Die späte Entwicklung der amerikanischen Rückversicherungswirtschaft: Eine Branchenstudie zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit [1 ed.] 9783428479221, 9783428079223


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Die späte Entwicklung der amerikanischen Rückversicherungswirtschaft: Eine Branchenstudie zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit [1 ed.]
 9783428479221, 9783428079223

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WELFWERNER

Die späte Entwicklung der amerikanischen Rückversicherungswirtschaft

Schriftenreihe des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln Begründet von Professor Dr. jur. Dr. phil. W. Rohrbeck t und fortgeführt von Professor Dr. sc. pol. P. Braeß t Herausgegeben von Professor Dr. rer. pol. D. Farny

Neue Folge Heft 49

Die späte Entwicklung der amerikanischen Rückversicherungswirtschaft Eine Branchenstudie zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit

Von Welf Werner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Werner, Welf: Die späte Entwicklung der amerikanischen Rückversicherungswirtschaft : eine Branchenstudie zur internationalen Wettbewerbsfahigkeit I von Welf Werner.Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriftenreihe des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln ; N. F., H. 49) Zug!.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07922-1 NE: Institut für Versicherungswissenschaft (Köln}: Schriftenreihe des Instituts ...

D 188 Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: W. März, Tübingen Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7190 ISBN 3-428-07922-1

Vorwort Diese Arbeit wäre ohne die Hilfe anderer nicht entstanden. Zu großem Dank bin ich all denen verpflichtet, die mir erste Kontakte zur Rückversicherungswirtschaft ermöglichten, für meine Arbeit an dieser Untersuchung Unternehrnensarchive öffneten und in zum Teil stundenlangen Gesprächen bereitwillig Auskunft über ihr interessantes Geschäft gaben. Freundliche Unterstützung gewährten mir auch verschiedene Regierungsstellen in den USA. In der schwierigen Startphase der Bearbeitung erhielt ich wertvolle Anregungen von Herrn Professor Farny. Besonderer Dank aber gilt meinem Betreuer Herrn Professor Holtfrerich. Schließlich möchte ich mich auch für die finanzielle Unterstützung bedanken, die ich durch das Land Berlin, den Deutschen Akademischen Austauschdienst und die Studienstiftung des Deutschen Volkes erhalten habe. Berlin, im Mai 1992

WelfWerner

Inhaltsverzeichnis

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ll

l. Branchenmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

1.1 Einige Merkmale der Märkte, Unternehmen und Dienstleistungen . . .

15

1.2 Das Merkmal der internationalen Ausrichtung der Rückversicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

2. Die Weit-Rückversicherungsmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

2.1 Größenordnungen und Entwicklungstendenzen

. . . . . . . . . . . . . . .

26

2.2 Die Produktionsstandorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

2.3 Außenwirtschaftliche Verflechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

3. Die US-Rückversicherungswirtschaft

35

3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

35

3.1.1 Grundzüge des allgemeinen Versicherungsaufsichtsrechtes . . . .

37

3.1.2 Besonderheiten der Beaufsichtigung des Rückversicherungsgeschäftes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

3.1.3 Der Zugang zum US-Rückversicherungsmarkt

43

. . . . . . . . . . .

46

3.2 Größenordnungen und Entwicklungstendenzen 3.2.1 Statistiken zu Binnenwirtschaft und Außenwirtschaft . . . . . . .

46

3.2.2 Größenordnungen und Entwicklungstendenzen

. . . . . . . . . . .

54

4. Die Stellung der US-Rückversicherungswirtschaft in der internationalen Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

4.1 Der internationale Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

4.1 .1 Methodische Überlegungen

67

4.1.2 Die Position der USA im internationalen Rückversicherungshandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

4.2 Die internationale Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

4.2.1 Methodische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

4.2.2 Ausländisches Eigentum an der US-Rückversicherungswirtschaft

86

8

Inhaltsverzeichnis 4.3 Schadenquoten im internationalen Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

4.3.1 Methodische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

4.3.2 Schadenquoten im Rückversicherungshandel der USA . . . . . . .

97

5. Bestimmungsgründe der Wettbewerbsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

100

5.1 Einflüsse von Wechselkursänderungen

. . . . . .. .. . .. . .. . . .. .

100

5.2 Standortbezogene und unternehmensbezogene Wettbewerbsvorteile . . .

111

5.2.1 Zur Unterscheidung von standortbezogenen und unternehmensbezogenen Wettbewerbsvorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111

5.2.2 Standort- und unternehmensbezogene Wettbewerbsvorteile in der Rückversicherungswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118

5.2.3 Standortbezogene Vorteile der US-Rückversicherungswirtschaft .

125

5.2.3.1 Die Entwicklung bis in die 70er Jahre . . . . . . . . . . .

126

5.2.3.2 Die 70er und die 80er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . .

134

6. Wirkungen der internationalen Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137

6.1 Wirkungen auf die Zahlungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137

6.1.1 Der internationale Versicherungsverkehr in der Zahlungsbilanz .

139

6.1.1.1 Der internationale Versicherungsverkehr . . . . . . . . . .

139

6.1.1.2 Die Zahlungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140

6.1.1.3 Die Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144

6.1.2 Der internationale Rückversicherungsverkehr in der Zahlungsbilanz der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

6.1.2.1 Der internationale Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147

6.1.2.2 Die internationale Vermögensanlage . . . . . . . . . . . . .

152

6.1.2.3 Die internationale Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . .

154

6.1.3 Zusammenfassung und Bewertung der Wirkungen auf die Zahlungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155

6.2 Wirkungen auf Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung . . . . .

157

6.3 Die Wirkungen im Spiegel der traditionellen Außenhandelstheorien . .

159

Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

Anhang: Die Statistiken des U.S. Department of Commerce zum internationalen Rückversicherungsverkehr der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

194

Verzeichnis der Übersichten

1.1

Die Handelsverflechtung der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1

Das Produktionsvolumen der europäischen Produktionsstandorte

2.2 Die europäischen Produktionsstandorte im Überblick

22

. . . . .

31

. . . . . . . . . . . .

32

3.1 Prämien- und Schadenzahlungen im internationalen Rückversicherungs-

handel der USA entsprechend den Statistiken des U.S. Department of Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

3.2 Das Volumen des US-Rückversicherungsmarktes und die Marktanteile

der verschiedenen Anbietergruppen entsprechend den Statistiken des National Underwriter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.3 Die Größenordnungen der Produktion, des Verbrauchs und des Außen-

handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 55

3.4 Die Entwicklung der Rückversicherungsquote . . . . . . . . . . . . .

57

3.5 Die Produktion im Weltmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

3.6 Das Produktionsvolumen der Spezialrückversicherer und der Mischver-

sicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

3. 7 Der Geschäftsverlauf auf dem Binnenmarkt, dargestellt an der Combined Ratio der Spezialrückversicherer 1960-1986 . . . . . . . . . . . . .

62

3.8 Die Verzinsung der langfristigen US-Bundesanleihen . . . . . . . . . . . .

63

3.9 Das Geschäftsvolumen der drei größten Spezialrückversicherer (1) sowie der zehn größten Spezialrückversicherer (2) 1963, 1973, 1983 . .

65

3.10 Das Geschäftsvolumen der drei beziehungsweise zehn größten Speziairückversicherer 1963, 1973 und 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

4.1

72

Die Größenordnungen des US-Außenhandels 1949-1986

..... .. ..

4.2 Die RCA-Werte des internationalen Rückversicherungshandels der USA

73

4.3

Die direkten Einfuhrintensitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

4.4 Die direkten Ausfuhrintensitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

4.5 Die Handelspartner im internationalen Rückversicherungshandel der

USA: Anteile am gesamten Außenhandelsumsatz . . . . . . . . . . . . . . .

78

4.6 Die RCA-Werte in den einzelnen Handelsbeziehungen . . . . . . . . . . .

80

4.7 Die RCA-Werte des internationalen Rückversicherungshandels der

USA: Der Rückversicherungshandel exklusive der Handelsbeziehungen mit den Übrigen Westlichen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

10

Verzeichnis der Übersichten

408 Der Marktanteil der US-Spezialrückversicherer in ausländischem Eigentum 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 409 Die Anzahl der US-Spezialrückversicherer in ausländischem Eigentum 0

87 87

4010 Der Geschäftsverlauf auf dem Binnenmarkt (1) und im US-Geschäft der Ausländer (2) 1960 - 1986 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

95

4o11 Jahresdurchschnittliche Schadenquoten bei den Importen und den Exporten 1949 - 1986 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

99

Die Ergebnisse einer Dollar-Abwertung: Bewertungs- und Mengenänderung 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

104

502 Die Ergebnisse einer Dollar-Abwertung: Bewertungs- und Mengenänderung bei Abrechnung in der Währung des Empfängerlandes 0 0 0 0 0

105

503

Die Ergebnisse einer Dollar-Abwertung: Bewertungs- und Mengenänderung im internationalen Rückversicherungshandel 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

109

6.1

Transaktionen des internationalen Versicherungsverkehrs 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

140

501

602 Die Zahlungsbilanz

0 00 0 0 0 0 0 00 0 0 0 00 0 0 00 0 0 00 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

142

6.3 Internationale Transaktionen der Versicherungswirtschaft in der Zahlungsbilanz; die Perspektive des Empfängerlandes der Dienstleistung

145

6.4 Zahlungsmittelbewegungen im internationalen Rückversicherungshandel der USA 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 o o 0 0 0 o o o 0 0 0 o 0 o o o o 0 o o o 0 0 0 0 o o

149

Prämien- und Schadenzahlungen im internationalen Rückversicherungshandel der USA, Einfuhr 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

150

606 Prämien- und Schadenzahlungen im internationalen Rückversicherungshandel der USA, Ausfuhr 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

151

0

605

0

Einführung Die Untersuchung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Rückversicherungswirtschaft der USA erschien mir unter mehreren Aspekten lohnenswert. Für die Betrachtung der Finanzdienstleistungsbranche, die auch in den Wirtschaftswissenschaften kaum beachtet wurde, bietet sich die aktuelle Fragestellung an, weil durch sie das Merkmal der internationalen Ausrichtung aufgegriffen wird, das in der Geschäftswelt als eines ihrer besonderen Wesensmerkmale gilt. Als Branchenstudie zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der USA verspricht dieser Zweig der Versicherungswirtschaft andererseits aufschlußreiche Erkenntnisse, weil sich viele dieser Untersuchungen nach wie vor mit dem Industriesektor befassen. Den wichtigsten Anstoß zu dieser Arbeit aber gab die Vermutung, daß die internationalen Rückversicherungsbeziehungen der USA im 20. Jahrhundert ganz wesentlichen Anteil an den weltweiten Rückversicherungsbeziehungen hatten, und vor allem, daß darin ein signifikantes Ungleichgewicht zugunsten des traditionellen Rückversicherungszentrums Westeuropa bestand, das aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung der USA, ihres Finanzdienstleistungssektors, ja sogar der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ihrer Versicherungswirtschaft nicht zu erwarten war. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Arbeit liegen in dem Versuch, das vermutete außenwirtschaftliche Ungleichgewicht nachzuweisen sowie die Ursachen und die Folgen dieses Ungleichgewichtes für die USA darzustellen (Kapitel 4 bis 6). Aufgrund des geringen Bekanntheitsgrades der Rückversicherungswirtschaft werden zunächst jedoch Besonderheiten der Branche dargestellt sowie ein Überblick über die Weit-Rückversicherungsmärkte und die Rückversicherungswirtschaft der USA gegeben (Kapitel 1 bis 3). Weil das politiknahe Thema der internationalen Wettbewerbsfähigkeit bislang keinen festen Platz in der Volkswirtschaftslehre gefunden hat, liegt ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit in methodischen Fragen. In den zahlreichen Untersuchungen zum Thema werden Fragen der Wettbewerbsfähigkeit von Standorten und Unternehmen, von immobilen und mobilen Vorteilen, ihren Entstehungsgründen, wirtschaftlichen Konsequenzen sowie ihren gegenseitigen Wechselwirkungen diskutiert. Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stehen dabei zumeist die Produktivität und ihre Entstehungsbedingungen in den Institutionen der Wirtschaft. Nur gelegentlich geht es um die Frage der Steuerung einer mehr oder weniger produktiven Volkswirtschaft, wie sie seit längerem in den Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre behandelt wird.

12

Einführung

Für eine genauere Standortbestimmung der politiknahen Fragestellung ist von Bedeutung, welcher Umfang wirtschaftlicher Tätigkeit betrachtet werden soll. Die Frage der internationalen Wettbewerbsfahigkeit wird auf einzelne Produkte, auf Unternehmen, Branchen oder Sektoren sowie auf ganze Volkswirtschaften angewendet. Die Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft ist für die breite Öffentlichkeit, die sich nicht mit wirtschaftlichen Detailfragen beschäftigen möchte, besonders interessant. Doch obgleich es sich bei dieser Fragestellung auch um den Gegenstand handelt, der in der Volkswirtschaftslehre Vorrang genießt, findet sie dort nicht immer freundliche Aufnahme. Da wird diese Fragestellung im Paradigma der Neoklassik als gegenstandslos bezeichnet, weil Ungleichgewichte in den Leistungs- und Kapitalbilanzen durch flexible Wechselkurse ausgeglichen werden. Oder da wird unter einer großen Anzahl verschiedener Ansätze und Gedanken nur der Merkantilismus gefunden, der sich außenwirtschaftliehen Fragen in vergleichbarer Weise nähert. 1 Die Branchenuntersuchung, um die es hier geht, ist in ihrer Einordnung weit weniger problematisch. Gerhard Fels vertritt wohl die Meinung vieler, wenn er anmerkt, daß sich der Begriff der internationalen Wettbewerbsfähigkeit für einzelwirtschaftliche Untersuchungen mit dem Begriff der komparativen Vorteile der Außenhandelstheorie deckt. 2 Besonders geeignet erscheint dieser Teil der Volkswirtschaftstheorie nicht allein, weil durch ihn einzelne Wirtschaftsbranchen und Wirtschaftgüter untersucht werden können. Mit der Beschreibung außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte und der Erklärung ihrer Ursachen und Folgen besitzt die reale Außenwirtschaftstheorie auch in einzelnen Teilgebieten weitgehende Übereinstimmung mit der aktuellen Diskussion. Wenn die Außenhandelstheorien unter dem Konzept der komparativen Vorteile in den meisten neueren Branchenuntersuchungen dennoch kaum Beachtung finden, so besteht ein wichtiger Grund darin, daß die eleganten Modelle der Theorie in ihren Annahmen eine zu große Diskrepanz zum beobachteten empirischen Sachverhalt aufweisen. Von den verschiedenen Handelsströmen können die traditionellen Außenhandelstheorien heute nur noch einen geringen Teil befriedigend erklären. Die traditionellen Ansätze, die Ricardo- und die Heckscher-Ohlin-Hypothese haben sich als ungeeignet erwiesen, große Teile des bedeutenden intra-

1 lohn Chipman, On the Concept of International Competitiveness. Discussion Paper No. 118, University of Minnesota, 1989. 2 Gerhard Fels, Zum Konzept der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaften, Band 39 (1988), Heft l/2, S. 136.

Einführung

13

industriellen Handels zu erklären. Es entstand in der Folge eine Vielzahl außenhandelstheoretischer Ansätze, die alle empirisch ihre Gültigkeit unter Beweis stellen konnten, so daß die reale Außenwirtschaftstheorie seit langem schon aus einem Nebeneinander mehrerer gleichberechtigter Ansätze besteht.3 Eine Entsprechung der Wettbewerbsvorteile der politiknahen Diskussion und der komparativen Vorteile der Theorie, wie sie von Fels vorgeschlagen wird, kann es nur in diesem weiten Sinne geben. Ein weiteres Problem bei der Anwendung von Außenhandelstheorien wirft nach dem intra-industriellen Handel in neueren Untersuchungen nun der internationale Dienstleistungshandel auf. Für die zahlreichen Branchen, in denen die internationale Produktion als zweite, volumenmäßig bedeutende Form der internationalen Arbeitsteilung auftritt, ist der Rückgriff ~uf Handelstheorien unbefriedigend. Für empirische Arbeiten fehlt hier ein Ansatz, durch den der internationale Handel und die internationale Produktion als zwei gleichberechtigte Formen der internationalen Arbeitsteilung untersucht werden können.4 Nach weit verbreiteter Meinung stehen der Berücksichtigung der internationalen Produktion bei der Betrachtung des internationalen Handels jedoch bereits modelltheoretische Überlegungen im Wege. Zumindest in Gleichgewichtstheorien kann nicht auf die Annahme der Immobilität der Produktionsfaktoren verzichtet werden; ohne diese Annahme besäßen alle Länder annähernd die gleichen Standortqualitäten und wäre das Auftreten des internationalen Handels mehrheitlich kaum mehr zu verstehen.5 In der politiknahen Untersuchung ist demgegenüber gegen die Einbeziehung der zweiten Form der internationalen Arbeitsteilung kaum etwas einzuwenden. Zwar stellen die Direktinvestitionen und der mit ihnen einhergehende Technologietransfer einen wesentlichen Teil der in der Theorie als 3 In den bekannten Worten von Hufbauer. ,,No one theory monopolizes the explanation of manufactures trade." Gary C. Hufbauer, The Impact of National Charactaristics and Technology on the Commodity Composition of Trade in Manufactured Goods, in: Raymond Vernon (Hg.), The Technology Factor in International Trade, New York/London 1970. 4 Unter dem Begriff internationale Produktion werden in dieser Arbeit alle wirtschaftlichen Aktivitäten betrachtet, die im Zusar,;menhang mit Direktinvestitionen stehen. Für die Begriffe internationaler Handel und internationale Produktion finden synonym auch die BegriffeTrade Business und Establishment Business Verwendung. Sie werden in der angelsächsischen Literatur benutzt, wenn es in unserem Sinne um zwei gleichberechtigte Formen der internationalen Arbeitsteilung geht. 5 Deutsches Institut für Wirtsclu:lftsforschung (DIW), Internationale Vergleichbarkeit und Aussagekraft von Indikatoren zur Messung von Wettbewerbsfähigkeit Gutachten im Auftrage des Bundesministers für Wirtschaft, Berlin 1991, S. 5 f.

14

Einführung

immobil angesehenen Produktionsfaktoren dar, gleichwohl bleiben in diesen Untersuchungen deutlich erkennbar Faktoren zurück, die die Grenzen nicht passieren können. Unweigerlich an den Standort gebunden sind etwa die Binnennachfrage, die makroökonomischen Bedingungen oder die branchenspezifische Ordnungspolitik. Sie mögen in Finanzdienstleistungsbranchen wie der Rückversicherungswirtschaft ähnlich großen Einfluß auf die Entwicklung international wettbewerbsfähiger Wirtschaftsgüter ausüben wie der Boden und das Klima in Ricardos berühmtem Beispiel, in dem Portugal und England Wein und Tuch tauschen. Aber auch wenn es in der empirischen Untersuchung zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaftsbranche einmal so aussehen sollte, als wären alle Wettbewerbsvorteile nahezu vollkommen mobil und als beständen dennoch deutliche Ungleichgewichte in der internationalen Arbeitsteilung, ist auch das noch kein Anlaß, am Beobachteten zu zweifeln - zumindest nicht, wenn die Bereitschaft besteht, den gesicherten Boden der gewohnten Gleichgewichtstheorien zu verlassen. Für diesen Weg geben steigende Skalenerträge, externe Effekte und unvollständige Konkurrenz wichtige Anhaltspunkte. Einen Beitrag zum Erkenntnisfortschritt können Branchenstudien zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit wie andere einzelwirtschaftliche Untersuchungen nicht dadurch leisten, daß sie unter den Annahmen eines gesamtwirtschaftlichen Durchschnitts durchgeführt werden. Ergebnisse, die bei Regierungen wie in der Wirtschaft auf großes Interesse stoßen, erzielen diese Untersuchungen, indem sie der Betrachtung der vielfaltigen institutionellen Bedingungen Raum schaffen, unter denen sich die technische Effizienz der Volkswirtschaften entwickelt.

1. Branchenmerkmale 1.1 Einige Merkmale der Märkte, Unternehmen und Dienstleistungen Der Rückversicherungsmarkt ist ein Segment des Versicherungsmarktes, auf dem ausschließlich Geschäfte zwischen berufsmäßigen Risikoträgem getätigt werden. Auf dem übrigen Versicherungsmarkt treten professionelle Risikoträger nur als Anbieter auf. Nachfrager sind dort die privaten Haushalte, die Unternehmen anderer Wirtschaftsbranchen und der Staat. Gegenüber der Direktversicherung zeichnet sich die Rückversicherung also vor allem dadurch aus, daß deren Empfänger professionelle Risikoträger sind. Die berufsmäßigen Risikoträger lassen sich in die beiden Gruppen Direktversicherer und Spezialrückversicherer unterteilen. 1 Bei Direktversicherem überwiegt das direkte Geschäft, bei Spezialrückversicherern wird ausschließlich das indirekte Geschäft betrieben.2 Reine Direktversicherer sind mithin Unternehmen, die ausschließlich direktes Geschäft betreiben, und Mischversicherer sind Unternehmen, deren Portefeuille auch indirektes Geschäft umfaßt. Als Rückversicherer wollen wir alle Unternehmen bezeichnen, die das Rückversicherungsgeschäft in der einen oder anderen Weise betreiben.3 In ihrer Geschäftstätigkeit weisen Rückversicherer einige Gemeinsamkeiten mit den übrigen Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors auf. Die Versicherungszusage enthält wie das Passivgeschäft der Banken ein Lei-

1 Die Spezialrückversicherer tragen in der Geschäftswelt die Bezeichnung professionelle Rückversicherer. Aufgrund der fragwürdigen Wertung, die durch diese Bezeichnung zum Ausdruck kommt, wird hier der auch in amtlichen Statistiken benutzte Begriff Spezialrückversicherer verwendet. Ein hoher Spezialisierungsgrad muß nicht in jedem Fall zu besonderer Professionalität führen. Darüber hinaus ist das Antonym des Wortes professionell das Wort dilettantisch und sicherlich unpassend zur Beschreibung der Unternehmen, die nicht ausschließlich das Rückversicherungsgeschäft betreiben. 2 Die Rückversicherung wird mitunter als indirektes Geschäft, die Direktversicherung als direktes Geschäft bezeichnet. 3 Nicht alle berufsmäßigen Risikoträger treten in der Form des Unternehmens auf. Gleichwohl sind Organisationen wie etwa Lloyd's of London oder der New York Insurance Exchange als Versicherer zu bezeichnen und lassen sich infolgedessen auch als reine Direktversicherer, Mischversicherer oder als Spezialrückversicherer charakterisieren.

16

I. Branchenmerkmale

stungsversprechen auf die Zukunft. Die Bonität der Unternehmen und die aufsichtsrechtlichen Regelungen sind folglich auch für diese Unternehmen von besonderer Bedeutung. Deutliche Unterschiede gegenüber anderen Finanzunternehmen liegen dagegen in der Spezialisierung der Rückversicherer auf die Beurteilung von Risiken, die andere Versicherer nicht tragen können oder wollen. Für die Risikobeurteilung ist eine weiche Technologie notwendig, wie sie in vielen anderen Dienstleistungsbranchen vorkommt. Sie besteht in der Beschaffung, der Interpretation und dem Management von Informationen und kann nicht durch Patente und Lizenzen erworben werden. Das Know-how der Rückversicherer kann nur durch das Geschäft selbst gewonnen werden, genauer durch die im Geschäft der Vergangenheit gesammelten Erfahrungen.4 In der Geschäftswelt geht man davon aus, daß der Umfang und die Vielfalt des "book of business" maßgeblich bestimmen, welche Geschäfte ein Rückversicherer erfolgversprechend betreiben kann. In Geschäftszeitschriften wird die Qualität der Risikobeurteilung durch Erfolgsindikatoren zum versicherungstechnischen Ergebnis dargestellt. Die in amerikanischen Zeitschriften gebräuchliche Combined Ratio ist definiert als: Schadenaufwand + Betriebskosten verdiente Prämien. Ein weiterer wichtiger Tätigkeitsbereich der Rückversicherer besteht neben der Risikobeurteilung in der rentierliehen und sicheren Anlage des Vermögens, das durch die Prämienzahlungen der Zedenten5 zufließt. Sehr viel stärkeren Einfluß auf das Gesamtergebnis der Rückversicherer hat jedoch selbst in Hochzinsphasen die Risikobeurteilung. Nach einer Untersuchung der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft in den sieben bedeutendsten Versicherungsländern konnte das Gesamtergebnis der Unternehmen im Zeitraum 1975-1986 weit überwiegend durch das versicherungstechnische Ergebnis und nur in geringem Umfang durch die Anlageerträge erklärt werden.6 Die Dienstleistung Rückversicherung ist stark erklärungsbedürftig und praktisch immer direkt auf die Wünsche und Bedürfnisse des einzelnen Kun-

4 Die Bedeutung der Technologie für den internationalen Versicherungshandel beschreiben Robert L Carter/Gerard M. Dickinson, Barriers to Trade in Insurance, Trade Policy Research Center, London 1979, S. 35 und 45. 5 Rückversicherungsnehmer. 6 Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Sigma 3/88, S. 19.

1.1 Einige Merkmale der Märkte, Unternehmen und Dienstleistungen

17

den zugeschnitten.7 Sie besteht in erster Linie aus den verschiedenen Leistungen zur Risikodeckung, die in unterschiedlichem Umfang mit Finanzierungs- und Beratungsleistungen verbunden werden können. Als eine Vorleistung, die ausschließlich innerhalb der Versicherungswirtschaft eingesetzt wird, ist die Rückversicherung ein typisches Beispiel einer unternehmensbezogenen Dienstleistung, eines Business Service. Das Geschäft der Versicherer und Banken, die als ,,Finanzmittler der Finanzmittler" tätig sind, zeichnet sich vor allem durch die sehr großen Summen der einzelnen Geschäfte und durch deren internationale Ausrichtung aus. Die wichtigsten Produktmerkmale sind die proportionale und die nichtproportionale sowie die fakultative und die obligatorische Rückversicherung. Ein fakultativer Rückversicherungsvertrag ermöglicht die Überwälzung von Risiken auf den Rückversicherer von Fall zu Fall. Dabei sind weder der Zedent noch der Rückversicherer zur Überweisung oder zur Annahme dieser Risiken verpflichtet. Bei der obligatorischen Rückversicherung verpflichten sich hingegen beide Parteien hinsichtlich aller Gefahren, die unter einen vorher abgeschlossenen Rahmenvertrag fallen. Das zweite Merkmal des Rückversicherungsvertrages betrifft die Aufteilung von Prämien und Schadenzahlungen. Bei einem proportionalen Vertrag wird das Risiko zwischen Zedent und Rückversicherer nach einem festen Prozentsatz aufgeteilt. Dieser Satz bestimmt sowohl den Anteil des Rückversicherers an der Originalprämie als auch die auf die Versicherung entfallenden Teil- oder Totalschäden. Demgegenüber wird bei der nicht-proportionalen Rückversicherung die Leistung des Rückversicherers ausschließlich durch die Höhe des Schadens bestimmt, so daß keine proportionale Aufteilung des einzelnen Risikos und der dafür erhobenen Prämie stattfindet. Für die Betrachtungen dieser Untersuchung ist besonders interessant, daß proportionale und nicht-proportionale Rückversicherung in den verschiedenen Ländern des traditionellen Rückversicherungszentrums Westeuropa nicht in gleichem Umfang angeboten werden. Während Lloyd's of London die verschiedenen Formen der nicht-proportionalen Rückversicherung zunächst allein anbot, werden derartige Verträge nun schon seit langem von Spezialrückversicherem im übrigen Westeuropa und in den USA in beträchtlichem Umfang gezeichnet. Dagegen betreiben Mischversicherer diese Rückversicherungsform nach wie vor seltener.8

7

Siehe Marcel Grossmann, Rückversicherung -

8

Christoph Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, Wiesbaden 1986, S. 57.

s. 71 ff.

2 Wemcr

eine Einführung, Zürich 1977,

18

1. Branchenmerkmale

Die Konkurrenz, die auf den internationalen Märkten zwischen proportionaler und nicht-proportionaler Rückversicherung besteht, manifestiert sich in der Literatur durch die unterschiedliche Einschätzung der Vorteilhaftigkeil der Rückversicherungsformen, die von vielen Autoren entsprechend dem Spezialisierungsschwerpunkt der heimischen Rückversicherungswirtschaft getroffen wird. Stellvertretend für den in Großbritannien vorherrschenden Standpunkt wird im folgenden das Urteil des britischen Standardwerks zur Rückversicherung zitiert: "Whereas proportional reinsurances, and particularly surplus reinsurances, help to stabilize the ceding company's operating results by reducing its exposures on individual risks, excess of loss reinsurances can perform that task more efficiently ... and can also be used to deal with the problern of accumulations and catastrophe risks. A further advantage of non-proportional reinsurances is the saving in administrative time and so expense.'o9

In dieser Quelle wird der Eindruck erweckt, die nicht-proportionale sei der proportionalen Rückversicherung überlegen. Dem treten die Vertreter der kontinentaleuropäischen professionellen Rückversicherungsunternehmen entgegen. Aus dem Hause des größten kontinentaleuropäischen Spezialrückversicherers kommt die folgende Stellungnahme: "Although there are reinsurers, above all in London, who state nowadays - probably for rather short-lived if not to say short-sighted reasons - that proportional treaty reinsurance has no future, the great majority of large professional reinsurers still agree that proportional treaty reinsurance will remain the nucleus of every long-term reinsurance programme aimed at continuity."10

Ohne die traditionelle Spezialisierung auf eine der beiden Rückversicherungsformen kommen die Autoren aus den USA in der Regel zu einer weit weniger deutlichen Beurteilung. Als Beleg dafür sei auch hier ein Standardwerk zitiert: "No one form of reinsurance can be characterized as best. In general, proportional forms of reinsurance provide greater financing and volume capacity than nonproportional forms. On the other band, non-proportional forms provide greater Iimits, catastrophe protection, stabilization, and minimize cash outflow. lt must be kept in mind that any form of reinsurance can provide some part of each of the four functions of reinsurance - capacity, financing, catastrophe protection, and stabilization - but the emphasis varies." 11

Robert L. Carter, Reinsurance, Brentford 1979, S. 72. ° Klaus Gerathewohl/Fedor Nierhaus, A State of Crisis?, in: The Review, Nov. 1986, s. 22. 11 Robert W. Strain (Hg.), Reinsurance. Written by twenty-three Authorities, The College of Insurance, New York 1980, S. 78. 9

1

1.2 Das Merkmal der internationalen Ausrichtung

19

Eine abschließende Beurteilung der Argumente kann an dieser Stelle nicht vorgenommen werden. Aufgrund des langen parallelen Bestandes beider Formen: der proportionalen und der nicht-proportionalen Rückversicherung, können wir jedoch annehmen, daß - wie auch in der Quelle aus den USA gesagt wird - beide Rückversicherungsformen für bestimmte Kundenbedürfnisse besonders geeignet sind.

1.2 Das Merkmal der internationalen Ausrichtung der Rückversicherungsgeschäfte Der Umfang, in dem eine Ware oder Dienstleistung an der internationalen Arbeitsteilung teilnimmt, entscheidet darüber, welchen Stellenwert der Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zukommt. Einige Dienstleistungen sind unter dem Gesichtspunkt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit weniger interessant, weil sie, wie etwa die Dienstleistungen des öffentlichen Sektors, kaum Eingang in die internationale Arbeitsteilung finden. Die Rückversicherung ist dagegen eine Dienstleistung, von der allgemein angenommen wird, daß sie ihrem Wesen nach international sei und daß das bereits seit ihrer Entstehung so gewesen ist. Hinweise auf die Internationalität der Rückversicherung ziehen sich durch die gesamte Literatur. Schauen wir uns zu diesem für die Untersuchung zentralen Merkmal einige Textpassagen genauer an: "The market for reinsurance is international ... competition is international in sco-

pe ..."12

"Although a lot of reinsurance business is domestic, particularly in large developed markets such as North America, substantial amounts of reinsurance business are placed across national frontiers ... " 13 "Rückversicherungsmärkte sind ihrer ganzen Natur nach international ausgerichtet. Die Gründe dafür lassen sich kurz dahin zusammenfassen, daß viele Großrisiken erst durch weltweite Verteilung und ,Atomisierung' für die einzelnen Rückversicherungsunternehmen tragbar werden ..." 14 " ... Risikotausch (geschieht) praktisch im Verkehr zwischen allen Ländern der Welt ... (es) ergibt sich ein engmaschiges, vielseitiges und im einzelnen kaum nachzuzeichnendes internationales Netz von Rückversicherungs-Abgaben ... " 15

Ebenda, S. 345. Robert L. Carter, Reinsurance, Brentford 1979, S. 5. 14 Klaus Gerathewohl, Rückversicherung. Grundlagen und Praxis, Karlsruhe 1976, s. 610. 15 Marcel Grossmann, Rückversicherung- eine Einführung, Zürich 1977, S. 7. 12

13

I. Branchenmerkmale

20

"Rückversicherung ... (kann) erfolgreich und in großem Umfang nicht in einem Land allein betrieben werden ..." 16

In einer Arbeit aus dem Jahr 1931 wurde die Internationalität der Branche bereits auch an einzelnen Beispielen aus der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg beschrieben. 17 Dieser Versuch blieb jedoch der einzige. Die Textpassagen zu den internationalen Beziehungen in der Rückversicherung sind wie die hier zitierten kurz und enthalten typischerweise Anmerkungen wie die, daß es sich bei diesen Beziehungen "um ein im einzelnen kaum nachzuzeichnendes Netz" handele. Ein wichtiger Grund dafür, daß der Begriff der Internationalität der Rückversicherung so wenig mit Inhalt erfüllt wurde, besteht darin, daß Informationen zu diesem Thema schwer zugänglich sind. In den meisten Fällen sind weder Statistiken zum Volumen der Ländermärkte noch zum Außenhandel verfügbar. Bereits bei dem Versuch, die Prämienvolumina der Ländermärkte zu bestimmen, entstehen erhebliche Probleme, weil über das indirekte Geschäft der Mischversicherer in den meisten Ländern keine Daten vorliegen.18 Während für das Volumen des Welt-Rückversicherungsmarktes und seiner Regionen jedoch noch Schätzwerte zur Verfügung stehen, 19 fehlen abgesicherte Erkenntnisse, die eine zuverlässige Ableitung auf das Volumen des weltweiten Rückversicherungsverkehrs zulassen.2° In einem Vorgriff auf die Ergebnisse aus Kapitel 4 läßt sich hier bereits feststellen, daß sich die Rückversicherungsgeschäfte im Fall der USA in der Tat durch eine starke internationale Ausrichtung auszeichnen. Als Maß für die Intensität des internationalen Handels werden in Übersicht 1.1 die gesamten außenwirtschaftliehen Aktivitäten bestehend aus Importen und Exporten mit den rein binnenwirtschaftlichen Aktivitäten, das ist die Befriedigung der inländischen Nachfrage durch die inländische Produktion, verglichen. 21

Christoph Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, Wiesbaden 1986, S. 11. Carl Heinrich von Hollischter, Internationale Rückversicherung, Berlin 1931. 18 Klaus Gerathewohl, Rückversicherung. Grundlagen und Praxis, Karlsruhe 1976, s. 634 f. 19 Vergleiche die Angaben in Kapitel 2. 2° Klaus Gerathewohl, Rückversicherung. Grundlagen und Praxis, Karlsruhe 1976, s. 637. 21 Gebräuchliche Indikatoren der internationalen Handelsverflechtung, in denen der Außenhandelsumsatz ins Verhältnis zur Produktion oder zum Verbrauch gesetzt wird, haben den augenscheinlichen Nachteil, daß entweder die Exporte oder die Importe sowohl im Nenner als auch im Zähler des Quotienten auftreten. Für den Quotienten aus Außenhandelsumsatz und Produktion bedeutet das etwa, daß ein Zuwachs der Exporte das Ergebnis weniger stark als ein entsprechender Zuwachs der Importe 16

17

1.2 Das Merkmal der internationalen Ausrichtung

21

Demnach besaßen die grenzüberschreitenden Geschäfte in den USA zwischen 1949 und 1986 etwa den gleichen Umfang wie die Geschäfte des Binnenmarktes. Die Handelsintensität weist bis auf einen Abwärtstrend in den Jahren 1954-1965 keine signifikanten Langzeittrends auf. Die Außenhandelsquote lag bis 1957 über eins, nach 1957 nahm sie bis auf drei einzelne Jahre Werte unter eins an. Mit Marktanteilen der Unternehmen in ausländischem Eigentum zwischen 20% und 47% gehörte die Rückversicherungswirtschaft in den USA darüber hinaus auch zu den Branchen mit besonders hohen Fremdanteilen.

beeinflußt. Die beiden gebräuchlichen Indikatoren weisen demnach die Schwäche auf, daß Importe und Exporte für die Frage der Internationalität unterschiedlich gewichtet werden.

Obersicht 1.1

Die Randelsverßechtung der USA

Jahr

(1) Außenhandelsumsatz

(2) Binnenwirtschaft

(3) Außenhandelsquote der USA [(l) I (2)]

1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986

210 221 248 261 299 363 361 370 423 445 466 486 493 607 600 604 620 719 788 868 934 1049 1177 1372 1576 1858 2374 2771 3084 3556 3970 4190 4592 5282 6032 7109 7899 7775

189 208 240 238 245 241 279 325 418 465 478 523 565 645 681 760 823 881 869 868 1030 1228 1377 1501 1698 1844 2398 3194 4175 5082 5091 5299 5560 5995 5974 6757

1,11 1,06 1,03 1,10 1,22 1,51 1,29 1,14 1,01 0,96 0,97 0,93 0,87 0,94 0,88 0,79 0,75 0,82 0,91 1,00 0,91 0,85 0,85 0,91 0,93 1,01 0,99 0,87 0,74 0,70 0,78 0,79 0,83 0,88 1,01 1,05

13332

0,58

=

Quellen: (I) Außenhandelsumsatz s. Übersicht 4.1, Spalte (3). (2) Binnenwirtschaft Produktion minus Exporte; Produktion s. Übenicht 3.3, Spalte (l); Exporte s. Übersicht 4.1, Spalte (2). AnmerkunKen: Zahlen in Mio. $.

1.2 Das Merkmal der internationalen Ausrichtung

23

Wenngleich die internationalen Rückversicherungsbeziehungen in der Literatur kaum dargestellt werden, machen einige Autoren Anmerkungen zu den Ursachen der starken internationalen Ausrichtung der Branche. Aus der Perspektive der Diskussion zum internationalen Dienstleistungshandel ist zunächst festzustelllen, daß der Warenhandel in dieser Branche keinen Anstoß zum Dienstleistungshandel darstellt. Gewisse Abhängigkeiten weist der internationale Rückversicherungshandel allerdings gegenüber dem internationalen Direktversicherungshandel auf.22 International tätige Direktversicherer verlagern die Aktivitäten zur Rückdeckung zumeist in das Land ihres Domiziles, so daß der Rückversicherungsimportbedarf durch erhöhten Import von Direktversicherungsleistungen substitutiert werden kann. Der umgekehrte Fall, in dem aus einer Verminderung des Direktversicherungshandels eine Ausweitung des Rückversicherungshandels entsteht, tritt offenbar infolge staatlicher Beschränkungen des Direktversicherungshandels auf.23 In der Literatur ist zur Bemessung eines Rückversicherungsimportbedarfs eine Methode verbreitet, hinter der der Gedanke steht, parallel zu dem Selbstbehalt eines Versicherers auch einen Selbstbehalt für die Versicherungswirtschaft eines ganzen Landes zu konstruieren. 24 In derartigen Rechnungen stellt man die möglichen, wahrscheinlichen oder die in der Vergangenheit eingetretenen Katastrophenschäden den Landesprämien eines Geschäftsjahres gegenüber. Der Importbedarf entspricht dann der Differenz zwischen der Landesprämie und dem zu erwartenden Aufwand für die Schäden. Durch diese Methode wird der Rückversicherungsbedarf jedoch tendenziell unterschätzt. Ein augenfälliges Problem der Betrachtung der Länder-Selbstbehalte besteht darin, daß die jährliche Prämieneinnahme nach Abzug der übrigen Kosten zunächst den regulären Schäden zur Verfügung steht, die Großschäden nach allgemeiner Auffassung also ohnehin nicht aus den Prämieneinnahmen des entsprechenden Jahres gedeckt werden können.25 Weiterhin werden durch die Methode ausschließlich die finanzielle Kapazität, nicht aber die technologischen Voraussetzungen zur Beurteilung der Groß- und Sonderrisi-

22 Samuel J. Lengyel, International Insurance Transactions. Insurance in the Balance of Payments, London 1953, S. 11. 23 Robert W. Strain (Hg.), Reinsurance. Written by twenty-three Authorities, The College of Insurance, New York 1980, S. 2 (A5). 24 Siehe etwa bei Horst K. Jannott, Internationale Zusammenarbeit in der Rückversicherung und ihr Einfluß auf die Zahlungsbilanzen der beteiligten Länder, in: Robert Schweb/er (Hg.), Jahre der Wende 1968-1978 - Bestandsaufnahme eines Jahrzehnts. Alex Möller zum 75. Geburtstag, Karlsruhe 1978, S. 178. 25 Ebenda.

24

I. Branchenmerkmale

ken berücksichtigt, die trotz ausreichender finanzieller Kapazität nicht immer in hinreichendem Umfang vorhanden sein müssen. Und schließlich erfordert eine leistungsfähige und preisgerechte Versorgung auch auf Rückversicherungsmärkten eine Mindestanzahl von Anbietem. Als Anstöße zum Rückversicherungsexport werden von den Rückversicherem mehrere Argumente genannt.26 Die internationale Tätigkeit bezeichnen sie als notwendige Voraussetzung eines auch in geographischer Hinsicht ausgeglichenen Risikoportefeuilles. Auch wird angeführt, daß allein die Größenordnung .vieler Risiken den internationalen Handel erforderlich macht. Ein drittes Argument lautet, daß die Technologie in der Risikobeurteilung erst durch die internationale Tätigkeit auch hinsichtlich derjenigen Risiken geschaffen werden kann, von denen auf nationaler Ebene nur wenige gleichartige existieren. Andererseits wird zu bedenken gegeben, daß die internationalen Rückversicherer nicht auf wenige Spitzenrisiken und Katastrophengefahren beschränkt werden können, ohne daß ihnen damit letztlich die Basis dafür entzogen wird, den von ihnen erwarteten weltweiten Risikoausgleich sowie ihre vielfältigen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.27 Einzelne Staaten, die Europäische Gemeinschaft und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), erkennen die Besonderheiten der internationalen Rückversicherung gegenüber anderen internationalen Geschäften an, indem sie die Freizügigkeit des internationalen Rückversicherungshandels besonders schützen. So hat der Rat der Europäischen Gemeinschaft bereits am 25.2.1964 in einer Richtlinie zur Aufhebung und Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Rückversicherung und der Retrozession aufgefordert.28 Eine ganz andere Bewertung der internationalen Verflechtungen der Rückversicherungswirtschaft lassen freilich die zahlreichen Maßnahmen erkennen, die von vielen Staaten zur Beschränkung des internationalen Rückversicherungshandels getroffen wurden. 29 Maßnahmen, die den intemationa-

26 Ausführlich bei Klaus Gerathewohl, Rückversicherung. Grundlagen und Praxis, Karlsruhe 1976, S. 566 ff. 27 Horst K. Jannott, Internationale Zusammenarbeit in der Rückversicherung und ihr Einfluß auf die Zahlungsbilanzen der beteiligten Länder, in: Robert Schwebler (Hg.), Jahre der Wende 1968-1978 - Bestandsaufnahme eines Jahrzehnts. Alex Möller zum 75. Geburtstag, Karlsruhe 1978, S. 182 f. 28 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 878/64 vom 4.4.1969. 29 SieheRobert L Carter, The Reinsurance Market, Cambridge 1981, S. 6A ff. und 7A ff.

1.2 Das Merkmal der internationalen Ausrichtung

25

Jen Rückversicherungsverkehr einschränken, wurden insbesondere auch von den Vereinten Nationen empfohlen.30 Beweggründe, die anstatt zur internationalen zur nationalen Orientierung des Rückversicherungsgeschäftes führen können, werden in der Literatur nicht dargestellt. Es handelt sich dabei um folgende: Aus der Sicht der Rückversicherer selbst ist für die Entscheidung der Produktion am Ort des Bedarfs von Bedeutung, daß die Rückversicherung eine serviceorientierte Dienstleistung ist, die in der Regel direkt an die Bedürfnisse des Zedenten angepaßt werden muß. Diese Eigenschaft der Dienstleistung erfordert für den Rückversicherer eine möglichst genaue Kenntnis der Firmenkunden und der ausländischen Märkte, die in den meisten Fällen besser durch das Establishment Business als durch das Trade Business zu erlangen ist. Auf derartige Fühlungsvorteile wollen Rückversicherer durch ihre Reisetätigkeit offenbar auch im Rahmen des Trade Business nicht vollkommen verzichten. Von seiten der Zedenten und der Rückversicherungsimportländer besteht ein Argument für die Produktion vor Ort darin, daß die Rückversicherung ein Leistungsversprechen auf die Zukunft darstellt. Daß von den Rückversicherungsimportländern und den Zedenten mitunter Produzenten vorgezogen werden, die im Inland domiziliert sind, liegt nicht allein an deren protektionistischer Gesinnung. Als berechtigt kann sich diese Präferenz erweisen, sofern die Bonität eines im Inland domizilierten Rückversicherers besser zu kontrollieren ist und dessen Leistungsversprechen leichter eingefordert werden kann als das bei einem im Ausland domizilierten Rückversicherer der Fall ist.

30 Einen Überblick über die Tätigkeit und die Veröffentlichungen der United Nations Conference on Trade and Developement (UNCTAD) im Bereich der Versicherung gibt United Nations, The Activities of UNCTAD's Special Programme on Insurance, United Nations, New York 1986.

2. Die Weit-Rückversicherungsmärkte Zum besseren Verständnis der Wettbewerbsposition der US-Rückversicherungswirtschaft werden in diesem Kapitel die Weit-Rückversicherungsmärkte dargestellt. Der Weltmarkt kann definiert werden als Gesamtheit aller Ländermärkte. Entsprechend dieser Betrachtungsweise geben die Abschnitte 2.1 und 2.2 Aufschluß über die volumenmäßige Entwicklung der weltweiten Rückversicherungsproduktion und über die wichtigsten Produktionsstandorte. Der Begriff Weltmarkt läßt sich in einem weiteren Sinne auch als Geschäft verstehen, das über nationale Grenzen hinweg plaziert wird. Der Ort derartiger Geschäfte wird als Außenmarkt bezeichnet und hier in Abschnitt 2.3 behandelt.

2.1 Größenordnungen und Entwicklungstendenzen In der folgenden Darstellung der Weit-Rückversicherungsmärkte findet insbesondere das Zahlenmaterial der Schweizerischen RückversicherungsGesellschaft Verwendung. Die Informationen, die das Rückversicherungsunternehmen seit Beginn der 70er Jahre zu den Weit-Versicherungsmärkten veröffentlicht, erhält es durch regelmäßige Umfragen bei den Versicherungsaufsichtsbehörden und den Verbänden der Länder. Die Zahlen sind zum großen Teil Schätzwerte, der ehemalige Ostblock wird nicht berücksichtigt, Originalwährungen sind in die Bezugsgröße US-Dollar zu Jahreskursen umgerechnet. Bei der Direktversicherung wird in der Regel mit den Nettoprämien1, bei der Rückversicherung mit den Bruttoprämien gearbeitet. Das Lebengeschäft ist in den Angaben der Schweizerischen RückversicherungsGesellschaft nicht enthalten. Die Weit-Rückversicherungsmärkte haben sich seit den 60er Jahren mit großer Geschwindigkeit entwickelt. Während das Marktvolumen 1965 noch 6,2 Mrd. Dollar betrug, hatte es im letzten Jahr des Berichtszeitraumes 1984 40 Mrd. Dollar erreicht. Das entsprach im Zeitraum 1965-1984 zwischen 14 und 17% der Bruttoprämien des gesamten Versicherungsgeschäftes, das sich im Jahr 1984 auf 265 Mrd. Dollar belief?

1 2

Prämien auf eigene Rechnung. Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Sigma 2/87, S. 9.

2.1 Größenordnungen und Entwicklungstendenzen

27

Das durchschnittliche jährliche Wachstum der Rückversicherungsprämien entsprach zwischen 1965 und 1984 mit 10,9% in etwa dem Wachstum der Direktversicherungsprämien, das 10,7% betrug. Die Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft gibt zu bedenken, daß diese Daten nicht die Behauptung bestätigen, die Rückversicherung habe aufgrund des Wachstums der Direktversicherer und der zunehmenden Zahl von Firmenzusammenschlüssen an Bedeutung verloren. 3 Andererseits bestätigen sie allerdings auch nicht die in Geschäftszeitschriften anzutreffende Vermutung, daß die Rückversicherung durch das vermehrte Auftreten von industriellen Großrisiken und der zunehmenden Wertekonzentration an Bedeutung gewonnen habe. Insgesamt ergibt sich vielmehr der Eindruck, daß sich die verschiedenen Faktoren, die Unternehmensgröße, das Auftreten von Großrisiken und die zunehmende Konzentration der Werte in der Entwicklung der Weltmärkte weitgehend gegeneinander aufgehoben haben. Der Anteil der wichtigsten Anbietergruppen betrug auf den Weit-Rückversicherungsmärkten 40% für die Mischversicherer und 60% für die Spezialrückversicherer.4 Die Anzahl der Mischversicherer wird auf weltweit 3000 geschätzt.5 Die sehr viel kleinere Gruppe der Spezialrückversicherer umfaßte im Jahr 1985 376 Unternehmen. Bemerkenswert viele Neugründungen von Spezialrückversicherern, von denen es um die Jahrhundertwende etwa 20 gab, traten im Zeitraum 1968 bis 1985 auf, in dem sich die Anzahl der Spezialrückversicherer fast verdoppelte.6 Einen Überblick über weitere Merkmale der Spezialrückversicherer gibt eine Untersuchung zu den Eigentumsverhältnissen dieser Unternehmen aus dem Jahr 1975.7 Zu diesem Zeitpunkt waren 64% der Spezialrückversicherer mit anderen Versicherungsunternehmen verbunden. Rund ein Drittel dieser Unternehmen befand sich im Eigentum ausländischer Versicherer. Bei einem Teil der Unternehmen standen die Gründung oder die Geschäftstätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit staatlichen Eingriffen. 17% der Speziairückversicherer befanden sich in staatlichem Eigentum, eine fast ebenso große Gruppe verdankt ihr Geschäft mindestens teilweise einer Zessionspflicht für Direktversicherer.

Ebenda. S. 2 f. Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Sigma 10/85, S. 4. so. Verf., The International Insurance Macket. A View from London, The EconomistIntelligent Unit, London 1985, S. 78. 6 Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Sigma 2/87, S. 7. 7 United Nations Centre on Transnational Operations, Transnational Reinsurance Operations. A Technical Paper, New York 1980. 3

4

28

2. Die Weit-Rückversicherungsmärkte

Die Gruppe der Spezialrückversicherer wird von einigen wenigen Unternehmen deutlich dominiert. Über 50% des Prämienvolumens entfallen seit den 60er Jahren auf 15 Unternehmen.• Allein die drei größten Rückversicherer haben zusammen einen Marktanteil von über 25%.9 Deutliche Marktanteilsverschiebungen haben sich seit den 60er Jahren nur bei den kleineren und mittleren Unternehmen ergeben10• Rund 360 dieser Unternehmen teilten sich nach der jüngsten Gründungswelle im Jahr 1984 die zweite Hälfte des Marktanteils der Anbietergruppe. Bereits in einer Untersuchung aus dem Jahr 1931 wurde festgestellt, daß sich neugegründete Spezialrückversicherer nur schwer am Markt durchsetzen.11 Das gleiche Bild zeigt sich auch wieder in neuerer Zeit. Nach der Neugründungswelle in den 70er und Anfang der 80er Jahre stellt das bekannte Rating-Institut Conning and Company für die USA im Jahr 1984 fest, daß es vor allem die kleineren und neu gegründeten Unternehmen sind, die aus dem Markt wieder ausscheiden. 12 Die jährlichen Marktberichte der Geschäftszeitschrift National Underwriter zeigen, daß die Risikoselektion dieser Unternehmen zu Zeiten des Käufermarktes zu Combined Ratios in der Höhe von 1,50 bis 2,00 geführt hat.13

2.2 Die Produktionsstandorte14 Das Produktionsvolumen der Weit-Rückversicherungsmärkte verteilte sich im Jahr 1983 zu 58% auf Westeuropa, zu 25,7% auf die USA und zu 16,3% auf die "übrige Welt". Westeuropa ist demnach das bedeutendste Rückversicherungszentrum der Welt, mit deutlichem Abstand folgen die USA und die

Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Sigma 2/87, S. 8. Eigene Berechnungen auf der Basis der Angaben in International Insurance Monitor April/May 1984, S. 17. 10 Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Sigma 2/87, S. 9. 11 Carl Heinrich von Hollitscher, Internationale Rückversicherung, Berlin 1931, s. 68 f. 12 Conning and Company, Reinsurance Insecurity. A Focus of Concern in the 1980s, o.O. 1984, S. 1 f. 13 Zur Definition der Combined Ratio vgl. Kapitel 1. Die genannten Ergebnisse erzielten die Spezialrückversicherer der Gruppe Unlisted Professional Reinsurers. National Underwriter, Nov. 16, 1987, S. 2. Vgl. zum Verdrängungswettbewerb auf den Rückversicherungsmärkten auch: o. Verf., Reinsurance. When the wind blows, in: The Economist, April 17th, 1993, S. 78 f. 14 Entwicklungen in den Offshore-Domizilen und den ASEAN-Ländern können mangels verläßlicher Statistiken hier nicht beachtet werden. 8

9

2.2 Die Produktionsstandorte

29

"übrige Welt". Ein Rückblick auf das Jahr 1965 zeigt, daß Westeuropa traditionell einen noch größeren Vorsprung als Produktionsort hatte. Im Jahr 1965 lag der Anteil Westeuropas bei 66,1%, der der USA bei 25%, auf die "übrige Welt" entfielen lediglich 8,9%. 15 Die überragende Bedeutung, die Westeuropa nach wie vor einnimmt, zeigt sich auch bei der Gegenüberstellung der Prämienvolumina von Rückversicherungs- und Direktversicherungsgeschäft Während Europa 1983 58% des Welt-Rückversicherungvolumens produzierte, wurden hier nur 27,5% der Prämien des weltweiten Direktversicherungsgeschäftes gezeichnet. In den USA ist das Verhältnis gerade umgekehrt. Gemessen an dem beachtlich großen Volumen des US-Direktversicherungsmarktes - er hat einen Anteil von 55,9% an den Weltdirektversicherungsmärkten - ist die US-Rückversicherungsproduktion mit einem Produktionsanteil von 25,7% auf den WeitRückversicherungsmärkten wenig bedeutsam. In der "übrigen Welt" haben Rückversicherung und Direktversicherung etwa die gleichen Anteile an den weltweiten Produktionsvolumina. Sie betragen dort jeweils rund 16%. 16 Die Dominanz Westeuropas auf dem Weltmarkt kann auch anband der Anzahl der Spezialrückversicherer aufgezeigt werden. Mit 46,5% aller Spezialrückversicherer führte Westeuropa 1985 allerdings etwas weniger deutlich als hinsichtlich des Volumens des Rückversicherungsgeschäftes. In Nordamerika waren zu diesem Zeitpunkt 31,5% und in der "übrigen Welt" 22,4% der Unternehmen domiziliert. Fast 20 Jahre früher, im Jahr 1968, entfielen auf die USA nur 15,8%, auf Westeuropa dagegen 65,5% aller Spezialrückversicherer.17 Die Neugründungswelle, die Ende der 60er bis Mitte der 80er Jahre weltweit stattfand, wurde allerdings vor allem durch Unternehmensgründungen in den USA getragen. Während die Anzahl der Unternehmen zwischen 1975 und 1985 außerhalb der USA um 49% von 174 auf 259 anwuchs, lag der Zuwachs in den USA bei 113%, die Anzahl der Unternehmen stieg hier von 55 auf 117.18 Hinsichtlich der Aufteilung des hohen westeuropäischen Anteils auf die einzelnen Staaten bestehen in der Literatur nur Schätzungen, bei denen nicht 15 Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Sigma 10/85, S. 7. Durch die Verminderung des Außenwertes des Dollar ist in dieser Betrachtung das Wachstum der amerikanischen Rückversicherungswirtschaft nicht erkennbar. Deren Entwicklung wird in Abschnitt 3.2.2. dargestellt. Der Einfluß von Wechselkursänderungen wird in Abschnitt 6.2 behandelt. 16 Ebenda, S. 7. 17 Ebenda, S. 12. 18 Eigene Berechnungen auf der Basis der Angaben in: Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Sigma 10/85, S. 12.

30

2. Die Weit-Rückversicherungsmärkte

immer hinreichend zwischen der Außenhandelsposition und dem Umfang der binnenwirtschaftlichen Aktivitäten eines Produktionsortes unterschieden wird. Trotz dieser Unklarheiten stimmen die verschiedenen Angaben im allgemeinen darin überein, daß Großbritannien, die Schweiz und die Bundesrepublik Deutschland überragende Bedeutung als europäische Standorte besitzen. Gelegentlich wird zu dieser Gruppe auch Frankreich gezählt. Als Länder mit mittlerer Bedeutung gelten die skandinavischen Länder, die Niederlande und Italien. Aus einem Bericht der XI. Konferenz der Europäischen Aufsichtsbehörden können genauere Informationen über die Aufteilung der europäischen Produktion für das Jahr 1981 gewonnen werden. Die Schätzungen, die in der Übersicht 2.2 auf der Basis des Berichtes vorgenommen werden, zeigen, daß vier Länder die europäische Rückversicherungsproduktion deutlich dominieren. Als Produktionsstandorte haben die Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, die Schweiz und Frankreich einen Anteil von 77% am europäischen Produktionsvolumen. Das entspricht einem Anteil von 45% auf dem Weltmarkt. In anderer Hinsicht müssen die Angaben in der Literatur durch den Bericht der europäischen Aufsichtsbehörden modifiziert werden. Unter den "großen Vier" nimmt die Bundesrepublik Deutschland eine deutliche Spitzenposition ein; hier finden 37% der europäischen Rückversicherungsproduktion statt. Frankreich weist in etwa eine ebenso große Kapazität wie die Schweiz auf und ist demnach zu der Gruppe der bedeutenden Produktionsstandorte zu zählen. Dagegen haben die skandinavischen Länder zusammen nur einen Anteil von 8%. Die Angaben der niederländischen Aufsichtsbehörde reichen lediglich für eine Schätzung des Verbrauchs aus. Gehen wir von der Annahme aus, daß in den Niederlanden der Umfang der Produktion mindestens dem des Verbrauchs entspricht, gehören sie zusammen mit Italien nach den "großen Vier" zu den wichtigsten europäischen Produktionsorten. Das Produktionsvolumen dieser beiden Länder überträfe zusammengenommen das der vier skandinavischen Länder.

Obersicht 2.1

Das Produktionsvolumen der europäischen Produktionsstandorte

(1)

Belgien *ohne Spezialrückversicherer

304

(2) (3) (4)

Bundesrepublik Deutschland

8611 420 318

(5)

Frankreich *Bruttoprämien

4090

(6)

Großbritannien *ohne das Lebengeschäft der Mischversicherer

1558

(7)

Irland *amtliche Statistiken sind nicht verfügbar, weil die Spezialrückversicherer keiner Aufsicht unterliegen.

(8)

Island *ohne Lebengeschäft

(9)

Italien *Bruttoprämien

Dänemark Finnland *ohne Provisionen

15 2012

(10) Luxemburg *amtliche Statistiken sind nicht verfügbar, weil weder das Rückversicherungsgeschäft der Spezialrück- noch das der Mischversicherer beaufsichtigt wird.

(11) Niederlande

*von den Versicherem abgegebene Rückversicherungsprämie

(12) Norwegen

*Bruttoprämien

(13) (14) (15) (16)

Österreich Portugal Schweden Schweiz *bei den Mischversicherem sind nur die Bruttoprämien verfügbar

(17) Spanien (18) Türkei

1014 613 255 60 568 3275 135 116

Quelle: Bericht der XI. Konferenz der Europäischen Versicherungsaufsicbtsbehörden, Ussabon 1985 Anmerkungen: Soweit im Bericht verfllgbar, werden die Nettoprämien (Prämien auf eigene Rechnung) des gesamten Rückversicherungsgeschäftes (Leben- und Nicht-l..ebengeschäft) der Spezialrückversicherer und der Mischversicherer im inländischen Bilanzbereich im Jahr 1981 in Mio. Dollar gegeben. In eigenen Berechnungen wurde das Leben- und das Nicht-l..ebengeschllft sowie das Geschäft der Spezialversicherer und der Mischversicherer addien. Irland und Luxemburg können nicht berücksichtigt werden. Gegenüber den Schätzungen der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft zum Produktionsvolumen der Weit-Rückversicherungsmärkte weicht die absolute Höhe des so ermittelten europäischen Produktionsvolumens nach unten ab. Für Betrachtungen im Welt-Maßstab finden in diesem Kapitel die Schätzwerte der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft Verwendung. • Anmerkungen in der Originalquelle

32

2. Die Weit-Rückversicherungsmärkte Obersicht 2.2

Die europäischen Produktionsstandorte im 'ÜberbUck. 16 europäische Länder

(23 007)

100%

- die sechs Größten (2) Bundesrepublik Deutschland (6) Großbritannien (16) Schweiz (5) Frankreich (9) Italien (11) Niederlande

(20 387) (8 611) (3 544) (2 947) (2 863) (1 408) (1 014)

100% 37% 15% 13% 12% 6% 4%

(1 735) (568) (429) (420) (318)

8%

(885) (304) (255) (135) (116)

4%

- die skandinavischen Länder (15) Schweden (12) Norwegen (3) Dänemark (4) Finnland - übrige westeuropäische Länder (1) Belgien (13) Österreich (17) Spanien (18) Türkei (14) Portugal (8) Island

(60)

(15)

Quelle: Vgl. die Angaben in Obersicht 2.1.

Anmerkungen: Von insgesamt 18 Slaalcn können Irland und Luxernburg nicht berücksich-

tigt werden, weil sie keine Angaben machen. Die Nettoprllmien Frankreichs, Italiens, Norwegens und der Schweiz stellen Schlllzwerte dar. Für Großbritannien wurde zusiiiZlich das aktive Rückversicherungsgeschllft von Uoyd' s berücksichtigt." Für die übrigen europliseben Länder, für Finnland und im Fall des Lebengeschaftes der britischen Miscbversicheru konnte auf Komkturen verzichtet werden, weil sie keine wesentlichen Änderungen des Gesamtergebnisses herbeifilhren. Schließlich kann der Wert für die Niederlande nur unter dem Vorbehalt berücksichtigt werden, daß die Produktion in diesem Land dem Verbrauch entspricht

Mit Hilfe der Angaben zu den europäischen Produktionsstandorten kann nun auch auf die weltweite Konzentration der Rückversicherungsproduktion geschlossen werden. Mehr als 70% der weltweiten Prämieneinnahmen teilen sich im Welt-Rückversicherungsgeschäft die fünf Industrienationen USA, Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Schweiz und Frankreich.20

19 Lloyd's Global Accounts. Zitiert nach: o. Verf., The National Insurance Market. A View from London, The Econornist Intelligent Unit, London 1985, S. 80. 20 0,45 (vier westeuropäische Staaten)+ 0,26 (USA)= 0,71.

2.3 Außenwirtschaftliche Verflechtung

33

Zu dieser beachtlichen Konzentration konnte es wohl durch die Verteilung des Direktversicherungsgeschäftes kommen, aus dem nicht nur die Nachfrage nach Rückversicherung, sondern auch Gründungen von Spezialrückversicherern hervorgehen. In der Direktversicherung vereinnahmen die Staaten der OECD bereits 92% des weltweiten Prämienaufkommens, drei Viertel dieser Einnahmen entfallen dabei allein auf die sieben führenden westlichen Industrienationen.21 Die angebots- und nachfrageseitigen Zusammenhänge zwischen Direktversicherungs- und Rückversicherungswirtschaft sowie die Konzentration der weltweiten Produktion auf einige wenige hochentwickelte Industrieländer legt die Vermutung nahe, daß Rückversicherungswirtschaften in einer späten Phase der volkswirtschaftlichen Entwicklung entstehen, in der zunächst Werte geschaffen werden, diese dann versichert und schließlich auch rückversichert werden. Die geringe volumenmäßige Entwicklung des Rückversicherungsgeschäftes in den USA weist allerdings darauf hin, daß eine ausgeprägte Direktversicherungsproduktion nicht unter allen Umständen zu einer Spezialisierung auf das Rückversicherungsgeschäft führen muß.

2.3 Außenwirtschaftliche Verflechtung Der sehr unterschiedliche Umfang der Rückversicherungsproduktion in den einzelnen Ländern und Regionen kann genau genommen nur als erster Hinweis auf die außenwirtschaftliche Tätigkeit dienen. Für eine genauere Schätzung fehlen für die europäischen Länder Angaben über den binnenwirtschaftlichen Verbrauch, der von Land zu Land sehr verschieden ist. Zur Struktur der internationalen Arbeitsteilung Westeuropas, der USA und der "übrigen Welt" gibt es dennoch deutliche Anhaltspunkte. Die USA, die die zweitgrößte Produktionsregion der Welt darstellen, haben - wie unsere weiteren Untersuchungen zeigen - während des 20. Jahrhunderts in großem Umfang Rückversicherungsleistungen aus dem Ausland bezogen. Kaum Zweifel dürfte daran bestehen, daß auch die "übrige Welt" auf dem Außenmarkt in erster Linie als Nachfrager auftritt.22 Aufgrund der überragenden Stellung, die die Versicherungsmärkte der USA und Westeuropas in der Welt einnehmen und in größerem Maße noch in der Vergangenheit

21 Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Sigma 5 I 88, S. 11. Die G 7 sind die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kannada und die USA. 22 Diese Annahme veranlaSte die UNCfAD, sich mit dem internationalen Rückversicherungshandel zu beschäftigen. Siehe United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD), Reinsurance Problems in Developing Countries, New York 1973 (TD/B/C.3/ 106/Rev. 1). 3 Werner

34

2. Die Weit-Rückversicherungsmärkte

eingenommen haben, ist zu vermuten, daß der Außenhandelsstrom zwischen dem traditionellen Rückversicherungszentrum Westeuropa und den USA den bedeutendsten interregionalen Außenhandelsstrom im 20. Jahrhundert darstellt. Der größte Teil des Nord-Süd-Handels findet zwischen Buropa und der "übrigen Welt" statt. In Kapitel 4 wird gezeigt, daß die USA mit der "übrigen Welt" nur geringe Handelskontakte unterhalten. Der Außenhandel dieser Ländergruppe ist durch die staatliche Intervention in den Entwicklungsländern gekennzeichnet. Wenngleich die Bildung staatlicher Rückversicherungsinstitutionen die entsprechenden Länder in aller Regel nicht vollkommen vom internationalen Handel losbindet, finden erhebliche Veränderungen hinsichtlich der Form der importierten Rückversicherung statt.23 Das Einfuhrvolumen ist umso geringer, je mehr das auch von der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) empfohlene Ziel erreicht wird, den Eigenbehalt dieser Länder zu erhöhen.

23 Robert L. Carter/Gerard M. Dicldnson, Barriers to Trade in lnsurance, Trade Policy Research Center, London 1979, S. 6/1-6/4.

3. Die US-Rückversicherungswirtschaft Nachdem in Kapitel 2 ein Überblick über die Welt-Rückversicherungsmärkte gegeben wurde, wenden wir uns nun der Rückversicherungswirtschaft der USA zu. Mit der Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen werden in Abschnitt 3.1 Standortbedingungen der US-Rückversicherungswirtschaft dargestellt, die für deren Entwicklung von besonderer Bedeutung waren. Abschnitt 3.2 wendet sich der Branche dann mit einer vornehmlich quantitativ ausgerichteten Betrachtung zu.

3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen Aufsichtsrechtliche Bestimmungen, die in der Versicherungswirtschaft in der Form von Zulassungsbeschränkungen, Begrenzungen der Tätigkeitsfelder der zugelassenen Unternehmen sowie durch Vorgaben bei der Produkt- und Preisgestaltung auftreten, üben in dieser Branche maßgeblichen Einfluß auf die Wesensmerkmale der Unternehmen, der Dienstleistungen und der Märkte aus. Das Versicherungsaufsichtsrecht läßt sich für unsere Zwecke in die aufsichtsrechtlichen Regelungen für das direkte und das indirekte Versicherungsgeschäft unterteilen. In den meisten Ländern wird das indirekte Geschäft weit weniger als das direkte Geschäft beaufsichtigt. 1 Die Gründe dafür liegen erstens in der geringeren Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers, der - anders als beim Direktversicherungsgeschäft - stets ein berufsmäßiger Risikoträger ist, zweitens in der internationalen Ausrichtung des Rückversicherungsgeschäftes, durch die die Beaufsichtigung erschwert wird, sowie drittens in der Flexibilität der Rückversicherungsverträge, die der Beaufsichtigung von vornherein Grenzen setzt. Daß das Rückversicherungsgeschäft von den Versicherungsaufsichtsbehörden dennoch nicht ganz außer acht gelassen wird, ist darauf zurückzuführen, daß die Einhaltung der Leistungsversprechen der Direktversicherer häufig ganz maßgeblich von der Erfüllung der Zusagen der Rückversicherer abhängt. 2 1 Spencer L. Kimball/Wemer Pfenningstorf, The Regulation of Insurance Companies in the United States and the European Communities. A Comparative Study, Washington D.C. 1981, S. 15. 2 Vgl. National Association of lnsurance Commissioners, Report to the Sub-Committee to Study the Question of Re-Insurance, 1950, S. 3.

36

3. Die US-Rückversicherungswirtschaft

Auch in den USA wird das Rückversicherungsgeschäft weit weniger als das Direktversicherungsgeschäft beaufsichtigt. Weitere Einschätzungen zur Aufsicht über das Rückversicherungsgeschäft werden für die USA allerdings schwierig. Zweifelhaft ist bereits, ob in den USA überhaupt eine kohärente Strategie zur Beaufsichtigung des Rückversicherungsgeschäftes besteht. Der Präsident der Reinsurance Association of Arnerica, Andre Maisonpierre, beschreibt die Situation folgendermaßen: 3 "The ignorance and confusion over the way in which reinsurance is regulated in the US is appalling. If asked, most US insurance regulators would say there is no reinsurance regulation or, if honest, would admit to not knowing how reinsurance is regulated, even in their own states." Angesichts der beschriebenen Situation ist es nicht weiter verwunderlich, daß in der Literatur Arbeiten zum Versicherungsaufsichtsrecht des indirekten Geschäftes in den USA fehlen. Über detaillierte Kenntnisse verfügen indes die Rückversicherer sowie die Anwaltsfirmen, die sich auf dieses Geschäft spezialisiert haben. Ein Teil dieses Wissens kam Ende der 70er und zu Beginn der 80er Jahre in den Geschäftszeitschriften der Versicherungswirtschaft zum Vorschein. Während in den 70er Jahren Artikel unter dem Eindruck des verstärkten Interesses ausländischer Investoren am US-Versicherungsmarkt entstanden,4 stellte sich die Frage der Rückversicherungsaufsicht in den 80er Jahrenaufgrund spektakulärer Geschäftzusammenbrüche, die in den USA und Großbritannien durch fragwürdige Rückversicherungspraktiken verursacht worden waren.5 Während die Artikel in den Geschäftszeitschriften nur zu besonderen Fragen der Rückversicherungsaufsicht Auskunft geben, liegt das eigentliche Problem bei der Darstellung der aufsichtsrechtlichen Regelungen in deren Unbestimmtheit. Da die Beaufsichtigung des Versicherungsgeschäftes in den USA im Aufgabenbereich der Einzelstaaten liegt, gibt es anstatt einer Versicherungsaufsichtsbehörde fünfzig solcher Stellen, die ein Gewirr unterschiedlicher Gesetze, Durchführungsbestimmungen und Praktiken geschaffen haben. Hinsichtlich des Rückversicherungsgeschäftes liegt deren Tätigkeit großenteils in der Grauzone von Gentlemen's Agreements. Und schließlich

3

Andre Maisonpierre, States of Confusion, in: The Review, September 1987,

s. 73.

4 Vgl. etwa Bemard J. Daenzer, World Markets For American Risks. Foreign Companies increasing U.S. Share, in: The National Underwriter, December 10, 1976,

s. 24.

5 lohn C. Gurley, Regulation of Reinsurance in the United States, in: The National Underwriter, August 26, 1983, Part 2, S. 52 ff., sowie Edward H. Gumbel, The Supervision of Reinsurance. An Overview, in: Best's Review, April 1983, S. 90-96.

3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

37

unterliegt die Anwendung und Interpretation der aufsichtrechtlichen Regelungen bei den von politischen Volksvertretern besetzten Aufsichtsbehörden einem raschen und launischen Wechsel. Die nun folgenden Überlegungen zur Regulierung des Rückversicherungsgeschäftes orientieren sich an ausgewählten Grundzügen der allgemeinen Versicherungsaufsicht, die in Abschnitt 3.1.1 vorgestellt werden. Anband dieser Merkmale und den Informationen aus den Geschäftszeitschriften können in Abschnitt 3.1.2 einige Besonderheiten der Rückversicherungsaufsicht und in Abschnitt 3.1.3 Aspekte des Zugangs zum US-Rückversicherungsmarkt beschrieben werden. Aufgrund der schlechten Literaturlage beschränken sich die Ausführungen auf den Versuch einer Bestandsaufnahme derjenigen rechtlichen Rahmenbedingungen, die über einen längeren Zeitraum bestanden haben. Es handelt sich dabei um die für die gesamte Versicherungswirtschaft geltende einzelstaatliche Aufsichtskompetenz und die Unterteilung des Marktes in zwei unterschiedlich regulierte Teilmärkte, den Admitted Market und den Non-admitted Market. Die Interpretation dieser Merkmale in Hinblick auf die Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der inländischen und ausländischen Marktteilnehmer erfolgt in Kapitel 5. 3.1.1 Grundzüge des aUgemeinen Versicbemngsaufsichtsrechtes Das auffalligste Merkmal der Versicherungsaufsicht in den USA besteht wohl darin, daß es den Einzelstaaten obliegt. Die aus der über 200 Jahre alten Verfassung abgeleitete dezentrale Zuständigkeit für die Belange der Versicherungswirtschaft hat unter anderem zur Niederlassungs- und Zulassungspflicht eines jeden Versicherers im Einzelstaat seiner Betätigung geführt mit dem bemerkenswerten Ergebnis, daß es in den USA bis heute keinen einheitlichen nationalen Versicherungsmarkt gibt. Bundeseinheitliche Regelungen können von dem Zusammenschluß der einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden, der National Association of Insurance Commissioners (NAIC), lediglich empfohlen werden. Entsprechend dem föderativen Aufbau der Versicherungsaufsicht haben sich auch die Bezeichnungen für die Versicherer entwickelt. Nach dem Ort ihres Domizils werden drei Gruppen unterschieden: Alien, Domestic und Foreign Insurers.6 Alien Insurers sind außerhalb, Domestic wie auch Foreign

6 Zur US-Terminologie vgl. National Association of lnsurance Commissioners, Information About the Alien Non-Adrnitted Insurers Information Office (Broschüre); Daniel I. Simon, Legal Points of American Reinsurance, in: International Reinsurance, The Law and Market Practice. Papier präsentiert vor dem RRG-Seminar am 15.

38

3. Die US-Rückversicherungswirtschaft

Insurers innerhalb der USA domiziliert. Aus der einzelstaatlichen Sicht ist ein innerhalb des Bundesstaates domiziliertes Unternehmen ein Domestic Insurer, ein Unternehmen mit Domizil in einem anderen Einzelstaat dagegen ein Foreign Insurer. Begriffsverwirrungen entstehen regelmäßig dadurch, daß in Texten, die vornehmlich auf internationale Zusammenhänge Bezug nehmen, ein anderer Sprachgebrauch vorherrscht, in dem in der Regel nur zwischen Inländern und Ausländern, zwischen Domestic und Foreign Insurers unterschieden wird. Alien Insurers werden dann als Foreign Insurers und Foreign Insurers als Domestic Insurers qualifiziert. Im weitereren wird ausschließlich die einzelstaatliche Terminologie verwendet. Das zweite konstituierende Merkmal des Versicherungsaufsichtsrechtes der USA, die Unterscheidung zweier unterschiedlich regulierter Teilmärkte, dem Admitted Market und dem Non-admitted Market, dient im Versicherungsaufsichtsrecht anderer Länder der Unterscheidung von Produzenten inländischen und ausländischen Domizils. In den USA führt sie aufgrund der einzelstaatlichen Perspektive des Aufsichtsrechtes zu einer Unterscheidung zwischen Domestic Insurers einerseits und Foreign und Alien Insurers andererseits. Der Markt der nicht zugelassenen Unternehmen setzt sich hier also aus einer Mischung von Unternehmen zusammen, die ihr Domizil entweder in einem anderen Einzelstaat der USA oder im Ausland haben. Im Vergleich der beiden Segmente des Marktes weist der Admitted Market als regulärer Zulassungsmarkt in den USA beachtenswerterweise einen sehr viel höheren Regulierungsgrad auf als der Non-admitted Market. Die amerikanischen Aufsichtsbehörden schafften auf dem Non-admitted Market aufgrund von Kapazitätsengpässen, die sich unter den rechtlichen Rahmenbedingungen des Admitted Market für schwer versicherbare Risiken in schneller Folge wiederholten, liberale Bedingungen, die sie für die zugelassenen Unternehmen nicht akzeptieren wollten. Während auf beiden Teilmärkten eine Solvenzaufsicht besteht, findet nur auf dem Admitted Market eine Reglementierung der Vertrags- und Preisgestaltung statt. Versicherungsgeschäfte, die in den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des Admitted Market geregelt werden, müssen entsprechend den dortigen Vorschriften zur Vertrags- und Preisgestaltung durchgeführt werden. Nur die übrigen Geschäfte können nach den Regeln des Non-admitted Market geschlossen werden. 7 Mit einem Anteil am US-Versicherungsmarkt von bis zu

und 16.2.1982, Lloyd's of London Press Ltd. o.O., S. 18 ff.; Samuel H. Weese, NonAdmitted Insurance in the United States, Homewood, lllinois 1971, S. 4. 7 Die verschiedenen Geschäfte des Non-admitted Market werden beschrieben in: National Association Of lnsurance Commissioners, A Background Study of The Non-

3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

39

3% hat der Non-admitted Market dem Volumen nach denn auch eine weitaus geringere Bedeutung als der Admitted Market.8 Aufgrund seines geringeren Regulierungsgrades übt er jedoch durch die Entwicklung und Einführung neuer Produkte wichtige Innovationsfunktionen für den gesamten Versicherungsmarkt aus.9

3.1.2 Besonderheiten der Beaufsichtigung des Rückversicberungsges