n d Elektrowirtschaft

15

B. Prozeß der Industrialisierung

17

§ 2 Aufgabe und Gang der Untersuchung

19

Zweites Kapitel: Hauptteil § 1 Die Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie des Industrialisierungsprozesses

im bisherigen

22 Verlauf

22

A . Die Entwicklung der Elektroindustrie i m interindustriellen V e r gleich i n Deutschland

22

I. Die strukturelle E n t w i c k l u n g der Elektroindustrie nach Beschäftigten

22

I I . Die strukturelle Entwicklung der Elektroindustrie nach Nettoproduktionswerten

29

B. Die strukturelle Entwicklung der Elektroindustrie i m internationalen Vergleich

34

§ 2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten der Gestaltungskräfte eines Industriezweiges im Industrialisierungsprozeß ..

38

A. Die Gestaltungskraft der Investitionen i m Industrialisierungsprozeß u n d ihre Beziehung zum technischen Fortschritt

39

I. Der Wirkungsmechanismus von Nettoinvestitionen i m I n d u strialisierungsprozeß u n d i h r Einfluß auf die Höhe des V o l k s einkommens ........:...

39

1. Der Kapazitäts- u n d Einkommenseffekt der Investitionen . . .

39

2. Zusätzliche Nettoinvestitionen als Voraussetzung eines w i r t schaftlichen Wachstumsprozesses

42

3. Der Einfluß der Investitionsquote auf die Höhe des Volkseinkommens

46

8

Inhaltsverzeichnis I I . Investitionsdeterminanten und i h r Verhältnis zum technischen Fortschritt

51

1. Investitionsdeterminanten aus theoretischer, makroökonomischer Sicht

51

2. Investitionsdeterminanten aus empirischer, mikroökonomischer Sicht

54

3. Der Einfluß des technischen Fortschritts auf die Bestimmungsgründe der Investitionsarten

56

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts i m Industrialisierungsprozeß u n d die Möglichkeit seiner sektoralen Quantifizierung

60

I. Die Rolle des technischen Fortschritts i m Industrialisierungsprozeß

60

1. Abgrenzungen u n d A r t e n des technischen Fortschritts

60

a) Technischer Fortschritt u n d Faktorsubstitution

60

b) Kapitalgebundener u n d nicht kapitalgebundener technischer Fortschritt

69

2. Die quantitative Bedeutung des technischen Fortschritts i m industriellen Wachstumsprozeß

71

I I . Die Bestimmung des Beitrags eines einzelnen Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt

77

1. Die Grenzen gesamtwirtschaftlicher Messungsmethoden zur Bestimmung des aktiven Beitrags eines Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt

77

2. Einzelwirtschaftliche Indikatoren zur Bestimmung des a k t i ven Beitrags eines Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt

78

a) Produkt-Koeffizienten

78

b) Die Determinanten des Erzeugungsprozesses des technischen Fortschritts als Indikatoren

79

aa) Der ökonomische Charakter der Determinanten

79

bb) Die Entstehungsphasen des Erzeugungsprozesses des technischen Fortschritts

83

cc) Nachfrageorientierte Determinanten als Indikatoren

91

a) I m Investitionsgüterbereich

91

ß) I m Konsumgüterbereich

92

dd) Angebotsorientierte Determinanten als Indikatoren .

98

a) Maßstäbe zur Beurteilung des erfinderischen Inputs

98

ß) Maßstäbe zur Beurteilung des erfinderischen O u t puts 103

Inhaltsverzeichnis § 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie stitionund Fortschrittseffekten im Industrialisierungsprozeß

aus Inve-

105

A. Die allgemeinen Gestaltungskräfte der Elektroindustrie aus I n v e stitionseffekten 106 I. Die Investitionstätigkeit der Elektroindustrie i m interindustriellen Vergleich i n der B R D von 1950 bis 1965 106 I I . Von der Investitionstätigkeit der Elektroindustrie ausgehende Wachstumseffekte 109 1. Die direkten W i r k u n g e n auf das Wachstum des Volkseinkommens ( P r i m ä r w i r k u n g des Einkommenseffektes) 110 2. Die indirekten W i r k u n g e n auf das Wachstum des Volkseinkommens (Sekundärwirkungen als Folgewirkungen des Kapazitätseffektes) 111 B. Die spezifischen Gestaltungskräfte der Elektroindustrie aus F o r t schrittseffekten ; 113 I. Die quantitative Verifizierung des Beitrags der Elektroindustrie aus Fortschrittseffekten 114 1. Die Beurteilung der von der Elektroindustrie ausgehenden Fortschrittseffekte an H a n d der nachfrageseitig quantifizierbaren Indikatoren 115 a) I m Kapitalgüterbereich

115

b) I m Konsumgüterbereich

118

aa) Die Einkommenselastizitäten elektrotechnischer Gebrauchsgüter 118 bb) Die Preiselastizitäten elektrotechnischer Gebrauchsgüter 123 2. Die Beurteilung der von der Elektroindustrie ausgehenden Fortschrittseffekte an H a n d der angebotsseitig quantifizierbaren Indikatoren 128 a) Beurteilung der Daten des erfinderischen Inputs

128

aa) Forschungs- u n d Entwicklungsausgaben

128

bb) Forschungs- u n d Entwicklungspersonal

137

cc) Firmen(Unternehmens)größe

138

dd) M a r k t f o r m

145

b) Beurteilung der Daten des erfinderischen Outputs aa) Patentausstoß

146 146

bb) Der A n t e i l der Neuentwicklungen a m Gesamtumsatz 149 I I . Die produkt-technologischen Ausgangsbedingungen elektrotechnischer Erzeugnisse u n d die Wirkungsbreite u n d -tiefe ihrer Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten, eine qualitative Betrachtung 152

10

Inhaltsverzeichnis 1. Die forschungsbezogene Basis der elektrotechnischen Produktion 152 2. Die Breite des Produktionsprogramms der Elektroindustrie als Ausdruck der Vielfalt ihrer produkt-technologischen Möglichkeiten 185 3. Die Wirkungstiefe der von der Elektroindustrie ausgehenden Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten 186

§ 4 Die Rückwirkungen der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie dustrialisierungsprozeß auf ihre Angebotsstruktur

im

In-

193

A. Die Tendenz zu einem sich selbst nährenden Prozeß der elektrotechnischen Produktion innerhalb eines Industrialisierungsprozesses . . . 194 I. Die sachliche Komponente

194

I I . Die räumliche Komponente

200

B. Die Rückwirkungen auf das Größenwachstum der elektrotechnischen Unternehmen 205 I. Die Bedingungen des M a r k t z u t r i t t s I I . Die Größenstruktur der Unternehmen

205 207

C. Die Möglichkeiten u n d Grenzen von Unternehmenszusammenschlüssen i n der Elektroindustrie 211 I. „Unternehmergeschäfte" als Ausgangspunkte der Konzentrationserscheinungen i n der Elektroindustrie Deutschlands 211 I I . Die Tendenzen zur Konzernbildung i n der Elektroindustrie

216

1. Das Gebot vertikaler Konzernierung i n der Elektroindustrie 216 2. Die Bedeutung horizontaler Konzernierung f ü r den E n t w i c k lungsprozeß der Elektroindustrie 220 I I I . Die Kartellierungsfähigkeit der Elektroindustrie

222

1. Voraussetzungen zur Konstituierung u n d Aufrechterhaltung von K a r t e l l e n 223 a) Sachliche Voraussetzungen wirksamer K a r t e l l e u n d ihre Bedeutung i n der Elektroindustrie 224 b) Die Eigenart der K a r t e l l d y n a m i k i n der Elektroindustrie . 226 2. Formen der Kartelle i n der Elektroindustrie

228

Inhaltsverzeichnis § 5 Entwicklungschancen der Elektroindustrie sierung unterentwickelter Länder

im Rahmen der

Industriali-

230

A. Unterschiede i n den Ausgangsbedingungen f ü r die Elektroindustrie zwischen gegenwärtig entwickelten u n d unterentwickelten Ländern 231 I. Unterschiede i m Stande der wirtschaftlichen Daten

231

I I . Unterschiede i m Stande des Wissens von Naturwissenschaften u n d Technik 235 B. Vorteile, Grenzen u n d Möglichkeiten der Einführung einer elektrotechnischen Produktion i n den Industrialisierungsprozeß der E n t wicklungsländer 237 I. Rückwirkungen der Gestaltungskraft aus Fortschrittseffekten auf die inländischen elektrotechnischen Investitionen 237 I I . Die Rolle der entwickelten Länder bei der Einführung der elektrotechnischen Produktion i n den Entwicklungsländern 240

Drittes Kapitel: Schluß

242

Anhang

245

Literaturverzeichnis

257

Sachwortverzeichnis

279

Abkürzungsverzeichnis AEG ÄER BASF BRD

= = = =

Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft The American Economic Review Badische A n i l i n - u n d Sodafabrik Bundesrepublik Deutschland

CJEPS DBP DDVw DM dz EBM EMI ETZ FAZ F & E GE HdSW JbfNuSt JbfSw JEH JPE IBM kWh kW Mill. Mk m/min Mrd. MVA NBER N. F. NSF NTSC OECD o. J. o. O. o. O. u. J. o. V.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

The Canadian Journal of Economics and Political Science Deutsche Bundespatente Der Deutsche V o l k s w i r t Deutsche M a r k Doppelzentner Eisen - Blech - Metallwaren Electric & Musical Industries Ltd. Elektrotechnische Zeitschrift Frankfurter Allgemeine Zeitung Forschung u n d Entwicklung General Electric Corporation Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Jahrbuch für Nationalökonomie u n d Statistik Jahrbuch f ü r Sozialwissenschaft The Journal of Economic History The Journal of Political Economy International Business Machines Corporation Kilowatt-Stunden Kilowatt Millionen Mark Meter pro M i n u t e Milliarden Megavoltampdre National Bureau of Economic Research Neue Folge National Science Foundation National Television System Committee Organization for Economic Cooperation and Development ohne Jahresangabe ohne Ortsangabe ohne Orts- u n d Jahresangabe ohne Verfasser

Abkürzungsverzeichnis PAL QJE R&D RCA RES RM SchdVfSP SchmJbfGVW SECAM S& H SSW USA v. H. Vol. VW VzW WuSt WWA ZfdgStw ZfN ZVEI

= = = = = = = = = = = =

= = = = = = = = ==

Phase A l t e r n a t i o n Line Quarterly Journal of Economics Research and Development Radio Corporation of America Review of Economic Studies Reichsmark Schriftenreihe des Vereins f ü r Socialpolitik Schmollers Jahrbuch f ü r Gesetzgebung u n d V e r w a l t u n g Séquentielle à mémoire Siemens & Halske Siemens-Schuckert-Werke United States of America von Hundert Volume Der V o l k s w i r t Vierteljahreshef te zur Wirtschaftsforschung Wirtschaft u n d Statistik Weltwirtschaftliches Archiv Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift f ü r Nationalökonomie Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie e. V.

Erstes

Kapitel

Einleitung § 1 Begriffsbestimmungen A. Elektroindustrie, Elektrizitätswirtschaft und Elektrowirtschaft Die Begriffsabgrenzungen i n denjenigen Bereichen der volkswirtschaftlichen Produktion, die sich die Bereitstellung und Nutzbarmachung der elektrischen Energie i n ihren vielseitigen Anwendungsformen zur Aufgabe gemacht haben, sind lange Zeit unklar und nicht einheitlich gewesen. Begriffe wie „Elektrizitätsindustrie", „elektrotechnische Industrie", „Elektroindustrie" sind häufig i n der älteren Literatur synonym, aber auch m i t sachlich unterschiedlichen Inhalten anzutreffen. Daneben bestehen noch die Begriffe der „Elektrizitätswirtschaft" und „Elektrowirtschaft". Die Ursache für die Begriffsvielfalt und die daraus resultierenden begrifflichen Verwirrungen liegt in der Eigenart der Produktion auf dem Elektrizitätssektor. Sie besteht auf der einen Seite i n der Funktion der Bereitstellung , also der Erzeugung und Verteilung der elektrischen Energie, und auf der anderen Seite i n der Funktion der Herstellung von Anlagen, Maschinen und Geräten, die die Erzeugung, Umwandlung, Verteilung und Anwendung der elektrischen Energie überhaupt ermöglichen. Da beide Funktionen zunächst zusammen i n den Händen der ersten großen elektrotechnischen Produktionsunternehmen lagen und erst i m Laufe der Entwicklung, die die Gefahr der Bildung großer Elektromonopole entstehen ließ, eine scharfe Trennung nach Elektrizitätserzeugungs- (heute: -versorgungs-)unternehmen und anlagen-, maschinen- und geräteherstellende (heute: elektrotechnische) Produktionsunternehmen erfolgte 1 , bildeten sich Begriffe heraus, die von den einen 1 So beherrschte z. B. i n Deutschland 1913 allein die AEG, als ein bedeutendes elektrotechnisches Produktionsunternehmen zugleich 26 v. H. der E l e k t r i zitätsversorgung; vgl. hierzu u n d zur Herausbildung zweier selbständiger Gewerbezweige — Elektrizitätswirtschaft u n d elektrotechnische Industrie — Scheerer, Paul: Die Bedeutung der elektrischen Energie für das Wirtschaftsleben, Diss. Heidelberg 1929, S. 16 ff.

16

§ 1 Begriffsbestimmungen

als O b e r b e g r i f f v e r w e n d e t , v o n a n d e r e n stattdessen e n t w e d e r z u r B e zeichnung des e i n e n oder a n d e r e n S e k t o r s herangezogen w u r d e n . K r e l l e r w i e s bereits 1903 d e u t l i c h a u f die u n t e r s c h i e d l i c h e n F u n k t i o n e n beider S p a r t e n h i n u n d erfaßte f o l g e r i c h t i g u n t e r d e m B e g r i f f „ e l e k t r o technische I n d u s t r i e " n u r die g e r ä t e h e r s t e l l e n d e I n d u s t r i e . A u s d r ü c k l i c h grenzte er h i e r v o n d e n B e t r i e b v o n e l e k t r i s c h e n Z e n t r a l s t a t i o n e n oder B a h n e n ab 2 . N e b e n diesem k l a r d e f i n i e r t e n B e g r i f f d e r „ e l e k t r o t e c h nischen I n d u s t r i e " w u r d e a l l e r d i n g s der der „ E l e k t r i z i t ä t s i n d u s t r i e " m i t gleichem sachlichen I n h a l t v e r w e n d e t 3 . D e r l e t z t g e n a n n t e A u s d r u c k ist daneben aber auch z u r B e z e i c h n u n g d e r e l e k t r i z i t ä t s e r z e u g e n d e n I n d u s t r i e (also der E l e k t r i z i t ä t s w i r t s c h a f t ) b e n u t z t w o r d e n 4 u n d g l e i c h z e i t i g auch als O b e r b e g r i f f ü b e r die b e i d e n sich v e r s e l b s t ä n d i g e n d e n Teilbereiche 5 . I n dieser B e d e u t u n g ist w i e d e r u m auch d e r B e g r i f f „ E l e k t r o i n d u s t r i e " i n der ä l t e r e n L i t e r a t u r a n z u t r e f f e n 6 . I n A n l e h n u n g a n d e n h e u t i g e n Sprachgebrauch i n P r a x i s u n d L i t e r a t u r soll i m f o l g e n d e n u n t e r der „ e l e k t r o t e c h n i s c h e n I n d u s t r i e " oder, i n der K u r z f o r m , der „ E l e k t r o i n d u s t r i e " , j e n e r P r o d u k t i o n s s e k t o r d e r V o l k s w i r t s c h a f t v e r s t a n d e n w e r d e n , d e m die E r s t e l l u n g oder B e a r b e i t u n g a l l e r G ü t e r oder L e i s t u n g e n o b l i e g t , d i e der E r z e u g u n g , U m w a n d l u n g , V e r t e i l u n g oder A n w e n d u n g d e r e l e k t r i s c h e n E n e r g i e i m p r o d u k t i v e n w i e i m k o n s u m t i v e n B e r e i c h der V o l k s w i r t s c h a f t d i e n e n 7 . H i e r i n e i n bezogen s i n d R e p a r a t u r e n , L o h n v e r e d e l u n g s a r b e i t e n u n d M o n t a g e n n u r i n d e m U m f a n g , i n d e m sie v o n d e n e l e k t r o t e c h n i s c h e n I n d u s t r i e b e t r i e b e n d u r c h g e f ü h r t oder v e r a n l a ß t w e r d e n u n d G e g e n s t a n d d e r W a r e n k l a s s e n der E l e k t r o i n d u s t r i e gemäß d e m systematischen W a r e n v e r z e i c h n i s f ü r die I n d u s t r i e s t a t i s t i k ( i n d e r B R D ) s i n d 8 . H i e r v o n abzugrenzen ist d e r B e g r i f f der „ E l e k t r i z i t ä t s W i r t s c h a f t " , u n t e r d e m der E r w e r b , die E r s c h l i e ß u n g , der A u s b a u u n d d e r B e t r i e b v o n K r a f t q u e l l e n z u r E r z e u g u n g v o n e l e k t r i s c h e r E n e r g i e s o w i e die V e r 2

Vgl. Kreller, E m i l : Die Entwicklung der deutschen elektrotechnischen I n dustrie, Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, Bd. I I , Heft 3, Leipzig 1903, S. 2 und S. 31 f. 3 Vgl. z. B. Noether, Erich: Vertrustung und Monopolfrage i n der deutschen Elektrizitätsindustrie, Diss. Heidelberg 1912, S. 13. 4 Vgl. z. B. Gapinski, F e l i x : Die Stellung der deutschen Elektroindustrie i n nerhalb der internationalen Elektrowirtschaft i n der Gegenwart, Diss. K ö l n , Berlin 1931, S. 7 ff. u n d S. 24 f. 5 Vgl. z.B. Levy, Ernst-Moritz: Studien über S t r u k t u r u n d Bedeutung der elektrotechnischen Spezialindustrie, Leipzig 1933, S. 2. 6 Vgl. Eißfeldt, Gottfried: Die K a r t e l l i e r u n g der deutschen Elektroindustrie, Berlin 1928, S. 2. 7 Vgl. Huppert, Walter: Elektroindustrie, i n HdSW, 3. Bd., Stuttgart - T ü b i n gen - Göttingen 1961, S. 189. 8 Vgl. Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Systematisches Warenverzeichnis für die Industriestatistik, Ausgabe 1967, Stuttgart - Mainz 1967, S. 161—193.

B. Prozeß der Industrialisierung

17

teilung der gewonnenen Energie verstanden werden soll. Darunter fallen alle Erzeugungs- und Verteilungsstätten, die an der Versorgung der Volkswirtschaft mit elektrischer Energie beteiligt sind 9 . Als Oberbegriff für alle Produktions- und Handelssparten auf dem Gebiet der Elektrizität hat sich der der „ElektroWirtschaft" herausgebildet. Dieser umfaßt neben der Elektroindustrie und Elektrizitätswirtschaft auch den Elektrohandel und das Elektrohandwerk 1 0 .

B. Prozeß der Industrialisierung Die vorindustrielle Gesellschaft ist i m allgemeinen durch ein rein landwirtschaftlich und gewerblich orientiertes Produktionssystem gekennzeichnet. M i t dem Begriff „Industrialisierung" w i r d der Übergang der gewerblichen Güterproduktion der vorindustriellen Gesellschaft, i n deren Mittelpunkt der Betrieb m i t handwerklicher Fertigungstechnik steht, zur industriellen Produktionsform bezeichnet. Diese ist durch die zentralisierte, mechanisierte und arbeitsteilige Unternehmung i n der Form der Fabrik bzw. des Industriebetriebes charakterisiert 11 . Der Industrialisierung ist die Tendenz zu einer immer stärkeren Ausweitung des Industriesystems zu Lasten von Landwirtschaft und Handwerk immanent 1 2 . Die ökonomische Zielsetzung der Industrialisierung liegt i n einer nachhaltigen Erhöhung des realen Pro-Kopf-Einkommens 1 3 und der Aufhebung der Gesetzmäßigkeiten, die das Malthusianische Armutsgleichgewicht beschreibt 14 . Dabei bewirkt die Industrialisierung, d. h. das Wachsen des 9 Zur Frage des allgemeinen Sprachgebrauchs u n d der Abgrenzung zwischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen u n d industriellen „Eigenerzeugungsanlagen", vgl. Wessels, Theodor: Elektrizitätswirtschaft, i n : HdSW, 3. Bd., S t u t t gart - Tübingen - Göttingen 1961, S. 184 f. 10 Vgl. Trute, H.: 50 Jahre deutsche Elektrowirtschaft, i n : Elektro-Post, 4. Jg. (1951), Nr. 2, S. 9—11, S. 10. 11 Vgl. Braun, Heinrich: Industrialisierung u n d Sozialpolitik i n Deutschland, i n : Schriften des deutschen Vereins für öffentliche u n d private Fürsorge, hrsg. i m Auftrage des Vereins von dem Vorsitzenden Professor Dr. Hans Muthesius, K ö l n - B e r l i n 1956, S. 14. 12 Vgl. Hoff mann, Walther G.: Industrialisierung (I) Typen des industriellen Wachstums, i n : HdSW, 5. Bd., Stuttgart - Tübingen - Göttingen 1956, S. 224—230 (im folgenden zitiert als: Hoff mann, Walther G.: Industrialisierung), S. 224. 13 Vgl. Hoff mann, Walther G.: Industrialisierung, S. 225. 14 Nach Malthus 1798 erstmals veröffentlichter Bevölkerungslehre hat die Bevölkerung die Tendenz, sich schneller zu vermehren (geometrisch) als die Ernährungsgrundlage sich ausweiten k a n n (arithmetisch); Malthus, T. R.: A n Essay on the Principle of Population, Vol. I, 6. Ed., London 1926, S. 6 ff. Solange die Arbeiter, deren Einkommen i m Verhältnis der Zunahme des Kapitalfonds wächst, der zu ihrer Entlohnung zur Verfügung steht, nicht f ü r eine freiwillige

2

Schulz-Hanßen

18

§ 1 Begriffsbestimmungen

Industriesektors, nach Mackenroth 1 5 „zunächst eine reine Absaugung einer aus organisatorischem Fortschritt freigesetzten Agrarbevölkerung", die dazu beiträgt, den gewerblichen Konsum zu steigern. Damit werden aber noch nicht die Ernährungsgrundlagen erweitert, die notwendige Voraussetzung einer Bevölkerungsvermehrung ohne sinkendes ProKopf-Einkommen sind. Eine Ausweitung des Lebensraumes t r i t t erst dann ein, wenn der i m industriellen Sektor erzeugte technische Fortschritt die landwirtschaftliche Produktivität genügend groß erhöht. Dann erst ist Industrialisierung „potentiell i n Bevölkerungsvermehrung umsetzbar" 16 . Unter dem Prozeß der Industrialisierung w i r d die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft verstanden, i n der langfristig der Produktionsfaktor Kapital i n Form von Maschinen und maschinellen A n lagen m i t dem Ziel der Verwirklichung des technischen Fortschritts stärker zunimmt als der Einsatz von Boden und Arbeitskräften 1 7 . Z u seinen Begleiterscheinungen gehört eine weitgehende Änderung der W i r t schafts- und Sozialordnung. Die Wirtschaftsordnung w i r d durch die Entstehung des Industriesektors, der auch als „sekundärer" 1 8 Wirtschaftssektor bezeichnet wird, verändert. Damit verbunden sind nicht nur permanente Rationalisierungs- und Mechanisierungsprozesse i n allen Bereichen der Wirtschaft, sondern zugleich auch eine zunehmende Urbanisierung, der ständige Ausbau und die Verbesserung des Verkehrssystems und eine Konzentration der Bevölkerung u m die Produktionszentren 10 . Dieser Prozeß bedingt zugleich eine tiefgreifende Änderung des Erlebnishorizontes m i t unmittelbaren Auswirkungen auf die Gefühlsstrukturen und die Bewußtseinsbildung beim einzelnen Menschen, i n dessen Folge eine Änderung der Sozialordnung unausbleiblich ist. A u f den Verlauf des Industrialisierungsprozesses w i r k t daneben noch eine Fülle von aktiven und passiven Prozeßreglern ein 2 0 , die i h n gestalten. Selbstbeschränkung ihrer Z a h l sorgen, können sie keine Erhöhung ihrer L e benshaltung auch bei ständig steigendem Einkommen erwarten; Malthus, T. R.: Principles of Political Economy, 2. Ed., London 1936 (im folgenden zitiert als: Malthus, T. R.: Principles), S. 224 ff. 15 Mackenroth, Gerhard: Bevölkerungslehre, Theorie, Soziologie u n d Statistik der Bevölkerung, B e r l i n - Göttingen - Heidelberg 1953, S. 442 ff. 16 Mackenroth, Gerhard, a.a.O., S. 445. 17 Vgl. Klatt, Sigurd: Z u r Theorie der Industrialisierung, Untersuchungen zur Volkswirtschaftspolitik, Bd. 1, Hrsg. F r i t z Voigt, K ö l n - Opladen 1959 (im folgenden zitiert als: Klatt, Sigurd: Z u r Theorie), S. 20 ff. u n d 55. 18 Fourastié, Jean: Die große Hoffnung des Zwanzigsten Jahrhunderts, K ö l n Deutz 1954, 3. A u f l . ; Clark, Colin: The conditions of economic progress, 3. Aufl., London 1957. 19 Vgl. Boesch, Ernst: Industrialisierung u n d sozialer Wandel i n E n t w i c k lungsländern, i n : Probleme der Entwicklungshilfe. Eine Sendereihe des N o r d deutschen Rundfunks, Schriftenreihe der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hannover 1963 S. 9 18 S. 11. 20 Vgl. Klatt, Sigurd: Z u r Theorie, S. 62 ff.

§ 2 Aufgabe und Gang der Untersuchung

19

Die den Prozeß der Industrialisierung maßgeblich antreibenden I m pulse sind das Bevölkerungswachstum und der technische Fortschritt 2 1 . Voigt weist darüber hinaus noch auf die Bedeutung der Geldschöpfung 22 und des Verkehrssystems 23 hin. Herausragendes ökonomisches Merkmal des Industrialisierungsprozesses ist der anhaltende Prozeß der ständig zunehmenden Sachkapitalbildung, der laufend wachsende, einkommenund kapazitätserzeugende Investitionen bedingt, über die i m wesentlichen die technischen Fortschritte verwirklicht werden.

§ 2 Aufgabe und Gang der Untersuchung Die Beurteilung der Stellung eines Industriezweiges i m Industrialisierungsprozeß bietet zwei Aspekte. Der eine, nach außen gerichtete, bet r i f f t die Gestaltungskräfte, die er auf den Industrialisierungsprozeß ausübt, der andere, nach innen gerichtete, sein strukturelles Gefüge als Teil des gesamtindustriellen Produktionsapparates. I n der vorliegenden Untersuchung über die Stellung der Elektroindustrie i m Industrialisierungsprozeß werden beide Seiten des Problems beleuchtet. Dabei beschränkt sich die Untersuchung auf vorwiegend marktwirtschaftlich orientierte Entwicklungsprozesse i n hoch- und weniger entwickelten Volkswirtschaften. Die weltweit gültigen besonderen Entwicklungsbedingungen der Elektroindustrie und die diesem Industriezweig innewohnende Entwicklungsdynamik lassen aber kaum Zweifel daran aufkommen, daß die grundsätzlichen Aussagen der vorliegenden Untersuchung auch auf I n dustrialisierungsprozesse i n anderen Wirtschaftssystemen zutreffen. Diese Aussage kann nicht zuletzt durch die Untersuchungsergebnisse Chenery's gestützt werden, der i m Prinzip eine weitgehende Gleichartigkeit der Abläufe von industriellen Entwicklungsprozessen über bestehende Unterschiede i n den Wirtschaftssystemen hinweg aufgezeigt hat 1 . Die Gestaltungskraft eines Industriezweiges w i r d durch seine A u f gabenstellung bestimmt. Eine quantitative Darstellung seiner Entwicklung i m Industrialisierungsprozeß i n der Form von Zeitreihen — etwa über Umsatz-, Beschäftigten-, Wertschöpfungs- oder Bruttoinvestitions11

Vgl. Klatt, Sigurd: Z u r Theorie, S. 93 ff. Vgl. Voigt, F r i t z : Der volkswirtschaftliche Sparprozeß, B e r l i n 1950, S. 174 ff. u n d 293 f.; ders.: Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verkehrssystems, B e r l i n 1960 (im folgenden zitiert als: Voigt, F r i t z : Die volkswirtschaftliche Bedeutung), S. 150 ff. 28 Vgl. Voigt, F r i t z : Die volkswirtschaftliche Bedeutung, S. 65 ff. 1 Vgl. Chenery, Hollis B.: The Process of Industrialization, Cambridge/Mass. 1965. 22



20

§ 2 Aufgabe und Gang der Untersuchung

entwicklungen — ist daher nur begrenzt aussagefähig. Diese vermögen zwar i m interindustriellen Vergleich bedeutsamen Aufschluß über den Grad der Entwicklungsdynamik eines Industriezweiges zu gewähren, können aber über die Kräfte, die seine Entwicklung veranlassen, nichts aussagen. Ausschlaggebend für die Beurteilung des Beitrages eines Industriezweiges zum Industrialisierungsprozeß ist die qualitative Analyse seiner Gestaltungskräfte, die sich aus der Aufgabenstellung herleiten und dem Industriezweig seine Spezifikation i m Entwicklungsprozeß verleihen. Nur m i t ihrer Hilfe kann eine vollständige Aussage über die Bedeutung eines Industriezweiges i m Prozeßablauf gemacht werden, die — wie langfristige Untersuchungen historischer Entwicklungsprozesse zeigen — Wandlungen unterworfen sein kann 2 . Definitionsgemäß stellt der Industrialisierungsprozeß einen langfristigen wirtschaftlichen Wachstumsprozeß dar, der durch einen stets zunehmenden und i m Verhältnis zu den übrigen Produktionsfaktoren verstärkten Einsatz von Sachkapital zur Verwirklichung von technischen Fortschritten genährt wird. Die Möglichkeit, auf den Prozeß gestaltend einzuwirken, ist demnach für einen Industriezweig über seinen individuellen Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Investitionsprozeß gegeben. Der gesamtwirtschaftliche Investitionsprozeß kann auf zweierlei Weise von einem einzelnen Industriezweig beeinflußt werden: einmal über das Ausmaß seiner eigenen Investitionstätigkeit. Hier w i r k t ein Industriezweig über die allgemeinen Investitionseffekte gestaltend auf den I n dustrialisierungsprozeß ein; es liegen also Gestaltungskräfte aus allgemeinen Investitionseffekten vor. Zum anderen kann er Einfluß ausüben über seinen schöpferischen, aktiven Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt, den jeder Industriezweig über seine Produkte zu realisieren sich bemüht. Hier kann er gestaltend über seine Produkte auf den Industrialisierungsprozeß einwirken, indem er i n anderen Be2 So wies W. G. Hoffmann i n einer quantitativen Analyse historischer E n t wicklungsprozesse nach, daß sich die industrielle Produktionsstruktur i m V e r lauf des Industrialisierungsprozesses einheitlich aufgrund eines kontinuierlichen Wachstums des Anteils der K a p i t a l g u t p r o d u k t i o n am industriellen Gesamtprodukt verändert, die Kapitalgutindustrien gegenüber den K o n s u m güterindustrien also s t r u k t u r e l l vordringen; Hoff mann, Walther G.: Stadien u n d Typen der Industrialisierung. E i n Beitrag zur quantitativen Analyse historischer Wirtschaftsprozesse, Jena 1931 (im folgenden zitiert als: Ho ff mann, Walther G.: Stadien u n d Typen), S. 165. Auch Rostow zeigt Tendenzen i n der säkularen Produktionsverteilung auf, nach denen i m Prozeßablauf ehemals führende Industriezweige aus ihrer Posit i o n durch andere verdrängt werden. I n England n a h m z.B. zunächst die Baumwollindustrie die Rolle des Wachstumsträgers ein, etwa i n der Zeit von 1780—1840. Dann folgte die Roheisenherstellung als Folge der Nachfrage nach Schienen bis i n die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Gegen 1880 führte die Stahlindustrie u n d danach die chemische u n d die elektrizität- u n d elektrogeräteherstellende Industrie; Rostow, W. W.: Tendenzen der Produktionsmittelverteilung i m säkularen Wachstum, i n : ZfN, Bd. X V (1956), S. 73—80, S. 74 ff.

§ 2 Aufgabe und Gang der Untersuchung reichen der volkswirtschaftlichen Produktion Investitionen stimuliert und induziert, oder zu einem höheren Grad der Bedürfnisbefriedigung beiträgt. Derartige Gestaltungskräfte resultieren aus den Fortschrittseffekten seiner Produkte. Eine Bewertung des Beitrages eines Industriezweiges zum Industrialisierungsprozeß, die erst eine Aussage über seine Bedeutung i m Verlauf des Prozesses erlaubt, muß daher von einer Analyse beider Komponenten der Gestaltungskräfte ausgehen. U m die Wirkungsmöglichkeit der ersten Komponente, der Investitionseffekte eines Industriezweiges, i m Industrialisierungsprozeß beurteilen zu können, bedarf es einer Analyse der allgemeinen Investitionseffekte und Investitionsdeterminanten i n wirtschaftlichen Wachstumsprozessen. Zur Beurteilung der auf die Gestaltung anderer Produktions- und Konsumtionsprozesse wirkenden Komponente, der Fortschrittseffekte eines Industriezweiges, bedarf es einer Untersuchung der Rolle des technischen Fortschritts i m Industrialisierungsprozeß und der Möglichkeit zur Bestimmung des Anteils, der auf einen einzelnen Industriezweig i m Erzeugungsprozeß des gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritts entfällt. Ausgehend von einer ersten Konkretisierung des Untersuchungsobjektes i n Form einer rein statistischen Darstellung der Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie i m Spiegel der Entwicklung der bedeutendsten Industriezweige und des gesamtindustriellen Wachstumsverlaufes, sind zunächst die Determinanten der Gestaltungskräfte eines Industriezweiges i n ihrer Bedeutung für den Industrialisierungsprozeß zu untersuchen, und Indikatoren abzuleiten, die Aussagen über die Stellung eines einzelnen Industriezweiges i m jeweiligen Verlauf eines Industrialisierungsprozesses ermöglichen. Diese allgemein für alle Industriezweige gültigen Erörterungen sind erforderlich, u m i m Rahmen einer interindustriellen Untersuchung m i t Hilfe vergleichender Aussagen die Stellung eines einzelnen Industriezweiges auch i n qualitativer Hinsicht ausreichend evident zu machen. Eine sich anschließende Beurteilung an Hand des erarbeiteten I n strumentariums hebt die von ihren Investitions- und Fortschrittseffekten ausgelöste Bedeutung und damit die Stellung der Elektroindustrie i m Industrialisierungsprozeß hervor. Die aus den Beiträgen der Elektroindustrie zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt sich ergebenden Rückwirkungen auf das strukturelle Gefüge dieses Industriezweiges selbst stellen korrespondierende, nach „innen" gerichtete Überlegungen i n der Beurteilung der Stellung der Elektroindustrie dar. Dieser Abschnitt gibt Aufschluß über die Kräfte, die den institutionellen Rahmen dieses Industriezweiges geprägt haben. Anschließend sind Entwicklungsmöglichkeiten und -grenzen der Elektroindustrie i n der industriellen Entwicklung wirtschaftlich unterentwickelter Länder aufzuzeigen.

Zweites

Kapitel

Hauptteil § 1 Die Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie im bisherigen Verlauf des Industrialisierungsprozesses Ein erster Anhaltspunkt über die Bedeutung eines einzelnen Industriezweiges i m Rahmen des Industrialisierungsprozesses kann m i t Hilfe von statistischen Zeitreihen gewonnen werden, die strukturelle Veränderungen i m Industriegefüge einer Volkswirtschaft wiedergeben. Solche Zeitreihen spiegeln zwar lediglich das Ergebnis der wirksamen Produktivkräfte eines industriellen Entwicklungsprozesses wider, ohne über die sie bedingenden Quellen selbst etwas auszusagen. Sie vermögen aber Aufschluß über die Entwicklungsdynamik von Industriezweigen zu geben, wenn es gelingt, wichtige aber relativ einfach feststellbare Daten des Prozeßablaufs über längere Perioden i n einem interindustriellen Vergleich zu erfassen. Als solche Maßgrößen eignen sich vor allem Angaben über die Zahl der i n den einzelnen Industriezweigen beschäftigten Personen und Angaben über die Wertschöpfung. Aus Gründen der Begrenzung des Zahlenmaterials soll eine nach Industriezweigen detaillierte Untersuchung nur für die Verhältnisse i n Deutschland vorgenommen werden. Für die Kennzeichnung der internationalen Entwicklung genügt die Aufzeichnung von Produktionsindices.

A. Die Entwicklung der Elektroindustrie im interindustriellen Vergleich in Deutschland I. Die strukturelle Entwicklung der Elektroindustrie nach Beschäftigten Amtliche Statistiken, aus denen der Wachstumsverlauf der Elektroindustrie i m Rahmen der Industriestruktur i n Deutschland bis nahe dem Zeitpunkt ihrer Entstehung zurückverfolgt werden kann, liegen

A. Die Elektroindustrie im interindustriellen Vergleich

23

nur vor über die Zahl der i n i h r beschäftigten Personen 1 . Eine vergleichende Übersicht der Ergebnisse der gewerblichen Betriebszählungen nach Betrieben und beschäftigten Personen von 1875 bis 1933 wurde vom Statistischen Reichsamt erstellt 2 . Durch Anpassung der Ergebnisse der nicht landwirtschaftlichen Arbeitsstättenzählung i n der BRD und i n Westberlin vom Jahre 1950 an die Gewerbesystematik der Betriebszählung des Jahres 19333 konnte eine i n sich weitgehend vergleichbare Zeitreihe (s. Tabelle I Anhang) über die Beschäftigten nach den einzelnen Gewerbegruppen i n Industrie und Handwerk über einen Zeitraum von 75 Jahren (1875—1950) aufgebaut werden. Die sich i m Zuge dieses A b schnittes der industriellen Entwicklung herausbildenden Trends i n den Entwicklungsverläufen der 1950 bedeutendsten Industriezweige sind i n Abbildung 1 wiedergegeben. Unter den heute bedeutenden Industriezweigen ist die Elektroindustrie der jüngste. Gemessen an der Zahl der i n der Elektroindustrie beschäftigten Personen setzte eine i m Rahmen des Industrialisierungsprozesses starke Expansion i n der Zeit zwischen 1882 und 1895 ein. Während bis 1907 noch keine nennenswerte Quote an der Zahl der Beschäftigten i n der gesamten Industrie und dem Handwerk von der Elektroindustrie erreicht werden konnte, lag i h r A n t e i l 1925 bereits bei 4,0 v. H. I m Verlauf des sich daran anschließenden allgemeinen Wirtschaftsaufschwungs erfolgte eine stetige Vergrößerung des Anteils der Elektroindustrie an 1 Sie w u r d e n v o m Statistischen Reichsamt i m Rahmen der allgemeinen gewerblichen Betriebszählungen, die die Beobachtungen von Entwicklungen u n d Wandlungen der Wirtschaftsstruktur zur Aufgabe hatten, anläßlich der Volks-, Berufs- u n d Betriebszählungen der Jahre 1875, 1882, 1895, 1907, 1925 u n d 1933 offiziell erhoben. Allerdings ist der den Betriebszählungen zugrunde gelegte Begriff der elektrotechnischen Industrie weiter gefaßt. Es sind hierunter alle Betriebe des elektrotechnischen Gewerbes, also auch Handwerksbetriebe, insbesondere Installations- u n d Reparaturwerkstätten sowie die Büros der elektrotechnischen Industrie subsumiert. Dadurch ist eine exakte statistische D a r stellung des Entwicklungsverlaufs der Elektroindustrie i m engeren Sinne, w i e sie definitionsgemäß den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet, nur annäherungsweise möglich. Da die Entfaltung dieses komplexen Gewerbezweiges als Voraussetzung die E n t w i c k l u n g der Elektroindustrie i m eigentlichen engeren Sinne hat, k a n n der Trend der E n t w i c k l u n g der gesamten Branche auch als typisch f ü r die Entfaltung der Elektroindustrie i. e. S. angenommen werden. Die Richtigkeit dieser Annahme w i r d durch den E n t w i c k lungsstand u n d - v e r l a u f der Elektroindustrie i m eigentlichen engeren Sinne ab 1950 bestätigt. V o n diesem Zeitpunkt an stehen amtliche Zahlenangaben f ü r die Industrie zur Verfügung (vgl. Abb. 1 u n d 2). 2 Vgl. o. V.: Statistik des Deutschen Reichs, B d . 466, Volks-, Berufs- u n d Betriebszählung v o m 16. J u n i 1933. Gewerbliche Betriebszählung, Das Gewerbe i m Deutschen Reich, Textband, hrsg. v o m Statistischen Reichsamt, B e r l i n 1937, S. 157. 3 Vgl. o. V.: Statistik der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 44—47 (Die nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten i n der Bundesrepublik Deutschland nach der Zählung v o m 13.9.1950), Hrsg. Statistisches Bundesamt Wiesbaden, S t u t t gart - K ö l n 1952—1958 (im folgenden zitiert als: o. V.: Statistik der Bundesrepub l i k Deutschland, Bd. 44—47), Bd. 44, S. 43 ff.

24

§ 1 Die Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie Abbildung

1

Die Entwicklung der Anteile der Beschäftigten an den Stichtagen der jeweiligen Volks-, Berufs- und Gewerbezählungen bzw. Arbeitsstättenzählungen der 1950 zehn größten Gewerbegruppen in Zusammenfassung nach der Systematik der Gewerbeordnung von 1933 (Volks-, Berufs- und Betriebszählung) an den insgesamt in Industrie und Handwerk Beschäftigten (ohne Energiewirtschaft, Bau- und Dienstleistungsgewerbe) von 1875 bis 1950 in Deutschland in jeweiligen Grenzen

I' I

XX

Quelle: Tabelle I, Anhang.

A. Die Elektroindustrie im interindustriellen Vergleich Abbildung

25

2

Die Entwicklung der Anteile der Beschäftigten im Jahresdurchschnitt der zehn größten Industriezweige an den Gesamtbeschäftigten der Industrie (ohne Energiewirtschaft und Bauindustrie) in der BRD (bis 1955 ohne Saar) einschließlich Westberlin von 1950 bis 1965 (nach beteiligten Industriegruppen)

Quelle: Tabelle I I , Anhang.

26

§ 1 Die Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie

der Gesamtzahl der i n Industrie und Handwerk beschäftigten Personen. Amtlich vergleichbare Zahlen stehen für den Zeitraum bis 1950 nicht zur Verfügung. Dem Industriezensus von 1936, der unter nicht unmittelbar vergleichbaren Gesichtspunkten erstellt worden ist (andere Erhebungseinheit, i m wesentlichen nur Betriebe m i t 5 beschäftigten Personen und darüber) kann entnommen werden, daß der A n t e i l der Elektroindustrie 1936 schon bei annähernd 4,5 v. H. der gesamten Industrie (ohne Bau- und Baunebengewerbe, sowie Energieversorgungsbetriebe) lag 4 . Bis 1944 hat sich die absolute Zahl der i n der Elektroindustrie beschäftigten Personen nochmals verdoppelt auf etwa 600 000 i m Altreich 6 . Das läßt auf eine weitere Erhöhung der Quote schließen. I m Rahmen der Arbeitsstättenzählung 19506 konnte für die Elektroindustrie ein innerhalb der hier angestellten Zeitreihenbetrachtung vergleichbarer Wert von 6 v. H. ermittelt werden. Folgende Übersicht spiegelt die Entwicklungsdynamik, wie sie i n der Statistik bis 1950 ihren Niederschlag findet, wider. Beschäftigte in Industrie und Handwerk in Deutschland von 1875—1950 (jeweiliger Gebietsstand)

u Jahr

1875 1882 1895 1907 1925 1933 1950

Industrie und Handwerks) insgesamt i n 1000

Zuwachs i n v. H. gegenüber Vorzeile

Elektroindustrie und -handwerk insgesamt i n 1000

Zuwachs i n v. H. gegenüber Vorzeile

Anteil i n v. H. (3) an (1)

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

1 2 24 117 448 252 454

+ 57 + 1237 + 380 + 285 — 44 + 81

0,0 0,0 0,4 1,4 4,0 3,3 6,0

4 786 5 230 6 642 8177 11 108 7 551 7 637

+ + + + — +

9 27 23 36 32 1

a) Ohne Energiewirtschaft, Bau- und Dienstleistungsgewerbe. Quelle: Tabelle I, Anhang.

Das ständige strukturelle Vordringen der Elektroindustrie i m Rahmen der industriellen Nachkriegsentwicklung sei an Hand einer aus Tabelle I I , Anhang, zusammengestellten Übersicht verdeutlicht. 4 Vgl. o. V.: Die Deutsche Industrie, Gesamtergebnisse der amtlichen Produktionsstatistik, i n : Schriftenreihe des Reichsamts für Wehrwirtschaftliche Planung, Heft 1, B e r l i n 1939 (im folgenden zitiert als: o. V.: Die Deutsche I n d u strie), S. 58. 5 Vgl. o. V.: Statistisches Handbuch von Deutschland 1928—1944, hrsg. v o m Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebietes, München 1949 (im folgenden zitiert als: o. V.- Statistisches Handbuch von Deutschland 1928—1944), S. 302. 6 Vgl. o. V.: Statistik der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 44—47, S. 5 ff.

27

A. Die Elektroindustrie im interindustriellen Vergleich Beschäftigte der Industrie in der BRD (bis 1955 ohne Saarland) einschließlich West-Berlin von 1950—1965

Jahr

1950 1955 1960 1965

Industrie insgesamt 0 ) i n 1000

Zuwachs i n v. H. gegenüber Vorzeile

Elektroindustrie

Zuwachs i n v. H. gegenüber Vorzeile

Anteil i n v. H. (3) an (1)

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

4 935 6 813 8 081 8 460

+ 38 + 18 + 5

306 550 819 956

+ 80 + 49 + 17

6,2 8,1 10,1 11,3

a) Ohne Energiewirtschaft und Bauindustrie. Quelle: Tabelle I I , Anhang.

Während sich die Zahl der i n der Industrie beschäftigten Personen von 1950 bis 1965 nicht ganz verdoppelt hat, hat sie sich i n der Elektroindustrie mehr als verdreifacht. M i t dem A n t e i l von 11,3 v. H. aller i n der Industrie beschäftigten Personen liegt die Elektroindustrie hinter dem Maschinenbau (12,9 v. H.) an zweiter Stelle (s. auch Abb. 2). U m den Entwicklungsverlauf der Elektroindustrie richtig einzuordnen, empfiehlt sich eine Analyse der i n diesem Zeitraum vor sich gegangenen strukturellen Veränderungen. Teilt man die Industriezweige nach den Strukturmerkmalen wachstumsintensiv wachstumsindifferent wachstumsnegativ i m Zeitablauf ein, so gehören die Elektroindustrie, der Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbau sowie die Chemische Industrie unter den 1950 größten Industriezweigen eindeutig zu den wachstumsintensiven, während ebenso eindeutig die Textilindustrie, das Bekleidungsgewerbe, das Holz- und Schnitzstoffgewerbe und das Nahrungs- und Genußmittelgewerbe wachstumsnegativ sind. Die übrigen Industriezweige haben sich weniger stark i n ihrer Entwicklung verändert i n diesem Zeitraum und verhalten sich abgesehen von der Kautschuk- und Asbestindustrie nicht so ausgeprägt wachstumsintensiv, d. h. also indifferenter (s. auch Abb. 1 und 2). Wenn auch eine direkte Aneinanderreihung der Zahlenreihen beider Entwicklungsabschnitte aus Gründen veränderter Zuordnung und veränderter Erhebungsbasen formalstatistisch nicht korrekt ist, so lassen sich doch bei denjenigen Industriezweigen, deren sachlicher Begriffsinhalt sich i n der amtlichen Statistik nach 1950 nicht wesentlich gegenüber dem der Gewerbezweigeordnung vor 1950 gewandelt hat, Verlängerungen der Trends von 1875—1950 auf den Untersuchungszeitraum von 1950—1965 ohne Schwierigkeiten vornehmen. Dann finden die bereits von 1875 an stark aufwärts geneigten Trends i n der Elektroindustrie und

28

§ 1 Die Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie

dem Maschinen- und Fahrzeugbau nach 1950 i n eindeutiger Weise ebenso konsequent ihre Fortsetzung, wie der seit 1875 stark abwärts geneigte Trend i n der Textilindustrie. Auffallend übereinstimmend sind auch die mehr wachstumsindifferenten Trends i n der eisenschaffenden Industrie (s. Abb. 1 und 2). Damit muß die Elektroindustrie — gemessen an der Zahl ihrer Beschäftigten — ca. 80 Jahre nach ihrem Start zu einem dynamischen Entwicklungsprozeß, der gekennzeichnet ist durch ein anhaltendes expansives Vorwärtsdrängen i m strukturellen Gefüge der Industrie, zu den bedeutendsten Industriezweigen gerechnet werden, wobei besonders zu berücksichtigen ist, daß die Elektroindustrie nach 1950 unter den größten Industriezweigen die höchsten Zuwachsraten aufzuweisen hat (s. Abb. 3). Abbildung

3

Der Index der Beschäftigtenentwicklung in den zehn größten Industriezweigen der BRD (bis 1955 ohne Saarland) einschließlich Westberlin von 1950 bis 1965 (beteiligte Industriegruppen) im Jahresdurchschnitt

Quelle: Tabelle I I , Anhang.

A. Die Elektroindustrie im interindustriellen Vergleich

29

Die Beurteilung der quantitativen Stellung eines Industriezweiges i m Industrialisierungsprozeß nur an Hand der Beschäftigtenstrukturentwicklung reicht jedoch nicht aus, da zwangsläufig weniger stark arbeitsintensive Industriezweige und solche m i t vergleichsweise großen Produktivitätszuwächsen pro Arbeitskraft i m Betrachtungszeitraum nach diesem Merkmal eine ungünstigere Wertung erfahren, als es objektiv gerechtfertigt ist. U m Fehlbeurteilungen auszuschließen, empfiehlt sich daneben eine Analyse der Nettoproduktionsbeiträge der einzelnen Industrien.

II. Die strukturelle Entwicklung der Elektroindustrie nach Nettoproduktionswerten Der Nettoproduktionswert stellt die selbständige wirtschaftliche Leistung des Industriezweiges und damit seinen Beitrag zum Sozialprodukt dar. Er ist daher als der statistisch aussagefähigste Vergleichsmaßstab für die relative Bedeutung einzelner Industriezweige i m Rahmen der gesamten industriellen Wertschöpfung anzusehen7. Zwar repräsentiert auch der Nettoproduktionswert für sich allein betrachtet keineswegs einen umfassenden Maßstab für die volkswirtschaftliche Bedeutung des einzelnen Industriezweiges, er ist aber für die quantitative Beurteilung dieser Frage bedeutsam 8 . Nettoproduktionswerte für die deutsche Industrie wurden erstmals für das Jahr 1936 nach A r t der Zensuserhebung aufgrund der wirtschaftlichen Industrie- und Produktionsstatistik ermittelt 9 . Ein Vergleich der Entwicklung der Anteile der Nettoproduktionswerte einzelner Industriezweige am Gesamtwert der industriellen Nettoproduktion für davorliegende Jahre ist daher nicht möglich. U m aber wenigstens annäherungsweise einen Eindruck von der wertmäßigen Entwicklung der Elektroindustrie bis 1944 zu erhalten, soll auf die Umsatz- bzw. Produktionsentwicklung zurückgegriffen werden 1 0 . Die ersten Schätzungen über das Jahresproduktionsvolumen der Elektroindustrie liegen für die Jahre 1890/91 vor. Die durchschnittliche Produktion dieser Jahre w i r d auf 7 Vgl. o. V.: Die Industrie der Bundesrepublik Deutschland, Sonderheft 7. B r u t t o - u n d Nettoproduktionswerte der Industrie i m Jahre 1950. Berechnungen auf G r u n d der Zusatzerhebung 1951/52 zum Industriebericht, Hrsg. Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Stuttgart - K ö l n o. J., S. 4. 8 Vgl. o. V.: Die Deutsche Industrie, S. 18. 9 Vgl. o. V.: Die Deutsche Industrie, S. 5. 10 Aber auch f ü r diese Parameter stehen amtliche Angaben f ü r die Zeit vor dem I . Weltkrieg n u r i m Rahmen der Produktionserhebung f ü r das Jahr 1898 zur Verfügung. I m übrigen beruhen die Wertangaben auf Schätzungen u n d E r hebungen der zuständigen Verbände. Das gilt auch für die Zeit zwischen den Weltkriegen.

30

§ 1 Die Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie

45 M i l l . M k f ü r Deutschland geschätzt^. U m dieses Produktionsniveau zu erreichen, mußten ca. 45 Jahre seit der Entstehung der Elektroindustrie i n Deutschland vergehen 12 . Bereits zu diesem Zeitpunkt lag das Übergewicht der Produktion auf dem Gebiet des Starkstroms. Nach einer Schätzung von Vogel 1 3 gliedert sich die elektrotechnische Produktion ohne Berücksichtigung der Kupferdraht- und Kabelindustrie folgendermaßen auf: Elektrisches Nachrichtenwesen Elektrische Maschinen

ca. 8 M i l l . Mk. ca. 27 M i l l . Mk.

Da die Produktion auf dem Starktstromgebiet sich erst durchzusetzen begann, als die Glühlampe erfolgreich i n die Praxis eingeführt wurde 1 4 , kann ein Zeitraum von knapp 10 Jahren für die Entfaltung der Produktion auf dem Starkstromgebiet auf die Höhe von ca. 27 M i l l . i m Jahr angenommen werden. Die m i t der erfolgreichen Einführung des Drehstromsystems i n die Praxis i m Jahre 1891 verbundenen neuen revolutionären technischen Möglichkeiten 1 5 lösten den eigentlichen Entwicklungssprung i n der Elektroindustrie aus. 1895 betrug der Umsatz schon ca. 155 M i l l . Mk., das entspricht einer Steigerung der Produktion auf etwa das 3V 2 fache 16 , 1898 war die Produktion bereits auf das 5fache gegenüber 1891 gestiegen, nämlich auf 228,7 M i l l . Mk. (211,1 M i l l . Mk. Starkstrom, 17,6 M i l l . Mk. Schwachstrom) 17 . Für das Jahr 1900 w i r d der Umsatz auf etwa 270 M i l l . Mk. geschätzt 18 . Das bedeutet zu diesemZeitpunkt etwa eine 6fache Steigerung der Produktion innerhalb von 9 Jahren. Für die weitere wertmäßige Entwicklung der Elektroindustrie i n Deutschland (Altreich bis 1937)19 stehen folgende Zahlenangaben zur Verfügung: 11 Vgl. Fasolt, Friedrich: Die sieben größten Elektrizitätsgesellschaften, ihre Entwicklung u n d Unternehmertätigkeit nebst einem Anhange: Die zahlenmäßige Entwicklung der deutschen elektrotechnischen Industrie, ihre örtliche Verteilung u n d ihre Gliederung, Dresden 1904, S. 207; Levy, Ernst-Moritz: a.a.O., S. 4 ff.; Siemens, Georg: Geschichte des Hauses Siemens, 1. Bd., 1847— 1903, München 1947 (im folgenden zitiert als: Siemens, Georg: Geschichte I), S.193. 12 Vgl. S. 195 der vorliegenden Arbeit. 13 Vgl. Vogel, Friedrich: Statistisches aus der Elektrotechnik, i n : E T Z 1892, S. 526 f. 14 I n Deutschland m i t der Gründung der „Deutschen Edisongesellschaft f ü r angewandte E l e k t r i c i t ä t " a m 19.4.1883 durch E m i l Rathenau, die 1887 i n die „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft" umgegründet wurde. 15 Vgl. S. 197 der vorliegenden Arbeit. 16 Vgl. Siemens, Georg: Geschichte I, S. 277. ' 1 7 Vgl. Fasolt, Friedrich, a.a.O., S. 205. 18 Vgl. Siemens, Georg: Geschichte I , S. 277. 19 Über die E n t w i c k l u n g der Elektroindustrie ab 1937 liegen vergleichbare Zahlen für den Gebietsstand bis 1937 nicht mehr vor. Die Angaben, die über die Entwicklung der Elektroindustrie i m Kriege Aufschluß geben, beinhalten ab

A. Die Elektroindustrie im interindustriellen Vergleich

Jahr 1913* 1925« 1927 1928 1929 1930 1931 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

31

Umsatz der Elektroindustrie Deutschlands i n jeweiligen Preisen Mill. Mk/RM ca. 1300 ca. 2100 2238 2773 3200 2487 1875 1260 1726 2046 2268 2500 3200 2990 4300 5180 5370 5916 6500

• Produktionswerte. Quellen: bis 1937: Raumer, von: Monographie über die elektrotechnische Industrie, bestimmt für das Komitee B des vorbereitenden Ausschusses der Internationalen Wirtschaftskonferenz des Völkerbundes, hrsg. vom Zentralverband der deutschen elektrotechnischen Industrie, Berlin 1926, S. 18 a; vgl. o. V., Langfristige Zahlenreihen (I), in: ZVEI-Mitteilungen, Nachrichtenblatt des Zentralverbandes der Elektrotechnischen Industrie e. V., Frankfurt am Main, 21. Jg. (1968), Heft 4, S. 11—14, S. 13; — ab 1938: o. V., Statistisches Handbuch von Deutschland 1928—1944, S. 302.

Die langfristige Zahlenreihe über die Produktions- bzw. Umsatzwerte der Elektroindustrie macht, i n gleicher Weise wie die Tabelle I und I I , Anhang, über die Beschäftigten-Entwicklung, die einzelnen Entwicklungsphasen und die Entwicklungsdynamik dieses Industriezweiges deutlich. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß die Entwicklung des Produktionsbeitrages und damit auch die der Wertschöpfung der Elektroindustrie i m Rahmen der gesamten Industriestruktur einen der Entwicklung der industriellen Beschäftigtenstruktur i m Untersuchungszeitraum ähnlichen strukturell vordringenden Verlauf genommen hat. Diese Mutmaßung w i r d i n dem Grade ihrer Richtigkeit erhärtet durch die Feststellung, daß 1933 der A n t e i l der Beschäftigten i n der Elektroindustrie an den insgesamt i n Industrie und Handwerk Beschäftigten 3,3 v. H. ausmacht und nach dem danach einsetzenden konjunkturellen A u f 1939 die Werte einschließlich Österreich u n d Sudetenland, ab 1940 auch einschließlich Memelland u n d eingegliederte Ostgebiete, ab 1941 außerdem einschließlich eingegliederte Westgebiete u n d Z i v i l v e r w a l t u n g West. Dennoch k a n n aus diesen Zahlen entnommen werden, daß i m Altreich insbesondere ab 1937 eine weitere starke Entfaltung der Elektroindustrie erfolgt ist, vergegenwärtigt man sich, daß 1944 immer noch 85 v. H. der insgesamt i n der Elektroindustrie beschäftigten Personen auf das Altreich entfallen, vgl. o. V.: Statistisches Handbuch von Deutschland 1928—1944, S. 302. Die Expansion der Elektroindustrie i n diesem Zeitraum dürfte damit n u r zu einem geringen Teil von den gebietsmäßigen Eingliederungen herrühren.

32

§ 1 Die Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie

schwung der A n t e i l des Nettoproduktionswertes der Elektroindustrie an der gesamten Industrie (einschließlich Bauindustrie und Energieversorgung) 1936 bei 4,4 v. H. liegt (vgl. Tabelle I I I , Anhang). I n Tabelle I I I , Anhang, w i r d die Entwicklung der absoluten Werte und der Anteile der Nettoproduktion der einzelnen Industriezweige an der gesamten NettoProduktion der Industrie i n den Jahren 1936, 1950, 1958 und 1962 i n Deutschland gegenübergestellt. Die erkennbare trendmäßige Entwicklung der industriellen Struktur aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsverläufe der Beiträge einzelner bedeutender Industriezweige zum gesamten industriellen NettoAbbildung

4

Anteile der Nettoproduktionswerte ausgewählter Industriezweige am industriellen Gesamtnettoproduktionswert (einschließlich Bau und Energie) 1936,1950,1958 und 1962 in Deutschland (Reichsgebiet bzw. Bundesgebiet) Anteil

Zeit

0

I

I

1936 38

I

I

I

I

¿0

LI

U

¿6

Quelle: Tabelle I I I , Anhang.

I

I

I

¿8 1950 52

I

I

54

56

I



I

1958 60 1962

*

A . Die Elektroindustrie i m interindustriellen Vergleich Abbildung

33

5

Index der industriellen Nettoproduktion ausgewählter Industriezweige i m Bundesgebiet ohne Westberlin von 1950 bis 1966 (1958 = 100)

Index

o Fahrzeugbau

200 -

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^OEIektrolod.

oEBM.Waren Ind ¿Industrie Ges. ¡^Industrie der Stein u.Erden

j ) .

150

-TextiU Industrie Maschinenbau Eiscnsch. Ind. 'sNahrungs - u. Genuflm. Ind.

100 -

501

Zeit

I 1950 51

I

I

I

52

53

54

I

Quelle: T a b e e I , Anhang. 3 Schulz-Hanfien

I

1955 56

I

I

I

57

58

59

I

I

1960 61

I

I

62

63

I

I

I

64 1965 66

34

§ 1 Die Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie

produktionswert kann aus Abb. 4 entnommen werden. Abb. 4 zeigt eine weitgehende Übereinstimmung m i t der strukturellen Entwicklung nach dem Merkmal der Beschäftigten. Für die Elektroindustrie ist auch nach dem K r i t e r i u m des individuellen Beitrags zum gesamtindustriellen Nettoproduktionswert ein strukturelles Vordringen kennzeichnend. Während 1950 ihr A n t e i l bei 4,5 v. H. lag — etwa auf der Höhe von 1936 —, stieg er bis 1962 auf 7,9 v. H. an. Über die weitere strukturelle Entwicklung geben die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Indices für die industrielle Nettoproduktion Aufschluß, die i n Abb. 5 i n ihrer zeitlichen Entwicklung von 1950—1966 dargestellt sind. Danach kann mit Ausnahme des Jahres 1966, i n dem ein konjunkturbedingter Rückgang eingetreten ist, auf ein weiteres strukturelles Vordringen der Elektroindustrie i m Gefüge der gesamten Industrie geschlossen werden 2 0 . Eine Betrachtung der aufgeführten Zahlenreihen über die Entwicklung der Elektroindustrie i n Deutschland lassen zusammenfassend das Urteil zu, daß die Elektroindustrie i n den knapp 80 Jahren seit der Auslösung eines eigendynamischen Entwicklungsprozesses (ab 1891)21 zu einem das Ausmaß des industriellen Wachstums maßgeblich beeinflussenden Industriezweig herangewachsen ist. Die quantitative Entwicklung der Elektroindustrie i n Deutschland deutet damit sehr wirksame Gestaltungskräfte dieses Industriezweiges auf den Verlauf des Industrialisierungsprozesses der heute hoch entwickelten Volkswirtschaften an.

B. Die strukturelle Entwicklung der Elektroindustrie im internationalen Vergleich U m zu prüfen, ob die i m Entwicklungsverlauf der Elektroindustrie i n Deutschland sichtbar gewordene Dynamik etwa nur auf nationale Besonderheiten zurückgeführt werden muß, oder ob es sich u m generelle Erscheinungen handelt, deren Ursachen i n der ökonomischen Funktion dieses Industriezweiges i m industriellen Wachstumsprozeß begründet sind, sollen die Produktionsindices der industriellen Gesamtdaten und der Daten für die Elektroindustrie einiger wichtiger industrialisierter Volkswirtschaften m i t i m Grundsatz marktwirtschaftlicher Prägung über einen aussagefähigen Zeitraum der Entwicklung miteinander verglichen werden. Liegt der Produktionsindex der Elektroindustrie über dem der 20 Die Berechtigung zu dieser Annahme w i r d durch die E r w a r t u n g überdurchschnittlicher Umsatzzuwächse der Elektroindustrie f ü r das Jahr 1968 gestützt; vgl. o. V.: Auftragsstoß f ü r die Elektroindustrie v o r allem i m Investitionsgüterbereich, i n : Die Welt, Deutschlandsausgabe, Nr. 173 v o m 27. 7.1968, S.U. 21 Vgl. S. 197 ff. der vorliegenden Arbeit.

3* 1953

1955

1960

1961

1962

1963

1964

1953—1965

1966

Verändg.

1965

a) BRD einschl. Saarland, ohne Westberlin. — b) BRD einschl. Westberlin, ab 1960 einschl. Saarland. — c) Vor 1959 ohne Elektrizitäts- und Gasherstellung. — d) Gesamtindex 1948. — e) Ohne Nahrungs- und Getränke-, Bekleidungs-, Holzprodukte- und Möbelherstellung. — f) 1953— 1964. — g) 1961—1965. (U) Umsatzzahlen, (P) Produktionszahlen. Quellen: Gesamtindices: United Nations, Statistical Yearbook 1966, New York 1967, S. 154—167; Indices für die Elektroindustrie: o. V., Die Elektroindustrie der Welt, in: ZVEI-Mitteilungen, Nachrichtenblatt des Zentralverbandes der Elektrotechnischen Industrie e. V., Frankfurt am Main, 16. Jg. (1963), Heft 5, S. 5—9, S. 6 f.; ZVEI, Die Elektroindustrie der Welt, Ein statistischer Überblick 1961—1963, Frankfurt am Main 1965, S. 9—13; ZVEI, Die Elektroindustrie der Welt, Ein statistischerüberblick 1964—1966, Frankfurt am Main 1968, S. 7. * In Tabelle 1 wurde bewußt auf die Heranziehung der Originalquellen verzichtet, weil kein einheitlicher Sprachgebrauch über den Inhalt des Begriffes Elektroindustrie zwischen den einzelnen Ländern besteht, und eine Gegenüberstellung der offiziellen nationalen Angaben zu Fehlbeurteilungen führen kann. Es wurde ebenfalls nicht auf die offizielle Statistik der OECD zurückgegriffen, die erst kürzlich für die Zeit von 1953 bis 1965 eine vergleichende Übersicht über die Entwicklung der einzelnen Investitionsgüterindustriezweige veröffentlicht hat22, in der das Problem der Vergleichbarkeit zwar weitgehend gelöst ist, deren Abgrenzung des Begriffes Elektroindustrie in der Abteilung 72 aber nicht mit dem dieser Arbeit zugrunde gelegten Begriffsinhalt übereinstimmt23, der sich an der deutschen Abgrenzung orientiert24. Aus diesen Gründen wurden die angegebenen ZVEI-Auswertungen herangezogen, die, wenn auch wiederum nicht ohne Einschränkungen, aufgrund weitgehender Absicherungen durch Direktbefragungen einen höheren Repräsentationsgrad für die Zwecke der vorliegenden Arbeit erreichen. Die für die Elektroindustrie errechneten Indices können daher nur den Anspruch auf weitgehende Annäherung an die tatsächliche Entwicklung erheben. Ihr Aussagewert wird dadurch unterstrichen, daß die deutlich erkennbaren Tendenzen auch bei einer Zugrundelegung der OECDDaten in den meisten Fällen eindeutig hervortreten. (Anmerkung 22—24 siehe Seite 36)

Gesamt*) 27 66 85 119 127 132 137 149 157 + 91 Elektroind.b) (U) 24 44 71 131 146 157 164 182 202 210 +158 Belgien Gesamt 78 86 100 112 119 126 135 145 148 + 62 Elektroind. (U) 44 54 75 93 105 110 129 151 161 161 +107 Frankreich Gesamt 54e) 71 84 110 115 121 127 136 138 + 67 Elektroind. (U) 28 44 55 132 141 157 177 197 209 229 +165 Italien Gesamt 44 70 84 128 140 153 166 168 176 +106 Elektroind. (P) 57 64 76 132 156 166 175 167 174 194 +110 Niederlande Gesamt 53 76 93 122 128 134 141 154 163 + 87 Elektroind. (U) 40 55 80 141 153 170 194 218 236 252 +181 Großbritannien Gesamt 73 88 99 113 113 114 119 127 130 + 42 Elektroind. (U) 47 67 89 151 162 168 176 202 221 232 +154 Schweden Gesamte) 74 83 92 116 125 132 140 154 — + 719 Elektroind. (P) 55 77 84 124 153 164 160 200 230 252 +123*) Kanada Gesamt — — — — 100 108 116 126 136 + 36ß) Elektroind. (U) — — — — 100 125 154 162 181 202 + 816) USA Gesamt 73 97 103 116 117 126 133 141 153 + 56 Elektroind. (U) 55 88 89 120 121 135 140 177 193 206 +105 Japan Gesamt — — — — 100 109 119 139 145 + 45S) Elektroind. (P) _ _ _ _ _ _ ioo 109 144 177 177 202 + 776)

BRD

1948d) 1950

Tabelle 1*: Indices über die gesamte industrielle Produktion 1948—1965 (ohne Baugewerbe) und über die Produktion bzw. den Umsatz der Elektroindustrie von 1950—1966 in einigen industrialisierten Ländern (1958 = 100)

B. Die Elektroindustrie im internationalen Vergleich

35

von

36

§ 1 Die Entwicklungsdynamik der Elektroindustrie

gesamtindustriellen Entwicklung eines Landes, ist eine zunehmende Bedeutung dieses Industriezweiges generell feststellbar. I n Tabelle 1 sind derartige Indices von 1948—1966 zusammengestellt und die punktemäßigen Veränderungen von 1953—1965 errechnet worden. Tabelle 1 macht eine ausnahmslos überdurchschnittliche Entwicklung der Elektroindustrie innerhalb der industriellen Produktion i n allen angeführten Ländern deutlich. Ein besonders starkes strukturelles Vordringen dieses Industriezweiges ist i n den Ländern Großbritannien, Frankreich, Niederlande und Kanada festzustellen. Hier haben sich die die Entwicklung der Elektroindustrie kennzeichnenden Indices i m Untersuchungszeitraum zum Teil erheblich mehr als verdoppelt i m Vergleich zu den Gesamtindices. Aber auch i n den übrigen Ländern konnte die Elektroindustrie beachtliche Strukturgewinne erzielen, so daß das Gewicht dieses Industriezweiges innerhalb der industriellen Produktion gewachsen ist. I n welchem Umfang die elektrotechnische Produktion i n einigen ausgewählten, repräsentativen Ländern an der Produktion der verarbeitenden Industrie beteiligt ist, zeigt Tabelle 2. Tabelle 2 Produktionsanteil der Elektroindustrie an der Bruttoproduktion der verarbeitenden Industrie in einigen ausgewählten Ländern von 1961—1964 in v. H .

BRD Frankreich Italien Niederlande Großbritannien Schweden Kanada USA Japan

1961

1962

1963

1964

8,4 10,3 14,5 5,7 6,7 5,7 9,8 6,7 4,9

8,5 10,4 11,6 6,1 6,9 5,8 9,6 7,2 5,7

8,4 10,8 11,3 6,6 7,0 5,6 12,0 6,9 6,1

8,4 11,3 10,8 —

7,1 5,7 11,9 6,8 —

Quelle: ZVEI, Die Elektroindustrie der Welt, Ein statistischer Überblick 1961—1963, Frankfurt (Main) 1965, S. 7 f. Ein Vergleich mit dem Anteil an dem industriellen Gesamtnettoproduktionswert (einschließlich Bergbau, Bauindustrie und Energieversorgung) für die BRD i m Jahre 1962 in Höhe von 7,9 v. H. unterstreicht die tendenziell richtige Aussage der Tabelle. 22 Vgl. OECD: The Engeneering Industries i n Japan 1965, Paris 1966 (im folgenden zitiert als: Industries). 25 Vgl. OECD: The Engeneering Industries, S. 66 f. 24 Die von der OECD ermittelten Werte f ü r die decken etwa n u r 80 v. H. des Erhebungsumfangs Statistik ab (Erfahrungswert des ZVEI).

N o r t h America - E u r o p e OECD: The Engeneering

deutsche Elektroindustrie der amtlichen deutschen

. Die Elektroindustrie im i n t e r n t i l e n Vergleich

37

Der A n t e i l der Elektroindustrie an der industriellen Gesamtproduktion schwankt i m internationalen Vergleich zwischen etwa 6 v. H. (Schweden, Japan) und etwa 11 v. H. (Frankreich, Kanada). Ein zu errechnender Durchschnittswert dürfte zwischen 7 v. H. und 8 v. H. liegen, also i n der Nähe des Anteils der Elektroindustrie der großen Industrienationen. Die starke Expansion der Elektroindustrie i m Jahre 1966 (vgl. Tabelle 1) läßt auf ein weiteres strukturelles Vordringen dieses Industriezweiges m i t Ausnahme von Italien und unter Umständen auch der BRD (die zu diesem Zeitpunkt unter besonderen Konjunktureinflüssen standen) und damit auf anhaltende Erhöhung ihres Anteils schließen. Allerdings darf aus diesen Beobachtungen nicht ohne weiteres auf eine ununterbrochen fortgesetzte Strukturbegünstigung der Elektroindustrie geschlossen werden, da das Wachstum dieses Industriezweiges wegen seines großen Investitionsgüteranteils 25 auch von den Wachstumschancen anderer Wirtschaftszweige abhängt, von denen die Nachfrage nach den von der Elektroindustrie erzeugten Fortschrittseffekten ihrer Produkte ausgeht. Die aufgezeigte internationale Entwicklung der Elektroindustrie unterstreicht die allgemeine Bedeutung dieses Industriezweiges auch i n Phasen hoher industrieller Entfaltung volkswirtschaftlicher Wachstumsprozesse i m internationalen Rahmen. Diese dynamische Entfaltung der Elektroindustrie insbesondere seit dem letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts gibt der theoretischen Erörterung der Gestaltungskräfte eines Industriezweiges i m Verlauf des industriellen Entwicklungsprozesses eine besondere Bedeutung. Die Frage nach der Stellung der Elektroindustrie i m Industrialisierungsprozeß kann — wie die statistische Darstellung der Entwicklungsdynamik dieses Industriezweiges zeigt — nur dann i n ihrer ganzen Tragweite beantwortet werden, wenn es gelingt, die wesentlichen Kräfte herauszukristallisieren, die die Entwicklung der einzelnen Industriezweige bestimmen, u m dann die sektoralen Besonderheiten eines einzelnen I n dustriezweiges i n ihren Auswirkungen auf den Industrialisierungsprozeß auch i m Vergleich zu anderen Industriezweigen richtig und vollständig würdigen zu können.

25

Vgl. S. 115, Fußnote 13 der vorliegenden Arbeit.

38

§ 2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

§ 2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten der Gestaltungskräfte eines Industriezweiges im Industrialisierungsprozeß Die Stellung eines Industriezweiges i m Industrialisierungsprozeß w i r d zu jedem Zeitpunkt der Betrachtung durch die jeweilige Position auf seiner individuellen Wachstumskurve bestimmt. Der Wachstumsprozeß eines Industriezweiges kann durch den Verlauf einer logistischen Kurve beschrieben 1 oder nach Schäfer — analog dem Wachstumsverlauf des Absatzes eines Produkts — i n vier sich unterscheidende Phasen eingeteilt werden 2 . Dabei ist die erste Phase, die Wachstums- oder Ausbreitungsphase, durch ein beschleunigt oder progressiv ansteigendes Kurventeilstück charakterisiert, i n dem nach erfolgreicher Überwindung der Periode des Experimentierens die Umwandlung zu einem an Bedeutung zunehmenden Produktionszweig durch die Eroberung des Marktes unter gleichzeitiger Verdrängung etwaiger substitutiver Produkte vollzogen wird. Die zweite Phase ist durch ein Wachstum m i t abnehmenden Zuwachsraten gekennzeichnet, das sich dem Stadium der M a r k t sättigung nähert. Die dritte und vierte Phase stellen den mehr oder weniger heftig einsetzenden Schrumpfungsprozeß dar, der durch eine zunächst beschleunigt absinkende (III. Phase) und danach durch eine zur Abszisse sich asymptotisch nähernde Entwicklungskurve (IV. Phase) oder aber auch durch eine abrupt abbrechende wiedergegeben werden kann. Die ökonomischen Größen, die den Wachstumsverlauf eines Produktes oder eines ganzen Industriezweiges bestimmen, werden von der Nachfrageseite des Marktes vorgegeben. Damit ist aber nicht gesagt, daß ein einzelner Industriezweig nicht auch angebotsseitig lenkend auf die Gestaltung seines eigenen Wachstumsprozesses und darüber hinaus des Industrialisierungsprozesses eingreifen kann. Dies kann er i m Ausmaß seiner Gestaltungskräfte, die i h m aufgrund seiner spezifischen Aufgabenstellung i m industriellen Produktionsprozeß immanent sind, und deren Effektivität über seine Stellung und seine Bedeutung i m Industrialisierungsprozeß entscheidet. Jeder Industriezweig w i r k t über seine Gestaltungskräfte i n zweifacher Weise auf den Industrialisierungsprozeß ein, einmal über die m i t der Auslösung des eigenen Investitionsprozesses verknüpften ökonomischen Folgeprozesse (allgemeine Investitionseffekte), zum anderen über seinen eigenen schöpferischen Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt ( Fortschrittseffekte ). 1 Vgl. Lewis, W. A . : Die Theorie des wirtschaftlichen Wachstums, Tübingen Zürich 1956, S. 276. 2 Vgl. Schäfer , Erich: Grundlagen der Marktforschung, Marktuntersuchung und Marktbeobachtung, 3. neubearb. Aufl., K ö l n - Opladen 1953, S. 297 ff.

A. Die Gestaltungskraft der Investitionen

39

A. Die Gestaltungskraft der Investitionen im Industrialisierungsprozeß und ihre Beziehung zum technischen Fortschritt Die Gestaltungskräfte aus den allgemeinen Investitionseffekten setzen sich über die Nettoinvestitionsbildung der Industriezweige i m Industrialisierungsprozeß durch. Nettoinvestitionen stellen dabei den Teil der volkswirtschaftlichen Gesamtinvestitionen einer Periode dar, der „ m i t dem Ziel einer besseren zukünftigen Güterversorgung auf die Vergrößerung und (bzw. oder) Verbesserung des Produktionsapparates gerichtet ist.. Die prozeßgestaltende Bedeutung der Nettoinvestition i m wirtschaftlichen Wachstumsprozeß ist i n der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre teilweise unvollkommen und unterschiedlich, also keinesfalls einheitlich beurteilt worden. Das gilt sowohl für den Wirkungsmechanismus von Nettoinvestitionen und für ihren Einfluß auf die Höhe des Volkseinkommens, als auch für die ökonomischen Variablen, die diesen Investitionsprozeß determinieren. I. Der Wirkungsmechanismus von Nettoinvestitionen im Industrialisierungsprozeß und ihr Einfluß auf die Höhe des Volkseinkommens 1. Der Kapazitäts- und Einkommenseffekt der Investitionen

Schon die Klassiker der Nationalökonomie haben die Notwendigkeit von zusätzlicher Sachkapitalbildung durch die Unternehmer als Voraussetzung einer Vermehrung des Sozialprodukts hervorgehoben. So weist Adam Smith darauf hin, daß das „jährliche Produkt von Boden und Arbeit einer Nation" entweder über eine Erhöhung der Zahl der Arbeitskräfte oder über eine Verbesserung der Produktivkräfte der vorhandenen Arbeitskräfte vermehrt werden kann, wozu i n der Regel immer ein „Zusatzkapital" (Nettoinvestition) zur Aufstellung zusätzlicher oder verbesserter Maschinen erforderlich ist 4 . Nicht so direkt, dem Sinne nach aber ähnlich, äußert sich auch Ricardo. Für ihn sind ebenfalls zwei Möglichkeiten zur Vermehrung des Wohlstandes eines Landes gegeben, nämlich 1. indem ein größerer Teil des Einkommens für den Unterhalt produktiver Arbeit verwandt w i r d und 2. durch produktivere Ausnutzung 8 Meinhold, H e l m u t : Investitionen, i n : HdSW, 5. Bd., Stuttgart - Tübingen Göttingen 1956, S. 333—346, S. 334. 4 Vgl. Smith, A d a m : Eine Untersuchung über N a t u r u n d Wesen des Volkswohlstandes (deutscher Titel), I I . Bd., Jena 1920, S. 98 ff.

40

2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

der gleichen Arbeitsmenge 6 . Direkter als Ricardo drückt auch John Stuart M i l l die Notwendigkeit der Sachkapitalzunahme (also der Nettoinvestition) für die Vergrößerung des Sozialprodukts i n seinen Fundamentalsätzen über das Kapital aus 6 . Die ganz i m güterwirtschaftlichen Denken verhafteten Klassiker sahen aber i n dem Prozeß der zusätzlichen Sachkapitalbildung nur die Schaffung zusätzlicher oder verbesserter Produktionsmöglichkeiten, d. h. also eine Vergrößerung oder Verbesserung des Produktionsapparates und damit nur den Kapazitätseffekt der Investition. Eine Störung des w i r t schaftlichen Wachstums durch eine Ungleichgewichtslage zwischen gesamtwirtschaftlichem Angebot und Nachfrage konnte sich aus der Tatsache des ständigen Ausbaues des Sachkapitalapparates der Volkswirtschaft i n ihren theoretischen Überlegungen langfristig nicht ergeben, da einerseits von der Annahme der Vollbeschäftigung der Produktionsfaktoren ausgegangen wurde und andererseits davon, daß, gemäß den Annahmen des Say'schen Theorems, Produktion und Konsumtion i n ihrem Gesamtumfang langfristig nicht differieren können 7 . Erst Keynes weist, unter dem Eindruck eines völlig anderen Erlebnishorizontes als die Klassiker stehend, auf eine andere Bedeutung der Investition i m Wirtschaftsprozeß hin. Der weltweite Kontraktionsprozeß anfang der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts ließ sich ganz offensichtlich m i t dem von der traditionellen Lehre vorgesehenen Instrumentarium, insbesondere über eine erhöhte Spartätigkeit die Investitionsneigung der Unternehmer wieder zu heben, nicht steuern. U m zu einer Wiederbeschäftigung der weitgehend unausgelasteten Produktionskapa5 Vgl. Ricardo , D a v i d : Grundsätze der Volkswirtschaft u n d Besteuerung (deutscher Titel), Jena 1923,3. Aufl., S. 283. 8 Vgl. Mill, John Stuart: Grundsätze der politischen Ökonomie (deutscher Titel), I. Bd., Jena 1924, 2. Aufl., S. 94 ff. 7 Say hat die These aufgestellt, daß jedes Produkt m i t seiner Erzeugung zugleich die Voraussetzung auch f ü r seinen Absatz schafft. Denn Güter können n u r durch Güter, genauer durch den Gegenwert von anderen Gütern, gekauft werden. Da über lange Sicht n u r den Bedürfnissen gerecht werdende Güter hergestellt werden, w i r d die Produktion gewissermaßen automatisch so gelenkt, daß n u r das i n einer solchen Größenordnung hergestellt w i r d , was auch seinen Absatz findet; Say, Jean Baptiste: Handbuch der praktischen Nationalökonomie oder der gesamten Staatswirtschaft (deutscher Titel), I I . Bd., Leipzig 1829, S. 175 ff. Vgl. auch Ricardo, David, a.a.O., S. 294 ff., u n d Mill, John Stuart, a.a.O., S. 94 u n d 110. Dieser Ansicht ist zwar schon Malthus entgegengetreten. Nach seiner A u f fassung mußte sich eine Tendenz zur Überproduktion aus der Ungleichheit der Einkommensverteilung ergeben, da die ständige Kapitalisierung der Profite, insbesondere als Folge übermäßigen Sparens der Kapitalbezieher, die Prod u k t i o n stärker anwachsen läßt als die Masse der Verbraucher aufzukaufen i n der Lage ist. Malthus konnte sich aber m i t seinen Argumenten, die sich auf stark zeitbezogene u n d kurzfristige Beobachtungen gründeten, nicht gegen die allgemein anerkannte Auffassung v o n Say u n d Ricardo durchsetzen; Malthus, T. R.: Principles, S. 322 ff.

A. Die Gestaltungskraft der Investitionen

41

zitäten zu kommen, mußten statt dessen die zu Konsumzwecken verfügbaren Masseneinkommen erhöht werden. Das ist aber bei unverändertem Hang zum Verbrauch nur über die Vornahme zusätzlicher Investitionen erreichbar 8 . Keynes „entdeckte" damit den Einkommenseffekt der I n vestition und entwickelte einen neuen Gleichgewichtsbegriff, nach dem eine Gleichgewichtslage zwischen Produktion und Konsumtion auch bei Unterbeschäftigung der Produktionsfaktoren möglich ist. Entscheidend für den Gleichgewichtszustand — und zwar unabhängig vom jeweiligen Beschäftigungsgrad der Produktionsfaktoren — ist, daß die entsprechend dem Grenzhang zum Verbrauch, der immer m i t < 1 angenommen wird, entstehende Differenz zwischen der Summe des Gesamteinkommens und dem Betrag der Verbrauchsausgaben (also die Größe des Sparens) durch eine entsprechende Nachfrage aus laufenden Neuinvestitionen aufgehoben w i r d 9 . A l l e i n Nettoinvestitionen i n gleichbleibender Höhe erlauben m i t ihrer einkommenschaffenden Wirkung bei gegebener Produktionsstruktur und unverändertem Hang zum Verbrauch eine ungestörte Zunahme von Beschäftigung und Volkseinkommen bis zum Erreichen der Vollbeschäftigung 10 . Während die Klassiker i n ihrer Theorie des wirtschaftlichen Wachstums nur den Kapazitätseffekt der Investitionen sahen, berücksichtigt Keynes i n seinen theoretischen Überlegungen nur den Einkommenseffekt. Wie wirtschaftliches Wachstum auch nach dem Erreichen der Vollbeschäftigung der Produktionsfaktoren noch möglich ist, w i r d von Keynes nicht weiter untersucht, wenngleich er auch hierin durchaus ein Problem erkannte 1 1 . Dieses Problem liegt i n dem m i t jeder Nettoinvestition ausgelösten Kapazitätseffekt. So weist u. a. Bombach i n diesem Zusammenhang anschaulich darauf hin, daß bereits bei einem Anwachsen des Sachkapitalapparates einer Volkswirtschaft u m durchschnittlich 3 v. H. i m Jahre eine Verdoppelung des Kapitalstocks nach 23 Jahren eintritt 1 2 . Nachdem die kapazitäts- und einkommenschaffende Wirkung von Investitionen damit grundsätzlich erkannt, und die Lehrmeinung der 8 Vgl. Keynes, John M a y n a r d : Allgemeine Theorie der Beschäftigung des Zinses u n d des Geldes, B e r l i n 1952, S. 84. 9 Vgl. Keynes, John Maynard, a.a.O., S. 26 ff. u n d 205 ff. 10 Vgl. Keynes, John M a y n a r d »a.a.O., S. 84 u n d 205. 11 „Die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die neue Kapitalinvestition i m m e r die Kapitaldisinvestition genügend übersteige, u m die Spanne zwischen dem Reineinkommen u n d Verbrauch zu füllen, stellt uns somit vor ein Problem, dessen Schwierigkeit m i t der Zunahme des Kapitals wächst." Keynes, John Maynard, a.a.O., S. 90. 12 Vgl. Bombach, G.: Z u r Theorie des wirtschaftlichen Wachstums, i n : W W A , Bd. 70 (1953,1), S. 110—165 (im folgenden zitiert als: Bombach, G.: Z u r Theorie), S. 113.

42

2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Klassiker und Neoklassiker von einem wirtschaftlichen Wachstum nur bei Vollbeschäftigung der Produktionsfaktoren grundsätzlich korrigiert war, stand das Instrumentarium zur Verfügung, die aus dem offensichtlichen Zusammenwirken von Kapazitäts- und Einkommenseffekt resultierenden Auswirkungen der Nettoinvestitionen auf das wirtschaftliche Wachstum zu untersuchen. Diese Überlegungen stellen den Ausgangspunkt der postkeynesianischen 13 Wachstumstheorie dar, die sich damit zur Aufgabe macht, die Bedeutung der Investition für den w i r t schaftlichen Wachstumsprozeß i n ihrer Komplexität herauszustellen. Erst damit sind die Voraussetzungen gegeben, die aus den allgemeinen Investitionseffekten herrührenden Gestaltungskräfte eines Industriezweiges i m Industrialisierungsprozeß vollständig zu würdigen. 2. Zusätzliche Nettoinvestitionen als Voraussetzung eines wirtschaftlichen Wachstumsprozesses

M i t der postkeynesianischen Wachstumstheorie erfährt die Erkenntnis über die Bedeutung der Investition für den wirtschaftlichen Wachstumsprozeß eine entscheidende Erweiterung. Keynes ging es darum, die grundsätzliche Möglichkeit aufzuzeigen, durch Investitionen die Arbeitslosigkeit als Folge der Weltwirtschaftskrise zu bannen, und den Produktionsfaktor Arbeit wieder seiner Vollbeschäftigung zuzuführen. Dazu bedarf es — unter Vernachlässigung des Kapazitätseffektes der Investition — nur ständig zusätzlicher Investitionen i n gleichbleibender Höhe. Unter der Berücksichtigung des Kapazitätseffektes jeder zusätzlichen Investition sind aber zusätzliche Investitionen i n ständig steigender Höhe erforderlich, u m Störungen i m Wirtschaftswachstum zu vermeiden. Diese sind vermeidbar durch Auslastung der Kapazitäten (full-capacity-Wachstum), wozu nicht notwendigerweise auch eine Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte (full-employment-Wachstum) gehört 14 . Die grundsätzlichen Bedingungen des Zusammenwirkens von Einkommens- und Kapazitätseffekten der Investitionen i m Hinblick auf ein störungsfreies, gleichgewichtiges, d.h. die Auslastung auch der wachsenden Kapazitäten gewährleistendes, wirtschaftliches Wachstum, sind von Harrod 1 5 und Domar 1 6 zuerst untersucht worden, wobei die For13 Vgl. Bombach, Gottfried: Wirtschaftswachstum, i n : HdSW, 12. Bd., S t u t t gart - Tübingen - Göttingen 1965, S. 763—801 (im folgenden zitiert als: Bombach, Gottfried: Wirtschaftswachstum), S. 766. 14 Vgl. Bombach, G.: Quantitative u n d monetäre Aspekte des Wirtschaftswachstums, i n : SchdVfSp, NF, Bd. 15, B e r l i n 1959, S. 154—230 (im folgenden zitiert als: Bombach, G.: Quantitative u n d monetäre Aspekte), S. 158. 15 Vgl. Harrod, R. F.: Dynamische Wirtschaft (deutscher Titel), Wien - S t u t t gart 1949 (im folgenden zitiert als: Harrod, R. F.: Dynamische Wirtschaft), S. 28. 19 Vgl. Domar, Evsey D.: Capital Expansion, Rate of G r o w t h and Employ-

A. Die Gestaltungskraft der Investitionen

43

mulierung der Gleichgewichtszuwachsrate des Volkseinkommens insbesondere Domars Anliegen war. Von einer Gleichgewichtslage (1)

P0 = Y 0 P = Produktionsmenge Y = Volkseinkommen

ausgehend, müssen zur Erreichung eines gleichgewichtigen Wachstums Einkommens- und Kapazitätseffekt der zusätzlichen Investition i n den folgenden Perioden i n ihren Wirkungen auf Produktionsmenge und Volkseinkommen gleich sein. Das ergibt Domars grundlegende Gleichung 17 (2)

M - =

l a

3

I = Investition s = Sparquote ( = a bei Domar) o = erreichbare DurchschnittsP r o d u k t i v i t ä t der Investition

wobei die linke Seite den durch den Multiplikator j bestimmten Einkommenseffekt und die rechte Seite der Gleichung den Kapazitätseffekt der Investition darstellt. Hieraus läßt sich die GleichgewichtswachstumsM

rate des Volkseinkommens -y — w als das Produkt aus (marginaler) Sparquote und der Durchschnittsproduktivität der Investitionen, bzw. dem reziproken Wert des Kapitalkoeffizienten & = \ ableiten. (3)

w = so

bzw.

w = s ^r.

Z u dem gleichen Ergebnis kommt auch Harrod, der i n der Interpretation jedoch weiter als Domar geht 1 8 . ment, i n : Econometrica, Vol. 14 (1946), S. 137—147, wieder abgedruckt i n : Essays i n the Theory of Economic Growth, New Y o r k 1957, S. 70—82 (im folgenden zitiert als: Domar, Evsey D.: Capital Expansion), S. 73 ff. 17

Vgl. Domar, Evsey D.: Capital Expansion, S. 74 f.

18

Die Ausgangsgleichung Harrod's (4) G • C = s,

wobei G (w bei Domar) den Zuwachs des Volkseinkommens, C den K a p i t a l koeffizienten ( - I p oder ~ bei Domar, bzw. k) u n d s die Sparquote darstellen, zeigt bei einer Auflösung nach G die formale Gleichheit der Ansätze beider Forscher.

(5)

G= L

Allerdings ergibt sich nach Harrod ein die Vollauslastung der Kapazitäten aufrecht erhaltender gleichgewichtiger Wachstumspfad nur, w e n n die geplanten Ersparnisse gleich den geplanten Investitionen sind. Er verfeinert daher seine Ausgangsgleichung nach (6) Gw • Cr = s,

44

2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

M i t dieser Darstellung ist folgende Aussage über die Gestaltungskraft von Investitionen i m wirtschaftlichen Wachstumsprozeß verbunden: Der m i t der Ausgabe von Finanzmitteln durch die Unternehmer zur Beschaffung der neuen Sachkapitalgüter entstehende Einkommenseffekt der Investition w i r k t auf den Wirtschaftsprozeß i m Ausmaß des M u l t i p l i kators ein, dessen Höhe von der marginalen Sparquote abhängt 1 9 . Diese Wirkung des Einkommenseffektes t r i t t zu einem Zeitpunkt ein, zu dem die m i t dem zusätzlichen Sachkapitaleinsatz angestrebte Ausweitung der Produktionskapazität, d. h. also der Kapazitätseffekt der Investition, ökonomisch noch nicht effizient werden kann. Hieraus ergeben sich unter Berücksichtigung auch der monetären Seite folgende Konsequenzen für den wirtschaftlichen Wachstumsprozeß, die den Wirkungsmechanismus der Investition i m Prozeßablauf veranschaulichen: Einmal kann — ceteris paribus — das zusätzliche Einkommen noch i n der gleichen Periode ausgegeben werden, so daß bei der Annahme einer unelastischen Angebotskonstellation, die bei Vollauslastung aller Produktionsfaktoren durchaus denkbar ist, eine erhöhte Nachfrage einem konstant gebliebenen Angebot gegenübertritt. I n dieser Lage treten zwangsläufig Preissteigerungen auf 2 0 i n einem Umfang, der durch die Einkommensverbesserung der Nachfrageseite i n dieser Periode bestimmt wird. Der Angebotsausweitung i n den darauffolgenden Perioden — aufgrund der langsamer ausreifenden zusätzlichen Produktionskapazitäten — stehen dann die zu ihrer Aufnahme notwendigen zusätzlichen Einkommen nicht mehr zur Verfügung — unter der Annahme, daß keine neuen Nettoinvestitionen ge tätigt werden —, womit die umgekehrte Situation der Preisreduzierung

wobei Gw die „verbürgte" oder „befriedigende" Wachstumsrate („warranted rate of growth") u n d C r der erforderliche Kapitalkoeffizient ist, der Gw v e r bürgt. Dieser „befriedigenden" Wachstumsrate, die die Gleichgewichtswachstumsrate repräsentiert, stellt er die „tatsächliche" Wachstumsrate G (siehe Gleichung (5)), die durch eine ex post-Identität von I u n d S gekennzeichnet ist, u n d die „natürliche" (Gn • C r 4= s) gegenüber. Die „natürliche" Wachstumsrate basiert auf den Grundbedingungen des Wachstumsprozesses, dem technischen Fortschritt u n d dem Bevölkerungswachstum. N u r sie determiniert die m a x i male Wachstumsrate des Volkseinkommens i m langfristigen A b l a u f des w i r t schaftlichen Entwicklungsprozesses. Durch die Formulierung dieser drei Wachstumsraten versucht H a r r o d die Ungleichgewichtstendenzen einer wachsenden Wirtschaft zu erklären, die i n dem hier zu behandelnden Zusammenhang aber nicht weiter interessieren; Harrod, R. F.: Dynamische Wirtschaft, S. 97 ff. 19 Vgl. Gleichung (2) l i n k e r T e i l ; zur A b l e i t u n g auch Schneider, Erich: E i n führung i n die Wirtschaftstheorie, I I I . Teil, 8. verb. Aufl., Tübingen 1964 (im folgenden zitiert als: Schneider, Erich: Einführung III.), S. 134 ff. 20 Eine solche Annahme ist aber nicht unbedingt realistisch, da selbst i n den hoch entwickelten Volkswirtschaften der Auslastungsgrad des Produktionsapparates auch bei Vollbeschäftigung i n der Regel genügend flexibel ist, u m derartige W i r k u n g e n einmaliger Investitionsstöße aufzufangen, ohne erhebliche Preissteigerungen auszulösen.

A. Die Gestaltungskraft der Investitionen

45

die Folge ist 2 1 ; eine ökonomische Konstellation, die keinen Unternehmer zu weiteren Investierungen anreizt; ein wirtschaftlicher Entwicklungsprozeß findet nicht statt. Die Volkswirtschaft strebt wieder ihrer stationären Ausgangslage bei jetzt zusätzlich ungenutzten Kapazitäten zu. Zum anderen kann aber — ceteris paribus — das zusätzliche Einkommen i n der gleichen Periode gespart werden. Dann ist eine inflatorische Entwicklung i n dieser Phase ausgeschlossen. Damit aber i n der nächsten Periode das nunmehr ausgeweitete Angebot von einer entsprechend erweiterten Nachfrage aufgenommen werden kann, muß über eine weitere zusätzliche Investition, die i n ihrer einkommenschaffenden Wirkung das nunmehr erhöhte Angebot zu berücksichtigen hat, das erforderliche Einkommen geschaffen werden. Jede zusätzliche Investition erfordert damit zu ihrer ökonomischen Realisierung weitere, i n ihrem Umfang größere Investitionen i n den darauffolgenden Perioden. Störungsfreies w i r t schaftliches Wachstum ist durch einen möglichst synchronen Ablauf dieses Prozesses gekennzeichnet 22 , wobei unter Berücksichtigung der monetären Seite die geplanten Investierungen den geplanten Ersparnissen einer Periode immer etwas vorauseilen müssen, „ u m Anlaß zur Finanzierung durch zusätzlichen Bankkredit und damit zur Entstehung der zur Aufrechterhaltung des Preisniveaus nötigen Geldmenge zu geben" 2 3 . Dieser Wirkungsmechanismus von Investitionen i m Industrialisierungsprozeß macht deutlich, daß die Gestaltungskraft eines Industriezweiges aus allgemeinen Investitionseffekten u m so bedeutungsvoller ist, je mehr es gelingt, den gesamtwirtschaftlichen Investitionsprozeß i n einem Ausmaß zu fördern, i n dem die (aufgrund der Einkommenseffekte der Investitionen ausgelöste) wirksame Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern eine weitgehende Vollauslastung der durch die Investitionstätigkeit laufend erhöhten Produktionskapazitäten gewährleistet. N u r wenn das über die Breite des Prozesses gelingt, ist anhaltendes w i r t schaftliches Wachstum und damit Industrialisierung möglich. 11 Diese bewußt extreme Darstellung ist n u r zur Veranschaulichung der grundsätzlichen Entwicklungsmöglichkeiten gewählt. Die Wirtschaftspraxis ist meist durch Überlagerungen beider Richtungen gekennzeichnet. M 23

Vgl. Meinhold, Helmut, a.a.O., S. 336.

Lutz, Friedrich A . : Die Bedeutung der Investition f ü r das Wachstum der Wirtschaft, München 1957, S. 13. Den monetären Erscheinungen kommen f ü r die E r k l ä r u n g langfristiger Wirtschaftsentwicklungen i m übrigen keine sehr große Bedeutung zu, da f ü r langfristige Entwicklungsvorgänge die Bewegungen der Realgrößen der Wirtschaft maßgebend sind; vgl. Tinbergen, Jan: Z u r Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung, i n : W W A , Bd. 55 (1942), S. 511—549 (im folgenden zitiert als: Tinbergen, J.: Z u r Theorie), S. 518. Monetäre E i n flüsse vermögen hauptsächlich die kurzfristigen Entwicklungen des W i r t schaftsablaufs zu prägen; vgl. Bombach, G.: Z u r Theorie, S. 142. F ü r die hier angestellte Betrachtung der Beziehungen der Realgrößen zueinander können sie deshalb i m folgenden unberücksichtigt bleiben.

46

§ 2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten 3. Der Einfluß der Investitionsquote auf die Höhe des Volkseinkommens

Die Formulierungen der Gleichgewichtsbedingungen einer wachsenden Volkswirtschaft durch Domar und Harrod lassen unmittelbar erkennen, daß die Höhe der Wachstumsrate des Volkseinkommens unter der langfristigen Annahme eines konstanten Kapitalkoeffizienten allein von der Höhe der Spar- bzw. Investitionsquote abhängt, daß weiterhin die Wachstumsraten des Volkseinkommens und des Kapitalstocks i m Gleichgewicht übereinstimmen und damit eine laufend höhere Investitionsquote zwangsläufig auch zu einer höheren Wachstumsrate des Volkseinkommens und i n der Folge langfristig zu einem höheren Konsumniveau führt. D. h. je höher die Investitionsquote ist, desto größer muß der zukünftige Wohlstand sein. Die Investition m i t ihren prozeßgestaltenden Effekten ist damit die ökonomische Größe, die allein ein unbeschränktes Wachstum des Volkseinkommens ermöglicht 24 . Dieser älteren postkeynesianischen, wachstumstheoretischen Richtung steht eine andere Auffassung, die sogenannte neoklassische Variante 2 5 i n der Beurteilung der Bedeutung der Höhe der Investition für die Wachstumsrate des Volkseinkommens gegenüber. Die neoklassische Wachstumstheorie geht bei der Ableitung der Bedeutung der Investitionshöhe für den wirtschaftlichen Wachstumsprozeß 26 von einer makroökonomischen Produktionsfunktion aus, i n der die Veränderungen des Volkseinkommens auf die sie verursachenden Veränderungen der eingesetzten Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital sowie auf einen autonomen technischen Fortschritt als selbständig erklärende Variable zurückgeführt werden. Es w i r d i m allgemeinen eine homogene Funktion vom Typ Cobb-Douglas (CD-Funktion) zugrunde gelegt m i t den Variablen Y (Volkseinkommen), K (Sachkapitalapparat) und L (Arbeitskräftepotential). Neben den Parametern der Produktionsfunktion, a (als Niveaukonstante) und den Produktionselastizitäten, m und n (die sich wegen der Annahme einer homogenen Funktion zu 1 addieren, also m + n = 1 24 Vgl. Krelle, W i l h e l m : Investition u n d Wachstum, i n : JbfNuSt., Bd. 176 (1964), S. 1—22 (im folgenden zitiert als: Krelle, W i l h e l m : Investition u n d Wachstum), S. 9 f. 25 Vgl. zum nicht ganz eindeutigen Begriff Bombach, Gottfried: V o n der Neoklassik zur modernen Wachstums- u n d Verteilungstheorie, i n : Schweizerische Zeitschrift f ü r Volkswirtschaft u n d Statistik, 100. Jg. (1964), S. 399—427 (im folgenden zitiert als: Bombach, Gottfried: V o n der Neoklassik), S. 410. 26 Die neoklassische Wachstumstheorie ist fast gleichzeitig von mehreren Forschern entwickelt worden. Es sei hier verwiesen auf Meade, J. E.: A NeoClassical Theory of Economic Growth, London 1961; von Weizsäcker, Carl Christian: Wachstum, Zins u n d optimale Investitionsquote, Basel - Tübingen 1962 (im folgenden zitiert als: von Weizsäcker, Carl Christian: Wachstum); Bombach, G.: Optimales Wachstum u n d Gleichgewichtswachstum, i n : O p t i males Wachstum u n d optimale Standortverteilung, hrsg. von E. Schneider. SchdVfSp, Bd. 27, B e r l i n 1962, S. 47—76.

A. Die Gestaltungskraft der Investitionen

47

gegeben ist) 2 7 , werden die Sparquote s, die Wachstumsrate der Arbeitsbevölkerung und der technische Fortschrift, F, als Funktion der Zeit eingeführt. Folgende unabhängige Gleichungen determinieren die A n nahmen über die Verhaltensweisen der Variablen i m System. Die Produktionsfunktion lautet: (7)

yt =

aL

t

m

K

t

n

e

F t

,

wobei das Angebot an Arbeitskräften autonom mit der Rate Ä stetig wächst (8) Lt=L 0e*t. Die freiwilligen Ersparnisse S werden als Funktion des VolkseinkomdK

mens angesehen, S = sY. Sie bestimmen die Investitionen I =

• Im

Gleichgewicht sind Investitionen und Ersparnisse einander gleich (I = S). (9) £ - . r Logarithmiert man (7) und differenziert nach der Zeit, so ergibt sich dt

oder

log Y=m^-logL at

+ n^-logK at

dY 1 ~dtY

dl 1 , ~m~dtT

dY —

dL dK =m— + n— + F

+ F.

dK 1 . _ ~dtK

Die Zuwachsrate des Volkseinkommens

dY

-y

ergibt sich damit als 4L

Summe der Wachstumsraten des Arbeitskräftepotentials - j r , des K a dK.

pitalstocks

und des technischen Fortschritts F. Werden die Aus-

drücke folgendermaßen ersetzt 28 dY = Y 8y'

dL X

,

dK und— =

gK

dann erhält man folgende vereinfachte Schreibweise (10)

fify

= ml + n gK + F.

W i r d nun von einem genügend großen Betrachtungszeitraum ausgegangen — wie es i n den wachstumstheoretischen Ansätzen der neoklassischen Variante geschieht — und w i r d von dem stationären Zustand aus, der sich am Ende des Anpassungsprozesses aller ökonomischen Variablen i m Zeitablauf ergibt, der Prozeßablauf retrospektiv analysiert, dann kann angenommen werden, daß die Parameter m, n und F konstant bleiben, die Arbeitskräfte m i t gleichbleibender Rate wachsen und die 27 28

Vgl. S. 72, Fußnote 107 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Bombach, Gottfried: Wirtschaftswachstum, S. 788.

48

2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Investitionsquote s und der Kapitalkoeffizient k ebenfalls unverändert gehalten werden können. Da die Wachstumsrate des Kapitalapparates gK determiniert ist durch den Kapazitätseffekt der Investition, dl)

g

K

= i ° = i .

s

der Ausdruck ^ aber zugleich auch die Wachstumsrate des Volkseinkommens i m Gleichgewicht unter der Bedingung der Konstanz des K a pitalkoeffizienten darstellt (siehe Gleichung (3)), müssen i m Gleichgewicht das Volkseinkommen Y und der Kapitalapparat K m i t gleicher Zuwachsrate wachsen 29 . (12) gK = gY Dann läßt sich (12) folgendermaßen umformen gY gY—ng Y

=mX

gY(l—n)

= m H F m 1 =X+

gY

(13)

= mk + ngY

gY

1—n

+ F

+ F

1—n

F

oder, da m + n = 1

= X + - F. m

Unter diesen Annahmen w i r d die Wachstumsrate des Volkseinkommens völlig unabhängig von der Investitionsquote. Sie hängt nur noch von der Wachstumsrate der Arbeitsbevölkerung und vom technischen Fortschritt ab. Damit aber w i r d der Gestaltungskraft der Investition auf die Höhe des Volkseinkommens die Bedeutung abgesprochen, die ihr durch die postkeynesianische Wachstumstheorie gerade eingeräumt worden ist. Diese Interpretation der neoklassischen Variante ist aber nur bedingt richtig. So w i r d eine höhere Investitionsquote als die gegebene zumindest i n den Anfangsstadien einer Volkswirtschaft zur industriellen Entwicklung auch unter den neoklassischen Bedingungen einen größeren positiven Einfluß auf die Höhe des Volkseinkommens auszuüben vermögen und damit die Funktion übernehmen, die ihr von der postkeynesianischen Wachstumstheorie zugedacht wird. Die neoklassische Wachstumstheorie geht hierbei allerdings von der Wirksamkeit des Ertragsgesetzes aus. Aufgrund des Übergangs zu immer kapitalintensiveren Produktionsmethoden i m Verlauf des industriellen Entwicklungsprozesses ist ein ständiges Ansteigen des Kapitalkoeffizienten unvermeidbar. Damit sind aber abnehmende Ertragszuwächse des investierten Kapitals verbunden. 29 Vgl. Bombach, Gottfried: Wirtschaftswachstum, S. 788; Kr eile, W i l h e l m : Investition u n d Wachstum, S. 7 ff.

A. Die Gestaltungskraft der Investitionen

49

I m Laufe dieses Prozesses erhöht sich schließlich der Kapitalkoeffizient m i t gleicher Rate wie die Investitionsquote, d. h. die Werte i m Zähler (s) und Nenner (Je) (siehe Gleichung (11)) wachsen mit gleicher Rate, so daß der Ertragszuwachs der zusätzlichen Investition und damit ihr Einfluß auf das Volkseinkommen gleich N u l l wird. Erst dann w i r d die Wachstumsrate des Volkseinkommens unabhängig von der Investitionsquote, und sie w i r d i n ihrer Höhe nur noch durch den Zuwachs der Arbeitsbevölkerung und den technischen Fortschritt determiniert. Aus diesem System läßt sich nun eine für den gesamten Betrachtungszeitraum gültige optimale Investitionsquote bestimmen, die langfristig den Konsum maximiert. Krelle wählt folgende einfache graphische Darstellung zur Veranschaulichung des Problems 30 , wobei m i t C der Konsum, m i t k der optimale Kapitalkoeffizient und m i t w die Wachstumsrate des Volkseinkommens bezeichnet w i r d (s. Abb. 6). Abbildung

6

I /

/

X

/

/

> c

^ ^

1 j 3=s-y

K*

K

Die optimale Investitionsquote liegt offensichtlich dort, wo die Differenz zwischen Einkommen und Investition am größten ist. Sie maximiert bei ihrer Realisierung i n jedem Zeitpunkt den Konsum. Meade bezeichnet ein derartiges Wachstum als Gleichgewichtswachstum 31 und Joan Robinson spricht vom „Goldenen Zeitalter", u m damit anzudeuten, daß es sich u m einen sagenhaften, kaum realisierbaren Zustand handelt 3 2 . Auch i n dieser modelltheoretischen Betrachtung übt also die Investition einen positiven Einfluß auf das Volkseinkommen aus. Allerdings w i r d diese Wirkung m i t dem Erreichen der optimalen Investitionsquote aufgehoben, denn eine höhere Investitionsquote würde den Konsum langfristig nur 30

Vgl. Krelle, W i l h e l m : Investition u n d Wachstum, S. 11 f. Vgl. Meade, J. E., a.a.O., S. 3 u n d 6. 32 Vgl. Robinson, Joan: Die A k k u m u l a t i o n des Kapitals (deutscher Titel), Wien 1958, S. 123. 31

4 Schulz-Hanfien

50

§ 2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

verringern 8 3 , der Einfluß der Investition auf das Volkseinkommen sich also negativ auswirken. Diese Aussage über die Grenzen der Gestaltungskraft von Investitionen i n wirtschaftlichen Wachstumsprozessen kann aber solange nicht befriedigen, als von einem exogen vorgegebenen, autonomen technischen Fortschritt ausgegangen wird, der sich unabhängig von der Realkapitalbildung vollzieht. Kaldor kritisiert diesen von Solow 3 4 eingeschlagenen, für die neoklassische Wachstumstheorie richtungsweisenden Weg, indem er darauf hinweist, daß bei einer Begrenzung des Produktionsfaktors Arbeit wirtschaftliches Wachstum nur noch durch eine Vermehrung des Kapitaleinsatzes möglich ist, die einerseits zwangsläufig zu einer Erhöhung der Kapitalintensität führt, andererseits aber nur durchgeführt wird, wenn technische Neuerungen hierzu Impulse geben. Deshalb ist eine Trennung von Realkapitalbildung und technischem Fortschritt nicht sinnvoll, da w i l l k ü r l i c h und künstlich 3 5 , denn m i t dem ständigen Mehreinsatz von Kapital pro Arbeiter — ein Vorgang, der charakteristisch für jede industrielle Entwicklung ist —, w i r d unvermeidlich der Übergang zu einem höheren technischen Niveau induziert. A u f der anderen Seite erfordern die meisten technischen Neuerungen, die die Arbeitsproduktivität erhöhen, den Mehreinsatz von Kapital pro Arbeiter. Wenn aber Verbesserungen des technischen Wissens meistens durch neue Ausrüstungsgüter i n die Wirtschaft eingeführt werden, die die Bereitschaft zur Vornahme von Sachkapitalinvestitionen voraussetzen, hängt nach seiner Meinung das Ausmaß der Realisierung des technischen Fortschritts, den er als eine bedeutende Wachstumskomponente anerkennt, von der Fähigkeit der Volkswirtschaft zur Kapitalbildung ab 3 8 . Aufgrund dieser i m K e r n zutreffenden K r i t i k ist der neoklassische Ansatz von Solow dahingehend modifiziert worden, daß nun der größte 33

Vgl. Krelle , W i l h e l m : Investition u n d Wachstum, S. 10; Bombach, Gottfried: Wirtschaftswachstum, S. 787 ff.; Riese , H a j o : Mittelfristiges wirtschaftliches Wachstum u n d neoklassische Wachstumstheorie, i n : Kyklos, Vol. X V I I (1965), S. 80—106, S. 84 ff.; Walter , H e l m u t : Investitionen u n d technischer F o r t schritt i n der neueren Wachstumstheorie u n d die Problematik wirtschaftspolitischer Rezepte, i n : Theorie u n d institutionelle Grundlagen der Wirtschaftspolitik, Theodor Wessels zum 65. Geburtstag, B e r l i n 1967, S. 221—252 (im folgenden zitiert als: Walter , H e l m u t : Investitionen), S. 224 ff.; Bombach, Gottfried: V o n der Neoklassik, S. 410 ff. 84 Vgl. Solow , Robert M . : Technical Change and the Aggregate Production Function, i n : The Review of Economics and Statistics, Bd. 39 (1957), S. 312—320 (im folgenden zitiert als: Solow , Robert M . : Technical Change). 85 Vgl. Kaldor , Nicholas: A Mo K 0 und A\ < A0) hervorgerufene Substitutionseffekt i n der Bewegung von B nach C. Diese Trennung ist aber nur möglich, solange die mengenmäßigen Anpassungsvorgänge betrachtet werden. Treten die für die Bestimmung der Minimalkostenkombination notwendigen preislichen Anpassungsvorgänge hinzu, ist — wie Walter beweisen konnte — auch analytisch eine Trennung der Bewegung entlang einer Produktionsfunktion von ihrer Verschiebung nicht möglich. Angesichts der empirischen Tatsache, daß die Durchsetzung technischer Fortschritte i m Industrialisierungsprozeß zum größten Teil m i t einer Erhöhung der Kapitalintensität verbunden ist, daß also Faktorsubstitution und nicht neutraler technischer Fortschritt i n der Praxis i m wesentlichen immer gemeinsam auftreten, sich geradezu gegenseitig weitgehend bedingen, ist Kaldor insoweit zuzustimmen, daß eine Trennung w i l l k ü r lich und künstlich ist. Diese Auffassung darf aber nicht dahingehend interpretiert werden, daß der Fortschrittseffekt und der Substitutionseffekt — wenn auch nur gedanklich — bei gemeinsamem Auftreten nicht i n ihren ökonomisch völlig differenten Wirkungen isoliert analysiert werden können. Dieses Ergebnis ist insofern von Bedeutung, als bei der Erklärung von wirtschaftlichen Wachstumsvorgängen die Veränderungen auf die sie verursachenden Komponenten zurückgeführt werden müssen, und dabei insbesondere der Einfluß des technischen Fortschritts auf das wirtschaftliche Wachstum sichtbar gemacht werden kann. Für die

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

69

hier anzustellenden Überlegungen sind dabei Unterscheidungen nach den Herkunftsarten des technischen Fortschritts von Bedeutung. b) Kapitalgebundener und nicht kapitalgebundener technischer Fortschritt

Bei den Versuchen zur Quantifizierung des Beitrages des technischen Fortschritts zum wirtschaftlichen Wachstumsprozeß m i t Hilfe von Produktionsfunktionen werden grundsätzlich zwei Arten von technischen Fortschritten unterschieden. Es handelt sich einerseits u m den kapitalgebundenen technischen Fortschritt. Diese A r t des technischen Fortschritts w i r d der allgemeinen Beobachtung gerecht, daß die meisten Erfindungen zu ihrer Verwirklichung i m Produktionsprozeß neue Maschinen, bzw. neue maschinelle Anlagen erfordern. Voraussetzung seiner ökonomischen Realisierung sind aktuelle Bruttoinvestitionen, weshalb Solow hierfür den Ausdruck „embodied technical progress" 1 0 0 prägte, den von Weizsäcker m i t „kapitalgebundener technischer Fortschritt" übersetzt 1 0 1 . Demgegenüber stehen andererseits verschiedene Fortschrittseffekte, deren gemeinsames Merkmal darin besteht, daß zu ihrer Realisierung unmittelbare Investitionen nicht erforderlich sind. Diese Fortschrittseffekte resultieren aus Skalenerträgen, d. h. Verbesserungen i m InputOutput-Verhältnis, die aus dem Produktionswachstum als solchem herrühren (Learning by Döing) 1 0 2 oder aus organisatorischen Fortschritten, die Solow ohne Berücksichtigung von Skalenerträgen als „disembodied technical progress" bezeichnet 103 . Daneben w i r d i n der Literatur aber noch eine andere A r t des technischen Fortschritts diskutiert, nämlich die des ausbildungsgebundenen. Th. W. Schultz wies i n einer grundlegenden Untersuchung über dieses 100

Solow, Robert M . : Capital Theory, S. 44. von Weizsäcker, Carl Christian: Z u r ökonomischen Theorie des technischen Fortschritts, Göttingen 1966 (im folgenden zitiert als: von Weizsäcker, Carl Christian: Z u r ökonomischen Theorie), S. 14. 102 Die theoretische Konzeption des „ L e a r n i n g b y Döing" geht von der Beobachtung aus, daß das Erlernen als das Ergebnis aktiver Betätigung an Problemlösungen gleich welcher A r t angesehen werden muß, u n d daß bei abnehmenden „Lernerträgen" i m Verlauf des Studiums an einem spezifischen Problem ständig zunehmende V e r v o l l k o m m n u n g i n der Verrichtung der A r b e i t die Ursache f ü r Skalenerträge i m Produktionsprozeß bildet; vgl. Arrow, K . J.: The Economic Implications of Learning b y Döing, i n : RES, Vol. 29 (1961—62), S. 155—173, S. 155 f. 103 Dieser als unabhängige exogene Größe angesehene technische Fortschritt w i r d von Solow selbst beschrieben m i t : „ I t floats down f r o m the outside"; Solow, Robert M.: Investment and Technical Progress, S. 90 u n d vgl. Solow, Robert M . : Capital Theory, S. 42 ff. Der Begriff ist als kapitalungebundener technischer Fortschritt (von Weizsäcker, Carl Christian: Z u r ökonomischen Theorie, S. 14) oder auch als unverkörperter technischer Fortschritt (Walter, H e l m u t : Investitionen, S. 230) übersetzt worden. 101

70

2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Phänomen i n den USA darauf hin, daß ein beträchtlicher Teil des Wachstums des Volkseinkommens auf den sich anhebenden Ausbildungsstand der Bevölkerung zurückgeführt werden muß 1 0 4 . Die überproportional ansteigenden Ausgaben für Erziehung i m Verlauf dieses Jahrhunderts haben nicht nur dazu beigetragen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Menschen i m Arbeitsprozeß laufend zu erhöhen, sondern sie sind auch gleichzeitig der Hauptgrund für das erhebliche Ansteigen der Reallöhne, das ohne die Durchsetzung von technischen Fortschritten i m Produktionsprozeß nicht denkbar wäre, d. h. daß ein Teil des bis heute realisierten technischen Fortschritts auf den verbesserten Ausbildungsstand zurückgeführt werden muß 1 0 5 . Der ökonomische Effekt dieses ausbildungsgebundenen technischen Fortschritts stellt für den Erzeugungsprozeß technischer Fortischritte aber kein grundsätzlich neues Problem dar. Denn er kann sich i m Produktionsprozeß nur i n den Technologien niederschlagen, d. h. entweder i n neuen oder verbesserten Gütern oder i n effizienteren Produktionsmethoden. I n beiden Fällen muß sich dieser technische Fortschritt i n dem kapitalgebundenen oder kapitalungebundenen niederschlagen, weshalb i h m für die Beurteilung der Frage der Erzeugungsfähigkeit von technischen Fortschritten durch die Industrien keine selbständige Gestaltungsfunktion zukommt. 104 Vgl. Schultz, Theodore W.: Capital Formation by Education, i n : JPE, 68 (1960) (im folgenden zitiert als: Schultz, Theodore W.: Capital Formation), S. 571 f. 105 Vgl. Schultz, Theodore W.: Investment i n H u m a n Capital, i n : AER, Vol. 51 (1961), S. 1—17, S. 1, 3 f. u n d 11; Schultz, Theodore W.: Capital Formation, S, 571 ff. I n der theoretischen Konzeption dieses technischen Fortschritts w i r d davon ausgegangen, daß die effizientere Ausbildung auf der einen Seite durch den damit verbundenen Fortschritt i n Wissenschaft u n d technologischen K e n n t nissen die kenntnisbedingte Basis des technischen Fortschritts erweitert, denn der heutige Wissenschaftsstand k a n n nicht m i t einer veralteten Bildungsausrüstung „erarbeitet" werden. Deshalb ist eine Anhebung des Wissensstandes n u r m i t einer zunehmenden Investitionstätigkeit i m Bildungssektor erreichbar. Damit entspricht dieses Phänomen dem des „embodied technical progress", d. h., daß der ausbildungsgebundene technische Fortschritt i m wesentlichen unmittelbar kapitalgebunden ist, allerdings k a u m i m Produktionssektor, sondern hauptsächlich i m Bereich der Ausbildung von Arbeitskräften; vgl. Bombach, G.: Bildungsökonomie, Bildungspolitik u n d wirtschaftliche Entwicklung, i n : Bildungswesen u n d wirtschaftliche Entwicklung, Heidelberg 1964, S. 10—40, S. 17. Z u m anderen f ü h r t aber die natürlich bedingte Erscheinung des menschlichen Vergessens dazu, daß w e i t zurückliegende Ausbildungsjähre der Arbeitskräfte gegenüber solchen jüngeren Datums i n ihrer Gestaltungsfähigkeit auf das Produktionsergebnis weniger w i r k s a m sind, u n d daher ein ständiger L e r n prozeß erforderlich ist, u m den heutigen Stand des technischen Wissens m i t dem vorhandenen Faktorpotential i m Produktionsprozeß überhaupt realisieren zu können; vgl. von Weizsäcker, Carl Christian: Z u r ökonomischen Theorie, S. 76 ff. Der Einfluß des ausbildungsgebundenen technischen Fortschritts auf den Zuwachs des Sozialprodukts i n den U S A während der Periode 1909—1949 w i r d von Correa m i t 5,3 v . H . durchschnittlich errechnet; vgl. Correa, H.: The Economics of H u m a n Resources, Amsterdam 1963, S. 172.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

71

Eine individuelle Gestaltungsfunktion i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts kann aber auch dem kapitalungebundenen technischen Fortschritt und den Effekten des Learning by Döing nur i n sehr beschränktem Maße zugesprochen werden. So ist bei der Verwirklichung der Minimalkostenkombination eines gegebenen Produktionsprozesses kein Spielraum mehr für den organisatorischen Fortschritt vorhanden, da die Faktorkombination bereits i n ökonomisch optimalen Verhältnissen geregelt ist. Das gleiche t r i f f t hier für die Effekte eines Learning by Döing zu. Organisatorische Fortschritte und Skalenerträge aus dem Produktionswachstum als solchem können nur dann auftreten, wenn die Minimalkostenkombination noch nicht realisiert ist. Das stellt zwar den Regelfall der Praxis dar, denn vor allem i n den i n der Mehrzahl anzutreffenden Mehrproduktunternehmen der heutigen Industriestrukturen ist es i n Anbetracht der sich laufend ändernden Daten sehr schwierig, den Punkt der optimalen Faktorkombination zu kennen. Dennoch muß davon ausgegangen werden, daß nur i n dem Umfang organisatorischer Fortschritt oder reine Lerneffekte aufgrund zunehmender Erfahrungen sich i m Produktionsprozeß durchzusetzen vermögen, wie die vorhandene technische Leistungseffizienz des sachlichen Produktionsapparates dies erlaubt. Ein aus kapitalungebundenen technischen Fortschritten oder aus Lerneffekten resultierender ökonomischer Effekt kann daher, wenn überhaupt, sich wahrscheinlich nur i n sehr begrenztem Maße unabhängig von den bestehenden Leistungsreserven i n dem den technischen Fortschritt bereits verkörpernden, vorhandenen Sachkapitalapparat entfalten. Das unmittelbar auslösende Moment dieses technischen Fortschritts liegt zwar i n einer organisatorischen Maßnahme oder i n den Lerneffekten, Voraussetzung des Erfolges dieser Maßnahmen stellt aber die i m vorhandenen Sachkapitalapparat bereits verkörperte leistungsfähigere Technologie dar, also der verkörperte technische Fortschritt. Damit kann der kapitalgebundene technische Fortschritt als die i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts allein maßgebliche Größe erkannt werden. Diese Feststellung erleichtert die Beurteilung der Fähigkeit eines Industriezweiges zur Erzeugung von technischen Fortschritten ganz erheblich. U m hierfür eine quantitative Beurteilungsbasis zu schaffen, ist zunächst der Bedeutungsumfang des technischen Fortschritts i m wirtschaftlichen Wachstumsprozeß aufzuzeigen. 2. Die quantitative Bedeutung des technischen Fortschritts im industriellen Wachstumsprozefi

Der erste Versuch einer Quantifizierung der Bedeutung des technischen Fortschritts i m Rahmen der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung wurde bereits i m Jahre 1942 von Tinbergen unternommen 1 0 6 . Er bediente 108

Vgl. Tinbergen, J. : Z u r Theorie.

72

§ 2 Investitionen u n d technischer Fortschritt als Determinanten

sich e i n e r P r o d u k t i o n s f u n k t i o n v o m T y p C o b b - D o u g l a s 1 0 7 , d i e e r als m a k r o ö k o n o m i s c h e F u n k t i o n v e r w e n d e t e , i n d e m er i h r e n G e l t u n g s bereich a u f d i e G e s a m t p r o d u k t i o n a l l e r G e w e r b e z w e i g e eines L a n d e s ausdehnte. W e g e n d e r speziellen A n n a h m e eines k o n s t a n t e n technischen Wissens ist d i e u r s p r ü n g l i c h e F o r m d e r C D - F u n k t i o n z u r E r k l ä r u n g l a n g f r i s t i g e r w i r t s c h a f t l i c h e r E n t w i c k l u n g s v o r g ä n g e n i c h t geeignet, w e s h a l b T i n b e r g e n 1942 d a r ü b e r h i n a u s e i n e n i n der Z e i t w a c h s e n d e n F a k t o r & e i n f ü h r t , der d e n E i n f l u ß d e r technischen E n t w i c k l u n g a u f das w i r t schaftliche W a c h s t u m w i e d e r g e b e n s o l l 1 0 8 . D i e Tinbergensche P r o d u k tionsfunktion lautet u

= et ÖLXfcl—x

(u = Produktionsmenge, a = Menge der angewandten Arbeit, k = Menge des angewandten Kapitals, 1 = Konstante, die Produktionselastizitäten angibt) 1 0 9 Z u r B e s t i m m u n g der partiellen Produktionselastizitäten v o n A r b e i t u n d K a p i t a l ( 1 — b e d i e n t e sich T i n b e r g e n i n gleicher Weise w i e D o u g l a s d e r Begressionsanalyse. Dieses V e r f a h r e n i s t aber i n s o f e r n n i c h t geeignet, d e n spezifischen E i n f l u ß d e r V a r i a b l e n a u f das W a c h s t u m der A u s b r i n 107 Die ursprünglich von Douglas u n d Cobb 1928 entwickelte Produktionsfunktion, die heute kurz als C D - F u n k t i o n bezeichnet w i r d , ist von Douglas u n d Cobb n u r für den industriellen Bereich empirisch erforscht worden. Sie diente dem Zweck, den relativen Einfluß der Produktionsfaktoren Arbeit u n d K a p i t a l auf den industriellen Produktionsausstoß der USA i n der Zeit von 1899—1922 getrennt voneinander zu bestimmen. Cobb, C. W. and Douglas, P. H.: A Theor y of Production, i n : AER, Vol. 18 (1928), Supplement, S. 139—165. Sie stellt deshalb noch keine makroökonomische Produktionsfunktion dar. Die P r o d u k tionsfunktion lautet: P' (L t C) = b L k Ci-k oder i n der späteren Schreibweise, u m die Unabhängigkeit der Exponenten von einander auszudrücken, P = b L k Ci, wobei das Produkt L die Arbeit, C das Kapital, b die Niveaukonstante u n d k u n d j die Produktionselastizitäten von A r b e i t u n d K a p i t a l darstellen. Die i h r zugrunde liegenden A n n a h m e n sind i m wesentlichen die, daß Veränderungen i n der Produktion aus Veränderungen i n den eingesetzten Arbeits- u n d K a p i talmengen allein resultieren. Der Stand des technischen Wissens w i r d als k o n stant angenommen. Die Exponenten k u n d j addieren sich zu 1, konstante Skalenerträge sind also vorgegeben. Es handelt sich damit u m eine linearhomogene F u n k t i o n v o m 1. Grad, d . h . proportionale Vergrößerungen der Faktormengen führen zu proportionalen Vergrößerungen der Produktmengen (vgl. Douglas, Paul H.: The Theory of Wages, 1. Veröffentlichung, New Y o r k 1934, wiedererschienen New Y o r k 1957 (im folgenden zitiert als: Douglas, Paul H.: The Theory), S. 131 ff. u n d Douglas, Paul H.: A r e there Laws of Production?, i n : AER, Vol. 38 (1948), S. 1—41). Die Exponenten k u n d j können unabhängig voneinander bestimmt werden m i t H i l f e von Regressionsanalysen. Cobb gab bezogen auf den 24jährigen Untersuchungszeitraum als „beste" Werte f ü r die Grenzproduktivität von K a p i t a l u n d A r b e i t f ü r k = 0,75 u n d entsprechend f ü r j = 0,25 an (vgl. Douglas, Paul H.: The Theory, S. 133). 108 A u f die unbefriedigende Annahme eines konstanten technischen Wissens hat Douglas selbst hingewiesen; Douglas, Paul H.: The Theory, S. 132. 109 ygi Tinbergen, J.: Z u r Theorie, S. 521.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

73

gungsmengen i m Rahmen einer Produktionsfunktion eindeutig aufzuzeigen, als das verwendete Zahlenmaterial der gegebenen Zeitreihen von u, a und k nicht nur untereinander 1 1 0 , sondern auch m i t dem Trendfaktor e* korreliert. Die einzelnen Größen können also nicht unabhängig voneinander i n ihrem Einfluß auf das Wachstum der Ausbringungsmenge gesehen werden 1 1 1 . Solow, der 1956 an die Überlegungen Tinbergens anknüpft und aus Zweckmäßigkeitsgründen ebenfalls eine CD-Funktion w ä h l t 1 1 2 , umgeht die an die ökonometrische Verifizierung der CD-Funktion mit Hilfe der Regressionsanalyse ansetzende K r i t i k , indem er von der Annahme der Entlohnung der Produktionsfaktoren zu ihren Grenzerträgen ausgeht und aus der Verteilungsstatistik die Werte für die partiellen Produktionselastizitäten von Kapital und Arbeit als Gewichte übernimmt, ohne sie erst selbst aus dem System heraus zu bestimmen 1 1 3 . Dadurch w i r d das Verfahren zur Quantifizierung des technischen Fortschritts einfacher 114 . Allerdings w i r d sein erster Ansatz 1 1 5 wegen der Annahme eines autonomen, exogenen technischen Fortschritts berechtigt kritisiert 1 1 6 . Von Weizsäcker weist zwar darauf hin, daß der technische Fortschritt ja nur insofern autonom ist, als die ihn auslösenden Ideen nicht das Resultat wirtschaftlicher Investitionstätigkeit darstellen und sich unabhängig vom Investitionsprozeß vollziehen 1 1 7 , aber "the striking assumption is that old and new capital equipment participate equally i n technical change. This conflicts w i t h the casual observation that many if not most innovations need to be embodied i n new kinds of durable equipment before they can be made effective. Improvements i n technology affect output only to the extent that these are carried into practice either by net capital formation or by the replacement of old-fashioned equipment 110 Hierauf hat Mendershausen i n einer kritischen Untersuchung der CDF u n k t i o n erstmalig hingewiesen; Mendershausen , Horst: On the Significance of Professor Douglas' Production Function, i n : Econometrica, Vol. 6 (1938), S. 143—153, S. 147 ff. 111 Vgl. Z u r K r i t i k der Verwendung des Regressionsverfahrens zur Berechnung der Parameter i n der makroökonomischen Produktionsfunktion; auch Fleck, Florian H.: Die Messung des technischen Fortschritts, S. 62 f. 112 „ M y calculations could be carried out i n principle w i t h any choice of a production function; the Cobb-Douglas-function enables me to carry them out i n practice"; Solow , Robert M.: Investment and Technical Progress, S. 90. 113 Vgl. Solow , Robert M . : Technical Change, S. 314 f.; Solow, Robert M.: Investment and Technical Progress, S. 89 f. 1 U Vgl. Bombach, G.: Quantitative u n d monetäre Aspekte, S. 186. 115 Vgl. Solow, Robert M.: Technical Change, S. 312—320. 116 Vgl. S. 50 der vorliegenden A r b e i t ; Oppenländer, Karlheinz: Die moderne Wachstumstheorie, i n : Schriftenreihe des Ifo-Instituts f ü r Wirtschaftsforschung Nr. 55, B e r l i n - München 1963, S. 219 ff. 117 Vgl. von Weizsäcker, Carl-Christian: Z u r ökonomischen Theorie, S. 98.

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2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

by the latest models, w i t h a consequent shift i n the distribution of equipment by date of b i r t h . 1 1 8 " Deshalb führt Solow i n sein Modell eine Größe ein, die die Veränderungen der Kapitalstruktur i n Abhängigkeit vom technischen Fortschritt i m Zeitablauf berücksichtigt. M i t der Möglichkeit, den technischen Fortschritt über die Bruttoinvestitionen i n den Kapitalstock einfließen zu lassen, ist eine realistische Beziehung zwischen technischem Fortschritt und Bealkapitalbildung i m Rahmen der Produktionsfunktion hergestellt 1 1 9 . Für die Vereinigten Staaten erhält Solow nach seinen Berechnungen, die er für den Teil des realen Outputs angestellt hat, der aus dem privatwirtschaftlichen Produktionsapparat herrührt („Business-Output"), für den Zeitraum von 1929 bis 1957 unter der Annahme konstanter Skalenerträge eine durchschnittliche Wachstumsrate des „Business-Output" von etwa 3 v. H. jährlich. A n dieser Wachstumsrate sind der technische Fortschritt m i t etwa 1,8 v. H., der Produktionsfaktor Arbeit (gemessen i n vollbeschäftigten Arbeitsstunden) m i t etwa 0,3 v. H. und der Kapitalstock m i t etwa 0,8 v. H. beteiligt 1 2 0 . Das bedeutet, daß durchschnittlich 60 v. H. des wirtschaftlichen Wachstums auf den Einfluß des technischen Fortschritts zurückgeführt werden müssen. Für Deutschland wurde für den Zeitraum 1925 bis 1938 eine durchschnittliche Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts zwischen 3,5 und 4 v. H. ermittelt. Die Anteile des technischen Fortschritts betrugen etwa 2,25 v. H., der Arbeit 0,50 v. H. und des Kapitals 0,75 v. H . 1 2 1 Hier bleibt eine nicht auf das Wachstum der Faktoren Arbeit und Kapital zurückführbare Restgröße, die den Wirkungsanteil des technischen Fortschritts an der durchschnittlichen Wachstumsrate des Sozialprodukts erklärt, von ebenfalls etwa 60 v. H. Für die Bundesrepublik schätzt Krengel i n einem Prognosemodell den A n t e i l des technischen Fortschritts am Wachstum der Produktionskapazitäten aufgrund der Werte von 1958 bis 1964 für die Zeit von 1965 bis 1970 auf über 70 v. H . 1 2 2 Diese Angaben sollen genügen, u m den überragenden Einfluß des technischen Fortschritts auf den industriellen Wachstumsprozeß zu verdeutlichen. 118

Solow , Robert M . : Investment and Technical Progress, S. 91. Solow , Robert M.: Investment and Technical Progress, S. 91 ff.; Solow , Robert M.: Capital Theory, S. 75 f. 120 Vgl. Solow, Robert M.: Capital Theory, S. 78 ff. 121 Vgl. Solow , Robert M.: Capital Theory, S. 82 ff. 122 Vgl. Krengel , Rolf: Technik u n d wirtschaftliches Wachstum, i n : V W , Beiheft zu Nr. 27 v. 8. 7.1966, Technik f ü r morgen, S. 12—14. 119

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

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Der auf diese Weise quantifizierbare technische Fortschritt stellt eine Restgröße 123 dar, unter der alle Einflüsse subsumiert sind, die nicht durch eine Veränderung der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit i m w i r t schaftlichen Wachstumsprozeß erklärt werden können 1 2 4 . Zur weiteren Aufspaltung dieser Restgröße sind verschiedene Wege beschritten worden. So mißt z. B. Denison, auf Solows methodischem Ansatz fußend, den technischen Fortschritt nicht aufgrund von Qualitätsveränderungen i m Kapitalstock, sondern i m Arbeitsinput 1 2 5 , und Niitamo führt i n seine CD-Funktion, die er für die finnische Industrie aufstellt, zusätzlich zu den Variablen Arbeit und Kapital, den Stand des technischen Wissens, der die Wirkungen von Ausbildung, Forschung und Erfindungen angibt, und auch den Einfluß unterschiedlicher Ausnutzungsgrade der Betriebskapazitäten als selbständig erklärende Variable ein 1 2 6 . I n einem Viel-Sektoren-Modell versucht Johansen die Einflüsse, die von Veränderungen i n der Kapitalbildung, i m Arbeitsinput, i n der Zahl der Verbraucher, i n Veränderungen der exogenen Nachfrage sowie von Veränderungen des Preisniveaus bei Nicht-Wettbewerbsimporten und vom technischen Fortschritt auf das wirtschaftliche Wachstum ausgehen, zu quantifizieren 127 . Neben den Quantifizierungsansätzen m i t Hilfe von Produktionsfunktionen 1 2 8 ist die Rate des technischen Fortschritts auch durch einfache Differenzberechnungen der totalen Mengenproduktivitäten errechnet worden. Ist der Produktionszuwachs i n der Referenzperiode (gegenüber einer Basisperiode) größer als die Summe aus der Zuwachsrate der mengenmäßigen Arbeit (in physikalischen Einheiten gemessen, bewertet m i t dem Durchschnittslohn der Basisperiode) und der Zuwachsrate des K a pitalsstocks (bewertet m i t der durchschnittlichen Netto-Ertragsrate der Basisperiode), gibt die Differenz den Einfluß des technischen Fortschritts auf die reale Veränderung des Sozialproduktes an 1 2 9 . Hier ist der tech123

Vgl. von Weizsäcker, Carl-Christian: Wachstum, S. 43. Vgl. Bombach, G.: Quantitative u n d monetäre Aspekte, S. 184; Riese, H a j o : Mittelfristiges wirtschaftliches Wachstum u n d neoklassische Wachstumstheorie, i n : Kyklos, Vol. X V I I (1965), S. 80—106, S. 103. 125 Vgl. Denison, E. F.: The Sources of Economic G r o w t h i n the United States and the Alternatives before Us, New Y o r k 1962, S. 67 ff. u n d 266 ff. 126 Vgl. Niitamo, O. E.: Z u r P r o d u k t i v i t ä t s f u n k t i o n der finnischen Industrie, i n : W W A Bd. 86 (1961,1), S. 86—102, S. 95 ff. 127 Vgl. Johansen, L e i f : A Multi-sectoral Study of Economic Growth, Amsterdam, 2. A u f l . 1964, S. 131 ff. u n d 158 ff. 128 Außer m i t C D - F u n k t i o n e n sind auch Überlegungen m i t allgemeineren Produktionsfunktionen angestellt worden; vgl. z.B. Scheper, W i l h e l m : Produktionsfunktionen m i t konstanten Substitutionselastizitäten, i n : JbfNuSt., Bd. 177 (1965), S. 1—21, S. 6 ff. 129 Vgl. Kendrick, J. W.: Productivity Trends i n the United States, NBER, Princeton 1961, S. 6 ff. Z u r Einengung dieser globalen Restgröße erweitert Fleck diesen Ansatz u m die Größen der L e r n - u n d Fortschrittskosten, die den 124

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2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

nische Fortschritt m i t der Produktivitätssteigerung identisch, eine Trennung zwischen Faktorsubstitutionsvorgängen und technischem Fortschritt also nicht möglich. Riese 130 weist aber m i t Recht darauf hin, daß die Unterschiede i n den Ergebnissen zwischen der marginalen (Ansatz m i t CD-Funktion) und der durchschnittlichen Messungsmethode (NBER-Ansatz) über langfristige Untersuchungszeiträume hinweg — etwa über 50 Jahre — nicht von entscheidender Bedeutung sind. A l l e n Versuchen und methodischen Ansätzen zur Quantifizierung des technischen Fortschritts ist die Aussage der überragenden Bedeutung dieser Größe für den wirtschaftlichen Wachstumsprozeß gemeinsam, auch dann, wenn dieser Begriff sich allein auf den enger gefaßten des technologischen Fortschritts — die anderen Einflußgrößen absorbiert — beschränkt 131 . Damit sind die Bedeutung des technischen Fortschritts und der Investitionen i m wirtschaftlichen Wachstumsprozeß und die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen konkretisiert. Es wurde aufgezeigt, daß der technische Fortschritt i n hochindustrialisierten Volkswirtschaften die für den langfristigen industriellen Entwicklungsprozeß maßgebende Größe darstellt. Nicht die Investitionen an sich, sondern der durch sie zu realisierende technische Fortschritt gibt bestimmend das Ausmaß der industriellen Entwicklung an. Nunmehr bedarf das Problem der Beteiligung der einzelnen Industriezweige am Zustandekommen des gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritts einer näheren Erörterung. Gemäß der dieser Arbeit zugrunde liegenden Aufgabe, den Beitrag und die Bedeutung der Elektroindustrie für den Prozeß der industriellen Entwicklung zu untersuchen, ergibt sich hieraus wiederum die Frage nach der Möglichkeit einer Bestimmung des Beitrages der Elektroindustrie zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt.

Einfluß des Bildungskapitals auf das Sozialprodukt absorbieren sollen, den Ausnutzungsgrad, m i t dem die unterschiedliche Ausnutzung der Anlagekapazitäten berücksichtigt werden soll, u n d u m eine Strukturkomponente, die den Einfluß der unterschiedlichen Streuung der Rate des technischen F o r t schritts über die verschiedenen Bereiche der Volkswirtschaft hinweg auf das Sozialprodukt erfassen soll; Fleck , F l o r i a n H.: Die Messung des technischen Fortschritts, S. 30 ff. 130 Vgl. Riese , H.: Strukturprobleme des wirtschaftlichen Wachstums, Basel 1959, S. 2 u n d 29 f. 131 Vgl. Correa , H., a.a.O., S. 150,162,172.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

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I I . Die Bestimmung des Beitrages eines einzelnen Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt 1. Die Grenzen gesamtwirtschaftlicher Messungsmethoden zur Bestimmung des aktiven Beitrages eines Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt

Der Beitrag jedes Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt innerhalb einer Referenzperiode setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Die eine besteht i n der Fähigkeit, i n ausreichendem Maße wissenschaftliche und technische Kenntnisse, die zur Schaffung neuer oder verbesserter Produkte erforderlich sind, verfügbar zu machen und sie i n marktgängige Produkte umzusetzen. Diese Komponente stellt den eigentlichen schöpferischen Beitrag eines Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen Fortschritt dar und soll deshalb als sein aktiver Beitrag zum technischen Fortschritt bezeichnet werden. Da aus der Sicht des einzelnen Industriezweiges dieser Beitrag sich nur über die „Kreation" neuer oder verbesserter Produkte realisieren läßt, ist i m angelsächsischen Sprachraum hierfür der Begriff „product-technology" (Produkt-Technologie) geprägt worden 1 3 2 . Die zweite Komponente des Beitrages der Unternehmen eines Industriezweiges zum technischen Fortschritt besteht i n der Realisierung von technischen Fortschritten durch Änderungen i n den angewandten Produktionsverfahren oder Produktionstechniken. Derartige Durchsetzungsmöglichkeiten von technischen Fortschritten erfordern i n der Regel neue Investitionsgüter, d. h. Inputs aus anderen Unternehmen, oft anderer Industriezweige 1 3 3 . Hierfür ist der Begriff der „production-technology" (Produktions-Technologie) analog dem der „Produkt-Technologie" geprägt worden. Dieser Beitrag eines Industriezweiges soll als sein passiver Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt bezeichnet werden, da der Industriezweig selbst nicht schöpferisch an seiner Gestaltung mitgewirkt hat, vielmehr das geistige und schöpferische 132 Y g i Schmookler, Jacob: I n v e n t i o n and Economic Growth, Cambridge/ Mass. 1966 (im folgenden zitiert als: Schmookler, Jacob: Invention), S. 88. iss D e r Unterschied zwischen Produktionstechniken u n d Produktionsverfahren ist darin zu sehen, daß die Einführung einer neuen Produktionstechnik immer den Einsatz neuer Sachkapitalgüter i m Produktionsapparat erfordert, während neue Produktionsverfahren auch m i t dem überkommenen P r o d u k tionsapparat durchgeführt werden können. Allerdings ist dies n u r i n sehr beschränktem Umfang ohne Beeinträchtigung der Produkt-Technologie möglich. E i n daraus resultierender schöpferischer Beitrag zum technischen F o r t schritt ist möglich, soll aber nicht getrennt behandelt werden, da es hier n u r auf die Darstellung der hauptsächlichen Einflußgrößen ankommt. Auch wären h i e r m i t keine grundsätzlich anderen ökonomischen Aussagen verbunden.

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§ 2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Potential anderer Unternehmen oder Industriezweige i n Form von I n vestitionsgütern beansprucht worden ist 1 3 4 . Es ist leicht zu sehen, daß die Verbesserungen i n der Produktions-Technologie eines Unternehmens Fortschritte i n der Produkt-Technologie meistens eines anderen voraussetzen, daß weiterhin ein Unternehmen i n einer Heferenzperiode sowohl einen aktiven als auch einen passiven Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt leisten kann. Wenn aber — und das ist die Hegel — ein Unternehmen (oder Industriezweig) gleichzeitig über seine Produkt- und Produktions-Technologien zum technischen Fortschritt beiträgt, dann kann nicht dieser gesamte Effekt als sein schöpferischer Beitrag zum technischen Fortschritt gewertet werden, sondern nur der Anteil, der auf seinen aktiven Beitrag entfällt 1 3 5 . Eine derartige Differenzierung macht aber die Anwendung der gesamtwirtschaftlichen Quantifizierungsmethoden des technischen Fortschritts unmöglich. Die gesamtwirtschaftlichen Messungsmethoden, auf sektorale Verhältnisse transponiert, erlauben nur den Ausweis des technischen Fortschritts i n einer Größe. Eine Trennung nach aktiven und passiven Beiträgen kann nicht vorgenommen werden. Die Aussage über die Gestaltungskraft eines Industriezweiges i m Erzeugungsprozeß des gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritts setzt aber die Bestimmung seines aktiven Beitrages voraus. Es müssen daher andere Maßstäbe zur Beurteilung herangezogen werden.

2. Einzelwirtschaftliche Indikatoren zur Bestimmung des aktiven Beitrages eines Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt a)

Produkt-Koeffizienten

Die theoretisch korrekteste Form, den aktiven Beitrag einzelner I n dustriezweige zum technischen Fortschritt zu ermitteln, wäre die Entwicklung eines Koeffizienten für jedes hergestellte Produkt, der die technisch-ökonomische Effizienz jedes Gutes i n allen seinen Verwendungsbereichen angibt. Die Absatzmengen jedes Produktes innerhalb eines beliebigen Rechnungszeitraumes multipliziert m i t dem jeweils 184 Diese Überlegungen machen ebenfalls deutlich, daß zur Beurteilung der Fähigkeit einzelner Industriezweige zur Gestaltung des technischen F o r t schritts n u r der „embodied technical progress" herangezogen werden kann. 185 So stellt auch Schätzle v ö l l i g zu Recht fest, daß die „Fortschrittlichkeit" eines Industriezweiges nicht an H a n d der Steigerung der Arbeitsproduktivität gemessen werden kann, denn „ f ü r die Fortschritte i n der Verfahrenstechnik (des eigenen Produktionsprozesses, d. V.) sind meist andere Industriezweige verantwortlich". Schätzle , Gerhard: Forschung u n d E n t w i c k l u n g als u n t e r nehmerische Aufgabe, i n : Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Bd. 22, K ö l n - Opladen 1965, S. 53.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

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gültigen Koeffizienten würden dann den aktiven Beitrag des einzelnen Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt angeben können und somit das Gesamtgewicht des einzelnen Zweiges am Ganzen anzeigen. Die praktischen Schwierigkeiten, die sich einer solchen Ermittlung in den Weg stellen, sind aber unüberwindbar. Ein solcher Versuch setzt zumindest voraus, daß jedes einzelne Unternehmen zunächst klar zwischen den ökonomischen Ergebnissen der Fortschritte i n seinen ProduktTechnologien und seinen Produktions-Technologien differenzieren kann. Darüber hinaus genügt es nicht, den jeweiligen Leistungsgrad der einzelnen Produkte zu kennen und aufgrund realisierter Verbesserungen den Koeffizienten zu bestimmen; vielmehr muß die Streuung über unterschiedliche Einsatzbereiche berücksichtigt werden, i n denen das Produkt m i t unterschiedlicher Intensität i n Anspruch genommen werden kann und deshalb recht unterschiedliche Beiträge zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt leistet 1 3 6 . Das Produktionsprogramm der Elektroindustrie umfaßt allein rd. 100 000 Einzelerzeugnisse des Investitions- und Konsumgüterbereichs 137 , für die aufgrund möglicher Zusammenfassungen zwar nicht i m einzelnen ein Produkt-Koeffizient ermittelt zu werden braucht, aber die Vorstellung, daß aus Abstimmungsgründen für alle Industriezweige derartige Produkt-Koeffizienten ermittelt werden müßten, läßt die Zahl der zu erstellenden Koeffizienten i n eine Größenordnung wachsen, die eine Realisierung aus praktischen Erwägungen heraus unmöglich macht. Es sind daher andere Maßstäbe heranzuziehen, die allerdings gegenüber Produkt-Koeffizienten theoretisch an Aussagekraft einbüßen, denen dafür aber beim Versuch ihrer Verifizierung nicht unüberwindbare Schwierigkeiten entgegenstehen und denen immerhin ein hoher Aussagewert zukommt. b) Die Determinanten des Erzeugungsprozesses des technischen Fortschritts als Indikatoren

aa) Der ökonomische Charakter der Determinanten Der bisherige Ablauf des Industrialisierungsprozesses macht einen immer stärkeren Einsatz der Geisteskräfte des arbeitenden Menschen offenkundig und läßt eine zunehmende Inanspruchnahme des geistigen 136 E t w a zu errechnende M i t t e l w e r t e müßten laufend korrigiert werden, denn der i n den Produkten verkörperte potentielle technische Fortschritt muß nicht m i t dem realisierten übereinstimmen. 187 Vgl. Lepsius, M . Rainer: Elektrotechnische Industrie, i n : Aspekte der Automation, Veröffentlichungen der List-Gesellschaft e. V., Bd. 16, Reihe C, hrsg. von H a r r y W. Zimmermann, Basel 1960, S. 3—40, S. 5.

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2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Potentials aller Volkswirtschaften auch für die weitere Zukunft erkennen. Diese zunehmende geistige A k t i v i t ä t steht m i t der Notwendigkeit zur Erzeugung von technischen Fortschritten zur Ermöglichung eines wirtschaftlichen Wachstumsprozesses i n engem Zusammenhang. Denn die kontinuierliche Verwirklichung von technischen Fortschritten setzt ständiges Denken des Menschen und eine fortwährende Ausweitung seines Erkenntnishorizontes voraus. Solange der Industrialisierungsprozeß von technischen Fortschritten aufgrund von Erfindungen Einzelner maßgeblich getragen wurde, wie es i m 19. Jahrhundert und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu beobachten ist, lag der Rückschluß nahe, die Bemühungen, Erfindungen zu machen, die die Voraussetzung zur Verwirklichung von technischen Fortschritten darstellen, als außerökonomische Vorgänge zu betrachten. Diese Auffassung spiegelt sich i n Schumpeters Theorie von der wirtschaftlichen Entwicklung deutlich wider, die nur i n der Durchsetzung der neuen Kombination i m Produktionsprozeß durch den dynamischen Unternehmer einen ökonomischen Tatbestand erblickt und die Entstehungsseite der Neuerung nicht weiter berücksichtigt 138 . Der Erfindung als einem außerökonomischen Faktor w i r d sogar — m i t einem Hinweis auf die Entwicklung i n der Antike und i m Mittelalter — jeglicher Einfluß auf das Wirtschaftsleben abgesprochen 139 , denn sie bringt „keine wirtschaftlich bedeutungsvolle W i r kung h e r v o r " 1 4 0 und ist deshalb „ f ü r die wirtschaftliche Analyse ohne Bedeutung" 1 4 1 . Schumpeters Meinung setzt sich über Keirstead, der die Erfindung (invention) als eine reine wissenschaftliche und technische Angelegenheit ansieht und diese scharf von dem ökonomischen Faktum der Neuerung (innovation) unterscheidet 142 , bis i n die moderne makroökonomische Wachstumstheorie fort, i n der die Entstehungsseite des technischen Fortschritts noch nicht durch systemimmanente ökonomische Größen erklärt wird, stattdessen von exogener und autonomer Herkunft des technischen Fortschritts explizit ausgegangen w i r d 1 4 3 . Daß es unter konsequenter Aufrechterhaltung dieser Auffassung noch zu keiner, auch die Entstehungskomponenten des technischen Fortschritts i n befriedigender Weise berücksichtigenden ökonomischen Theorie vom technischen Fortschritt gekommen ist, obgleich das mathematische Rüstzeug durchaus zur Verfügung stehen dürfte, zeigt, daß offensichtlich andere Wege beschritten werden müssen. 138 139 140 141 142 143

Vgl. Schumpeter , Joseph: Theorie, S. 129. Vgl. Schumpeter , Joseph: K o n j u n k t u r z y k l e n , Bd. I, S. 15. Schumpeter , Joseph: K o n j u n k t u r z y k l e n , Bd. I, S. 91. Schumpeter , Joseph: K o n j u n k t u r z y k l e n , Bd. I, S. 92 ff. Vgl. Keirstead , B. S., a.a.O., S. 133. Vgl. S. 73 der vorliegenden Arbeit.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

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Insbesondere zwei historische Erscheinungen lassen die herkömmliche Auffassung als zweifelhaft erscheinen: (1) Ideen als Ausgangspunkte jeden technischen Fortschritts lassen sich i n der Regel nicht ohne Zuhilfenahme sachlicher Hilfsmittel i n Form von Einrichtungen und Werkzeugen sowie Roh- und Hilfsmaterialien i n Erfindungen umsetzen, ganz abgesehen vom Zeitaufwand für die Aneignung der hierzu erforderlichen Kenntnisse. I m Gegensatz zum Wissenschaftler i n der zweckfreien Forschung, arbeitet der Erfinder unter mehr oder minder gezieltem Einsatz der i h m oft nur beschränkt zur Verfügung stehenden M i t t e l auf ein durch die Idee vorgestecktes Ziel hin. A l l e i n hierdurch ist er als Wirtschaftssubjekt i n den W i r t schaftskreislauf integriert. I m 19. Jahrhundert, aber auch noch i m 20. Jahrhundert beruht ein bedeutender Teil des realisierten technischen Fortschritts auf Erfindungen von Einzelerfindern, die, wie die Lebensgeschichten aufzeigen, ihre erfinderische Betätigung — ob i n unabhängiger oder unter Vertrag stehender Stellung — i n der Regel zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil haben nutzen können 1 4 4 . Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Ausweitung des urheberrechtlichen Schutzes für Erfindungen i n Form von Patenten i m 19. Jahrhundert zu verstehen 145 , denn solange an Erfindungen keine zielgerichteten wirtschaftlichen Interessen geknüpft wurden, wie es für die Antike und das Mittelalter noch kennzeichnend ist, bestand auch kein allgemeines Interesse an ihrem rechtlichen Schutz. (2) Der Prozeß der industriellen Entwicklung hat einen Wandel i m Charakter der Erfindungen und damit i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts m i t sich gebracht. Während i n den Anlauf- und Ausreifungsphasen der industriellen Entwicklung — als es galt, die grundlegenden technischen Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen und i n Anfängen zu realisieren — der Einzelerfinder i m Vordergrund des Prozesses stand, ist i m Zuge zunehmender Verwissenschaftlichung der Technik eine Verlagerung des Erfindungsprozesses i n den institutionellen Bereich der Wirtschaft eingetreten. So wurden beispielsweise i n den USA i m Durchschnitt der Jahre 1901 und 1906 81,4 v. H. der genehmigten Patente von Einzelerfindern eingereicht und nur 18,6 v. H. von Unternehmungen. I m Durchschnitt der Jahre 1956 bis 1960 aber nur noch 36,4 v. H. von Einzelerfindern und 63,6 v. H. von Unternehmungen 1 4 6 . 144 Vgl. Jewkes, John; Sawers, D a v i d ; Stillerman, Richard: The Sources of Invention, 5. verb. Aufl., London - New Y o r k 1962, S. 83 ff., 93 ff. 145 Vgl. Machlup, F r i t z : Erfindung u n d technische Forschung, i n : HdSW, 3. Bd., Stuttgart - Tübingen - Göttingen 1961, S. 280—291, S. 283. 146 Bei dieser A u f t e i l u n g ist ein auf den Staat entfallender A n t e i l der genehmigten Patente i m Durchschnitt der Jahre 1956—1960 i n Höhe von ca. 2 bis 3 v. H. nicht berücksichtigt; vgl. Historical Statistics of the United States,

6 Schulz-Hanfien

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§ 2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten M i t dem Übergang zur Institutionalisierung des Erzeugungsprozesses des technischen Fortschritts i m Bereich des Wirtschaftslebens unterstehen aber zwangsläufig alle erfinderischen Anstrengungen dem rational-ökonomischen Prinzip. Denn Erfindungen zu machen, kann i n den Unternehmungen nicht Selbstzweck sein, vielmehr sind die dazu erforderlichen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen ein Instrument der allgemeinen Unternehmenspolitik, das zur Schaffung neuer Wettbewerbsdaten oder zur Anpassung an sich wandelnde Wettbewerbsverhältnisse i m Hinblick auf die Erhaltung und Vergrößerung der Stellungen der Unternehmen i m Industrialisierungsprozeß teleologisch eingesetzt w i r d 1 4 7 .

Damit w i r d aber auch zwangsläufig der Erfindungsvorgang von den Veränderungen i m technischen Wissensstand, die nur durch oft erhebliche Forschungsanstrengungen herbeigeführt werden können 1 4 8 , bis h i n zur Realisierung der Erfindung i n einer Neuerung, zu einem „inneren Faktor" i n der Schumpeterschen Diktion, d. h. zu einer endogenen Variablen i m ökonomischen System, denn die m i t den Entwicklungsanstrengungen verbundenen Kosten werden m i t den zu erwartenden Erträgen bewußt i n ein ökonomisch zu vertretendes Verhältnis gebracht, wobei letztere ausschließlich von der Nachfrage abhängen 149 . Zur Klärung der Frage nach den ökonomischen Bestimmungsgründen i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts w i r d auch heute noch notwendigerweise der Weg der qualitativen Untersuchung beschritten, weil einerseits die den Prozeß steuernden Komponenten (Daten des erfinderischen Inputs) i n ihrem Einfluß auf die Gestaltung des technischen Fortschritts noch nicht i n der erforderlichen Exaktheit abgegrenzt werden können, und andererseits auch keine genügend aussagefähige Statistik als Ausgangspunkt für eine quantitative Beurteilung der Ergebnisse (Daten des erfinderischen Outputs) des von Industriezweig zu I n dustriezweig unterschiedlich erzeugten technischen Fortschritts existiert 1 5 0 . So lehnen sich die Studien, die die wirtschaftlichen BestimColonial Times to 1957, Series W 70 u n d W 71, u n d folgende Serien zitiert nach Schmookler, Jacob: Invention, S. 26. 147 Vgl. zum instrumentalen Charakter von Forschung u n d Entwicklung i m Unternehmensbereich Schätzte, Gerhard, a.a.O., S. 134 ff., insbesondere S. 139 f. 148 Vgl. z . B . Edisons erfinderische Anstrengungen, die zur E i n f ü h r u n g des Glühlichts führten bei Zischka, A n t o n : Pioniere der Elektrizität, V o m B e r n stein bis zum Zyklotron, Gütersloh 1958, S. 259 ff.; Bright, A r t h u r A . Jr.: The Electric-Lamp Industry. Technological Change and Economic Development f r o m 1800 to 1947, New Y o r k 1949, S. 56 ff. oder die Forschungsanstrengungen zur Nutzbarmachung der Atomenergie bei Jewkes, John; Sawers, D a v i d ; Stillerman, Richard, a.a.O., S. 75 ff. 149 Vgl. Schmookler, Jacob: Economic Sources of I n v e n t i v e A c t i v i t y , i n : JEH, Vol. 22 (1962), S. 1—20, S. 1 ff. u n d S. 18 f. 150 Vgl. Kuznets, Simon: Inventive A c t i v i t y : Problems of Definition and Measurement, i n : The Rate and Direction of Inventive A c t i v i t y : Economic and Social Factors, hrsg. von NBER, 3. Aufl., Princeton 1967, S. 19—51, S. 31 ff.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

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mungsgründe des Entstehungsprozesses des technischen Fortschritts i m Bereich der volkswirtschaftlichen Produktion zu ergründen suchen, auch eng an die historisch feststellbaren Zusammenhänge an 1 5 1 . Dabei werden vor allem diejenigen Produktionszweige analysiert, von denen bereits der bloße Augenschein eine existenznotwendige Verbindung zwischen Erfindung und Produktionsbeginn vermuten läßt. Hier sind u. a. die A r beiten von B r i g h t 1 5 2 , Maclaurin 1 5 3 und die auf breiterer empirischer Basis angelegten Untersuchungen von Jewkes-Sawers-Stillerman zu nennen 154 » 1 5 5 . Während diesen empirischen Studien als Kernproblem die Frage nach den historisch feststellbaren Bedingungen, unter denen sich der Entstehungsprozeß von technischen Fortschritten — konkretisiert i n dem Weg von der Entstehung der Erfindungen bis zu ihrem Niederschlag i n Neuerungen — i m Bereich der industriellen Produktion vollzog, gemeinsam ist, also die angebotsseitigen Faktoren des Prozesses i m Mittelpunkt stehen, baut Schmookler auf stärker theoretisch fundierte Fragestellungen seinen Nachweis über die Abhängigkeit der Richtung des technischen Fortschritts von vorwiegend nachfrageseitigen Faktoren — zumindest i n der Kapitalgüterindustrie — auf 1 5 8 . Damit ist eine weitere Komponente i n die Untersuchungen eingeführt, durch deren Einfluß der Prozeß nicht unwesentlich gestaltet sein dürfte. Der Versuch zur Bestimmung des Beitrages eines einzelnen Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt muß daher nach Möglichkeit beide Seiten des Problemkreises umfassen, soll eine realitätsnahe Aussage damit verbunden werden. bb) Die Entstehungsphasen des Erzeugungsprozesses des technischen Fortschritts Technischer Fortschritt i m hier definierten Sinne kann nur über die Produktion von Gütern erzeugt werden. Die Produktion von Gütern setzt Kenntnisse über die dem Produkt als Ausgangspunkt dienende Materie bzw. Energie und über die jeweiligen Herstellungsverfahren 151 Vgl. Maclaurin, W. Rupert: Technological Progress i n Some American Industries, i n : AER, papers and proceedings, Vol. 44 (1954), S. 178—189, S. 188. 152 Vgl. Bright, A r t h u r A . Jr., a.a.O. Change and Economic Development f r o m 1800 to 1947, New Y o r k 1949. 163 Vgl. Maclaurin, W. Rupert: I n v e n t i o n and Innovation i n the RadioIndustry, New Y o r k 1949. 154 Vgl. Jewkes, John; Sawers, D a v i d ; Stillerman, Richard, a.a.O. 155 Die Fortsetzung dieser Bemühungen sind heute — allerdings i n überwiegend theoretischer Ausrichtung — i n den Economics of R & D zu sehen; vgl. Minasian, Jora R.: The Economics of Research and Development, i n : The Rate and Direction of I n v e n t i v e A c t i v i t y : Economic and Social Factors, hrsg. von NBER, 3. Aufl., Princeton 1967, S. 93—141, S. 94 ff. u n d S. 140 f. 156 Vgl. Schmookler, Jacob: Invention, Kap. 5,6 u n d 7.

ö*

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2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

voraus. Diese Produktionskenntnisse stellen — wie bereits dargelegt — die Technologien der Produktionsprozesse dar. Sie beinhalten die notwendigen wissenschaftlichen, technischen und erfinderischen Voraussetzungen zur Aufnahme der Produktion. Technischer Fortschritt setzt technologischen Fortschritt voraus, der nach der Definition Schmooklers aus Entdeckungen i n den angewandten Wissenschaften, Entdeckungen i n der Technik, Erfindungen und Suberfindungen hervorgeht. Als den technologischen Fortschritt unmittelbar antreibende und i h n erzeugende Kräfte sollen die Forschung, die Entwicklung und die erfinderische A k tivität angesehen werden 1 5 7 . Diese Kräfte können sich außerhalb oder innerhalb des Produktionsprozesses einer Volkswirtschaft entfalten. Da technischer Fortschritt langfristig sich aber nur i n Gütern verkörpert durchsetzen kann 1 5 8 , müssen alle Anstrengungen, die dazu beigetragen haben, ihn zu erzeugen, sich i m Produktionsbereich einer Volkswirtschaft i n irgendeiner Form niederschlagen. Der Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts kann deshalb folgendermaßen schematisch dargestellt werden: Die Grundlagenforschung des industriellen Bereiches, die sowohl I m pulse vom Außenbereich der volkswirtschaftlichen Produktion erhält als auch solche dorthin erteilen kann, kann Anregung zur zweckgerichteten Forschung i m Bereich der angewandten Wissenschaften i m I n dustriesektor geben. Ebenso kann die industrielle Forschung i m Bereich der angewandten Wissenschaften ihre Impulse aus dem Außenbereich der volkswirtschaftlichen Produktion erhalten und auch selbst dorthin ausstrahlen, genauso wie die erfinderische A k t i v i t ä t . Entwicklung dagegen findet, wenn hierunter nur die Verbesserung einer bereits vorhandenen Idee, und nicht die Spanne von der Konzeption der Idee bis zu ihrer Produktionsreife verstanden wird, i n der Regel nur i m Innenbereich der volkswirtschaftlichen Produktion statt. Als unmittelbare Voraussetzung des technischen Fortschritts ist der technologische Fortschritt anzusehen. Seine Elemente können ökonomisch von Bedeutung oder irrelevant sein, ökonomisch relevante Entdeckungen i n angewandten Wissenschaften und i n der Technik induzieren erfinderische Aktivitäten, die aber auch unabhängig davon autonom fungieren. Erfindungen stellen das Ergebnis dieser Aktivitäten dar, die nun direkt zu Neuerungen führen. Von dort aus kann es durch (Weiter-) Entwicklungen der vorhandenen Ideen, aus denen dann den Ursprungserfindungen nachgelagerte Suberfindungen hervorgehen, zu RoutineNeuerungen kommen. Betrachtet man nur das erstmalige Durchsetzen des den technologischen Fortschritt verkörpernden Produktes als Neuerung, dann ist für jede weitere Anwendung noch der Begriff der Imita157 158

Vgl. Schmookler, Jacob: Invention, S. 5 ff. Vgl. S. 71 der vorliegenden Arbeit.

Technischer

Elemente des technischen Fortschritts:

schritts:

fS.

en

Elemente des irrelevant: technolo-

Technologien erzeugende Kräfte:

Innenbereich d. Volkswirtschaftlichen Produktion:

Außenbereich d. Volkswirtschaftlichen Produktion: A

angewandte Forschung

Fortschritt:

——

angew. Wissenschaften

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angew. /

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/

/

^

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/

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, V Imitationen ^ ^

erfinderische Aktivität

Routineneuerungen . \ / • \ / Imitationen^ / ^^ technischen Fortschritt

Neuerungen

/

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y2

Entwicklung Aktivität ^^ induziert / /

Technik / Yr Erfindungen

Forschung erfinderische ^^—-—^^ • ¿f^ ^ y Grundlagen. angewandte Forschung ^ Forschung «l — >Jr ökonomisch ökonomisch relevant: / / Entdeckungen in: Entdeckungen in:

A

A

GrundlagenForschung

Der Entstebungsprozeß des technischen Fortschritts

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

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2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

tion einzuführen 1 5 9 . Damit sind zugleich die Elemente des technischen Fortschritts erfaßt und seine Entstehungskette i m Bereich der volkswirtschaftlichen Produktion aufgezeigt. Diese Entstehungskette deckt eine Reihe von quantitativ erfaßbaren Daten auf, die geeignet sind, interindustrielle Unterschiede i n der Affinität der einzelnen Industriezweige zum technischen Fortschritt zu erklären. W i r d der Begriff der erfinderischen A k t i v i t ä t wegen der heute weitgehend feststellbaren Interdependenz m i t Forschungs- und Entwicklungsarbeiten i n seiner weiteren Bedeutung als die Tätigkeit zur Erzeugung von Technologien schlechthin aufgefaßt 160 , dann kann der Umfang der erfinderischen A k t i v i t ä t gleichgesetzt werden m i t der Fähigkeit eines Unternehmens oder eines Industriezweiges zur Erzeugung von technischen Fortschritten. Die Fähigkeit eines Unternehmens oder eines ganzen Industriezweiges zur Erzeugung von technischen Fortschritten hängt einerseits von seinen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen ab, also von angebotsseitigen Bemühungen zur Erzeugung von technologischen Fortschritten, zugleich aber auch von der Anerkennung und Wertschätzung der Ergebnisse dieser erfinderischen Anstrengungen durch die Nachfrage und damit von der Distributionsfähigkeit seiner technologischen Fortschritte. Die angebotsseitigen Faktoren sind dabei letztlich durch die jeweiligen Anstrengungen der Industrien i m Bereich der Forschung und Entwicklung determiniert, die wiederum von den erfinderischen Möglichkeiten, d. h. dem technischen Horizont des Industriezweiges, den Unternehmensgrößen und der Marktform abhängen. Die Nachfrageseite ist für die Fähigkeit der Industriezweige zur Erzeugung von technischen Fortschritten insofern von Bedeutung, als die den technologischen Fortschritt verkörpernden Produkte von ihr akzeptiert werden müssen i n einer Größenordnung, die langfristig den m i t der Erzeugung des technologischen Fortschritts verbundenen Aufwand m i n destens deckt. Dabei ist der Umfang der Verbreitung der technologischen Fortschritte eines Industriezweiges von dem Ausmaß bestimmt, zu dem diese zur Befriedigung des allgegenwärtigen Bedarfs nach Produktivitätsfortschritten einerseits und zur Befriedigung von Verbraucherbedürfnissen andererseits beitragen. Die nachstehende systematische Darstellung zeigt die i n diesem Zusammenhang zu betrachtenden Komponenten auf 1 6 1 . 159

Vgl. Schumpeter, Joseph: K o n j u n k t u r z y k l e n , Bd. I , S. 108 f. s. zum enger gefaßten Begriff, unter dem n u r die Formulierung der Haupteigenschaften eines neuen Produktes oder Verfahrens subsumiert w i r d : Schmookler, Jacob: Invention, S. 8 f. 181 Vgl. hierzu einen anderen methodischen Ansatz von Schmookler; Schmookler , Jacob: Changes of I n d u s t r y and i n the State of Knowledge as 160

Erfinderisehe Möglichkeiten (Umfang der ProduktTechnologien)

Ansprüche der Nachfrage

angebotsseitige Faktoren

nachfrageseitige Faktoren

Unter- MarktNachfrage Nachfrage nehmens- form nach nach große Produktiv!höherer tätsfortBedürfnisschritten befriedigung (Kapitalgut(Konsumgutnachfrage) nachfrage)

Forschungsund Entwicklungsanstrengungen

Faktoren zur Bestimmung der Fähigkeit einzelner Industriezweige, technische Fortschritte zu erzeugen (Determinanten der erfinderischen Aktivität)

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts 87

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2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Die Frage, von welcher der beiden Seiten die Richtung des technischen Fortschritts maßgeblich bestimmt wird, kann nicht zugunsten der einen oder anderen beantwortet werden. Schumpeter ist der Meinung, daß Neuerungen i n die Wirtschaft i n der Regel durch die Initiative der Produktionsseite, die dem Konsumenten neue Bedürfnisse anerzieht, eingeführt werden; ein umgekehrter Nexus w i r d von i h m nicht ganz ausgeschlossen, ist aber ohne Belang 1 6 2 . Auch Scherer weist darauf hin, daß i n den wissenschaftlich-technisch basierten Industriezweigen ein starker Impuls von den technologischen Möglichkeiten dieser Industriezweige auf den von ihnen hervorgebrachten technologischen Fortschritt ausgeht, und interindustrielle Unterschiede i m erfinderischen Output ihre hauptsächliche Ursache i n unterschiedlichen „technological opportunities" haben 1 6 3 . Schmookler kommt dagegen zu dem Ergebnis, daß zumindest i m Kapitalgutsektor von der nachfrageseitigen Wertschätzung technischer Erfindungen ein starker Einfluß auf die erfinderische A k t i v i t ä t ausgehen muß, denn wie auch der langfristig S-förmige Verlauf der Wachstumskurve eines Gutes oder Industriezweiges durch Nachfrage- und nicht durch Angebotsbedingungen bestimmt wird, so bestimmen auch die nachfrageabhängigen Ertragsbedingungen ganz wesentlich die Richtung der erfinderischen A k t i v i t ä t 1 6 4 . Diese Aussage hat auch auf dem Konsumgutsektor, wenngleich m i t Einschränkungen, ihre Gültigkeit 1 6 5 . Die Geschichte des Industrialisierungsprozesses zeigt denn auch, daß die Entscheidung darüber, welche Richtung der technische Fortschritt langfristig einschlägt, von der Nachfrageseite getroffen wird, denn sie wählt aus unter den technologische Fortschritte verkörpernden Produkten. Bevor die Nachfrage aber auswählen kann, muß ein Güterangebot vorhanden sein, das technologischen Fortschritt repräsentiert. Da die Nachfrageseite über die Zusammenstellung dieses Güterangebots bestenfalls i m Kapitalgutsektor den Anbietern einen größeren Anhaltspunkt bietet, der einerseits i n der bisherigen Investitionsverteilung zu sehen ist, und andererseits darin, daß i m Kapitalgutsektor rein ökonomisch Determinants of I n d u s t r i a l Invention, i n : The Rate and Direction of Inventive A c t i v i t y : Economic and Social Factors, hrsg. v. NBER, 3. Aufl., Princeton 1967, S. 195—232, S. 196 ff. 162 Vgl. Schumpeter, Joseph: Theorie, S. 100. 183 „ I n effect, science and technology exert a push on inventive output i n these fields." Scher er, Frederic M . : F i r m Size, Market Structure, Opportunity, and the Output of Patented Inventions, i n : AER, Vol. 55 (1965) (im folgenden zitiert als: Scherer, Frederic M . : F i r m Size), S. 1097—1125, S. 1100. 184 Vgl. Schmookler, Jacob: Invention, S. 90 ff.; Schmookler, Jacob and Brownlee, Oswald: Determinants of Inventive A c t i v i t y , i n : AER, papers and proceedings, Vol. 52 (1962), S. 165—176, S. 165. 165 Vgl. Schmookler, Jacob: Economic Sources, S. 19; Schmookler, Jacob: Invention, S. 180 ff.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

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determinierte Entwicklungen erwartet werden können, ist die Angebotsseite insbesondere i m Konsumgüterbereich weitgehend auf eine A b tastung der laufenden Nachfrage angewiesen. I m Konsumgüterbereich lenken 1 6 6 neben ökonomischen auch psychologische und soziologische Bestimmungsgründe die Nachfrage, so daß es hier besonders schwierig ist, die zukünftige Richtung des technischen Fortschritts zu treffen 1 6 7 . Das bedeutet aber, daß erfinderische Anstrengungen auf der Angebotsseite unternommen werden müssen, deren ökonomische Honorierung durch die Nachfrage keineswegs sicher ist. Damit fällt der Angebotsseite i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts die ihr von Schumpeter zugedachte autonome Aufgabe zu, i n Anlehnung an die jeweiligen erfinderischen Möglichkeiten stets für eine Zusammenstellung von technologisch fortschrittlichen Gütern zu sorgen, die der Nachfrageseite ihren latenten Bedarf bewußt macht. Der Entwicklungsverlauf der Elektroindustrie gibt dafür ein treffendes Beispiel, denn allen Schlüsselprodukten dieses Industriezweiges, angefangen beim Telegrafenapparat, m i t dem die Produktion i m Schwachstrombereich begann, und der Dynamomaschine, die das grundlegende Prinzip der Starkstrom-Elektromaschine (Generator und Motor) verkörpert und damit den Ausgangspunkt der Starkstromtechnik bildete, weiter m i t Glühlampe, Radio, Fernsehen bis hin zu Datenverarbeitungsanlagen und Atomkraftwerken, gingen nicht nur große Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen voraus, sondern es mußte fast ausnahmslos auch immer erst unter zähen Bemühungen ein M a r k t aufgebaut werden 1 6 8 . A u f der anderen Seite beweist aber auch die Beobachtung, daß zahlreiche Erfindungen zwar möglich wären, aber nicht „gemacht" werden, w e i l ein Test des vermuteten Marktes negativ verlaufen ist, oder zahlreichen durchgeführten Erfindungen kein Erfolg bei ihrer ökonomischen Verwertung vergönnt ist, daß die Bedingungen der Nachfrageseite i m Durchführungsprozeß des technischen Fortschritts nicht außer acht gelassen werden können. Fehlentwicklungen sind hierfür ein charakteri166 Vgl. Duesenberry, James S.: Income, Saving and the Theory Consumer Behavior, F o u r t h Printing, Cambridge/Mass. 1962, S. 19 ff.; Katona, George: Das Verhalten der Verbraucher u n d Unternehmer (deutscher Titel), Tübingen 1960, S. 73 ff. 167 Vgl. Meyer-Dohm, Peter: Der private Haushalt i m Prozeß der Bedarfsdifferenzierung, i n : SchdVfSp., N.F., Bd. 30/1, B e r l i n 1964, S. 67—100. 168 „Die Elektrizität ist an sich k e i n Verbrauchsobjekt. Nach Wesen u n d Wert unbekannt, konnte sie allein durch ihre Transformierbarkeit u n d L e i t fähigkeit zu einem solchen werden, w e n n es gelang, diesen Eigenschaften A n wendungsgebiete zu erschließen. Das aber vermochte n u r der Produzent. Dem Verbraucher mußte hier das Bedürfnis erst nahegelegt, i n vielen Fällen gewissermaßen aufgezwungen werden." AEG, Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft 1883/1908, o. O. u. J., S. 8 (im folgenden zitiert als: AEG, 1883/1908).

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2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

sierendes Beispiel. Die Tatsache, daß sie immer wieder vorkommen, beweist, daß die Angebotseite bei der Auffindung ihrer zukünftigen Märkte weitgehend sich selbst und ihren Eigengesetzlichkeiten überlassen ist, daß aber auch den nachfrageseitigen Faktoren Bedeutung zukommt. Das gilt prinzipiell für den Konsum- wie für den Kapitalgüterbereich. Es kann also folgendes Interdependenzverhältnis zwischen angebotsund nachfrageseitigen Faktoren i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts festgestellt werden: (1) Das Angebot übt i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts i n Abhängigkeit von den Veränderungen i m Bereich des technischen Wissens eine autonome Funktion aus, die darin besteht, immer wieder neue oder verbesserte Güter auf den M a r k t zu bringen m i t dem Ziel der Erweckung neuer Bedürfnisse (Gestaltungs- und Vorschlagsfunktion). (2) Die Nachfrage lenkt langfristig den Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts dergestalt, daß sie unter den „Gütervorschlägen" des Angebots das auswählt, was sie zur Befriedigung auch ihrer latenten Bedürfnisse benötigt (Auswahl- und Richtungsfunktion). Damit kann der Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts als ein langfristiger Anpassungsvorgang der wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten an die Bedingungen der Nachfrage verstanden werden. Die Nachfrage ist i n ihrer Auswahl- und Richtungsfunktion an die jeweiligen Gegebenheiten der erfinderischen Möglichkeiten gebunden, die allein abhängig vom jeweiligen Stand wissenschaftlicher und technischer Forschung und Erkenntnis sind, während das Angebot m i t seiner Gestaltungs- und Vorschlagsfunktion die Nachfrage zu beeinflussen versucht, sich dann aber der Auswahl- und Richtungsfunktion der Nachfrage unterordnen muß 1 6 9 . Die Fähigkeit eines Industriezweiges zur Erzeugung von technischen Fortschritten kann daher nicht ausreichend durch eine der beiden Seiten erklärt werden. Vielmehr müssen zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Industriezweiges i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts Maßstäbe der Angebots- und Nachfrageseite herangezogen werden. 160

Schmookler trägt dieser Auffassung insofern Rechnung, als er darauf hinweist, daß es zwar von der Kostenseite her gleichgültig ist, für welche i n d u striellen Bereiche Erfindungen gemacht werden, klassifiziert man die Erfindungen nach den Bereichen ihrer Verwendung, daß aber bei einer Klassifikation der Erfindungen nach ihren intellektuellen Ursprungsbereichen eindeutig die wissenschaftlich basierten Industrien Vorzugspositionen einnehmen, da es hier leichter ist, ökonomisch effiziente Erfindungen zu machen. D a m i t ist die Möglichkeit zur Beeinflussung der Nachfrage aber verbunden; Schmookler , Jacob: Invention, S. 172 ff.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

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cc) Nachfrageorientierte Determinanten als Indikatoren a) Im

Investitionsgüterbereich

Der technische Fortschritt setzt sich — ex definitione — entweder über Produktivitätsfortschritte verkörpernde Produkte oder über Produkte, die zu einem höheren Grad der Bedürfnisbefriedigung beitragen, auf dem M a r k t durch, also entweder über Kapitalgüter i m weiteren Sinne (die Rohstoff- und Produktionsmittelerzeugung m i t einbegriffen) oder über Konsumgüter. Da das Ziel allen wirtschaftlichen Handelns darauf gerichtet ist, m i t dem gegebenen knappen Bestand an Ressourcen einen möglichst hohen Grad der Bedürfnisbefriedigung zu erreichen, kann zumindest langfristig i n einer Marktwirtschaft ein rational-ökonomisches Verhalten von Anbietern und Nachfragern unterstellt werden. Der A n bieter versucht, seine Produkte so kostengünstig wie möglich herzustellen, der Nachfrager strebt danach, m i t den i h m zur Verfügung stehenden M i t t e l n einen möglichst hohen Wirkungsgrad an Produktivitätsfortschritten oder an Bedürfnisbefriedigung zu erreichen. Das bedeutet für den Nachfrager, daß er bemüht sein muß, immer Ausschau nach den für seine Zwecke jeweils wirtschaftlichsten Produkten zu halten, d. h. unter einer Auswahl ähnlicher Produkte immer das den höchsten technischen Fortschritt verkörpernde zu wählen. Bestehen interindustrielle Unterschiede i n der Erzeugungsfähigkeit von technischen Fortschritten, w i r d i m Zeitablauf die Nachfrage stärker diejenigen Industriezweige bevorzugen, deren Produkte den vergleichsweise höheren technischen Fortschritt verkörpern; Strukturverschiebungen i n der Zusammensetzung der industriellen Produktion sind dann die unausbleibliche Folge. Derartige Strukturverschiebungen können an langfristigen über- oder unterproportionalen Wachstumsverläufen der Umsätze der einzelnen Industrien statistisch sichtbar gemacht werden. Damit wäre ein wichtiger nachfrageseitiger Maßstab zur Beurteilung der Erzeugungsfähigkeit von technischen Fortschritten i n den einzelnen Industriezweigen gefunden. Dieser Maßstab kann aber i n uneingeschränkter Form nur i m Investitionsgüterbereich 170 angewandt werden, denn nur die hier wirksame Nachfrage nach Produktivitätsfortschritten ist ausschließlich ökonomisch determiniert. Dabei hat i m Investitionsgüterbereich dieser Maßstab eine doppelte Bedeutung. Einmal repräsentieren Verkaufszahlen den Erfolg oder Mißerfolg vorangegangener an sie geknüpfter Erwartungen. Zum anderen spiegelt der Umsatzanteil eines Industriezweiges i m Investitionsgüterbereich zugleich auch den Umfang der Basis wider, auf der ein Industriezweig allein durch Verbesserungen an seinen bisher gelieferi7o j ^ r die vorliegende Untersuchung interessiert n u r die Investitionsgüterindustrie. Die hier getroffenen Feststellungen gelten aber ebenso f ü r die Grundstoff- und Produktionsgüterindustrie.

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2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

ten Kapitalgütern Impulse zur weiteren Erzeugung von technischen Fortschritten erhält, denn die bestehende Verteilung der Investition tendiert danach, reproduziert zu werden 1 7 1 . U m zu testen, welche zukünftigen Umsatz- und damit Gewinnerwartungen aufgrund der vorangegangenen Entwicklungen ein Industriezweig tatsächlich hegt, kann als Vergleichsmaßstab die Investitionstätigkeit herangezogen werden. Liegen die Zuwachsraten überdurchschnittlich hoch, kann auf eine weitere günstige Einschätzung der Entwicklung dieses Industriezweiges durch die Unternehmer geschlossen werden. I m Investitionsgüterbereich können also als nachfrageorientierte Maßstäbe für die Beurteilung der Fähigkeit eines Industriezweiges, technische Fortschritte zu erzeugen, die Umsatz- und Investitionsentwicklung herangezogen werden. Eine langfristig überdurchschnittliche Umsatzentwicklung läßt dabei auf einen relativ hohen Beitrag zum bisherigen realisierten technischen Fortschritt schließen, so wie eine anhaltende überdurchschnittliche Investitionstätigkeit andeutet, daß die Erzeugungsfähigkeit von technischen Fortschritten auch weiterhin für positiv erachtet wird. ß) Im

Konsumgüterbereich

I m Konsumgüterbereich liegen andere Beziehungen vor. Hier bewirken technische Fortschritte einen höheren Grad der Bedürfnisbefriedigung. Produktivitätsfortschritte sind ausschließlich ökonomisch determiniert, der Wunsch nach Bedürfnisbefriedigung ist dies nicht unbedingt, ökonomische und auch außerökonomische Faktoren lenken die Verbrauchsausgaben 172 , so daß die von den Unternehmen erzielten und erwarteten Umsätze nicht unbedingt als ein Indiz für eine ausschließliche Nachfrage nach technischen Fortschritten i n diesem Produktionssektor angesehen werden können. Es müssen deshalb Kriterien herangezogen werden, die eine Beurteilung des Verhaltens der Verbraucher ermöglichen. Das Verbraucherverhalten w i r d aus der Zusammensetzung der Verbrauchsausgaben bei jeweils gegebener Einkommenshöhe ersichtlich. A u f hier bestehende Gesetzmäßigkeiten wurde bereits von Engel aufmerksam gemacht, der bei statistischen Untersuchungen eine funktionale Beziehung zwischen der Höhe der Einkommen und den Verbrauchsausgaben bei unterschiedlichen Haushaltsbudgets i n Arbeiterfamilien herausfand. Danach ist der A n t e i l der Ausgaben für den lebensnotwendigen Bedarf an den Gesamtausgaben eines Haushaltes bei niedrigem Einkommens171

Vgl. Schmookler , Jacob: Invention, S. 163. Vgl. Plassmann, Christa: Bestimmungsgründe der Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern, B e r l i n 1964, S. 41. 172

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

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niveau höher als bei einem höheren 1 7 3 . Die Verbrauchsstruktur des Haushalts hängt also von der Höhe des Haushaltseinkommens ab. A u f diesen Erkenntnissen baut die Theorie der Engelkurven 1 7 4 auf 1 7 5 . Diese Theorie erlaubt eine Betrachtung der Ausgabenänderungen der Haushalte bei fortwährend steigendem Einkommen, und stellt das für die hier interessierende Frage nach den Durchsetzungsmöglichkeiten von technischen Fortschritten i n Konsumgütern erforderliche Instrumentarium zur Verfügung. Unterstellt man gemäß dem Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen für jedes Gut eine Sättigungsgrenze, der es sich m i t steigendem Verbrauch infolge steigender Einkommen nähert, dann läßt sich die Veränderung der Nachfragemengen dieses Gutes i m Verhältnis zu den sie verursachenden positiven Einkommensveränderungen i m Zeitablauf als eine parabolisch oder hyperbolisch verlaufende Engelkurve i n einem Koordinatensystem, i n dem auf der x-Achse das Einkommen (E) und auf der y-Achse der Konsum (C) abgetragen wird, darstellen 1 7 6 . Dieser K u r venverlauf impliziert, daß von dem Einkommensniveau an, von dem das Gut i n den Begehrkreis des Verbrauchers eingetreten ist (Initialeinkommen), die Nachfrage zunächst überproportional, danach unterproportional i m Verhältnis zum Einkommen wächst. Welches Verhältnis zwischen der Änderung der Nachfrage nach diesem Gut und der jeweiligen Einkommenshöhe i n jedem Punkt der Engelkurve vorliegt, kann m i t Hilfe der Einkommenselastizität bestimmt werden 1 7 7 . I m Bereich der elastischen Nachfrage i n bezug auf das Einkommen gilt das Gut als „Luxusgut", i m unelastischen Bereich als „lebensnotwendiges Gut", danach — nur bei parabolischem Verlauf — als inferiores 1 7 8 . Da nun die 173 Vgl. Engel, Ernst: Die Productions- u n d Consumtionsverhältnisse des Königreiches Sachsen, i n : Zeitschrift des Statistischen Bureaus des Königlich Sächsischen Ministeriums des Innern, November 1857, wieder abgedruckt i n : B u l l e t i n de l ' I n s t i t u t International de Statistique, Bd. 9 (1895), Anhang I, S. 1— 54, S. 27 ff. 174 Engelkurven stellen ein graphisches B i l d der Einkommen-Verbrauchsausgaben-Relation eines oder, bei aggregierten Größen, aller Haushalte dar. _ 175 Vgl. Klatt, Sigurd: Die Theorie der Engelkurven, i n : JfSW, Bd. 4/10 (1959), S. 274—309 (im folgenden zitiert als: Klatt, Sigurd: Die Theorie der Engelkurven), S. 282 ff. 176 Vgl. Klatt, Sigurd: Z u r Theorie, S. 273; zu den möglichen Kurvenverläufen auch Klatt, Sigurd: Die Theorie der Engelkurven, S. 285 ff. Pollak weist darauf hin, daß es offenbar keine Idealform der Engelkurven f ü r alle Güterkategorien u n d f ü r jedes Ausgangsmaterial g i b t ; vgl. Pollak, Helga: Wachstumsbedingte Verbrauchsstrukturänderungen u n d einige Konsequenzen für die Verbrauchsbesteuerung, B e r l i n 1966, S. 32. 177 Diese ist gleich 1 i m Tangentialpunkt des durch den N u l l p u n k t des K o ordinatensystems geführten Fahrstrahls, i m da vorliegenden Kurvenstück > 1, i m nachfolgenden Kurvenstück bis zum Sättigungspunkt < 1 , (s. auch den oberen T e i l der A b b i l d u n g 10 auf S. 96). 178 Vgl. Klatt, Sigurd: Z u r Theorie der Engelkurven, S. 290 f. u n d S. 296 f.

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2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Verbrauchsausgaben eines Haushaltes bei gegebenem Einkommen ein ganzes System von Engelkurven ergeben, i n dem bei genügend hohem Einkommen lebensnotwendige wie auch Luxusgüter vertreten sind 1 7 9 , erhebt sich die Frage, i n welcher der beiden Güterkategorien sich der technische Fortschritt vorzugsweise durchzusetzen vermag. Technische Fortschritte können sich — ex definitione — i m Konsumgüterbereich auf verschiedene Weise durchsetzen. Einmal über die Erzeugung neuer bis dahin nicht bekannter Produkte, oder über die Herstellung substitutiver Güter, die einen höheren Grad der Bedürfnisbefriedigung bei den Verbrauchern ermöglichen, zum anderen durch die Herstellung höherer Qualitäten bereits vorhandener Güter bei unveränderten, sinkenden oder steigenden Preisen (bei steigenden Preisen allerdings nur, wenn der Qualitätseffekt überwiegt) bzw. sinkender Qualität bei vergleichsweise stärker sinkenden Preisen. Das bedeutet auf das Engelkurvensystem übertragen, i n dem die Rangfolge der Güter nach ihrer lebensnotwendigen Dringlichkeit geordnet ist, die Einführung von grundsätzlich neuen Engelkurven m i t höheren Initialeinkommen oder bei Substitution von bereits i m System vorhandenen Gütern je nachdem, ob qualitativ erhöhend bei steigendem Preis oder bei gleichbleibender Qualität m i t sinkendem Preis — nur diese grundlegenden Möglichkeiten sollen angeführt werden —, eine Verschiebung der substituierten Engelkurven entweder nach rechts (mit höherem Initialeinkommen als bisher) oder nach links (mit niedrigerem Initialeinkommen) 1 8 0 . Für den Anbieter technische Fortschritte verkörpernder Konsumgüter ergeben sich daraus ein Erwartungsparameter und zwei Aktionsparameter. Ein Erwartungsparameter insofern, als er davon ausgehen kann, daß die Nachfrage nach den von i h m angebotenen Luxus- und lebensnotwendigen Gütern bei steigendem Einkommen ebenfalls wächst und somit der von i h m geleistete Beitrag zum technischen Fortschritt weiterhin zunimmt, ohne daß zusätzliche erfinderische Anstrengungen für die Produktion dieser Güter aufgewandt werden müssen. Die Aktionsparameter sind: (1) eine dem steigenden Konsumenteneinkommen angepaßte Darbietung neuer Produkte oder höherer Qualitäten bereits vorhandener Produkte und (2) Preissenkung bei vorhandenen Produkten. 179

Vgl. K l a t t , Sigurd: Z u r Theorie, S. 282 ff. Vgl. Klatt, Sigurd: Z u r Theorie, S. 289; Schmucker, H.: Die langfristigen Strukturwandlungen des Verbrauchs der privaten Haushalte i n ihrer I n t e r dependenz m i t den übrigen Bereichen einer wachsenden Wirtschaft, i n : SchdVfSp., N.F., Bd. 30/1, B e r l i n 1964, S. 106—183, S. 136; vgl. auch S. 97 der vorliegenden Arbeit, Fußnote 183. 180

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

95

I m ersten Fall hängt das Ausmaß der Durchsetzung von technischen Fortschritten von der Fähigkeit zur Erzeugung von Luxusgütern ab, deren Absatz ausschließlich von den Einkommenssteigerungen der Konsumenten determiniert ist, also von einem Datum, auf das der Anbieter des Konsumguts allein wenig Einfluß nehmen kann. I m zweiten Fall bestimmt dagegen der Anbieter i n Abhängigkeit von der direkten und indirekten Preiselastizität der Nachfrage nach seinen Konsumgütern selbst i m Ausmaß der Preissenkung den Umfang der Durchsetzung von technischen Fortschritten. Dabei w i r d der Anbieter nur i n der Größenordnung Preissenkungen vornehmen, als eine hohe Nachfrageelastizität i n bezug auf den Preis i h m die notwendige Ausweitung seines Absatzes zur Ausnutzung der die Preissenkung ermöglichenden sinkenden Kostenverläufe gestattet, die sowohl aus Fortschritten i n der Produktions- als auch i n der Produkt-Technologie resultieren können. Das bedeutet, daß der Anbieter nur bei hoher Preiselastizität der Nachfrage nach einem Gut Interesse an der Durchsetzung weiterer technischer Fortschritte ani diesem Gut haben kann. I n beiden Fällen sind i n der Regel zusätzliche erfinderische Anstrengungen i n den Produkt-Technologien von Seiten der Anbieter erforderlich, wobei davon ausgegangen werden kann, daß das Schwergewicht der erfinderischen A k t i v i t ä t vor allem i n Zeiten schneller Einkommenserhöhungen auf dem Gebiet der Entwicklung neuer Luxusgüter liegt, und umgekehrt. Daneben darf aber nicht außer acht bleiben, daß über allgemeine Preissenkungen erhebliche technische Fortschritte freigesetzt werden können, und zwar sowohl i m Bereich der Luxus- als auch der lebensnotwendigen Güter, solange die Preiselastizität (*?) genügend größer als 1 ist. Dies sei an Abbildung 10 erläutert. I m oberen Teil der Abbildung 10 ist eine parabolisch verlaufende Engelkurve für ein bestimmtes Gut dargestellt m i t den i n Abhängigkeit von der Einkommenselastizität («) unterschiedlich elastischen Kurvenabschnitten. Es w i r d angenommen, daß das Gut bei einem bestimmten Einkommen (E4) aus der Kaufliste der Nachfrage ausscheidet, und weiter, daß der vorausplanende Anbieter diesen Punkt kennt. Der Anbieter richtet seine Preisabsatzfunktion NN' auf diesen durch den Verlauf der Engelkurve vorgegebenen Bereich ein (unterer Teil der Abbildung) und stellt fest, daß er bis zu einem durch P1M1 determinierten Punkt (bei dem die Grenzausgaben negativ werden) auf seiner Preis-Absatzfunktion durch Preissenkungen noch zu einer Umsatzausweitung gelangen kann 1 8 1 . Dieser Punkt deckt den Bereich des Luxus- und des lebensnotwendigen Gutes auf der Engelkurve v o l l ab 1 8 2 . 181 Vgl. Schneider, Erich: Einführung i n die Wirtschaftstheorie, I I . Teil, S. 36 ff. 182 Der hier zugrunde gelegte Verlauf der Engelkurve ist ein theoretischer,

96

2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten Abbildung

10

Die hier gewählte F o r m der graphischen Darstellung stützt sich auf Harrods Beobachtung, daß Einkommens- u n d Preiselastizitäten eines Gutes i m Zuge wirtschaftlicher Wachstumsprozesse abnehmen 3 ). Außerdem spiegelt die hier angenommene E n t w i c k l u n g von Einkommensu n d Preiselastizität die von W o l d bestätigte Tatsache wider, daß die E i n k o m menselastizität bei Luxusgütern größer ist als die Preiselastizität, hingegen bei den lebensnotwendigen Gütern ein umgekehrtes Verhältnis vorliegen kann* 5 ). a) Vgl. Harrod, Roy F.: The Trade Cycle, A n Essay, Oxford 1936, S. 21. b) Vgl. Wold, Herman: Demand Analysis, A study in econometrics, New York 1953, S. 22,114 f.

der wegen der einfacheren Darstellung gewählt w i r d . I n der Praxis w i r d der negative Kurvenabschnitt nicht m i t der gleichen Regelmäßigkeit abnehmen, w i e der positive Kurvenabschnitt zugenommen hat. Vielmehr k a n n angenommen werden, daß das Gut bereits vor dem P u n k t E4 aus der Verbrauchsliste gestrichen w i r d , so daß der Anbieter seine Preisabsatzfunktion von vornherein auf eine kürzere Mengenstrecke einrichtet. Das hat aber dann zur Folge, daß der Bereich der elastischen Nachfrage i n bezug auf den Preis stärker zusammengedrängt w i r d , u n d daß daher nicht der ganze Kurvenabschnitt des lebensnotwendigen Gutes i m Bereich hoher Preiselastizität liegen kann, die Preisabsatzfunktion i n der Regel also geknickt sein w i r d .

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

97

Wieweit der Anbieter allerdings bereit sein wird, erfinderische A n strengungen zur Entwicklung weiterer technischer Fortschritte an diesem Gut auch dann noch zu unternehmen, wenn es sich bereits weit dem Punkt V = 1 auf der Preisabsatzfunktion genähert hat, dürfte i n der Regel von der Höhe der Kosten für die erfinderischen Anstrengungen abhängen, die m i t zunehmender Konstruktionsausreifung des Produktes i m allgemeinen steigen und damit das Kosten-Ertragsverhältnis zunehmend ungünstiger gestalten. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß der Anbieter die Chancen zur Durchsetzung von technischen Fortschritten an einem Produkt nur solange wahrnimmt, als die Preiselastizität des Gutes genügend hoch ist, u m die m i t der Erzeugung von technischen Fortschritten verbundenen Kosten i m Bereich der Produkt-Technologie i n einem von i h m als ausreichend empfundenen Ausmaß abzudecken. Dieser Punkt verlagert sich bis i n die Phase der Existenznotwendigkeit des Gutes hinein, er w i r d sich aber i n der Regel dem Sättigungspunkt nicht allzu stark nähern, insbesondere dann nicht, wenn das Gut einem Produktionsbereich entstammt, der einem besonders schnell sich wandelnden technischen Fortschritt unterliegt. Hier ist es vorteilhafter für den Anbieter — vor allem i n Zeiten schnell wachsender Einkommen — seine erfinderischen Anstrengungen auf die Entwicklung neuer Produkte zu konzentrieren 1 8 3 . 183 Diese Verhaltensweise des Anbieters ist darauf zurückzuführen, daß der i n Preissenkungen sich verkörpernde technische Fortschritt eine Verschiebung der ursprünglichen Engelkurve nach links verursacht. Dadurch treten zusätzliche Einkommensschichten als Nachfrager auf, u n d das Produkt w i r d bei steigendem Umsatz gleichzeitig einkommensunelastischer. Jede weitere Preissenkung beschleunigt diesen Prozeß u n d trägt damit zu einem schnelleren E r reichen des Sättigungspunktes bei. Je schneller der Sättigungspunkt erreicht w i r d , desto stärker n i m m t aber auch die Preiselastizität ab, u n d desto frühzeitiger w i r d der Anbieter vor die Entscheidung gestellt, seine erfinderische A k t i v i t ä t weiter auf das preis- u n d einkommensunelastischer werdende vorhandene alte Gut gerichtet zu lassen, das z.B. durch die K u r v e E i E \ i n A b b i l dung 11 repräsentiert w i r d , u m auch die einkommensschwächsten Verbraucher-

Abbildung

11 E*3

E, E 2 E 3 7

Schuli-Hanfien

E4

e5

e6

Sättigungsgrenze

E

98

2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Die langfristige Fähigkeit eines Industriezweiges, technische Fortschritte zu erzeugen, hängt i m Konsumgüterbereich also maßgeblich von der anhaltenden Fähigkeit zur Entwicklung technische Fortschritte verkörpernder Luxusgüter ab, wobei es sich u m grundsätzlich neue Güter handeln kann oder u m die Herstellung höherer Qualitätseigenschaften an bereits bekannten Gütern einerseits und andererseits von der Möglichkeit, Luxusgüter möglichst schnell i n den Bereich des Massengutkonsums, also i n das Stadium der Existenznotwendigkeit der Güter durch nachhaltige Preissenkungen überzuführen. Hierbei kommt es nicht allein darauf an, durch Verbesserungen der Produktions-Technologien und Aufnahme der Großserienproduktion die erforderliche Ausnutzung sinkender Grenzkostenverläufe zu erreichen, sondern auch darauf, durch vereinfachende „Verbesserungen" der Produkt-Technologien (Produktdifferenzierungen durch Entfeinerungen, Qualitätsminderungen oder einfachere Konstruktionen) Preissenkungen zu ermöglichen, die nicht wesentlich zu Lasten der substantiellen Eigenschaften der Güter gehen. Für die Beurteilung der Fähigkeit eines Industriezweiges, technische Fortschritte i m Konsumgüterbereich zu erzeugen, kann i m ersten Fall die durchschnittliche Einkommenselastizität der Nachfrage nach den von i h m erzeugten Konsumgütern Aufschluß geben. Haben seine Produkte i m Durchschnitt eine hohe Einkommenselastizität, kann daraus geschlossen werden, daß dieser Industriezweig auch einen hohen Beitrag zum technischen Fortschritt i m Bereich der Konsumgüter zu leisten i m stande ist. I m zweiten Fall kann die Fähigkeit, technische Fortschritte zu erzeugen, an Hand der durchschnittlichen Preiselastizität der von dem Industriezweig angebotenen Produkte, sowohl i m Luxus- als auch i m Massengutbereich, festgestellt werden. Eine hohe Preiselastizität bietet dabei viel Spielraum für die Erzeugung von technischen Fortschritten und umgekehrt. dd) Angebotsorientierte Determinanten als Indikatoren a) Maßstäbe

zur Beurteilung

des erfinderischen

Inputs

Es wurde bereits dargelegt, daß der Umfang der Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen einer Industrie langfristig i n einem ökonomisch zu rechtfertigenden Verhältnis zu den erfinderischen Möglichkeiten und schichten ansprechen zu können (Konzentration der erfinderischen A k t i v i t ä t auf den Substitutionseffekt der Preissenkung). Oder aber er bricht seine erfinderischen Anstrengungen hier ab u n d entwickelt neue Produkte m i t einem höheren Initialeinkommen als E3, u m die aus den Preissenkungen resultierende zusätzliche Nachfrage aufgrund des Kaufkrafteffektes, der z. B. bei der ersten Verschiebung der Engelkurve von E3 nach E2 bei allen Nachfragern der Engelk u r v e Es e i n t r i t t — w e i l diese die gleiche Menge C i n u n zu niedrigeren Preisen beziehen können — (Konzentration der erfinderischen A k t i v i t ä t auf den K a u f krafteffekt der Preissenkung), erneut auf seinen Produktionsbereich zu lenken.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

99

deren Verbreitung stehen muß. Kein Unternehmen und kein Industriezweig kann sich i n einer Marktwirtschaft auf die Dauer einen großen Forschungsapparat leisten, wenn keine Aussicht auf entsprechende Profitierung besteht. Unterschiedliche Größenordnungen zwischen Industriezweigen i n der Höhe der Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen, die sich nach den hierfür getätigten Ausgaben quantifizieren lassen, müssen demnach Rückschlüsse auf interindustrielle Unterschiede i n den erfinderischen Möglichkeiten und deren ökonomischen Auswertung zulassen. Damit ist es möglich, Forschungs- und Entwicklung sausgab en 1 8 4 als einen bedeutenden Maßstab zur Beurteilung des Umfangs der Erzeugungsfähigkeit eines Industriezweiges von technischen Fortschritten zu verwenden. Als hierzu ergänzender Maßstab ist die Zahl der i n den Forschungsund Entwicklungsabteilungen der Industrie beschäftigten Wissenschaftler und Ingenieure anzusehen. Dieser Maßstab kann als weitgehend repräsentativ für die Komplexität der Produkt-Technologien eines Industriezweiges gelten, denn es muß davon ausgegangen werden, daß m i t zunehmender Vielfalt wissenschaftlich-technischer Probleme die Zahl der zu ihrer Lösung eingesetzten, qualifiziert ausgebildeten Personen steigt. Wie Untersuchungen über die Bestimmungsgründe der Höhe der Forschungs- und Entwicklungsausgaben i n einzelnen Industriezweigen und Unternehmen aber deutlich machen, hängt das Ausmaß der Forschungsund Entwicklungsanstrengungen nicht allein von der Vielfalt erfinderischer Möglichkeiten ab, vielmehr treten noch andere ökonomische Daten hinzu, von denen ebenfalls ein Einfluß auf die erfinderische A k t i v i t ä t eines Unternehmens oder eines Industriezweiges ausgeht. Vor allem spielen die Unternehmensgrößen und die Marktform eines Industriezweiges allem Anschein nach eine bedeutende Rolle. Unter dem Eindruck der Schumpeterschen Lehre w i r d auch heute noch den Großunternehmen deshalb eine überlegene Position i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts zugesprochen, w e i l sie über eine überragende technische Leistungsfähigkeit verfügen, große Kapitalzusammenballungen ermöglichen und das m i t großen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten verbundene Risiko zu vermindern vermögen. Hinzu kommt, daß i n dem Ausmaß, i n dem der Staat sich an der industriellen Forschung und Entwicklung beteiligt, Großunternehmen bevorzugt werden, da nur diese i n der Regel über große und modern ausgestattete Forschungseinrichtungen verfügen, die erforderlich sind, u m die häufig nicht 184 Z u r generellen Eignung der Forschungs- u n d Entwicklungsausgaben als Maßstab zur Bestimmung der erfinderischen A k t i v i t ä t vgl. Sanders, Barker S.: Some Difficulties i n Measuring Inventive A c t i v i t y , i n : The Rate and Direction of Inventive A c t i v i t y : Economic and Social Factors, hrsg. von NBER, 3. Aufl., Princeton 1967, S. 53—90, S. 55 ff. u n d S. 75 ff.

7*

100

§ 2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

unmittelbar für kommerzielle Zwecke gedachten staatlich finanzierten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durchführen zu können. Großunternehmen bieten günstige Voraussetzungen und eine größere Sicherheitsgewähr. Privatwirtschaftlich gesehen ermöglichen große, modern ausgestattete Forschungs- und Entwicklungsapparate zudem noch Skalenerträge 1 8 5 . Diese Vorteile sind zweifellos von Bedeutung und begünstigen die Großunternehmen i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts. N u r darf daraus nicht gefolgert werden, daß i n kleinen und mittleren Unternehmen deshalb die Intensität der erfinderischen A k t i v i t ä t geringer ist. Zwar vermögen — absolut gesehen — kleinere Unternehmen nicht einen gleichen Umfang an erfinderischen Anstrengungen aufzuweisen wie die großen, damit ist aber noch nicht gesagt, daß sie relativ weniger intensiv u m Forschung und Entwicklung bemüht sind. Die Vorrangstellung der Großunternehmen i m Erzeugungsprozeß von technischen Fortschritten ist zunächst von Schmookler i n Frage gestellt worden 1 8 6 . Auch Hamberg bezweifelt die Existenz eines unbedingten Zusammenhangs 187 . Jedoch ist bei Schmookler das statistische Ausgangsmaterial und bei Hamberg der ökonometrische Ansatz nicht ganz überzeugend 188 . Wesentlich mehr Aufschluß bieten dagegen zwei Untersuchungen von Scherer zur Klärung der umstrittenen Zusammenhänge. I n seiner ersten statistischen Analyse, i n die er Daten von 352 der größten US-amerikanischen Firmen einbezieht, kommt Scherer unter Verwen185 Vgl. Schumpeter, Joseph: Kapitalismus, Sozialismus u n d Demokratie, B e r n 1946 (im folgenden zitiert als: Schumpeter, Joseph: Kapitalismus), S. 174; Galbraith, John Kenneth: American Capitalism, The Concept of Countervailing Power, revised Ed., London 1957, S. 84 ff.; Schätzte, Gerhard, a.a.O., S. 165 ff. 186 Er macht darauf aufmerksam, daß zwar Unternehmensgröße an sich w o h l einen Einfluß darauf ausübt, ob ein Unternehmen sich überhaupt ein eigenes Forschungs- u n d Entwicklungsprogramm leisten kann, daß aber unter denjenigen Firmen, die ein solches Programm betreiben, die Firmengröße k e i n eindeutiges Indiz f ü r Unterschiede i n der Forschungs- u n d Entwicklungsintensität sein muß; Schmookler, Jacob: Bigness, Fewness, and Research, i n : JPE, Vol. 67 (1959), S. 628—632, S. 631 f. 187 Ausgehend von einem linearen Regressionsansatz, dem er Zahlen über Forschungs- u n d Entwicklungsbeschäftigte als Maßgröße f ü r die Forschungsu n d Entwicklungsanstrengungen u n d die Gesamtbeschäftigten bzw. das A n lagevermögen als Firmengrößenvariable des Jahres 1960 von 340 großen USF i r m e n aus 17 Industriegruppierungen zugrunde legt, k o m m t Hamberg zu dem Ergebnis, daß von 2 Fällen abgesehen, keine statistisch bedeutsamen Beziehungen zwischen Firmengröße u n d Forschungs- u n d Entwicklungsanstrengungen bestehen; vgl. Hamberg, D.: Size of F i r m , Oligopoly and Research: The E v i dence, i n : CJEPS, Vol. 30 (1964), S. 62—75, S. 70 ff.; u n d auch Mansfield, E d w i n : I n d u s t r i a l Research and Development Expenditures: Determinants, Prospects and Relation to Size of F i r m and Inventive Output, i n : JPE, Vol. 72 (1964), S. 319—340 (im folgenden zitiert als: Mansfield, E d w i n : I n d u s t r i a l Research), S. 337. 188 Vgl. zur berechtigten K r i t i k an Schmooklers Ausgangsmaterial: Schätzle, Gerhard, a.a.O., S. 162 f.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

101

dung eines nicht linearen Regressionsansatzes zu einer dahingehend differenzierten Aussage 189 , daß alle Anzeichen dafür sprechen, daß die Forschungs- und Entwicklungsintensität zunimmt m i t der Firmengröße bis zu einem Umsatzvolumen von unter ungefähr 500 Millionen Dollar p. a., darüber hinaus aber die Tendenz abnehmender Intensität bei weiter zunehmender Firmengröße vorherrscht. Da dieses Ergebnis aber nicht anderslautende Feststellungen aus der chemischen Industrie und sehr großer führender Unternehmen der Automobil- und Stahlindustrie einschließt 190 , unternimmt er eine zweite Untersuchung 191 , i n der er zu dem Ergebnis kommt, daß der erfinderische Output zwar m i t der Umsatzhöhe (d. h. also Firmengröße) steigt, aber nur m i t unterproportionaler Rate 1 9 2 . Er begründet seine Feststellungen damit, daß vergleichsweise kleine F i r men einen starken Anstoß zur Forschung und Entwicklung aus Produktdifferenzierungsbemühungen erhalten und versuchen, auch ihre oft weniger bedeutsamen Ergebnisse durch Patente gegen die Großunternehmen abzusichern. Demgegenüber patentieren Großunternehmen relativ weniger, weil sie entweder einen höheren A n t e i l an der Grundlagenforschung aufzuweisen haben, oder aber aus Gründen des AntitrustGesetzes heraus; schließlich auch, weil ein Teil ihrer Ergebnisse aus staatlichen Forschungsaufträgen stammt, die bei privatwirtschaftlichen Verwendungsmöglichkeiten der Allgemeinheit zur Verfügung stehen sollen. Nur bei sehr großen führenden Unternehmen erfordert die Behauptung der Führungsposition hohe Forschungsanstrengungen. Demgegenüber ist bei nicht führenden Großunternehmen auch häufig festzustellen, daß sie i m Verhältnis zu ihren finanziellen Möglichkeiten weniger aktiv i n ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sind. Diese scheinen dann stärker den Verkauf zu forcieren, und ihre erfinderische A k t i v i t ä t auf Routineneuerungen und Imitationen abzustellen. Die Begründung von Scherers Ergebnissen ist umfassend und einleuchtend. Sie beinhaltet den Regelfall, daß Unternehmenskonzentration keine unabdingbare Voraussetzung für einen hohen erfinderischen Output darstellt 1 9 3 und zeigt den Spielraum für Ausnahmen auf. 189 Er benutzt aus Gründen der Vergleichbarkeit m i t Hambergs Ergebnissen zunächst ebenfalls Forschungs- u n d Entwicklungsbeschäftigte, allerdings des Jahres 1955 als Maßstabsgröße f ü r Forschungs- u n d Entwicklungsanstrengungen u n d stellt ihnen als Firmengrößen variable die Umsätze (1955) gegenüber; Scher er, F. M.: Size of F i r m , Oligopoly, and Research: A Comment, i n : CJEPS, Vol. 31 (1965), S. 256—266 (im folgenden zitiert als: Scherer, F. M . : Size of Firm), S. 257 ff. 190 Vgl. Scherer, F. M . : Size of F i r m , S. 265. 191 H i e r stellt er die 1959 genehmigten Patente der Firmengrößenvariable Umsätze des Jahres 1955 gegenüber (weil i n der Regel 4 Jahre zwischen der ersten Konzeption einer Idee u n d ihrer Absicherung durch ein Patent i n den USA liegen). 192 Vgl. Scherer, F. M . : F i r m Size, S. 1107 ff. 193 Vgl. Scherer, F. M.: F i r m Size, S. 1113.

102

2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Scherers Ergebnisse ermöglichen damit trotz berechtigter Einwendungen gegen die Verwendung von Patenten als Größe für den erfinderischen Output — hierzu hat er selbst kritisch Stellung genommen 1 9 4 — eine gewisse Klärung der umstrittenen Zusammenhänge. Sowohl den Auffassungen Schumpeters, Galbraith' u. a. als auch denjenigen Schmooklers, Hambergs u. a. werden teilweise richtige Erkenntnisansätze eingeräumt. A u f der Erkenntnisbasis dieser statistischen Analysen findet auch Mansfields Feststellung ihre Berechtigung, nach der bedeutsame Erfindungen und Neuerungen sehr hoch m i t der absoluten Höhe der Forschungs« und Entwicklungsausgaben korrelieren, und deshalb Großfirmen eine gewisse übergeordnete Bedeutung i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts nicht abgesprochen werden kann 1 9 5 . Wenn deshalb Industriezweigen mit einem hohen Anteil an Großunternehmen eine gewisse Vorzugsposition i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts zugesprochen werden soll, dann aus den oben angeführten Gründen, die aber auch nur dann ihre volle Aussagekraft besitzen, wenn gleichzeitig eine hohe Neigung des Industriezweiges zur erfinderischen A k t i v i t ä t aus produkt-technologischen Möglichkeiten heraus festzustellen ist 1 9 6 . M i t der Diskussion u m die Bedeutung der Unternehmensgröße für die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit eng verbunden ist die Frage nach dem Einfluß der Marktform auf die erfinderische A k t i v i t ä t . Auch hier bestehen unterschiedliche Auffassungen, die ihren Ausgangspunkt bei Schumpeter nehmen, der eine monopolistische Marktform i n dieser Frage einer Konkurrenzwirtschaft i m klassischen Sinne für überlegen h ä l t 1 9 7 . Demgegenüber sind aber Einwendungen zu erheben. So ist es w o h l richtig, daß Unternehmen unter Konkurrenzmarktverhältnissen weniger leistungsfähig i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts sein müssen, da die Möglichkeit zur Ansammlung von Profiten zur Finanzie194

Vgl. Scherer , F. M . : F i r m Size, S. 1098 f. Vgl. Mansfield , E d w i n : I n d u s t r i a l Research, S. 327 ff. 106 Den Anlaß zu dieser Einschränkung bildet das Ergebnis einer U n t e r suchung von Worley, die i n einer aussagefähigen Übersicht verdeutlicht, daß eine Zusammenballung von Großunternehmen i n einigen Industriezweigen keineswegs auch eine Zusammenballung der Forschungs- u n d Entwicklungstätigkeit nach sich ziehen muß; Worley , James S.: The Changing Direction of Research and Development Employment A m o n g Firms, i n : The Rate and Direction of Inventive A c t i v i t y : Economic and Social Factors, hrsg. von NBER, 3. Aufl., Princeton 1967, S. 233—251, S. 248 f. So stellt auch Schätzle das K r i t e r i u m der Unternehmensgröße nicht als einen unabhängigen Bestimmungsfaktor f ü r die industrielle Forschungs- u n d E n t wicklungstätigkeit heraus, obwohl er sich sehr bemüht, die Vorteile der Großunternehmen i m industriellen Forschungs- u n d Entwicklungsprozeß herauszuarbeiten, aber „Größe allein genügt nicht"; Schätzle, Gerhard, a.a.O., S. 159ff., insbesondere S. 162. 195

197

Vgl. Schumpeter , Joseph: Theorie, S. 175.

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

103

rung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit hier außerordentlich gering ist, obgleich der Wunsch nach Schaffung von Marktpräferenzen vermittels neuer Produkt-Technologien infolge des Wettbewerbs durchaus groß sein wird. Beim monopolistischen Anbieter dagegen ist wohl die Kapitalkraft vorhanden, nicht aber der Impuls aus dem Wettbewerb, so daß von Monopolanbietern nicht unbedingt ein den wirtschaftlichen Möglichkeiten entsprechender Beitrag zum technischen Fortschritt erwartet werden kann 1 9 8 . Anders sind die Auswirkungen eines oligopolistischen Angebots. Den hier wenigen großen Anbietern steht i n der Regel die nötige Kapitalkraft zur Verfügung, um die aus dem oligopolistischen Wettbewerb hervorgehenden Impulse tatsächlich auch i n Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen über die ganze Breite der jeweiligen Möglichkeiten umsetzen zu können 1 9 9 . Damit kann der M a r k t form die Rolle eines selbständigen ökonomischen Einflußfaktors auf die Höhe der Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen eines Industriezweiges zuerkannt werden, wobei oligopolistischen Marktverhältnissen eine besondere Bedeutung i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts zukommen. ß) Maßstäbe

zur Beurteilung

des erfinderischen

Outputs

Einen weitgehenden Aufschluß über die Fähigkeit der einzelnen Industriezweige zur Erzeugung von technischen Fortschritten müßte ein Vergleich des jeweiligen erfinderischen Outputs liefern. Aber der Bestimmung dieser Größe sind enge Grenzen gesetzt 200 . I n der Literatur sind zur Messung der unterschiedlichen Beiträge der industriellen Produktionssparten vor allem die Patente herangezogen worden. Das liegt nahe, denn einerseits sind Patente — wie Untersuchungen zeigen — hoch m i t Forschungs- und Entwicklungsausgaben korreliert, andererseits ermöglichen sie Zeitreihenbetrachtungen, die sonst wegen fehlender langfristiger statistischer Angaben über Forschungs- und Entwicklungsausgaben und -personal nicht möglich wären. Zudem haben vor allem i n langfristigen Zeitreihenuntersuchungen Patentstatistiken den Vorteil, alle patentierten Erfindungen auf den jeweiligen Produktionsgebieten zu erfassen, also sowohl die der Firmen, als auch die der sogenannten freien Erfinder 2 0 1 . 198 Vgl. Fellner, W i l l i a m : The Influence of M a r k e t Structure on Technological Progress, i n : QJE, Vol. 65 (1951), S. 556—577, S. 573 f.; Galbraith, John K e n neth, a.a.O., S. 90. 199 Vgl. Villard, H e n r y H.: Competition, Oligopoly, and Research, i n : JPE, Vol. 67 (1959), S. 483—497, S. 483; Mansfield, E d w i n : Size of F i r m , Market Structure, and Innovation, i n : JPE, Vol. 71 (1963), S. 556—576, S. 573 f. 200 Vgl. Kuznets, Simon, a.a.O., S. 35 ff.; Sanders, Barker S., a.a.O., S. 68 ff. 201 Dies ist ohne Zweifel ein Vorteil, der zunimmt, je weiter m a n die U n t e r suchungen i n die Vergangenheit bis h i n zu den Anfängen des Industrialisierungsprozesses ansetzt, da i m letzten Jahrhundert der weitaus überwiegende T e i l der patentierten Erfindungen von Einzelerfindern ausging; der aber i n

104

2 Investitionen und technischer Fortschritt als Determinanten

Als Alternative zu den Patenten bietet sich noch als Maßstab ein Vergleich bedeutsamer Erfindungen m i t hohem strategischen Ausgangswert an. Da es hierüber aber keinerlei veröffentlichte Angaben gibt, die einen aussagefähigen interindustriellen Vergleich ermöglichen würden, kommt dieser Größe als Maßstab kaum Bedeutung zu 2 0 2 . Die Verwendung von Patentstatistiken als Maßstab für die Beurteilung der erfinderischen A k t i v i t ä t läßt sich insofern rechtfertigen, als Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen eines Industriezweiges zumindest langfristig i n ihrem realisierbaren Beitrag zum technischen Fortschritt die zu ihrer Ermöglichung erforderlichen Aufwendungen aufwiegen müssen. Dann kann nämlich davon ausgegangen werden, daß i m wesentlichen nur solche Erfindungen verwirklicht werden, die einen angemessenen ökonomischen Ertrag erwarten lassen. Ein urheberrechtlicher Schutz dieser Erfindungen ist aber nur über Patente möglich, folglich w i r d die Neigung zum Patentieren m i t zunehmender Aussicht auf ökonomische Realisierung der Erfindungen steigen. So gesehen kann den Patenten als Maßstab zur Beurteilung der Fähigkeit eines Industriezweiges, technische Fortschritte zu erzeugen, Bedeutung beigemessen werden, denn es muß denjenigen Industrien, die eine relativ hohe Zahl patentierter Erfindungen auf sich vereinigen, zumindest i n der langfristigen Betrachtung zugestanden werden, daß sie einen hohen aktiven Beitrag zum technischen Fortschritt zu leisten imstande sind. Aber es sind auch erhebliche Einschränkungen gegen die Verwendung von Patenten als Maßstabsgröße zu machen. So ist zu beachten, daß (1) die Neigung zum Patentieren nicht nur von Industriezweig zu Industriezweig unterschiedlich ist, sondern innerhalb der Industriezweige auch von Unternehmen zu Unternehmen und, (2) daß i n der Patentstatistik nicht nach der ökonomischen Bedeutung der Patente differenziert wird, also bedeutsame Basiserfindungen m i t relativ belanglosen Ergänzungserfindungen oder gar solchen, die überhaupt keinen Beitrag zum technischen Fortschritt liefern, verglichen werden 2 0 3 . Als weiterer wichtiger Einwand kann gegen diesen Maßstab i n hochindustrialisierten, marktwirtschaftlichen Volkswirtschaften die Tendenz zur industrieeigenen Grundlagenforschung geltend gemacht werden, gleichem Maße abnimmt, j e mehr man sich der modernen Forschung nähert, i n der das Verhältnis F i r m e n - zu Einzelerfindungen umgekehrt verläuft. Vgl. Schmookler , Jacob: Invention, S. 18 ff.; Scherer , F. M.: F i r m Size, S. 1098 f. 202

So hält auch Scherer die Patente zur Messung des erfinderischen Outputs i n den Industrien f ü r geeigneter; Scher er, F. M . : F i r m Size, S. 1098. 203 Vgl. Scherer, Invention, S. 30 ff.

F. M . : F i r m Size, S. 1098, 1110 f.; Schmookler,

Jacob:

B. Die Gestaltungskraft des technischen Fortschritts

105

deren unmittelbare Ergebnisse nicht patentierbar, für den modernen Entstehungsprozeß von technischen Fortschritten aber von Bedeutung sind, insbesondere für die wissenschaftsbasierten Industrien, deren Produkt-Technologien einem besonders schnell sich wandelnden technologischen Fortschritt unterworfen sind. Trotz dieser Einwände soll für den Zweck der vorliegenden Untersuchung die Patentstatistik i n Ermangelung anderer Daten als Maßstab für die Beurteilung des erfinderischen Outputs herangezogen werden, insbesondere deshalb, w e i l versucht werden soll, langfristige Tendenzen aufzuzeigen. Es w i r d für den anzustellenden interindustriellen Vergleich dabei angenommen, daß bei einem vergleichsweise hohen Patentausstoß i n einem Industriezweig die Produkt-Technologien dieses Industriezweiges einem sich häufig wandelnden technischen Fortschritt unterworfen sein müssen. Dies aber kann nicht ohne Rückwirkungen auf die Zusammensetzung der Umsätze nach Produktjahrgängen bleiben. Bei unterschiedlichem Patentausstoß müssen also auch die Zusammensetzungen der Umsätze nach Produktionsjahrgängen i m interindustriellen Vergleich unterschiedlich sein. D. h. also, daß ein Industriezweig m i t einem vergleichsweise hohen Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt einen höheren A n t e i l „jüngerer" Produkte am Gesamtumsatz aufzuweisen hat, als ein weniger fortschrittsorientierter Industriezweig. Dementsprechend kann auch die altersmäßige Zusammensetzung des Produktionsprogramms Aufschluß über das Ausmaß des erfinderischen Outputs eines Industriezweiges geben. Damit ist eine Kontrolle der Aussagen der Patentstatistik erreichbar. Zur Analyse der Bedeutung der Elektroindustrie i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts stehen neben nachfrageseitigen Faktoren damit auch aussagefähige angebotsseitige Faktoren zur Verfügung, so daß es nunmehr möglich ist, die Stellung der Elektroindustrie i m I n dustrialisierungsprozeß insbesondere i m Hinblick auf ihren aktiven Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt zu präzisieren.

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie aus Investitions- und Fortschrittseffekten im Industrialisierungsprozeß A n Hand des erarbeiteten Instrumentariums soll i n diesem Abschnitt die Stellung der Elektroindustrie so beurteilt werden, wie sie sich i m Laufe des industriellen Entwicklungsprozesses als das Ergebnis der i h r

106

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

immanenten Gestaltungskräfte herausgebildet hat. Da diese Beurteilung m i t Hilfe allgemeingültiger, auf jeden Industriezweig zutreffender Maßstäbe vorgenommen werden kann, ist damit zugleich eine wertende A b grenzung der Bedeutung der Elektroindustrie für den Industrialisierungsprozeß i m Vergleich zu anderen Industriezweigen möglich. Hierbei soll getrennt nach den Gestaltungskräften aus allgemeinen Investitionseffekten und solchen aus Fortschrittseffekten vorgegangen werden.

A. Die allgemeinen Gestaltungskräfte der Elektroindustrie aus Investitionseffekten Die Gestaltungskräfte eines Industriezweiges aus Investitionseffekten rühren aus seiner allgemeinen Investitionstätigkeit und den damit verbundenen Wachstumseffekten her. U m ermessen zu können, i n welchem Umfang und m i t welcher Intensität derartige Wachstumseffekte auf den Industrialisierungsprozeß durch die Entfaltung der Elektroindustrie ausgelöst worden sind und noch werden, soll von einem Überblick über die strukturelle Entwicklung der Investitionstätigkeit der Industrien ausgegangen werden. I . D i e Investitionstätigkeit der Elektroindustrie i m interindustriellen Vergleich i n der B R D von 1950—1965

Die Investitionstätigkeit eines Unternehmens oder Industriezweiges findet seinen Niederschlag i m Sachkapitalapparat, dessen wertmäßige Bedeutung zu jedem Zeitpunkt der Betrachtung durch das Anlagevermögen repräsentiert wird. Tendenzen i n der Investitionstätigkeit der einzelnen Industriezweige können daher an Veränderungen i n der gesamtindustriellen Anlagevermögensstruktur aufgezeigt werden 1 . Da positive Wachstumseffekte nur von Nettoinvestitionen ausgelöst werden, über diese Größe aber kein Zahlenmaterial, das einen interindustriellen Vergleich ermöglicht, verfügbar ist, soll die Entwicklung der Bruttoanlagevermögen der einzelnen Industriezweige herangezogen werden, wobei i m wirtschaftlichen Wachstumsprozeß unterstellt werden kann, daß langfristige Strukturgewinne einzelner Industriezweige nur durch überdurchschnittliche Nettoinvestitionsbildungen erzielt werden können. I n Tabelle 3 ist aus Gründen der Übersichtlichkeit lediglich die Strukt u r des Bruttoanlagevermögens der Industrien i n der BRD von 1950 bis 1965 an Hand von Prozent-Anteilen zusammengestellt worden. Zur Beurteilung der Entfaltung der Investitionstätigkeit der Elektroindustrie 1 I m Rahmen einer längerfristigen Betrachtung können Unterschiede i n den Bewertungsansätzen vernachlässigt werden.

. Die

e e n Gestaltungskräfte aus

107

stseffekten

Tabelle 3 Struktur des Brutto-Anlagevermögens der Industrien in der BRD von 1950—1965 (Basis: Mill. D M zu Preisen von 1958) B R D ohne Saarl. u. B e r l i n - W 1958

1950

Industrien

B R D m i t S a a r l . u. B e r l i n - W 1965

1958

i. v. H. A n t e i l i. v. H. A n t e i l i. v. H. A n t e i l i. v. H. A n t e i l v. Ges. v. Ges. v. Ges. v. Ges. S t r u k t u r der Industrien gesamt: Bergbau (o. K o h l e w e r t stoffind.) Grundstoffu. Produktionsgüterind. Investitionsgüterind. Verbrauchsgüterind, (o. Wäschereiu. Rein.-Anst.) Nahrungs- u. Genußmittelind. Industrie ges. S t r u k t u r der Investitionsgüterindustrie: Stahlbau incl. Waggonbau Maschinenbau Fahrzeugbau Schiffbau Luftfahrzeugbau Elektrotechn. Industrie

16,48

11,71

-

35,82

35,34

35,33



20,72

23,80

24,32

28,38



15,75

14,87

14,58

14,82



10,38

9,36

9,29

9,75



100,00

100,00



100,00



100,00



17,78

16,15

35,36



5,9 29,2 16,6 4,7

1,23 6,04 3,43 0,97

5,0 31.8 19.9 3,9 0,1

1,18 7,58 4,73 0,93 0,02

5,4 30,9 18,6 3,6 0,1

1,31 7.52 4.53 0,89 0,02

4.4 29,5 24,3 2.5 0,5

1,25 8,37 6,88 0,72 0,13

18,3

3,80

20,0

4,76

22,7

5,52

22,8

6,47

0,65

3,3

0,80

3,3

0,80

3,1

0,88

4,60

16,0

3,80

15,4

3,73

12,9

3,67

20,72

100,0

23,80

100,0

24,32

100,0

28,38

Feinmechan. u. Opt. Ind. incl. Uhren 3,1 Eisen-, Blech- u. Metallw.ind. incl. 22,2 Stahlverform. Investitionsgüterindustrie gesamt 100,0

Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Produktionsvolumen und Produktionsfaktoren der Industrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, Statistische Kennziffern 1950 bis 1960, Neuberechnung auf der Basis 1958, Berlin 1964 (im folgenden zitiert als: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Produktionsvolumen, 1950—1960), S. IV/29; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Produktionsvolumen und Produktionsfaktoren der Industrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Saarland und Berlin (West), Statistische Kennziffern, 6. Folge 1958—1965, Berlin 1966 (im folgenden zitiert als: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Produktionsvolumen. 1958—1965), S. IV/29.

108

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

i m Rahmen der gesamtindustriellen Entwicklung sind zunächst die Entwicklungstendenzen der Hauptindustriegruppen aufgezeigt, danach die Entwicklungstendenzen der einzelnen Industriezweige der Investitionsgüterindustrie, denen die Elektroindustrie zugeordnet wird. Ein starkes Vordringen der Investitionsgüterindustrie auf Kosten der übrigen Industriegruppen ist festzustellen. Innerhalb der Investitionsgüterindustrie t r i t t besonders der Fahrzeugbau i m Betrachtungszeitraum hervor 2 . Die Elektroindustrie und der Maschinenbau neben dem i n der BRD noch relativ unbedeutenden Luftfahrzeugbau haben unter Berücksichtigung der Gebietsänderungen ebenfalls ihre Positionen verbessern können, wobei die Elektroindustrie stärker als der Maschinenbau i n ihrer Entwicklung hervorgetreten ist, während die übrigen Investitionsgüterzweige strukturell gesehen eindeutig stagnierende oder rückläufige Tendenzen aufzeigen. Daraus kann gefolgert werden, daß die Elektroindustrie durch anhaltende zusätzliche Nettoinvestitionsbildungen einen überdurchschnittlichen Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Investitionsprozeß der BRD auch i n der Zeit von 1950 bis 1965 geleistet und damit die Entwicklung fortgesetzt hat — wenn auch vielleicht i n abgeschwächtem Maße —, i n die sie mit den gestaltenden Auswirkungen auf den Prozeß der industriellen Entwicklung durch die Entfaltung der Starkstromtechnik 1891 eingetreten ist 3 . Da die Entwicklungsbedingungen dieses Industriezweiges — wie noch zu zeigen sein w i r d — von weltweiter Allgemeingültigkeit sind, müssen überall dort, wo die Elektroindustrie den Sprung zu einem eigendynamischen Entwicklungsprozeß hat vollziehen können, gleichgelagerte Entwicklungstendenzen i m Hinblick auf die Nettoinvestitionsbildung festgestellt werden können 4 .

2 Die hier zu beobachtende Ausweitung des Anlagevermögens ist aber i m wesentlichen auf die Produktionssteigerung v o n Personenkraftwagen zurückzuführen, die zu einem erheblichen T e i l Konsumentenbedürfnisse befriedigen. 3 Über die E n t w i c k l u n g der Investitionstätigkeit der Elektroindustrie i n Deutschland von 1928—1966 (in absoluten Zahlen) i m Vergleich zur gesamtindustriellen Investitionstätigkeit gibt eine von Huppert erarbeitete Übersicht Aufschluß. H i e r i n k o m m t das tendenzmäßig strukturelle Vordringen der Elektroindustrie deutlich zum Ausdruck: (Siehe Übersicht S. 109) 4 Diese Annahme k a n n auch durch die überdurchschnittliche E n t w i c k l u n g der Produktionsindices einiger f ü r die E n t w i c k l u n g der Elektroindustrie bedeutenden Länder gestützt werden — s. Tabelle 1 auf S. 35 —, da eine langfristige Produktionsausweitung n u r über eine Ausweitung der Produktionsanlagen möglich ist, d. h. durch eine Vornahme zusätzlicher Nettoinvestitionen.

. Die

e e n Gestaltungskräfte aus

stseffekten

109

I I . Von der Investitionstätigkeit der Elektroindustrie ausgehende Wachstumseffekte Durch den Prozeß anhaltender Nettoinvestitionsbildungen, der m i t der Entwicklung der Elektroindustrie ausgelöst wurde und noch heute seine Fortsetzung i m Industrialisierungsprozeß findet, sind über die aufgezeigten allgemeinen Investitionseffekte i m wirtschaftlichen Wachstumsprozeß Differenzierungseffekte verbunden, die ihrerseits stimulierend auf den Prozeß der industriellen Entwicklung einwirken. Investitionen

To v.r. Janr

der deutschen Industrie und der Elektroindustrie von 1928—1939 und 1951—1966 r* AnnmiA»^ Gesamtes) T«/ii,etrio Industrie Mül. RM/DM

davon Elektroindustrie .i n „ absolut von Gesamt Mill. RM/DM

v. H.

Deutsches Reich (jeweiliger Gebietsstand) 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939

2 552 1959 1533 869 423 540 1004 1562 2 061 2 732 3 506 4 226

84 83 71 34 19 26 39 73 88 119 141 193

3,3 4.2 4,6 3,9 4,5 4,8 3,9 4,7 4,3 4,4 4,0 4,6

Bundesrepublik Deutschland 15 ) 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966

6 090 7 095 7 870 9 020 11365 11960 12 385 12 740 13 695 17 970 20 430 21 370 19 900 21165 24 550 24 880

340 340 390 440 630 780 660 740 800 1 190 1490 1610 1440 1400 1580 1700

5,6 4,8 5,0 4,9 5,5 6,5 5,3 5,8 5,8 6,6 7,3 7,5 7,2 6,6 6,4 6,8

a) Ohne Baugewerbe, ab 1950 ohne Luftfahrzeugbau. b) Bis 1959 ohne, ab 1960 elnsdil. Westberlin und Saarland. Quelle: Huppert, Walter: Grundlagen und Entwicklungen, in: Elektrotechnik im Wandel der Zeit, 50 Jahre Z V E I , Hrsg. Z V E I Frankfurt (Main), Mindelheim 1968, S. 70—88, S. 83.

110

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie 1. Die direkten Wirkungen auf das Wachstum des Volkseinkommens (Primärwirkung des Einkommenseffektes)

Der Umfang der von der Investitionstätigkeit der Elektroindustrie ausgehenden Impulse auf das Wachstum des Volkseinkommens w i r d durch den Investitionsmultiplikator festgelegt, der sich aus dem reziproken Wert der marginalen Sparquote ergibt 5 . Die Höhe dieses Einkommenseffektes jeder Nettoinvestition hängt dabei von der marginalen Sparquote ab, die für den einzelnen Industriezweig i m Zeitpunkt der Nettoinvestitionsbildung ein Datum ist. Deshalb kann ein direkter i n dustrieindividueller Einfluß auf die Höhe des Volkseinkommens nur über die absolute Höhe des Beitrages zur Nettoinvestitionsbildung ausgeübt werden. Je mehr ein Industriezweig i m Vergleich zu anderen neu investiert, desto mehr kaufkräftige Nachfrage w i r d von i h m i m Ausmaß des allgemeingültigen Investitionsmultiplikators geschaffen. Hierin ist die aus wachstumstheoretischer Sicht eigentliche Bedeutung des Einkommenseffektes der Nettoinvestition zu sehen6. Der Wirkungsmechanismus des Investitionsmultiplikators macht zwar die Höhe des Einkommenseffektes jeder Nettoinvestition von der jeweiligen Höhe der Spar(oder Investitions-)quote abhängig i n der Weise, daß, je kleiner die Sparquote ist, desto höher der Einkommenseffekt der Investition ausfällt, d. h. die einkommensschaffende Wirkung einer Investition u m so größer ist, je weniger insgesamt investiert und je mehr verbraucht wird. Aber, wie bereits dargestellt, kann eine langfristig kleine Investitionsquote i m Vergleich zu einer langfristig höheren nicht die gleichen hohen Wachstumsraten des Volkseinkommens, d. h. Steigerung des allgemeinen Wohlstandes hervorrufen, unter der Voraussetzung, daß auch die höhere Investition sich i m Rahmen der durch das Bevölkerungswachstum und den technischen Fortschritt vorgegebenen Impulse bewegt 7 . Die Tatsache, daß zur Aufrechterhaltung eines gleichgewichtigen Wachstumsprozesses jedes Nettoinvestitionsvolumen i n der nachfolgenden Periode ein i n seinem Ausmaß höheres nach sich ziehen muß, unterstreicht die Bedeutung der Gestaltungskraft i m Industrialisierungsprozeß derjenigen Industriezweige, die über lange Perioden hinweg überdurchschnittlich zur Nettoinvestitionsbildung beitragen und dadurch ständigen Anreiz zu einer Forcierung der industriellen Entwicklung geben. Die Elektroindustrie ist m i t an führender Stelle — wie die statistische Untersuchung zeigt — zu diesen Industriezweigen zu zählen. 5

Vgl. Schneider, Erich: Einführung, I I I . Teil, S. 151.

6

F. Voigt bezeichnet diese W i r k u n g des Einkommenseffektes einer Nettoinvestition als Primäreffekt, u m diesen von den für die B i l d u n g industrieller Kernprozesse ebenfalls bedeutsamen Sekundäreffekten zu trennen; Voigt, F r i t z : Die volkswirtschaftliche Bedeutung, S. 111 ff. 7

Vgl. S. 51 der vorliegenden Arbeit.

. Die

e e n Gestaltungskräfte aus

stseffekten

111

2. Die indirekten Wirkungen auf das Wachstum des Volkseinkommens (Sekundärwirkungen als Folgewirkungen des Kapazitätseffektes)

Neben den Primärwirkungen des Einkommenseffektes der Nettoinvestition lösen auch die Kapazitätseffekte Folgeprozesse aus. Diese treten vornehmlich i n Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Verkehrssystems i n räumlicher und i n fachlicher Wirkung gestaltend i n Erscheinung, i n dem sie Differenzierungseffekte auslösen, die ihrerseits den Prozeß der Industrialisierung nachhaltig beeinflussen. A u f die i n räumlicher und fachlicher Hinsicht auftretenden Differenzierungseffekte der Nettoinvestitionen w i r d insbesondere von F. Voigt hingewiesen 8 . Es wurde bereits dargelegt 9 , daß die Problematik eines gleichgewichtigen Wirtschaftswachstums aus dem zeitlichen Auseinanderfallen des Einkommens- und Kapazitätseffektes der Nettoinvestitionen resultiert. Die Primärwirkung des Einkommenseffektes t r i t t auf, während das den Kapazitätseffekt der Investition verursachende Investitionsvorhaben noch ausreift, kapazitativ also noch nicht wirksam wird. Für den Prozeß der industriellen Entwicklung ist es i n dieser Situation von großer Bedeutung, daß das ausreifende Investitionsvorhaben sowohl i n einem durch das Verkehrssystem begünstigten Raum realisiert wird, als auch i n einem Wirtschaftszweig, der direkt oder indirekt (über das Akzelerationsprinzip) i m Bereich hoher Einkommenselastizitäten der Nachfrage produziert. Nur dann können die wichtigen Sekundärwirkungen, die an den Kapazitätseffekt geknüpft sind, i n Erscheinung treten, die schließlich zu einem für den Industrialisierungsprozeß unabdingbar notwendigen, sich selbst nährenden Entwicklungsprozeß führen. Der Kapazitätseffekt der ausgereiften Nettoinvestition findet nämlich nur dann eine ökonomisch befriedigende Rechtfertigung, wenn weitere zusätzliche Nettoinvestitionen für die Entstehung einer kaufkräftigen Nachfrage sorgen, die das zusätzliche Güterangebot des jetzt ausgereiften Investitionsvorhabens aufzunehmen vermag. Den Anreiz zur Bildung dieser zusätzlichen Nettoinvestition liefert die vorangegangene Nettoinvestition über ihren Einkommenseffekt, der kaufkräftige Nachfrage i m Ausmaß des M u l t i plikators auf die einkommenselastischen Wirtschaftszweige streut, aber nur bedingt. Es ist zwar richtig, daß diese zusätzliche kaufkräftige Nachfrage dazu beiträgt, bei den hiervon begünstigten einkommenselastischen Wirtschaftszweigen eine Bereitschaft zur Nettoinvestition entstehen zu lassen. Ob diese Bereitschaft allerdings schon ausreicht, die Durchfüh8 Vgl. Voigt, F r i t z : Die volkswirtschaftliche Bedeutung, S. 122 ff.; Voigt, F r i t z : Verkehr, 2. Bd., 2. Hälfte, Die E n t w i c k l u n g des Verkehrssystems, Berlin 1965 (im folgenden zitiert als: Voigt, F r i t z : Verkehr), S. 1157 ff. 9 Vgl. S. 44 f. der vorliegenden Arbeit.

112

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

rung weiterer Nettoinvestitionen zu veranlassen, aus deren Einkommenseffekten nun direkt oder indirekt eine Auslastung der m i t der vorangegangenen Nettoinvestition neugeschaffenen Kapazitäten erfolgen muß, ist nicht sicher. Viel wahrscheinlicher ist dagegen, daß der Anreiz zu weiteren Nettoinvestitionen i n den direkt oder indirekt i m Bereich hoher Einkommenselastizitäten agierenden Wirtschaftszweigen durch die Sekundärwirkung des Kapazitätseffektes der vorangegangenen Investition entscheidend beeinflußt w i r d 1 0 . Denn die durch die Begünstigung eines Raumes sich meist dort ballenden Unternehmen 1 1 sehen sich gegenüber der Ausgangssituation nach der Ausreifung bereits des ersten zusätzlichen Investitionsvorhabens einem erhöhten Einkommensstrom gegenüber, der aus der zusätzlichen Beschäftigung der neuen Produktionskapazitäten durch die laufende Zahlung von Löhnen an neu eingestellte Arbeitnehmer und den laufenden Bezug von zusätzlich benötigten Produktionsmitteln resultiert. Hierin ist die eigentliche Bedeutung des Kapazitätseffektes der Nettoinvestitionen für den Industrialisierungsprozeß zu sehen, der zwar nicht unmittelbar wie der Einkommenseffekt auf das Volkseinkommen einwirkt, der aber i n seiner sekundären W i r kung eine ausschlaggebende Komponente und einen nicht zu unterschätzenden Faktor zur Überwindung der Risikofurcht bei den Investitionsentscheidungen für nachgelagerte Nettoinvestitionen anderer W i r t schaftszweige darstellt. I n diesem Prozeß spielen die Industriezweige keine einheitliche Rolle. Einmal werden eindeutig einkommenselastische Industrien begünstigt, zum anderen ist für die Entstehung eines industriellen Kernprozesses, der sich aus einer Kumulierung der von den Nettoinvestitionen ausgehenden Primär- und Sekundäreffekten nährt, innerhalb eines begünstigten Raumes auch die Höhe des Kapitalkoeffizienten nicht ohne Einfluß. Denn das Ausmaß der laufend erzeugten Einkommen durch die zusätzlichen Produktionskapazitäten ist am begünstigten Ort u m so größer, je mehr Arbeitnehmer Beschäftigung finden, d. h. je niedriger der Kapitalkoeffizient ist. Werden nun die für die Entwicklung der Elektroindustrie zutreffenden Daten auf die hier analysierten Zusammenhänge der Wachstumseffekte i m industriellen Entwicklungsprozeß übertragen, dann kann festgestellt werden, daß die Elektroindustrie durch ihren überdurchschnittlichen Beitrag zum Prozeß der Nettoinvestitionsbildung laufend auch über die Sekundärwirkung des Kapazitätseffektes ihrer Netto10 Voigt spricht hier von Echowirkungen i m Wachstumsprozeß; Voigt, F r i t z : Die volkswirtschaftliche Bedeutung, S. 111. 11

Vgl. zur Bedeutung des Verkehrssystems i n diesem Prozeß u n d zur E n t stehung des Ballungsmultiplikators Voigt, F r i t z : Die volkswirtschaftliche Bedeutung, S. 120 ff.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

113

Investitionen den Industrialisierungsprozeß durch andauernde Herausforderung zur Nettoinvestitionsbildung i n anderen Wirtschaftsbereichen wesentlich stimuliert hat, wobei ein zusätzlicher Wachstumseffekt noch aus dem für die Elektroindustrie geltenden relativ niedrigen Kapitalkoeffizienten resultiert.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte der Elektroindustrie aus Fortschrittseffekten Die Darstellung der quantitativen Entfaltung der Elektroindustrie i m bisherigen Verlauf des Industrialisierungsprozesses hat i m Zuge der industriellen Entwicklung eine ständige strukturelle Begünstigung dieses Industriezweiges erkennen lassen, während andere Industrien an Bedeutung einbüßten. Über die Kräfte, die diese Entwicklung bedingen, konnte sowohl m i t Hilfe der statistischen Analyse nichts ausgesagt werden (diese diente lediglich zur Kennzeichnung der Entwicklungsdynamik dieses Industriezweiges), als auch nicht anläßlich der Charakterisierung der aus der Investitionstätigkeit der Elektroindustrie resultierenden Wachstumseffekte. Wenn ein Industriezweig i m Verlauf des Industrialisierungsprozesses eine derartige Begünstigung erfährt, und zwar auch dann noch, wenn der Prozeß bereits sehr weit fortgeschritten ist, dann muß dieser Industriezweig besonders intensiv auf Wachstumsimpulse reagieren, die auch die industrielle Entwicklung i m ganzen fördern. Als die langfristig ausschlaggebende Triebkraft des industriellen Entwicklungsprozesses ist der technische Fortschritt erkannt worden. Nur er vermag die auch i m industriellen Produktionsbereich gültigen Auswirkungen des Ertragsgesetzes immer wieder aufzuheben und neue Ausgangsbedingungen anstelle der überkommenen Produktionsstrukturen zu setzen. Da ein derartig i m Prozeßablauf wirksam werdender technischer Fortschritt nur durch Verkörperung i n Produkten — das gilt jedenfalls für die langfristige Betrachtung, auf die es hier ankommt — zur Geltung kommen kann, und diese Produkte vornehmlich nur i m industriellen Produktionssektor erzeugt werden können, gewinnt die Frage nach der Holle des einzelnen Industriezweiges i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts eine besondere Bedeutung. Die theoretischen Erörterungen über die Bedeutung der Investition und des technischen Fortschritts i m wirtschaftlichen Wachstumsprozeß haben erkennen lassen, daß die Investition als Träger des technischen Fortschritts langfristig fungiert, der Investition darüber hinaus aber auch ein selbständiger Wirkungsmechanismus i m Industrialisierungsprozeß immanent ist. Dies wurde i n dem Abschnitt deutlich, i n dem die von der 8 Schulz-Hanfien

114

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

Investitionsbildung der Elektroindustrie ausgehenden Wachstumseffekte analysiert und i n ihrem Einfluß auf das Wachstum des Volkseinkommens dargestellt wurden. Diese Analyse war möglich, ohne die Gründe näher zu bestimmen, weshalb es überhaupt zur Nettoinvestitionsbildung kam, und warum einige Wirtschaftszweige i m Gegensatz zu anderen direkt oder indirekt (über das Akzeleratorprinzip) i m Bereich hoher Einkommenselastizitäten der Nachfrage produzieren können und deshalb begünstigt werden. Der festgestellte dynamische, d. h. die Kräfte des wirtschaftlichen Wachstumsprozesses immer wieder forcierende Ablauf der Entwicklung der Elektroindustrie läßt sich deshalb auch nicht ausschließlich aus seiner Investitionstätigkeit erklären. Vielmehr muß versucht werden, die Stellung der Elektroindustrie i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts zu präzisieren und dann von dieser Keimzelle industrieller Entwicklung aus die industrieindividuellen Impulse i n ihrem Verhältnis zu den maßgeblich prozeßgestaltenden Bestimmungsfaktoren zu beurteilen und i n ihrem Einfluß auf die industrielle Entwicklung — so weit möglich — zu bewerten. Hierzu leistet das erarbeitete Instrumentarium zur Quantifizierung des aktiven Beitrags eines Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt wertvolle Dienste.

I . D i e quantitative Verifizierung des Beitrages der Elektroindustrie aus Fortschrittseffekten

Die Überlegungen über die Fähigkeit einzelner Industriezweige, technische Fortschritte zu erzeugen, haben zu der Erkenntnis geführt, daß angebotsseitige Faktoren den Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts ebenso steuern, wie auch nachfrageseitige Faktoren lenkend eingreifen. Der aktive Beitrag eines Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt kann deshalb nur korrekt bestimmt werden, wenn eine gegenseitige Entsprechung der Einflußfaktoren beider Seiten erkennbar ist; denn es ist ebenso denkbar, daß erfinderische A n strengungen unternommen werden, denen noch keine adäquaten Verbreitungsmöglichkeiten gegenüberstehen, von denen also noch kein aktiver Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt ausgeht, wie auch nachfrageseitig kurzfristige Wachstumsimpulse von außerökonomischen, nicht durch den technischen Fortschritt determinierten Einflußfaktoren die Entwicklung bestimmen können 1 2 . 12 z.B. von rein modischen Einflüssen. Diesen Einflüssen ist i m Gegensatz zum technischen Fortschritt keine langfristige prozeßgestaltende Tendenz i m manent, sie treten i n der Regel i m m e r erst als Folge der ökonomischen Ausw i r k u n g e n des technischen Fortschritts i m Prozeßablauf auf.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

115

1. Die Beurteilung der von der Elektroindustrie ausgehenden Fortschrittseffekte an Hand der nachfrageseitig quantifizierbaren Indikatoren

a) Im Kapitalgüterbereich Als Kriterien sind der bisherige Umsatz an Kapitalgütern und die Investitionen i m Produktionssektor herausgestellt worden. Kapitalguterfindungen i m engeren Sinne finden ihre Verwertung i m Bereich der Investitionsgüterindustrie. Da die Zuteilung der Industriezweige zu den einzelnen Produktionsbereichen Bergbau, Grundstoff- und Produktionsgüterindustrien, Investitionsgüterindustrien, Verbrauchsgüterindustrien und Nahrungs- und Genußmittelindustrien i n den verfügbaren Statistiken der BRD, an Hand derer die Entwicklung zunächst aufgezeigt werden soll, nach dem Schwergewicht der Produktion des einzelnen Industriezweiges erfolgt, sind für den hier anzustellenden Vergleich der Entwicklungsreihen der einzelnen Investitionsgüterindustrien Ungenauigkeiten bei der Auswertung der verfügbaren Statistiken nicht auszuschließen. Ein mehr oder weniger großer Teil der hier unter I n vestitionsgütern erfaßten Zahlen betreffen Gebrauchsgüter, i m strengeren Sinne also Konsumgüter. Das t r i f f t stärker auf den Fahrzeugbau, die Elektroindustrie, die Feinmechanik und Optische Industrie und die EBM-Industrien, weniger für den Stahlbau, den Maschinenbau, den Schiffbau und den Luftfahrzeugbau zu. A u f eine unter Berücksichtigung dieser Ungenauigkeit nur bedingt korrekte Auswertung der statistischen Angaben soll aber nicht verzichtet werden, da der Entwicklungstrend der Elektroindustrie insbesondere interessiert, und bei diesem Industriezweig das Schwergewicht der Produktion eindeutig bei den Investitionsgütern liegt 1 3 . Die Umsatzentwicklung der Industriezweige der BRD i n der Zeit von 1950—1965 läßt eine außerordentlich starke Entwicklung der I n vestitionsgüterindustrien erkennen. Während ihr A n t e i l an der Gesamt13 Nach einer Auswertung des Z V E I entfällt i m Jahre 1961 etwa die Hälfte der Produktion auf Investitionsgüter, je 1/4 auf Gebrauchsgüter u n d Vorerzeugnisse. Vorerzeugnisse wiederum fließen etwa je zur Hälfte i n die Investitions- u n d Gebrauçhsgûter ein; vgl. o. V.: Z u r Absatzentwicklung der elektrotechnischen Erzeugnisse, Tendenzen u n d Perspektiven, hrsg. v o m Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie e. V., A b t l . Volkswirtschaft u n d Statistik, Frankfurt/Main, B e r l i n 1962 (im folgenden zitiert als: o. V.: Z u r Absatzentwicklung), S. 26 f. H i n z u kommt, daß der Gebrauchsgüterumsatz der deutschen Elektroindustrie seit 1960 anteilsmäßige rückläufige Tendenzen aufzeigt u n d deshalb die feststellbaren Tendenzen f ü r die E n t w i c k l u n g des Industriezweiges insgesamt — zumindest seit 1960 — maßgeblich durch die Investitionsgüterentwicklung geprägt sind; vgl. Z V E I , Die westdeutsche Elektroindustrie, S. 9.

8*

116

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

summe 1950 23,00 v . H . betrug, belief er sich 1965 auf 35,43 v . H . Der relativ stärkste Impuls zu dieser Entwicklung ging von der Elektroindustrie aus, deren A n t e i l am Umsatz der Investitionsgüterindustrien sich von 1950 = 18,5 v. H. auf 1965 = 23,8 v. H. erhöht hat (s. Tabelle 4). Hieraus ist unter Verweis auf die Erörterungen über die Eigenschaft von Umsatzzahlen i n der langfristigen Entwicklung als Indikator für die Fähigkeit eines Industriezweiges zur Verbreitung von technischen Fortschritten 14 der Schluß zu ziehen, daß die Elektroindustrie — wie es bereits aus der Entwicklung der Zahlen von 1890 bis 1944 i n Deutschland zu ersehen w a r 1 5 — auch i n der jüngsten Nachkriegsphase einen überdurchschnittlichen Beitrag zum gesamtwirtschaftlich-technischen Fortschritt geleistet haben muß. Denn nur so lassen sich i m Investitionsgüterbereich strukturelle Gewinne eines Industriezweiges i m Industriegefüge zu Lasten anderer erklären. Diese Entwicklung impliziert, daß die Elektroindustrie die über ihre Produkt-Technologien angebotenen technologischen Fortschritte i n stärkerem Umfange zur Befriedigung des Bedarfs an Produktivitätsfortschritten hat verbreiten können als andere I n dustriezweige, so z. B. der Maschinenbau, der eine stagnierende Tendenz offenbart. M i t dieser Umsatzentwicklung der Elektroindustrie verbreitert sich zwangsläufig (wegen der zu beobachtenden Neigung, daß die Kapitalguterfindungen danach tendieren, die bestehende Verteilung der Kapitalgutnachfrage zu reproduzieren) auch die Basis zukünftiger Entwicklungschancen. Entwicklungschancen i n diesem Zusammenhang kann nur bedeuten, daß die Fähigkeiten zur Erzeugung von technischen Fortschritten auch zukünftig positiv eingeschätzt werden. I n welchem Umfang Erwartungen i n dieser Richtung von einem Industriezweig gehegt werden, kann — wie bereits betont — an der strukturellen Entwicklung der Investitionstätigkeit eines Industriezweiges abgelesen werden. Die Entwicklung der Investitionstätigkeit der Elektroindustrie ist bereits unter dem Gesichtspunkt der von den Investitionen ausgehenden Wachstumseffekte quantitativ verifiziert worden. Danach ist ein anhaltend strukturelles Vordringen der Investitionen der Elektroindustrie i m Industriegefüge offenkundig geworden. M i t h i n kann festgestellt werden, daß die Elektroindustrie nach dem K r i t e r i u m der Investitionstätigkeit ihre zukünftige Entwicklung überdurchschnittlich günstig beurteilt, d. h. ihre Fähigkeit zur Erzeugung auch zukünftiger technischer Fortschritte zuversichtlich einschätzt. Damit muß die Elektroindustrie i m Investitionsgüterbereich, beurteilt an Hand der nachfrageseitig orientierten Indikatoren, als ein bedeutender Träger des gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritts angesprochen werden können. Es bleibt zu prüfen, wieweit eine entsprechende Fest14 15

Vgl. S. 91 f. der vorliegenden Arbeit. Vgl. S. 30 f. der vorliegenden Arbeit.

117

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten Tabelle 4 Struktur des Umsatzes der Industrien in der B R D von 1950—1965 (Basis: Mill. D M zu Preisen von 1958)

B R D ohne Saarl. u. B e r l i n - W B R D m i t Saarl. u. B e r l i n - W 1950

Industrien

1958

1965

1958

i. v. H. A n t e i l i. v. H. A n t e i l i. v. H. A n t e i l i. v. H. A n t e i v. Ges. v. Ges. v. Ges. v. Ges. S t r u k t u r der Industrien gesamt: Bergbau (o. K o h l e w e r t stoffind.) Grundstoff- u. Produktionsgüterind. Investitionsgüterind. Verbrauchsgüterind. (o. Wäscherei- u. Rein.-Anst.) Nahrungs- u. Genußmittelind. Industrie ges. S t r u k t u r der Investitionsgüterindustrie: Stahlbau incl. Waggonbau Maschinenbau Fahrzeugbau Schiffbau Luftfahrzeugbau Elektrotechn. Industrie

5,88



4,67



4,84



2,83



27,64



29,25



29,09



28,87



23,00



31,82



31,81



35,43



24,95



18,88



18,81



18,61



18,53



15,37



15,45



14,26



100,00



100,00



100,00



100,00



7,7 30,2 18,9 2,1

1,77 6,94 4,36 0,49

6,8 29,1 18,5 4,1 0,1

2,15 9,27 5,87 1,30 0,03

7,3 29,0 17,2 3,9 0,1

2,34 9,21< 5,43 1,24 0,03

6,1 29,1 20,2 1,9 0,6

2,16 10,29 7,15 0,69 0,20

4,26

22,4

7,12

23,0

7,34

23,8

8,44



18,5



Feinmechan. u. Opt. Ind. incl. Uhren 3,9 Eisen-, Blech- u. Metallw.Ind. incl. Stahlverformung 18,7

0,89

3,1

1,01

3,1

1,00

2,9

1,02

4,30

15,9

5,08

16,4

5,22

15,4

5,47

Investitionsgüterindustrie gesamt 100,0

23,00

100,0

31,82

100,0

31,81

100,0

35,43

Quellen: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Produktionsvolumen, 1950—1960, S. 1/6; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Produktionsvolumen, 1958—1965, S. 1/6.

118

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

Stellung aufgrund der Beurteilung nach den angebotsorientierten Indikatoren getroffen werden kann. Vorerst sind aber die Gegebenheiten i m Konsumgüterbereich noch zu betrachten. b) Im Konsumgüterbereich aa) Die Einkommenselastizitäten elektrotechnischer Gebrauchsgüter Statistische und ökonometrische Ermittlungen von Einkommenselastizitäten der Nachfrage nach Konsumgütern sind allem Anschein nach bisher stärker unter dem Gesichtspunkt einer Verifizierung der Theorie der Engelkurven i n Angriff genommen worden. Hierzu genügt es, sich auf einige wenige verbrauchstypische Güterkategorien i n unterschiedlichen Einkommensschichten zu beschränken und den Wandel i n der Zusammensetzung dieser Güterkategorien i n der Folge wirtschaftlicher Wachstumsprozesse i n mehr oder minder großen Zeitabschnitten zu beobachten. Weniger ging es darum, etwa durch gezielte partielle Analysen, die stärker detaillierte und auch umfassendere Materialsammlungen erfordern, Strukturmerkmale der einzelnen Industriezweige an Hand unterschiedlicher Durchschnittselastizitäten sichtbar zu machen. I n vielen der bisher vorliegenden Untersuchungen 16 sind insbesondere bei den hier vor allem interessierenden langlebigen Haushaltsgegenständen, die zweckmäßigerweise auch als Gebrauchsgüter (durable goods) bezeichnet werden, derart grobe Zusammenfassungen heterogener Güterarten vorgenommen worden, daß eine Trennung nach einzelnen Industriezweigen oft nicht möglich ist 1 7 . I n ihrer Untersuchung über die langfristigen Strukturwandlungen des Verbrauchs privater Haushalte i n Deutschland, die sich über den Zeitraum von 1907 bis 1961 erstreckt, hat Schmucker zwar den Versuch einer Zuteilung der Konsumgüter und Dienstleistungen auf die drei charakteristischen Produktionssphären einer Volkswirtschaft, den Primär-, Sekundär» und Tertiärbereich, unternommen, u m u. a. die langfristige Übereinstimmung der Entwicklung der Einkommenselastizitäten der den einzelnen Bereichen zuordenbaren Produkte und Produktgruppen m i t der von Hoffmann 1 8 nachgewiesenen Wachstumsreihenfolge der Konsum16

Einen guten Überblick bietet die A r b e i t von Pollak, Helga, a.a.O., S. 56 ff. Vgl. etwa Stone, Richard and Rowe, D. A.: The Market Demand for Durable Goods, i n : Econometrica, Vol. 25 (1957), S. 423—443, S. 439, wo Produkte der Elektroindustrie m i t solchen der EBM-Warenindustrie, Möbelindustrie, Glaswarenindustrie u. a. unter einer Meßziffer subsumiert werden. Ä h n liche Zusammenfassungen, w e n n auch nicht so heterogener Größen, finden sich bei Houthakker, H. S.: The Econometrics of F a m i l y Budgets, i n : Journal of the Royal Statistical Society, Series A , Vol. 115 (1952), S. 1—19; Prais, S. J., und Houthakker, H. S.: The Analysis of F a m i l y Budgets, Cambridge 1955, S. 107. 18 Vgl. Hoff mann, Walther G.: Stadien u n d Typen, S. 56. 17

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

119

güterindustrien an Hand von Querschnittselastizitäten aufzuzeigen 19 . Die Zusammenfassung der Gütergruppe: Haus-, Küchen-, Keller- und Gartengeräte erlaubt jedoch bis 1950/51 ebenfalls keine separate Betrachtung der Entwicklung der Verbrauchsausgaben und damit der Einkommenselastizität für elektrotechnische Gebrauchsgüter. Da aber für 1960/61 ein Elastizitätskoeffizient für elektrotechnische Geräte m i t 2,893 ausgewiesen ist, und zugleich der Koeffizient für Haus-, Küchen-, Keller- und Gartengeräte einschließlich elektrotechnischer Geräte von 1927/28 m i t 1,908 1937 m i t 2,072 1950/51 m i t 1,304 1960/61 ohne elektrotechnische Geräte auf 0,987 zurückgefallen ist, kann daraus geschlossen werden, daß die Höhe des Globalkoeffizienten i n der Zeit von 1927/28 bis 1950/51 wesentlich m i t auf die darin enthaltenen elektrotechnischen Geräte zurückzuführen ist 2 0 . Die Höhe der Einkommenselastizität für elektrotechnische Produkte 1960/61 von 2,893 i n der BRD erscheint allerdings gemessen an dem ermittelten Elastizitätskoeffizienten aus Zeitanalysen etwas hoch. Dabei läßt sich eine mögliche Abweichung nicht aus etwaigen Divergenzen aufgrund unterschiedlicher Ermittlungsverfahren, einmal m i t Hilfe von Punktelastizitäten (Querschnittselastizitäten), zum anderen m i t Bogenelastizitäten (2eitreihenelastizitäten) erklären 2 1 . So ermittelten Stone und Rowe für die Zeit von 1953 bis 1958 i n einer späteren detaillierten Zeitreihenanalyse über dauerhafte Haushaltsgüter i n England für Radios und elektrotechnische Güter unter verschiedenen Annahmen über die durchschnittliche Lebensdauer der Güter unter Berücksichtigung des höchsten Korrelationskoeffizienten einen Wert für die Einkommenselastizität von 1,8022. Eine französische Schätzung geht für die Zeit von 1950—1960 von einer Einkommenselastizität für Elektrogeräte von 3,5 aus und setzt diese für 19

s. hierzu auch Klatt, Sigurd: Industrialisierung, S. 243 ff. Vgl. Schmucker, H.: Die langfristigen Strukturwandlungen des Verbrauchs der privaten Haushalte i n ihrer Interdependenz m i t den übrigen Bereichen einer wachsenden Wirtschaft, SchdVfSp., N.F., Bd. 30/1, B e r l i n 1964, S. 106— 183, S. 136 ff. u n d den tabellarischen Anhang, S. 168 ff. Die angeführten Koeffizienten w u r d e n der Tabelle auf den Seiten 174 f. entnommen. 21 Vgl. über das Verhältnis von P u n k t - zu Bogenelastizitäten Pollak, Helga, a.a.O., S. 56 ff. 22 Vgl. Stone, Richard u n d Rowe, D. A . : The D u r a b i l i t y of Consumers' Durable Goods, i n : Econometrica, Vol. 28 (1960), S. 407—416 (im folgenden zitiert als: Stone, Richard u n d D. A . Rowe: The Durability), S. 413 f., über die Vollständigkeit der Zusammensetzung der erfaßten Güter w i r d nichts gesagt, weshalb der von Schmucker ermittelte Koeffizient aufgrund des i h m zugrunde liegenden Ausgangsmaterials nicht unbedingt m i t dem von Stone u n d Rowe ermittelten vergleichbar sein muß. 20

120

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

den Zeitraum 1960—1970 auf 1,4 herunter 2 3 . Demgegenüber w i r d von Dewhurst, u. a. für Westeuropa, angenommen, daß bei einer durchschnittlichen Steigerung des Verbrauchereinkommens pro Kopf u m etwa 47 v. H. in der Zeit von 1955—1970 die Ausgaben für dauerhafte Konsumgüter ohne Möbel (household appliances) 24 sich etwa verdoppeln werden 2 5 , also eine Einkommenselastizität von etwa 2 angesetzt werden kann. I n dieser Untersuchung w i r d an mehreren Stellen darauf hingewiesen, daß insbesondere bei elektrotechnischen Geräten überdurchschnittliche Entwicklungen zu erwarten sind 2 6 . Hierbei ist allerdings einschränkend zu erwähnen, daß m i t der Tendenz zur ausreichenden Versorgung aller Haushalte m i t derartigen Geräten zwangsläufig auch die hohe Einkommenselastizität der Nachfrage nach diesen Produkten zurückgehen w i r d — ein Aspekt, unter dem die scharfe Reduzierung der Werte i n der französischen Schätzung zu sehen ist —, wenn es nicht gelingt, völlig neue, technische Fortschritte verkörpernde Produkte m i t hohen Einkommenselastizitäten auf den M a r k t zu bringen. Verfolgt man aber relativ die Neuentwicklungen der Elektroindustrie auf dem Markt für Konsumgüter, es sei nur an Farbfernseher, Geschirrspülautomaten, Nachtstromspeicheröfen, Bügelmaschinen, Dunstabzugshauben, Tiefkühltruhen, Eierkocher, Heimwerker, Dosenöffner, Brotschneider, Zahnbürsten etc. erinnert, dann erhält man den Eindruck, daß es vorerst genügend Möglichkeiten für diesen Industriezweig gibt, diese für i h n günstige Ausgangsposition auch weiterhin zu behaupten. Diese Ergebnisse konnten an Hand eigener Berechnungen überprüft werden, die sich auf eine Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen I n stituts für Wirtschaftsforschung, Essen, stützen, i n der eine Schätzung über die Entwicklung des privaten Verbrauchs für die BRD von 1950 bis 1964, nach 36 Wirtschaftszweigen aufgeteilt, versucht worden ist 2 7 . Für die Elektroindustrie ergibt sich dabei folgende quantitative Entwicklung der Verbrauchsausgaben gemessen am Gesamtverbrauch des Betrachtungszeitraums (s. Tabelle 5). Hieraus errechnen sich Einkommens-(Ausgaben-)Elastizitäten für die Nachfrage nach elektrotechnischen Gebrauchsgütern für den Zeitraum 23 Vgl. o. V.: Projection de la Consommation des Ménages pour 1970, i n : Etudes et Conjuncture, 19e année, No. 9 (1964), S. 48 f. 24 Unter denen i m wesentlichen elektrotechnische Haushaltsgeräte subsumiert sind; vgl. Dewhurst, J. F., Coppock, J. O., Lamartine Yates, P. u . a . : Europè's Needs and Ressources. Trends and Prospects i n Eighteen Countries, New Y o r k 1961, S. 262. 25 Vgl. Dewhurst, J. F., Coppock, J. O., Lamartine Yates, P., a.a.O., S. 268 f. 26 Vgl. Dewhurst, J. F., Coppock, J. O., Lamartine Yates, P., a.a.O., S. 270 u n d 997 ff. 27 Vgl. Schäfer, Heinz: Der Private Verbrauch nach H e r k u n f t u n d V e r w e n dung, Berechnungsverfahren u n d Ergebnisse 1950—1964, i n : Schriftenreihe des Rheinisch-Westfälischen Instituts f ü r Wirtschaftsforschung, Essen, Neue Folge 24, Essen 1966, o. S.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten 1951—1959 1960/1961 1963/1964 die deutlich ihre Spiegelung i n einem lauf finden (s. Abb. 12).

121

von 4,1 von 1,3 von 3,0 entsprechenden Engelkurvenver-

Tabelle 5 Entwicklung des privaten Verbrauchs in der B R D von 1950 bis 1964 in Mill. D M zu Preisen von 1962 (bis 1959 ohne, ab 1960 einschließlich Saarland und Westberlin, Inlandskonzept)

Jahr

elektrotechnische Güter Mill. D M

insgesamt Mill. D M

1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1963 1964

729 960 1160 1433 1619 2 079 2 571 2 947 3 473 3 865 4 806 5 180 5 352 6 226

82 642 88 107 96 449 106 944 114 050 124 855 135 796 144 116 151 330 159 521 181 152 192 446 209 148 220 527

Diese Ergebnisse für die BRD stehen nicht i m Widerspruch zu den angeführten internationalen. Die von Schmucker für 1960/61 angegebene Einkommenselastizität von 2,893 dürfte wohl etwas zu hoch ausfallen, wenngleich ein Vergleich m i t dem hier ermittelten Wert für 1960/61 von 1,3 nicht unbedingt aussagefähig ist, solange nicht die Zusammensetzung und der Umfang des von Schmucker verwendeten Ausgangsmaterials bekannt sind. Insgesamt gesehen scheint es aber nicht nur berechtigt, die Elektroindustrie der 1. Wachstumsgruppe der Konsumgüterindustrie nach der Gruppierung von K l a t t (Einkommenselastizität größer als Eins) 28 zuzurechnen, sondern es spricht auch aller Anschein dafür, daß der Koeffizient zumindest i n der BRD und i m übrigen Westeuropa u m 2 und darüber liegen dürfte; so daß der von Pollak i n einer stärker differenzierten A u f teilung der durchschnittlichen Einkommenselastizitäten der Nachfrage nach Konsumgütern vorgenommenen Zuordnung der elektrotechnischen 28

Vgl. Klatt, Sigurd: Z u r Theorie, S. 244 f.

122

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Abbildung

12

Engelkurve für den Verbrauch an elektrotechnischen Gebrauchsgütern in der Zeit von 1950 bis 1964 in Mrd. D M gemessen am Gesamtverbrauch in der BRD (1950 bis 1959 ohne, ab 1960 einschließlich Saarland und Westberlin in Preisen von 1962 (Inlandskonzept) Verbrauch an elektrotechn. Gütern in Mrd. DM

• 1964

6-

« 1961 1960

5-

#

1 9 6 3

• 1959 • 1956 •

1957

• 1956 • 1955 • 1954 • 1953 • 1952 1951 • 1950

l

I

i

i

I

I

l

l

I

.

80

90

100

110

120

130

U0

150

160

170

. 180

»

.

190

» 200

• 210

i 220

Gesamtverbrauch

m

230

in Mrd. DM

Quelle: Schaeier, Heinz, a.a.O., o. S.

Produkte i n die höchste Stufe (e > 2) vorerst noch durchaus zugestimmt werden kann 2 9 . Allerdings ist für die Zukunft eine sinkende Tendenz der durchschnittlichen Einkommenselastizität m i t zunehmender Annäherung der umsatzstärksten Großgerätegruppen an die Sättigungsgrenze nicht ausgeschlossen, vielmehr sogar — wie die Entwicklung auch i n den USA zeigt — sehr wahrscheinlich. Hier ging der A n t e i l der Ausgaben für Elektrogeräte von 3,3 v. H. i n 1955 auf 2,6 v. H. i n 1960 am gesamten privaten Verbrauch zurück. I n den USA, die i n vielen elektrotechnischen Großgerätegruppen bereits über einen hohen Sättigungsgrad verfügen, 29

Vgl. Pollak, Helga, a.a.O., S. 118.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

123

lagen also schon einkommenselastische Verhältnisse vor 8 0 . Aber auch diese Tendenz kann zeitbedingt sein und durch entsprechende Neuentwicklung von Geräten, die zu einer heute noch nicht erahnten weiteren Anhebung des Komforts i n der täglichen Hausarbeit und auch Freizeitgestaltung führen, wieder aufgehoben werden. Für die Vergangenheit und für die nahe Zukunft — jedenfalls t r i f f t das auf die Verhältnisse i n Westeuropa zu — kann eine sehr hohe Wertschätzung elektrotechnischer Gebrauchsgüter durch die Konsumenten festgestellt werden, die, i n A n betracht der hohen durchschnittlichen Einkommenselastizitäten, sich nur durch ausgeprägte Eigenschaften zur Befriedigung steigender Verbraucheransprüche bei zunehmendem Wohlstand erklären lassen. Derartige Eigenschaften sind i n der für die elektrotechnischen Gebrauchsgüter erkennbaren Breite aber nur Produkten immanent, die in hohem Maße den technischen Fortschritt verkörpern. bb) Die Preiselastizitäten elektrotechnischer Gebrauchsgüter Die Ursache-Wirkung-Beziehungen zwischen Preisänderungen und Verbrauchsausgaben sind i n keiner Weise so eng wie etwa die zwischen Einkommensänderungen und Verbrauchsausgaben. Die i n der Theorie der Nachfrage übliche Annahme, daß — ceteris paribus — ein Sinken des Preises von einer Steigerung der Nachfrage begleitet ist und umgekehrt, entspricht der unterstellten rationalen Verhaltensweise des homo oeconomicus. Aber ob die Masse der Verbraucher i n ihren Entscheidungen sich stets rational verhält und verhalten kann 3 1 und darüber hinaus bereit ist, Preisänderungen überhaupt als eine unabhängige Variable anzusehen, ist fraglich 3 2 . Diese grundsätzlichen Einschränkungen, sowie die Tatsache der Existenz der direkten und indirekten Preiselastizität (Kreuzpreiselastizität) der Nachfrage lassen daher allgemeingültige, vergleichende quantitative Untersuchungen über die Preiselastizität von Konsumgütern verschiedener Industriezweige i m Zeitablauf problematisch erscheinen. So haben denn auch spezielle Untersuchungen i m Bereich dauerhafter Konsumgüter bisher noch nicht klar erkennen lassen, ob von Preisänderungen tatsächlich ein größerer Einfluß auf das Nachfrageverhalten ausgeht 33 . Dennoch können, wie einschlägige Untersuchungen für die großen Produktionsbereiche der Volkswirtschaft zeigen 34 , langfristige relative Preis30

Vgl. o. V.: Z u r Absatzentwicklung, S. 93. Vgl. Streissler, Erich: Grundlagen der Entscheidungstheorie der Nachfrage (Einleitung, Kap. I), i n : Konsum u n d Nachfrage, K ö l n - B e r l i n 1966, S. 13—32, S. 18 ff. 32 Vgl. Katona, George: Die Macht des Verbrauchers (deutscher Titel), Düsseldorf 1962, S. 265 ff.; Plassmann, Christa: Bestimmungsgründe der Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern, B e r l i n 1964, S. 76 f. 33 Vgl. Plassmann, Christa, a.a.O., S. 97. 34 z. B. vgl. Fourastie, Jean: Die große Hoffnung des Zwanzigsten J a h r h u n derts, Köln-Deutz 1954, 3. Aufl., S. 153 ff.; Schmucker, H., a.a.O., S. 176. 31

124

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

änderungen nicht ohne Bedeutung für Umstrukturierungsvorgänge i m Rahmen industrieller Entwicklung sein. Als Ursache derartiger langfristiger Veränderungen des Preisgefüges müssen unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten der Produkt- und Produktions-Technologien innerhalb der volkswirtschaftlichen Produktionssektoren angesehen werden. Entsprechend können auch unterschiedliche Preiselastizitäten unterstellt werden. Die Lage der Nachfragekurve eines Gutes ist u m so flacher, je stärker technische Fortschritte i n i h m verkörpert sind. Solche Güter treffen i m allgemeinen auf eine große potentielle Nachfrage. Diese mündet bei Einführung des Produktes allerdings meistens noch nicht i n eine gleichgroße kaufkräftige Nachfrage und einen entsprechend großen Absatz ein, da die Einführungspreise dieser Produkte auf dem M a r k t weitgehend von der Höhe der oft erheblichen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung und die anfänglich oft nur eingeschränkten Produktionsmöglichkeiten abhängen 35 . Je stärker das Produkt zur Befriedigung allgemein empfundener Bedürfnisse beizutragen vermag, d. h. je höher der i n i h m verkörperte technische Fortschritt ist, desto größer sind die Aussichten, über Preissenkungen überproportionale A b satzausweitungen zu erzielen und hohe Preiselastizitäten auszunutzen. Diese Feststellungen treffen i m Grundsatz auf jedes von der Elektroindustrie hergestellte Konsumgut zu. Demnach müssen die Produkte über eine hohe Preiselastizität der Nachfrage als Ausdruck des i n ihnen verkörperten technischen Fortschritts verfügen. Diese Aussage gilt allerdings nur bedingt. Es ist zu berücksichtigen, daß die Nachfrage nach elektrotechnischen Großgeräten mindestens gleichermaßen von ihren Preisen wie auch von dem für ihre zweckentsprechende Aufstellung verfügbaren Raum abhängt. Ein Haushalt m i t nur begrenzter Stellfläche w i r d auch bei Bedarf und Kauffähigkeit nicht die elektrotechnischen Großgeräte anschaffen können, die er aus Platzmangel nicht unterbringen kann, auch wenn noch so starke Kaufanreize durch drastische Preissenkungen bei den Produkten i n i h m erzeugt werden. Er w i r d sie erst dann nachfragen können, wenn er aufgrund besserer Einkommensverhältnisse seinen Wohnraum genügend vergrößern kann. Während für Kühlschränke, Waschmaschinen und Fernsehapparate sich meist i n jeder Wohnung noch Raum erübrigen läßt, w i r d die Frage der Stellfläche z. B. für Tiefkühltruhen, Geschirrspülautomaten, moderne Einbauküchen und Heimbügelmaschinen vielfach zum räumlichen Problem. Damit w i r d aber die Nachfrage i n bezug auf den Preis vorübergehend unelastisch, und nur so — abgesehen von einem Sättigungseffekt — lassen sich die von Stone 35 Vgl. die Begründung des hohen Einführungspreises f ü r Farbfernsehgeräte i n der B R D i m Sommer 1967 durch die eine Preisbindung befürwortenden Hersteller, z.B. Eck, Ernst-Günther: Eine ganze Branche setzt auf Farbe, i n : Die Welt, Nr. 168 v o m 22. 7.1967, S. 18 u n d o. V.: Telefunken bietet „Farbe von A bis Z", i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 173 v o m 29. 7.1967, S. 9.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

12

und Rowe ermittelten Preiselastizitätskoeffizienten von durchweg < 1 für die Zeit von 1953 bis 1958 i n England für Radios und andere elektrotechnische Güter erklären 8 6 » 8 7 . Bei der Mehrzahl der elektrotechnischen Gebrauchsgüter, die nicht diesem „Großgeräteeffekt" unterliegen, kommt die hohe Preiselastizität dadurch zum Ausdruck, daß die Elektroindustrie bemüht ist, all ihre Produkte so schnell wie möglich i n den lebensnotwendigen Bereich des Massenkonsums zu führen, eine Entwicklung, auf deren Steuerung sie nur über ihre Preispolitik einwirken kann. Dabei kommt ihr einerseits die Ausnutzung sinkender Grenzkostenverläufe als Vorteil entgegen, zugleich ist aber auch m i t zunehmender Marktsättigung der Nachteil sinkender Einkommens- und auch Preiselastizitäten verbunden. Hier bietet aber die Elektroindustrie geradezu ein Musterbeispiel dafür, wie es möglich gemacht werden kann, durch Produktionsdifferenzierungen, die über Qualitätsverbesserungen i m engeren Sinne hinausgehen, nämlich durch die Entwicklung neuer Produkteigenschaften, immer wieder Ausgangssituationen m i t hohen Einkommens- und Preiselastizitäten am gleichen Funktionsträger zu schaffen. So nahm z. B. das Produkt Radio nach seiner Erfindung schnell aufgrund einfacher und kostengünstiger Konstruktionen das Stadium eines Massengutes ein (in Deutschland z. B. als Volksempfänger). U m insbesondere nach dem 2. Weltkrieg durch die Entwicklung neuer Produkteigenschaften am gleichen Funktionsträger immer wieder Ausgangssituationen m i t hohen Nachfrageelastizitätsgraden i n bezug auf Einkommen und Preis zu schaffen, sorgte zunächst die UKW-Sende- und Empfangsmöglichkeit für einen schärferen und ungestörteren Empfang und damit für höher qualifizierte Tonwiedergabe. Es folgt der 3-D-Klang. Dann schuf die Transistorenentwicklung einen völlig neuen M a r k t für hochleistungsfähige Koffergeräte und die Stereo-Entwicklung schließlich einen neuen M a r k t für Heimgeräte. Unter diesen Umständen ist es außerordentlich problematisch, Preiselastizitäten von elektrotechnischen Gebrauchsgütern zu bestimmen, denn kaum ein Gerät bleibt über einen längeren Zeitraum i n seinen Gebrauchseigenschaften unverändert, so daß bei der Preis-Mengenrelation immer von einem neuen Gut und damit nicht mehr vergleichbaren Verhältnissen ausgegangen werden muß. A m Beispiel der Gerätegruppe der elektrischen Waschmaschinen und -geräte kann — stellvertretend für die Situation bei den meisten elektrotechnischen Gebrauchsgütern — aber nachgewiesen werden, daß eine hohe Preiselastizität der Nachfrage 36

Vgl. Stone, Richard u n d Rowe, D. A.: The D u r a b i l i t y , S. 414 f. Dieses Ergebnis macht das Problem der W a h l des Ausgangsmaterials deutlich. Denn es k a n n ebenso nachgewiesen werden, daß bei Großgeräten i m Bereich der lebensnotwendigen Güter u n d bei Kleingeräten auch i m Bereich der Luxusgüter eine hohe Preiselastizität besteht. 37

12

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

i n der Einführungs- und Ausbreitungsphase der Produkte i n der BRD gegeben ist. Das durchschnittliche Preisniveau bei Waschvollautomaten, dem m i t Abstand stärkstem Umsatzträger i n dieser Gerätegruppe, bewegte sich 1958 zwischen ca. 1500,— D M und etwas über 2000,— DM. Bis 1966 sank dieses Preisniveau auf zwischen ca. 1000,— D M bis ca. 1700,— D M ab, so daß i n diesem Zeitraum etwa ein Preisverfall u m 25 bis 30 v. H. errechnet werden kann. Diesem Preisverfall steht aber ein Produktionsanstieg i m Durchschnitt der Jahre 1965/66 i m Vergleich zu 1958 von über 200 v. H. gegenüber 38 , so daß auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Einkommenssteigerungen i n diesem Zeitraum m i t zur Erhöhung der Nachfrage geführt haben, eine hohe Preiselastizität der Nachfrage nicht ausgeschlossen werden kann. Für den Zeitraum von 1950 bis 1960 t r i f f t diese Feststellung i n eindeutiger Weise ebenfalls zu bei elektrischen Kühlschränken und -truhen bis 250 1, für Glühlampen und für Rundfunk- und Fernsehgeräte, sowie i m Zeitraum von 1960 bis 1966 für elektrische Haushaltskühlmöbel und Rundfunk- und Fernsehgeräte und -einrichtungen (s. Tabelle 6) 39 . Auch für die übrigen Gerätegruppen kann eine hohe Preiselastizität i n den Marktanlaufphasen aller neuen oder qualitativ laufend verbesserten Produkte unterstellt werden, die zunächst zu höheren Preisen auf den M a r k t gelangen, u m innerhalb der nächsten Perioden zu zum Teil wesentlich niedrigeren Preisen i n den Bereich des Massenbedarfs eingeschleust zu werden. Als typisches Beispiel kann auf die Preisgestaltung bei Geschirrspülautomaten verwiesen werden und auch i n absehbarer Zeit auf die Farbfernsehgeräte, deren Preisgestaltung einen relativ ähnlichen Verlauf wie die der Schwarz-Weiß-Geräte i n der Vergangenheit nehmen wird. Wenn deshalb die Preisindices einiger Gerätegruppen (s. Tabelle 6) unverändert geblieben oder leicht angestiegen sind, dann kann daraus nicht auf preisunelastische Verhältnisse geschlossen werden, da hierin lediglich zum Ausdruck kommt, daß Preiserhöhungen bei neuen oder verbesserten Gütern stärker i n der Warengruppe sich niedergeschlagen haben, als Preisreduzierungen bei den herkömmlichen Produkten, wobei sich die Preiserhöhungen i m Durchschnitt weit unterhalb des Preisindex für Lebenshaltungskosten eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes m i t mittlerem Einkommen des alleinverdienenden Haushaltsvorstandes bewegen 40 . Aus einer auf diese Durchschnittszahlen bezogenen Basis kann insgesamt gesehen auf preiselastische Verhältnisse für neue elektrotech88 Vgl. Z V E I , Die westdeutsche Elektroindustrie, Statistischer Bericht 1966, F r a n k f u r t / M a i n 1967, S. 23. 39 Durch Außenhandelsdifferenzen w i r d das Ergebnis dieser Feststellungen nicht verfälscht; vgl. Z V E I : Die westdeutsche Elektroindustrie, Statistischer Bericht 1966, a.a.O., S. 42 f. 40 Dieser Preisindex (1962 = 100) belief sich insgesamt 1966 auf 112,8, für elektrische Haushaltsmaschinen u n d -geräte dagegen auf 96,0; vgl. WuSt, Jg. 1967, S. 883* f.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

12

Tabelle 6 Preis- und Produktionsindices ausgewählter elektrotechnischer Gebraudisgüter in der B R D 1950—1966 Preisindex 1950 = 100 1960 Elektrowärmegeräte Elektromotorische Wirtschaftsgeräte . . Elektrische Kühlschränke u n d - t r u h e n bis 250 1 Elektrische Glühlampen R u n d f u n k - u n d Fernsehgeräte u n d -einrichtungen Elektroakustische Geräte

Elektrowärmegeräte Elektromotorische Wirtschaftsgeräte . . Elektrische Haushaltskühlmöbel Elektrische Haushaltswaschmaschinen u n d -geräte Elektrische Glühlampen R u n d f u n k - u n d Fernsehgeräte u n d -einrichtungen Phonotechnische Geräte

Produktionsindex 3 ) 1950 = 100 1960

118 105

613 2 118

63 82

2 735 208

71 110

895 1420

Preisindex 1962 = 100 1966

Index der preisbereinigten Produktion 1962 = 100 1966

100 101 91

131 139 112

97 104

123 110

94 107

125 135

a) Bereinigt mit nebenstehendem Preisindex 1950 = 100. Quellen: Z V E I : Statistischer Bericht i960, Frankfurt/Main 1961, S. 14 f. und 42 f.; Z V E I : Die westdeutsche Elektroindustrie, Statistischer Bericht 1966, Frankfurt/Main 1967, S. 23 und 40 f.

nische Gebrauchsgüter geschlossen werden, wobei allerdings immer zu berücksichtigen ist, daß m i t zunehmender Annäherung eines Gutes an die Sättigungsgrenze die Preiselastizität abnimmt 4 1 . Damit w i r d aber zugleich deutlich, daß ausschlaggebend für die Aufrechterhaltung hoher durchschnittlicher Einkommens- wie auch Preiselastizitäten die Fähigkeit ist, stets für einen genügend hohen A n t e i l neuer Produkte am Gesamtangebot zu sorgen. Auch hier kann für die Elektroindustrie die Feststellung getroffen werden, daß i m Vergleich zu anderen Industriezweigen eine überdurchschnittlich günstige Zusammensetzung anzutreffen ist 4 2 . 41 So n i m m t auch B r i g h t an, daß die Preiselastizität der Nachfrage nach großen Glühlampen i n der Zeit von 1920 bis 1946 i n den U S A insgesamt w a h r scheinlich kleiner als 1 w a r ; vgl. Bright , A r t h u r A . Jr., a.a.O., S. 492 ff. 42 Vgl. S. 150 der vorliegenden Arbeit.

12

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

Hohe Einkommens- und Preiselästizitäten der Nachfrage nach neuen elektrotechnischen Produkten legen zusammenfassend den Schluß nahe, daß die Elektroindustrie ebenfalls i m Bereich der Konsumgüterherstellung, gemessen an Hand nachfrageseitiger Kriterien, ein starker Förderer des gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritts ist. Hieraus und aus der i m Zusammenhang m i t den Auswirkungen der Investitionseffekte auf das Wirtschaftswachstum festgestellten Begünstigung von Produktionsbereichen m i t hohen Einkommenselastizitäten und damit i n der Regel auch m i t preiselastischen Nachfrageverhältnissen ist zu einem Teil bereits eine Erklärung für das ständige strukturelle Vordringen der Elektroindustrie i m Gefüge der industriellen Umsatzentwicklung zu ersehen. Es bleibt festzustellen, ob nach einer Beurteilung der Stellung der Elektroindustrie i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts an Hand der angebotsseitigen Faktoren die A n nahme, daß die Elektroindustrie zu einem wesentlichen Förderer des gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritts gerechnet werden darf, aufrechterhalten werden kann.

2. Die Beurteilung der von der Elektroindustrie ausgehenden Fortschrittseffekte an Hand der angebotsseitig quantifizierbaren Indikatoren

Als Daten des erfinderischen Inputs sind die Forschungs- und Entwicklungsausgaben, das Forschungs- und Entwicklungspersonal, die Unternehmensgröße und die Marktform herangezogen worden, denen der Patentausstoß und die Zusammensetzung der Umsatzgrößen nach Produktjahrgängen als ergänzendes Kennzeichen zur Beurteilung des erfinderischen Outputs gegenübergestellt werden sollen. a) Beurteilung

der Daten des erfinderischen

Inputs

aa) Forschungs- und Entwicklungsausgaben Der heutige Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts ist ohne die erfinderischen Anstrengungen, die i n den Unternehmen zur Herausbildung und Vervollkommnung ihrer Produkt-Technologien unternommen werden, nicht mehr denkbar. Der sich seit dem Beginn dieses Jahrhunderts deutlich abzeichnende Übergang von Einzelerfindern zur institutionalisierten Erfindung 4 3 w i r d durch ein ständiges Ansteigen des Anteils der institutionellen Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttosozialprodukt i n den industrialisierten Ländern unterstrichen, 43 Vgl. S. 81 der vorliegenden A r b e i t ; zu den Gründen dieser E n t w i c k l u n g s. Jewkes, John; Sawers, D a v i d ; Stillerman, Richard, a.a.O., S. 108 ff. u n d S. 126.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

12

wobei auffällt, daß diese Entwicklung besonders forciert nach dem zweiten Weltkrieg aufgetreten ist (s. Tabelle 7). Diese Entwicklung muß auf einen immer ausgabenintensiveren technologischen Fortschritt zurückgeführt werden, denn bei dem jetzt erreichten Wissensstand i n Naturwissenschaft und Technik ist es kostspieliger, Erfindungen zu machen, als zu Beginn der Industrialisierung. Die Entwicklung der Zahlenreihe für die USA i n Tabelle 7 gibt hierfür einen Anhaltspunkt. Tabelle 7 Entwicklung der Forscfaungs- und Entwicklungsausgaben gemessen am Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen in einigen industrialisierten Ländern von 1930 bis 1965 in v. H.-Anteilen Jahr

USA1

1930 1940 1950 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965

0,2 0,3 1,0 1,6 2,0 2,2 2,4 2,6 2,7 2,8 2,8 2,9 3,0 3,0

BRD8 a)

B el . "2 gien 2

a)

F r a n k - Groß- Nieder- S d i w2e reich 2 b n t . 2 lande 2 den a)

• • •

0,9 1,0 1,2 1,3 1,5 1,6 1,7

• • 0,5 0,6 0,7 0,9 1,0

Sowj.-2 union

0,8

. . . . . . 2,1





1,1 1,5 1,6 1,9

2,3 2,2 2,3 2,3





. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

1,5

1,5

1,7 1,8 1,8 1,9

1,7 1,6 1,5 1,5 1,3

. . . . . .

. . . . . . •

1,4 1,4 1,4

2,1 2,2 2,3 2,3



a) Einschließlich Geistes- und Sozialwissenschalten. Quellen: 1 OECD: Reviews of National Science PoUcy, United States, Paris 1968 (im folgenden zitiert als: OECD: Reviews USA). S. 30. 2 Der Bundesminister für wissenschaftUche Forschung: Bundesbericht Forschung I I , Bonn 1967, S. 219.

Den USA werden, wie die jüngst entbrannten Diskussionen u m die „technologische Lücke" i n Westeuropa zeigen, ein technologischer Vorsprung eingeräumt, der seine Ursachen i n den höheren Ausgaben der USA für Forschung und Entwicklung gegenüber den anderen Ländern zu haben scheint 44 . I n den USA hat sich, ohne Ausgaben für Erziehung, der 44 Vgl. auch die Besprechungsergebnisse der 3. Konferenz der Minister f ü r Wissenschaft der OECD-Länder i n Paris i m März 1968, insbesondere: OECD: Gaps i n Technology Between Member Countries, Sector Report; Electronic Components, Restricted, Paris 1968, S. V I I I ff.; OECD: Gaps i n Technology Between Member Countries, Sector Report: Electronic Computers, Restricted, Paris 1968, S. X f.

9 Schulz-Hanfien

1

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

A n t e i l der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttosozialprodukt von 0,2 v. H. i m Jahre 1930 auf 3,0 v. H. i m Jahre 1965 erhöht. Eine deutlich ansteigende Tendenz des Anteils der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttosozialprodukt ist m i t Ausnahme von Schweden und der Schweiz bei den aufgeführten Nationen zu erkennen. I n Anbetracht der offenbar zunehmenden Bedeutung der Forschungsund Entwicklungsausgaben für die Erzeugung des technologischen Fortschritts interessiert insbesondere die Frage nach der Rolle der Industrie i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts. Eine Betrachtung entsprechender statistischer Angaben zeigt die überragende Bedeutung des industriellen Anteils an der gesamten Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der entwickelten Volkswirtschaften auf (s. Tabelle 8). Etwa 60 bis 70 v. H. aller Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen innerhalb einer industriell entwickelten Volkswirtschaft werden i m industriellen Bereich vollzogen, lediglich Frankreich und Kanada machen Tabelle 8 Anteil der industriellen Forschung und Entwicklung an den gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben einiger Länder in v. H. von 1953—1968 Jahr

USA*

1953 70 1954 72 1955 75 1956 79 1957 78 1958 78 1959 77 1960 77 1961 76 1962 73 1963 73 (67)c)3 1964 71 (66)c)2 1965a) 69 1966a) 69 1967b)70 1968b)69

BRD

— . a) — 3 800 1,2 4 400 1,2 — Rohmetall-Industrie 5 100 2,2 6 900 2,4 5 200 1,6 5 700 1,6 + 11 Metallverarb. Industrie 8 400 3,7 7 400 2,5 6 800 2,1 6 400 1,8 — 24 Maschinenbau 24 900 10,9 32 100 11,0 31400 9,6 34100 9,5 + 37 Elektroindustrie 42 900 18,7 72 100 24,7 85 800 26,2 91 200 25,4 +112

Industrien

Tabelle 12: Entwicklung von Anzahl und Anteil der in der industriellen Forschung und Entwicklung ganztags beschäftigten Wissenschaftler und qualifizierten Ingenieure in der Industrie der USA von Januar 1957 bis Januar 1966

1 § 3 DieVerifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

13

gesehen von der L u f t - und Raumfahrtindustrie insbesondere i n den Ländern USA, Großbritannien und Frankreich i m internationalen Vergleich lediglich noch die Chemische Industrie 4 9 . bb) Forschungs- und Entwicklungspersonal Die Betrachtung des Forschungs- und Entwicklungspersonals kann als Maßstab insofern aufschlußreich für die Beurteilung der Forschungsund Entwicklungsintensität der einzelnen Industriezweige sein, als ein Vergleich der i n der industriellen Forschung beschäftigten qualifizierten Wissenschaftler und Ingenieure einen unmittelbaren Hinweis auf die Komplexität der Produkt-Technologien und damit auf die Vielfalt der erfinderischen Möglichkeiten bedeutet. Es muß nämlich davon ausgegangen werden, daß, je höher die Zahl der i n der industriellen Forschung und Entwicklung beschäftigten qualifizierten Wissenschaftler und Ingenieure ist, desto vielfältigere Möglichkeiten zur Durchsetzung neuer technologischer Fortschritte gegeben sein müssen. Welche Rolle unter diesem Gesichtspunkt die Elektroindustrie i m Rahmen des gesamten Industriegefüges spielt, sowohl anteilsmäßig als auch i n der Entwicklung, kann aus Tabelle 12, die die Verhältnisse der US-amerikanischen Industrie für die Zeit von 1957 bis 1966 wiedergibt, ersehen werden. Noch deutlicher als bei der Entwicklung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben t r i t t bei der vergleichenden Betrachtung der i n der industriellen Forschung und Entwicklung beschäftigten qualifizierten Wissenschaftler und Ingenieure die Bedeutung der Elektroindustrie i m Entstehungsprozeß des technologischen Fortschritts hervor. M i t rund 25 v. H. aller i m Januar 1966 i n der US-Industrie zu Forschungs- und Entwicklungszwecken eingesetzten qualifizierten Wissenschaftlern und Ingenieuren entfällt auf die Elektroindustrie — abgesehen von der L u f t und Raumfahrtindustrie (1966 = 28 v. H.) — m i t Abstand der größte Anteil. Noch besser allerdings als die absolute Höhe des Anteils zeigt die Entwicklung von 1957 bis 1966 die Vielfalt der erfinderischen Möglichkeiten auf, denen sich dieser Industriezweig gegenübersehen muß. Während der durchschnittliche industrielle Zuwachs bei + 56 v. H. liegt, hat sich die Zahl der i n den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Elektroindustrie beschäftigten qualifizierten Wissenschaftler und Ingenieure u m + 112 v. H. erhöht, wobei die auf die Nachrichtentechnik und Elektronik entfallende Rate sogar + 204 v. H. ausmacht. Vergleicht man die Ausgangssituation des Jahres 1957 m i t der von 1966, so überragt i m Hinblick auf die Entwicklungsdynamik die Elektroindustrie sogar m i t bedeutendem Abstand die L u f t - und Raumfahrtindustrie. Die Entwicklung der bedeutsamsten Industriezweige innerhalb dieses Zeitraums zeigt folgende Tendenzen: 49

Vgl. OECD: Internationales Statistisches Jahr, S. 47.

1

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Veränderung des Anteils der in Forschung und Entwicklung beschäftigten qualifizierten Wissenschaftler und Ingenieure in der US-amerikanischen Industrie 1966 gegenüber 1957 in v. H. (ausgewählte Industriezweige)

Elektroindustrie L u f t - u n d Haumfahrtindustrie Fahrzeug- u n d Transportmittelbau Maschinenbau Chemische Industrie einschl. Mineralölindustrie

4+ + — —

7,7 2,4 1,0 1,4 1,5

v. v. v. v. v.

H. H. H. H. H.

Quelle: Tabelle 12.

Danach kann die Elektroindustrie i n den außerordentlich stark fortschrittsorientierten USA als der am meisten dynamische Industriezweig innerhalb dieses industriellen Entwicklungsabschnittes i m Hinblick auf die Wahrnehmung von erfinderischen Möglichkeiten angesehen werden. Entsprechend müssen der Elektroindustrie — insbesondere i m Schwachstrombereich — auch i n Phasen hoher industrieller Entwicklung von Volkswirtschaften überdurchschnittlich große erfinderische Möglichkeiten zur Verfügung stehen. I n Frankreich w i r d eine ähnliche dynamische Entwicklung i m 5. Plan der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung für die Zeit von 1966 bis 1970 vorgesehen. Während sich die Zahl der i n der industriellen Forschung und Entwicklung beschäftigten Forscher und Ingenieure i n der Zeit von 1963 bis 1970 knapp verdoppeln soll, w i r d für die Elektroindustrie ein Ansteigen dieser Zahl u m über das Dreifache i m gleichen Zeitraum eingeplant 50 . Ein internationaler Vergleich erhärtet, wie Tabelle 13 zeigt, der eine OECD-Übersicht zugrunde liegt, die i m Rahmen des Internationalen Statistischen Jahres m i t weitgehend vergleichbaren Zahlen für einige OECD-Mitgliedsländer zusammengestellt worden ist, die Feststellung über die Bedeutung der Elektroindustrie i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts (s. Tabelle 13). Die Vielfalt der erfinderischen Möglichkeiten, denen sich die Elektroindustrie gegenübersieht, kommt auch darin zum Ausdruck, daß i n den USA z. B. 1962 von allen i n der Industrie beschäftigten qualifizierten Wissenschaftlern und Ingenieuren i m Bereich der Forschung und Entwicklung durchschnittlich nur 30,1 v. H. eingesetzt waren, i n der Elektroindustrie dagegen 45,5 v. H. 5 1 . cc) Firmen(Unternehmens)größe Es ist festgestellt worden, daß das Großunternehmen aus verschiedenen Gründen eine Vorzugsposition i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts einnimmt, wenn eine hohe Neigung des Industriezweiges zur erfinderischen A k t i v i t ä t aus produkt-technologischen Möglichkeiten 50 51

Vgl. o. V.: 5ème p i a n de Dévelopement Economique et Social, a.a.O., S. 299. Vgl. OECD: Reviews USA, S. 512 f.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

13

Tabelle 13 Anteil der in der Forschung und Entwicklung der Elektroindustrie einiger Länder beschäftigten qualifizierten Wissenschaftler und Ingenieure an den gesamten in der industriellen Forschung und Entwicklung beschäftigten qualifizierten Wissenschaftler und Ingenieure in v. H. von 1963 bis 1965 A n t e i l der Elektroindustrie 1 L a n d e r

USA Japan Großbritannien BRD Frankreich Schweden Italien Kanada Belgien

...........

1963 v. H.

1964 v. H.



26,6a)



— —

31,0 —

22,2 24,5 21,5

1965 v. H. 21,6







2

31,0*» 30,9 24,6

25,4 —

31,03 —













a) Einschließlich Instrumente. b) Die Angaben des Stifterverbandes schließen die Zahlen der Feinmechanischen und Optischen Industrie, der EBM-Waren-, Musikinstrumente-, Sportgeräte-, Spiel- und Schmuckwarenindustrie mit ein. Der Gesamtantejl dieser Gruppe beträgt 33,0 v. H. Gemessen an den Forschungs- und Entwicklungsausgaben entfallen aber über 90 v. H. allein auf die Elektroindustrie, so daß hier etwa für die Elektroindustrie von einem Anteil in Höhe von ca. 31 v. H. ausgegangen werden kann; vgl. Echterhof f-Severitt, a.a.O., S. 37. Quellen: 1 OECD: Directorate for Scientific Affairs. International Statistical Year on Research and Development. Statistical TaDies and Notes, DAS/SPR/66.14, Paris 1967, als Manuskript gedruckt, S. — 55 X X I X — Tabelle E 7 c. 2 Echterhoff-Severitt, a.a.O., S. 26. 3 Délégation Générale à la Recherche Scientifique et Technique, Recherche et Développement dans l'Industrie Française en 1965, Etudes statistiques sur la recherche et le développement, o. O. u. J., S. 59.

heraus gegeben ist. Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, durch interindustrielle Vergleiche der Unternehmensgrößenstrukturen auf Vorzugspositionen des einen oder anderen Industriezweiges schließen zu können. I n welchem Umfang aber Großunternehmen begünstigt sind, wenn der Industriezweig eine ausgeprägte Neigung zur Forschung und Entwicklung erkennen läßt, kann an verschiedenen Daten aufgezeigt werden. So ist zunächst einmal statistisch offenkundig, daß Großunternehmen das Schwergewicht der absoluten Höhe der industriellen Forschungs- und Entwicklungsausgaben bestreiten, insbesondere i n den fortschrittsorientierten Industriezweigen. I n den USA entfielen von den gesamten industriellen Ausgaben 1965 folgende Anteile auf die Größenklassen der Unternehmen 6 2 : 62

Vgl. NSF: Basic Research 1965, S. 21.

14

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Forschungs- u n d Entwicklungsausgaben Mill. $

Unternehmen m i t Beschäftigten

Anteil i n v. H.

Weniger als 1000 V o n 1000 bis 4999 V o n 5000 u n d mehr

734 1102 12 361

5 8 87

Insgesamt

14197

100

Daß diese Verhältnisse nicht nur für die USA typisch sind, zeigt Tabelle 14. Tabelle 14 Anteil an den gesamten industriellen Forschungsund Entwicklungsausgaben i n den 4

8

20

40

100

200

größten Unternehmen i n v. H. USA Großbritannien Frankreich Japan Italien Kanada Niederlande Schweden Belgien Norwegen

22,0 25,6 20,9 — 46,4 30,3 64,4^) 33,2 38,5 29,5

35,0 34,0 30,5 — 56,3 40,8 — 43,0 51,8 38,8

57,0 47,2 47,7 — 70,4 58,4 — 54,0 72,6 55,7

70,0 57,9 63,4 47,7a) 81,6 71,5 — 71,0 82,7 70,6

82,0 69,5 81,0 52,1b) 92,5 86,2 — 85,4 92,8 88,2

89,0 75,0 91,2 63,1c) — 93,2 — 90,0 97,5 97,9

a) Die ersten 54 Unternehmen. b) Die ersten 85 Unternehmen. c) Die ersten 180 Unternehmen. d) Die ersten 5 Unternehmen. Quelle: Internationales Statistisches Jahr, S. 32, Zeitraum (1963/64) nicht angegeben.

Danach werden von den 40 größten Unternehmen (mit Ausnahme von Japan) bereits etwa zwei D r i t t e l der industriellen Forschungs- und Entwicklungsausgaben aufgebracht 53 . Die Ursache für die Konzentration der Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf die großen Unternehmen muß auf die zunehmend komplizierter werdende Technik zurückgeführt werden. Dies kann nicht zuletzt daran erkannt werden, daß i n den U S A 6 4 64 v. H. der industriellen Forschungs- und Entwicklungsausgaben allein auf Projektgrößenordnungen von 100 M i l l . $ und mehr 1965 entfielen und 85 v. H. auf eine Größenordnung von 10 M i l l . $ und darüber (s. Tabelle 15). 53 Ähnliche Relationen stellen sich heraus, w e n n die i n der Forschung u n d Entwicklung Beschäftigten ins Verhältnis zur Firmengröße gebracht werden; vgl. Worley, James S., a.a.O., S. 236. 54 N u r f ü r dieses L a n d stehen die nötigen Zahlenangaben zur Verfügung.

Insgesamt unter $ 50— $ 100— $ 1000— $ 10 000— über $50 $99 $999 $9999 $99 000 $100 000 Miü. $ Ant. Mill. $ Ant. Mill. $ Ant. Mill. $ Ant. Mill. $ Ant. Mill. $ Ant. Mill. $ Ant.

1912 1255

100 100

2 5

— —

4 4

— —

-b) — -b) —

176 110

— —

433 176

— —

-b -b)

100

64



60



15 °/o

542

4 1619

Quelle: Zusammengestellt und errechnet nach NSF: Basic Research, 1965, S. 25.

— b) Nicht getrennt verfügbar, aber in der Gesamtsumme enthalten.

14197

a) Weniger als 0,5 Mill.

Industrien gesamt

*

11

85 °/o

2 903



21 9 010

64

Motorfahrzeugbau u. a. Transportmittelerz. Industrie 1238 100 1 — •a) — 10 1 77 6 45 4 1 105 89 Luft-u. Raumfahrtindustrie 5120 100 • a) — • a) — 15 — 55 1 382 7 4 668 92 Optische u. Feinmech. Industrie 387 100 8 2 1 — 25 6 116 30 -b) — .b Übrige Industrie 426 100 8 2 7 2 79 18 178 42 152 36 — —

davon: Nachr.Techn. u. Elektr. and. elektrot. Ausrüstg.

>b Nahrungs- u. Genußm.-Industrie 150 100 3 2 9 6 ) 106 71 -b) — —• Textil- u. Bekleid.-Industrie 34 100 1 3 1 3 11 33 20 59 — — — — Holz- u. Möbelindustrie 13 100 1 2 4 30 5 38 4 30 — — — — Papier- u. damit verb. Industrie 76 100 1 1 1 1 15 20 59 78 — — — Chemische Industrie 1377 100 6 — -b) — 98 7 236 17 620 45 -b)max.31 Mineralölindustrie 435 100 —— — 9 2 73 17 353 81 — — Gummi-Prod.-Industrie 166 100 4 2 • a) — 16 10 27 17 118 71 — — Stein-, Erde- u. Glasprod.-Ind. 119 100 2 2 5 4 12 10 40 33 61 51 — Rohmetall-Injdustrie 216 100 • a) — 1 — 27 13 97 45 91 42 — — Metallverarb. Industrie 145 100 7 5 4 3 30 20 43 30 61 42 — — Maschinenbau 1 129 100 14 1 -b) — 78 7 203 18 337 30 -b)max.4 Elektroindustrie 3167 100 7 — 8 — 92 3 286 9 578 18 2 196 70

Industrien

Größe des F- und E-Programmes in Tausend Dollar

Tabelle 15: Die Verteilung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Industrien in den USA nach der Größe der Forschungs- und Entwicklungsprogramme 1965 in Mill. $

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

1

14

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

A l l e i n aus einer Betrachtung dieser Projekt-Größenordnungen erhellt, daß kleine Unternehmen kaum eine Chance haben, an diesen Vorhaben gleichrangig m i t den großen beteiligt zu werden. So ist zu beobachten, daß Großforschungsobjekte ausschließlich i n Großunternehmen m i t mehr als 5000 Beschäftigten durchgeführt werden 5 5 . Dies wiegt um so schwerer, je stärker der Staat an der Finanzierung der industriellen Forschungs- und Entwicklungsausgaben beteiligt ist. I n welchem Umfang das i n den wichtigsten industrialisierten Ländern der westlichen Wirtschaftshemisphäre der Fall ist, geht aus Tabelle 16 hervor. Tabelle 16 Aufteilung der industriellen Forschungs- und Entwicklungsausgaben nach Herkunft der Mittel

L ä n d

USA Großbritannien Frankreich BRD Belgien Italien Schweden Norwegen Japan

Industrielle Forschung u n d Entwicklung finanziert durch: Industrie Staat andere insgesamt Jahr v. H. v. H. v. H. v. H. 1964 1964 1964 1964 1963 1964 1964 1963 1963

43,1 59,1 60,5 90,1 88,2 98,3 69,7 71.6 98,6

56,9 33,9 29,8 7,8 4,1 0,8 26,7 23,6 0,4



7,0 9,7 2,1 7,7 0,9 3,6 4,8 1,0

100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

Quelle: OECD: Directorate for Scientific Affairs. International Statistical Year on Research and Development. Statistical Tables and Notes, DAS/SPR/66.14, Paris 1967, als Manuskript gedruckt, S. 55 V I I — 55 I X .

A m stärksten ist der Staat i n der industriellen Forschung und Entwicklung i n den USA engagiert. 1964 betrug sein A n t e i l rund 57 v. H. Während i n den Ländern Großbritannien, Frankreich, Schweden und Norwegen der Staat etwa zwischen einem Viertel und einem D r i t t e l beteiligt ist, ist seine Einflußnahme auf die industrielle Forschung und Entwicklung i n den übrigen Ländern nahezu bedeutungslos. Dementsprechend ist die industrielle Forschung und Entwicklung der USA auch zu einem bestimmten Teil auf staatlich vorgegebene Zielsetzungen, insbesondere aus dem militärischen Bereich und der Raumfahrt ausgerichtet. Überall dort, wo derartige Ziele nicht verfolgt werden können, sind die staatlichen M i t t e l zur Unterstützung der Forschung und Entwicklung klein 6 6 . 55 56

Vgl. NSF: Basic Research 1965, S. 25. Vgl. OECD: Reviews USA, S. 267.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

1

Eine detailliertere Übersicht, die die bevorzugte Berücksichtigung von Großunternehmen bei starkem staatlichen Engagement i n der industriellen Forschung und Entwicklung erkennen läßt, ist nur für die Verhältnisse i n den USA zu erhalten (s. Tabelle 17). I m Jahre 1965 entfielen von den öffentlichen M i t t e l n des US-Staates für industrielle Forschung und Entwicklung 91 v. H. auf Unternehmen m i t 5000 Beschäftigten und darüber und nur ein Rest von 9 v. H. auf die kleineren Unternehmensgrößenklassen. Dieser hohe A n t e i l ist i n allen Industriezweigen i n dieser Größenklasse geradezu typisch. Dies dürfte seine Ursache darin haben, daß von der öffentlichen Hand vornehmlich große Forschungsprojekte gefördert werden, zu deren Durchführung die Voraussetzungen wahrscheinlich nur i n den Großunternehmen gegeben sind, und daß insbesondere große und ökonomisch riskante, aber wissenschaftlich bedeutsame firmeneigene Forschungsvorhaben staatliche Unterstützung finden. Der Anteil des Staates an den gesamten Forschungsund Entwicklungsausgaben i n den einzelnen Größenklassen ist dementsprechend m i t 57 v. H. bei Unternehmen m i t 5000 Beschäftigten und darüber auch am höchsten 57 . Untersucht man nun die Frage der Bedeutung der Unternehmensgrößenklassen für die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit i n der Unterteilung nach Industriezweigen, dann w i r d die Unternehmensgröße als ein Faktor i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts insbesondere i n den fortschrittsorientierten Industriezweigen offenkundig. Aus Tabelle 9 und 17 w i r d nicht nur deutlich, daß sich die Forschungsund Entwicklungsausgaben auf nur wenige Industriezweige konzentrieren, sondern innerhalb dieser Industriezweige auch auf die Großunternehmen. Die Elektroindustrie bietet eine — wie die Daten für die USA zeigen — für den Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts günstige Unternehmensgrößenstruktur. So werden 89 v. H. ihrer gesamten Forschungsund Entwicklungsausgaben 1965 von Großunternehmen m i t 5000 Beschäftigten und mehr aufgebracht, davon entfallen 70 v. H. auf Projektgrößenordnungen von 100 M i l l . $ und mehr. Die Position der Elektroindustrie i n den Tabellen 15 und 17 unterstreicht die Rolle des Großunternehmens i n diesem Industriezweig. Die Konzentration der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit i n der Elektroindustrie auf die Großunternehmen ist aber nicht als Folge der hohen staatlichen Beteiligung zu sehen. Das staatliche Interesse an der erfinderischen A k t i v i t ä t dieses Industriezweiges dürfte vielmehr auf die Vielfalt der erfinderischen Möglichkeiten dieses Industriezweiges zurückzuführen sein. Denn wie der noch zu untersuchende Umfang der von der 67

s. i m einzelnen Tabelle 17.

v. H. v. Mill. $ GesamtF. u.E.Ausgaben

Unternehmen mit Beschäftigten 1000—4999 5000 und mehr

55

Industrien gesamt

32 .a)

26

66 58 .a) 19 .a)

255

29

60 13

3

.a) 1 40 .a)

35

69

59 5 26 2

433

75 8 707

39

6 7 071

.a) .a) 82 3 4 340 28 32 68 43

104 7 1

.a) 132 15 109

5

a) Nicht getrennt verfügbar, aber in der Gesamtsumme enthalten. Quelle: Zusammengestellt und errechnet nach NSF: Basic Research, 1965, S. 28 und S. 21.

7 759

88

1253 725

Motorfahrzeugbau u. a. Transportmittelerzeug. Ind. 326 Luft- u. Raumfahrtind. 4 500 Optische u. Feinmech. Ind. 125 Übrige Industrien 256 60

davon: Nachr.Techn. u. Elektr. and. elektrot. Ausrüstg.

97

65

57

91

.a) 321 88 96 22 78 .a) .a)

1088 63



31 .a)

87

26

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

94

v. H. v. Ant. an v. H. v. Ant. an v. H. v. Ant. an Mill. $ Gesamt- öffentl. Mill.$ Gesamt- öffentl. Mill.$ Gesamt- öffentl. F.u.E.- Mitteln F. u. E.- Mitteln F.u.E.- Mitteln Ausgaben in v.H. Ausgaben inv.H. Ausgaben inv.H.

weniger als 1000

Nahr.- u. Genußm.-Ind. 1 1 — — — . a) . a) . a) . a) . a) . a) Textil-U. Bekl.-Ind. .a) .a) — — _ a) .a) .a) .a) .a) [a> Holz-u. Möbelind. .a) .a) .a) .a) .a) — — — — — Papier- u. damit verb. Ind. — — — — — — — — — Chemische Industrie 190 14 .a) .a) .a) 3 2 1 180 17 95 Mineralölindustrie 69 16 .a) .a) .a) — — — 65 16 Gummi-Prod.-Ind. 25 15 3 20 12 — — — 21 15 84 Stein-, Erde-u. Glasprod.-Ind. 4 3 — _ — — — — — 4 4 IOO Rohmetallindustrie 8 4 — — — 3 8 37 5 3 63 Metallverarb. Industrie 17 11 1 3 6 1 2 6 15 17 88 Maschinenbau 258 23 3 4 1' 46 32 18 209 23 81 Elektroindustrie 1978 62 73 48 3 109 51 6 1 796 64 91

Industrien

öffentl. Mittel Gesamt

Tabelle 17: Die Verteilung der mit öffentlichen Mitteln bestrittenen Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Mill. $ auf die Industrien in den USA nach Firmengrößen 1965 (Firmengrößenklassifizierung nach Beschäftigten)

14 63

9

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

1

Elektroindustrie gehaltenen Patente andeutet, ist das Forschungsinteresse keineswegs nur auf die vom Staat meist für militärische Zwecke vorgesehenen Forschungsvorhaben gerichtet, deren Ergebnisse i n der Regel nicht patentiert werden 5 8 . So erklärt z. B. IBM, daß die US-Regierung zwar der größte Einzel-Kunde sei, sie verneint aber, daß Forschungs- und Entwicklungskontrakte mit der Regierung großen Einfluß auf die gegenwärtig führende Position dieser Firma auf dem Computermarkt ausgeübt haben. Der größte Druck zur Entwicklung immer besserer Anlagen sei vom Banken- und Versicherungssektor ausgegangen 59 . Daß die Elektroindustrie i n ihrer Forschungs- und Entwicklungseffektivität nicht unbedingt von der staatlichen Unterstützung abhängt, geht auch insbesondere aus der Entwicklung der Elektroindustrie i n Deutschland und Japan hervor. I n beiden Ländern fand eine außerordentlich dynamische Entwicklung der Elektroindustrie statt, ohne daß der Staat m i t großen Beteiligungen an den Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen mitwirkte. Zudem sei auf die Situation i n allen hier angeführten Ländern verwiesen, i n denen die Elektroindustrie fast ohne Ausnahme strukturell i m Rahmen der industriellen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit gleich gelagert ist, trotz zum Teil großer Unterschiede i m U m fang der staatlichen Beteiligung an der industriellen Forschung und Entwicklung. dd) Marktform Als vorteilhafte Marktform i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts ist das Oligopol erkannt worden. U m zu prüfen, ob von diesem aus rein ökonomischen Überlegungen entspringenden Bestimmungsfaktor unterschiedliche Impulse auf die erfinderische A k t i v i t ä t der einzelnen Industriezweige ausstrahlen, muß zunächst von den auch für das K r i t e r i u m Unternehmensgröße gültigen Vorbehalten ausgegangen werden. So genügt die Existenz oligopolmarktähnlicher Verhältnisse allein nicht, u m bereits eine hohe Forschungs- und Entwicklungsintensität i m interindustriellen Vergleich zu bedingen. Auch hier spielt die Skala der erfinderischen Möglichkeiten eine wichtige Rolle. Dort, wo eine hohe Neigung zum Forschen und Entwickeln aus produkt-technologischen Gegebenheiten heraus festgestellt werden kann, ist die Marktform allerdings von großer Bedeutung. Die vorherrschenden Marktformen eines ganzen Industriezweiges zu bestimmen, ist ein Problem, das u m so schwieriger zu lösen ist, je umfangreicher das Produktionsprogramm des Industriezweiges ist. So kann für die Elektroindustrie i n der BRD zwar nachgewiesen werden, daß 214 Betriebe m i t 1000 und mehr Beschäftigten, das sind 5 v. H., 1966 58 59

Vgl. OECD: Reviews USA, S. 257 ff. Vgl. OECD: Reviews USA, S. 423.

10 Schulz-Han£en

14

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

53,2 v. H. des gesamten Umsatzes auf sich vereinigen 6 0 , damit kann aber noch nichts über die Stellung und das Verhalten der einzelnen A n bieter auf dem M a r k t ausgesagt werden. U m hierüber Aufschluß zu erhalten, müßten die Marktverhältnisse bei allen Produkten einzeln geprüft werden. Aber auch dieser Schritt ist nur von fragwürdigem Wert, da zeitbeständige Aussagen wegen der sich laufend wandelnden Verhältnisse nicht gemacht werden können. So bleibt nur die aus der Kenntnis der Praxis geborene Feststellung zu treffen, daß die Entstehung und Aufrechterhaltung von Angebotsmonopolen i n der Elektroindustrie trotz zum Teil bedeutsamer Marktpositionen einzelner Unternehmen sehr unwahrscheinlich ist 6 1 . Das beweist auch das Schicksal der IBM, die trotz ihrer starken internationalen Marktposition nicht ohne Konkurrenten dasteht. A u f der anderen Seite sind klassische Konkurrenzmarktverhältnisse i n einem dem technischen Fortschritt sehr stark verschriebenen Industriezweig ebenfalls kaum vorstellbar, da die Vielzahl der erfinderischen Möglichkeiten ständig einer begrenzten Zahl von Anbietern Marktpräferenzen einräumt. So kann der Beurteilung Hupperts durchaus zugestimmt werden, daß zumindest für einen Teil der Produktion der Elektroindustrie — und zwar insbesondere für den, der stark forschungsabhängig und damit sehr risikobelastet ist — oligopolähnliche Verhältnisse bestehen, während andere einem scharfen Wettbewerb unterzogen sind. Damit kann die Elektroindustrie, auch vom K r i t e r i u m der Marktform her beurteilt, als ein Industriezweig, der den Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts begünstigt, angesehen werden. b) Beurteilung

der Daten des erfinderischen

Outputs

aa) Patentausstoß Es wurde bereits dargelegt, daß zur Beurteilung des erfinderischen Outputs kein zufriedenstellender Maßstab zur Verfügung steht, wenn auch der Patentstatistik ein gewisser, berechtigter Aussagewert nicht bestritten werden kann. Da die amtlichen Patentstatistiken nach funktionalen Klassen und nicht nach Industriezweigen gegliedert sind — das t r i f f t zumindest für die BRD und die USA zu — können Aufteilungen der angemeldeten, erteilten oder i n K r a f t befindlichen Patente auf die I n dustriezweige nur nachträglich und auch nur unter erheblichen Mühen vorgenommen werden. Hieraus erklärt es sich, daß weder Zeitreihen über derartig vergleichbare Werte noch auch einigermaßen vollständige Analysen für den Zeitraum auch nur eines Jahres für die BRD und die USA vorliegen. Das Deutsche Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft 60

Vgl. Z V E I : Die westdeutsche Elektroindustrie, Statistischer Bericht 1966, a.a.O., S. 31. 61 Vgl. Huppert, Walter: Elektroindustrie, S. 195 f.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

1

hat aufgrund einer eigenen Auswertung der beim Deutschen Patentamt geführten Patentrolle lediglich die auf die i m Jahre 1960 jeweils größten Industrie-Unternehmen entfallenden Anteile der bis zum 30. A p r i l 1962 erteilten (gesamten) DBP und der zum gleichen Stichtag noch i n K r a f t befindlichen DBP nach Industriezweigen zusammengestellt, ohne das Gewicht der einzelnen Industriezweige am ganzen zu ermitteln. Diese nach Industriezweigen gegliederte Zusammenstellung kann aber bereits ersten Aufschluß über die Bedeutung der einzelnen Industriezweige bei der Frage ihrer Beiträge zum erfinderischen Output liefern. Danach entfallen 37,1 v. H. aller bis zum 30. A p r i l 1962 erteilten Patente auf die 10 größten Unternehmen — gemessen am industriellen Umsatz der jeweiligen Industriegruppe — i n allen Industriezweigen. Hieran sind die Elektroindustrie allein m i t 16,3 Punkten und die Chemische Industrie m i t 6,6 Punkten beteiligt. Die übrigen Industriezweige folgen m i t A b stand (z. B. die nächstgrößten Industriezweige: Fahrzeugbau 2,7, Maschinenbau 2,6, Kunststoffverarbeitende Industrie 2,0). Ähnlich sieht das B i l d bei den noch i n K r a f t befindlichen Patenten am 30. A p r i l 1962 aus. Hier entfallen auf die 10 größten Unternehmen i n allen Industriezweigen 39,0 v. H. aller i n K r a f t verbliebenen DBP. Davon tragen folgende Industriezweige allein nachstehend aufgeführte Anteile: Elektroindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Fahrzeugbau Kunststoffverarbeitende Industrie

13,8 8,8 3,3 2,7 2,5

Punkte Punkte Punkte Punkte Punkte 8 2 .

Es zeichnet sich eine deutliche Führungsrolle der Elektroindustrie sowohl bei den erteilten als auch bei den noch i n K r a f t verbliebenen Patenten i n der Bundesrepublik Deutschland ab. Diese Führungsrolle der Elektroindustrie t r i f f t auch auf die Verhältnisse i n den USA zu, worauf eine entsprechend nach Industriezweigen gegliederte Aufteilung der Patente der 448 größten US-amerikanischen Unternehmen für das Jahr 1959 hindeutet. Zwar umfaßt diese von F. M. Scherer vorgenommene Zusammenstellung nicht alle amerikanischen Industrie-Patente, sondern nur die der 448 größten Unternehmen i n 14 Industrien, womit ebenfalls eine umfassende Aussage über die Verhältnisse i n der USIndustrie nicht möglich ist. Dennoch scheint die Zusammenstellung einen weitgehend repräsentativen Querschnitt zu gewährleisten. Danach entfällt auf die Elektroindustrie von den 1959 diesen Unternehmen erteilten Patenten ein A n t e i l von 31 v. H., der m i t Abstand vor allen 62 Vgl. o. V.: Anlagenband zum Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration i n der Wirtschaft v o m 29. Februar 1964, erstattet v o m B u n desamt für gewerbliche Wirtschaft, i n : Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode zu Drucksache IV/2320, S. 770 u n d S. 788 f.

IG*

14

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

anderen Industriezweigen rangiert; (der nächstfolgende Industriezweig ist die Chemische Industrie m i t 20 v. H.) 6 3 . Eine die Gesamtverhältnisse der US-amerikanischen Industrie berücksichtigende Aufteilung der Patente w i r d den hohen A n t e i l für die Elektroindustrie wahrscheinlich reduzieren. Es gibt aber keine plausible Erklärung für eine A n nahme, die die eindeutige Führungsposition der Elektroindustrie i n ernsthafte Zweifel ziehen könnte. Denn diese Führungsposition der Elektroindustrie i n hochentwickelten Volkswirtschaften w i r d zwangsläufig erhärtet, geht man von der bei den Patentämtern i m allgemeinen üblichen funktionalen Gliederung der Patente aus. Hier liegen amtliche Zahlenangaben über große Zeiträume vor. I n Deutschland hat sich die Zahl der auf dem Gebiet der Elektrotechnik, also dem ureigenen Produktionsgebiet der Elektroindustrie, erteilten Patente von 1880 an wie folgt entwickelt: Tabelle 18 Die Entwicklung der Patenterteilungen in Deutschland von 1880 bis 1966

Jahr 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1950 1959 1966

insgesamt Anzahl 3 887 4 680 8 784 12 100 14 452 26 731 2 383 22 556 22 598

davon f ü r Elektrogeräte i n v. H. von Gesamt Anzahl 74 209 590 1091 1542 3 738 62 4 752 3 984

2 4 7 9 11 14 3 21 18

Quelle: 1880—1959: Hoff mann, Walther G.: Das Wachstum der Deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Berlin - Heidelberg - New York 1965, S. 266 ff.; 1966: Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen, hrsg. vom Deutschen Patentamt, 69. Jg., 1967, S. 92 ff.

Kontinuierlich m i t der Entwicklung der Elektroindustrie stieg auch ihr Anteil an den gesamten Patenterteilungen bis auf eine derzeitige Größenordnung von etwa 20 v. H. an. Dieser A n t e i l t r i f f t stärker auf die erteilten und auf die i n K r a f t verbliebenen Bundespatente zu, als auf die Patentanmeldungen, wie nachstehende Übersicht zeigt. Der Vergleich zu den nächst bedeutsamen Patentklassen der Chemie und der Instrumente hebt die absolut überragende Bedeutung der Elektrotechnik hervor. 63

Vgl. Scherer, F. M . : F i r m Size, S. 1101.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

1

Patentanmeldungen, -erteilungen und in Kraft verbliebene Bundespatente 1948 bis 1966 der bedeutendsten Patentklassen in v. H.-Anteilen Eingegangene Patentanmeldungen i m Bundespatentamt

Gesamt = 100 v. H. davon A n t e i l auf: (21) Elektr.Techn. (12) Chemie (42) Instrumente

Patenterteilungen

I n Kraft verbliebene Bundespatente Ende 1966

1948—1966

1966

1950—1966

1966

1 153 466

67 468

352 593

22 598

128 170

16 v. H. 7 v.H. 6 v.H.

17 v. H. 9 v.H. 6 v.H.

19 v. H. 9 v.H, 6 v.H.

18 v. H. 12 v. H. 6 v.H.

17 v. H. 11 v . H . 5 v.H.

Quelle: Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen, hrsg. vom Deutschen Patentamt, 68. Jg., 1966, S. 86 ff.; Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen, hrsg. vom Deutschen Patentamt, 69. Jg., 1967, S. 92 ff.

Unter Berücksichtigung des Untersuchungsergebnisses des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft i m Rahmen der Konzentrations-Enquete, der US-amerikanischen Verhältnisse und unter Beachtung der führenden Position der Patentklasse Elektrotechnik i n der funktionalen Gliederung des Bundes-Patentamtes, kann die Elektroindustrie als der m i t Abstand stärkste Patentträger angesprochen werden. Damit steht der erfinderische Output der Elektroindustrie i n einem korrespondierenden Verhältnis zu seinen erfinderischen Anstrengungen auf der Input-Seite. Dann muß aber die Elektroindustrie als vielleicht der effektivste Förderer des technologischen Fortschritts angesprochen werden, denn m i t führend unter den forschungs- und entwicklungsintensivsten Industriezweigen trägt sie den m i t Abstand größten A n t e i l des erfinderischen Outputs gemessen an der Zahl der Patente. bb) Der A n t e i l der Neuentwicklungen am Gesamtumsatz Daß dieser hohe erfinderische Output und damit das Ergebnis der intensiven erfinderischen A k t i v i t ä t der Elektroindustrie sich auch i n Produktinnovationen niederschlägt, geht aus einem Vergleich der i m Geschäftsjahr neu hinzugekommenen Produkte am Gesamtumsatz hervor. Die hierfür zur Verfügung stehenden Zahlenangaben für die USA unterstreichen die überragende Stellung der Elektroindustrie i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts (s. Tabelle 19). I n welchem Ausmaß sich der A n t e i l der Neuentwicklungen am Gesamtumsatz eines deutschen Unternehmens der Elektroindustrie gestaltet, geht aus einer unternehmensbezogenen Übersicht der Firma Siemens A G hervor. Danach ist folgender Wandel i n der Umsatzstruktur nach Produktjahrgängen eingetreten, der die Dynamik der i n diesem Industriezweig herrschenden erfinderischen A k t i v i t ä t veranschaulicht und ein

1

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Tabelle 19 Anteil der neuen Produkte am Jahresumsatz ausgewählter Industrien in den USA von 1961 bis 1971 A n t e i l i m Jahresdurchschnitt der Jahre 1961—19651 i n v. H.

Industriezweig Elektrotechnik Chemie EBM-Industrie Steine, Erden, Glas T e x t i l u n d Bekleidung Eisen u n d Stahl

1965—19692 1967—19713 i n v. H. i n v. H.

5,5 4,0 4,5 3,3 3,3 1,3

6,0 4,5 4,3 4,3 3,3 1,8

6,0 4,0 6,0 4,0 5,0 1,8

Quelle: 1 Vgl. o. V.: Forschung und Entwicklung im internationalen Vergleich, in: Berichte des Deutschen Industrie-Instituts zur Wirtschaftspolitik, Jg. 1 (1967), Nr. 4, Köln 1967, S. 11. 2 Vgl. McGraw-Hill Publications» Department of Economics Research and Development in American Industry, o. O., May 1966, Table I I I , o. S. 3 Vgl. McGraw-Hill Survey: Business» Plans for Research and Development Expenditures, 1968—1971, o. O., May 1968, Table I I , o. S.

d i r e k t e s E r g e b n i s des h o h e n erfinderischen O u t p u t s i n diesem I n d u s t r i e zweig darstellt. Anteil von Neuentwicklungen

Werksumsatz 1953/54 Werksumsatz 1956/57

Fabrikate aus der Zeit v o r :

wesentlich veränderte Fabrikate nach:

Neuentwicklungen seit:

1948/49

1948/49

1948

27

v. H.

15,4 v. H. 1952/53

Werksumsatz 1961/62

am Werksumsatz

11

v. H.

28

v. H.

45

v. H.

24,2 v. H.

60,4 v. H.

1952/53

1952/53

21

v. H.

68

v. H.

Quelle: Werner-von-Siemens-Institut, München, Bildquelle E 54 233, E 58 175, E 63 242.

D e r A n t e i l d e r N e u e n t w i c k l u n g e n a m gesamten W e r k s u m s a t z m i t i m D u r c h s c h n i t t e t w a 7 v . H . p r o J a h r m u ß als sehr hoch angesehen w e r d e n u n d k a n n als e i n A u s d r u c k d e r i n t e n s i v e n erfinderischen A k t i v i t ä t gewertet werden64. 64 Z u m Vergleich m i t einem ebenfalls stark fortschrittsorientierten I n d u striezweig sei auf eine Angabe aus der deutschen Chemischen Industrie verwiesen. Die Farbenfabriken Bayer A G geben für ihren 1963 erzielten Umsatz einen A n t e i l f ü r erstmalig nach 1948 hergestellte Produkte von 59,5 v. H. an u n d betonen, daß die „Lebenserwartung" der Produkte i n i h r e m Bereich sich noch weiter als bisher verkürzen w i r d ; zitiert nach: o. V.: Forschung u n d E n t w i c k lung i m internationalen V e r g l e i c h / i n : Berichte des Deutschen I n d u s t r i e - I n s t i -

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

1

Als Ergebnis dieses Abschnitts ist demnach festzuhalten, daß, sowohl gemessen an den nachfrageorientierten Daten i m Entstehungsprozeß des technischen Fortschritts, die als Maßstäbe für den Beitrag eines Industriezweiges zum gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritt verwendet werden können, als auch an den Indikatoren der Angebotsseite, die als Ausdruck der Erzeugungsfähigkeit von technologischen Fortschritten herangezogen werden können, die Elektroindustrie i m Erzeugungsprozeß des technischen Fortschritts eine bedeutende, wenn nicht sogar die maßgebliche Position einnimmt. Diese Stellung der Elektroindustrie ist nicht etwa auf nationale Besonderheiten i n den USA zurückzuführen, sondern überall dort, wo international vergleichbare A n gaben verfügbar waren, erkennbar. Damit wächst diesem Industriezweig eine außerordentliche Bedeutung i m Rahmen des Industrialisierungsprozesses zu, der i m wesentlichen von der Erzeugung und Durchsetzung des technischen Fortschritts abhängt, und zwar u m so mehr, je weiter der Prozeß insgesamt bereits gediehen ist. Dieses Ergebnis liefert zugleich eine Begründung für die überdurchschnittlichen Beiträge dieses Industriezweiges zum Wachstum des Volkseinkommens aus Investitionseffekten und erklärt zugleich die Vorzugsposition, die der Elektroindustrie infolge hoher Einkommens- und Preiselastizitäten i m Prozeßablauf immer wieder zuteil geworden ist. Als entscheidender prozeßgestaltender Faktor muß ihr Beitrag aus Fortschrittseffekten zum wirtschaftlichen Wachstumsprozeß angesehen werden. I n welcher Weise die Elektroindustrie ihre Funktion als einer der bedeutendsten Träger des gesamtwirtschaftlichen technischen Fortschritts überhaupt wahrnimmt, konnte i m Rahmen der bisherigen Analyse nicht behandelt werden. Hierzu bedarf es einer qualitativen Betrachtung, auf die nicht verzichtet werden kann, u m die Bedeutung dieses Industriezweiges für den Industrialisierungsprozeß i n der ganzen Tragweite und damit auch seinen Grenzen ersichtlich zu machen. Erst dann w i r d offenkundig, weshalb dieser Industriezweig i m bisherigen Verlauf des Industrialisierungsprozesses eine derart dynamische Entwicklung genommen hat und auch i n Stadien hoher Entfaltung des Wirtschaftsprozesses an gestaltender K r a f t nicht einbüßt.

tuts zur Wirtschaftspolitik, Jg. 1 (1967), Nr. 4, K ö l n 1967, S. 10. Hier ergibt sich ein Jahresdurchschnitt 1948 bis 1963 von ca. 4 v. H. als A n t e i l der Neuentwicklungen a m Jahresumsatz. D a m i t ist eine weitgehende Übereinstimmung m i t den Ergebnissen für die US-amerikanische Industrie feststellbar.

12

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie I I . Die produkt-technologischen Ausgangsbedingungen elektrotechnischer Erzeugnisse und die Wirkungsbreite und -tiefe ihrer Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten, eine qualitative Betrachtung

Die i m Rahmen der quantitativen Analyse festgestellten intensiven erfinderischen Anstrengungen der Elektroindustrie i m bisherigen Verlauf des Industrialisierungsprozesses müssen ihren Ursprung i n Ausgangsbedingungen haben, die nicht allen Industriezweigen gleichermaßen günstig zur Verfügung stehen. Zur weiteren Konkretisierung der Stellung der Elektroindustrie i m Industrialisierungsprozeß ist es daher erforderlich, sowohl ihre produkt-technologischen Ausgangsbedingungen näher zu betrachten, als auch einen Überblick über die Wirkungsvielfalt und den Wirkungsgrad elektrotechnischer Erzeugnisse i m menschlichen Lebensraum zu geben, von der allein die strukturelle Begünstigung dieses Industriezweiges i m bisherigen Verlauf des Industrialisierungsprozesses getragen wurde. 1. Die forschungsbezogene Basis der elektrotechnischen Produktion

Der Beginn der industriellen Entwicklung vollzog sich i n Wirtschaftszweigen m i t bereits entfalteter gewerblicher Produktion, deren Grundlage das Handwerk darstellte 6 5 » 6 6 . Diese gewerbliche Produktion war einerseits auf die vorhandenen bekannten Rohstoffe und Energiequellen ausgerichtet und andererseits auf die traditionellen Märkte. M i t dem Übergang zu industriellen Produktionsmethoden waren deshalb unmittelbar weder die Erschließung neuer Märkte verbunden — es fand lediglich eine Ausweitung und Verlagerung vorhandener Märkte statt — noch die Erschließung neuer bis dahin unbekannter Rohstoff- und Energiequellen. So lag das Problem für die ersten industriell sich entwickelnden Gewerbezweige i n erster Linie i n der Ausgestaltung vorindustrieller Produktionsprozesse durch zusätzlichen Sachkapitaleinsatz, d.h. also i m Produktionsprozeß selbst, das durch Fortschritte i n der ProduktionsTechnologie zu lösen war. Der Produktionsfaktor Kapital trug i n diesen Industriezweigen die entscheidende, den Prozeß auslösende Funktion. Für die industrielle Entwicklung einer elektrotechnischen Produktion waren demgegenüber grundlegend andere Ausgangsbedingungen gegeben; denn Voraussetzung für ihren Start bildete das Vorhandensein der Elektrizität. I m Gegensatz zum Ausgangsmaterial anderer Industriezweige gehörte die elektrische Energie aber nicht zu den bekannten Energiearten jener Zeit des industriellen Aufbruchs, die den Verbrau95

Vgl. Sartorius von Waltershausen, A . : Deutsche Wirtschaftsgeschichte 1815—1914, 2. Aufl., Jena 1923, S. 17; AEG, 1883/1908, S. 7 f. 66 Vgl. S. 17 der vorliegenden Arbeit.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

13

ehern als flüssige, feste oder gasförmige Stoffe i n ihren nutzbaren A n wendungsformen bereits dienten. So konnte sich auch keine vorindustrielle gewerbliche Produktion als Ausgangsbasis der industriellen Entwicklung der elektrotechnischen Produktion herausgebildet haben, kein Vorlauf handwerklicher Produktion, zu deren industrieller Entfaltung die Vermehrung des Gewichtes des Produktionsfaktors Kapital i m Verhältnis zu den anderen Produktionsfaktoren genügt hätte. Die Erscheinungsformen der Elektrizität, ihre Verhaltenseigenschaften und Erzeugungsbedingungen zu erkunden, war Aufgabe der wissenschaftlichen Forschung. Solange die der Elektrizität zugrunde liegenden Naturgesetzmäßigkeiten nicht i n einem zumindest anfänglich hinreichenden Umfang erforscht waren, konnte an die Aufnahme einer elektrotechnischen Produktion nicht gedacht werden 6 7 . Einen ersten gewissen Abschluß der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Elektrizität stellten die Forschungsergebnisse Faradays dar, dem es sowohl gelang, die elektrochemischen Grundgesetze zu formulieren, als auch den Komplex der elektromagnetischen Erscheinungen i n ein abgeschlossenes System zu bringen 6 8 . Dies geschah i m ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, zu einem Zeitpunkt also, zu dem sich das Industriesystem bereits i n Ausbreitung befand. Begonnen hatte der wissenschaftliche Entwicklungsprozeß i m Laufe des 18. Jahrhunderts, als die schon seit dem A l t e r t u m bekannten elektrischen Erscheinungen Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Beobachtung wurden. Gilbert hatte die Elektrizität u m 1600 als besondere Naturkraft bereits erkannt und ihr den Namen „vis electrica" gegeben. Leibniz beobachtete 1672 zuerst den elektrischen Funken. Eine Anhäufung wichtiger Grunderkenntnisse über die physikalischen Eigenschaften der Elektrizität t r i t t aber erst i m Laufe des 18. Jahrhunderts auf 6 9 . Durch die richtige Erklärung des Froschschenkelversuches von Galvani gelingt es Volta i m Jahre 1792 m i t Hilfe der sogenannten galvanischen Elemente permanente Spannungsquellen und damit dauernd fließende Ströme zu erzeugen. Die nach Volta benannte Säule stellt das erste technische M i t t e l zur Stromerzeugung dar. Erst u m die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wurden so die Voraussetzungen für das planmäßige ex87 „Die praktische Elektrotechnik wurzelt i n den Laboratorien der exakten Wissenschaften, w o die Forschung sich bemühte, die W i r k u n g e n des galvanischen Stroms systematisch zu ergründen; i n denen gleichzeitig aber auch bereits die ersten, mühevollen Versuche unternommen wurden, für eine V e r wendung M i t t e l u n d Wege zu ersinnen. So gehören die Erfolge Voltas u n d Oersteds, Davys experimentelle Arbeiten, die genialen Entdeckungen eines Faraday zweifellos dem Bereich der Elektrotechnik an, mögen sie auch vor allem grundlegende theoretische Bedeutung besitzen." AEG, 1883/1908, S. 8. 68 Vgl. Siemens, Georg: Geschichte, 1. Bd. 1847—1903, S. 17. 69 Vgl. Mahr, Otto: Zeittafel zur Geschichte der Elektrotechnik, i n : TechnikGeschichte, Bd. 30, hrsg. von Conrad Matschoss, B e r l i n 1941, S. 46—56, S. 46.

14

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

perimentelle Erforschen der elektrischen Erscheinungen geschaffen 70 . I m Verlauf der folgenden Jahrzehnte setzte daraufhin zwar eine rege Entdeckertätigkeit ein, und es bildete sich neben der wissenschaftlichen Grundlagenforschung i n zunehmendem Maße die Forschungsrichtung heraus, die sich darauf beschränkte, die neuentdeckte Naturkraft i n den Dienst der Menschheit zu stellen. Doch die angewandte Forschung stößt von reicher Phantasie beflügelt zunächst i n die Breite möglicher Anwendungsformen vor, ohne sich i m einzelnen Klarheit über ihren Wert und ihre ökonomische und praktische Nützlichkeit zu verschaffen. So werden schon bald Wechselstrom- und Gleichstrommaschinen konstruiert, 1838 bewegt sich auf der Newa das erste elektromotorisch angetriebene Schiff 71 , dessen unrentabler Betrieb sehr bald schon Anlaß zur Stilllegung ist. Auch der vom Deutschen Bundestag 1841 ausgesetzte Preis von 100 000 Gulden für die Entwicklung einer brauchbaren elektrischen Lokomotive führt die seit 1835 zahlreich unternommenen Versuche zu keinem praktischen Ergebnis 72 . Die während der ersten Jahrzehnte gesammelten theoretischen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen waren zwar für die spätere Entfaltung der Elektroindustrie von großem Wert, für das Entstehen einer elektrotechnischen Produktion auf industrieller oder auch nur handwerklicher Basis zu diesem Zeitpunkt jedoch aus technischen und wirtschaftlichen Gründen heraus nicht ausreichend. Es fehlten noch die hierfür entscheidenden Voraussetzungen: die Lösung der produkt- und produktionstechnologischen Probleme und hinreichend große Aussicht auf rentablen und anhaltenden Absatz. Diesen Anforderungen konnte u m die Mitte des 19. Jahrhunderts lediglich ein Produkt gerecht werden, für das unter dem gegebenen Stand der wissenschaftlichen Forschung und der technischen Möglichkeit ein Niveau produkt-technologischer Ausreifung erreichbar war, das die Ansprüche interessierter Abnehmerkreise weitgehend erfüllen konnte. Dieses Produkt war der Telegraphenapparat 73 . So ist kennzeichnend für die Ausgangsbedingungen der elektrotechnischen Produktion, daß angebotsseitig von der wissenschaftlichen Forschung die Möglichkeit zur Herstellung permanent fließender elektrischer Ströme überhaupt erst geschaffen werden mußte, u m darauf aufbauend funktionstüchtige Geräte durch intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu konstruieren. Die Nachfrageseite stand dieser Entwicklung — wie beispielsweise die Haltung des Deutschen Bundestages in 70

Vgl. Siemens, Georg: Geschichte, 1. Bd. 1847—1903, S. 46 f. Vgl. Heintzenberg, Fr.: Die ersten Entwicklungsstufen des elektrischen Antriebs i m 19. Jahrhundert, i n : Technik - Geschichte, Bd. 30, hrsg. von Conrad Matschoss, B e r l i n 1941, S. 33—45, S. 33 f. 72 Vgl. Mahr, Otto, a.a.O., S. 47 f. 78 Vgl. zur historischen E n t w i c k l u n g Siemens, Georg: Geschichte, 1. Bd. 1847/1903, S. 19 ff. 71

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

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Frankfurt erkennen läßt — nicht uninteressiert gegenüber, verhielt sich aber, da kein unmittelbares und auch lebensnotwendiges Bedürfnis nach elektrotechnischen Gütern bestand, i m ganzen passiv. Damit mußten die prozeßstimulierenden Impulse ausschließlich von den Fortschritten i n Wissenschaft und Technik ausgehen, eine Datenkonstellation, die für die Ausgangslage der Entwicklung eines Industriezweiges i m damaligen Zeitpunkt vergleichsweise ungünstig war, deren Vorteile aber i m Verlauf der industriellen Entwicklung an Bedeutung immer mehr zunehmen sollten. I n welchem Umfang die elektrotechnischen Produkte i m jeweiligen Prozeß ihrer Ausreifung von den Erkenntnissen wissenschaftlicher und technischer Forschungsarbeit und den daraus resultierenden Erfindungen und konstruktiven Pionierleistungen abhängen, soll an einigen Beispielen, i n denen die „Meilensteine" i n der Entwicklung einiger prozeßbestimmender Produkte angeführt werden, demonstriert werden. Das Produkt, das von der ökonomischen Seite die Entwicklung der Starkstromtechnik entscheidend beeinflußt und damit der Elektroindustrie maßgeblich zu ihrer dynamischen Entwicklung verholfen hat, war die Glühlampe. Bevor diese den Status eines kommerziellen Produktes aufgrund der umfangreichen Entwicklungsarbeiten von Th. A. Edison 1879 hat erlangen können 7 4 , waren eine Reihe von wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen und Erfindungen erforderlich. A n Versuchen, Glühlicht auf ähnliche Weise wie auf dem von Edison eingeschlagenen Weg zu erzeugen, hat es i n den vorangegangenen 78 Jahren des 19. Jahrhunderts nicht gemangelt. I n seiner Studie über die ElektrischeLampen-Industrie, auf die sich die folgenden Ausführungen i m wesentlichen stützen, führt B r i g h t 7 5 über 20 Erfinder von Glühlampen an, wobei die Originalentdeckung bereits i n den Jahren 1801/02 erfolgt sein soll. Alle Versuche jedoch, aus der Erfindung eine Innovation zu machen, scheiterten an der zu kurzen Lebensdauer der Lampe und den nur begrenzt praktisch verfügbaren Energiequellen. Zwei zusätzliche Erfindungen ermöglichten erst weitere Fortschritte: eine ausreichend leistungsfähige Quecksilber-Vakuum-Pumpe (durch H. Sprengel i m Jahre 1865), die W. Crookes 1875 veranlaßte, die Methoden zur Luftentleerung von Glaskugeln zu vervollkommnen, und die Erfindung der Dynamomaschine durch W. v. Siemens i m Jahre 1866. Damit war die Erzeugung eines Vakuums möglich, und m i t der Weiterentwicklung der Dynamomaschine standen auch ausreichend fließende Ströme zur Verfügung. Was jetzt noch fehlte, war eine Substanz, die genügend lange i m Vakuum zu glühen vermochte. Diese letzte ausschlaggebende Erfindung gelang Edison m i t dem Kohlefaden. Zugleich wurden von i h m alle notwendigen 74 Vgl. Zischka, A n t o n : Pioniere der Elektrizität, V o m Bernstein bis zum Zyklotron, Gütersloh 1958, S. 261 f. 75 Vgl. Bright, A r t h u r A . Jr., a.a.O., S. 36 ff.

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§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

Installationsmaterialien (z. B. Schalter, Sicherungen, Zähler etc.) erfunden und entwickelt bis h i n zum ersten öffentlichen Kraftwerk der Welt, das i m Jahre 1882 i n der Pearl Street i n New York errichtet worden war. M i t der Erfindung der Glühlampe allein allerdings trat der wirtschaftliche Erfolg nicht automatisch ein. Weder die Gasindustrie noch die I n dustrie der elektrischen Bogenlampen waren ernsthaft an der Einführung des Glühlichts interessiert 76 » 77 . Eine Fülle von Weiterentwicklungen und Suberfindungen schloß sich an die wirtschaftlich erfolgreiche Ausgangserfindung an, die i m wesentlichen Qualitätsverbesserungen hinsichtlich Lebensdauer und Lichtausbeute zum Ziele hatten (z.B. die Metallfadenlampen), aber auch wiederum zu neuen Ideen und damit Neuentwicklungen, z. B. der der Entladungslampen, führten 7 8 . Von noch größerer Bedeutung für die weitere Entfaltung der Elektroindustrie war die Einführung des elektrischen Antriebs, also der Elektromaschinenbau (Generator und Motor) ) denn ohne diesen wäre der heutige Stand der Elektrifizierung gar nicht denkbar. Auch hier waren — von den allgemeinen wissenschaftlichen Voraussetzungen einmal abgesehen 7 9 — zahlreiche Erfindungen und konstruktive Pionierleistungen zur erfolgreichen Einführung des Elektromotors, m i t der eine Verdrängung der herkömmlichen Antriebsarten insbesondere der Dampfmaschine einherging, notwendig 8 0 . Den Ausgangspunkt bildete die Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips i m Jahre 1866 durch W. v. Siemens, m i t dem die Starkstromtechnik eingeleitet wurde. Die 1871/72 erfolgte Unterteilung des Ankereisens i n lackierte Eisendrahtbündel (beim Ringanker durch Z. T. Gramme, beim Trommelanker durch Fr. v. Hefner-Alteneck) zur Verhinderung einer unzulässigen Erwärmung des Ankereisens und damit der Maschine stellte die Voraussetzung für den praktischen Elektromaschi76

Vgl. Bright, A r t h u r A . Jr., a.a.O., S. 44. So lehnte auch W. v. Siemens sowohl aus persönlichen Gründen als auch aus der Überlegung, daß das Bogenlicht das Glühlicht innerhalb kurzer Zeit v o m M a r k t verdrängen würde, das Lizenzangebot Edisons ab (vgl. Bright, A r t h u r A. Jr., a.a.O., S. 110 f.), eine Entscheidung, der die Deutsche Edison Gesellschaft f ü r angewandte Elektricität, die spätere A E G also, ihre Startmöglichkeit verdankt. 78 Vgl. zu den weiteren technologischen Entwicklungen u n d Verbesserungen Bright, A r t h u r A . Jr., a.a.O., S. 115 ff., insbesondere S. 166 ff. u n d 443 ff.; eine Kurzfassung f ü r die Entwicklung der wichtigsten Marksteine aus heutiger Sicht findet sich auf S. 170 f. der vorliegenden Arbeit. 79 Vgl. S. 161 ff. der vorliegenden Arbeit. 80 Die folgenden Ausführungen stützen sich auf ausführliche Gespräche u n d einen umfangreichen Schriftverkehr m i t dem Werner-von-Siemens-Institut, München, insbesondere m i t H e r r n Dipl.-Ing. Gitschger u n d auf die auf S. 247 f. der vorliegenden A r b e i t aufgeführte Literatur. 77

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

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nenbau dar. Es konnten ab diesem Zeitpunkt schon Leistungen bis etwa 40 PS erreicht werden. I n ernsthafte Konkurrenz m i t den Dampfmaschinen konnte der Elektromotor aber erst treten, als der Aufbau des Ankerkerns aus genuteten Blechen eingeführt wurde (1882 für Wenström patentiert), der für die Ankerwicklung eine auch bei Stoßbelastung feste Halterung bewirkte und damit den modernen Großmaschinenbau ermöglichte. A b 1890 etwa waren Leistungen bis 100 PS und etwa ab 1900 Leistungen bis 1000 PS erzielt worden. Eine weitere entscheidende produkt-technologische Verbesserung resultierte aus der Einführung (ab 1903) einer technisch brauchbaren Konstruktion von Wendepolen und (ab 1906) einer Kompensationswicklung zur Kommutierungsverbesserung, die bei der Gleichstrommaschine schon innerhalb einiger Jahre eine Leistungsverbesserung von bis zu 5000 PS bewirkte. Damit eroberte sich der Elektromotor jetzt auch das Feld der bisher allein und ausschließlich der Dampfmaschine vorbehaltenen drehzahlregelbaren Schwerstantriebe, nämlich der Walzwerkumkehrstraßen- und Fördermaschinen. Die Einführung der geschlossenen Bauweise und der Innenventilation durch einen auf die Welle aufgesetzten Lüfter, etwa ab 1903, für kleinere (1—20 PS) bzw. mittlere (20—200 PS) Maschinen, ebenso die geschlossene Bauweise aber m i t Oberflächenkühlung und Durchzugsbelüftung für verstärkte Wärmeabfuhr, etwa ab 1930, für Motoren mittlerer Leistung und der geschlossenen Bauweise m i t Röhrenkühlung, etwa ab 1940, für Motoren mittlerer bis großer Leistung (100—700 PS) ermöglichten die Aufstellung des Elektromotors i n staubigen und feuchten Betrieben und i n Betrieben m i t sehr rauhen Umweltbedingungen. Die Einführung der geschlossenen Bauweise m i t Umluftkühlung i n den 30er Jahren für Maschinen mit mittlerer, großer und sehr großer Leistung diente i m wesentlichen dem gleichen Zweck, jedoch konnte damit der Elektromotor auch i n Betrieben m i t ungenügender Wartung der Luftfilteranlagen für Frischluftzufuhr eingesetzt werden. M i t der Verwendung verbesserter Isolierstoffe, vor allem anorganischer Stoffe wie Glimmer, Asbest, Mikafolium, etwa ab 1914, konnte eine Steigerung der Stromdichte, aber auch der Spannung und damit der Leistung i m Vergleich zu Maschinen m i t demselben Volumen und m i t den bis dahin üblichen organischen Isolierstoffen wie Baumwolle, Seide, Leinen usw. erreicht werden. Die Einführung von anorganischen Isolierstoffen höherer Klasse wie Silikon, Thermalastik usw. bewirkte eine nochmalige Steigerung der zulässigen Stromdichte und damit der Leistung. Die etwa ab 1930 angewandten Schweißkonstruktionen für Ständergehäuse und Läuferradsterne und -naben ermöglichten eine Leichtbauweise, welche bedeutende Material- und Gewichtseinsparungen zur Folge

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§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

hätte. Die Einführung von Dynamoblechen m i t niedrigen Verlustziffern (W/kg) erlaubte hohe Feldstärken und trug ebenfalls zur Leistungssteigerung der Maschine bei. Während die ebengenannten Erfindungen und konstruktiven Pionierleistungen für Gleichstrom-, Wechselstrom- und Drehstrommaschinen gleichermaßen Geltung hatten, sollen nachfolgend noch einige für Wechsel» und Drehstrommaschinen wesentliche genannt werden. Für Drehstromasynchronmotoren, die den breitesten Bereich der elektrischen Antriebstechnik bestreiten, sind noch folgende „Meilensteine" der Entwicklung von Bedeutung: — Die Einführung der Läuferwicklungskurzschließ- und Bürstenabhebevorrichtung für Schleifringläufermotoren, etwa ab 1901, zur Vermeidung eines unnötigen Bürstenabriebes bei normalem Lauf. — Die Einführung des Hoch- bzw. Profilstabs und vor allem des Doppelstabes bei Käfigläufermotoren i n den 20er Jahren zur Erreichung besserer Anlaufdrehmomente bei zugleich niedrigen Anlaufströmen. — Die Wahl der zu den Ständernuten passenden Anzahl von Läufernuten ebenfalls i n den 20er Jahren zur Vermeidung der störenden Oberwellendrehmomente, die den Anlauf der Maschine beeinträchtigen, sowie der störenden Pfeiftöne und schließlich — die schlagwettergeschützte Bauweise bei Motoren für Untertagebetriebe des Bergbaus, etwa ab 1928. Für Drehstromasynchrongeneratoren, sowohl für Wasserkraft- als auch Turbogeneratoren bedeuten folgende Daten wissenschaftlich-technische Marksteine i n der Entwicklung: — Der von Roebel erfundene ab etwa 1911 eingeführte verschränkte Teilleiterstab (Roebelstab) zur gleichmäßigen Stromverteilung über den ganzen Nutenquerschnitt und damit zur besseren Ausnutzung der Maschine. — Die Einführung der Dämpferwicklung (Kurzschlußkäfig am Polrad angeordnet) bewirkte den Ausgleich von Belastungsstößen und die Verhinderung von Pendelerscheinungen, die zu Netzinstabilitäten führten. — Weitere wichtige Daten stellten die Einführung kurzschlußfester Wickelkopfversteifungen und die Schweißkonstruktion bei den Generatorgehäusen und damit die Leichtbauweise dar (Materialeinsparungen). Bei Wasserkraftgeneratoren hervorzuheben:

sind folgende Marksteine der Entwicklung

— Vertikalbauweise (Schirmgeneratoren) für Laufwasserkraftwerke (1895 von C. E. L. Brown erfunden und eingeführt). Damit w i r d eine

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

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bessere konstruktive Anpassung des Generators an die Turbine und ferner eine bessere Beherrschung der hohen Lagerdrücke bewirkt. — Generatoren i n geschweißter Ausführung, etwa ab 1937, die eine größere Sicherheit beim Auffangen großer Kräfte und Drehmomente, ferner bedeutende Material- und Gewichtsersparnis und Montageerleichterungen ermöglichen. — Generatoren m i t Blechkettenläufer für besonders große Leistungen bei niedrigen Drehzahlen (besonders großer Polraddurchmesser) zur besseren Beherrschung der wirksamen Zug- und Fliehkräfte bei gleichzeitig leichterer Bauweise und einfacherer Montage, etwa ab 1942, und schließlich — die magnetische Traglagerentlastung für Schirmgeneratoren zur Vermeidung zu großer Reibungsverluste vor allem beim Anfahren, etwa ab 1955. Bei den Turbogeneratoren ragen folgende wesentliche erfinderische und konstruktive Leistungen heraus: — Einführung der direkt gekühlten Ständerwicklung und indirekt gekühlten Läuferwicklung zur Erzielung maximaler Leistungen bei noch vertretbaren Abmessungen für Leistungen etwa ab 150 M V A . — Einführung der direkt gekühlten Läufer- und Ständerwicklung zum gleichen Zweck etwa ab 250 M V A . Für die Entwicklung der Antriebstechnik waren aber nicht nur Erfindungen und konstruktive Verbesserungen an den Drehmoment- und Leistungseigenschaften des Elektromotors erforderlich, sondern auch zahlreiche Neuerungen auf anderen Gebieten der Elektrotechnik. So mußten brauchbare Motorschutzschalter entwickelt werden, die den Motor vor starken Überströmen, vor allem Kurzschlußströmen zu schützen hatten, oder Schalter (Luftschütze) m i t sehr hohen Schalthäufigkeiten (1000—1500 Schaltungen i n der Stunde) und sehr hohen Gesamtdrehzahlen (10—15 M i l l . Schaltungen) für intermittierende Antriebe (z.B. Kranantriebe, Aufzüge usw.). Neben Schaltgeräten waren u. a. auch die Weiterentwicklungen der Starkstromkabel und -leitungen und der Behelfs», Melde- und Steuergeräte von großer Bedeutung für eine hohe Funktionstüchtigkeit und leichte Bedienbarkeit des elektromotorischen Antriebs. A l l diesen konstruktiven Verbesserungen ging eine rege erfinderische A k t i v i t ä t voraus, deren Ausgangspunkt wiederum i n den wissenschaftlichen Erkenntnissen der naturgesetzlichen Erscheinung der Elektrizität begründet ist. Die Zusammenhänge sind derart komplex und ineinander verzweigt, daß sie i m Rahmen der Aufgabe der vorliegenden Arbeit angedeutet, nicht aber i m einzelnen verfolgt werden können. I n welch engem Verhältnis wissenschaftliche Forschung, Erfindung und konstruktive Pionierleistung i m Bereich der elektrotechnischen Pro-

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§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

d u k t i o n zueinander stehen u n d welche Bedeutung ihnen zufällt, k o m m t auch i n zwei anderen vorliegenden wirtschaftswissenschaftlichen F a l l studien deutlich zum Ausdruck. So hat Maclaurin bereits 1949 auf diesen Sachverhalt i n seiner Untersuchung über die Erfindungen u n d Neuerungen i n der Radio-Industrie hingewiesen 8 1 u n d neuerdings auch Nelson i n einer Fallstudie über eine der wichtigsten Erfindungen i n diesem Jahrhundert, den Transistor 82. Während der Punkt-Transistor zwar i m Rahmen eines langjährigen, gezielten Forschungsvorhabens der Bell-Laboratorien durch Z u f a l l erfunden wurde, ist der wesentlich bedeutendere Flächentransistor aus rein theoretischen Überlegungen heraus geboren u n d danach gebaut worden. Folglich, so stellt Nelson zu Recht fest, stellt die Theorie des Transistors die Erfindung dar 8 8 » 8 4 . Die hier aufgeführten Beispiele mögen genügen, u m die forschungsbezogene Basis der elektrotechnischen Produktion charakterisiert zu haben. Als Nachweis dafür, daß nicht n u r bei den hier angesprochenen Produkten als Vorbedingung der Produktionsaufnahme wissenschaftlich-technische Voraussetzungen, Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen gegeben waren, sind wichtige Bausteine der gesamten elektrotechnischen Produktion, sowohl i m Bereich der Energietechnik als auch i m Bereich der Nachrichten- u n d Informationstechnik auf ihre Abhängigkeiten von den Ergebnissen vorangegangener erfinderischer A k t i v i t ä t e n , deren wichtigste Daten n u r aufgezeigt werden sollen, überprüft worden. D a m i t stellen die nachstehenden Übersichten nicht n u r ein A b b i l d der forschungs- u n d entwicklungsbezogenen Basis der Elektroindustrie dar, sondern geben zugleich auch eine E r k l ä r u n g f ü r den Umfang u n d die Notwendigkeit der Forschungs- u n d Entwicklungsintensität, die f ü r die Elektroindustrie i m Rahmen der quantitativen Analyse sichtbar geworden ist.

81 Vgl. Maclaurin, W. Rupert: Invention; u n d auch Maclaurin, W. Rupert: The Process of Technological Innovation. The Launching of a New Scientific Industry, i n : AER, Vol. 40 (1950), S. 90—112. 82 Vgl. Nelson, Richard R.: The L i n k Between Science and Invention: The Case of the Transistor, i n : The Rate and Direction of Inventive A c t i v i t y : Economic and Social Factors, Princeton, 3. Aufl. 1967, S. 549—583. 88 Vgl. Nelson, Richard R., a.a.O., S. 562 f. 84 Z u den Vorteilen u n d der Bedeutung des Transistors für die moderne Zivilisation — es sei n u r an Hörhilfen, Kofferradios und -fernsehgeräte, Datenverarbeitungsanlagen und die Satellitentechnik erinnert — vgl. Nelson, Richard R., a.a.O., S. 552 f.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

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D i e wichtigsten Bausteine der elektrotechnischen Produktion u n d die ihnen zugrunde liegenden bedeutendsten Erfindungen u n d konstruktiven Pionierleistungen A. a

r

Energietechnik

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen I . Elektrische

1, Gleichstrommaschinen

Maschinen

(Generatoren

und Motoren)

1820

Entdeckung, daß elektrischer Strom m i t magnetischen E r scheinungen v e r k n ü p f t ist (H. Ch. Oersted) 1820 Aufstellung der Beziehungen zwischen Strom u n d magnetischem Feld (A.-M. Ampère) 1831 Entdeckung der elektromagnetischen I n d u k t i o n s gesetze (M. Faraday) 1832

1849/53 1856 1860 1861 Vervollständigung der elektromagnetischen Feldgleichungen (J. C. Maxwell) 1866 Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips (W. v. Siemens) 1871 1872 1875 1882 1882 u. 87 1884 1885 1885 1885 11 Schulz-Hanfien

Wechselstromgenerator (M. Faraday) K o m m u t a t o r (H. Pixii) Alliance-Maschine (F. Nollet) D o p p e l - T - A n k e r (W. v. Siemens) Hinganker (A. Pacinotti)

Kommerzielle Motoren m i t Ringanker (Z. Th. Gramme) Trommelanker (F. v. HefnerAlteneck) Flachringanker (S. Schuckert) geblechter, genuteter A n k e r (Wenström) Zweischichtwicklung (Weston/ Fritsche) Kompensationswicklung (Menges) Wendepole (M. M . Rotten) Schablonenwicklung bei A n k e r n großer Leistung (Alioth & Co.) Kohlebürsten (G. Forbes)

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Jahr 1886

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

Theorie f ü r die Berechnung von Gleichstrommaschinen (J. u. E. Hopkinson)

poleumgreifendes geschlossenes Außen j och (Lahmeyer)

1891

mehrgängige Wellenwicklung (Arnold) Radiale Lüftungsschlitze zur besseren Wärmeabfuhr (G. Kapp)

1893 1895 1897 1899

Formulierung der elektrodynamischen Gesetze (Lorentz) Bruchlochwicklung (M. v. Dolivo-Dobrowolsky) Entdeckung des Elektrons (E. Thomson) Walzenrotor m i t radialen Wicklungsnuten (C. E. L . Brown) Doppelanker f ü r reversierbare Großmotoren m i t hohem Drehmoment (C. Köttgen) Stahlgußjoch m i t ausgeprägten, geblätterten Polen, m i t eingestanzten Nuten i n den Polschuhen zur A u f nahme der Kompensationswicklung (AEG)

1901 1907

1912

1915

Wasserstof f k ü h l u n g f ü r Generatoren großer Leistung (M. Schuler)

1926

Generatoren m i t geschweißtem Walzeisengehäuse (AEG) D i r e k t k ü h l u n g der Ständer der I n d u k t o r w i c k l u n g großer T u r b o generatoren (Westinghouse)

1954

2. Asynchronmotoren 1888

1888 1889

1891 1894 1909

Arbeiten über das Drehfeld unter Verwendung 2-phasiger Ströme (G. Ferraris) 3-phasig verketteter Wechselstrom (Fr. A . Haselwander) Erfindung des Drehstrommotors m i t Einfach- u. Mehrfachkäfigläufer (M. v. Dolivo-Dobrowolsky) Erfindung des Drehstrommotors m i t Schleifringläufer (M. v. DolivoDobrowolsky) Einführung von anorganischen W i c k lungsisolationen (seit 1892 i n USA) Wicklung f ü r Kurzschlußläufer aus A l u m i n i u m g u ß (E. Kieffer)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

a

r

Wissenschaftliche Voraussetzungen

13

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

1912 1917 1919

Erfindung des Kunststabes (Roebel) Wirbelstromläufer (R. Rudenberg) K o n s t r u k t i v e Ausführung des Doppelstabläufers (Punga) Zweischicht-Ganzformspulen (AEG) A l u m i n i u m Spritzgußläufer

1926 1929 3. Wechsel- und

Drehstromkommutatormotoren

1891 Erfindung des Drehstromreihenschluß - K o m m u t a t o r motors (H. Görges) 1901 Sekundärseitige Zuführung des Erregerstromes i n den Läuferkreis großer Asynchromotoren (Heyland) 1901

1911

1911

Verlustlose u. damit wirtschaftliche Drehzahlregelung m i t H i l f e des ständergespeisten Drehstrom-Nebenschlußkommutatormotors (Winter-Eichberg) Ständererregte Drehstrom-Regelsatzmaschine zur Einspeisung einer Zusatzspannung i n den Läufer großer Asynchronmotoren läufergespeister Drehstrom-Nebenschlußkommutatormotor (Richter/ Schräge) ständergespeister Drehstrom-Nebenschlußkommutatormotor System Dreyfus (L. Dreyfus)

4. Bahnmotoren 1879

Erfahrungen über Z u g k r a f t Geschwindigkeitsverhalten des Gleichstrom-Reihenschlußmotors bei der 1. elektrischen Lokomotive auf der Gewerbeausstellung i n B e r l i n (W. v. Siemens)

Motorbefestigung m i t Tatzlager u. Federaufhängung (I. C. Henry)

1884 1885

Serien-Parallelschaltung (H. Short/v. Sprague)

1890 1891 1903 1904

Arbeiten über phasenverschobene Wendefelder (R. Richter) 1907 dito (Behn-Eschenburg)

tl*

Gleichstrommotor zum A n t r i e b eines Schienenfahrzeugs (W. v. Siemens)

Wechselstrombahnmotor (Repulsionsmotor) (M. DM) geschlossene Bahnmotoren (Eickemey er ¡Field) Einphasen-Wechselstrom-Kommutatormotor (Winter-Eichberg) Einphasen-Wechselstrom-Reihenschlußkommutatormotor (R. Richter)

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Jahr

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Einführung v o n Rollen- u n d K u g e l lager bei Bahnmotoren (Siemens-Schuckert-Werke)

1912

1918

Elektrische Nutzbremsungsoder auch Stromrückgewinnungsschaltung (Behn-Eschenburg)

1923

Entwicklung des Einzelachsantriebs (1 Do 1) (Siemens-Schuckert-Werke) Federtopf-Einzelachsantrieb Gummiring-Federantrieb (Siemens-Schuckert-Werke)

1934 1954

5. Klein-

und

Kleinstmotoren

1885- Erzeugung eines Drehfeldes 1888 m i t Einphasenstrom u n d durch Vorschaltdrossel gebildeter Hilfsphase (1. EinphasenAsynchronmotor) (G. Ferraris) 1900 Propagierung des Einzelantriebs (O. Lasche) E i n f ü h r u n g des Kondensators zur B i l d u n g der Hilfsphase Arbeiten über Oberwellenmomente u n d Rüttelkräfte zur Erzielung eines sicheren A n laufs bei Last u n d Vermeidung von Geräuschen (Schnisky/Jordan) 1935 1948

Geräuschminderung durch Staffelläufer (H. Lund)

Arbeiten über automatisches Abschalten der K o l l e k t o r bürsten (F. Bellaire) II. 1.

Antriebsmaschinen

Kolbendampfmaschinen

1690

Gewichthebung durch i n einem Zylinder erzeugten u n d k o n densierten Dampf (D. Papin) 1698 kolbenlose ZweibehälterDampfpumpe i n getrennt aufgestellten Kesseln (Th. Savery) 1710 Aktionsprinzip (I. Newton) 1780

Dampfmaschine (J. Watt)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten Wissenschaftliche Voraussetzungen

1

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

2. Dampfturbinen 1842 1850

1. Hauptsatz d y n a m i k (H. 2. Hauptsatz d y n a m i k (R.

der ThermoMayer) der ThermoClausius) Einstufige Gleichdruckturbine (G. P. de Laval) Mehrstufige Überdruckturbine (Ch. A . Parsons) Aktionsturbine (G. P. de Laval) Mehrstufige Gleichdruckturbine (C. E. A . Rateau) Mehrstufige Gleichdruckturbine m i t Regelrad (Ch. G. Curtis) Mehrstufige Gleichdruckturbine (H. Zoelly) Gegenläufige Radialturbine (B. Ljung ström) Zwischenübersetzungsturbine (SSW) Hochdruck-Gegenturbine i n EinfachRadialbauweise (SSW)

1883 1884 1888 1900 1902 1903 1910 1927 1933

3. Gasturbinen 1873 1955

Gasturbine (F. Stolze) Gasturbine m i t wassergekühlten Schaufeln (SSW) 4. Wasserturbinen

1824 1827 1849 1880 1913

Kreisprozeß (N. L. S. Carnot) Wasserturbine (B. Fourneyron) Radialturbine (J. B. Francis) Freistrahlturbine (L. Pelton) Propellerturbine (V. Kaplan) III.

Transformatoren

1831 Entdeckung des transformatorischen Prinzips (M. Faraday) 1885 1887

1889

Wechselstromtransformator (Deri/ Blathy/Zipernowsky)

Theoretische Grundlagen f ü r die Berechnung v o n Transformatoren (G. Kapp) Transformator i n ö l gesetzt (Swinburne)

1

J a i i r

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Wissenschaftliche Voraussetzungen

1890

1891

1904 1911

1923 1925 1926/27 1927

1928 1929

1939

1954 1957

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen Drehstrom-Transformator (Kerne i n Dreieckform angeordnet) (M. v. Dolivo-Dobrowolsky) Drehstrom-Transformator m i t A n ordnung der Kerne i n einer Ebene (M. v. Dolivo-Dobrowolsky) Kernbleche m i t Siliciumlegierung (Capito & Klein) 110 KV-Hochspannungs-Leistungstransformatoren 8000 K V A (AEG & SSW) Buchholzrelais (Buchholz/Biermanns) Preßluftkühlung (AEG) ölaufbereitung durch K a l t v a k u u m behandlung (L. Schätz) Einführung der Wickelringisolierüng zur Erreichung hoher Spannungsfestigkeit der Oberspannungswickl u n g (A. Hundt) Stufenregelung der Transformatoren unter Last (B. Jansen) 220 KV-Hochspannungs-Leistungstransformator f ü r 60 000 K V A (AEG & SSW) 220 K V 100 M V A Drehstromtransformator i n Wanderausführung (SSW) Kaltgewalzte, kornorientierte Bleche (Gass) 1. Energieübertragung i n Deutschland m i t 400 K V

I V . Schalter und Abieiter Hochspannungsschaltgeräte 1887 Schaltmaschine m i t Quecksilberschaltern 2000 V (T. Blathy) 1895 A n w e n d u n g von ö l als Löschm i t t e l bei Hochspannungssicherungen u. -Schaltern (G. F er ranti/Hewlett) 1897 ölschalter (C. E. L . Brown) 1900 Wasserschalter (J. S. Raworth) 1903 Patronensicherung (Fellenberg) 1911 Theoretische Grundlagen der Hochspannungstechnik (W. Petersen) 1912 Hebeltrennschalter 1913 Löschkammer (Hilliard) 1.

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

a

r

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

1923

Drehtrennschalter Druckgasschalter (S. Kuppel! J. Biermanns) Expansionsschalter (F. Kesselring) Hartgasschalter (Mayr) Scherentrenner (H. Lene) Mehrfach-Freistrahlschalter (AEG)

1928 1930 1934 1940 1955

2.

Niederspannungsschaltgeräte

1879 1880 1907 ca.1913 ca. 1925 ca. 1927 ca.1930

Hebelschalter (Th. A . Edison) Schmelzsicherungen (Th. A. Edison) Selbstschalter Luftschütze Motorschutzschalter Schnellschalter elektromagnetisches Überstrom-, relais ölschütze GEARAPID-Schnellschalter (AEG) Bimetallrelais

ca.1930 1930 ca. 1931

3. Überspannungsschutz-

und

Überspannungsabieiter

1885 1922

167

Hörnerblitzableiter m i t Plattenelektroden (E. Thomson) Grundlagen der modernen Überspannungsabieiter (J. Biermanns)

1928 1937

Kathodenfallableiter (Westinghouse) Karborundumwiderstände als E r d leitungswiderstände (GE)

V. Kabel- und 1. Energiekabel

und

Isoliermaterial

Freileitungen

1880 1889

K a b e l m i t Guttaperchaisolierung (W. v. Siemens) 1. K a b e l m i t Papierisolierung (G. Ferranti)

1901 Theorie der Feldverteilung (O'Gorman) 1911 Entdeckung der Supraleitung (K. Onnes)

1913

Metallisierung der A d e r n des Drehstrom-Hochspannungskabels (M. Höchstädter)

1

Jahr

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

Wissenschaftliche Voraussetzungen

1919

Hohlseile f ü r Freileitungen m i t Tragorgan (R. Rudenberg)

1920

Gasinnendruckkabel (Fischer/ Adkinson)

1923

ö l k a b e l (Pirelli)

1926

Beginn der Kunststoffentwickl u n g (Arbeiten über M a k r o moleküle) (H. Staudinger)

1931

Gasaußendruckkabel (M. Höchstädter)

1934

Oilostatic-Kabel (Hochdruckölkabel) (Bennett)

1939

Flachölkabel (Mollerhoij)

1949

Wellmantelkabel (Kabelmetall)

1958

Gasinnendruckrohrkabel

Anfang 1960er Jahre

Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet supraleitender Kabel

2. Isolierstoffe 1892

M i k a n i t (Munsell)

1909

Bakelite (H. Baekeland)

1910

Schellack-Mikafolium Bügelprozeß (Haefely)

1919

Asphalt-Glimmerbandisolierung (GE)

1922 Wärmetheorie v o m elektrischen Durchschlag (K. W. Wagner) 1940

Polyesterharze (Westinghouse)

1956

Silikonkautschukisolierung (A. Chalmers) V I . Kondensatoren

1745

Elektrisches Verstärkungsgefäß (Leidener Flasche) (E. J. v. Kleist)

1924/25

Versuche m i t geschichteter Papierisolierung (F. A . Schäfer)

ca. 1933

Clophenimprägnierung (GE)

1930

Kondensatoren f ü r Stoßprüfanlagen

1942

Styroflex-Kondensatoren f ü r M i t t e l frequenz (Versuch) (SSW)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

Jahr

Wissenschaftliche Voraussetzungen

1

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

V I I . Stromrichter 1876

1882

Entdeckung des Gleichrichtereffektes von Selen (W. v. Siemens) Entdeckung der Gleichrichterw i r k u n g von Quecksilber (M. M . Jamin)

1902 1910 1914 1923 1925

1926

Grundlagenstudien über Kupferoxydalgleichrichter (W. Schottky)

Quecksilberdampfgleichrichtei (Cooper Hewitt) 1. einanodiger Quecksilber-Eisengleichrichter (B. Schäfer) Gittersteuerung von Quecksilberdampfgleichrichtern (I. Langmuir) Beeinflussung der Höhe der Gleichspannung (P. M. G. Toulon) Verwendung der Metalle der Eisengruppe als Trägerelektrode f ü r Selengleichrichter (O. Presser) Kupferoxydal-Flächen-Gleichrichter (L. O. Grondahl)

1928

Beeinflussung der Gleichrichterspannung m i t Steuergitter (G. W. Müller)

1930 1934

Selengleichrichter (Siemens) Motor-angetriebener Meßkontakt (AEG)

1935 1947 1950

K o n t a k t u m f o r m e r (Siemens) Vektormesser I (AEG) Turbo-Wechselrichter (AEG)

1952

1950— 1955 1954 1955 1958 1958 1960

Siliciumherstellung durch tiegelfreies Zonenziehen (Siemens) Versuche m i t K o n t a k t u m f o r m e r ohne Getriebe (P. Duffing/F. Kesselring) Silicium-Herstellung durch A b schneiden an dünnen Siliciumstäben Germanium-Gleichrichtei* (GE) Vollautomatische Ziehanlage f ü r hochohmiges Silicium (Siemens) Silicium-Gleichrichter (GE) Thyristor (Vierschichttriode) (GE)

1

§ Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

Jahr

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen VIII.

1810

Lichttechnik

1. Bogenlampe Lichtbogen zwischen K o h l e stiften (H. Davy)

1844

Selbstregulierende Bogenlampe (L. Foucault) Differentialbogenlampe (F. v. Hefner-Alteneck) Jablochkoff-Kerze (Jablochkoff) Parabol-Scheinwerfer m i t Bogenlicht (S. Schuckert) m i t Metallsalzen getränkte K o h l e elektroden (Bremer) Beck-Bögen (Beck)

1873 1876 1886 1899 1910 2. Glühlampen 1800

W ä r m e w i r k u n g des elektrischen Stroms (Foucroy) 1. Glühlampe zu Beleuchtungszwecken m i t Kohlefaden (H. Goebel) Verkohlte Papierstreifen (J. W. Swan) Kohlefadenlampe (Th. A . Edison)

1854 1860 1879 1878- Strahlungsgesetze 1900 (Stefan-Boltzmann/W. M. Planck) 1879

Wien/

1902 1905 1906 1910 1913 1940 1949 • 3.

Gasentladungslampen

1854 Elektrische Gasentladung (J. Plucker) ab 1865 Farbenlehre (H. v. Helmholtz/ W. Ostwald/M. Richter u. a.) 1890 1892

Nernstlampe m i t Heißleiterstift (W. Nernst) Osmiumlampe (A. v. Welsbach) Tantallampe (W. v. Bolton/O. Feuerlein) Wolframfadenlampe (Just/ Hannaman) Wolframdrahtlampe (W. Coolidge) Wendeldrahtlampe m i t Gasfüllung (I. Langmuir) Platinwendel m i t V a k u u m (Grove) Halogenlampe (Schulz/Neunhoeff er)

Geissler-Röhren (H. Geissler)

Geissler-Röhren m i t fluoreszierendem Calciumwolframat (Th. A . Edison) Quecksilberniederdruckdampflampe (Ar on)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

Jahr

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Plasmaphysik (Gasentladungen) (R. Seeliger u. a.)

1901 ab 1903

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen Moore-Licht m i t Stickstoff oder Kohlensäure (Mc. F. Moore)

1895 ab 1900

1

Lumineszenz (Leuchtstoffe) (P. Lenardf P. Pringsheim)

1904 1904 1906 1910 1930 1934 1940 1949 1957

Quecksilberniederdruckdampflampe (Cooper Hewitt)

Neon-Glimmlichtröhren (Mc. F. Moore) Oxydkathode (Wehnelt) Hochdruck-Quecksilberdampflampe (Küch/Retschinsky) Neonröhre (Claude) Natriumdampflampe (Pirani) Quecksilberniederdruck-Leuchtstofflampen (Wendt) Xenonhochdruck-Kurzbogenlampe (Rompe/Schulz) Hochdrucklampe m i t HalogenidZusätzen (Schulz!Neunhoeff er) Xenon-Langbogenlampe (Schirmerl Grabner)

I X . Wärmetechnik 1. Lichtbogenheizung 1810 Lichtbogen zwischen K o h l e elektroden (H.Davy) Schmelzen von Materialien m i t 1849 Lichtbogen (De Brie) Schmelzen von Stahl m i t Lichtbogen 1879 (W. Siemens) 1901 Lichtbogenofen (Heroult) 1905 1. Lichtbogenstahlofen nach H 6 r o u l t System (Lindenberg)

1860

1887 1891 1906

2. Induktions-Schmelzen Entdeckung, daß der i n einem .massiven Leiter induzierte Strom den Leiter e r w ä r m t (Foucault) E r w ä r m u n g einer Metallmasse durch induzierte Wirbelströme (G. Ferranti) 1. Ofen m i t ringförmigem Herd (Kjellin) Induktionsofen (RöchlingfRodenhauser)

12

a

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

r

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

1916 1917

Vakuum-Induktionsofen (Röhn) Ofen m i t ringförmigem Herd f ü r Messing (Wyatt) kernloser Tiegelofen (Northrup) Großtiegelöfen f ü r Eisen u n d Stahl (AEG) Hochfrequenz-Härteanlagen, 30 K W Dauerleistung, 500 K H z (SSW) Hochfrequenz-Anlagen zum H a r t löten, 5 K W 1500 K H z (SSW)

1920 1925 1955 1955

3. Widerstandsheizung und Widerstandsschweißen 1841 Gesetz f ü r die E r w ä r m u n g eines Leiters bei Stromdurchgang (J. P. Joule) 1886 Widerstandsschweiß verfahren (E. Thomson) 1906 1. Punktschweißapparat (AEG) 1920 Nahtschweißmaschine (SSW) 1932 1. Hartlötofen (AEG) 1964 Buckelschweißmaschine u n d automatische Abbrennstumpfschweißmaschine (SSW) 4. Lichtbogenschweißen 1898

Schutzrechte f ü r Lichtbogenschweißen (Slawianoff/Bernardos/Obzewski) Fahrbarer Schweißumformer f ü r Gleichstromantrieb ARCATOM-Schweißung (I. Langmuir) Fahrbarer Schweißumformer m i t Dieselmotor f ü r Großrohrleitungsbau i m Freien

1920 1925 1955

1930

5. Induktionshärten Arbeiten m i t m i t t l e r e n Frequenzen f ü r Zapfenerwärmung (Northrup)

1935 1941

Focusinduktoren (Tocco) Elotherm Härteverfahren (AEG Elotherm) 6. Induktives

1942 1948

Erwärmen

für das Formgeben Induktionsspulen f ü r Stahlblöckchen (Deutsche Edelstahlwerke) Blockerwärmungsanlage m i t i n d u k tiver Beheizung (AEG - Elotherm)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

a

r

Wissenschaftliche Voraussetzungen

13

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen X . Elektromedizin

1. Physikalische

Geräte

1846

I n d u k t o r zur Erzeugung von Reizströmen (E. du Bois-Reymondl J. G. Halske) Elektrokardiographie (A. D. Waller) Diathermie (Therapie u n d Chirurgie) (R. v. Zeyneck) Quarzstrahler (künstliche Höhensonne) (R. Küch) Elektroakustische Hörhilfen

1877 1898 1904 1908 2. Radiologische 1895

Geräte

Entdeckung der Röntgenstrahlen (W. C. Röntgen)

1896 1913

Röntgen-Röhren m i t Gasfüllung Röntgen-Röhre m i t Glühkathode (W. Coolidge) Drehanodenröhre (in Deutschland) (W. Coolidge!W. Müller) Röntgen-Bildverstärkung m i t M i t t e l n der Fernsehtechnik

1927 1959

3. Nuklearmedizinische 1913 1928 1934

Geräte

Spitzenzähler f ü r a-Teilchen (H. Geiger) Zählrohr (H. GeigerlW. Müller) Künstlich-radioaktive Isotope (J. Curie) Gammatron zur Tumortherapie i n Deutschland (Siemens-Reiniger) Geräte zur Nuklear-Diagnostik i n Deutschland (Siemens-Reiniger)

1957 1959 XI.

Kernenergietechnik

1. Kernreaktoren Griech. Kenntnis der atomaren A l t e r t . S t r u k t u r der Materie 1905 Postulierung der Relativitätstheorie (A. Einstein) 1913 Modell über den Atomaufbau (M. Bohr) 1913 Massenspektrographischer Nachweis von Isotopen (E. Thompson)

14

Jahr 1919

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Wissenschaftliche Voraussetzungen Entdeckung der natürlichen u n d künstlichen Radioaktivität (E. Rutherford)

1939

Nachweis der Zerfallsprodukte des Urans nach Neutronenbeschuß (A. Hahn) K r i t i k a l i t ä t des 1. Kernreaktors der Welt CP 1, Chicago (E. Fermi) Großindustrielle Isotopentrennung des Urans i n Oak Ridge Inbetriebnahme des ersten A t o m v e r suchskraftwerks i n Deutschland, K a h l / M a i n (AEG)

1942 1940er Jahre 1961

1919

1931

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

2. Beschleuniger s. Kernreaktoren, insbesondere Entdeckung der U m w a n d l u n g von Atomkernen durch den Beschuß von schnellen geladenen Teilchen (E. Rutherford) Inbetriebnahme des ersten Teilchenbeschleunigers i n Berkeley (Lawrence)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

1

D i e wichtigsten Bausteine der elektrotechnischen Produktion u n d die ihnen zugrunde liegenden bedeutendsten Erfindungen u n d konstruktiven Pionierleistungen B.

a

r

Informationstechnik

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen I. Telegraphie

1820

1825

Entdeckung des Elektromagnetismus (H. Ch. Oersted) Elektromagnet m i t Eisenkern (W. Sturgeon)

1833 1839

Telegraph (C. F. Gauß/W. Weber) Zeigertelegraph (W. Cooke/ Ch. Wheatstone) Morsetelegraph (F. B. Morse) Erfindung des Lochstreifens (A. Bain) Typendrucker (D. E. Hughes) Prinzip des „Fünfer-Alphabets", Entwicklung eines Mehrfachtelegraphen (E. Baudot) Typendruck-Schnelltelegraph m i t Lochstreifensteuerung (Siemens)

1844 1846 1856 1869

1912

II. Elektrische 1843 1871

Telegraph (Taunusbahn) (W. Fardely) Streckenblock (in Deutschland) (C. Frischen) Gleisbildstellwerk (DüsseldorfDerendorf) (Siemens)

1948

III. 1869 1873

Fernschreibanlage i n B e r l i n „Teletype" (C. Lorenz) Fernschreibnetz m i t W ä h l v e r m i t t lung (S & H) „Siemens-Hell-Schreiber" (S & H)

1933 1933 IV.

1878

Fernschreiber

„Fünfer-Alphabet" (E. Baudot) Start-Stop-Prinzip (G. d'Arlincourt)

1928

1875

Eisenbahnsicherungsgeräte

Lichtelektrischer Effekt (W. Hallwachs) Elektrooptischer Effekt (J. Kerr)

Bildtelegraphie

1

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie .

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

1904

Bildtelegraphie über Leitungen (A. Korn) Photozelle (J. Elster/K. Geitel) Kerrzelle (A. Karolus) Bildtelegraphie über F u n k (Karolus/ Siemens/Telefunken)

1910 1923 1926

V. Telephonie 1825 Elektromagnet (W. Sturgeon) 1831 Induktionsgesetz (M. Faraday) 1861 1876 1878 1889

1900 1923

1950er Jahre

VI. Kabel und Leitungen 1. Freileitungen 1744 Erkenntnis, daß isoliertaufgehängte L e i t u n g m i t Erde als Rückleiter Fortpflanzung der Elektrizität bis an die Grenzen der Welt erlaubt (J. H. Winkler) 1820 1833 1837 1848

2. Kabel 1782 Vorschlag: Leitungen i n Röhren zu vergraben (Röhrenkabel) (Mönch/Dom-Gauthey) 1839

Gerät zur Übertragung der menschlichen Sprache (Ph. Reis) Magnetisches Telephon (A. G. Bell) Kohlemikrophon (D. E. Hughes) Grundgedanke der Selbstanschlußtechnik m i t Hebdrehwählern (Wählvermittlung) (A. Strowger) Nebenstellen i n Deutschland Erster Schritt zur Landesfernwahl m i t der Netzgruppe i n Weilheim (Obb.) (H. C. Steidle/M. Hebel) Wähler als Koppelpunktfeld m i t Dryreedkontakten (Beil-Laboratorien) in der

Nachrichtentechnik

Erfindung der Drahtisolation (S. Schweigger) Doppel-Freileitung (C. F. Gaußf W. Weber) Einzelfreileitung m i t Erde als Rückleiter (A. Steinheil) Entwicklung eines glockenförmigen Porzellanisolators (W. v. Siemens)

Vulkanisation von G u m m i (Ch. Good Year)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

Jahr

Wissenschaftliche Voraussetzungen

1847 1882

1886

Grundgedanke der Mehrfachausnutzung einer Leitung durch Aufdrücken verschiedener Trägerfrequenzen einer Nachricht (Télégraphié) (E. Gray) 1897 Theoretischer Hinweis, hohle Metallrohre zur Übertragung elektromagnetischer Wellen zu benutzen (Lord Rayleigh) 1898 Berechnung der Abstände f ü r die Einfügung der Selbstinduktionsspulen (M. Pupin) 1895 Verbesserte Übertragungseigenschaften durch Einschalten von Spulen i n diskreten A b ständen (O. Heaviside) 1900 1930

1933

1935 1936 1963

1

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen Guttaperchapresse f ü r Kabelisolation (W. v. Siemens) L u f t als D i e l e t r i k u m zur Verringer u n g der Kapazität, K o r d e l trägt Isolierhülle (A. E. Dolbear) Sternviererverseilung zur Vermeidung gegenseitiger Beeinflussung der A d e r n (S. F. Shellbourne)

Pupinspulen (M. Pupin) Fabrikmäßige Herstellung von Hochfrequenzenergiekabeln zur V e r b i n dung von Antenne u n d Sendegebäude (AEG-Telef unken) 1. festes thermoplastisches Ä t h y l e n polymerisat (Imperial Chemical Industr., Ltd.) Koaxialkabel m i t Kunststoffisolation Modellversuche über elliptische Hohlleiter (L. J. Chu) Elliptische Wellrohr-Hohlleiter (kabelmetal-Telefunken)

3. Seekabel 1851 1857 Kabellegetheorie (W. v. Siemens) 1866 1902

1952

12 Schulz-Hanfien

1. Seekabel m i t Eisendrahtbewehrung (J.W.Brett) Guttapercha-Tiefseekabel Europa— U S A (C. Field) K r a r u p - K a b e l m i t eisenumsponnenen A d e r n anstelle von Pupinspulen (C. E. Krarup) Transatlantik-Telephonkabel T A T m i t Verstärkern i m K a b e l (Bell-Laboratorien)

1

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen V I I . Rundfunk

und Fernsehen

1861 Entstehung elektrischer Schwingungen bei F u n k e n t ladung einer Leidener Flasche (W. Feddersen) 1865 Elektromagnetische L i c h t theorie (C. Maxwell) 1888 Nachweis elektrischer Wellen, die durch F u n k e n erregt waren (H. Hertz) 1. Sendegeräte Antenne (A. S. Popow) 1. Funkübertragung m i t F u n k e n sender (G. Marconi) Gekoppelter Schwingkreis (F. Braun) Abstimmspule (A. Slaby/G raf v. Arco) Drehplatten-Kondensator zur Wellenabstimmung (A. Koepsel) Lichtbogensender (V. Poulsen) Einführung des LöschfunkenSenders (M. Wien) Hochfrequenzmaschinensender (R. Goldschmidt) Glühkathodenröhre m i t Steuergitter (R. v. Lieben) Hochfrequenz-Verstärkung (O. v. Bronk) Rückkoppelung einer Senderöhre zur Schwingungserzeugung (A. Meißner) Kondensator-Mikrophon (E. C. Wente) 1. wassergekühlte Senderöhre (H. Rukop) Bandmikrophon (W. Schottky) Körnermikrophon (E. Reisz) Elektrodynamisches M i k r o p h o n (E. C. WentelA. L. Thuras)

1895 1897 1898 1901 1901 1902 1908 1908 1910 1911 1913 1917 1918 1923 1924 1931

2. Empfangsgeräte 1874 1878 1885

1891

Kristalldetektor (F. Braun) Elektrodynamischer K o n u s - L a u t sprecher (W. v. Siemens) Spirallochscheibe f ü r Bildabtastung i m Sender u n d Bildzusammensetzung i m Empfänger (P. Nipkow) F r i t t e r (Branly)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

Jahr

Wissenschaftliche Voraussetzungen

1897 1899 1907 1913/18

1916 1921 1924

1926 1926 1927 1930 1932 1933 1933 1929- Ausgangslehre f ü r kompatibles 1934 Farbfernsehen (Mertz/Gray) 1934 1934 1935 1935 1936 1937 1941 1948 1949 1951

1956 1961—64 1886

12*

1

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen Kathodenstrahlröhre (F. Braun) Rahmenantenne f ü r Richtempfang (F. Braun) Audionschaltung (L. de Forest) Prinzip des Zwischenfrequenzempfängers (Graf v. Arco/ W. Schottky/Armstrong) Schutzgitterröhre (W. Schottky) Elektrostatischer Lautsprecher (Vogt/Engl/Masolle) Elektrodynamischer Lautsprecher m i t tief abgestimmter, doppelt aufgehängter Konusmembran i n einer Schallwand (Rice/Kellogg) Schirmgitter (Hull) Bremsgitterröhre (Jobst/Tellegen) Schwundregelung (Simonds/ Wheeler) Regelröhre (Ballatine/Snow) Zeilensprung (RCA) Elektronische Bildwandlerröhre (V. K . Zworykin) Zerhackter Vertikalsynchronimpuls (EMI)

Trabanten (RCA) Hochspannung aus dem Zeilenrücklauf (RCA) Getastete Schwundregelung (EMI) Cosinusförmige Ablenkspule (EMI) Zeilenablenkschaltung m i t EnergieRückgewinnung (Blumlein) Tangensentzerrung (Telefunken) Lochkopplung von H o h l r a u m resonatoren (AEG) Differenzton-Verfahren (Parker) Ratiodetektor (RCA) Farbfernsehen kompatibel durch Farbhilfsträger, dessen Seitenbänder i n Lücken des v o m Schwarz-WeißSignal eingenommenen Frequenzbandes fallen (NTSC-System) S E C A M (H. de France) P A L (Telefunken)

VIII. Geräte für Mehrfach-Nachrichtenübertragung Versuch einer Mehrfachausnutzung m i t Frequenzen unter A n w e n d u n g von Resonanzrelais (E. Gray)

1

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

a

r

1892

1908

1911

1915

1917

1918

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

dito unter A n w e n d u n g e l e k t r i scher Schwingkreise (M. J. Pupin) 1. Trägerfrequenz-System m i t Lichtbogengeneratoren (E. Ruhmer) Trägerfrequenz-System m i t Hochfrequenzmaschine (G. O. Squier) Theoretische Grundlagen zur Herstellung hochwertiger F i l t e r (K. W. Wagner) Theoretische Grundlagen zur Herstellung hochwertiger F i l t e r (C. A . Campell) Weiterentwicklung der F i l t e r theorie (Cauer/Piloty)

1918

Trägerfrequenz-Gerät für 3 F e r n sprechkanäle (Träger-Frequenzerzeugung m i t Röhrensendern) Trägerfrequenz-Gerät für 2700 Fernsprechkanäle (Siemens)

1960

IX. Tonfilmgeräte 1875 Elektrooptischer Effekt (J. Kerr) 1888 Lichtelektrischer Effekt (W. Hallwachs) 1891 1893 1904 1921 1921

1923 1927 1935 1953

Lichtstrahl-Oszillograph (A. Blondel) Photozelle (J. Elster/H. Geitel) Glimmlicht-Oszillographenröhre (E. Gehrke) Tonaufzeichnung als Sprossenschrift (Triergon) 1. Tonfilm-Aufnahme u n d Wiedergabe (H. Vogt/J. Engl/J. Massolle/ Triergon) Kerrzelle (A. Karolus) Tonaufzeichnung als Zackenschrift (Siemens) Elektromagnetischer Lichthahn (Klangfilm) Cinemascope, Breitwand, Stereo (USA)

X. Tonspeichergeräte 1. Schallplatte 1877 1887

Schallwalze (Th. A . Edison) Schallplatte (E. Berliner)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

a

r

1898

Wissenschaftliche Voraussetzungen

1

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

2. Tonband Prinzip der Magnetischen Schallplattenaufzeichnung auf Stahldraht (V. Poulsen)

1928 ca. 1930 1935 1940

Magnettonband (F. Pfleumer) „Magnetophon" (AEG) Magnetitband (BASF) Effekt der Hochfrequenzvormagnetisierung (H. J. v. BraunmühlJ W. Weber) XI. Radartechnik

Reflektierung von Radiowellen durch feste Gegenstände (H. Hertz) 1899 Rahmenantenne (F. Braun) 1904 Vorschlag zum Auffinden entfernter Gegenstände mittels elektrischer Wellen (Ch. Hülsmeyer) 1922 F u n k o r t u n g m i t K u r z w e l l e n (G. Marconi) 1921 1925

(Funkortung)

1886

1935 1939 ca.1940 1941 1944 1948 XII.

Datenverarbeitungstechnik

1623— 1624 1703 Entwicklung des dualen Zahlensystems (Leibniz) 1725— 1728 1833 1886 1898

Magnetron (A. Hull) F u n k o r t u n g zur Messung der Höhe der Ionosphäre (Breit/Ture) Praktisch brauchbares Radarsystem (W. Watt) K l y s t r o n (R. H. u. S. F. Varian) Funkmeßgeräte Nullode (Stepp! Wächte) Rotierende Ablenkspule (Wendt/ Schröter/Wilke) Wanderfeldröhren (Shockley)

Magnetaufzeichnungsprinzip (Telegraphon) (V. Poulsen)

Mechanische Vierspezies-Rechenmaschine (W. Schickard)

Prinzip der Programmsteuerimg (Falcon) 1. mechanischer programmgesteuerter Großrechner (Ch. Babbage) Elektromechanisch arbeitende Z ä h l blättchen-Statistikmaschine (H. Hollerith)

12

Jahr 1906

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

Wissenschaftliche Voraussetzungen V e r s t ä r k e r w i r k u n g der G l ü h kathoden-Röhre (R. v. Lieben)

Bistabiles Flipflop (Eccles/ Jordan) Relaisspeicher (Zuse) 1. arbeitsfähiger programmgesteuerter Rechner Zuse „Z3" (K. Zuse) 1. vollelektronische Großrechenanlage E N I A C (Mauchley/Eckert) Logische Schaltkreise m i t Germanium-Dioden (Page)

1919 1935 1941 1946 1948 1948

Nachrichten- oder I n f o r m a tionstheorie (Shannon)

1948

Transistor (Bardeen/Shockleyf Brattain)

1950

Magnettrommelspeicher (Cohen) 1951 Ringkernspeicher (Forrester! Rajchman) 1954

XIII.

Elektronische

1. Verstärkerröhren 1884 Elektronenemission aus glühenden Drähten (Th. A. Edison) 1904 Oxydkathode (A. Wehnelt) 1907 1910 1912 1912

1869

1925 1926

Bauelemente

Drei-Elektrodenröhre „ A u d i o n " (L. de Forest) Gasgefüllte Verstärkerröhre m i t Steuergitter (R. v. Lieben) Hochfrequenz-Verstärkerröhre (O. v. Bronk) Hochvakuumröhren (I. Langmuir/ W. Schottky/ H. Rukop)

2. Bildröhre A b l e n k u n g eines Elektronenstrahls durch Magnet (W. Hittorf)

1897

1820

1. m i t Transistoren bestückter Rechner T R A D I C

Braunsche Röhre (F. Braun) 3. Halbleitertechnik Einkristallziehen aus dem Tiegel (Czochralski) Selengleichrichter (Presser) Kupferoxydalgleichrichter (Grondahl)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

Jahr

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen

Wissenschaftliche Voraussetzungen

1931 Konzept der Stromleitung i m Valenzband (A. H. Wilson) 1939 Theorie des Gleichrichtereffektes (W. Schottky) ca. 1940 Reinstherstellung von Germanium (USA) 1946 Experimenteller Nachweis der p - L e i t u n g (K. LarkHorovitz/V. A . Johnson) 1942 1948

Theorie des pn-Übergangs (W. Shokley) 1952 Tiegelloses Zonenziehen des Siliciums (Pfann) ca. 1952 1952 1953 1956

Germanium-Diode (Welker/Holz/ Clusius) Transistor (Bardeen/Brattain) Siliciumgleichrichter Maser u n d Laser I I I - V - V e r b i n d u n g m i t Sondereigenschaften (Welker) Germaniumspitzendiode (Thedieck)

Einführung der Vierschichtbauelemente (Moll/Tanenbaum/Holonyak/Goldey)

1958 1959

Thyristor Planarverfahren zur Herstellung von pn-Ubergängen ( M i k r o elektronik) (Shockley-Iaob.) Triac

1963 XIV. 1820

13

1 a) Elektrische Meßgeräte Magnetische W i r k u n g des elektrischen Stroms (H. Ch. Oersted)

Meßtechnik Galvanometer m i t Spiegelablesung (J. S. Schweigger/ J. Ch. Poggendorf) Drehmagnetmeßwerk (J. S. SchweiggerlJ. Ch. Poggendorf)

1826

Ohmsches Gesetz (G. S. Ohm) 1831 Elektromagnetische I n d u k t i o n (M. Faraday) 1832 Maßsystem der absoluten E i n heiten (C. F. Gauß) 1835 Selbstinduktion (M. Faraday) 1846 1870/ 1890 Mathematische Theorie der Kraftfelder (J. C. Maxwell/ H. Hertz) 1881

Elektrodynamisches Meßwerk (W. Weber)

Drehspulenmeßwerk (M. Deprezf

14

a

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie

r

Wissenschaftliche Voraussetzungen

Grundlegende Erfindungen u n d konstruktive Pionierleistungen A. d fArsonval) Dreheisenmeßwerk (F. Uppenborn/ G. Hummel) Zungenfrequenzmesser (Frahm) eisengeschlossenes elektrodynamisches Meß w e r k (M. v. DolivoDobrowolsky)

1881/84 1904 1909

lb)

Elektrizitätszähler Elektrizitätsmengenzähler (elektrolytisch) (Th. A . Edison) Pendelzähler (W. E. Ayrton/J. Perry) Pendelzähler (H. Aron)

1880 1882 1884 1885

Mehrphasen-Drehfeld-Prinzip (G. Ferraris) Induktions-Wattstundenzähler (H. Borel de Cortaillod)

1887

2 a) Elektronische Meßgeräte 1891 w i e unter Halbleitertechnik 1932 1932/33 1948 2 b) Elektronische

Meßgeräte

1832 1937

(Oszillographen) Lichtstrahloszillograph (A. Blondel) gaskonzentrierte Elektronenstrahlröhre (G. Dobke/M. v. Ardenne) Elektronenstrahl-Oszillograph (AEG) Tintenstrahloszillograph (Elmquist) (Lichtblitzstroboskop) Stroboskopische Scheibe (F. Plateau/ S. Stampfer) Stroboskop m i t Glimmlampe (AEG)

X V . Elektronenoptik 1926

Berechnung magnetischer Linsen f ü r Elektronenstrahlen (H. Busch)

1931

1939

Quellen: s. Anhang S. 247 f.

Elektronenmikroskop m i t magnetischen Linsen (M. Knoll/E. Ruska/ B. v. Bories) Dürchstrahlungs-Übermikroskop (AEG/Siemens)

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten Die Übersicht k a n n nicht den Ansprüchen gerecht werden, i n allen aufgeführten Einzelangaben die Prioritätsfrage gelöst zu haben. Es k o m m t f ü r den Zweck der vorliegenden A r b e i t lediglich darauf an, den Umfang u n d ungefähren Zeitpunkt der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Arbeiten, der E r findungen u n d der hervorragenden Konstruktionsleistungen zu bestimmen, u n d den nach allgemeiner Auffassung hierfür maßgeblich i n Frage kommenden Erfinder anzuführen. Auch mußte eine rigorose A u s w a h l der zur Verfügung stehenden Daten vorgenommen werden, so daß Meinungsverschiedenheiten über die Bedeutung der einen oder anderen Erfindung oder konstruktiven Pionierleistung i m Vergleich zu aufgeführten oder auch weggelassenen Daten nicht ausgeschlossen sind. Trotz etwaiger Lücken dürfte die Übersicht aber einen dem Zweck der vorliegenden Arbeit vollauf entsprechenden Aussagewert besitzen.

2. Die Breite des Produktionsprogramms der Elektroindustrie als Ausdruck der Vielfalt ihrer produkt-technologischen Möglichkeiten Die Analyse der forschungsbezogenen Basis der elektrotechnischen Produktion hat bereits eine Vielzahl unterschiedlichster Produktionsgebiete erkennen lassen. I n welcher Breite die i m vorangegangenen Abschnitt aufgezeigten wichtigsten Bausteine der elektrotechnischen Produktion unter anlagetechnischen Gesichtspunkten verwendet u n d zum eigentlichen Produktionsprogramm der Elektroindustrie zusammengefügt werden können, soll i m folgenden skizziert werden. Eine derartige Zusammenstellung geht w e i t über den Rahmen der allgemein üblichen statistischen Produktionsübersichten hinaus, die i n ihrer Unterteilung n u r erzeugungstechnisch orientierte Warenklassen, -gruppen etc. angeben, nichts aber — zumindest i n dem großen Bereich der Investitionsgüterprodukt i o n — über die Maschinen u n d maschinellen Anlagen aussagen, i n die integriert ein großer T e i l dieser Waren erst ihre F u n k t i o n erfüllen können. Soll daher ein Eindruck von den vielfältigen Anwendungs- u n d Einsatzgebieten elektrotechnischer Produkte vermittelt werden, muß von einer Übersicht unter anlagetechnischen Gesichtspunkten ausgegangen werden. Dann auch ist es erst möglich, eine Vorstellung v o n der Vielfalt der von der Elektroindustrie ausstrahlenden Fortschrittseffekte zu vermitteln. Die als Ausschlagtafel folgenden Aufstellungen über die Produktionsgebiete der Elektroindustrie, die auch heute noch einem ständigen Wandel u n t e r worfen sind, lassen erkennen, daß es w o h l n u r noch wenige Bereiche menschlichen Schaffens 85 gibt, i n denen die Elektrotechnik m i t ihren Produkten nicht fördernd beteiligt ist. F ü r die Energietechnik t r a f diese Feststellung bereits weitgehend i m Jahre 1908 z u 8 6 , f ü r die Nachrichten- u n d Informationstechnik aber heute ebenfalls. I n welcher Weise die Elektrizität — u n d damit elektrotechnische Produkte — auch die Bereiche der angewandten Naturwissenschaften durchdringen, veranschaulicht nachstehende Übersicht: 85 Das g i l t i n jüngster Zeit sogar f ü r das Gebiet der darstellenden Kunst, die m i t H i l f e elektrischer L i c h t - u n d Bewegungseffekte neue Ausdrucksmöglichkeiten findet; vgl. o. V.: 4. documenta, hrsg. von Der documenta-Rat, Kassel (1968), Katalog 1, S. 92 u n d 304, Katalog 2, S. 35, 29,21. 86 Vgl. AEG, 1883/1908, S. 10.

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Die Elektrizität

Astronomie: Mathematik: Physik:

im Dienste der angewandten

Gebiet der angewandten Naturwissenschaften

Elektrotechnische Einrichtungen

Mechanik (techn. Mechanik)

Radio-Teleskop Elektronische Rechenanlagen Elektrische Regeltechnik Elektrische Meßtechnik Elektromechanischer A n t r i e b Elektro-Akustik

Akustik (Schalltechnik) Wärmelehre (Wärmetechnik) Optik (Lichttechnik)

Elektrizitätslehre Chemie: Biologie: Medizin:

Naturwissenschaften

Kernreaktoren Elektrische Regeltechnik Elektrische Meßtechnik Elektrowärme Bogenlampen Glühlampen Entladungslampen Elektrische Meßtechnik Elektrische Regeltechnik Fernsehen Elektrotechnik Atomphysik Elektrochemie Elektrolyse Radio-Isotopentechnik Elektronen-Mikroskop Radio-Isotopentechnik Röntgentechnik Organische Aktionsströme

Quelle: Schautafel von Spandöck, Friedrich im Werner-von-Siemens-Institut, München.

Nachdem die Wirkungsbreite der von der Elektroindustrie ausgehenden Fortschrittseffekte skizzenhaft dargestellt und der Umfang umrissen ist, i n dem elektrotechnische Produkte am allgemeinen Fortschritt von Zivilisation und K u l t u r beteiligt sind, bedarf es noch einer Darstellung der Intensität der von der Elektroindustrie ausgehenden Fortschrittseffekte. Dann w i r d letztlich verständlich, weshalb gerade dieser Industriezweig i m Zuge der modernen Industrialisierung eine derartige strukturelle Begünstigung innerhalb der Entfaltung des gesamten I n dustriegefüges erfahren konnte. 3. Die Wirkungstiefe der von der Elektroindustrie ausgehenden Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

Die aufgezeigte Wirkungsbreite des Produktionsprogramms der Elektroindustrie macht eine Analyse der Wirkungsintensität bei allen elektrotechnischen Produkten i m Rahmen der dieser Arbeit gesteckten Zielsetzung unmöglich. Es sollen deshalb nur beispielgebend einige Produktionsbereiche herausgegriffen werden, an denen sich die ökonomische und technische Effizienz elektrotechnischer Produkte leicht darstellen läßt.

187

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

Zuvor soll der Anteil, zu dem die großen Bereiche der volkswirtschaftlichen Produktion und Konsumtion am gesamten Stromverbrauch i n der BRD beteiligt sind, an folgender Übersicht für das Jahr 1966 aufgezeigt werden. Stromverbrauch

in der BRD 1966 aufgeteilt nach der (Anteile in Mill. kWh und v. H.)

Inlandsverwendung

Bereiche

Anteile Mill. kWh v. H.

öffentliche Elektrizitätswerke Industrie Verkehr Handel u n d Kleingewerbe Landwirtschaft Haushalte Sonstiger Verbrauch (incl. Verluste)

9151 109 698 5 724 13 567 3 680 26 720 16 841

4,9 59,2 3,1 7,3 2,0 14,4 9,1

185 381

100,0

Quelle: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1968, Hrsg. Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Stuttgart - Mainz 1968, S. 229.

Wenngleich der A n t e i l am gesamten Stromverbrauch exakt noch nichts über den Umfang eingesetzter elektrotechnischer Erzeugnisse i n den einzelnen Bereichen aussagen kann, so w i r d eine Konzentration auf industrielle Anlagen doch offenkundig. Hier liegt dementsprechend auch das Hauptinteresse der elektrotechnischen Produktion. Aber auch für die anderen Sektoren der volkswirtschaftlichen Produktion werden Geräte und Anlagen mit hohen Fortschrittseffekten zur Verfügung gestellt. I n der Landwirtschaft z. B. stehen elektrotechnischen Produkten vielseitige Anwendungsbereiche offen 87 . U m die Wirksamkeit elektrotechnischer Anlagen und Geräte i m landwirtschaftlichen Betrieb für einen nicht unwesentlichen Teil des Arbeitsanfalls zu demonstrieren, sind die Arbeitskraftstunden je Jahr eines 20-ha-Betriebes für verschiedene Tätigkeiten vor und nach der Elektrifizierung gegenübergestellt worden. A n der jeweiligen Einsparung ist die Effizienz der entsprechenden elektrotechnischen Anlagen zu erkennen (s. Tabelle 20). Wie unmittelbar aus dieser Tabelle zu ersehen, verkörpern die elektrotechnischen Produkte i n der Landwirtschaft ganz erhebliche Fortschrittseffekte, die bei der Rationalisierung der Arbeitsvorgänge — wie das Ausmaß ihrer Effizienz zeigt — eine bedeutende Rolle spielen. 87 Vgl. Buschkiel, C.: Elektrizität i n der Landwirtschaft, i n : Siemens-Handbücher, 12. Bd., Leipzig 1927; Krohne, K u r t : Die Elektrizität i m Dienste der Landwirtschaft, i n : Forschen u n d Schaffen, hrsg. v. AEG, I I I . Bd., B e r l i n 1965, S. 217—227; Friedrich, J.-H.: Elektroenergie i n landwirtschaftlichen Betrieben, B e r l i n 1959.

188

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Tabelle 20 Zeitaufwand für die Arbeitsvorgänge in der Innenwirtschaft eines 20-ha-Betriebes vor und nach der Elektrifizierung Arbeitskraftstunden je Jahr (Akh/J.)

Arbeitsvorgang

Melken Entmisten Dreschen Schroten M i s t - u n d Jauchefahren Grünfutter-Abladen (600 dz) . . . Heu-Abladen (240 dz) Stroh-Abladen

vor der Elektrifizierung

nach der Elektrifizierung

Einsparung i n Akh/J.

v.H.

1600 365 154 115 105 86 80 42

910 165 54 65 27 28 28 28

690 200 100 50 78 58 52 14

43 55 65 43 74 68 65 33

Quelle: Angaben des Max-Planck-Instituts für Landarbeit und Landtechnik in Bad Kreuznach, zitiert nach: o. V.: Elektrotechnik rationalisiert die Landwirtschaft, in: Siemens-Druckschrift, SSW 500.50/242, 1963, o. S.

I m Bergbau finden elektrotechnische Erzeugnisse sowohl i m Bereich der Fördermaschinen als auch i n Betriebseinrichtungen untertage zahlreiche Wirkungsmöglichkeiten 8 8 . U m den Fortschrittseffekt elektrotechnischer Anlagen analysieren zu können, ist insbesondere bei den Fördermaschinen ein Vergleich m i t den vorelektrischen Anlagen, d. h. also dem Dampfbetrieb, angebracht. Allerdings haben sich hier keine allgemeingültigen Vergleichsregelungen anstellen lassen wegen der Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse, denen der Dampfbetrieb von Anlage zu Anlage unterworfen w a r 8 9 . Allgemein sind aber von Beginn an folgende Vorzüge der elektrischen Anlagen anerkannt worden: die höhere Betriebssicherheit, die größere Widerstandsfähigkeit, die geringere Erwärmung der Grubenluft, sowie die schlagwettersichere Ausführung 9 0 . Einzeluntersuchungen des elektrischen Antriebs gegenüber dem Dampfantrieb von Förderanlagen haben folgende wirtschaftlichen Vorteile erbracht: erheblich reduzierte Wartungskosten niedrigere Anlagenkosten höhere Seilfahrtgeschwindigkeit besseres Ausfahren des Geschwindigkeitsdiagramms 01 . 88 Vgl. A E G : Elektrizität i m Steinkohlenbergbau, B e r l i n 1923; Philippi, W.: Elektrizität i m Bergbau, i n : Siemens-Handbücher, 13. Bd., Leipzig 1926 (im folgenden zitiert als: Philippi, W.: Elektrizität); A E G : Elektrische Betriebsm i t t e l i m Bergbau, B e r l i n 1958; Wenzel, H a r r y : Bergbau untertage, i n : Forschen u n d Schaffen, hrsg. v. AEG, I I . Bd., B e r l i n 1965, S. 34—43. 89 Vgl. Philippi, W.: Elektrische Fördermaschinen, Leipzig 1921 (im folgenden zitiert als: Philippi, W.: Elektrische Fördermaschinen), S. 242 ff. 90 Vgl. Philippi, W.: Elektrizität, S. 2. 91 Vgl. Philippi, W.: Elektrische Fördermaschinen, S. 246 f.

189

B. Die spezifischen Gestaltungskräfte aus Fortschrittseffekten

Das Ausmaß des Fortschrittseffektes elektrotechnischer Anlagen kommt anschaulich i n einem Vergleich m i t den handbetriebenen Förderhaspeln, wie sie i m 15. Jahrhundert verwendet wurden, zum Ausdruck. Entwicklung der Förderleistung vom 15. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert Förderhaspel mit Handbetrieb 0,2 k W Betriebszeit der Fördermaschine f ü r 1000 t Fördergut/Std Förderleistung i n t/Std Schachtförderleistung i n t km/Std Fördergeschwindigkeit m/s Nutzlast i n t

1300 0,75 0,015

Gleichstromfördermaschinen ab 1902 ab 1939 2000 k W 3700 k W 1,9 525 315

572 20 14

Quellen: Bingel, Rudolf: Die Elektrizität im Aufgabenkreis der deutschen Technik, Berlin 1938, S. 29 ff.; Matthie, Bruno und Rehm, Helmut: Die Entwicklung der elektrischen Fördermaschinen, in: Forschen und Schaffen, hrsg. v. AEG, I I . Bd., Berlin 1965, S. 24—33.

Die Förderleistung hängt von der Geschwindigkeit und der Größe der Nutzlast ab. Da der Fördergeschwindigkeit aus reibungstechnischen Gesichtspunkten eine technische Grenze bei etwa 20 m/s gesetzt ist, sind Leistungssteigerungen nur noch über die Erhöhung der Nutzlast möglich. Der hier bestehende technische-wirtschaftliche Spielraum von etwa 501 9 2 ist bereits von der Elektroindustrie konstruktionsmäßig ausgeschöpft 93 . Damit ist auch i m Bergbau ein außerordentlich starker Rationalisierungseffekt eingetreten, der ohne den Einsatz elektrotechnischer Anlagen nicht möglich wäre. Für die Produktivität industrieller Produktionsverfahren kann allgemein eine Abhängigkeit von den Arbeitsgeschwindigkeiten der eingesetzten Produktionsanlagen festgestellt werden. I n welchem Umfang der Einsatz elektrotechnischer Anlagen zur Steigerung der Arbeitsgeschwindigkeiten bei den unterschiedlichsten industriellen Produktionsverfahren beigetragen hat, ist aus Abbildung 13 zu ersehen. Die darin aufgezeigten Steigerungen der Produktionsgeschwindigkeiten sind als ein unmittelbares Ergebnis vorangegangener Verbesserungen der Produkt-Technologien der Elektroindustrie anzusehen. Das offenbart auch einen hohen Fortschrittseffekt der elektrotechnischen A n lagen sowohl i n den Grundstoff-: und Produktionsgüterindustrien als 92

Vgl. Matthie, B r u n o ; Rehm, Helmut, a.a.O., S. 28. Vgl. Rehm, H e l m u t : Die neue Entwicklung der elektrischen Schachtfördermaschine, i n : AEG, Elektrische Betriebsmittel i m Bergbau, B e r l i n 1958, S. 4—8, S. 5. 93

190

§ 3 Die Verifizierung der Gestaltungskräfte der Elektroindustrie Abbildung

13

Antsteigen der Arbeitsgeschwindigkeiten in m/min von 1880—1953 m/min

2000
8 7,8

653148 7,3 787 588 8,8 365 554 4,1

absolut

588174

5,9 8,5 3,4

Anteil

1895 1907

393 245 568 677 222 947 coo1 -. on 450374 8 6 ' 4,1 361063

5,8 7,2 3,0

Anteil

X. Optische u. Feinmech. Industrie 35105 0,7 40153 0,8 67 080 1,0 95 277 1,1 XI. Chemische Industrie 59 535 1,2 81 144! 1,6 125 491 1,9 206 758 2,3 XII. Textilindustrie6) 927 975 19,4 914 389 17,5 993 919 15,0 1 089 483 12,3 XIII. Papierindustrie 77 934 1,6 99 359 1,9 145 394 2,2 217 684 2,5 XIV. Vervielfältigungsgewerbe 55 719 1,2 71008 1,4 127 815 1,9 208 852 2,3 XV. Leder- u. Linoleumsindustrie 89 488 1,9 100 397 1,9 119140 1,8 136 410 1,5 XVI. Kautschuk- u. Asbestindustrie 5 495 0,2 7 323 0,1 12 510 0,2 28 931 0,3 XVII. Holz- u. Schnitzstoffgewerbe 537 676 11,2 551 738 10,6 660 976 10,0 857 931 9,6 XVIII. Musikinstr.- u. Spielwarenindustrie 15 904 0,3 21807 0,4 50 543 0,8 80 877 0,9 XIX. Nahrungs- u. Genußmittelindustrie 699 468 14,6 699186 13,4 955 561 14,4 1238 320 13,9 XX. Bekleidungsgewerbe*) 964 208 20,2 1 132 575 21,7 1225 583 18,4 1313 284 14,8

IX. Elektrotechnische Industrie^)

304174 378 961 158 285 0« 8 5 ' 217 652

absolut

1882

Früheres Reichsgebiet

Technische Einheiten

Gewerbeordnung 1933: III. Bergbau, Salinenw. u. Torfgräberei 306 506 6,4 IV. Industrie d. Steine und Erdenk 266 689 5,6 V. Eisen-und Stahlgewinnung 149 011 3,1 VI. Metallhütten u. Metallhalbzeugw. oc 407220 VII. Herst, v.Eisen-, Stahl-u.Metallw. VIII. Masch., Apparate- u. Fahrzeugbau«) 187 040 3,9

Anz. d. Beschäft.:

Jahr:

Gebietsstand:

Stat. Erheb. Einheit:

Tabelle 1: Die Entwicklung der Beschäftigtenstruktur nach Gewerbezweigen in der Ordnung von 1933 in Industrie und Handwerk^) nach den jeweiligen Gebietsständen in Deutschland von 1875 bis 1950

250 1,3

81

1272 424

8,0

1,4

IX. 116 682

3,9

11,6

7,2 6,6 4,1 9,1

448 391

1293 747

809 055 708 216 481231 965 803

absolut

4,0

11,6

7,3 6,4 4,3 8,7

Anteil

1950

örtliche Einheiten

251516

613 211

450 582 418 860 235 625 635 483

absolut

3,3

8,1

6,0 5,6 3,1 8,4

Anteil

454184

1084 658

582 029 428 402 340 750 699 544

absolut

BRDS)

6,0

14,2

7,6 5,6 4,5 9,2

Anteil

8177137

100,0

11017160

100,0

11 108 230

100,0

7 550 719

100,0 7 636 816 100,0

Quellen: bis 1933: o. V., Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 466, Volks-, Berufs- und Betriebszählung vom 16. Juni 1933, Gewerbliche Betriebszählung. Das Gewerbe im Deutschen Reich, Textband, Hrsg. Statistisches Reichsamt, Berlin 1937, S. 186 f.; 1950: o. V., Statistik der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 44—47 (Die nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten in der Bundesrepublik Deutschland. Nach der Zählung vom 13. 9. 1950) Hrsg. Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Stuttgart - Köln 1952—1958, Bd. 45, Heft 1, S. 4 ff. und Bd. 46, Heft 7, S. 5 ff.

Gesamt:

X. 91 137 1,1 158 544 1,4 151633 1,4 101249 1,3 132 241 1,7 XI. 197 204 2,4 319 497 2,9 315 501 2,8 249 011 3,3 305 424 4,0 XII. 1008173 12,3 1 178 832 10,7 1 183 391 10,7 836 219 11,1 652 018 8,5 XIII. 210 379 2,6 286 416 2,6 272 026 2,5 187 680 2,5 138 905 1,8 XIV. 200 018 2,5 255 380 2,3 307 136 2,7 271243 3,6 179182 2,3 XV. 129 072 1,6 163 658 1,5 168 660 1,5 119 610 1,6 175 544 2,3 XVI. 28 834 0,3 67 057 0,6 66 223 0,6 48 985 0,7 65 178 0,9 XVII. 794 329 9,7 1026127 9,3 994 800 9,0 607 453 8,0 646 605 8,5 XVIII. 80 523 1,0 123 376 1,1 120 049 1,1 38 301 0,5 25 105 0,3 XIX. 1 143 609 14,0 1340 739 12,2 1408 409 12,7 1419 297 18,8 938 076 12,3 XX. 1224 833 15,0 1415 349 12,9 1413 959 12,7 1066 394 14,1 788 971 10,3

430 789

797 248 722 770 451703 1007 251

1933

Anteil

1925h)

absolut

6,3 8,8 3,7 9,3

Anteil

1925h)

III. 513 548 IV. 720 624 V. 299 271 VI. 763 252 VII. VIII. 655 649

absolut

1907

Reichsgebiet ohne Saarland

Tabelle I (Fortsetzung)

Tabellen

251

252 Anmerkungen

Tabellen zur Statistik:

Bei einem Vergleich der Ergebnisse sind sachliche, räumliche u n d zeitliche Einschränkungen zu berücksichtigen. Das Erhebungsmerkmal „Technische Betriebseinheit", das die i n technisch sachlicher Hinsicht genauen Angaben über den Umfang der beschäftigten Personen i n den einzelnen Industriegruppen ermittelt*, u n d damit eine exakte Abgrenzung u n d Gewichtung ermöglicht, konnte n u r bis 1925 zugrunde gelegt werden. F ü r 1933 erfolgte eine Ausweitung der Zählungsergebnisse nach technischen Einheiten lediglich f ü r einzelne Industriegruppen**. Hier mußte daher auf das Erhebungsmerkmal „ ö r t l i c h e Betriebseinheit" zurückgegriffen werden. Das Gleiche g i l t f ü r die Arbeitsstättenzählung von 1950, da auch hier n u r Ergebnisse nach „ ö r t l i c h e n Betriebseinheiten" vorliegen***. F ü r die anzustellende Betrachtung des langfristigen Trendverlaufs der A n z a h l der beschäftigten Personen i n den einzelnen Gewerbegruppen von Industrie u n d H a n d w e r k bedeutet der Wechsel i n den Erhebungseinheiten keinen strukturverändernden Bruch, so daß die Aussagefähigkeit hierunter nicht sehr leidet. (Die Gegenüberstellung der Ergebnisse nach T E u n d ÖE f ü r 1925 — s. Tabelle I — macht dies deutlich. Es t r i t t i n der Rangstelle der 10 größten Industriegruppen durch einen Wechsel der Erhebungseinheiten keine Veränderung ein.) Größere Einschränkungen i m Hinblick auf die Vergleichbarkeit der einzelnen Zählungsergebnisse sind i n räumlicher Hinsicht i n bezug auf das Reichsgebiet u n d spätere Bundesgebiet zu machen. Während die Ergebnisse der gewerblichen Betriebszählungen bis 1907 für das Reichsgebiet einschließlich Saarland gelten, liegen ab 1925 n u r Zahlen für das Reichsgebiet ohne Saarland vor. Eine bedeutende Strukturverschiebung i n der gesamten Industrie Deutschlands ist hierdurch jedoch nicht ausgelöst worden, w i e aus den Veränderungen der A n teile der einzelnen Industriegruppen an der Gesamtzahl der Beschäftigten i n Industrie u n d H a n d w e r k f ü r das Jahr 1907 zu ersehen ist (s. Tabelle I). Eine Veränderung i n der S t r u k t u r der Deutschen Industrie dürfte m i t der Begrenzung des ehemaligen Reichsgebiets auf das Gebiet der B R D einschließlich Westberlin verbunden sein. Eine exakte Quantifizierung dieses Vorgangs ist jedoch nicht möglich, da bedingt durch die aus den deutschen Ostgebieten i n die B R D eingeströmten Flüchtlinge, i n Westdeutschland die Ausgangslage für den Industrialisierungsprozeß nach 1945 sich ebenfalls gewandelt hat. F o r m a l statistisch bedeutet dieser räumliche Einbruch i m Rahmen der hier anzustellenden Zeitreihenbetrachtung eine bedeutende Zäsur, f ü r die Beurteilung der * Vgl. o. V., Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 413, I. Volks-, Berufs- u n d Betriebszählung v o m 16. J u n i 1925, Gewerbliche Betriebszählung, Die gewerblichen Betriebe u n d Unternehmungen i m Deutschen Reich. T e i l I, E i n f ü h rung i n die gewerbliche Betriebszählung 1925. Die gewerblichen Niederlassungen (örtliche Betriebseinheiten) i m Deutschen Reich, hrsg. v o m Statistischen Reichsamt, B e r l i n 1929, S. 6. ** Vgl. o. V., Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 462, I. Volks-, Berufs- u n d ßetriebszählung v o m 16. J u n i 1933, Gewerbliche Betriebszählung. Die gewerblichen Niederlassungen i m Deutschen Reich, H. 1, Einführung i n die gewerbliche Betriebszählung, systematische u n d alphabetische Verzeichnisse zur gewerblichen Betriebszählung 1933, hrsg. v o m Statistischen Reichsamt, B e r l i n 1935, S. 5. *** Vgl. o. V., Statistik der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 44—47 (Die nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten i n der Bundesrepublik Deutschland. Nach der Zählung v o m 13. 9.1950), hrsg. v o m Statistischen Bundesamt Wiesbaden, Stuttgart - K ö l n 1952—1958, Bd. 45, S. 5.

Tabellen

253

Frage aber nach dem langfristigen Entwicklungsverlauf der einzelnen I n d u striezweige i m Gesamtprozeß der Industrialisierung Deutschlands stellt dieser Einschnitt sicher n u r eine unter einer Vielzahl möglicher Erklärungen f ü r den Verlauf des Nachkriegsindustrialisierungsprozesses i n der B R D einschließlich Westberlins dar. Es ist daher auf der einen Seite durchaus vertretbar, die Zeitreihenbetrachtung des Reichsgebiets bis zum Jahre 1933 zu verlängern auf das Bundesgebiet einschließlich Westberlin des Jahres 1950, zumal die beiden Betrachtungspunkten zugrunde liegende wirtschaftliche L e i t m a x i m e — M a r k t wirtschaft — keine grundsätzliche Änderung erfahren hat (der Zeitraum der Kriegsplanwirtschaft der dazwischenliegenden Jahre soll ausgeklammert bleiben) u n d auch ein inhaltlich vergleichbarer Erhebungsumfang vorliegt (Industrie u n d Handwerk). A u f der anderen Seite empfiehlt es sich jedoch, die E n t wicklung i m Bundesgebiet einschließlich Westberlins ab 1950 separat zu v e r folgen, da durch die i m Laufe der Entwicklung seit 1875 eingetretenen S t r u k turverschiebungen, i m wesentlichen bedingt durch den technischen Fortschritt i n der Industrie, eine Angleichung der Gewerbesystematik des Jahres 1965 an die des Jahres 1933 k a u m noch sinnvoll ist. Außerdem ist die amtliche Statistik ab 1950 wesentlich ergänzt u n d verfeinert worden, so daß Vergleiche amtlicher Zahlen der Zeit nach 1950 m i t der Zeit vor 1936 nicht durchgeführt werden können, da insbesondere f ü r die Umsatz- u n d Produktionsstatistiken der Zeit vor dem 2. Weltkrieg kein vergleichbares amtliches Material vorhanden ist. Darüber hinaus muß bei der Betrachtung der Zeitreihen noch beachtet w e r den, daß hier Wirtschaftsperioden unterschiedlichster D y n a m i k — bedingt durch äußere, i m wesentlichen politische Einflüsse — aneinandergereiht w e r den. Während m a n die Entwicklungsphase der deutschen Wirtschaft bis zum Jahre 1913 als n o r m a l bezeichnen kann, k a n n dieses f ü r den Zeitraum von 1914 bis 1948 angesichts zweier Weltkriege, den sich daraus ergebenden Nachfolgew i r k u n g e n des 1. Weltkriegs — Reparationsleistungen, Währungsverfall u n d Weltwirtschaftskrise — u n d den wirtschaftlichen Leistungen f ü r den 2. W e l t krieg (Rüstungswirtschaft) einschließlich Folgewirkungen nicht behauptet w e r den. Außerdem ist bei den gewerblichen Betriebszählungen noch zu beachten, daß die Zählungen i n verschiedenen Phasen des K o n j u n k t u r z y k l u s ' durchgeführt wurden. Die Zählungen 1907 u n d 1925 fielen i n Jahre der Hochkonjunktur, w ä h rend i m Jahre 1933 weite Bereiche der gewerblichen Wirtschaft noch nahe dem Krisentiefpunkt standen****. Wenn trotz der genannten generellen Einschränkungen Zeitreihen zur D a r stellung des Wachstumsverlaufs einzelner Industriezweige i m Rahmen der gesamten industriellen E n t w i c k l u n g herangezogen werden können, so deshalb, w e i l die Trendverläufe der E n t w i c k l u n g der einzelnen Industriegruppen unter Einschluß der Nachkriegsentwicklung über alle Unregelmäßigkeiten hinweg eine weitgehend eindeutige Richtung anzeigen. Das ist ein Hinweis darauf, daß der industriellen E n t w i c k l u n g dynamische K r ä f t e immanent sind, die durch äußerliche, d. h. den K e r n des Prozesses nicht berührende Faktoren, i n ihrer Effizienz nicht beeinträchtigt werden können. A m Beispiel der E n t w i c k l u n g der Elektroindustrie i m Verlauf des Industrialisierungsprozesses i n Deutschl a n d w i r d dieser Tatbestand deutlich. **** o. V., Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 466, Volks-, Berufs- u n d Betriebszählung v o m 16. J u n i 1933, Gewerbliche Betriebszählung. Das Gewerbe i m Deutschen Reich. Textband, hrsg. v o m Statistischen Reichsamt, B e r l i n 1937, S. 6.

absolut

Anteil

1955 absolut

1960 Anteil

absolut

1965 Anteil

absolut

Gesamte Industrieb)

4 934 603

100,0

6 813185

100,0

8 080 912

100,0

8 460 408

100,0

Maschinenbau 466 809 9,5 738 935 10,8 957 776 11,9 1088 015 12,9 Elektrotechn. Industrie 305 737 6,2 550 125 8,1 818 714 10,1 955 715 11,3 Textilindustrie 528 901 10,7 627 311 9,2 619 475 7,7 546 888 6,5 Chemische Industrie 288 682 5,9 371267 5,4 463 450 5,7 525 555 6,2 Fahrzeugbau 194125 3,9 292 826 4,3 409 769 5,1 498190 5,9 Ernährungsindustrie 280 000 5,7 366 205 5,4 446 718 5,5 481 715 5,7 Bergbau 572 602 11,6 644 996 9,5 618 688 7,7 476 952 5,6 EBM'waren-Industrie 303 978 6,2 340 103 5,0 406 557 5,0 423 816 5,0 Bekleidungsindustrie 190 785 3,9 292 794 4,3 357 082 4,4 399 247 4,7 Eisenschaffende Industrie*) 174 540 3,5 222 799 3,3 316193 3,9 320 320 3,8 Übrige Industrien 1628 444 32,9 2 365 824 34,7 2 666 490 33,0 2 743 995 32,4

Industriezweige

1950

Anteil

a) Ohne Westberlin, aber in Gesamt enthalten. — b) Ohne Energiewirtschaft und Bauindustrie. Quellen: o. V., Die Industrie der Bundesrepublik Deutschland, Sonderheft 9, Beschäftigung und Umsatz, Brennstoff- und Energieversorgung 1950 bis 1954. Jahreszahlen der Industrieberichterstattung, Hrsg.: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Stuttgart - Köln 1955. — o. V., Die Industrie der Bundesrepublik Deutschland, Reihe 1: Beschäftigung und Umsatz, Brennstoff- und Energieversorgung, Jahreszahlen der Industrieberichterstattung 1955 bis 1958, Hrsg.: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Jg. 1958, Stuttgart und Mainz 1959. — o. V., Die Industrie der Bundesrepublik Deutschland, Reihe 1: Beschäftigung und Umsatz, Brennstoff- und Energieversorgung, Jahreszahlen der Industrieberlchterstattung 1959 bis 1960, Hrsg.: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Jg. 1960, Stuttgart und Mainz 1961. — o. V., Industrie und Handwerk, Reihe 1: Beschäftigung und Umsatz, Brennstoff- und Energieversorgung, Jahreszahlen der Industrieberichterstattung 1962 bis 1963, Jg. 1963, Hrsg.: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Stuttgart und Mainz 1964. — o. V., Berliner Statistik, Sonderhefte, Hrsg.: Statistisches Landesamt, Berlin. Sonderhefte: 38 (1950—1953), Berlin 1954; 64 (1954), Berlin 1958; 70 (1958—1955), Berlin 1959; 123 (1964—1959), Berlin 1965.

32 36 63 40 33 68 21 38 64 27

Nr.

I. B.

Die Entwicklung der Beschäftigtenstruktur (im Jahresdurchschnitt) nach beteiligten Industriegruppen

in der BRD einschl. Westberlin von 1950—1965 (1950—1955 ohne Saarland, ab 1960 einschließlich Saarland)

Tabelle II:

Tabellen

Tabelle

III: Nettoproduktionswerte und Anteile ausgewählter Industriezweige am industriellen

Wert

34185,5

16,6 7,5

12,5 9,4

19 831,7 18 914,0

10,9 10,4

Wert Anteil v. H. Mill. DM v. H.

1962